er De er Tal Der De a “ - : z y u a Ze vun * -. “ “. 14a re } m. “ En en een en an BE Ze u 2 5 502 > ..—. HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. \IS. Bo Ass 17 v n Mh fi BEITRAGE ZUR CHEMISCHEN PHYSIOLOGIE UND PATHOLOGIE VIERTER BAND Be i Bl. Pl ’.. m 7 N M Ä 4 Le WTA, % , > aa ur L- BR En BEITRAGE ZUR CHEMISCHEN PHYSIOLOGIE UND PATHOLOGIE ZEITSCHRIFT FÜR DIE GESAMTE BIOCHEMIE UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON FRANZ HOFMEISTER O0. PROFESSOR DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE AN DER UNIVERSITÄT STRASSBURG VIERTER BAND BRAUNSCHWEIG VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN 1904 Alle Rechte, namentlich dasjenige der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten M: II. IV. v1. Sl. v1l. INHALT, A. Abhandlungen. Über die optische Aktivität des Hämoglobins und des Globins. Von Arthur Gamgee, M.D., F.R.S., emer. Prof. der Physiologie am „Owens College, Victoria Uni- ars aid Aacrart Hill, M. A. M.B. ... 7%. Über die Nucleoproteide des Pankreas, der Thymus und der Nebenniere, mit besonderer Berücksichtigung ihrer optischen Aktivität. Von Arthur Gamgee, M.D., emer. Professor der Physiologie am Owens College, Victoria Universität und Walter Jones, Ph. D., Associate Professor der Physiologischen Chemie an der John Hopkins Universität Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoff- wechsels. Erste Mitteilung: Der Hungerstoffwechsel der Insekten. Von Dr. med. B. Slowtzoff Über das Haarpigment. Von Dr. Eduard Spiegler (Wien), Dozent an der Wiener Universität. (Aus dem chem. Laboratorium von Hofrat A. Lieben, Wien.) Erste Mitteilung Über Hemmungen der Präzipitinreaktion. Von Dr. Leonor Michaelis, Assistent an der I. medizin. Klinik der kgl. Charite in Berlin. (Aus dem tierphysiologischen Institut der landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin. Direktor: ER AR Über die antitryptische Wirkung des Blutes. Von Dr. Karl Glaessner. [Aus der medizin. Klinik zu Würzburg ' (Geh. Rat von Leube) und der inneren Abteilung des Augusta-Hospitals zu Berlin (Geh. Rat Ewald.)] . Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse von physiologischen und pathologischen Verhält- nissen. Von Dr. Eugen Schlesinger, Kinderarzt. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.) Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. Von Ivar Bang. (Aus dem physiologisch - chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Erste Mitteilung, Die Nucleoproteide der Thymus und deren Zusammensetzung Seite 10 23 40 59 87 IX. xl. Zi XIll. KATY, XV. xVI. XVII. XVIH. XIX. XX. XXI. Inhalt. , Seite Zur Kenntnis der Verdauungs- und Resorptionsvorgänge im Magen. Von Dr. Felix Reach (Karlsbad). (Aus dem physiologisch-chemischen Institut in Straßburg.) Zur Kenntnis der Ochronose. Von Dr. med. et phil. Leo Langstein. (Aus dem patholog. Institut des Krankenhauses Friedrichshain in Berlin. Vorsteher: Prof. v. Hansemann.) Der Brechungskoeffizient der Eiweißkörper des Blutserums. Von Dr. Emil Reiß. (Aus dem physiologisch- chemischen Institut zu Straßburg.) Uber die Wirkungsweise des Trypsins. Von Moritz Schwarzschild (Köln). (Aus dem ie chemischen Institut zu Straßburg.) Tryptophan, eine Vorstufe des Indols bei der Eiweiß- fäulnis. Vorläufige Mitteilung von Alexander Ellinger und cand. med. Max Gentzen. (Aus dem Universitäts- Laboratorium für medizinische Chemie und experimentelle Pharmakologie zu Königsberg i. Pr.) Über die Darstellung der Guanylsäure. Von Ivar Bang und C. A. Raaschou. (Aus dem physiolog.-chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Uber die Bestimmung des Fettgehaltes tierischer Flüssig- keiten nach Pflüger-Dormeyer. Von Professor Dr. Muneo Kumagawa und Privatdozent Kenzo Suto. (Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Universität zu Tokio.) Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. Von G. v. Bergmann. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.) Über Crotin-Immunität. Von Privatdozent Dr. Martin Jacoby, Assistenten am pharmakologischen Institut. (Aus dem pharmakologischen Institut zu Heidelberg.) Über die Wirkung des Rieins auf Fischblut. Ein Beitrag zur Frage der natürlichen Immunität. Von Dr. Albert Fraenkel-Badenweiler. (Aus dem pharmakologischen Institut zu Heidelberg.) Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. Von Dr. phil. et med. Anton Steyrer, klinischem Assi- stenten. (Aus der II. medizinischen Klinik in Berlin.) Zur Kenntnis der Eiweißbildung bei den Pilzen. Von Oskar Loew Über das biologische Verhalten von Nerol, Geraniol, Cyelogeraniol. Von Dr. med. Herm. Hildebrandt 139 145 155 171 192 224 234 247 251 XXI. XXI. XXIV. xXXV. XXVL XXVL. XXVIl. XXX. XXX. XXXI Inhalt. Über die Beurteilung des Fäulniszustandes von Fleisch nach dem Gehalt an Bernsteinsäure. Von Dr. H. Wolff, chem. Assistent an der I. med. Klinik in Berlin. [Aus der I. med. Klinik der Univ. Berlin (Abteilung für Krebsforschung). (Direktor: Geh. Rat Professor Dr. E. v. Leyden.)] Über die Einwirkung der Trypsinverdauung auf die Prä- zipitinreaktion. Von Dr. phil. et med. Karl Oppen- heimer, Assistenten des Instituts. (Aus dem tier- physiol. Inst. der Landwirtschaftl. Hochschule Berlin, Dir.: Prof. Dr. N. Zuutz.) Über das Schicksal der mit Umgehung des Darmkanals eingeführten Eiweißstoffe im Tierkörper. Von Dr. phil. et med. CarlOÖppenheimer, Assistenten des Instituts. [Aus dem tierphysiol. Inst. der Landwirtschaftl. Hoch- schule in Berlin. (Dir.: Prof. Dr. N. Zuntz.)] Über das Verhalten des genuinen Serums gegen die tryptische Verdauung. Von Dr. phil. et med. Carl Oppenheimer und Dr. phil. Hans Aron, Assistenten des Instituts. |Aus dem tierphysiol. Institut der Land- wirtschaftlichen Hochschule in Berlin. (Direktor: Prof. Dr. N. Zuntz.)] A a RR Die Fällung von Kolloiden. Von K. Spiro. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.) Über einige Derivate des Taurins und die Synthese der Taurocholsäure.. Von Dr. Siegfried Tauber, Wien. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.) Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. Von Ivar Bang. (Aus dem physiologisch - chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Zweite Mitteilung. Über die Konstitution des nativen Histonnucleinats Chemische Untersuchungen der lymphatischen Organe. Von Ivar Bang. (Aus dem physiologisch - chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Dritte Mitteilung. Über das Vorkommen von Nucleoproteiden in Lymph- drüsen, Milz, weißen Blutkörperchen und Sarkomen . Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. Von Dr. P. Morawitz. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Straßburg.) Über die Zerstörung des Suprarenins (Adrenalins) im Organismus. Von Dr. Gustav Embden, Assistent am physiologischen Institut und Privatdozent Dr. Otto v. Fürth, Assistent am physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.) ER REN vIoI Seite 254 ID ot Ne) 265 .. 279 331 381 421 VIII XXX. XXX. XXXIV. XXXV. KXXVI, XXXVIL XXXVID. XXXIX. XL. XLI. XLI. XL. Inhalt. Über das Verhalten des Fettes bei der Keimung ölhaltiger Samen. Von Dr. Otto von Fürth, Privatdozent und Assistent am physiologisch-chemischen Institut zu Straß- burg. (Aus dem nn OR Institut zu Straßburg.) Zur Physiologie des Warmblütermuskels, Von Dr.‘ Walther Freund, Assistenten der Klinik. (Aus dem Laboratorium der Universitäts-Kinderklinik zu Breslau.) Uber ein proteolytisches Ferment im Blute bei myelogener Leukämie. Von O. Schumm. (Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg- Eppendorf.) Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. Von OÖ. Schumm. (Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppendorf.) Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoff- wechsels. Von Dr. med. B. Slowtzoff. Zweite Mit- teilung: Der Hungerstoffwechsel der Weinbergschnecke Über das Plastein aus kristallisiertem Ovalbumin und über das. Verhalten der Plasteinalbumosen zur Magen- und Dünndarmschleimhaut des Hundes. Von D. Kurajeff. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der Universität Charkow.) Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen der schwefelhaltigen Eiweißabkömmlinge. Dritte Mit- teilung: Uber die Konstitution der Merkaptursäuren. Von E. Friedmann. (Aus dem physiologisch - ‚chemischen Institut zu Straßburg.) Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. Von Dr. J. Feinschmidt aus Charkow, Volontärarzt an der I. medizinischen Klinik in Berlin. (Aus dem Laboratorium der I. medizinischen Klinik zu Berlin.) Über die glykolytische Wirkung der Leber. Von Dr. Rahel Hirsch. (Aus dem er -chemischen Institut zu Straßburg.) a Über die koagulierende Wirken KERTEN EN re Extrakte auf Albumosenlösungen und Milch. Von Dr. A. Nürnberg. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der Universität Charkow.) = Uber .die plasteinogene Substanz. Von .cand. med. H. Bayer. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.) Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin. Von Dr. Leopold ‘Moll, Assistenten des Instituts. Seite 430 438 453 460 476 486 511 535 555 XLIV. Inhalt. (Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Uni- versität in Prog.) Über Blutveränderungen nach Eiweißinjektionen. Von Dr. Leopold Moll, Assistent des Instituts. (Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität in Prag.) Berichtigungen B. Kürzere Mitteilungen. Wird der Muskelsaft durch Autolyse gebildet? Von Sigval Schmidt-Nielsen (Bergen, Norwegen). (Aus dem medizinisch - chemischen Institute der Universität Upsala.) Bemerkung zu der Arbeit von K. Glaeßner „Über die antitryptische Wirkung des Blutes“. Von K. Land- steiner Bemerkungen zu der Mitteilung von L. Langstein „Zur Kenntnis der Ochronose“. Von Dr. Emil Zdarek Über das Verhalten des Phenylglycins im_ tierischen Organismus. Von Fritz Rosenfeld. [Aus der I. medizin. Klinik der Universität Berlin. (Dir.: Geh. Rat E. v. Leyden.)] IX Seite 578 590 ’ is FG L . . '» ar ie Pr a a era . u “ + i wei, dr RE 7 # , . Ei {r. 2 erE ee a a a Ka R Yu % Se Bear) ke PL > 061 83 1904 Ste Beiträge zur Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister 0. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg IV. Band. 1. und 2. Heft (Ausgegeben Mai 1905) Braunschweig Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn 1903 Inhalt des 1. und 2. Heftes. Seite I. Arthur Gamgee und A. Croft Hille Über die optische Aktivität des Hämoglobins und des Gbms „4, .. 1. Ks mer II. Arthur @amgee und Walter Jones. Über die Nucleoproteide des Pankreas, des Thymus und der Nebenniere, mit besonderer Berück- sichtigung ihrer optischen Aktivität. . . » . U III. B. Slowtzoff. Beiträge zur vergleichenden Piysichogi ee Anger stoffwechsels. Erste Mitteilung . . . . 5 23 IV. Eduard Spiegler. Über das Haarpigment. Erste Mitteilank. nes dem chem. Laboratorium von Hofrat A. Lieben, Wien). . . . . 40 V. Leonor Michaelis. Über Hemmungen der Präzipitinreaktion. [Aus dem tierphysiologischen Institut der ee Hochschule eu. Berlin. (Prof. Dr. Zina)] 2 er. 3% 59 VI. Karl Glaessner. Über die antitryptische Wirkung des Blutes, [Aus der medizin. Klinik zu Würzburg (Geh. Rat v. Leube) und der inneren Abteilung des Augusta-Hospitals zu Berlin (Geh. Rat Bald) 2: ZT TE ne Se Dre Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie‘ erscheinen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von 36 Druckbogen zum Preise von M. 15,— bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Maßgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre er- scheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Straßburg i. E,, Wimpfelingstraße 2, zu richten. Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung, Sachlich- keit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung maßgebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer tatsächlichen Richtig- stellung” überschreiten, können nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mit- teilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein besonders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40,— für den Druck- bogen und 50 Sonderabzüge. I. Über die optische Aktivität des Hämoglobins und des Globins. Von Arthur Gamgee, M. D., F. R. S., emer. Prof. der Physiologie am „Owens College, Victoria University“ und A. Croft Hill, m. A., M. B. Alle bisher veröffentlichten Beobachtungen über die optische Aktivität der Eiweiß-Substanzen haben ergeben, daß die letzteren, ob vegetabilischer oder animaler Herkunft, ausnahmslos die Polari- sations- Ebene nach links drehen. Ein Fall von Rechtsdrehung oder Inaktivität war bei ihnen bisher nicht bekannt.) Es gibt nun eine Gruppe von Eiweiß-Substanzen, welche, trotz- dem sie Körper von hohem physiologischem und chemischem Interesse umfaßt, hinsichtlich ihrer optischen Aktivität bisher vollkommen vernachlässigt worden ist. Das ist die Gruppe, welche _ von den deutschen Autoren als „Proteide“* bezeichnet worden ist. Diese Gruppe umfaßt jene hochzusammengesetzten Eiweiß-Sub- stanzen, welche mehr oder minder leicht gespalten werden können und dabei einerseits Eiweiß, andererseits Farbstoffe, Nucleine oder Nucleinsäuren und, als Zersetzungsprodukte der letzteren, Purinbasen liefern. Die hauptsächlichsten und charakteristischsten (lieder dieser Gruppe sind: 1) die Hämoglobine. und deren Verbin- dungen, 2) die Nucleoproteide und die Nucleine. Die Proteid - Verbindung „Hämoglobin“ zeichnet sich vor allen anderen Gliedern der Eiweißgruppe aus durch ihre Farbe, durch ihre merkwürdige Fähigkeit leicht spaltbare Verbindungen mit Sauerstoff und gewissen anderen Gasen zu bilden, ferner durch die ihr eigentümliche leichte Krystallisierbarkeit und Fähig- keit der Rekrystallisation, dadurch, daß sie sich frei von allen fremden Mineral - Substanzen darstellen läßt, endlich durch *) Vgl. die Anmerkung am Schlusse der folgenden Arbeit. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 1 92 Arthur Gamgee u. A. Croft Hill, die staunenswerte Eigenschaft, daß ihre Lösungen keine der charak- teristischen Reaktionen gelöster Eiweiß - Substanzen geben, so- lange nämlich als sie noch keine fundamentale Zer- setzung durch ein Reagens erlitten haben, durch welche eine Trennung des Eiweißes und des Farbstoffes erfolgt. Zudem haben Untersuchungen des einen von uns kürzlich gezeigt, daß, während Hämoglobin ein diamagnetischer Körper ist, seine durch Säuren gewonnenen eisenhaltigen Zersetzungs- produkte nicht bloß paramagnetisch, sondern überhaupt — soviel bisher bekannt — die mächtigsten „ferromagnetischen“ organischen Körper sind.*) Diese, hinsichtlich ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften, so völlige Verschiedenheit des Hämoglobins von seinen unmittelbaren Zersetzungsprodukten ist so auffällig, daß es höchst interessant erschien zu prüfen, ob das Hämoglobin auch hinsichtlich seiner optischen Aktivität sich — wie ein echter Eiweiß- körper — als „linksdrehend“ erweist. War es möglich diese Frage zu entscheiden, so mußte der nächste Schritt der Forschung sein, die optische Aktivität der eiweißhaltigen Produkte und der Farb- stoff-Produkte des Hämoglobin-Moleküls zu bestimmen. 1. Bestimmung der optischen Aktivität des Hämoglobins. Dasselbe ist rechtsdrehend. Soviel uns bekannt, ist das Verhalten von Lösungen farbiger organischer Körper in bezug auf ihre optische Aktivität bisher nicht zum Gegenstande ernster Untersuchung gemacht worden. Landolt**) erwähnt in der letzten Ausgabe seines maßgebenden Werkes, in welchem alle zuverlässigen Mitteilungen über die optische Wirksamkeit organischer Körper verzeichnet sind, nur _ einen rechtsdrehenden vegetabilischen Farbstoff, das Hämatoxylin. Seine alkoholische Lösung soll die Polarisationsebene nach rechts drehen. Daß das Studium der optischen Aktivität farbiger Lösungen darniederlag, kann uns nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, um wie viel größer die Schwierigkeiten sind, die sich ihrer Unter- *) A. Gamgee: „On the behaviour of Oxy-Hämoglobin, Carbonic- oxide-Hämoglobin, Methämoglobin, and certains of their derivatives in the Magnetic Field, with a Preliminary note on the Electrolysis of the Hämo- globin Compounds.“ (Proceed. of The Royal Society, Vol. 68, p. 503.) A. Gamgee: The Croonian Lecture for 1902. „On certain Chemical and Physical Properties of Hämoglobin.“ (Proceed. of The Royal Society, Vol. 70, p. 79.) Ara **) Dr. H. Landolt, Das optische Drehungsvermögen organischer Substanzen etc. Zweite gänzlich umgearbeitete Auflage. Vieweg u. Sohn. 1898. Über die optische Aktivität des Hämoglobins und des Globins. 3 suchung entgegenstellen, im Vergleiche mit der Prüfung farbloser Flüssigkeiten. Untersuchungsmethode. Setzt man eine 1 cm dicke Schichte einer 0,9 Proz. Oxy- oder CO-Hämosglobin enthaltenden Lösung dem Durchtritte eines starken weißen Lichtstrahles aus, so bleibt von dem ganzen Spektrum einzig nur jener Teil unabsorbiert, welcher von der Linie B bis nahe an die rote Seite von D reicht. Daraus ging hervor, daß wir für unsere Versuche nur rotes Licht brauchen konnten und daß anstatt eines der gewöhnlichen in Laboratorien gebräuch- lichen Polarimeter, deren Einrichtung nur ihre Anwendung für Licht einer bestimmten Wellenlänge gestattet (die Halbschatten- Polarimeter vom Typus Laurent sind für monochromatisches Natriumlicht eingerichtet), ein Apparat angewendet werden .mußte, der die Untersuchung in Licht von beliebiger Wellenlänge zuließ. Anfangs bedienten wir uns versuchsweise der Lithiumflamme als Lichtquelle, allein es war unmöglich, damit ein genügend intensives oder konstantes Licht zu erzielen. Daher benutzten wir fürderhin das Licht einer Bogenlampe nach seinem Durchtritt durch Landolts Filter für rote Strahlen. Dieses Lichtfilter besteht aus einer Dovupelkammer von je 20 mm Tiefe. Die eine derselben enthält eine Lösung von Hexamethylpararos- anilin, das im Handel unter dem Namen „Krystallviolett“ 5 BO erhält- lich ist. Von dieser Verbindung wird 0.05 g in wenig Alkohol gelöst und dann mit Wasser bis zu einem Liter verdünnt. Läßt man Licht durch eine 20 mm dicke Schicht dieser Lösung treten, so erhält man als - Spektrum einen schmalen roten Streifen und einen breiten blauvioletten Teil. Enthält nun die zweite Abteilung der Doppelkammer eine Lösung von 10 g Kaliumchromat auf 100 ccm aq. dest., so wird auch das Blau- violett vollständig absorbiert, und vom Spektrum bleibt nur ein schmales Band, welches von 4 718 bis 4 639 uu reicht und hier scharf abgegrenzt endet. Der „optische Schwerpunkt“ entspricht / 665 uu, während die Wellenlänge von C = / 656,3 uu beträgt.*) Mit Hilfe des Lichtfilters erhielten wir einen annähernd homo- genen roten Lichtstrahl von der mittleren Wellenlänge der Linie © und von genügender Intensität, um Beobachtungen mit Lösungen von etwa 1 g Hämoglobin auf 100 cem Wasser zuzulassen. In den verschiedenen Beobachtungs - Serien benutzten wir Röhren von 100 mm und 200 mm Länge. Als Polarimeter diente uns bei unseren Versuchen ein vorzügliches Lippichsches „Halbschattenpolarimeter“ mit dreiteiligem Gesichtsfeld, von Schmidt u. Haensch (Berlin) verfertigt, Eigentum des „Davy-Faraday Laboratory of the Royal Institution of Great Britain“. *) Landolt, op. cit. pp. 387—390. 1* 4 Arthur Gamgee u. A. Croft Hill, Das verwendete Hämoglobin. Die Hämoglobin-Lösungen, welche in diesen Bestimmungen angewandt wurden — die Resultate geben wir weiter unten — waren aus Oxy-Hämoglobin von bemerkenswerter Reinheit her- gestellt worden, welches aus Pferdeblut nach dem Verfahren von Zinoffsky*) und zwar nach seiner besten (der dritten) Methode gewonnen war. Es wurden zwei Präparate von Hämoglobin verwendet, die im Großen und in einem Zwischenraum von mehreren Monaten bereitet waren. Das Oxyhämoglobin war dreimal umkrystallisiert; das Produkt wurde jedesmal nach dem Krystallisieren viele Male mit eiskaltem, de- stilliertem Wasser gewaschen, dessen Reinheit durch Bestimmung seines elektrischen Widerstandes kontrolliert war. Die Lösung‘ enthielt 2,446 g Hämoglobin in 100 ccm. Behufs polarimetrischer Prüfung wurde diese Lösung mit dem gleichen Volumen destillierten Wassers verdünnt. Diese Lösung enthielt daher bei der Prüfung 1,223 g Oxyhämoglobin in 100 cem. Das zur Herstellung der CO-Hämoglobin-Lösung verwendete Prä- parat war viermal umkrystallisiert worden. Nach jeder einzelnen Krystalli- sation waren die Krystalle wie das Oxyhämoglobin mit reinem destil- liertem Wasser gewaschen worden, Die Lösung der gewaschenen Krystalle der vierten Krystallisation wurde mit CO gesättigt. Diese Lösung ent- hielt 1,84 g trockenen CO-Hämoglobins. Behufs polarimetrischer Messung wurde sie mit einem gleichen Volumen destillierten Wassers verdünnt. Die Lösung enthielt bei der polarimetrischen Untersuchung demgemäß 0,92 g CO-Hämoglobin in 100 ccm. Versuche. A. Oxy-Hämoglobin. Die oben bezeichnete verdünnte Lösung von Oxyhämoglobin, welche 1,223 g Hämoglobin in 100 ccm enthielt, wurde gründlich mit O gesättigt, bevor sie der polarimetrischen Prüfung unterzogen wurde. In allen Beobachtungsreihen wurde das 1 Dezimeter-Rohr verwendet. Es wurden drei Versuchsreihen durchgeführt. Beobachteter Spezif. Drehung Winkel (@)e 1. Mittel der ersten Beobachtungsreihe + 0°.12 A AR IPA „ zweiten N -+ 0°.125 +.10%2 Bir, „ dritten 5 +:091935 7 20 Aus obigen Beobachtungen schließen wir auf die spezifische Drehung des Oxy-Hämoglobins für Licht mittlerer Wellenlänge von C, (ac = + 10°.0 + 0°. B. CO-Hämoglobin. Mit der oben beschriebenen, verdünnten CO - Hämoglobin-Lösung, welche 0,92 g CO-Hämoglobin in 100 ccm enthielt, wurden zwei Beob- *) Zinoffsky, O., „Über die Größe des Hämoglobin-Moleküls“. Zeit- schrift f. physiol. Chemie, 10, 23 (1886). Über die optische Aktivität des Hämoglobins und des Globins. 5 achtungsreihen vorgenommen, die erste mit dem 1 Dezimeter - Rohr, die zweite mit dem 2 Dezimeter-Rohr. Länge Beobachteter Spezifische des Rohrs Winkel Drehung 1. Mittel der ersten Beobachtungsreihe 1 Dezim. + 0°.098 + 10°.65 Bsei, „ zweiten £ AT EN 103: Als Mittel beider Beobachtungsreihen erhalten wir für die spezifische Drehung einer Lösung von CO-Hämoglobin (Gehalt von 0,92 g auf 100 ccm.) (en = 5 100,8. Berücksichtigt man das schwache Drehungsvermögen des Hämoglobins, so muß das Übereinstimmen des Drehungsver- mögens für Oxy- und CO -Hämoglobin befriedigend berühren und die Schlußfolgerung nahelegen, daß die Anlagerung des Sauerstoff- oder Kohlenoxyd-Moleküls an das Hämoglobin seine spezifische Drehung nicht beeinflußt. Den Beweis für die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung lieferte das direkte Experiment. C. Dieselbe Hämoglobin-Lösung, das eine Mal mit O, das andere Mal mit CO gesättigt und verglichen. Um durch das direkte Experiment zu bestimmen, ob die lockere Verbindung des Hämoglobins mit OÖ und mit CO einen Einfluß auf die spezifische Drehung desselben ausübt, wurden Versuche mit derselben Oxyhämoglobinlösung ausgeführt, deren wir uns für die drei Beobachtungsreihen unter A bedient hatten und die 1,223 g in 100 cem Wasser enthielt. Eine Portion dieser | Lösung war mit OÖ gesättigt; eine andere Portion wurde mit CO bis zur vollständigen Verjagung des O aus seiner Verbindung mit Hämoglobin und dessen Ersatz durch CO geschüttelt. In dieser Weise erhielten wir zwei Lösungen, welche völlig identisch waren, bis auf den Umstand, daß in dem einen Falle das Hämo- globin mit O, in dem anderen mit CO verbunden war. Die Lösungen wurden in Röhren derselben Länge und unter den gleichen Beleuchtungsbedingungen geprüft. Es ergab sich in beiden Fällen gleiche Drehung; der mittlere Wert derselben entspricht der spezifischen Drehung (e)c = + 10°.0. Es muß bemerkt werden, daß die unter A und C mitgeteilten Beobachtungen später als die mit CO - Hämoglobin unter B vorgenommen wurden. Besonders in den Beobachtungen sub A war, infolge der vorher gewonnenen Frfahrung, die Intensität und Gieichmäßigkeit des ver- wendeten monochromatischen Lichtes befriedigender als in den Beobach- tungen sub B. Wir sind daher geneigt, die Zahlen, wie wir sie für die spezifische Drehung des Hämoglobins als Resultat der Beobachtungen 6 Arthur Gamgee u. A. Croft Hill, sub A erhielten, als die zuverlässijgeren zu betrachten, ohne behaupten zu wollen, daß diese Zahlen durchaus endgültige sind, Sie kommen aber unseres Erachtens der Wahrheit sehr nahe. 2. Bestimmung der optischen Aktivität des Globins. Dasselbe ist linksdrehend. Mit Globin bezeichnete Preyer das eiweißhaltige Produkt der spontanen Zersetzung des Hämoglobins, ohne jedoch im stande zu sein, dessen Eigenschaften, seine chemische Zusammensetzung, sein Verhältnis zu anderen Eiweiß - Substanzen näher feststellen zu können. Wir verdanken Fr. N. Schulz*) eine Untersuchung ver- hältnismäßig jüngeren Datums, deren Resultate bereits von Ivar Bang“*) im wesentlichen bestätigt worden sind, und welche wert- volle und vielversprechende Tatsachen betreffs der bei der Zer- setzung des Hämoglobins entstehenden hauptsächlichsten Produkte zu Tage gefördert hat. Schulz hat gezeigt, daß eine Lösung von Hämoglobin, durch Zufügung kleiner Mengen Salzsäure gespalten, als Hauptbestandteile liefert: 4,2 Proz. Hämatin und 86,5 Proz. einer charakteristischen Eiweiß-Substanz, für welche er den Namen Globin beibehält. Er hat ferner gezeigt, daß diese Substanz der Klasse der „Histone‘ angehört, und es hätte sich vielleicht em- pfohlen, den neuen Körper etwa „Hämato-Histon“ zu nennen, um sowohl seine Herkunft als seine Affinität zu bezeichnen. Die Methode der Globin-Bereitung wird von Schulzim wesentlichen geschildert wie folgt: Zu einer Lösung krystallinischen Hämoglobins, das man entweder nach dem Verfahren Hoppe-Seylers oder nach der Ammoniumsulfat- Methode gewonnen hat, wird verdünnte Salzsäure in minimaler Menge zugegossen, bis sich ein flockiger Niederschlag bildet, der bei dem ge- ringsten Säure-Überschuß sich sofort löst. Jetzt hat die Lösung nicht mehr die schöne rote Farbe des Hämoglobins, sondern ist braun ge- worden. Nicht nur — bemerkt Schulz — hat sich die Farbe geändert, sondern zwischen dem eiweißhaltigen Bestandteil des Hämoglobins und seinem Farbstoff ist eine vollständige Trennung eingetreten. Wird nun zu dieser Lösung, die jetzt schwach sauer reagiert, etwa !/, seines Vo- lumens an 80-proz. Alkohol zugegossen und die Mischung mit Ather aus- geschüttelt, so geht „der ganze Farbstoff in den Ather über“, während die untere wässerig - alkoholische, klare Lösung die entfärbte Eiweiß- Substanz enthält. Hinsichtlich der notwendigen Vorsichts - Maßregeln, um die vollständige Trennung der Eiweiß-Lösung von dem Farbstoff sicher zu stellen, gibt Schulz besondere Winke und betont dabei, daß Wasser, Alkohol und Ather in bestimmtem Verhältnisse stehen müssen, *) Schulz, Dr. Fr. N.: „Die Eiweißkörper des Hämoglobins.“ Zeitschr. f. physiol. Chemie. 24, 449 (1898). **) Bang, Ivar: „Studien über Histon.“ Zeitschr. f. physiol. Chemie. 27, 463 (1899). Über die optische Aktivität des Hämoglobins und des Globins. 7 was für jeden einzelnen Fall erst experimentell festgestellt werden müsse. Durch obigen Vorgang erhält man eine mehr oder minder braun - gelbe Lösung, welche sowohl Alkohol als Wasser enthält und schwach sauer reagiert. Wenn man diese Lösung mit Ammoniak neutralisiert, so scheidet sich ein schwach gelber, grobflockiger Niederschlag aus. Dieser wird schnell abfiltriert und dann mit Wasser gewaschen. Wenn der Ammoniak-Überschuß entfernt ist, so beginnt der Niederschlag sich im Waschwasser zu lösen. In diesem Stadium wird er in Wasser, mit einigen Tropfen verdünnter Essigsäure, gelöst. Es geschieht dies schnell und vollständig. Der Säure-Überschuß wird mittels mehrtägiger Dialyse gegen destilliertes Wasser entfernt; auf diese Weise erhält man eine klare, geruchlose und geschmacklose Lösung von Globin, welche ganz neutral reagiert. Es kann nicht unsere Absicht sein, hier auf die Reaktionen ein- zugehen, welche Globin-Lösungen eigen sind und welche Schulz bewogen haben, es den „Histonen“ einzureihen. Bevor wir in Kürze die von uns angewandten Methoden der Darstellung von Globin-Lösungen, welche wir optisch unter- sucht haben, beschreiben, erscheint es wünschenswert, einigen Bemerkungen hinsichtlich einzelner Angaben von Schulz Raum zu geben. Bei der Besprechung der Salzsäure-Menge, welche man braucht, um Hämoglobin zu zersetzen, bemerkt Schulz lediglich, daß außerordentlich kleine Mengen genügen. („Die zu der Spaltung erforderliche Menge von Säure ist außerordentlich gering etc.“) Wir haben diese Menge genauer bestimmt. Das Ergebnis sehr sorgfältiger Versuche mit einer Lösung von 1,84 g auf 200 ccm Wasser war, daß 20 ccm "ıo Normal HCl nötig waren, um eine vollständige Trennung des Globins vom Farb- stoff zu erzielen. Wir fanden ferner, daß Äther, wenn das Schütteln nicht mehrmals wiederholt wird, nicht allen Farbstoff aufnimmt. Zeigt nach der Ätherausschüttelung die wässerig-alkoholische Globin- lösung auch nur die feinste Nüance von Strohgelb, so fällt das Globin bei der Neutralisation mit Ammon zwar anfänglich farblos aus, nimmt dann aber eine rötliche Färbung an und erscheint bei nachträglicher Lösung in leicht angesäuertem Wasser viel tiefer gefärbt, als die ursprüngliche wässerig-alkoholische Lösung. Für die polarimetrischen Untersuchungen stellten wir die Lösung auf folgende Weise her: Von einer Lösung viermal umkrystallisierten Hämoglobins wurden 100 ccm, welche 1,84 g Substanz enthielten, mit 100 ccm Wasser verdünntund mit 20 ccm !/,, Normal-Salzsäure behandelt. Hierauf wurde die Flüssig- keit mit 44 ccm absoluten Alkohols versetzt, und in einem Scheidetrichter anhaltend mit dem gleichen Volumen Ather geschüttelt. Nachdem die wässerig-alkoholische Flüssigkeit von der darüber schwimmenden, äthe- rischen Lösung des Farbstoffs sich abgesetzt hatte, wurde noch zweimal 8 Arthur Gamgee u. A. Croft Hill, mit frischen Äther-Mengen geschüttelt. Bei Einhaltung dieses Verfahrens gelang die Abtrennung der Globinlösung schon nach einmaligem Schütteln ; die Lösung hatte nach dreimaligem Schütteln nur eine Spur von Stroh- farbe. In gewissen Fällen wurde das Globin nach dem Verfahren von Schulz durch Ausfällen mit Ammon abgeschieden, der flockige Nieder- schlag darauf in sehr verdünnter Essigsäure gelöst. Auf diese Weise war die Globin - Lösung für die erste Reihe von Bestimmungen, über welche unten berichtet werden wird, hergestellt. Da es aber so nicht gelang, genügend farblose Lösungen zu erzielen, um die Bestimmung ihres Drehungsvermögens mit völliger Sicherheit für Licht von der Wellen- länge D vorzunehmen, so ermittelten wir wie beim Hämoglobin das Drehungsvermögen für Licht von der mittleren Wellenlänge C. In der zweiten Beobachtungs-Reihe wurde das Drehungsvermögen der wässerig-alkoholischen Lösung, die durch Zersetzung des Hämoglobins erhalten worden war, nach gründlichem Schütteln mit Ather bestimmt, Nachdem vorläufige Beobachtungen gezeigt hatten, daß Globin- Lösungen optisch aktiv sind und zwar linksdrehend, wurden die folgenden Versuchsreihen vorgenommen, in der Absicht, das spezi- fische Drehungsvermögen dieser Substanz zu bestimmen. Versuch 1. Eine Globin-Lösung in destilliertem Wasser, dem ein wenig Essig- säure zugesetzt war, wurde bei derselben Versuchsanordnung in rotem Lichte geprüft wie oben das Hämoglobin. Die Lösung enthielt 2,4 g Globin in 100 ccm. Sie gab in ganz charakteristischer Weise die Reaktionen des Globins. Die benutzte Röhre war 0,1 m lang. Der Drehungswinkel wurde im Mittel vieler Bestimmungen zu — 1°.30 gefunden. Nach obiger Berechnung folgt daraus für die schwach saure Globin-Lösung von 2,4 Proz. Gehalt das spezifische Drehungsvermögen lelce = — 54°.2. Versuch 2. Die ganz schwach strohgelbe Lösung, welche bei der Spaltung des Hämoglobins durch verdünnte Salzsäure entstanden, dann mit Alkohol und Ather behandelt worden war, wurde erst in einer flachen Schale durch mehrere Stunden dem Luftzug ausgesetzt und hiernach auf dem Wasserbade, bei 40°C, ganz von Ather und zum Teil von Alkohol befreit. Die vollkommen klare, strohfarbene Lösung hatte bei 16° C eine Dichte von 987,4 und enthielt 0,98 g fester Substanz in 100ccm. Diesmal wurde monochromatisches Natriumlicht für die polarimetrischen Beobachtungen benutzt. Die Röhre hatte 0,1 m Länge. Der Drehungswinkel betrug im Mittel vieler Bestimmungen — 00.64. Nach obiger Berechnung folgt für diese schwach saure, wässerig-alkoholische Globin-Lösung vom Gehalt 0,98 Proz. fester Bestandteile das spezifische Drehungsvermögen l@lp = — 65°. Über die optische Aktivität des Hämoglobins und des Globins. 9 Es muß hervorgehoben werden, daß der Unterschied ın den Resultaten der beiden ausgeführten polarimetrischen Messungen sich zum größten Teile auf die Differenz der Wellenlängen des verwendeten Lichtes (C und D) zurückführen läßt. 3. Schlußbemerkungen. Aus den hier geschilderten Versuchen ergeben sich folgende Schlußfolgerungen: 1. Hämöglobin ist ein rechtsdrehender Körper. 2. Globin, das hauptsächlichste oder, wie wir anzunehmen geneigt sind, das einzige Produkt eiweißartiger Natur der durch stark verdünnte Salzsäure erfolgenden Spaltung des Hämoglobins, erweist sich, hinsichtlich seines Verhaltens zum polarisierten Licht, als eine normale Eiweiß-Substanz, d.h. es ist ein linksdrehender Körper. Obwohl die Zahlen, welche wir für das spezifische Drehungs- vermögen der von uns geprüften Körper ermittelt haben, als recht nahe Wahrscheinlichkeitswerte angesehen werden müssen, so möchten wir doch ausdrücklich hervorheben, daß sie vielleicht einer Nachprüfung bedürfen. Betrefis des Hämoglobins müßten die Bestimmungen mit einer reineren monochromatischen und inten- siveren Lichtquelle als der von uns benutzten vorgenommen werden, und beim Globin müßte mit einem reineren Präparat gearbeitet werden als bei der gegenwärtigen, lückenhaften Kenntnis dieses Körpers möglich ist. Wir hoffen, diese Untersuchungen weiterführen zu können, und werden der optischen Aktivität der farbigen Zersetzungspro- dukte des Hämoglobin-Moleküls, namentlich dem Hämochromogen und Hämatin und dessen farbigen Abkömmlingen, unsere Auf- merksamkeit zuwenden. Schließlich danken wir den Leitern des Davy -Faraday - Labora- tory of the Royal Institution für ihr Entgegenkommen, welches uns die Durchführung des optischen Teils unserer Arbeit wesent- lich erleichtert hat. II. Über die Nucleoproteide des Pankreas, der Thymus und der Nebenniere, mit besonderer Berücksichtigung ihrer optischen Aktivität. Von Arthur Gamgee, M. D., emerit. Professor der Physiologie am Owens College, Victoria-Universität, und Walter Jones, Ph. D., Associate Professor der Physiologischen Chemie an der John Hopkins Universität. I. Bibliographischer und kritischer Teil. Bei Untersuchungen, welche der eine von uns gemeinsam mit Dr. A. Croft Hill ausgeführt hat*), war die Entdeckung ge- macht worden, dass das Hämoglobin die Polarisationsebene nach rechts dreht, während die daraus erhältliche histonartige Eiweiß- Substanz, das Globin, dessen Eigenschaften und Darstellungsweise erst seit den Forschungen von Fr. N. Schulz bekannt geworden sind, ein linksdrehender Eiweißkörper ist. De interessanten Beobachtungen machten es wahrscheinlich, daß auch die Nucleoproteide, ähnlich wie Hämoglobin, sich als rechtsdrehend erweisen dürften. Die ersten Resultate der hierauf gegründeten Untersuchungen sollen den Gegenstand dieser Mit- teilung bilden. Wie aus dem Folgenden zu ersehen ist, bestätigte sich unsere Vermutung, und es ist damit erwiesen, daß wenigstens einige Glieder der für die Lebensvorgänge im Organismus so wichtigen Gruppe der Eiweißkörper rechtsdrehende Substanzen sind. Als notwendige Vorbedingung für unsere speziellen Unter- suchungen erschien es, Nucleoproteide von solcher Reinheit und insvesondere so frei von jedwedem Farbstoff zu gewinnen, daß damit Lösungen hergestellt werden konnten, deren Durchsichtig- keit und Farblosigkeit die polarimetrische en gestattete. *) s die ee Arbeit, sl ee ee. Uber die Nucleoproteide des Pankreas, der Thymus u. s. w. 11 Einleitende Bemerkungen über „Nucleoproteide“ und „Nucleine“ und über die Bedeutung dieser Bezeichnungen. Mit dem Ausdruck „Nucleoproteide“ bezeichnen wir Komplexe oder besser Verbindungen von Eiweißsubstanzen, welche im Kern- protoplasma aller Organe des tierischen Körpers, insbesondere aber der Drüsen mit oder ohne Ausführungsgang enthalten und dadurch charakterisiert sind, daß sie reichlich Phosphor und konstant etwas Eisen enthalten, daß sie unter dem Einfluß von Hitze, von Säuren, Alkalien und besonders von Pepsin und Salz- säure, bei günstiger Temperatur, sich in Eiweißstoffe und in soge- nannte echte Nucleine (nicht Pseudo-Nucleine) spalten. Diese „echten Nucleine* stellen sonach als Spaltungsprodukte nur einen Bruchteil des ursprünglichen Nucleoproteids dar. Sie sind sekun- däre, wir könnten sagen, degradierte Nucleoproteide, enthalten aber den gesamten Phosphor der Muttersubstanz. Unter der Einwirkung kaustischer Alkalien und höherer Temperatur liefern die Nucleine als Zersetzungsprodukte Eiweiß- substanzen und die sogenannten „Nucleinsäuren“, Körper, die zwar hinsichtlich ihrer Zusammensetzung bei den einzelnen Nu- cleoproteiden Verschiedenheiten aufweisen, für welche aber der Umstand charakteristisch bleibt, daß sie beim Erhitzen mit ge- wissen Mineralsäuren als Produkte der Hydrolyse neben Phosphor- säure einen oder mehrere Purin-Abkömmlinge, die bekannten „Aanthinbasen“, Adenin, Guanin, Hypoxanthin, Xanthin, häufig auch ein Pyrimidinderivat, das Thymin, C;H,;N,0,*) abspalten. Kossel, dessen vorzüglichen Forschungen wir zum größten Teil unsere Kenntnisse von den Nucleinsäuren verdanken, hat seiner Zeit im Hinblick auf die großen quantitativen Unterschiede im Gehalt der verschiedenen Nucleinsäuren an Xanthinbasen darauf hingewiesen, daß sich möglicherweise vier Nucleinsäuren unter- scheiden lassen, von denen jede nur eine einzige Purinbase liefert. Diese Vorstellung Kossels schien eine wichtige Stütze zu erhalten durch Ivar Bangs Entdeckung**) der Guanylsäure, einer Nuclein- säure, die man durch die Einwirkung von Alkalilauge auf die Nucleoproteide des Pankreas erhält und welche, wie der Name andeutet, bei der Hydrolyse nur eine Purinbase liefert, nämlich Guanin. *) Walter Jones, Zeitschr, f. physiol. Chemie. 29, 26 (1900), H. Steudel, „Die Konstitution des Thymins“. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 32, 285 (1901). **) Ivar Bang, „Die Guanylsäure der Pankreasdrüse und deren Spaltungs- produkte“. Zeitschr. f, physiol. Chemie. 36, 133 (1898). 12 Arthur Gamgee und Walter Jones, Erweist sich diese Vorstellung, die nicht durchweg mit den bekannten Tatsachen (Schmiedeberg, Levene, Walter Jones und G. H. Whipple, T. B. Osborne*, im Einklang steht, als richtig, so muß angenommen werden, daß an dem Aufbau ver- schiedener Nucleoproteide mehrere Nucleinsäuren beteiligt sind; denn es besteht kein Zweifel, daß ein Teil der untersuchten Nucleoproteide bei der Hydrolyse mehr als eine Purinbase liefert. Hammarsten, dessen Untersuchungen der Nucleoproteide und ihres Verhältnisses zu den Nucleinen wir viel von unserer Kenntnis dieser Körper verdanken, möchte die Bezeichnung „Nucleine“ auf die Eiweißverbindungen der Nucleinsäuren beschränkt sehen, welche nach längerer Digestion mit Pepsin und Salzsäure ungelöst bleiben. Uns erscheint jedoch diese Beschränkung‘ unerwünscht und nicht ganz folgerichtig, und wir halten dafür, daß der Aus- druck Nuclein, den wir aus Gründen der Bequemlichkeit, der Geschichte und der Anschaulichkeit beizubehalten empfehlen, zur Bezeichnung aller primären Spaltungsprodukte dienen soll, welche durch einfache Hydrolyse hervorgehen aus der höher zusammen- gesetzten Muttersubstanz, dem nativen Nucleoproteid. In diesem Sinne wird der Ausdruck Nuclein in dieser Arbeit gebraucht werden, wobei es selbstverständlich erscheint, daß jedes „Nuclein“ zugleich als „Nucleoproteid“ zu betrachten ist, falls es die Ver- bindung eines Eiweißkörpers mit einer oder mehreren Nuclein- säuren darstellt. Über Hammarstens Untersuchungen der Nucleoproteide des Pankreas. In einer höchst interessanten und reichhaltigen Arbeit aus dem Jahre 1894 gab Hammarsten** einen Bericht über zwei Nucleoproteide, die er aus dem Pankreas dargestellt hatte. Den ersten dieser Körper nannte er „a-Proteid“. Er fand diesen Körper, der sich in Wasser löst, im kalten wässerigen Pankreas-Extrakte und beobachtete, daß er daraus durch Essig- säure gefällt wird und daß seine Lösungen beim Kochen gerinnen, wobei eine neue Substanz, das P-Nucleoproteid in Lösung bleibt. *) O. Schmiedeberg, Archiv f. experiment. Path. und Pharmak. 43, 57 (1899). P. A. Levene, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 32, 541 (1901). Walter Jones & G. H. Whipple, American Journal of Physiology, 7, 423 (Sept. 1, 1902). T. B. Osborne & Isaak E. Harıis, Zeitschr. f. physiol. Chemie. 36, 85 (Sept. 1902). **) Qlaf Hammarsten, „Zur Kenntnis der Nucleoproteide“, Zeitschr. f. physiol. Chemie 19, 19 (1893). ee en N \ Über die Nucleoproteide des Pankreas, der Thymus u. s. w. 13 ObschonHammarsten vollkommen erkannte, daß der ursprüngliche, der a-Körper, die Muttersubstanz darstellt, während das f-Proteid nur als Zersetzungsprodukt zu betrachten ist, widmete er letzterem vorwiegend seine Aufmerksamkeit. Einmal handelte es sich ihm damals um das Studium der nicht Eiweißnatur aufweisenden Abkömmlinge des Pankreas-Nucleoproteids, und so erschien es zweckmäßig als Ausgangsmaterial ein solches zu wählen, das weniger Eiweiß enthielt. Der Hauptgrund aber, weswegen er das interessante a-Nucleoproteid vorläufig nicht weiter verfolgte, lag in der großen Schwierigkeit, es in genügender Menge rein zu gewinnen, denn der Versuch der Reindarstellung führte zu einer allzu geringen Ausbeute. Hammarsten gibt an, daß eine der am schwersten zu be- seitigenden Verunreinigungen der Blutfarbstoff sei, daneben ein anderer Farbstoff, dessen Entstehung er dem Einfluß der Luft auf das Nucleoproteid selbst zuschreibt. Eine weitere dem Nucleo- proteid anhaftende Verunreinigung fand Hammarsten im Trypsin, dessen Abtrennung ihm nicht gelang. Er fand das proteolytische Vermögen der Substanz so kräftig, daß er auf keine andere Weise gleich wirksames 'TIrypsin gewinnen konnte. Den f-Körper gewann Hammarsten nicht durch Zersetzung der isolierten Muttersubstanz, sondern auf folgende Weise: Fein zerteiltes, vollkommen frisches Rinds-Pankreas wurde in Wasser gekocht und dem ganz klaren leicht gelblichen Filtrat nach der Abkühlung Salzsäure (1 bis 2 Teile) oder Essigsäure (5 bis 10 Teile auf 100 Teile Flüssigkeit) hinzugefügt. Den erhaltenen reich- lichen, weißen, flockigen Niederschlag löste er mit Hilfe von möglichst wenig Alkalı in Wasser und fällte nochmals durch Säure im Überschuß. Durch mehrmalige Wiederholung dieses Verfahrens wurde der ursprünglich gefällte Körper möglichst gereinigt. Es muß ausdrücklich betont werden — und Hammarsten selbst tut dies —, daß das sogenannte -Nucleoproteid nicht einen vorgebildeten Bestandteil des Pankreas darstellt, sondern ein „Nuclein“ ist, hervorgegangen unter dem Einfluß des siedenden Wassers aus dem nativen „Nucleoproteid (bezw. vielleicht aus mehreren Nucleoproteiden). Wir glauben nicht der Autorität des bedeutenden schwedischen Chemikers nahe zu treten, wenn wir der Bemerkung Raum geben, daß es uns zum erfolgreichen Studium eines Nucleins vorteilhafter schien, als Ausgangspunkt die reine Muttersubstanz zu wählen, als das in Form von tierischem Gewebe vorliegende Rohmaterial. Hammarstens 8-Nucleoproteid läßt sich eben nur als ein „Nuclein“ oder als „Nuclein- gemisch“ auffassen, das durch die Wirkung kochenden Wassers auf die im Gewebe des Pankreas präformierten Nucleoproteide entsteht. 14 Arthur Gamgee und Walter Jones, Ungeachtet dieses Einwands, müssen wir die bemerkenswerten, interessanten Tatsachen hervorheben, welche Hammarsten im Laufe der besprochenen Untersuchungen aufgefunden hat. Er hat eine Reihe Elementar-Analysen verschiedener Präparate dieses Nucleins ausgeführt und gezeigt, daß es beim Kochen mit Trommerscher Lösung direkt keine Reduktion gibt, wohl aber nach Erhitzen mit verdünnter Schwefelsäure. Obwohl es unmöglich war, die reducierende Substanz im reinen Zustand darzustellen, gelang es ihm, ein Osazon mit konstantem Schmelzpunkt zu gewinnen, dessen Merkmale mit denen des Osazons einer Pentose übereinstimmen, eine Beobachtung, welche völlig mit den Untersuchungen Kossels und Bangs und anderer über die Gegenwart eines Kohlehydrat- Kerns in den Nucleinsäuren im Einklang steht. Ferner hat Hammarsten gezeigt, daß sein Nuclein bei Erhitzen mit 2-proz. Schwefelsäure auf dem Wasserbade Guanin abspaltettee Auf Hammarstens Anregung hat später Ivar Bang die Untersuchung fortgesetzt, aus Hammarstens Nuclein die Nucleinsäure dargestellt und als Guanylsäure bezeichnet. II. Experimenteller Teil. 1. Über das Pankreas-Nucleoproteid und über die von ihm sich ableitenden Nucleine. A. Das Nucleoproteid. Darstellungsweise. Gut zerkleinertes Schweinspankreas wurde succesive mit 50-proz. Alkohol, 75-proz. Alkohol und 95-proz. Alkohol und schließlich behufs Entwässerung mit Alkohol und Äther behandelt. Das so erhaltene Material wurde wiederholt mit einer 5-proz. Lösung von Ammoniumacetat extrahiert, die gesamte Extraktionsflüssigkeit klar filtriert und in das vierfache Volumen schwachen Alkohols gegossen. Der so gewonnene Niederschlag wurde durch Dekantierung mit einer grossen Menge verdünnten Alkohols gewaschen und schließlich mit absolutem Alkohol und Ather getrocknet. Der Zweck dieser Manipulationen war: die Entfernung des Farbstofis der Drüse, da sich dieser in verdünntem Alkohol etwas, mehr noch in alko- holischer Ammöoniumacetatlösung, aber auch, wenn auch nur in sehr geringem Grade, in einer wässerigen Solution von Ammoniumacetat löst. Durch diese Manipulationen werden zugleich große Mengen anorganischer Salze entfernt, und die gerinnbaren Eiweißsubstanzen werden unlöslich. Eine 2-proz. wässerige Lösung dieses Rohprodukts war nur blaßgelb gefärbt und konnte selbst in einer 220 mm langen Röhre und bei An- wendung von monochromatischem Natrium - Licht ohne Schwierigkeit polarimetrisch untersucht werden. Als Polarimeter diente ein „Halb- schatten-Polarimeter“ nach Laurentschem Modell, von Schmidt und Haenschin Berlin. Die Untersuchung ergab, daß die Lösung eine rechtsdrehende Substanz enthielt. Die Lösung ließ keine Spur einer Reduktion erkennen, selbst nicht nach längerem Kochen mit Fehlingscher Lösung. Sie enthielt reichlich eine Substanz, welche bei der Hydrolyse mit Schwefelsäure Xanthinbasen abspaltete. Die Hauptportion der Drüsensubstanz wurde, nach Reinigung in oben geschilderter Weise, mit 20 Teilen Wasser behandelt und die filtrierte Lösung tropfenweise mit Essigsäure versetzt. Als der Säuregehalt der Über die Nucleoproteide des Pankreas, der Thymus u. s. w. 15 Flüssigkeit 1 Proz, betrug, fiel ein Niederschlag in scharf begrenzten weißen Flocken aus. Der Niederschlag wurde abcentrifugiert, in Wasser aufgenommen und, während die Reaktion der Flüssigkeit beständig mit Lackmus geprüft wurde, mit einer überaus verdünnten Ammoniaklösung tropfenweise versetzt. Eine sehr geringe Menge Alkali genügte, um die anhaftende Essigsäure zu neutralisieren: die Lösung wurde neutral und blieb es auch bis etwa doppelt so viel Ammoniak verwendet worden war, als zur vollständigen Lösung des Nucleoproteids genügt hätte. Augenscheinlich ist das Nucleoproteid mindestens eine zweibasische Säure, deren saures Ammonsalz wasserlöslich ist und sich gegen Lackmus neutral verhält. Das Nucleoproteid wurde durch abwechselndes Lösen in Ammoniak und Fällen mit sehr geringen Mengen Essigsäure gereinigt. Die zuletzt erhaltene Lösung wurde zur 5fachen Menge 95-proz. Alkohol gegossen, wiederbolt durch Dekantieren mit sehr großen Mengen 95-proz. Alkohol und Ather gewaschen und dann in einem Exsiccator über Schwefelsäure aufbewahrt. Optisches Verhalten. 1. Eine gewogene Menge des Nucleoproteids wurde mit Wasser, nach Zufügung einer Spur Ammoniak, aufgenommen. Die Lösung wurde mit Wasser bis zu einem bestimmten Volumen aufgefüllt und polarimetrisch untersucht. Gewicht der Substanz (W) . . . ....1.006 g Volumen der Lösung (V) . . . . ....25 ccm Abgelesener Ablenkungswinkel (a) . . +3°4‘ Banse der Röhre (l) ==--..:.... ... . 200 mm are. FAE DE 2. Dieses Ergebnis wurde bestätigt durch die Prüfung eines anderen Nucleoproteid-Präparates. Gewicht der Substanz . . . ... ... 0500 g Volum der Lösung . . ERENFERN: VE Abgelesener Ablenkungswinkel BE DEAL BE SO Länge der Röhre. . . . 22 an (a) x HB - my +tap Als die Lösung mit Essigsäure im Überschusse versetzt und der Niederschlag abfiltriert worden, erwies sich das Filtrat als inaktiv. B. Das neben dem Nucleoproteid vorhandene, vermutlich aus ihm hervorgegangene Nuclein und die „Restsubstanz“. Darstellung. Der wässerige Auszug der gereinigten Drüsen- substanz (siehe oben), aus welchem durch Zusatz von Essigsäure bis zu 1 Proz. das Nucleoproteid abgeschieden worden war, wurde neuerdings 16 Arthur Gamgee und Walter Jones, tropfenweise mit 20-proz. Essigsäure versetzt. Bis zu 2 Proz. Säure- gehalt war nicht der geringste Niederschlag zu bemerken. Bei weiterem Zusatz trat jedoch Trübung auf, und bei einem Säuregehalt von 5—6 Proz. schied sich ein wohlbegrenzter, flockiger Niederschlag aus. Dieser Nieder- schlag, den wir Nuclein nennen wollen, wurde abcentrifugiert und mit Hülfe der Centrifuge, unter großem Materialverluste, zweimal mit Wasser gewaschen. Das Produkt wurde in Wasser verteilt und durch sehr vor- sichtigen Zusatz von Ammoniak in Lösung gebracht. Als das Nuclein vollständig gelöst war, reagierte die Flüssigkeit auf Lackmus noch sauer. Diese Lösung wurde in das 4fache Volumen 95-proz. Alkohol gegossen; das ausgefallene Nuclein wurde gewaschen, und nach der oben für das Nucleoproteid beschriebenen Methode getrocknet. Die Flüssigkeit, aus der das „Nuclein“ ausgefällt worden war, wurde nun zur 4fachen Menge Alkohol gegossen, der dabei erhaltene Niederschlag gewaschen und durch Alkohol und Ather entwässert. Dieses Präparat, welches natürlich sehr unrein, besonders reich an anorganischen Salzen war, werden wir später als „Restsubstanz“ beschreiben. In der beschriebenen Weise haben wir durch fraktionierte Fällung mit Essigsäure, bei Gegenwart anorganischer Salze, drei Präparate erhalten: 1. Das Nucleoproteid, welches zweifellos mit dem von Hammarsten als a-Proteid bezeichneten Körper identisch ist: nahezu unlöslich in reinem Wasser, aber löslich in der geringsten Menge von Ammoniak und Natronlauge. 3. Der Körper, den wir Nuclein genannt haben, um unsere Ansicht über seine Verwandtschaft mit der ersten Substanz zu kennzeichnen; derselbe ist in Wasser sehr leicht löslich. 3. Die „Restsubstanz“. Zusatz einer Spur Kupfersulfat färbt die Lösung des Nucleo- proteids in Natronlauge schön rosa; aber man gewahrt keinen Schimmer von Violett, ehe nicht eine verhältnismäßig große Menge Kupferlösung zugefügt worden ist, eine Reaktion, welche der „Biuret-Reaktion“ der Proteosen sehr ähnelt. Das „Nuclein“ gibt bei ähnlicher Behandlung nur eine ganz schwache Rosafarbe und das Violett erscheint schon bei ganz geringem Kupferzusatz, während die „Restsubstanz“ von Anfang an eine violette Färbung gibt. Der eine von uns hat kürzlich gezeigt, daß das Nucleoproteid des Pankreas, wie es im wesentlichen nach der für die oben be- schriebenen Präparate angewandten Methode erhalten wird, bei der Hydrolyse zwei Xanthinbasen liefert; nämlich Guanin und Adenin und zwar in einem Verhältnis, das nahe 4 Äquivalenten des ersteren zu einem Äquivalent des letzteren entspricht. Das „Nu- clein“ und die „Restsubstanz“ geben gleichfalls bei der Hydrolyse mit Schwefelsäure Xanthinbasen. Alle drei Präparate sind phoshor- haltig; alle werden aus wässerigen oder schwach alkalischen Lösungen Über die Nucleoproteide des Pankreas, der Thymus u. 8. w. 17 durch Zusatz einer Spur Salzsäure vollständig gefällt und alle geben beim Kochen ihrer neutralen Lösungen Niederschläge. Optisches Verhalten des Nucleins. Bevor sich uns die Gelegenheit zu einer optischen Unter- suchung des Nucleoproteids bot, haben wir uns durch folgende Beobachtung davon überzeugt, daß das spezifische Drehungsver- mögen der Substanz, die wir als Nuclein bezeichnen, höher sein muß als das des Nucleoproteids. Eine vollkommen neutrale und klar filtrierte Lösung des Nucleoproteids, hergestellt durch Behandlung eines Teiles der Substanz mit Wasser und einer zur Erzielung vollständiger Lösung unzureichenden Menge Ammoniak, zeigte im 200 mm Rohr eine Drehung um 1°46‘. Die Lösung wurde zum Kochen erhitzt und das geronnene Eiweiß abfiltriert. Die Polarisation des Filtrats im 200 mm langen Rohr ergab eine Drehung von 1°49. Wir wissen nun, daß das Kochen einen Teil des eiweißhaltigen Materials, welches vorher einen Bestandteil des Nucleoproteid-Komplexes bildete, in ein Nuclein umwandelt. Da der Drehungswinkel in unserem Experiment bei gleicher Rohrlänge konstant blieb, so kann aus der durch die Koagulation bedingten Abnahme an ge- löster Substanz nur auf eine Zunahme des spezifischen Drehungs- Vermögens geschlossen werden. Es wurde ferner die direkte Bestimmung des spezifischen Drehungs- Vermögens des Nucleins vorgenommen. Der Körper war in Wasser gelöst, und da die Flüssigkeit noch einen Stich Farbe hatte, wurde sie in einem kürzeren Rohre, als wir sonst benutzten, geprüft. Gewicht der Substanz . .,. 2 ...1009 g Volum der Lösung . . Re ER in Abgelesener A hlanknneewiakei RR UT N zanso des Rohres . . '.:. .. „7 .:..v.100 mm A ER ee SE. — + 64,4 Die Lösung wurde mit Salzsäure behandelt, um das Nuclein auszufällen, und die filtrierte Flüssigkeit in enem 200 mm Rohr geprüft. Die Lösung war schwach linksdrehend (—0° 9%). Zur Erklärung dieser Beobachtung müssen wir bemerken, daß wir mehrmals sehr schwach linksdrehende Filtrate erhielten, wenn Salzsäure zum Fällen des Proteids verwendet, besonders wenn die saure Flüssigkeit in Kontakt mit dem Niederschlag gelassen worden war. Vermutlich ist die negative Drehung einem dabei Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 2 18 Arthur Gamgee und Walter Jones, entstehenden in verdünnter Salzsäure löslichen linksdrehenden Eiweißkörper zuzuschreiben. Wie das Nucleoproteid, gibt auch das Nuclein beim Kochen der Lösung ein Gerinnsel, ohne daß sich die Drehung der Lösung merklich ändert. Dieser Umstand deutet auf die Gegenwart eines Nucleins hin, dessen spezifisches Drehungs- Vermögen größer ist als 64,4°. Es läßt sich leicht nachweisen, daß eine derartige Substanz im Präparat vorhanden jst. Wir haben sie oben als „Restsubstanz“ bezeichnet. Eine abgewogene Menge dieser Substanz wurde in einem abgemessenen Volum Wasser gelöst. Die Lösung wurde polari- metrisch untersucht, mit Salzsäure behandelt und die Menge der ins Filtrat übergehenden optisch inaktıven Substanz ermittelt. Es wurden folgende Zahlen erhalten: Gewicht der verwendeten Substanz . . . . . 05208 (Gewicht der optisch inaktiven Substanz . . . 0,269 „ Gewicht der optisch aktiven Substanz . . . . 0,251 „ Volum der Lösung . . ER Abgelesener Ablenkungswinkel EEE EDEN. Länge des Rohres . . De I. en > (a) a. v nr mr —=-81,1° ©. Hammarstens Präparat. Wie wir bereits ausgeführt haben, muß Hammarstens p-Nu- cleoproteid, welches aus dem Pankreas durch Kochen der fein zerteilten Drüse mit Wasser gewonnen wurde, ipso facto ein Nuclein sein. Die von uns erhaltenen Ergebnisse legten den Wunsch sehr nahe, auch diese Substanz einer optischen Prüfung zu unterziehen. Unter geringfügiger Abweichung“) von Ham- marstens Vorgang (die sich als absolut notwendig erwies, um den Farbstoff zu entfernen, aber unmöglich die chemische Natur des Produktes beeinflussen konnte) gelang es uns, ein Nuclein darzustellen, welches mit Hammarstens Präparat (-Nucleo- proteid) identisch sein mußte. Die Substanz, welche wir erhielten, war wasserlöslich und gab eine violette Biuret-Reaktion. Ihre Lösung war verhältnismäßig stark gefärbt, besaß aber ein so großes Drehungsvermögen, daß sich ziemlich befriedigende polari- *) Wir benutzten Ammoniak zur nochmaligen Lösung des Nucleins anstatt eines fixen Alkali, wie dies Hammarsten tat. Auch haben wir zuletzt eine wässerige Lösung von Nuclein in 95-proz. Alkohol gegossen und mittels Dekantierens gewaschen, anstatt zu filtrieren. Über die Nucleoproteide des Pankreas, der Thymus u. s. w. 19 metrische Beobachtungen, auch mit stark verdünnten Lösungen, anstellen liessen. Die Substanz drehte rechts. : Folgende Zahlen wurden erhalten: Gewicht der Substanz . . . ...0.. 0.2008 Volum der Lösung . . EAN GCHN Abgelesener sine (Mittel aus SıAblesungen) . .- ... u... 0947 Eee des Rohres 0... 4... 4% 100 2m ek sahN: F re 2. Über das Nucleohiston der Thymusdrüse, Auf den ersten Blick scheint es ein Leichtes, diese Substanz in beliebiger Menge nach dem sehr einfachen Verfahren herzu- stellen, das Lilienfeld in zwanzig Zeilen beschreibt*). Diese Methode führt jedoch zu einem Produkt, dessen Lösungen so stark opalescent sind, daß an eine optische Prüfung nicht gedacht werden kann. Die Trübung ist so beständig, daß wir eine Zeit lang zu der Ansicht neigten, sie sei eine der Substanz angehörige Eigenschaft. Schließlich erhielten wir jedoch Lösungen nahezu von der Farblosigkeit und Durchsichtigkeit destillierten Wassers. Es ist nur notwendig, Lilienfelds Präparat mit einer 5-proz. Lösung von Ammonacetat auszuziehen und zu filtrieren. Die Flüssigkeit filtriert sehr langsam, aber ganz klar und ohne Unterbrechung. Die Lösung wurde in 95-proz. Alkohol gegossen, das ausgefallene Proteid gewaschen und mit Alkohol und Äther ge- trocknet, wie wir es bei den anderen Präparaten beschrieben haben. Die so erhaltene Substanz wurde polarimetrisch in einer Lösung untersucht, die mittels stark verdünnten Ammoniaks hergestellt war. Folgende Zahlen wurden erhalten: Gewicht der Substanz —. . 7 .„'. 2083 g Volumen der Lösung . . a en Rei Abgelesener Ablenkungs w inkel ER Länge des Rohres . . . er 7 2 TO Bea: 2 R 777 W = +375 3. Uber das Nucleoproteid der Nebenniere. In einer in Gemeinschaft mit G. H. Whipple vorgenommenen Untersuchung beschrieb vor kurzem der eine“) von uns das *) Leon Lilienteld, „Zur Chemie der Leukocyten“, Zeitschr. f. physiol. Chemie 18, 473 (1894). #*) Walter Jones und G. H. Whipple, „The Nucleoproteid of the Supra- renal Gland“, American Journal of Physiology. 7, 423 (Sept. 1, 1902). 9% 20 Arthur Gamgee und Walter Jones, Nucleoproteid der Nebenniere und konnte konstatieren, daß dieser Körper ein Thymonucleoproteid ist. Spätere Analysen erwiesen die Identität der Nucleoproteide der Nebenniere vom Ochsen und vom Schaf. Sie weichen in ihrer chemischen Zusammensetzung kaum vom Nucleoproteid des Pankreas ab, wie es im wesentlichen nach oben beschriebener Methode erhalten wird. In nachstehender Tabelle sind die Ergebnisse der Analysen dieser Körper zusammengestellt. Vergleichshalber sind auch die von Hammarsten an seinem Präparate gewonnenen Analysen- werte eingereiht. Nucleoproteid Nucleoproteid Bee der Nebenniere des Pankreas ne vom Schaf vom Ochsen vom Schwein Präparat & 46,22 Proz. 46,81 Proz. 45,83 Proz. | 43,62 Proz. REF RFRT In. le 0.38 BOB 5A, r 410 Ra 309. 7% 448 „ N 1:92." ng 17.35.2 % 17,42 11:39 5% Soweit die verfügbaren Beobachtungen ein Urteil gestatten, liefern die Nucleoproteide des Pankreas und der Nebenniere Guanin und Adenin im gleichen relativen Verhältnis, so daß es scheint, daß ein Molekül einer Nucleinsäure oder eines Nucleo- proteids zwei verschiedene Xanthinbasen liefern kann. Bekanntlich bildet der charakteristische, physiologisch aktive Bestandteil der Nebennieren, wenn er in wässeriger Lösung der oxydierenden Wirkung der Luft ausgesetzt wird, ein dunkelbraunes Pigment. Daher sind wässerige Auszüge des Organs immer stark gefärbt und bieten bei der optischen Prüfung große Schwierig- keiten. Ist infolgedessen auch das Arbeiten mit dem Nucleo- proteid der Nebenniere weniger befriedigend, als man wünschen möchte, so kann doch ganz sicher festgestellt werden, daß auch dieses Nucleoproteid rechts dreht. Die Methode der Isolierung, welche wir benutzt haben, weicht nicht wesentlich von dem oben beschriebenen Verfahren ab; nur wurde das Organ mehrmals mit Essigsäure ausgezogen, bevor das Nucleoproteid ent- fernt worden war. Inbetreff der näheren Beschreibung verweisen wir auf die oben ceitierte Arbeit. Wir erhielten schließlich eine Substanz, die zwar für eine genaue, polarimetrische Bestimmung noch zu stark gefärvt war, aber doch in verdünnter Lösung leicht als rechtsdrehend erkannt werden konnte. Wir erhielten folgende Zahlen: (Gewicht der Substanz 0,199 & Volum der Lösung . 25 cem Abgelesener em net 00283 Länge des Rohres . 100 mm er — +48 1! Über die Nucleoproteide des Pankreas, der Thymus u. s. w. 91 Dieser Wert bedarf vielleicht einer Nachprüfung, kommt aber zweifellos der Wahrheit nahe. III. Zusammenfassung der Ergebnisse. Bevor wir die Schlußfolgerungen ziehen, zu welchen nach unserem Dafürhalten, die in dieser Arbeit vorgeführten Unter- suchungen berechtigen, möchten wir das Ergebnis derselben kurz zusammenfassen: Wir haben sechs Nuclein-Substanzen aus verschiedenen Drüsen dargestellt und haben Methoden angegeben, mit Hilfe deren mehrere derselben isoliert und genügend frei von Farbstoff erhalten werden können, um eine exakte polarimetrische Bestimmung zu gestatten. Alle diese sechs Substanzen liefern bei der Hydrolyse Eiweiß- körper, Phosphorsäure und Purin-Abkömmlinge, und alle enthalten Eisen in fester Verbindung; sie sind daher sämtlich Nucleoproteide, im weitesten Sinne des Wortes. Die Darstellungs-Methoden waren so gewählt, daß alle be- kannten rechtsdrehenden Substanzen, welche sonst im Organismus vorkommen, ausgeschlossen blieben. Bei allen Präparaten wurde ferner die Abwesenheit von Substanzen konstatiert, welche Fehlingsche Lösung rasch oder langsam reduzieren. Trotzdem erwiesen sich alle diese Substanzen als rechtsdrehend. Das ge- gefundene spezifische Drehungsvermögen variierte für Licht von der Wellenlänge D, von + 37,5° (Nucleohiston der Thymusdrüse) bis zu + 97,9° (Hammarstens 8-Nucleoproteid des Pankreas). Die beobachteten Tatsachen berechtigen zu nachstehenden Schlußfolgerungen: 1. Die Nucleoproteide (im weiteren Sinne des Wortes, d. h. einschließlich der Verbindungen der Nucleinsäuren mit Eiweiß- Substanzen), welche im Pankreas, in der Thymus und in der Neben- niere enthalten sind, sind rechtsdrehende Eiweiß-Verbindungen. 2. Wenn ein Nucleoproteid durch Abspaltung von Eiweiß- Molekülen in ein Nucleoproteid des „Nuclein“-Typus übergeführt wird, so nimmt sein spezifisches Drehungsvermögen zu. 3. Folgerichtig läßt sich erwarten, dass nicht nur die wohl- charakterisierten und typischen Nucleoproteide, die den Gegen- stand unserer Untersuchungen gebildet haben, sondern überhaupt alle Nucleoproteide, einschließlich der sogenannten Nucleine, eine Gruppe rechtsdrehender Substanzen bilden. 22 Arthur Gamgee und Walter Jones, Über die Nucleoproteide u. s. w. Nachträgliche Bemerkung. Erst kürzlich ist es dem einen von uns zur Kenntnis gelangt, daß weiland Prof. Alexander Schmidt”) in Dorpat in seinen Untersuchungen über die Gerinnung des Blutes die Tatsache hervorgeboben hat, es sei unter den löslichen Bestandteilen des Protoplasmas ein Körper vorhanden — er bezeichnet ihn als „Oytoglobin“ — der sich als rechtsdrehend erweist. Soviel wir wissen, ist diese Beobachtung A. Schmidts nie beachtet oder zitiert worden: weder in den Lehrbüchern der physiologischen Chemie, noch von den Forschern auf dem Gebiete der Chemie des Blutes. Es ist nach dem Mitgeteilten keine Frage, daß Schmidts Cytoglobin aus einem sehr unreinen\ Gemenge von Nucleoproteiden bestand; es geht dies schon daraus hervor, daß seine Substanz 12,52 Proz. Asche und 56,36 Proz. Kohlenstoff enthielt (gegenüber 45,33 Proz. im Pankreas-Nucleoproteid). Allein es bleibt die Tatsache bestehen, daß bereits dieser unermüdliche Forscher die Rechtsdrehung, wenn auch nicht eines bestimmten einheitlichen Nucleoproteids, so doch eines Gemenges von Nucleo- proteiden, seines „Cytoglobins“, richtig beobachtet hat. 4. März 1903. A.G. *) Alexander Schmidt „Zur Blutlehre“, Leipzig, Verlag v. F. C. W. Vogel 1892. Siehe das Kapitel „Über den in Wasser löslichen Bestandteil des Protoplasmas u. s. w.“ (8. 127—142). Alexander Schmidt „Weitere Beiträge zur Blutlehre“* (nach des Verfassers Tode herausgegeben). Wiesbaden, J. F. Bergmann 1895, speziell das Kapitel „Zur Kenntnis des Protoplasmas und seiner Derivate“ (S. 201—249). | IIL. Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. Erste Mitteilung: Der Hungerstoffwechsel der Insekten. Von Dr. med. B. Slowtzoff. Im Laufe ihrer Entwickelung haben Tiere und Pflanzen mannig- fache Vorrichtungen erworben, die ihnen den Kampf ums Dasein erleichtern. Zum Schutz gegen das Eindringen von Fremdkörpern und Mikroorganismen und gegen die Einwirkung äußerer Reize “ besteht ein ausgebildetes Verteidigungs-System, wie wir es z. B. bei der Entzündung beobachten können. Die Untersuchungen Metschnikoffs*) und seiner Schüler haben gezeigt, daß dabei neben anderem die Wanderzellen mesodermalen Ursprungs eine große holle spielen. Gegen schädliche Temperaturschwankungen des Mediums sind die höheren Tiere durch Vorrichtungen geschützt, die imstande sind, die Temperatur des Körpers innerhalb gewisser - konstanter Grenzen zu erhalten. Andererseits haben gewisse niedrige einzellige Mikroorganismen eine Beschaffenheit des Zell- protoplasmas erworben, der zufolge die Eiweißkörper desselben selbst bei 50—60° ©. nicht koagulieren. Auch gegen den schädlichen Einfluß der Nahrungs-Entziehung haben sich verschiedene Schutzvorrichtungen ausgebildet. Die einzelligen, sowie auch bestimmte höhere Organismen können unter ungünstigen Verhältnissen in einen scheintodähnlichen Zu- stand verfallen, bei welchem der Stoffwechsel auf ein Minimum heruntersinkt. Die höheren Tiere können aber in den meisten Fällen dem Hunger ziemlich lange auf Kosten aufgespeicherter Reservestoffe, deren Menge bis auf 45 Proz. des Gesamtgewichtes steigen kann, widerstehen. Bei der Untersuchung des Hungerstoffwechsels ist bisher das vergleichend physiologische Studium sehr wenig benutzt worden. Die meisten Autoren hielten sich nur an die höheren Wirbeltiere. Eine vergleichend physiologische Bearbeitung dürfte aber hier wie auch sonst bei der Behandlung wichtiger biologischer Probleme *) Lecons sur la pathologie compar&e de l’inflammation. 1892. Paris. 24 B. Slowtzoff, von großer Bedeutung sein, da sie den Gesichtskreis erweitert und vor Einseitigkeit schützt. Es schien mir deshalb von Wert, die Erscheinungen des Hungerstoffwechsels an niederen wirbellosen Tieren näher zu studieren. Meine ersten Versuche, deren Resultate ich hier mit- teilen möchte, habe ich an Maikäfern angestellt. Im allgemeinen bieten die Insekten manche Eigentümlichkeiten der chemischen Zusammensetzung, die näher zu untersuchen Interesse versprach. Wegen der Kleinheit der einzelnen Individuen mußten die Ver- suche stets an einer größeren Zahl von Tieren durchgeführt werden, was zugleicb die großen individuellen Schwankungen beseitigt. Die Hauptmasse der Maikäfer war Ende April 1902 in der Umgebung von Heidelberg gesammelt; durch 24 Stunden vor Anfang‘ des Versuches wurden die Tiere in einem großen mit Laub gefüllten Holzkasten auf- bewahrt, so daß die meisten ganz gut gefüttert waren. Am Morgen des ersten Versuchstages wurde ein Teil davon gewogen, durch Spiritus- dämpfe getötet, zermahlen und in 95-proz. Alkohol gebracht. Die zweite Hälfte wurde in drei Gruppen geteilt, deren Gewicht während der nun folgenden Hungerperiode täglich ermittelt wurde. Jeden Tag wurden die Mai- käfer in ein frisches Glas gebracht. Die Käfer, die während des Versuches zu grunde gingen, wurden herausgenommen und gewogen; ihr Gewicht wurde zu dem Gewicht der überlebenden der gleichen Gruppe hinzuaddiert. Die nachstehenden drei Tabellen (I—III) geben die Verhältnisse des Gesamtgewichts der einzelnen Gruppen wieder. Die Kurve der Gewichtsabnahme während des Hungerns entspricht daher Mittelwerten. In einem besonderen Versuche (Tab. IV) habe ich die Gewichte von vier einzelnen hungernden Käfern jeden Tag auf das mg genau bestimmt. Die Kurven stimmen im allge- meinen mit den Kurven der Mittelwerte in Tab. I—III überein. Tabelle IL Tag Dauer Ayee, | Absoluter | , .. Täglicher Mittlerer und Datum des | Gewicht | Gewichts- | Gewichts- Gewichts- | täglicher Ge- des Hungerns der (60) | verlust verlust verlust wichtsverlust Versuchs | in Tagen Maikäfer | ing In. Pro, in Proz. in Proz, 24.1V. 0 66,20 — — Z— 25. IV. 1 64,65 1,55 2,34 2,34 | 26, IV. 2 63,65 2,55 BB CE 1 27.1V. 3 62,65 3,55 5,26 Er ER Mile 98. IV. 4 61,00 5,20 7,85 a9 |! 29.1IV. D 59,00 7,20 10,87 3,02 | ) IM, 7 57,50 8,70 13,14 I IEs 3 Po 3. V. 9 55,70 10,50 15,86 1,36 2 | ] B::W. 11 54,50 11,70 17,68 09 | UF TV. 13 52,90 13,30 20,09 1,20 J 8: V. 15 51,60 14,60 22,05 0,98 | 12. V 18 50,10 16,10 24,32 0,75 ) 13. V. 19 48,80 17,40 26,28 1,96 | \ 0,88 14. V. 20 48,40 17,80 26,89 9.6.1721 { 15. V. 21 as10 |’ı810 04 | 08 |) Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 925 Tabelle I. Tag Dauer EN | Absoluter | Gelichle: | Täglicher | „Mittlerer und ae | des | der <120) Gewichts- EEE Gewichts- | täglicher Ge- des Hungerns ö verlust A | verlust wiehtsverlust Versuchs | in Tagen | Maikäfer ing in Proz. in Proz. in Proz. 24. IV. ) 1080 | — = Ve 25: IV. 1 105,0 3,0 ara. 171710 | %6.IV. 2 102,0 6,0 5,56 2,78 27.1IV. 3 101,0 7,0 6,48 092g 2 28. IV. 4 100,0 8,0 7,41 0,93 | 29. IV. 5 97,0 11,0 10,19 278 |) 1; V. | 7 95,0 13,0 12,04 0,92 ] 3. V. | 9 92,3 15,7 14,54 1,25 j 6 5 | 91,8 16,2 15,00 0,23 ? 0,59 EN. 13 91,2 16,8 15,55 0,27 l a A ee 90,6 | 17,4 1611 | 098 |) 13. V. 18 87,5 20,5 18,98 0,98 } 13. V. | 19 84,8 23,2 21,48 2,50 U 105 14. V, | 20 84,1 23,9 2213 0,65 ( ! 15. V. | 21 83,8 24,2 22,40 | 0,28 | Tabelle Ill. Tag Dauer | Gewicht | Absoluter | Gerichte Täglicher Mittlerer und Datum des | Gewichts- | Gewichts- | täglicher Ge- des | Hungerns | e er ' verlust u verlust wiehtsverlust Versuchs | in Tagen Maikäfer ing ar Brom; in Proz. in Proz. ek TI Ve 177 EEE EEE VE VEEEEEEEEEEEEEER EEE 24.1IV. 0 106,5 = ne N — | ] 35.1V. 1 | 104,0 2,5 2,35 2,35 | 26. IV. 2 101.0 5,5 5,16 2,81 \ 97.1IV. 3 100,0 6,5 6,10 0,9 |g 310 28. IV. 4 93,0 13,5 12,68 6,58 | 29. 1IV. 5 90,0 16,5 15,49 5.42 ) EV. 7 88,0 18,5 17,37 0,94 } 3. V. 9 87,8 18,7 17,56 0,09 | 5.V. 11 87,2 19,3 18.12 0,28 N 0,43 eV. 13 86,9 19,6 18.40 0,14 9.V, 15 85,5 21,0 19,72 036 |} 12. V. 18 84,2 29,3 20,94 041 |‘ 13. V. 19 84,0 22,5 21,13 0,19 | Be 75 A u) 320 | 25 | 23,00 SEE Be 15.V. | 21 81,9 24,6 . 23,10 0,10 | a an B. Slowtzoft, 26 Tabelle IV. ; : Lowyi i : - on soli . | Mittlerer Datum Dauer Gewicht |gewichtg.)) Fewicht | Gewichts.) Gewicht | gewichts-) Fewicht | gewichts- Mittlerer Täglicher Heattehe; und Tag des des des des des Gewichts- | Gewichts- | (981 Re verlust a verlust eh verlust ot verlust Gewichts- des Hungerns | Maikäfers | _ ® Maikäfers | | Pr Maikäfers | _ p Maikäfers | _ verlust verlust Ser nat Versuchs || in Tagen Nv.H IE Nr. 2 re Nr. 8 ns Nr. 4 in Proz. in Proz. in Proz. in Proz. jd DD SEN HHH V v V 24.IV. 25. IV. 26.1IV. 28. IV. 29. IV. 30.IV. IV. Eee ou DO © @ -ı 4424444444 d4d- _ ii . en OU 2) Dem = 5 PO DHMHO oo 0Q0 10 ) 0,80 1,96 37 (5,88) 7,98 (8,92) 9,87 11,17 11,61 12,35 (12,59) 12,84 12,91 12,99 (13,23) 13,47 13,93 (15,69) 16,97 17,21 17,42 0 0,44 4,78 5,12 (6,84) 8,56 (9,39) 10,23 11,20 11,68 14,13 (14,69) 15,24 15,46 15,83 (15,87) 15,91 16,57 (17,82) 18,24 (18,68) 18,79 0 2,54 7,45 (8,60) 10,75 (12,85) 12,96 13,46 13,97 (14,63) (14,95) 15,24 15,33 15,50 (16,13) 16,77 17,07 17,97 17,44 (17,75) 17,86 (18,18) 21,51 0,969 0,930 0,916 0,872 0,871 0,856 0,846 0,836 0,828 0,826 0,816 0,815 0,807 0,806 0,805 0,789 0,704 ) 4,02 5,47 (7,74) 10,01 (10,06) 10,11 11,66 12,69 13,73 (14,14) 14,55 14,76 15,79 (15,84) 15,89 16,72 16,82 16,93 (18,17) 18,58 (19,83) (27,35) m en: 1,98 147 Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 297 Bei Vergleich der täglichen Gewichtsverluste bei absoluter Karenz bemerkt man folgendes: In den ersten 5—6 Tagen sind die täglichenGewichtsverluste ziemlich groß und betragen 3,10 Proz., 2,17 Proz., 2,04 Proz., 1,98 Proz. (im Mittel 2,32 Proz.) des ursprüng- lichen Körpergewichtes. In der zweiten Hungerperiode gehen die täglichen Gewichtsverluste auf das Minimum herab, sie betragen 0,59, 0,43, 0,46, 1,17 Proz. pro Tag (im Mittel 0,66 Proz.). Vor dem Tode werden die täglichen Gewichtsverluste wieder größer, 1,17, 0,88, 0,56 und 1,10 Proz. (im Mittel 0,93 Proz.). Der Gewichts- verlust in den ersten Hungertagen kommt nicht allein auf Rechnung der Verbrennung von Körpersubstanz und der Wasser- verdunstung, sondern auch auf Rechnung der Ausscheidung von Kot. Die prämortale Steigerung des Zerfalls und der damit verbundene größere Gewichtsverlust ist bekanntlich auch beı höheren Tieren festgestellt und wird hier durch die Annahme er- klärt, daß in der letzten Lebenszeit an Stelle der sonst vorwiegen- den Fettverbrennung Eiweißzerfall tritt. Die Sterblichkeit der Maikäfer bei absoluter Karenz hängt von dem Ernährungszustande ab. In den meisten Fällen gingen die Insekten am 21. Tage des Hungerns zu Grunde. Von meinen Hunderten von Tieren starben nur vier besonders kräftige Indivi- duen erst nach 28 Tagen. 8 Proz. der gesamten Käferzahl starben am 6. Tag und 16,5 Proz. am 14. Tage. Während der zweiten Periode des Hungerns, wo die täg- lichen Gewichtsverluste zum Minimum niedersteigen, bemerkt man manchmal Unregelmäßigkeiten des Gewichtsverlustes. Das hängt, soweit wir die Frage näher untersucht haben, von der Feuchtig- keit und Temperatur der Luft ab*). Der maximale Gewichtsverlust jener, bei welchem die Maikäfer starben, betrug nach den Wägungen der Gruppen in toto 23,76 Proz. des ursprünglichen Gewichtes. Man kann aber den Unterschied des Gewichtes vor und nach dem Hungern auch aus dem mittleren Gewicht der Kontrolltiere und Karenztiere ableiten. Gewicht der Normaltiere: AR Bimek wiesen Mina Ta 120.7, n ne A STR er 1 en a SR 2, (besonders groß) wiegen 19,0 g 12 ” ” ” ” 11 ‚91 s 392 Stück wiegen . . : . ...8316,61g, 1 Maikäfer (normal) wiegt also im Mittel 0,8997 g. *) Ich beabsichtige diese Verhältnisse noch näher zu studieren, sobald das mir vorliegende tatsächliche Material größer ist. 28 B. Slowtzoff, Gewicht der Karenztiere: 75 Stück (6—9. Tag des Hungerns) 58,2 g 41 „ AO—LL. „ ” ” ) 26,9 = 54 „ (12—13. „ „ „ ) 35,7 = 4 „ (14—15. „ „ : „ ) 27,0 =) 3 En u a WR R ) 282 8 23 „ (18. ) 2) 1) ) IE = 29 _49—21. Re i ) 12,48 g 297 Stück wiegen . . Ser ne 1 Maikäfer wiegt im Mittel 0,6841 g. Die mittlere Abnahme des Normalgewichts (0,5997 g) bis zum. Hungertod (0,6841 g) macht also 23,99 Proz. des \ursprünglichen Gewichtes aus. Die chemische Untersuchung des gesammelten Materials habe ich in Berlin im Institut für medizinische Diagnostik durch- geführt. Die in 95-proz. Spiritus konservierten Tiere wurden zermahlen und mit dem Spiritusextrakt auf dem Wasserbade getrocknet. Ein Teil dieser lufttrockenen Masse wurde dann bei 110° C. im Luftbad zu konstantem Gewicht getrocknet. Zur Analyse haben wir teils lufttrockene, teils absolut trockene Substanz benutzt. Das Zerreiben von Chitinstücken erwies sich aber als ziemlich schwierig und selbst nach mehrstündigem Zermahlen war das Pulver nicht ganz homogen, was die vereinzelten Abweichungen der Analysenzahlen erklärt. In den meisten Fällen erwiesen sich die Zahlen der Parallelversuche als gut übereinstimmend, so daß wir deren Richtigkeit annehmen können. Bei den ersten Vorversuchen haben wir die Menge der Kohle- hydrate, der Eiweißkörper, der Fette der Extraktivstoffe und des Chitins bestimmt. Unter Fett verstehe ich dabei das ätherische Extrakt des ganz trockenen Pulvers, das natürlich auch Lecithin und Cholesterin ent- hält. Nach Ätherextraktion wurde eine bestimmte Menge des Pulvers mit heißem und kaltem Alkohol sowie mit kochendem Wasser ausgezogen. Die Gesamtmenge aller dieser in Lösung übergegangenen Substanzen nenne ich Extraktivstoffe. Der Rest wurde mit 20-proz. Natronlauge behandelt, welche alle mit Alkohol koagulierten Eiweißkörper löst und der ungelöst gebliebene Rest als Chitin gewogen. Der Stickstofigehalt dieses Chitinrestes stimmte gut mit dem Stickstoffgehalt des Chitins überein, so daß man annehmen kann, daß er in der Tat aus fast reinem Chitin neben Spuren von Pigment bestand. Einigemal habe ich die Bestimmung der Kohlehydrate nach Invertieren des Pulvers mit Salz- säure durchgeführt, ebenso die Bestimmung des Glykogens. Die Zahlen ergaben sich aber als so klein, daß ich sie meinen analytischen Be- legen nicht einreihen mochte. Die Zusammensetzung der Trockensubstanz der Normal- und Karenztiere ergab sich wie folgt: Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 29 Tabelle V. | Tu 1000 Teilen Trockensubstanz sind enthalten: Normaltiere | Karenztiere Organische Substanz . : : 2.2... 939,61 949,12 Boreamsche Substanz : . ! ... 60,39 50,88 Chitin und Spuren von a Sr 142,84 169,00 Eiweißkörper . . . ee 524,29 | 476,79 Fett, Cholesterin und Edeithin: Be: 137,41 | 23,21 Extraktivstoffe (wasser- u. alkohollöslich) 135,07 | 271,10 Diese Zahlen können zur Berechnung der Zusammensetzung der frischen Maikäfer dienen. 340 Stück Kontrolltiere wogen frisch 304,3 g, nach dem Trocknen 87,248 g (28,672 Proz. Trocken- substanz). Von den Karenztieren wogen 345 Stück frisch 216,5 g, nach dem Trocknen 75,153 g (34,713 Proz. Trockensubstanz). Hier- aus ergibt sich der mittlere Gehalt der frischen Maikäfer an den einzelnen Bestandteilen wie folgt: Tabelle VI. In 1000 Gewichts- | In 1000 Gewichts- | teilen teilen | frischer Normaltiere, frischer Karenztiere ee | 713,28 | 652,87 Be anbetanz BE 286,72 | 347,13 Mache. \. ‚ii. BR. 2 ee 17,31 17,66 Organische Bilanz REN 210, 269,41 | 329,47 a | 40,96 | 58,66 ae ii. 150,32 169,60 en |! 39,40 8,04 ekele . . . .-. .'. 38,73 94,17 Die Zusammensetzung der Maikäfer erleidet sonach beim Hungern beträchtliche Veränderungen. Es kommt zu einem sehr bedeutenden Wasserverlust, so daß die Trockensubstanz der Käfer bis 34,713 Proz. steigt. Der Gehalt an Asche und Eiweiß- körpern bleibt konstant; der Gehalt an Fett sinkt von 3,94 Proz. bis 0,804 Proz. Um aber eine zutreffende Vorstellung über den absoluten Verbrauch der verschiedenen Bestandteile der Leibessubstanz zu gewinnen, ist es nötig, diese Zahlen statt auf 1000 Gewichts- teile auf die Zahl der Individuen zurückzuführen, denn 1000 g 30 B. Slowtzoff, Normaltiere entsprechen nicht 1000 g verhungerten Tieren. Das Ergebnis einer solchen Berechnung ist aus der Tabelle VII er- sichtlich. Tabelle VI. 1000 Stück | 1000 Stück | Absoluter | Gewichtsverlust Normaltiere | Karenztiere | Gewichts- |in Proz. der ur- enthalten g | enthalten g | verlust in & | sprüngl. Menge Wasser... =. 638,39 . 409,70 — 228,69 — 85,82... Trockensubstanz 256,61 217,84 — 838,77 — 15,11 Asche > ers 15,49 11,08 — . 4,41 —. 28,47 Organ. Substanz | 241,12 206,76 — 34,36 — 14,25 OHEtmEe).. ee 36,65 36,82 + 0,17 + 0,46 Eiweißkörper . 135,55 105.89 | »— os — 21,98 Bette n.a.., 00% 35,26 5,06 — 30,20 — 85,65 Extraktivstofe . | 34,66 59,06 + 24,40 + 70,40 Beim Hungern werden somit fast 85,65 Proz. des ursprünglichen Fettes verbraucht; der Eiweißzerfall beträgt bloß 21,93 Proz.; der Wasserverlust 35,82 Proz. Die Chitinmenge bleibt innerhalb der Fehlergrenzen unverändert. Der absolute Verlust an organischen Stoffen gestattet, die mitt- lere Menge der beim Hungern verbrauchten Energie zu berechnen. Wenn wir folgende kalorische Aquivalente zu Grunde legen, 1 g Eiweiß — 4,32 Kal., 1 g Fett = 9,46 Kal., 1 g Chitin als Kohlehydrat — 4,18 Kal. und 1 g Extraktivstoffe — 3,154 Kal.*), so würde das kalorische Äquivalent von 1000 normalen Maikäfern — 1181,6 Kal. betragen. Das kalorische Äquivalent von 1000 verhungerten Mai- käfern ergibt sich zu 845,2 Kal. Während des lungerns haben also die Maikäfer rund 336,4 Kal. verbraucht. Das macht 28,47 Proz. der gesamten vor dem Hungern vorhandenen Energie aus. ° Im Mittel war der Energie-Verbrauch pro Tag 16,02 Kal., pro Kilo Gewieht und 24 Stunden betrug er 17,89 Kal., pro Stunde und Kilo 0,7454 Kal. Von einzelnen Bestandteilen, welche an dem Gewichtsverluste Anteil nehmen, habe ich dem Phosphor und Stickstoff größere Aufmerksamkeit zugewendet. Den Gesamtphosphor des Organismus habe ich in drei Fraktionen bestimmt, den in Alkohol und Äther- extrakt der getrockneten Käfer übergehenden Teil (Leeithin- phoshor), den in die wässerige Auskochung übergehenden Teil (anorganischer Phosphor) und den Rest, der bloß beim Erhitzen *) Frentzel und Schreuer, Du Bois, Arch. 1902, S. 282. sl Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. mit Natronlauge zugleich mit Eiweißkörpern in Lösung geht (Phosphor des Phospho- und Nucleoproteide u. s. w. oder schlecht- weg Eiweißphosphor). Für jede Bestimmung wurden natürlich mindestens zwei Analysen gemacht; in einigen Fällen habe ich auch gesondert den Gesamtphosphor- gehalt der Maikäfer bestimmt. Die Summe der verschiedenen Arten des Phosphors stimmte mit dem Gesamtphosphorgehalt innerhalb der ana- lytischen Fehlergrenzen.. Die Resultate finden sich in den Tabellen VIII und IX zu- sammengestellt. Tabelle VII. Karenztiere Kontrolltiere Proz.-Ge- | Proz.-Ge- Proz.-Ge- | Proz.-Ge- : halt an haltanP,o,| In Proz. | Halt an |haltan P,O,| In Proz. P;0, in d. in der aus- P,0, in d. in der aus- Trocken- | frischen oedrückt || Trocken- | frischen | gedrückt substanz Substanz | ” substanz | Substanz Gesamt P;O,; 1,910 0,5476 100,00 1,630 0,5658 100,00 P,0O, in Alkohol- äther-Extrakt 0,410 0,1175 21,47 | 0,087 0,0302 5,64 P;0, in Wasser- Extrakt. k 0,815 0,2337 42,65 1,332 0,4623 81,88 P,;0,;, der Nucleine 0,685 0,1964 35,88 0,210 0,0733 12,48 Tabelle IX. PO, des 70; des Ps0; Gesamt- | Alkohol- | xx Po her Wasser- der I mtrakter | Extraktes| Nucleine In 1000 Stück Normaltieren 4,90 1.05. 1° „apa...N 1,78 In 1000 Stück Karenztieren 3,5D 0,19 2,90 0,46 Absoluter Verlust . er Lage 130 1,80 Verlust in Proz. — 27,55 | — 81,91 | + 34,91 | — 73,86 Aus beiden Tabellen ersieht man, großer Teil des Lecithinphosphors (81,91 daß beim Hungern ein Proz.) und des Eiweiß- phosphors (73,86 Proz.) verbraucht wird, indem er in anorganische Verbindungen übergeht; ein Teil davon wird aber ausgeschieden, so daß die Gesamtmenge des Phosphors um 27,4 Proz. abnimmt. Was die verschiedenen Formen des Stickstoffes betrifft, so wird der Gehalt daran beim Hungern stark verändert. Ich habe direkte Bestimmungen von Gesamtstickstoff, Chitinstickstoff, wasser- löslichem und ätheralkohollöslichem Stickstoff ausgeführt. Der 32 B. Slowtzoff, Rest des Gesamtstickstoffs nach Abzug des in Äther, Alkohol und Wasser löslichen, sowie des Chitinstickstoffs ist als Eiweißstick- stoff in Rechnung gebracht. Tabelle X, Normaltiere Karenztiere Proz.-Ge- | Proz.-Ge- I Pins: -Proz.-Ge- | Proz.-Ge- In Pros halt der halt der halt der halt der Trocken- | frischen DES Trocken- | frischen a substanz Substanz gedrückt substanz Substanz gedrückt Gesamt-Stickstoff . 14,597 4,185 100,00 14,530 5,044 100,00 Ather- u. alkohol- | löslicher Stickstoff 0,594 | 0,170 4,07 0,286 0,099 1,94 Wasserlöslicher Stickstoff 1,884 0,540 12,90 3,198 1.20 22,01 Chitinstickstoff . 0,944 0,270 6,47 1,144 0,397 7,87 Eiweißstickstoff 11,175 3,205 76,56 9,902 3,438 68,15 Ammoniakstickstoff 0,640 0,183 4,38 0,681 0,236 ‚4,69 Tabelle XI Gesamt. ‚| Hera] Wasser TE nee kohollös- | löslicher licher N In 1000 Stück Nor- maltieren . In 1000 Stück Ka- renztieren . Absolute Ver- änderung . 3 Veränderungi. Proz. 30,93 658 17,48 — 0,90 — 59,08 4,72 2,42 6,97 2,49 + 2,25 | + 0,07 + 47,64 | + 2,80 — 5,20 — 19,42 1,64 1,18 ® 2 Ol 976 Beim Hungern wird sonach das Verhältnis der verschiedenen Formen des Stickstoffs gegeneinander stark verschoben. Die Eiweißstoffe werden oxydiert und der Stickstoff geht in die Extraktivstoffe über. und Ammoniak-Salzen wird kleiner. Über 17,43 Proz. des Stickstoffes werden beim Hungern aus- geschieden; der Verlust an Eiweißstickstoff beträgt 19,42 Proz. der ursprünglichen Menge. Der Ammoniak- und der in Alkohol- Äther lösliche Stickstoff (zum größten Teil Harnstoff) werden um 9,76 Proz. und 59,08 Proz. vermindert. Die Erhöhung des Chitin- Der Gehalt an alkohollöslichem Stickstoff Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels.. 33 stickstoffs kann damit erklärt werden, daß sich im Chitin stick- stoffhaltige, in 20-proz. Natronlauge unlösliche Pigmente ablagern. In der Tat war das rohe Chitin bei den hungernden Tieren viel dunkler gefärbt. Die gereinigten Chitinpräparate erwiesen sich aber im Stickstoffgehalt als identisch. Die Tatsache, daß der an Eiweiß und Nuclein gebundene Phosphor beim Hungern in größerer Menge verbraucht wird, ver- anlaßte mich, einige Bestimmungen der Pentosen oder richtiger der furfurolgebenden Substanzen auszuführen. Die Menge des Furfurolphloroglucidniederschlages auf Pentosen berechnet ergab, daß 1000 Normaltiere 2,134 g Pentosen, 1000 Karenztiere 2,196 g enthielten. Die Differenz zwischen diesen zwei Werten fällt in die Fehlergrenzen, so daß man annehmen kann, daß sich die Menge der furfurolgebenden Substanzen beim Hungern nicht ändert. Das scheint mir eine beachtenswerte Tatsache, die ich näher zu untersuchen beabsichtige. Die bei dem Zerfall der Nucleoproteide freiwerdenden Pentosen bezw. deren Vorstufen scheinen sich nicht weiter zu oxydieren. In welcher Form sie zurückbleiben (an Eiweißkörper gebunden oder nicht), ist noch zu entscheiden. Die Menge des Materials gestattete uns auch eine ausführliche Analyse der Salze durchzuführen. Ich habe Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen, Chlor, Schwefel und Phosphor, sowie die Menge der unlöslichen und löslichen Salze bestimmt. Tabelle XL. Normaltiere Karenztiere Proz.-Ge- | Proz.-Ge- in Proz. || Proz.-Ge- | Proz.-Ge- | in Proz. halt der halt der der halt der halt der der Trocken- frischen Gesamt- || Trocken- frischen Gesamt- substanz | Substanz asche substanz | Substanz asche (resamt-Asche . . 6,039 1,729 100,00 5,088 1,766 100,00 Lösliche Salze . . 3,666 1,049 60,71 2,416 0,839 47,48 Unlösliche Salze ; 2,373 0,680 39,29 2,672 0,927 52,52 Rn 1,910 0,548 31,63 1,630 0,569 | 32,03 ein 0,989 0,283 16,36 0,844 0,293 | 16,59 ii, 0,280 0,080 4,64 0,153 | 0,053 3.01 Bee... 0,814 0,233 | 13,48 0,854 | 0,296 17,30 Na,0 | 0,976 0,079 4,53 0,342 0,119 6,72 CaO + 191,108 0,316 18,97 0,585 0,203 11,60 Bruni.” | 0,119 0,034 1,97 0,132 0,046 2,59 Fe.O; . | 0,334 0,095 5,53 0,368 0,197 7,23 Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 3 34 B. Slowtzoft, Tabelle XII. Absoluter Gehalt ‘ 1ös- |unlös- SO, cl K,0 | Na,0 | CaO | MgO | Fe,0, | liche | liche Salze | Salze In 1000 Stück Normal- INErEN. 12. Er Lok Bone 4,90 6,09 In 1000 Stück Hunger- tierBn u TE 3,55 0,74 1,28] 0,29 5,82 Veränderung ing.. Veränderung in Proz. . ||-27,55| —27,56| —43,08|— 11,004 4,22] —54,77|— 3,33| 0 1|—45,16|— 4,43 Die angeführten Zahlen zeigen, daß sich beim Hungern der Gesamtgehalt an Salzen auf 28,47 Proz. vermindert. Diese Ver- luste beziehen sich hauptsächlich auf lösliche Salze, deren Menge um 45,16 Proz. kleiner wird. Die unlöslichen Salze bleiben größtenteils in dem Organismus und werden bloß zu 4,43 Proz. ausgeschieden. Die größten Verluste fallen auf Chlor (— 43,03 Proz.) und Calcium (— 54,77 Proz.); die Menge der Phosphor- und Schwefel- säure vermindert sich um 27,55 Proz. und 27,56 Proz. Es scheint überhaupt, daß beim Hungern der Organismus mehr Säuren als Basen ausscheidet. Einige anorganische Bestandteile (Na, Mg und Fe) scheinen fast gar nicht verloren zu gehen. Bunge*) hat in einer Arbeit die Beziehungen der Aquivalente des Kaliums und Natriums bei Insekten zusammengestellt. Da die Maikäfer ausschließlich pflanzenfressende Insekten sind, so ist es vielleicht interessant, meine Werte mit den an anderen Tieren ermittelten zu vergleichen. Tabelle XIV. Verhältnis K,0 N3,0 von Bezold. Arion empiricorum. . . 2... 3,134 0,980 Be! Bunge. Pieris brassiae . : -: . . . .) 41085 | 0,2403 | 1:2,70 Pygaera. Bucephala .". ı. 7. . 5,513 0,6716 | 1:50,69 Siowtzoft. Maukaten) „ar 1.0 27 FE 2,330 0,79 151597 Das Ergebnis meiner Arbeit möchte ich in den Hauptzügen zusammenfassen, wie folgt: 1. Bei absoluter Karenz verlieren die Maikäfer 23,99 bis *) Bunge, Zeitschr. für Biol. 10, S. 297. E 4 Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 35 23,76 Proz. des ursprünglichen Gewichtes und verbrauchen etwa 28,47 Proz. ihres gesamten Energievorrates,. 2. Dabei sind die täglichen Gewichtsverluste an den ersten Tagen am größten (2,39 Proz. des ursprünglichen Gewichtes), sinken dann auf ein Minimum (bis 0,66 Proz.) und zeigen eine prämortale Steigerung. 3. Die Verluste betreffen vorzugsweise den Gehalt an Wasser, Fett und Eiweiß. Das Chitin scheint nicht angegriffen zu werden. 4. Die Verluste zeigen folgende Reihenfolge: Fett (85,65 Proz.), Wasser (35,82 Proz.), Asche (28,47 Proz.), Eiweißkörper (21,93 Proz.). 5. Während des Hungerns verbrauchen die Maikäfer pro 24 Stunden und pro Kilo Gewicht 17,89 Kal.; pro Stunde und Kilo 0,745 Kal. 6. Die phosphorhaltigen Eiweißkörper werden stark ange- griffen, so daß etwa 75 Proz.‘ des Eiweißphosphors abgespalten werden; die Menge der Pentosen im Organismus scheint sich nicht zu Bien: 7. Der Gehalt an Ammoniak-Salzen und an in Alkohol und Ather löslichem Stickstoff (zum größten Teil Harnstoff) erfährt eine Verminderung. 8. Die Hauptverluste an Salzen beziehen sich auf lösliche Salze. Natrium, Magnesium und Eisen werden anscheinend nicht ausgeschieden. Die Verluste sind am größten bei Calcium, Chlor, Schwefel- und Phosphorsäure. Analytische Belege. I. Normaltiere. Atherextrakt. 4,3964 g Trockensubst. ergaben 0,6051 g Ätherextr. 13,764 Proz. 7,3984 g h re ERDE Re PIETIBN ; Mittel 13,741 Proz. Wasserextrakt. Bar en. 1059285 Wasserextr. 13,484 Proz. a u ne E00 at 5 „ Mittel 13,507 Proz. Chitin (in 20-proz. Natronlauge unlöslich) j 43648. . 2... 2 2. ..,086289 8 unlösl. Rest 14,304 Proz. ee EEE . 2 1E. , Mittel 14,284 Proz. Gesamt-Stickstoff, 0,16298 . . . . Verbraucht 17,2 cc. Yo Säure 14,78 Proz. ‘N. LS Er U: 1212218 » 17 5 A EEE N 4.312888. n tn Mittel 14,597 Proz, N, 3* 36 B. Slowtzoft, Stickstoff des Ätheralkoholextraktes. 200558 . - . . Verbraucht 8,2 cc. !o Säure 0,572 Proz. N. LER 7 2 Re ee 8,0 cc. „ 0619... 7 Mittel 0,594 Proz. N. Stickstoff des Wasserextraktes. 200558 . . . . Verbraucht 27,0 cc. !Jıo Säure 1,885 Proz. N. 1 ee a ee 2 EBBEF SINE Mittel 1,884 Proz. N. Stickstoff des Chitins. i 029368 . . . . Verbraucht 13,9 cc. !Jıo Säure 6,62 Proz. N. DSIBa.0: War 7er. 7a 719,050, z GRur‘, . Mittel 6,61 Proz. N. Stickstoff in Form von NH,. 2,2734 g mit MgO destilliert; verbraucht Kg cc. 0,6404 Proz. N. Gesamt-Phosphor. LITD:8: 4 7a P,0,Mg 1 SEB9S PROB 1,1390 BR a 2 Ei 5 Mittel 1,910 Proz. P, 0, Phosphor des Ätheralkoholextraktes 20308... .,=.0.0124 2’ P,0,Mg .-,%.. (2 2.0,891 Proz 331208... 27 200 EI ER I “ a2 LADDDBB Er nt 0.410. es Mittel 0,410 Proz. P,O, Phosphor des Wasserextraktes. 1.8272... OBBEERDO, ME 7,2 Fr 1,1752 6 3. SUB EEE IR ER DH PR RE 5 368, IE EN gear Rn $ Mittel 0,815 Proz. P;O, Phosphor der Eiweißkörper. 1,8524 8: ..-."0,0107 8 Mg, PO, \:, 22:.95.19:52.0,685, Pro2 743% Pentosenbestimmung. 2,9782:8 ..27,0,01038 are 6 0 BE N le ARE m ER N N, 6 Pan Mittel 0,5524 Proz. Schwefel-Bestimmung. 1,3344 8 "! SOSE BESO, Dr 2 20,958 Piz 0,7494 8: 72 ORT ee U 7 TO BBar TE Mittel 0,989 Proz. SO, Chlor-Bestimmung. 0,9253 8 2)...” WODOES BFBINa E02 Pros BB. 0: DOT A ER ALT Mittel 0,280 Proz. Cl. Eisen-Bestimmung. 1,1347.:&:. 2: ....0,0058 &:Fe,0, 227202 22,22720335, Perg Her 1,1218 8 \.. x: 800898 EB 0 a BE > Mittel 0,334 Proz. Fe, 0, Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 37 K- und Na-Bestimmung. 1,6900 . . 0,03812g CIK-+-CINa 1,8415 Proz. een: :0,07228 K,PL6l, 1,3148 „ CIK 0,8308 Proz. K,0 0,5307 Proz. C1Na 0,2817 Proz.Na, O 2,1540g . . 0,0382g CIK-+-CINa 1,7734 Proz. Br. 0,08868 K,PEUCI, 1,2630 Proz. CIK 0,7981 Proz.K, O 0,5104 Proz. C1Na 0,2709 Proz. Na, O Mittel 0,814Proz. K, O 0,276 Proz. Na, O Magnesium-Bestimmung. wre. REM: oe 0,2188 PO. MED: Be ODE ea. 0,8198 e. | Mittel 0,119 Proz. MgO. Calcium-Bestimmung. Bee cal 2. 9... 0%... 1,108: Proz. Ca0:! Re uU. 12: 02 8: Wr 9 117 © Mittel 1,035 Proz. CaO. Unlösliche Salze. RE re a eo, 2.0348 PLOZ, aa ee ne 239 „ Mittel 2,373 Proz. II. Die Karenztiere. Ätherextrakt, BER ne 3243 Proz. EHI IEN 2 et, 2,898, „ Mittel 2,3205 Proz. Fett Wasserextrakt. EEE ren. 27,20 Proz. TION are nr 27,02 „ Mittel 27,11 Proz. Chitin (in 20-proz. Natronlauge unlöslich). Be: 0,0090 Ahlkin „u... = 8 2%. 2216,88 Proz. ae Hurt IL: alles ME SEN A RER |: 1. Te Mittel 16,90 Proz. Gesamt-Stickstoff. 0,2118g Verbraucht 22,3cc. "ıo Säure . . . . . 14,74 Proz. N 0,2764 g a BRENNEN ..-. ’, 0,2350 g = N er ai ee Mittel 14,53 Proz. N Stickstoff des Alkoholätherextraktes. ei ertrauent Scan a are 0287 Proz: N 3.4416 g x DR ES DENSEER ı 72. > re Mittel 0,286 Proz. N Stickstoff des Wasserextraktes. Bess Nerbraucht 7566. ! .. 0... 2.20.20... .+3,185 Proz. N 3,2930 8 a Be ei ee ne Mittel 3,1975 Proz. N 38 B. Slowtzoft, Stickstoff des Chitins. 0,2874g Verbraucht 13,9cc. Säure . Stickstoff in Form von NH,. 2,1160g Verbr. 10,3 cc. Gesamt-Phosphor. 1,1502 g 0,03008 MgP,0; . 1,4290 g 0,0347 8 . 0,6801 g VNISE N; Phosphor des Ätheralkoholextraktes. 4,8650 g 0,0062 8 MgP, 0, 2,4565 8 0,0068 . . . Phosphor des Wasserextraktes, 4,8650 8 0,0100 g MgP, % 3,2962 g 0, 00708 Phosphor der Eiweißkörper. 3,2962 g 0,0102g MgP,0, 301188 0,0106 g Pentosenbestimmung. 3,2442 g 0.0260 8 ee 3,3658 g 0,02698 . 3,0250 8 0,0245 8 . Schwefel-Bestimmung. 1,2710 g 0,0316 g BaSO, 14015 8 0,0464 8 Chlor-Bestimmung. 1,2682 g 1,1955 g 0,0032 g CINa 0,0030 g Eisen-Bestimmung. 0,6517 8 1,3090 g 0,0028 Fe, 0, 0,0048 g K- und Na-Bestimmung. 1,66408 . AK 0,07288 K,PtCl, 0,0328g CINa--CIK 1,971 Proz. 1,343 Proz. CIK 0,8489 Proz.K, O0 Be 2 OR ae . 0,681 Proz. 1,66 Proz. P,0, 190. k: 1,64 ” ” Mittel 1,63 Proz. P,O, 0,0811 Proz. P,O, 0,0934 „ a Mittel 0,0872 Proz. P,O, 1,310 Proz. P, O, 1,354 2 ” Mittel 1,332 Proz. P,O, 0,197 Pröz. BP, 0,224 ” BD) Mittel 0,210 Proz. P,O, 0,801 Proz. 08014 % 0,810 „ Tanker 0,803 Proz. 0,8539 Proz. SO, 0,8332. 7,5 a Mittel 0,8440 Proz. SO, 0,1531. Proz. © "0,1530... „erss Mittel 0,153 Proz. Ol. 0,369 Proz. Fe, 0, DBI = Mittel 0,368 Proz. Fe, O, 0,628 Proz. CINa 0,3333 Proz. Na, O 1,6811 g ergab 0,0340 g CINa-- CIK 2,023 Proz. j 1 ‚361 Proz. CIK 0,8600 Proz.K,O 0,0745g8 K,PtCl, 0,662 Proz. CINa 0,3514 Proz. Na, O Mittel K,O 0,854 Proz. Na,0 0,342 ” Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 39 Mg-Bestimmung. 1,5272 g 2,0590 Ca-Bestimmung. 1,2945 g 1,1700 g Unlösliche Salze. 1,6640 g 1,6811 g 0,0072 8 MgP,0,. . 0,0100 g 0,0075 g Ca 0,0069 g 0,0430 8 . 0,0464 8 . 0,1308 Proz. Mg O 0,1340 2) ” Mittel 0,1324 Proz. Mg O 0,5794 Proz. Ca 0,5897 „ x Mittel 0,5846 Proz. Ca 2,584 Proz. 2,160, Mittel 2,672 Proz. 19, Über das Haarpiement. Von Dr. Eduard Spiegler (Wien). Docent an der Wiener Universität. Aus dem chem. Laboratorium von Hofr. A. Lieben (Wien). Erste Mitteilung. Die Frage nach der Herkunft des tierischen Pigmentes be- schäftigt seit Dezennien die biologische Forschung. Trotz zahl- reicher zum Teil ausgezeichneter Untersuchungen hierüber, ist es bisher nicht möglich gewesen, die Gegensätze zu überbrücken. Während die einen behaupten, das Pigment sei ein Ab- kömmling des Blutfarbstoffes, leugnen die anderen, daß der Blut- farbstoff mit der Pigmentbildung in irgend einem Zusammenhange stehe, vielmehr sei die Pigmentbildung eine Funktion gewisser Zellen in demselben Sinne wie die Bildung anderer spezifischer Produkte. Wie etwa Pepsin oder Salzsäure das Produkt be- stimmter Zellen ist, so werde auch das Pigment des tierischen und menschlichen Organismus von solchen erzeugt, ohne daß da- mit über die Materialien, aus denen das Pigment gebildet wird, irgend etwas ausgesagt würde. Über die außerdem noch be- stehenden Meinungsdifferenzen, welchen Zellen speziell — ob Epidermis- oder Bindegewebszellen — diese Funktion zukomme, über dieses gleichfalls wichtige Problem wollen wir hier hinweg- gehen, weil uns dies von der Frage, die den Gegenstand unserer Untersuchungen bildet, zu weit abführen würde. Wir wollen zunächst diejenigen Argumente anführen, welche hauptsächlich für den hämatogenen Ursprung des a geltend gemacht worden sind. Bereits im Jahre 1821 trat Breschet*) auf Grund chemischer Untersuchungen, die Barruel und Lassaigne an melanotischen Tumoren von Pferden und Menschen angestellt hatten, für die Abstammung des Pigmentes aus dem Blute ein. *) Breschet, Considerations, Paris 1821. en A ee ee ee ee ee ee rn a Über das Haarpigment. 41 John Bennet*) fand, daß der Farbstoff in kochender Salpetersäure löslich sei; er erklärte, derselbe enthalte Schwefeleisen und stamme daher aus dem Blute. Auch Gautier**) hielt den Ursprung für einen hämatogenen. Nach Hurtel d’Arboval***) sind die Melanosen zuerst weiß und werden nach und nach durch eine Umbildung des Blutfarbstoffes gefärbt. Dreßler+) scheint der erste gewesen zu sein, der es versuchte, den Farbstoff rein darzustellen. Bei beiden Untersuchungen, die er anstellte, fand er den Farbstoff schwefelfrei, hingegen Spuren von Eisen, in einem Falle außerdem noch etwas Kieselsäure. Nach Langhans-+r) werden Blutkörperchen von Iymphoiden Zellen aufgenommen und von diesen in körniges Pigment umgewandelt, was von Pouchet bei lebenden Fischen bestätigt wurde. Nach Gussenbauer++7) kommt es unter hierzu günstigen Verhält- nissen zu einer Abgabe von Blutfarbstoff an das Plasma. In dem letzteren gelöst wird derselbe von gewissen Zellen aufgenommen und bildet sich erst später zu körnigem Pigment um. Demi6ville*+)tritt wegen VorkommensdesPigmentes in der nächsten Nähe der Blutgefäße mit Entschiedenheit dafür ein, daß dieses aus dem Blute stammt. Nach Quincke*-+-+) werden die Blutkörperchen von Bindegewebszellen aufgenommen, welche sie zu Pigment verarbeiten. Es können aber auch die Blutkörperchen im Serum aufgelöst werden, das Hämoglobin diffundiere in das umgebende Gewebe, welche dasselbe in Hämatin und Pigment verwandle. Perls*}+++) gab zur Bestimmung des Eisengehaltes in melanotischen Tumoren eine Reaktion an, die bekanntlich darin besteht, daß die Schnitte zuerst in eine Ferrocyankaliumlösung gelegt, hierauf mit HCl oder HNO, behandelt werden. Eintretende Blaufärbung dient als Beweis für den Eisengehalt des Pigmentes. Doch spreche der negative Ausfall der Reaktion nicht gegen den hämatischen Ursprurg des Pigmentes. Vossius+*) und Hirschberg gelang jedoch mittelst der erwähnten Reaktion in mehreren Fällen der Nachweis von Eisen in pigmentierten Geschwülsten. Nach Nothnagel--**) wird beim Morbus Addisonii das Pigment nicht in den Retezellen erzeugt, sondern von der Cutis her diesen zugeführt. Die Cutiszellen bilden das Pigment aus Blutfarbstoff, wofür die Farbe des Pigmentes, sowie dessen Lage nächst den Blutgefäßen spricht. *) Edinb. Monthly Journal, August 1848, pag. 98. **) Gautier, Chimie appliquee a la Physiologie. Paris 1874. ***) Citiert nach Decking: über Melanosarcom, Inaugural- Dissertation. Würzburg 1887. +) Vierteljahrschrift für prakt. Heilkunde. Prag 1865, 8. jr) Langhans, Beobachtungen über Resorption der Extravasate’ und Pigmentbildung in denselben. Virchows Archiv, 49. ++) Gussenbauer: Über die Pigmentbildung in melanotischen Sarkomen und einfachen Melanomen der Haut. Virchows Archiv, 63. *7) Demieville: Uber Pigmentflecke der Haut. Virchows Archiv, 81. *7) Quincke: Beitrag zur Lehre vom Icterus. Virchows Archiv, 9. *7jr) Archiv f. experim. Pathologie und Pharmakologie 1886. 7*) Arch. f. Ophtalmologie, 31. 7”) Zur Pathologie des Morbus Addisonii, Zeitschr. f. klin. Med. 1885. 42 Eduard Spiegler, Auch Riehl*) kam für den Morbus Addisonii zu ähnlichen Resultaten und spricht sich für das Entstehen des Pigmentes aus dem Blute aus. Er begründet dies mit dem Auftreten von freiem Blut extravaskulär im Gewebe und von pigmenthaltigen beweglichen Cutiszellen unmittelbar bei den Hämorrhagieen. Doch handelt es sich hier um pathologisches Pigment, Hingegen fand Riehl**), daß das Pigment menschlicher Haare diesen durch besondere eigenartige, unregelmäßig gestaltete Zellen zu- geführt wird. Nach Oppenheimer***) läßt sich hinsichtlich der Pigmentbildung in den Sarkomen leicht erkennen, daß die Pigmentbildung in denselben von örtlich beschränkten Bedingungen abhänge, welche auf die Blut- gefäße, zum Teil auf die roten Blutkörperchen hinweisen, und auch nach List+) weise die Tatsache, daß die Pigmentzellen den Blutgefäßen folgen, auf eine Beziehung des Pigmentes zum Blute hin. Außerdem konnte List (l. ce.) an der Crista des Schwanzes von Triton ceristatus innerhalb der Blutkörperchen in den Gefäßen des ober- flächlichen dicht unter der Epidermis liegenden Kapillarnetzes das Auf- treten von einzelnen Pigmentkörperchen und von Klümpchen beobachten und schloß daraus, daß das Pigment sich zuerst aus dem Zellkörper und dann aus dem Kerne bilde, sich innerhalb des Gefäßes zu größeren Klümpchen ansammle und dann durch die Wandung des Gefäßes nach außen befördert werde. Die Bilder Lists erregten bei Jarisch+7) Zweifel, ob nicht etwa Lists „Pigment in den roten Blutkörperchen“ durch eingedrungene Luft zustande gekommen sei, um so mehr, als List sich über die optischen Eigenschaften besagten Pigmentes nicht näher ausgesprochen habe. List+rr) beschrieb außerdem an Querschnitten durch Forellenembryonen von 2 cm Länge in den vorderen, oberen und seitlichen Partieen des Dotters ganz eigentümliche Zerfallserscheinungen. Man bemerke nämlich in diesen Dotterpartieen größere oder kleinere Lakunen, die nichts anderes als Zerfallserscheinungen des Dotters, und wie eine genaue Beobachtung ergebe, nichts anderes als Vorstadien der Pigmentkörperchen seien. Hinsichtlich der früher erwähnten von Jarisch bezweifelten Meinung Lists liegt zwar eine Beobachtung Meyersons--*) vor, wonach er im Froschblute stets pigmentierte Zellen gefunden habe, doch konnte Meyerson sich selbst überzeugen, daß es sich hierbei um farblose Blutkörperchen gehandelt habe. Übrigens ha®Saviotti-+**) gezeigt, daß "*) G. Riehl, Zur Pathologie des Morbus Addisoni, Zeitschr. f. klin. Medizin, 10, 521. ®*) (&%, Riehl, Arch. f. Dermat. und Syphilis 1884, S. 33. **=*) Oppenheimer, Beiträge zur Lehre der Pigmentbildung in melanotı- schen Geschwülsten. Virchows Archiv, 96. +) List, Über die Herkunft des Bo in der Oberhaut. Biologisches Contralblatt, 10. Bd. ++) Jarisch, Über die Anatomie und Entwickelung des Oberhautpig- ent beim Frosche. Arch. f. Derm. u. Syph. 1891, S. 559. ++). List, 1..@ 8.229 Un 30: er) Meyerson, Zur Pigmentfrage. Virchows Archiv, S. 118. +**) Saviotti, Über die Einwanderung der Pigmentzellen in die Blut- gefäße an der Schwimmhaut des Feisches Zentralbl. f. mediz. Wissen- schalten. 1870. rn a Über das Haarpigment. 453 Pigmentzellen ja auch durch die Gefäßwand in die Gefäße einzuwandern vermögen, so daß der Nachweis pigmentierter Zellen im Blute keineswegs die Entstehung des Pigmentes aus demselben bedingt. Unter den Ver- tretern der Ansicht vom hämatogenen Ursprung des Pigmentes finden wir auch Kölliker*), wenn er auch hinsichtlich des Pigmentes der Retina bei den Wirbeltieren eine selbständige Bildung des Pigmentes zuläßt, ein Standpunkt, der hinsichtlich der Iris und Chorioidea von Cornil und Ranvier**) geteilt wird. Nach Duirck***) stammt das Pigment aus dem Blutfarbstoffe und kommt dessen Bildung unter Mitwirkung von kontraktilen Zellen so zu- stande, daß einerseits aus den eingeschlossenen roten Blutkörperchen direkt Pigmentgranula hervorgehen, die zu gewissen Zeiten die Reaktion von Perls zeigen; andererseits findet in denselben eine Ansammlung von Blutfarbstoff des durch Exosmose aus einzelnen freien Blutkörperchen ausgetretenen Farbstoffes und Konsolidierung desselben zu Pigment- körnern statt. | Halpern-+), welcher das Pigment an der Skrotalhaut des Negers studierte, fand das Pigment in der Umgebung der Gefäße, jedoch auch an anderen Stellen, er konnte aber nirgends in der Cutis Thromben oder Blutaustritte sehen, die auf die Entwickelung des Pigmentes aus Blut- körperchen hingewiesen hätten. Langhans+7) suchte auf experimentellem Wege der Frage näher zu treten, indem er Tieren Blutgerinsel unter die Haut brachte. Die roten Blutkörperchen wurden von kontraktilen Zellen aufgenommen und in Pigment verwandelt, welches indes nach einiger Zeit vollkommen ver- schwand. Zu ähnlichen Resultaten kam Quincke nach Injektion von Blut in das Unterhautzellgewebe von Hunden und Ehrmann nach Quetschungen, die von Blutaustritten gefolgt waren. M. B. Schmidt++}r) tränkte Holundermarkplättchen mit Blut und brachte sie Fröschen und Kaninchen unter die Haut. Er fand nach einiger Zeit kleine Pigmentkörnchen von goldgelber Farbe, teils frei, teils in Zellen. Einer der eifrigsten Verfechter der Lehre vom hämatogenen Ur- sprung des Pigmentes ist Ehrmann+*), welcher auf Grund umfassender entwickelungsgeschichtlicher Untersuchungen über das Pigment sowohl *) Kölliker, Über die Entstehung des Pigmentes in den Oberhaut- gebilden. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 1887, 46. **) Cornil et Ranvier, Manuel d’Histologie pathologique. *=#=*) Duirck, Beitrag zur Lehre von den Veränderungen und der Alters- bestimmung von Blutungen im Zentralnervensysteme. 7) J. Halpern. Uber das Verhalten des Pigments in der Oberhaut des Menschen. Archiv für Dermatologie und Syphilis, 1891. 3 jr) Langhans, Beobachtungen über die Resorption der Extravasate u. s. w. Virchows Archiv, 49. h irr) M. B. Schmidt, Uber die Verwandtschaft der hämatogenen und autochtonen Pigmente u. s. w. Virchows Archiv, 115. 7’) Ehrmann, Das melanotische Pigment und die pigmentbildenden Zellen des Menschen und der Wirbeltiere in ihrer Entstehung nebst Be- merkungen über Blutbildung und Haarwechsel. Bibliotheca medica. Abtl. D II, Heft VI, 1896. 44 | Eduard Spiegler, originär pigmentierter als auch originär pigmentloser Tiere die hämatogene Lehre vom Ursprung zu stützen versucht, ohne jedoch, wie Rosenstadt*) darlegte, hierfür beweisende: Argumente anführen zu können. Schließlich hat noch mein verehrter verstorbener Lehrer Kapos ji) in einem geistvollen Vortrage die Tatsachen, die für und gegen die Ent- stehung des Pigmentes aus dem Blute sprechen, von klinischem Stand- punkte aus beleuchtet. Die von ihm angeführten klinischen Tatsachen führen ihn zu dem Ergebnis, daß der Ursprung des Pigmentes nicht im Blute gesucht werden könne; eine ganze Reihe klinischer Tatsachen seien bei dieser Annahme vollkommen unverständlich, Die große Zahl der angeführten Arbeiten, deren Aufzählung übrigens keineswegs auf Vollständigkeit Anspruch macht, bezieht sich fast ausschließlich auf die Frage, ob das Pigment aus dem Blutfarbstoffe stamme oder nicht. Die Theorie der Pigment- bildung wäre mit der Lösung dieser Frage noch keineswegs erschöpft, weil zwei weitere Fragen ausständig sind, welche lauten: 1. Kann Pigment von der Epidermis erzeugt werden, oder wird es lediglich in der Cutis durch gewisse Zellen erzeugt und erst in die Epidermis transportiert? 2. Kommt nur ganz be- stimmten Zellen die Fähigkeit zu, Pigment zu erzeugen oder be- sitzen auch andere Zellen, namentlich die Epidermiszellen, diese Eigenschaft? Auch diese Frage, außer den genannten, hat seit Dezennien zahlreiche andere Forscher beschäftigt. Wir wollen jedoch auf diese Fragen an dieser Stelle nicht weiter eingehen, weil sie uns von der Frage nach der Natur und Abstammung des Pigmentes allzu sehr abführen würden, mit welcher sie nur in einem entfernteren Zusammenhange stehen. Auch ich habe mich schon längere Zeit mit der Pigment- frage beschäftigt, allerdings nur mit Heranziehung histologischer Methoden, ohne daß es mir gelungen wäre, der Frage auf diesem Wege neue Gesichtspunkte abzugewinnen. Ich hoffte hingegen, daß dies auf dem Wege der chemischen Untersuchung möglich sein würde, wenn man das Pigment in entsprechend großen Quantitäten darstellte. Bevor ich jedoch über meine einschlägigen Untersuchungen berichte, möchte ich in kurzem über das, was in dieser Richtung hierüber bekannt ist, berichten. Einige ältere Arbeiten, die sich mit dieser Frage beschäftigten, habe ich bereits eingangs dieser Erörterungen erwähnt. *) B. Rosenstadt, Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigmentes. Arch. f. mikr. Anatomie, 1897, 0. **) M. Kaposi, Über Pigmentierungen und Entfärbungen der Haut. Archiv für Dermatologie und Syphilis, 1891. a 2 a ee 2 ce ee cd ee = ia ms Über das Haarpigment. 45 Ich schicke voraus, daß das hauptsächlichste Ausgangs- material meiner Untersuchungen das Pigment des schwarzen und des weißen Roßhaares, sowie der schwarzen und weißen Schaf- wolle war, und erwähne dies hier deshalb, weil die Verfasser gleich einer der ersten unter den neueren Arbeiten, Hodgkinson und Sorby*), das schwarze Pigment schwefelfrei fanden. Da ihr Ausgangsmaterial aber Rabenfedern waren, so ergibt sich, die Richtigkeit der Analysen vorausgesetzt, hieraus eine ganz wesentliche Verschiedenheit der chemischen Zusammensetzung vom Pigment der Roßhaare, welches ich sehr reich an Schwefel- und Kieselsäure fand. Floyd“*) fand in der Negerhaut nach Waschen mit Wasser, Alkohol und Äther 2,4 Proz. Asche, fast das Doppelte von dem Aschengehalte bei Weißen. Auch der Eisengehalt (2,28 Proz.) ist nach Floyd fast doppelt so groß als bei Weißen. Floyd schließt daraus, daß das Pigment eisenhaltig sei, und hält seine Ent- stehung aus Blutfarbstoff für wahrscheinlich. Die Untersuchungs- resultate Floyds sind aber aus dem Grunde belanglos, weil sein Ausgangsmaterial nicht Pigment, sondern die ganze Negerhaut war. R. Mays“**) stellte aus den Augen von Hühnern ein braunes Pigment dar, über welches er keine näheren Mitteilungen hin- sichtlich seiner chemischen Zusammensetzung machte, das zwar gegen chemische Agentien sehr resistent war, das sich jedoch leicht in verdünnten Alkalien löste, wenn es vorher dem Sonnenlicht oder verdünnter Salpetersäure ausgesetzt worden war. Das Licht bleichte allmählich den Farbstoff. Da der meine diese Eigenschaft nicht teilt, handelt es sich hier wohl um eine von den hier zu beschreibenden Körpern verschiedene Substanz. Krukenbergr) standen Federn von Masophaga violacea, Corythaix persa s. Buffoni und Corythaix Verreauxii und anderer bunter Vögel zur Verfügung, doch zeigen die von ihm gewonnenen Farbstoffe von dem unseren so ganz verschiedenes chemisches und physikalisches Verhalten, daß dieselben für uns nicht weiter in Betracht kommen. *) M. R. Hodgkinson and H. C. Sorby, Pigmentum nigrum, the black colouring matter conteined in hairs and feathers. Journal of the chem. society. London 1877, 1. **) F. P. Floyd, Chemical Character of the pigment of the negro skin. Journal of the chem. society, 1. ***) R. Mays, Uber das braune Pigment des Auges. Untersuchungen aus dem physiologischen Institute der Universität Heidelberg, 2. +) Krukenberg, Die Farbstoffe der Federn. Vergleichende physiolog. Studien, 5. Abteilung und 2. Reihe, I. Abteilung. 46 | Eduard Spiegler, Wurster*) zeigte, daß der Blutfarbstoff in Gegenwart von Essigsäure und Milchsäure in einen braunschwarzen Körper um- gewandelt wird, der unter Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd alle Schattierungen durchmacht, die wir an blonden und braunen Haaren sehen, bis endlich eine weißliche Masse zurückbleibt. Auf Grund dieser Tatsache erklärt er die verschiedenen Farben- abstufungen der Haare durch Einwirkung von H,O, oder salpetriger Säure auf Eiweiß und Blutfarbstoff: Blond: viel H,0,, neutral und sauer; braunschwarz: wenig H,0,, sauer; tief schwarz: salpetrige Säure, sauer; rot: viel salpetrige Säure; grau: noch pigmenthaltiges Haar, durch Luft grau erscheinend; diese Luftentwickelung bedingt durch H,O,, welches im Haar freien Sauerstoff entwickelt. \ N. Sieber**) stellte aus der Chorioidea von Rinderaugen 0,25 g Pigment dar, welches sie nicht nur eisen-, sondern auch schwefelfrei fand. Hieraus ergibt sich schon ein durchgreifender Unterschied gegenüber unserem Haarpigment, was Hirschfeld***) und Landoltr) bestätigt haben. Hingegen ergab das aus Menschen- haaren dargestellte Pigment, welches dieselbe Forscherin darge- stellt hatte, eine Zusammensetzung, die sich den von mir ge- fundenen Zahlen etwas nähert und denen zufolge auch das Pigment des Menschenhaares einen erheblichen Schwefelgehalt aufweist. Sie fand: C 56,14 Proz.,, H 7,57 Proz., N 8,5 Proz,, S 4,10 Proz. Das von ihr untersuchte Haar war ein Gemisch von braunem und schwarzem Haar: Bei einer anderen Analyse, bei welcher nur schwarzes Haar von einem einzigen Individuum ver- wendet worden war, fand sie bei ungefähr gleicher sonstiger Zu- sammensetzung den Schwefelgehalt viel niedriger und zwar mit nur 2,71 Proz. Die Frage, ob die Haarfarbe mit dem wechselnden Schwefelgehalte zusammenhängt, will sie hiermit nicht entschieden haben, sondern erst weiteren Untersuchungen vorbehalten. Hinsicht- lich des Farbstoffes der schwarzen Roßhaare wird nur die Analyse, C 57,6 Proz., H 4,2 Proz., N 11,6 Proz., S 2,1 Proz. und O 24,5 Proz., ohne nähere Erläuterung angeführt. Gewiß verschieden von unserem Pigment, wenn auch viel- leicht mit ihm verwandt, ist aber der zuerst von Berdez und *) ©. Wurster, Das Verhalten des salpetrigsauren Natrons zum Hühner- eiweiß und zum Farbstoffe des Blutes. Du Bois-Reymonds Archiv, 1887. **) N. Sieber, Über die Pigmente der Chorioidea und der Haare. Arch. f. exper. Pathol. und Pharmak., 20. ***) Eugen Hirschfeld, Untersuchungen über die schwarzen Farbstoffe der Chorioidea und verwandte Pigmente. Zeitschrift. f. physiol. Chemie, 13, 414. +) Landolt, Über das Melanin der Augenhäute, ibid. 28, 407. u u et a ee u 5. ee MD Zu DS De u u Über das Haarpigment. 47 Nencki*), aus melanotischen Geschwülsten des Menschen dar- gestellte und von ihnen als Phymatorhusin bezeichnete Pigment- körper, da derselbe trotz hohen Schwefelgehaltes ganz abweichende chemische und physikalische Eigenschaften aufweist. Dasselbe gilt von dem von denselben Autoren**) darge- stellten „Hippomelanin“. Es ist dies ein Pigment, welches sie aus den bei Pferden so häufig beobachteten melanotischen Tumoren isoliert haben. Es unterscheidet sich nicht nur durch einen viel- fach geringeren Schwefelgehalt von dem Phymatorhusin, sondern weist auch wesentliche Unterschiede von unserem Pigment auf. Der Erste, welcher normales melanotisches Pigment vom Menschen chemisch zu gewinnen suchte, scheint, wie bereits erwähnt, F. P. Floyd***) gewesen zu sein, doch sind seine Resultate für uns nicht verwendbar, weil er das Pigment nicht von den zelligen Bestandteilen trennte. Wichtig ist hingegen die Arbeit von John J. Abel und Walter S. Davisr), welche das Pigment aus der Haut und den Haaren des Negers darstellten. Sie fanden: Für Pigment der Epidermis der Haare C 51,83 Proz. 52,74 Proz. 1153.86... 3,98 „ NA“, Male‘, 426.708)"; 23,88, Nach Behandlung des Pigments mit Kali fanden sie hingegen Hautpigment Haarpigment C 53,56 Proz. 57,06 Proz. 2.311, BAur.., N 15,47 12,87 Ss 2,53 aus 0 23,33 22,85 ” Doch glauben die genannten Autoren selbst, on konstantes Präparat in Händen gehabt zu haben, sondern ein Gemenge von wechselnder Zusammensetzung. Meine Präparate hingegen gaben auch nach Behandlung mit eingreifenden Reagentien (konzentrierte H,SO,) Konstante Zahlen. Eisen fanden sie nur in Spuren, in der Asche vornehmlich Kieselsäure. Ferner sei noch die Arbeit von *) J. Berdez und M. Nencki, Über die Farbstoffe der melanotischen Sarkome. Arch. f. exp. Pharmakologie und Pathologie, 20, 346. IL: -8. »*#) F, P. Floyd, l. c., und Chemical News, 1876, 34, 179. 7) John J. Abel and Walter S. Davis, on the pigment of the Negro’s Skin and Hair, Journal of experimental medicine, 1, 361. 48 Eduard Spiegler, Walther Jones und John Auer“) erwähnt, welche das Pigment aus schwarzen Roßhaaren der Oxydation in alkalischer Lösung unterzogen und zu Oxalsäure gelangten, während sie aus dem Pigmentkörper selbst durch abwechselnde Behandlung mit Kalı und Salzsäure zu einem schwefelfreien Körper gelangten, der die Eigenschaften der Melaninsäuren zeigt. Leo v. Zumbusch**) untersuchte das Sarkomelanin (aus mela- notischen Tumoren) vom Menschen und fand es folgendermaßen zusammengesetzt: C 51,68 Proz., H 6,46 Proz., N 14,56 Proz., S 1,74 Proz., Fe 0,47 Proz. Die Asche betrug 18,726 Proz. und bestand aus Kieselsäure, Phosphorsäure, Schwefelsäure und bedeutenden Mengen Calcium. Experimentelles. 1. Pigmentsäure aus schwarzem Roßhaar. Fünf Kilo schwarzes Roßhaar wurden zunächst mit '/s - proz, Na,CO, Lösung gewaschen, sodann mit 25 Liter einer 5-proz. Kali- lauge bis zur völligen Lösung gekocht, was etwa 4 Stunden beansprucht. Nach erfolgter Lösung, wobei reichlich H,S und NH, entweicht, wird die erkaltete schwarzbraune Flüssigkeit mit einem sehr großen Überschuß von konzentrierter Salzsäure versetzt. Hierbei scheidet sich unter heftiger Gasentwickelung eine teigige Masse aus, die rasch auf den Boden des Gefäßes sinkt. Dieselbe wird am besten mittels eines Koliertuches von der dunklen Flüssigkeit getrennt. Hierauf wird sie mit destilliertem Wasser und verdünnter Salzsäure gut ausgewaschen und mit 5 - proz. Salzsäure in einem Kolben am Sandbade unter dem Rückflußkühler 8 Stunden gekocht, um so die letzten Reste etwa noch anhaftender Eiweißkörper zu entfernen. Dabei scheidet sich ein sehr feines braunes Pulver aus, welches heiß abfiltriert und dann in einer Schale am Wasser- bade getrocknet wird. Das Letztere ist zwar nicht unbedingt notwendig, es erleichtert aber wesentlich dienächsten Manipulationen. Die Substanz wird nunmehr mit konzentriertem, wässrigem Ammoniak in einer Reib- schale verrieben, abfiltriert, das Filtrat mit Salzsäure gefällt, der Pigment- körper abfiltriert, gut gewaschen und dieselbe Prozedur wiederholt. Die so dargestellte Substanz wird zuerst am Wasserbade, schließlich im Toluolbade getrocknet und im Achatmörser zu feinstem Pulver verrieben. Behufs weiterer Reinigung dieses Körpers wurde derselbe durch Verreiben mit konzentrierter H,SO,, wie dies bereits Nencki angegeben hat, gelöst, wobei sich etwas SO, entwickelt. Es wird über Glaswolle an der Pumpe filtriert; die Lösung wird sodann in viel kaltes destilliertes Wasser ge- gossen, worauf das Pigment sich wieder als feines Pulver abscheidet. Es wird filtriert und so lange gewaschen, bis das Waschwasser keine Schwefelsäurereaktion mehr gibt, Das Pulver wird getrocknet und diese Prozedur noch einmal wiederholt. Das Präparat eignet sich in diesem Zustande noch nicht zur Analyse. Es enthält nämlich infolge seiner *) The amer. Journal of Physiology, 5, 321. **) Zeitschrift f. physiol. Chemie, 36, 521. a Über das Haarpigment, 49 Darstellungsweise elementaren Schwefel, worauf die bisherigen Unter- sucher nicht geachtet zu haben scheinen, und liefert viel zu hohe und naturgemäß inkonstante Schwefelzahlen. Das vorerst mit Alkohol ge- waschene Präparat wird deshalb mit reinem Schwefelkohlenstoff und rasch nach diesem mit Ather ausgewaschen. Eigenschaften und Zusammensetzung der Pigmentsäure aus schwarzem Roßhaar. Schwarzbraunes Pulver, unlöslich in Wasser und organischen Lösungsmitteln, leicht löslich in Ammoniak und den fixen Alkalien, löslich in konz. Schwefelsäure in der Kälte, unlöslich in verdünnten Säuren. Besitzt keinen Schmelzpunkt, versintert vielmehr all- mählich beim Erhitzen. Mit Zinkstaub erhitzt gibt es Pyrrol- reaktion und mit Chromsäure in Eisessig gelöst ein Oxydations- produkt, welches weiter besprochen wird. Elementaranalysen: Aschegehalt 9,380 Proz. 0,1580 gaben 0,3143 CO, und 0,0762 H,O, entsprechend 54,26 Proz. C und 5,36 Proz. H. Auf aschefreie Substanz berechnet 59,49 Proz. C und 5,87 Proz. H, 0,1664 g gaben 0,3340 CO, und 0,0801 g H,O, entsprechend 54,748 C und 5,34 Proz. H. Auf aschefreie Substanz berechnet 60,02 Proz. C. und 5,91 Proz. H. 0,1824 g gaben nach Dumas bei 19° C und 760 mm 16,2 ccm, ent- sprechend 10,21 Proz. N, aschefrei 11,18 Proz. N, 0,1730 g gaben nach Dumas bei 21° C und 758 mm 14,80 ccm N, entsprechend 9,70 Proz. N, aschefrei 10,64 Proz. N. 0,5770 g gaben nach Liebig 0,1304 g BaSO,, entsprechend 3,10 Proz. S, aschefrei 3,43 Proz. S. Die Asche bestand aus Kieselsäure und Spuren von Eisen. Analysentabelle C H N D- | 59,49 ae RC 1118 3.43 ee). 0002 5,91 10,64 Berechnet für f 60,36 5.80 11,26 3,22 C,oH;38NgSO]; | : : 2. Pıgmentsäure des Schimmelhaares. Der Darstellungsprozeß ist im großen und ganzen derselbe, wie er beim schwarzen Roßhaare geschildert wurde; doch ergab sich hier die Notwendigkeit einiger Abänderungen. Als ich nämlich das Pigmentpulver aus Schimmelhaar nach dem Kochen mit 5-proz.. Salzsäure in Ammoniak löste, zeigte es sich zu meiner großen Überraschung, daß die Substanz hierbei ganz schwarz wurde. Das Ammoniak tritt offenbar Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 4 50 Eduard Spiegler, hier als farbstoffbildende Komponente in den hellen Pigmentkörper ein. Ob der hierbei entstehende dunkle Körper identisch ist mit dem Pigmentkörper aus dem schwarzen Roßhaar, kann erst durch Untersuchungen, über die ich bald berichten zu können hoffe, festgestellt werden. Hingegen gelang die weitere Reinigung leicht durch Auflösung in konzentrierter Schwefelsäure in der Kälte und Fällung durch Eingießen in viel kaltes destilliertes Wasser, “ was zweimal wiederholt wurde in gleicher Weise, wie dies beim Pigment aus schwarzem Roßhaar angegeben worden ist. Es resultiert auf diese Weise schließlich ein helles grau- braunes Pulver, welches die Pigmentsäure aus Schimmelhaar dar- stellt. Daß dasselbe nicht vollkommen weiß ist, kann in Anbetracht dessen, daß ja auch das Schimmelhaar nie ganz weiß ist, sondern immer mehr oder minder eine graue, mitunter auch gelbliche Nuance zeigt, nicht wundernehmen. Die Farbe wird noch durch die Eingriffe der verschiedenen chemischen Agentien beeinflußt, denn wir konnten beobachten, daß die Substanz gelöst in konzentrierter Schwefelsäure unmittelbar nach dem Eingießen in das destillierte Wasser nahezu weiß erschien; nach längerem Stehen nahm die- selbe nach und nach eine dunklere Färbung an. Die chemische Zusammensetzung weicht um ein geringes im Kohlenstoff und Wasserstoff vom Pigmentkörper aus dem schwarzen Roßhaar ab. Auffallend ist jedoch der nahezu doppelt so große Aschegehalt dieses Körpers gegenüber dem erstbeschriebenen. Analysen der Pigmentsäure aus Schimmelhaaren. Aschegehalt 16,28 Proz. 0,1814 g gaben 0,2742 g CO, und 0,0979 H,O, entspr. 40,63 Proz. C und 5,90 Proz. H, aschefrei 48,53 Proz. C und 7,04 Proz. H. 0,1583 g gaben 0,2357 CO, und 0,0842 H,O, entspr. 40,60 Proz. C und 5,91 Proz. H, aschefrei 48,51 Proz. C und 7,06 Proz. H. 0,1964 g gaben nach Dumas bei 20° C und 758 mm 18,33 cem N, entspr. 10,63 Proz. N, aschefrei 12,69 Proz. N. 0,1664 gaben nach Dumas bei 21° C und 750 mm 15,61 ccm N, entspr. 10,53 Proz. N, aschefrei 12,58 Proz. N. 0,5690 gaben nach Liebig 0,0974 BaSO,, entspr. 2,35 Proz, S, asche- frei 2,380 Proz. S. Analysentabelle | BR H N Ss (| 48,53 7,04 12,69 2,80 Gefunden ° | 48,51 7,06 12,58 a | 7,02 12.61 2,88 C.H7N 80 | ; ; Über das Haarpigment. 51 Es erschien nun von großem Interesse, die Untersuchungen auf die Pigmente anderer Tiere auszudehnen und auch da das schwarze und weiße Pigment zu vergleichen. 3. Pigmentsäure aus schwarzer Schafwolle. Behufs Darstellung und Reinigung befolgte ich die beim schwarzen Roßhaare verwendete und oben beschriebene Methode. Als Ausgangsmaterial diente naturschwarze Wolle. Tiefschwarzes Pulver. Aschegehalt 10,85 Proz. 0,1630 g Substanz gaben 0,2718 g CO, und 0,0796 H,O, entspr. 45,47 Proz. C und 5,47 Proz. H, aschefrei 51,00 Proz. C und 6,13 Proz. H. 0,1662 g gaben 0,2766 CO, und 0,0817 H,O, entspr. 45,39 Proz. © und 5,46 Proz. H, aschefrei 50,91 Proz. GC und 6,15 Proz. H. 0.1662 g gaben nach Dumas bei 21° C und 752 mm B 13,6 ccm N, entspr. 9,22 Proz. N, aschefrei 10,34 Proz. N. 0,1842 g gaben nach Dumas bei 19° GC und 750 mm 14,8 ccm N, entspr. 9,11 Proz. N, aschefrei 10,21 Proz. N. 0,5830 g gaben nach Liebig 0,1040 g BaSO,, entspr. 2,60 Proz. S, aschefrei 2,91 Proz. S. Analysentabelle C | H | N | S (| 5100 1613 10,34 2,91 gesunden | 5091. | 615 10,21 = a || a > a a 10.33 2,95 C,eesNsS0, | ; ., 2 ’ Darstellung der Pigmentsäure aus weißer Schafwolle. Der Vorgang bei der Darstellung der Farbsäure aus weißer, ungebleichter und auch sonst nicht künstlich appretierter Schaf- wolle ist genau derselbe wie bei der schwarzen Wolle und beim schwarzen Roßhaare, nur hat hier das Behandeln mit NH; zu ent- fallen, weil analog wie beim Schimmelpigment eine dunkle Färbung eintritt. Die Pigmentsäure aus weißer Schafwolle ist ein hellgraues Pulver folgender Zusammensetzung: Aschegehalt 2,30 Proz. 0,1620 g gaben 0,3218 CO, und 0,1052 H,O, entsprechend 54,18 Proz. © und 7,21 Proz. H, aschefrei 55,45 Proz. C und 7,38 Proz. H. 0,1883 g gaben 0,3720 g CO, und 0,1225 H,O, entsprechend 53,93 Proz. C und 7,22 Proz. H, aschefrei 55,20 Proz. C und 7,40 Proz. H. 0,1677 g gaben nach Dumas bei 21° C und 748 mm B 15,8 cem N, entsprechend 10,37 Proz. N, aschefrei 10,62 Proz. N. 4* 52 Eduard Spiegler, 0,1448 g gaben nach Dumas bei 18° GC und 751 mm B 13,50 ccm N, entsprechend 10,62 Proz. N, aschefrei 10,87 Proz. N. 0,6024 g gaben nach Liebig 0,0998 BaSO,, entsprechend 2,25 Proz. S, aschefrei 2,30 Proz. S. Analysentabelle | C H | N S Berechnet für CzıHgsN 10 SO 0 Gefunden | J Die bisher von verschiedenen Forschern dargestellten Pig- ment-Präparate können auch nicht annähernd den Anspruch auf Analysenreinheit erheben, und es wären Schlüsse aus den Ver- hältniszahlen zwischen C:H:N:S als durchaus verfrüht zu be- trachten. Jedenfalls muß der Analyse eine Reinigung durch Auf- lösen in konzentrierter Schwefelsäure vorausgehen. Die bisher vorliegenden Schwefelwerte der natürlichen Pigmente aus Haaren oder Haut sind wohl alle unrichtig, da keiner von meinen Vor- gängern über das Vorkommen von elementarem Schwefel in den Präparaten berichtet, und da die Reinigung mittelst Schwefel- kohlenstoff unterlassen wurde. Die von mir dargestellten Präparate entsprechen den hier aufgestellten Bedingungen, es ist auch aus den Analysen ersichtlich, daß sie durchaus andere Verhältniszahlen ergeben, als sie von den früheren Autoren angegeben werden, und daß sie zu wesentlich niedrigeren und einfacheren Formeln führen. Der schwarze Pigmentkörper mit der einfachsten Formel C,H; NsSO,, und der helle Pigmentkörper C,H7sNSO,, unter- scheiden sich, wie die analytischen Belege zeigen, nur um ein geringes; es ist sehr wahrscheinlich, daß sie im Kerne identisch sind und daß die verschiedene Färbung lediglich durch Eintritt einer chromogenen Gruppe in denselben bedingt wird. Sehr ins Auge fallend ist der große Unterschied im Wasserstoffgehalt wie im Sauerstoffgehalt; der helle Pigmentkörper enthält viel mehr Wasserstoff, Sauerstoff und auch Stickstoff, während er kohlen- stoffärmer ist als die schwarze Farbsäure. Der helle Pigmentkörper ist gleichsam zugleich Oxydations- und Reduktionsprodukt des dunklen. Auf die Zulässigkeit einer solchen Annahme werden wir dadurch gebracht, daß ja das helle Pigment durch Hinzutritt von NH, schwarz wird. Bewiesen wird übrigens die genetische Identität durch eine beiden Substanzen gemeinsame Gruppierung, welche zu einem identischen Oxydationsprodukt führt. Über das Haarpigment. 53 Mutmaßlicher Ursprung des Pigmentes. Für die Entstehung des Pigmentes innerhalb des Organismus bestehen, wie eingangs auseinandergesetzt, verschiedene Möglich- keiten. Die naheliegendste schien wegen der Färbung des dunklen Pigmentes, und dies hat unter anderen wohl die meisten Histologen bestochen, die, daß das Pigment aus der farbigen Komponente des Hämoglobins entstanden sei. Unterstützt wurde diese Meinung dadurch, daß das Pigment im Embryo erst mit dem Auftreten des Blutes sichtbar wird, ferner dadurch, daß man das Pigment so häufig in unmittelbarer Nähe der Blutgefäße findet — daher das emsige Suchen nach Eisen in den verschiedenen Pigmenten, wie- wohl man ja in dem Hämatoporphyrin einen eisenfreien Blut- farbstoff gefunden hatte. Dies beweist, daß der Eisengehalt oder Eisenmangel mit der Provenienz aus dem Blute nichts zu tun hat. Es ist ja bekannt, daß die Gallenfarbstoffe aus dem Blutfarbstoffe stammen und daß wir schließlich von dem Hämatin aus zu un- gefärbten Oxydationsprodukten und Reduktionsprodukten gelangen können. Es war daher festzustellen, ob man nicht aus dem Blutfarb- stoffe und dem Pigmente identische oder chemisch verwandte Derivate herstellen könne. Nach dieser Richtung war der Weg insofern vorgezeichnet, als in letzter Zeit einerseits durch Zaleski und Nencki*), andererseits durch Küster**) charakteristische Derivate des Blutfarbstoffes ge- funden worden waren. Zaleski und Nencki erhielten bei der Reduktion und Spaltung von Acethämin mit Jodwasserstoff von hoher Konzentration (2.0 Sp. G.) und Jodphosphonium ein destillierbares Produkt, das Hämopyrrol, welches wahrscheinlich ein Methylpropylpyrrol ist. Andererseits fand Küster bei der Oxydation von Hämatin mit Eisessig und Chromsäure ätherlösliche Säuren — die Hämatinsäuren, von denen eine C,H;0,N wahrscheinlich zu Fittigs Methyl-Äthyl- maleinsäure in Beziehung steht. Ist nun das dunkle Pigment ein Derivat des Blutfarbstoffes, oder beteiligt sich auch nur der Blutfarbstoff an der Bildung des- selben, so mußte man bei entsprechender Behandlung des Pig- mentes entweder Hämopyrrol oder eine Hämatinsäure erhalten. *) Ber. d. deutschen chem. Gesellschaft. Jahrgang 34, S. 997. **) Zeitschr. f. phys. Chemie. 28, 1, 29, 185, Liebigs Annalen. 350, 186. 54 Eduard Spiegler, Versuch der Darstellung von Hämopyrrol aus schwarzem Pigment. 5 g Pigment werden in 250 g Eisessig suspendiert, 200 g Jodwasser- stoff vom Sp. G. 2,0 und 50 g Jodphosphonium, letzteres successive hinzu- gefügt; das Ganze wird am Steigrohr im Wasserbad !/, Stunde lang erhitzt. Anscheinend trat hierbei keine Reaktion ein, das Pigment blieb vielmehr fast ganz ungelöst. Es wurde die Hauptmasse der Säure mit Kali abgestumpft und bei noch schwach saurer Reaktion abdestilliert. ‚ Zum Schluß wurde noch bei alkalischer Reaktion destilliert. Aber weder aus dem alkalischen noch aus dem sauren Anteil ging Hämopyrrol über, was durch den negativen Ausfall der Pyrrolreaktion festgestellt wurde. Das Destillat gab weder eine Pyrrolreaktion noch eine Fällung mit Sublimat, noch auch eine Fällung mit Pikrinsäure. Es erschien wohl nach diesem negativen Ergebnis ganz un- wahrscheinlich, daß im Pigment Hämopyrrol G;H,; N, welches das einfachste aus Hämatin darstellbare Ringsystem darstellt, vorhanden ist, und da die Küstersche Hämatinsäure (Methyl- Äthylmalein- säureimid) C;Hs0,N aus Hämopyrrol durch Oxydation mit Chrom- säure entsteht (Berl. Ber. 35, 2954), so war von vornherein nicht anzunehmen, daß man bei Oxydation mit Chromsäure zur Hämatinsäure gelangen würde. Tatsächlich hat sich diese Voraussetzung bestätigt, aber Oxydationsversuche mit Pigment führten zu einer neuen Substanz, welche gleichmäßig aus den Farbsäuren aus Schimmelhaar, schwarzem Roßhaar, weißer und schwarzer Schafwolle erhalten wurde und ein Licht auf den Aufbau des Pigmentes zu werfen geeignet ist, da alle bisher von mir untersuchten Pigmente die gleiche Verbindung in guter Ausbeute liefern. Oxydationsprodukt. Läßt man den schwarzen Pigmentkörper mit Schwefelsäure und chromsaurem Kalı in der Kälte stehen, so bemerkt man schon nach kurzer Zeit die Umwandlung desselben in einen weißen krystallinischen Körper. Diese Umwandlung nimmt bei längerem Stehen immer mehr zu. Dieser Vorgang ist verbunden mit ge- ringer Gasentwickelung. Um dieses Oxydationsprodukt in größerer Menge zu gewinnen, hat sich nach verschiedenen Versuchen fol- gende Vorschrift am besten bewährt. 20 g des Pigmentkörpers werden allmählich in 250 ccm einer warmen 18—20-proz. Chromsäurelösung (hergestellt aus K,Cr,0, und H,SO,) unter fortwährendem Umschütteln eingetragen. Die Reaktion ist eine ziemlich lebhafte und geht unter reichlicher Entwickelung von Gas vor sich. Dieses wurde nicht näher untersucht, schien aber aus Kohlensäure und Stickstoff zu bestehen. Es empfiehlt sich daher, das Ablaufen der Hauptreaktion jedesmal abzuwarten, ehe man neuerdings von der Substanz zusetzt. Über das Haarpigment. 55 Ist alles eingetragen, so stellt man das Gemenge noch auf 2!/, Stunden auf das Wasserbad. Man verdünst sodann mit destilliertem Wasser und filtriert wegen des niedrigen Schmelzpunktes des Oxydationsproduktes erst nach dem Erkalten ab und wäscht, bis keine Spur Chrom mehr vor- handen ist. Der Niederschlag wird auf dem Tonteller getrocknet. Der- selbe enthält Schwefel, sehr viel Kieselsäure und das Oxydationsprodukt. Die Farbe dieses Gemenges ist gelblichweiß. Die Substanz wird mit etwas Eisessig gekocht und heiß filtriert. Hierbei geht das Oxydations- produkt sowie Spuren von Schwefel und Kieselsäure in Lösung, während der weitaus größte Teil von Kieselsäure und Schwefel sowie eventuelle Reste unoxydierter Substanz auf dem Filter zurückbleiben. Nach Erkalten der Lösung scheiden sich die gelöst gewesenen Spuren von Schwefel und Kieselsäure ab, während das Oxydations- produkt auch in der Kälte in Lösung bleibt. Letzteres wird aus derselben durch Zusatz von destilliertem Wasser gefällt und 5—6 Stunden ruhig stehen gelassen. Dies ist deshalb notwendig, weil der Niederschlag so fein verteilt ausfällt, daß er das Filter passieren würde. Nach dem Ab- setzen wird auf der Pumpe abgesaugt, was aus oben genanntem Grunde noch immer mit Schwierigkeiten verbunden ist. Der Niederschlag wird von der Essigsäure durch Auswaschen befreit, in der Kälte getrocknet, zweimal aus Aceton und schließlich aus absolutem Alkohol bis zum konstanten Schmelzpunkt von 68° umkrystallisiert. Die Untersuchung ergab die Abwesenheit von Schwefel und Stickstoff. Der Körper stellt schneeweiße kleine Nadeln dar, die in Wasser unlöslich, in allen übrigen Lösungsmitteln löslich sind. Die Analyse ergab folgende Zahlen: ]. 0,1860 g Substanz gaben 0,4850 g CO, und 0,2000 g H,O. 2. 0,1660 g ii i 0,4330 g CO, und 0,1800 g H,O. Diese Zahlen entsprechen der Formel: C,H2.O;. Berechnet Gefunden I I Proz. C 70,96 Proz. C 11,07 71,14 ART. 11,94 12,04 Der Schmelzpunkt ergab sich zu 68°C. Der Siedepunkt unkorr. zu 256°—258° C. Die Analyse der Substanz sowie ihre Löslichkeitsverhältnisse, Schmelz- und Siedepunkt stimmen ganz überein mit einer von Butlerow beschriebenen Methyldibutylessigsäure C,ıH»20,, welche ihrer Entstehung nach als 2.2.3.4.4. Pentamethylpentan-3- carbonsäure CH; .C[C (CHs).], COOH anzusehen ist. Butlerow beschreibt sie (Journal d. russ. chem. Gesellsch. 11, 203) als krystallinische Masse, mit Wasserdampf destillierbar. Die frisch erstarrte Säure schmilzt bei 66—70°, siedet unzersetzt bei 260° (korr.), ist unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und Äther. Butlerow erhielt sie bei Oxydation von Isotributylen mit Chrom- 56 Eduard Spiegler, säuregemisch in der Kälte. Isotributylen ist nun ein Duodekylen der Formel: CH, CH, N, CH; m H: CuHs«—=(CH.), . CC(CICH;].)» oder CH, CC € CH, CH“ NCH, Da ich die Methyldibutylessigsäure nach dem gleichen Oydationsverfahren aus Pigment erhalte, wie Butlerow aus Iso- tributylen, so wird man wohl annehmen können, daß bei dem Oxydationsvorgang aus einem hydroaromatischen Kohlenwasser- stoffkern durch Ringsprengung Isotributylen und weiterhin Methyl- dibutylessigsäure entstanden ist. Ich bin nun mit dem Studium der weiteren Oxydations- produkte, sowie des Reduktionsproduktes der Pigmente beschäftigt. * * * Durch die vorliegende Untersuchung ist wohl der sichere Nachweis erbracht, daß an dem hämatogenen Ursprung des Haar- pigmentes nicht weiter festgehalten werden kann. Während die histologischen Untersuchungen keine entscheidende Aufklärung bringen können, gelingt die Lösung des Problems auf chemischem Wege. Sie zeigt, daß aus dem Pigment der Haare nach sorg- fältiger Reinigung keines von den tiefen Abbauprodukten der färbenden Komponente des Hämoglobins erhalten werden kann. Es erscheint daher eine Entstehung aus dem Hämatin ausgeschlossen. Außerdem ist hier zum erstenmale die Existenz eines „weißen Ühromogens“ festgestellt, welches die Ursache der weißen Farbe der weißen Schafwolle und des Schimmelhaares ist, was, wie be- kannt, bisher anders gedeutet wurde, und es sind ferner die nahen chemischen Beziehungen des weißen CUhromogens zu den bunten Farbsäuren demonstriert worden. Wir müssen nun die anderen Möglichkeiten der Entstehung von Pigment erörtern. In den geistreichen Ausführungen in Samuelys Arbeit über künstliche Melanine aus Hofmeisters Laboratorium*) werden bei der Annahme einer etwaigen Ent- stehung von Pigment aus Eiweiß zur Erklärung 1. die skatol- bildenden Gruppen, 2. die tyrosingebenden Gruppen, 3. pyrrol- bildende Gruppen und 4. pyridingebende Gruppen des Eiweißmoleküls *) Hofmeisters Beiträge. Bd. 2. Über das Haarpigment. 57 herangezogen. So interessant diese theoretischen Voraussetzungen sind, so können sie doch vorläufig nur wenig zur Aufklärung der Konstitution des natürlichen Pigmentes beitragen, solange nicht die Erforschung der Abbauprodukte des Pigmentes eine sichere Grundlage zu Spekulationen über die vom Organismus zum Auf- bau des Pigmentes verwendeten, im Eiweiß oder in anderen Körperbestandteilen vorgebildeten Gruppen gegeben hat. Die gewiß sehr merkwürdige Bildung von Melanoidinen bei der Hydrolyse von Eiweißsubstanzen durch Säure, die entschieden als Kondensationsvorgang aufzufassen ist, kann nicht direkt zur Erklärung der Bildung von Pigment im Organismus oder zur Aufklärung des Aufbaues natürlicher Pigmente herangezogen werden. Schmiedeberg*), der konstatieren konnte, daß von den vielen untersuchten pathologischen und normalen Melaninen nicht zwei die gleiche Zusammensetzung haben, zieht zur Erklärung dieser Befunde die Anschauung heran, daß das Material zur Bildung der Melanine nicht die genuinen Eiweißstoffe unmittelbar darstellen, sondern nur Spaltungsprodukte derselben und dies unter sehr variierenden Verhältnissen. Dies würde die bald äußerst reichliche, bald verschwindend geringe Pigmentbildung erklären, die unter generellen und individuellen, sowie unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen so außer- ordentlich großen Schwankungen unterliegt. Erst eine vergleichende Untersuchung der künstlichen Melanine (Melanoidine nach Schmiedeberg) mit den natürlichen Pigmenten in Bezug auf ihre Abbauprodukte wird Klarheit in die Frage bringen, ob die Entstehungsbedingungen für beide eine Parallele zulassen oder ob es sich nur um gleichgefärbte Substanzen handelt. Die Natur des Pigmentes selbst aber kann nur durch das Studium der näheren Abbauprodukte erschlossen werden, für die uns vielleicht theoretische Betrachtungen, wie die von Samuely, Fingerzeige bieten. Auffällig ist nur, daß Samuely bei Oxydation von Melanoidin unter gleichen Bedingungen wie ich sie eingehalten, nicht auf die Methyldibutylessigsäure gestoßen ist. Er erhielt zwar im Ätherextrakt eine äußerst geringe Menge feiner Nadeln, die sauer reagierten, über deren Natur er jedoch nichts aussagt. Da über die Menge des verwendeten Ausgangs- materiales nichts berichtet wird, erscheint es notwendig, Melanoidin mit Melanin in bezug auf die Bildung des einzigen gegenwärtig bekannten charakteristischen Derivats des Haarpigments, die Methyldibutylessigsäure, zu vergleichen. *) Arch. f. exp. Path. und Pharm. 39, 1—84. 58 Eduard Spiegler, Über das Haarpigment. Die Entstehung von Pyridin aus Melanoidin bei Reduktion mit Jodwasserstoffsäure und Phosphoniumjodid, wie sie Samuely beobachtet, findet beim natürlichen Melanin keine Parallele. Zum Schlusse sei noch die Bemerkung gemacht, daß die durch alkalische Aufspaltung gewonnenen Pigmente als Farbsäuren an- zusehen sind, die sich von dem natürlichen Pigment ableiten. Durch Säurehydrolyse der Keratinsubstanzen, welche das Pigment einschließen, erhält man anders und jedenfalls höher zusammen- gesetzte Pigmente; mit dem vergleichenden Studium dieser Substanzen, sowie mit der Überführung des Pigmentes in die Farbsäure bleibe ich beschäftigt. 0 Über Hemmungen der Präzipitinreaktion. Von Dr. Leonor Michaelis, Assistent an der 1. medizin. Klinik der kgl. Charit& in Berlin. Aus dem tierphysiologischen Institut der landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin. (Direktor: Prof. Dr. Zuntz.) In einer früheren Mitteilung (10) hatte ich mich mit den Eigen- schaften des auf 68° erhitzten Präzipitins beschäftigt und ange- geben, daß dieses durch die Hitze „inaktivierte“ Präzipitin durch Hinzufügung einer relativ kleinen, an sich wenig wirksamen Dosis von unerhitztem Präzipitin in seiner Wirksamkeit auf die einge- stellte Eiweißart regeneriert wird. Was zunächst diese Tatsache anbetrifft, so konnte ich sie unter gleichen Bedingungen wieder bestätigen. Jedoch habe ich mich durch die weiter fortgesetzten Versuche überzeugt, daß die Deutung, welche ich vorläufig für diese Erscheinung zu geben versuchte, sich nicht mit fernerhin festgestellten Tatsachen vereinigen läßt. Ich hatte nämlich ver- sucht, den Präzipitinen eine ähnliche Doppelnatur zuzuschreiben, wie sie nach den bekannten Untersuchungen von Bordet und Ehrlich und Morgenroth den Hämolysinen zukommt, und ge- glaubt, auch die Präzipitine in zwei Substanzen auflösen zu können, welche dem Ambozeptor und dem Komplement der Hämolysine entsprechen, mit dem Unterschied, daß dieses Komplement nicht in jedem normalen Serum, sondern nur in dem Serum der vor- behandelten Tiere vorhanden sei. Diese Deutung also ist es, welche sich als unzutreffend erwiesen hat, indem ich bei der Fortsetzung der Versuche auf eine bisher nicht beachtete Fehlerquelle stieß. Die Tatsache an sich möge durch ein Beispiel (Tabelle I) er- läutert werden. 60 | | Leonor Michaelis, Tabelle I. BR, Ziegenserum . ) 15° auf 68° erhitztes Prä- Een 0,5 1,0 1,0 zıpitin .. Nicht erhitztes Präzipitin 0,5 0,5 1,0 a re re re ARE IEE S\ Isoton. Wasser . . . . 0,5 0,5 0,8 Resultat nach 16 Stunden + ++ | -H+ [+++ 0 0 etwas trübe, aber . nur opales- zent ohne Flok- ken (+ bedeutet sedimentierter oder Niederschlag). Sedi- | ment Resultat nach 86 Stunden 4 ++ | +44 I+4++| ++ 0 Man beachte zunächst nur das Resultat, wie es 16 Stunden nach Ansetzung des Versuchs ausgefallen ist. Dann wird man in der Tat finden, daß eine an sich unwirksame, d. h. nicht zur Ab- setzung eines Niederschlages führende Menge von erhitztem Prä- zipitin (Tab. I, e) durch Hinzufügen einer an sich nur wenig wirkenden Menge von unerhitztem Präzipitin in seiner Wirkung derart regeneriert wird, daß die Menge des nunmehr entstehenden Niederschlages durch das unerhitzte Präzipitin allein nicht erklärt werden kann. (b, d.) Wenn man aber diesen Versuch in einem kühlen Raum stehen läßt und nach weiteren 24 Stunden wieder beobachtet, so hat sich das Resultat verändert. Während nämlich gleichzeitig angesetzte Kontrollröhrchen von einfachem Serum zeigen, daß bei dieser Auf- bewahrung spontan keine Niederschläge entstehen, sieht man im Gegenteil, daß jetzt das scheinbar durch das Erhitzen unwirksam Über Hemmungen der Präzipitinreaktion. 61 gewordene Präzipitin schließlich doch einen Niederschlag erzeugt hat. Dieses Ergebnis ist ganz konstant, nur daß die Zeitdauer, innerhalb deren sich dieser Niederschlag absetzt, je nach dem Grade und der Dauer der vorangegangenen Erhitzung schwankt. So kann man auch durch abgestuftes Erhitzen erreichen, daß der Niederschlag beliebig früher oder später entsteht, und durch dieses abgestufte Erhitzen kann man eine vollständige Reihe von Präzi- pitinen mit verschiedenen Reaktionsgeschwindigkeiten bekommen. Diese erhitzten Präzipitine wirken auf den eingestellten Eiweißkörper derart, daß einige Zeit nach dem Vermischen eine völlig homogene Opazität entsteht, in welcher auch nicht an- deutungsweise ein Flöckchen zu sehen ist. Nach langem Stehen beginnt dann, ganz allmählich fortschreitend, die Absetzung eines flockigen Niederschlages. Tabelle I. 10tach verdünnt — ren 5 Min. 10 Min. 20 Min. 30 Min. auf 69—700 | auf 69% er- | auf 690 er- | auf 690 er- erhitztes hitztes hitztes hitztes Präz. Präz. Präz. Präz. ! Zeesaelbumuan + 1,7%... % 0,1 0,1 0,1 0,1 grobe leicht | minimale sn a Flocken trüb Trübung i gut grobe feinste Besaltatmach 3 Std... . äbuesefzt | Flocken | Flocken fast 0 $ B gut gröbere | feinste Besultatinach 4 Std... 0. ebenso ahgesetzt | Flocken | Flocken gut Besultat nach 24 Std. . . . . ebenso ebenso abgesetzt abgesetzt Diese Tabelle zeigt eine solche Reihe, in der durch ver- schieden ausgedehntes Erhitzen die Reaktionsgeschwindigkeit ver- schieden stark vermindert worden ist. Man könnte nun fragen, ob diese langsam entstehenden Nieder- schläge ihrem Wesen nach identisch sind mit den rasch aus- fallenden, oder ob sie nachweisbare Unterschiede zeigen. Das Charakteristischste der Niederschläge scheint mir ihre Eigenschaft zu sein, sich in sehr verdünnten Säuren oder Alkalien zu lösen 62 Leonor Michaelis, und beim Neutralisieren zum Teil wieder auszufallen. Diese Eigen- schaft zeigen die langsam entstehenden Niederschläge in gleicher Weise wie die rasch entstehenden. Der Vorsicht halber will ich noch hinzufügen, daß bakterielle Trübungen selbstverständlich aus- geschlossen wurden. Ich hatte nun früher das auf 68—70° erhitzte Serum als „in- aktiviert“ betrachtet, wenn es in der sonst bei der Präzipitin- reaktion völlig ausreichenden Zeit von 2 Stunden keinen Nieder- schlag erzeugt hatte. Nach dem soeben Auseinandergesetzten ist es klar, daß hier die Fehlerquelle lag. Wenn man beträchtlich länger zuwartet, so erweist sich eben jenes scheinbar unwirksam gewordene Präzipitin doch noch als wirksam, und zwar derart, daß der definitiv entstandene Niederschlag kaum hinter dem durch unerhitztes Präzipitin erzeugten Niederschlag an Volumen zurück- steht, wobei jedoch nicht zu vergessen ist, daß ein sich so lang- sam senkender Niederschlag sehr wenig dicht ist und eine unver- hältnismäßig große Masse vortäuscht. Der Sicherheit halber möchte ich noch einmal bemerken, daß selbstverständlich stets Kontrollversuche angestellt wurden, um zu zeigen, daß das erhitzte Serum allein, oder die präzipitable Substanz allein bei so protra- hierter Aufbewahrung in einem gut gekühlten Raum keine Spur von Niederschlag absetzen. Wir müssen also zunächst konstatieren: das Präzipitin wird durch Erhitzen auf 68—70° garnicht „inaktiviert“, sondern nur ge- schwächt, einerseits zeitlich, durch Verminderung der Reaktions- geschwindigkeit, andererseits auch etwas im quantitativer Be- ziehung. Es handelt sich also beim Zusatz von etwas unerhitztem Serum, wie in Tabelle I, nicht um eine „Reaktivierung“, sondern nur un eine Beschleunigung der an sich noch vorhandenen Prä- zipitinwirkung. Im weiteren haben mich Versuche, deren Proto- kolle im einzelnen einerseits wegen ihrer Ausdehnung, anderer- seits wegen der geringen Resultate, welche sie gezeitigt haben, hier nicht wiedergegeben werden sollen, davon überzeugt, daß man keineswegs an eine katalytisch beschleunigende Wirkung des unerhitzten Präzipitins auf das erhitzte Präzipitin denken darf, sondern es ist einfach so: Wenn das Gemisch n Präzipitin + m erhitztes Präzipitin enthält, so ist die Reaktionsgeschwindigkeit größer, als wenn es (n—+ m) erhitztes Präzipitin, ohne unerhitztes Präzipitin enthält, aber kleiner, als wenn es (n + m) unerhitztes Präzipitin, ohne erhitztes Präzipitin enthält. Ähnliche, wenn auch weniger intensive Veränderungen erleidet das Präzipitin oft auch bei sehr langer Aufbewahrung mit Chloroform. Über Hemmungen der Präzipitinreaktion. 63 Dieses aufbewahrte Serum wirkt langsamer als frisches und auch quantitativ geringer. Außerdem geht die Empfindlichkeit zurück, d. h. die minimale Dosis präzipitabler Substanz, welche gerade noch einen Niederschlag mit einer gegebenen Menge Präzipitin er- zeugt, ist bei frischem Präzipitin etwas kleiner als bei altem. Aus alle dem ergibt sich, daß weder das Erhitzen auf 68—70° noch das Aufbewahren geeignete Methoden sind, um das Prä- zipitin völlig zu inaktivieren. Es bildet sich immer nur ein Zwischenstadium zwischen aktivem und inaktivem Präzipitin, und die Resultate werden verschleiert und der Deutung zunächst schwer zugänglich. Um das Präzipitin völlig zu inaktivieren, bedarf es höherer Temperaturen, wie die weiter unten zitierten Autoren sie in der Tat schon angewandt haben, und zwar vorzüglich zur Inaktı- vierung der Bakterien-Agglutinine. Die von Eisenberg und Volk, E. P. Pick, Wassermann, sowie von Kraus und von Pirquet zunächst an den Bakterienagglutininen gemachten Beobachtungen lassen sich dahin zusammenfassen, daß das Agglutinin durch Erhitzen seine Eigenschaften derart verändert, daß es die Agelutinations- kraft verliert und dafür die Eigenschaft gewinnt, in Berührung mit den Bakterien gebracht, diese vor der Wirkung nachträglich zugesetzten Agglutinins zu schützen. Dasselbe Verhalten wurde für die Eiweißpräzipitine von P. Th. Müller am Lactoserum, und von Eisenberg am Serumpräzipitin festgestellt. Ich muß nun- mehr die Richtigkeit dieser Angaben für die Serumpräzipitine be- stätigen und meine anfänglich abweichenden Resultate auf jene ungenügende Inaktivierung zurückführen. Der größte Teil meiner Versuche wurde mit dem Serum von Kaninchen angestellt, welche etwa 5 Wochen lang mit Pferdeserum- albumin und Ziegenserumalbumin vorbehandelt waren. Dieses wurde dadurch gewonnen, daß Pferdeserum (bezw. Ziegenserum) mit dem gleichen Volumen gesättigter Ammonsulfatlösung versetzt, filtriert, und das Filtrat 8 Tage lang gegen fließendes Wasser dialysiert wurde. Das Serum der so vorbehandelten Tiere ent- hielt ein sehr kräftig wirkendes Präzipitin, welches auf Pferde- serum, Pferdeserumalbumin und -globulin wirkte. Auf Ziegen- serumalbumin wirkte eins der Pferdepräzipitine unter den für den Ausfall der Reaktion günstigsten quantitativen Verhältnissen gerade eben spurenweis. Das Ziegenpräzipitin war gegen Pferde- eiweiß in jeder Form ganz wirkungslos. Dieses präzipitinhaltige Serum wurde, 5fach mit Leitungs- wasser verdünnt, 35—45 Minuten im Wasserbad auf 72° erhitzt. 64 Leonor Michaelis, Es nimmt dabei eine ganz leichte Opaleszenz an, zeigt aber noch keine Koagulationserscheinungen. Tabelle III. Kontrolle über die Unwirk- samkeit von Pr % Pferdealbumin 10fach verdumnt : 73 "Mer 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0% Pr na Se 0 0,2 0,5 1,0 1,8 0,2 1,0 Isotonisches Wasser . . 1,8 1,6 1,3 0,8 10 Minuten später: Präzipitin Basullat IA ee sn 0 0 0 ) 0, leicht | leicht leicht opal. | opal. opal. Pr % = 5fach verdünntes, ?/a Std. auf 72° erhitztes Präzipitin. Tabelle III zeigt, daß in der Tat dieses erhitzte Präzipitin, zu dem präzipitablen Eiweißkörper hinzugefügt, diesen vor der fällenden Wirkung des nachträglich zugesetzten Präzipitins schützt. Zur näheren Erläuterung dieser Tabelle sei hinzugefügt, daß die in Kolumne d, e und g notierte „leichte Opaleszenz“ nicht zu einer Niederschlagsbildung führte und nicht durch Zusammenwirken der vermischten Substanzen entstanden ist, sondern nur derjenigen geringen Opaleszenz entspricht, welche das, wie gesagt, an sich leicht opaleszierende erhitzte Präzipitin in gleicher Verdünnung besitzt. Das wurde durch in der Tabelle nicht mit aufgeführte Kontrollröhrehen stets genau verglichen. Wie man sieht, haben in Tabelle IIL, ce 0,5 cem des erhitzten, 5fach verdünnten Präzi- pitins genügt, um 0,1 cem 10fach verdünntes Pferdeserumalbumin vor der fällenden Wirkung von 0,1 cem Präzipitin zu schützen, während dieser Schutz in der Kolumne b mit 0,2 cem nicht völlig ausgereicht hatte. Wenn ich nun früher gezögert habe, diese hemmende Wirkung des erhitzten Präzipitins als etwas Besonderes anzuerkennen, so geschah es deshalb, weil ich beobachtet hatte, daß überhaupt die Gegenwart eines beliebigen, wenn auch der Reaktion ganz fremden Zn Uber Hemmungen der Präzipitinreaktion. 65 Eiweißkörpers hemmend auf die Entstehung des Niederschlags wirkt. Diese Beobachtung kann ich auch jetzt durchaus bestätigen, aber die Unterschiede zwischen der Hemmung durch einen be- liebigen Eiweißkörper und durch erhitztes Präzipitin sind doch ganz deutlich. Betrachten wir die Eigenschaften dieser beiden verschiedenartigen Hemmungsmittel gesondert. 1. Die hemmende Wirkung eines beliebigen Eiweiß- körpers. Tabelle IV. 0,85 %o C1Na-Wasser . EN ASt 1,8 1:3 0,8 Normales Pferdeserum . . . .| 0 0,5 1,0 Ziegenserumalbumin . . .. .- 0,2 0,2 08 Präzipitin gegen Ziegenserum- albumin ri. :n", 0,2 0.2 0.2 Resultat a) a N. trüb klar klar grobe feine ltat b ar Resultat b) nach 1 Std ee ae klar fast völlig eröbere feine Itat h 1!/2 Stdn. n er ar I» & abgesetzt Flocken Flocken el nach 5: Stdn. völlig fast völlig erobere abgesetzt abgesetzt Flocken nicht mehr völlige völlig j 2 6 > I Resultat e) nach 24 Stdn. NN alvesniet dt gegen d) Menge des Niederschlags nach Ks TE SE 24 Stdn. . alle drei gleich In dieser Tabelle ist gezeigt, in welcher Weise Pferdeserum auf die Reaktion von Ziegenserumalbumin mit seinem entsprechen- den, am Kaninchen gewonnenen Präzipitin wirkt*). den Verlauf der Reaktion nach einer Stunde beobachtet, so müßte Wenn man man sagen, daß 1,0 normales Pferdeserum völlig hemmend auf *) Dieses Präzipitin hatte auf Pferdeserum keine Spur präzipitierender Wirkung. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 6) 66 Leonor Michaelis, das Ausfallen eines Niederschlages gewirkt hat. Wartet man aber länger ab, so sieht man, daß es sich doch nur um eine Ver- langsamung der Reaktion handelt. Außerdem sieht man, wie außerordentlich große Mengen Pferdeserum zu dieser Ver- langsamung notwendig waren. Das Endresultat ist aber selbst durch 1 ccm Pferdeserum nicht verändert. Außerdem ist diese Hemmungserscheinung absolut unspezifisch. Genau so wie hier ‘ das Pferdeserum, wirkte in anderen Versuchen Kaninchenserum, Menschenserum. Und genau so, wie hier die Reaktion von Ziegenserum mit seinem Präzipitin verlangsamt wurde, wurde in anderen Versuchen auch Pferdeserumpräzipitin in seiner Reaktion gegen Pferdeserum durch Ziegenserum oder Kaninchenserum ge- hemmt. Immer waren dazu verhältnismäßig große Dosen not- wendig, und immer konnte diese Hemmung dadurch außer den Kreis der Betrachtung gezogen werden, daß man als definitives Resultat nicht das einstündige, sondern das 24stündige (im kalten Raum) ansah. Auch normales Kaninchenserum, auf 72° eine halbe Stunde erhitzt, wirkte nicht anders, wenn auch vielleicht eine Spur stärker, aber jedenfalls ganz unspezifisch und unbedeutend. Nur wenn der zu erwartende Niederschlag an Menge äußerst gering ist, kann gelegentlich das Ausfallen des Niederschlages durch diese Art der Hemmung ganz unterdrückt werden. Jedenfalls ist aber auch diese Wirkung unspezifisch, d. h. nicht auf ein bestimmtes Präzipitin gerichtet. 2. Die hemmende Wirkung des erhitzten Präzipitins. Im Gegensatz hierzu ist die hemmende Wirkung des erhitzten Präzipitins einerseits bedeutend stärker, andererseits in dieser Intensität streng spezifisch nur auf die Reaktion desjenigen Präzipitins gerichtet, durch dessen Erhitzen es entstanden ist. Ich stelle der Tabelle II zwei andere Tabellen gegenüber, welche diese Spezifizität beweisen. In der Tabelle V ist gezeigt, daß erhitztes Pferdeserumpräzipitin (dasselbe, welches auf unerhitztes Pferdeserumpräzipitin energisch hemmend wirkte) nicht hemmend wirkt auf Ziegenpräzipitin + Ziegenalbumin und ın Tabelle VIauf Menschenserum- (bezw. Ascites-) Präzipitin + Ascites, Dabei sind die Mengen des Ziegen- und Menschenpräzipitins absichtlich sehr klein gewählt, so klein, daß eine geringe Verminderung nach Kontrollpräparaten überhaupt keine deutliche Fällung mehr gab. Trotzdem hat das erhitzte Pferdeserumpräzipitin in verhältnismäßig enormen Dosen nicht die Ausfällung dieses geringen Niederschlages verhindert. Es tritt zwar Über Hemmungen der Präzipitinreaktion. 67 in geringem Grade jene oben beschriebene, unbedeutende, verlang- samende Wirkung hervor, wenn man die Resultate schon nach 1 Stunde vergleichen wollte; dagegen ist in dem 24stündigen Resultat von einer Hemmung gar nichts mehr zu merken. Genau dasselbe Resultat ergab sich auch, wenn ich erhitztes Pferde- präzipitin auf Eierklarpräzipitin + Eierklar in derselben Anordnung und Reihenfolge, wie in Tabelle V und VI, wirken ließ. Tabelle V. Ziegenalbumin 20fach verdünnt . 0,27) 0,2 | 0,2 Erhitztes Pferdepräzipitin . . . 0 0,5 1,0 Bobo Wasser 2... 1,0 0,5 0 Nach '/s Stde.: Ziegenalbumin- | Praspiein. 0. . Ba 0,2 0,2 0.2 Besultat nach 20 Stdn. . . . .| + + - Tabelle VI. Menschl. Ascites, 4fach verdünnt 0.1 0,1 0,1 0,1 Erhitztes Pferdeserumalbumin- a. a. |: 0 0,2 0,4 0 Ehysiol- CINa-Lösung . .’. . || 0,6 0,4 0,2 0,9 Nach '/, Stde.: Bsctes-Prazipitin . . ... . 03%) 0,3 0,3 0 Resultat nach 16 Stdn. . . . = -- -- | 0 völlig völlig völlig ‚abgesetzt | abgesetzt | abgesetzt *) Durch einen Vorversuch wurde ermittelt, daß dies die minimale Dosis Ziegenserumalbumin war, mit dem die angewandte Menge des Ziegen- albuminpräzipitins, welches 5 Wochen aufbewahrt war, gerade einen guten Niederschlag gab. **) Durch einen Yorversuch wurde ermittelt, daß diese Dosis die mini- male war, um mit der angewandten Ascitesflüssigkeit einen geringen, aber einwandsfreien Niederschlag zu erzeugen. 5* Leonor Michaelis, 68 Beschäftigen wir uns jetzt nur noch mit der spezifischen Hemmungswirkung des erhitzten Präzipitins und betrachten die quantitativen Verhältnisse dieser Hemmung genauer. Tabelle VII. Pferdealbumin 10fach verdünnt 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 Physiol. CINa 0,5 045 | 04 035 | 02 N) Erhitztes Pferdealbu- minpräzipitin, fach verdünnt . . . .| 0 0,05 0,1 0,15 0,3 0,5 Nach 10 Minuten: Pferdealbuminpräzipi- tin, 5Sfach verdünnt 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0.3 Resultat nach ++ trüb, trüb, 4 Stdn. abge- ohne Se- ohne Se- 0*) 0) 0*) setzt | diment | diment = ei trüb etwas | etwas etwas [5 mit ge- ’ .. un “ %# 124 Stdn. ebenso | ringem |ohne Se- un FR x 5 J | \ | Be ohne Se- ohne Se- ohne Sc- = ) l rk diment | diment | diment Er VE = E | er art Er etwas etwas etwas | eut- | mit mi- r ie % 48 Stdn. \ ebenso | lichen |nimalem ie van Pa | Sedi- Sedi- ohne Se-|ohne Se- ohne Se- \ | Tiont ment | diment | diment | diment In Tabelle VII ıst in allen Röhrchen das Gesamtvolumen, die Menge der präzipitablen Substanz und des Präzipitins konstant, und es variiert die Menge des erhitzten Präzipitins. Bei dieser Anordnung ist 0,1, sicher aber 0,15 ccm des 5fach verdünnten er- hitzten Präzipitins schon ausreichend, um totale Hemmung der Sedimentbildung zu bewirken. In Tabelle VIII ist dagegen, ‘bei konstantem Gesamtvolumen, Präzipitin und erhitztem Präzipitin, die Menge der präzipitablen Substanz variiert. Es ist schon im ersten Röhrchen eine Opaleszenz entstanden, aber selbst im letzten, welches einen ganz kelossalen *) Minimale Opaleszenz infolge Gehaltes an erhitztem Präzipitin. welches an sich, besonders wenn es verdünnt wird, ein wenig opalesziert. Über Hemmungen der Präzipitinreaktion. 69 Überschuß an präzipitabler Substanz enthält, ist es nicht zu einer vollkommenen Sedimentierung gekommen. Tabelle VIII. I! Pferdealbumin 10f. | Pferdealbumin un- serauınt. . .| .01 0,3 0,5 verdünnt 424 ..077 0,1 0,3 | | u 2 Pissiol,.0lNe. . . | 0,4 0,2 0 0,4 0,2 Erhitztes Pferde- albuminpräzipitin | | Sfach verdünnt . | 0,4 0,4 0,4 | 0,4 0,4 5fach verdünntes — | | Pferdealbuminprä- Beier... 23.11 0,8 0,3 0,3 03 0,3 Resultat nach [ ( ( | sehr | 1 ER | Er | FR x: & ir = = j- = | {eb} © Dd = = E = =) etwas = |24 Stan. a 3 | Sedi- : 4, = = e ment 2 a ta 18 aa a ) 3 ' } E 378 } © | e mehr = [48 Stdn. Ss = Ss = NE E = > u =. ment sg w 2 2 Else = = 3 a = = © 'Ö noch 72 Stdn. uk: edi- \ E| RS et Die hemmende Wirkung des erhitzten Präzipitins wird also durch Steigerung der Dosis der präzipitablen Substanz äußerst schwer überwunden. Ein Gemisch von Präzipitin und präzipitabler Substanz, welches an sich eine sehr kräftige Reaktion gibt, wird durch sehr kleine Mengen von er- hitztem Präzipitin, welche zur völligen Hemmung nicht ausreichen, derart beeinflußt, daß zwar eine Trübung entsteht, diese aber nicht, bezw. langsam und sehr schwer flockig wird oder gar ein Sediment liefert. In Tabelle IX ist dagegen das Gesamtvolumen, die präzipitable Substanz (diese absichtlich in sehr geringer Menge) und das er- hitzte Präzipitin konstant, und es variiert das unerhitzte Präzipitin. 70 Leonor Michaelis, Wie man sieht, überwindet eine Steigerung der Präzipitinmenge die hemmende Wirkung des erhitzten Präzipitins ebenfalls sehr schwer. Selbst bei der relativ kolossalen Präzipitinmenge der Kolumne d ist in 4 Stunden [nur eine Trübung entstanden, erst nach 24 Stunden beginnt diese sich gerade zu einem Niederschlag zusammenzuballen. Die hemmende Wirkung des erhitzten Präzipitins wird also auch durch Steigerung der Menge des unerhitzten Präzipitinsnur schwer überwunden, und eine scharfe Grenze in der Dosierung, unterhalb deren die Hemmung gerade eben noch vollkommen wäre, und oberhalb deren sie gerade überwunden würde, läßt sich durchaus nicht angeben, weil zwischen Tabelle RX. a | b c d Pferdealbumin 10fach verdünnt 0,1 0,1 0,1 6,1 Erhitztes Pferdealbuminpräzipi- | tin; Sfaech, verdünnt ou. 0,1 0,1 0,1 0,1 Physiol: EINay N. re 0,6 0,5 0,4 0,2 Nach 10 Minuten: Unverdünntes Pferdealbumin- Drezipatıne ng Tee ae ee 0,2 0,4 m: | BER 3 k stärker Resultat nach 3 Minuten. . . 0 leicht trüb trüb trüb di k T _ ‚sehr trüb, sehr trüb, ee va 2 Stv 0 kein Se kein Bee | , Kt keineSpur diment diment Bi Sediment dicke Trü- ! Tdieke Ten Reue: sehr trüb, außerdem i bung, ä | 0 keineSpur|, . Beginn keine Spur | Sediment i der Sedi- Sediment i mentie- rung Sedimen- 48 Stdn 0 wie wie DRS RE 24 Stdn |24 Stan. | , = ortge- schritten Über Hemmungen der Präzipitinreaktion. 7 völliger Hemmung und gänzlicher Einflußlosigkeit Übergänge vorhanden sind, wo zunächst eine geringe Opaleszenz entsteht, die keinen Niederschlag liefert, und wo ferner eine stärkere Trübung entsteht, die aber erst nach 2 Tagen Neigung zum Zu- sammenballen zeigt. Das Verhalten des Röhrchens Tabelle IX, d entspricht genau dem Verhalten von Tabelle I, e. Hier finden wir daher die Deutung der Wirkung des nur auf 68° erhitzten Präzipitins. Dieses ist demnach nichts anderes als eine Mischung von noch unverändertem und schon verändertem Präzipitin. Bisher wurde das Präzipitin immer einige Zeit nach der Einwirkung des erhitzten Präzipitins auf die präzipitable Substanz hinzugefügt. Jetzt entsteht die Frage, wie sich die Wirkung des erhitzten Präzipitins gestaltet, wenn es nachträglich auf den schon entstandenen Niederschlag einwirkt. Tabelle X. | ' Kontrolle 10fach verdünntes Pferde- | | | albumin . 0,1 1 a 2 Ba a 0,1 Sfach verdünntes Pferde- | albuminpräzipitin . 0,3 0,3 Ba I. 1,5008 Resultat nach 10 Min.: | Überall gut abgesetzter Niederschlag Der Niederschlag wird auf- | geschüttelt | | | a) in 5fach verd. erhitztem | Präzipitin ht I 08 | 06 1,2 2,0 -— Erin phyeiol CN . .. | — = = = 2,0 Sedimentierung des aufge- | | | | schüttelten Niederschlags: | nach 4 Stdn. . | beginnt 0 0 0 | beginnt deutlich, deutlich, deutlich, nr Sir. fast voll- aber un- aber un- aber un-, voll- 'kommen| voll- voll- voll- | kommen kommen |kommen kommen ER fast voll- fast voll-/fast voll- fast voll- voll- kommen kommen | kommen kommen) kommen 12 ; Leonor Michaelis, Diese Tabelle zeigt, daß ein schon entstandener Niederschlag, der in einer recht großen Menge von erhitztem Präzipitin aufge- schüttelt wird, sich fast völlig wieder absetzt, also nicht gelöst wird, als ob er in physiologischer Kochsalz-Lösung wieder aufge- schüttelt worden wäre, nur daß die Repräzipitation in Kochsalz- Lösung sehr viel rascher erfolgt als unter der Einwirkung des erhitzten Präzipitins.- Auch wird in letzterem Fall die überstehende Flüssigkeit nicht ganz klar, sondern bleibt opaleszent. Wir kommen nun zu einer anderen Art der Reaktionshemmung, nämlich durch einen Überschuß der präzipitablen Substanz. Während nämlich bei konstantem Gesamtvolumen und konstanter Menge präzipitabler Substanz die Menge des Niederschlags mit der Steigerung des Präzipitins bald ein Maximum erreicht, so daß fernere Vermehrung des Präzipitins weder vermehrend noch vermindernd auf die Menge des Niederschlags wirkt, so erreicht man bei anderer Versuchsanordnung, nämlich bei Konstanz des Gesamtvolumens und der Präzipitinmenge durch gesteigerten Zu- satz von präzipitabler Substanz bald ein Optimum der Reaktion, welches durch weiteren Zusatz von präzipitabler Substanz wieder verschlechtert wird, ja schließlich bei weiterer Steigerung zum völligen Ausbleiben des Niederschlags führt. Also kurz: Über- schuß von Präzipitin ist ohne Einfluß, Überschuß an prä- zipitabler Substanz macht die Reaktion rückgängig. Dieser Befund ist eine Bestätigung der Angabe von Halban und Landsteiner, Eisenberg, sowie Rostoski, und ich möchte zu dieser Frage nur einige weitere Ausführungen machen. Diese Hemmung ist einer genauen Analyse viel besser zu- gänglich als die Hemmung durch erhitztes Präzipitin, weil sie sehr scharfe Grenzen der Dosierung hat. Tabelle XI. a b c d e f g Pferdeserum 4 . 0,7 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1.) 0,08 Physiol. CINa . . . . 0:1.02 1.08 10,4 | 05.|-:0,6. | 08 Pferdealbuminpräzipitin, Sfach verdünnt. . . || 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 Reaktion a) nach 5 Min. 0 0 0 0 0 trüb | trüb b) nach 24 Stdn. | 0 0 0 0 0? + | ++ Uber Hemmungen der Präzipitinreaktion. 18 Tabelle XI zeigt, wie die Niederschlagsbildung von Pferde- albuminpräzipitin mit Pferdealbumin durch einen Überschuß von ‚Pferdeserum gehemmt wird. Aber nicht nur eine Hemmung tritt ein, sondern der schon entstandene Niederschlag ist sogar mit großer Leichtigkeit in einem nachträglich zugefügten Überschuß des Pferdeserums wieder glatt löslich: Tabelle XII. Pferdealbuminpräzipitin . . . 0,3 0,3 | 0,3 | Pferdeserumalbumin . . . . . 0,05 0,05 0,05 Nach 10 Minuten überall dicker Niederschlag, Dann aufgeschüttelt in: BEINE 2 ner... 0,6 0,4 0,2 Pferdeserum. . . 2:2... NS 2 0,45 \ Sediment Resultat in 24 Stdn. . at er Sediment + | Ganz klar Dagegen vermindert ein fremdes Serum (Kaninchen-, Ziegen- serum) die Stärke der Pferdepräzipitinreaktion nicht, gleichgültig, ob vor oder nach der Niederschlagsbildung hinzugefügt. Diese Hemmung ist also durchaus spezifisch. Da nun fermentwidrige Wirkungen des Blutserums bekannt sind (labhemmende, trypsinhemmende) und diese hemmenden Sub- stanzen erfahrungsgemäß sich mit den Globulinen aussalzen lassen, so lag auch hier die Annahme nahe, daß nicht der Überschuß der präzipitablen Substanz als solcher, sondern ein miteingeführtes Antipräzipitin die Hemmung bewirke. Es wurde deshalb Pferde- serum durch fraktionierte Ammonsulfatfällung nach Hofmeister in die geläufigen drei Fraktionen zerlegt: Euglobulin ('/s Sättigung), Pseudoglobulin (!/,—"!/, Sättigung) und Albumin. Diese Fraktionen wurden, zunächst nur nach einfacher Fällung ohne Umfällung auf ihre hemmende Wirkung unter Anwendung eines Über- _ schusses geprüft. Es zeigte sich kein Unterschied. Die hemmende Kraft nahm in dem Maße ab, als die einzelnen Fraktionen eben weniger Eiweiß enthielten als das Vollserum und war unter An- wendung annähernd gleicher Eiweißkonzentration bei allen Fraktionen gleich. Da sich hierbei keine Unterschiede ergaben, 74 Leonor Michaelis. wurde von einer Umfällung abgesehen, zumal die wichtigste in Frage stehende Fraktion, das Albumin, dem man unter Zugrunde. legung aller Erfahrung am sichersten einen Antikörpergehalt ab- sprechen kann, ja gleich bei der ersten Fällung globulinfrei entsteht. Das hemmende Moment ist also in der Tat nichts anderes als eben der Überschuß der präzipitablen Substanz. Rostoski ist zu der- selben Anschauung gekommen, hält aber daneben einen besonderen Antipräzipitingehalt des Pseudoglobulins für wahrscheinlich. Es erhebt sich nun die Frage, ob diejenige Menge präzipitabler Substanz, welche bei Vermischung mit einer gegebenen Menge Präzipitin gerade keinen Niederschlag mehr erzeugt, gleich derjenigen Menge ist, welche einen schon entstandenen Nieder- schlag eben wieder löst (natürlich abzüglich der zur Er- zeugung dieses Niederschlags vorher zugefügten Menge). Mit anderen Worten: ob das Endresultat ein von der Reihenfolge der Vermischung der reagierenden Substanzen unabhängiger Gleich- gewichtszustand ist, kurz ob es sich um einen vollkommen rever- siblen Prozeß handelt. Bei den bezüglichen Versuchen zeigte es sich, daß man ein wenig größere Mengen präzipitabler Substanz braucht, um einen schon entstandenen Niederschlag wieder zu lösen, als um die Bildung des Niederschlags zu verhindern. Man vergleiche zu diesem Zweck Tabelle XI und XII. Diese beiden Tabellen sind vergleichbar, weil das Gesamtvolumen überall 1 ccm beträgt. In der Anordnung der Tabelle XI ist die völlig hemmende Menge 0,2 oder 0,3 ccm (Kolumne e und d); in Tabelle XII st aber bei 0,3 (d. i. 0,05 + 0,25) noch ein deutliches, geringes Se- diment. Jedoch möchte ich hierzu folgendes bemerken. Bei Ge- mischen, welche so große Mengen überschüssigen Eiweißes ent- halten, wie die Versuchsanordnung es hier erfordert, ist die Be- urteilung, wo gerade noch ein Niederschlag entsteht und wo nicht mehr, dadurch erschwert, daß jene oben erwähnte unspezifische Hemmungswirkung hinzukommt. Diese ist zwar nicht be- deutend, führt aber zu folgender Fehlerquelle. Bei der Versuchs- anordnung, wo von vornherein überschüssige präzipitable Sub- stanz zugegeben wird und der Niederschlag sich erst bilden soll, wird die unspezifische Hemmung sich zu der spezifischen addieren und, da der zu erwartende Niederschlag jedenfalls sehr gering ist, diesen vielleicht völlig in der Schwebe halten. Bei der anderen Versuchsanordnung aber, wo der Niederschlag schon zusammen- geballt ist, fällt die unspezifische Hemmung ganz fort. Daher muß an sich schon bei der ersten Versuchsanordnung die minimale Hemmungsdosis kleiner ausfallen als bei der zweiten. Wenn man das -_ Sen Bd a u IL I nl ZU Die Entwickelung der Kolonien im II. Versuch mag auf irgend einem technischen Fehler beruhen. Der erste Versuch ist ein ausgesprochener Fehlversuch, wenngleich er noch eine Hemmung der Bakterienentwickelung durch das Toluol erkennen läßt. Sitzen schon reichlich Bakterien im Innern der kleinsten Gewebsteile, so werden sie eben trotz häufigen Durch- schüttelns von dem Toluol kaum mehr erreicht. Ungeachtet des Fehlens von Fäulniserscheinungen habe ich der bakteriologischen Resultate wegen diese Fälle als hinsichtlich der Ergebnisse der Autolyse nicht einwands- frei aus meiner Zusammenstellung gestrichen. Bei den übrigen Versuchen blieben die angelegten Kulturen stets steril. ++*) Salkowski, Über die antiseptische Wirkung des Chloroformwassers. Deutsche medicin. Wochenschrift 1888. 14. Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u. s. w. 95 hiesigen Institut an dessen Stelle benutzte Toiuol bietet bei gleicher chemischer Indifferenz vor dem Chloroform den Vorteil, daß sich sein Überschuß auf der Oberfläche der wässerigen Flüssigkeit ausbreitet und so einen willkommenen Abschluß gegen das Eindringen von Schimmel- pilzen und anderen Bakterien abgibt und überdies bei etwas geringerer antiseptischer Tiefenwirkung den autolytischen Prozeß vielleicht noch weniger stört als letzteres. Sämtliche Versuche wurden, wie schon angedeutet, ander Leber, diesem klassischen Objekt für autolytische Untersuchungen, vor- genommen. Als Maßstab für die Wirkungsintensität des autolytischen Ferments diente die Zunahme des „nicht koagulablen Stickstoffs“, d. h. des Stickstoffs, der nicht koagulablen N-haltigen Substanzen nach Vollendung der Autolyse, gegenüber der Menge desselben im frischen Präparat. Es wurde also bei jedem einzelnen Falle in einer be- stimmten Lebermenge zuerst im frischen Zustande, vor der Auto- lyse, dann nach Vollendung derselben der Stickstoffgehalt des bei Eiweißkoagulation resultierenden Filtrats nach Kjeldahl ermittelt. Außerdem wurde in jedem Falle die Menge des Gesamtstickstoffs bestimmt, die sich allerdings durch die Autolyse nicht verändert, aber den einzig sicheren Maßstab ab- gibt für die Menge des dem autolytischen Ferment zur Bearbeitung verfügbaren Materials. Dies ist hier besonders wichtig, wo das Material nicht, wie bei den Tierexperimenten, unmittelbar nach dem Tode verarbeitet werden kann, wo vielmehr in der zwischen Tod und Autolyse verstreichenden Zwischenzeit die Autolyse in nicht kontrollierbarem Umfange vor sich geht. — Außerdem machte ich immer Stickstoffbestimmungen am 3. oder 4. Versuchstage, um ein Urteil über die Intensität der Wirkung des autolytischen Ferments zu gewinnen. Man kann zu den Versuchen den durch ein Koliertuch gepreßten Lebersaft oder feingewiegten, zerhackten und zerriebenen Leber- brei verwenden. Manche Autoren zerreiben die Leber mit Quarzsand, um die Zertrümmerung der Zellen zu verstärken und dadurch den Aus- tritt des Ferments zu erleichtern. Pfaundler*) sucht außerdem durch einen Zusatz von Pepsin das Freiwerden des (nicht diffusiblen) Ferments aus den Zellen zu begünstigen; letzteres war bei den vorliegenden Ver- suchen unstatthaft, Die Verarbeitung von Leberbrei gibt etwas größere Werte für die Menge des in Lösung gegangenen Eiweißes als die von Leber- *) Pfaundler, Über Stoffwechselstörungen bei magendarmkranken Säug- lingen. Jahrbuch für Kinderheilkunde, 1901, 54. 96 Eugen Schlesinger, saft, namentlich in dem „frischen“ Präparat. Die Unterschiede gehen aus der Gegenüberstellung folgender Versuchsreihen an Kaninchenlebern hervor. Der Stickstofigehalt der nicht koagulablen Substanzen ist — hier wie in den anderen Tabellen — immer auf 1 Gramm Leberbrei bezw. Lebersaft umgerechnet. Brei Saft Brei Saft vor der Autolyse . . . 0,00483 0,00264 0,00264 0,00210 nach 48stündiger Autolyse 0,00546 0,00420 0,00525 0,00410 „06 i 0,00546 0,00433 | 000516 0,00449 Ich benutzte zu den späteren Versuchen immer nur zerhackten und fein zerriebenen Leberbrei. Über die Dauer des autolytischen Prozesses, besonders bei dem antiseptischen Verfahren, bestehen widersprechende An- gaben. Magnus-Levy (l. ec.) gibt an, daß er nicht nur Wochen, sondern Monate lang fortdauere, im Gegensatz zu dem aseptischen Verfahren, das stets schon nach Tagen zum Abschluß komme. Sehr viel kommt es hierbei wohl auf die Einzelheiten der Ver- suchsanordnung an. Während die meisten Autoren große Substanz- mengen, 100, ja 500 Gramm, vermischt mit dem doppelten Volumen Wasser, in einer Portion, diese reichlich mit Toluol überschichtet, der Autolyse überließen, teilte ich das Material, zum Teil schon aus äußeren Gründen, in kleine Portionen von je 3 Gramm, bei den neugeborenen Kaninchen in noch kleinere und verteilte diese im 10fachen Volumen 1-proz. Toluolwassers. Bei dieser Versuchsanordnung läuft der Prozeß auch der anti- septischen Autolyse in etwa einer Woche oder noch früher ab. Nach 12 oder 24stündigem Stehen der beschickten Röhrchen im Brutschrank ist die Autolyse schon so weit vorgeschritten, daß die ursprünglich roten, festen Leberpartikelchen nur mehr blaß- rot oder ganz entfärbt, halbweich sind; ursprünglich am Boden liegend, schwimmen sie bereits in der jetzt dick getrübten Flüssig- keit, während das überschüssige Toluol einen dicken weißen oder grauen Überzug. bildet. Am 2. oder 3. Tage sieht man im mikro- skopischen Präparat nur mehr gelbe Klumpen von zerfallenen Leber- zellen, dazwischen spärliche Tyrosinbüschel. _Die Flüssigkeit färbt sich rötlich und setzt unter Klärung einen geringen Boden- satz ab. Die Reaktion wird ganz schwach sauer. Ausstriche auf Nährböden zur bakteriologischen Untersuchung bleiben steril. Die Kurve der Stickstoffmengen, welche den durch die Auto- Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u. s. w. 97 lyse in Lösung gegangenen, nicht mehr durch Kochen nach Essig- säurezusatz koagulablen Substanzen entsprechen, kommt, nach unserer Versuchsanordnung, am 3. oder 4. Tage dem Scheitel meist schon recht nahe, und hat ihn am 5. oder 6. Tage immer oder doch fast ausnahmslos erreicht, um weiterhin sogar nicht selten wieder etwas abzusinken. Eine Erklärung für diese schließliche Stickstoffab- nahme, die größer ist, als daß sie innerhalb der Fehlergrenzen läge, und häufiger, als daß sie unerwähnt bleiben könnte, muß ich schuldig bleiben. Die Annahme, daß schließlich Tripelphosphat ausfällt, wodurch ein Stickstoffverlust in der Lösung zustande käme, kann nicht zutreffend sein, da um diese Zeit die Flüssigkeit stets sauer reagiert. Folgende Versuchsreihen an Kaninchen mögen als Paradigmen der verschiedenen Kurven dienen. In 1 cem Leber waren ent- halten: Ausgewachsene Kaninchen. Neugebor. Kaninchen Gesamt-N 0,01386 0,02373 0,01120 ä jr der Autolyse . . . 0,00264 0,00210 0,00483 0,00672 „3 | Nach 24stündiger Autolyse 0,00421 0,00462 EEE | ., 3 0,00420 0,00546 0,00546 Bez 2 2, n 0,00756 41 Er, i 0,00433 0,00546 0,00546 0,01134 E 190 N 2 0,00966 Ben , ; 0,00449 Geht man noch mehr auf Einzelheiten ein, so kann man die Bemerkung machen, daß dort, wo durch die Autolyse viel Eiweiß in Lösung geht, dies langsamer erfolgt als da, wo der Prozeß keine große Wirkung entfaltet, so daß also die Kurven der Autolyse immer einen ziemlich parallelen Verlauf nehmen, bald früher, bald später ihren Höhepunkt erreichend. Diese Wahrnehmung stützt sich namentlich auf zahlreiche Beobachtungen an mensch- lichem Leichenmaterial. Was die mit der Zeit eintretende starke Verlangsamung und das endliche Aufhören der Lösung von Eiweiß resp. stick- stoffhaltigen Substanzen bewirkt, ist nicht so ganz leicht zu sagen. Ein Aufbrauchen der verfügbaren Substanz durch das Ferment findet nur in den allerseltensten Fällen statt, z. B. bei dem neu- geborenen Kaninchen. Am nächsten liegt die Annahme einer Er- schöpfung des Ferments durch den autolytischen Prozeß selbst oder eine Hemmung seiner Wirksamkeit durch die gebildeten Beitr. z. chem. Physiologie. IV, 7 98 Eugen Schlesinger, Produkte. Die Schädigung durch das Antiseptikum dürfte nicht ausschlaggebend sein. Keinesfalls hemmt die bei der Autolyse auftretende schwache Säuerung der Flüssigkeit den Prozeß, wie dies z. B. bei der bakteriellen Säurebildung der Fall ist; denn gerade bei schwach sauerer Lösung entfaltet das autolytische Ferment seine stärkste Wirkung, während die Alkaleszenz einen proportional ihrer Stärke hemmenden Einfluß ausübt (Schwiening |. c.). Im folgenden sei, der Übersichtlichkeit halber, die ganze Versuchs- anordnung in ihren wesentlichen Punkten zusammengefaßt: Nach Herauspräparieren der großen Gefäße wurde die Leber resp. Stücke derselben, fein zerhackt, im Mörser zerrieben und in zahlreichen Portionen & 3 Gramm abgewogen. In 2 Portionen wurde die Gesamt- stickstoffmenge nach Kjeldahl bestimmt. Alle übrigen wurden in weite, sterile Reagensröhrchen gebracht, mit dem 10fachen Volumen destillierten Wassers und 0,3 ccm Toluol versetzt und gut verkorkt im Brutschrank bei ca. 35° C aufgestellt, wo sie täglich mehrmals gut durchgeschüttelt wurden. 2 Portionen wurden frisch verarbeitet. Sie wurden nach Zusatz von einigen Tropfen Essigsäure bis zur deutlich sauren Reaktion und von 1 ccm einer 2-proz. Kaliummonophosphatlösung zum Sieden erhitzt und auf etwa 20 ccm eingedampft, dann filtriert. Infolge des Zusatzes von KH,PO, erfolgt das Filtrieren, das ohne dieses bei den frischen Lösungen sehr lange Zeit in Anspruch nimmt, überaus rasch. Das Filtrat der frischen oder halb autolysierten Breiproben ist opaleszent bis trübe, gelbgrau, das der späteren Lösungen klar, gelblich. In diesen Lösungen wurde nun gleichfalls der Stickstoff nach Kjeldahl bestimmt, und zwar wurden verarbeitet außer den frischen Präparaten solche, die 3, 5, 7 Tage, manchmal noch längere Zeit im Brutschrank gestanden waren. Bei allen Versuchen wurden ausnahmslos Kontrollbestimmungen ausgeführt, und in den meisten Fällen wurde die Sterilität der Präparate durch bakteriologische kulturelle Untersuchungen sichergestellt. Einfluß des Alters auf die autolytischen Vorgänge. I. Versuche an Kaninchen. An diesem Material mußte sich dieser Einfluß am leichtesten studieren lassen, besonders wenn man, um Rasseneigentümlich- keiten zu vermeiden, Tiere desselben Stammes, ja, wie in der folgenden Tabelle, desselben Wurfes benutzte. Von vornherein war anzunehmen, daß sich der Vorgang bei jugendlichen Tieren sehr viel lebhafter gestalten würde als bei alten. Sind doch die ersteren in so vielen anderen Umsetzungsprozessen, eben bezüglich ihrer ganzen Vitalität, den letzteren überlegen; und selbst den Verdauungsfermenten, die ja nur mit einiger Reserve mit diesen inneren Organfermenten verglichen werden dürfen, scheint nach den neueren Untersuchungen [M oro*)] schon bei ganz jungen *) Moro, Diastat. Enzym in den Stühlen von Säuglingen. Jahrbuch f. Kinderheilkunde. 1898. 47. Inn Me _ U m in m u u Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u. s. w. 99 Säuglingen eine größere Wirksamkeit zuzukommen, als man bıs- her allgemein anzunehmen geneigt war. — Indes stellte sich bald heraus, daß zwischen großen, ausgewachsenen Kaninchen und jungen, aber doch schon einige oder auch nur einen Monat alten Tieren kein oder kaum ein ausgesprochener oder gar konstanter Unterschied nach der erwarteten Richtung hin bestand. Dieser trat vielmehr erst dann zutage, als ich auf ganz junge Individuen, auf neugeborene oder wenige Tage alte Tiere zurückgriff. Alter des Kaninchens: alt Muttertier 18 Tage 8 Tage 1 Tag 1 Tag d. übrigen Gewicht d. Leberingr: 120 150 5,6 g 6,0 ru 4,5 2 Lebern zusammen. Gesamt-N 0,02373 0,01386 0,01701 0,01232 0,01120 vor der Autolyse 83 0,00265 0,00483 0,00210 0,00819 0,00739 0,00672 nach 2täg. Autolyse 3” 0,00420 0,00546 0,00546 0,00882 9 A == 0,00433 0,00756 0,00546 0,00966 0,01247 0,01134 EN „33 0,00449 0,00546 0,01266 0,01062 0,00966 za,» Stickstoffmenge der in Lösung gegangenen Stoffe, ausgedrückt in Prozent vom Gesamtstickstoff vor der Autolyse 20,4 15,2 48,2 60,1 60,0 nach 2täg. Autolyse 23,0 39,5 51,9 IE, ER 31,9 39,5 56,8 100,0 100,0 Er y 23,0 74,4 86,3 86,2 Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, wurde bei den Lebern von eintägigen Tieren die ganze verfügbare Menge stickstoffhaltiger Substanzen, die ja allerdings in derselben Gewebsmenge nur halb so groß war wie bei alten Tieren, im Laufe von 4 Tagen in nicht mehr durch Hitze koagulable Stoffe umgewandelt und bei einem Stägigen Tiere wurden noch drei Viertel des Gesamteiweißes ge- löst. Das 18 Tage alte Kaninchen nähert sich mit der Lösung von zwei Fünfteln des Gesamteiweiß schon sehr dem ausge- wachsenen Muttertier, wo nur ein schwaches Viertel der verfüg- baren Eiweißmenge in Lösung ging, wie denn auch dieses Tier sich hinsichtlich anderer fermentativer Prozesse, z. B. bezüglich der Blutgerinnung, bereits ganz wie ein erwachsenes verhielt. Es ist also bei den neugeborenen Kaninchen die Autolyse so intensiv, als sie nur sein kann, maximal, und auch beim Stägigen noch sehr viel stärker als später, während weiterhin die Intensität sehr rasch abnimmt, so daß schon bei 1 oder 2monatlichen Tieren kein konstanter Unterschied mehr besteht gegenüber ausgewachsenen und alten Individuen. er 100 Eugen Schlesinger, Auch schon in den frisch, das heißt vor der Einwirkung der postmortalen Autolyse, untersuchten Lebern ist bei dem Stägigen und ltägigen Kaninchen die Ziffer des gelösten Ei- weißes eine sehr hohe, 60 Proz. gegenüber 15—20 Proz. bei den alten Kaninchen, was wohl auf die Lebhaftigkeit des entsprechenden intravitalen Prozesses zurückgeführt werden darf. (Bei dieser Ge- legenheit sieht man auch deutlich, wie wichtig es ist, nicht nur die Menge des in Lösung gegangenen Eiweißes vor und nach der Autolyse mit einander zu vergleichen, sondern die Zahlen auch in Beziehung zu setzen mit der Gesamteiweißmenge.) | Schließlich steigt die Kurve der autolytischen Wirkung beim jungen Tiere nicht nur höher, sondern auch im allgemeinen rascher an und nähert sich ihrem Gipfel früher als beim alten. All dies ist, wie gesagt, wohl auf die energischeren Umsetzungsprozesse im jugendlichen und besonders im neugeborenen Organismus zurückzuführen. Den Einwand, daß beim älteren Kaninchen eine stärkere Bildung von Bindegewebe, das an der Autolyse nicht in dem Maße beteiligt ist wie die Parenchynzellen, das Minus der in Lösung gehenden stickstoffhaltigen Substanzen be- dinge, kann ich auf Grund mikroskopischer Untersuchungen zurück- weisen. Die Unterschiede in dieser Richtung sind sehr unbe- deutend. Ich darf übrigens bei der Wiedergabe der Resultate dieser Unter- suchungsreihen nicht die Bemerkung unterlassen, daß die Ergebnisse aller dieser Untersuchungen keineswegs ganz mit einander überein- stimmen, daß. es vielmehr auch nicht an einzelnen Beobachtungen fehlt, die sich mit den oben angeführten nicht in Einklang bringen lassen. So erwies sich bei der Leber eines Stägigen Kauinchens die autolytische Wirkung fast gleich Null, trotz mehrfacher Nachuntersuchungen. Es fehlt somit auch hier nicht an individuellen Abweichungen, ebenso wenig wie in den anderen Gruppen meiner Untersuchungsreihen ; aber es handelt sich dabei eben doch nur um Ausnahmen. II. Untersuchungen an menschlichen Föten und Früh- geborenen‘). Von hohem Interesse ist in dieser Gruppe vor allem die Menge der gelösten stickstoffhaltigen Substanzen im „frischen“ Präparat, vor der experimentellen Autolyse, wofür folgende 3 Fälle als Paradigmen dienen mögen: *) Dieselben wurden mir gütigst von Herrn Professor Fehling, Direktor der Universitätsfrauenklinik, überlassen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aussprechen möchte. BE De ir Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u. s. w. 101 Totgeboren Totgeboren Lebendgeboren im 4. Monat. im 6. Monat. im 6. Monat. Tod einige Zeit vor Lebte noch 6 Stunden Lebte 6 Stunden lang der Geburt, vor der Geburt. nach der Geburt. Leber 10 g schwer. Leber 56 g schwer. Leber 54 g schwer. Periarteriitis, auf Häufchen intra- Normaler Befund. Lues verdächtig. vaskulärer kern- Reichlich kern- haltiger Blut- haltige Blutkörper- körperchen. chen in den Capil- laren (Blutbildung). Gesamt-N | 0,02716 0,02870 0,02436 = vor der Autolyse Er 0,00798 0,00420 0,00252 285 o© nch„ „ #590 0,0172 0,00644 0,00902 4 Stickstoffmenge der in Lösung gegangenen Stoffe, ausgedrückt in Proz. vom Gesamtstickstoff vor der Autolyse | 29,3 14,6 10,3 nach „ . 63,3 22,4 36,9 Ende d. Autolyse in Stunden 72 96 144 In dem ersten Falle, einem Fötus, der augenscheinlich schon einige Zeit vor der Geburt abgestorben war (bei dem Eintritt der Mutter in die Klinik waren die kindlichen Herztöne nicht mehr zu hören, die Geburt des frisch aussehenden Kindes erfolgte 8 Stunden später, und unmittelbar darauf wurde die Leber ver- arbeitet,) war die Menge der in Lösung gegangenen stickstoff- haltigen Substanzen im „frischen“ Präparat eine außerordentlich hohe, höher als je sonst bei einer menschlichen Leiche. — Das 2. totgeborene Kind war etwa 6 Stunden vor der Geburt gestorben. Seine Leber wies mittlere bis kleine Werte nicht koagulablen Eiweißes auf. Das 3. Kind, wie das 2. eine Frühgeburt im 6. Monat, lebte etwa 6 Stunden lang; hier war die entsprechende Eiweiß- menge außerordentlich gering, fast die geringste je beobachtete. Diese Verschiedenheiten erklären sich leicht aus folgender Erwägung: Im ersten Falle war die Autolyse bereits in utero in beträchtlichem Maße vor sich gegangen, daher die großen Werte im „frischen“, faktisch gar nicht mehr frischen Präparat. Um Fäulnis handelte es sich hier nicht; das Organ machte einen durchaus frischen Eindruck und wurde auch unmittelbar nach der Geburt verarbeitet. — Bei dem zweiten Falle konnte begreiflicher- weise in den wenigen Stunden vor der Geburt die Autolyse nicht ‚diesen Effekt erzielen. — Bei der dritten Beobachtung handelte es sich um einen wirklich frischen Fall und überdies, wie bei den anderen, um eine unentwickelte Frucht; darum sind hier die Werte der bei der intravitalen Autolyse gelösten N-haltigen Substanzen besonders niedrig ausgefallen. 102 | Eugen Schlesinger, Aus dem Vergleich dieser 3 Fälle untereinander gewinnen wir ein gutes Bild von dem intravital im Mutterleib an den ‚abgestorbenen Föten sich abspielenden autolytischen Vorgängen, und indem man von der Leber auf die anderen Or- gane und die ganze Frucht Schlüsse ziehen darf, erhalten wir hier eine exakte Vorstellung von den Umwandlungsprozessen und natürlichen Abbauvorgängen in diesen toten Föten. Mit der obigen Erwägung steht auch in sehr gutem Einklang das Resultat der Dauer der experimentellen Autolyse in dem einzelnen Falle. Das Ende des autolytischen Prozesses, nach dem kein Eiweiß mehr ın Lösung ging, war im ersten Falle schon nach 72 Stunden, im zweiten nach 96 Stunden, im dritten erst nach 144 Stunden erreicht. Je kürzere Zeit also der autolytische Prozeß in vitro anhielt, um so länger hatte er vorher schon in utero bestanden, und die Verkürzung in der zeitlich zweiten Phase ist auf Kosten der vorangehenden zu setzen. Es dürfte sich verlohnen, all diese Befunde an einer größeren Ver- suchsreihe sicherzustellen. Vielleicht gibt uns das Studium der Autolyse bei totgeborenen Früchten Anhaltspunkte für die ge- nauere Beurteilung der Zeit des Absterbens vor der Geburt. Betrachten wir schließlich die absolute Menge der durch die Autolyse gelösten N-haltigen Stoffe selbst, so finden wir bei dem zweiten und dritten Falle sehr geringe Werte, die ganz erheblich sowohl unter dem Mittel der Lebern junger Kaninchen als auch unter dem der Lebern menschlicher Säug- linge liegen. Man könnte annehmen, daß bei diesen nicht aus- getragenen, nicht voll entwickelten Früchten das proteolytische Ferment der Autolyse nur in geringer Menge vorhanden ist oder weniger stark wirkt, eine Annahme, die manches für sich hat. Doch bei dem ersten Falle, gerade dem am wenigsten entwickelten Fötus, liegen die Verhältnisse ganz anders; hier ist die Menge des bei der Autolyse gelösten Eiweißes eine beträchtliche. Diese Verhältnisse bedürfen der Nachprüfung. Erinnert man sich der, schon makroskopisch leicht anzustellenden Beobachtung und all- bekannten Erfahrung betreffs der so rasch und leicht erfolgenden Er- weichung und Verflüssigung embryonaler Organe, so ist man ver- sucht, gerade den letzten Befund für normal und typisch zu halten. III. Untersuchungen an Kindern. Diese Untersuchungen sind, im Gegensatz zu der vorigen Gruppe, zahlreich genug angestellt, — systematisch an 14 Kindern (siehe die Krankengeschichten, Sektionsbefunde und Versuchs- protokolle am Schluß der Arbeit), dazu kommt noch eine größere Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u.s. w. 103 Zahl Einzelbeobachtungen, — um nach verschiedenen Richtungen hin zu bestimmten Schlußfolgerungen zu gelangen. Doch fehlte es mir leider gerade an ausgetragenen Säuglingen des 1. Lebens- monats, an denen die bei den Kaninchen gefundene Beobachtung, die bedeutende Steigerung der Intensität des autolytischen Pro- zesses in der ersten Lebenswoche gegenüber dem späteren Alter hätte untersucht werden können. — Allerdings konnte man daran denken, daß bei dem sich in jeder Beziehung langsamer ent- wickelnden menschlichen Individuum diese Differenz auf einen längeren Zeitraum, auf Monate, ausgedehnt ist. Die 14 Kinder standen im Alter von 2 bis 28 Monaten, drei Fünftel von ihnen waren Säuglinge unter einem Jahr. Indes ein auch nur einigermaßen konstanter oder gesetzmäßiger Unterschied der einzelnen Fälle, diesenach dem Alter mit- einander verglichen, ließ sich in keiner Weise feststellen: Regellos begegnet man in den aufeinander folgenden Lebensmonaten den verschiedensten, die Intensität der Autolyse zum Ausdruck bringenden Zahlen, und man kommt sofort zur Überzeugung, daß entweder schon im frühesten Kindesalter, um nicht zu sagen im allerfrühesten, ein Unterschied nach dieser Richtung hin nicht mehr besteht, oder daß die Differenzen in dieser Hinsicht durch andere Einflüsse vollkommen verwischt werden. Diese Beobachtungen zeigen keine Analogie mit den Befunden Pfaundlers (l.c.) bezüglich des oxydativen Ferments der Leber. Sein Material umfaßte vorwiegend Säuglinge des ersten Halbjahres. 7 von den 45 Kindern waren aber über 6 Monate alt. Die Lebern der letzteren waren, soweit keine pathologischen Veränderungen vorlagen, durch eine beträchtlich höhere oxydative Energie ausgezeichnet, und Pfaundler schließt daraus, daß die oxydative Energie der Organe mit zunehmendem Alter steil ansteige. Eine ähnliche Beziehung konnte ich nach dem Gesagten bezüglich des proteolytischen Ferments der Autolyse nicht finden; eine solche würde auch mit meinen Befunden an Kaninchen in direktem Widerspruch gestanden haben. Einfluß pathologischer Zustände auf die Autolyse. Den größten Einfluß auf die Intensität des autolytischen Pro- zesses übt, nach dem fast ausnahmslosen Zutreffen dieses Moments zu schließen, das Verhalten des Körpergewichts des Individuums aus, und zwar dieses in Relation zu dem Alter des Individuums oder, bestimmter ausgedrückt, die Körpergewichtsabnahme kürzere oder längere Zeit vor dem Tode. Je stärker die Körpergewichtsabnahme war, um so geringer fiel die Wirkung des autolytischen Ferments aus. Dies illustriert die folgende Tabelle, in der die Fälle, nach dem Verhältnis ihres Körpergewichts zu dem für das betreffende Alter normalen Durch- 104 Eugen Schlesinger, schnittsgewicht geordnet, in 4 Gruppen untergebracht sind. Da fast alle Kinder bis kurz vor ihrem Lebensende gewogen worden waren, ließ sich sowohl der Grad wie auch die Schnelligkeit der Körper- gewichtsabnahme, beziehungsweise das Ausbleiben der Zunahme, immer gut feststellen. Durchschnittsergebnis der Autolyse, in Proz. desN der durch die Autolyse in Lösung gegangenen Stoffe vom Körpergewicht in Proz. des für das betr. Alter normalen Durchschnitts- gewichts. Gesamt-N ausgedrückt. 1. 71-00 93 I. 61-70 48 IT. 51-60 40 IV. 31-40 27 Der Unterschied ist ein ebenso deutlicher wie regelmäßiger. Da es sich gerade bei den hochgradig und zum Skelett abgemagerten Kindern der III. und IV. Gruppe vorzüglich um atrophische, athrep- tische Säuglinge handelte, so kann man auch ohne weiteres den Satz aufstellen: Je hochgradiger die Atrophie, um So ge- ringer der Effekt der Autolyse. Dabei handelt es sich an- scheinend vor allem um einen Mangel an autolytischem Ferment; denn der andere hier in Betracht kommende Faktor, das dem Ferment zur Verfügung stehende Gesamteiweiß, weist gerade bei den höchsten Graden von Pädatrophie mit den geringsten Werten der Autolyse infolge Wasserverarmung der Gewebe die höchsten Zahlen auf. Aus letzterem Grunde werden die prozentualen Zahlen, die den Stickstoff der in Lösung gegangenen Stoffe in Beziehung zum Gesamtstickstoff bringen, noch eklatanter, als es schon die absoluten Werte sind. Nächst den Fällen von chronischer Pädatrophie mit monate- langem, beträchtlichem Körpergewichtsdefizit weisen mehr oder weniger weit unter dem Durchschnitt liegende Werte der Autolyse jene Fälle auf, bei denen erst kurze Zeit vor dem Tode, während einer akuten Krankheit eine beträchtliche Gewichtsabnahme statt- gefunden hatte. Dies gibt die Veranlassung zu einer Ordnung der Fälle nach der klinischen Diagnose, und da ergibt sich ohne weiteres, daß die Lebern bei akuter und chronischer Gastro- enteritis, bei Verdauungsstörungen, erheblich niedrigere Werte der Autolyse aufweisen, als bei Pneumönieen und anderen Respirationskrankheiten. Immerhin ist die Scheidung keine so scharfe, wie dies oben be- züglich der Körpergewichtsabnahme der Fall war. Es macht sich u ir > u. Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u. s. w. 105 vor allem der Einfluß des letzteren Moments in ausschlaggebender Weise geltend. Bei einigen Fällen stand die Pneumonie im Vordergrund des klinischen Krankheitsbildes, während sie bezüglich der Werte der Autolyse mehr den Verdauungskrankheiten entsprachen. Da war nun entweder die Bronchitis mit Enteritis kompliziert, oder neben der Pneumonie bestand eine schwere Atrophie oder eine solche hatte bis vor kurzem bestanden. Auch dieser letzte Umstand darf mit zur Erklärung für das Verhalten der Autolyse herangezogen werden; denn in Analogie mit anderen Vorgängen ist es nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, daß eine während vieler Monate bestehende schwere Atrophie auch noch über die Dauer der eigentlichen Krankheit hinaus einen hemmenden Einfluß auf die Bildung des autolytischen Ferments ausübt, wie es auch genug Fälle von Pädatrophie gibt, die ohne noch fortbestehende Infektion und Intoxikation, trotz einer wenigstens scheinbar, auf Grund der Fäcesuntersuchungen, bekömmlichen und aus- reichenden Nahrung zum tödlichen Ausgang kommen. Doch ist nicht anzunehmen, daß diese Erklärung für alle Fälle zutrifft. Dies zeigt die Beobachtung 1 (hohe Werte der Autolyse bei akuter Pneumonie und chronischer Atrophie). Es ist eine lange bekannte Tatsache, daß die Verdauungs- fermente bei Erkrankungszuständen des Verdauungsapparates erheb- lich an Leistungsfähigkeit einbüßen. Hier ist der Nachweis erbracht, daß auch ein mit der Verdauung nicht in Beziehung stehendes inneres ÖOrganferment bei Erkrankung des Gastrointestinaltraktus bedeutend an Wirksamkeit ver- liert. Möglicherweise wird letzteres dabei sogar noch mehr ge- schädigt als die Verdauungsfermente, die durch ihre Anpassungs- fähigkeit wieder leichter zu vollerer Leistungsfähigkeit angeregt werden können. Hierin, in dem trägeren, unvollkommeneren, ja vielleicht unmöglichen Ersatz der inneren Organfermente, wenn sie erst einmal zum großen Teil verloren gegangen sind, liegt ein bedeutsamer und für die Prognose des Falles schwer wiegender Unterschied, gegenüber dem Schwund der leichter und selbst auf künstlichem Wege ersetzbaren Verdauungsfermente. Ist diese Herabsetzung der Wirksamkeit des autolytischen Ferments eine primäre oder sekundäre Erscheinung? Bei dem gegenwärtigen Stand der Fermentlehre, wo die Fermente, die sekretorischen wie die intrazellularen, allenthalben in den Vorder- grund treten, wird man geneigt sein, eine primäre Beeinträchti- gung der Fermentwirkung anzunehmen, ganz besonders bei der Pädatrophie, die sich immer mehr als eine funktionelle Erkrankung herausstellt. Die höchsten Werte der Autolyse zeigten, von dem ange- führten Fall 1 abgesehen, ein Fall von tuberkulöser Meningitis und ein solcher von kongenitalem Herzfehler, also Krankheiten, bei denen der hemmende Einfluß auf die Fermentbildung und 106 Eugen Schlesinger, Fermentwirkung wohl nur ein geringer war. — Ich schließe diese Betrachtung mit einer Zusammenstellung der Fälle nach der klinischen Diagnose, an der das eben Gesagte gut illustriert wird: N der durch die Autolyse gelösten Klinische Diagnose. Stoffe, in Proz. vom Gesamt-N. l. Meningitis. Vitium cordis . . 66. 60. II. Pneumonie, zum Teil bei Per- TUSEIB HR PER EEE 8, 18. 57.50. 43. 41. III. Pneumonie kombiniert mit Enteritis oder Atrophie. . . 33. 32. 23: IV. Reine Verdauungskrankheiten 39..33.-27. IN Gegenüber dem Einfluß der Körpergewichtsabnahme: auf die Intensität des autolytischen Prozesses treten die übrigen Momente in den Hintergrund. Wenn z. B. die Brustkinder fast durchweg (Ausnahme Fall 5) in dieser Beziehung viel höhere Werte auf- weisen als die Flaschenkinder, 66, 60, 57 Proz. gegenüber 39 bis 19 Proz. (Ausnahme Fall 5 mit 50 Proz.), so ist dies sicher vielmehr mit dem besseren Ernährungszustand der ersten Kategorie in Zusammenhang zu bringen als etwa mit der Annahme einer Übertragung dieses Ferments zusammen mit anderen Fermenten durch die Muttermilch auf den Säugling. Es lag des weiteren der Gedanke nahe, die anatomisch- pathologischen Veränderungen in der Leber, wie sie die makroskopische und mehr noch die mikroskopische*) Untersuchung der Organe ergab, in Beziehung und Vergleich zu bringen mit der Intensität des autolytischen Prozesses. Da zeigte sich nun die bemerkenswerte Tatsache, daß in den meisten Fällen trotz — oder man möchte fast sagen, gerade bei ganz hochgradiger Fettleber die Intensität des autolytischen Ferments eine recht beträchtliche war, so bei starker Fettinfiltration 66, 57 Proz., bei mäßigen parenchymatösen Veränderungen 33 Proz. gelösten N vom Gesamt-N. Nur einmal (Fall 14) ging eine starke Fettinfiltration mit geringen Werten des autolytischen Prozesses einher. Von einem Paral- lelismus der morphologischen Veränderungen und der chemisch-biologischen Verhältnisse kann keine Rede sein. — Daß diese Verhältnisse nicht mit einander Hand in Hand gehen, dafür wurden übrigens schon von anderer Seite Hinweise erbracht. So wurde oben schon angeführt (Kraus 1.c.), daß die *) Von allen Lebern wurden Stückchen zur mikroskopischen Unter- suchung in Formol fixiert, in Alkohol gehärtet oder direkt in Alkohol gelegt, in Celloidin eingebettet und die Schnitte mit Alaun-Hämatoxylin gefärbt. Adi:uf Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u. s.w. 107 fettige Degeneration der Organe nichts zu tun hat mit der Bildung von Fett im chemischen Sinne. Auch Münzer*), Weintraud*) u.a. konnten bei Parenchymerkrankungen der Leber (von Erwachsenen) in der Regel keinen, wenigstens keinen durch Stoffwechselunter- suchungen erkennbaren erheblichen Funktionsausfall konstatieren. Nur Pfaundler (l. c.) fand, um diesen Gegensatz auch hier zu be- tonen, eine beträchtliche Herabsetzung des Gehalts an seinem oxydativen Leberferment bei morphologischen Erkrankungen des Parenchyms. Zur Erklärung des Mißverhältnisses zwischen starken anatomischen, parenchymatösen Veränderungen und reichlichem Ge- halt an autolytischem Ferment kannvielleicht der Umstand mit heran- gezogen werden, daß es sich bei meinen Fettlebern in nur ganz unbedeutendem Maße um eigentliche fettige Degeneration handelte, vielmehr, auch bei atrophischen Säuglingen, fast ausschließlich um Fettinfiltration, mit großtropfigem Fett, wobei ja, nach der neueren Auffassung, das restierende Zellparenchym intakt ist. Zum Schluß noch eine Bemerkung bezüglich der im frischen Präparate, vor der experimentellen Autolyse, gefundenen Werte für die in Lösung gegangenen stickstoffhaltigen Stoffe. Sie entsprechen, mit3 Ausnahmen, der Dauer des zwischen Tod und Sektion verlaufenen zeitlichen Intervalls, wie aus folgender Tabelle hervorgeht: Anzahl der zwischen Tod und Nder vor der Autolyse in Lösung Sektion verstrichenen Stunden gegangenen Stoffe in Proz. zum Gesamt-N. 9—6 6—10 c—12 11-19 19—27 13—21 30 24 Ausnahmen 2.6.6. 18.16.22. Diese Beobachtung steht in gutem Einklang mit den ent- sprechenden Befunden an den intrauterin abgestorbenen Föten. Es läßt sich aus den Zahlen die Bestätigung der schon oben ge- äußerten Annahme ersehen, daß der Vorgang der Autolyse durch den Tod des Individuums keine Unterbrechung erleidet, vielmehr, wenn auch verlangsamt und abgeschwächt, weiter dauert, bis dann die durch die Versuchsanordnung bewirkten günstigen Be- *) Münzer, Die harnstoffbildende Funktion der Leber. Archiv f. experiment. Pathologie u. Pharmakologie. 1894. 33. **) Weintraud, Untersuchungen über den Stickstoffumsatz bei Lebercirrhose. Ibidem. 1892. 31. 108 Eugen Schlesinger, dingungen (Erwärmung auf Körpertemperatur u. a.) den Prozeß neuerdings wieder in Gang bringen. Ein Parallelismus zwischen der Menge der gelösten stickstoffhaltigen Stoffe vor und nach der experimentellen Autolyse war übrigens nicht erkennbar. In dem autolytischen Leberferment haben wir ein Beispiel aus einer sicherlich großen Reihe verschiedenartiger, teils in den (sewebssäften, teils in den Zellen lokalisierter fermentativer Agenzien. Auf diese Organfermente, als deren weitere Repräsen- tanten in der Leber nur Schmiedebergs Histozym oder die verschiedenen Oxydasen genannt seien, legt die Physiologie neuer- dings besonderes Gewicht. Die Vorstellung, daß sie mit ihrem synthetisch und analytisch wirkenden Wechselspiel, durch Auf- und Abbau der Molekularkomplexe, durch Bereitung einer adä- quaten Zellnahrung einerseits, Überführung der Stoffwechselprodukte in ausscheidbare Formen andererseits, die Funktionen des Stoff- wechsels beherrschen, gewinnt zusehends an Boden. Aber auch die Pathologie greift bereits auf die Wirkung dieser fermentativen Prozesse zur Erklärung gewisser Krankheits- zustände zurück. Es leuchtet ein, daß Störungen im harmonischen Zusammenwirken dieser Fermente zu pathologischen Veränderungen im Organismus führen müssen, daß eine Abnahme ihrer Leistung unter Umständen verhängnisvoll werden kann, und daß auch der Bestand an den Trägern der intrazellulären fermentativen Prozesse für die pathologischen, wie für die physiologischen Zustände von grundlegender Bedeutung ist. In der vorliegenden Arbeit glaube ich einen Beitrag nach dieser Richtung hin gegeben zu haben, in dem Studium der Be- ziehungen eines dieser Fermente, des proteolytischen Enzyms der Leber, zu Ernährungsstörungen. Die Bedeutung der Abnahme des autolytischen Ferments resp. seiner Intensität bei der Päd- atrophie liegt nicht nur in dem momentanen Fehlen dieses Faktors im Stoffwechsel, sondern auch, und zwar vor allem, in der in manchen Fällen dauernden Unmöglichkeit, einen Ersatz für denselben zu schaffen. Sehen wir doch zuweilen diese fortgeschrittenen Fälle von Atrophie auch nach Überwindung der eigentlichen Intoxika- tion, auch bei ausreichender und zweckmäßiger Nahrung, schließ- lich trotz allem noch zum tödlichen Ausgang kommen. Dabei können die Zellen anatomisch normal befunden werden. Es ist, um ein Bild zu gebrauchen, die Werkstätte vorhanden; auch an Material fehlt es nicht; aber den Zellen sind die Werkzeuge zur Verarbeitung des Materials verloren gegangen. So wird der Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u. s. w. 109 unabänderliche Verlauf, der unaufhaltsame Tod mancher Fälle von Atrophie verständlich. Da es zur Zeit nicht möglich ist, die Bedeutung des proteo- lytischen Fermentes der Leber für den Lebensprozeß in vollem Umfang zu beurteilen, so möchte ich das Hauptgewicht meiner Befunde vor allem darauf legen, daß uns jenes Verhalten einen Rückschluß auf jenes anderer, vielleicht lebenswichtiger Fermente ermöglicht. In diesem Sinne möge die vorliegende Arbeit als ein erster praktischer Versuch angesehen werden, die pathologischen Veränderungen des Fermentbestandes zur Aufklärung von Krankheitsprozessen heranzuziehen. Zusammenstellung der Resultate. 1. Bei neugeborenen Kaninchen ist die Intensität der Autolyse, gemessen an der Zunahme der nicht koagulablen, stickstoffhaltigen Stoffe, maximal, und auch beim achttägigen Tiere ist sienoch erheblich größer als später, während sie weiterhin sehr rasch abnimmt, so daß schon bei ein- oder zweimonatlichen Tieren kein konstanter Unter- schied mehr gegenüber ausgewachsenen und alten Individuen besteht. 2. Ebenso wenig besteht ein Unterschied zwischen Säuglingen vom zweiten Monate ab und älteren Kindern, oder es wird dieser Unterschied durch andere Einflüsse vollkommen verwischt. 3. Am auffallendsten ist der Zusammenhang der Intensität der Autolyse mit dem Verhalten des Körpergewichts. Jehochgradiger die Atrophie, um so geringer die Wirkung der Autolyse. 4. Die niedrigsten Werte der Autolyse finden sich bei Ver- dauungsstörungen; dann kommen — in aufsteigender Linie — die durch Gastroenteritis komplizierten Krankheiten; höhere Zahlen finden sich bei Respirationskrapkheiten, die höchsten bei Fällen wie Herzfehler, Gehirnhautentzündung. | 5. Ein Parallelismus zwischen Intensität der Autolyse und morphologischen Veränderungen in der Leber, Fettinfiltration, läßt sich nicht feststellen. 6. Bei intrauterin abgestorbenen menschlichen Früchten gibt die Menge der bereits vor der experimentellen Autolyse in Lösung gegangenen stickstoffhaltigen Stoffe ein gutes Bild der sich intra- uterin abspielenden autolytischen Vorgänge. 7. Ebenso entspricht auch — ein Zeichen für die Fortdauer des autolytischen Vorganges über den Tod des Individuums hinaus — die Dauer des nach Stunden zählenden Intervalls zwischen Tod und Sektion des Kindes im allgemeinen der Menge der bereits vor der experimentellen Autolyse in Lösung gegangenen stickstoffhaltigen Substanzen. 110 Eugen Schlesinger, Zusammenstellung der klinischen Beobachtungen, der Sektions- befunde und der Versuchsprotokolle bei den Säuglingen und älteren Kindern. NB. Die Ziffern in der ersten Rubrik der Versuchsergebnisse be- deuten stets die Menge des Gesamtstickstoffs, in den nächsten die Menge des Stickstoffs der nicht koagulablen Substanzen vor, bezw. nach der Autolyse, immer berechnet auf 1 g Leberbrei. Die Ordnung der Fälle ist nach der Intensität des autolytischen Prozesses vorgenommen. Fall 1. H., Lucie. 23 Monate alt. 1 Monat Brustnahrung. Körpergewicht im 3. Monat 3900 oa. „4650 „ 20. 5 „23. , „ 7550 — 68 Proz. des normalen. Klin. Diagnose: Atrophie (oft Enteritis). — Pneumonia migrans (mit stets hohem Fieber). Tod am 12. Tage. Sektion, 20 Stunden post mortem: Ausgedehnte Hepatisation beider Lungen. Milztumor. Myodegeneratio cordis. Leber, mikroskopisch: Fettinfiltration bis zur Centralvene. Gesamt-N — 0,02254 vor der Autolyse — 0,00476 — 21,1 Proz. vom Gesamt-N nach Alig.. . = 001302 = 578... % £ Be SABINE ” ” ” Fall 2. B., Elise. 9 Monate alt. Brustkind. Körpergewicht: 6150 g, 1 Monat vor dem Tode „ » . u... 60, Proz As 5600 „ !/, normalen. Klin. Diagnose: Meningitis tuberculosa, manifest 10 Tage vor dem Tode. Sektion, 6 Stunden post mortem: Meningitis tuberc., Miliartuber- kulose der Lungen, Bronchialdrüsen, Mesenterialdrüsen, Leber, Milz. Leber: Spärl. Miliartuberkel, Fettleber (hochgradige Fettinfiltration, geringe eigentliche fettige Degeneration; nur mehr spärliche Partieen normal). Gesamt-N —= 0,02142 vorder Autolyse — 0,00462 — 21,6 Proz. vom Gesamt-N nach 3täg. „, == 0100ER n „ TE te u, — 0,01L42B>=B67,, =, ” 3 Fall 5. K., Fritz. 3 Monate alt. Brustkind. Körpergewicht: Zunahme von 2850 g bis 3300 g in 2 Monaten, dann Stillstand bis zum Tode — 58 Proz. des normalen. Klin. Diagnose: Angeborener Herzfehler mit hochgradiger Cyanose. Stauungskatarrhe, namentlich des Darms. Sektion, 6 Stunden nach dem Tode: Transposition der Gefäße. Myodegeneratio cordis. Hypostatische Pneumonie. Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u. s. w. 111 Leber: starke Stauung. Hochgradig ikterisch. Gesamt-N — 0,0217 vorder Autolyse — 0,0014 —- 6,4 Proz. vom Gesamt-N Buch Alae. „ : — 0,0068 = 313. „ 2 2 Ben. ea ea he r Fall 4. W., Georg. 4 Monate alt, Illegitim. Brust- u. Beinahrung. Körpergewicht: 3500 g — 64 Proz. des normalen. Klin. Diagnose: Chronische diffuse Bronchitis; akute Broncho- pneumonie. Milztumor. Decubitus. Sektion, 24 Stunden post mortem: Miliartuberkulose fast aller Organe. Käsige und Bronchopneumonie. Leber: Miliartuberkel. Starke Fettinfiltration. Leukocytose. Gesamt-N — 0,02632 vor der Autolyse. — 0,00546 — 20,7 Proz. vom Gesamt-N nach 2täg. „ == 0,01260 — 47,9 „ > b Be 5 = 575 5, 0, R Fall 5. E., Margarete. 5 Monate alt. 2 Monate Brustnahrung. Körpergewicht: 4450 g — 65 Proz. des normalen. Klin. Diagnose: Pertussis in der 3. Woche. 2 Tage lang von dem Tode allgem. Konvulsionen. Sektion, 6 Stunden post mortem: axute Bronchopneumonie Emphysem. (Keine Gehirnsektion.) Leber: normal. Gesamt-N — 0,03080 vorder Autolyse — 0,00490 — 15,9 Proz. vom Gesamt-N nach 3täg. „ — 0,01176 = 381 „ ', E we... - = 001686 — WA. „ = - Fall 6. D, Karoline. 23 Monate alt. 8 Monate Brustnahrung. Guter Ernährungszustand vor der Erkrankung, dann zieml. abge- magert — etwa 80 Proz. des normalen Körpergewichts. Klin. Diagnose: Croupöse Pneumonie. Tod nach 14 Tagen. Sektion, 25 Stunden post mortem: Hepatisation der ganzen linken Lunge und des rechten Unterlappens. Leber: normal, Gesamt-N — 0,02660 vor der Autolyse — 0,00658 — 24,7 Proz. vom Gesamt-N nach 3täg. „ = 0,01078 — 405 „ = “ Bere — so, s Fall 7. B., Lucie. 23 Monate alt. Brustkind. Körpergewicht: 7550 im 14. Monat 6980 „ 17. jetzt stark abgemagert: 65 Prozent des normalen Gewichts. Klin. Diagnose: Rachitis. Enteritis chron. Pertussis in d. 3, Woche. Diffuse Bronchitis. Seit 4 Tagen Bronchopneumonie mit sehr hohem Fieber. Sektion, 12Stunden post mortem: adhäsive und exsudative rechts- seitige Pleuritis und Pneumonie. 112 Eugen Schlesinger, Leber: hart und blutreich. Mikroskopisch sehr gut erhaltene Zellen, Leukocytose, Gesamt-N — 0,03108 vor der Autolyse — 0,00392 — 12,6 Proz. vom Gesamt-N nach 3täg: „:.. = 001288 —=41,3:.4:5 H h N — 0,01134 — 36,4 2) » 2) Fall 8. F., Viktor. 2 Monate alt. Illegitim, Seit 14 Tagen künst- liche Ernährung. Körpergewicht: Nach Zunahme von 2360 g auf 3520, in 4 Tagen Abnahme auf 3000 = 81 Proz. des normalen Gewichts, 1 Tag vor dem Tode. Klin. Diagnose: Akute Gastroenteritis. (Pyocyaneus im Magen- saft). Tetanie. Tod nach 4 Tagen. Sektion, 9 Stunden post mortem. Hyperämie und follikuläre Schwellung, namentlich im Dickdarm. Starke Hyperämie des Mesenteriums. Leber: etwas ikterisch. Geringe interstitielle Kernvermehrung. Gesamt-N — 0,02968 vor der Autolyse — 0,00336 — 11,3 Proz. vom Gesamt-N nach 3täg. Autolyse — 0,00966 = 32,5 „ 5 R De 5 = .(0,00896 = 30,2. 5, S “ ae 2 . — 0,01162 — 39,17 „ % a Fall 9. L., Hermine. 4 Monate alt, Seit 2 Monaten künstlich ge- nährt. | Körpergewicht: 3850 g 1 Woche vor dem Tode 3700. 8 3. Tage ' 5 4.20. ==,!6b Proz. 068 normalen, Klin. Diagnose: Rachitis gravis. Schwerer Pertussis in der 5. Woche. Akute diffuse Bronchitis und Enteritis. Hohes Fieber und Konvulsionen in den letzten 3 Tagen. Sektion, 2 Stunden nach dem Tode: Totale Pneumonie beider Unterlappen. Anämie der übrigen Organe. (Keine Gehirnsektion.) Leber: etwas vergrößert. Gesamt-N = 0,0273 vor der Autolyse — 0,0049 = 17,9 Proz. vom Gesamt-N nach 3täg. Autolyse = 0,0087 = 318 „ " = Wer a. — BIN BE “ E Fall 10. K., Emil. 5 Monate alt, illegitim. Flaschenkind. Körpergewicht: 3400 g im 2. Monat AU. 3 ABU 3500 „ „ 5 „ Kurz vordem Tode =55 Proz. des normalen. Klin. Diagnose: Pädatrophie (Temperaturen 33—34°), Absce- dierende Furunkel. Akute Gastroenteritis vor dem Tode. Sektion, 7 Stunden nach dem Tode: Myodegeneratio cordis, Schwellung der Peyerschen Placques und der Follikel im Darm. Leber: braune Atrophie mit Verschmälerung der Zellen, starke Leukocytose, Untersuchungen über die Abhängigkeit der autolytischen Prozesse u. s.w. 113 Gesamt-N — 0,02898 vor der Autolyse — 0,00350 — 12,0 Proz. vom Gesamt-N nach Atäg. „ == 0,00390 = 13,4 , r = 6 h) h) — 0,00952 -— 32,8 „ „ „ ” Fall 11. L., Edmund. 18 Monate alt. Illegitim. Flaschenkind. Körpergewicht: 4000 g im 4. Monat 58007: 5.30... 6000 „ „ 16. '„. = 65 Proz @s normalen Gewichts. Klin. Diagnose: Rhachitis, Atrophie. Akute Bronchitis und Broncho- pneumonie. Sektion, 19 Stunden post mortem: Beiderseits ausgedehnte Pneu- monie. Leber: anämisch, im übrigen normal. Gesamt-N — 0,02940 vor der Autolyse — 0,00406 — 13,8 Proz. vom Gesamt-N nach 4läg. „ == 0,0826 = 281 „ > 3 ee 00U52 32,4, 2 = Fall 12, S., Marie. 7 Monate alt. Flaschenkind. Körpergewicht: 2750 g im I. Monat UN N. Be", 2600 „ „ 4 „ , dann langsame Abnahme DB 200 re == 31: Proz. des normalen Gewichts. Klin. Diagnose: Pädatrophie (zu skelettartiger Abmagerung, nie Durchfälle). Sektion, 11 Stunden nach dem Tode: Kleine bronchopneumonische Herde. Hochgradige Atrophie aller Organe. Leber: Geringe Stauung, Zellen nicht atrophisch, Gesamt-N — 0,04536 vor der Autolyse — 0,00504 — 11,1 Proz. vom Gesamt-N Mach St0e. „ - = 0,0910 "20,0 , R " 2) 6 „ D) —/0,01232 = 27,1 2) 2) 2) I, 3 = 0148 = 337; e 5 ” Fall 15. E., Karoline. 20 Monate alt. ®/, Jahre Brustnabrung. Körpergewicht: 7000 g im 15. Monat ar We or A 53005, ..20.: „.., 8: Tage vor dem Tode 5600 8 im 20. ” ) 2 n „ ” „ 50 Proz. des normalen. Klin. Diagnose: Atrophie, Rhachitis. Morbilli mit Pneumonie. Recidiv der Pneumonie 14 Tage vor dem Tode. | Sektion, 5 Stunden nach dem Tode: Ausgedehnte Pneumonie beiderseits. Leber: normal. Gesamt-N — 0,02856 vor der Autolyse — 0,00280 — 9,7 Proz. vom Gesamt-N Bel Die... == 0,00553 = 19,3, 2 ” re 2 == 0,0058 == 233,0. „ " Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 8 114 Eugen Schlesinger, Untersuchungen über die Abhängigkeit u. s. w. Fall 14. V., Emilie. 7 Monate alt. Flaschenkind, Körpergewicht: 4080 g im 2. Monat BOCO RE 775 N 2900.25, 5 38024 2 1 en » „ kurz vor dem Tode. Klin. Diagnose: Enteritis chronica, Hydrocephaloid. Konvulsionen u. Fieber in den letzten Tagen. Sektion, 6 Stunden nach dem Tode: frische bronchopneumonische Herde. Anämie der Organe. Darmschleimhaut sehr glatt. Leber: starke Fettinfiltration mit Stauung namentlich im Centrum der Acini. Gesamt-N — 0,02464 vor der Autolyse — 0,00154 — 6,2 Proz. vom Gesamt-N näch 4täg. „ — 0,0029 — 119 „ n „ 7 „ „ === 0,00462 == 18,8 „ er) P) VIn. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe”). Von Ivar Bang. (Aus dem physiol,-chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Erste Mitteilung. Als ich vor zwei Jahren in diesen Beiträgen eine vorläufige Mitteilung über das Nucleohiston veröffentlichte, geschah es in der Hoffnung, daß eine ausführliche Publikation nach kurzer Zeit folgen könnte. Zum Teil sind es äußere Gründe, die Schuld tragen an der eingetretenen Verzögerung, zum Teil aber war sie bedingt durch die Notwendigkeit, die Untersuchung weiter, als ursprünglich beabsichtigt, auszudehnen. So hat sich inbetreff der Nucleoproteide der Thymus eine ganze Reihe neuer Fragen ergeben. Weiter habe ich es für wünschens- wert erachtet, auch andere Iymphatische Organe in den Kreis der Untersuchungen einzubeziehen. Beinahe alle Arbeiten dieses Gebietes sind nämlich mit der Absicht unternommen, die Frage der Koagulation des Blutes auf- zuklären — ich verweise z. B. auf die Arbeiten von Lilienfeld und Huiskamp —, und die an der Thymus gewonnenen Resultate sind ohne weiteres oder doch ohne zureichende Begründung auf Lymphdrüsen und Leucocyten übertragen worden. Einer solchen Auffassung konnte ich mich nicht anschließen, und so blieb mir nichts übrig als auch diese Organe einer ein- gehenden Untersuchung zu unterziehen. Die vorliegende Arbeit zerfällt darnach in drei verschiedene Abschnitte, wovon der erste die Nucleoproteide der Thymus und deren nähere Spaltungsprodukte umfaßt, während der zweite und *) Eine unvollständige norwegische Publikation erschien in Archiv f. Mathematik og Naturvidenskab 1902. 8* 116 Ivar Bang, dritte sich auf die Nucleoproteide der Lymphdrüsen und Leuco- cyten nebst Knochenmark und Milz bezieht. Hieran soll sich als vierter Abschnitt eine chemische Unter- suchung der Rundzellen-Sarkome anschließen. Erster Abschnitt. Die Nucleoproteide der Thymus und deren Zusammensetzung. Bekanntlich haben die Untersuchungen von Huiskamp, Malengreau und mir erwiesen, daß Lilienfelds Nucleohiston kein einheitlicher Körper ist, sondern aus zwei verschiedenen Nucleo- proteiden besteht. Huiskamp bezeichnet das eine davon als das wahre Nucleohiston im Sirne Lilienfelds; das andere enthält ihm zufolge kein Histon, geht aber ın das nach Lilienfeld dar- gestellte Nucleohiston als Verunreinigung ein. Mit Huiskamp habe ich gefunden, daß das Nucleoproteid kein Histon enthält, dagegen habe ich für das Nucleohiston eine von Lilienfelds und Huiskamps Angaben abweichende Zusammensetzung gefunden. Nach Lilienfelds Schema besteht das Nucleohiston aus Histon und Leuconuclein, welches sich weiter in Eiweiß und Nucleinsäure zerlegen läßt. Die Existenz des Leuconucleins wurde von mir bestritten; diese Verbindung besteht meiner Meinung nach aus Nucleinsäure und Histon in salzartiger Bindung. Malengreau stimmt laut seiner letzten Arbeit in dieser Beziehung mit mir überein. Dagegen vertritt er betreffs des ersten Nucleoproteids eine andere Auffassung als Huiskamp und ich, indem er in diesem das eigentliche Nucleohiston gefunden zu haben meint. Nach Huiskamp enthält also die 'Thymus Nucleoproteid (frei von Histon) und Nucleohiston, nach Malengreau Nucleohiston und nucleinsaures Histon und nach meiner Ansicht Nucleoproteid und nucleinsaures Histon. Die von den verschiedenen Untersuchern dargestellten Sub- stanzen können nach dem Gesagten kaum identisch sein, jeden- falls nicht Malengreaus und Huiskamps Proteide. Dement- sprechend zeigen auch die betreffenden Elementaranalysen ganz erhebliche Differenzen. Huiskamps Nucleoproteide enthalten 0,97 Proz. P und 3,7 Proz. P, während jene Malengreaus einen Phosphorgehalt von 0,5 Proz. und 4,5 Proz. aufweisen. Aus diesen Differenzen geht hervor, daß entweder die Thymus- drüse eine ganze Anzahl verschiedener Nuclein-Körper enthält, oder daß die Nucleoproteide bei den verschiedenen Darstellungs- verfahren wesentlich verändert werden, oder endlich daß man je nach der Darstellungsmethode mehr oder weniger reine bezw. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 117 verunreinigte Körper erhält. — Nur durch die vergleichende Untersuchung der betreffenden Körper war hierüber zu einem be- gründeten Urteil zu gelangen. Eine solehe Untersuchung mußte sich beziehen: 1. auf das Nucleoproteid von Huiskamp und mır, sowie auf das Nucleo- histon (A-Nucleoalbumin) von Malengreau und 2. auf das Nucleo- histon von Huiskamp und das nucleinsaure Histon von mir und Malengreau (von M. auch B-Nucleoalbumin genannt). 1. Untersuchung des Nucleoproteids. Nach Lilienfeld kann man durch Extraktion von Thymus mit 10-proz. Kochsalz-Lösung eine Flüssigkeit erhalten, aus der auf Zusatz von Wasser das wasserunlösliche Nucleoproteid aus- fällt. Bei Nachprüfung dieser Angabe Lilienfelds kam ich zu der Überzeugung, daß das Nucleoproteid ein Kunstprodukt ist und habe deswegen von dieser Methode Abstand genommen. Huiskamp stellte sein Nucleoproteid nach Ausfällung des Nucleohistons mit Chlorcaleium dar, indem er das Filtrat mit verdünnter Essigsäure fällte.e. Auch Malengreau ging von dem Wasserextrakte aus; er erhielt seine Nucleoproteide durch fraktio- nierte Fällung mit gesättigter Ammoniumsulfatlösung. Endlich habe ich mein Nucleoproteid in der Weise dargestellt, daß ich die Thymusdrüsen mit 0,9 Proz. Kochsalzlösung auszog und das Extrakt mit Essigsäure fällte. Den qualitativen Reaktionen nach konnte man a priori ver- muten, daß Huiskamps und mein Nueleoproteid jedenfalls ein- ander sehr nahe verwandt sind. Aber erst der Vergleich der elementaren Zusammensetzung konnte die Identitätsfrage ent- scheiden. Da ich früher keine Elementaranalyse von meinemNueleopro- teide ausgeführt habe, war dies meine nächste Aufgabe. Zur Darstellung der analysierten Präparate wurden ganz frische Thymusdrüsen in der Fleischhackmaschine zerkleinert, mit 1!/,—2 1 0,9-proz. Kochsalzlösung versetzt und damit 24-48 Stunden in der Kälte stehen gelassen. Wenn nötig, setzte ich einige Tropfen Chloro- form hinzu. Nach dieser Zeit hatte die Flüssigkeit ein milchähnliches Aussehen an- genommen, welchessich bei dem nachfolgenden Zentrifugieren und Filtrieren nicht änderte. Die Drüsenmasse blieb anscheinend die ganze Zeit un- verändert. Die Reaktion der Lösung war deutlich amphoter, und doch trat die alkalische Komponente stärker hervor. Wenn ich nun zu der zentrifugierien und filtrierten Flüssigkeit Chlorcalecium hinzufügte, kam es niemals zu einer Fällung, wie viel oder wenig ich auch zusetzen mochte, was insofern bemerkenswert ist als Huiskamp für sein Nucleoproteid das Entgegengesetzte gefunden 118 Ivar Bang, hat, obwohl auch sein Proteid viel schwieriger und erst nach größerem Zusatze von Chlorcalecium niedergeschlagen wurde, als das Nucleohiston, Auch nach der Dialyse verhielt sich die Flüssigkeit gegen Chlor- calcium indifferent, und somit kann nicht die Gegenwart von Kochsalz diesen Unterschied erklären. Dagegen gab Kalkwasser eine ausgiebige Fällung, und ebenso verhielt sich Chlorcaleium, wenn man vorher Alkali bis zu schwach alkalischer Reaktion zugesetzt hatte. Vielleicht hat Huis- kamp erst sein Proteid mit Essigsäure niedergeschlagen und in Alkali wieder gelöst, als er es mit Chlorcaleium fällte. Übrigens vermochte ich auch im Wasserextrakte nach Ausfällung des Nucleohistons mit Chlor- calcium bei weiterem Zusatz von Chlorcaleium keinen Niederschlag zu erhalten. Hingegen gab Essigsäure eine ausgiebige Fällung. Das gefällte Nucleoproteid war aber sehr leicht im Überschuß von Säuren — auch Essigsäure — löslich, 1 Proz. Essigsäure und 0,2 Proz. HCl genügten zur vollständigen Lösung des Niederschlages. Dieselbe Beobachtung teilt auch Malengreau für sein A-Nucleoalbumin mit. Die Essigsäure-Fällung war gelblich-weiß. Nach mehrmaligem Aus- waschen mit Wasser und Behandlung mit Alkohol-Äther resultierte ein feines, gelbweißes Pulver, welches, bei 100° C getrocknet, folgende Werte gab: C 49,50 Proz., H 6,35 Proz., N 16,51 Proz., P 1,22—1,01 Proz. Die Substanz enthielt 2,36 Proz. Asche und Schwefel, auch blei- schwärzenden, dessen Menge nicht bestimmt wurde. Vergleicht man diese analytischen Ergebnisse mit den Zahlen, welche Huiskamp im Mittel für sein mit Essigsäure gefälltes Nucleoproteid erhielt, so findet man eine ziemlich gute Überein- stimmung, namentlich im Phosphorgehalt: Ö H N P Asche Huiskamp 50,09 Proz. 7,18 Proz. 16,11 Proz. 0,97 Proz. 3,11 Proz. Bang 4950 - 5.688. ,57 65ER ee Den ohnehin nicht großen Differenzen bei den übrigen Ele- menten ist wohl keine Bedeutung beizumessen, zumal man auf C- und H-Bestimmungen kein zu großes Gewicht legen darf, wenn es sich um Eiweißkörper handelt. Ich habe ferner ein Präparat nach Huiskamps Methode dar- gestellt. Die Analysen ergaben 0,91 Proz. P und 15,89 Proz. N. Der Aschegehalt war 2,18 Proz. Aus den Analysen geht hervor, daß Huiskamps und mein Proteid, abgesehen von unwesentlichen Verun- reinigungen identisch sind. Ich will auch gleich bemerken, daß ich bei der Untersuchung der Spaltungsprodukte eine voll- ständige Übereinstimmung unserer Nucleoproteide gefunden habe. Im Anschluß hieran sei erwähnt, daß ein Präparat, welches mehrere Male mit Alkohol ausgekocht worden war, 1,42 Proz. P enthielt. Es läßt sich somit der Phosphor nicht aus dem Nucleoproteid mit Alkohol ausziehen wie aus dem Proteide der Magenschleimhaut. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 119 Malengreau schlägt seine beiden Nucleoproteide aus dem Wasserextrakte der Thymus mit Essigsäure nieder. Der Nieder- schlag wird mit sehr verdünntem Alkalı gelöst und die Lösung mit gesättigter Ammonsulfatlösung fraktioniert. Die Halb- sättigungs-Fraktion, welche das A-Nucleoalbumin enthält, wird in viel Wasser gelöst und mit Essigsäure gefällt. Malengreau be- merkt, daß das A-Nucleoalbumin in 0,9 Proz. Kochsalzlösung so- wie in 0,1 Proz. Chlorcalciumlösung löslich ist, was zu meinem Nucleoproteid stimmt. Mit Huiskamp finde ich, daß die durch Halbsättigung erhaltene Fällung sich nicht vollständig in Wasser löst; ein nicht geringer Rest bleibt ungelöst zurück. — Bei der Untersuchung des nach Malengreaus Methode dar- gestellten A-Nucleoalbumins erlaubte ich mir, in einer Beziehung von seiner Vorschrift abzuweichen: ich unterließ die vorhergehende Fällung mit Essigsäure und fraktionierte die Wasserextrakte direkt. Das Wasserextrakt aus 500g Thymus hatte dasselbe opaleszierende Aussehen wie das Kochsalzextrakt. Halbsättigung mit Ammonsulfat er- gab eine reichliche Fällung, welche sich nicht vollständig im Wasser löste. Die Lösung wurde noch einmal mit Ammonsulfat gefällt und der Niederschlag mit essigsäurehaltigem Wasser ausgewaschen. Weiter versetzte ich den Niederschlag mit 200 ccm 0,3-proz. Salzsäure, welche etwas löste. (Malengreau hat gezeigt, daß das Nucleoproteid, wenn einmal ausgefällt, sich nur teilweise in 0,3-proz. HCl löst.) Nach 24 Stunden wurde filtriert. Das Filtrat gab mit Ammoniak im Uberschuß versetzt keinen Niederschlag. Wenn ich aber das Filtrat 24 Stunden dialysierte und jetzt eine Probe mit einem Tropfen Ammoniak versetzte, bildete sich ein voluminöser Niederschlag und man konnte weiter nach und nach sehr viel Ammoniak zusetzen, ohne daß der Niederschlag sich wieder löste. Wenn man aber auf ein- mal einen Überschuß von Ammoniak zufügte, fiel absolut kein Niederschlag aus; doch kopnte ich auch in diesem Falle einen solchen hervorrufen, wenn ich etwas Ammoniumsulfat zusetzte. Malengreaus Nucleoproteid wurde somit bei der Einwirkung von 0,3 Proz. Salzsäure in eine lösliche Komponente und einen unlöslichen Rest gespalten. So weit stimme ich mit Malengreau überein, dagegen ist noch zu beweisen, daß die in Salzsäure lösliche Komponente ein Histon ist. Gegen eine solche Annahme spricht entschieden die Beobachtung, daß der Niederschlag durch Ammoniak schon bei neutraler, ja auch äußerst schwach saurer Reaktion zustande kommt. Bei fortgesetzter Dialyse der sauren Lösung kommt auch in diesem Falle der Niederschlag zum Vorschein. So verhält sich aber kein Histon. — Ich untersuchte nun mein Nucleoproteid nach derselben Methode. 120 Ivar Bang, Zuerst versuchte ich, die Fällungsgrenzen gegen Ammonsulfat im Kochsalzextrakte aus Thymus zu bestimmen. Doch war es hier unmöglich, die untere Fällungsgrenze scharf festzustellen, da die Lösung von Anfang an opaleszierte.e Wirkliche Fällung trat gewöhnlich ungefähr bei 30, in manchen Fällen schon bei 20, in anderen bei 25 Proz. Sättigung ein. Die obere Fällungsgrenze der ersten Fraktion lag etwa bei 35—40, die zweite Fraktion begann bei 46 zu fallen und war bei 60 Proz. ausgefällt. Eine dritte und letzte Fraktion lag zwischen 60 Proz. und gänzlicher Sättigung. Die erste Fraktion war in Wasser unvollständig löslich, die andere voll- ständiger. Die Lösungen sämtlicher Fraktionen gaben mit Essigsäure Niederschläge. Es zeigte sich aber bei mehrmaliger Reinigung, daß die zweite Fraktion aus einem Gemenge der Substanzen der ersten und dritten Fraktion bestand. Danach enthält somit das Kochsalzextrakt (abgesehen von Globulin) zwei durch Essigsäure fällbare Substanzen, die eine bildet die leichter fällbare Fraktion und ist in bei weitem überwiegender Menge vorhanden, die andere findet sich in der zweiten (ur- sprünglich dritten) nur ganz unbedeutenden Fraktion. In ganz derselben Weise verhielt sich das Wasserextrakt nach Ausfällung des Nucleohistons mit Chlorcalcium. Es hatte sich somit eine gute Übereinstimmung der Fällungsgrenzen der Nucleoproteide von Huiskamp, Malengreau und mir ergeben. Die nächste Aufgabe war die Untersuchung der Substanz, welche sich durch Salzsäure-Behand- lung extrahieren läßt. Da die 0,3-proz. Salzsäure direkt zur Kochsalzlösung gesetzt über- haupt keine Fällung erzeugt, mußte man sie auf die Essigsäure. Fällung des Nucleoproteids einwirken lassen. Hier ist es aber nötig, auf beide von Essigsäure fällbare Substanzen Rücksicht zu nehmen. Deswegen löste ich die Essigsäure-Fällung in sehr verdünntem Alkali. Diese Lösung war aber eine ziemlich unvoll- ständige, trotzdem die Fällung gründlich ausgewaschen und sehr fein verteilt war; ich mußte Alkalı bis zu 0,3 Proz. zusetzen, und doch erfolgte die Lösung sehr langsam. Nach erfolgter Lösung wurde dialysiert, wobei sich wieder eine milchähnliche Beschaffen- heit einstellte, und nun erst konnte ich zur Fraktionierung schreiten. Zu meiner Überraschung fand ich jetzt ganz abweichende Fällungsgrenzen. Die untere Grenze lag nämlich schon bei 12—15, und die Ausfällung der ersten Fraktion war bei 18—20 vollendet. Diese Fraktion enthielt eine reichliche Menge Substanz, und ım Filtrate brachte nach der Dialyse verdünnte Essigsäure nur eine ganz spärliche Fällung hervor. Dieser Niederschlag, in verdünntem Alkalı gelöst, wurde teilweise bei 20 Proz. Sättigung mit Ammon- sulfat gefällt. Der Rest wurde erst durch Sättigung mit Salz Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 131 niedergeschlagen. (In einigen Fällen kam keine weitere Fällung bei Zusatz von 20 Proz. zu stande, sondern erst bei Sättigung mit Ammonsulfat.) Dieses eigentümliche Verhalten habe ich nun sehr eingehend studiert und gefunden, daß die obere Fällungsgrenze für die Haupt- menge der Substanz bei 17—18 liegt. Die Konzentration der Lösung übt hierauf nur einen sehr geringen Einfluß aus. — In mehreren Kochsalzextrakten bestimmte ich die Fällungsgrenzen vor und nach der Fällung mit Essigsäure. Ohne Ausnahme wurde dieselbe Verrückung der Fällungsgrenzen konstatiert: Im ur- sprünglichen Kochsalzextrakt lag gewöhnlich die untere Fraktions- grenze bei 30 oder schon bei 20; aber diese Fällung war nur äußerst gering und trat erst nach 24Stunden auf, während die Essigsäure-Fällung in Alkali gelöst augenblicklich eine quantitative Fällung beı 17—-18S ergab. Und dieser Niederschlag, mit einer Spur von Alkalı gelöst, wurde wieder vollständig bei 20 Proz. Sättigung ausgefällt. Noch beweisender scheint mir folgender Versuch: In einem Kochsalzextrakte wurde die untere Fraktionsgrenze zu 25 bestimmt. Dieser Flüssigkeit wurden 10 Teile der Essigsäure-Fällung, in Alkalı gelöst und darauf dialysiert, zugesetzt, und jetzt gab 20 eine ausgiebige Fällung; im Filtrate waren die ursprünglichen Fraktionsgrenzen unverändert. Aus diesen Versuchen geht hervor, daß das Nucleoproteid bei der Behandlung mit Essigsäure oder Alkali eine Veränderung erleidet. Um zu erfahren, welches von den Reagentien — die Essig- säure oder das Alkali — die Veränderung bewirkt, setzte ich zu Proben des Kochsalzextraktes verschiedene Mengen Alkali und nachher Ammonsulfat bis zu 20 Proz. Sättigung. Es zeigte sich hierbei, daß ein Zusatz von 0,01 Proz. NaOH keine Ver- änderung bewirkte, 0,02 Proz. NaOH bewirkte eine unvoll- ständige Fällung durch Ammonsulfat und 0,03 Proz. einen reichlichen Niederschlag, welcher sich nicht bei einem weiteren Zusatz von Alkali vermehrte. In den Kontrollversuchen setzte ich zuerst zu den Proben Ammonsulfatlösung und nachher Alkali. In keinem von diesen entstand Fällung, selbst wenn man Alkali bis 1 Proz. zufügte. Dies Verhalten konnte selbstverständlich nur dadurch verursacht sein, daß sich die Natronlauge mit Ammon- sulfat umsetzt, und folglich durfte in diesem Falle ein Zusatz von Ammoniak und dann von Ammonsulfat keinen Niederschlag er- geben — was auch in der Tat der Fall war. Dadurch daß der 1223 Ivar Bang, Natronzusatz eine solche Veränderung der Fällungsgrenzen be- wirken kann, ist nicht ausgeschlossen, daß auch die Essigsäure eine ähnliche Wirkung hat. In der Tat konnte ich dies leicht nachweisen, indem ich die Essigsäure-Fällung in sehr verdünntem Ammoniak auflöste und die Lösung mit Ammonsulfat fraktionierte. Nach den eben angeführten Versuchen hat nämlich ein Zusatz von Ammoniak nicht die Verrückung der Fällungsgrenzen zur Folge. Noch beweisender ist jedoch die folgende Beobachtung. Nach mehr- malıger Behandlung der Essigsäure-Fällung mit destilliertem Wasser geht nach und nach ein Teil wieder in Lösung, und dieser wird ebenfalls von 20 Proz. Ammonsulfat niedergeschlagen. Welche ist nun die Veränderung, die hier stattgefunden hat? Zur Beantwortung dieser Frage stellte ich aus der Fraktion mit den Fällungsgrenzen 12—18 ein Präparat zur Analyse dar. Dies enthielt 1,00 Proz. bezw. 1,03 Proz., im Mittel 1,02 Proz. P, besaß also denselben Phosphor-Gehalt wie die Essigsäure-Fällung selbst. Man könnte somit annehmen, daß keine wesentliche Veränderung eingetreten war. Und doch war dies der Fall. Ich habe schon bemerkt, daß der Essigsäure-Niederschlag ziemlich schwer in verdünntem Alkalı löslich war, und in Ammoniak erfolgte die Lösung noch viel langsamer. Eine genauere Unter- suchung der Löslichkeitsverhältnisse lehrte, daß ein Teil des Niederschlages anscheinend leichter löslich war als ein anderer. Deswegen extrahierte ich in einem Versuch den Niederschlag mit 0,04 Proz. NaOH, welche nur einen Teil davon löste, und schlug im Filtrate das Proteid mit Essigsäure nieder. Der Phosphor- gehalt des so erhaltenen Präparates, das 16.57 Proz. N enthielt, war 2,10 und 2,38 Proz., im Mittel 2,24 Proz. P, also zweimal so hoch als jener des ursprünglichen Nucleoproteids. Dieses Verhältnis zeigt, daß das Nucleoproteid schon bei der Behandlung mit verdünnter Essigsäure in zwei Komponenten zerlegt wird, wovon die eine sehr leicht, die andere ziemlichschwerin verdünntem Alkalilöslich ist. Essigsäure ist somit kein indifferentes Reagens zur Ausfällung dieses Nucleoproteids, eine Beobachtung, welche überhaupt zur Vorsicht bei Be: nutzung dieses Reagens zur Darstellung der Nucleo- proteide mahnt. Kehren wir wieder zu der Untersuchung der Einwirkung von Salzsäure auf das Nucleoproteid zurück. Wie schon bemerkt, be- wirkt 0,3 Proz. HCl keinen Niederschlag im Kochsalzextrakt und, wie ich zufügen kann, auch nicht in einer Lösung des Essigsäure- Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 123 Niederschlages. Läßt man aber 0,3 Proz. HCl auf den Essigsäure- Niederschlag selbst einwirken, so findet zwar keine vollständige Lösung statt, es gehen aber reichliche Mengen Substanz in die Salzsäure über. In meiner ersten Mitteilung über das Nucleoproteid habe ich ebenso wenig wie später Huiskamp eine Spaltung bei derartiger Salzsäurebehandlung gesehen. Ich nehme hier ausdrücklich von dieser Angabe Abstand. Ich habe auch bei der Untersuchung des nach Huiskamps Methode dargestellten Nucleoproteids dieselbe Spaltung eintreten sehen, und schließe mich in diesem Punkte vollständig Malengreau an. Eine Erklärung der abweichenden Befunde von Huiskamp und mir kann ich nicht geben. Zwar ist mir einmal bei diesen Unter- suchungen vorgekommen, daß die Salzsäureextraktion negativ ausfiel, aber mindestens 20 Mal habe ich ein positives Resultat erhalten. Malengreau bemerkt (La Cellule Tome XIX, pg. 293), daß ihm das- selbe vorkam, wenn er seine Substanzen mit Ammonsulfat ausfällte. Ich habe speziell untersucht, ob vielleicht das proteolytische Ferment der Thymus hier eine Rolle spielt, und habe deshalb die Kochsalzextraktion bei 0° vorgenommen, ohne jedoch einen Unterschied zu finden. Versetzt man das filtrierte Salzsäureextrakt vorsichtig mit Ammoniak, so entsteht ein reichlicher Niederschlag, welcher aus- bleibt, wenn man rasch einen Überschuß von Ammoniak hinzu- fügt. Es ist weiter nicht notwendig, Ammoniak bis zur alkalischen Reaktion zuzusetzen, schon bei neutraler, ja selbst schwach saurer Reaktion tritt der Niederschlag ein, und im Filtrate kann man keine Spur von Eiweiß nachweisen. Hiermit ist bewiesen, daß mein (und Huiskamps) Nucleo- proteid bei der Einwirkung von 0,3 Proz. HCl dasselbe Spaltungs- produkt wie Malengreaus liefert, und daß dies Spaltungsprodukt kein Histon ist. Die Histone verbinden sich nämlich ohne Ausnahme mit Säuren zu löslichen Salzen von neutraler Reaktion, und eine Substanz, die schon bei saurer Reaktion ausgefällt werden kann, ist überhaupt kein Histon. Dagegen stimmen die Reaktionen des Spaltungsproduktes vollkommen mit jenen eines Acidalbuminates überein, und ich möchte es auch ohne Bedenken als Acidalbuminat bezeichnen. Schon in meiner Histonarbeit habe ich nachgewiesen, daß Albuminate von Ammoniak niedergeschlagen werden können, wenn man es vor- sichtig zusetzt und dasselbe ist auch hier der Fall. Ich benutze die Gelegenheit, um hier nochmals hervorzuheben, daß man zum Nachweis des Histons sich nicht an der Ammoniakreaktion genügen lassen darf, ‚ und ich werde noch in dieser Abhandlung Gelegenheit finden, zu zeigen, welche verhängnisvollen Mißverständnisse die unkritische Benutzung dieser Reaktion veranlassen kann. — 124 Ivar Bang, Ich habe weiter das Verhalten des Albuminates zu Ammon- sulfatlösung untersucht. Sowohl in saurer als in ganz schwach alkalischer Lösung wird das Albuminat vollständig bei 20 Proz. Ammonsulfatsättigung niedergeschlagen*). Wenn ich oben erwähnt habe, daß ein Zusatz von Ammonsulfat zur ammoniakalischen Lösung des Albuminates dieses aufs neue niederschlägt, so ist das als eine Aussalzung zu betrachten. Das Albuminat enthält keinen Phosphor. Der Stickstoff-Gehalt betrug 16,59 Proz. Der nach der Salzsäureextraktion ungelöst gebliebene Rest war in verdünntem Alkalı leicht löslich und konnte hieraus wieder mit Essigsäure niedergeschlagen werden. In einem Minimum von Alkali gelöst wurde die Substanz bei 20 Proz. Ammonsulfat- sättigung gefällt. - Die Eiweißreaktionen waren positiv. Nach Digestion mit Magensaft resultierte ein Nuclein, welches sowohl Phosphor als Purinbasen enthielt. Dasselbe Nuclein entsteht, wenn man das Nucleoproteid selbst digeriert, d. h., wenn man den Magensaft auf die Essigsäurefällung des Nucleoproteids einwirken läßt. Da- gegen entsteht kein Nuclein, wenn das Nucleoproteid zuerst in der Salzsäure gelöst wird. — Die Natur der Purinbasen habe ich nicht untersucht. Auch gelang es nicht, die Nucleinsäure zu isolieren. Nach Schmiede- bergs Kupfer-Kaii-Methode läßt sich die Nucleinsäure nicht darstellen. — Eine Pentosengruppe existiert hier nicht. Behufs Analyse wurde der in Salzsäure unlösliche Rest des Nucleoproteids in Alkali gelöst, wieder mit Essigsäure ausgefällt, ausgewaschen und mit Alkoholäther behandelt. Die Analyse ergab einen P-Gehalt von 2,49 Proz. und 2,69 Proz. P. — durch- schnittlich 2,59 Proz. P. — und 16,55 Proz. N. Die Substanz ist folglich selbst als ein Nuclein anzusehen. Vergleicht man diese Werte mit jenen des 0,04-proz. Alkaliextraktes der Essigsäurefällung, so zeigt sich deutliche Übereinstimmung. Hier wurde 2,59 Proz. P gefunden, dort 2,24 Proz. Der Rest ist nämlich in ver- dünntem Alkali leicht löslich im Gegensatz zu dem Albuminat. Wenn man daher die Essigsäurefällung des Nucleoproteides mit sehr verdünntem Alkali extrahiert, geht wesentlich das Nuclein in Lösung, und das Albu- minat bleibt zurück. Doch gehen kleine Mengen davon ebenfalls in Lösung, — was auch die Phosphorbestimmungen zeigen. Dementsprechend kann man auch durch Extraktion mit Salzsäure die Existenz des Albu- minates nachweisen. — Die Untersuchung der Spaltungsprodukte gibt uns auch eine Erklärung der Veränderungen, welche die Einwirkung von Essig- *) Ebenso verhält sich aus Albumin dargestelltes Acidalbuminat. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 125 säure und Alkali hervorruft. Das Nucleoproteid wird von diesen Reagentien ebenso wie von Salzsäure gespalten, und die Ver- rückung der Fällungsgrenzen zeigt dabei die Bildung von Nuclein und Albuminat an. Es kann nun auch nicht befremden, daß der Niederschlag mit 20-proz. Ammonsulfat dieselben Werte, wie die Essigsäure- Fällung selbst gibt, da dadurch sowohl das Nuclein als das Al- buminat niedergeschlagen wird. Aus den vorliegenden Versuchen über das Nucleoproteid ist zu entnehmen, daß wir es bei diesem Körper mit einer sehr labilen Substanz zu tun haben, welche äußerst leicht in Nuclein und Albuminat zerfällt. Es erinnert etwas an das Pankreas- Nucleo- proteid Hammarstens und das Nucleohiston Lilienfelds. Es scheint, daß die Neutralsalze, z. B. Kochsalz, das Nucleoproteid nicht in seine Komponenten zerlegen können (vgl. auch Ma- lengreau). Aus den Phosphorbestimmungen kann man ungefähr berechnen, wieviel Nuclein und Albuminat in das Molekül des Nucleoproteids eingehen. Wenn das Proteid etwa 1 Proz. Phosphor enthält, das Nuclem etwa 2,5 Proz. und das Albuminat keinen, so besteht das Nucleoproteid aus etwa 40 Proz. Nuclein und 60 Proz. Albuminat. Der Stickstoff verteilt sich ganz gleichmäßig auf die beiden Kom- ponenten. Es bleibt endlich noch eine Frage zu beantworten. Den Spaltungsversuchen nach darf man die Nucleoproteide der drei Untersucher für identisch erklären, nicht aber, wenn man die Phosphor- Bestimmungen betrachtet. Malengreau hat für sein Proteid nur 0,5 Proz. P gefunden — Huiskamp und ich 1 Proz. Diese Differenz erklärt sich aber daraus, daß das Wasserextrakt eine große Menge sehr fein suspendierter Verunreinigungen, Zell- detritus u. s. w. enthält, Verunreinigungen, die nicht durch Zentri- fugieren und nicht durch Filtration fortgeschafft werden können. Diese haften aber den Niederschlägen an. Deswegen ist das Fil- trat nach Halbsättigung mit Ammonsulfat ganz wasserklar im Gegensatz zu der ursprünglichen, opaken Lösung. Andererseits, wenn Huiskamp sein Nucleohiston mit Chlorcalcium fällt, gehen die Verunreinigungen in dieses über. Daher findet Huiskamp nur 3,7 Proz. P im Nucleohiston, während Malengreau 4,5 Proz. P gefunden hat. — Die Verunreinigungen werden eben vom ersten Niederschlage mitgerissen, gleichgültig, ob dieser Nucleoproteid oder Nucleohiston ist. 126 Ivar Bang, 2. Untersuchung des sogenannten Nucleohistons. Von den beiden Nucleoproteiden der Thymusdrüse hat unbe- dingt das „Nucleohiston“ die größere Wichtigkeit, sowohl in Anbe- tracht seiner chemischen Natur als seiner biologischen Bedeutung. Was das erstere Moment betrifft, so gehen die Ansichten der einzelnen Untersucher, wie eingangs bemerkt, sehr auseinander. Was die biologische Bedeutung anlangt, will ich nur daran erinnern, daß mehrere Beobachter, z. B. Huiskamp, im Nucleo- histon das Fibrinferment vor sich zu haben glaubten. Das Nucleo- histon verdient somit eine Bearbeitung. Huiskamp hat ihm auch eine eingehende Untersuchung gewidmet, von Lilienfelds ursprünglichen Arbeiten ganz abgesehen. Wenn ich in zwei Mitteilungen eine von der herrschenden Vorstellung ganz abweichende Auffassung der Natur des Nucleo- histons verfochten habe, so will ich gern zugeben, daß meine Angaben insofern weniger beweisend waren, als sie nur einen vorläufigen Charakter trugen. Das von mir dargestellte nuclein- saure Histon ist in der Tat noch sehr unvollständig studiert, so fehlt z. B. die Analyse, und wir haben keine Anhaltspunkte für seine rationelle Zusammensetzung. Zwar habe ich gezeigt, daß es sich um die Verbindung einer Nucleinsäure mit Histon handelt, dıese beiden aber nur qualitativ nachgewiesen. Darstellung. Nach meinem Verfahren werden die Thymusdrüsen zuerst mit 0,9-proz. Kochsalzlösung extrahiert, dann folgt die Extraktion mit destilliertem Wasser. Übrigens ist die vorgängige Kochsalzextraktion für die Darstellung der Substanz ganz gleichgültig, und ich habe sie auch öfter unterlassen und die Drüsen mit destilliertem Wasser direkt be- handelt. In beiden Fällen beobachtet man unmittelbar nach dem Zusatz des Wassers eine starke Quellung der Drüsenmasse, die sich zu schleimigen balb durchsichtigen Klumpen zusammenballt. Nach 24 Stunden bemerkt man, daß die Stücke zerfallen, während die Flüssigkeit bläulich opalesziert; nach 48 Stunden ist die Lösung ganz undurchsichtig und von milch- ähnlichem Aussehen, und zur selben Zeit ist ein großer Teil der Thymus- drüse in Lösung gegangen. Auf dem Boden des Gefäßes liegen reich- lich grobflockige Reste, welche aus Bindegewebe, Zelldetritus, noch nicht gelösten und unlöslichen Gewebsresten bestehen. Weder Lösung noch Rückstand sind jetzt schleimig. Die Reaktion ist deutlich amphoter. Gewöhnlich nahm ich 500—1000 g Thymus in Arbeit und zog diese zwei- bis dreimal mit 1'/),—2 1 destilliertem Wasser aus. Weiteres Extrahieren ist nicht lohnend. — Behandelte ich die Thymus direkt mit Wasser ohne vorhergehende Kochsalzextraktion, so war das erste Extrakt reich sowohl an Nucleoproteid als an nucleinsaurem Histon, während das zweite nur wenig Nucleo- proteid enthielt. Das dritte und vierte Extrakt war weniger opaleszierend Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 127 als die vorhergehenden, sie enthielten nur Spuren von Nucleoproteid und verhältnismäßig mehr nucleinsaures Histon. Das fünfte und das sechste Extrakt waren nur wenig opaleszierend und enthielten nur kleine Mengen von nucleinsaurem Histon, welchesaberziemlich rein war — ein Beweis dafür, daß die mitzuteilende Darstellungsmethode nicht auf der Spaltung einer präformierten komplizierteren Verbindung beruht. Nach 48 Stunden wurde die Lösung abgehebert und 1 Stunde zentrifugiert. Die nachfolgende Filtration ging ganz rasch von statten, das Filtrat hatte aber dasselbe opake Aussehen wie die ursprüngliche Lösung. Nun versetzte ich die Flüssigkeit mit Chlorcalcium bis zu einem Gehalt von 0,2 Proz., wobei ein voluminöser, weißer Niederschlag ausfiel. In sehr konzentrierten Extrakten genügt nicht 0,2 Proz. zur quantitativen Abscheidung. Ich erhöhte dann den Zusatz auf 0,3 Proz. CaCl,, was stets ausreichte, | Das Filtrat von diesem Niederschlag war gewöhnlich rötlich gefärbt und etwas opaleszent. Chlorcalcium gab keine Fällung mehr, während Essigsäure sofort eine solche hervorbrachte. Von dieser war oben schon ausführlich die Rede. Die Chlorcaleium-Fällung kann auf zweierlei Weise in Lösung ge- bracht werden, durch Zusatz von Ammoniak und von Neutralsalz- lösungen. Das erstere Verfahren hat Huiskamp benutzt. Ich will gern zugeben, daß man hierdurch eine weit vollständigere Lösung als nach meinem Verfahren, der Kochsalzmethode, erzielt. Dagegen muß ich meiner Methode insofern bei weitem den Vorzug geben, als sie eine ganz vollständige Extraktion der histonhaltigen Verbindung gestattet, während eine ganze Menge Verunreinigungen ungelöst zurückbleibt. Nach meinem Verfahren erhält man daher eine farblose oder schwach bläulich opaleszierende oder fluoreszierende Flüssigkeit, während Huis- kamps Methode ein Filtrat liefert, das ebenso opak isf wie die ursprüng- liche Lösung. Ist die Chlorcaleium-Fällung mit verdünnter Neutralsalzlösung er- schöpft, so bleibt ein reichlicher bräunlich-weißer, sehr klebriger Rück- stand, welcher kein Histon mehr enthält. Dieser Rest ist in verdünntem Alkali löslich und kann dann aufs neue durch Essigsäure (und Chlor- calcium) niedergeschlagen werden. Da sich das nucleinsaure Histon schon mit 2-proz. Kochsalzlösung extrahieren läßt, wird man wohl kaum annehmen wollen, daß hierdurch eine Spaltung einer mehr komplizierten Histonverbindung stattgefunden hat, was übrigens auch durch die Reaktionen, die später besprochen werden sollen, ausgeschlossen erscheint. Ich glaube deshalb aus guten Gründen meiner Methode den Vorzug geben zu müssen und habe mich ihrer bei der Untersuchung des nuclein- sauren Histons ausschließlich bedient. Versuchsweise habe ich auch die Darstellungsmethode Malengreaus angewendet. Das Filtrat von dem durch Halbsättigung mit Ammon- sulfat im Wasserextrakte der Thymus erzeugten Niederschlag ist, wie schon bemerkt, ganz wasserklar. Es wurde dialysiert, mit 15 Volumen Wasser verdünnt und mit Essigsäure gefällt und der Niederschlag in 500 ccm 1°/,, NaOH zu einer neutral reagierenden Lösung gelöst. Eine Probe gab bei Halbsättigung mit Ammonsulfat einen spärlichen Nieder- schlag. — Bei Sättigung mit Kochsalz trat die Histon-Fällung ein, und im Filtrat ließ sich die Nucleinsäure auf gewöhnliche Weise nachweisen, 128 Ivar Bang, In Übereinstimmung mit Malengreau finde ich somit, daß sein B-Nucleoalbumin wesentlich aus nucleinsaurem Histon besteht. Aber nach dieser Methode erhält man kein reines Präparat. Ich habe bei meinen Fraktionierversuchen im Kochsalzextrakte, wie man sich erinnert, eine durch Essigsäure fällbare Substanz vorgefunden, welche erst bei Sättigung mit Ammonsulfat abgeschieden wird. Diese Substanz, welche kein Histon enthält, muß natürlich dem nucleinsauren Histon bei Malengreaus Darstellung beigemengt bleiben. Weiter habe ich ge- funden, daß das nucleinsaure Histon sich gegenüber der Einwirkung von Essigsäure durchaus nicht indifferent verhält. Hierüber werde ich später berichten. Endlich laßt sich auch durch Phosphorbestimmungen direkt feststellen, daß Malengreaus B-Nucleoalbumin noch kein reines Präparat darstellt. Aus dem Gesagten geht klar hervor, daß weder Huiskamps noch Malengreaus Methode sich völlig zur Darstellung reinen nucleinsauren Histons eignen. Es bleibt dann nur meine Methode: Extraktion mit verdünnten Neutralsalzlösungen. In meiner letzten Publikation habe ich angegeben, daß ich hierzu 5—10-proz. Kochsalzlösung benutzte. Das filtrierte Extrakt gab bei nachfolgender Dialyse einen reichlichen, weißen Niederschlag, während ein Rest in der Lösung zurückblieb, welcher nicht durch Chlorealecium, wohl aber durch Essigsäure gefällt werden konnte. Die bei der Dialyse ausgefällte Substanz wurde wieder in 5—10- proz. Kochsalzlösung gelöst, und hieraus konnte man das Histon entweder durch Sättigung mit Kochsalz oder durch Zusatz von Salzsäure darstellen. Im ersten Falle wurde das Histon abge- schieden, im letzteren die Nucleinsäure. Bei erneuter Prüfung habe ich die Richtigkeit dieser Angaben feststellen können und sie in einigen Richtungen vervollständigt. Der nach der Dialyse in Lösung gebliebene Rest besteht. aus nucleinsaurem Histon, welches nicht ausgefallen ist. Mit Essig- säure ausgefällt und in einer Spur von Alkali gelöst, wurde er von Chlorcalcium gefällt; der Niederschlag, in Kochsalzlösung ge- löst, konnte in Histon und Nucleinsäure zerlegt werden. Über- haupt konnte ich hier keine andere Eiweißverbindung nachweisen als nucleinsaures Histon. Weiter war es von Interesse, zu untersuchen, in welcher Verbindung das nucleinsaure Histon bei der Dialyse aus- geschieden wird. Bei der Behandlung mit destilliertem Wasser löste sich der Niederschlag rasch, und die Lösung gab mit 0,9-proz. Kochsalzlösung einen reichlichen Niederschlag, welcher sich augenblicklich in überschüssigem Kochsalz wieder löste. Zusatz von Chlorcalcium bewirkte eine reichliche Fällung. Aus diesen Re- aktionen geht hervor, daß das nucleinsaure Histon bei E u “ N Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 129 der Dialyse als Natriumverbindung ausgeschieden wird. Wenn also die Ca-Verbindung des nucleinsauren Histons sich ın Kochsalzlösung löst, so heißt dies, daß die unlösliche Ca-Ver- bindung sich in das Na-Salz umsetzt, welches, wie ich schon früher erwiesen habe, in Überschuß von Kochsalz leicht löslich ist. Bei der Dialyse geht Kochsalz fort, und die Na-Verbindung fällt aus, sobald der Kochsalzgehalt auf 0,9 Proz. gesunken ist. Bei dieser Sachlage wird man auch verstehen, daß dabei eine quantitative Ausfällung nicht zu erwarten ist. Nach mehrmaliger Ausfällung mit Chlorcalcıum, Auflösung ın 5-proz. Kochsalzlösung, Dialyse u. s. w. erhielt ich Lösungen des nucleinsauren Histons von unzweifelhafter Reinheit, die ich in verschiedenen Richtungen untersuchte. a) Die Einwirkung von Salzen auf das nucleinsaure Histon. 1. Kochsalz. Wie schon erwähnt, kann man bei Zusatz von Koch- salz eine wässerige Lösung des nucleinsauren Histons als Alkalisalz teil- weise fällen. Untersucht man hierfür genauer die Versuchsbedingungen, so findet man, daß bei einem Gehalt von 0,25 Proz. NaCl eine schwache, aber deutliche Opaleszenz eintritt, welche bei 0,50 Proz. stärker wird. Nach einiger Zeit tritt schon hier ein Niederschlag ein, welcher sich bis 0,75 Proz. bis 0,80 Proz. NaCl vermehrt, ohne jedoch quantitativ zu werden. Der Niederschlag tritt als flockige, weiße Fällung auf, geht aber bald in einen durchsichtigen, glasähnlichen Bodensatz von sirupöser Konsistenz über. Wenn dieser sich nach einigen Stunden als Gallerte auf dem Boden des Glases abgesetzt hat, kann man die überstehende Flüssigkeit vollständig abgießen. Setzt man den Zusatz von Kochsalz fort, so bleibt der Niederschlag bis 1,00 Proz. NaCl unverändert, beginnt sich bei 1,25 Proz. NaCl wieder zu lösen und verschwindet bei weiterem Zusatz mehr und mehr. Bei 1,75 Proz. NaCl hat man nur eine schwach opales- zierende Lösung vor sich, und nach einem Zusatz von 2,00 Froz. NaCl ist die Lösung wieder vollständig wasserklar — wie die ursprüngliche Flüssigkeit. Geht man umgekehrt von einer Lösung des nucleinsauren Histon- Alkalis in 2 Proz. NaCl aus und vermindert den NaCl-Gehalt durch Zu- satz von Wasser, so kann man bis 1,50 Proz. NaCl gehen, ohne daß eine Veränderung eintritt. Bei 1,46 Proz. NaCl tritt schwache Opaleszenz ein, wird bei 1,43 Proz. stärker und steigert sich bei 1,40 Proz. NaCl zur Fällung. Setzt man zu der 2-proz. Lösung mehr Kochsalz, so bleibt sie vollständig unverändert, bis zu 15 Proz. NaCl. Hier beginnt aufs neue ein Niederschlag aufzutreten. Diese Ausfällung ist bei 18 Proz. NaCl beendet, Doch kann man bei vollständiger Sättigung mit Kochsalz eine weitere Fällung beobachten. Untersucht man den durch 15 bis 30 Proz, NaCl entstandenen Niederschlag, so erweist sich dieser als prinzipiell von der Fällung durch 0,7 bis 1,0 Proz. Na Cl verschieden. Im ersteren Falle hat eine Spaltung der ursprünglichen Verbindung und Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 9 130 Ivar Bang, die Ausscheidung des einen Spaltungsproduktss statt- gefunden, im letzteren ist die ursprüngliche Verbindung unverändert ausgefallen. 2, Ammonsulfat. Im Hinblick auf Malengreaus B-Nucleo- albumin, das zwischen Halb- und Ganzsättigung mit Ammonsulfat ausfällt, hatte es besonderes Interesse, das Verhalten zu Ammonsulfat zu unter- suchen. In meiner ersten Abhandlung habe ich schon bemerkt, daß man ebenso gut wie Kochsalz auch Ammonsulfat und andere Salze zur Aus- fällung des nucleinsauren Histons benutzen kann. Die betreffenden Verhältnisse sind genauer von Huiskamp untersucht worden, und ich brauche hier nur auf seine Angaben zu verweisen. Wie bei anderen Salzen ist auch hier der Niederschlag sehr leicht im Überschuß des Fällungsmittels löslich. Bei noch größerem Zusatz, z. B. Sättigung mit Ammonsulfat, tritt auch hier neuerdings ein Niederschlag auf, welcher aber im Gegensatze zu der NaCl-Fällung aus der unver- änderten Substanz besteht. Genauer bestimmt, erfolgt die Fällung zwischen 70 Sättigungspro- zenten (l ccm nucleinsaures Histon + 2 ccm Wasser — 7 ccm Ammon- sulfat-Lösung gibt schwache ÖOpaleszenz) und Sättigung. In sehr konzentrierten Lösungen habe ich eine Verrückung der unteren Fällungs- grenze bis 60 gesehen. Den Fällungsgrenzen nach stimmen somit Malen- greaus und mein Nucleoproteid ganz gut überein. Löst man nach Huiskamp den ursprünglichen Chlorcaleium-Niederschlag in verdünntem Ammoniak, so findet man die untere Fällungsgrenze bei etwa 35, — ein ganz verschiedenes Resultat! 3. Magnesiumsulfat gibt, wie die übrigen Salze der Leichtmetalle, bei geringem Zusatz einen Niederschlag, welcher sich beim größeren Zusatz (2 Proz.) wieder löst. Bei Sättigung mit Bittersalz tritt aber überhaupt keine Fällung auf, die Lösung bleibt ganz wasserklar und wird nur dickflüssig, sirupös. Es ist schwer, zu erklären, warum sich die drei Neutralsalze Koch- salz, Ammonsulfat und Magnesiumsulfat so verschieden verhalten, warum Kochsalz die Verbindung zerlegt und das Histon fällt, während Ammonsulfat das nucleinsaure Histon mit unveränderten Eigen- schaften niederschlägt, trotzdem sowohl Kochsalz als Ammonsulfat (und Magnesiumsulfat) wohl das Histon, nicht aber die Nuclein- säure aus ihren Lösungen abscheiden. Die betreffenden Salz- wirkungen können somit nicht einfach aus einer Umsetzung der Salze (des nucleinsauren Histons und Kochsalzes) und Ausfällung der unlöslichen Verbindung erklärt werden. Zur genaueren Er- forschung dieser Verhältnisse habe ich eine Reihe verschiedener Salze und ihre Wirkungen auf das nucleinsaure Histon unter- sucht und habe die Resultate in der folgenden Tabelle zusammen- gestellt (+ bedeutet Spaltung, — keine Spaltung und n. u.: nicht untersucht). | 5 Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 131 1. Chloride zu _ — _ 1 1 2. Bromide e - 4 -_ Ag n. u. n. u. ade. . . _ u. n.u. n.u. n.u. D. U. 4. Rhodanide 4 -- 4 n n.u. DL. u. 5, Nitrate . E= - — 12. U; n.u. n.Uu. e Bulfste -. . = = — — n. u. n.u. 7. Phosphate .| n.u. = nn: DW n. u. n.u. Aus der Tabelle geht hervor, daß alle Salze der fixen Alkalien mit einbasischen Säuren das nucleinsaure Histon zerlegen. Ebenso verhalten sich wahrscheinlich Baryum- und Calciumsalze, wie die Chloride andeuten (doch ist hier die Spaltung sehr un- vollständig). Dagegen besitzen nur einige Ammoniaksalze der ein- basischen Säuren eine spaltende Wirkung (Bromid und Rhodanid), während eine solche bei anderen (Chlorid) vollständig fehlt. Es fragt sich weiter, ist die Spaltwirkung eine Funktion der Basen- oder der Säurekomponente oder beider, gibt es hier eine Gegenwirkung im Sinne von Paulis Untersuchungen über das Verhalten der Eiweißkörper gegen Elektrolyte, haben wir hier überhaupt eine Ionenwirkung oder eine Salzwirkung vor uns. Wenn Chlornatrium sich positiv und Natriumsulfat negativ ver- hält, spricht dies für Säurewirkung; daß aber Chlorammonium negativ ist, spricht entschieden gegen eine solche Auffassung und für eine Gegenwirkung der Salz-Komponenten. Auf alle Fälle dürfte man sich die Wirkung in erster Linie als eine Ionen- wirkung vorstellen. Zwar stößt diese Vorstellung auf Schwierig- keiten, läßt sich aber experimentell prüfen. Wenn es sich um eine Ionenwirkung handelt, dürfte eine Zurückdrängung der Disso- eiation, welche in der gesättigten Lösung relativ zwar geringer, absolut aber größer ist als in einer verdünnten, die betreffende Spaltwirkung vermindern. Wenn man weiter hierzu Salze mit gemeinsamen Anionen resp. Kationen benutzt, dürfte man eventuell Einblick in die Wirkung der Säure- bezw. der Basenkomponente erhalten. I. 3ccm Histonnucleinat-Lösg. +2ccm Wasser +3cem gesätt. NaCl-Lösg. : klar Bi. A +2 „ a 5 % : beg. Opaleszenz 3 ” ” +2 ” ” +4,5 ” ” ” . beg. Fällung. IL. 3 ccm Histonnueleinat-Lösg. + 2 cem gesätt. MgCl,-Lösg. + 3, 4, 4,5 ccm gesätt. Na0l- Lösung: Ganz wie Versuch I. 9* 132 Ivar Bang, III. 3 cem Histonnucleinat-Lösg. + 2 cem gesätt. Na,S O,-Lösg. +1 cem gesätt. NaCl-Lösg.: klar 1% A +2 „ % & +2 „ gesätt. “ beg. Opaleszenz Buy ee 42 „ " e + 2,5, gesätt. NaCl-Lösg.: beg. Fällung. Aus diesen drei Versuchen geht mit großer Wahrscheinlich- keit hervor, daß die Spaltwirkung der Neutralsalze eine Funktion der Basenkomponente nicht aber der Säurekomponente ist, da eine Vermehrung des Basenanteils in einem indifferenten Salz die Spaltwirkung vergrößert, während eine entsprechende Ver- mehrung des Säureanteils keinen Einfluß ausübt. Wenn weiter die einzelnen Alkalisalze eine so sehr verschiedene Spaltwirkung besitzen, wie z. B. Kochsalz und Natriumsulfat, so läßt sich dies in Übereinstimmung mit dem, was Pauli unter ganz anderen Be- dingungen gefunden hat (wenn man statt Kation Basenkomponente setzt), dadurch erklären, daß nur die Basenkomponenten eine Spaltwirkung besitzen, die Säurekomponenten dagegen eine hemmende Wirkung ausüben. Wenn also NH,Cl sich in- different, NH,CNS dagegen positiv verhält, ist dies so zu ver- stehen, daß der Spaltwirkung des NH, zwar von HCl, nicht aber von HCNS das Gleichgewicht gehalten wird. Daß aber diese Wirkungen Ionen wirkungen sind, geht, soviel ich sehe, nicht aus den Versuchen hervor, eher das Entgegengesetzte. Das Chlormagnesium sollte namlich die Dissociation ebenso stark zurückdrängen wie das Natriumsulfat und die Spaltwirkung vermindern. Doch halte ich mich nicht für kompetent, hierüber ein bestimmtes Urteil zu fällen. Ebenso wie die Salze der fixen Alkalien und die Ammoniaksalze fällen die Erdalkalisalze, in geringer Menge zugesetzt, das nucleinsaure Histon und zwar quantitativ. Auch dieser Niederschlag, welcher sich als ein durchsichtiger, sirupöser Bodensatz absetzt, ist im UÜberschusse des Fällungsmittels leicht löslich. Neutralsalze bewirken dasselbe. In der Lösung findet sich dann das nucleinsaure Histon als Metallsalz der Base des betreftienden Neutralsalzes vor. Die Salze der schweren Metalle fällen ebenfalls das nuclein- saure Histon als Metallverbindung. Der Niederschlag ist in Salz- lösungen unlöslich. b) Die Einwirkung von Säuren und Alkalien auf das nucleinsaure Histon. Das nucleinsaure Histon ist in Wasser ganz unlöslich, dagegen sind die Alkali- und Ammoniakverbindungen leicht löslich; sie sind meines Wissens die einzigen in Wasser löslichen Salze. Im Wasserextrakte aus Thymus kommt das Histonnucleinat höchst- wahrscheinlich als Ka-Verbindung vor. Dasselbe muß aber, wie ich später zeigen werde, seiner Konstitution nach als ein saures- Salz der Nucleinsäure und des basischen Histon aufgefaßt werden, Chemische Untersuchungen der lIymphatischen Organe. 133 welches sich mit Alkali zu einem neutralen Salze verbindet. Übrigens ist es nicht unwahrscheinlich, daß mehrere Alkalisalze existieren. Ich habe gesehen, daß das frisch ausgefällte nuclein- saure Histon-Alkalı blaues Lackmuspapier deutlich rötet. Wirkung von Alkalien und alkalischen Erden. Setzt man zu einer Lösung des nucleinsauren Histons Alkali, z. B. Natronlauge, so sieht man zunächst keine Änderung. Erst bei 15 bis 20 Proz. NaOH tritt eine Opaleszenz und später ein Niederschlag von Histon auf. Dagegen gibt Ammoniak, bis zu 5 bis 6 Proz. zugesetzt, schon einen Niederschlag von Histon. Man braucht somit eine weit geringere Menge Ammoniak als Natron, um den Histon- Niederschlag hervoızubringen. Dieser Widerspruch ist jedoch nur ein scheinbarer. Das Histon wird auch von NaOH abgespalten, nicht aber bei dieser Alkaleszenz ausge- geschieden. Ich habe bereits in meiner Histonarbeit gezeigt, daß der Histon-Niederschlag sich schon in 0,1-proz. NaOH wieder löst, und bei diesem Na0OH-Gehalt wird das nucleinsaure Histon noch nicht zerlegt. Auch habe ich dort gefunden, daß 20 Proz. Natriumhydroxyd wieder das Histon zur Fällung bringen, was man auch hier sieht. Dagegen ist das Histon viel schwieriger in Ammoniak löslich und wird deswegen, wenn einmal abgespalten, bei derselben Alkaleszenz auch ausgeschieden. Versetzt man eine Lösung des nucleinsauren Histon-Alkalis mit einigen Tropfen Barytwasser, so bildet sich augenblicklich ein reichlicher, weißer Niederschlag, welcher sehr schwer sowohl in Alkalien und Säuren als Salzlösungen löslich ist. Ebenso verhält sich auch Kalkwasser. Hier ist somit eine ganz andere Reaktion als nach dem Zusatze der betreffenden Salze eingetreten. Untersucht man das Filtrat dieses Nieder- schlages, so kann man eine schöne Biuretreaktion bemerken. Weiter geben hier Essigsäure, Salzsäure und Ammoniak keine Fällung. Wenn man aber zuerst das Filtrat neutralisiert, gibt der nachfolgende Zusatz von Ammoniak einen reichlichen Niederschlag von Histon, welches somit nicht direkt aus dem barythaltigen Filtrate durch Ammoniak ausgefällt werden konnte. Es war dann weiter nicht ohne Interesse, zu untersuchen, ob der Niederschlag nach Barytwasserzusatz aus Nucleinsäure bestand. Das war nicht der Fall, da er eine deutliche Biuretreaktion gab. Wenn man aber die Versuchsanordnung in der Weise abänderte, daß man die Lösung des nucleinsauren Histon-Alkalis langsam in das Barytwasser goß, so er- hielt man eine vollständige Spaltung: alles Histon war in Lösung geblieben, und der Niederschlag bestand aus reiner Nu- cleinsäure. Baryt- und Kalkwasser zerlegen somit das nucleinsaure Histon in seine Komponenten. Diese Wirkung des Barytwassers ist schon von Kossel zur Dar- stellung der Nucleinsäure benutzt worden. Kossel hat auch gezeigt, daß die Nucleinsäure als basisches Salz ausgefällt wird, welches mit Essigsäure in das-leichtlösliche saure Baryumsalz umgesetzt wird. Ganz ebenso verhielt sich auch meine Nucleinsäure. 134 Ivar Bang, Einwirkung von Säuren. Leitet man anhaltend Kohlensäure durch eine Lösung von nuclein- saurem Histon-Alkali, so kommt es langsam zu einer Fällung von nuclein- saurem Histon, welche jedoch immer ganz unvollständig ist. Einige Tropfen Essigsäure geben einen ähnlichen Niederschlag, welcher aber bei Abwesenheit von Kochsalz absolut quantitativ ist. Die Gegenwart von Kochsalz hindert somit die vollständige Ausfällung, eine Beobachtung, die man auch bei anderen Nucleoproteiden machen kann. Der Nieder- schlag löst sich sehr leicht auf Zusaiz einer Spur von Alkali und wird aus der Lösung bei Zusatz von Chlorcaleium oder von Essigsäure nieder- geschlagen. Setzt man aber Essigsäure unvorsichtig im Überschuß hinzu, oder wird das nucleinsaure Histon mehrere Male mit Essigsäure gefällt, so beobachtet man sehr merkliche Veränderungen. Der Körper bleibt zwar immer leicht in Alkali löslich und wird auch von Chlorcalecium niedergeschlagen, die Chlorcalcium-Fällung löst sich aber sehr unvoll- ständig in verdünnten Neutralsalzlösungen;,:quillt dagegen zu einer voluminösen, gelatinösen Masse auf, welche zwar von Kochsalz bei Sättigung gefällt, aber nur äußerst unvollständig gespalten wird. Man kann sich auch leicht überzeugen, daß die Essigsäure etwas Histon ab- spaltet, eine Spaltung, welche bei der Anwendung konzentrierter Essig- säure nicht unbedeutend ist. Mineralsäuren spalten die Verbindung unter Umständen voll- ständig. Setzt man vorsichtig ganz geringe Spuren hinzu, so wird das nucleinsaure Histon als solches ausgeschieden, aber schon 0,3-proz. HCl spaltet die Verbindung ziemlich vollständig unter Ausscheidung der Nucleinsäure in käseähnlichen weißen Klumpen. Gewöhnlich ist auch das Filtrat milchähnlich getrübt von sehr fein ausgeschiedenen Nuclein- säureresten, die sich nur langsam absetzen. In der Lösung kann man das Histon nachweisen. Der Nucleinsäure-Niederschlag enthält kleine Mengen Histor, die durch Auflösen und Fällen mit Salzsäure entfernt werden Können. Übrigens habe ich in allen Spaltungsversuchen gefunden, daß die Nuclein- säure den letzten Rest Histon besonders schwierig abgibt — eine Be- obachtung, die auch Schmiedeberg beim nucleinsauren Protamin aus Lachssperma gemacht hat. c) Sonstige Eigenschaften des nucleinsauren Histons. | Versetzt man das nucleinsaure Histon-Alkalı in wässeriger Lösung mit Alkohol, so erhält man keinen Niederschlag, die Lösung bleibt wasserklar. Fügt man einige Tropfen Kochsalz- lösung hinzu, so fällt das nucleinsaure Histon-Alkali nieder und zwar bei genügendem Zusatz quantitativ. Der Niederschlag bleibt leicht in Wasser löslich, und gibt die gewöhnlichen Reaktionen. Ganz anders verhält sich die Sache, wenn man von einer Lösung von nucleinsaurem Histon-Alkali ausgeht, die mindestens 5 Proz. Kochsalz enthält. In diesem Falle bildet sich sofort auf Alkoholzusatz ein Niederschlag. Dieser besteht aber nicht aus dem unveränderten Körper, sondern aus Nucleinsäure Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 135 (mit ein wenig Histon), während der Hauptanteil des Hıistons sich in dem Alkohol befindet und hieraus durch Ammoniak, am besten nach Verdampfung des Alkohols, niedergeschlagen werden kann. Der Nucleinsäure-Niederschlag hält den Histon-Rest sehr fest zurück, weshalb man ihn zur Entfernung desselben mehrere Male umfällen muß. Ebenso wie man ohne Gefahr das nucleinsaure Histon-Alkali aus einer kochsalzarmen Lösung mit Alkohol ausfällen kann, läßt sich auch der unlösliche nucleinsaure Histonkalk ohne Schaden mit Alkohol behandeln. Ich habe solche Präparate längere Zeit unter Alkohol verwahrt, ohne daß eine Veränderung eingetreten wäre: Der Körper war immer in 2-proz. Na Cl-Lösung löslich u. s. w. Wenn man dagegen nach der Alkoholeinwirkung den Körper mit Äther behandelt, resultiert ein schneeweißes, feines Pulver, welches ganz unlöslich ist. Ebenso verhält sich auch das Alkalisalz. Eine Lösung des nucleinsauren Histon-Alkalis koaguliert beim Kochen, wenn Kochsalz dabei ist. Sonst nicht. Das nucleinsaure Histon gibt eine schöne Biuretreaktion. Millons Reagens gibt in der Kälte einen weißen Niederschlag, beim Kochen eine rote Lösung. Auf Grund der Erfahrungen über das nucleinsaure Histon, die ich hier mitgeteilt habe, läßt sich die Darstellung desselben aus Thymus wesentlich vereinfachen. Vereinfachte Methoden zur Darstellung des nucleinsauren Histons. Zunächst habe ich den Chlorcaleium-Niederschlag in 2-proz. Koch- salzlösung gelöst und nicht in 5 bis 10-prozentiger. Weiter habe ich die Dialyse des Filtrates unterlassen und dafür das gleiche Volum Wasser zugesetzt. Das nucleinsaure Histon-Alkali schlägt sich nieder, wird in Wasser gelöst, mit Chlorcalecium wieder gefällt u. s. f. Diese einfache Methode ist aber mit einem Mangel behaftet: die Filtration des 2-proz. Kochsalz-Extraktes geht langsam von statten, das Filtrat ist anfangs undurchsichtig, und man muß immer wieder das Filtrat zurückgießen. Nach vielen Stunden ist endlich das Filtrat ganz klar geworden, aber nun geht auch die Filtration äußerst langsam vor sich und ist erst nach Tagen beendet. Das Kochsalz-Extrakt verfällt dabei ziemlich bald der Fäulnis, während das klare Filtrat sehr widerstandsfähig ist. Ver- mehrt man den Salzgehalt, so wird auch die Zersetzung gehindert, und die Filtration geht viel schneller vor sich. 136 Ivar Bang, Diese Schwierigkeit kann man auf zweierlei Weise beseitigen: Entweder man benutzt ein anderes Salz, z. B. Ammonsulfat zur Lösung der Kalkfällung, oder auch man behandelt den Chlorcalcium- Niederschlag zuerst mit Alkohol und läßt nun die 2-proz. Na 0l-Extraktion folgen. Nach der ersten Methode verreibt man den Chlorcalcium-Nieder- schlag aus etwa 500 g Thymus innig mit 300 ccm halbgesättigter Ammon- sulfatlösung in der Reibschale. Die dickflüssige, grauweiße Mischung ist unbegrenzte Zeit haltbar. Die Filtration geht sehr rasch von statten, und aus dem wasserklaren Filtrat wird das nucleinsaure Histon-Ammoniak durch Sättigung mit Salz abgeschieden. Den Niederschlag löst man in viel Wasser — etwa 11 — fällt aufs neue mit Chlorcaleium und be- handelt den Niederschlag mit 2-proz. NaCl-Lösung, in welcher er sich schnell und vollständig löst. Viel bequemer ist die Alkohol-Methode. Der Chlorcaleium- Niederschlag wird zentrifugiert und das Filtrat abgegossen. Man fügt Alkohol (96 Proz.) hinzu, mischt gut und zentrifugiert aufs neue, ohne zu warten. Das Zentrifugieren ist nach 10 Minuten be- endet, der Alkohol wird abgegossen, und der Niederschlag wird mit destilliertem Wasser angerührt und nach einigen Stunden filtriert. Der Rückstand wird jetzt mit 50 bis 150 cem 2-proz. Koch- salzlösung in der Reibschale gut gemischt. Nach 24 Stunden kann man filtrieren. Die Filtration ist rasch beendet, das Filtrat ist ganz wasserklar, schwach bläulich fluoreszierend. (Gewöhnlich extrahiere ich den Rückstand noch einmal mit 2-proz. NaCl.) Nun kann man entweder das nucleinsaure Histon-Alkalı ausfällen, indem man den Kochsalzgehalt auf 1 Proz. herabmindert, den Niederschlag in Wasser lösen und aufs neue mit 0,2-proz. CaQl, ausfällen, oder man setzt auf einmal so viel Wasser (etwa 1 Liter) hinzu, daß das nucleinsaure Histon-Natrium gleich wieder in Lösung geht und fällt mit Chlorcalcium. Ich ziehe das erste Verfahren vor. Zur Darstellung der Analysenpräparate fällte ich zweimal (im ganzen also dreimal) mit Chlorcaleium. Nach Alkohol-Äther- Behandlung resultierte ein blendend weißes, feines Pulver, das nicht hygroskopisch war. Nach der ersten Methode stellte ich Präparat I dar, die übrigen nach der zweiten (und zwar nach beiden Modifikationen). Bei der Dar- stellung von Präparat III wurden die Extraktionen bei 0° vorgenommen. Das nucleinsaure Histon-Calcium enthält C, H, N, Ca, P, S, O und Asche. Da die Asche hauptsächlich aus phosphorsaurem Calcium*) be- steht, habe ich meine Resultate nicht auf aschefreie Substanz umge- rechnet. *) Die Asche enthält jedenfalls nicht NaCl. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 137 Ö H N S R Ca Asche Präp. I |43,60°/, | 5,70°/, | 16,76°/, _ 5:49°,.1 129%, 1,.86%°/ 43,92, | 5,36 „ 116,81 „| 0,53% | 9,9395 8,76 „ Be 143,54 „ | 5,76 17.034, _ 5,155,” 71709, 783, „ EV E _ — 330’ /, | DORELCPEOR u EV _ _ _ 933... | 5145. 187% — VI = _ | = 048 ....|-9,22: I.7E,; - Mittel ||43,69°/, | 5,60°/, | 16,87°/,| 0,47 °/, | 5,23 7. 14,71 7, Be Aus den Analysen geht hervor, daß das nucleinsaure Histon- Calcium eine konstante, hängige Zusammensetzung hat. Nucleoproteid sul generis, Phosphorgehalt besitzt. Vergleicht man das Resultat meiner Analysen mit jenen von Huiskamp und Malengreau, so findet man einen Unterschied ganz in Übereinstimmung mit dem, was man auf Grund der Kritik der Darstellungsmethoden erwarten konnte: von den Darstellungsmethoden unab- Das nucleinsaure Histon ist ein welches einen ungewöhnlich hohen a a 5 Huiskamp Malengreau Bang N S pP Ca | . |45,01%/,| 6,49%/, | 16,96°/, , 0,50°/, | 8,7297, | 1,33%, Er he = ar ee . |as,69°/, | 5,600/, | 16,87°/,| 0,47%, | 5,28 „ | 1,71%, Malengreaus Körper weicht in seinem P-Gehalte nicht be- sonders von der reinen Substanz ab, während Huiskamps Nucleo- histon etwa 30 Proz. Verunreinigungen enthält — vorausgesetzt, daß sie phosphorfrei sind. Berechnet man aus den Analysen die empirische Formel, ergibt sich, wenn man vom Calcium ausgeht: Cs5 Hıso Nas S 0,34 Pı Ca Oss. Der Schwefel fordert, wie man sieht, die Verdreifachung dieser Formel: n (C255 H390 Nsı S Pız Cas O114) mit einem Molekularge- wicht von mindestens: 6974. so Berechnet 1 43,88 | 5,60 | 16,87 046 | 53 | 12 Gefunden | 43,69 | 5,60 16,87 | 0,47 5,23 1,71 Für das „Nucleohiston“ hat Huiskamp die empirische Formel N(Cyag Haag Nz5 SP, Ca, O,,) aufgestellt mit einem Molekulargewicht — 5974. Bei Vergleich mit meiner Formel sieht man den nicht unbedeutenden 138 Ivar Bang, Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. Unterschied zwischen unseren Resultaten. So findet man bei Huiskamp das Verhältnis 1 Ca:3,5P:0,5S und beimir 1Ca:4 P:0,33 S. Ich habe schon bei der Kritik der Darstellungsmethode Huiskamps mein Urteil über seinen Körper abgegeben. Ich glaube meine Substanz nach einer Methode, gegen welche kaum berechtigte Einwände erhoben werden können, dargestellt und mit Sicherheit ihre elementare Zusammensetzung festgestellt zu haben. Hiermit haben wir einen guten Ausgangspunkt zur Erforschung der rationellen Zusammensetzung unseres Körpers ge- wonnen, und darin liegt der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Ich habe schon mehrmals erwähnt, daß das nueleinsaure Histon sich in mehrere Komponenten zerlegen läßt. Man kann die Ver- bindung auf verschiedene Weise spalten, durch Einwirkung von Baryt, Salzsäure, Kochsalz haltenden Alkohol und: Sättigung mit bestimmten Neutralsalzen. | Bei den später mitzuteilenden Untersuchungen habe ich meine ursprüngliche Methode, Sättigung mit Kochsalz, benutzt. Die Resultate derselben bleiben der nächsten Mitteilung vorbehalten. IX. Zur Kenntnis der Verdauungs- und Resorptions- voreänge im Magen. Von Dr. Felix Reach (Karlsbad). Aus dem physiologisch -chemischen Institut in Straßburg. Die Frage, wie weit der Abbau der Eiweißkörper im Magen- darmkanale geht, und in welcher Form sie zur Resorption ge- langen, ist in den letzten Jahren Gegenstand lebhafter Diskussion gewesen. Früher nahm man ziemlich allgemein an, daß diese Form hauptsächlich die der Peptone wäre. Die nähere Kenntnis der Eiweißkörper, sowie der proteolytischen Fermente haben jedoch unsere Anschauungen wesentlich geändert. Hinsichtlich der Magenverdauung im besonderen war es bis vor kurzem strittig, ob die Peptone die letzten Spaltuugsprodukte seien, die die Magenfermente aus dem Eiweiß bilden können. Durch neuere Untersuchungen, namentlich von Lawrow*) und Langstein**), ist es jedoch außer Zweifel gesetzt, daß auch diese Fermente krystallinische Endprodukte bilden. Dies wird nun allerdings in vitro, namentlich bei Anwendung von Pepsinpräparaten erst nach sehr lange dauernder Verdauung nachweisbar. Aber auch aus anderen Gründen dürfen solche Resultate nicht ohne weiteres auf den lebenden Organismus übertragen werden; die Versuche mit künstlicher Verdauung können schon darum keinen erschöpfenden Aufschluß darüber geben, wie die Aufspaltung im Magen wirklich abläuft, weil der in vita gegebene, von nervösen Einflüssen sinn- voll geregelte Fortgang der Sekretion, Resorption und mechanischen Weiterbeförderung vorläufig keine befriedigende Nachahmung im Experiment gestattet. Ich erinnere überdies daran, daß die Art der Darstellung der Fermente auf ihre Wirksamkeit von nicht unwesentlichem Einflusse ist. So konnte Glaessner***) zeigen, daß die ganze Magenschleimhaut Pseudopepsin bildet, ein Ferment, *) Lawrow, Zeitschr. f. physiolog. Chemie 26. **) Langstein, Diese Beiträge 1. ***) Glaessner, Diese Beiträge 1. 140 Felix Reach, dessen Wirkung unter anderem durch das Auftreten der Trypto- phanreaktion kenntlich ist und das in den gebräuchlichsten Pepsin- präparaten zu fehlen pflegt. Bei jenen Versuchen‘ bei denen der Verdauungsvorgang im lebenden Magen mit Hülfe der Analyse des Mageninhalts unter- sucht wurde, waren stets nur wenig Peptone und entferntere Verdauungsprodukte nachweisbar. Ich verweise in dieser Richtung insbesondere auf die jüngsten Untersuchungen von Zunz*), denen sich die meinigen hinsichtlich der Versuchsanordnung anschließen. Zunz untersuchte den Inhalt des Magens (und Dünndarms) von Hunden bestimmte Zeit nach der Mahlzeit und war bemüht, durch sorgfältige Bestimmungen die im Magen auftretenden Ver- dauungsprodukte quantitativ zu ermitteln. Ein Teil der Versuche wurde an intakten Tieren ausgeführt, in einem anderen Teile unterband er den Pylorus so, daß die Fortschaffung der Ver- dauungsprodukte aus dem Magen in den Darm verhindert war. Mit überraschender Regelmäßigkeit fand er, wenn er Hunden ge- kochtes Fleisch verabreicht hatte, annähernd 90 Proz. des nicht koagulabeln Stickstoffs in Form von Albumosen wieder, ohne daß die Dauer der Verdauung darauf von merklichem Einflusse ge- wesen wäre. Dieses Verhalten läßt sich in doppelter Weise deuten: ent- weder es stellt die Bildung einer Verdauungslösung mit 90 Proz. Albumosenstickstoff einen Grenzwert für die im Magen überhaupt erreichbare Verdauungswirkung dar, oder die Zusammensetzung der im Magen befindlichen Verdauungslösung wird durch die Resorption der entfernteren Verdauungsprodukte derart geregelt, daß ihr Stick- stoffgehalt den Grenzwert von etwa 10 Proz. des Gesamt-N der Ver- dauungslösung nicht übersteigt. Durch Weiterbeförderung in den Dünndarm könnte diese Regelung nicht erfolgen — eine Sonderung der in Lösung befindlichen Albumosen und der anderen Produkte wäre so schlechterdings unverständlich — sondern sie könnte nur dadurch bewirkt sein, daß ein Teil der Verdauungsprodukte schon im Magen resorbiert wird. Es ist von vornherein mit Zunz an- zunehmen, daß dieser Resorption die krystallinischen Endprodukte in höherem Maße anheim fallen, als die nicht krystallinischen Peptoide und Peptone, und diese letzteren wieder in höherem als die noch weniger diffusibeln Albumosen. Welche von diesen zwei Möglichkeiten zutrifft, läßt sich durch einen einfachen Versuch prüfen. Bringt man den beiderseits *) Zunz, Diese Beiträge 93. Zur Kenntnis der Verdauungs- und Resorptionsvorgänge im Magen. 14] unterbundenen Magen eines verdauenden Hundes sofort nach Ent- nahme in eine feuchte, auf Körpertemperatur gehaltene Kammer, so wird die Resorption, soweit sie durch das kreisende Blut ver- mittelt wird, aufgehoben, während die Bedingungen der chemischen Spaltung zunächst die gleichen bleiben wie im Leben. Von Resorptionsvorgängen kann dann allenfalls für die erste Zeit eine Aufnahme von Verdauungsprodukten seitens der Magenmucosa in Frage kommen, die aber bei dem Umstande, daß die Beförderung der aufgenommenen Produkte ausgeschlossen ist, nur mit einem sehr niedrigen Wert veranschlagt werden kann. Daß bei einem derart isolierten Magen noch eine merkliche Sekretion fortbesteht, ist zu bezweifeln; jedenfalls ist eine Veränderung in der Zu- sammensetzung des Mageninhalts durch hineingelangtes Sekret nicht anzunehmen. Es muß sich daher bei dieser Anordnung zeigen, ob die während des Lebens in den Magen übertretenden Fermente in ihrer Wirkung bei dem beobachteten Grenzwert von etwa 90 Proz. Albumosen-N halt machen oder nicht. Dem Gesagten entsprechend prüfte ich diese Frage unter Anwendung folgender Versuchsanordnung: Mittelgroße Hunde, die zwei Tage gefastet hatten, wurden mit ausgekochtem Fleisch ge- füttert; zwei Stunden hernach wurde der Magen an beiden Enden abgebunden und herausgenommen. Die Verdauung wurde nun noch durch 4 Stunden bei Bluttemperatur in der feuchten Kammer fortgesetzt. Nach dieser Zeit wurde der Mageninhalt entleert, mit Wasser versetzt, neutralisiert und das Eiweiß durch Koagulation ausgefällt. Im Filtrat wurde die Stickstoffverteilung ermittelt. Es wurde nach Kjeldahl bestimmt: 1. Der Gesamt-N. 2. Der Stickstoff der durch Sättigung mit ZnSO, bei saurer Reaktion fällbaren Substanzen nach Zunz: „Albumosen-N.“ 3. Der Stickstoff der aus saurer mit ZnSO, gesättigter Lösung durch Pikrinsäure fällbaren Stoffe: „Pepton-N.“ Im Hinblick auf den letzten Punkt bedarf es einer erläuternden Bemerkung. Zur Trennung der Peptone, Peptoide [noch komplexer aber keine Biuretreaktion mehr gebender Substanzen*)] und krystallinischen Endprodukte mangelt es zur Zeit noch an einer vollkommenen Methode. Die vielfach angewandte Phosphorwolf- ramsäurefällung scheidet mit den Peptonen mindestens auch gewisse Endprodukte wie das Histidin, Arginin und Lysin ab. — *) Hofmeister in „Ergebnisse der Physiologie“, herausgegeben von Asher und Spiro, I. Jahrgang, S. 786. 142 Felix Reach, Salieyl-Sulfonsäure soll zwar nach Mac Williams die Peptone in mit Ammoniumsulfat gesättigter Lösung ausfällen, ich kann jedoch nicht bestätigen, daß diese Fällung eine quantitative ist, fand vielmehr bei Anstellung entsprechender Versuche im Filtrate stets eine, wenn auch schwache, Biuretreaktion. Außerdem wäre diese Art der Fällung für die Messung durch Stickstoffbestimmung wegen des verwendeten Ammonsulfats unbrauchbar. Aber auch bei Anwendung von Zinksulfat statt Ammonsulfat kann man die Biuretreaktion nicht vollständig zum Verschwinden bringen. Hin- gegen gelang mir dies durch Ausfällen der mit Zinksulfat ge- sättigten Lösung mit Pikrinsäure. Das durch Zinksulfatsättigung nach Zunz erhaltene albumosenfreie Filtrat wurde nochmals in stärkerem Maße angesäuert (auf 10 Teile Filtrat 1 Teil verdünnter Schwefelsäure), dann wurde Pikrinsäure in Substanz im UÜberschusse zugesetzt. Dieses Gemenge wurde zur Lösung der Pikrinsäure eine kurze Zeit bei 40° gehalten und nach dem Abkühlen filtriert. Um ein klares Filtrat zu erbalten, war es stets nötig, vor dem Filtrieren die Flüssigkeit mit etwas Talkum zu schütteln. Das Filtrat wurde zur Entfernung der Pikrinsäure wiederholt mit Ather kräftig aus- geschüttelt. Bereits nach dem zweiten Schütteln war die Farbe der Pikrinsäure in der Regel vollständig aus der wässerigen Lösung ver- schwunden, doch wurde dann stets noch zweimal geschüttelt. Auf diese Art konnte sowohl aus Witte-Pepton als auch aus dem Verdauungs- gemisch von Fleisch oder Fibrin ein vollkommen biuretfreies Filtrat er- halten werden. Ich überzeugte mich ferner, daß Arginin und Histidin in mit Zinksulfat gesättigter Pikrinsäurelösung löslich sind. Inwieweit etwa andere Körper, die nicht Peptone sind, bei diesem Verfahren aus Ver- dauungsgemischen gefällt werden — beim Lysin ist es von vornherein sehr wahrscheinlich -- muß noch Gegenstand der Untersuchung sein. Im folgenden sollen der Kürze halber alle Substanzen, welche aus zinksulfatgesättigter Lösung durch Pikrinsäure gefällt werden, schlechtweg als „Peptone“, der Rest als „Endprodukte“ bezeichnet werden. Über die Ergebnisse der Tierversuche gibt die folgende Tabelle Aufschluß: | Im verflüssigten Mageninhalt gefunden in Prozenten | Be | Vene | des nichtkoagulabeln Gesamt-Stickstoffs in Form von suchs- Fleisch- Nr. menge Peptonen und | Albumosen | Peptonen Endprodukten Endprodukten 1 1008 | 564 = ar 43,6 2, 2008 48,7 19,9 31,4 1,3 3. 300 8 32,2 35,0 32,8 67,8 4 4008 | 37,9 30,1 | 32,0 62,1 Die Zahlen zeigen zunächst für jene drei Fälle, in denen die „End- produkte“ gesondert bestimmt wurden, übereinstimmend etwas Zur Kenntnis der Verdauungs- und Resorptionsvorgänge im Magen. 143 mehr als 30 Proz. des Gesamtstickstoffes in dieser Form. Für die „Peptone“ schwanken die Werte zwischen 19 und 35 Proz., für die Albumosen zwischen 32 und 56 Proz. Im Vergleiche mit den oben erwähnten Ergebnissen von Zunz geht daraus hervor, daß der bei intravitaler Verdauung gefundene Wert von etwa % Proz. Albumosen-Stickstoff nicht in einer Beschränkung der Ferment- wirkung seinen Grund hat, sondern in einem gleichzeitig statt- findenden selektiven Resorptionsvorgang, durch welchen die neben den Albumosen entstehenden oder von ihnen abstammenden einfacheren Produkte — Peptone, Peptoide, vielleicht auch krystallinische Endprodukte — sobald ihre Menge eine gewisse Größe (etwa 10 Proz. des Gesamt-N) überschreitet, rasch ent- fernt werden. In obiger Tabelle zeigt sich weiter, daß bei größerer Fleischration die relative Menge der Albumosen kleiner, die der Peptone und End- produkte größer, also die Verdauung weiter fortgeschritten war, was sich vielleicht durch stärkere Anregung zur Sekretion erklären läßt. Die Versuchsreihe ist jedoch zu klein, um in dieser Hinsicht zu weitgehenden Schlüssen zu berechtigen. Im Anschlusse an diese Mitteilung möge eine Notiz über das Pseudopepsin Platz finden. Glaessner*) konnte dieses Ferment durch folgende Merkmale vom Pepsin unterscheiden: Seine Wirkung hat nicht nur bei saurer, sondern auch bei neutraler und schwach alkalischer Wirkung statt und führt zur Bildung von Proteinochromogen. Es ist minder widerstandsfähig als das Pepsin, so daß die von Glaessner geübte Darstellung der Fermente durch Uranylfällung nur zu Pepsinlösungen führt. Die pars pylorica produziert nur Pseudopepsin. — Klug**) hat neuerdings die Existenz des Pseudopepsins bestritten. Im Hinblick auf die Differenz zwischen der Wirkung des Magensekrets in vita und künstlicher Pepsinpräparate in vitro dürfte es nun von Interesse sein, daß auch andere Maßnahmen als die Uranylfällung einerseits bei der beide Fermente be- herbergenden Fundusschleimhaut zu wirksamen Fermentlösungen führen, die die Wirkung des Glaessnerschen Pseudopepsins hicht mehr haben, andererseits bei der nach Glaessner bloß Pseudo- pepsin bildenden Pylorusschleimhaut die Fermentwirkung über- haupt aufheben. Vollständig erreicht man dieses Verschwinden der Pseudopepsinwirkung, wenn man die Schleimhaut nach der Zerkleinerung auf Tonplatten lufttrocken werden läßt und dann mit Quarzsand zu einem feinen vollständig trockenen Pulver zer- *) Glaessner, |. c. **) Klug, Pflügers Archiv 9%. 144 Felix Reach, Zur Kenntnis der Verdauungs- und Resorptionsvorgänge usw. reibt. Bei Behandlung mit Alkohol ist ein ähnlicher Erfolg zu verzeichnen, doch minder vollkommen insofern, als eine mit Alkohol geschüttelte und mehrere Wochen in demselben aufbe- wahrte Pvlorusschleimhaut durch Digestion bei schwach alkalischer Reaktion immer noch ein Extrakt gibt, das koaguliertes Blut- serum (in Mettschen Röhrchen) bei saurer Reaktion merklich verdaut. — Bei kürzer dauernder Behandlung mit Alkohol wird das Pseudopepsin noch weniger zerstört. Es ist zu vermuten, daß der quantitative Unterschied, der hinsichtlich der verschiedenen Verdauungsprodukte zwischen der Verdauung in vita und jener in vitro besteht, wenigstens zum Teil auf der Abwesenheit des Pseudopepsins in den künstlichen Pepsin- präparaten beruht. Jedenfalls ist das Pseudopepsin weiterer Untersuchungen wert. | ; Zur Kenntnis der Ochronose. Von Dr. med. et phil. Leo Langstein. (Aus dem patholog. Institut des Krankenhauses Friedrichshain in Berlin. Vorsteher: Prof. v. Hanseman.n.) Im Jahre 1866 teilte Virchow ') mit, daß er bei einer von ihm obduzierten Leiche eine intensive Schwarzfärbung fast sämt- licher Knorpel gefunden habe. Er gab diesem bisher noch nicht bekannten pathologisch-anatomischen Bild den Namen „Ochronose“. Bis zum heutigen Tage sind außer diesem klassischen Fall Virchows noch fünf weitere bekannt geworden. Dieselben sind beschrieben von Boström ??), von v. Hansemann’°), von Heile *), von Hecker und Wolf°), der letzte aus Wien von Albrecht‘) und Zdarek'). | So genau wir durch die gründlichen Untersuchungen der ge- nannten Forscher über die bei der Ochronose gefundenen ana- tomischen Veränderungen orientiert sind, unsere Einsicht in das Wesen dieses seltenen pathologisch-anatomischen Bildes haben sie nicht gefördert; denn ein tieferes Verständnis desselben kann uns naturgemäß nur das Studium der chemischen Veränderungen gewähren, denen der Knorpel in diesen Fällen unterlag. Ein solches bietet jedoch erst Aussicht auf Erfolg, seit uns die bio- chemische Forschung die Zusammensetzung des normalen Knorpels gelehrt hat, was erst in den 90er Jahren, also lange, nachdem die ersten Fälle von Ochronose beschrieben waren, der Fall war; aller- dings konnten auch vorher gewisse Anhaltspunkte über die chemische Natur des Prozesses, der die Schwarzfärbung der Knorpel hervorrief, durch ein eigentümliches Verhalten des Harns gewonnen werden, das in der Mehrzahl der Fälle sicher vorhanden war und von den Autoren mit dem Namen „Melanurie“ be- zeichnet wurde. Der Harn zeigte nämlich — ich betone dies ausdrücklich — bei der Entleerung eine dunkelschwarze Farbe; nur in zwei Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 10 146 Leo Langstein, Fällen wird angegeben, daß der Harn mit normaler Farbe gelassen und erst allmählich beim Stehen an der Luft tief dunkel wurde. Es muß wundernehmen, daß genauere Untersuchungen über die Natur des die Schwarzfärbung des Harnes bedingenden Körpers nicht vorliegen, wenn man bedenkt, daß einige der Autoren an- geben, das betreffende Individuum habe jahrelang vor seinem Tode dunkelgefärbten Urin entleert; allerdings gewann ja diese anam- nestische Angabe erst ihre Bedeutung durch das Ergebnis der Obduktion, also zu einer Zeit, da es zu einer systematischen Harn- untersuchung meist schon zu spät war. In Betreff der Erklärung des veränderten Chemismus glaubt Virchow an die Verwandtschaft des Farbstoffes mit Hämatin- derivaten; Boström, Heile, Hecker und Wolf reihen ihn in die Gruppe der Melanine. Zu einer anderen Auffassung kamen Albrecht und Zdarek, die den Wiener Fall eingehender unter- suchten. Dieser, während seiner letzten Lebenstage auf der Abteilung von Kovacs beobachtet, entleerte einen dunkel bis schokoladebraun gefärbten Harn, der auf Zusatz von Kupfersulfat dunkelrot wurde. Manchmal soll der Harn auch mit natürlicher Farbe gelassen worden sein und erst beim Stehen nachgedunkelt haben. Als die Obduktion den Befund der Ochronose ergab, wurde der Residualharn (20 cem) von Zdarek im Ludwigschen Laboratorium genauer untersucht. Das Ergebnis war folgendes. Der Harn reduzierte Fehlingscke Lösung und ammoniakalische Silberlösung. *Die wässerige Lösung der durch Ather extrahierten Substanzen gab mit verdünnter Eisenchloridlösung eine rasch verschwindende Grünfärbung. Homogentisin- säure oder Uroleucinsäure darzustellen gelang nicht. Der die Schwarz- färbung bedingende Körper, aus Knorpei und Harn dargestellt, war stick- stoffhaltig und nicht in krystallisiertem Zustand zu gewinnen. Die Unter- suchung der Knorpel auf Chondroitinschwefelsäure zeitigte kein irgendwie verwertbares Resultat. Albrecht und Zdarek nehmen auf Grund der chemischen Untersuchung an, daß bei der Bildung des schwarzen Farb- stoffes in den Knorpeln die Chondroitinschwefelsäure eine gewisse Rolle spielt, indem ein Abkömmling der Alkaptonsäuren (Homo- gentisinsäure und Uroleucinsäure) in einer bis jetzt nicht näher charakterisierten Art und Weise in Verbindung mit diesem charakteristischen Derivat des- Knorpels tritt; die Schwarzfärbung des Harnes leiten die genannten Forscher von der Ausscheidung einer Alkaptonsäure oder eines Derivates derselben ab. Die An- schauung jedoch, daß der schwarze Farbstoff im Knorpel und Harn ein Derivat des Blutfarbstoffs oder den Melaninen verwandt sei, weisen sie von der Hand. Zur Kenntnis der Ochronose. 147 Nach dieser Auffassung ist die Ochronose das pathologisch anatomische Bild der von Baumann‘) entdeckten interessanten Stoffwechselanomalie, der Alkaptonurie. Nicht vereinbar mit dieser Auffassung ist das im folgenden mitzuteilende Resultat der Untersuchung eines Harnes, der einem Falle von Ochronose entstammt. Ich verdanke denselben der großen Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. v. Hansemann, auf dessen An- regung ich die Untersuchung ausführte. Der Harn entstammte dem von v. Hansemann beschriebenen Fall von Ochronose, bei dem auch während des Lebens Melanurie bestand. Der Harn, in einer zugeschmolzenen Glasröhre aufbewahrt, war tintenschwarz gefärbt. Er reduzierte weder Fehling- sche Lösung noch ammoniakalische Silberlösung; durch Äther ließ sich keine Substanz extrahieren, die mit Eisenchlorid in der für Alkaptonsäuren charakte- ristischen Weise reagierte Homogentisinsäure und Uroleueinsäure ließen sich aus dem Harne nicht dar- stellen. Es fehlten also sämtliche Merkmale, die der Harn eines Alkaptonurikers zeigt. Schon die Färbung des Harnes war eine andere als die eines noch so lange aufbewahrten Alkaptonharns, der mir zum Ver- gleich glücklicherweise zur Verfügung stand und die Reaktion mit Eisenchlorid wie die Reduktionsproben in ausgesprochenster Weise zeigte. Die Farbe des Harns, der in dem von Hanse- mannschen Falle zur Ausscheidung gelangte, ähnelte mehr der einer Flüssigkeit, die Eiweißmelanine enthält. Hier war die Melanurie also sicherlich nicht durch die Ausscheidung einer Alkaptonsäure bedingt, und wir werden uns auf Grund dieses Er- gebnisses zu fragen haben, in wieweit die Anschauung Albrechts und Zdareks von einem engen Zusammenhang zwischen Alkap- tonurie und Ochronose zu Recht besteht. Eigentlich sprach in dem Wiener Fall nur eine einzige Re- aktion dafür, daß eine der beiden für Alkaptonurie charakteristischen Dioxysäuren mit dem Harn entleert wurde: das ist die Grün- färbung, die der Harn bei der Mischung mit verdünnter Eisen- chloridlösung annahm. Hingegen mißlang die Darstellung der Alkaptonsäuren, die auch bei Anwesenheit geringer Mengen immer zu einem Resultat führt, und die die Schwarzfärbung bedingende Substanz erwies sich als stickstoffhaltig. Die Reduktion im Sinne der Anwesenheit der Dioxysäuren zu verwerten, geht nicht an, da dieselbe nicht dem in den Äther übergegangenen Anteil des Harnes zukam, sondern dem nicht ätherlöslichen Rückstand. 10* 148 Leo Langstein, Aus alledem, zusammengehalten mit den Ergebnissen meiner Harnuntersuchung, geht wohl hervor, daß die Annahme einer genetischen Beziehung zwischen Alkaptonurie und Ochronose in den beobachteten Tatsachen kaum Rückhalt findet. Die Frage nach dem Wesen der Ochronose bleibt nach wie vor eine offene. Sich durch Ineision auf den Knorpel bei Alkaptonurie un- mittelbar Anschauung von dem Zustand derselben zu verschaffen, dürfte selten möglich sein. Infolge eines günstigen Zufalls kann ich aus eigener Erfahrung an einem von mir an der medizinischen Klinik in Basel viele Wochen lang beobachteten Fall mitteilen, daß die Ohrknorpel nicht die geringste Veränderung, nicht die Spur einer Verfärbung, aufwiesen*). Gegen den engen Zusammen- hang zwischen Alkaptonurie und Ochronose spricht ferner der Um- stand, daß bisher kein einziger Fall von jener beschrieben wurde, indem der Harn bei der Entleerung eine dunkle Farbe zeigte, — eine Angabe, die sich bei den bisher bekannt gewordenen Fällen von Ochronose verhältnismäßig häufig findet. Der Annahme Albrechts, daß es sich bei der Ochronose um eine Stoffwechselanomalie handelt, wird man vollkommen bei- stimmen müssen; ob die Alkaptonurie dabei eine Rolle spielt, ist nicht ausgemacht. Ich neige mehr der Anschauung zu, daß wir es mit einer pathologischen Melaninbildung zu tun haben und zwar sowohl auf Grund der Beschaffenheit des von mir untersuchten Harnes, als auch wegen der nach anderer Richtung hin negativ verlaufenen Untersuchungen. Zur Stütze dieser Annahme können die neueren Forschungen her- angezogen werden, die sich mit der Melaninbildung aus Eiweiß befassen. In dieser Hinsicht besonders wichtig sind die Beobachtungen, die gezeigt haben, daß sich die Melanine im tierischen Organismus durch Ferment- wirkung bilden können. Ich erinnere nur an die interessanten Befunde von v. Fürth und Schneider®°), daß sich durch tierische Tyrosinase aus Tyrosin ein melaninähnliches Pigment bildet, sowie an das Experi- ment Pribrams!°), der durch frisch entnommenen Tintenbeutel von Sepia offieinalis Tyrosin in schwarzes Pigment überführte. Man könnte auch bei der Ochronose an eine fermentative Melaninbildung aus Tyrosin oder einer der anderen melaninbildenden Gruppen des Eiweißmoleküls, über die wir nun durch die Arbeiten Samuelys'!) genauer orientiert sind, denken. Die Färbung der Knorpel selbst beruht ja, wie v. Hanse- mann gezeigt hat, auf einer Imbibition mit dem gelösten Farbstoff, der wohl einem abnormen Verlauf des intermediären Stoffwechsels seine Ent- *) Ich glaube nicht, daß die Alkaptonurie eine so seltene Stoffwechsel- anomalie ist, daß bisher nur sechs Fälle zur Sektion gelangten. Bedenken wir doch, welch große Anzahl von Fällen mit Alkaptonurie allein von englischen Forschern gesehen wurde. Zur Kenntnis der Ochronose. 149 stehung verdankt und sich durch Imbibition eben dort anhäuft, wo ein träger Stoffwechsel existiert, wie in Knorpeln, Sehnen, elastischen Mem- branen u. Ss. w. Literatur. 1) Virchow, Virch. Arch. 1866, 37, 217. 2) Boström, Festschrift für Virchow 2, 179. 3) v. Hansemann, Berlin. klin. Wochenschr. 1892, S. 27. *) Heile, Virch. Arch. 160, 448, 4 u. 5. °5) Hecker u. Wolf, Festschr. zur Feier des 50jähr. Bestehens d. Stadt-Krankenh. zu Dresden. 6) Albrecht, Zeitschr. f. Heilkunde. 1902, S. 366. ?) Zdarek, Zeitschr. f. Heilkunde. 1902, S. 377. ®) Baumann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 15, 228. ®) v. Fürth u. Schneider, Diese Beiträge 1, 229 f. 10) Pribram, H., Diese Beiträge 1, 241. !l) Samuely, Diese Beiträge 2, 355. xl, Der Brechungskoeffizient der Eiweißkörper des Blutserums. Von Dr. Emil Reiss. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.) Zur Differenzierung der Eiweißkörper des Blutserums wurde in letzter Zeit vorwiegend die Methode der fraktionierten Salz- fällung herangezogen. Man erhielt auf diese Weise drei Globulin- fraktionen, die — in vieler Beziehung einander gleich — sich immerhin durch einige Eigenschaften als chemisch verschieden erwiesen. In der Serumalbuminfraktion konnte ein krystallisieren- der Bestandteil von einem amorph ausfallenden unterschieden werden, Zur genaueren Oharakterisierung dieser einzelnen Körper erschien die Prüfung weiterer physikalischer Eigenschaften von Interesse. | Obwohl die starke Lichtbrechung der Eiweißkörper schon seit längerer Zeit bekannt ist, wurde sie doch unseres Wissens bisher nicht als Unterscheidungsmerkmal benutzt. Die Größe der Lichtbrechung wird bekanntlich ausgedrückt durch den Brechungs- koeffizienten. Sein Wert steht in enger Beziehung zum Atom- bezw. Molekulargewicht. Verschiedenartige Verkettung, Ionisierung und andere Momente haben auf ihn jedoch einen so bedeutenden Einfluß, daß nur in homologen Reihen eine wirkliche Regel- mäßigkeit zu erkennen ist. Körper von ganz verschiedenem Mole- kulargewicht können daher den gleichen Brechungsexponenten haben und umgekehrt. Verschiedene Brechungskoeffizienten zweier Körper zeigen jedoch stets deren Verschiedenheit an. Die Untersuchungen wurden mit dem Pulfrichschen . Eintauchrefraktometer ausgeführt, das eine genaue Temperatur- regulierung ermöglicht. Die Darstellung der verwendeten Eiweißkörper geschah durch Fällung mit Ammonsulfat. Der Brechungskoeffizient der Eiweißkörper des Blutserums. 151 Um die möglichste Reinheit der einzelnen Fraktionen zu sichern, wurden diejenigen prozentualen Anteile, bei welchen zwei benachbarte Körper gemeinsam ausfallen, ausgeschaltet. Z. B.: Euglobulin ist erst bei 36 Proz. Ammonsulfatsättigung ausgefällt, Pseudoglobulin I beginnt aber schon bei 32 Proz. sich abzuscheiden. Es wurde daher der Niederschlag von 32 bis 36 Proz. beseitigt. So erhielten wir als Euglobulin eine bis 32 Proz., als Pseudoglobulin I eine von 36 bis 39 Proz., als Pseudo- globulin II eine von 42 bis 50 Proz. ausfallende Fraktion, Die so er- haltenen Substanzen wurden in destilliertem Wasser gelöst, noch zwei- mal umgefällt und dann 4 bis 6 Wochen gegen Leitungswasser dialysiert. Aus dem Filtrat des mit Ammonsulfat halbgesättigten Serums wurde das kristallisierte Albumin durch vorsichtigen Zusatz von !/s Normal- Schwefelsäure gewonnen und noch zweimal umkristallisiert. Die von Kristallen befreite Albuminlösung wurde als amorphes Albumin be- trachtet, obwohl anzunehmen war, daß sie noch geringe Mengen kristallisierten Albumins enthielt. Die beiden Albumine wurden gleich- falls 4 bis 6 Wochen der Dialyse unterworfen. Das Euglobulin mußte nach der Dialyse behufs der Unter- suchung durch Salzzusatz gelöst werden. Es geschah das bei einer Probe durch Zufügen einer gemessenen Menge konzentrierter Kochsalzlösung. Mit destilliertem Wasser wurde eine gleichprozentige Kochsalzlösung hergestellt und in beiden Lösungen die Lichtbrechung untersucht, Die Differenz mußte den Ausschlag des Brechungsexponenten für Eiweiß darstellen. Zu einer anderen Euglobulinprobe wurde Kochsalz in Substanz zu- gefügt, der Salzgehalt der Lösung quantitativ bestimmt, und dieser Wert, in den Brechungskoeffizienten umgerechnet, von der Gesamtbrechung der Lösung abgezogen. Bei den übrigen Eiweißkörpern konnte ohne weiteres die Be- stimmung des Brechungsexponenten vorgenommen werden. Um den Wert für reines Eiweiß zu erhalten, mußte hiervon der Brechungsanteil der Salze abgezogen werden. Es wurde daher, nachdem festgestellt war, daß die Lösungen kein Ammonsulfat mehr enthielten, ihr Salzgehalt bestimmt. Das geschah durch Erhitzen bis zur Verköhlung, dann Auslaugen und Veraschen nach bekannter Methode Es ergab sich, daß der Salzgehalt der Lösungen mit ihrem Eiweißgehalt abnahm, also bei der Dialyse von einer größeren Eiweißmenge auch eine größere Salzmenge zurückgehalten worden war. Die Lösungen, deren Eiweißgehalt ein geringer war, entsprachen in ihrem Salzgehalt dem Leitungswasser. Es wurde daher für diesen der Brechungs- exponent des Leitungswassers in Rechnung gesetzt. Auch hielten wir uns für berechtigt, dementsprechend den Brechungsexponenten des Salzgehalts höherprozentiger Lösungen zu berechnen. Wenn- gleich wir nicht sicher wissen konnten, ob die Zusammensetzung der Salze dieser Lösungen wirklich derjenigen im Leitungswasser entsprach, so waren doch, zumal es sich um sehr kleine Werte 152 Emil Reiss, handelte, keine in Betracht kommenden Abweichungen zu be- fürchten. Sämtliche Eiweißbestimmungen wurden nach Fällung mit 3 bis 4 Volumen Alkohol und einstündigem Erhitzen auf etwa 80° durch Trocknen und Wägung vorgenommen. Hiernach wurde unter Abzug der Asche der Brechungsindex für 1 Proz. Eiweiß berechnet. Wo die Menge der Lösung ausreichte, wurde auch die optische Aktivität untersucht. In allen Fällen wurden Doppelbestimmungen gemacht. Um ein Beispiel der außerordentlichen Exaktheit der Methode zu geben, lassen wir eine genauere Tabelle der Bestimmung des kristallisierten Serumalbumins folgen. Es wurden hier Verdünnungen im Verhältnis von ?/s und ”s der Stammlösung mit Leitungswasser hergestellt. Die Ungenauigkeiten der Verdünnung wurden vom Brechungskoeffizienten deutlich angegeben. Aus‘ der Differenz des Brechungskoeffizienten, sowie des Eiweiß- und Salzgehalts der drei Lösungen und des Brunnenwassers wurde der Ausschlag des Brechungskoeffizienten für 1 Proz. Eiweiß berechnet. nD der| Diffe- | Salz | MD der| Diffe- Br Eiweiß. EBENE iR Bi Lösung | renz | gehalt | Salze | renz ii gehalt | renz Br Fi 1,83551 0,04200/,, 1,83833 1,0730 %, 0,00071 0,00004 | 0,00067 0,8240%/,| 0,00201 ne 1,33480 0,0312%,, 1,83329 0,1490 9, RR use 0,00077 0,00002 | 0,00075 0,3745 %,, 0,00200 en 1,33403 0,0232°/,, 1,33327 0,8745 9%, a S 0,00078 | 0,00002 | 0,00076 0,3745 %,,| 0,00203 ee 1,33325 0,0162%,, 1,33325 0 Die gute Übereinstimmung der Endresultate in den drei Bestimmungen beweist eine außerordentliche Genauigkeit der Methode. In gleicher oder ähnlicher Weise wurden sämtliche Eiweißfraktionen des Blutserums untersucht und folgende Resultat erhalten: Euglobu- | Pseudo- Pseudo- Te Amorphes | Gesamt- lin globulin I | globulin II ER Albumin eiweiß Anteil von un für 1°/, | 0,00230 | 0,00224 | 0,00230 | 0,00201 | 0,00183 | 0,00172 Eiweiß Spezifische Ei 99 ar 0 re 0 Dreh 5 61,5° | -——- 33,3 Der Brechungskoeffizient der Eiweißkörper des Blutserums. 153 Die Tabelle zeigt zunächst, daß die Globuline das Licht stärker brechen als die Albumine. Unter letzteren ist wieder das kristallisierte Albumin das stärker lichtbrechende. Da die Lösung von amorphem Albumin wahrscheinlich Beimengungen des kri- stallisierten enthielt, dürfte der Brechungsindex für das reine amorphe Albumin noch etwas niedriger zu setzen sein. Dagegen weisen die Globuline untereinander keine wesentlichen Unter- schiede auf. Bei der Bestimmung des Pseudoglobulin I mußte mit einer sehr stark verdünnten Lösung operiert werden und daher mag die Berechnung etwas ungenau ausgefallen sein. Indes ist die beobachtete Abweichung nicht groß genug, als daß darin ein Unterschied gegen die anderen Globuline gefunden werden könnte. Die Erwartung, die einzelnen Globulinfraktionen durch ihr Lichtbrechungsvermögen unterscheiden zu können, hat sich also nicht erfüllt. Würden bedeutendere Verschiedenheiten zwischen ihnen bestehen, so müßten sie bei den so nahe ver- wandten Körpern im Brechungskoeffizienten zum Ausdruck kommen. Es ist daher die Schlußfolgerung gegeben, daß die Unterschiede zwischen den einzelnen Globulinen derart sind, daß sie in der physikalischen Eigenschaft der Lichtbrechung nicht zu Tage treten. Das stimmt mit allem, was wir sonst über die Zusammen- setzung und das reaktionelle Verhalten der Globuline wissen, überein. Diese Momente würden an sich eine Unterscheidung derselben nicht ermöglichen*). Auf die anscheinend großen Differenzen, die bezüglich der optischen Aktivität gefunden wurden, möchten wir keinen Wert legen, weil hier die Methodik zu große Fehler in sich schließt. Die Tatsache, daß Lysine, Toxine, Prä- zipitine mit bestimmten Globulinfraktionen ausfallen, ist kein Be- weis für die Verschiedenheit dieser Fraktionen. Diese in so be- stimmter Weise wirksamen Substanzen haben mit den Globulinen nur die Eigenschaft gemein, sich bei einem bestimmten Salzgehalt, und zwar dem Eiweißniederschlag anhaftend, abzuscheiden. Daß sie an die Globuline nicht fest gebunden sind, beweist die in ver- schiedenen Fällen ganz ungleich große Ausbeute. Als Unter- scheidungsmerkmal der Globuline unter sich bleibt somit in der Hauptsache nur die Fällbarkeit durch verschieden hohe Salz- konzentrationen übrig. Die in der letzten Spalte der Tabelle aufgeführte Zahl gibt den Anteil des Brechungsexponenten für 1 Proz. Gesamteiweiß wieder. Sie ergab sich mit großer Konstanz aus der Untersuchung von Menschen- sowie von Pferdeblutserum. Merkwürdigerweise *) Vgl. Porges und Spiro, Diese Beiträge 3, 284 ff, 154 Emil Reiss, Der Brechungskoeffizient der Eiweißkörper des Blutserums. liegt sie niedriger als alle anderen Werte; das Gesamteiweiß hat also eine geringere Lichtbrechung als die einzelnen durch die Salz- fällung gewonnenen Eiweißteille.e Zur Erklärung wäre zunächst daran zu denken, daß das Serum eine klare Lösung darstellt, während die isolierten Globuline im Wasser anscheinend nur feine Suspensionen bilden. Indessen hat nach allen Erfahrungen eine Substanz in Suspension eine geringere und nicht wie hier eine größere Lichtbrechung als in Lösung. Ferner ist der Brechungs- index des kristallisierten Serumalbumins, das eine schöne Lösung darstellt, immer noch höher als der des Gesamteiweiß. Die Er- klärung dieses scheinbaren Widerspruchs muß daher weiterer Untersuchung vorbehalten bleiben. XII. Über die Wirkungsweise des Trypsins. Von Moritz Schwarzschild (Köln). (Aus dem physiolog.-chemischen Institute zu Straßburg.) I. Um über den Mechanismus der tryptischen Eiweißverdauung Aufschluß zu erhalten, stellte Gulewitsch*) in Kossels Laboratorium eine Reihe von Versuchen an, in denen er Trypsin auf einfach gebaute, ihrer Konstitution nach wohlbekannte chemische Körper einwirken ließ. Die hierbei verwendeten 19 Verbindungen lieferten ein negatives Resultat, insofern es Gulewitsch nicht gelang, eine Spaltung der betreffenden Körper nachzuweisen. Nur in Versuchen mit p-Diacetylamidophenol war die abgespaltene Menge Essigsäure in den Trypsinversuchen größer als in den Kontrollversuchen. Diese interessanten Versuche wurden von Gulewitsch nicht fortgeführt. Daher habe ich auf Vorschlag Herrn Professor Hofmeisters es unternommen, eine Reihe anderer Körper nach dieser Richtung hin zu untersuchen**), Namentlich sind es zwei ‘Gruppen von Verbindungen, die herangezogen wurden, einerseits Säureamide, andererseits Biuretreaktion gebende Substanzen, letztere besonders deshalb, weil die Vermutung gerechtfertigt erschien, daß dieselben in ihrem Bau Ähnlichkeit mit den Peptonen ‚besitzen. Es kamen zur Untersuchung: Asparagin, Acetamid, Harn- stoff, Benzamid, Oxamid, Biuret, Oktaspartsäure, die Curtiussche Glycinbase, Malondiamid, Glycinamid, Äthyloxamid, Amido- *) Zeitschrift f. physiolog. Chemie 27, 540. **) Die Versuche sind inr Frühjahre 1901 begonnen worden und waren Juli 1902 im wesentlichen beendet. Sie wurden in Hofmeisters Vortrag „Über den Bau des Eiweißmoleküls“ auf der 74. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Karlsbad 1902 sowie in dessen Arbeit „Uber Bau und Gruppierung der Eiweißkörper“ in den „Ergebnissen der Physiologie“, Wiesbaden 1902 kurz erwähnt. Auf eine im Herbste 1902 publizierte Arbeit von Dr. Gonnermann, in welcher dieser neben der Wirkung anderer Fer- mente auch jene des Trypsins auf Amide untersuchte, komme ich weiter unten mit einigen Worten zurück. 156 Moritz Schwarzschild, oxalazid, Monophenyloxamid. Außerhalb dieser Reihe wurden noch untersucht: Hippursäure und Piperazin. Die Präparate wurden teils von Merck bezogen, teils von mir dargestellt. Die Reinheit der von Merck bezogenen Präparate wurde durch Feststellung des Schmelzpunktes geprüft. Proben der fünf letzten oben genannten Körper aus der Reihe der Biuret- reaktion gebenden Säureamide verdanke ich dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn Professor Schiff in Florenz, welcher sie dem hiesigen Laboratorium zur Verfügung stellte und dem ich hiermit meinen ergebensten Dank ausspreche. Gewinnung des Trypsins. Schwierig gestaltete sich zum Teil die Darstellung eines ge- eigneten Trypsinpräparates. Während nämlich das von Grübler bezogene Trypsin, das ich weiterhin als Trypsin A bezeichnen werde, sich bei den Amiden für die Versuchsanordnung als brauchbar erwies, konnte ich dasselbe nicht benutzen zur Ent- scheidung der Frage, ob die die Biuretreaktion gebenden Körper gespalten seien oder nicht. Denn die Trypsinpräparate, die ich in Händen hatte, gaben selbst mehr oder minder deutlich die Biuretreaktion. Ich ging deshalb darauf aus, selbst ein Trypsin- präparat darzustellen (Trypsin B), das einerseits keine Biuret- reaktion geben, andererseits frei sein sollte von anderen Fermenten. Zur Darstellung eines solchen erwies sich die Üranylacetatmethode, die von Jacoby“) zuerst angewandt, dann auch von Glaessner**) und Rosell***) mit Erfolg benutzt worden war, als geeignet. Es gelang mir zwar trotz vieler Versuche, die wiederholt und in den verschiedensten Modifikationen ausgeführt wurden, nicht, ein Präparat darzustellen, das völlig frei war von Kohlehydrat — die Reaktion nach Molisch war immer positiv —, erreichte aber doch, daß dasselbe absolut frei war von jeglicher Spur von Biuret- reaktion. Sehr wichtig war es ferner, das Trypsin von den übrigen Pankreasfermenten zu befreien. Bereits Rosell hatte gefunden, daß bei Anwendung der Uranylacetatmethode das diastatische Ferment zerstört wird, auch das lipolytische erhielt er nicht immer. Indem ich nun außerdem noch die Autolyse benutzte, erhielt ich eine Trypsinlösung, die stets frei war von diastatischem und lipolytischem Fermente. Die Darstellung gestaltete sich folgendermaßen: 10 Rinderpankreas wurden zu feinem Brei zerhackt, mit wenig Natriumbikarbonat versetzt und mit Toluol überschichtet. Das Gemenge *) Zeitschr. für physiolog. Chemie 30, 135. **) Diese Beiträge 1, 1. ***) Inaugural-Dissert. Straßburg 1901. Über die Wirkungsweise des Trypsins. 157 wurde auf der Schüttelmaschine gut durchgeschüttelt und dann während 5 bis 6 Tagen der Autodigestion überlassen. [Es stellte sich dabei heraus, daß, je länger die Autodigestion anhielt, um so unwirksamer die Trypsin- lösung wurde. Dauerte die Selbstverdauung länger als 10 Tage, so war das Trypsin zerstört.] Nach dieser Zeit wurde koliert und so lange filtriert, bis eine klare Flüssigkeit resultierte. Diese enthielt noch reichlich Eiweiß. Um letzteres zu entfernen, wurde die Flüssigkeit mit gesättigter Uranylacetatlösung und dann sofort, um die Reaktion alkalisch zu erhalten, mit Natriumphosphat versetzt. Es entstand ein voluminöser Niederschlag, der das Trypsin enthielt. Von diesem wurde abfiltriert, der Filterrückstand in der Reibschale mit 0,2-proz. Natriumkarbonatlösung ausgezogen. Dabei geht sämtliches Ferment in die Karbonatlösung über. Um eine möglichst gut wirkende Fermentlösung zu erhalten, ist es notwendig, den Nieder- schlag mindestens 12 Stunden mit der Karbonatlösung stehen zu lassen. Das Filtrat ist dann sehr wirksam. Die Verdauungskraft der so dargestellten, keine Biuretreaktion dar- bietenden l,ösungen wurde regelmäßig geprüft, indem ich 5 ccm derselben unter Toluol auf ein Mettsches Röhrchen, das koaguliertes Pferdeblut- serum *) enthielt, einwirken ließ. Meine Trypsinlösungen pflegten bei 40° in 24 Stunden 8 bis 10 mm der Eiweißsäule zu lösen. II. Versuche. Die Versuche betrefis Einwirkung des Trypsins auf die zu untersuchenden Stoffe wurden so angestellt, daß etwa 0,1 bis 0,3 g Substanz mit 5 bis 10 ccm Trypsinlösung versetzt und mit Toluol überschiehtet wurden. Um sicher zu sein, daß nur das Trypsin eine etwa eingetretene Spaltung bewirkt hatte, wurden regelmäßig Kontrollversuche derart angestellt, daß dieselbe Menge Substanz mit 5 bis 10 cem der gleichen Trypsinlösung, nachdem sie '/» Stunde lang am Rückflußkühler gekocht hatte, zusammengebracht wurde. Die Mischungen wurden im Brutofen in Reagenzgläsern oder kleinen Kölbehen digeriert. Über die Art und Weise, nach der auf eine etwa eingetretene Spaltung geprüft wurde, werde ich besonders bei den einzelnen Gruppen der Stoffe berichten. 1. Hippursäure. Im Laboratorium von Nencki hatte Blank**) gefunden, daß Hippursäure durch Trypsin in Benzoesäure und Glykokoll sich zerlegen lasse. Dagegen gelang es Gulewitsch***) nicht, eine solche Spaltung zu beweisen. Gulewitsch vermutet, daß das Trypsinpräparat Blanks mit dem fettspaltenden Fermente ver- unreinigt gewesen sei. Auch mir gelang es nicht, die Spaltung der Hippursäure zu erreichen. *) Vergl. Glaessner, loc. eit. **) Archiv f. experim. Pathologie 20, 377. ***) Zeitschr. f. physiolog. Chemie 27, 540. 153 Moritz Schwarzschild, 0,5 g hippursaures Natrium wurden mit 15 cem Trypsinlösung — die Versuche wurden sowohl mit Trypsin A als mit Trypsin B wiederholt angestellt, — unter Zusatz von Toluol während 48 Stunden digeriert. Dann wurde filtriert, das Filtrat mit Schwefelsäure angesäuert und mit Petroläther gut ausgeschüttelt. Nach Verdunstung des Petroläthers ver- blieb nur ein ganz geringer Rückstand, der keine Benzoesäurekristalle erkennen ließ. Es blieb nun noch die Möglichkeit, daß irgend ein anderes Ferment des Pankreas, das vielleicht von den Zellen selbst eingeschlossen wird, diese Zerlegung herbeiführt. Um dies zu erfahren, setzte ich zu 0,5 g hippursauren Natriums frisch erhaltenes, klein gehacktes Pankreas und überließ die Mischung während 2 bis 8 Tagen der Digestion. Mit dem Filtrate wurde, wie oben angegeben, verfahren. Benzoesäure erhielt ich in keinem der zablreich angestellten Versuche. 2 bis 6. Asparagin, Acetamid, Harnstoff, Ba Piperazin. Bei der Untersuchung dieser Körper ging ich von der Er- wägung aus, daß, falls durch Einwirkung des Trypsins Ammoniak abgespalten wird, dieser sich durch Destillation mit Magnesia im Vakuum bestimmen läßt. Vorversuche zeigten, daß die betreffenden Körper für sich mit Magnesia im Vakuum destilliert, keinen Stick- stoff abspalten — eine Ausnahme bildet nur das Oxamid — wohl aber die angewandten Trypsinpräparate. Versuchsanordnung. Zur Bestimmung des locker ge- bundenen Stickstoffs erhitzte ich die zu untersuchende Mischung mit Magnesia und fing das ausgetriebene Ammoniak über !/ıo Norm.- Schwefelsäure auf. Bei Zusatz von Magnesia zu der zu destil- lierenden Flüssigkeit ist große Vorsicht geboten, da Trypsin A, wenn ihm Magnesia zugesetzt wird, bereits in der Kälte Ammoniak entwickelt. Ich benutzte hierbei einen Apparat, der ähnlich dem von Nencki*) angegebenen konstruiert war. Um die Destillation schnell und vollkommen vor sich gehen zu lassen, leitete ich durch den die Flüssigkeit aufnehmenden Kolben in langsamem Strome Luft, die ich noch in vorgelegter Schwefelsäure wusch. Die Temperatur bei der Destillation überstieg nie 45°, a) Versuche mit Trypsin A. a) Kontrollversuch. Gewichts- | Ausgetriebener Präparat Dauer der Dig. Be | N in Proz. Mittelwert Trypsin A _ 0,3828 18,54 Trypsin A E= 0,4198 18,54 18,57 Proz. Trypsin A | 38 Stunden 0,4146 18,64 *) Archiv f. experim. Pathol. 36, 385. Über die Wirkungsweise des Trypsins. 159 P) Hauptversuch. | | Ausgetriebener N in Proz. Präparat Dauer der Dig. | Gewichtsmenge berechnet auf das ver- | wendete Trypsin 1 0,3663 Be Ze 38 Stunden 0.1457 19,09 | ın ’ e T : an AN 19,29 Proz. rypsin | ‚42 . ut 19,49 Asparagin J > 0,2827 Trypsin A) | 0,3761 4 18,91 Acetamid [ 2 0,4889 Trypsin A] 0,4445 #7 18,53 Harnstoff | | age 0,3112 Trypin A 0,5291 18.60 Benzamid | ge | 0,4149 : b) Versuche mit Trypsin B. a) Kontrollversuch. Gewichtsmenge Dauer der Dig. BEER: m. eg verwendeten Trypsins 0,1255 6 Wochen 2,23 0,1255 | 8 Wochen 1,90 0,1255 | 3 Monate 0,78 \ 0,1255 aaa en > From Bei den Versuchen mit Trypsin B wurde, um genaue Zahlen zu erhalten, das Trockengewicht von 5 ccm genau abgemessener Ferment- lösung bestimmt, das sich im Mittel auf 0,1255 g stellte. Es ergab sich, wie aus obiger Tabelle ersichtlich ist, daß die Menge des abspaltbaren Ammoniaks abnahm, je länger man die Lösung der Digestion überließ. 8) Hauptversuch. | | Ausgetr. N in | Präparat Dauer der Dig. | Gewiehts- | Proz. des Be Mittelwert menge wendeten Tryp- sins Trypsin B | 0,1255 | | | 09 Asparagin | Br Wachen. | 0,3321 2,23 Proz T B | 2,09 Proz. rypsin 8. aa RE Asparagin 6 Wochen 0,5670 | 1,95 Proz. | Trypsin B | 0,1255 | en je Piperazin ı 3 Monate 0,1218 | 0,78 Proz. T nB | | 0,83 Proz. rypsin | | 0,1255 Piperazin | 3 Monate | 0.1317 | 0,89 Proz. 160 Moritz Schwarzschild, 7. Oxamid. Da es sich herausstellte, daß Oxamid selbst, mit Magnesia destilliert, bereits Ammoniak abspaltet, so stellte ich die Versuche derart an, daß ich zu gleicher Zeit Oxamid mit wirksamem und mit abgetötetem Trypsin B der Digestion unterwarf, beide Proben unter genau denselben Verhältnissen hielt und auf dieselbe Weise später destillierte. Ich teile nachstehend eine derartige Versuchsreihe mit. | SER Abge- Abge- Abge- Pränarat Gewichts- PETE spaltener N spaltener N |spaltenerN Dauer der l menge „SP. des Tryp- | des Oxa- | des Oxa- | Digestion Ning ER ne TOR 2 sins ing | midsing | mids in %, : 9 ' Re RER ir re 0,02226 | 0,00084 | 0,02142 11,76 |3 Monate Oxamid + | 0,1536 unwirksames 0.1055 0,01820 | 0,00084 | 0,01736 11,30 ‚3 Monate Trypsin B SE Aus der Betrachtung dieser Tabellen geht hervor, daß es nicht gelang, Ammoniak durch Trypsin aus den Amiden abzuspalten. 8. Oktaspartsäureanhydrid. E. Schaal*, hat durch längeres Erhitzen von salzsaurem Asparagin im Kohlensäurestrom zwei Verbindungen erhalten, welche er als Anhydride der Asparaginsäure erkannte von der Zusammensetzung (ds Hu. u (07 =: 4 GENDER H,O Ca Hs N Or, =8C,H, NO, — 15 H,O H. Schiff**) gab dann eine bequemere Methode zur Darstellung dieser Anhydride, die er als Oktaspartid und Tetraspartid be- zeichnet. Man erhitzt trockene Asparaginsäure etwa 20 Stunden lang im Ölbad auf 190 bis 200°. Oberhalb 200° tritt schwache Gelb- färbung ein. Das Rohprodukt wird dann mit der zehnfachen Menge Wasser ausgekocht. Dann bleibt das Oktaspartid ungelöst. Aus der kochend abfiltrierten Flüssigkeit scheidet sich beim Er- kalten das Tetraspartid als sehr feines Pulver ab. Beim Ein- dampfen erhält man eine weitere kleinere Menge desselben. Weiter fand dann H. Schiff, daß die stark konzentrierte Flüssig- keit noch zwei weitere Verbindungen enthielt, die er als Oktaspartsäure Ca» H» Ns O0, = 8C.H; NO, — 7 H,O und Tetraspartsäure Cie Has N, O1: = 46, H; NO, — 3H, OÖ ansprach. *) Ann. d. Chemie 157, 26 (1872.) **) Ber. d deutsch. chem. Ges. 30, 3, 2449. Über die Wirkungsweise des Trypsins. 161 E. Grimaux*) fand 1882, daß die Schaalschen Aspartide in Kali gelöst und mit wenig Kupfersulfat versetzt, die sog. Biuret- reaktion geben. Da nun nach Schiff die Polyaspartide mit Kali die Salze der entsprechenden Aspartsäuren bilden, so kommt die Biuretreaktion diesen letzteren zu. Nach Vorschrift Schiffs stellte ich mir ein Präparat des Oktaspartid durch Erhitzen im Autoklaven her. Die Biuretreaktion, die das Präparat zeigte, war aber zu gering, um, allein auf das Verschwinden derselben gestützt, die Frage zu beantworten, ob eine Spaltung eingetreten sei. (An einem von Prof. Schiff mir gütigst überlassenen Präparate wurde auch diese zum Maßstabe genommen.) Nun aber gibt das Oktaspartid, mit Kupferkarbonat gekocht, kein Kupfersalz, während Asparaginsäure, in die ja die Polyaspartsäuren gespalten werden mußten, ein charakteristisches Kupfersalz liefert. Versuch 1. 0,5 g Oktaspartid wurden mit 15 cem einer Trypsinlösung B unter Toluol in den Brutschrank gebracht. Nach 4 Wochen wurde das Ge- löste vom Ungelösten abfiltriert, vom Toluol befreit und mit Kupfer- karbonat gekocht, filtriert, eingeengt und erkalten gelassen. Es scheiden sich keine Kristalle ab. Versuch 2. Dieselbe Anordnung wie bei 1, mit demselben negativen Resultate, Auch eine Versuchsreihe mit Pepsin-Salzsäure lieferte ein nega- tives Resultat. Bei Versuchen mit ausgesprochen die Biuretreaktion gebenden Körpern suchte ich eine eingetretene Spaltung der betreffenden Körper dadurch nachzuweisen, daß ich ermittelte, ob die Biuret- reaktion verschwunden sei oder nicht. Es wurden etwa 0,1 bis 0,3 g Substanz mit 5 ccm Trypsin B versetzt und zur Kontrolle dieselbe Substanzmenge mit 5 ccm abgetöteter Trypsinlösung der Digestion überlassen. Die Prüfung auf Vorhandensein der Biuretreaktion wurde möglichst quantitativ gemacht, um vergleichbare Versuchs- resultate zu erhalten: Es wurden zu genau 1 cem der Lösung in der Regel 3 Tropfen Natronlauge und 1 bis 2 Tropfen verdünnter Kupfersulfatlösung zugesetzt. 9. Biuret. Gulewitsch**) hat bereits angegeben, daß die Biuretreaktion des mit Trypsin digerierten Biurets selbst bei dreimonatlicher Digestion nicht verschwindet. Bei meinen Versuchen, in denen *) Bull. soc. chim. 38, 69 (1882). **) Zeitschr. f. physiolog. Chemie 27, 551. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 11 162 Moritz Schwarzschild, ich ebenfalls 3 Monate lang das Trypsin B auf Biuret einwirken ließ, kam ich zu demselben negativen Resultate. 10 bis 11 (8). Malondiamid, salzsaures Glycinamid, Okta- spartsäureanhydrid. Das sauer reagierende Glycinamid wird durch Natriumkarbonat zuerst alkalisch gemacht. Nach 5 Wochen dauernder Trypsin- einwirkung zeigen Proben dieses Körpers noch deutliche Biuret- reaktion. In wenig sehr verdünnter Natronlauge gelöstes Okta- spartsäureanhydrid, sowie das in Wasser gelöste Malondiamid zeigten dasselbe Verhalten. 12 bis 14. Äthyloxamid, Monophenyloxamid, Amidoxalazid. Diese drei Körper sind nur in heikem Wasser löslich, Mono- phenyloxamid selbst in diesem äußerst schlecht, sodaß die Biuret- reaktion bereits vor der Digestion eine schwache ist. Beim Er- kalten fallen die Körper aus, gehen aber bei Brutschranktemperatur wieder in Lösung. Die Digestion mit Trypsin wurde nach 4 Wochen unterbrochen. Äthyloxamid zeigt noch sehr starke Biuretreaktion, Monophenyloxamid nur eine schwache, jedoch nicht schwächer als die der Kontrollprobe. Die Biuretreaktion des Amidoxalazids, die nach 14 Tagen noch sehr stark war, ist ‚verschwunden. Doch auch die Kontrollprobe zeigt keine Biuret- reaktion mehr. Es war demnach bei keinem der genannten Körper eine durch Trypsin veranlaßte Spaltung nachweisbar. 15. Curtiussche Base. Gelegentlich seiner Studien über das Glykokoll fand Curtius*), daß der Glykokolläthylester die Fähigkeit hat, in eine hoch- schmelzende Base überzugehen, die eine intensive Biuretreaktion gibt. Nach dem Verfahren von Curtius“*) stellte ich mir zu- nächst den salzsauren Glykokolläthylester dar, aus dem ich nach der Methode von E. Fischer““*) den freien Ester gewann. Das erforderliche Glykokoll wurde später durch Hydrolyse des Leims nach Angabe von E. Fischer?) gewonnen. Aus dem Glykokoll- äthylester gewann ich die Base, indem ich den Ester in den Exsikkator brachte, diesen evakuierte und das Präparat sich selbst überließ. Bevor ich nun daran ging, den Körper hinsichtlich seiner Spaltbarkeit zu untersuchen, versuchte ich zu einer Erkenntnis *) Berichte d. deutsch. chem. Ges. 16, 1, 753. **) Journal f. prakt. Chemie 37, 159. ***) Berichte d. deutsch. chem. Ges. 34, 436. 7) Zeitschr. f. physiol. Chemie 35, 70. N Über die Wirkungsweise des Trypsins. 163 seiner Konstitution zu gelangen. Schon H. Schiff*) gab der Vermutung Ausdruck, daß die Biuretbase in der Weise aus dem Glykokoliäthylester entstehe, daß mehrere Moleküle des Esters unter Austritt von Alkohol sich verketten zu: NH; | NH; &Ee 0,CH 00% ET Nun hat E. Fischer**) gezeigt, daß man ausgehend vom Glycin- NH CH, 00 anhydrid | | CO CH: NH kollmolekülen sich zusammensetzen. Er nennt das Radikal des Glykokolls CH, NH, CO Glyeyl und erhielt einen Körper, der sıch als Glyeylglyein herausstellte: NH, CH, CO NH CH, CO OH. Der Äthyl- ester dieses Körpers ist durch seine Neigung ausgezeichnet, sich durch Alkoholabspaltung in Glycinanhydrid zurückzuverwandeln. Diese Umwandlung tritt selbst beim Aufbewahren in trockenem Zustande ein. Gleichzeitig tritt aber auch ein anderer Körper auf, der die Biuretreaktion gibt und den Fischer für identisch mit der Curtiusschen Biuretbase hält. Es hatte also offenbar eine Kondensation unter Alkoholabspaltung stattgefunden. Es ist überdies von E. Fischer festgestellt, daß eine Verkettung von Aminosäuren zu größeren Komplexen, „Peptiden“, zum Teil unter Auftreten der Biuretreaktion unter verschiedenen Bedingungen erreichbar ist. Man mußte demnach daran denken, daß auch bei der Auf- bewahrung des Glykokolläthylesterss eine Kondensation unter Alkoholabspaltung stattfinde. Um eine Vorstellung zu gewinnen, wie viele Glycyle sich in der Curtiusschen Base etwa vereinigt finden, stellte ich zunächst in mehreren Versuchen die Basızität des Körpers durch Titration mit "Jo Normalschwefelsäure fest. a) 0,0448 g Substanz neutralisieren 1,0 ccm !/,, Norm.-H,SO, b) 0,0403 g > h 0,95 cem !/,, Norm.-H, SO, c) 0,1515 g s ; 3,4 ccm !/, Norm.-H,S0, Es würde sich danach für das Molekulargewicht ergeben: (Gemäß der 1. Bestimmung 448 zu Körpern gelangt, die aus mehreren Glyko- ” ” 2. „ 421 ” )) 3. ” 445 im Mittel demnach 438 Nach dieser Zahl müßten sich behufs Bildung der Curtiusschen Base mindestens 7 Glykokollmoleküle vereinigen. *) Berichte d. deutsch. chem. Ges. 30, 3, 2457. %*) Berichte d. deutsch. chem. Ges. 34, 2, 2868. 11° 164 Moritz Schwarzschild, Die Analyse ergibt in Übereinstimmung hiermit, daß in der Tat 7 Glykokollmoleküle in der Curtiusschen Verbindung ent- halten sind, lehrt aber weiter, daß in derselben ein Äthylrest er- halten bleibt. Behufs Entfernung der letzten Reste von unverändertem Ester wurde auf eine wiederholte Destillation des Produktes im Vakuum Gewicht ge- legt, wobei der unveränderte Ester völlig überging und die reine Base zurückblieb. Präparat l. a) 0,1874 g über Schwefelsäure getrockneter Substanz gaben 0,2968 g CO, und 0,1056 g H,0. 0,1544 g Substanz gaben 28,58 ccm N bei 13,1° und 757 mm. b) 0,1756 g h „ 0,2763 g CO, und 0,0994 g H,O. Präparat Il. a) 0,1970 g Substanz gaben 0,3127 g CO, und 0,1164 g H,O. by 02171 8. 2 „0,3438 g CO, „ 0,1234 g H,O. 0,1424 g . „ 25,97 ccm N bei 17,1° und 761,5 mm. Präparat III. a) 0,1732 g Substanz banden nach Kjeldahl 27,15 ccm !/,,Norm.-H,SO,. b) 0,1558 g ” gaben 29,9 ccm N bei 21,7 und 757,5 mm. In folgender Tabelle stelle ich die Prozentzahlen zusammen und stelle zum Vergleiche die von Curtius ermittelten Zahlen I m WE EEE € daneben. \ l Berechnet auf ER Schwarzschild > CiHyN:0; | tius Mitte Präparat I | Präparat II | Präparat II # C=43,15 Proz. | 42,28 | 43,19 | 49,91 | 43,29 |a3ı19| — | — |as14 © H= 6,07 Proz. | 6,67 | 6,36 | 6,29] 6,56 | 6831| — | — | 6,0 N = 22,02 Proz. | 20,64 | 2189| — | — | 21,35 | 21,77 | 21,94 || 21,72 (Kjel 4 dahl) 4 Es stimmen demnach die erhaltenen Analysenzahlen gut 4 | mit der Formel Cs Hı: N: O.. E Die Zahlen weichen aber von den zuerst von Curtius gefundenen | wesentlich ab. Auch das Verhalten meines Präparates beim Erhitzen 4 entsprach in wiederholten Versuchen nicht ganz den Angaben von Curtius. Meine Präparate begannen bei 187 bis 190° sich dunkler zu färben, nahmen bei 196° einen bräunlichen Ton an und waren bei 42 240 bis 260° schwarz. Curtius findet, daß der Körper sich bereits bei 150° dunkler färbte, bei 160° zu schmelzen begann und bei 178° völlig” mit gelber Farbe unter Zersetzung geschmolzen erschien. Die Ursache dieser Verschiedenheiten könnte in dem Umstande zu suchen sein, daß das Präparat von Curtius noch eine kleine Menge des nicht konden- sierten Esters beigemengt enthielt. N Da nach dem Ergebnis der Analyse in dem Körper eine Athylgruppe zu vermuten war, so versuchte ich durch vorsichtige Über die Wirkungsweise des Trypsins. 165 Spaltung dieselbe nachzuweisen. Es gelang mir nur, wenn ich kurze Zeit verdünnte Schwefelsäure einwirken ließ. 0,3g der Biuretbase wurden mit verdünnter Schwefelsäure '/s Stunde lang am Rückflußkühler gekocht, dann wurde sofort das erhaltene Produkt destilliert. Die ersten übergehenden Tropfen geben die Liebensche Jodoformprobe. Es setzten sich typische, rosettenartige Kristalle von Jodoform ab, ebenso sechsseitige Tafeln. Dabei trat deutlicher Geruch von Jodoform auf. Daß bei einer solchen Spaltung aus der Biuretbase wieder Glykokoll erhalten wurde, konnte ich in einem anderen Versuche, nach Entfernung der Schwefelsäure mit Baryumkarbonat, durch Darstellung der typischen blauen Glykokollkupferkristalle zeigen. Auf Grund der mitgeteilten Befunde muß die Curtiussche Base als ein Hexaglycylglycinäthylester NH; CH;,CO (NH CH, CO), NHCH,.CO.OC,H, aufgefaßt werden. Diese Formel erklärt auch die Fähigkeit der Substanz, die Biuretreaktion zu geben. Zum Zustandekommen derselben bedarf es nach Schiff“) mindestens zweier Gruppen folgender Art: CONH,, CNHNH,, CH;,NH,, CSNH,, welche an ein einziges Atom Kohlenstoff oder Stickstoff gebunden, oder direkt untereinander vereinigt sind. Betrachtet man nun die oben aufgestellte Formel, so enthält diese die Gruppe CH,—NH; Go_N H, dingen kann. Es wurde dann ferner das Verhalten der Curtiusschen Base gegenüber salpetriger Säure geprüft, da möglicherweise zu erwarten war, daß unter bestimmten Bedingungen bloß der Stickstoff der NH,-Gruppe abgespalten würde, nicht aber jener der NHCO- Gruppen. Eine quantitative Methode zur Bestimmung des auf diese Weise abspaltbaren Stickstoffs ist von H. Meyer**) ange- geben. Diese, die sich auf Grund von Kontrollversuchen für meine Zwecke als sehr brauchbar erwies, wurde in etwas abge- änderter Form in Anwendung gebracht***). Das Ergebnis war unerwarteterweise ein negatives. *) Berichte der deutsch. chem. Ges. 29, 298, ferner Annalen 299, 236. Vergl. hierzu Hofmeister |. c. **) Anleitung zur quantitativen Bestimmung der organischen Atom- gruppen. Berlin 1897, ***) Für das von H. Meyer angegebene Verfahren gelingt es leicht, einen entsprechend zusammengestellten Apparat aufzubauen und dem speziellen Bedarf des Einzelversuches anzupassen. Für meine Zwecke erwies es sich als zweckmäßig, behufs Bindung der verdampfenden salpetrigen Säure noch eine kleine mit Kaliumpermanganat die nach dem Gesagten wohl die Biuretreaktion be- 166 Moritz Schwarzschild, Zwei Bestimmungen mit 0,2399 g und 0,3663 g der Curtiusschen Base stellte ich an, ohne zu erwärmen. Dabei wurde kein Stickstoff abgespalten. Versuche, bei denen die Reaktion unter Erhitzen auf dem Wasserbade vorgenommen wurde, ergaben allen Stickstoff in Gasform., Des hohen Stickstoffgehaltes des Präparates wegen kamen relativ kleine Substanzmengen zur Verwendung. 1. 0,0694 g Substanz liefern 25,8 ccm N bei 762 mm und 17° C. 2. 0,0654 g Substanz liefern 24,7 ccm N bei 760 mm und 16° C. Berechnet: Gefunden: N = 22,02 Proz. 1. 21,93 Proz. 2. 22,30 n Die Curtiussche Base gestattet somit nicht eine getrennte Bestimmung der basischen NH,-Gruppe auf diesem Wege. Sie spaltet dabei wie die ähnlich gebaute Hippursäure auch den Stick- stoff der NHCO-Gruppen ab. Trypsinspaltung der Biuretbase. Da, die Biuretbase eine sehr intensive Reaktion mit Natronlauge und Kupfersulfat gibt, so war sie, wie keine der anderen ähnlichen Verbindungen, geeignet, vermittelst dieser Reaktion auf ihre Spaltbarkeit durch Trypsin untersucht zu werden. 0,1 g des Körpers wurden mit 5 ccm einer Trypsinlösung B ver- setzt (Probe 1). Zur Kontrolle wurden gleichzeitig folgende Proben her- gestellt: a) 0,1 g Biuretbase + 5 ccm gekochten Trypsins (Probe 2), b) 0,1 g in Wasser gelöster Base + 0,2 proz. Na,C0,-Lösung (Probe 3), c) 0,1 g in Wasser gelöster Biuretbase (Probe 4). Die Biuretreaktion war nun in Probe 1 2 | 3 | + nach 2 Tagen noch vorhanden sehr stark | sehr stark | sehr stark 4 überaus schwach, fast >) „ nicht bemerkbar LE) LE) 7 LE) 2} „” Be vollstdg. verschwunden | „, RR er € nen. ,„ 10 , „9 be} „ ’»y 9,7 >) Aus dieser Versuchsreihe geht hervor, daß das Trypsin die Fähigkeit besitzt, die Curtiussche Base bis zum völligen Ver- schwinden der Biuretreaktion zu verändern. Bei gleichen Mengen- verhältnissen war regelmäßig in meinen zahlreich angestellten Versuchen genau am 4. bis 5. Tage die Reaktion verschwunden. Interessant war es, zu vergleichen, ob auch Pepsinsalzsäure‘ ein Verschwinden der Biuretreaktion zustande bringe. Indessen gelangte ich hier zu einem negativen Resultat. gefüllte Waschflasche einzuschalten. Die Durchströmung des Apparates mit Kohlensäure erzielte auch ich nach den Angaben von H. Meyer mit dem von F. Blau (Monatshefte für Chemie 13, 279) angegebenen Verfahren, das auf dem leicht zu beherrschenden Eintropfen einer in einem Tropftrichter befindlichen konzentrierten Pottaschelösung in vorgelegte 50 proz. Schwefel- säure beruht. Et a a Da a Über die Wirkungsweise des Trypsins. 167 Versuch 1: Ein nach der Glaessnerschen Methode*) dargestelltes Pepsinpräparat wird mit Salzsäure und einer kleinen Menge der Base zusammengebracht. Nach 3 Wochen ist die Biuretreaktion noch sehr stark, nach 9 Wochen erhält man zwar nicht mehr die rote Farbe, die die Base gewöhnlich gibt, wohl aber eine stark blauviolette. Die Ab- nahme nach dieser langen Zeit kann ich nicht auf eine Spaltung durch das Ferment beziehen, da die gleiche Menge der Biuretbase, in Wasser gelöst und über 6 Wochen lang im Brutschrank aufbewahrt, ebenfalls an Intensität der Reaktion verlor, Versuch 2. Es wurde ein käufliches Pepsinpräparat benutzt, das die Biuretreaktion so schwach zeigte, daß diese jener der Glycinbase gegenüber vernachlässigt werden konnte. Die Fermentlösung zeigte starke Verdauungskraft. Die eine größere Menge der Biuretbase ent- haltende Probe zeigte noch nach 5 Monaten eine ebenso starke Biuret- reaktion wie vorher. Um nun weiter zu erfahren, in welcher Weise die Curtius- sche Base durch Trypsin abgebaut wird, wurden 2 g der Biuret- base mit 15 ccm der Trypsinlösung B unter Toluol der Digestion unterworfen. Nach Verschwinden der Biuretreaktion — eine Probe, die 2 g der Biuretbase in Wasser gelöst enthielt und gleich lang wie die Hauptprobe digeriert worden war, zeigte noch intensive Biuretreaktion — wurde filtriert, das Filtrat unter ver- mindertem Druck bis auf ein geringes Volumen eingedampft und dann Alkohol zugesetzt, bis die entstehende Trübung nicht mehr verschwand. Es trat reichliche Kristallisation auf. Das erhaltene Produkt wurde durch Lösen in heißem Wasser und nachheriges Ausfällen mit absolutem Alkohol unter Zuhilfenahme von Tierkohle zweimal umkristallisiert. Der Körper ist von süßem Geschmack, in kaltem Wasser ziemlich, in heißem gut öslich, in Alkohol unlöslich. Mit Eisenchlorid gibt er tiefrote Färbung, mit Kupferkarbonat blaue Lösung. Bei dem freiwilligen Verdunsten der durch Kochen mit Kupferkarbonat erhaltenen Lösung kristallisieren blaue Nadeln aus. Eine Schmelzpunktsbestimmung ergab, daß der Körper bei 218° sich dunkler färbte, bei 228° braun wurde und bei 233° unter Gasentwickelung zu schmelzen begann. Dieses Verhalten stimmt mit den von Curtius“*) für das Glykokoll ge- machten Angaben überein. 0,1300 g über Schwefelsäure getrockneter Substanz neutrali- sierten bei Bestimmung nach Kjeldahl 17,95 cem 'Jıo Norm.-NaOH. Berechnet für CH,NH,COOH Gefunden N = 18,67 Proz. 19,33 Proz. *) Diese Beiträge 1, 1. **) Journal f. prakt. Chemie 26, 156. 168 Moritz Schwarzschild, Aus diesen Daten ergibt sich, wenngleich das Ergebnis der Stickstoffbestimmung zu hoch ausfiel, doch ohne Zweifel, daß sich bei der Einwirkung des Trypsins auf die Sa il: Tase Glykokoll zurückbildet. III. Schlußbemerkungen. Stellen wir die Ergebnisse der Versuche, wie sie oben mit- geteilt wurder, zusammen, so fällt zunächst auf, daß die Amide — Asparagin, Acetamid, Harnstoff, Benzamid, Oxamid, Biuret, Malondiamid, Glycinamid, Äthyloxamid, Monophenyloxamid — durch Trypsin nicht zerlegt werden. Man hätte um so eher auf eine Aufspaltung dieser Körper rechnen können, als doch Mochizuki*) gezeigt hat, daß bei der Trypsinwirkung auf Eiweißstoffe fast genau jener Teil des Stickstofis, welcher sich als durch Säure angreifbar erweist, auch für das Trypsin abspaltbar ist. Ebenso kamen Dzierzgowski und Salaskin*) zu dem Resultate, daß „bei der Einwirkung des Pankreassaftes ein Teil des Eiweißstick- stoffes abgespalten wird, welcher offenbar in den Eiweißkörpern in der leicht abspaltbaren Form des ‚Amidstickstoffes‘ vorhanden ist“. Zu demselben negativen Resultate bezüglich der Wirkung des Trypsins auf Amide kam auch Gonnermann*““) in einer Juli 1902 nach Abschluß meiner einschlägigen Versuche er- schienenen Arbeit. Die Amide die er untersuchte, es sind zum Teil dieselben die auch ich prüfte: Formamid, Oxamıd, Suceinamid, Benzamid, Salicylamid, erwiesen sich als unangreifbar für das Trypsin. Nur bei der Einwirkung des letzteren auf Acetamid er- hielt er ein positives Resultat und hält in einer jüngst erschienenen Arbeity), in der er Bezug nimmt auf die von Hofmeisterfy) ee 1902) erwähnten Resultate der vorliegenden Unter- suchungen, an seinen Angaben fest. Ich kann im Hinblick auf die überaus einfache, von mir angewandte Methodik und die völlig gleichlautenden Resultate nur vermuten, daß Gonnermanns mehr indirektes Verfahren mit einer Fehlerquelle behaftet war. An dieser Stelle möchte ich auch auf die eingangs erwähnte Versuchsreihe von Gulewitsch*r) eingehen, welche es möglich erscheinen ließ, daß Trypsin Acetyl aus acetylierten Aminen ab- spaltet, was ja ein Seitenstück zu der eben beschriebenen Auf- *) Diese Beiträge 1, 44. **) Oentralblatt f. Physiologie 15, 249. *+*) Pflügers Archiv 89, 493. +) Pflügers Archiv 9, 278. + loe. cit. *+) Zeitschr. f. physiol. Chemie 27, 540. Über die Wirkungsweise des Trypsins. 169 spaltung der Curtiusschen Base darstellen würde. In 6 Versuchen mit p-Diacetylamidophenol (CH,CO) OG,H,NH(COCH;) erhielt er den mit Trypsin digerierten Proben konstant ein Plus an Essig- säure gegenüber den mit gekochter Trypsinlösung angestellten Versuchen. Er spricht sich jedoch über diese Versuche mit aller Reserve aus. Die von Gulewitsch bis ins kleinste Detail gegebene Anordnung erleichterte mir die Nachprüfung außerordentlich. Ich hielt mich streng an seine Angaben. Es ergab sich, daß, wenn die Kontrollproben unter genau gleichen Bedingungen (speziell mit Sodazusatz) angestellt wurden, ein Unterschied in der Größe der Essigsäureabspaltung nicht erweislich . war. In der beifolgenden Tabelle habe ich die von Gulewitsch be- nutzte Bezeichnung beibehalten und als D die Menge der !/,, Norm.-Na0OH in Zentimetern bezeichnet, die zur Neutralisation derjenigen Essigsäure- menge notwendig war, welche in einer nur mit Soda digerierten Probe abgespalten wurde. | . Menge der Menge des Trypsins A as # 8, ] | D Subst. und der Sodalösung reiche > ir | 05 8 0,5 g in 100 ccm Soda|l 12 Tage 9,3 — — 0,5 8 0,5 & gekocht in 100 cem „ 1a:3n 5 — 6,0 — 0,5 € — 100:.6cm.‘.. IiB-',,, —_ — 10,75 Wie man sieht, wirkt die zugesetzte Sodalösung stärker spaltend als die daneben Trypsin enthaltende, ungekochte, ganz besonders stärker aber als die gekochte Probe. Die Deutung dieses Verhaltens ist wohl darin zu suchen, daß das Alkali durch die dem Trypsinpräparat an- haftenden Stoffe langsam beim Stehen, rasch beim Kochen (vielleicht durch Bildung von Albuminat) an Wirksamkeit einbüßt. Wenn es mir somit wider Erwarten in den angeführten Fällen nicht gelang, die Spaltung einer säureamidartigen Verbindung zu erzielen, ist der mit der OGurtiusschen Base erhaltene positive Befund um so bemerkenswerter. Sein Hauptinteresse liegt darin, daß diese Base einen Bau besitzt, welcher, wie Hofmeister“) zuerst ausführlich begründet hat, den Eiweißkörpern und deren Ab- kömmlingen zukommt. Wenn einerseits daher gezeigt wurde, daß das Verhalten der Eiweißkörper und der Abkömmlinge derselben auf Grund der Beobachtungen von Curtius und namentlich E. Fischer auf eine säureamidartige Bindung hinweist, daß andererseits das verbreitete Vorkommen analoger Synthesen im Tier- und Pflanzen- reich diese Vermutung in höchstem Grade unterstützt, so ist nun durch meine Versuche weiter der Nachweis erbracht, daß die künstlich erhaltenen Produkte von solehem Bau, wie ihn die Curtiussche Base aufweist, einer Spaltung durch tryptisches, Eiweißkörper verdauendes Ferment unter Verhältnissen zugänglich *) loc. cit. 170 Moritz Schwarzschild, Über die Wirkungsweise des Trypsins. sind, die durchaus den im Tierkörper gegebenen entsprechen. Es zeigt dies, daß die Bindungsweise NH.CH,.CO.NH, welche Hof- meister als besonders charakteristisch für die Proteinstoffe an- sieht, im gegebenen Fall zugleich den Angriffspunkt der Wirkung des tryptischen Fermentes darstellt. Dabei ist es bemerkenswert, daß der Curtiussche Körper der Fermentwirkung zugänglich ist, obgleich er kein asymmetrisches C-Atom enthält, und daß sein Ver- halten sich trotzdem als ein spezifisches darstellt, da einerseits andere Stoffe, welche die gleiche Gruppe enthalten, z. B. das Glyeinamid, der Trypsinwirkung widerstehen, andererseits die Curtiussche Base selbst der analogen Einwirkung von Pepsin- salzsäure unzugänglich ist. Es ist wohl zu hoffen, daß eine Weiterführung solcher Versuche sowohl an natürlichen Spaltungsprodukten als auch an ähnlich gebauten synthetisch erhaltenen Stoffen zur Klarstellung jener Struktureigentümlichkeiten führen wird, welche dem Trypsin seine spaltende Wirkung ermöglichen. I XI. Tryptophan, eine Vorstufe des Indols bei der Eiweißfäulnis. Vorläufige Mitteilung von Alexander Ellinger und cand. med. Max Gentzen. (Ausdem Universitäts-Laboratorium für medizinische Chemie und experimentelle Pharmakologie zu Königsberg in Pr.) Für nahezu alle wohl charakterisierten Produkte, welche bei der Fäulnis von Eiweißkörpern erhalten worden sind, ist teils durch die älteren Untersuchungen von Nencki, Brieger, E. und H. Salkowskı, Baumann und deren Schülern, teils durch Unter- suchungen der letzten Jahre der Weg gezeigt worden, auf welchem sie durch verschiedene Zwischenstufen hindurch aus der komplexen Eiweißmolekel entstehen. Nur für zwei der am längsten bekannten Fäulnisprodukte, das Indol und Skatol, sind wir hinsichtlich ihrer Entstehung fast ausschließlich auf Hypothesen angewiesen. So hat Nencki*), die Vermutung ausgesprochen, daß alle bei der Fäulnis beobachteten Körper der Indolgruppe, das Indol, Skatol, die Skatolkarbonsäure und Skatolessigsäure einer gemeinsamen Muttersubstanz, der damals unter den hydrolytischen Spaltungs- produkten der Proteine noch nicht aufgefundenen Skatolamino- essigsäure entstammten. Die Frage nach der Entstehung des Indols aus Eiweiß trat in ein neues Stadium, als Hopkins und Cole“) die Reindar stellung des Tryptophan gelang, welche bis dahin trotz aller Bemühungen vergeblich versucht war. Dieser Körper, der von seinem regelmäßigen Auftreten bei der tryptischen Verdauung seinen Namen erhalten hat, und dessen Entstehung bei der Eiweißfäulnis auf Grund seiner charakteristischen Reaktionen längst erkannt war, ergab bei der Analyse Zahlen, welche auf *) Monatshefte f. Chemie 10, 506 (1889). **) Journal of physiology 27, 418 (1901). 172 \ Alexander Ellinger und Max Gentzen, eine Skatolaminoessigsäure oder Indolaminopropionsäure stimmten, und seine Reaktionen wiesen darauf hin, daß ein Indolkern in ihm enthalten sei. Diese in der Arbeit der beiden englischen Forscher sicher- gestellten Tatsachen luden zur Prüfung der Frage ein, ob in dem Tryptophan eine oder die Vorstufe des Indols bei der bakteriellen Eiweißzersetzung vorliege, und weiterhin ob der Organismus der höheren Tiere aus Tryptophan Indol bilden könne. Für uns war namentlich das letztere Problem mit Rücksicht auf den derzeitigen Stand der Indicanfrage von Interesse. In mehreren Arbeiten, welche aus dem hiesigen Institute im Laufe des letzten Jahres veröffentlicht worden sind [Scholz*), Ellinger**)], ist der von mehreren Autoren, am energischsten von Blumenthal und seinen Mitarbeitern Lewin**"*) und RosenfeldYr) verfochtenen Be- hauptung entgegengetreten worden, es lägen bisher irgend welche Beweise dafür vor, daß das Harnindican eine andere Quelle habe als das durch bakterielle Zersetzung innerhalb oder außerhalb des Darmkanals entstandene Indol. Die Möglichkeit, daß Indol auch im intermediären Stoffwechsel beim Abbau der Eiweißkörper ent- stehen könne, ließ sich natürlich nicht in Abrede stellen, und falls sie im Tierkörper verwirklicht war, so lag es am nächsten, anzunehmen, daß das Tryptophan, zu dessen Entstehung durch tryptische Fermente im Organismus ja reichlich Gelegenheit vor- handen ist, Quelle des Indols bezw. des Harnindicans seitT). Vier Versuche, die wir an Kaninchen, und einer, welchen wir an einem kleinen Hunde anstellten, ergaben, daß das nach Hopkins und Cole rein dargestellte Tryptophan weder bei subcutaner In- jektion noch nach Darreichung per 0s Ausscheidung von Indican veranlaßte. Die vorher indicanfreien Tiere blieben bei Aufnahme von je 0,2 g des Körpers indicanfrei. Damit erscheint uns die Annahme, daß Indol beim Abbau von Eiweißkörpern durch die Zwischenstufe des Tryptophans hindurch *) Beiträge zur Frage nach der Entstehung des Indicans im Tierkörper. Inaug.-Diss. Königsberg 1903. **) Die Indolbildung und Indicanausscheidung beim hungernden Ka- ninchen. Ztschr. f. physiol. Chemie, im Druck. *+**) Diese Beiträge 1, 472 (1902). +) Charitö-Annalen 1903. Jahrg. 27. ++) Als unsere Untersuchungen bereits im Gange waren, ist auch von Blumenthal und Rosenfeld in einer im April erschienenen Abhandlung (Charit6-Annalen, Jahrgang 27) die Vermutung ausgesprochen worden, daß Tryptophan eine Vorstufe des Indicans sei. ee de 10 VE Zu SE EEE nm Zu De Min an Dan A m ln rn a nn nn Un UELLULUU U _ Tryptophan, eine Vorstufe des Indols bei der Eiweißfäulnis. 173 im Organismus des Kaninchens oder Hundes entstehe, widerlegt. Ob beim bakteriellen Abbau der Eiweißkörper Indol aus Tryptophan entsteht, darüber konnten uns diese Versuche nichts sagen. Denn selbst bei der Verabreichung per os ließ sich er- warten, daß das Tryptophan früher resorbiert würde, als esin den Dickdarm, die Stätte der normalen Darmfäulnis, gelangt. Aber auch diese Frage konnten wir entscheiden, indem wir den kleinen Kunstgriff benutzten, das Tryptophan in schwacher Sodalösung direkt mit einer Pravazschen Spritze in den Blinddarm des Kaninchens zu injizieren. Durch Kontrollversuche überzeugten wir uns, daß der operative Eingriff, unter aseptischen Kautelen obne Einfluß auf die Indicanausscheidung blieb, wenn die gleiche Menge Sodalösung ohne Tryptophan injiziert wurde. Ein Kaninchen schied unter diesen Umständen am Injektionstage 1 mg Indican (als Indigo berechnet) aus, ein anderes blieb dauernd indicanfrei. Dagegen verhielt sich bei zwei vorher indicanfreien Kaninchen die Ausscheidung nach Injektion von 0,2 g Tryptophan in das Coecum, wie folgt: Kaninchen I (Gewicht 2080 g) liefert am ersten Tage 21,2 mg, am zweiten Tage 16,35 mg Indigo, vom dritten Tage an ist es wieder indicanfrei. Kaninchen II (Gewicht 1700 g) schied am ersten Tage 20,1 mg Indigo aus, und war am 2. Tage schon indicanfrei. Das erste Kaninchen zeigte nach der Operation etwas ver- minderte Freßlust, doch liegt kein Grund vor, einen nennenswerten Anteil der Indicanausscheidung diesem Umstand zuzuschreiben, da bei den Kontrolltieren dasselbe beobachtet wurde, ohne daß die Indicanausscheidung höher als auf 1 mg stieg. Sonst blieb der Eingriff ohne erkennbare Folgen. Die Indigomenge, die im ersten Versuch erhalten wurde, be- trug also 37,55 mg, im zweiten 20,1 mg. Nach den Versuchen von Ellinger*) über die titrimetrische Indicanbestimmung im Harn muß zu diesen Werten '/s der gefundenen Menge als Korrektur addiert werden; danach entsprechen der ausgeschiedenen Indican- menge bei Kaninchen I 43,8 mg, bei Kaninchen II 23,5 mg Indigo. Aus 0,2 g Tryptophan können, vorausgesetzt, daß daraus Indol abgespalten und dieses zu Indigo oxydiert wird, 128,4 mg Indigo entstehen. Somit fanden sich 34,11 Proz. bezw. 18,3 Proz. der theoretischen Menge Indigo im Harn. Nun werden aber von eingegebenem Indol, beim Hunde wenigstens, nach Untersuchungen von Wang**) und eigenen Er- *) Ztschr. f. physiolog. Chemie 58, 178 (1903). **) Ztschr. f. physiolog. Chemie 27, 557 (1899). 174 Alexander Ellinger u. Max Gentzen, Tryptophan, eine Vorstufe usw. fahrungen im besten Falle nur etwa 60 Proz. als Indican ausge- schieden bezw. als Indigo bestimmt. Wir müssen also die im Dick- darm des Kaninchens aus Tryptophan entstandene Menge Indol etwa doppelt so hoch schätzen als die gefundene Indigomenge, wobei die Annahme gemacht ist, daß die Ausscheidungsverhält- nisse für indol beim Hunde und Kineen ungefähr gleich sind, und daß das als Indican ausgeschiedene Material im Darm als Indol resorbiert wurde*). Die Feststellung einer so weitgehenden Indolbildung aus Tryptophan im Dickdarm berechtigt wohl zu dem Schlusse, daß das Tryptophan eine, wenn nicht gar die Vorstufe des Indols bei der bakteriellen Eiweißzersetzung ist. Eine Rötung des Harns bei der Indicanprobe, die auf Aus- scheidung von Skatolfarbstoff hingewiesen hätte, konnten wir in keinem unserer Versuche beobachten. Das Fehlen des Skatolfarb- stoffs im Harn bei der sehr reichlichen Ausscheidung von Indican scheint uns eher dafür zu sprechen, daß das Tryptophan sich vom Indol, als daß es sich vom Skatol ableitet. Doch lag die Frage nach der Konstitution des Tryptophans zunächst nicht in unserem Arbeitsprogramm, und wir haben Ver- suche über die Zersetzung von Tryptophanlösungen durch Rein- kulturen von Bakterien vorerst zurückgestellt, da, wie wir einer freundlichen schriftlichen Mitteilung des Herrn Hopkins ent- nehmen, dieser selbst mit Herrn Cole zusammen die bakterielle Zersetzung des Tryptophans studiert hat, um Aufschlüsse über die Konstitution dieses Körpers zu erhalten, und demnächst darüber berichten wird. Königsberg ıi. Pr., 1. Juni 1903. *) Wir haben uns davon überzeugt, daß nicht etwa Tryptophan selbst bei Behandlung mit Obermayers Reagens Indigo liefert. Zu re a 5 Dh he u u u . “. u A nn in EI 20 a A al Dr A Di u le a a rn te re ne A XIV. Uber die Darstellung der Guanylsäure. Von Ivar Bang und C. A. Raaschou. (Aus dem physiol.-chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Vor einigen Jahren hat der eine von uns gezeigt, daß man aus dem Pankreas eine Nucleinsäure, die Guanylsäure, dar- stellen kann, welche einen Bestandteil des Pankreas-Nucleoproteids von Hammarsten darstellt*). Die Guanylsäure hat in doppelter Beziehung ein Interesse, Einmnl enthält sie von Purinbasen nur eine, das Guanin, sodann enthält sie Pentose. In der letzten Zeit hat Neuberg**) nach- gewiesen, daß die Pentose der Pankreasdrüse 1-Xylose ist und schließt hieraus, daß jene der Guanylsäure wahrscheinlich die- selbe Pentose ist. Doch hat weder Neuberg noch ein anderer Forscher die Guanylsäure nach dieser Richtung untersucht. Mit gutem Grund wurde allerseits hervorgehoben, daß die Darstellung der Guanylsäure außerordentlich schwierig und nament- lich die Ausbeute äußerst gering ist. Eine verbesserte Darstellungs- methode wäre daher sehr wünschenswert. Eine Arbeit von Umber*“*) schien auch eine solche in Aussicht zu stellen. Umber digerierte das Nucleoproteid mit Pepsin-Salzsäure. Bei der Neutralisation der Verdauungslösung schied sich die Guanyl- säure aus. Der Phosphor-Gehalt betrug 8,45 Proz. Trypsindigestion des Nucleoproteides hatte dieselbe Wirkung. Diese Methode ist jedoch ganz unsicher. Nach längerer Di- gestion erwies sich die Lösung als direkt reduzierend, und es ist demnach nicht unwahrscheinlich, daß dann ein Teil der Guanyl- säure bereits gespalten war. Weiter konnte Umber die Guanyl- säure teilweise mit Ammonsulfat aussalzen, was unseren Er- fahrungen nicht entspricht. Zuletzt schlägt Umber den Guanyl- *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 26 und 31. **) Berl. Berichte 35, 1467. ***) Zeitschr. f. klin. Medizin 43. 176 Ivar Bang und C. A. Raaschou, säurerest aus dem mit Ammonsulfat gesättigten Filtrate mittels Quecksilberacetat nieder. Nach unseren Erfahrungen geht man am besten von Pankreas selbst aus. Der eine von uns*) hat versucht, die Methode Umbers auf Pankreas bezw. alkalische Dekokte von Pankreas anzuwenden. Man neutralisiert, sättigt mit Ammonsulfat, filtriert und schlägt die Guanylsäure mit Quecksilberacetat nieder. (Der durch Ammonsulfat erhaltene Eiweißniederschlag gibt keine Pentosenreaktion.) Die Quecksilberverbindung der Guanylsäure wird weiter mit Schwefelwasserstoff zerlegt, das Filtrat ein- gedampft und die Nucleinsäure mit Alkohol niedergeschlagen. Es zeigte sich aber, daß die Guanylsäure sehr empfindlich gegen Schwefelwasserstoff ist. Beim Eindampfen wurde sie größtenteils zerstört. Weiter wurde das Quecksilber durch Schwefelwasserstoff nur unvollständig abgespalten. Wenn man Schwefelalkali benutzt, stellt sich die Sache nicht besser. Wir haben noch viele andere Metallsalze untersucht, haben jedoch zu- letzt von ihrer Anwendung ganz Abstand genommen. Dagegen stimmen wir mit Umber darin überein, daß frisch dargestelltes Quecksilberacetat die Guanylsäure vollständig niederschlägt. Das- selbe tun übrigens mehrere Acetate, z. B. Bleiessig, welcher dem Quecksilberacetat vorzuziehen ist. Die Chloride und Sulfate der Schwermetalle fällen die Guanylsäure dagegen nur unvoll- ständig. . Da die Ausfällung der Guanylsäure als Metallsalz nicht zum Ziele führte, haben wir die Versuche mit Erfolg in anderer Richtung weitergeführt. In einer in norwegischer Sprache er- schienenen Mitteilung hat der eine von uns gezeigt, daß man durch Aufnehmen der Guanylsäure mit heißem 60-proz. Alkohol, worin sie ziemlich löslich ist, und Abkühlen des Filtrats be- trächtliche Mengen derselben darstellen kann. Diese Methode haben wir in verschiedener Weise ausprobiert und sind zuletzt zu folgender Modifikation gelangt. 1000 bis 1200 g Ochsen-Pankreas werden in der Fleischhackmaschine zerkleinert, dann mit 2 Liter 1-proz. Natronlauge angerührt. Nach 24 Stunden erwärmt man die Mischung bis die Lösung dünnflüssig wird. Man neutralisiert mit Essigsäure und setzt davon zuletzt bis zur deutlich sauren Reaktion hinzu. Der entstandene zähe, schwarzbraune Niederschlag wird abkoliert und 1 bis 2 mal mit Wasser ausgekocht. Die gesamte kolierte Flüssigkeit (5 bis 6 Lit.) wird filtriert, mit Ammoniak zu schwach alkalischer Reaktion versetzt und auf etwa 300 ccm eingedampft. Jetzt versetzt man *) Bang, Mindre Middelelser om Guanylsyren. Archiv f. Mathem. og Naturvidenskab 24. (Norwegisch). Über die Darstellung der Guanylsäure. 1747 die noch heiße Lösung mit 3 Vol. Alkohol. Es entsteht ein reichlicher Niederschlag, während sich der Alkohol stark braun färbt. Nach einigen Stunden filtriert man. (Man kann auch gleich nach dem Erkalten filtrieren, das alkoholische Filtrat gibt dann aber eine Nachfällung, die man zweck- mäßiger mitverarbeitet.) Der Niederschlag wird in 150 cem Wasser ge- löst und heiß filtriert. Den unlöslichen Rest kocht man einmal mit Wasser aus, vereinigt die Filtrate und setzt nach Abkühlung 3 Vol. Alkohol hinzu. Es entsteht sogleich ein voluminöser, reichlicher Nieder- schlag, welcher aus schon ziemlich reiner Guanylsäure besteht. Er wird abfiltriert und nochmals in 100 ccm heißem Wasser gelöst. Man filtriert heiß, läßt abkühlen, setzt 3 Vol. Alkohol ‚hinzu, filtriert, wäscht mit Alkohol aus und erhält zuletzt nach Alkohol- Ather-Behandlung die Guanylsäure als ein weißes, feines Pulver. Zu dieser Darstellungsmethode ist folgendes zu bemerken: 1. Man benutzt nur 1-proz. Natronlauge (während man sonst zur Darstellung der Guanylsäure aus Pankreasproteid 2-proz. Kalilauge anwendet); ferner ist die Erhitzung der alkalischen Mischung so weit als möglich einzuschränken. Bei Verwendung stärkerer Lauge und bei längerer Erhitzung erhält man mit Alkohol schmierige, braune, sirupöse Massen, welche zwar eine intensive Pentosenreaktion geben, aber doch nur als Sirupe erhältlich sind. 2. Die Alkoholfällung liefert sehr rasch Präparate, welche absolut eiweißfrei (und salzfrei) sind. Die Eiweißkörper, welche nach der Alkalibehandlung entstehen, sind: 1. Alkalialbuminate, welche bei der Neutralisation ausfallen; 2. melaninartige Körper, welche größtenteils mit den Alkalialbuminaten ausfallen; 3. der größte Teil der Eiweißkörper sind albumosenartige Sub- stanzen, welche in 70 bis S0-proz. Alkohol löslich sind. Die alkoholischen Extrakte geben deswegen auch eine intensive Biuretreaktion; 4. ein Teil der Eiweißkörper wird endlich durch den Alkohol koaguliert. 3. Die Säure selbst ist sehr leicht in Wasser löslich und wird bei Zusatz von Säuren — Essigsäure und Mineralsäuren — nicht gefällt. Da die gewöhnliche Guanylsäure nicht besonders wasserlöslich ist und auch von Essigsäure gefällt wird, kann unsere Säure nicht mit der Guanylsäure identisch sein. Zur Sicherstellung des Unterschiedes haben wir uns bemüht, die elementare und rationelle Zusammensetzung unserer Präparate festzustellen. Wir haben uns mit Phosphor- und Stickstoffanalysen begnügt und teilen die Resultate hier mit. Präp. I. Phosphorbestimmung. 1. 0,2350 g bis 0,0560 g Pyrophosphat = 6,65 Proz. P. 2. 0,33583.:,.1..:0,0793: , 5 ip, Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 12 178 | Ivar Bang und (©. A. Raaschou, Präp. II. a) Phosphorbestimmungen. 1. 0,1946 g bis 0,0453 g Pyrophosphat = 6,50 Proz. P. 2. 0,2340, (0/0528, ’ —658 „ P. 3. 0,330 „7, 0,0802, g BR: > b) Stickstoffbestimmungen. 1. 0,1789 g bis 19,3 = H,SO, = 15,10 Proz. N. 2.823108... 799.5. Eh 3. 0,028 a N. P, | N. Präp.' I. 6,65 Proz. _ 6,54... —_ Präp. 11. 6530. .; 15,10 Proz. 6.38% 1536.75 Ei 19,38”, Mittel: 6,59 Proz. P. 15,28 Proz. N. Auf aschefreie Substanz berechnet: 6,65 Proz. P. 15,38 Proz. N. Diese Nucleinsäure enthielt also nur 6,65 Proz. Phosphor und 15,35 Proz. Stickstoff, während die Guanylsäure 7,64 Proz. P und 18,21 Proz. N aufweist. Dabei lieferte sie reichlich Pentose und reduzierte Feh- lingsche Lösung nach Inversion. Weiter konnten wir aus ihr beträchtliche Mengen Guanin darstellen und haben auch hier daneben keine andere Purinbase gefunden. Ebensowenig ver- mißten wir das Glycerin. Die Bestimmung der Spaltungsprodukte gab uns näheren Ein- blick in diesen Unterschied. Wir bestimmten den Pentosen- und den Guaningehalt, indem wir in der Methodik den früheren Spaltungsversuchen der Guanyl- säure folgten. Die Ergebnisse beziehen sich auf Präparat I. 1. Reduktionsversuche. a) 0,2913 g mit 100 ccm 5-proz. H,SO, zerkocht — 33,98 Proz. Pentose, als Dextrose bestimmt. b) 0,3560 g mit 180 ccm 5-proz. H,SO, zerkocht — 34,15 Proz. Pentose. 2. Guaninbestimmungen. a) 0,3074 g bis 0,2290 g Silberverbindung — 30,00 Proz. Guanin D),.0.2078° 02180, R 2035 Pe c) 02936., „ 0,2080... ” = 2019225 - Unsere Nucleinsäure enthält somit 34,07 Proz. (34,3 auf asche- freie Substanz umgerechnet) Pentose und 29,46 Proz. (29,7) Guanin, während die Guanylsäure nur 30 Proz. Pentose und 35,74 Proz. Guanin enthält. Die Bedeutung dieser Unterschiede läßt sich am besten ver- stehen, wenn man die früher entwickelte Formel der Guanyl- säure betrachtet. Danach ist die Guanylsäure: Über die Darstellung der Guanylsäure. OH OH nz Ö, H, N,;,—0—P—0—(6, H,; (O H) > C, H, OÖ, | 0) | C, H, N,—0—P—0—6; H, (O H) ö C, Hs; OÖ; OR) | | x | Ö, H, N,„—0—P— O— G H, (OÖ H) s C, H3 (07 | Ö | C, H, N,„—0—P—-0 H OH: OH während sich unsere neue Nucleinsäure durch die drücken läßt: OF OR >87 | 9 H, N,—0— P—0-, H, (OÖ H) ; Cr; H, VO, | Ö | C, H, N,—0—P—0—0; H, (OÖ H) 2 C, H; Ö, ZEN OO 3 C, H, N,— 0— P—0—(, H, (Ö H) : Ö, H, O, | Ö | G, H, N,—-0—P—-0-—(; EI; (OÖ H) ä 6: EB: Ö, OH OH 179 Formel aus- Unsere Säure würde sich danach von der Guanyl- säure dadurch unterscheiden, daß sie eine Glycerin- Pentosegruppe mehr als diese enthält. Die Spaltung dieser Säure müßte nach folgendem Schema verlaufen: C„H.N»P:.0u + EP H,0O=4GH,NO+H,PO,+C,H,O: + 6H,05). Diese Formel verlangt einen Gehalt von 7,09 Proz. P und 15,88 Proz. N, während wir in der Tat 6,65 Proz. P und 15,38 Proz. N gefunden haben. Sie läßt weiter die Bildung von 34,5 Proz. Guanin und 34,32 Proz. Pentose erwarten; gefunden: 29,7 Proz. Guanin und 34,3 Proz. Pentose*). *) Bestimmt als Traubenzucker. Die Xylose reduziert etwas stärker als Dextrose, und deswegen sind unsere Werte etwas zu reduzieren. 12* 180 Ivar Bang und C. A. Raaschou, Daß wir etwa 4 Proz. zu wenig Guanin gefunden haben, darf nicht befremden. Aus der Guanylsäure hat der eine von uns auch immer etwa 4 Proz. weniger erhalten, als der theoretischen Menge entspricht. Es liegt ferner nahe, anzunehmen, daß die früher beschriebene Guanylsäure, welche wir mit $-Guanylsäure bezeichnen wollen, aus der jetzt gefundenen Nucleinsäure, der a-Guanylsäure, herstammt. Man kann vermuten, daß die Alkalieinwirkung hier eine wesentliche Rolle spielt. Bei der Darstellung der a-Guanylsäure kommt nur eine Lauge von 0,3 bis 0,5 Proz. in Ver- wendung, während die -Guanylsäure durch Kochen mit 2-proz. Kalilauge aus dem Nucleoproteide dargestellt ist. Um diese Vermutung experimentell zu prüfen, haben wir die a-Guanylsäure eine Viertelstunde mit 2-proz. Kalilauge im Wasserbade gekocht. Die Säure wurde hierdurch merklich ver- ändert: 1. Sie ‘wurde jetzt für Essigsäure fällbar, 2. war viel weniger leicht im Wasser löslich und 3. enthielt mehr Phosphor: 1. 0,1845 g bis 0,0485 g Pyrophosphat = 7,32 Proz. P. 2. 0,1825 „ „ 0,0490 „ 5 a Im Mittel also 7,40 Proz. P. Die $-Guanylsäure enthält 7,64 Proc. P, Durch Kochen mit Alkali läßt sich somit die a-Guanylsäure in $-Guanylsäure überführen. Selbstverständlich kann man auch annehmen, daß man bei fortgesetzter Alkalieinwirkung zu einer y- und d-Guanylsäure kommen kann, und dies ist auch in der Tat der Fall. Diese stellen aber schmierige Produkte dar, die sich nicht zur Analyse eignen. | | 4. Die wesentliche Bedeutung der Methode liegt in der außer- ordentlich zufriedenstellenden Ausbeute. Während man nach der älteren Methode mit dem Nucleoproteid als Ausgangsmaterial etwa 0,1 g ß-Guanylsäure aus einem Kilogramm Pankreas erhielt, haben wir daraus durchschnittlich 3 g ganz reine a-Guanylsäure erhalten. (Auf Trockensubstanz umgerechnet etwa 15 g pro kg.) Bei quantitativem Arbeiten erhält man wahrscheinlich noch etwas mehr. Übrigens scheint es, als ob das Pankreas recht verschiedene Mengen Guanylsäure enthalten könnte — von 2 bis 35 g pro kg Drüse. \ 5. Endlich bleibt noch zu untersuchen, ob die Guanylsäure die gesamte Pentose der Pankreasdrüse enthält, oder ob hier noch andere pentosenhaltige Substanzen vorhanden sind. Nach Grund*) enthält Pankreas 0,45 Proz. Pentose — aus dem Furfurol- *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 35, 130. Über die Darstellung der Guanylsäure. 181 niederschlage berechnet — was etwa 1,4 Proz. Guanylsäure ent- spräche. Bei unserer Methode würde man also nur '/, der vor- gebildeten Guanylsäuremenge erhalten. Demgegenüber können wir mit Bestimmtheit behaupten, daß wir den bei weitem größten Teil der Guanylsäure gewonnen haben. Man muß somit entweder annehmen, daß ein Teil der Guanylsäure bei der Alkalibehandlung gespalten und zerstört wird, oder aber es muß die Pentose hauptsächlich in anderer Ver- bindung vorkommen. Da die Alkalibehandlung bei unserer Dar- stellungsweise so kurz dauert und der Alkaligehalt so gering ist, hat die erstere Annahme nicht besonders viel für sich. Auf der anderen Seite kann man leicht zeigen, daß die Pentose nicht als solche präformiert im Pankreas vorkommt. Beim Kochen mit Wasser kann man die Pentosenverbindungen ganz vollständig extrahieren. Versetzt man die Dekokte mit Bleiessig, so gibt das Filtrat absolut keine Pentosenreaktion mehr. Man kann somit schließen, daß präformierte Pentose nicht vorliegt. Entweder enthält daher das Pankreas neben Guanylsäure andere pentosenhaltige Verbindungen, oder es kommen hier noch andere Substanzen vor, welche Furfurolbildung veranlassen. Nach unserer Ansicht ist die letztere Möglichkeit die wahrscheinlichere. Nach Umber enthält Pankreas etwa 1,7 Proz. a-Nucleoproteid mit 1,76 Proz. P. Dies entspricht 0,43 Proz. a-Guanylsäure, während wir 0,3 Proz. gefunden haben. Nach unserer Methode lassen sich leicht große Mengen Guanylsäure gewinnen. Wir seibst haben über 100 g dargestellt. Man hat hier anscheinend ein bequemes Ausgangsmaterial zur Darstellung der Xylose. Bei Versuchen in dieser Richtung ge- langten wir in der Tat zu kristallisierten Produkten, welche sich aber beim Umkristallisieren größtenteils veränderten. Wir haben deswegen dieses Problem nicht weiter verfolgt. - Kürzere Mitteilungen. 1. Wird der Muskelsaft durch Autolyse gebildet? von Sigval Schmidt-Nielsen (Bergen, Norwegen). (Aus dem medizinisch-chemischen Institute der Universität Upsala.) In einer im vorigen Jahre veröffentlichten Arbeit teilt Vogel*) eine Reihe von Versuchen mit, wonach es ihm normalerweise nie gelungen ist, aus frisch geschlachtetem, kontraktionsfähigem und lebendem Muskel- fleisch Muskelsaft durch Pressen zu gewinnen, trotzdem er sich einer hydraulischen Presse von 5 bis 10 Atmospbären (1770 kg) Druckkraft bediente. Dagegen konnte er aus aufbewahrtem Fleisch mit der Dauer der Aufbewahrung stetig zunehmende Saftvolumina auspressen, So erhielt er z. B. im Laufe von 2 Stunden nach dem Tode keinen Saft, „ „ „ 4 „ » „ . einige Tropfen, nach 10 = 2 En „... 10,7. Proz: Sa „ 26 „ er) „ ER) 25,8 „ 9» Br 5 Tagen # 7 3. a er Trotz der stetig steigenden Saftmengen blieb doch der Stick- stoff- bezw. Eiweißgehalt in den verschiedenen Portionen derselbe. Aus diesem Grunde erklärt Vogel die Saftbildung durch eine Verflüssigung des Muskeleiweißes, die ihrerseits das Resultat einer postmortalen Proteolyse sein soll. Diese Beobachtungen von Vogel stimmen indessen nicht mit den von mir am Fischfleisch gewonnenen Erfahrungen überein. Bei meinen Untersuchungen von völlig frischem Fischfleisch ist es mir nämlich niemals schwierig gewesen, binnen wenigen Stunden nach dem Tode reichliche Saftmengen auszupressen. Es könnte also vielleicht bezüglich des Muskelsaftes ein wesentlicher Unterschied zwischen Säugetieren und Fischen bestehen, und da dies nicht nur von dem größten theoretischen Interesse, sondern auch für die mich beschäftigende Autolyse des Fischfleisches sehr wichtig wäre, habe ich in Zusammenhang mit anderen Untersuchungen die Angabe Vogels etwas näher studiert. Verhält es sich in der Tat so, daß sich aus dem Säugetierfleisch unmittelbar nach dem Tode kein Saft auspressen läßt, wohl aber später, so würde hieraus noch nicht folgen, daß man es hier mitirgend welchen enzymatischen Prozessen zu tun hätte. - *) R. Vogel, Untersuchungen über Muskelsaft. Deutsches Archiv für klin. Medizin. 1902. y Wird der Muskelsaft durch Autolyse gebildet ? 183 Kühne*) und Halliburton**) haben nämlich gezeigt, daß man durch Gefrieren von noch nicht totenstarren Frosch- und Kaninchen- muskeln, Verreiben zu Muskelschnee, Auftauen und Pressen, Plasma ge- winnen kann. Namentlich geht aus den Versuchen von Halliburton hervor, daß er aus Kaninchenfleisch sicher meßbare Quantitäten erhalten konnte, wenn er auch keine näheren Daten hierüber mitteilt. Da es außer Zweifel steht, daß der unter solchen Umständen ge- wonnene Saft kein Produkt einer Autolyse sein kann, habe ich in erster Linie Versuche mit gefrorenen Muskeln angestellt. Ich lasse hier als Beispiel zwei der hierher gehörenden Versuche folgen: Versuch I. 2 Stunden nach dem Tode wurde der dem Schlacht- ochsen entnommene, beim Berühren sich noch kontrahierende Halsmuskel zum steifen Gefrieren, dann nach 6 Stunden in eine Handpresse gebracht. Außer dem Saft, der im Preßtuch zurückblieb, ließen sich binnen 45 Minuten auf je 100 g Fleisch 29 g Saft auspressen. In VersuchllI wurde ein Halsmuskel ?/ı Stunde nach dem Schlachten zum Gefrieren gebracht und nach 6 Stunden im starren Zustande in die Handpresse gebracht. In einer Stunde wurden 31 Proz., d.h. 31 g Saft auf je 100 g Fleisch erhalten. In diesen beiden Fällen wurden also binnen 8 bis 9 Stunden mehr als 30 Proz. Saft, also viel größere Mengen als während derselben Zeit in Vogels Versuchen erhalten. Hierbei ist indessen noch zu beachten, daß von der obigen Zeit nur 2 bis 3 Stunden vor dem Durchfrieren des Fleisches verflossen waren, und wenn der Muskelsaft durch enzymatische Prozesse gebildet sein sollte, müßte allem Anscheine nach die Proteolyse in dieser Zeit stattgefunden haben, es sei denn, daß man keine Proteolyse im gefrorenen Muskel an- nehmen wollte. Gegen die obigen Versuche konnte indessen eingewendet werden, daß der Muskelsaft ursprünglich in das colloidale Substrat imbibiert sein und sich so verhalten könnte, wie eine gefrorene Stärke- oder Leim- lösung, die, vor dem Gefrieren unfiltrierbar, nach dem Auftauen mit der größten Leichtigkeit reichliche Flüssigkeitsmengen abgibt. Es war sonach auch notwendig, Versuche direkt an dem nicht ge- frorenen Muskel vorzunehmen. Von diesen teile ich den folgenden mit: In Versuch I mit dem Halsmuskel vom Rind wurden erhalten: Nach 1 Stunde (davon 30 Min. in der Presse) 9 Proz. Saft = 2 stunden( „ 1 Std. 30 Min. in der Presse) ; im ganzen 21,5 Proz. Saft A ES Od A 2 „ 830 ,„ inder Presse) im ganzen 25,8 Proz. Saft. In Versuch II, auch am Halsmuskel vom Rind angestellt, wurden erhalten: Nach ®/ı Stunde (davon 10 Min. in der Presse) 7 Proz. Saft Ei) 1! ’ ( LE) 25 2) „ Eh „ ) 10 „ Ei) In Versuch III, angestellt an einem Halsmuskel vom Ochsen, sofort nach dem Schlachten entnommen: Nach ®/s Stunden (davon 10 Min. in der Presse) waren 8 Proz. Saft ausgepreßt. *) W. Kühne, Untersuchungen über das Protoplasma. Leipzig 1864. ”*) W. D. Halliburton,.On muscle-plasma. Journal of Physiology. Vol. 8. 1887. 184 Sigval Schmidt-Nielsen, Wird der Muskelsaft durch Autolyse gebildet? In diesen und mehreren ähnlichen Versuchen habe ich gleich im Anfange keine Schwierigkeiten gehabt, aus den noch warmen, völlig kontraktionsfähigen Muskeln reichliche Saftmengen auszupressen — ein Resultat, das in vollstem Widerspruch zu den von Vogel gemachten Beobachtungen steht. Eine Erklärung kann ich kaum geben. Esist völlig ausgeschlossen, daß Vogel mit einem niedrigeren Drucke ge- arbeitet oder auch nicht lange genug gepreßt hat. Im Gegenteil. Während Vogel eine hydraulische Presse verwenden konnte, stand mir nur eine kleine Handpresse zur Verfügung. Der Widerspruch bleibt somit unauf- geklärt, da es wohl ausgeschlossen ist, daß Vogel die im Preßtuch zurückgehaltenen Flüssigkeitsmengen nicht mitgerechnet hat. Daß diese Mengen nicht zu vernachlässigen sind, geht aus einem mir vorliegenden Beispiele hervor, wo von 237 g Fleisch 16 g Saft in dem 39 g schweren Preßtuch zurückgehalten wurden, d. h. 6,7 Proz. Eine Vernachlässigung dieses Momentes müßte ja zu völlig falschen Werten führen. Deswegen habe ich auch bei den letzten Versuchen das Fleischstück einfach mit einer starken Schnur gebunden, Nachdem ich diese Versuche abgeschlossen Hatte, erschien eine Arbeit von O.v. Fürth*), woraus hervorgeht, daß es auch ihm unschwer gelungen ist, reichliche Saftmengen aus dem lebenden Säugetierfleisch auszupressen. Schließlich möchte ich erwähnen, daß der von mir gewonnene Muskelsaft in Übereinstimmung mit den Beobachtungen v. Fürths niemals eine spontane Koagulation gezeigt hat. *) O0. v. Fürth, Über die Gerinnung der Muskeleiweißkörper u. Ss. w. Diese Beiträge 3, Heft 12. Buchdruckerei A. W. Zickfeldt, Osterwieck|Harz. en: ana a2 | . ,.e= n a» 7) 2 [een ] Bram ee Justus Perthes. In beziehen durch alle Buchhandlungen. Hand-Atlas in 100 Karten. 50 Lieferungen für 30 Mark! zu je 60 Pig. Gotha Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin SW. 11 Dessauerstrasse 29. Biochemisches Lentralblaft. Vollständiges Sammelorgan für die Grenzgebiete der Medizin und Chemie unter Leitung von P. EHRLIcH- Frankfurt a. M., E. Fıscher-Berlin, A. Kosser-Heidel- berg, O. LiesreicH - Berlin, Fr. MürLer - München, B. ProskAuer-Berlin, E. SaLkowskı-Berlin, N. ZunTz- Berlin herausgegeben von Dr. phil. et med. CarL ÖPPENHEIMER. Jährlich 24 Hefte. Gross-Oktav. Preis pro Band 30 Mk. Zur Anlage von Collectaneen, Litteraturzusammenstellungen des einen oder anderen Spezialgebietes etc. werden die Referate den Abonnenten auch in einseitig bedruckten Abzügen zu 3 Mk. (pro Band) zur Verfügung gestellt. Ausführliche Prospekte und Probehefte gratis und franko. | —— 0022 Verlag von Aug. Hirschwald in Berlin. Soeben erschien die erste Abteilung: Jahresbericht über die Leistungen und Fortschritte in der gesamten Medizin. (Fortsetzung von Virchow’s Jahresbericht). Unter Mitwirkung zahlreicher Gelehrten. Herausgegeben von W. Waldeyer und C. Posner. 37. Jahrg. Bericht für das Jahr 1902. 2 Bände (6 Abteilungen). Preis des Jahrg. 37 M. BBLBBLLLEBBEBE Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunichweig. — Vollständig erschienen: —— Hermann von Helmholtz Leo Koenigsberger. x In drei Bänden. Mit 9 Bildnissen in Heliogravure und einem Brieffaesimile. Gr. 80. In vornehmer Ausstattung. Preis des vollständigen Werkes geh. M. 20.—, geh. in Leinwd. M. 2. geb. in Halbfrz. M. 31. it dem soeben zur Ausgabe gelangten dritten Bande des hochbe- Na\ deutenden Werkes ist die grosse Helmholtz-Biographie von Leo Koenigsberger, welche als eine biographische Leistung ersten Ranges für die gesamte wissenschaftliche Welt und für weite Kreise des ge- bildeten Publikums von dem grössten Interesse ist, vollständig erschienen. Die Entwickelung, das Leben und Wirken und die Bedeutung einer Persönlichkeit zu schildern, die durch den Umfang und die Tiefe des Wissens und die Macht des Köunens die meisten ihrer Zeitgenossen überragt, alle Welt durch das Produkt ihrer Arbeit während mehr als eines halben Jahrhunderts in Staunen und Bewunderung versetzt und der Wissenschaft neue fundamentale Lehren geschenkt und neue Wege zu fruchtbarer Tätigkeit gewiesen hat, war eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufgabe, deren Durchführung dem Verfasser, welchem nicht nur die Feder, sondern auch die auf eingehender Sachkenntnis ruhende |] Teilnahme für Person und Stoff zu Gebote stand, in vollendetem |# Masse gelungen ist. Dem grossen Naturforscher und Gelehrten ist mit dieser meisterhaften Darstellung seines in der Geschichte der Wissenschaft wohl einzig dastehenden Entwickelungs- ganges und seiner unvergleichlichen Lebensarbeit ein würdiges Denkmal errichtet worden, wie es der Mit- und Nachwelt nicht schöner überliefert werden konnte, Zu bezieben durch alle Buchhandlungen. [ EFFRFTRFFEFFRRF] Beiträge zur Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister 0. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg IV. Band. 5. und 6. Heft (Ausgegeben August 1908) Braunschweig Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn a Sm 1903 Inhalt des 5. und 6. Meftes. Seite XV. Muneo Kumagawa und Kenzo Suto. Über die Bestimmung des Fettgehaltes tierischer Flüssigkeiten nach Pflüger - Dor- meyer. (Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Univer- iu au ok. a N a ee Pe ee XVI. 6. v. Bergmann. Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus: (Aus dem ET, chemischen Institut zu Strassburg.) . el 192 XVII. Martin Jacoby. Über Crotin - ee ins N ER makologischen Institut zu Heidelberg) . . . 212 XVIII. Albert Fraenkel. Über die Wirkung des Hioins auf Fisch! blut. (Aus dem pharmakologischen Institut zu Heidelberg.) . 224 XIX. Anton Steyrer. Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. (Aus der II. medizinischen Klinik in Berlin.) . . 234 XX. Oskar Loew. Zur Kenntnis der Eiweißbildung bei den Pilzen 247 XXI. Herm. Hildebrandt. Über das biologische Verhalten von Nerol, Geraniol, Cyclogeraniol ... . 251 XXI. H. Wolff. Über die Beurteilung des Fäulniszustandes von Rindfleisch nach dem Gehalt an Bernsteinsäure. [Aus der I. med. Klinik der Univ. Berlin (Abteilung für FE (Direktor: Geh. Rat Prof. E.v. Leyden)] . . 254 XXIII. Karl Oppenheimer. Über die Einwirkung der Tr. ypsinver- dauung auf die Präzipitinreaktion. (Aus dem tierphysiol. Inst. der Landwirtschaftl. Hochschule Berlin, Dir. Prof. Dr. N. Zuntz,) 259 Kürzere Mitteilungen. 2. K. Landsteiner. Bemerkung zu der Arbeit von K. Glaeßner „Über die antitryptische Wirkung des Blutes“ . . 2... 262 Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erscheinen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von 356 Druckbogen zum Preise von M. 15,— bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Maßgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre er- scheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Straßburg i. E, Wimpfelingstraße 2, zu richten. Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung, Sachlich- keit, Knappheit und Übersicht der Darstellung maßgebend sein. Polemibe Ausführungen, welche den Rahmen einer tatsächlichen Richtig- stellung überschreiten, Fauna nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mit- teilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein besonders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40,— für den Druck- bogen und 50 Sonderabzüge. AN, Uber die Bestimmung des Fettgehaltes tierischer Flüssigkeiten nach Pflüger-Dormeyer. Von Professor Dr. Muneo Kumagawa | und Privatdozent Kenzo Suto. (Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Universität zu Tokio.) Seit Jahren mit Fettbestimmungen an tierischen Geweben beschäftigt, haben wir uns bemüht, das Verfahren von Dormeyer, welches auf der Aufschließung der Organe mit Pepsin-Salzsäure behufs nachheriger Extraktion des Fettes beruht, etwas zu ver- einfachen. Uber einen Teil dieser noch nicht zu Ende geführten Versuche erlauben wir uns nachstehend zu berichten. Zur Fettextraktion bedienten wir uns eines neuen, bequemen und rasch arbeitenden Extraktionsapparates, dessen Kon- struktion aus der umstehenden Zeichnung ersichtlich ist. Der Extraktionszylinder faßt etwa 150 cem. Er trägt ein weites Seitenrohr, welches zum Aufsteigen der Ätherdämpfe und zum Abfließen des kondensierten Äthers dient. Die konische Verlängerung des Zylinders ist in die Mündung des Siedekölbehens von ebenfalls etwa 150 cem Inhalt eingeschliffen. Innerhalb und etwas oberhalb des Konus befindet sich das untere Atherrückflußröhrchen mit seinem allmählich zugespitzten Ende. Dasselbe hat an seinem oberen und seitlichen Teil eine Öffnung, welche zum Aufsteigen des AÄtherdampfes dient. Die obere Mündung des Extraktionszylinders wird von einem eingeschliffenen Glasstöpsel ver- schlossen, welcher eine Fortsetzung des daraufsitzenden Rückflußkühlers bildet. Der Glasstöpsel trägt innen das obere Atherrückflußröhrehen mit einer Öffnung für den Durehtritt des Äthe rdampfes. Ein langes schmales Rohr (der „Atherinjektor“), welches bei der Extraktion in den Zylinder hineingebracht wird, bildet den wesentlichsten Teil des Apparates. Das untere Ende desselben ist zu einer unten abgeflachten Kugel aufgeblasen, die seitlich etwa in der Höhe des größten Kreises drei feine Öffnunge n trägt. Das obere zylinderförmig erweiterte Ende des Atherinjektors nimmt die untere Spitze des oberen Ätherrückflußröhrchens auf. 186 Muneo Kumagawa und Kenzo Suto, Der obere Teil des Extraktionszylinders ist von erheblicher Länge, damit der mit Substanz beladene Äther nicht bis zur Mündung hinauf- steigt, vor allem aber, damit der im Injektor in hoher Schicht befindliche Äther einen genügenden Druck ausüben kann. Infolge dieses Druckes tritt der Äther aus den Öffnungen der kugelförmigen Erweiterung in feinen Strahlen heraus, welche, an die Wand des Extraktionszylinders stoßend, in feine Tröpfehen zerfallen und nun, indem sie gleichmäßig durch die ganze Flüssigkeit verteilt aufsteigen, die zu extrahierende Substanz aufnehmen. Die Öffnungen müssen im Mittel einen Durch- messer von etwa 0,4 mm besitzen. Sie dürfen nicht größer als 0,45 mm und nicht kleiner als 0,35 mm sein, sonst träte der Äther in großen Blasen heraus, was die Wirksamkeit des Apparates vermindern würde, Geringe Abweichungen in der Größe der Öffnungen können übrigens durch die Temperatur des Wasserbades ausgeglichen werden. Je größer die Öffnungen sind, desto höher muß das Wasserbad temperiert sein (zwischen 55° und 70° C.). \ Als Belege für die Brauchbarkeit des Apparates seien einige der von uns angestellten Versuche mitgeteilt. 1. Salizylsäure. Bei Extraktion einer O,1-proz. wässerigen Lösung reiner Salizylsäure wurden A direkt, B nach Zusatz von 1 ccm Salzsäure (von 10 Proz.) nachstehende W er te erhalten ®): Tabelle 1 A A633 Se B mit Säurezusatz Salizylsäurelösung : 70 70 120 120 70 10 | 120 120 ın cem: Darin enthalten Salizylsäure in g: 0,0687 | 0,0687 | 0,1178 | 0,1178 | 0,0687 | 0,0687 | 0,1178 | 0,1178 Dauer der Extraktion “in Stunden: Wieder gefunden in g: 0,0683 | 0,0673 | 0,1156 | 0,1157 || 0,0687 | 0,0686 | 0,1178 | 0,1179 Differenz in g: ||—0,0004| — 0,0014 —0,0022) —0,0021| 0 |-—0,0001| 0 |-40,0001 Die Versuche der Reihe B lehren, daß eine fünfstündige Extraktion zur quantitativen Gewinnung der Salızylsäure genügte. Der Umstand, daß in der Reihe A ohne vorgängigen Säurezusatz eine kleine Menge der Bestimmung entging, wie auch aus der positiv ausfallenden Reaktion des Rückstands mit Eisenchlörid zu entnehmen war, kann eventuell nur auf Bindung dieses Anteils durch aus dem Glas in Lösung gegangenes Alkali bezogen werden. Für *) Die Bestimmung der Salizylsäure geschah gewichtsanalytisch. Da sich dieselbe schon bei 50° etwas verflüchtigt — (5 g verloren in unseren Versuchen pro Stunde 0,2 mg), so wurde die Lösung nach Verjagen des Athers nur eine Stunde bei 50°, dann im Vakuum über Chlorkalzium ge- trocknet. Über die Bestimmung des Fettgehaltes tierischer Flüssigkeiten usw. 187 die exakte Extraktion saurer Stoffe ist somit ein entsprechendes Ansäuern von Wichtigkeit, auch wenn anscheinend die betreffende Säure in freiem Zustande vorliegt. 2. Koffein. Hier erwies sich zehnstündiges Extrahieren zur Er- schöpfung der 0,1-proz. Koffeinlösung als notwendig. Tabelle I. Koffeinlösung in cem: TO RAT: +70 70 Enthaltend Koffein g: 0,0699 0,0699 0,0700 0,0700 Dauer der Extraktion e P 10 10 in Stunden: Wiedergefunden g: 0,0668 0,0650 0,0707 | 0,0695 Be 0 le 000 | Differenz: —0,0031 —0,0049 | +0,0007 | —0,0005 3. Von tierischen Flüssigkeiten haben wir Milch, Blut- serum und Asecitesflüssigkeit mit dem Apparate auf ihren Fettgehalt untersucht und dabei sehr befriedigende Re- sultate erhalten. Nur muß man bei allen Flüssigkeiten, welche Eiweiß gelöst enthalten und daher beim Schütteln mit Äther dicke Emulsionen bilden, eine kurzdauernde Verdauung mit Pepsinsalzsäure vorausgehen lassen. Die nachfolgende Extraktion verläuft dann ohne Emulsions- bildung stets sehr glatt. i Wir gehen hier nur auf die Milchfettbestimmungen etwas näher ein, da sich das dabei eingehaltene Verfahren mit wenigen Abänderungen auf fast alle tierischen Flüssig- keiten anwenden läßt. 10 cem bzw. 10 g Milch werden mit 40 ccm Salzsäure von 0,5 Proz. und 50 ccm frisch bereiteter Pepsinsalzsäure (siehe unten) versetzt, zwei bis fünf Stunden bei 40° C.-digeriert, dann in be- schriebener Weise mit Ather extrahiert. Nach etwa fünf Stunden ist die ursprünglich weiße Mischung fast vollkommen klar ge- worden. Nur an der Berührungsfläche der Flüssigkeit mit dem Ather findet sich eine zarte, flockige Ausscheidung, die jedoch die Extraktion durchaus nicht beeinträchtigt. Nach zehn Stunden andauernder Extraktion wird der Ather verdunstet, dann der Rückstand kurze Zeit bei 50° ©. getrocknet, nach dem Erkalten neuerlich mit absolutem Ather aufgenommen und die Lösung durch ein Asbestfilter*) in ein gewogenes Bechergläschen filtriert. Nach Verdunsten des Athers kurz dauerndes Trocknen ‘erst bei 50° C., sodann im Vakuum über Chlorkalzium, bis zum konstanten Gewichte. ”) Eine ätherische Lösung, welche trotz wiederholten Abfiltrierens durch Papier trüb bleibt, wird ‘bei Benutzung des Asbestfilters sofort klar. Wir 188 Muneo Kumagawa und Kenzo Suto, Das Resultat unserer Fettanalysen in der Milch haben wir durch Vergleichsbestimmungen nach Ritthausen*, Schmid- Bondzyuski”) und Gerber”) an ein und derselben Kuh- milch kontrolliert. | Tabelle IH. Die Bestimmungen nach Ritthausen (A), Schmid-Bondzyaski (B) und nach unserem Verfahren (D) wurden an 10 cem Milch ausgeführt und auf 100 eem umgerechnet. Extraktionsdauer bei A und Dim ganzen zehn Stunden. B Ö D A ER RUE Gerber Kumagawa Ritthausen He” e bei 600 GC. und R Bondzynski E £g in 100 ccm £ abgelesen Suto g in 100 cem j a 0/, & in 100 eem ee en. EEE Milch No. I 1 6,282 6.2814 n,30 6,477 (spez. Gew. S Fe ; ST / 2 6,272 6,2097. St 6,91: 1,0298 bei i 7 8:90, 11.7) Ve 17,5° C.) BE RER, Mittel 6,277 6 6,2905 6,283 6,495 Milch No. II l 4,651 4,670. 4,60 4,794 (spez, Gew. f 2 rg 2 2 2 6 4 t 5 = $ N 1.0312 bei x Fo ee 453 2) et 18° ©.) | B) 4: 60 Mittel 4,6425 4,6125 | 4 580 4,802 Um die Menge der bei unserer Methode etwa mitextrahierten Milch- säure ae len, wurde das Extrakt 2 von Milch No. II mit etwa 50 cem warmer /ıo Normal-Natronlauge versetzt und behufs Entfernung des ee s neuerdings extrahiert. Nach 15stündiger Extraktion wurde der Ather gewechselt und nach Zusatz von 10 ccm Salzsäure (von 10 Proz.) die Behandlung mit Äther weitere 20 Stunden fortgesetzt. Das zweite Extrakt, welches anscheinend ein Gemisch von Fettsäuren und Milchsäure darstellte und 0,0052 g wog, wurde mit Zinkkarbonat aufgekocht. Das eingeengte Filtrat und Waschwasser hinterließ im Exsikkator einen amorphen Rückstand im Gewicht von 0,0014 g (Zinklaktat?). haben es bei Fettbestimmungen seit Jahren unentbehrlich gefunden. Wir benutzen einen gewöhnlichen Glastrichter mit einem langen, ganz enge Abflußrohr, das an der Verbindungsstelle mit dem Konus des Trichters etwas en erweitert ist. Diese Erweiterung dient zur Aufnahme eine Asbestpfropfens, welcher vorher durch Auskochen mit Säure, Lauge und Wasser gründlich gereinigt worden ist. Der so vorbereitete Trichter ist ohne Erneuerung von Asbest für 20 bis 30 Einzelbestimmungen brauchbar, e@ muß nur zwischen den einzelnen-Bestimmungen mittels Durchsaugenus heißer Luft getrocknet werden. *) Ritthausen, Journ. f. prakt. Chemie. Neue Folge 15, 329. ==) W, Schmid und Bondzynski, Zeitsch. f. analyt. Chemie 30, 728, ***) Gerber, Laktobutyrometer. Molkereiztg. 1889, pag. 137, Über die Bestimmung des Fettgehaltes tierischer Flüssigkeiten usw. 189 Legt man die Zahlen der obigen Tabelle zugrunde und setzt "man die Fettmenge nach Ritthausen, Schmid-Bondzyhski und Gerber gleich 100, so beträgt die Ausbeute an Fett nach unserer Methode 103,45 bezw. 103,6 und 104 Proz., d. h. 3,45, 3,6 und 4 Proz. mehr. Nach diesem Ergebnis halten wir uns für berechtigt, anzunehmen, daß unsere Methode für genaue Milch- fettbestimmungen den bisher gebräuchlichen Methoden vorzu- ziehen ist. Herstellung einer geeigneten Pepsinsalzsäure. Bei dieser Schlußfolgerung ist stillschweigend vorausgesetzt, daß die benutzte Pepsinsalzsäure kein Ätherextrakt enthielt. Eine solche fast ätherextraktfreie Pepsinsalzsäure von ausge- zeichneter Wirksamkeit ließ sich durch folgendes Verfahren erhalten: Die Magenschleimhaut eines eben geschlachteten Schweines wurde "mittelst Bürste möglichst von Schleim befreit, abgewaschen, und der rotgefärbte Fundusteil zu einem feinen Brei*) zerhackt, in 11 iter Salzsäure von 0,5 Proz. eingebracht und bei 40° C. 15 bis 20 Stunden digeriert. Dann wurde Blutkohle (Merck), etwa 20 8, (!/s» der Flüssigkeit), zuge- setzt, die Digestion noch einige Stunden fortgesetzt, schließlich die Flüssigkeit auf ein Faltenfilter gebracht. Das Filtrat ist anfangs in der Regel trüb, wird aber bei wiederholtem Zurückgießen klar und geruchlos. Die Filtration selbst geht sehr glatt vor sich. Die so erhaltene Pepsinsalzsäure ist bei Verwendung ge- reinigter Blutkohle fast vollkommen farblos und wasserklar, bei Benutzung roher Blutkohle (Merck) ebenfalls klar, jedoch infolge eines geringen Eisengehalts gelblich gefärbt. 100 cem dieser Pepsinsalzsäure gaben, in unserem Apparate 30 Stunden lang extrahiert, nur 0,0019 g Rückstand. Da wir von dieser Pepsin- Salzsäure zu einer Bestimmung höchstens 50 cem gebrauchen, so ann man dieselbe wohl als ätherextraktfrei betrachten. Eine Analyse der Pepsinsalzsäure, welche mit der gereinigten Blut- ke öhle Merck behandelt worden war, ergab folgende Zusammensetzung ro 100 cem: - Gesamtazidität (Indikator: Phenolphtalein): 117 ccm !/ıo Normal- a0H; freie Säure (Indikator: Tropaeolin 00): 83 ecm !/ıo Normal-NaOH; Prockensubstanz (einschließlich des durch Neutralisation gebildeten Salzes): 1,737 g; dieselbe nach Abzug von Chlornatrium: 1,0495 g; Asche, (die Substanz ohne Neutralisation direkt eingedampft und verascht): 0, 0896 & B; jesamt-N (nach Kjeldahl): 0,1498 g; Eiweißstoffe (N X 6,25): 0,9363 @. Es ist bemerkenswert, daß die Behandlung mit Tierkohle > Verdauungskraft der Pepsinlösung kaum beeinträchtigt hatte. | | A « Me *) Von einer Magenschleimhaut bekommt man durchschnittlich etwa 5 )0 g Schleimhautbrei. 190 Muneo Kumagawa und Kenzo Suto, Tabelle IV. 300 g Schleimhautbrei werden mit 2 Liter Salzsäure von 0,5 Proz. 15 Stunden bei 40° C. verdaut. Von der überstehenden Flüssigkeit werden 250 eem zur Untersuchung entnommen. | R B e vorher mit 5,0 roher ohne Zusatz direkt m] utkohle Merek1 Stil. abfiltriert DATE digeriert sehr langsam Filtration nach 48 Stunden noch fast momentan nieht vollendet : " klar und gelblich Filtrat stark getrübt IT, E 25 gefärbt a RL LAD | N-Gehalt in 100 cem \ ERNEN 0,210 & 0,192 g Gesamt-Azidität in 134 ccm 77 cem 100 ecem !/,„ Normal-Na OH Zusammensetzung der Verdauungsproben Pepsinlösung A 10 cem, Salzsäure von 0,5 Proz. 90 eem, Fleischpulver 5,0 g (mit 0,6851 g N); Gesamtvolumen 100 ccm Y/ö Normal-Na OH Pepsinlösung B 10 cem, Salzsäure von 10 Proz. 0,22 cem, Salzsäure von 0,5 Proz. 89,78 cem, Fleischpulver 5,0 & (mit 0,6851 g N); Gesamtvolumen 100 cem Gesamtvolumen, Salzsäuregehalt und zugesetzte Fleischmenge genau gleich gehalten Digestionsdauer 19/,, der Gesamt- Azidität neutralisiert mit 3 Std. bei 400 C. 3 Std. bei 400 © 115 eem Normal-Na OH 13 cem Normal-Na OH 15° im Dampftopf erhitzt und aufgefüllt 200 eem 200 cem auf Gesamt-N in der 0,5572 & 0,5348 & Lösung N in 10 ccm Pepsin- lösung N des aufgelösten Fleisches ab 0,0210 & o' oO ab 0,0192 filtriert, von dem Kalt aufgefüllt und trocken ab- Filtrat je 10 cem nach Kjeldahl auf N-Gehalt untersucht 0,5362 8 0,5156 & Verdaut in Proz. Die behufs Vergleiches absichtlich für die Verdauung ungünsti gewählte Mischung — 100 cem mit 0,5 Proz. Salzsäure und (5,0 8 lufttrocknen Pulvers) — gestattet die verdauende Kraft beideı Die Wirkung 85 Proz. 81 Proz. Proben mit genügender Exaktheit zu beurteilen. Uber die Bestimmung des Fettgehaltes tierischer Flüssiekeiten usw. ]9] der mit Blutkohle behandelten Probe erscheint insofern beein- trächtigt, als dieselbe von dem zugesetzten Fleisch bei dreistündiger Digestion Si Proz. auflöste, während die in der Kontrollprobe in derselben Zeit, aufgelöste Fleischmenge 85 Proz. betrug. Doch ist dieser Unterschied im Vergleich zu der energischen Verdauungs- wirkung überhaupt so unbedeutend, daß uns die fermentbindende Eigenschaft der Kohle zweifelhaft erscheint. Wir neigen eher der Ansicht zu, daß die Kohle Ätherextrakt und jene Substanzen zurückhält, welche die aus der frischen Magenschleimhaut zube- reitete Pepsinsalzsäure schwer filtrierbar machen, während sie - Pepsinferment ungehindert durchläßt. Bei Verwendung dieser Pepsinsalzsäure entfallen die Schwierigkeiten, welche sich sonst aus dem Fettgehalt und der Schwerfiltrierbarkeit der Schleimhautinfuse zu ergeben pflegen. Wir behalten uns vor, auf die von uns ausgeführten Be- stimmungen des Fettgehalts von Blutserum und Aszitesflüssigkeit in einer weiteren Mitteilung einzugehen. 16. Mai 1903. XVI Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. Von @. v. Bergmann. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.) 1. Die oft besprochene Frage, in welcher Form der Schwefel im Eiweiß enthalten ist, scheint jetzt nach langem Bemühen dahin beantwortet, daß manche Eiweißkörper den gesamten Schwefel, andere jedenfalls einen großen Teil in Form einer Cysteingruppe enthalten (Mörner)®. E. Friedmann? verdanken wir die definitive Feststellung der Konstitutionsformel des Eiweißeysteins als einer a-Amino-p-thiomilchsäure und den Nachweis, daß Cystin bezw. Oystein sich auf einfache Weise durch Oxydation in Taurin über- führen läßt. Damit ist eine ganze Anzahl physiologischer, früher ohne Erfolg oder mit halbem Gelingen bearbeiteter Probleme des - Schwefelstoffwechsels der Untersuchung zugänglich geworden. Unter ihnen drängt sich in erster Linie die Frage auf: stammt das Taurin, das im Organismus stetig entsteht und hauptsächlich in der Galle zu finden ist, aus dem Cystin des Eiweißes? Ferner, wenn der Organismus die Fähigkeit besitzt das Eiweißeystin in Taurin überzuführen, durch welchen chemischen Vorgang bringt er das zuwege, welche Zwischenprodukte entstehen dabei, voll- zieht sich dieser Prozeß in einer oder mehreren Phasen? E. Fried- mann hat am Schlusse seiner eben zitierten Arbeit? diese Fragen aufgeworfen, die sich ihm als Folge seiner Resultate unmittelbar aufdrängten. In der nachstehenden Untersuchung habe ich es versucht, von Herrn Professor Hofmeister darauf hingewiesen, die erste der hieraus erwachsenden Aufgaben einer Lösung zu- zuführen. Die Untersuchungen gingen zunächst dahin, festzustellen, ob nach Fütterung mit Cystin das Taurin der Galle sich ver- mehrt zeige 2 De Au 2. u er Se Atere e aa Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. 193 Verwandte Fragestellungen sind auch früher schon aufge- worfen worden, als man noch keine bestimmten schwefelhaltigen Kerne des Eiweißmoleküls kannte. Die älteren Arbeiten konnten daher lediglich die Frage behandeln: In welcher Beziehung steht die Menge des mit dem Nahrungseiweiß zugeführten Schwefels zu der in Form von Taurin ausgeschiedenen Schwefelmenge ? Schon Bidder und C. Schmidt? haben die Frage angeregt, ohne sie zum Abschluß zu bringen. Aus den von ihnen mitge- teilten, nur orientierenden und methodisch nicht einwandsfreien Versuchen geht allenfalls hervor, daß die in der Galle ausge- schiedene Schwefelmenge innerhalb weiter Grenzen von dem Schwefelgehalt der Nahrung unabhängig ist: Sie fanden einmal in der Galle mehr Schwefel als in der zugeführten Nahrung. In anderen Versuchen jedoch sahen sie nur 56 bis 31 Proz. des Nahrungsschwefels in der Galle zur Ausscheidung kommen. Mit exakter Methodik und klarer Fragestellung nahm A. Kunkel®® auf Karl Ludwigs Veranlassung die Frage wieder auf. Kunkel faßt die Ergebnisse dieser ersten Arbeit später in folgender Weise zusammen: „Von dem ganzen im Nahrungseiweiß aufgenommenen Schwefel wird ein bestimmter aliquoter Teil täglich mit der Galle ausge- schieden. Diese Menge nimmt zu und ab mit der Größe der Zufuhr, indes so, daß bei großer Nahrungsaufnahme ein prozentisch geringerer Teil in der Galle zur Ausscheidung kommt als bei kleinerer Nahrungsaufnahme.“ — „S bis 30 Proz. des als Eiweiß eingeführten Schwefels erschienen in der Galle als Taurin wieder, die geringeren Prozentzahlen bei größter Aufnahme. Merk- würdig war noch, daß die auf Steigerung der Nahrung folgende Vermehrung der Galle nicht sofort, sondern erst am zweiten, selbst dritten Tage der vergrößerten Zufuhr erfolgte.“ Die Versuche der zweiten einschlägigen Untersuchung Kunkels5b haben diese Schlüsse im ganzen bestätigt, doch sind die beobachteten Unter- schiede in der Größe der Schwefelausscheidung durch die Galle keineswegs immer große. P. Spiro®, ebenfalls durch Karl Ludwig dazu angeregt, führte diese Versuche weiter. Er kommt zu Resultaten, die im ganzen mit denen von Kunkel übereinstimmen und sie in wesent- lichen Punkten ergänzen: „Der durch die Galle ausgeführte Schwefel stellt einen um so kleineren Bruchteil des mit dem Harne abgegangenen dar, je reicher die Nahrung an Eiweißstoffen war.“ — „Der chemische Prozeß, welchem die Taurocholsäure ihre Entstehung verdankt, Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 13 194 G: v. Bergmann, bewahrt sich demnach einen hohen Grad von Unabhängigkeit, gegenüber denjenigen, welche zur Bildung von schwefelhaltigen Produkten führen, die ihren Ausweg durch die Nieren finden.“ Am augenfälligsten wird das durch die Tatsache bewiesen, daß bei etwa achtfacher Vermehrung des Schwefels in der Eiweiß- nahrung die Menge des Gällenschwefels nur um das Doppelte steigt. Endlich findet auch Spiro, gerade so wie Kunkel, daß die Schwankungen in der Schwefelausscheidung durch die Galle erst zwei bis drei Tage nach Änderung der Schwefelmenge des Eiweißfutters eintreten. Damit war eine Zunahme des Gallenschwefels und somit, nach allgemein festgehaltener Annahme, des Taurins nach reich- licher Eiweißzufuhr bewiesen, es schien also die Vorstellung, daß das Taurin aus dem Nahrungseiweiß stammt, wohl begründet; merkwürdig blieb, und das betonen Kunkel und Spiro ja auch ausdrücklich, die anscheinend doch recht große Unabhängigkeit der Gallenschwefelausscheidung vom allgemeinen Eiweißumsatz. Es geht schon daraus hervor, daß eine unmittelbar an die Eiweiß- resorption sich anschließende Umwandlung des Eiweiß-Schwefel- komplexes zu Taurin nicht notwendig gegeben ist, und daß die Leber, auch bei mängelnder Eiweißzufuhr, erhebliche Taurin- mengen bilden kann. Für diesen Fall ist die Annahme nicht zu umgehen, daß der Leber noch andere Bezugsquellen für den Taurinschwefel zu Gebote stehen als das resorbierte Nahrungs- eiweiß. Dadurch wird aber die Erwägung nahe gelegt, daß auch die nach Eiweißzufuhr beobachtete Vermehrung des Gallenschwefels möglicherweise nicht aus dieser selbst stammt, sondern nur da- durch zustande kommt, daß die erhöhte Eiweißzufuhr unbekannte Bezugsquellen vorübergehend ergiebiger macht. Da diese Bezugs- quellen in letzter Reihe den Schwefel auch aus dem der Nahrung beziehen müssen, so würde es sich bei diesem Bedenken vor allem darum handeln, ob nicht mit der Nahrungsaufnahme ver- knüpfte Vorgänge, z. B. die Änderung der Gallensekretion infolge anderer Quantität und Qualität der Nahrung, zunächst unabhängig von der Menge des Eiweißschwefels, einen Einfluß ausüben können. Mit den alten Mitteln hier zu einem befriedigenden Ver- ständnis zu gelangen, war wenig aussichtsvoll. Aus den oben erwähnten Resultaten Mörners und Friedmanns ergibt sich aber ein neuer Gedankengang: Genügt es nicht, statt des gesamten Eiweißmoleküls nur denjenigen Kern einzuführen, aus dem der Organismus das Taurin bereitet, damit es in vermehrter Menge in der Galle erscheine? Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. 195 Diesem Gedankengang folgend war die Versuchsanordnung folgendermaßen gegeben: Statt Eiweiß zu verfüttern, wie Kunkel und Spiro es taten, mußte einfach Cystin, bei sonst völlig sich gleichbleibender Kost, gereicht und die Zunahme des Taurins der Galle bestimmt werden. II. Zur Versuchsmethodik. a) Die Anlegung der Gallenfistel. Dem 46 Kilo schweren Hunde „A“ und dem 85 Kilo schweren Hunde „B* wurden komplette Gallenfisteln nach der Methode von Dastre” angelegt. Die Methode hat sich mir vorzüglich bewährt, beide Hunde hatten nach etwa fünf Tagen die Folgen der Operation völlig überwunden, die Fistel schloß absolut dicht um die Kanüle, so daß jeder Tropfen in den am Halsband aufgehängten Gummibeutel lief. Diese, ebenfalls von Dastre”) angegebene Befestigung bezweckt, einen direkten Zug des ge- füllten Beutels an der Kanüle zu vermeiden. Sie hat sich ebenfalls als recht zweckmäßig erwiesen, obwohl es ab und zu vorkam, daß der Gummischlauch sich von der Kanüle löste oder sich am Ende der Kanüle durchscheuerte. Künftig würde sich das leicht durch ein an der Kanüle aufzuschraubendes, geeignet gebogenes Ansatzstück vermeiden lassen. Die angedeuteten Zufälligkeiten sind der hauptsächlichste Grund dafür, daß die Gallenbestimmungen einiger, in die Versuchsperioden fallender Tage fehlen, dazu kamen noch zwei- oder dreimal andere Versehen, wie sie bei längerer Versuchsdauer kaum zu vermeiden sind. b) Ernährung der Tiere. Das Befinden der Hunde war während der Versuchsdauer stets gut, die Nahrung nahmen sie vollständig zu sich, die großen Schwankungen in der Appetenz der Gallenfisteltiere, von denen vielfach berichtet wird, habe ich nicht beobachten können. Der Hund A bekam während der ganzen Zeit (vom 11. Dez. 1902 bis - 22. März 1903) täglich um 1 Uhr mittags 50 g Fleisch und 150 g Reis; sein Gewicht blieb im wesentlichen konstant 4,6 Kilo, nur bei der letzten Wägung am 18. März war es auf 4,3 Kilo herabgegangen. Der Hund B bekam täglich um 1 Uhr mittags 200 g Fleisch, 150 g Reis und 30 g Kasein (als möglichst schwefelarmen Riweißkörper). Auch dieser hielt ch konstant auf dem Gewicht von 8,5 Kilo. c) Die Verarbeitung der Galle. Die im Gummibeutel sich sammelnde Galle wurde mehrmals am Tage entleert und die einzelnen Portionen stets von 24 Stunden, von 12 Uhr mittags bis 12 Uhr mittags, vereinigt. Das Datum der Tabellen bezeichnet immer den zweiten Tag. Während der ersten Versuchsperiode wurde jede 24stündige Gallen- ' portion mit einem vielfachen Volumen 96 proz. Alkohols versetzt, vom Nieder- schlag (Gallenmuein u. a.) abfiltriert, der Niederschlag sechs bis achtmal mit Alkohol nachgewaschen und das mit der Waschflüssigkeit vereinigte Filtrat auf ein bestimmtes Volumen eingeengt (150 com). Von diesem 13* - 196 G. v. Bergmann, Volumen wurde ein bestimmter Teil, je '/s (30 ccm), zur Bestimmung des Gesamtschwefels (nach v. Asböth) verwandt. Es wurden für jede Schwefel- bestimmung zwei Analysen ausgeführt, deren Ergebnisse (das Gewicht des Baryumsulfats) aus den Tabellen zu ersehen sind. ’ Von der Versuchsperiode II an wurde die Methode vereinfacht. Die abgemessene Galle wurde gleich mit 96proz. Alkohol auf ein bestimmtes Volumen (bei Hund A 250 cem, bei Hund B 500 cem) aufgefüllt, ohne daß der entstehende Niederschlag entfernt wurde. Indem ich hinterher Sorge trug, daß sich die Konzentration nicht mehr änderte, filtrierte ich, ohne nachzuwaschen, vom Niederschlage in ein gut verschließbares Gefäß ab. Es ist richtig, daß dabei das Volumen, das der Niederschlag einnimmt, mitgerechnet wird, als wenn es von der umgebenden Flüssigkeit ein- genommen wäre. Aber das Volumen des trockenen Niederschlages macht nicht einmal einen Kubikcentimeter aus. Auf 250 bis 500 ccm Flüssig- keit also weniger als 0,4 bis 0,2 Proz. des Gesamtvolumens. Das geht schon aus dem Gesamtgewicht des Mueins und der anderen mit Alkohol fällbaren Bestandteile der Galle hervor. Von allen Untersuchern wird der Schwefel der Galle, bezw. des alkohollöslichen Teiles der Galle, stets ganz als Taurin- Schwefel aufgefaßt. Schon Kunkel hat gezeigt, daß die Menge des Sulfatschwefels nur einen zu vernachlässigenden Fehler ver- anlaßt. Ich habe fünf verschiedene, in meiner Art mit dem vier- bis fünffachen Volumen Alkohol versetzte Gallenproben vereinigt und auf Sulfat untersucht und dabei überhaupt kein Baryumsulfat be- kommen, obwohl ich 100 cem Galle zur Untersuchung verwandte. Es waren sonach die etwa vorhandenen Sulfate zusammen mit dem Mucin ausgefällt. Meine Schwefelzahlen sind also in dieser Richtung einwandsfrei. Eine andere Fehlerquelle könnte bedeutungsvoller werden: Hammarsten hat in der Galle verschiedener Wirbeltiere und auch des Menschen Ätherschwefelsäuren, beim Hai in beträchtlicher Menge, nachgewiesen®. Wir dürfen also nur dann die gesamte Schwefelmenge der Galle auf Taurin beziehen, wenn wir sicher sind, daß Hundegalle keine Ätherschwefelsäuren enthält. Freilich ist, so häufig auch Hundegalle analysiert worden ist, hier nie Schwefel in dieser Bindung nachgewiesen worden. Zur größeren Sicherheit habe ich einige beliebig ausgewählte Proben von verschiedenen Tagen vereinigt und zusammen auf Ätherschwefelsäuren unter- sucht. Ich benutzte dazu die fünf Gallenproben, mit denen ich die Sulfatbestimmung versucht hatte. Ich zersetzte die barythaltige Flüssigkeit mehrere Stunden mit Salzsäure, dampfte zur Trockene ein, nahm mit Alkohol und Wasser vollständig auf, sammelte das Ungelöste auf einem aschefreien Filter und wusch mit Wasser, verdünnter Salzsäure, Alkohol und Äther wiederholt nach. Es blieb kein wägbarer Rückstand zurück. Ätherschwefel- ee vn. din Pi >47, N }‘ 4 D I - Die Uberführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. 197 säuren waren also in unseren Proben nicht vorhanden. — Da irgend ein anderer alkohollöslicher schwefelhaltiger Körper in der Galle nicht bekannt ist, bin ich berechtigt, die Zahlen für den Gesamtschwefel der mit Alkohol versetzten Galle auf Taurin zu beziehen. Die beschriebene Behandlung der Gallen scheint für Schwefel- bestimmungen geeigneter als das Extrahieren des eingedampften Rück- standes mit Alkohol, denn Taurocholsäure kann beim Eindampfen leicht zerlegt werden und Taurin ungelöst im eingedampften Rückstand bleiben. Handelte es sich nur um Bestimmungen der physiologischen ‚Schwefelausscheidung, so habe ich öfters, nachdem ich die Schwankungen einmal festgestellt hatte, mehrere Tagesportionen vereinigt und nachher die Ausscheidung für 24 Stunden im Mittel berechnet; die Tabellen deuten das stets an. Zu rascher Übersicht empfiehlt es sich besonders die letzte Spalte aller Tabellen zu berücksichtigen, auf der die 24stündige Schwefelmenge ver- zeichnet ist. d) Über die Darstellung des Cystins nach Mörner und Embden verweise ich auf die oben zitierte Friedmannsche Arbeit®. Es wurden stets reine Präparate verwendet. Das chol- saure Natron, von dem ich später Gebrauch machte, war aus Rindergalle erhalten und ebenfalls völlig rein. Alle Präparate wurden den Hunden in Gelatinekapseln verabfolst. Wir können nun zur Besprechung der Versuche übergehen. III. Hat die Zufuhr von Cystin eine vermehrte Taurinaus- scheidung zur Folge? Entsprechend den obigen Ausführungen verfütterten wir zu- nächst Oystin bei sonst völlig gleichbleibender Kost. (Siehe Ver- suchsreihe I.) Betrachtet man die umstehende Zusammenstellung, so könnte es scheinen, als wenn nach der Gabe von 2,5 g Cystin eine lang andauernde allmähliche Steigerung der Schwefelausscheidung in der Galle stattgefunden hätte. An dem Vortage erhielt ich 0,034 g für die 24stündige Schwefelmenge, dann stiegen die Zahlen auf 0,042, 0,051, 0,054 und mit einer Remission weiter auf 0,062. Wie wenig jedoch auf diese Zunahme Gewicht zu legen ist, lehrt die Versuchsreihe II (S. 199), die ein Bild von der Größe der physiologischen Schwankungen überhaupt gibt. (Siehe Versuchs- reihe II Seite 199.) Es wurden erst 20 Tage lang die physiologischen Schwankungen des Gallenschwefels beobachtet und erst dann wurde, um eine deutliche Gallenschwefelvermehrung zu erhalten, eine größere Dosis Oystin, d. h. zweimal 2 g, eingeführt. 198 u. v. Dbergmann, Versuchsreihe I. Hund „A“. Gewicht 4,6 Kilo. Erhält täglich 50 g Fleisch und 150 g Reis. En BaS0O, Ss = 3 | Gewogenes BaSO, | auf die in der S Verfüttert = = Gesamt- | Gesamt- in 24 Stdn. A & Kontroll- Mittel menge be- menge d. | im Mittel & | analysen u rechnet Galle X1l. 02 0,0480 12. var 0,0500 | 0,2500 , 0,0343 0,034 0,0520 0,0600 2,5 g Cystin || 13. 0,0607 | 0,3035 | 0,0417 0,042 0,0613 0,0753 14. 0,0742 | 0,3710 | 0,0509 0,051 0,0730 0,0777 \ 15. 0,0784 | 0,3920 ‘, 0,0538 0,054 0,0790 0,0691 16. 0,0681 | 0,3405 | 0,3468 0,047 0,0670 0,0879 17. 0,0897 | 0,4485 | 0,0616 0,062 0,0914 0,0859 18. 0,0848 0,4240 | 0,0582 0,058 | 0,0837 Die Versuchsreihe II zeigt, daß die Schwankungen in der 24stündigen Schwefelmenge 0,025 bis 0,055 betragen können, d.h. daß das Maximum den Minimalwert fast ums Doppelte über- treffen kann. Da hier während und nach der Cystinfütterung eine Steigerung nicht konstatiert werden Kann, dürfte auch die höchste Zahl der Reihe I (0,062) noch in die Breite der physiologischen Schwankungen zu rechnen sein. Stadelmann® schon betont wiederholt die großen Schwankungen in der täglichen Menge aller Gallenbestandteile. Jedenfalls gibt weder das Verhalten des Hundes, noch sonst irgend etwas Veranlassung, die Zuverlässigkeit der höchsten oder niedersten Werte anzuzweifeln, so daß mit einer so großen Breite der physiologischen Schwankungen not- wendig gerechnet werden muß. Angesichts solcher Tatsachen läßt sich unmöglich behaupten, daß die Zahlen an den Tagen der Cystinfütterung oder kurz darnach irgend eine Steigerung der Schwefelausfuhr bewiesen; es ist richtig, daß sie näher | Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. 199 Versuchsreihe 1. Hund „A“. Unter den gleichen Bedingungen wie in Reihe I. ” 2 BaSO, Ss an | | . , 3 Se: 'S GE &L Gewogenes BaSO, | auf die in der S Verfüttert 3 D 5 © Gesamt- | Gesamt- |in 24 Stdn. EB Anhe ar Kärtsan: menge be- menge d. |im Mittel ccm | cem | analysen Mittel |rechnet*) | Galle T. 93 en ——- 2 Tage a | 138 | Orlası | 0,1216 | 0,6080 | 0.0835 | 0,042 [23.| fehlt | | 2 2 Tage | | | 187 | oooe | 01004 | 0,5020 | 0,0689 | 0,034 2 Tage | > 9 | 12 | Oggs | 01592 | 0,060 | 0,1098 | 0,055 (II 28.| 71 . | 0,0813 2 Tage || 99.| 75 | Ki aatı | 0,0814 9070 0.0559 | 0,028 [30.]fehlt [31.] Fehlt Il. 03 | x i 2 Tage | 16 | 197 | Orıe | o1ıes | 0,5840 | 0,0802 | 0,040 19.178.) ..,., 0,1533 i , 2 Tage|| 475 | 153 | o1506 | 91530 0,7650 0,1050 | 0.053 (| 5 3 6.| 68 7.165 8. | 70 0,1116 8 Tage‘| 9.| 66 | 321 0,1084 | 2,7100 | 0,3721 | 0,097 [10.]|fehlt 0,1052 | 11.| 63 12.| 52 | '18.| 64 B 2,0 g Cystin [| 14. | 70 0,1479 2 Tage 126 0,1446 | 0,7230 | 0,0993 | 0,050 2,0 & Oystin 15. | 56 0,1413 | (| 16. | 74 0,1587 r | 2 Tage 7 09 143 | g1sga | 1590 | 0,7950 | 0,1092 | 0,055 ee. Tage | apa... Br 0,1865 | 0,6825 | 0,0937 | 0,047 (| 20.| 56 | 3 | 21.| 50 22.| 52 0,0968 7 Tage | 23.| 55 | 369 0,0970 | 2,4250 | 0,3330 | 0,048 | 24.| 62 0,0972 | 25.| 48 26.| 46 *, Für gewöhnlich wurde bei Hund „A“ je Y, der Galle zur Analyse verwendet, für die sieben und acht ver einigten Tage nur je Ha - 200 . G. v. Bergmann, der oberen Grenze der Normalzahlen liegen, als der unteren. Aber es wäre bedenklich, daraus einen Schluß zu ziehen. Wir müssen also folgern: Cystinfütterung, bei sonst gleich- pleibender Nahrung, steigert den Tauringehalt der Galle nicht nach- weislich. Dieses negative Resultat war dem zunächst erwarteten ent- gegengesetzt. Damit konnte aber die chemisch so gut gestützte Überlegung, von der ich ausging, nicht als widerlegt angesehen werden. Es war daher nach einer anderen Erklärung zu suchen, die sich aus folgender Überlegung zu ergeben schien. Es wird fast allgemein angenommen, daß die Hundegalle aus- schließlich oder fast ausschließlich Taurocholat enthält, d. h. daß alle Cholsäure an Taurin gebunden ausgeschieden wird. Eine Zunahme des Taurins in der Galle wäre also nur denkbar, wenn auch mehr Cholsäure sezerniert würde. Unser negatives Resultat könnte demnach auf der Unfähigkeit des Hundeorganismus beruhen, für das vorhandene Taurin mehr Cholsäure verfügbar zu machen. Ist diese Annahme richtig, so mag noch soviel Cystin vom Organismus in Taurin umgewandelt werden, den Weg in die Galle kann es doch nicht finden, da ihm der geeignete, es vor Ver- brennung schützende Paarling fehlt. Hieraus ergibt sich die Auf- gabe, zunächst den Organismus in die Lage zu setzen, mehr Gallensäure zu liefern als in der Norm, und zwar eine für Taurin- bindung verfügbare Gallensäure. Daß Gallensäuren vom Darme leicht resorbiert und dann mit der Galle schnell ausgeschieden werden, ist eine vielfach fest- gestellte Tatsache; hat ja die Frage des Gallenkreislaufs zahl- reiche Forscher eingehend beschäftigt. Teils wurde denı Versuchs- tier Rindergalle, Hundegalle oder andere Galle beigebracht, teils reines glykocholsaures, oder taurocholsaures Natron eingeführt. Fast alle Forscher fanden danach sowohl die Gallenmenge verinehrt, als auch die Menge der gallensauren Salze. Die Ausscheidung der letzteren erreichte etwa nach sechs Stunden ihr Maximum und war ‚nach zwölf Stunden so gut wie vollständig beendet. Wie namentlich Stadelmann® gezeigt hat, bei dem man wohl die gesamten bis dahin unternommenen Versuche verwertet findet#u®, können die gepaarten Gallensäuren, die in den Organismus eingeführt worden sind, fast ohne Verlust aus der Gallenfistel wiedergewonnen werden. Ob beim Hund eingeführte Glykocholsäure nur als solche, oder nicht wenigstens zum Teil zu Taurocholsäure umgewandelt in der Galle erscheint, ist nicht ganz sicher festgestellt. Während einige Forscher eine völlige Umformung der Glykocholsäure in Taurocholsäure annahmen, machten andere den direkten Über- ' Die Überführung von Öystin in Taurin im tierischen Organismus. 201 gang von Glykocholsäure in die Hundegalle sehr wahrscheinlich (Weiss)!), und Stadelmann?) bewies ihn einwandsfrei, indem er ‚aus der Galle eines Hundes, den er mit glykocholsaurem Natron gefüttert hatte, Glykokoll darstellen konnte. Durch Fütterung eines Hundes mit Glykocholsäure ließe sich also eine Galle erzielen, die vielleicht unserem Zwecke entspräche, d. h. uns eine Gallen- säure in der Galle lieferte, die nicht mit Taurin gepaart ist. Die gleichen Verhältnisse böte uns auch ein Tier, das schon in der Norm reichlich Glykocholsäure in der Galle enthielte. Aber es würde sich da immer noch fragen, ob die bereits gepaarte Ver- bindung so ohne weiteres das Glykokoll gegen Taurin eintauschen kann. Auch müßte man daran denken, daß vielleicht die Ein- führung einer dem Hundeorganismus, wenigstens in größeren Mengen, offenbar fremden Verbindung die Leberfunktion in unbe- rechenbarer Weise stören könnte. Aus diesen Gründen schien es aussichtsvoller, dem Hunde einfach cholsaures Natron zuzuführen. Freilich ergab sich damit die Notwendigkeit, zuerst festzustellen, ob dadurch an und für sich eine veränderte Schwefelausscheidung in der Galle veranlaßt wird. IV. Die Zufuhr von Natriumceholat bedingt eine erhöhte Sehwefelausscheidung in der Galle. Fütterungen mit der nicht gepaarten Cholsäure bezw. ihrem ‚Natronsalz sind zum Zwecke von Gallenanalysen meines Wissens nur von Weiss!” ausgeführt*). Weiss zeigte, daß nach Fütterung eines Hundes mit Cholsäure die Gallensäuren in der Galle ver- mehrt sind. Ein Teil der verfütterten Cholsäure soll mit Taurin gepaart zur Ausscheidung kommen. Von dem Rest nimmt Weiss an, daß er in Glykocholsäure übergeht. Er weist dann nach, daß dieser andere Teil, also nach ihm die Glykocholsäure, ab- nimmt, wenn man mit der Cholsäure zusammen noch Taurin ver- füttert. Daraus schließt er, daß die Glykocholsäure vielleicht erst dann auftritt, wenn der Taurinvorrat des Körpers erschöpft ist. Keines dieser Resultate ist an Gallenfisteltieren gewonnen. Weiss untersuchte nur die Galle der nach @iner Fütterung von mehreren Tagen getöteten Tiere. So fehlen uns quantitative Vorstellungen über diese Vorgänge, die man nur nach Ausschluß des Gallen- kreislaufs gewinnen kann, d. h. eben am Gallenfisteltiere. Auf *) Das Original der in Moskau in russischer Sprache erschienenen Dissertation war mir leider nicht zugänglich, wohl aber lagen mir ausführ- liche Referate vor, darunter ein Autoreferat in den Berichten der Moskauer Akademie der Naturforscher veröffentlicht. 302 G. v. Bergmann, andere Mängel der Methodik weist Stadelmann® hin, so vor allem darauf, daß der Beweis für das Auftreten von Glykochol- säure nur indirekt geführt ist, insofern die Analysen mehr Chol- säure ergeben, als nach den Schwefelbestimmungen auf Taurochol- säure berechnet werden kann. Auch die absolute Zuverlässigkeit der Zahlen für den Gallenschwefel stellt Stadelmann mit Recht in Frage. Da man heutigentags eine exakte Methode zur quanti- tativen Glykokollbestimmung noch nicht besitzt, haben wir auf eine Beantwortung der Frage nach Auftreten und Menge der Glykocholsäure verzichtet, die sich eben nur durch indirekte Be- stimmungen hätte erreichen lassen. Nur qualitativ Glykokoll nach- zuweisen (Stadelmann)?® schien uns ebenfalls für unsere Zwecke unzureichend. Immerhin bleiben die Resultate von Weiss für uns sehr be- merkenswert, denn er findet, um es kurz zusammenzufassen, daß man die Schwefelmenge der Galle steigern kann, wenn man einem Hund nur cholsaures Natron gibt; gibt man ihm aber gleichzeitig noch Taurin, so steigt die Schwefelmenge noch mehr, vermutlich unter entsprechender Abnahme einer schwefelfreien gepaarten Gallensäure (Glykocholsäure?). Wir hatten also den Befund von Weiss am Gallenfistelhunde nachzuprüfen und zunächst festzustellen, ob sich nach Fütterung mit cholsaurem Natron mehr Taurin in der Galle finde als vorher. Die folgenden Versuchsreihen (III und IV) zeigen, daß die Schwefelmenge der Galle sich in der Tat nach Fütterung mit cholsaurem Natron vermehrt zeigt. Versuchsreihe Il. Hund „A“. Unter den gleichen Bedingungen wie in Reihe I und II. En BaS0, S = | 8 | Gewogenes BaS0O, | auf die | in der S Verfüttert 3 S Gesamt- | Gesamt- [in 24 Stdn. a = ee menge be-| menge d. im Mittel cem| analysen Mittel | rechnet Galle 3 | 0,1407 £ ” 27.870 0,1390 | 0,6950 | 0,0954 | 0,09 atron 0,1373 |_ | _ | 0,0655 1.28: :6B: SR 0,0679 | 0,3395 | 0,0466 0,047 0.0702 Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. 203 Der Versuch reihte sich ohne Unterbrechung der Reihe Il an, so daß die dort gegebenen Normalzahlen auch hierher gehören. Bei Fütterung mit 1,0 g Natriumcholat sehen wir, außer Ver- mehrung der Gallenflüssigkeit, einen Anstieg von 0,048 auf 0,095, einen Wert, der auch die höchste Normalzahl beträchtlich über- steigt. Nun gaben wir die doppelte Menge Natriumcholat. Reihe IV zeigt den Erfolg. Versuchsreihe IV. Hund „A“. Unter den gleichen Bedingungen wie in Reihe I bis IH. = BaSO, S s = Gewogenes BaSO, | auf die in der S Verfüttert 2 5 (Gresamt- | Gesamt- |in 24 Stdn. AIG Kassreil. menge be-, menge d. im Mittel cem| analysen Mittel rechnet Galle IN. 03° 9 0,1500 | posanzen | ..\ {16 0,1508 | 0,7540 | 0,1035 | 0,104 Natron 0,1515 0,0564 7. | 59 0,0575 | 0,2875 | 0,0395 | 0,040 0,0586 0,0808 8. | 69 0,0790 | 0,3950 | 0,0542 0,054 0,0772 0,0754 k 9. |. 71 0,0736 0,3680 0,0505 0,051 0,0717 Nach Darreichung von 2,1 g cholsaurem Natron folgt also eine Steigerung auf 0,104. Beim Vergleich mit der Steigerung nach 1,0 8 Natriumcholat fällt auf, daß die Schwefelausscheidung offenbar nicht proportional der Cholsäurezufuhr ansteigt. Sollte nicht genug Taurin verfügbar sein, um eine proportionale Taurocholsäure- produktion zu bewirken ? Weiss deutet diesen Zusammenhang an einer Stelle an. Es wäre gerade das, was wir für unsere Fütterung mit Cystin wünschten, nämlich, daß dem Organismus Cholsäure zur Ver- fügung stände, für die ihm das nötige Taurin fehlt. Dabei kann vorläufig dahingestellt bleiben, ob diese vielleicht verfügbare Chol- säure als Glykocholsäure oder in anderer Bindung in der Galle erscheint, ebenso die weitere Frage, warum erscheinen nur etwa zwei Drittel der eingeführten Cholsäure als Taurocholsäure wieder, eine Frage, welche nur durch eine quantitative Unter- 204 G. v. Bergmann, suchung der aufgenommenen und ausgeschiedenen Cholsäure hätte Beantwortung finden können. Soviel ist jedoch entschieden, daß, soweit Taurocholsäure aus der verfütterten Gallensäure entsteht, diese auch am selben Tag zur Ausscheidung gelangt, denn nach 1,0 g Natriumcholat finden wir einen Abfall von 0,095 auf 0,047 (Reihe III), nach 2,1 g Natriumcholat von 0,104 auf 0,040 (Reihe IV). Jedenfalls schließen wir aus unseren Reihen mit Bestimmtheit: Cholsaures Natron wird zu einem sehr beträchtlichen Teil als Taurocholsäure mit der Galle ausgeschieden. Diese Ausscheidung dauert längstens 24 Stunden an. Die Vermehrung steigt bis über das Doppelte der durchschnittlichen Taurin- menge. Dieses Resultat rückt die eingangs mitgeteilten Ergebnisse von Kunkel und P. Spiro in ein unerwartetes Licht: Diese Forscher hatten bei achtfach vermehrter Zufuhr von Eiweiß, bezw. Schwefel im Eiweiß eine Steigerung des Gallenschwefels auf nur das Doppelte des ursprünglichen Wertes erhalten. Hier haben wir, ohne eine Spur Schwefel mehr zuzuführen, ganz dasselbe erzielt, indem wir cholsaures Natron reichten. Könnte nicht die vermehrte Eiweißzufuhr als solche, unabhängig von ihrem Schwefel- gehalt, eine vermehrte Cholsäureproduktion bedingt haben? Daß eine vermehrte Eiweißzufuhr eine vermehrte Cholsäurebildung bedingt, sei es durch eine sekretorische Wirkung, sei es durch Zufuhr des zu ihrer Bildung nötigen chemischen Materials oder noch ° in anderer Weise, ist recht wohl denkbar. Jedenfalls wird durch diesen Zusammenhang zwischen Cholsäuresekretion und Eiweiß- zufuhr der Widerspruch verständlich, daß Kunkel und Spiro eine vermehrte Taurocholsäureausscheidung beobachteten, als sie das Eiweiß der Nahrung steigerten, während wir, die wir nur Cystin, das eine kleine, schwefelhaltige Bruchstück des Eiweiß- moleküls, verfütterten, keine Vermehrung der Taurocholsäure auf- treten sahen. Danach könnten die Arbeiten von Kunkel und Spiro vielleicht nur die Frage betreffen: Besteht ein Einfluß der Eiweißnahrung auf die Cholsäureproduktion in der Leber, speziell die Produktion der Taurocholsäure? Inwiefern sie eine Verwertung für die Frage der Taurinbildung gestatten, könnte erst nach weiteren einschlägigen Untersuchungen entschieden werden. Die vorbereitenden Versuche hatten uns nun genügend auf- geklärt, um auf die ursprünglich gestellte Frage, mit Hilfe einer zweckmäßigeren Versuchsanordnung, von neuem zurückgreifen zu können. Ä Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. 205 V. Fütterung von Cystin neben Natriumcholat erhöht die Schwefelausscheidung durch die Galle. Wir suchten nun die maximale Schwefelausscheidung nach Natriumcholatfütterung durch Darreichung von Cystin noch weiter zu steigern. Versuchsreihe V\V. Hund „A. _ Unter den gleichen Bedingungen wie in Reihe I bis Iv. x S an 2 = |2,27| Gewogenes BaSO, | auf die | in der S Verfüttert i= = E Gesamt- | Gesamt- \in 24 Stdn. A Kontroll- menge be-, menge d. | im Mittel Mittel Galle analysen rechnet 1,0 g Cystin + 0,2227 2,0 & cholsaures | 11. | 130 j 0,2187 1,0935 | 0,1501 0,150 Natron 0,2146 0,0791 12. | 65 0,0787 0,3935 0,0540 0,054 0,0782 Mit 2,1 cholsaurem Natron allein erhielten wir eine Schwefel- menge von 0,104 in 24 Stunden, mit 2,0 cholsaurem Natron plus 1,0 Cystin eine Schwefelmenge von 0,150. Die Steigerung ist also ganz unverkennbar. Ein weiterer Versuch, unter den gleichen Bedingungen, gab ein ähnliches Resultat: Versuchsreihe VI. Hund „A“. Unter den gleichen Bedingungen wie in Reihe I bis V. ee Ba8s0, | 8 = 8 05 0 en Gewogenes BaSO, | auf die | in der S Verfüttert = G- dB Gesamt- | Gesamt- |in 24 Stdn. a) > Kontroll- Mitte] „menge be-| menge d. | im Mittel ccm) cem | analysen rechnet Galle = an 0,0549 - eh 13: | 59 0.0551 0,0550 0,2750 0,0378 0,038 14. | 66 eh 0,0437 | 0,2185 | 0,0300 | 0,030 9 Tage | ers | 1 | DS | 0,0994 | 0,4970 | 00682 | 0,084 1,0 &Cystin—+ 0.1770 2,0. g chol- || 17. | 116 as | 0,1786 | 0,8930 | 0,1926 | 0,123 saures Natron ; 9 Tage | 10 [0% | 143 | 00860 | 0,0881 | 0,4155 | 0,0571 | 0,029 . 9 - By 206 G. v. Bergmann, Hier beträgt also die Schwefelmenge am Cystintage 0,123 g. Auch hier eine deutliche Steigerung, wenn auch nicht so stark, wie in Versuch V. Vielleicht erklären die umgebenden Normal- tage diesen geringen Ausschlag, da die Normalwerte für die Schwefelausscheidung vom 13. bis 19. März überhaupt sehr niedere sind. Inbezug auf diese umgebenden Zahlen steht wenigstens die Reihe VI der Reihe V in keiner Weise an Beweiskraft nach. Auch bei diesen beiden Versuchen kehrt die Schwefelaus- scheidung am folgenden Tage wieder völlig zur Norm zurück. Das spricht aber zunächst nur dafür, daß nach Aussetzen der Cholsäurezufuhr der Paarling für das zugeführte Cystin bezw. Taurin nicht mehr in genügender Menge vorhanden ist. Jeden- falls berechtigt es nicht zu dem Schluß, daß aus dem einen Gramm Cystin nicht mehr Taurin gebildet worden ist, als dem geringen Überschuß an Schwefel von etwa 0,02 bis 0,05 g entspricht. Man kann mit Weiss!” daran denken, daß die Schwefeisteigerung bei der kombinierten Fütterung nur soweit geht, als \Taurocholat gewissermaßen auf Kosten von Glykocholat gebildet wird. Weiss zeigte ja, daß bei Natriumcholatfütterung ein kleinerer Teil der Cholsäure nicht an Taurin gebunden ist. Es mag sein, daß nur dieser verfügbar wird. Danach wäre es begreiflich, daß bei unserer Versuchsanordnung der Schwefelvermehrung, auch bei kombinierter Fütterung, bestimmte enge Grenzen gezogen sind. Ein abschließender Versuch sollte nun nach zwei Richtungen hin die Verhältnisse besser beleuchten. Einmal sollte, durch lang andauernde tägliche Fütterung mit cholsaurem Natron, wenn mög- lich, der Tauringehalt der Galle stark herabgesetzt werden, um dann nach Cystinfütterung einen möglichst großen Ausschlag zu erzielen. (Nach Weiss enthielte die Galle dann um ebensoviel mehr Glykokoll.) Zweitens sollte die Fütterung mit cholsaurem Natron auch hinterher noch eine Weile fortgeführt werden, um dem Cystin möglichst lange Gelegenheit zu geben, als Taurin in der Galle aufzutreten. In dieser Absicht wurde ein zweiter Hund (Hund B) vier Tage mit je 2,0 g cholsaurem Natron gefüttert, bei sonst völlig gleich bleibender Kost. Dann überdies am fünften Tage mit 1,0 g Cystin und dann wieder drei Tage lang mit je 2,0 g cholsaurem Natron ohne Cystin. (Siehe Ver- suchsreihe VII.) "Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. Versuchsreihe VII. 207 Hund „B“. Gewicht 8,6 Kilo. Erhält täglich 200 g Fleisch, 150 g Reis, 308 Kaseih. &n |® BaSO, Ss 2 l04 =) gs ıas S0 Gewogenes BaSO, auf die in der Ss Verfüttert = S 558 Gesamt- | Gesamt- in 24 Stdn. Al&|> ware menge be-| menge d. |im Mittel ccm| cem | analysen Mittel |rechnet*)| Galle TI. \08. 2 Tage | 0 [85 | ısa | 01365 | 0,1848 | 1348 | 0,1844 | 0,09 [10.|fehlt 11. | 80 2 Tage [12.]|fehit! 195 | 01260 | 0,1558 | 1,553 | 0,2132 | 0,107 13. |115 ro Eehol- || 14. | 123 al | 0,1674 | 1,674 | 0,2999 | 0,280 ne eol- | 15. | 185 Be | 0,1399 | 1,399 | 0,1921 | 0,192 2,0 & chol- 0,1108 saures Natron| 16° | 132 0,1184 > 1,146 0,1574 0,15% | 17. [114 OD | 0,0822 | 0,822 | 0,1129 | 0,118 90 & chol- || 18. | 160 0,1723 | 1,723 | 09366 | 0,237 saures Natron 0,1716 2,0 g chol- x saures Natron 119.] fehlt en | 20. | 186 16 | 0,1568 | 1,568 | 0,9153 | 0215 ‚1550 2,0 g& chol- 0,1000 saures Natron | 21- | 112 0.1094 | 91012 1,012 0,1390 | 0,139 22. | 126 00 | 0,1018 | 1013 | 0,1891 | 0,189 [23.] fehlt 24. 79 0020 | 0,0541 | 0541 | 0,0743 | 0,074 95. | 114 org | 0,0723 | 0,783 \ 0,0993 | 0,099 *) Zu den Analysen wurde je !/, der Galle verwendet. 208 G. v. Bergmann, Die Zahlen geben hier eine so gute Einsicht in die bestehenden Verhältnisse, daß ich zu größerer Anschaulichkeit die Resultate graphisch darstelle. Kurve. 8! Es I! 1 0 ı N = ‚Oo 1.0 1 > ek :> | BEER g g = z 2 AB EEE er os Ss Ss!iE!in s © N a NEUEN Br) PB O1... oo SO’ OO are & 2a or, im a SU, 5 Patum Ill. = 0,240 (= c 7) 0,220 x a 0,200 e © 0,180 ö = 0,160 br 0,140 Breite der 0,120 physiologischen Schwankungen Eu BERBBEERM: Die Menge des Gallenschwefels steigt nach Zufuhr von 2,0 g Cholsäure wieder auf das Doppelte der Norm an, sinkt aber in den folgenden Tagen, trotz fortgesetzter Cholsäuredarreichung, etwa auf das vor der Cholsäurezufuhr gegebene Niveau ab. In diesem Moment setzt die Cystinfütterung ein, die Schwefelaus- scheidung steigt von neuem über das Doppelte an und erreicht am vierten Tage (21. III.) wieder einen Normalwert, ebenfalls trotz fortgesetzter Zufuhr von Cholsäure. Die Steigerung der Schwefel- ausscheidung entspricht am ersten Tage (14. III.) nahezu einer gänzlichen Überführung der Cholsäure in Taurocholsäure (gefundene Steigerung 0,13, berechnet 0,15 g Schwefel). Andererseits ergibt sich, unter der Annahme, daß die Schwefelausscheidung am 19. II., an dem die Bestimmung fehlt, ebenso groß war, wie an den Nachbartagen, eine Vermehrung der Schwefelausscheidung gegen- über der normalen Durchschnittszahl, wie sie ungefähr der ver- fütterten Cystinmenge (1,2 g) entspricht. Nach Aufhören der Chol- ‘Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. 209 säurefütterung bleiben, im Einklang mit den Beobachtungen der anderen Reihen (III bis VI), nur die physiologischen Schwankungen bestehen, und zwar etwa in derselben Breite wie beim ersten Hunde. Die allmähliche Abnahme der Taurinmenge bei fortgesetzter Cholsäurefütterung, die wir auf Grund der Reihe IV vermuteten, ist durch diesen Versuch bewiesen. Der Organismus vermochte also nicht der Cholsäure dauernd die gleiche Menge Taurin zur Verfügung zu stellen, obwohl ihm mit der Nahrung stets etwa die gleiche Menge von Eiweißschwefel zuge- führt wurde. Eine sichere Erklärung dieser Erscheinung steht noch aus. Weiss spricht, wie erwähnt, von einem Taurinvorrat der Leber, der sich erschöpft. Man könnte in diesem Sinn den Vor- gang als Taurinerschöpfung bezeichnen, die selbstverständlich nur eine relative sein könnte, da der Eiweißzerfall erst mit dem Leben aufhört. Es ist aber auch denkbar, daß es sich nicht um Er- schöpfung eines Taurinvorrates handelt, sondern etwa um eine Fähigkeit der toxisch und hämolytisch wirkenden Cholsäure auf irgend einem Wege Vorstufen des Taurins doch nur in beschränkter Menge frei zu machen. Die eben besprochene letzte Reihe (VII) scheint mir deutlich alles Wichtige noch einmal vorzuführen, was sich aus unseren Ver- suchen ergibt. Sie zeigt in Übereinstimmung mit meinen früheren Versuchen: 1. Nach Fütterung mit Natriumcholat nimmt die Taurinmenge der Galle bei gleicher Eiweißnahrung um das Doppelte zu, d. h.: Taurin steht dem Hundeorganismus reich- lich zur Verfügung, doppelt soviel, als er für gewöhnlich zur Gallensekretion braucht. Cholsäure steht ihm nicht im Überschuß zur Verfügung. 2. Dieser Taurinvorrat kann aber rasch erschöpft werden, d. h. bei längerer Fütterung mit cholsaurem Natron nimmt die Taurinvermehrung der Galle stetig ab, ja sie hört wohl schließlich ganz auf. 3. Durch Zufuhr von Cystin erhält der Organismus wieder den verloren gegangenen Taurinüberschuß. Das steht in Übereinstimmung mit den Versuchen von Weiss, der durch Zufuhr von Taurin dasselbe erreichte, was wir durch Cystin bewirkten. Wie man sieht, unterscheidet sich die Cystinzufuhr in der Beeinflussung der Taurinausscheidung wesentlich von der nach Kunkel und P. Spiro bestehenden Wirkung der Eiweißzufuhr. Sie löst eine sofort nachweisbare, am gleichen Tage das Maximum Beitr. z. chem. Physiologie. IV. ‚14 210 G. v. Bergmann, erreichende Vermehrung aus, während nach Eiweiß das Maximum erst am zweiten bis dritten Tage erreicht werden soll. Besteht überhaupt die Vorstellung zu Recht, daß das Eiweiß diese Wirkung durch seinen Vorrat an Taurin bildenden Vor- stufen bedingt, so muß geschlossen werden, daß der Zerfall des Nahrungseiweißes bis zur Bildung des Oystins oder einer gleich einfachen Vorstufe des Taurins beim Hunde zwei bis drei Tage lang dauert — eine Vorstellung, die mit unseren Erfahrungen über die Harnstoffbildung aus Eiweiß, die ungleich rascher verläuft, scheinbar in Widerspruch steht. Immerhin ist denkbar, daß die schwefelhaltigen Derivate des Eiweißmoleküls in den Geweben festgehalten bezw. anders verwendet werden, ehe es zur Taurinbildung kommt — eine Vorstellung, welche in der nach Cystinfütterung beobachteten längeren Nachwirkung eine Stütze finden mag. Bei all diesen Schlußfolgerungen ist angenommen, daß die beobachtete Schwefelvermehrung in der Galle wirklich auf Taurin zu beziehen ist. Daß man unter gewöhnlichen Verhältnissen so gut wie ohne Fehler den Gesamtschwefel der Galle als Taurin- schwefel ansehen darf, wurde oben gezeigt. Man könnte aber etwa auf den Gedanken kommen, Cystin werde als solches aus- geschieden oder aber eine der Vorstufen des Taurins in alkohol- löslicher Form. Letztere Vermutung entzieht sich, da wir die im Organismus bei der Taurinbildung entstehenden Zwischenstufen nicht kennen, jeder Prüfung, erscheint aber wenig wahrscheinlich: Gegen die Annahme, daß Cystin oder eine gepaarte, alkohollösliche Cystinverbindung in der Galle auftritt, spricht das gänzliche Ausbleiben der Reaktion auf leicht abspaltbaren Schwefel in meinen Gallenproben. Ein anderer Gedankengang könnte zu der Vermutung führen, daß das verfütterte Cystin nur durch einen erhöhten Eiweißzerfall zu vermehrter Taurinausscheidung Anlaß gebe, eine Vorstellung, die jedoch einmal durch die Tatsache hinfällig wird, daß sich der Einfluß des Oystin- und Eiweißzerfalls, wie erwähnt, zeitlich ganz verschieden gestaltet, aber auch schon darum zurückgewiesen werden muß, weil die durch Cystin erreichte Steigerung der Gallen- schwefelausscheidung in meinem Fall, verglichen mit den Zahlen von Kunkel und P. Spiro, einen so gewaltigen, plötzlichen Eiweiß- zerfall zur Folge haben müßte, daß derselbe nicht ohne ander- weitige toxische Symptome eintreten könnte. Daß eine solche Vorstellung überdies, bei einem auch normal als Verdauungs- produkt auftretenden Derivat des Eiweißes, kaum am Platze ist, ‘Die Überführung von Cystin in Taurin im tierischen Organismus. 211 auch mit unseren Erfahrungen über Cystinurie im Widerspruche steht, braucht kaum betont zu werden. Man darf somit als bewiesen ansehen, daß das Cystin in der Tat vom Organismus in Taurin übergeführt werden kann und daß speziell das Taurin der Galle aus dem Eiweiß der Nahrung stammt. Interessant wird es sein, die Versuche in ähnlicher Richtung an einem Tiere zu wiederholen, das vorwiegend glykocholsaures Salz in seiner Galle enthält, etwa einer Ziege. Möglich, daß .hier Cystinfütterung ohne weiteres zu dem Ergebnis führt, zu welchem wir beim Hunde erst auf einem Umweg gelangen konnten. Wenn die Physiologen in einer früheren Periode die Bildung des Taurins aus Eiweiß darin begründet glaubten, daß auch das Eiweißmolekül oxydierten Schwefel enthielte, so haben die neueren chemischen Erfahrungen diese Auffassung durchaus in Frage ge- stellt, da der Nachweis einer solchen Schwefelgruppe gänzlich fehlt. Die Annahme eines solchen oxydierten Schwefels im Eiweiß ist bei den nun nachgewiesenen einfachen chemischen und physio- logischen Beziehungen des nicht oxydierten Cystinschwefels im Eiweiß zum oxydierten Taurinschwefel der Galle vollends ent- behrlich geworden. Literatur. ') Mörner, K. A. H., Zeitschr. f. physiol. Chemie 34, 207, s. a. die historische Übersicht von Friedmann, E., in: Ergebnisse der Physiologie 1902, 2: „Der Kreislauf des Schwefels in 5 organischen Natur“. n ?) Friedmann, E., „Uber die Konstitution des Cystins“, Beiträge zur chem. Physiol. u. Path. 3, 1 u. ff. 3) Bidder, F., und Schmidt, C., Die Verdauungssäfte und der Stoffwechsel. Mitau und Leipzig 1852. *) Stadelmann, E., Der Ieterus. Stuttgart 1891. 5) Kunkel, A., a) „Uber das Verhältnis der mit dem Eiweiß ver- zehrten zu der mit der Galle ausgeschiedenen Schwefelmenge“. Ver- handlungen der königlich sächsischen Akademie der Wissenschaften, mathematisch-physikal. Klasse. Leipzig 1875, 27, 232. b) „Über den Stoff- wechsel des Schwefels im Säugetierkörper“ u. „Eisen- und Farbstoff- ausscheidung in der Galle“. Pflügers Archiv 1877, 14, 344. EDiro,P.,, „Über die Gallenbildung beim Hunde“. Du Bois, Archiv für Physiologie 1880, Supplem.-Band 50. "), Dastre, A., „Operation de la fistule biliaire“, Archive de Physio- logie 1890, 22, 714. E ) Hammarsten, OÖ. „Uber eine neue Gruppe gepaarter Gallen- säuren“. Zeitschr. f. phy siolog. Chemie 24, 322. ») Stadelmann,E,, „Über den Kreislauf der Galle im Organismus“. Zeitschr. f. Biologie. Jubelband f. W. Kühne 1896, 1 u. ff. 10) Weiss, A., „Zur Physiologie der Galle“. Dissertation, Moskau 1883 (russisch). Autoreferat: „Ce que devient la bile dans le canal digestif“. Bulletin de la societ&e imperiale des Naturalistes de Moscou 1884, 54, 22. 14* XVII. Über Crotin-Immwität. Von Privatdozent Dr. Martin Jacoby, Assistenten am pharmakologischen Institut. (Aus dem pharmakologischen Institut zu Heidelberg.) Wie die Untersuchungen zahlreicher Forscher gezeigt haben, kann das Studium der Phytotoxine Stützen für die Immunitäts- forschung bieten. Deshalb schien mir die nähere Analyse der von Elfstrand zuerst studierten Lysinwirkung des Crotins von Interesse. Die Arbeit gliedert sich in drei Abschnitte: I. Die physiologische Konstitution des Orotinhämolysins und seine Beziehungen zum Antihämolysin. II. Über die zelluläre Immunität gegen Crotin. III. Über eine die Crotinwirkung hemmende Substanz in der Magenschleimhaut. 1. Die Hämolyse der roten Blutkörperchen durch Crotin, wie sie durch die Untersuchungen Elfstrands*), Ehrlichs und Morgenroths®*) und Lau’s**) bekannt geworden ist, ist ein der Untersuchung sehr bequem zugängliches Phänomen, da das Gift schon in sehr kleinen Quantitäten bei niederer Temperatur rote Blutkörperchen des Kaninchens vollständig auflöst. Ferner handelt es sich um eine nicht zu labile und überdies leicht zu- gängliche Substanz, welche durch die Firma E. Merck in Darm- stadt zu erhalten ist). *) Elfstrand, Über giftige Eiweiße, welche Blutkörperchen verkleben — Upsala: 1897. Ri **) Ehrlich, Verhandl. d. Gesellsch. d. Charite-Arzte 3. II. 1898 v. Berl. Klin. Wochenschr. ***) Lau, Uber vegetabilische Blutagglutinine — Dissert. Rostock, 1901. 7) Die genannte Firma hat dem Institut in entgegenkommendster Weise eine größere Quantität des wertvollen Materials zur Verfügung gestellt, wofür wir auch an dieser Stelle unseren Dank aussprechen möchten. A A a nn De ie at A ne Über Crotir-Immunität. 213 Das Crotinhämolysin gehört zu der großen Gruppe der Antı- körper bildenden Gifte oder Rezeptorengifte. Das hat Morgen- roth entdeckt, indem er durch Immunisierung einer Ziege ein im Reagensglas wirkendes Anticrotin darstellte. Zu ermitteln ist noch, ob das Crotin wie die Serumhämolysine aus zwei Sub- stanzen besteht oder ob es wie die Bakterienhämolysine, das Tetanolysin und das Staphylolysin eine Substanz ist, deren Kon- stitution in großen Umrissen der des Diphtherie-Toxins entspricht, oder ob es ganz abweichende Verhältnisse darbietet. Die Entscheidung der aufgeworfenen Frage ist keine ganz einfache. Jedoch sei gleich bemerkt, daß sich keine Anhalts- punkte für die Zusammensetzung des Crotinolysins aus zwei ein- zelnen Substanzen gefunden haben. Crotinlösungen sind nicht so labil wie die komplizierten Lysine. Haben sie durch längeres Er- hitzen auf 55° oder durch kurzes Erhitzen auf 60° ihr Lösungs- vermögen verloren, so gelingt es nicht, durch Serum von ver- schiedenen Säugerarten sie wieder wirksam zu machen. Selbst- verständlich läßtsich die Zahl der negativen Komplettierungsversuche beliebig vermehren; ich habe eine ganze Reihe solcher Versuche ausgeführt. Die noch folgenden Darlegungen machen es aber un- nötig, diese Versuche hier wiederzugeben. Die Herkunft des Crotins aus dem Pflanzenreiche macht die Existenz eines Komplementes, welches das Gift im tierischen Organismus vorfinden würde, nicht etwa a priori unwahrscheinlich; man könnte für dieses Pflanzen- gift ebenso an ganz unerwarteten Fundstätten ein Komplement antreffen, wie man es für das Kobragift im Lecithin gefunden hat. Warum aber die beim Kobragift planmäßig eingeschlagenen und erfolgreichen Wege hier nicht zum Ziel führen konnten, wird aus dem zweiten Abschnitt der Arbeit hervorgehen. Unsere Komplettierungsversuche entbehren schon darum jeder Beweiskraft, weil die für diese Versuche künstlich abgeschwächten Crotinpräparate auch erheblich an Bindungsvermögen für Anti- crotin und für Stromata von Zellen verloren hatten. Das hypo- thetische Komplement hätte also gar nicht in Funktion treten können, da der Immunkörper bei der Inaktivierung schon selbst geschädigt worden wäre. Beweise für die Zusammensetzung des Crotinolysins aus einem Immunkörper und einem Komplement sind also nicht erbracht, die Nichtexistenz eines Komplementes ist natürlich überhaupt nicht zwingend zu erweisen. Dagegen konnte ich Analogieen zwischen der Konstitution des Crotinolysins und dem Bau des Diphtherietoxins aufdecken. Damit wird zunächst eine neue Stütze 214 Martin Jacoby, für die Toxinnatur der Phytotoxine erbracht, ferner wird zum ersten- mal für ein Lysin, das nicht ein Produkt des Bakterienstoffwechsels ist, eine Konstitution nach dem Typus des Diphtherietoxins dar- getan. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei ausdrücklich be- tont, daß die vorläufige Annahme eines. einheitlichen Moleküls bei diesen Substanzen nicht ausschließt, daß man durch Spaltung eventuell zu zwei selbständigen Produkten kommen könnte, so wie man aus Eiweiß Albumosen darstellt. Wir müssen aber jedenfalls so lange von einer Substanz sprechen, bis die Annahme mehrerer Körper nötig wird. Wie oben schon angedeutet wurde, führten zahlreiche Ver- suche, durch Abschwächung des Ausgangsmaterials zu Präparaten zu gelangen, bei denen das Ilytische Vermögen eine erheblich andere Veränderung als das Bindungsvermögen erfahren hätte, zu keinen sicheren Ergebnissen. Wie sich später herausstellte, kann das darin seinen Grund haben, daß das zur Verfügung stehende Crotin ein Gemenge von verschiedenen, nicht lösenden Crotinoiden und dem wirksamen Crotin darstellt. Bei der Abschwächung gehen nun vielleicht auch Crotinoide mit deren Bindungsgruppen ver- loren, und so kann es kommen, daß ein Präparat, das z. B. durch Verweilen im Brütschrank sehr wesentlich an lösender Wirkung eingebüßt hat, ganz parallel an Bindungsvermögen verloren hat. Selbstverständlich kann das aber auch anders zusammenhängen, und wir wollen uns daher nicht bei diesem nichts erledigenden Punkte aufhalten, sondern gleich zu den aufklärenden Momenten übergehen. Diese Aufklärung wurde durch die Anwendung der Ehr- lichschen Methode der partiellen Absättigung erreicht. Weil diese Methode nebst ihren Resultaten anscheinend dem Verständnis vielfach größere Schwierigkeiten bereitet als die übrigen Kapitel der Immunitätsforschung, so ist vielleicht eine etwas breitere Darsteilung angebracht. Um die Fragestellung scharf zu kennzeichnen, machen wir zunächst einmal die nicht zutreffende Annahme, das Crotin sei ein einheitlicher Körper, der mit dem Anticrotin reagiert, und be- stimmen nach dem Vorgang von Ehrlich den Punkt der voll- kommenen Neutralisation. Dabei setzen wir weiter zunächst voraus, daß das Anticrotinserum keine Stoffe enthält, die Crotin zerstören und das Crotin nicht Substanzen, welche anders wie durch Bindung das Anticrotin beeinflussen. Stehen sich nun Toxin und Antikörper gegenüber ungefähr wie Base und Säure, und dürfen wir ausschließen, daß saure Salze entstehen oder ähnliche si Über Crotin-Immunität. 215 Komplikationen durch verschiedene Sättigung des Toxins mit Antitoxin eintreten, so müßten wir erwarten, daß bei partieller Absättigung des Toxins durch das Antitoxin, indem man be- stimmte Bruchteile des zur Ganzsättigung notwendigen Serums zu- fügt, die Abnahme der Giftigkeit der zugefügten Serummenge proportional verläuft. Davon ist nun keineswegs die Rede, wie die folgenden Ver- suche zeigen. Dieselben lassen sich natürlich viel feiner aus- gestalten und würden dann wohl einen tieferen Einblick gestatten. Da jedoch ziemlich viel Kontrollversuche gleichzeitig durchgeführt werden müssen, so kann ein einzelner Arbeiter eine bestimmte Ausdehnung der Versuchsbreite nicht überschreiten. Für die Beleuchtung der prinzipiellen Punkte reichen aber unsere Ver- suche aus. Jede Versuchsreihe bestand aus einer größeren Zahl von Einzelversuchen, die alle am gleichen Tage nebeneinander glück- lich durchgeführt sein mußten, wenn der Versuch beweiskräftig sein sollte. Es wurden benutzt: 1. als Indikator Blutkörperchen von Kaninchen; Das Blut wird morgens aus der Garotis entnommen, defibriniert, mit 0,9proz. Kochsalzlösung auf eine Konzentration von 5 Proz. gebracht, das Serum durch Zentrifugieren entfernt, die Blutkörperchen werden zweimal mit Kochsalzlösung gewaschen, und dann wird wieder eine 5 proz. Blutkörperchenkonzentration hergestellt. 2. als Lysin eine jedesmal frisch hergestellte Grotinlösung, von der eine für die ganze Versuchsreihe ausreichende Quantität hergestellt wurde; 3. als Antılysin ein durch Immunisierung von Kaninchen erhaltenes Serum, das entweder direkt nach der Entnahme benutzt wurde oder auf Eis ohne Zusatz von Antisepticis aufbewahrt war. Es wurde bestimmt: | a) die geringste Quantität der Toxinlösung, welche voll- ständige Lösung von 1 cem der Blutmischung in 24 Stunden herbeiführt. — Alle Proben hatten gleichen Kochsalz- und Wasser- gehalt, sie wurden 15 Minuten bei Brütschranktemperatur ge- halten, dann in die Kälte gestellt. Sehr bemerkenswert ist, daß die lösende Quantität derselben Giftlösung gegenüber den Blutkörperchen verschiedener Kaninchen sehr variieren kann. Für unsere Versuche ist das belanglos, weil für jede Versuchsreihe nur dieselbe und von einem Tiere stammende Blutmischung benutzt wurde. Die Tatsache ist aber von Interesse, weil dieser verschiedenen Disposition der Blut- 216 Martin Jacoby, körperchen für das Crotin eine von Ehrlich*) bemerkte sehr verschiedene Disposition der Individuen derselben Spezies für das Crotin parallel geht**). b) die Antilysinmenge, welche nötig ist, um ein vielfaches der einfach lösenden Dosis völlig unwirksam zu machen. — Dabei fällt schon auf, daß sehr viel mehr Serum nötig ist, um die Wirkung des Crotins gänzlich aufzuheben, als erforderlich ist, um die mehr oder weniger vollständige Lösung der Blutkörperchen zu verhindern. Ferner wurden gleichzeitig größere Quantitäten der Giftlösung mit verschiedenen Mengen Serum gemischt, indem zu jeder Portion nur ein Bruchteil der zur völligen Schutzwirkung nötigen Dosis des Antierotinserums zugesetzt wurde, und zwar in jeder Portion eine andere Menge. Die Gemische werden nach zwei Stunden untersucht. Die Tabellen geben die Resultate von drei Versuchsreihen wieder: | Versuch 1. Dosis completa für 1 cem Blutmischung 0,1 mg Crotin. 1 mg Crotin wird durch 0,04 ecem Serum neutralisiert. Mithin sind zur Neu- tralisation von 100 mg Crotin 4 cem Serum nötig. Alle Portionen enthalten 100 mg Urotin; dieselben werden nach Zu- fügung des Serums durch Kochsalzlösung auf gleiches Volumen gebracht. ‘ | Antitoxingehalt in 3 Verhältnis der ge- = Im Gewicht zu 5 Proz. der zur Neu- Gefundene fundenen zu den zu erwartende tralisation nötigen Dose Dos. complet. ee Dosis Werten 0,25 Proz. 997,5 | 1020 Fa Bır 1 Proz. 990 | 1350 136 Proz. 9,5 Proz. 975 | 150 15 Proz. 95 Proz. | 750 | 240 32 Proz. 50 Proz. | 500 | 140 98 Proz. 75 Proz. | 250 | 80 39 Proz. *) Therapie der Gegenwart 1901. **), Wie Herr Geheimrat Ehrlich mir schreibt, hat das bereits Morgenroth bei seinen Crotinversuchen beobachtet. Ehrlich hat das in seinem Pariser Kongreß-Referat 1900 mit den Worten erwähnt: „Die Rezeptoren des Organismus können in einzelnen Fällen (Crotin, Hämo- lysine) sehr erheblichen Schwankungen unterliegen.“ Über Crotin-Immunität. 27 Versuch 2. Dos. compl. 0,075 mg Crotin. — 1 mg Crotin wird durch 0,075 cem Serum neutralisiert. Zur Neutralisation von 100 mg Crotin sind also 7,5 ccm Serum nötig. Verwandt in jeder Portion wie oben 100 mg Crotin. 0,8 Proz. | 1322 | 1400 | 105,7 Proz. 1,6 Proz. | 1311 | 1600 | 121 Proz. 4 Proz. | 1278 | 1200 94 Proz. 8 Proz. 1923 | 800 65 Proz. 20 Proz. 1066 | 200 19 Proz. 30 Proz. 933 | 170 18 Proz. 53,3 Proz. 627 | 0 0 Proz. Versuch 3. Dos. compl. 1 mg Crotin. — 1 mg Crotin wird durch 0,05 cem Serum neutralisiert. Für 100 mg Crotin, die in jeder Portion verwandt wurden, also je 5 cem Serum nötig. en 99 | 125 | 196,3 Proz. 2 Proz. | 98 | 125 | 197,5 Proz. 10 Proz. | 90 | weniger als 63 | weniger als 70 Proz. 20 Proz. | 80 | 62,5 | ABl Proz. 40 Proz. | 60 | weniger als 11 wenig. als 18,3 Proz. 80 Proz. | 20 | weniger als 4'/4 | wenig. als 21,2 Proz. Die ersten Portionen Antilysin verringern also nicht die Lösungskraft des Crotins, sondern bringen eine deutliche Ver- stärkung zuwege. Dann wird durch weitere Anteile des Antı- lysins sehr schnell der Hauptanteil des Giftes neutralisiert, während eine große Restpartie Giftanteile beseitigt, die gar nicht mehr zur vollständigen Lösung von Blutkörperchen befähigt sind. Soweit reichen die Resultate der Beobachtung. Ähnliches haben Ehrlich*), Madsen**), Neißer und Wechsberg***), sgwie Arrhenius und Madsenr) bei Untersuchung des Diphtherie- Toxins, des Tetano- und des Staphylolysins gefunden. *) Deutsche med. Wochenschr. 1898. **) Zeitschr. f. Hygiene 1899. ***) Zeitschr. f. Hygiene 1901. 7) Festschr. zur Eröffnung des Serum-Instituts in Kopenhagen 1902. 218 "Martin J acoby, Bei den Crotinversuchen kommt nur als neue Beobachtung die Steigerung der Giftwirkung durch minimale Antitoxindosen hinzu. Wenn man sich die ganze Sachlage von allen Seiten überlegt, so scheint es mir, als ob auch die Erfahrungen am Crotin sich am ehesten auf der Grundlage der Annahme, die Ehrlich für das Diphtherietoxin gemacht hat, wonach man am Molekül hapto- phore und toxophore Gruppen unterscheiden müsse, einheitlich auffassen lassen. Besonderen Wert möchte ich auf die Beob- achtungen legen, die auf die Existenz von Prototoxoiden hin- weisen, also auf Toxoide mit größerer Affinität zum Antitoxin als das Toxin. Ohne die Annahme solcher Prototoxoide haben auch Arrhenius und Madsen nicht ihre so reichen Erfahrungen beim Tetanolysin erklären können. Fs sei darauf aufmerksam gemacht, daß die Anerkennung von Prototoxoiden die Annahme des springenden Punktes der Ehrlichschen Hypothese über den Bau der Toxine in sich schließt. Wer Toxoide zugibt, spricht sich damit dafür aus, daß das Toxin neben seiner Bindungsgruppe noch etwas anderes umfaßt, und rechnet auch mit der verschiedenen Affinität der ganzen und der gespaltenen Moleküle, acceptiert also alles Wesentliche der Auffassung von Ehrlich. Die Beobachtungen über die eigentümlichen quantitativen Verhältnisse bei der partiellen Absättigung von Toxinen durch Antitoxine hat neuerdings Bordet*) in anderem Sinne wie Ehrlich gedeutet. Bordet nimmt im allgemeinen ein einheitliches Toxin an. Er stellt sich nicht vor, daß zugesetztes Antitoxin etwa mit dem Toxin derartig reagiere, daß ein entsprechender Toxin- anteil abgesättigt wird, während der Rest, für den kein Antitoxin zur Verfügung steht, freibleibt; vielmehr stellt Bordet die chemisch durchaus berechtigte Vorstellung zur Diskussion, daß Antitoxin und Toxin verschiedene Verbindungen miteinander eingehen können. Steht nun wenig Antitoxin zur Verfügung, so bleibt nicht freies Toxin übrig, sondern es entsteht eine Toxin- Antitoxinverbindung, die giftig, wenn auch weniger giftig, als das freie Toxin ist. Das Schema von Bordet kann aber die Beobachtung, daß die ersten Antitoxinanteile das Toxin nicht abschwächen, kaum befriedigend erklären. Es scheint, daß Bordet deswegen auch Toxoide anerkennt — wie wir oben auseinandersetzten, wäre damit der Kernpunkt der Ehrlichschen Hypothese gebilligt. *) Ann. de l’Instit. Pasteur 1903. Über Crotin-Immunität. 219 Jedenfalls läßt sielı die Giftsteigerung durch minimale Antı- crotindosen am ehesten mit Ehrlichs Ansichten in Einklang bringen, was der Wichtigkeit dieser Frage halber noch besonders erläutert werden mag. Vernachlässigen wir zunächst dıe beob- achtete Zunahme der Giftigkeit und diskutieren unsere Versuche unter der Annahme, daß die ersten Antitoxindosen keine Ver- änderungen des Giftwertes erzeugt hätten. Wenn wir dann mit Ehrlich annehmen, daß die ersten Antitoxinanteile mit Gift- derivaten von hoher Affinität zum Antitoxin reagieren, die nur haptophore Gruppen, also keine charakteristische Giftwirkung besitzen, so ist es völlig begreiflich, daß der Giftwert der Lösungen durchaus ungeschwächt bleibt. Aber auch die tatsäch- lich beobachtete Steigerung der Wirkung ist wohl erklärlich. Wenn nämlich ein Gemisch von Toxoiden und Toxinen um die Rezeptoren der Zellen konkurriert, so wird ja, namentlich wenn die Affinität der Toxoide wie in unserem Falle eine größere ist, immer ein Teil der Rezeptoren von Toxoiden besetzt werden, und es wird mehr von dem Gemisch erforderlich sein, um die für die voll- ständige Lösung der Zellen erforderliche Besetzung von Rezeptoren mit Voll-Toxin zu erreichen‘). Durch diese Beobachtungen am Orotin werden auch Befunde am Abrin, die Hausmann**) im hiesigen Laboratorium vor zwei Jahren erhoben hat, dem Verständnis näher gebracht. Bei ge- wissen Abrinpräparaten, die verhältnismäßig weniger giftig als andere waren, konnte durch unvollkommenen Antiabrinzusatz eine Steigerung der Wirkung erzielt werden, bei hochgiftigen Präparaten nicht. Es ist sehr möglich, daß bei den weniger giftigen, älteren Präparaten Agglutinin allmählich in Agglutinoid übergegangen war, wie ich das früher auch schon für das Riein auf Grund anderer Versuche angenommen habe. Eine Steigerung der Wirkung durch geringe Dosen zerstörender Agentien ist auch für Zellwirkungen und für Fermente bekannt. Sicherlich handelt es sich hier vielfach um durchaus abweichende Verhältnisse. Daher will ich hier auf diese Frage nicht näher eingehen und nur bemerken, daß nach den Untersuchungen von *) An dieser Stelle ist wohl von Interesse, eine Bemerkung von Ehrlich aus dem Jahre 1898 zu zitieren. (Deutsch. med. Wsch. 1898.) „Es ist auch möglich, daß die Prototoxoide unter gewissen Umständen imstande sind, direkt dadurch Heilung zu bewirken, daß sie vermöge ihrer stärkeren ‘ Verwandtschaft das Gift aus der Verbindung mit den Gewebselementen verdrängen.“ **), Hausmann, Diese Beiträge 1902, 2, 134. 220 Martin Jacoby, Morgenroth und Korschun*) die Existenz von Fermentoiden wahrscheinlich geworden ist. Von Interesse ist schließlich auch die Tatsache, daß in Toxin- Antitoxingemischen, in denen sich bei proportionaler Absättigung noch eine erhebliche Anzahl lösender Dosen finden müßte, tat- sächlich viel weniger vorhanden sind. Man kann Gemische her- stellen, von denen auch große Dosen überhaupt nicht mehr voll- ständig lösen, sondern nur noch die Blutkörperchen schädigen. (regen die hier von Ehrlich als wirksam angenommenen „Toxone“ wendet sich namentlich Bordets Kritik, und auch Arrhenius und Madsen versuchen, ohne sie auszukommen. Ein prinzipieller Punkt ist das, wie ich schon vorher ausführte, nicht. — Wirk- same haptophore Gruppen sind jedenfalls noch vorhanden, wovon ich mich auch noch dadurch überzeugte, daß ich Kaninchen mit solchen Lysin- Antilysingemischen, die nicht mehr Zellen lösten, immunisierte, und dabei stark wirksame Antilysine erhielt. 17. Wir haben schon im ersten Teil dieser Arbeit erwähnt, daß die vom Serum sorgfältig befreiten Blutkörperchen verschiedener Kaninchen sehr verschieden empfindlich gegen Crotin sind, daß es also eine celluläre Disposition gegen Crotin gibt. Das Crotin bietet aber auch die erwünschte Gelegenheit, eine zellu- läre Immunität zu analysieren. Elfstrand und Lau haben gefunden, daß gewisse Blutarten crotinfest sind. Ich habe mich davon überzeugt, daß hier eine wahre zelluläre Immunität vorliegt, insofern als gut gewaschene Blutkörperchen von Meerschweinchen und Hund durch sehr große Dosen Crotin nicht gelöst werden. Es ist möglich, daß diese Immunität nur der Ausdruck einer äußerst geringen und in diesen niedrigen Graden schwankenden Disposition ist, da in ganz ver- einzelten Ausnahmsfällen riesige Dosen Crotin Hunde- und Meer- schweinchenblutkörperchen zwar nicht schnell lösten, wohl aber die Lösung früher eintrat als die spontane Lösung der Blut- körperchen. Es war nun wohl zuerst nötig, festzustellen, ob ein Unter- schied zwischen den giftempfindlichen und den unempfindlichen Zellen insofern besteht, daß sie ein verschiedenes Bindungsver- mögen für das Gift zeigen. Diese Untersuchung ist schon darum erforderlich, weil wenigstens für die komplizierter gebauten Lysine neben dem Rezeptorenmangel noch andere Möglichkeiten bestehen, die-zelluläre Immunität bedingen können. *) Korschun, Zeitschr. f. physiol. Chemie 1903. Über Crotin-Immunität. 221 Als Methode benutzte ich das von Sachs*) ausgearbeitete Stromaverfahren, mit dessen Hilfe dieser Autor festgestellt hatte, daß das Arachnolysin, das Blutkörperchen lösende Spinnengift, von den giftempfindlichen Zellen gebunden wird, von den un- empfindlichen nicht. Man stellt sich in geeigneter Weise gleich- zeitig Stromata aus empfindlichen und nicht empfindlichen Blut- körperchen dar und bringt sie für dieselbe Zeit und bei der gleichen Temperatur mit dem Gift zusammen. Dann wird die Flüssigkeit durch Zentrifugieren vom Rückstand abgetrennt und geprüft, inwieweit der Giftgehalt der Lösungen durch die Be- rührung mit den Stromata sich vermindert hat. Die Darstellung der Stromata geschah ganz nach den sehr zweckmäßigen Angaben von Sachs, auf die hier deswegen ver- wiesen sein mag. Es wurden Hunde- und Meerschweinchen- stromata mit Kaninchenstromata verglichen. Die Versuche fielen stets in gleichem Sinne aus. Ein Versuch mit Kaninchen- und Meerschweinchenblut- körperchen sei hier als Beispiel wiedergegeben. Versuch 4. Aus je 10 cem Kaninchen- und Meerschweinchenblutkörperchen werden die Stromata nach Sachs hergestellt, das Blut wird eine Stunde auf 54° erhitzt. — Die Kaninchenstromata werden mit 20 mg Crotin, die Stromata vom Meerschweinchen mit 10 mg Crotin zwei Stunden zu- sammengebracht. Im Kaninchenabguß finden sich 3 Dosen, welche 2 cem Kaninchen- blutkörperchenaufschwemmung (5 Proz.) vollständig lösen, im Meer- schweinchenabguß mindestens 60 Dosen, obwohl die Kaninchenstromata mit der doppelten Dosis Crotin behandelt waren. Der geringen Empfindlichkeit der Blutkörperchen von Meer- schweinchen und Hund entspricht also ein geringes Bindungs- vermögen der Stromata für das Gift oder ein geringer Rezeptoren- gehalt. Ähnlich liegt die Sache nach den Untersuchungen von Ehrlich und Morgenroth**) bei den Isolysinen, nach den Beob- achtungen von Sachs beim Arachnolysin. Es geht also in mehreren Fällen Rezeptorenmangel parallel der Unempfindlichkeit der Zellen. Jedoch ist Rezeptorenmangel nicht der einzige Weg, wie zelluläre Immunität zustande kommen kann. So kann das Schlangengift nach den Untersuchungen von Kyes und Sachs***) auch von unempfindlichen Blutzellen gebunden werden. Hier wird die Unempfindlichkeit nicht durch Rezeptoren-, *) Diese Beiträge 2, 1902. **) Berl. Klin. Wochenschr. 1900. *#**) Berl. Klin. Wochenschr. 1902 u. 1903. 299 Martin Jacoby, sondern durch Komplementmangel bedingt, indem der Zelle dis- ponibles Leeithin nicht zu Gebote steht, welches bei den empfind- lichen Zellen das als Immunkörper wirksame Schlangengift als Komplement unterstützt. III. Auf eine die Grotinwirkung hemmende Substanz bin ich bei Versuchen gestoßen, die eigentlich bezweckten, mit Hilfe von Pepsin - Salzsäure aus Crotinlysin Lysinoide darzustellen. Elfstrand hatte ermitteit, daß Pepsin-Salzsäure Crotin sehr schnell unwirksam macht. Zunächst konnte ich bestätigen, daß Crotin, welches einige Zeit mit Pepsin-Salzsäure gehalten war, nach der Neutralisation Blutkörperchen vom Kaninchen nicht auf- löst, wobei natürlich Crotindosen, die etwa das Hundertfache der einfach lösenden Dosis betragen, nicht überschritten wurden. Man konnte nun daran denken, daß durch die Verdauung Crotinoide entstanden wären. Dann war zu vermuten, daß diese Giftderivate von den Zellrezeptoren gebunden würden. In diesem Falle war es möglich, daß die Blutkörperchen nach der Vorbehandlung mit dem Pepsin-Crotin auch auf Crotin nicht mehr reagierten. Die ersten Versuche in dieser Richtung schienen in dem angedeuteten Sinne zu sprechen. Fügte man nämlich zu dem Blutkörperchen- Pepsincrotingemisch wirksames Crotin, so lösten sich die Blut- körperchen auch nicht auf. Jedoch war der Grund ein anderer als der vermutete. Trennte man nämlich die mit Pepsinerotin behandelten Blutkörperchen durch Zentrifugieren von der über- stehenden Flüssigkeit, so waren die Blutkörperchen wieder durch Crotin zu beeinflussen, während die Flüssigkeit von neuem Crotin unwirksam machen konnte. Man brauchte auch nicht etwa an- nehmen, daß durch Pepsineinwirkung aus Crotin Antierotin ent- standen wäre. Denn weitere Versuche lehrten, daß das Grüb- lersche Pepsin bereits in der Kälte und bei neutraler Reaktion Crotin an der Wirkung hindert. Das Pepsinum purissimum Grübler ist zwar ein sehr reines Präparat; aber die Möglichkeit war doch vorhanden, daß eine Substanz, die ursprünglich sich nicht im Magen findet, erst bei der Darstellung des Präparates entstanden oder hereingekommen wäre. Deshalb habe ich Magenschleimhäute vom Schwein mit Hilfe der Buchnerschen Presse ausgepreßt. Es gingen in der Tat in die Extrakte Substanzen über, die das Crotin an der Wirkung hindern. Die fragliche Substanz ist kochbeständig, wirkt bei neutraler sowie bei schwach alkalischer oder schwach saurer Reaktion, sie ist weder mit dem Pepsin noch mit dem Antipepsin Über Crotin-Immunität. 2923 [|Weinland*)] der Magenschleimhaut identisch. Ihre Beziehung zum Crotin ist insoweit der des Antierotins zum Crotin ver- gleichbar, als eine bestimmte Menge des Extrakts oder des Pep- sinum Grüblers immer nur eine bestimmte Menge Crotin un- wirksam macht, in einem Versuche z. B. 1 ccm Extrakt 10 mg Crotin. Die doppelte Dosis Crotin erfordert die doppelte Menge Extrakt. Es ist das nicht selbstverständlich, wie Bordet anzu- nehmen scheint, da ein solch einfaches Verhältnis weder für Fermentwirkungen Geltung hat, noch zutrifft, wenn es sich um den schädlichen Einfluß von Salzkonzentrationen auf Reaktionen handelt. Es könnte ja auch in der Magenschleimhaut eine Sub- stanz vorhanden sein, welche in bestimmten Konzentrationen die Reaktion zwischen Blutkörperchen und Crotin hemmt, ohne daß die Crotinkonzentration direkt von Bedeutung wäre. Insofern verhält sich unsere Magensubstanz wie ein Antikörper im weiteren Sinne, wir haben ein koktostabiles Anticrotin vor uns. Ähnliche Substanzen hat man neuerdings mehrfach gefunden, z. B. eine koktostabile Antiurease [Moll**], ein entsprechendes Antilab |Korschun*®**)l. Dieses Pseudo-Anticrotin hat nach verschiedenen Richtungen Interesse und bedarf noch weiterer Untersuchung. Ich erwähne nur die Beziehungen zum eigentlichen Antilysin. Ferner ist es von Interesse, inwiefern diese Hemmungssubstanz einen Schutz gegen die Resorption des Giftes vom Magen aus bietet. Zu untersuchen wäre auch die Verbreitung der Substanz im Tierkörper. Insbesondere eignet sich aber vielleicht eine solche kochbeständige Substanz zu Isolierungsversuchen. *) Weinland, Zeitschr. f. Biologie 1902. **) Diese Beiträge 1902, 2, 344. ***) Zeitschr. f. physiol. Chemie 1902. XVII. Über die Wirkung des Rieins auf Fischblut. Ein Beitrag zur Frage der natürlichen Immunität. Von Dr. Albert Fraenkel-Badenweiler. (Aus dem pharmakologischen Institut zu Heidelberg.) Obgleich die Entdeckung der Serumantitoxine sowie jede weitere Erkenntnis über das Entstehen der erworbenen Immunität auch der Erforschung der natürlichen Giftfestigkeit stets neue Fragestellungen bietet, ist es bekanntlich bisher nur in wenigen Fällen gelungen, einen hinreichenden Einblick in den Mechanismus natürlicher Immunität zu gewinnen. Dabei hat sich vor allem herausgestellt, daß die Ursachen der natürlichen Giftfestigkeit in vielen Fällen von den Verhältnissen bei der künstlich erworbenen Immunität prinzipiell verschieden sind. Insbesondere für den Fall der natürlichen Immunität ist es a priori zu erwarten, daß das gleiche Ziel vom Organismus auch auf verschiedenen Wegen er- reicht werden kann. Jeder Einzelfall beansprucht deshalb Interesse. Ganz be- sonders geeignet zu einer Analyse der Giftfestigkeit erscheinen aber solche Fälle, in denen man das Problem mit Hilfe von Reagenzglasversuchen angreifen kann. In dieser Richtung diente uns eine Angabe von Lau*) als Ausgangspunkt einer Untersuchung der natürlichen Immunität des Fischbluts gegen die agglutinierende Wirkung des Ricins. Lau teilt in einer Untersuchung über vegetabilische Blutagglutinine auf Grund mehrerer Reagenzglasversuche mit, daß „Riein auf defibriniertes Fischblut keine agglutinierende Wirkung hat, daß das Fischblut eine recht auffallende Ausnahme inbezug auf die Wirkung des Ricins auf Blut- arten bildet.“ *) Über vegetab. Blutagglutinine. Inaug. Diss, Rostock 1901. Über die Wirkung des Ricins auf Fischblut. 995 Unsere Versuche sind ausgeführt mit Riein von E. Merck an Barben (Barbus fluviatilis Ag.) aus dem Neckar. Das Blut wurde den lebenden Tieren direkt aus dem Herzen entnommen. In den Reagenzglasversuchen wurde der Gehalt der Röhrchen an Salz und Wasser streng gleichgehalten, bei Barbenblut berechnet auf eine Isotonie von 0,41 Proz., wie wir sie selbst ausgewertet haben, bei Säugerblut von 0,9 Proz. Wir konnten die Angabe Lau’s zunächst bestätigen, wenn wir, wie er, zu 10 ccm 4proz. Barbenblut 10 mg Ricin zusetzten. Steigerten wir aber die Dosis Ricin wie in dem nachfolgend mitgeteilten Versuche, so stellte sich heraus, daß die vom Säuger- blut her bekannte Agglutination der Blutkörperchen auch beim Barbenblut eintritt; nur ist mehr Ricin notwendig, um die Wirkung zu erzielen, als beim Säugerblut. Das Barbenblut besitzt also keine absolute Immunität gegenüber dem Agglutinin des Ricingiftes, sondern nur eine relative. Versuch vom 3. XII. 02. No. 1. Barbenblut 5 Proz. | Riein (1.proz. Lösg.) Wirkung am folgenden Tage | 5 cem 1 mg | DE. DIN, ee 3.» \ keine Veränderung des a 7 2 [ Blutes Be.) Bes | 58%, Bil, J ee | 19"; maximale Agglutination Bere; | 20+.% | do. do. bias; | 40:5 | do. und geringe | Hämolyse, Wir sehen, daß bei einem Zusatz von 8 mg Ricin zu 5 cem 5proz. Blut (0,25 cem Originalblut) noch keine Veränderung ein- tritt, bei Steigerung der Ricinmenge auf 15 mg aber bereits maxi- male Agglutination. Im letzten Röhrchen der Reihe, in dem die größte Dosis, 40 mg Ricin, enthalten ist, schlägt die rasch ein- getretene Agglutination nach einigem Stehen von selbst in Hämo- lyse um. Auf die nahen Beziehungen von Hämolyse und Agglutination bei den Phytotoxinen hat Ehrlich in den „Schlußbetrachtungen“*) hingewiesen, und zwar in dem Sinne, daß nicht nur die eine der Phytalbumosen vorwiegend hämolytisch, die andere agglutinierend *) Nothnagel, Spez. Pathol. u. Therap., 8. Beitr. z. chem, Physiologie. IV. 15 996 Albert Fraenkel, wirkt, sondern auch daß das rein agglutinierende Ricin eine die Hämolyse bedingende Schädigung ausübt, und der Austritt von Hämoglobin nur durch die starke Verklumpung der Blutkörperchen verhindert wird. Baumgarten“), berichtet, daß diese beim Schütteln zutage tretende hämolytische Wirkung des Ricins nur bei hyperisotonischen Lösungen vorkäme. Wır konnten uns in einer Reihe von Experimenten überzeugen, daß beim Barbenblut auch ohne Schütteln in vorher agglutinierten Proben Hämolyse auftritt, doch nur bei großen Rieindosen, und zwar um so rascher und vollständiger, je größer die Dosis ist. Versuche wie der folgende stützen die Vorstellung, daß die Rıcin-Hämolyse ein von der Agglutination nur graduell, nicht prinzipiell verschiedener Prozeß ist. Versuch vom 4. XU. 02. No. 2. 5 Proz. Barbenblut Riein mg Wirkung - 5 ccm 2,5 keine Veränderung Dis 5,0 do. De 7,5 do. Be | 10 deutl. Agglutination 5 20 ' max. Agglutination mit folg. in Substanz geringer Hämolyse. BuYss | 40 | zugesetzt. ' do. mit deutl. Hämolyse. 5% s0 ı do. „ kompletter Hämolyse. Für die Analyse der Beobachtung, daß das Fischblut im Ver- gleich zum Säugerblut eine wesentlich höhere Resistenz dem Riein gegenüber aufweist, ergibt sich die Fragestellung von selbst: ist diese relative Immunität eine Besonderheit der Barbenblut- körperchen, ist sie eine celluläre, oder rührt sie von den übrigen Bestandteilen des Blutes her? Um zunächst zu untersuchen, ob das Serum bei dem Zustande- kommen dieser Immunität eine Rolle spielt, war zu prüfen, ob man durch Fischserum die Agglutinationswirkung des Rieins für Fischblut abschwächen kann. Es wurden zu gleichen Mengen 3jarbenblut steigende Mengen eines möglichst klaren Barben- serums zugesetzt, das durch Defibrinieren und längeres Stehen des Blutes in der Kälte oder durch Zentrifugieren gewonnen war. Schließlich wurden alle Röhrchen mit gleichen Mengen wirksamer Ricindosen beschickt. -®) Baumgarten, Mikroskop. Untersuchungen über Hämolyse im heterogenen Serum. Berl. klin. Wochenschrift 1901. #i Über die Wirkung des Ricins auf Fischblut. 997 Versuch vom 3. II. 0. No. 3. Riein, nachher 2 Barbenblut 5 Proz. | Barbenserum Ans Wirkung zugesetzt 5 cem 0 20 mg max. Agglutination I, 0,1 | z starke Agglut. Be 0,25 | . schwache Agglut. 5 ”„ 0,5 „ | a 0,8 2 | 5 10 keine Veränderung ® „ , -, ER 2,0 e | Solche Versuche wie der obige zeigten uns, daß Serumzusatz in steigenden Dosen in der Tat die Rieinwirkung mehr und mehr abstumpfen und schließlich gänzlich aufheben kann. Die agglutinationshemmende Wirkung des Serums trat in einer Reihe von Versuchen mit völliger Regelmäßigkeit ein. Dabei beobachtete man, daß der Serumzusatz zu Barbenblat auch imstande ist, die durch größere Ricindosen im Anschluß an die Agglutination ein- tretende Hämolyse abzuschwächen, beziehungsweise aufzuheben. Es treten somit auch hier deutlich die nahen Beziehungen von Agglutination und Hämolyse hervor, indem kleine Mengen Serum nur die Hämolyse, nicht aber die Agglutination, und erst etwas größere Mengen beide Wirkungen aufheben können. Auch nach diesen Versuchen erscheint die Hämolyse als eine direkte Steigerung und Fortsetzung des Agglutinationsprozesses, ohne daß freilich die Frage ihrer Beziehungen hiermit endgültig erledigt wäre. Versuch vom 9. XII. 02. No. 4. 5 Proz. Barben- °, Riein, später | BR Wirkung Barbenblut serum zugesetzt ; 5 cem 0 _ cem 20 mg max. Agglut. folg. Hämol. ie &L-: ; r e 5 r R 5.5 026‘, £ R & keine RE: IN; " keine ” > 2 Bon DB, = £ r ” z Bi EIKE R a 2 £ Wie in den beiden zitierten Versuchen, No. 3 und 4, hat auch in einigen anderen der Zusatz von 0,5 ccm Serum 20 mg Ricin in ihrer agglutinierenden Wirkung auf 5 ccm 5-proz. Barben- blut (0,25 cem Vollblut) jedesmal verhindert. Nehmen wir auf Grund von Versuchen wie No. 1 und 2 an, daß der gleichen 15* 328 Albert Fraenkel, Barbenblutmenge bis zu 8 mg Riem ohne Reaktion zugesetzt werden können, und bringen wir diese 8 mg in Abzug von den sicher agglutinierenden 20 mg, so heben immerhin 0,5 ccm Serum die Wirkung von 12 mg Ricin auf. 1 ccm Barbenserum entspricht also nach seinem Antiagglutininwert 24 mg Ricin. Dieser Befund bei Barbenblut steht nicht ım prinzipiellen Gegensatz zu Er- fahrungen mit Säugerblut, da Kobert*) und seine Schüler nach- gewiesen haben, daß auch das Serum des normalen Säugetieres die Rieinwirkung hemmend beeinflußt. Nach eigenen Versuchen mit Katzenblut ist diese hemmende Kraft des Säugerserums aber viel schwächer als die des Fischserums. Versuch vom 2. UI No. 5. 5 Proz. Katzenblut| Katzenserum es Wirkung nachher zugesetzt 5 cem 0 10 \ max. Agglut. ER. 0,1 ‚10 4 % Br | 0,4 | 10 R % Dass 0,5 10 stark& 7 BE 0,8 10 deutl. 4 Bus 1,0 | 10 deutl. % Dre 5 10 Andeutung 5 2,6 10 Andeutung. Die Feststellung des Antiagglutinin im Barbenserum genügt bereits für sich zur Erklärung eines größeren Grades von relativer Immunität. Daneben könnte aber auch den serumfreien Blutzellen eine höhere Resistenz gegenüber Ricin zukommen. Daß die Fisch- blutkörperchen durch das Gift überhaupt angegriffen werden, d. h. Rezeptoren im Ehrlichschen Sinne enthalten, geht schon aus den angeführten Versuchen hervor, welche die Agglutinier- barkeit erweisen. Dennoch wäre es möglich, daß ein relativer Mangel an Rezeptoren in den Fischblutkörperchen ihre höhere Resistenz mitbedingen könnte. Dies könnten nur quantitative Versuche entscheiden. Wir haben uns darauf beschränkt, wenigstens das Bindungsvermögen der Blutkörperchen durch eine Anzahl Stromaversuche nach Sachs“*) zu erweisen. Es ergab sich, daß Barbenstromata aus 10 ccm Blut imstande waren, 50 mg Riein so fest zu binden, daß die aus dem Gemisch gewonnene abzentrifugierte Flüssigkeit weder Barbenblut noch Katzenblut agglutinierte. ‘*) Kobert, Verhandl. d. naturforsch. Gesellschaft zu Rostock 1900. "*) Diese Beiträge 2 (1902). Über die Wirkung des Ricins auf Fischblut. 299 Versuch vom 10. III. No. 6. 10 ccm Blut von Barben 20 Minuten auf 50° erwärmt, werden mit aqu. dest. lackfarben gemacht. Dann werden durch Zentrifugieren und mehrmaliges Waschen mit 0,41 proz. Kochsalzlösung die Stromata der Blut- körperchen dargestellt. Es wird diesen Stromata 2,5 cem 2proz. Ricin- lösung (= 50 mg) zugesetzt und die Mischung über Nacht stehen ge- lassen. Die abzentrifugierte Flüssigkeit wird zur Untersuchung verwandt. Zur Kontrolle wird eine an Salz- und Rieingehalt genau gleiche Rieinlösung verwendet, auf die keine Stromata eingewirkt haben. 5 Proz. Katzenblut Ricintestflüssigkeit Wirkung 5 ccm 0,1 deutliche Agglutination Mög 0,2 starke r en 0,3 | maximale BE 0,5 | do. A, 0,8 | do. ae 1,0 | do. 5 Proz. Katzenblut Stromarieingemisch Wirkung 5 cem 1,0 | 2 Et R £ ‚O keine Veränderung. sn 3,0 | Dr | 4,0 | 5 Proz. Barbenblut Rieintestflüssigkeit Wirkung 5 ccm 1 keine Veränderung Din 2 starke Agglutination a 3 maximale et 4 do. 5 Proz. Barbenblut | Stromarieingemisch Wirkung 5 cem 3 Be, | F keine Veränderung. Auch das Vielfache der mit Stroma behandelten Rieinlösung erreicht nicht mehr die agglutinierende Wirkung des Originalriein- gemisches. Das Stroma hat das Ricinagglutinin wahrscheinlich vollständig gebunden. Genaueres darüber müßten quantitative Versuche aussagen. Solche Versuche werden darüber aufklären, ob nur quantitative Unterschiede des Rezeptorengehaltes in den Blutkörpern von Fischen und Säugern bestehen, oder auch quali 230 Albert Fraenkel, tative, etwa in der Art, daß neben gemeinsamen Rezeptoren je ein spezieller vorhanden wäre). Für die Gegenwart gemeinsamer Rezeptoren spricht auch eine Umkehrung dieses Versuches. Läßt man nämlich Riein auf die Stromata, die man aus Katzenblut gewonnen hat, einwirken, so kann man auch da nachweisen, daß durch diese Behandlung kleine Mengen Ricin gänzlich unwirksam werden, große Mengen aber in erheblicher Weise abgeschwächt sind, sowohl in ihrer Wirkung auf Katzen- als auf Barbenblut. Die Frage, ob Säuger- und Barbenantiagglutinin, also auch Säuger- und Barbenagglutinin, sich decken, schien auf den ersten Blick entschieden zu werden durch weitere Versuche, die mit einem von Herrn Dr. Jacoby überlassenen Ricinantitoxin ange- stellt wurden, welches, aus einer Ziege gewonnen, über ein Jahr alt, von seiner ursprünglichen Hochwertigkeit nichts eingebüßt hatte. Wir prüften zunächst das Antitoxin an, Katzenblut und stellten fest, daß 0,08 ccm Antitoxinserum die Agglutinations- wirkung von 5 mg Ricin verhinderte Mit diesem Titre des Säugerblutes prüften wir die Ricinwirkung auf Barbenblut in folgender Weise: Versuch vom 1. III. No. 7. 5 Proz. Barbenblut‘ Antiriein Riein Wirkung En nn nn 5 ecem | 0 20 mg max. Agglutination Dee: 11/7, Dos. d. Säugetitr), 20 „ fast mar. 2% Per Mass ia 5 20 deutliche 2 h) en “A 65 6 6 20 Er | k & V . d = eine Veränderung. BI2E ['VGLlO2.=% e, 20/°, | 8 Es braucht also nicht einmal den vollen Titrewert des Katzen- antirieins, um die Ricinagglutination bei Barbenblut aufzuheben. Das Antiagglutinin für Säuger ist demnach ein ebenso starkes Antiagglutinin für Barben. Aber auch damit ist nur erwiesen, daß bei dem Immunisierungsprozeß der Ziege gegen Ricin die verschiedenen Rezeptorengruppen, auch die gegen Fischagglutinin schützenden, in das Serum gelangen. Die Frage der Identität des Säuger- und Fischrieins ist auch durch solche Versuche nicht zu entscheiden. - Wie wenig es angezeigt wäre, aus den bisherigen Beobachtungen bindende Schlüsse zu ziehen, und wie kompliziert *) Über derartige Verhältnisse bei Hämolysinen s. Ehrlich u. Morgen- roth. — 6. Mitteilg. Berl. klin. Wochenschrift 1902. Po Se BE DZ 0 Da ud 2 Aa cn nn oe a Ka A a A an L&S ln a aa dam nn m Al 5 U LU nn. Pe Pen Über die Wirkung des Riecins auf Fischblut. 231 diese Verhältnisse liegen, erhellt aus einer Reihe von Versuchen, in denen wir feststellen wollten, ob die Ricinwirkung auf Säuger- blut durch das Barben gegenüber als Antiagglutinin wirkende Barbenserum beeinflußt wird. Wir ließen gleiche Mengen Ricin und steigende Dosen Barben- serum, kurze Zeit im Reagenzglas gemischt, auf Hundeblut wirken. Auch Ochsen- und Katzenblut zogen wir in den Bereich dieser Untersuchungen. Von dem bequemer zugänglichen Kaninchenblut mußten wir absehen, es hat sich nämlich gezeigt, daß Barbenserum auf Kaninchenblut rasch und intensiv hämolytisch wirkt. Versuch vom 2. I. No. 8. Riein, nachher 1: 5 Proz. Hundeblut | Barbenserum Wirkung zugesetzt 5 ccm 0 8 mg } Se 0,1 | ; | 2 Be % N max. Agglut. 5 br) | 0,5 bi) u Rat. | | 5 „ | 2,0 p) Dr), 2,0 0 keine Agglut. ı keine Hämolyse. Ebensowenig wie die Wirkung größerer Ricindosen auf Hunde- vollblut konnte unser Barbenserum in Versuchen, wie der folgende, die agglutinierende Wirkung kleiner Rieindosen auf gewaschene Hundeblutkörperchen abschwächen oder gar aufheben. Versuch-vom 2. 1. No. 9. 5 Proz. Hunde- Riein, nachher Y " Barbenserum Wirkung blutkörperchen zugesetzt 5 ccm 0 3 mg max. Agglut. 5 ”„ 0,1 „ „ 5 b>) | 0,2 „” 3 BT, | 0,5 h ı u. beg. Hämbol. Br; | 1,0 e ı max. Hämolyse. Das gleiche Verhalten höhe wir mit demselben Resultat bei Katzenvollblut und Katzenblutkörperchen festgestellt. Das Barbenserum hat also bei Säugerblutarten keine An- deutung der stark antiagglutinierenden Wirkung, die wir für Barbenblut kennen gelernt haben. 232 Albert Fraenkel, Barbenserum erweist sich trotz seiner deutlichen Antiagglu- tininwirkung für Barben als nicht antitoxisch für Kaninchen. Es wurden zunächst Kaninchen mit Barbenserum allein gespritzt. Sie blieben ohne nennenswerte Gewichtsabnahme am Leben. Darauf haben wir die giftige Dosis unseres Ricins für Kaninchen ausgewertet und gefunden, daß schon 0,4 mg pro Kilo Kaninchen unter erheblicher Gewichtsabnahme in 1 bis 2 Tagen tötet. Nach diesen Vorversuchen haben wir die Dosis letalis minima des Ricins mit dem Vıelfachen derjenigen Menge von Barbenserum versetzt, die bei Fischblut die Rieinagglutination verhindert und das über Nacht stehen gelassene Gemisch den Tieren eingespritzt. Die Tiere starben ebenso rasch und unter den gleichen Erscheinungen wie die Kontrolltiere. Nach all dem durfte es für die Frage der natürlichen Immunität der Barben gegen Ricin und für die Frage der Zu- sammensetzung des Ricingiftes von Interesse sein, zu untersuchen, wie sich die Barben selbst dem Riein gegenüber \verhalten. Mit beginnendem Frühling waren diese Versuche möglich, da man in Heidelberg die Fische im strömenden Neckar unter Bedingungen halten konnte, wo das Eingehen eines Fisches zu den größten Seltenheiten gehört. Anfangs schien es, als ob die Barben gegenüber Ricin eine erhöhte Resistenz hätten, aber bald stellte sich heraus, daß es sich nur um eine bei Kaltblütern leicht verständliche längere Inkubationszeit des Giftes handelte und daß alle, selbst mit kleinen Dosen Ricin gespritzte Fische nach kürzerer oder längerer Zeit starben. Die toxische Wirkung des Ricins für Barben war weder durch natürliches Antiagglutinin (Barbenserum) noch durch künstliches (Rieinantitoxin der Ziege) abzustumpfen. Das ergaben Versuche, in denen Ricin mit Barbenserum und Ricinziegenantitoxin in solchem Verhältnis gemischt wurde, daß es Barbenblut nicht mehr agglutinierte; die Barben wurden aber ebenso sicher und nach der gleichen Zeit getötet wie durch reines Riein. Da wir bisher für das Allgemeinwirkungen bei Fischen hervorrufende Gift kein Antitoxin aufgefunden haben, so können wir über das Fischtoxin keine Aussagen machen. Das Barbenserum ist jedenfalls sowohl bei Säugern wie bei Fischen ohne antitoxische Wirkung, schützt nur Blutkörperchen von Barben und nicht die von Säugern. Ob diese Wirkung durch die. Gegenwart eines spezifischen Antikörpers zustande kommt oder in anderen Faktoren der chemischen und physikalischen Zu- Über die Wirkung des Ricins auf Fischblut. 233 sammensetzung des Fischblutes bedingt ist, muß vorläufig unent- schieden bleiben. Schlußsätze. 1. Das Barbenblut wird durch Ricin in erheblich geringerem Grade agglutiniert als Säugerblut (natürliche relative Immunität). 2. Die größere Resistenz des Barbenblutes gegenüber Ricin beruht nicht auf Rezeptorenmangel der Blutkörperchen und ist jedenfalls zum Teil bedingt durch ein im Barbenserum enthaltenes starkes Ricinantiagglutinin. 3. Die Hämolyse durch Ricin hat nahe Beziehungen zur Asglutination; sie kann als eine Steigerung der letzteren ange- sehen werden. 4. Das Barbenserum, welches Blutkörperchen von Barben, aber nicht Säugetierblutkörperchen gegenüber stark antiagglu- tinierend wirkt, entbehrt der antitoxischen Wirkung. XIX. Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. Von phil. et med. Dr. Anton Steyrer, klinischem Assistenten. (Aus der II. medizinischen Klinik in Berlin.) Obwohl bereits öfter die Frage aufgeworfen wurde, wie sich entartete Muskeln chemisch verhalten, ıst die Zahl der darüber vorliegenden Untersuchungen keine sehr große. Mac Donnel*) und Ogle**) haben den Glykogengehalt von Muskeln untersucht, welche von den sie versorgenden Nerven getrennt oder künstlich in verschiedener Weise inaktiviert worden waren, und konnten eine Zunahme desselben konstatieren. Später haben Chande- lon*), Mancher) und Vay'rr) ähnliche Untersuchungen an Muskeln von Kalt- und Warmblütlern angestellt, welche im ganzen die Ergebnisse der genannten Beobachter bestätigen. Insbesondere hat eine Reihe exakterer Versuche, welche der letztgenannte Autor durchgeführt hat, die Frage über diesen Körper im Stofl- wechsel des kranken Muskels zu einem gewissen Abschlusse gebracht. Ferner wären hier noch zu nennen die Untersuchungen von Bischofrfy), von Hoesslin*r), Krehl*fp), Lindemann”rry), Rosenfeldr*), Katzyff*),, Rumpf und Schummfr7f*) und R. VogelS). Sie haben die Bestimmungen von Wasser, Fett, F) nen nal of the medic. sc. 46, 1863. **) St. George Hospital reports 3, 1868. en) Pen Archiv 13, 1876. +) Zeitschr. f. Biologie 25, 1889. ) Arch. f. ep. Path. u. Pharm. 34, 1894. ) Bischof, Zeitschrift f. rationelle Medizin, 3 Reihe 20, 1863. *+) v. Hoesslin, Deutsches Arch. f, klin. Medizin 38, 1883. +) Krehl, Deutsches Arch. f. klin. Medizin 51, 1893. ) Lindemann, Zeitschr. f. Biologie 38, 1899. 1%) Rosenfeld, Centralblatt f. innere Medizin 22, 1901. 1) Katz, Arch. f. d. ges. Physiologie 69. +rr*) Rumpfu. Schumm, Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilkunde 22, 1901. $) R. Vogel, Deutsches Arch. f. klin. Medizin 1902. ı Er u) ur F BEE \ Arzt ı Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. 235 Trockensubstanz und Mineralbestandteilen an normalen und degenerierten Extremitäten- und Herzmuskeln zum Gegenstande. Auf ihre Details kann und braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Der Zweck meiner Arbeit war, festzustellen, wie sich das quantitative Verhältnis der Eiweißkörper des degenerierten bezw. des inaktivierten Muskels zu denen des gleichnamigen normalen stellt. Es ist das Verdienst v. Fürths*), die chemischen Eigen- schaften der gerinnbaren Eiweißkörper des Muskelplasmas näher aufgeklärt zu haben; die von ihm vorgeschlagene Nomenklatur derselben ist auch später in der Literatur allgemein angenommen worden. Während Halliburton“®), welcher als erster systematische Unter- suchungen über diesen Gegenstand anstellte, fünf verschiedene Eiweiß- körper im Plasma unterschied, hat v. Fürth gezeigt, daß im Muskel des Warmblüters deren nur zwei vorhanden sind: das Myosin und das Myogen. Das Myosin ist ein globulinartiger Körper, der beim raschen Erhitzen zwischen 45° und 50° © gerinnt. Auch schon nach längerem Stehen bei Zimmertemperatur tritt wenigstens teilweise Gerinnung ein, das Myosin verwandelt sich in Myosinfibrin. Löslich ist das Myosin in Neutralsalzlösungen; es ist durch Verdünnen mit Wasser und dureh Dialyse fällbar, durch verdünnte Säuren und Neutralsalze aus- salzbar. Aus seinen Lösungen wird es durch Halbsättigung mit Ammon- sulfat niedergeschlagen. Das Myogen koaguliert bei raschem Erhitzen zwischen 55° und 65°, ist durch Dialyse nicht fällbar und wird erst jenseits der Halb- sättigung durch Ammonsulfat ausgesalzen. In destilliertem Wasser ist es löslich. Bei längerem Stehen verwandelt sich das Myogen zuerst in eine lösliche Modifikation, das lösliche Myogenfibrin, aus diesem in das unlösliche Myogenfibrin. Der Gerinnungsvorgang wäre nach v. Fürth in folgender Weise übersichtlich darzustellen: I. Myosin II. Myogen Myosinfibrin lösliches Myogenfibrin Y Myogenfibrin In dem Spontangerinnen dieser beiden Eiweißkörper scheint mir nun die größte Schwierigkeit für die quantitative Bestimmung derselben zu liegen, da, wie ich mich überzeugen konnte, dadurch unter Umständen große Fehler erwachsen können; hierin liegt *) v. Fürth, Über die Eiweißkörper des Muskelplasmas, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 36, 250—257. **) W. D. Halliburton. On muscle-plasma. Journ, of Physiol, 8°. 1888. 133 bis 202. 236 Anton Steyrer, wohl auch die Ursache gewisser Differenzen in den Untersuchungs- ergebnissen Stewards und Sollmanns*), welche im allgemeinen die Angaben v. Fürths bestätigen. Nach v. Fürth enthält das Plasma des normalen Kaninchenmuskels, nach Maßgabe von Be- stimmungen mittels fraktionierter Hitzefällung, ungefähr 80 Proz. Myogen und 20 Proz. Myosin. Ich habe zunächst die Versuche des genannten Autors in dem Umfange wiederholt, als es mir notwendig schien, ein eigenes Urteil zu gewinnen, ob die gegebenen Methoden für meine Zwecke ausreichend seien. Gewinnung des Muskelplasmas. Bei der Gewinnung des Muskelplasmas habe ich mich fast vollkommen an das von v. Fürth angegebene Verfahren gehalten. Als Versuchstiere dienten ausnahmslos Kaninchen. Dem Tiere wurde durch eine in die Vena jugularis communis eingebundene Glaskanüle ungefähr der dritte Teil seines Körpergewichtes an isotonischer Kochsalzlösung von 36° bis 40° € Temperatur zufließen gelassen, ohne daß der Ablauf des Blutes aus dem peripheren Teil der Vene gehindert wurde.. Geschieht dies nicht allzu rasch, so treten selten irgendw elche bedrohliche Erscheinungen auf: bei noch guter Herzaktion wird sodann die Carotis durchschnitten, die Salzlösung bei gleichzeitiger Thoraxmassage in starkem Strome unter höherem Druck weiter zufließen gelassen. Das Tier verendet nun rasch unter heftigen klonisch-tonischen Krämpfen. Die aus der Arterie austretende Flüssigkeit ist schließlich hell fleischwasserfarben und hat, nach Fleischl gemessen, einen Hämo- globingehalt von weniger als 10 Proz. Sofort nach eingetretenem Tode wird das Abdomen eröffnet und in die Aorta abdominalis, sowie Vena cava inferior unterhalb des Abganges der Nierenarterien werden Kanülen in der Richtung des Blutstromes eingebunden. In die Aorta wird unter gleichzeitigem Beugen und Strecken, sowie unter Massage der unteren Extremitäten so lange isotonische Kochsalzlösung zufließen gelassen, bis die aus der Vene abfließende Flüssigkeit vollständig wasserklar erscheint; dieselbe enthält höchstens Spuren von in der Hitze Ks Eiweißes. Die zu verarbeitenden Muskeln (es kamen die der unteren Extremitäten zur Verwendung) wurden, nachdem sie von Fett und Bindegewebe befreit waren, sofort mit dem wi iegemesser zu einem ganz feinen Brei zer- schnitten und nach Zusatz einer geringen Menge isotonischer Kochsalz- lösung mittels einer. hydraulischen Presse, die einen Druck von 350 Atmosphären auszuüben gestattete, ausgepreßt. Das so gewonnene Plasma war opaleszent, von hellgelber bis rötlichgelber Farbe. Die Reaktion (Lackmus) war entweder ganz schwach alkalisch oder neutral und wurde nach längerem Stehen, besonders bei Zimmertemperatur, sauer. Die Zeit, welche vom Augenblicke des Todes der Tiere bis zur Ver- arbeitung des Plasmas verging, betrug meist nur ein weniges über eine halbe Stunde. *) Steward u. Sollmann, The Proteids of muscle. Journ. of Physiol. 24, 427 bis 459 (1899). Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. 931 Bestimmung der relativen Mengenverhältnisse vom Myosin und Myogen. Zur quantitativen Bestimmung von Myosin und Myogen be- diente ich mich der schon erwähnten fraktionierten Hitzefällung. Für die ersten Versuche wurden die Koagulationstemperaturen mit 40°, 50°, 70° und 100° C angesetzt. Je 10 ccm Plasma wurden in gleich großen Zentrifugiergläsern von gleicher Wand- stärke in ein genau auf die gewünschte Temperatur eingestelltes Wasserbad mit doppelten Wänden gebracht. Zur Kontrolle der Temperatur des Plasmas selbst wurde, da ein Eintauchen eines Thermometers in dasselbe nicht angängig ist, ein zweites, gleich großes Gefäß mit 10 ccm Wasser gleichzeitig eingesenkt; in diesem befand sich ein in halbe Grade geteiltes Thermometer, während ein zweites zur Ablesung der Badetemperatur außen eintauchte. Hatte die Temperatur im Kontrollgefäße die gewünschte Höhe erreicht, so wurde von diesem Augenblicke an das auszufällende Plasma unter. stetem Umrühren nach 7 Minuten bei derselben gehalten. Die Temperaturschwankungen betrugen selten mehr als einen halben, niemals über einen ganzen Grad. Die bei 40° und 50° ausfallenden Niederschläge setzen sich feinflockig, fast schleimig ab, während die Fraktionen von 70° und 100° gröber, kompakter ausfallen. Die Niederschläge wurden nun zur leichteren Reinigung mit Hilfe der Zentrifuge dekantiert und mit destilliertem Wasser chlorfrei gewaschen, die Waschwasser durch bei 110° getrocknete und gewogene Filter gegossen. Dieses Verfahren ist dem Waschen am Filter vorzuziehen, weil besonders das Myosin und der bei 40° ausfallende Niederschlag die Filter- poren sehr rasch verstopft, wodurch die Reinigungsprozedur sehr in die Länge gezogen wird. Schließlich wurden die Niederschläge selbst aufs Filter gebracht, mit Alkohol und Äther durchgespült und bei 110° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Bei meinen Untersuchungen am normalen Kaninchenmuskel (Ischiadicusmuskulatur), in dieser Weise ausgeführt, erhielt ich folgende Resultate: Tabelle I. Normaler Muskel | ne a ale A Bay Gesamteiweiß Myogen I. | AN Gesamt-Eiweiß 100° . . .! 083623 100,00 Myosin + Myogen 70° . . | 0,3490 96,33 an 500, ee 0,0637 18,25 18:78 Bioemkbrın 40°; 2. 22.021 0,0061 1,68 2 0, 3,67 238 Anton Steyrer, Niederschlag in | Verhältnis des | Niederschlag in Normaler Muskel EIER Prozenten des Myosin zum Gesamteiweiß Myogen II. Gesamt-Eiweiß 100° . . .\ 0,5812 100,00 Myosin +4 Myogen 70° . . 0,5675 97,65 Myosin 50° 5 Ka I HGB 16,83 17:81 Myosinfibrin 40°. .. . . 0,0092 1,58 Albumin.. .32'2.Byelsis eg: 2,35 117, Gesamt-Eiweiß 100° . . . 0,4172 100,00 Myosin + Myogen 70° . . 0,4098 98,23 Myosın BO 1 A Er az 0,0889 21,31 21277 Myosinfbrin 40°. . .. . 0,0000 | 0,00 Album ur EN A | LET. In diesen drei Versuchen gewann ich also Ergebnisse, welche mit denen von v. Fürth ziemlich gut übereinstimmen. Das Ver- hältnis von Myosin zum Myogen betrug im Durchschnitt: 19:79, bei v. Fürth 18:81. | Ich glaube jedoch an dieser Stelle noch einen Versuch an- führen zu müssen, welcher bedeutend von den früheren abweicht. Es lag offenbar ein Versuchsfehler vor, der mir aber gerade für die Beurteilung des Wertes der Methode von Wichtigkeit erscheint. Es ergab sich nämlich an: Niederschlag Niederschlag Verhältnis von in Gramm in Prozent Moysin:Myogen Gesamt-Eiweiß 100° . . .ı 0,5842 100,00 Myosin + Myogen 70° . . 0,5588 95,66 Myosin50r En eg 0,2090 35,78 36:60 Myosinfibrin 40° 22.727; 0,0824 14,11 Albuminel Kite WE Meat 4,34 Die jedenfalls über der Fehlergrenze liegende Differenz des Verhält- nisses vom Myosin zum Myogen (36:60) gegenüber dem oben angeführten (19:79 und 18:81) dürfte sich durch die Umstände, unter denen der Versuch ausgeführt wurde, erklären lassen. Sämtliche bisher angeführten Versuche wurden nämlich im Hochsommer gemacht; die Temperatur des Arbeitsraumes betrug oft mehr als 25° ©. Während nun bei den in der Tabelle I angeführten Versuchen der Zylinder der Presse mittels einer Kühlschlange aus Bleirohr durch Eiswasser gekühlt und das Plasma sofort nach dem Abpressen verarbeitet worden war, mußte in den letzt- angeführten eine andere, weniger kräftig wirkende, nicht kühlbare Presse angewendet werden, was das ganze Verfahren verzögerte, so daß Preß- masse. sowie Plasma mehrere Stunden einer verhältnismäßig hohen Temperatur ausgesetzt blieben. Dabei scheint sich nun ein Teil des Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. 239 Myogens in Myogenfibrin, respektive in präformiertes Myogenfibrin um- gewandelt zu haben, worauf schon der hohe Wert des bei 40° koagulierten Niederschlages hinweist. Geht man von dieser Voraussetzung aus und bringt das Gewicht dieses Niederschlages von dem bei 50° ausgefallenen in Abzug, was nicht ganz berechtigt ist, da sich bei langem Stehen auch Myosin in Myosinfibrin umgewandelt haben kann, so ergibt sich ein Gehalt von Myosin von 21,7 Proz. und ein Verhältnis von Myosin : Myogen = 22:74, was ungefähr der Norm entspräche. Dieser Versuch bestätigt somit die Annahme v. Fürths, daß das Myogen sich nach einiger Zeit in präformiertes Myogenfibrin oder in Myogenfibrin umwandelt und ergänzt die von ihm zu diesem Zwecke ausgeführte Versuchsreihe insofern, als er zeigt, daß auch unter Umständen schon niedrigere Temperaturen als 40° C bei ge- nügend langer Zeitdauer diese Umwandlungen zu bewirken ım- stande sind. Angesichts dieser Tatsache tritt nun für die Beurteilung einer quantitativen Methode zur Bestimmung der Mengenverhältnisse von Myosin und Myogen die wichtige Frage heran: ist es möglich, diese Umwandlung zu verhindern, oder hat man wenigstens ein Mittel in der Hand, entscheiden zu können, ob Myogenfibrin ın löslicher Form vorhanden ist oder nicht. Würde dasselbe bei 40° schon immer quantitativ ausfallen, so könnte man sich vor diesem Fehler schützen. Nach dem folgenden Versuche zu schließen, ist letzteres nicht der Fall. Ein Kaninchen wurde in der .gewöhnlichen Weise entblutet, das Plasma unter allen bezüglich der Temperatur nötigen Vor- sichtsmaßregeln abgepreßt und in eisgekühlten Gefäßen aufgefangen. Die Temperatur des Arbeitsraumes konnte übrigens auf 10° © (Winter) gehalten werden. Vom Tode des Tieres bis zum Schlusse des Abpressens waren ungefähr °s Stunden vergangen. Das Weitere ist aus der nun folgenden Tabelle ersichtlich. Tabelle LH. Niederschlag r: ) "OZE uf Niederschlag in Pı Zen) Bd et ı den bei 70° aus- | aramı ln : | ee \fallenden Teil als 100 gerechnet Fort. L A) 10 cm? Plasma ergaben sofort nach | dem Abpressen 7 Minuten auf 50° | Behılat . „oe A «| 93,04 B) Dasselbe Plasma an 7 Minuten | TON ee N... 04 0,5422 | 100,00 Entfallen auf Myogen . ....| 03 | 766 - 940 Anton Steyrer, | Niederschlag Niederschlag | in Prozent, auf | | | I es den bei 70° aus- in Gramm fallenden Teil als 100 gerechnet Port. IE: A) 10 cm? Plasma ergaben sofort nach dem Abpressen 7 Minuten auf 40° erhitzt .: . we er dene 0,0000 0,00 B) Dasselbe Plasma dann 7 Minuten auf 50° erhal re 0,2085 | 37,10 C) auf 70° erhitzt. . 2 2 2 2. 0,5513 100,00 Entfallen auf Myogen . . . . . 0,3468 | 62,90 Port. II: | A) 10 cm? Plasma 5 Stunden lang bei 10° gehalten, bleiben klar. B) Dasselbe Plasma dann 7 Minuten auf 40° erhitzt, bleibt klar. ©): a5808 ern 1 re 0,2207 \ 40,23 (Bei 45° trat leichte Trübung ein, bei | | 47° flockiger Niederschlag.) D) auf 70° erhitzt. ne || 0,5486 100,00 Entfallen auf Myogen . . . . . | 0,3279 59,77 Aus diesem Versuche geht hervor, daß bei genügend raschem Verarbeiten des Plasmas sich aie normalen Durchschnittswerte für Myosin und Myogen erzielen lassen. Portion I. 23:77. Portion II zeigt, daß verhältnismäßig kurzes Erwärmen auf 40° schon eine Umwandlung des Myogens hervorrufen kann, die jedoch ° unserer Beobachtung entgeht — die Flüssigkeit bleibt vollkommen klar — und sich erst durch den auffallend hohen Wert der Fraktion von 50° (37:63) verrät. Aus Portion III läßt sich nur schließen, daß auch längeres Stehen bei niedriger Temperatur ohne bedeutenden Einfluß auf die Gerinnung des Myogens be- ziehungsweise auf die Bildung von Myogenfibrin ist. Die Ergeb- nisse sind ungefähr dieselben wie in II. Wenn aus dem bisher Gesagten auch hervorgeht, daß auf diesem Wege eine Methode, welche den strengsten Anforderungen einer quantitativen Analyse im allgemeinen entspricht, nicht geschaffen werden kann, so muß man andererseits doch auch zugestehen, daß die Fehlerquellen sich sehr einschränken lassen und bei voll- ständig gleichartiger Behandlung des Muskels doch Werte ge- funden werden können, welche untereinander wenigstens ver- gleichbar sind. Nur von diesem Gesichtspunkte aus möchte ich die Resultate der nun folgenden Versuche, welche sich mit den Eiweißkörpern des kranken Muskels beschäftigen, betrachtet wissen. Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. 241 Degeneration des Muskels, hervorgerufen durch Aus- schaltung (Sektion) des zugehörigen Nerven. Versuchsanordnung: Zu diesen Versuchen konnten nur große Kaninchen benutzt werden, da die Menge des aus dem degenerierten Muskel stammenden Plasmas sonst für die Be- stimmungen nicht ausreichte. Von den in Betracht kommenden Nerven schien der Ischiadicus der geeignetste zu sein. Ich ging unter aseptischen Kautelen mit einem Schnitte, der vom Tuber ischiadicum fast senkrecht gegen die Wirbelsäule gelegt war, durch die Haut ein. Am bloßgelegten Muskel findet sich in dieser Gegend meist mehr oder weniger deutlich sichtbar ein Sehnenstreifen, welcher in der gleichen Richtung verläuft. Diesem entsprechend durchtrennte ich den Muskel und hielt mich stumpf weiterpräparierend möglichst nahe am Trochanter. Es gelingt so, verhältnismäßig leicht und ohne nennenswerte Blutung auf den Nervus ischiadieus zu kommen. Gerät man jedoch etwas 5 J weiter nach aufwärts, so ist die Gefahr, die Vena eruralis zu verletzen, welche dort knapp neben dem Nerven verläuft, ziemlich groß. Der Ischiadieus wurde mit einer Hakenpinzette hervorgezogen und ein unge- fähr 1 cm langes Stück desselben reseziert. Bei einiger Ubung läßt sich diese Operation so schnell ausführen, daß eine Narkose gar nicht nötig ist. Muskel und Haut wurden durch Naht sorgfältig geschlossen, und letztere durch eine häufig zu erneuernde Schicht von Jodoformkollodium geschützt. Niemals zeigte sich eine Wiedervereinigung des durchtrennten Nerven. Die Enden desselben waren im Bindegewebe eingewachsen. Im allgemeinen wurde die Operation, welche natürlich eine Lähmung des Beins zur Folge hat, sonst gut vertragen. Oft zeigten die Kaninchen kurz nach derselben schon Freßlust. Für die weitere Verarbeitung wurden nur Tiere benutzt, bei denen keine stärkere Blutung eingetreten war und der Wundverlauf sich als ganz glatt herausgestellt hatte. Nach der Durchspülung mit Kochsalzlösung, welche in der schon oben geschilderten Weise vorgenommen wurde, fand sich bei gut gelungener Operation an der Einschnittstelle nur eine ge- ringe Sugillation im Unterhautzellgewebe, auch manchmal noch an der Oberfläche des Muskels. Dieselbe ließ sich durch Spülen nicht mehr beseitigen; die betreffenden Muskelpartien wurden nicht mit in die Untersuchung einbezogen, ebensowenig wie der bei der Aufsuchung des Nerven verletzte Muskel. Zur Ver- arbeitung gelangten nur die vom Ischiadicus versorgten Muskeln der Beugeseite. Bei längerem Bestehen der Nervendurchtrennung ist gewöhnlich makroskopisch ein allerdings ziemlich geringer Unter- schied gegenüber der gesunden Seite wahrnehmbar: das Volumen der Muskeln erscheint kleiner, sie fühlen sich schlaffer an. In den Fällen, wo dies nicht deutlich erkennbar war, wurde die mikroskopische Untersuchung angeschlossen. Dieselbe ergab immer Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 16 949 Anton Steyrer, noch gesunde Muskelfasern, aber stets auch solche, bei denen die (uerstreifung verwischt oder verschwunden, oder sogar scholliger Zerfall der Fasern eingetreten war. Die elektrische Untersuchung wurde bei einem Tiere vorgenommen, das am 20. Tage nach der Operation stand. Über beiden Oberschenkeln wurden die Muskeln bloßgelegt und bei lebendem Tiere mit dem galvanischen Strome geprüft. Es zeigte sich herabgesetzte galvanische Erregbarkeit, etwas trägere Zuckung und (nicht immer) Überwiegen der Anodenschließungszuckung. Die Gewinnung des Plasmas geschah, wie oben beim nor- malen Tiere bereits ausgeführt wurde. Es wurde so rasch als möglıch und bei möglichst niedriger Temperatur gearbeitet. Auf ein Zerreiben des Muskels mit Bimsstein, wie es von v. Fürth ausgeführt wurde, habe ich immer verzichtet; doch wurde der Muskel in einigen Fällen mit etwas Chornatriumlösung (A = — 0,58 ° C) befeuchtet, und zwar so, daß auf normaler und degenerierter Seite dem Gewichte der Muskeln proportionale Mengen verwendet wurden. Die Fällung der Eiweißkörper geschah in der Weise, daß gleiche Mengen Plasma von der gesunden und der operierten Seite in gleich starken Zentrifugiergefäßen gleichzeitig unter Beigabe des Temperaturkontrollgefäßes in das Wasserbad gesenkt wurden. Die weitere Behandlung geschah wie beim normalen Tiere. Es mag nur noch bemerkt werden, daß auch gleiche Mengen Waschwasser verwendet wurden. Auf die Fraktion bei 100° habe ich Verzicht geleistet, da es mir nur auf die Relation von Myosin und Myogen ankam. Aus den in der Tabelle III unter Nervendurchtrennung angeführten Zahlen ist folgendes zu entnehmen. Sehen wir von dem Versuche No. 7 ab, so finden wir die Werte vom Myosin zum Myogen für den normalen Muskel zwischen 15:85 bis 26:74 schwankend. Dies geht über die Grenzen der bisher gefundenen Werte nach oben und unten hin etwas hinaus. Hält man die Zahlen der operierten Seite diesen entgegen, so findet man, daß hier in allen Fällen die relative Menge des Myosins die der ge- sunden Seite übertrifft, und zwar ist der niedrigste überhaupt gefundene Wert noch immer etwas höher als der höchste der gesunden Seite. Von Fall zu Fall verglichen ist der Prozentwert Myosin rund: auf der eesunden Seite: 20,5 auf der operierten Seite: | 7) Ba ae Bei der vollständigen Gleichartigkeit der Bedingungen, unter denen das Plasma beider Seiten behandelt wurde, wird man also Zei dh 243 Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. 68: IT 18: 61 TL : 66 GL:58 9L:76 08 : 08 8:61 88:21 LL:8€ rL:9% &L: 16 g'6L : g°08 T9 : 68 vL: 98 OL : 08 8: 67T 19:88 88:81 89:88 9L:78 GL: 85 64:18 JAOLL -au9Sad usSoÄW :ursoÄM | TeuLtoN sTufey.Ia A u93oAM : ursoAM | 986F°0 | 6r9g°0 gg08‘0 g98gT‘0 1220 200 gLTr‘0 az LITF'O 6TE8‘0 FL38‘0 ggL8'0 ussoÄy wweing o "ZUnNuUUu9AJU9.INPUAAION "I OTI?4eL e6'8 | orego | So'tt | FIao‘o | c298‘0 | o6'os | IsPHo | OT'6T | 9980°0 | 081 | &ır | AL CHAT" | "Sn9IpeIy9ST SOYp UOIYJESIPEABT setz | o8gg‘o | 2983 | rısr‘o || sıerto | 222 | LEr9o | 8a'sa | Fegr‘o || 00T %18 8 "T-$Er] ROT as, | se89‘o ı SI'7z | 085T‘0 | FLLro | vi'6h | 28680 | 9808 | grgr‘o || 00T 3 8 a a I a de 8178 | 1690 | KBz'gT | zcor‘o || o8e9‘o | sus | 8992‘0 | wir | 8EgT‘o |] 06 3 L -IIX 83 'IIX 97 -Zunuus.d}y9.mpuauyas urn | orag‘o | g8'zg | 96rTılo || geer‘o | ıc'er | zeıg‘o | 6H'9g | 08970 || 091 8 I a 1 € gg'zn | ımıco | gez | sacı‘o || ggrr‘o | 08'6L | z19c‘o | os‘og | ogTr‘o || ort 8 F TEURER EL #209 | sege‘o | 9z'6e | 08880 || gerr‘o | 9er | Far9‘o | vE'9g | 869T'0 || 08T 1 * "I GEH IX TOR ıs'69 | gu8g‘o | sr/og | 9LL1°o || gecH‘o | 68'r8 | zoss‘o | Tr'eT. | 2280°%0 || oST 8 L ORTE DI sr'ıa | ogc9‘o | ae'ze | rerz‘o || grgc‘o | 82'Ts | 89890 | zg'sr | 08310 || 091 8 q ie vB'89 | Bro | re | Fecı'o || TsBrto | Tr | 11270 | 18'88 | 09810 || o#t 8 FA TE EL 08 es'zı | zrıso | satz | 6Trr‘o || zeorto | 2882 | aııe‘o | Erg | 080T'0 || 088 F 8 ITA '83|'IIA ST } | N BEE 3 = 8 2 | s age|e8|s E | a ER. a.| sjase|ee| 2 | 58 fi Fo .1 m. ee S | 8 RE = ED B3ıRıax»- ©, 2../B 2 EB |E% a 2 Eas| 3 " = .. | 2zE| 3 \oZEl:E |. jeBa m Baar = B so 3 S so eg: s® S SoEISRI 9,85 ) - ” u» |ERS| 5 |E9S a ERS 8 B3S|5e PzE 3 e o a Ba8| 5. |E3B| 8. SH BSS ZEN EZB BIER 2 5 E N 5 & ® | = | DE | - n®o9 an = 5 5 3 = GE 5 5 PisoB| 49 B. = + ” ” BEE; 08 2} S|B@aS5| 5 B = ° | pn a a s 198 93191T19uU959(1] 93198 9JewWAIOoN T|IPRBE " ze 'g A9mmmN 16* 244 Anton Steyrer, nicht fehlgehen, wenn man aus diesen Zahlen den Schluß zieht, daß bei dem Muskel, welcher durch Trennung von seinem Nerven zur Degeneration gebracht wird, eine chemische Veränderung in dem Sinne vor sich geht, daß darin der Gehalt an Myosin größer wird, und zwar tritt diese Veränderung bereits frühzeitig, schon nach dem 4. Tage auf. Ein Schluß auf eine gesetzmäßige Abhängigkeit ihres Auftretens von der nach der Resektion ver- flossenen Zeit läßt sich allerdings nicht ziehen. Jedenfalls ist nach 24 Stunden eine derartige Änderung noch nicht nachweislich erfolgt, wie dies Versuch No. 7 lehrt. Die hier bestehende Differenz liegt wohl noch innerhalb der Fehlergrenze. Durchtrennung der Sehne eines Muskels. An großen ausgewachsenen Kaninchen wurde unter aseptischen Kautelen an der Vorderfläche des Oberschenkels ein Schnitt durch die Haut von 3 cm Länge parallel zur Längsachse des Knochens geführt. Hierauf wurde knapp am Kniegelenke die gemeinsame Sehne der Streck- muskeln des Oberschenkels erst stumpf von ihrer Umgebung und dem Knochen abpräpariert und dann auf der Hohlsonde durehschnitten. Zu einer nennenswerten Blutung kam es dabei nicht. Die Haut wurde hierauf durch Naht geschlossen. Das Bein stand natürlich jetzt in Beuge- stellung. Die Tiere zeigten nach der Operation bis zum Zeitpunkt der Verarbeitung stets Wohlbefinden. Eiterung trat niemals ein. Nach 7 bis 8 Tagen wurde die Entblutung und Durchspülung mit isotonischer Chlornatriumlösung in der bisher geübten Weise vorgenommen. Die auf diese Weise von ihrem Insertionspunkt getrennten. Muskeln — es sind dies der m. rectus femoris, vastus lateralis und medialis und musculus eruralis — befinden sich dann in einer Art von Kontraktionszustand, sie fühlen sich härter an als die der gesunden Seite. Die gemeinsame Sehne (das ligamentum patellare) ist in Bindegewebe eingebettet. Die mikroskopische Untersuchung zeigt in allen Fällen deutlich beginnende Degene- ration. (Verwischung oder vollständiges Fehlen der Querstreifung eines Teiles der Fasern.) Das Ergebnis der chemischen Untersuchung ist gleichfalls aus Tabelle III zu ersehen. Der in Tabelle No. III an letzter Stelle angeführte Versuch bezieht sich auf Muskeln, die durch Reizung mittelst faradischen Stromes vom Nerven aus eine Stunde lang in tetanische Kon- traktion gebracht worden waren. Zu diesem Zwecke wurde wieder der Ischiadieus einer Seite in der- selben Weise bloßgelegt, wie dies für die Resektion geschehen war. Durch einen unter dem Nerven durchgezogenen Streifen von Guttapercha wurde derselbe von der Umgebung isoliert. Als Elektroden dienten zwei voneinander isolierte hakenförmig gekrümmte 1 mm dicke Kupferdrähte. Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. 245 Dieselben wurden unter dem Nerven in einem Abstande von 1 cm hindurchgeführt, wobei nach Möglichkeit eine stärkere mechanische Dehnung des letzteren vermieden wurde. Nur die dem Nerven unmittelbar anliegende Stelle des Drahtes wurde blank gelassen. Um ein Austrocknen zu verhindern, wurde das Ganze mit einem Bausch Watte, der in physiologische Kochsalzlösung getränkt war, bedeckt. Eine direkte Wirkung des Stromes auf den Muskel ist bei dieser Versuchsanordnung wohl ausgeschlossen. Der Nerv wurde nun bei leichter Narkose des Tieres durch einen faradischen Strom bis zur tetanischen Kontraktion der Ischiadieusmuskulatur eine Stunde lang gereizt, das Tier dann . durch Entbluten getötet und mit isotonischer Kochsalzlösung durchgespült. im allgemeinen darf man wohl sagen: die Zellverbände leben als Ganzes, während die Zellen in der Regel einzeln absterben. Beim Muskel gibt es aber einen langsamen Tod, welcher scheinbar denselben Weg schreitet wie die physiologische Erregung und welcher alle Muskelprimitivbündel, die vom zugehörigen motorischen Nerven versorgt sind, unter Umständen gleichzeitig und in gleichem Maße trifft, das ist die Außerfunktionsetzung des Muskels nach Durchschneidung seines motorischen und trophischen Nerven. Diese Durchschneidung stellt bekanntlich ein Paradigma dar für die Folgen verschiedenartiger natürlicher Erkrankungen im Bereich des Nervensystems. Schwund der kontraktilen Substanz ist aber auch die typische Folge der Abtrennung des Muskels von seinen Ursprungs- oder Insertionspunkten, wodurch die Muskelfasern ihre normale Spannung und Dehnung einbüßen. Hier trifft im Gegen- satz zur neurotischen Atrophie die Ursache für den Einbruch der Gewebsstruktur vielmehr Zelleum Zelle. Unter diesen Bedingungen verläuft die Atrophie bekanntlich rascher und erreicht höhere Grade. Unter allen Umständen beruht die Atrophie der Muskelfasern bekanntlich nieht einfach auf Abnahme der kontraktilen Substanz, es bilden sich mehr oder weniger rasch mikroskopisch wahrnehm- bare Veränderungen der Textur aus. Die zerfallende kontraktile Substanz wird schließlich ganz resorbiert, von dem Muskelprimitiv- bündel bleibt am Ende nichts zurück als das Protoplasma mit den Kernen. Während das keiner Funktion mehr dienende Proto- plasmaprodukt seine Rolle im Organismus ausgespielt hat, bleibt das Protoplasma selbst mit den (eventuell gewucherten) Kernen, die „forming matter“, erhalten. Mit Rücksicht auf die obigen allgemeinen Bemerkungen über einschlägige Modifikationen der Zellen im vielzelligen Organismus (Atrophie, Nekrose) ergab sich nun speziell mit Bezug auf den Muskel die Frage: Erfahren die Eiweißkörper des Muskelsaftes den gleichen chemischen Abbau bei längerer Erregung (Tetani- 946 Anton Steyrer, Ein Beitrag zur Chemie des entarteten Muskels. sierung durch den faradischen Strom) vom Nerven aus, beim Degenerieren infolge von Durchschneidung des zugehörigen Nerven und endlich nach Durchschneidung der Sehne des Muskels selbst? Die mitgeteilten Versuche geben, wie ich glaube, eindeutige Antwort, welche wohl von allgemein biologischem Interesse, speziell auch in Rücksicht der veränderten chemischen Eigenart unter pathologischen Bedingungen, ist. Bei der Tetanisierung des Nerven verliert der Muskelsaft das Myosin. Bei der Degeneration vom resezierten Nerven aus wird im Gegenteil Myosin im Muskel- saft aufgespeichert, bzw. es unterliegt wenigstens langsamer dem Schwunde. Beim Muskel, der von seinem Insertionspunkt ab- gelöst ist, bleibt das Verhältnis vom Myosin und Myogen an- nähernd das gleiche. XX. Zur Kenntnis der Eiweißbildung bei den Pilzen. Von Oskar Loew. In einer Arbeit über Stickstoffgewinnung bei den Pilzen hat F.Czapek*) kürzlich unter anderem mitgeteilt, daß Methylhydrazin als Stickstoffquelle für Aspergillus niger dienen könne, Diese Angabe schien mir angesichts der Giftwirkung der Hydrazine so auffällig, daß ich einige Versuche ausführte, welche das Resultat Czapeks in einem etwas anderen Lichte erscheinen lassen. Zunächst überzeugte ich mich, daß Methylhydrazin ebenso wie andere Hydrazine giftig wirkt. Schlammhaltiges Wasser, reich an niederen Tierformen, wurde mit 1 Promille und 0,1 Promille salzsauren Methylhydrazins versetzt, welches mit Soda genau neutralisiert war. Nach 24 Stunden waren dort alle, und hier die meisten Organismen, Nematoden, Rotatorien, Ostracoden, Copepoden, Infusorien und Flagellaten (Euglena viridis) tot. Nur die so zählebigen Monaden und einige Diatomeen lebten in letzterer Lösung noch zwei Tage länger. Auch die in diesen Lösungen befindlichen Algen- fäden (Spirogyra und Mesocarpus) waren innerhalb zweier Tage abgestorben. Phanerogamen erschienen widerstandsfähiger; es dauerte zwei Wochen, ehe junge, 20 cm hohe Gerstenpflanzen in der neutrali- sierten 1 promilligen Lösung jenes Salzes abstarben. Indessen diese langsame Wirkung beruht jedenfalls darauf, daß in den Pflanzensäften Glykose vorhanden ist, welche sehr leicht mit Hydrazinen Glykosehydra- zone bildet ®*). Auch für Bakterien und Mycelpilze erwies sich Methylhydrazin als starkes Gift. Es wurden 10 ccm sterilisierte Bouillon mit 4 cem einer genau mit Soda neutralisierten 1proz. Lösung von salzsaurem Methyl- hydrazin versetzt und mit Bac. pyocyaneus infiziert. Selbst nach zwölf Tagen bei 28° blieb diese Lösung ohne jede Spur von Entwicklung, während im Kontrollfall mit der äquivalenten Menge Salmiak eine reich- liche Vegetation schon nach zwei Tagen zu bemerken war. Es wurden ferner 6 ccm Bouillon mit 1 cem jener Lösung gemischt und mit B. subtilis infiziert. Zugleich wurde die gleiche Mischung *) Diese Beiträge 3, 49. **) Auch andersartige Umwandlungen sind nicht ausgeschlossen, denn das Methylhydrazin wird katalytisch auch durch Platinmohr beim Erwärmen unter Stickstoffentwicklung leicht zersetzt. “ 248 Oskar Loew, mit noch 0,6 g Rohrzucker versetzt und ebenfalls infiziert. Nach acht Tagen war in keinem Falle Entwicklung eingetreten. Als aber die Proben angesäuert und zwei Stunden im kochenden Wasserbade ge- halten und nach dem Abkühlen von neuem infiziert wurden, ergab die mit Rohrzucker versetzte Lösung innerhalb dreier Tage eine reichliche Entwicklung, die andere Probe aber nicht. Offenbar war Rohrzucker invertiert und das Methylhydrazin in Hydrazon und, wie die eingetretene kanariengelbe Färbung verriet, zum Teil auch in Osazon verwandelt worden. Da der im Staube der Luft weitverbreitete Bac. methyliecus die vom Methan sich ableitenden Verbindungen, wie Methylamin, oxymethylsulfonsaures und ameisensaures Natron als Kohlenstoffquellen verwenden kann, wurde sein Verhalten auch gegenüber dem Methyl- hydrazin geprüft, allein selbst nach vier Wochen war keine Spur von Entwicklung in der 0,1proz. Lösung zu beobachten, während in der Kontroll-Nährlösung mit Methylamin schon nach fünf Tagen eine Bakterien- trübung eingetreten war. Versuche mit Penieillium glaucum verliefen in gleichem Sinne. Eine Lösung, welche mit 0,4 Proz. Natriumazetat, 0,2 Proz. Monokalium- phosphat und 0,02 Proz. Magnesiumsulfat hergestellt worden war und das eine Mal als Stickstoffquelle 0,04 Proz. salzsaures Methylhydrazin, das andere Mal ebensoviel Salmiak erhielt und ohne vorheriges Erhitzen mit Penicillium-Sporen infiziert wurde, blieb dort steril, während hier bald reichliche Entwicklung eintrat. Dort blieb auch die Entwicklung aus, als noch 1 Promille Salmiak nachträglich zugesetzt und nochmals infiziert wurde ®). Selbst als das Natriumazetat durch Rohrzucker ersetzt wurde, unterblieb jede Entwicklung, wenn die Lösung sofort nach ihrer Herstellung und bei Vermeidung jeden Erwärmens direkt mit Penicillium- Sporen infiziert wurde. Wie ist es nun zu erklären, daß Czapek eine Pilzvegetation' erhielt mit einer Nährlösung, welche 1 Proz. schwefelsaures Methyl- hydrazin und 3 Proz. Rohrzucker enthielt? Die Antwort auf diese Frage ist nicht schwierig. Czapek erhitzte vor der In- fektion die Nährlösung 5 bis 7 Tage auf 28 °, um zu prüfen, ob die Flüssigkeit steril sei. Hierbei konnte aber infolge der sauren Reaktion der Nährlösung**) ein Teil des Rohrzuckers invertiert werden, was die sofortige Bildung von Glykosemethylhydrazon und Fruktosemethylhydrazon zur Folge haben mußte, von Körpern, welche, wenn überhaupt, doch sicherlich weit weniger schädlich auf die lebenden Zellen wirken, als das unveränderte Methyl- hydrazin. Bei einem sieben Tage dauernden Erwärmen auf 28° kann selbst bei nur schwach saurer Reaktion doch schon Inversion *) Es ist wohl kaum nötig darauf hinzuweisen, daß Gifte bei sehr weit getriebener Verdünnung als Nährstoffe dienen können. Sogar Phenol kann so eine Kohlenstoffquelle für manche Mikrokokkenarten abgeben. **) Die Salze des Methylhydrazins reagieren sauer. Czapek stumpfte zwar die Säure ab, ließ aber doch seine Lösungen schwach sauer. Zur Kenntnis der Eiweißbildung bei den Pilzen. 949 von Rohrzucker stattfinden*). Ich habe den Versuch Czapeks, so genau als nach dessen Angaben möglich war, wiederholt und gefunden, daß in der Tat eine geringe Pilzmenge erzielt werden kann, wenn man die Lösung schwach sauer läßt. Ich erhielt in diesem Falle auf 50 cem Nährlösung 0,032 g trockne Pilzmasse gegenüber 0,714 g im Kontrollversuche mit Ammoniumsulfat. Aber es blieb jede Spur von Entwicklung aus, wenn ich die Lösung, ohne sie zu erwärmen, völlig neutralisierte und mit den Sporen des Aspergillus niger infizierte. Daß meine Erklärung die richtige ist, geht auch daraus hervor, daß jede Entwicklung ausbleibt, wenn in der Lösung Gzapeks der Rohrzucker durch Glycerin ersetzt wird. Hierbei ist eben der Übergang von Methylhydrazin in Hydrazone ausgeschlossen. Noch einige Punkte seien hier kurz berührt. Ozapek ver- sucht, mit der elektrolytischen Dissoziationstheorie bald ein günstiges, bald ein ungünstiges Resultat zu erklären. So wirkt z. B. (p. 560) salzsaures Methylamin günstiger als essigsaures, weil es sich dissoziiert, Salmiak wirkt aber als Stickstoffquelle ungünstig, weil die „Chlorionen schon in den Anfängen das Wachs- tum der Pilzvegetation hemmen“ (p. 581). Eine Aufklärung, warum in jenem Falle die Chlorionen (vielmehr die freiwerdende Salz- säure) nicht schädlich wirkten, wäre von Interesse. Wenn Uzapek weiter schließt, daß oxyfettsaure Ammoniak- salze bessere Stickstoffquellen sind als fettsaure, so muß ein- gewendet werden, daß in beiden Fällen die Stickstoffquelle ja die gleiche ist, nämlich Ammoniak, und daß der verschiedene Effekt lediglich auf die als Kohlenstoffquellen**) in Betracht kommenden Säuren zurückgeführt werden muß, selbst dann, wenn diese in Abwesenheit von Zucker nur schlechte Kohlenstoffquellen darstellen. Wenn durch Zucker die Respiration kräftig unterstützt wird, können manche Verbindungen leichter der partiellen oder totalen Verbrennung unterliegen als in Abwesenheit von Zucker. Bei Abwesenheit von Zucker werden ferner alle jene Körper eine *) Nach Degener kann sogar das so schwach saure Asparagin inver- tierend auf den Rohrzucker wirken. | **) Aus einer Stelle geht deutlich hervor, daß UÜzapek das auch selbst erkennt; dennoch führt er nachher wieder verschiedene Ammoniaksalze als ebensoviel verschiedene Stickstoffquellen an. Mellithsaures Ammoniak wird als eine gute, benzoesaures Ammoniak als eine schlechte Stickstoff- quelle bezeichnet. Bei letzterem Salz übt jedoch die durch die saure Reaktion in Freiheit gesetzte Säure eine Giftwirkung aus. Da Salizylsäure leichter oxydierbar ist als Benzoesäure, so erklärt es sich, daß „salizylsaures Ammoniak eine bessere Stickstoffquelle ist als benzoesaures“. “ 950 Oskar Loew, Zur Kenntnis der Eiweißbildung bei den Pilzen. unvollständige Ausnützung ihres Stickstoffs ergeben, bei denen wie beim Glykokoll die Anzahl der Kohlenstoffatome zu gering im Verhältnis zu der der Stickstoffatome ist; dieses muß größer sein als 4:1, da die Eiweißbildung allein schon dieses Verhältnis fordert, die Respiration und Membranbildung aber relativ noch mehr Kohlenstoff erfordert. Wenn ferner in vielen Fällen — durchaus nicht in allen! —_ Aminosäuren besser verwertbar sind als Ammoniaksalze, so darf nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß „die Bildung von Amino- säuren die erste Phase bei der Eiweißbildung“ vorstelle. Jener Unterschied könnte ja auch dadurch bedingt sein, daß manche Aminosäuren nicht nur eine Stickstoffquelle, sondern zugleich eine sehr geeignete Kohlenstoffquelle abgeben, leicht der Oxydation unterliegen, usw. Eine Verallgemeinerung jener Schlußfolgerung geht wohl nicht an. Meine Beobachtungen stimmen mit denen O. Emmerlings*) überein, welcher sich folgendermaßen äußert: „Aus meinen Versuchen geht hervor, daß durchaus nicht alle Aminosäuren von gewissen Schimmelpilzen als Stickstoffquellen benutzt werden können, daß sich selbst sehr nahestehende Körper sehr verschieden verhalten, und daß die Pilze selbst auch unter- einander große Verschiedenheiten zeigen.“ In der Tat zeigen ja viele Pilze sogar bei optischen Antipoden derselben Körper einen beträchtlichen Unterschied. Will man erforschen, welches die einfachsten zur Eiweißbildung tauglichen Atomgruppierungen sind, so muß man sich meines Erachtens einerseits an einen möglichst - anspruchslosen Pilz, andererseits an die niedersten organischen Verbindungen halten. Ich habe vor Jahren diese Verhältnisse erörtert**), und diese Ausführungen werden nicht immer ignoriert werden können. =) } Berichte der deutschen chem. Ges. 35, 2289. **) Vergl. Kap. 6 bis 8 in meiner Schrift: Die chemische Energie der lebenden ER XXI. Über das biologische Verhalten von Nerol, Geraniol, Cyelogeraniol. Von Dr. med. Herm. Hildebrandt. Unlängst ist seitens verschiedener Chemiker auf das Vor- kommen eines neuen, Nerol*), genannten, aliphatischen Terpen- alkohols in ätherischen Ölen **) hingewiesen worden, der die gleiche Zusammensetzung hat wie Geraniol C.H:O und ihm außer- ordentlich ähnlich ist. Der Geruch des Nerol soll feiner und rosenartiger sein als der des Geraniol. Im übrigen unterscheidet sich das Nerol vom Geraniol durch den etwas niedriger liegenden Siedepunkt 225° bis 227° — gegen 229° bis 230° für Geraniol — und durch die Eigenschaft, mit Chlorkalzıum keine feste Verbindung einzugehen. Nerylazetat und Nerylformiat riechen den ent- sprechenden Estern des Geraniols ähnlich. Die Unterschiede bezüglich des spezifischen Gewichtes, des Drehungsvermögens, des Brechungsexponenten sind so gering, daß auf Grund der Bestimmung der Konstanten eine Unterscheidung der Verbindungen nicht möglich ist. Ich wollte ermitteln, ob in biologischer Hinsicht ein Unter- schied zwischen den beiden Alkoholen besteht. Durch das Ent- gegenkommen der Firma Schimmel & Co. gelangte ich in den Besitz einiger Gramm Nerol, welches allerdings nicht ganz frei von Geraniol war. Gleichzeitig lag mir das neuerdings von Haar- mann u. Reimer dargestellte Cyelogeraniol vor, das ring- förmige Isomere des Geraniols, das ich der genannten Firma ver- danke. Versuche, welche ich an weißen Mäusen mit subkutaner Injektion der mit oleum olivarum hergestellten Lösung der Stoffe anstellte, ergaben folgendes: Wenige Minuten nach Injektion von 0,05 g Nerol und Geraniol zeigen sich Vergiftungserscheinungen, taumelnder Gang, Zurseiteliegen, einige Stunden anhaltende Be- *) A. Hesse u. Zeitschel, Journ. f. pr. Ch. 502 (1903), v. Soden u. Zeitschel, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 36, 265 (1903), Schimmel, Bericht. April 1903. 55 u. 59 ff. 4 **) Dem Neroli-Öle und dem Petitgrain-OÜle. 252 Herm. Hildebrandt, täubung, ev. Tod. Ein Unterschied in der Art und Intensität der Wirkung war auch bei Anwendung kleinerer Dosen nicht zu be- obachten. Beim Cyelogeraniol hatte die Dosis 0,05 g keinerlei Wirkung; erst die vierfache Dosis, nämlich 0,2 g, rief einen intensiven Be- täubungszustand hervor. Es erinnert diese Tatsache an das Ver- halten der entsprechenden Aldehyde, des Citral und seines cyklischen Isomeren.*) Ich habe gleichwohl entscheiden können, daß Nerol nicht identisch ist mit Geraniol. Nach Darreichung von Geraniol an Kaninchen habe ich bereits früher dieselbe zweibasische Säure C.H,.0, erhalten, welche ich zuerst als hauptsächlichstes Stoff- wechselprodukt des zugehörigen Aldehyds Citral”*) nachwies. Das isomere Cyclocitral liefert diese Säure nicht, ebensowenig das Cyclogeraniol; im Harn der Tiere konnte ich nur gepaarte Glykuronsäuren nachweisen. Das bisher gewonnene und mir vor- liegende Nerol enthält als Beimengung Geraniol; ich bin daher so verfahren, daß ich am gleichen Tiere die gleichen Mengen Nerol (2 g) und — eine Woche später — Geraniol innerlich verabfolgte. Die Verarbeitung der Harne fand ın der früher angegebenen Weise statt. Aus dem nach Darreichung von Nerol gewonnenen Harne konnte 0,05 g der zweibasischen Säure erhalten werden, während ich nach Darreichung von Geraniol 0,7 8 der Säure er- hielt. Namentlich im Falle des Nerol waren im Harne reichliche Mengen gepaarter Glykuronsäuren nachweisbar. Die nebenher, auftretende kleine Menge der zweibasischen Säure muß ich auf die Verunreinigung mit Geraniol zurückführen und halte es für sicher, daß im Nerol ein vom Geraniol abweichender Körper vorliegt. Betreffs der Konstitution der zweibasischen Säuren bin ich bereits auf Grund früherer Untersuchungen zu dem Ergebnis gelangt, daß nicht eine der beiden endständigen Methylgruppen, sondern die am Kohlenstoffatom „5“ sitzende Methylgruppe zu COOH im Organismus oxydiert worden ist; dagegen mußte ich die Frage nach der Lage der doppelten Bindungen offen lassen. Herr Prof. C. Harries zu Berlin, dem ich einige Gramme der neuen Säure seinerzeit zur Verfügung stellte, hat durch seine Unter- suchung meine Auffassung bestätigen können und mir folgendes mitgeteilt: „Das Präparat schmolz direkt abgelesen bei 175 bis 180° nach dem Umkristallisieren aus Methylalkohol — 1 g wird von etwa 12 ccm davon bei Siedetemperatur aufgenommen — wurde *) Arch. f. experim. Pharm. u, Path. 46, 266 (1901.) **) Das. 45, 121 (1901.) Über das biologische Verhalten von Nerol, Geraniol, Cyclogeraniol. 253 der Schmelzpunkt bei 192 bis 194° konstant.“ Die Kristalle bilden kleine derbe reinweiße Prismen. Nach der Entstehung der Säure aus Citral, der Elementaranalyse und ihrem Verhalten gegen Brom kommt ihr die Formel einer Dikarbonsäure mit zwei Athylen- Bindungen zu: entweder Ta: 4 >C — CH. CH,.CH,.C= CH. COOH 3 COOH ab Tb: el CH CH, CH C CH,.C00H COOH & CH; n { EN an ei A a oder Ha: COOH >U = CH R GEL; e GER% - C _— CH ; COOH CH, er rel cı ch cH = 6. CH.COoH eZzW. ): COOH - == - Dre ir, IL Zugunsten der Formel la resp. Ib konnte sehr leicht ent- schieden werden durch folgenden Versuch: Die Säure wurde mit Ammoniak eingedampft; dabei entstand ein festes Ammoniumsalz. Dasselbe wurde mit viel Zinkstaub verrieben und im Rohr erhitzt. Ein hineingehaltener, mit verdünnter Salzsänre befeuchteter Fichtenspan nahm dabei eine intensive kirschrote Färbung an*). Hierdurch ist zur Evidenz bewiesen, daß die Säure der Bern- steinsäurereihe angehört; denn nur eine solche kann bei der Zinkstaubdestillation des Ammoniumsalzes ein Pyrrolderivat er- geben, welches die Fichtenspan-Reaktion so intensiv anzeigt. Dann wurde noch die Entscheidung der Frage über die Kon- stitution nach Ia oder Ib versucht. Zu dem Zwecke wurde die Säure in wässeriger Lösung mit 22 proz. Natriumamalgam energisch behandelt, hierbei blieb sie aber ganz unverändert; sie konnte quantitativ wieder gewonnen werden. Daraus geht nach meiner Meinung hervor, daß eine Säure der Formel Ib vorliegt; denn eine Säure der Formel Ia gehört der Malein- oder Fumarsäure- reihe an und müßte sich durch Natriumamalgam leicht zur zu- gehörigen Bernsteinsäure reduzieren lassen. Anhydrierungsversuche vermittelst Azetylchlorid blieben erfolglos. Es handelt sich sonach wahrscheinlich um: &:=6_ CH. eH,.cH—c— CH,.C00H COOH d. i. 7 Methyloktadien(.6)disäure (1.3). Greifswald Juni 1903, Pharmakol. Inst. *) Vgl. Neuberg, Zeitschr. f. physiol. Chemie 31, 574 (1901). XXI. Über die Beurteilune des Fäulniszustandes fep) von Fleisch nach dem Gehalt an Bernsteinsäure. Von Dr. H. Wolff, (chem. Assistent a. d. I. med. Klinik in Berlin.) Aus der I]. med. Klinik der Univ. Berlin (Abteilung für Krebsforschung). (Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. E. v. Leyden.) Die Frage nach dem Vorhandensein bzw. der Entstehung von Bernsteinsäure in frischen oder der Zersetzung unterworfenen Organen schien durch die Arbeiten von Salkowski, Blumen- thal und Magnus-Levy vollständig beantwortet zu sein. Nun erschien vor kurzem eine Arbeit von Kutscher und Steudel*), die eine Nachprüfung dieses Problems immerhin geboten er- scheinen ließ. In ihrer Mitteilung „Über Methoden zur Begutachtung des Fleischextraktes“ besprechen die genannten Verfasser die von ihnen gefundene auffallende Tatsache der Anwesenheit großer Mengen von Bernsteinsäure in Liebigs Fleischextrakt. Dieser Befund — aus je 50 g Fleischextrakt konnten 0,325 bis 1,103 g der Säure isoliert werden — erregt deshalb einiges Befremden, da er darauf hinzudeuten scheint, daß bei der Be- reitung des Extraktes faulendes Fleisch zur Anwendung gelangt. Nach Salkowskis und Blumenthals Arbeiten findet sich Bern- steinsäure nämlich nicht in frischem Fleisch, sondern tritt erst bei der Fäulnis als Stoffwechselprodukt von Bakterien auf. Nach Magnus-Levy*) soll auch ohne bakterielle Wirkung bei der „Autolyse“ von Organen Bernsteinsäure entstehen. „Jedenfalls waren aber auch in diesem Fall — sobald sich Bernsteinsäure fand — die Organe völlig ungenießbar. Trotzdem scheuen sich *) Über Methoden zur Begutachtung des Fleischextraktes, Zeitschr. f. physiol. Ohemie 38, 101. **) Diese Beiträge 2, 261. | Über die Beurteilung des Fäulniszustandes von Fleisch usw. 955 Kutscher und Steudel, das oben erwähnte ungünstige Urteil zu fällen, da ihnen „der ausgezeichnete Ruf von Liebigs Compagnie“ eine hinlängliche Garantie dafür bietet, daß zur Darstellung des Fleischextraktes nur tadelloses Ausgangsmaterial verwandt wird. Nun ließe sich sehr wohl eine Erklärung für die Anwesenheit von Berusteinsäure im Extrakt denken: Blumenthal hat in seiner Arbeit”) nur frisches und stark faulendes Fleisch unter- sucht; es erscheint aber keineswegs ausgeschlossen, daß in einem Zwischenstadium, in dem sich das Fleisch noch als genießbar be- zeichnen ließe, bereits so viel Bernsteinsäure gebildet ist, wie den von Kutscher und Steudel gefundenen Mengen entspricht. Durch die vorliegende Arbeit glaube ich indessen nachge- wiesen zu haben, daß diese Erklärungsmöglichkeit fortfällt. Nimmt man nämlich an, daß zur Herstellung von 50 g Fleischextrakt 3 kg Fleisch erforderlich sind — ein Wert, der sicher nicht zu niedrig gewählt ist —, so müßten sich zur Deckung des kleinsten von Kutscher und Steudel gefundenen Gehaltes an Bernstein- säure (0,325 g in je 50 g Fleischextrakt) in I kg Fleisch über 0,100 g Bernsteinsäure finden. Das Fleisch, in dem ich aber solche Quantitäten fand, war als ungenießbar zu bezeichnen. Gleich- zeitig konnte ich bestätigen, daß frisches Rindfleisch Bernstein- säure nicht oder nur in Spuren enthält”*). Zur quantitativen Bestimmung wählte ich die Fällung der Bernsteinsäure als Sılbersalz. Ich überzeugte mich davon, daß diese vor dem vielfach geübten Bleiverfahren*”) besonders bei kleinen Quantitäten den Vorzug verdient, wenn man bei der Fällung folgende kleine Modifikation anbringt. Statt das Säuregemisch schwach ammoniakalisch zu machen und dann Silbernitrat zuzu- setzen, fügte ich Silbernitrat zu der noch sauren Lösung, gab tropfenweise Ammoniak zu, bis gerade ein Niederschlag entstand, filtrierte, setzte zum Filtrat einen Tropfen Ammoniak, filtrierte durch dasselbe Filter und fuhr so fort, bis das Filtrat auf Zusatz von Ammoniak klar blieb: Man kann so leicht einen Überschuß von Ammoniak vermeiden, der einen Teil des Silbersalzes wieder auflösen würde. Aus 0,0500 g Bernsteinsäure erhielt ich auf diese Weise 0,138 g Silbersalz — 0,049 Bernsteinsäure, bei einer anderen Probe sogar 0,139 „ “ — 0,0495 3 also 98 bis 99 Proz. der ange- wandten Menge. Mit Salzsäure aus dem Silbersalz in Freiheit gesetzt, kristallisierten beim Einengen im ersten Falle 0,044, im zweiten 0,045 g, *) Virchows Archiv 137, 539 (1899). '*) Vergl. Salkowski, Zeitschr. f. klin. Med. Suppl. z. Bd. 17, 77 (1890). *#*) Virchows Archiv 137, 544. 956 H. Wolif, also 88 und 90 Proz., aus. Nach der von Blumenthal angewandten Bleimethode konnten bei zwei Proben 0,040 und 0,043, also 80 und 86 Proz., wiedergewonnen werden. Zur Prüfung der Methoden bei der Isolierung aus Säure- gemischen, wie sie bei der Fleischfäulnis vorliegen, wurden je 0,100 (a), 0,300 (b) und 0,500 (ce) g Bernsteinsäure mit ejnigen Kristallen Phenylessigsäure und Hydrozimtsäure und etwas Milch- säure versetzt. Die Mischung wurde sodann mit verdünnter Soda- lösung aufgenommen, mit Schwefelsäure gerade sauer gemacht und mit Äther extrahiert. Der ätherische Auszug enthielt — Blumen- thals Angaben entsprechend — neben der Phenylessig- und Hydro- zimtsäure nur Spuren Bernsteinsäure*). Letzterer wurde nach stärkerem Ansäuern mit dem Alkoholäther-Gemisch ausgeschüttelt und nach dem Verdampfen und Aufnehmen mit Wasser als Silber- salz gefällt. Resultat: der daraus berechneten | der freigemachten und Menge des Silbersalzes DB: | FR F = Bernsteinsäure-Menge |auskristallisierten Säure a) 0,217 0.0772. =97 Pr0a2. 002 TEE b) 0,625 0,2293. = 74 4 0,214 74 . 6) 1,105 VIE TB . 0,367. = 78 b Dieselben Mengen Bernsteinsäure in derselben Weise behandelt, nur zuletzt nach der Blei-Methode von Blumenthal®*) isoliert, gaben folgende Resultate: 2 - Differenz mit der aus dem Silbersalz Mit dem Bleiverfahren e Fe To, bersä e BAR direkt gewonnenen _kristallisierten: berechneten } “ Menge: a) 0,066 g = 66 Proz. 11 Proz. | 6 Proz. BD) ERDE # RE "Der > 6). 0,359 .,: >= 98 4 Dur, Kir Nachdem ich so festgestellt hatte, daß wenigstens bei kleinen @Quantitäten Bernsteinsäure die Silbermethode empfehlenswerter ist, begann ich die Ausführung der eigentlichen Untersuchungen in drei Versuchsreihen. I. Versuchsreihe. 2 kg Rindfleisch, frisch vom Schlächter geholt***), wurden in vier Teile zu je 500 g geteilt, einer sofort behandelt, die übrigen mit Pergament- *) Ich überzeugte mich jedesmal davon, daß tatsächlich nur Spuren in den Ather übergehen, bisweilen versagte sogar die Pyrrolprobe (Neuberg, Zeitschr. f. physiol. Chemie 31, 574). **) loc. cit, ***) Nach dessen Angaben am vorhergehenden Tag geschlachtet, ebenso bei den beiden andern Versuchen. Über die Beurteilung des Fäulniszustandes von Fleisch usw. 957 papier umwickelt in den Eisschrank gelegt. An jedem Tag wurde ein Teil folgendermaßen verarbeitet: fe) S . Das mit der Maschine zerkleinerte Fleisch wurde mit 1!/s Liter Wasser übergossen und zwei Stunden auf 100° erwärmt, dann koliert und scharf ausgepreßt. Das Filtrat wurde — nach dem Vorgange von Kutscher und Steudel — kalt mit Ammonsulfat gesättigt, von den abgeschiedenen Eiweißstoffen abfiltriert, mit etwas Soda versetzt und auf etwa 3/4 des Volumens verdampft. Nach dem Erkalten und Filtrieren wurde mit Schwefelsäure gerade angesäuert, dreimal mit Ather ausge- schüttelt (zur Entfernung etwa vorhandener Hydrozimt- und Phenyl- essigsäure), dann. stark sauer gemacht und sechsmal mit Alkoholäther ausgeschüttelt. Von den gesammelten alkoholisch-ätherischen Auszügen wurde !/;o gesondert abgedampft, um direkt zum qualitativen Nachweis der Bernsteinsäure mittelst der „Husten-* und „Pyrrolprobe* zu dienen. Der Rest, der °/ıo des Gesamtgehaltes enthielt, wurde zur quantitativen Bestimmung verwandt. Die Resultate waren folgende: 1. Tag: Fleisch ganz frisch; Dampf- und Pyrrolprobe negativ. 2. Tag: Fleisch frisch, deutlich positive Dampfprobe und Pyrrol- reaktion. 3. Tag: Fleisch noch immer frisch; ziemlich intensive Reaktionen. 4. Tag: Fleisch „angegangen“, d. h. äußerlich etwas faulend, im Inneren frisch. Das wässerige Extrakt zeigt nicht den geringsten fauligen Geruch: Dampf- und Pyrrolprobe intensiv. Aus ?/ıo des Extraktes isolierbar 0,080 g Silbersalz — 0,0284 Bern- steinsäure; auskristallisiert 0,025 (Schp. 179 °). II. Versuchsreihe. 5 kg Fleisch wurden in fünf ‚Portionen & I kg zerlegt und jeden zweiten Tag untersucht. Die “Aufbewahrung geschah wie bei I in Pergamentpapier und im Eisschrank. Die Verarbeitung war der bei I beschriebenen analog, nur wurde nach dem Auftreten quantitativ bestimmbarer Bernsteinsäuremengen das gesamte Alkoholäther-Extrakt zur Bestimmung benutzt. 1. Tag: Fleisch frisch; Dampf- und Pyrrolprobe negativ. 3. Tag: Fleisch frisch; Dampfprobe positiv, Pyrrolreaktion fraglich. 5. Tag: Fleisch „angegangen“; das Extrakt riecht gut. Das Fleisch kann (ebenso am 4. Tag von I) noch als genießbar be- zeichnet werden. Dampf- und Pyrrolprobe intensiv; isoliert (aus °/ıo): 0,133 g Silber- salz —= 0,047 Bernsteinsäure; kristallisiert 0,042 g (Schp. 179°). 7. Tag: Fleisch faulig, Extrakt desgleichen ; ungenießbar! Aus der Gesamtmenge isoliert: 0,211 g Silbersalz = 0,075 Säure; auskristallisiert 0,069 g (Schp. 178°). 9. Tag: Fleisch faul 0,618 g Silbersalz = 0,219 g. Säure; aus- kristallisiert 0,201 g (Schp. 180°). II. Versuchsreihe. 4 kg Fleisch wurden in Portionen & 1 kg am 1., 3., 5. und 9. Tag untersucht. 1. Tag: Fleisch frisch; Dampf- und Pyrrolprobe positiv! Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 17 - 958 H. Wolff, Über die Beurteilung des Fäulniszustandes usw. 3. Tag: Fleisch frisch; Dampf- und Pyrrolprobe positiv, nichts isolierbar. 5. Tag: Fleisch angegangen, Extrakt frisch; isolierbar (aus ?/ıo) 0,118 g Silbersalz —= 0,042 g Säure; auskristallisiert 0,039 g (Schp. 181°). 9. Tag: Fleisch mäßig faul, Extrakt ebenso, aber völlig ungenießbar; isoliert (aus dem Gesamtauszug) 0,488 g Silbersalz = 0,173 g Säure; auskristallisiert 0,168 g Säure (Schp. 179°). Wie aus diesen Versuchen hervorgeht, war bei den Verhält- nissen, unter denen ich arbeitete, vom 1. bis 3. Tag gar keine oder eine nur qualitativ nachweisbare Menge Bernsteinsäure in dem noch frischen Fleisch vorhanden; vom 4. bis 5. Tag konnte man das Fleisch als nicht mehr frisch, aber noch genießbar ansehen. Die Menge der Säure betrug (auf 1 kg berechnet) Berechnet aus dem Silbersalz: 0,063 0,052 . 0,047 g Direkt gewogen: 0,056 0,047 0,043 8 Am 7. Tag war sowohl Fleisch, wie wässeriger Auszug faul. Es berechneten sich Bernsteinsäure 0,075, während 0,069 aus- kristallisierten. \ Am 9. Tag endlich wurden durch Berechnung 0,219 und 0,1738, durch Wägung 0,201 und 0,168 g gefunden. Nach diesen Ergebnissen scheinen also die größten Mengen Bernsteinsäure in den letzten Stadien der Fäulnis gebildet zu werden: Zwischen den am 5. und 7. Tag (II. Versuchsreihe) ge- fundenen Bernsteinsäuremengen ist die Differenz nur 0,027 g, während der Unterschied am 7. und 9. Tag 0,132 g beträgt. Dafür spricht auch, daß Blumenthal in sehr stark faulendem Rind- » fleisch 1,3 bis 1,8 g Bernsteinsäure pro Kilo fand, also 1 bis 158g mehr als ich am 9. Tage und etwa 6 bis I9mal so viel. Die Frage aber nach dem Ursprung der erheblichen Quantı- täten Bernsteinsäure, die Kutscher und Steudel in Liebigs Fleischextrakt fanden, bleibt unbeantwortet. Eine Aufklärung wäre hier indessen sehr erwünscht, da es natürlich von lebhaftem, auch praktischem Interesse ist, ob die Darstellungsweise des Präparates oder die Verwendung schlechten Ausgangsmaterials das Vorhandensein der Bernsteinsäure veranlaßt. XXIII. Über die Einwirkung der Trypsinverdauung auf die Präzipitinreaktion. Von Dr. phil. et med. Karl Oppenheimer, Assistenten des Instituts. (Aus dem tierphysiol. Inst. der Landwirtschaftl. Hochschule Berlin, Dir. Prof. Dr. N. Zuntz.) Eine der prinzipiell wichtigsten Fragen auf dem Gebiete der Präzipitinreaktion ist die, ob die beiden Komponenten, durch deren Zusammenwirken der spezifische Niederschlag entsteht, nämlich das Präzipitin einerseits, und der spezifische Anteil der zu fällenden Eiweißlösung andererseits, Eiweißstoffe sind, bzw. den Eiweißstoffen zugehören, oder ob es sich um selbständige Stoffe handelt, die den Eiweißkörpern der Lösungen nur mechanisch beigemengt sind. Zur Entscheidung dieser Frage hat man sich außer anderer Methoden auch der Einwirkung der Proteasen bedient, in der Annahme, daß eine Resistenz der spezifischen Agentien gegen die proteolytischen Fermente gegen ihre Eiweißnatur sprechen müßte. Wie zuerst L. Michaelis”) zeigte, und wie Michaelis und Oppenheimer“*) des näheren ausführten, ist sowohl das Präzipitin selbst, als auch die „bindende Gruppe“ der zu fällenden Substanz gegen Pepsinsalzsäure außerordentlich empfind- lich. Auf diese Tatsache, die seither von verschiedenen Seiten bestätigt wurde, sei also hier nur hingewiesen. Sie genügte an sich nicht, um die Zusammengehörigkeit der präzipitinbildenden Agentien mit den Eiweißstoffen zu erweisen, da die Wirkung dieses Agens auch andere spezifische Stoffe schädigt, die man ebenfalls nicht zu den Eiweißstoffen rechnet, *) L. Michaelis, Untersuchungen über Eiweißpräzipitine. Dtsch. Med. Woch. 1902. **) Michaclis und Oppenheimer, Über Immunität gegen Eiweiß- körper. Engelmanns Arch. f. Phys. 1902. Suppl.-H. 336. 17% - 260 Karl Oppenheimer, wie Diphtherieantitoxin und Rizin. Diese sind aber gegen Trypsin ziemlich resistent [Belfanti*), Pick**), Jacoby**”)], so daß mit Recht die Trypsinwirkung als die weitaus bedeutungs- vollere zur Entscheidung dieser Frage angesehen wird. Über diese Frage entstand nun zwischen Obermayer und Pickr) einerseits und Michaelis und mir (l. ce.) andererseits eine Differenz. Während nämlich die ersteren für das Eierklar eine Resistenz des Präzipitins gegen Trypsin angegeben haben, fanden wir, daß die bindende Gruppe des Blutserums sowohl, als auch das Präzipitin gegen Blutserum bei energischer Trypsin- verdauung mit dem KEıweiß vernichtet wird. Da es an sich durchaus möglich war, daß das Eiklar sich anders verhält als das Serum, so nahm ich Veranlassung, die entsprechenden Verhältnisse am Kiklar einer Nachprüfung zu unterziehen. Dazu mußten drei Fragen beantwortet werden: 1. Kann man durch Injektion von tryptisch verdautem Eiererweiß noch ein Präzipitin erzeugen? 2. Wirkt ein starkes Antieierserum noch auf tryptisch verdautes Eiklar? 3. Kann man die präzipitierende Wirkung dieses Serums durch die Trypsinverdauung aufheben? 1. 90 cem geschlagenes Eiweiß wurden mit 100 ccm Wasser, 1 g Soda und 3 e Pankreatin-Rhenania mit etwas Chloroform verdaut. Nach fünf Tagen starker Bodensatz von Tyrosin, das durch seine Kristallform und die üblichen Identitätsreaktionen nachgewiesen wurde, Die Flüssigkeit filtriert klar; beim Aufkochen nach Ansäuern mit Essigsäure noch starke Trübung. Zusatz von 1 g Pankreatin. Beim weiteren Stehen scheiden sich immer wieder geringe Tyrosinmengen ab, von denen abfiltriert wird, Schließlich wird die Flüssigkeit inkoagulabel und gibt keine 3iuretreaktion mehr. Eine zweite Portion Eierklar wurde bei fast identischer Behandlung in neun Wochen inkoagulabel, gab aber noch starke Trypto- phanreaktion. Mit diesen Präparaten (hintereinander) wurde nun ein großes Kaninchen von etwa 2500 & monatelang in Portionen von 2 cem aul- steigend bis 15 eem intraperitoneal behandelt. Die oft wiederholten Probeblutentnahmen zeigten niemals auch nur eine Spur von Präzipitinreaktion, weder mitnormalem filtriertem Eiklar, noch mit dem Verdauungsgemische selbst. *) Belfanti und Carbone, Contrib. alla conoscenza dell’ antitoss. Sift. Arch. per le scienze med. 22, No. 2. **) BE. P. Pick, Zur Kenntnis der Immunkörper. Diese Beiträge 1, 351 (1901). ***) Jacoby, Über Rizinimmunität. Diese Beiträge 1, 51 (1901). +) Obermayer und Pick, Biol. Chem. Studien über das Eiklar. Wiener klin. Rdsch. 1902, No. 15. "Über die Einwirkung der Trypsinverdauung usw. 261 IE Das Serum eines Kaninchens, das mit frischem Eiklar ein kräftiges Präzipitin gab, zeigte mit den beiden verdauten Präparaten in wieder- holten Versuchen niemals die geringste Präzipitinreaktion. Es wurde auch gegen eine durch Papain verdaute Eiklarlösung geprüft. 100 g Eiklar wurden mit 280 ccm, 0,8-proz. NaCl und 10 g Papain- Merck bei natürlicher Reaktion etwa drei Wochen verdaut. Die filtrierte Flüssigkeit zeigt noch schwache Trübung beim Aufkochen in schwach saurer Lösung, die wohl auf Eiweißstoffe des Papains zurückzuführen ist, und noch starke Biuretreaktion. Trotzdem ist die Präzipitinreaktion nicht mehr hervorzurufen: 0,3 Serum, 0,1 Ei Ei, 3fach verdünnt Ei, 10fach verdünnt ++ ++ Papain-Ei (3fach verd.) — | Papain-Ei (3fach verd.) — (nach 2 h.) (nach 24 h.) IL, Dem Kaninchen, das das starke Bierpräzipitin zeigte, werden aus der lugularis etwa 10 cem Blut entnommen; das gewonnene Serum mit der gleichen Menge Wasser, 1 g Trypsin und einigen Tropfen Chloroform verdaut. Nach drei Tagen noch eine Messerspitze Pankreatin. Nach 14 Tagen ist das Serum inkoagulabel, gibt noch Biuretreaktion. Prüfung auf Präzipitin gegen filtriertes Eierklar ist absolut negativ; auch nach 24 h. nicht die geringste Trübung, die über die minimale Trübung der Kontrollflüssigkeiten (Serum und Ei jedes für sich) hinausgeht. Aus diesen Versuchen geht hervor, daß alle drei Fragen in identischem Sinne beantwortet sind: Durch energische Trypsin- verdauung ist sowohl die bindende Gruppe, als auch das Präzipitin glattzu vernichten. DasEierklar verhältsich in keiner Weise anders als das Blutserum. Die entgegenstehenden Resultate von Obermeyer und Pick sind wohl daraus herzu- leiten, daß die beiden Forscher nicht so weit abgebaut haben, daß die Koagulation völlig verschwunden war, was, wie wir oben zeigten, auch beim Eierklar ziemlich lange dauert. Die Betrachtungen, die wir an die Tatsache der Verdaulichkeit durch Trypsin angeknüpft haben, bleiben also auch bezüglich des Eierklars zu Recht bestehen. Kürzere Mitteilungen. 2. Bemerkung zu der Arbeit von K. G@laessner „Über die antitryptische Wirkung des Blutes“. (Diese Beiträge 4, Seite 83.) Von K. Landsteiner. In der angeführten Arbeit teilt Glaessner die Resultate von Ver- suchen über die Ausfällung antitryptischer Stoffe aus Blutserum mit und macht auf den Gegensatz zwischen seinem Ergebnis und einer Angabe von mir aufmerksam. Dazu möchte ich bemerken, daß ich bei einer Wiederholung dieser Versuche selbst zu einem abweichenden Resultat gekommen bin und darüber schon vor einiger Zeit berichtet habe*). Die Ursache des auch jetzt noch bestehenden Widerspruches in den Angaben werde ich mich aufzuklären bemühen. *) C'entrabl. f. Bakteriol. 31, 784. Verlag von Aug. Hirschwald in Berlin. Soeben erschien: Die chemische Pathologie der Tubereulose. Bearbeitet von Docent Dr. Clemens, Docent Dr. Jolles, Prof. Dr. R. May, Dr. von Moraczewski, Dr. Ott, Dr. H. von Schroetter. Docent Dr. A. von Weismayr. Herausgegeben von Dr. A. Ott. 1903. gr. 8. 14 M. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Leitfaden für den Draktisch- chemischen Unterricht der Mediciner zusammengestellt von Dr. Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. Gebunden in Lnwd. Preis 3 #. Die chemische Organisation der Zelle. Ein Vortrag von Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. geh. Preis 0,60 #. der Stiekstoff und seine wichtigsten Verbindungen. Von Dr. Leopold Spiegel, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit eingedruckten Abbildungen. gr. 8. Preis geh. 20 #4, geb. 22 4. Synthesen in der Purin- und Zuckergruppe. Von Emil Fischer. Vortrag, gehalten am 12. Dezember 1902 vor der Schwedischen Akademie der Wissenschaften zu Stockholm. er. 8. geh. Preis 0,80 4. Die Zersetzung stickstofffreier organischer Substanzen durch Bakterien. Von Dr. 0. Emmerling. Privatdozentan der Universität Berlin. Mit sieben Lichtdrucktafeln. kl. 8 geh. Preis 4 4. BEBBLLLBLBEBEN Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunictweig. PPS — Vollständig erschienen: —— Hermann von Helmholtz Leo Koenigsberger. In drei Bänden. Mit 9 Bildnissen in Heliogravure und einem Brieffacsimile. Gr. 80. In vornehmer Ausstattung. Preis des vollständigen Werkes geh. M. 20.—, geb. in Leinwd. M. 25.—, geb. in Halbfrz. M. 31.—. IM“ dem soeben zur Ausgabe gelangten dritten Bande des hochbe- deutenden Werkes ist die grosse Helmholtz-Biographie von Leo Koenigsberger, welche als eine biographische Leistung ersten Ranges für die gesamte wissenschaftliche Welt und für weite Kreise des ge- bildeten Publikums von dem grössten Interesse ist, vollständig erschienen. Die Entwickelung, das Leben und Wirken und die Bedeutung einer Persönlichkeit zu schildern, die durch den Umfang und die Tiefe des Wissens und die Macht des Könnens die meisten ihrer Zeitgenossen überragt, alle Welt durch das Produkt ihrer Arbeit während mehr als eines halben Jahrhunderts in Staunen und Bewunderung versetzt und der Wissenschaft neue fundamentale Lehren geschenkt und neue Wege zu fruchtbarer Tätigkeit gewiesen hat, war eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufgabe, deren Durchführung dem Verfasser, welchem nicht nur die Feder, sondern auch die auf eingehender Sachkenntnis ruhende Teilnahme für Person und Stoff zu Gebote stand, in vollendetem Masse gelungen ist. Dem grossen Naturforscher und Gelehrten ist mit dieser meisterhaften Darstellung seines in der Geschichte der Wissenschaft wohl einzig dastehenden Entwickelungs- ganges und seiner unvergleichlichen Lebensarbeit ein würdiges Denkmal errichtet worden, wie es der Mit- und Nachwelt nicht schöner überliefert werden konnte, RE N. en} Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. BSZZZLZZLZZLLZELLZ 06T .3 1904 Beiträge zur Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen. herausgegeben von Franz Hofmeister 0. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg IV. Band. 7. und 8. Heft (Ausgegeben September 1903) Braunschweig Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn Sm 19203 Inhalt des 7. und 8. Heftes. . Seite XXIV. Carl Oppenheimer. Über das Schicksal der mit Umgehung des Darmkanals eingeführten Eiweißstoffe im Tierkörper. [Aus dem tierphysiol. Inst. der Landwirtschaftl. Hochschule in Berlin. (Dir. Prof. Dr. N. Zuntz J Le 263 XXV. Carl Oppenheimer und Hans Aron. Über das Yalaıı des genuinen Serums gegen die tryptische Verdauung. [Aus dem tierphysiol. Inst. der Landwirtschaftl. Hochschule in Berlin. (Din, Prof. Dr._N. Zunie) - . =. 279 XXVI. K.Spiro. Die Fällung von Kolloiden. (Aus dem ie chemischen Institut zu Strassburg) . . . . 300 XXVII. Siegfried Tauber. Über einige Derivate des Tanke ee die Synthese der Taurocholsäure. (Aus dem physiologisch- chemischen Institut zu Strassburg) -» . . . 323 XXVII. fvar Bang. Chemische Untersuchungen der ee Organe. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Zweite Mitteilung . . . . 331 XXIX. Ivar Bang. Chemische Untersuchungen der ap Organe. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Dritte’ Mittelung. . . » . 2. u zr2e8 Kürzere Mitteilungen. 3. Emil Zdarek. Bemerkungen zu der en von L. Lang- stein „Zur Kenntnis der Ochronose*. . 378 4. Fritz Rosenfeld. Über das Noel de Fhönyielsails im tierischen Organismus. [Aus der I. medizin. Klinik d. Unwersit. Berlin. (Dir. Geh. Rat. E. v. Leyden)| . . . 379 Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erscheinen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von 36 Druckbogen zum Preise von M. 15,— bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Maßgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre er- scheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Straßburg i. E,, Wimpfelingstraße 2, zu richten. Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung, Sachlich- keit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung maßgebend sein. Die Ausführungen, welche den Rahmen einer tatsächlichen Richtig- stellung überschreiten, können nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mit- teilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein besonders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40,— für den Druck- bogen und 50 Sonderabzüge. u ee ee En Pe XXIV. Über das Schieksal der mit Umgehung des Darm- kanals eingeführten Eiweißstoffe im Tierkörper. Von Dr. phil. et med. Carl Oppenheimer, Assistenten des Instituts. (Aus dem tierphysiol. Inst. der Landwirtschaftl. Hochschule Berlin, Dir. Prof. Dr. N. Zuntz.) Die Frage nach der Aufnahme und Verwertung der dem tierischen Organismus zugeführten Eiweißsubstanzen ist durch grundlegende Untersuchungen der letzten Jahre in neue Bahnen gelenkt worden. War auch schon von älteren Autoren der Satz vertreten worden, daß die Eiweißstoffe nur in gelöstem Zustande der Assimilation entgegengeführt werden, so geht doch die moderne Anschauung sehr viel radikaler vor, indem sie den Satz aufstellt, daß der Aufnahme der Eiweißstoffe im Darm eine Spaltung vorhergehen muß, die recht weitgehend ist. Kutscher und Seemann‘) zeigten, daß sich im Darminhalt die Endprodukte der tryptischen Verdauung, Aminosäuren und Hexonbasen, direkt nachweisen lassen. Cohnheim**) gelang es, das Verschwinden der Peptone aus dem Darm auf die Wirksamkeit eines eigenen Enzyms, des Erepsins, zurückzuführen, das die peptischen Abbauprodukte (Albumosen, Peptone) in einfachere kristalloide Stoffe, wie Aminosäuren und Hexonbasen überführt. Aus diesen einfachen Körpern soll der Organismus dann in einer Synthese die ihm eigenen Eiweißkörper seines Protoplasmas aufbauen. Daß eine derartige Synthese anzunehmen gestattet ist, zeigten die zahlreichen Arbeiten früherer Autoren, nach welchen ge- wisse Bruchstücke des Eiweißmoleküls, namentlich die Aminosäuren, *) Kutscher und Seemann, Zur Kenntnis der Verdauungsvorgänge im Dünndarm I und II. Zeitschr. f. physiol. Chemie 34, 530; 35, 432 (1902). *) Cohnheim, Die Umwandlung des Eiweiß durch die Darmwand. Zeitschr. f. physiol. Chemie 33, 451 (1901). Weitere Mitteilungen über das Erepsin. Zeitschr. f. physiol. Chemie 35, 134 (1902). Trypsin u. Erepsin. Zeitschr. f. physiol. Chemie 36, 13 (1902). Kr 964 Carl Oppenheimer, im Organismus als Eiweißsparer ausgenutzt werden*), sowie vor allem die Versuche von Loewi”*), denen zufolge tatsächlich jenes Gemisch von kristalloiden Spaltungsprodukten, das er in einer biureifrei gewordenen Lösung der Produkte der Pankreasselbst- verdauung vor sich hatte, hinreicht, um den Organismus des Ver- suchshundes auf Stickstoffgleichgewicht zu erhalten. Freilich erhoben andererseits Embden und Knoop““), sowie Langsteiny) den Befund, daß auch Albumosen in der Blutbahn vorkommen, eine RN die dahin gedeutet wird, daß jene Albumosen ungespalten die Darmwand passiert haben und als solche zur weiteren Verarbeitung zu Organeiweiß benutzt werden. Für die vorliegende Problemstellung ist dies prinzipiell gleich- giltig, denn auch durch diesen Befund wird die moderne An- schauung nicht erschüttert, daß es normalerweise jedenfalls‘ nicht genuine Eiweißstoffe sind, die in die Blutbahn gelangen, um hier direkt als solche oder unter nach unbekannten Gesetzen sich vollziehenden Modifikationen zu Organeiweiß um- gebildet zu werden. Von einer ganz anderen Seite her fanden diese Schlüsse eine Bestätigung. Wir haben in der „biologischen Reaktion“ des Tierkörpers auf genuine Eiweißstoffe, die in der Blutbahn kreisen, in der Präzipitinbildung, ein neues Mittel gewonnen, das uns die Anwesenheit von solchen unveränderten Eiweißstoffen in der Blutbahn anzeigt. Wenn also Nahrungseiweiß unverändert den Darm passierte, so müßte es durch diese Reaktion im Blute nach- weisbar sein; und daß dies normalerweise nicht der Fall ist, gibt auf anderem Wege jenen aus analytischen und synthetischen Befunden gezogenen Schlüssen neue Beweiskraft. Freilich ist diese Unpassierbarkeit der Darmwand für unver- änderte fremde Eiweißkörper keine absolute. | Unter gewissen Bedingungen treten auch sie unverändert durch die Darmwand hindurch und zeigen ihre Anwesenheit im Blute eben durch jene biologischen Reaktionen. *) Die ältere Literatur s. b. Bahlmann, Über die Bedeutung der Amidsubstanzen für die tierische Ernährung. Dissertation. Erlangen 1885. **) Loewi, Über Eiweißsynthese im Tierkörper. Archiv f. experim. Pathologie 48, 303 (1902). *=) Embden und Knoop, Über das Verhalten der Albumosen in der Darmwand. Diese Beiträge 3, 120 (1902). 1) Langstein, Über das Vorkommen von Albumosen im Blut. Diese Beiträge 3, 373 (1903). Über das Schicksal der mit Umgehung des Darmkanals usw. 9265 Diese Bedingungen können z. B. dadurch erfüllt sein, daß den natürlichen Kräften des Darmes, die sonst die Veränderung der zugeführten Eiweißstoffe besorgen, eine zu große Arbeit zugemutet wird, daß nämlich eine Überschwemmung des Magens mit fremden Eiweißstoffen stattfindet. Wie Uhlenhuth*) bei Fütterung mit großen Mengen Eiereiweiß, Michaelis und ich““) bei entsprechenden Versuchen mit Rinderserum am Kaninchen zeigen konnten, tritt bei einer Dosis von etwa 200 cem Serum per os bei einem 2 kg schweren Tier während 16 Tagen eine deutliche Präzipitinreaktion in dem Serum des Kaninchens auf. Daraus kann man folgern, daß bei dieser Überschwemmung der Verdauungswege mit großen Mengen eines noch dazu dem Tiere ungewohnten Nahrungseiweißes die Eiweißstoffe sich zum Teil den Einwirkungen entzogen haben, die sie sonst angreifen, und durch die Wand des Verdauungskanals hindurch in die Blutbahn gelangt sind. Daß dies aber auch unter weniger gewaltsam hergestellten Bedingungen der Fall zu sein scheint, dafür sprechen die Befunde von M. Ascoli**), der bei Hunden nach Fütterung mit rohen Eiern, ja sogar mit gebratenem Hühnerfleisch Präzipitine gesehen haben will. Freilich bedürfen diese Versuche einer Nachprüfung, da einerseits bisher alle Versuche, beim Hunde Präzipitine zu erzeugen, fehlgeschlagen sind, andererseits die Resistenz der präzipitablen Substanz gegen Hitze nach unseren Versuchen nicht sehr bedeutend ist. Jedoch ist diese Frage von sekundärer Bedeutung. Es ist sehr wohl möglich, daß auch unter ganz normalen Bedingungen ein geringerer Anteil des eingeführten Eiweißanteils die Barriere durchbricht und in der Blutbahn erscheint. Sieht man von einem bisher sich der Kontrolle entziehenden dritten, wichtigen Faktor zunächst ab, nämlich der Rolle, die hierbei die Permeabilität des Darmepithels für genuine Eiweißstoffe selbst spielt, so hängt die Menge des unverändert die Darmwand passierenden genuinen Eiweißes von der relativen Stärke zweier Faktoren ab, der zugeführten Menge genuinen Eiweiß einerseits, und der Aktivität der verdauenden Faktoren andererseits. Wie Michaelis *) Uhlenhuth, Neuer Beitrag zum spezifischen Nachweis von Eier- eiweiß. Deutsche med. Wochenschrift 1901, 734. **) Michaelis und Oppenheimer, Über Immunität gegen Eiweiß- körper. Engelmanns Arch. 1902. Suppl. II. 336. ***) M. Ascoli, Neue Tatsachen und neue Ausblicke in der Lehre der Ernährung. Münch. med. Wochenschrift Nr. 5, 1902. 266 Carl Oppenheimer, und ich (loc. cit.) gezeigt haben, ist es das Pepsin des Magens, das die Eiweißkörper sehr schnell angreift und ihnen die Fähigkeit nimmt, Präzipitine zu erzeugen. Wenn also ein genuiner Eiweiß- stoff im Blute erscheint, so ist er der Wirkung des Pepsins ent- gangen. Dies kann entweder daher rühren, daß es eine zu große Gabe Eiweiß war, die den Magen überflutete, besonders wenn es in flüssiger Form dargereicht wurde, so daß es zunächst unverändert in das Darmlumen gelangen konnte, oder aber daß die peptische Funktion zu gering war. Das Trypsin scheint dabei eine viel geringere Rolle zu spielen, da es zum mindesten gerade bei den Eiweißstoffen, mit denen bei diesen Versuchen experimentiert wurde, nämlich Eier- eiweiß und Serum, die bindende Gruppe sehr viel langsamer angreift als das Pepsin (Öbermayer und Pick*), Michaelis und Oppenheimer). Es hat demnach den Anschein, als ob die Eiweißkörper, wenn sie einmal den Magen passiert haben, auch der tryptischen Ver- dauung leichter entgehen, also unverändert die Darmwand passieren können; dies steht wiederum mit den Resultaten von Embden und Knoop und Langstein, daß die durch Pepsinwirkung entstandenen Albumosen hindurchpassieren können, in bestem Einklange. Mit der Annahme, daß unter Umständen genuine Eiweiß- stoffe ins Blut gelangen, stimmen auch die zahlreichen Erfahrungen überein, daß bei einer gewissen Durchlässigkeit des Nierenfilters Eiweißstoffe der Nahrung in den Harn gelangen können. Dieses Problem der „alimentären Albuminurie“ muß auch von dieser Seite her beleuchtet werden. So fanden z. B. Ascoli (loc. eit.) und Inouye**), daß sich per os eingeführtes Eiereiweiß beim Kaninchen im Harn durch die biologische Reaktion wiederfinden läßt. Es ist gar keine Frage, daß das fremde Eiweiß, wenn es erst einmal in der Blutbahn kreist, die Nieren passieren kann, das Nierenfilter also für fremde Eiweißstoffe durchlässig ist, ohne daß eine wirkliche Erkrankung der Niere eintritt. Dies folgt noch viel präziser aus den Versuchen mit direkter Injektion, auf die wir unten zurückkommen werden. *) Obermayer und Pick, Biolog. Studien über Eierklar. Wiener klin. Rundschau Nr. 15, 1902. **) Inouye, Über alimentäre Albuminurie. Archiv f. klin. Medizin 75, 378 (1903). = 25. 2 ee Fee, Me Be Über das Schicksal der mit Umgehung des Darmkanals usw. 267 Wenn aber die Eiweißstoffe als solche ausgeschieden werden, so müssen sie zuvor in der Blutbahn vorhanden ge- wesen sein, und es fragt sich, ob dieser Zustand der alimentären Albuminurie nicht viel wichtiger ist in bezug auf die Frage einer etwaigen Insuffizienz der Verdauungsorgane, die das Eiweiß passieren lassen, also eines alimentären Vorhandenseins fremder Eiweißstoffe im Blut, als in bezug auf die Undichtigkeit des Nieren- filters, die bei Einführung von Eiweißstoffen mit Umgehung des Darmkanals in jedem Falle besteht. Es ist aber auch andererseits denkbar, daß der Übertritt von gewissen Mengen genuinen Nahrungs-Eiweißes in die Blutbahn eine regelmäßige, normale Erscheinung ist, worauf wir bereits oben hingedeutet haben, und daß es allerdings noch be- sonderer, abnormer Bedingungen bedarf, um diese Anteile im Harn wiedererscheinen zu sehen; mit anderen Worten, daß der normale Organismus über Mittel verfügt, um geringe Mengen solchen fremden Eiweißes, das in seiner Blutbahn- kreist, zu zerstören, vielleicht zu assimilieren, ohne daß es im Harn erscheint. Es entsteht dabei also, ganz allgemein gesprochen, die Frage nach einer etwaigen Verdauung und Ausnützung von fremd- artigem Eiweiß, das in die Blutbahn eingetreten ist, sei es auf dem Wege der unveränderten Resorption vom Darmkanal aus, sei es durch Einführung unter Vermeidung des Darmkanals, subkutan, intravenös oder intraperitoneal, eine Einführung, die ich der Bequemlichkeit halber parenteral nennen möchte. Nun unterliegt es keinem Zweifel, daß der Organismus tat- sächlich im stande ist, Eiweiß, das ihm auf einem derartigen Wege zugeführt wird, teilweise für sich auszunutzen. Die ersten Versuche in dieser Hinsicht machten Menzel und Perco*), die Milch und Eidotter subkutan, auch bei Menschen, injizierten. Krueg**) und R. Pick ***) hatten ebenfalls praktische Erfolge mit Milch und Eidotter, ähnlich Whittacker mit Milch und Fleischsaft. *) Menzel und Perco, Über die Resorption von Nahrungsmitteln vom Unterhautzellgewebe aus. Wiener med. Wochenschrift Nr. 31, 517, 1869. **) Krueg, Künstliche Ernährung durch subkutane Injektionen. Wiener med. Wochenschrift No. 34 S. 753, 1875. *==*) Pick, Über Ernährung mittelst subkutaner Injektion. Deutsche med. Wochenschrift 1879, S. 31. 268 Carl Oppenheimer, Systematisch wurden diese Versuche aber erst von v. Leube*) durchgeführt, der subkutane Ernährung mit Alkalialbuminaten und Syptonin vorschlug. Dagegen gibt er an, daß die genuinen Eiweißstoffe, Kasein und Eiereiweiß nicht direkt assimilierbar sind, Peptone und Albumosen aber geradezu giftig wirken und im Harn wieder ausgeschieden werden. Die ersten exakten physiologischen Beobachtungen über den Wert intravenös eingeführter Eiweißstoffe verdanken wir Zuntz und v. Mering“”), die auf eine ziemlich restlose Verbrennung der von ihnen injizierten Eiweißstoffe schließen konnten. Sie benutzten Serum, Eiereiweiß und „Pepton“, d.h. die Produkte kurzer Pepsin- verdauung von Fibrin. Auch Neumeister”*) konnte eine Ver- wertung von intravenös injizierten Eiweißstoffen nachweisen. Er benutzte zwar vorwiegend leicht denaturierte, wie Syntonin und Albuminate, erzielte aber ähnliche Erfolge auch mit genuinem Phytovitellin und Serumalbumin. LilienfeldY), dessen Arbeit sich an die Versuche von v. Mering und Zuntz anschließt, erzielte mit Konglutin gute Resultate, während er nach Syntonininjektion eine schwere Albuminurie' beobachtete. Es ist danach als erwiesen anzusehen, daß ein ge- wisser Teil des parenteral dem Organismus zugeführten Ei- weißes zur Retention und damit wohl auch zur Ver- wertung gelangt. Als Maß für die Größe dieser Verwertung kann man, mangels ° exakter Bilanzversuche, die anzustellen ich mir als weitere Auf- gabe gestellt habe, vorläufig nur die Retention annehmen, d.h. die Differenz zwischen der eingeführten und der im Harn wieder aus- geschiedenen Menge des zugeführten Eiweißes; doch sind bisher zahlenmäßige quantitative Beziehungen zwischen diesen Größen noch niemals, soweit ich ersehen konnte, festgestellt worden, eine Lücke, zu deren Ausfüllung die unten beschriebenen Versuche beitragen sollen. Wie schon die älteren Untersucher feststellten (Zuntz und v. Mering, Neumeister loc. cit.), ist die Eiweißausscheidung im Harn nicht stets vorhanden. Es liegt das vorwiegend an der *) v. Leube, Über subkutane Ernährung. Kongr. f. inn. Medizin 1895, 418, **) Zuntz und v. Mering, Inwiefern beeinflußt Nahrungszufuhr die tierischen Oxydationsprozesse? Pflügers Archiv 32, 173 (1883). ***) Neumeister, Zur Frage nach dem Schicksal der Eiweißnahrung im Organismus. Sitzungsber. Phys. Med. Soz. Würzburg 1889. +) Lilienfeld, Versuche über intravenöse Ernährung. Zeitschrift f. phys. diät. Therapie 2, 3 (1899), S.-A. Uber das Schicksal der mit Umgehung des Darmkanals usw. 269 Art des zugeführten Proteids. Namentlich vom Serumeiweiß ist verschiedentlich angegeben worden, daß es so gut wie gar nicht in den Harn übergeht. Stokvis* fand Eiweiß nach Injektion von Eiereiweiß, nicht aber von Blutserum bei Kaninchen und Hunden. Ponfick**) gab Hunden Lammblutserum intravenös und fand kein Eiweiß, ebensowenig Ott***) nach Infusion großer Mengen Pferdeserum beim Hunde. FriedenthalundLewandowski’f) fanden bei intra- venöser Einführung ziemlich geringer Mengen Serum schwere Ver- giftungserscheinungen und Todesfälle sehr plötzlicher Art. Da- gegen konnten sie Kaninchen sogar 70 ccm Kalbsserum injizıeren, ohne daß etwas ım Harn auftrat, wenn sie es vorher auf 58° bis 60° erwärmten. Ob bei dieser Temperatur, die das giftige Prinzip des Serums zerstört, auch schon leichte Degenerationen des Eiweiß- moleküls selbst eintreten, die das genuine Eiweiß leichter resor- bierbar machen, muß dahingestellt bleiben. Auch das Plasmaeiweiß der Maja, einer Krustacee, wird von Kaninchen nicht ausgeschieden. (v. Dungern.Tff) Nach meinen eigenen Erfahrungen wird Pferde- und Rinder- serum beim Kaninchen, Milcheiweiß beim Hunde nicht oder nur in sehr geringen Mengen ausgeschieden, während Eiereiweiß stets .zum Teil wieder erscheint. Ich habe deshalb meine Hauptversuche mit Hühnereiweiß angestellt und nur einige Parallelversuche mit Serumeiweiß gemacht, weil beim Hühnereiweiß aus dem Verhältnis von Ein- führung zu Ausscheidung ein Schluß auf die Ausnutzung gezogen werden kann. Dabei fragt sich allerdings noch, ob man berechtigt ist, die im Harn wieder ausgeschiedene Eiweißmenge tatsächlich ganz auf das Verlustkonto zu setzen. Wie nämlich Ascolirrf) zuerst zeigte und Hamburger*r) bestätigte, ist ein Teil des im Harn *) Stokvis, Hühnereiweiß und Serumeiweiß und ihr Verhalten zum tierischen Organismus. Cntbl. d. med. Wiss. 1864, 596. **) Ponfick, Experimentelle Beiträge zur Lehre von der Transfusion. Virchows Archiv 62, 273 (1875). *#**) Ott, Über den Einfluß der Transfusion. Virchows Archiv 9, 114 (1883). K 7) Friedenthal und Lewandowski, Über das Verhalten des tierisehen Organismus gegen fremdes Blutserum. Engelmanns Archiv 1899, 531. ir) v. Dungern, Die Antikörper. Jena 1903, S. 90. {rr) Ascoli, Uber den Mechanismus der Albuminurie.. Münch. med. Wochenschrift 1902, 398. *7) Hamburger, Zur Frage der Immunisierung gegen Eiweiß. Wiener klin. Wochenschrift, Nr. 45, 1902. TV Carl Oppenheimer, ausgeschiedenen Eiweißes Körpereiweiß des Tieres selbst: Serum- eiweiß, das sich durch die biologische Reaktion nachweisen läßt. Es scheint also die Injektion von körperfremdem Eiweiß eine Schwächung des Nierenfilters zu bedingen, die zu einer leichten, schnell vorübergehenden Albuminurie führt. Einen irgendwie erheblichen Grad scheint aber diese Schwächung nicht zu erreichen, denn wie andere, so fand auch ich den Harn meiner Tiere nach 48 h. wieder völlig eiweißfrei. Die Angabe von Linossier und Lemoine*), daß schon geringe Seruminjektionen (!/ cem!) bei Kaninchen schwere, lang- dauernde Albuminurien mit tiefen Schädigungen des Nieren- gewebes hervorrufen sollen, widerspricht so völlig allen bisher zahlreich gemachten Beobachtungen, daß man ihr mit größter ‚Skepsis entgegentreten muß. Ich habe selbst nach ausgiebigen Injektionen von Pferdeserum bei Kaninchen niemals langdauernde Albuminurie oder irgendwelche Störungen auftreten sehen, wie die Versuchsresultate zeigen werden. Wenn die Tiere nicht, wie es bisweilen vorkommt, ganz akut unter der Wirkung zu großer Serumdosen zugrunde gehen, ohne daß derSektionsbefund irgend etwas Entscheidendes ergibt, so zeigen sie außer geringen Temperatursteigerungen nichts Abnormes; und der Harn ist nach höchstens 72 h. wieder eiweißfrei. Auch die Angaben, die Arthus**) soeben publiziert hat, beziehen sich auf plötzliche Todesfälle oder aber auf Nekrosen nach subkutanen Injektionen, die allerdings häufig beobachtet werden. Obwohl also immerhin der Einwand, daß man den Anteil an mitausgeschiedenem Körpereiweiß im Harne mitbestimmt, durchaus berechtigt ist, und einen, wenn auch sicherlich nur sehr kleinen, absoluten Fehler der Bestimmung bedingt, der mit unseren Methoden nicht zu beseitigen ist, darf man doch wohl der Bestimmung dieser Ausscheidungsgröße und ihrem Verhältnis zur Einfuhr einen relativen Wert beimessen. Wir besitzen eben zur Zeit keine andere Methode, als diese mit einem wohl ziemlich konstanten Fehler behaftete, um die ersten Schritte zur Lösung der inter- essanten Frage nach der „Verdauung in der Blutbahn“ zu tun. Ich glaube deshalb, auch meinen unten zu besprechenden quantitativen Versuchen einen relativen Wert beimessen zu dürfen. *) Linossier und Lemoine, Note sur l’action nöphrotoxique des injections de sörums normaux, Soc. Biol. 55, 515 (1903). **) Arthus, Injections repetees de serum de cheval chez le lapin. Soc. Biol. 26. VI. 03. - Über das Schicksal der mit Umgehung des Darmkanals usw. 271 Mit der Frage nach der Ausnutzung parenteral zugeführter Eiweißsubstanzen verbindet sich noch eine zweite, nicht minder wichtige. Die große Ähnlichkeit, die der Mechanismus der Präzipitin- bildung mit den Vorgängen bei der Erlangung der Immunität, z. B. gegen Bakteriengifte, zeigt, hat mehrfach der Vermutung Worte geliehen, daß vielleicht auch der Zweck der Präzipitin- bildung eine gewisse Verwandtschaft mit den Zwecken der Immunisierung besitzen möge, und Michaelis und ich (l. ec.) haben diese Vermutung zuerst schärfer präzisiert. Nachdem wir den Mechanismus der Antikörperbildung gegen Eiweißstoffe als entsprechend der Ehrlichschen Seitenketten- theorie hingestellt hatten, haben wir das Problem ventiliert, ob die ergophoren Gruppen der Präzipitine, die dıese Theorie voraus- setzt, eine wichtige Rolle bei der Assimilation parenteral zuge- führten körperfremden Eiweißes besitzen könnten; ob die Präzi- pitine tatsächlich als Immunkörper fungieren, die den einge- führten Fremdkörper seiner Fremdartigkeit berauben, ihn unschäd- lich machen, und ob diese „Denaturierung“, die der Aufnahme vorhergehen muß, und die sonst durch die Verdauungsenzyme bewirkt wird, vielleicht der Endzweck dieser Immunitätsreaktion ist. Auf diese Möglichkeit weisen einige Ergebnisse hin, besonders die von uns beobachtete Mobilmachung der Leukocyten bei intraperitonealer Injektion, während andererseits die auch von Rostoski angegebene Tatsache, daß die sichtbare Reaktion, die Ausfällung der Eiweißsubstanzen in vitro, im Organismus nicht eintritt, dagegen zu sprechen scheint. Doch ist ein absolut bindender Beweis, daß eine solche Präzipitierung im Tierkörper nicht eintritt, wohl schwerlich zu erbringen. Ein anderer Weg zur Entscheidung dieser Frage bietet sich dar, wenn man das Problem nach einer anderen Seite der Immuni- tätserscheinungen hin präzisiert. Wie bei zunehmender Immunität gegen Tetanustoxin das Versuchstier immer größere Dosen des Toxins neutralisiert, so könnte auch bei fortschreitender „Immuni- sierung“ gegen fremdes Eiweiß die Aufnahmefähigkeit sich steigern. Als Maßstab für die fortschreitende Immunität hätte man die Präzipitinreaktion, als Maßstab für die Aufnahmefähigkeit die Ausscheidungsgröße im Harn mit dem oben erwähnten Vor- behalt anzusehen. Derartige Versuche, Tieren stets dieselben Eiweißarten zu injizieren und den Quotienten der Einführung zu der Ausscheidung quantitativ zu bestimmen, habe ich nun seit einiger Zeit angestellt. 212 Carl Oppenheimer, Inzwischen ist dieselbe Frage von Hamburger (loc. eit.) in Angriff genommen worden, der sich allerdings mit dem qualitativen Nachweis begnügte. Er fand an Kaninchen, daß die nach der ersten Injektion von Eierklar auftretende Eiweißausscheidung sich bei den folgen- den, in Zwischenräumen von 8 bis 10 Tagen wiederholten Injek- tionen allmählich verminderte (qualitativ) und nach der dritten bis sechsten Injektion verschwunden war. Injektionen geringer Mengen schützten auch gegen größere Dosen, die dann völlig zurückbehalten wurden. Hamburger neigt also tatsächlich dazu, in diesem Sinne eine wirkliche Immunisierung gegen körperfremdes Eiweiß anzu- nehmen, deren Mechanismus allerdings dadurch noch dunkler wird, daß es ihm nicht gelang, in dem Gehalt des Blutes an dem injizierten Eiweißkörper, der durch die biologische Reaktion gemessen wurde, irgend welche Unterschiede aufzufinden; ein Versuch, der allerdings ziemlich hoffnungslos war,\ da an eine wirklich quantitative Verwertung der Präzipitinreaktion wohl noch nicht gedacht werden kann, solange wir völlig im unklaren sind, was denn eigentlich bei dieser Reaktion ausfällt. Ich habe deshalb auf diese Frage wenig Wert gelegt und mich vorwiegend mit der Ausscheidung im Harn beschäftigt. Ich kann die Resultate von Hamburger nicht vollinhaltlich bestätigen, da ich eine „Immunität“ als konstante Erscheinung nicht beobachten konnte. Ich lasse zunächst meine Versuche folgen: Ich experimentierte an Kaninchen, denen die benutzten Eiweiß- stoffe (Eierklar, Pferdeserum, Rinderserum) in einigen Versuchen intravenös, meist intraperitoneal injiziert wurden. Die letztere Art der Einführung ist bei Kaninchen außerordentlich bequem, da sie ohne jede Vorbereitung ausgeführt werden kann. Selbst eine noch so oberflächliche Desinfektion der Kanüle hat sich schließlich als überflüssig erwiesen; ebenso habe ich Darmverletzungen mit letalen Folgen nie zu verzeichnen gehabt. Der Harn wurde entweder aus der Blase ausgedrückt oder im Stoff- wechselkäfig aufgefangen, mit etwas alkoholischer Thymollösung versetzt und filtriert. Dadurch erhielt ich ihn meist genügend klar, einige Harne mußte ich allerdings verwerfen, da sie selbst nach mehrfacher Filtration zu stark getrübt waren, als daß man auf eine exakte Bestimmung des Eiweißgehaltes hätte rechnen können. | Der Harn wurde dann auf ein bekanntes Volum aufgefüllt und zu zwei Bestimmungen verwendet. Die Eiweißfällung geschah in der Weise, daß ich den Harn (meist etwas verdünnt) mit etwa 2 Proz. Kochsalz (einigemal auch mit sehr wenig Zinksulfat, was sich nicht so bewährte), versetzte, mit sehr verdünnter Essigsäure ganz schwach ansäuerte, auf dem Wasserbade koagulierte und das Koagulum durch ein quantitatives Filter | Über das Schicksal der mit Umgehung des Darmkanals usw. 973 abfiltrierte. Nach sehr gründlichem Auswaschen wurde das ganze Filter nach Kjeldahl unter Anwendung von Quecksilber verbrannt. Selbst- verständlich überzeugte ich mich jedesmal von der Abwesenheit von Eiweiß im Filtrat (Zusatz von Ferrocyankalium). Das Eiweiß war stets völlig gefällt, und die Doppelbestimmungen genügend überein- stimmend. In dem eingeführten Eierklar wurde der Stickstoffgehalt jedesmal bestimmt, vom Serum in einer größeren Portion, die mit etwas Chloroform konserviert wurde. Natürlich haften dieser Methodik einige Fehlerquellen an. Im ein- geführten Eiweiß entspricht der Gesamtstickstoff nicht dem wahren Eiweiß- gehalt; und im Harn fällt man den beim Kaninchen häufig vorhandenen, durch Essigsäure schon in der Kälte fällbaren Stoff mit als Eiweiß. Indessen spielen diese Fehler hier, wo es sich ausschließlich um Vergleichswerte und ziemlich grobe Grenzen handelt, keine das Resultat nennenswert beeinträchtigende Rolle. Der Nicht- Eiweißstickstoff des Pferdeserums wurde übrigens bestimmt; er beträgt rund !/ıo des Wertes. Versuche. Kaninchen]. 10. X. Kaninchen von 3420 g. Binnen 40° werden aus einer Kanüle 10 ccm genuines, klar filtriertes Hühnereiweiß, mit der gleichen Menge 0,8proz. NaUl-Lsg. verdünnt, in eine Halsvene infundiert. Harn vorher exprimiert. Minimale Trübung mit Essigsäure-Ferro- eyankalium. HNO,- und Biuretprobe negativ. Kein Zucker. Direkt nach der Injektion: Harn desgl.; etwas Blut (Hellersche Probe). Temp. abends 40,4, morgens 39,2°. Wohlbefinden. Nach 24 h. Harn trübe, filtriert. Analyse: Eiweißinjektiin = 77 mgN. Harneiweiß 31,2 mg. N. =40,9. PrO2. Nach weiteren 24 h. Harn eiweißfrei. 17.X. Demselben Tier 20 ccm unverdünntes Hühnereiweiß während 1 h. auf dieselbe Weise beigebracht. Temp. nach 5 h. 40,3°; am andern Morgen 39,8%. Wohlbefinden. Einige Stunden nach der Injektion schleimiger Harn, am Morgen Harn exprimiert, nach Filtrieren klar. Beide vereinigt. Analyse: Eiweißinjektion 212 mgN. Harn 54 megN. — 9,5 Proz. | Nach weiteren 24 h. Harn eiweißfrei. 28. X. Dasselbe Tier 30 cem Eiweiß (N-Gehalt 269 mg) in eine Ohr- vene binnen 20‘. Temp. abends 39,5%. Etwas Freßunlust. Gewicht 3320 g. Am nächsten Tage munter. Harn vor der Injektion eiweißfrei, 24 h. nach der Injektion: Analyse: Eiweiß-N = 133,90 mg. . Der Harn des nächsten Tages enthielt eine eiweißähnliche Substanz, die nicht beim Kochen, aber mit Essigsäurezusatz koaguliert, HNO, positiv, Essigsäure + Ferrocyankalium negativ. Millon pos., Biuret angedeutet. Der Harn wird durch Kochen mit schwacher Essigsäure koaguliert. Die über dem Niederschlag stehende Flüssigkeit wird nicht klar, Nach 48 h. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 18 = 274 Carl Oppenheimer, durch gewogenes Filter filtriert. Menge des Niederschlages 0,2618 g. Wenn man diese auf ausgeschiedenes Eiweiß umrechnet, durch 6,5 divi- diert — 40,3 mg Total demnach 174,2 mg = 64,3 Proz. Ohne den zweifelhaften Stoff — 49,3 Proz, Am nächsten Tage Harn völlig frei. Nun wurde ohne weitere Prüfung das Tier mit Eiweißinjektionen intraperitoneal weiter behandelt, indem es binnen fünf Wochen 150 ccm in Dosen von 30 bis 40 ccm bekam. Es trat jedesmal Temperatursteigerung und Eiweißausscheidung ein, sowie verminderte Freßlust, die bald vorüber gingen. Am 2. L Starke Präzipitinreaktion gegen Hühnereiweiß. Gegen durch Trypsin biuretfrei gewordenes Eiweiß = 0. 8. I. Dasselbe Tier, das also nach der Präzipitinreaktion „immun“ geworden sein sollte, erhielt jetzt 5 ccm Eiweiß intravenös. N 140,5 mg Harn nach 24 h. ausgeschieden 37,5 mg ==, 46,6 Proz. Nach 24 h. Harn eiweißfrei. 22. I. Präzipitinreaktion: Serum, isotonisch aufs Doppelte verdünnt: x 0,6 + 0,1 Eiweiß 10fach verdünnt pos. 0,6 4 0,1 Eiweiß 50fach verdünnt pos. Geg. verdautes Eiweiß (s. oben) negativ. 27. I. 10 ccm intraperitoneal — 168 mg. Harn war leider so trübe, daß Eiweißbestimmung unmöglich. Nach nochmaligen zwei Injektionen zu je 10 ccm wird das Tier am Morgen tot gefunden, sehr wahrscheinlich infolge eines Unfalls. Befund negativ. Kaninchen I. 1540 g. Erhält intraperitoneal zunächst binnen 14 Tagen zweimal Hühner- eiweiß, 18 und 27 cem. Dann nach zehn Tagen 50 ccm auf einmal. Das Tier fiebert hoch, ist sehr matt, erholt sich wieder. Eingeführt 915,7 mg In 24 h. ausgeschieden 111,2 mg — 18 Proz. Nach 14 Tagen: starke Präzipitinreaktion. Das Tier ist sehr elend, erhielt noch einmal 20 ccm. Nach 48 h. Harn eiweißfrei. Das Tier wird in der Agonie entblutet. Präzipitinreaktion schwach. Kaninchen IU stirbt unmittelbar nach der zweiten Injektion von 15 ccm. Kaninchen IV erhält während vier Wochen 37 cem Eiweiß in drei Rationen, nach einer Woche noch keine Präzipitinreaktion. 5. III. 10 ccm intraperitoneal 164,5 mg Nach 24 h. ausgeschieden 70,15 mg | — 47,7 Proz. Bald darauf starke Präzipitinreaktion. 2. IV. 10 ccm Ei. 27. V. 30 ccm Ei=433,5 mg N. Im Harn etwa 7 mg wieder ausgeschieden (Fehlergrenze). Über das Schicksal der mit Umgehung des Darmkanals usw. 275 BYE 20:.ccm Ei== 312 mg; Ausgeschieden: nichts. 13. VI. Präzipitinreaktion, Ei 0,1 Serum und isotonische NaCl-Lsg. aa 0,35; nach 1 h. gute, nach 24 h. starke Präzipitinreaktion. Kaninchen \V. 17. II. 10 ccm Eiweiß intraperitoneal @8- 7. 10 cem ” » 185,5 mg N ausgeschieden AR. an N — Pro. 16. II. 15 ccm Ei, 20. III. Präzipitin noch fast negativ. BE TV..10 ccm. EV... 8 cem. 14. V. Das Tier erhält 50 ccm Rinderserum intraperitoneal und geht daran binnen 2 h. zugrunde. Obduktionsbefund bis auf eine etwas weiche, hyperämische Niere negativ. In der Bauchhöhle weiche, durch- sichtige Gerinnsel als Reste der injizierten Flüssigkeit. Kaninchen X, 20. V. Intraperitoneal 20 ccm reines Eiweiß, N = 282 mg. 21/23. Harn enthält 133,5 mg N = 47,34 Proz. 3. VI. Desgl. 20 cem = 289 mg N. Ausgeschieden 51 mg —= 17,6 Proz. 12. VI. Desgl. 20 ccm = 329 mg Ausgeschieden: nichts (quantitativ). Präzipitinreaktion 12. VI. (vor der Injektion entnommen) Ei 0,1, Serum und 0,6proz. NaCl-Lsg. je 0,3; nach 2 h. Hauch von Trübung; nach 24 h. angedeuteter Niederschlag. 20. VI. 80 ccm = 540 mg N. Harn nach 48 h. eiweißfrei. Ausgeschieden 104,5 mg N= 19,1 Proz. Man beobachtet also ein Nachlassen der Ausscheidung, ein- mal eine völlige Retention, wiederum aber ohne sichtlichen Zusammenhang mit Präzipitinbildung. Eine wirkliche Immunität ist auch jetzt nicht erzielt; denn die nächste Injektion bringt wieder eine erhebliche Ausscheidung hervor. Kaninchen XI. 20. V.: 20 ccm Ei = 282 mg N. Der Harn gibt mit Essigsäure eine geringe Trübung. Ausgeschieden 112,5 mg N = 39,5 Proz. 8. VI: 20 ecm Ei — 287 mg N. Harn enthält kein koagulables Eiweiß. 12. VI. Präzipitinreaktion absolut negativ. eV 720 Cem = 329 mg N. Ausgeschieden 65 mg N = 20 Proz. 20, VL 30.cem = 540 me.N. Eu Ausgeschieden 129 mg —= 24 Proz. Fast dasselbe Bild wie bei Kaninchen X. Ebenfalls enorme Schwankungen des Ausscheidungsquotienten ohne ersichtlichen Zu- sammenhang mit der Präzipitinbildung, die bei Kaninchen XI bis- her sicher nicht eingetreten ist. 18* n- 276 Carl Oppenheimer, Kaninchen VIII (s. unten). Das Tier ist schonmonatelang mit Pferdeserum vorbehandelt. 20. V. 30 ccm Hühnereiweiß, 27. V.: 30: ccm EirlN 248m). Harn enthält nur 4 mg koagulablen Stickstoff (Fehlergrenze). 9. VI. 30 ccm Ei (N = 468 mg). Harn enthält kein Eiweiß. 12. VI. Präzipitinreaktion absolut negativ. Aus diesen Befunden geht hervor, daß die mit Eiereiweiß behandelten Kaninchen meist einen beträchtlichen Teil des zu- geführten Eiweißes wieder ausscheiden. Die Verhältniszahlen schwanken aber sehr erheblich. Weder die Art der Zuführung, noch das Auftreten der Präzipitinreaktion lassen irgendwelche Be- ziehungen zwischen der zugeführten und der ausgeschiedenen Eiweißmenge erkennen. Bisweilen scheiden relativ frische Tiere mit sehr schwacher oder gar keiner Präzipitinreaktion mehr in relativer Menge aus als solche, die länger vorbehandelt sind. Auch die absolute Menge des ausgeschiedenen Eiereiweißes schwankt er- heblich, doch scheint um so weniger in relativer\Menge aus- geschieden zu werden, je mehr Eiweiß zugeführt wird. Im all- gemeinen sind aber alle Zahlen viel zu schwankend, um irgend- welche sicheren Schlüsse auf einen Zusammenhang zwischen Präzipitinreaktion und Eiweißretention ziehen zu lassen. Außerdem scheint sich nach langer Vorbehandlung, aber gleichgültig mit welchem Eiweißkörper eine erhöhte Resistenz gegen Eiereiweiß einzustellen, die aber auch mit einer spezifischen „Immunisierung“ nichts zu tun hat. Kaninchen IV und VIII hielten schließlich beide eine sehr große Eiereiweißmenge restlos zurück, obwohl das eine, monatelang mit Eiereiweiß vorbehandelt, ein sehr kräftiges Präzipitin dagegen zeigte, während das andere, das vor- her lange Pferdeserum und nur drei Eiereiweißinjektionen erhalten hatte, gar kein Präzipitin gegen Eiereiweiß zeigte. Für diese beiden Fälle kann ich also Hamburger recht geben: es scheint tat- sächlich nach langer Vorbehandlung eine Art Resistenzerhöhung einzutreten, die aber unspezifisch, also keine Immunisierung ist und mit der Präzipitinbildung zweifellos nichts zu tun hat. Versuche mit Serum. (Pferdeserum, 10 ccm —= 133 mg N.) Kaninchen VIII. Das Tier ist schon monatelang mit Pferdeserum vorbehandelt. 21. II. 10 ccm intraperitoneal. 22/23. Harn minimale Spuren Eiweiß. 14. IV. Präzipitinreaktion positiv. 10 ccm intraperitoneal 133 mg N 15/16. Harn 7,5 mg N a7 Pros Uber das Schicksal der mit Umgehung des Darmkanals usw. 277 Kaninchen IX. Desgl. vorbehandelt. 2er... :10 &cm 133 mg 22/23. Harn 15 mg =.113 Proz. 14. IV. Präzipitinreaktion negativ. 10 ccm. Harn 3,5 mg 3 Pro Kaninchen X. Ganz frisches Tier. 27. III. 10 ccm desselben Serums 133 mg N 28. II. Harn 11,7 mg N — u 24V. . 10.eem. 39. IV. 10: cem. Harn-Spuren von Eiweiß, quantitativ nicht nachzuweisen. 2.V. 50cem auf einmal intraperitoneal. Tier fiebert abends bis 40,2°; erholt sich schnell. Harn enthält noch am vierten Tag Spuren Eiweiß. Bam 36. N. = 48 mg SEI PFOR| 10. 5. Präzipitinreaktion positiv. Schließlich wurde dem Kaninchen IV, das gegen Eiereiweiß „immun“ war, 30 cam Rinderserum intraperitoneal gegeben. Der Harn enthielt nach 24 h. nur Spuren Eiweiß, die nicht quantitativ zu bestimmen waren. Aus diesen Versuchen geht hervor, daß das Serum der fremden Tierart beim Kaninchen, obwohl es erst später Präzipitinreaktion hervorruft, doch von Anfang an fast restlos zurückbehalten wird. Ich möchte auf die minimalen Eiweißzahlen nicht sehr viel Gewicht legen, da bei diesen ungemein geringen Werten (wenige Milligramme) der natürlich vorkommende, eiweißähnliche Körper des Kaninchenharnes sehr wohl eine erhebliche Rolle spielen kann, und in anderen Fällen ja tatsächlich ein quantitativ bestimmbarer Eiweißkörper auch bei durchgeführter Analyse nicht gefunden wurde. Man kann also wohl ohne erheblichen Fehler annehmen, daß das Pferde- und Rinderserum restlos im Organismus auch des frischen Kaninchens retiniert, also wohl verbraucht wird; und daß auch hier, und das ist der Berührungspunkt mit den Eiweiß- versuchen, ein Einfluß der „Immunisierung*, die sich in der Präzipitinreaktion ausdrückt, in keiner Weise erkannt werden kann. In Übereinstimmung mit früheren Untersuchern wird also das Serum fast restlos aufgenommen; aber auch in dem ungünstigeren Falle, beim Eiereiweiß, verfügt der Organismus über Mittel, um in seiner Blutbahn kreisendes fremdes Eiweiß zum größten Teil festzuhalten, also auch wohl zu verwerten. Es zeigt dies, daß 978 Carl Oppenheimer, Über das Schicksal der mit Umgehung usw. also auch ein normalerweise eintretendes Übertreten von genuinem Nahrungseiweiß in die Blutbahn nicht ausgeschlossen ist und daß damit noch kein größerer Stickstoffverlust bedingt ist, da vielleicht diesen allmählich übertretenden geringen Mengen gegenüber die Niere ganz dicht schließt. Andere, auch pflanzliche genuine Eiweißkörper, soweit sie löslich sind, darauf zu prüfen, sei einer späteren Versuchsreihe vorbehalten. | Jedenfalls zeigen ferner die Serumversuche, daß auch die Aus- scheidung eigenen Körpereiweißes nach Injektion fremden Eiweißes sich hier wenigstens in minimalen Grenzen halten muß, wenn sie überhaupt auftritt, so daß man die Präzipitinreaktion auch nicht als eine Schutzmaßregel etwa gegen diesen Reiz auffassen könnte. Damit ist deren Funktion wieder in völliges Dunkel gehüllt. Von einer schweren Nierenreizung, wie sie Linossier und Lemoine (loc. cit.) gesehen haben wollen, kann hier nun schon gar keine Rede sein. \ Es ist mir eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle meinem hochverehrten Chef, Herrn Prof. Dr. N. Zuntz, für sein stets reges Interesse an dieser Arbeit meinen ergebensten Dank auszusprechen. XXV. Über das Verhalten des genuinen Serums gegen die tryptische Verdauung. Von Dr. phil. et med. Carl Oppenheimer und Dr. phil. Hans Aron, Assistenten des Instituts. (Aus dem tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin, Dir. Prof. Dr. N. Zuntz.) Der eine von uns hat vor kurzem in Gemeinschaft mit L. Michaelis*) die Aufmerksamkeit auf die schon früher 'ge- legentlich mitgeteilte Tatsache gerichtet; daß das genuine Serum zwar von Pepsin-Salzsäure leicht angegriffen wird, und somit seine Eiweißkörper peptonisiert werden, daß es dagegen eine erstaunlich hohe Resistenz gegen die Verdauung durch Pankreas- infuse und künstlich daraus hergestellte Trypsinpräparate besitzt. Diese Resistenz gegen Trypsin im Gegensatz zur Pepsinver- dauung ist besonders charakteristisch für lebendes Proto- plasma. Zuerst hatte Fermi**) darauf hingewiesen, daß lebende Mikroorganismen gegen Trypsin resistent sind. Später fand Matthes***) dasselbe für rote Blutkörperchen. Michaelis und Oppenheimer nahmen Veranlassung, auf Grund der von ihnen beobachteten Schwerangreifbarkeit des genuinen Serums die Vermutung auszusprechen, daß diese unver- änderten Eiweißstoffe der tierischen Gewebe möglicherweise noch in ihrer Konstitution eine gewisse Verwandtschaft mit der Struktur des Protoplasmas aufweisen möchten, und daß sie demzufolge in dieser Hinsicht eine gewisse Mittelstellung zwischen den leicht vom Trypsin spaltbaren Eiweißstoffen und dem völlig unangreif- baren lebenden Protoplasma einnehmen möchten. . *) Michaelis und Oppenheimer, Über Immunität gegen Eiweiß- körper. Engelmanns Archiv 1902. Suppl.-H. 2. **) Fermi, L’action des zymases prot£olytiques sur la cellule vivante. Archiv, Ital. d. Biol. 1895, 433. ***) Matthes, Experimentelle Beiträge zur Frage der Hämolyse. Münch. med. Wochenschrift 1902, 8. 8. 380 Carl Oppenheimer und Hans Aron, Inzwischen war aber die Frage nach der Ursache der Nicht- angreifbarkeit lebender Gewebe durch Trypsin in ein anderes Licht gerückt durch die hochwichtige Feststellung von Weinland*), daß es sich unter Umständen gar nicht um eine wirkliche Resistenz, sondern um ein Ablenken des Enzyms durch ein präformiertes Antiferment handelt. Weinland stellte fest, daß die Resistenz der parasitischen Eingeweidewürmer gegen die Enzyme des Darmes durch ein der- artiges Antiferment bedingt ist, dessen Isolierung ihm aus Askaris- extrakten gelang. Derartige Antitrypsine finden sich aber auch im Blutserum, wo sie u.a. von Camus und Gley“*), Charrin und Levaditi*”), Landsteinery), GlaessnerfTr) gefunden worden sind. Sie kommen in jedem normalen Serum vor, lassen sich aber auch durch künstliche Immunisierung von Meerschweinchen mit Trypsin gewinnen, wie AchalmerTrr) gezeigt hat. Diese Antikörper schützen vor allem andere Eiweißkörper vor der verdauenden Kraft des Trypsins, wenn man den Verdauungs- gemischen Blutserum zusetzt, und zwar sind deutliche quantitative Beziehungen zwischen der Menge zugesetzten frischen Serums und der Menge aktiven Trypsins zu demonstrieren. Durch Erhitzen auf 70°, wobei das Serum noch nicht koaguliert, kann man ihm die antifermentative Eigenschaft nehmen. Es drängt sich damit die Frage auf, ob diese Antifermente nicht auch bei der Resistenz . gegen Trypsin, die das Serum selbst aufweist, eine entscheidende Rolle spielen, ob also nicht die oben angedeuteten Vermutungen über eine aus der Konstitution des Serumeiweißes folgende Resistenz der Begründung entbehrten. Wir haben zur Entscheidung dieser und einiger anderer damit zusammenhängender Fragen dıe Resistenz des Serums und seiner Eiweißstoffe quantitativ untersucht und geben in folgendem *) Weinland, Über Antifermente I und II. Zeitschrift für Biologie 44 (1902). *) Camus und Gley, Action du sörum sanguin sur quelques ferments digestifs. Soc. Biol. 49, 825 (1897). **) Öharrin und Levaditi, Defense de l’organisme contre les pro- prietös des säeretions glandulaires. Soc. Biol. 52, 83 (1900). +) Landsteiner, Zur Kenntnis der antifermentativen Wirkung des Blutserums. C. f. Bakter. 27, 357 (1900). +7) Glaessner, Über die antitryptische Wirkung des Blutes. Diese Beiträge 4, 79 (1903). +++) Achalme, Propr. pathogöne de la trypsine. Ann. Pasteur 15, 737 (1901). Uber das Verhalten des genuinen Serums usw. 981 die bisher erzielten Ergebnisse. Leider konnte die Arbeit nicht ohne Störung schon jetzt so weit ausgedehnt werden, wie wir es für wünschenswert halten, da unsere gemeinsame Arbeit aus äußeren Gründen eine Unterbrechung erlitt. Wir hoffen indessen, später diese erste Mitteilung ergänzen zu können. Über die eingeschlagene Methode ist folgendes zu bemerken: Eine wirklich einwandsfreie Methode, um die Intensität einer Trypsinverdauung vergleichend zu messen, existiert bisher nicht. Bei der ungemeinen Kompliziertheit des Vorganges, bei dem zweifellos die verschiedensten chemischen Prozesse nebeneinander herlaufen, kann es nicht gelingen, ein Merkmal auszuwählen, das eine tatsächliche vergleichende Messung des Ablaufes der Ver- dauung gestattete. Das wäre nur möglich, wenn es uns gelänge, eine Phase des Prozesses isoliert zu untersuchen, die von einem chemisch be- kannten Stoffe zu einem oder mehreren andern bekannten Stoffen führte, wie das z. B. bei der Spaltung des Rohrzuckers oder des Amygdalins möglich ist. An diesen einfachen Vorgängen konnte Henri*) seine Messungen vornehmen, die ihn zu seinen theoretischen Vorstellungen über das Wesen der Fermentreaktion geführt haben. Aber schon bei der Stärkespaltung mußte er willkürlich ein Moment, nämlich die gebildete Maltose, heraus- greifen, da der ganze Prozeß sich als völlig undurchsichtig erwies. Noch viel mehr ist dies beim Abbau der Eiweißstoffe der Fall. Die verschiedenen Untersucher haben demzufolge die ver- schiedensten äußerlich erkennbaren Momente herausgegriffen, um den Abbau vergleichend zu verfolgen. Es sei nur erwähnt, daß man z. B. die spektrophotometrische Messung der Zunahme der Biuretreaktion [Klug**)], die Messung der optischen Drehung [Sehütz“*)], die Abnahme des spezifischen Gewichts [Sehiffy)] und der Viskosität [Spriggsry)] als Maßstab be- nutzt hat. Alle diese Methoden messen aber die Resultante der ver- schiedenartigsten Einwirkungen, deren Zusammenspiel man absolut nicht entwirren kann. Dasselbe gilt aber auch von der modernsten *) Henri, Lois genörales de l’action de quelques diastases. Paris 1903. **) Klug, Untersuchungen über Pepsinverdauung. Pflügers Archiv 60, 43 (1885), 65, 330. ”**) Schütz, Methode zum Bestimmen der relativen Pepsinmengen. Zeitschrift f. physiol. Chemie 9, 577 (1887). j) Schiff, Lec. d. phys. d. l. digestion. Berlin 1876. ir) Spriggs, On a new method of observing peptie activity. Journ. of physiol. 28. V,. (1902). 282 Carl Oppenheimer und Hans Aron, Methode, die nach dem Vorgange von Oker-Blom*) und Henri und Larguier des Bancels“) die Zunahme der elektrischen Leitfähigkeit als Maßstab nimmt. Obwohl diese Methode in der- selben Lösung zu jeder gewünschten Zeit Messungen vorzu- nehmen gestattet und dadurch vielleicht für derartige Unter- suchungen geeignet erscheint, konnten wir uns ihrer nicht be- dienen. Denn wenn wir die Zunahme der Leitfähigkeit in einer Verdauungslösung messen, in der die verschiedensten, einander beeinflussenden, uns vollständig unbekannten Reaktionen vor sich gehen, mit andern Worten, wenn wir in diesem Falle eine kolligative***) Eigenschaft messen, so bekommen wir kein klares Bild von der Wirkungsweise und der Art des Angriffs des Fermentes. Deshalb müssen wir eine genau mit chemisch- analytischen Methoden meßbare Phase der Verdauung und eine uns bekannte Reaktion als Maßstab herausgreifen. Schon andere Forscher benutzten rein chemisch-ana- lytische Methoden. | Huppert und Schütz’) z. B. haben bei ihren ausgedehnten Untersuchungen über das Zeitgesetz des Pepsins die gebildete Menge der sekundären Albumosen als Maßstab gewählt. Noch einfacher ist das Verfahren, das an festen Eiweißstoffen vielfach geübt wird, nämlich den Umfang der Auflösung zu messen, entweder durch Zurückwägen des Ungelösten, oder durch Messung an künstlich präparierten Eiweißzylindern, wie es die viel verwendete Mettscheffr) Methode tut. Ein ähnliches Verfahren schien auch für unsere Zwecke das (Greeignetste. Uns kam es nicht darauf an, den weiteren Verlauf der Spaltung zu verfolgen, sondern ausschließlich darauf, die erste Phase, die Vernichtung der Genuinität des Serumeiweißes vergleichend zu beobachten. Eine der Eigenschaften, die in erster Linie dabei verschwinden, ist die Koagulationsfähigkeit, und diese haben wir gemessen. Wir nahmen als Maßstab die Stickstoffmenge, die bei der Koagulation in sehr schwach saurer Lösung im Niederschlag ent- halten war, verglichen mit demselben Wert, der an dem genuinen *) Oker-Blom, Die elektrische Leitfähigkeit als Indikatoren der Eiweißspaltung. Skand. Archiv f. Physiol. 13, 359 (1902). **) Henri und Larguier des Bancels, Loi de l’action de la trypsine sur la gelatine. Soc. Biol. 55, 563 (15. V. 03). *#*) Ostwald, Lehrbuch der allgemeinen Chemie. S. 73. +) Huppert und Schütz, Über einige quantitative Verhältnisse bei der Pepsinverdauung. Pflügers Archiv 80, 470 (1900). 7r) Mett, Du Bois’ Archiv 1894, S. 68. Über das Verhalten des genuinen Serums usw. 283 Eiweiß erhalten wurde, und benutzten die Bestimmung des Stick- stoffgehaltes im Filtrat als Kontrolle. Daß auch dieses Verfahren nicht allen Anforderungen genügt, liegt auf der Hand; immerhin schien es uns für diesen Zweck am geeignetsten, zumal die Genauigkeit der Kjeldahlschen Stickstoffbestimmung die Auffindung sehr geringer Unterschiede gestattet. Im Detail wurden die Bestimmungen in folgender Weise durchgeführt: Zu den Versuchen wurde durchweg Pferdeserum benutzt, das aus frischem, defibriniertem Pferdeblut dargestellt war und mit einigen Tropfen Chloroform in fest verschlossener Flasche aufgehoben wurde. Das zur Verwendung gelangende Serum war nie älter als vier Wochen, auch stets nur schwach hämoglobinhaltig. Bei den ersten Versuchen wurden die Serummengen mit der Pipette direkt abgemessen, später wurde zur Er- zielung genauerer Resultate das Serum vorher mit der vier- bis fünffachen Menge physiologischer Kochsalzlösung verdünnt. Es wurde von jeder neuen Serumportion Gesamtstickstoff, Koagulabler und Filtratstickstoff be- stimmt, letzterer entsprechend bei der Berechnung in Abzug gebracht, da es sich nur um die Abnahme des genuinen, also koagulablen Eiweißes handelte. — Die Fermentmengen wurden so abgemessen, daß kurz vor dem Ansetzen einer Versuchsreihe etwa 10 bis 15 g Trypsin*) in un- gefähr 500 ccm physiologischer Kochsalzlösung zu einer feinen Emulsion gelöst und mit wenig Toluol versetzt, alsdann mit der Pipette, nachdem die Lösung jedesmal gut durchgeschüttelt war, die gewünschten Mengen entnommen wurden. Als Einheit (Trypsinmenge I) galten meist 10 ccm, manchmal 5 ccm dieser Lösung. Es wurde hier ebenfalls der Gesamt- stickstoffgehalt dieser Trypsinlösung, ferner der Anteil an koagulablem und nicht koagulablem Stickstoff ermittelt und bei der Berechnung der Analysen in Abzug gebracht. Großes Gewicht wurde darauf gelegt, die Konzentration an Eiweiß und an Elektrolyten in den einzelnen Proben jeder Versuchsreihe genau gleich zu machen. Es wurden stets erst 100 ccm einer 10proz. Na, CO,-Lösung zugegeben und schließlich die Lösung mit aq.isot. auf 100 ccm, bei einigen Versuchsreihen auf 150 ccm, aufgefüllt. Doch fand, um die Lösungen zu gleicher Zeit ansetzen zu können, der Zusatz des Ferments zu allerletzt statt, nachdem vorher in entsprechender Weise bei jeder Probe Sodalösung und physiologische Kochsalzlösung dem Serum zugesetzt war. Die gut durchgeschüttelten Proben wurden mit wenig Chloroform und Toluol — möglichst gleichen Mengen bei allen Proben — konserviert. Als Anfangszeit galt !/, Stunde nach dem Einsetzen in den Brutschrank, um die Lösungen vorzuwärmen. Das Unterbrechen der Verdauung fand durch tropfenweises Ansäuern mit einer ganz schwachen (2proz.) Essigsäure und sofortiges Erhitzen im Wasserbade bis zur flockigen Koagulation statt. Der möglichst gut aus- gewaschene Niederschlag und das Filtrat nach dem Ansäuern mit Schwefel- säure und Eindampfen wurden nach Kjeldahl verbrannt. Die Angaben der verdauten Mengen sind entweder in Prozenten des genuin vorhanden gewesenen, also anfangs koagulablen Serums oder in mg Stickstoff ge- *) „Pankreatin“ der Rhenania, ein recht wirksames Präparat. 984 Carl Oppenheimer und Hans Aron, macht. In beiden Fällen sind die vorher angedeuteten Korrektionen für Trypsinstickstoff und unkoagulablen Stickstoff angebracht. Einige Versuchsreihen (III—VII) wurden so angestellt, daß man bei ihnen eventuell die Gültigkeit des Schütz-Borissow- schen Gesetzes (cfr. Huppert und Schütz loc. cit.), das nach Vernon*) ja auch für die Trypsinverdauung des Fibrins gelten soll, auch bei der Verdauung der Serumeiweißkörper zu erkennen im stande war. Das Gesetz besagt bekanntlich, daß die Mengen der Ver- dauungsprodukte — in diesem Fall der sekundären Albumosen — den @Quadratwurzeln aus den Fermentmengen einerseits, den Quadratwurzeln aus den Zeiten andererseits proportional sind. So haben wir Versuche mit steigenden Zeiten bei gleichen Fermentmengen und mit steigenden Fermentmengen bei gleichen Zeiten angesetzt. Vor allem aber haben wir die Reihen so ge- wählt, daß die Menge der entstehenden Verdauungsprodukte immer die gleiche werden mußte**), indem wir Zeit und Ferment- ‘ menge so varlierten, daß ihr Produkt konstant blieb, also z. B. Zeit Ferment 1 4 2 2 4 1 USW. Die angestellten Versuche waren folgende: Zunächst bedurfte die Grundtatsache, daß genuines Serum schwerer angreifbar ist als normalerweise die Eiweißstoffe, der quantitativen Feststellung. Wir wählen als Vergleichsobjekt Kasein, in Form des Plasmons, seiner Natriumverbindung. Versuch 1. Serum: 40 cem mit 338 mg N; Plasmon: 3,5 g mit 396,55 mg. N; Trypsin: 2,5 g mit 370,5 mg N. 110 cem Gesamtvolum. Na,C0, 1 Proz., NaCl 0,85 Proz. Serum Plasmon Verdaut | Unverdaut| Verdaut |Unverdaut Zeit 14,78 Proz. | 27,76 Proz. 1 Tag 80,96'.. 2: vl BER 2 Tage 97,40 Re 7 Tage 98,04 4,00 . 15 Tage *) Vernon, Journ. of phys. 26, 405 (1901). **) cf. Bredig, „Elemente der chemischen Kinetik“; Ergebnisse der Physiol. 1, 1, S. 159. ee en EEE Meere. de ee ee ei u SEE TE En is ui u eu Ze Mh Seh Kl ee nn. Ti Be m Über das Verhalten des genuinen Serums usw, 255 Obwohl zu diesem Versuch so ungeheure Mengen Ferment angewandt wurden, daß der Stickstoffgehalt des angewandten Trypsins dem des Eiweißes fast gleichkam, ist doch noch eine bei- nahe eine Woche andauernde Resistenz des Serums zu konstatieren. Zu zeigen, daß Plasmon schon von viel geringeren Trypsinmengen ebenfalls ganz glatt seiner Fällbarkeit durch Säuren beraubt wird, schien überflüssig, da dies wohl als hinreichend oft bewiesen angesehen werden darf. Der zweite Versuch mußte prüfen, ob tatsächlich die Genui- nität des Serums es ist, die die so gefundene Resistenz bedingt. Zu dem Zwecke wurde ein vergleichender Versuch mit koagu- liertem Serum angestellt. Es erübrigt, darauf hinzuweisen, daß dieser Versuch nichts für oder gegen die Bedeutung des Anti- trypsins beweist, da dieses bei der Koagulation zerstört wird. Von vier gleichen Serumportionen wurden zwei durch Ansäuern mit Essigsäure im Wasserbad koaguliert, das gut ausgewaschene Koagulum zur Verdauung benutzt. Die Trypsinmengen waren schon erheblich ge- ringer als beim ersten Versuch, aber noch immer reichlich, wie ja die rasche Verdauung des koagulierten Eiweißes zeigt. Versuch I. Serum: 40 ccm mit 597,9 mg N; Trypsin: etwa 0,1g mit 14,05 mg N Gesamtvolumen 400 cem; Na,C0; 1 Proz. Genuin | Koaguliert Zeit | Verdaut Unv Be Verdaut Unverdaut 1 Tag | 47,7 Proz. | 43,4 Proz. | 93,7 Proz. | 6,2 Proz. 5 Tage 77,6 Proz. | 21,1 Proz. | 97,1 Proz. | 2,7 Proz. Es zeigt sich hier deutlich, wie das genuine Serumeiweiß dem Angriff des Trypsins einen viel größeren Widerstand entgegen- setzt als das Eiweiß derselben Körperflüssigkeit im denaturierten Zustande. Zu Ungunsten der koagulierten Proben kommt noch hinzu, daß bekanntermaßen rein mechanisch Eiweiß in koagulierter Form viel schwerer durch Fermente angreifbar ist als in kolloidaler Lösung. Es trägt dazu wohl hauptsächlich die Verkleinerung der Oberflächenwirkung bei, die bei der fermentativen Katalyse eine große, nach Hoeber*) vielleicht ausschlaggebende Rolle spielt. *) Hoeber, Physik. Chemie der Zelle und der Gewebe. Leipzig 1902. 286 Carl Oppenheimer und Hans Aron, Zuerst sollte nun festgestellt werden, welche Bedeutung für die Resistenz des genuinen Serums das von mehreren Forschern darin gefundene Antitrypsin besitzt. Es wurde ein vergleichen- der Versuch angestellt, bei dem unter den genau gleichen Be- dingungen die Einwirkung des Trypsins auf genuines, also Antitrypsin enthaltendes Serum und auf „inaktiviertes* Serum gemessen wurde, d. h. Serum, in dem das Antitrypsin durch zwei- stündiges Erhitzen auf 68° bis 70° zerstört war. (Achalme, loc. eit.) Versuch IIL Serum: 5 ccm mit 732 mg N. Trypsin: 5 ccm mit 1,55 mg N. 1 Proz. Sodalösung. Gesamtvolumen 100 ccm. Genuines Serum " Inaktiviertes Serum Zeit Verdaut Unverdaut Verdaut |Unverdaut 20 Std. 11,71 Pros 88,38 Proz. 25,56 Proz. |, 74,18 Proz. 495 25,68. „ 7501 , — -- 195 v7 98501 , 74.08. „ 26,43% ", TabNE 5 Bevor wir diesen Versuch einer Diskussion unterziehen, wollen wir anschließend einen zweiten beschreiben, der nach diesem ersten rohen Vorversuch als Kontrollversuch angesetzt wurde, und der die obwaltenden Verhältnisse deutlicher erkennen läßt. Versuch IV. Serumlösung: 50 cem mit 189,9 mg N. Trypsinlösung: 10 cem (Trypsinmenge I) — 23,01 mg N. Sodalösung: 0,85 Proz.; Gesamtvolumen: 100 cem. ee Genuines Serum |lInaktiviertes Serum Zeit menge | Verdaut |Unverdaut|) Verdaut [Unverdaut 1 Tag II 31,00 Proz. | 68,25 Proz. || 70,60 Proz. | 29,83 Proz. 2 Tage II 57,45... 1748,86"). 170,797 „0 an 3 Tage I | 6861 5, | 3708 | 71,58. „sagen 4 Tage 1...) 70,69. 6...1.80,59, 0. 7 ut2 2 see “Tage Tr ja ztloosa .. Tee 1 TaE, hy SUN 94,17. |. aBBa 52,31 „ ma 31,00 17 .,88,35 2 oa ı Tag IV 53,934. TA 5 I 76,70 Fe 4 Tage 1 1114, 5 moss, seele, Ze 4 Tage I. 1,7069 30179697 LEN Eee a u An A m nn - = Über das Verhalten des genuinen Serums usw. 987 Versuch IV B. Serum: wie vorher. Trypsinlösung (neu), jedesmal 20 cem mit 6,27 mg N. Volumen usw. wie oben. Genuines Serum | Inaktiviertes Serum || Zeit Bem. Verdaut Unverdaut Verdaut |Unverdaut 3 Tge. | 28,25 Proz. | 77,09 Proz. | 75,12 Proz. | 28,03 Proz. | | | se 39,54 , 64,41 Ran 22 2; (etwa | (etwa | 40,00 Fra) 762,94. 77, 79,00. Proz.) | 23,72 , b) am 6. Tage - | Je | mo, 12°, a em > RU | a: 9 en - neuer 1 Trypsin- | lösung ver- | setzt. Aus diesen sämtlichen Versuchen geht übereinstimmend her- vor, daß „inaktiviertes“ Serum von Trypsin glatt seiner Koagulıer- barkeit bis zu einem gewissen Punkte beraubt wird, also ein Teil des genuinen Serums nach dem Inaktivieren der tryptischen Ver- dauung keinen nennenswerten Widerstand mehr entgegensetzt, ver- glichen mit dem vollständig nativen Serum. Von jenem „End- punkte“ ab schreitet die Verdauung nur langsam fort, ebenso lang- sam fast wie beim genuinen Serum. Auch dieses erreicht jenen Endpunkt mit den gleichen Fermentmengen wie das inaktivierte, allerdings in viel längerer Zeit. Viel besser und charakteristischer als die Zahlen zeigt umstehende graphische Darstellung obiger Versuche die obwaltenden Verhältnisse. Der erst steile, dann immer mehr horizontale Verlauf gibt ein gutes Bild für die erst rasch fortschreitende, dann langsamer werdende und schließlich ganz versiegende Aufspaltung des nativen Eiweißes. Es zeigt sich ferner, daß jener „Endpunkt“ in einem gewissen Grade von der Fermentmenge abhängig ist, mit jhrem Wachsen sich immer mehr nach oben verschiebt, bis es schließlich gelingt, (s. Versuch I) durch genügend große Fermentmengen die Resistenz des restierenden Teils des Eiweißes ebenfalls fast gänzlich zu brechen. Hinzuzufügen wäre noch, daß (s. Versuch IV B) es mit ungenügenden Fermentmengen nicht gelingt, sämtliches Eiweiß zu verdauen, daß selbst eine neue Zugabe von Ferment in zwölf Tagen den „Endpunkt“ nicht überwindet. Es lassen sich folgende Tatsachen aus diesen letzten Ver- suchen feststellen: Inaktiviertes Serum wird in kürzester Zeit auch mit kleinen Fermentmengen bis zu einem Endpunkte verdaut; von hier ab 288 Carl Oppenheimer und Hans Aron, Verdaut % Versuch II. 30 4: —— (senuines Serum u ar Inaktiviertes Serum 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 Stunden Verdaut 0% Versuch IV. 100 Genuines Serum Tage 1 2 3 4 Verdaut % Versuch IVB. Zusatz neuen Fermentes Genuines Serum 0=0—0—-0- 0-0 nach Zusatz neuen Fermentes Inaktiviertes Serum .—. nach Zusatz neuen Fermentes Über das Verhalten des genuinen Serums usw. 289 steigt die Verdauung nur noch minimal an; ıst die Fermentmenge zu klein, so erreicht die Verdauung nicht sofort den Endpunkt, strebt ihm aber sehr schnell zu, viel schneller als beim genuinen Serum. Diese Tatsache berechtigt uns wohl im Anfang ein all- mähliches, kein plötzliches Ansteigen der Verdauung anzunehmen, wie wir es in den Kurven angedeutet haben. Genuines Serum wird langsam angegriffen, in der Schnellig- keit hauptsächlich, in dem Maße, wie weit der Angriff erfolgt, allein von der Fermentmenge abhängig. Auch hier ist jener „Endpunkt“ zu konstatieren, doch tritt er nicht so deutlich hervor. Da das Ansteigen der Verdauung überhaupt ein langsames ist, fällt es nicht so stark ins Auge, daß auch hier, wie beim „in- aktivierten“ Serum, eine erst stärkere, dann immer geringer werdende Abnahme der Koagulationsfähigkeit stattfindet. Bei einer weiteren Versuchsreihe wurde ein Serum benutzt, das durch eine sehr geringe Einwirkung von Pepsin-HCl vor- behandelt war. Versuch V. 300 ccm Serum, mit 0,2 g Pepsin in 0,3proz. HCI-Lösung drei Tage lang bei etwa 10° C. verdaut, bis die biologische Präzipitierbarkeit durch Immunserum von einem Kaninchen fast Null geworden, dann schwach alkalisch gemacht, mit dem gleichen Volumen 0,8proz. NaCl verdünnt. Zu jedem Versuch 10 ccm Serumlösung mit 52,74 mg noch koagu- lablem und 22,74 mg schon verdautem Stickstoff. Als Vergleich diente der Verdauungsversuch III mit genuinem Serum. Trypsinlösung wie III, desgl. Volumen. Angaben in Proz. des noch koagulablen Stickstoffs! Genuin Peptisch vorverdaut Zeit (Std) | Verdaut Unverdaut Verdaut Unverdaut e 20 14.41 Proz. |: 88,38: Proz. | 47,44 Proz, |: 47,56: Proz. 45 —_ _ 60,77 Proz. |; 43,91. Proz. 48 25,68 Proz. 75,01 Ph — — 125 28,04 Proz. | 74,05 Proz. || 61,38 Proz. | 40,55 Proz. Dieser Versuch zeigt, daß schon nach einer schwachen Pepsin- verdauung auch das noch koagulierbar gebliebene Eiweiß durch Trypsin in kurzem erheblich leichter seiner Koagulierbarkeit beraubt wird als natives Eiweiß. Da die Menge des auch nach dem Inaktivieren noch resistent gebliebenen Teils des Serums eine annähernd konstante war, Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 19 390 Carl Oppenheimer und Hans Aron, prüften wir bei dem besonders gut gelungenen Versuch IV, ob vielleicht jener Anteil mit einer der verschiedenen Serumfraktionen identisch war. Ein Versuch ergab: Versuch VI. Serumlösung: 50 ccm. Nach dem Inaktivieren leicht verdaulicher N: etwa 135 bis 140 mg. | In 50 ccm derselben Serumlösung Albumin-N: Gefunden: I: 140,22 mg. 2 Il: 153,00 mg. Der Albuminstickstoff wurde bestimmt, indem das Globulin mit Natriumsulfat*) ausgefällt und ein aliquoter Teil des Filtrats nach Kjeldahl verbrannt wurde; der Versuch wurde wiederholt. An diesen so gewonnenen Serumeiweißfraktionen wurde nun ein vergleichender Verdauungsversuch angestellt, wobei gleichzeitig auch hier der Einfluß des Erhitzens auf 68 bis 70° geprüft wurde. Versuch VL. Globulin: Durch 19 Proz. wasserfreies**) Natriumsulfat zweimal umgefällt, schwefelsäurefrei dialysiert. Probe: 50 Proz. Ammonsulfat, im Filtrat Eiweiß fast = 0. Albumin: Filtrate dieser Fällungen noch einmal mit 20proz. Na,SO, gefällt, schwefelsäurefrei dialysiert. (12 Tage.) Probe: Bis 52 Proz. Ammonsulfat keine Trübung. Beide Lösungen mit 10 g NaCl auf 1000 ccm aufgefüllt. Zu jedem Versuch: 75 ccm. Albumin: 56,4 mg koagulabler N Globulin: 79,97 „ Trypsinlösung: Menge I (5 cem: = 6,12 mg N). Angaben in mg N, (bei dem Beginn des Versuchs noch koagu- lablen N, abzüglich Trypsinfiltrat-N). ” ” 3 Albumin Globulin © a a zu Verdaut Unverdaut) Verdaut |Unverdautie I |4 |Genuin. 8,04 43,62 95,77 43.3 24 II | 2 |Genuin. 16,08 95,08 17,37 #620 je IV | ı |6enuin. 16,86 92,62 14,64 37,86 13 I 4 | Imakt. 18,84 35,64 34,34 23,64 |1a I | 2 | Inakt. m “e 21,75 42,06 19a IV |ı | ‚makt. BE 15,42 & 34,62 |3a I 1 |Genuin. 8,04 43,44 6,36 67,56 a *) Hopkins und Pinkus, Journ. of physiol. 27 (1901). **) Hopkins und Pinkus loc. eit. Über das Verhalten des genuinen Serums usw. 291 Es zeigt sich kein nennenswerter Unterschied in der Ver- daulichkeit. Will man diesen Versuch nicht für ganz wertlos halten, so ist vielleicht höchstens daraus zu ersehen, daß Albumin die Eigen- schaften des nicht zerlegten Serums wiederspiegelt. Diese Eigen- tümlichkeit des Albumins ist in anderen Fällen von anderen Forschern ebenfalls öfter beobachtet. Auf das Globulin dagegen scheint das Inaktivieren ohne nennenswerten Einfluß zu sein, eine Eigenschaft, die sich allerdings mit den vorher beim Gesamtserum erhaltenen Resultat gut in Einklang bringen ließe. Indessen lassen sich irgendwelche wichtigen Schlüsse aus dem Verhalten der präparativ hergestellten Eiweißstoffe des Serums nicht ziehen. Wir werden darauf am Schlusse der Arbeit nochmals zurück- kommen. Zusammenfassung und Diskussion der Resultate. Aus diesen Versuchen geht folgendes hervor: Das genuine Serum zeigt eine erhebliche Resistenz gegen die Einwirkung des Trypsins, ausgedrückt in der Er- haltung der Koagulationsfähigkeit eines Teiles des Eiweißes. Diese Resistenz geht zum größten Teile verloren, wenn man das Serumeiweiß durch Koagulation seiner Genuinität beraubt. In geringerem Maße bewirkt dasselbe eine sehr kurze Vor- behandlung mit Pepsinsalzsäure, die an sich die Koagulation nur wenig beeinträchtigt. Im genuinen Serum widersteht ein annährend kon- stanter, erheblicher Teil des koagulablen Eiweißes der Trypsinverdauung und wird auch bei längerer Ein- wirkung des Fermentes und bei Zusatz neuer Ferment- mengen nicht weiter beeinflußt. Jedoch ist dabei der Vorbehalt zu machen, daß es sich bei diesen Versuchen um relativ kurze Zeiten (in maximo zwölf Tage) und nicht sehr große Enzymmengen handelt. Wie wir aus früheren Versuchen (Michaelis und Oppenheimer loc. cit.) wissen, gelingt es meist, durch Anwendung ungeheurer Enzym- mengen und sehr langer Zeiten (bisweilen vieler Monate) auch genuines Serum restlos (bis zum Verschwinden der Biuretreaktion) aufzuspalten. Es handelt sich also auch hier nur um eine sehr weitgehende, aber nicht um eine absolute Resistenz. Vermutlich spielt bei den langen Zeiten die Wirkung des Alkalis eine unter- stützende Rolle, worauf wir unten zurückkommen werden. 19* 292 Carl Oppenheimer und Hans Aron, Die Menge des in diesem Sinne als resistent anzusehenden Eiweißes entspricht fast genau der Menge der Globuline des Serums, wie sie die Fraktionierung mit Hilfe von Natriumsulfat anzeigt. Man könnte deshalb auf die Vermutung kommen, daß es ausschließlich die Globuline sind, die vom Trypsin nicht an- gegriffen werden, wie denn Rostoski*) die Globuline als schwer angreifbar bezeichnet. So wahrscheinlich diese Annahme ist, so ist es doch nicht möglich, sie einwandsfrei zu begründen. Wenn man nämlich die Eiweißstoffe darstellt, die man gemeinhin als Serumalbumin und Serumglobulin bezeichnet, so ist ein so auf- fallender Unterschied in der Resistenz dieser Präparate gegen Trypsin nicht zu konstatieren, daß man daraus jene Annahme bekräftigen könnte (s. Versuche). Aber ebensowenig kann man aus dem unbefriedigenden Aus- . Tall dieser Analysen darauf schließen, daß die Vermutung falsch ist, daß das genuine Serumglobulin doch der Träger der Resistenz ist. Man kann sich eben der Annahme nicht verschließen, daß die Manipulationen, die man zur Gewinnung dieser Präparate vornehmen muß, die Einwirkung gesättigter Salzlösungen, die Dialyse usw., doch einen leicht verändernden Einfluß auf die nativen Eiweißstoffe haben, und daß man aus diesen künstlich hergestellten Stoffen nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Verhältnisse im frischen Serum machen kann. Wenn man bedenkt, daß Koagu- lation des Serumeiweißes die Resistenz sofort aufhebt, und anderer- seits, wie schnell jene künstlichen Präparate ihre Löslichkeit verlieren, in einen dem koagulierten ähnlichen Zustand über- gehen, so wird man auf diese Vergleichung wenig Gewicht legen. Für Veränderungen in der Struktur bei den Aussalzungen sprechen auch die Beobachtungen über Sulfatbildung beim Ausfällen von Serumeiweiß mit Ammonsulfat (Moerner)**) und die Fixierung neuer Fällungsgrenzen beim Serumalbumin (OÖppenheimer).*“*) Kurzum, es ist nicht unwahrscheinlich, daß tatsächlich das genuine Serumglobulin der Träger der Resistenz ist, ein Beweis dafür oder dagegen hat sich bisher aber nicht erbringen lassen. Es harmoniert diese Vermutung mit der vielfach vertretenen An- sicht, daß die Globuline in erster Linie die biologische Funktion, die Albumine mehr die des Nahrungseiweißes erfüllen sollen, wofür *) Rostoski, Vorl. Mittlg. in der Münch. med. Wochenschrift 1903. (Sitzungsber. d. Würzb. Phys. Med. Soz.) **) Moerner, Zur Kenntnis der Bindung des Schwefels in den Protein- stoffen. Zeitschrift f. physiol. Chemie 36, 247 (1902). *#*) Oppenheimer, Über Fraktionierung des Serumalbumins, Verhandl. d. physiol. Gesellsch. Berlin. Novbr, 1902. Über das Verhalten des genuinen Serums usw. 293 der Zusammenhang aller möglichen aktiven Zellstoffe, Toxine, Fermente, Antikörper mit den Globulinen herangezogen wird, so- wie die Beobachtung, daß bei hungernden Schlangen das Albumin aus dem Blute verschwindet, während das Globulin zurückbleibt*). Ein in dieser Hinsicht von uns am Kaninchen angestellter Versuch ergab nicht das erhoffte Resultat. Auch nach sechstägigem Hunger, bei dem das Tier 17 Proz. seines Körpergewichts verlor, betrug der Albumingehalt noch etwa 70 Proz. des Blutes, wie bei einem Kontrolltier in gutem Er- nährungszustande. Bei längerem Hungernlassen starb ein Tier am zehnten Tage. Weitere Versuche sind in Aussicht genommen, um diese Frage zu untersuchen. Sehen wir also von der bislang nicht zu entscheidenden Frage ab, ob es die Globuline des unveränderten Serums sind, die der Trypsinverdauung Widerstand entgegensetzen, so mußte durch weitere Versuche die Beziehung zwischen der Genuinität als solcher und der Resistenz, und andererseits die Beziehung zwischen dem Antitrypsin und der Resistenz der Aufklärung näher gebracht werden. Ein Mittel, das die Genuinität des nativen Serumeiweißes wenigstens in einer Richtung aufhebt, ist eine leichte Andauung mittelst sehr geringer Pepsinmengen. Wie L. Michaelis**) zeiste und andere Untersucher (OÖbermayer und Pick***), Rostoskir) bestätigen konnten, geht die Präzipitierbarkeit nor- maler Sera durch ihr reziprokes Präzipitin bald verloren, noch be- vor die Koagulationsfähigkeit merklich beeinträchtigt ist. Der Ver- lust dieser für genuine Eiweißstoffe charakteristischen Funktion zeigt also leichte Veränderungen des chemischen Zustandes an, wenigstens darf man dies in dem Falle annehmen, wenn man die präzipitinverbindende Gruppe als zum Eiweißkmolekül selbst ge hörig ansieht (cfr. Michaelis und Oppenheimer loc. cit.). Der oben angeführte Versuch mit pepsinangedautem Serum ergibt nun in der Tat eine beträchtliche Verminderung der Resi- stenz. Durch eine sehr geringe Einwirkung von Pepsin wird also der Angriff des Trypsins wesentlich ver- stärkt. *) Bunge, Lehrbuch der physiol. Chemie 2, 255f. **), L. Michaelis, Untersuchungen über Eiweißpräzipitine. Deutsche med. Wochenschrift 1902. ***) Obermayer und Pick, Biolog. Studien über das Eierklar. Wiener klin. Rundschau 1902, 15. 7) Rostoski, Habil. Schrift. Würzburg 1902. 994 Carl Oppenheimer und Hans Aron, Dieses Ergebnis ist nach anderen Richtungen ebenfalls nicht ohne Interesse. Die Tatsache, daß das Pepsin das Eiweiß gegen Trypsin empfindlicher macht, stützt auch andererseits unsere An- nahme, daß die bindende Gruppe für das Präzipitin, die dabei zu- erst verloren geht, tatsächlich dem Eiweißmolekül selbst angehört. Fernerhin ist die Leichtverdaulichkeit peptisch angedauten Serums für die physiologische Frage der doch zweifellos völligen Aus- nutzung des Serumeiweißes im Organısmus interessant, da diese Reihenfolge der Einwirkung den physiologischen Eingriffen des Organismus im Magen und Darm entspricht. Für die Frage nach der Bedeutung des Antitrypsins ist auch dieser Befund nicht entscheidend. Obwohl es nahe liegt, anzu- nehmen, daß die Leichterverdaulichkeit des mit Pepsin vor- behandelten Serums die Annahme eines Antitrypsins als über- flüssig erscheinen lassen könnte, so ist doch andererseits’ nicht von der Hand zu weisen, daß diese Vorbehandlung das Antitrypsin gerade so zerstören könnte, wie die Erhitzung bis zur Koagulation. Kommen wir nun zu der schwierigsten Frage, der nach der wirklichen Anteilnahme des Antitrypsins, so ist dabei folgen- des zu bemerken: Unsere Versuche geben uns keinen Grund, an der Annahme eines Antitrypsins im Blutserum zu zweifeln, dessen Existenz von mehreren Forschern als erwiesen angesehen wird. Wir können sogar mit einiger Sicherheit annehmen, daß auch gegen die Ver- dauung des Serums selbst das Antitrypsin wirksam ist. Etwas anderes ist aber, ob das Antitrypsin allein die Resi- stenz des genuinen Serums verschuldet. Zur Prüfung dieser Frage kann man zwei Wege einschlagen: Da das Antiferment stöchio- metrisch wirken soll, so kann es nur eine bestimmte Ferment- menge neutralisieren; sobald diese Grenze überschritten ist, muß das überschüssige Ferment keinen Widerstand mehr vorfinden. Wie Ehrlich*) für die Beziehungen zwischen Antitoxin und Toxin den Grenzwert der völligen Neutralisation (L,) eingeführt hat, so muß ein limes Null auch für die gegenseitige Bindung zwischen Ferment und Antiferment existieren. Die Kurven müßten dem- zufolge einen Sprung aufweisen: sie müßten oberhalb des Fer- mentwertes L, rapide ansteigen; infolgedessen dürfte außerdem das Schütz-Borissowsche Zeitgesetz der tryptischen Wirkung für antitrypsinhaltige Eiweißlösungen nicht stimmen. *) Ehrlich, Die Wertbemessung des Diphtherieheilserums. Klinisches Jahrb. 6 (1897), cfr. auch Oppenheimer, „Die Bakteriengifte“ in Wasser- mann-Rolle, „Handb. d. pathogenen Mikroorganismen“. Jena 1902, 1. Über das Verhalten des genuinen Serums usw. 295 Das zweite Mittel ist die Vernichtung des Antitrypsins durch Mittel, die die Genuinität des Eiweißes nicht antasten; als solches haben wir das Erwärmen auf 68° gewählt. Ein solches „in- aktiviertes“ Serum mußte, wenn nur das Antitrypsin die Wirkung des Fermentes hemmte, ohne Schwierigkeit der Trypsin- verdauung unterliegen. Die Versuche in bezug auf den ersten Punkt haben nichts Ent- scheidendes ergeben. Die Verdauung des genuinen Serums zeigt keinen deutlichen Sprung in der Kurve, und auch die Abweichungen vom Zeitgesetz sind nicht ausgesprochen genug, um die Existenz eines hier wirksamen Antifermentes zu erweisen oder auszu- schließen. Das Zeitgesetz hat nach unseren Versuchen beim genuinen Serum für größere Fermentmengen annähernde Giltig- keit, für kleinere nicht. Das spricht wohl für die Existenz eines Antitrypsins, das kleinere Fermentmengen neutralisiert, beı größeren aber in den Hintergrund tritt. Wenn aber das Anti- trypsin nur wenig Trypsin abzulenken im stande ist, so kann diese Wirkung in den Anfangsteilen unserer Kurven unerkannt bleiben. Aber dann ist eben die Menge des wirksamen Antitrypsins zu gering, um die Resistenz des genuinen Serums zu erklären, und wir müssen nach weiteren Ursachen für diese Resistenz forschen. Und darauf allein kommt es bei diesen Ver- suchen an, die ja, wie gesagt, die Existenz eines Antitrypsins gar nicht in Zweifel ziehen sollen. Das seines Antitrypsins beraubte, bei 63° „inaktivierte“ Serum zeigte nicht eine quantitativ erhebliche Resistenzverminderung. (Versuch III und IV.) Ceteris paribus wurde bei Anwendung gleicher Trypsinmengen nach einer gewissen Zeit ein gleicher Anteil des Serumeiweißes unangegriffen gefunden. Eine ausschlaggebende Wirkung des Antitrypsins ist also hier nicht anzunehmen. Wohl aber zeigt sich ein bemerkenswerter Unterschied, wenn man die ersten Stadien betrachtet. Es zeigt sich eine deutliche Verzögerung in der Angreifbarkeit. Das genuine Serum erreicht langsam, erst nach mehreren Tagen, einen Punkt, den das inak- tivierte schon nach 24 Stunden erreicht hat. Wie diese Tatsache zu erklären ist, wagen wir nicht zu entscheiden; es ist durchaus plausibel, für diese ersten Stadien der Verdauung die Hemmung durch das Antitrypsin des genuinen Serums in den Vordergrund zu stellen und etwa anzunehmen, daß das ursprünglich wirksame Antiferment binnen vier Tagen bei Bruttemperatur zerstört wird. 996 Carl Oppenheimer und Hans Aron, Doch im Falle dieser Annahme tritt dann um so mehr die Frage hervor, worauf denn die dann bestehende Resistenz beruht. Nicht auf einer Vernichtung des Trypsins. Abgesehen davon, daß vier Tage für die Wirksamkeit eines guten Präparates, wie die Kontrollen an leicht verdaulichen Eiweißstoffen zeigen, eine aus- reichende Frist sind: unsere Versuche zeigen ja, daß auch neuer Fermentzusatz in mäßigen Grenzen während kurzer Zeiten nichts mehr am Resultate ändert. Es sei hier, um Mißverständnissen vorzubeugen, nochmals daran erinnert, daß übergroße Ferment- mengen und sehr lange Zeiten schließlich allerdings zumeist auch diesen Widerstand besiegen. Wir dürfen also aus unseren Versuchen den Schluß ziehen, daß die Existenz eines Antitrypsins allein nicht die Resistenz des genuinen Serums gegen Trypsin zu erklären vermag. Es muß also in der chemischen Eigenart des genuinen Serumeiweißes der Hauptgrund für seine Schwerangreifbarkeit liegen. Wenn wir uns auf den Boden stellen dürfen, daß die Fermente in ihrer spezifischen Wirkungsart gewisse thecretisch wichtige Analogien mit den Toxinen aufweisen, so dürfen wir es wagen, über die Ursache dieser Erscheinung einige Vermutungen zu äußern. Wie für die Toxine nach den Annahmen der Ehrlichschen Seitenkettentheorie bestimmte Angrifispunkte notwendig sind, ohne die eine Wirkung nicht eintritt, so könnte man auch für die spezifische Wirkung der Fermente ähnlich beschaffene Angriffs- punkte voraussetzen. Der eine von uns hat an anderer Stelle“) das Für und Wider einer solchen Hypothese ausführlich ausein- andergesetzt und gezeigt, daß sie zwar manche sehr große Schwierig- keiten darbietet, aber andererseits, wenn man sie rein heuristisch auffaßt, einen gewissen Wert haben kann. Man könnte sich dementsprechend vorstellen, daß ein Teil der Eiweißstoffe des genuinen Serums — nach den oben gegebenen Daten vielleicht die nativen Globuline —, sehr arm an solchen sterisch bestimmten Angriffispunkten für das Trypsin ist, während durch die leicht eingreifenden Manipulationen, die ihn seiner Genuinität berauben, diese Angriffspunkte in größerer Zahl frei werden. Solche Eingriffe sind die Koagulation, die Andauung durch Pepsinsalzsäure, das Umfällen mit konzentrierten Neutral- salzen. Bei allen diesen Vorgängen wirken Elektrolyte auf die *) Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. II. Aufl. Leipzig 1903. u A DL u u u a a A ZU u a ia ı z \ RIEGEL WERE. a 0 <ä Über das Verhalten des genuinen Serums usw. 297 kolloidale Eiweißsubstanz ein; und man darf wohl annehmen, daß es schon hier zum Eintritt von Wasser, zu Hydratisierungen, kommt, die Atomgruppierungen, die vorher ineinander gekettet waren, frei macht. Es ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß gerade im genuinen Serumeiweiß dıe spezifischen Gruppen an ein- ander gekettet sind, sodaß das Ferment nicht eingreifen kann, während sie nach der Hydratisierung frei und bindungsfähig werden. In ähnlicher Weise müssen in langen Zeiträumen die Elektro- iyte der schwachen Sodalösungen, mit denen man die Verdauungs- gemische stehen läßt, verändernd einwirken, wie ja auch ohne jedes Ferment Eiweißkörper bei langem Stehen mit Wasser schließlich zerfallen (Salkowski). So wäre zu erklären, daß schließlich das Ferment auch das genuine Eiweiß völlig aufspaltet. Daß diese „spezifische Bindung“ für die Wirkung der Fer- mente und auch besonders des Trypsins eine absolut ausschlag- gebende Rolle spielt, hat Henri*) neuerdings energisch verfochten, der auf Grund physikalisch-chemischer Messungen auch speziell bei der Trypsinspaltung**) zu dem Ergebnis gelangte, daß die Hydro- lyse eine mittelbare Katalyse (catalyse mediate) ist, die sich durch Bindung des Enzymes an das Substrat und Zerfall der ent- standenen lockeren Verbindung vollzieht. Er nimmt also auch in den verdaulichen Eiweißkörpern eine solche spezifische Bindung des Ferments an passende Atoingruppierungen an. Ob diese spezifisch bindenden Gruppen in Zusammenhang stehen mit den im Eiweißmolekül supponierten Aminogruppen, die in den intakten Molekülen fest gebunden sind, sei es durch . Aldehyd- oder Carbonylgruppen (Loew““”), En eisterf), sei dahingestellt. Jedenfalls sei im Hinblick darauf die Take erwähnt, daß die Verbindungen der Eiweißkörper mit Alde- hyden, die also eventuell sich an die Aminogruppen kuppeln, nach rn} r) gegen die Trypsinverdauung absolut resistent sind. Auch Schwarzschildfrr), der bei Hofmeister fand, daß die Curtiussche Base durch Trypsin spaltbar ist, nimmt die spezi- *) Henri, Lois genörales de l’action de quelques diastases. Paris 1903. *) Henri, Soc. Biol. 55 (12. VII. 1903.) *=**) J,oew, Eine Hypothese über die Bildung des Albumins. Pflügers Archiv 22, 503 (1880). 7) Hofmeister, Über Bau und Gruppierung der Eiweißkörper. Asher-Spiro, Ergebnisse I, 1 (1902). +}) Schwarz, Über Verbindung der Eiweißkörper mit Aldehyden. Zeitschrift f. physiol. Chemie 31, 460 (1901). +r}) Schwarzschild, Über die Wirkungsweise des Trypsins. Diese Beiträge 4, 155 (1903). 298 Carl Oppenheimer und Hans Aron, fische Konfiguration der gekuppelten Aminosäuren als ausschlag. gebend für die Angriffsfähigkeit des Try psins an. Andererseits findet sich nach E. Fischer und Abder- halden*) in jedem Eiweißkörper, der nicht zuvor ander- weitig verändert ist, eine noch ziemlich komplexe Gruppe, ein Polypeptid, das noch sämtliche Aminosäuren gebunden enthält, und gegen Trypsin absolut resistent ist. Damit erhält die alte, fast gestürzte Kühnesche Lehre vom Antipepton, das gegen Trypsin resistent ist, eine neue exakte Begründung. Daraus geht jedenfalls hervor, daß es Konstellationen im Eiweißmolekül gibt, die zwar an sich, z. B. durch Säuren, leicht hydrolytisch spaltbar sind, aber dem Trypsin keine Angriffspunkte darbieten. Und so darf man denn wohl ohne theoretische Be- denken sich der Ansicht zuneigen, daß unter Umständen auch größere Komplexe innerhalb des Eiweißmoleküles, die noch die Eigenschaft der Koagulation besitzen, derartiger Angriffspunkte entbehren, daß diese Komplexe aber schon durch leichte Eingriffe, ja selbst durch die langsame Wirkung der schwachen Alkalien so verändert werden, daß nunmehr die nötigen Angriffspunkte für das Trypsin frei werden. Derartige Konfigurationen sind auch schon für einfachere Stoffe angegeben worden. Nach Bourquelot**) ist die Gentianose, ein Trisaccharid, durch Emulsin unangreifbar; wenn es aber durch Invertase in Glykose und Gentiobiose gespalten ist, wird letztere leicht von Emulsin weiter gespalten. Noch ähnlicher unseren Verhältnissen ist die Resistenz der Mannane gewisser Palmen gegen die Wirkung der Seminase, die zahlreiche andere Mannane ähnlicher Natur aufspaltet. Bourquelot***) gelang es aber, durch vorsichtiges Behandeln mit kalter Schwefelsäure das Mannan ohne sichtliche Aufspaltung so zu verändern, daß es nunmehr durch Seminase glatt aufgespalten wurde. Es gelang ihm dann späterf) in den Samen von Phytelephas auch ein Enzym aufzufinden, das direkt auf das Mannan der Palmen wirkt, also eine Verwandtschaft zu den bindenden Gruppen besitzt, die den *) E. Fischer und Abderhalden, Über die Verdauung einiger Eiweiß- körper durch Pankreasfermente. Zeitschrift f. physiol. Chemie 39, 81 (1903). **) Bourquelot, Sur !’hydrolyse des polysaccharides etc. Journ. Pharm. Chim. (6) 16, 578 (1903). ***) Bourquelot und Herissey, De l’action successive des acides et des ferments solubles sur les polysaccharides. Soc. Biol. 59, 567 (15. V. 03). 7) Bourquelot und Herissey, Sur l& mecanisme de la saccharific. des mannanes etc. Soc. Biol. 55, 629 (12. VI. 03). | Uber das Verhalten des genuinen Serums usw. 299 gewöhnlichen Seminasepräparaten fehlt. Das Enzym von Phytele- phas ersetzt also die Behandlung mit Schwefelsäure. Fassen wir das Ergebnis kurz zusammen: Das genuine Serum zeigt insofern eine Resistenz gegen die Trypsinverdauung, als ein beträchtlicher Teil seiner Eiweißstoffe lange Zeit hindurch seine Koa- gulationsfähigkeit behält. Diese Eigenschaft geht durch vorherige Koagulation verloren, wird durch geringfügige Einwirkung von Pep- sinsalzsäure erheblich geschwächt. Erhitzen auf 68° verändert nur die Form der Kurve nicht die quantitativen Verhältnisse. Die Wirkung eines Antitrypsins an sich ist nicht ausreichend, um diese Resistenz zu erklären; man muß eine spezifische Konfiguration des genuinen Serums, selbst annehmen. Diese Konfiguration beruht wahrscheinlich auf dem Mangel an Angriffspunkten für das Ferment, die zur Ausbildung der intermediären Verbindung zwischen Ferment und Substrat nötig sind. Das Zeitgesetz von Schütz-Borissow läßt sich beim genuinen Serum nicht mit Sicherheit auffinden. Es gilt annähernd nur für etwas größere Fermentmengen. Unserem hochverehrten Chef, Herrn Prof. Zuntz, für sein lebhaftes Interesse an dieser Arbeit unseren ergebensten Dank auszusprechen, ist uns eine angenehme Pflicht. XXV1. Die Fällung von Kolloiden. Von K. Spiro. Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg. \ 1. Die Giltigkeit des Verteilungssatzes für die Aussalzung. Die Fähigkeit der Eiweißkörper wie anderer Kolloide bei einer bestimmten Temperatur oder durch Zusatz gewisser Stoffe, z. B. Alkohole verschiedener Art, in eine unlösliche Modifikation über- zugehen, zu „gerinnen“, ist wohl das älteste Verfahren, das zu ihrer Abscheidung benutzt wurde; ein zweites Verfahren zur Ab- scheidung der Kolloide ist die Überführung in unlösliche Ver- bindungen durch chemische Eingriffe, indem man mit Hilfe von Jonenreaktionen unlösliche Salze darstellt. Diese Methoden haben wohl für analytische Zwecke eine besondere Bedeutung, können aber natürlich nicht zur Aufklärung über das physikalische Ver- halten der Kolloidlösungen dienen. Vergleichsweise spät hat man nach dem Vorgange von Denys, Heynsius, Hoppe-Seyler, Hammarsten, Kühne u. a. auch die Abscheidung durch Zufügung von Neutralsalzlösungen benutzt. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, daß dabei eine Koagu- lation der Eiweißstoffe vermieden wird; weiter entwickelt ist es dann in der von Hofmeister eingeführten Methode der fraktio- nierten Salzfällung. Eınpirisch ist dieses Verfahren so viel- fältig und mit so unzweideutigem Erfolg angewandt (man denke nur an die Fraktionierung der Bluteiweißkörper und der Albu- mosen), daß Zweifel an seiner Brauchbarkeit für eine große Anzahl von Fällen nicht bestehen; über das Wesen des Aussalzungs- vorgangs liegen jedoch nur ganz wenige Untersuchungen vor.*) *) Schulze, Journ. f. prakt. Chemie 25, 431; 27, 320. — Prost, Bull. de l’Acad. Roy. de Belg. 1887, 312. — Linder und Picton, Journ. Chem. Soc. 67, 63. — Hardy, Zeitschrift f. physik. Chemie 33, 385. Die Fällung von Kolloiden. 301 Wenn wir die bei der Aussalzung der Eiweißkörper resp. der Kolloide bisher gefundenen Tatsachen zusammenstellen, so fällt in erster Linie auf, daß das Phänomen ohne störende Nebenreaktion zumeist nur durch Neutralsalze, d. h. elektrolytisch dissoziable Verbindungen hervorgerufen werden kann. Das habe ich zuerst beim kolloidalen Eisenoxyd (Zuckerlösungen, Harnstofflösungen fällen nicht), Pauli dann in umfassenderer Weise bei den Eiweiß- körpern festgestellt). Dabei rufen die Salzlösungen keine chemische Veränderung der Kolloide hervor, denn im Gegensatz zur Wirkung der Hitze- koagulation bleiben bei der Aussalzung die Kolloide zunächst un- verändert und können durch Verdünnung wieder in Lösung ge- bracht werden. Wie wichtig dies für das Studium der Eiweißkörper geworden ist, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Da bei der Fällung mit Alkohol, Phenol, Aceton oder ähnlichen Stoffen („Alkoholfällung“) Eiweiß leicht in eine nicht mehr lösliche Modifikation übergeht, so hat man die Salzfällung als etwas von der Alkoholfällung prinzipiell Verschiedenes angesehen und ist dazu gelangt, das Fällungsvermögen der Salzlösungen mit ihrer Ionisation, ihrer elektrischen Ladung, in Zusammenhang zu bringen. Man hat jedoch keinen ausreichenden Grund, die Alkohol- fällung von der Salzfällung in der angegebenen Art zu unterscheiden: fällt man eine Lösung von kristallisiertem Serum- albumin mit Alkohol oder Aceton, so ist der entstandene Nieder- schlag zunächst noch vollkommen wasserlöslich, er geht nur ganz allmählich durch eine sekundäre Reaktion in eine unlösliche Modi- fikation über; die Geschwindigkeit, mit der diese sekundäre Re- aktion eintritt, ist für die einzelnen Eiweißstoffe verschieden, z. B. für das kristallisierte Ovalbumin größer als für das kristallisierte Serumalbumin; für alle aber läßt sich zeigen, daß es sich um eine sekundäre Reaktion handelt. Eine solche sekundäre Nebenreaktion tritt aber auch bei der Salzfällung sehr häufig ein. Kristallisiertes Ovalbumin, das längere — Spring, Bull. de l’Acad. Roy. de Belg. 1900, 483. — Bredig, An- organische Fermente S. 15. — Whitsey und Ober, Zeitschrift f, physik. Chemie 39, 630. — Barus, Americ. Journ. of Science 37, 122. — Bod- länder, Nachr. d. Kgl. Ges. d. Wiss. Göttingen 1893, 267. — H. Freund- lich, Zeitschrift f. physik. Chemie 44, 129. — R. Höber, Physik. Chemie der Zellen und der Gewebe. Leipzig 1902. — Rothmund, V., Zeitschrift f. physik. Chemie 35, 401. *) Spiro, Über physikalische und physiologische Selektion. Straß- burg, Verlag der Schmidtschen Univ.-Buchhdlg. — Pauli, W., Pflügers Archiv 78, 8315. — Diese Beiträge 2, 1; 3, 225 (zum Teil mit P. Rona). 302 K. Spiro, Zeit mit neutraler oder schwach saurer Ammonsulfatlösung in Be- rührung war, wird zum Teil in Wasser unlöslich und ändert sich auch sonst in seinem Verhalten, z. B. Verdauungsfermenten gegen- über. Ebenso geht kolloidales Eisenoxyd bei der Fällung mit Salzen sehr schnell in das nicht mehr lösliche Oxyd über, schneller als z. B. Serumalbumin bei der Fällung mit Alkohol unlöslich wird. Da die Löslichkeit des Fällungsproduktes, die Reversibilität des Fällungsprozesses, bisher allein zur Unterscheidung von Alkohol- und Salzfällung diente, so ist nach dem Gesagten diese Trennung prin- zipiell nicht mehr zu rechtfertigen*); und wenn wir die beiden Me- thoden nicht als wesentlich verschieden anzusehen berechtigt sind, so dürfen wir auch nicht für die Erklärung der Salzfällung nur solche Momente heranziehen (Ionisation, Dielektrizitätskonstante), die für die Alkoholfällung nicht in Betracht kommen und daher auch für die Salzfällung nur als begleitende Momente aufzufassen sind. Daß für die Wirkung der Salze nicht einfach molekulare Ver- hältnisse in Betracht kommen, ergaben bereits die ersten Versuche, ebenso daß die einzelnen Salze in ihrem Wirkungsgrad sehr er- heblich differieren, Bittersalzlösung stärker wirkt als Kochsalz- lösung, Ammonsulfat stärker als Bittersalz. Systematisch hat zu- erst Hofmeister“) mit seinen Schülern diese Verhältnisse studiert und gewisse Gesetzmäßigkeiten gefunden, z. B. für ähnlich konstituierte Salze eine Beziehung zum Molekulargewicht festgestellt und damit den Vorgang als einen molekular-physikalischen erwiesen. Hofmeister konnte ferner zeigen, daß das Fällungs- vermögen der Salze sich im allgemeinen additiv aus dem Fällungs- vermögen der beiden Ionen zusammensetzt. Einen neuerlichen sehr wesentlichen Fortschritt in dieser Frage verdanken wir W. Pauli. Durch die Untersuchung der fällenden Wirkung kombinierter Salzpaare konnte er feststellen, daß einzelne Salze auch die Fällung verhindern können, was ihn dazu führte, die Effekte der Ionen eines Salzes nicht als gleich- sinnig, sondern als antagonistisch wirkende Größen zu betrachten; da die positiven H-Ionen Fällungsmittel sind, nimmt Paulian, daß die Kationen der Salze fällen, die Anionen Fällung hindern, und daß sie sich dabei in folgende Reihen bringen lassen: Fällend: Mg J > Br> CIO, > NO, > C1> CH, COO > Tartr. > Citr. > PO, > SO, > Fl. *) Beide Fällungsmethoden zeigen auch in anderen Punkten Überein- stimmung, so wird sowohl die Alkoholfällung, als aucb die Salzfällung von Eiweißkörpern durch Harnstoff gehemmt (Spiro, Pauli). **) Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 25, 1; 27, 295; 28, 210. Die Fällung von Kolloiden. 303 Eine ganz ähnliche Reihenfolge und dieselbe spezielle Differenz zwischen den beiden Ionenarten hatte schon vorher Posternak‘*) festgestelli. An dem Eiweiß des Samens von Picea excelsa konnte er feststellen, daß dessen schwach alkalische Lösungen leichter durch Chloride als durch Bromide, als durch Nitrate, als durch Jodide gefällt werden, während für die Kationen die Reihe lautet NH, >K >Na; umgekehrt war in der sauren Lösung J > NO, > Br >Clund Na > K > NH. Wie man sieht, findet in der alkalischen Lösung eine Umkehrung der Paulischen Reihenfolge der Kationen, in der sauren eine solche der Anionen statt. Ebenso wie die Salze sich in ihrem Fällungsvermögen unter- scheiden, tun dies auch die verschiedenen Eiweißstoffe in ihrer Fällbarkeit: die Fällungsgrenzen sind verschieden für die ein- - zelnen Stoffe. Gesetzmäß:gkeiten haben sich hierfür noch keine ergeben, da wir ja über die wichtigsten physikalischen Eigenschaften der Eiwei&stoffe noch nicht unterrichtet sind; hervorgehoben mag nur das eine werden, daß diejenigen Stoffe, welche zu ihrer Lösung der Anwesenheit von Salzen bedürfen (Globuline, Heteroalbumose), auch am leichtesten durch Salze ausgefällt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist endlich, daß die Fällungs- grenzen für einen und denselben Eiweißkörper nicht unerheblich von der Konzentration der Lösung abhängen. Darauf hat Hof- meister schon in seinen ersten Mitteilungen hingewiesen; es ist dieser Punkt nicht nur von hervorragend praktischer Bedeutung, sondern er zeigt uns auch, daß hier nicht einfache chemische resp. stöchiometrische Verhältnisse vorliegen. Konzentrierte Lösungen beginnen früher auszufallen als verdünnte; doch läßt sich bei allen Eiweißkörpern ziemlich bald ein Punkt erreichen, von Jem an eine mehr oder weniger große Verdünnung auf die untere Fällungsgrenze ohne merklichen Einfluß ist. Wie ist nun die Aussalzung zu erklären? Man spricht zu- nächst meist von „Entziehung des Lösungsmittels“ oder von „Löslichkeitsverminderung“. Daß eine solehe Löslichkeitsvermin- derung eines Stoffes durch Gegenwart eines zweiten hervorgerufen werden kann, ist nicht nur eine Erfahrungstatsache, sondern ist eine einfache Folgerung, wenn wir den osmotischen Druck mit dem Dampfdruck nach van’t Hoff in Analogie setzen. Nernst**) kam ı — =, wol die Löslichkeit eines Kör- pers N in A, !’ die nach Zufügung eines anderen Körpers, und *) Annal. de I’Institut Pasteur 15, 85. **) Zeitschrift f. physik. Chemie 4, 150; 6, 16. so zu der Formel 304 K. Spiro, n resp. N die Zahl der Molekel des gelösten Stoffes bzw. des Lösungsmittels ist; man kann also unter bestimmten Verhält- nissen auf diesem Wege auch zu einer Molekulargewichtsbe- stimmung gelangen. So einfach liegen die Verhältnisse aber nicht immer. Fassen wir als Beispiel der Löslichkeitsverminderung die Ausfällung der Salze aus wässeriger Lösung mit Alkohol ins Auge: Bei steigenden Mengen Alkohol finden sich in 100 Teilen der Lösung 0 Proz. 10- Proz. 20 Proz. 30 Proz. Alkohol NaCl 26,4 293,2 18,4 14,9 Na,SO, 25,6 14,35 5,6 — 40 Proz. 50 Proz. 60 Proz. 80 Proz. Alkohol Nat. Ar 8,9 5,6 12 Na,SO, 1,3 — — — Man erkennt keine Beziehung der Löslichkeitsverminderung zum Weingeistzusatz, und wenn man annehmen wollte, der Alkohol entziehe dem Salz Wasser als Lösungsmittel, so kommt man zu folgenden Zahlen: Es sind an H,O entzogen bei einem Gehalt von 10 Proz. 20 Proz. 30 Proz. 40 Proz. Alkohol aus NaCl-Lösung 5,9 10,31 13,56 15,68 Teile aus Na,SO,-Lösung 33,06 58,12 — 54,92 Teile 50 Proz. 60 Proz. 80 Proz. Alkohol aus NaÜQl-Lösung 16,29 18,79 16,38 Teile aus Na,SO,-Lösung — — — Teile. Ich habe diese Berechnung nur für diese beiden Salze angestellt, weil sie schon zur Genüge zeigt, daß die Ausfällung nicht nur auf einer :der Alkoholmenge proportionalen Entziehung des Lösungs- mittels beruhen kann. Ferner zeigt ein Vergleich der beiden Reihen, wie außerordentlich verschieden in beiden Fällen die Löslichkeits- verminderung ist, wie sehr die Form der Kurve von der Art des angewandten Salzes abhängt. Andere Salzlösungen werden durch Alkohol in zwei Schichten getrennt, von denen die eine eine ‚ konzentrierte Salzlösung mit wenig Alkohol, die andere konzentrierter Alkohol mit wenig Salz ist. Bekannt ist ja, daß man K,CO, und Öall, dementsprechend zur Reinigung der Alkohole anwendet. Wenn man sich von dem Vorgang ein Bild machen will, so muß man alle drei vorhandenen Stoffe betrachten. — Dazu führt uns auch folgende Überlegung: Brauche ich zur Lösung von a g Eiweiß bg Wasser, sind aber in einem bestimmten Volumen Ammonsulfat- R b 5 lösung C nur — Wasser noch so vorhanden, daß sie zur Lösung des x Eiweiß dienen könnten, so müßten sich doch die a g Eiweiß ın Die Fällung von Kolloiden. 305 x. C Lösung lösen, z. B. ein zwischen 50 und 60 Vol.-Proz. Ammon- sulfatlösung ausfallender Eiweißkörper sich auch in einer etwas größeren Quantität 60 Vol.-Proz. Ammonsulfatlösung auflösen lassen, usf. Gerade für die Aussalzung der Eiweißkörper hat sich aber ergeben, daß die absoluten Mengen der Lösungsmittel inner- halb gewisser Grenzen einflußlos sind. Ein ganz ähnliches Verhalten finden wir nun bei der gleich- zeitigen Wirkung zweier miteinander nicht mischbarer Lösungs- mittel: Wenn wir Bernsteinsäurelösung mit Äther schütteln, so geht in den letzteren sechsmal soviel von der Säure über, gleichgiltig wie immer wir das Verhältnis von Äther und Wasser variieren, wie die folgende Tabelle Berthelots*) zeigt. Gehalt in - . Wasser Ather Teilungskoeffizient Was Ather = ser theı C, C, 0,76, 70 30 42,4 Teil 6,0 49 49 43,8 7,4 6,0 28 55,5 47,4 7,9 6,0 Nernst hat dem Verteilungssatz folgende Fassung gegeben: „Verteilt sich ein gelöster Stoff zwischen zwei einander nur wenig lösenden Flüssigkeiten, so ist im Gleichgewichtszustand bei gegebener Temperatur das Konzentrationsverhältnis des gelösten Stoffes ein von der Menge des letzteren unabhängiges, mit anderen Worten: der gelöste Stoff besitzt einen konstanten Teilungskoeffizienten, wenn ihm in beiden Lösungsmitteln gleiche Molekulargröße zukommt.“ Nach den Versuchen Berthelots ist der Verteilungs- koeffizient von der Temperatur und der Verdünnung abhängig, bei Bernsteinsäure z. B. wird er mit abnehmender Temperatur und steigender Verdünnung kleiner. Daß es sich bei der Eiweißfällung um die Bildung zweier zunächst flüssiger Schichten handelt, davon kann man sich an geeignetem Material leicht überzeugen, der entstandene Nieder- schlag besteht aus feinen Tröpfchen (Globuliten), die je nach der Art des Eiweißkörpers; des umgebenden Mediums, der äußeren Bedingungen mehr oder weniger schnell in festen Zustand über- gehen. Dies läßt sich nicht nur am Leim, sondern auch an anderen Eiweißkörpern, speziell den Albumosen, ganz besonders schön am Leimpepton zeigen. *) Berthelot und Jungfleisch. (4) 26, 396. 1872. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 20 306 K. Spiro, Um nun die Geltung des Verteilungssatzes für die Proteid- aussalzung zu prüfen, habe ich die Zusammensetzung der beiden Schichten untersucht. Nach mannigfachen Vorversuchen habe ich als Eiweißkörper reinstes (nach Hammarstens Vorschrift von mir dargestelltes) Kasein, als Fällungs- mittel Natriumsulfat (oberhalb 33°) benutzt. Das Kasein wurde mit wenigen Tropfen Soda in Lösung gebracht, der Gehalt der Lösung entsprach 9,72 Ge- wichtsprozent Kasein. Die durch 40 proz. Sättigung hervorgerufene Fällung wurde abzentrifugiert, schnell über Fließpapier getrocknet und analysiert. Das vorhandene Natriumsulfat wurde als Baryumsulfat zur Wägung ge- bracht, das Wasser durch Trocknen bei 105° bis zur Gewichtskonstanz bestimmt, das Kasein aus der Differenz berechnet; in einzelnen Fällen wurde der Eiweißgehalt durch Kjeldahl-Bestimmungen kontrolliert; bei der ge- fundenen hinreichenden Ubereinstimmung wurde in allen Fällen der aus der Differenz der Gewichtsanalysen berechnete Wert angeführt. Jede Be- stimmung wurde doppelt ausgeführt und das Mittel aus\zwei gut über- einstimmenden Analysen angegeben. Da dem Verfahren naturgemäß eine Reihe von Fehlern anhaftet, wurden mehrere Reihen von Doppelversuchen angestellt. Tabelle ]. Es ergab sich | | 3,0 Natriumsulfat | Kasein H - TEE | | Proz. Proz. | Proz. 9,72 Proz. Kasein | Wasserschicht 77,40 21.42 | 1,18 + 40 Proz. Na,SO, | Kaseinschicht | 63,11 13,22 23,67 ı Wasserschicht 77,21 | 19,21 | 3,58 g x Kaseinschicht | 61,17 11,55 27,28 Wasserschicht 77,86 21,66 | 0,48 ' Kaseinschicht | 63,19 13,31 | 23,50 Wasserschicht | 77,68 18,04 4,98 6; ' Kaseinschicht 60,87 10,24 | 28,89 | | Als Mittel ergibt sich aus diesen Versuchen: Tabelle I. Wasser Proz. | Natriumsulfat Proz. Kasein Proz. Wasserschicht 77,54 | 20,08 2,38 Kaseinschicht 62,08 | 12,08 25,34 Die Versuche zeigen, daß bei der typischen Salzfällung eines Eiweißkörpers sich zwei Schichten bilden, die beide aber alle drei in Betracht kommenden Stoffe (Wasser, Salz, Eiweiß), in verschiedener Kouzentration enthalten. Die obere Schicht enthält viel Wasser, viel Salz Die Fällung von Kolloiden. 307 und wenig Eiweiß, die untere weniger Wasser, weniger Salz und viel Eiweiß: ähnlich wie wir bei der Ausätherung einer ätherlöslichen Säure aus ihrer wässerigen Lösung zwei Schichten sich bilden sehen, von denen die obere viel Äther, viel Säure, wenig Wasser, die untere wenig Äther, wenig Säure, viel Wasser enthält. Wir sehen ferner, daß die in der Kaseinschicht enthaltene Salzlösung nicht einfach dem Niederschlag adhäriert, da der Gehalt an Salz in der Kaseinschicht kleiner ist als in der, wässerigen Schicht. Es erinnert dies an die Befunde Hof-/ meisters, der bei der Quellung von Leimplatten in Salzlösungen die Konzentration an Salz in den Leimplatten immer etwas niedriger fand als in der Außenflüssigkeit. Da die Salzkonzentration in der Kaseinschicht sehr erheblich niedriger ist als in der Außenflüssigkeit, so kann endlich die Ansfällung nicht auf der Bildung einer Eiweißsalz- verbindung beruhen. Einige Versuche habe ich weiter in der Art angestellt, daß ich Kasein mit Salz bis zu 40 Proz. sättigte und die Mischung dann auf dem Wasserbad erhitzte, dabei schmolz die Kasein- schicht, wurde bei niederer Temperatur wieder fest, ohne daß aber das Kasein seine Löslichkeit in Wasser eingebüßt hätte. Das Resultat von zwei Versuchsreihen gibt folgende Tabelle: Tabelle III. | Wasser Proz. , Natriumsulfat Proz. Kasein Proz. Wasserschicht | 76,80 ı 76,53 21,87 21,12 1,33 2,35 Kaseinschicht 44,06 | 45,89 8,63 9,06 47,31 | 45,05 Im Mittel: Tabelle IV. Wasser Proz. | Natriumsulfat Proz. Kasein Proz. Wasserschicht | 76,66 21,50 | 1,84 Kaseinschicht 44,97 8,84 | 46,18 Auch hier sehen wir wiederum: Verteilung aller drei Stoffe in beiden Schichten, Konzentration an Salz in der Kaseinschicht bedeutend geringer als in der Wasserschicht (8,84 g gegen 21,50 g - in 100 g). Untereinander unterscheiden sich die beiden Reihen dadurch, daß die geschmolzene und wieder erstarrte Kaseinschicht (Tab. IV) bedeutend eiweißreicher ist als die bei 35° C. hergestellte ent- 20” 308 K. Spiro, sprechende Schicht der Tabelle II. Betrachtet man die untere Schicht als (feste) Lösung, so kann man sagen, die Löslichkeit des Kaseins hat zugenommen, ähnlich wie nach Alexejeff die Löslichkeit der unter Wasser geschmolzenen Salizylsäure größer ist als die der kristallisierten. | Dabei haben Wasser- und Salzgehalt ziemlich in gleicher Weise in der Kaseinschicht abgenommen, das Verhältnis von Wasser zu Salz ist in Tabelle II = 5,139:1, in Tabelle IV = 5,084:1. Diese Übereinstimmung, die wohl nur zufällig einen so hohen Grad erreicht hat, ist als ein neuerlicher Beweis für die Konstanz der Fällungsgrenzen anzusehen. Jedenfalls ist bei den verschiedenen Temperaturen das Verhältnis Wasser zu Salz in der ausgefällten Schicht gleich, das Ver- hältnis Eiweiß zu Salz aber nicht; das, wäs ausfällt, kannalso nicht eine VerbindungvonEiweißund Salzsein. Ähnlich wie beim Kasein läßt sich der Vorgang des Schmelzens auch bei der Gelatine verwenden, und ich habe daher mit dieser einige Versuche angestellt, um die Zusammensetzung beider Schichten bei verschiedenen Sättigungsgraden vergleichen zu können. Die nach den Angaben der Kolumne I (Tabelle V) hergestellten Mischungen wurden einige Zeit im Wasserbade gehalten bei einer . Temperatur, bei der die Gelatineschicht flüssig war. Dann wurden die Gläser noch 24 Stunden im Brutschrank gehalten und jede der Schichten analysiert. (Siehe nebenstehende Tabelle V.) Wieder sieht man, daß die Konzentration an Salz in der Leimschicht bedeutend geringer ist, als dem Gehalt an Wasser entspricht (Spalte V), und zwar wird mit steigender Salzsättigung der relative Salzgehalt der Leimschicht, verglichen mit dem der zugehörigen Wasserschicht (Spalte VI), geringer, umgekehrt ver- hält sich der Leimgehalt der beiden Schichten, wie aus den Spalten VII und VIII hervorgeht. Eine besondere Besprechung verdient noch der Salzgehalt (Spalte II. Um auch bei den niedrigeren Sättigungsgraden eine gute Entmischung zu erzielen, habe ich in den drei Reihen nicht ein gleiches Volumen hergestellt, sondern entsprechend der Ab- nahme der Salzkonzentration die Leimkonzentration erhöht, d. h. “ die 25proz. und 33'/sproz. Sättigung in konzentrierteren Leim- lösungen hervorgerufen. Da aber der Wassergehalt der Leim- lösung (18 ccm enthielten 10 ccm H,O) und der Salzlösung (100 cem enthielten 77 ccm Wasser) bekannt ist, läßt sich der Einfluß der Konzentrationsänderung ungefähr berechnen. Da bei 14,62 cem Wasser die Leimschicht 64,4 Proz. Wasser enthielt, müßte sie bei u As As u DE hm ln nun un an un unnn nn LLLLLLLLLUU U 309 Die Fällung von Kolloiden. JqDTYIS.IISSe I9p UT UOTJe.YHU9ZUONUrnpoT Jyaryasure] Aop ur uUoNe.HU9ZUOYUNPT NZ . — _— — » . 19°rr 968 um] 3 U9ULUION d9sse\ 3 001 MY IA JyaryasunyT Aop ul zuo | I Le'g1 Ir‘6E a2 wr'gg Jyatgosunor] Sunsg[+osS UN u SI 1.08 | 2426 150 9415 6181 YLOTTISTOSSR AN -- Sunsojpume] u» SI I ZA 8 g8’er 009 vıg yyoTyoswıer] sunsoT-+osS eN U 6 gs 11'58 so GEL1l 518 IUPTIOSAOSSU AN — Sunsojuwi] wo9 SI I re'ol gı'ss rr9 IyPIyosurnp’] SUunsoT-"oS wN UND 9 961 cHQl ee r'es JUOIISLOSSU AN -- Sunsojuno] wOD ST NZ zIes A IYISIISSE A ;p ur UOoNe.Nu9zuoyzTes c uore.Nu9z YU: I k „> ER E® a a (0 je} a: . N w- BD n = 8 ”; A zo] wıe] AI 'zoIg Yejms m "Z0.1J IOsse APR SUNJ[PISAIOH 310 K. Spiro, 16,93 resp. 19,24 cem Wasser: 74,58 resp. 84,75 Proz. Wasser ent- halten, während nur 51,4 resp. 53,47 Proz. gefunden wurden, d.h. mit steigender Salzkonzentration wird die Leimschicht wasserärmer, während umgekehrt, wie Spalte VIII zeigt, die Wasserschicht leimärmer wird. Wir sehen also, wie die Ver- teilung der drei Stoffe mit der Variation der Konzentration sich ändert und eine wie geeignete und wirkungsvolle, daher auch zur Trennung brauchbare Prozedur die Salz- fällung ist. In dieser quantitativen Wirksamkeit unterscheidet sich scheinbar die Aussalzung von der Ausätherung: bei der letzteren, im Laboratorium so häufig ausgeübten Prozedur ist es eine immer wieder beobachtete Erscheinung, daß die Ausätherung niemals vollständig, niemals eine quantitative Trennung ist, auch wenn die Unterschiede der Löslichkeit in den beiden Lösungsmitteln sehr groß sind; für die Aussalzung nehmen wir aber, und, wie Spalte VIII der Tabelle V zeigt, mit Recht an, daß sie für praktische Zwecke nahezu quantitativ sein kann. — Das macht eine nähere Betrachtung des Verteilungssatzes nötig. Bei der Ausschüttelung von Bernsteinsäure aus wässeriger Lösung mit Äther haben wir zwei unvollständige Lösungen vor uns, da sich natürlich ein Gemenge der drei Substanzen herstellen läßt, das eine vollständige Lösung darstellt. Wir dürfen nun schon bei der unvollständigen Lösung nur eines Stoffes in einem Lösungsmittel nicht bloß Lösung und ungelöst gebliebenen Stoff unterscheiden, sondern müssen berücksichtigen, daß auch der un- gelöst gebliebene Stoff etwas von dem Lösungsmittel auflösen kann. Schütteln wir Phenol mit Wasser, so erhalten wir zwei Schichten, wenn wir mehr als 7 g Phenol pro 100 cem Wasser nehmen, nämlich eine obere, wässerige Phenollösung, und eine untere, die entgegen der allgemeinen Ausdrucksweise nicht nur ungelöst ge- bliebenes Phenol, sondern eine Lösung von Wasser in Phenol ist. Wasser löst sich in Phenol so erheblich, daß Alexejeff die Kurven dafür geben konnte. Ebenso ergeben sich bei der Ausätherung der Bernsteinsäure aus wässeriger Lösung zwei Schichten, von denen die obere eine Lösung von Bernsteinsäure und Wasser in Äther, die untere eine von Äther und Bernsteinsäure in Wasser darstellt. Am genauesten sind diese Verhältnisse von E. Duclaux*) untersucht worden, der Amylalkohol und Wasser durch Zusatz eben *) Ann. chim.-phys. (5) 7, 267 (1876). Die Fällung von Kolloiden. 31] hinreichender Mengen von Äthylalkohol oder Essigsäure in Lösung brachte und dann durch Temperaturherabsetzung (sogenannte kritische Temperatur) wieder eine Entmischung hervorrief. Es ergab sich (mit Hilfe einer ingeniösen Anordnung der Analyse), daß das Lösungsmittel (Äthylalkohol oder Essigsäure) sich in beiden Schichten in gleicher Menge vorfand, und daß auch das Verhältnis zwischen Amylalkohol und Wasser bei allen Gemengen nahezu das gleiche war. Verwickelter liegen die Verhältnisse, wenn der eine Stoff gegen den andern erheblich überwiegt: Setzen wir z. B. zu einer Lösung von Chloroform in Alkohol soviel Wasser, als sich eben löst, so er- halten wir eine Mischung, die, gleichgiltig, ob wir nun Wasser oder Chloroform zusetzen, die Abscheidung einer Schicht zeigt, die reicher an Wasser ist und als spezifisch leichter sich oben abscheidet. Das Verhältnis ist auch umkehrbar, denn wenn wir eine Lösung anwenden, die aus viel Wasser und wenig Chloroform besteht, so wird, gleichgiltig, ob wir Chloroform oder Wasser zufügen, eine spezifisch schwerere, d. h. chloroformreiche, Flüssigkeit zur Ab- scheidung kommen. Übertragen wir diese Erfahrungen auf die Aussalzung der Kolloide, so müssen wir bedenken, daß die von uns angewandten gesättigten Salzlösungen immer sehr viel mehr Moleküle enthalten als die Kolloidlösungen, daher schon aus diesem Grunde das Wasser zum größeren Teil bei dem Salz zurückbleibt, d. h. die Eiweißschicht ıst kleiner und wasserärmer. Dazu kommt aber noch ein anderer Punkt: mischen wir zwei Flüssigkeiten miteinander, die sich teilweise lösen, so ist der Dampfdruck ihres Gemenges kleiner als die Summe der Dampf- drucke ihrer Bestandteile bei derselben Temperatur; setzen wir mit van’t Hoff-Nernst statt Dampfdruck: „Lösungsdruck“, so wird uns eine Änderung der Löslichkeit in einem gemeinsamen Lösungsmittel eines Gemenges verständlich. Können wir uns nun vorstellen, daß die Löslichkeit nur des einen Körpers herabgedrückt wird? Sind solche Verhältnisse bei der Verteilung eines Stoffes zwischen zwei Lösungsmitteln bekannt? Ich möchte hierfür zwei Fälle anführen: 1. Benzol und Wasser lösen einander sehr wenig, beide aber lösen sich in Essigsäure. Setzt man nun zu 100 cem Benzol 50 cem Essigsäure und nur 15 ccm Wasser, so erhält man (nach Duclaux) eine obere Schicht, die 42mal so groß ist als die untere, während der Ge- halt der oberen Schieht an Essigsäure nur 31,2 gegen 68,6 der unteren ist. 312 K. Spiro, Dem reiht sich ein Versuch von Hantzsch*) an. Die Löslich- keit des Dimethylaminchlorhydrats in 100 Chloroform (c,) ist 26,9, in 100 Wasser (c,) 208, das Verhältnis c,:c, also gleich 7,75; bei der Ausschüttelung aber einer wässerigen Lösung des Salzes mit Chloroform geht es nicht in dieses hinein, das Verhältnis e,:c; wird also gleich &. Setzen wir also zu einer Chloroformlösung des Salzes Wasser hinzu, so wird reines Chloroform abgeschieden. Es ist danach verständlich, daß es Proteide gibt, die durch Aus- salzen ganz abgeschieden werden. Aber es ist andererseits danach zu erwarten, daß dieses Verhalten nicht notwendig für alle Proteide gilt. In der Tat läßt sich bei den Albumosen beobachten, daß die einzelnen Fraktionen bei der zu ihrer Fällung nötigen Konzen- tration etwas, wenn auch nur wenig, löslich sind, was die Schwierigkeiten der Trennung derselben merklich erhöht. Für die Verteilung ist also nicht allein die Löslichkeit maß- gebend, sondern noch ein anderer Faktor, den wirals Lösungsintensität bezeichnen können. Wie bei den Elektrolyten nicht in der Größe der Ladung sich der Grad der Positivität oder Negativität zeigt, sondern in der Festigkeit, mit der diese Ladung gebunden wird, wie zur Spaltung von KF ein viel größerer elektrischer Zug not- wendig ist als zu der von AgJ, obgleich beide die gleiche Menge Ladung (Elektronen) enthalten, so ist auch die Intensität, mit der sich der gelöste Stoff im Lösungsmittel verteilt, nicht der Löslich- keit gleich zu setzen. Die Intensität, mit der Wasser und Salz sich bindet, wird größer sein als die, mit der Wasser und Eiweiß sich bindet, und ebenso wird die Löslichkeit von Salz in Eiweiß je nach der Art des Eiweißes und des Salzes variieren. Es ergibt sich daraus also, daß der Lösungsdruck nicht nur durch einen quantitativen Faktor ausgedrückt wird, wonach er stets einfach der Zahl der Moleküle und Ionen (dem osmotischen Druck) ent- spräche, sondern auch noch von einem qualitativen, spezifischen Faktor abhängt, der Lösungsintensität. Die verschiedenen Salze werden daher ein verschiedenes Fällungsvermögen haben, wie dies Hofmeister und Pauli ja schon festgestellt haben**). Die Dif- ferenzen zwischen den verschiedenen Salzen bezüglich ihrer wässe- rigen Lösungen sind qualitativer und quantitativer Natur. Daß die gut aussalzenden Stoffe (Na,SO,, MgSO,) besser und größer kristalli- ‚sieren als die anderen (NH,Cl, KNO;) und auch hervorragend ge- *) Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte. 73 (Hamburg), II. 1. 150. **) Auf die Fällung hemmende Wirkung der Anionen gehe ich nicht besonders ein, da es sich ja nur um ein anderes Vorzeichen handelt. Die Fällung von Kolloiden. 313 eignet sind, übersättigte Lösungen zu bilden, d.h. in Verbindung mit dem Lösungsmittel zu verbleiben (Ostwalds Lehrbuch I. 1039), ist ein der quantitativen Messung nicht zugänglicher Unterschied'‘*). Hierzu eignet sich besser die Löslichkeitszunahme der Salz- lösungen mit steigender Temperatur. Nordenskjöld hat gezeigt, daß die Zunahme stets der schon vorhandenen Salzmenge umgekehrt proportional ist, d. h. je mehr gelöst ist, um so weniger löst sich noch, das Gelöste setzt weiterer Lösung um so stärkeren Wider- stand entgegen. Die von Nordenskjöld** gefundenen Zahlen entsprechen der Gleichung: | NH: Cl: log S = — 0,5272 + 0,5483 1, + 0,1732 ()’ Kl: „ = — 05345 + 0,379 i + 0,0900 (5) NaCl: „ = — 0,4484 a 0,0105 5, + 0,0319 (5,)’ Der Faktor für t und t? ıstalso bei NH«>K>Na, d.h. der Wider- stand, den die vorhandene Salzmenge der Lösung neuer Mengen ent- gegensetzt, ist bei NN >K>NH,, ersteres also ein besseres Fällungs- mittel als K, dieses als NH,. Schon eine Salzlösung verhält sich also gegen das Salz selbst nicht wie ein ideales Gas. Betrachtet man die Reihenfolge der Salze, wie sie Hof- meister und Pauli festgestellt haben, so erkennt man zwei Gre- setzmäßigkeiten. Zunächst daß mit der Zunahme der Valenz der Ionen das Aussalzungsvermögen zunimmt. Das hat Schulze schon vor Jahren festgestellt, während umgekehrt die hemmende Wirkung der mehrwertigen Anionen (nur das Fluor macht eine Ausnahme) kleiner ist. Bei der Esterspaltung“***) durch Säuren wirken von zugefügten homologen Neutralsalzen die mit Br>NO;>Ul>SO,, bei der durch Alkalien wirken SO,>CI>NO;>Br; im ersteren Falle wirkt Sulfatzusatz hemmend, im zweiten beschleunigend, während die einwertigen Anionen umgekehrt wirken. Übersichtlicher ist die andere Gesetzmäßigkeit, daß die Fällungstendenz der Ionen mit abnehmendem Atomgewicht zu- nimmt: Li>K>Na, und bezüglich der Hemmung: J>Br>Ül. Vielleicht ergibt sich eine gemeinsame Auffassung dieser Ver- hältnisse aus der Betrachtung der inneren Reibungr). Die Reihenfolge ist da SO>Cl>NO;>C10; >Br>J und Na>K>NH.. *) Erstere zeigen bei niederer Temperatur eine höhere Ausflußge- schwindigkeit als Wasser, letztere immer eine höhere. (Innere Reibung.) **) Poggendorffs Annalen 136, 309. ***) Arrhenius, Zeitschrift f. physik. Chemie 4, 226; 28, 327. 7) A. Sprung, Poggendorffs Annalen 159, 1. — Slosse, Wiedemanns Annalen 14, 13. — J. Wagner, ebenda 18, 259, Zeitschrift f. physik. Chemie 5, 31. 314 K. Spiro, Dieselbe ist für drei homologe Salzpaare K Na Li SO, 1.090 1,221 1,291 Cl 0,967 1,099 1,130 NO: 0,956 1,052 u Gerade die innere Reibung der Flüssigkeiten bedingt ja ihre Abweichung von den Gasgesetzen, und daher ist es auch ver- ständlich, daß hier entsprechend der inneren Reibung die Giltig- keit der Lösungs- und Dissoziationsgesetze eine genau entsprechende Einschränkung bei homologen Salzlösungen erfährt. Ebenso fanden W. GC. Röntgen und Schneider*) für die Kompressibilität eine ähnliche Reihenfolge: J, NOs, Br, Cl, SO,, auch für die Molekularvolumen: NH; K77945 Na \ J 1,048 1.041 1,025 | 1,023 NO; 1.043 1,032 1,016 1,017 WE Eee Br 1.038 1,025 | 101 1,010 Cl 1,028 1,016 1,001 | 1,001 und ebenso für die Oberflächenspannung. Wir haben also in der Hofmeister-Paulischen Reihenfolge dieselbe, die sich bei allen solchen Eigenschaften der Salzlösungen wiederfindet, die von den additiven Eigenschaften der Ionen abhängig sind. Eine weitere Begrenzung des Verteilungssatzes hat in jüngster Zeit Hantzsch kennen gelehrt. In Gemeinschaft mit A. Vagt zeigte er**), daß der Verteilungs- koeffizient abhängig ist von der Temperatur, wenn sich Amin, Brom, Jod oder CO: zwischen Wasser oder einer Verbindung vom Wassertypus (Glyzerin oder Äther) einerseits (c,) und einem Kohlen- wasserstoff, etwa Toluol oder Chloroform andererseits (c,) verteilt. Der Faktor K (%/.,) wird in einer hyperbelähnlichen Kurve von 0° bis 100° kleiner ***), die genannten Stoffe haben also zu Wasser bei niederer Temperatur eine erhöhte „Lösungstendenz“, Bildung von „Hydraten nach unbestimmten Verhältnissen“. Umgekehrt zeigen bei der Verteilung zwischen Wasser und Äther eine Zu- nahme von K mit steigender Temperatur die Rhodanide, die ja ‚auch in Paulis Reihe die stärkste Hemmungswirkung zeigen. *) Wiedemanns Annalen 29, 105, **) Zeitschrift f. physik. Chemie 38, 705. ***) Sehr charakteristisch für diese Abhängigkeit der Verteilung von der Temperatur ist das Verhalten der Jodstärke. A DE 0 a Bl an Die Fällung von Kolloiden. 315 Für sie nimmt Hantzsch eine Verbindung mit Äther an; vielleicht kann man eine ähnliche Annahme für die Hemmungswirkung der Anionen machen; Spring und Lucion* fanden, daß das Hydrogel von CuO mehr KBr als KCl und mehr KJ als KBr zer- legt und die entsprechenden Säuren (Anionen) absorbiert. Auch die Salzfällung der Eiweißkörper ist nach meinen Erfahrungen von der Temperatur abhängig. Kfristallisiertes Serumalbumin beginnt bei Zimmertemperatur bei 57 Proz. Ammon- sulfat-Sättigung zu fallen, bei 40° C. aber schon bei 49 Proz. Hantzsch hat aber auch eine Abhängigkeit des Verteilungs- koeffizienten von der Konzentration gefunden: bei zunehmender Verdünnung wächst der im Wasser {oder einem Lösungsmittel vom Wassertypus) bleibende Anteil von Jod oder Aminen. So steigt im System Glyzerin =-— Jod «-— Chloroform der Faktor K von 0,362 bis auf 0,562, was also ganz dem Verhalten des Systems Wasser -— Salz -—> Kolloid entspricht. Daß die Fällungsgrenzen eines Eiweißkörpers von der Kon- zentration seiner Lösung abhängen, darauf ist schon oben hinge- wiesen worden. Wir kommen somit zu einem zusammenfassenden Überblick über alle bisher bei der Aussalzung der Eiweißkörper gefundenen Tatsachen, wenn wir uns vor Augen halten, daß die Aussalzung nicht einfach proportional der „Entziehung des Lösungsmittels“ ist, sondern (innerhalb gewisser Grenzen) unabhängig von der Konzentration verläuft. Die „Wasserentziehung“ erscheint als eine Teilerscheinung der Entmischung. Neue Belege hierfür habe ich am kolloidalen Eisenoxyd in einigen neuen Versuchs- reihen gefunden, welche am Schlusse folgen. Wenn wir an- nehmen, daß zwischen Eiweiß und Salzen eine gewisse Ver- bindung bestehen kann (gegenseitige Lösung), so sprechen hierfür folgende Erfahrungen: Wie die Aminosäuren ist das Eiweiß ein Zwitterion**), das nicht nur mit Säuren und Basen Salze bildet***), sondern auch mit Salzen sich verbindet; ja für die Aminosäuren haben Bredig und Winkelblech}r) wahrscheinlich gemacht, daß sie auch mit Wasser *), Nach Bemmelen. *) Hardy nimmt an, daß die Fällung der Kolloide auf dem Ver- schwinden einer Potentialdifferenz, Entstehen von Isoelektrizität beruht. Vgl. dagegen J. Friedländer, Zeitschrift f. physik. Chemie 38, 385 und H. Freundlich, ebenda 44, 129. *=) Spiro und Pemsel, Zeitschrift f. physiol. Chemie 26, 233. +) Zeitschrift f. physik. Chemie 36, Heft 5. 816 K. Spiro, nicht dissoziierte Salze bilden, so daß wir gewissermaßen das Hydrat des Eiweißes (siehe Hantzsch) in Lösung hätten. Daß die Lösungen von Kolloiden Salze aus wässeriger Lösung auf- nehmen, hat in neuester Zeit hauptsächlich Bemmelen‘*), für die Eiweißstoffe speziell Pauli nachgewiesen. Da also das Eiweiß als Lösungsmittel für Salze fungieren kann, so haben wir, da Ei- weiß als fester Körper und Wasser nicht unter allen Verhältnissen mischbar sind, ein Verteilungssystem Wasser — Salz — Eiweiß, aus dem sich alle bisher beobachteten Tatsachen ein- wandsfrei erklären. Leider haben sich, wenn wir von einigen Anwendungen des periodischen Systems absehen, für Art und Grad der Löslich- keit der meisten Stoffe noch gar keine Gesetzmäßigkeiten zeigen lassen, wir vermissen sie daher auch auf dem Gebiete der Aus- salzung. Nur der negative Schluß läßt sich daraus ziehen, daß — wenn auch die Aussalzbarkeit im allgemeinen nur großen Molekülen zukommt — die mehr oder weniger leichte Aussalzbarkeit nichts über die Molekulargröße aussagt, daß die Globuline z. B. nicht ein größeres Molekül zu haben brauchen als die Albumine; das wird ja schon bewiesen durch die Abspaltung leichter fällbarer Albumosen aus den schwer fällbaren Albuminen bei der pep- tischen Verdauung. II. Über die Einwirkung der Alkohole auf die Eiweißkoagulation. Wenn auch der Alkohol teils für sich allein, teils als Hilfs- mittel bei der Wärmekoagulation allgemein zur Ausfällung der Eiweißkörper benutzt wird, so liegen hierüber doch nur spärliche methodische Untersuchungen vor. Pohl**) erwähnt, „daß man die Konzentration von Methyl- und Äthylalkohol auf etwa 20 Proz. steigern muß, um Eiweißfällung zu erzielen“. Im Anschluß an frühere Untersuchungen*“*) und mit der damals mitgeteilten Methodik habe ich hierüber einige Versuche angestellt, über die ich in aller Kürze berichten will: 1. Die einwertigen Alkohole der Fettreihe. a) Sie setzen entsprechend der zugefügten Menge den Koagu- lationspunkt der Eiweißkörper herab. So sank der Koagulations- "punkt des Serumeiweiß von 62,8° bei stets wiederholtem Zusatz *) Zeitschrift f. anorgan. Chemie 23, 321 bis 372. **) Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 21, 284. ***) Spiro, Zeitschrift f. physiol. Chemie 30, 182. Die Fällung von Kolloiden. 317 von 2 Vol.-Proz. Methylalkohol auf 62,5° — 61,5° — 58,25° — 54,0° — 51,9° — 50,9° — 46,8° — 455°. Wie die Alkohole der Fettreihe verhält sich auch das Aceton. | b) Zur Erzielung einer Eiweißfällung bedarf es bei den niedrigen Alkoholen einer größeren "Konzentration als bei den höheren; bei Methylalkohol 17 bis 20 Proz., Äthylalkohol 16 bis 18 Proz., Propylalkohol 11 bis 13 Proz., Butylalkohol 4 bis 6 Proz., Amylalkohol 2 bis 4 Proz. Der Isopropylalkohol ist viel weniger wirksam als der normale, da er erst bei 20 bis 24 Proz. Sättigung fällt, ebenso ist der Isobutylalkohol weniger wirksam als sein normaler Isomerer. 2. Die mehrwertigen Alkohole der Fettreihe, z. B. Glyzerin, Mannit, Traubenzucker, Milchzucker (auch Dextrin, selbst Wittepepton), wirken koagulationshemmend. a) Bei zunehmendem Gehalt an dem Alkohol steigt der Koagu- lationspunkt, z. B. bei steigendem Gehalt an Mannit (1 ccm, 2 cem bis 9 ccm einer 15proz. Mannitlösung mit 1 cem Eiweißlösung, aufgefüllt mit Wasser auf 10 ccm), von 60,5 auf 61,6 — 62,0 — 62,4 — 62,7 — 63,2 — 63,7 — 64,4 — 65,0, ebenso bei steigendem Glykosegehalt (75proz. Lösung) von 58,9’ auf 61,4 — 65,3 — 69,1 — 74,8 — 78,9 — 81,2 — 83,1— 84,4 — 85,6. Noch stärker wirken Milchzucker und Galaktose. b) Mit steigendem Gehalt an den mehrwertigen Alkoholen wird die Hitzekoagulation der Eiweisß- lösungen unvollständiger. Davon kann man sich nicht nur an der zunehmenden Stärke der Biuretreaktion im Koagulations- filtrat überzeugen, man kann auch durch Sättigung einer nativen Eiweißlösung mit Milchzucker ihre Koagulationsfähigkeit ganz aufheben. Ähnlich wie die Alkohole wirken auch Ester und Ketone. Die Koagulationshemmung tritt nur ein bei neutraler bzw. schwach alkalischer oder schwach saurer Reaktion, starke Säuren hindern sie. Für die Aldehyde liegen schon ähnliche ausführliche Beobachtungen von F. Blum*) undLeo Schwarz**) vor. Doch mag es dahingestellt bleiben, inwieweit die Wirkung der Aldehyde auf einer chemischen Reaktion beruht. Eine Milchzucker-Eiweißlösung, die 100 Stunden gegen fließendes Wasser diffundiert hatte, koagulierte nicht voll- ständig beim Erhitzen. 3. Von den aromatischen Alkoholen ist es für das Phenol längst bekannt, daß es Eiweiß fällt. Bei einem Gehalt *) Zeitschrift f. plıysiol. Chemie 22, 197. **) Zeitschrift f. physiol. Chemie 31, 460. 318 K. Spiro, an Phenol von 0,6 Proz. tritt schon Trübung, bei 1,0 bis 1,2 Proz. Fällung und bei 1,8 Proz. dicker Niederschlag auf, doch ist die Fällung auch bei einem Überschuß an Phenol immer unvollständig. Bei den höheren aromatischen Alkoholen tritt die Fällung viel langsamer und später ein: bei Brenzkatechin tritt z. B. eine deutliche Trübung erst bei einem Gehalt von 2 Proz., beim Resorzin erst bei 3 Proz., bei Pyrogallol erst bei 5 Proz. ein. — Wird der (Gehalt an diesen Alkoholen gesteigert, so zeigt sich eine sehr eigentümliche Erscheinung. Setzt man zu einer Eiweißlösung Resorzin bis zu einem Gehalt von 5 Proz., so erhält man eine starke Fällung. Die Fällung ist unvollständig, nimmt aber bei einem höheren Gehalt an Resorzin nicht erheblich zu, ja bei 30, 35 ıınd 40 Proz. wird sie geringer, und bei 45 Proz. tritt über- haupt kein Niederschlag mehr auf. Solche Mischungen, die bei einem Gehalt von 20 bis 40 Proz. Resorzin getrübt sind, lösen sich nun klarin derHitze auf, beim Abkühlen fällt aber wieder einNiederschlag aus. Wir haben also hier Löslichkeitsverhältnisse, die denen des Bence-Jonesschen Eiweißkörpers ganz ähnlich sind. Am nächsten liegt es hier, das Entstehen einer Resorzin- (resp. Hydrochinon-, Pyrogallol-) Eiweiß- verbindung anzunehmen; hierfür spricht, daß sich aus den Resorzin- Eiweißlösungen durch Aethylalkohol ein Niederschlag gewinnen läßt, der auch nach gutem Auswaschen noch bei ganz gelindem Erwärmen mit konzentrierter Schwefelsäure schöne Reaktion nach Molisch gibt. Beim Kochen mit Wasser wird aber aus der Ver- bindung Resorzin wieder abgespalten, ähnlich wie dies auch von den Formaldehyd- Eiweißverbindungen bekannt ist. II. Die Einwirkung alkoholischer Salzlösungen auf die Eiweißkoagulation. Gelegentlich einer Versuchsreihe über die Fraktionierung mit Kaliumazetat*) habe ich die Beobachtung gemacht, daß eine Lösung von Serumeiweißstoffen, die 50 Proz. Kaliumazetat ent- hielt, nach dem Versetzen mit dem doppelten Volumen 95proz. Alkohols auf dem Wasserbade gekocht werden konnte, ohne .Fällung, ja ohne eine Trübung zu zeigen. Das Eiweiß erleidet dabei keine tiefgreifende Veränderung, denn die erhaltene (event. filtrierte) Lösung zeigt nach starkem Verdünnen wieder die Eigen- schaften des ursprünglichen Eiweißes. Auch um Albuminatbildung *) Zeitschrift f. physiol. Chemie 31, 132. Vgl. auch diese Beiträge 3. Die Fällung von Kolloiden, 319 kann es sich nicht handeln, da die Albuminate in Alkohol schwer löslich sind. Ähnlich wie das Kaliumazetat wirken vielfach Salze, die in Alkohol löslich sind, z. B. Chlorkalzium, Chlormagnesium, Chlor- zink, Sublimat, Quecksilberazetat und Rhodankalıum. — An Stelle des Äthylalkohols, kann man auch andere Alkohole anwenden, z. B. Methylalkohol oder Isopropylalkohol; höhere Alkohole, z. B. Amylalkohol, eignen sich schlecht, aromatische Alkohole noch schlechter. Endlich können statt der echten Eiweißkörper auch andere Körper angewandt werden, so wird z. B. auch die Fällbarkeit der Heteroalbumose durch Alkohol infolge anwesenden Kaliumazetats verzögert oder aufgehoben. Für die Deutung dieser Befunde, die einstweilen nur‘ für analytische Zwecke von einer bestimmten Wichtigkeit sind, kann man natürlich ebenso gut eine Anlagerung des Salzes wie eine solche des Alkohols an die Eiweißstoffe vermuten: für beide Vorstellungen lassen sich leicht Analogieen anführen, zumal das Eiweiß wie andere Kolloide eine ganz besondere Fähigkeit hat, die verschiedensten Moleküle an sich anzulagern. Daß Kaliumazetat die Anlagerung von Alkohol begünstigt, zeigt folgender Versuch: Das bei der Kondensation von Hippursäure und Benzal- dehyd entstehende Lakton *) GH.C=N | | OIE=NH.C5H, BL CO geht schon beim Stehen mit alkoholischem Kaliumazetat oder alkoholischem Kali unter Alkoholaufnahme in den Athylester der Benzoylamidozimtsäure 06 Hs.CO.NH.C=C.H.CeH5 | COOG,.H; über, obgleich das Lakton gegen Alkohol selbst ganz beständig ist, die Esterbildung aus der Säure auch nur schwierig vor sich geht. In diesem Fall begünstigt also das zugesetzte alkalische Salz die Esterbildung, die wir sonst in saurer Lösung vorzunehmen pflegen. — Natürlich kann dieser Versuch nicht zur „Erklärung“ der am Eiweiß beobachteten Er- scheinungen dienen, da es sich bei diesem, wie oben gezeigt, nur um eine durch Wasserzusatz aufhebbare Löslichkeitsänderung, nicht um chemische Umsetzungen handelt. *), Erlenmeyer, Ann. d. Chemie 271, 37. — Berliner Berichte 33, 2, 2036. — Vgl. Spiro, Zeitschrift f. physiol. Chemie 28, 174. 320 K. Spiro, EN. Über die Einwirkung von Alkohol und alkoholischen Salzlösungen auf kolloidales Eisenoxyd. Da, wie oben schon hervorgehoben, einige Autoren die Salz- fällung der Kolloide prinzipiell von der Alkoholfällung abtrennen, seien noch einige Versuche über die Einwirkung von Alkoholen auf kolloidales Eisenoxyd mitgeteilt, zumal im allgemeinen be- hauptet wird, daß es nur durch Salze, nicht durch Alkohol gefällt wird. Methyl- und Äthylalkohol fällen in der Tat nicht, wohl aber Propylalkohol. Von der käuflichen Lösung des Oxyds wurde 1 ccm durch 2 cem Propylalkohel gefällt; verdünntere Lösungen brauchen erheblich mehr, z. B. eine Mischung von 0,5 cem des Oxyds und 0,5 ccm Wasser schon 4,2 cem Propylalkohol. Amylalkohol fällt das kolloidale Eisenoxyd aus seiner Lösung nicht aus; der Grund dafür ist offenbar, daß die Löslichkeit des Amylalkohols in Wasser zu gering ist, so daß die zur Fällung nötige Konzentration nicht erreicht wird. Davon kann man sich leicht durch den Kunstgriff überzeugen, daß man Methylalkohol zusetzt: Fügt man z. B. zu 1 ccm der Oxydlösung 2 ccm Methyl- alkohol, so entsteht durch 3,5 cem Amylalkohol eine Fällung, die im Überschuß von Methylalkohol löslich ist. Um die Fällungsgrenze bei verschiedenen Konzentrationen vergleichen zu können, wurde als „Endpunkt“ derjenige Gehalt bezeichnet, wo die Flüssigkeit, von unten gesehen, im durchfallenden Licht undurchsichtig wird. Bei einiger Ubung erkennt man den Punkt scharf genug, um ver- gleichende Bestimmungen ausführen zu können. Tabelle VI. 5 | N Wird gefällt durch Oxydlösung | Methylalkohol Wasser Amylalkohol cem cem cem a. 1. 1 +1 — 17 9, 1 48 a 1,85—1,90 3. | 1 + 2,0 — 2,9— 3,0 4. 1 + 9,5 —_ 4,1—4,2 5. 1 + 3,0 = 17 6. 1 +1 + 15 Entmischung 7 1 4-15 + 1,0 1,5 8. 1 + 9,0 + 0,5 2,65 g, 2 +2 — 2,2 10. 2 475 me 18 Die Fällung von Kolloiden. 321 Die Versuche zeigen von neuem (Versuch 10 gegen Versuch 7), daß die (untere) Fällungsgrenze um so tiefer liegt, je konzentrierter die Kolloidlösung ist. Sie zeigen ferner, daß die Ausfällung der Kolloide nicht einfach als Lösungsmittel-Entziehung, etwa nach Art der Verdampfung, zu deuten ist. Lösungsmittel für kolloidales Eisenoxyd ist nur Wasser, nicht Methylalkohol, der ausgefälltes oder im Vakuum eingetrocknetes kolloidales Eisenoxyd nicht löst, (siehe später); ein noch so großer Überschuß von Amylalkohol bringt aber kolloidales Eisenoxyd aus wässeriger Lösung nicht zur Fällung, weil seine Löslichkeit in Wasser nicht die Herstellung der wirksamen Konzentration gestattet. Eine solche wird aber bei Gegenwart von Methylalkohol erreicht. In den Proben aber, wo der Oxyd- und der Alkoholgehalt gleichbleibt, die Wasser- mengen aber wechseln (Versuche 7 und 9, ferner 8 und 3), wird dort weniger Amylalkohol zur Fällung gebraucht, wo die größeren @Quantitäten Wasser vorhanden sind. Alle diese Erscheinungen lassen sich aber leicht erklären resp. direkt ableiten aus der Annahme, daß zwei Lösungsmittel vorhanden sind, Kolloid und Wasser (bzw. methylalkoholisches Wasser), zwischen denen sich der Amylalkohol verteiüt. Als Fällungsmittel für kolloidales Eisenoxyd können auch Salze dienen. Da es daraufankam, event. die Salzwirkung mit der Alkoholwirkung zu kombinieren, wurde als Salz Chlorkalzium in wässeriger Lösung angewandt. Als untere Fällungsgrenze wurde, wie oben, beginnende Undurchsichtigkeit im durchfallenden Licht angesehen. Tabelle VII. Eisenoxyd- a Methyl- Untere Fällungsgrenze _ lösung PR, alkohol Call, auf 10 cem ec ccm cem berechnet 1; 1 1 — 1,6 4,4 2. 1 — 1 1,15 3,65 3. 1 2 — 2,8 4,8 4. 1 — 2 1,65 3,55 5. 2 — — 1,2 3,74 6. 1 3 —_ 4,45 5,28 T- 1 == 3 2,25 3,6 8. 1 4 —_ 5,6 5,3 9. 1 — 4 2,8 3,59 10. 3 — = 1,65 3,99 11. 4 — — 2,2 3,55 12. 1 — —_ 0,6 3,75 Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 21 3232 K. Spiro, Die Fällung von Kolloiden. Andere Reihe (etwas konzentriertere CaC],-Lösung): Tabelle VII. ı Eisenoxyd- Wilson Methyl- Untere Fällungsgrenze lösung N ‚alkohol CaCl, auf 10 eem cem cem ccm berechnet 7 2 — — 0,90—0,95 5,1 2.| 1 — 1 0,90—0,95 3,1 g| 3 —_ _ 1,25 3,0 4. 1 — 2 1,25 3,0 ; 4 wer 35% 1,75 3,0 6. 1 — 3 1,75 3,0 7.| 2 — 2 1,70 3,0 8. | 3 — 1 1,65 4 ‚80 3,0 9. | 1 3 — 3,20 4,4 10. | 2 2 Fr 2,55—2,6 \ 5,9 14, | 3 1 202,1 3,4 Aus diesen Versuchen geht hervor: DieuntereFällungsgrenzefür wässerigeChlor- kalziumlösungen ist eine konstante Größe bei gleichbleibender Konzentration. Verdünnt man dieKolloidlösung mitWasser, so steigt die untere Fällungsgrenze, wie wir dies ja auch von den Eiweiß- lösungen wissen und mit dem Verteilungssatz erklären können. Verdünnen wir aber die Eisenoxydlösung mit Methylalkohol, so steigt zwar die zur Fällung nötige absolute Salzmenge, die Fällungsgrenze bleibt aber genau dieselbe Das Chlorkalzium verteilt sich also in Methylalkohol wie 7a Wasser, das kolloidale Eisenoxyd aber nicht; wir haben ja en oben schon gesehen, daß Methylalkohol kein Lösungs- mittel für kolloidales Eisenoxyd ist. Jedenfalls sind die Versuche nur durch die Annahme von Lösungsvorgängen zu erklären. Eine Versuchsreihe mit käuflichem Glyzerin sei zum Vergleich angeführt. Eisenoxyd- Ca0l,-Zu- Fällungs- = Zusatz lösung satz ccm grenze 2 ccm — 0,7 bis 0,75 2,6 : DAR 1 cem Glyzerin 1.8 3,5 2 1 ,„ Wasser 1,1 3,5 a 1 ,„ Methylalkohol 0,7 bis 0,75 2,6 Verdünnung mit Glyzerin wirkt also wie solche mit Wasser. Dem entspricht auch, daß das abzentrifugierte Oxyd sich in Glyzerin wie in Wasser löst. XXVL. Über einige Derivate des Taurins und die Synthese der Taurocholsäure. Von Dr. Siegfried Tauber (Wien). Aus dem physiologisch-chemischen Institute zu Straßburg. Von den im Tierkörper als Endprodukt der Eiweißspaltung auftretenden Substanzen gelangen Glykokoll und Taurin in der Galle in Form von Glyko- und Taurocholsäure zur Ausscheidung. Soweit darüber Äußerungen in der Literatur vorliegen, stellt man sich vor, daß diese „gepaarten Gallensäuren“ eine säureamidähn- liche, der Hippursäure analoge Konstitution besitzen. Diese An- nahme liegt, soweit es sich um die Glykocholsäure handelt, äußerst nahe. In der Tat kann man sich selır gut vorstellen, daß in der Leber in ähnlicher Weise Glykokoll mit Cholsäure unter Wasser- austritt zusammentritt, wie dies für die Niere in betreff der Hippur- säure seit den Richtung gebenden Versuchen von Bunge und Schmiedeberg bekannt ist. Die Spaltbarkeit der Glykochol- säure in ihre Komponenten bietet mit jener der Hippursäure völlige Analogie, ebenso die Überführbarkeit in eine der Benzoyl- glykolsäure entsprechende Cholylglykolsäure. Die Vorstellung, daß die Bildung der Glykocholsäure einer Acylierung, der Anlagerung des Cholsäurerestes an den Stickstoff des Glykokolls entspricht, hat um so weniger Befremdendes, als das Glykokoll auch sonst der Anlagerung saurer Gruppen, z. B. der Acetyl- und Benzoylgruppe, leicht zugänglich ist *). Nicht so einfach liegen die Verhältnisse für die Bildung der Taurocholsäure. Dem Taurin geht die säurebindende Valenz, welche den Aminofettsäuren ihren amphoteren Charakter verleiht, ganz oder nahezu ganz ab. Es bildet keine Salze mit Säuren, und von Azylderivaten ist nur die noch zu erwähnende Phtalimidis- *) Es darf nicht verschwiegen werden, daß diese Analogie noch keinen endgültigen Beweis für die Richtigkeit der entwickelten Vorstellung abgibt. Der Vorgang könnte sich im Tierkörper auch verwickelter gestalten, z. B. wenn die Cholsäure sich ebenso mit anderen «@-Aminofettsäuren verbände (z. B. Leucin) und erst aus dem Produkt durch Abbau Glykocholsäure entstände. 21* 324 Siegfried Tauber, äthionsäure *) bekannt. Es hat demnach die Vorstellung, daß im Tierkörper Cholsäure und Taurin nach Art eines Säureamids zu Taurocholsäure zusammentreten, von chemischen Gesichtspunkten aus manches gegen sich, zumal da auf Grund der Beobachtungen von E. Friedmann an die Möglichkeit zu denken ist, daß die Cholsäure sich im Tierkörper zunächst mit dem Oystein, welches noch ganz den Charakter der Monaminosäuren darbietet, verbinden und daß erst aus einer so entstandenen Cysteinocholsäure durch Oxydation Taurocholsäure hervorgehen könnte. Demgegenüber ist allerdings zu beachten, daß das Taurin im Tierkörper unter Umständen eine der Amidbildung nahestehende Synthese durchmacht — die Überführung in Taurokarbaminsäure **), welche bei einer anderen Aminofettsäure, die im\ Organismus schwierig verbrannt wird, in der Umwandlung von Tyrosin zu Tyrosinhydantoin***) ihr Seitenstück findet. Ich habe mich in den nun zu schildernden Versuchen zunächst bemüht, Anhaltspunkte darüber zu gewinnen, inwiefern die bei den Monaminosäuren erfolgreichen Anlagerungsmethoden. auch beim Taurin brauchbar sind. Über das Ergebnis kann ich um so kürzer berichten, als es vielfach negativ war. Darstellung des Ausgangsmaterials. Zur Gewinnung von einem Gramm reinen Taurins muß man ungefähr 1'/. Liter Rindergalle verarbeiten. Die Darstellung des Taurins wurde nach bekannten Methoden vorgenommen. Am raschesten führte folgendes Verfahren zum Ziele. Fünf Teile Rindergalle werden mit einem Teil konzentrierter Salz- säure vom spezifischen Gewicht 1,19 mehrere Stunden lang gekocht, bis die sich als schwarze, harzige Massen ausscheidenden Dyslysine beim Ausziehen in Fäden spröde werden und die klar gewordene Flüssigkeit nicht mehr die Pettenkofersche Reaktion gibt. Man läßt erkalten, gießt von den Dyslysinen ab, engt stark ein, filtriert die noch warme Flüssig- keit von dem auskristallisierten Kochsalz ab, dampft das dunkelbraune Filtrat mit Tierkohle auf ein kleines Volumen ein und befreit mittelst Durchleiten von Wasserdampf möglichst von Salzsäure. Das Filtrat wird — eventuell nach Behandlung mit Bleikarbonat und Entfernung des Chlorbleis — zur Trockene eingedampft, das salzsaure Glykokoll mit 5 Proz. Salzsäure haltendem Alkohol (nicht mit Alkohol allein!) extrahiert, aus der Lösung des Rückstandes in 5proz. Salzsäure das Taurin mit der zehnfachen Menge absoluten Alkohols in weißen Kristallen gefällt und durch Umkristallisieren aus heißem Wasser, eventuell unter Zusatz von etwas absolutem Alkohol, gereinigt. *) Pellizzari und Matteucci, Liebigs Annalen, 248, 152 (1888). **) Salkowski, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 6 (1873). ***) Blendermann, Zeitschr. f. physiol. Chemie 6, 253 (1882). ar -Ir Über einige Derivate des Taurins usw. 325 Taurin und Benzoesäureanhydrid. Fein gepulvertes Taurin wurde, in überschüssiges erhitztes Benzoe- säureanhydrid eingetragen und im Olbade auf 250° durch eine Stunde erhitzt, wobei die Flüssigkeit sich stark bräunte. Ein geringer Teil des Taurins blieb hierbei ungelöst. Aus der beim Erkalten erstarrenden Masse wurde das überschüssige Benzoesäureanhydrid mit Petroläther extrahiert, der Rückstand mit absolutem Alkohol aufgenommen, filtriert, mit Tierkohle gereinigt und verdunsten'‘ gelassen. Der kristallinische, gelblich braune Rückstand wurde mit ammoniakalischem Wasser aufge- nommen, wobei eine geringe Menge einer braunen, Öligen Flüssigkeit zurückblieb. Beim Verdunsten der Lösung blieb ein kristallinischer Rückstand, der in absoluten Alkohol überging und aus der alkoholischen Lösung mit Aceton leicht gefällt werden konnte. Die Kristalle wurden durch wiederholtes Umfällen und Waschen mit Aceton gereinigt. Kleine, glänzende, leicht gelblich gefärbte, schüppchen förmige Kristalle, in Alkohol, Ather und heißem Petroläther löslich, in Wasser und in heikem Aceton schlecht löslich, sauer reagierend und bei 175° schmelzend. Sie gaben, bei 110° durch drei Stunden getrocknet, kein Kristallwasser ab. 0,1774 Substanz: 0,3812 CO, und 0,1029 H,O = 58,59 Proz. C und 6,49 Proz. H. 0,1460 Substanz: bei 17,5° und 767 mm B 11,58 ccm N = 9,29 Proz. 0,1879 Substanz: 0,2841 BaSO, = 20,77 Proz. S. Das entspricht einer Zusammensetzung CO ,,HsN,S550: Berechnet Gefunden C 58,38 58,59 H 6,53 6,49 N 9,10 9,29 S 20,80 20,77 16) 5,19 —_ Wie aus der Zusammensetzung hervorgeht, war es nicht zu der nach Analogie der Bildung von Hippursäure unter gleichen Umständen*) erwarteten Bildung des Benzoyltaurins gekommen, sondern es hatte eine Abspaltung von Kohlenstoff, anscheinend in Form von Kohlendioxyd, stattgefunden. Der gefundenen Zusammensetzung nach könnte sich die ver- wickelte Reaktion in folgendem Sinne abspielen: C .„H»0:s + 20, H: NSO; = C,H» N S:0-+3C0: +2H:0. Taurin und Phtalsäureanhydrid. Ebenso verwickelt gestaltete sich die Einwirkung von Phtal- säureanhydrid. Fein gepulvertes Taurin wurde im Ölbade bei 250° mit über- schüssigem Phtalsäureanhydrid durch zwei Stunden geschmolzen. Ent- *) Curtius, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 17, 1663 (1884). 326 Siegfried Tauber, gegen der Angabe von Drechsel*), Taurin löse sich nicht in siedendem Phtalsäureanhydrid, erhielt ich hierbei unter starkem Schäumen eine klare, leicht gelbliche Flüssigkeit, die beim Erkalten kristallinisch erstarrte. Die Substanz wurde durch mehrstündiges Ausziehen mit Ather im Soxhletschen Extraktionsapparate von dem Uberschuß an Phtalsäure- anhydrid befreit. . Das erhaltene Produkt ist in Wasser sehr leicht, schlecht in Aceton löslich, fällt aus der konzentrierten, wässerigen Lösung beim Versetzen mit Aceton sofort aus, löst sich aber wieder im Über- schuß von Aceton. Aus kaltem und heißem Wasser, viel schöner aber aus Aceton, kristallisiert es beim Verdunsten in zentimeter- großen, wasserhellen, regulär-hexagonalen, sehr dünnen, biegsamen, glimmerähnlichen Tafeln, die nur bei verlangsamter Verdunstung des Acetons eine Tiemlrhe Dicke erreichen. Beim Übergießen mit Aceton zerfallen die trockenen Kristalle zunächst in Nadeln, was sich unter dem Mikroskope schön ver- folgen läßt. Der Schmelzpunkt liegt scharf bei 50°. Die lufttrockenen Kristalle geben im Vakuum über Schwefelsäure Kristallwasser ab. Präparatl. 0,4454 Substanz verloren im Vakuum über Schwefelsäure nach 22 h 0,0682 H,O = 15,31 Proz. 0,2002 Substanz: 0,3199 CO, und 0,0779 H,O =483,58 Proz. C und 4,35 Proz. H. 0,1521 Substanz: bei 19,5° und 763 mm B 792 ccm N = 6,01 Proz. N. Präparat Il. 0,6311 Substanz verloren im Vakuum über Schwefelsäure nach 22 Stunden 0,0935 =14,81 Proz H,09.° - 0,1836 Substanz: 0,2903 CO, und 0,0714 H,0—=43,11 Proz. C und 4,35 Proz. H. 0,2418 Substanz: 0,1601 BaSO, = 9,09 Proz. S. Diese Zahlen stimmen am besten zu der Formel O3 Has NS, O1 +7 H,O Berechnet: Gefunden: ik TE 7H,0 15,43 15,31 1481 Für die wasserfreie Substanz: Berechnet Gefunden Mittel I II C 43,39 43,58 | 43,11 43,35 H 4,23 4,35 4,35 4,35 N 6,09 6,01 — 6,01 S 9,28 — 9,09 9,09 16) 37,01 37,20 *) Drechsel, Journ. f. prakt. Chemie 27, 418 (1883). ae Über einige Derivate des Taurins usw. 397 Wie die Formel lehrt, hat hier im Gegensatz zum Benzoyl- produkt keine Sauerstoffabgabe stattgefunden. Der ungleiche Ge- halt an Schwefel und Stickstoff weist darauf hin, daß bei der offenbar sehr verwickelten Reaktion zum Teil eine Zersetzung des Taurins Platz gegriffen hat. Die große Kristallisierbarkeit des Produktes, die charakte- ristische Beschaffenheit der Kristalle und der scharfe Schmelz- punkt machen eine weitere Untersuchung des Produktes, auch im Hinblick auf seine Verwendung zum Nachweise des sonst schlecht charakterisierten Taurins wünschenswert. G. Pellizzari und V. Matteucci*) haben durch Erhitzen von Taurinkalium und Phtalsäureanhydrid auf 160° das Kaliumphtalimi- disaethionat C,H, :(CO),:N.C,H,. SO, Kin monoklinen Kristallen erhalten. Sie gingen hiebei von dem Gedankengange Schiffs aus, daß, wenn in den Aminosulfosäuren der Säurecharakter der Sulfongruppe durch Alkali neutralisiert werde, die Amingruppe wieder zu ihrer ganzen Wirkung gelange. Taurin und Formaldehyd. Nach H. Schiff“*) nimmt Taurin ein Molekül Formaldehyd auf. Ich versuchte, das entstandene Methylentaurin zur Analyse zu bringen; dies scheiterte jedoch an seiner großen Zersetzlichkeit. Der beim Zu- sammenbringen von äquivalenten Mengen Formaldehyd und Taurin ent- standene, stark sauer reagierende Körper, welcher aus Karbonaten Kohlen- säure austreibt, ist so wenig haltbar, daß er schon beim Versetzen der wässerigen Lösung mit Alkohol Taurin ausfallen läßt und auch im trockenen Zustande über Schwefelsäure anhaltend Formaldehyd verliert. Demgemäß ergab sich bei der Analyse des trockenen Produktes, daß sich zum großen Teil wieder Taurin zurückgebildet hatte. Die im Hinblicke auf die leichte Veresterbarkeit anderer Aminofett- säuren versuchte Darstellung des salzsauren Methyl-, Athyl- und Amylesters nach Curtius gelang weder in der Kälte, noch bei ge- steigerter Temperatur. Während Salkowski”“") durch Anlagerung von Kaliumcyanat leicht zur Taurokarbaminsäure gelangte, glückte es mir nicht, bei An- wendung des Phenylisocyanates nach Paalyr) die homologe Phenylureido- säure zu erhalten. Taurin und Cyanamid. Durch Erhitzen von Taurin mit COyanamid haben R. Engelrr) und Dittrichfrr) aus Taurin das dem Kreatin entsprechende Tauro- *) Pellizzari und Matteucci, Liebigs Annalen 248, 152 (1888). ##) Hugo Schiff, Liebigs Annalen 310, 25 (1899) und 319, 59 (1901). *##) Salkowski, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 6, 1190 (1873). 7) €. Paal, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 27, 974 (1894). ir) R. Engel, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 8, 1597 (1875). tr) Eugen Dittrich, Journal f. prakt. Chemie, Neue Folge 18, 63 (1878). | 328 Siegfried Tauber, cyamin (Tauroglykocyamin) erhalten, dessen Schmelzpunkt zu 224 bis 226° und 260° angegeben wird. Wie ich mich überzeugte, reagiert Taurin auch beim Schmelzen mit der äquivalenten Menge Guanidinkarbonat. Die Masse verflüssigt sich bei 180°, wobei unter lebhaftem Schäumen Ammoniak entweicht. Nach einer Stunde erhält man eine homogene, farblose Schmelze, die beim Erkalten gelatinös erstarrt. Das Produkt ist aber kein einheitliches. Beim Behandeln mit Methylalkohol fällt aus der Lösung der Schmelze ein weißes, feines Pulver aus; der Methylalkohol hinter- läßt beim Verdunsten eine weiße, intensiv bittere, gelatinöse Masse. Das pulverförmige Produkt enthält zum mindesten zwei ver- schiedene Substanzen, eine in kaltem Wasser leicht und eine in demselben nur schwer lösliche; die erstere kristallisiert aus wässeriger Lösung beim Verdunsten in alkoholunlöslichen, porzellan- artigen, rhombischen Tafeln vom Schmelzpunkt 255°, die zweite in seidenglänzenden, fächerförmig angeordneten Nadeln. Wie die Einführung von Alkylgruppen, stößt auch jene von Säureradikalen beim Taurin auf größere Schwierigkeiten als bei den Monaminofettsäuren. Weder die Acetylierung nach €. Lieber- mann und OÖ. Hörmann, noch die Benzoylierung nach Schotten- Baumann, sei es bei Anwendung von Lauge, sei es von Pyridin, gab ein greifbares Resultat. Ebensowenig die Behandlung mit Benzolsulfochlorid nach Hedin‘*). Taurin und Cholsäure. Die Schwierigkeit, an das nicht an Alkali gebundene Taurin Säureradikale anzulagern, läßt es von vornherein wenig wahr- scheinlich erscheinen, daß die Taurocholsäure im Tierkörper durch Anlagerung von Cholsäure an Taurin unter Wasseraustritt entsteht. Sehr bemerkenswerterweise verhält sich aber, wie die folgenden Versuche zeigen, die Cholsäure dem Taurin gegenüber anders als die bisher zur Acylierung benutzten Säuren. Fein gepulvertes Taurin wird mit der berechneten Menge von Natriumcholat (am besten darstellbar durch Kochen einer Cholsäureauf- schwemmung in Wasser mit einer zur Auflösung nicht vollkommen ge- nügenden Menge von Natriumkarbonat) innig gemengt und im Olbade geschmolzen. Bei 245° beginnt die Masse sich gelblich zu färben und Wasser abzugeben. Nach einstündigem Schmelzen bei 265° resultiert unter nur geringem Schäumen eine grünlich-gelbe, homogene, zähflüssige, in glänzende, glas- artige Fäden ausziehbare, beim Erkalten sofort erstarrende Masse, die sehr an Dyslysin erinnert. Sie läßt sich leicht zu einem feinen, leichten Pulver zerreiben. *) S, G. Hedin, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 23, 3197 (1890). Über einige Derivate des Taurins usw. 399 Das Produkt ist in Wasser und 95proz. Alkohol leicht löslich; in absolutem Alkohol bleibt ein geringer Anteil ungelöst, auch in der Wärme. Die alkoholische Lösung fluoresziert. Aus der schwach alkalisch reagierenden wässerigen Lösung läßt sich durch vorsichtigen Säurezusatz Cholsäure nicht ausfällen. Hingegen läßt sich dieselbe aus der erhaltenen Verbindung durch Kochen mit konzentrierter Salzsäure als harziger, in Alkohol löslicher Niederschlag von der Beschaffenheit des Dyslysins ab- spalten. Auf Zusatz von Kupfersulfat, Silbernitrat, Bleiacetat, Queck- silberacetat und Quecksilberchlorid zur wässerigen Lösung fällt kein Niederschlag aus. Bleiessig mit etwas Ammoniak läßt einen dichten, weißen Niederschlag ausfallen. Die absolut-alkoholische Lösung der Schmelze gibt mit Äther einen weißen, dichten, flockigen Niederschlag, der, ebenso wie die „Pattnersche Galle“, wenn noch ätherhaltig, an der Luft zerfließt. Aus der über dem Niederschlag stehenden klaren Lösung läßt sich durch weiteren Ätherzusatz ein gleicher Niederschlag in beträchtlicher Menge ausfällen. Da es nicht gelingen wollte, die Substanz zur Krystallisation*) zu bringen, wurde der mit Äther gewaschene, rasch abgepreßte Niederschlag 24 Stunden im Vakuum- exsikkator — unter bedeutender Gewichtsabnahme — getrocknet. Derselbe stellte dann ein weißes, amorphes, lockeres, an der Luft nicht mehr zerfließliches Pulver dar, das zur weiteren Reinigung nochmals in absolutem Alkohol gelöst, mit Äther ge- fällt und auf dieselbe Weise getrocknet wurde. Die mit Essigsäure versetzte wässerige Lösung des so ge- reinigten Pulvers fällt Eiweiß in weißen, groben Flocken, wie dies Maly und Emich*) für die Taurocholsäure angegeben haben. Der Niederschlag war wie bei den genannten Autoren —- nach denselben bildet sich eine Verbindung von Eiweiß und Taurochol- säure — alkoholunlöslich, hingegen löslich in Alkalien. In fernerer Übereinstimmung mit den Angaben von Maly und Emich wird aus der angesäuerten wässerigen Lösung durch eine Albumose- lösung ein milchiger Niederschlag gefällt, der in Alkohol zum größten Teil löslich ist. Die Analyse ergab Zahlen, die sich mit zunehmender Reinigung jenen des taurocholsauren Natrons näherten. *) Inzwischen ist es, wie mir Herr Prof. Hofmeister mitteilt, Herrn Dr. G. Embden gelungen, die synthetische Taurocholsäure in kristallisierter Form zu gewinnen. **) Rich. Malyund Friedr. Emich, Malys Jahresber. 13, 289 (1884) und Monatshefte für Chemie 4, 89 (1883). 330 Sieefried Tauber, Über einige Derivate des Taurins usw. Ein dreimal mit Alkohol und Ather behandeltes Präparat lieferte folgende Zahlen: 0,1529 der im Vakuum über Schwefelsäure zur Gewichtskonstanz gebrachten Substanz gaben 0,3251 CO, = 57,99 Proz. C und 0,1204 10 = BP 0,1238 Substanz gaben bei 15,92 und 753,5 mm B 3,80 ccm N — 3,58 Proz. N. 0,2047 Substanz gaben 0,0941 Ba SO,. 0,5126 Substanz gaben 0,0434 Na,SO,. Berechnet für taurochol- saures Natrium Gefunden: GH, N80,.Na G 58,05 Proz. 57,99 Proz. H BD ı, 8,81 “ N 261 „ 8,58 \,„ Ss 5,97 “ 6,31 e O 20,84 „ ut Na 4,08, 4,00. 5 Trotz der Unvollkommenheit der Übereinstimmung, wie sie sich aus der nicht kristallinischen Natur des Produktes erklärt, kann auf Grund der oben angeführten Reaktionen nicht wohl ein Zweifel bestehen, daß eine Anlagerung von Cholsäure an Taurin stattgefunden hatte und dabei die Bildung einer mit Taurochol- säure identischen oder isomeren Substanz zustande gekommen war. Daß hier eine Acylierung erfolgt ist, kann daran liegen, daß nicht Cholsäure als solche, sondern das Salz derselben zur Ver- wendung kam, ähnlich wie umgekehrt bei dem Versuche von Pellizarı und Matteucci Taurinkalium statt des freien Taurins. XXVII. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. ; Von Ivar Bang. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Zweite Mitteilung. Über die Konstitution des nativen Histonnueleinats. Sättigt man eine Lösung des Histonnucleinats mit pulver- förmigem Kochsalz, so wird sie schon vor Eintritt der Sättigung dickflüssig, bald darauf undurchsichtig und weiß, etwa wie eine Aufschwemmung eines sehr feinen Pulvers in Pflanzenschleim. Nach einiger Zeit wird die Flüssigkeit dünnflüssiger und setzt einen reichlichen, weißen Bodensatz ab, welchen man durch Filtration sammeln kann. Da die Sättigung mit Kochsalz sehr langsam von statten geht, gibt das Filtrat, wenn man es neuer- dings längere Zeit mit Salz schüttelt, gewöhnlich noch eine Fällung. Es zeigt auch, wenn es vollständig mit Kochsalz gesättigt ist, stets noch eine schöne, rote Biuretreaktion. Ich habe wiederholt die Filtrate bis zum Auskristallisieren des Kochsalzes verdunsten lassen und niemals die Biuretreaktion vermißt. Diese Beobachtung steht zu einer früheren inzwischen von Malengreau bestätigten Angabe von mir im Widerspruch, der- zufolge es gelingen sollte, das Eiweiß mit Kochsalz so vollständig abzuscheiden, daß das Filtrat keine Biuretreaktion mehr zeigt. Ich habe keine Mühe gespart, diesen Widerspruch aufzuklären, und habe zu diesem Zweck meine Versuche in der verschiedensten W.eise abgeändert, jedoch ohne Erfolg. Das nucleinsaure Histon enthält sonach einen Ei- weißkörper, welcher nicht mit Kochsalz abgeschieden werden kann. Dagegen hat es sich bestätigt, daß der durch Kochsalzsättigung erhältliche Niederschlag aus Histon besteht und daß man aus dem Filtrate die Nucleinsäure mit Alkohol niederschlagen kann. 332 Ivar Bang, Die Untersuchung der Spaltungsprodukte des nucleinsauren Histons zerfällt somit in drei Abschnitte: die Untersuchung 1. des Histons, 2. der biuretgebenden Substanz und 3. der Nucleinsäure. 1. Das Histon. Bei seinen Untersuchungen über die Thymusproteide glaubte Malengreau gefunden zu haben, daß die Thymus zwei Histone enthält, welche sich hauptsächlich durch ihre Fällungsgrenzen gegenüber Ammoniumsulfat unterscheiden. Das A-Histon, welches nach Malengreau aus dem A-Nucleoalbumin herstammt, hat die- selben Fällungsgrenzen wie das Proteid, und das gleiche ist der Fall mit dem B-Histon, welches dem B-Nucleoalbumin entspricht. In meiner ersten Mitteilung habe ich gezeigt, daß Malengreaus A-Nucleoalbumin mit Huiskamps und meinem Nucleoproteid, welches nicht Histon, wohl aber ein Albuminat enthält, über- einstimmt, und weiter, daß das B-Nucleoalbumin dem Histon- nucleinat (in unreinem Zustande) entspricht. Weiter habe ich nachgewiesen, daß sich in der Thymus alles Histon in dem Nucleinat vorfindet. Wenn also Malengreaus Befunde richtig sind, müssen sich beide Histone aus dem Nucleinat darstellen lassen. Indessen habe ich vorgezogen, zuerst Malengreaus Beob- achtung nachzuprüfen, und habe versucht, nach seinen Vorschriften die Histone aus Thymus direkt darzustellen. In der Tat ließen sich auch durch fraktionierte Ausfällung zwei Histone mit konstanten Fällungsgrenzen darstellen. Außerdem enthält auch das Salzsäureextrakt der Thymusdrüse das schon vorher be- sprochene Albuminat, welches bei der Ausfällung der Histene mit Ammoniak teilweise mit niedergerissen wird und denselben auch nach mehrmaligem Umfällen noch anhaften kann. Es bildet somit eine noch nicht berücksichtigte Verunreinigung des Thymusbistons. Beide Histone wurden von Ammoniak niedergeschlagen und gaben die Kochprobe und Eiweißreaktion in der für Histone charakteristischen Art. Das A-Histon gab auch die Salpetersäureprobe und die Alkaloidreagenzprobe, während das B-Histon sich diesen gegenüber indifferent verhielt. Weiter wurde das A-Histon von 33 bis 43 Proz. Ammonsulfatsättigung und 15 bis 25 Proz. Kochsalz- sättigung niedergeschlagen, während die Fällungsgrenzen des B-Histons zwischen 65 bis 85 (90) Proz. Ammonsulfatsättigung und 50 bis 75 Proz. Kochsalzsättigung lagen. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 333 Damit waren weitere Beweise für die Existenz der beiden Histone beigebracht. Zur Analyse wurden drei Präparate aus 3 kg Thymus dar- gestellt. Es wurden nur Stickstoffanalysen ausgeführt. A-Histon B-Histon No. 1 17,86 Proz. N | Der Be 1786 „ „ | 181% Proz N N, IIBEN 4 | 52 Durchschnitt | 17,79 Proz. N | 1803 Proz. N =" i Es ergab sich somit, daß beide Histone ungefähr denselben Stickstoffgehalt besitzen. Bei der Darstellung meiner Präparate fiel es auf, wie ver- schieden die Ausbeute an den beiden Histonen war. In dem ersten Versuch bekam ich so wenig B-Histon, daß es nicht zu einer Analyse genügte, trotzdem 1 kg Thymus verarbeitet worden war. Im dritten Versuch überwog dagegen die Menge des B-Histons bei weitem. Man mußte hiernach die Existenz zweier Histone bezweifeln. Eine Entscheidung gab der folgende Versuch. Aus dem Wasserextrakte der Thymus schlug ich alles Histon als Kalknucleinat mit Chlorkalzium nieder. Der Niederschlag wurde in zwei Portionen a und b geteilt, Portion a wurde mit 2proz. Kochsalzlösung erschöpft, aus der Lösung alles Histon mit Kochsalz gefällt. (2proz. Kochsalzlösung extrahiert die ganze Histonverbindung aus dem Chlor- kalziumniederschlag, das B-Histon wird bei ?/, Sättigung mit NaCl voll- ständig gefällt.) Das Histon wurde im Wasser gelöst und mit Ammonsulfat fraktioniert: nur A-Histon wurde gefunden. (Ein Teil wurde mit 0,8proz. Salzsäure gespalten, das Histon mit Ammoniak niedergeschlagen, der Niederschlag in Salzsäure gelöst und die Lösung neutralisiert: nur A-Histon war vorhanden.) Portion b wurde direkt mit 0,8proz. Salzsäure extrahiert, filtriert und das Histon durch Sättigung mit Kochsalz gefällt, der Niederschlag wurde im Wasser gelöst und mit Ammonsulfat fraktioniert: es wurde B-Histon neben geringen Spuren von A-Histon erhalten. Wenn danach A- und B-Histon identische Körper sind, so bleibt zu untersuchen, warum sie Unterschiede 1. in den Fällungs- grenzen, 2. der Salpetersäureprobe und 3. der Alkaloid- reagenzprobe darbieten. 1. In betreff der Fällungsgrenzen war daran zu denken, daß sie vielleicht durch alkohollösliche Substanzen, z. B. das Leeithin, verschoben werden. Doch ist dies nicht der Fall. Bei mit Alkohol und Ather erschöpftem Thymus kommt man zu denselben Resultaten wie oben. Dagegen ist, wie ich später zeigen will, per analogiam wahrscheinlich, daß die Histonkomponente als eine 334 Ivar Bang, polyvalente Base mit Säuren verschiedene Salze bildet, und es erscheint denkbar, daß diese sich gegenüber Ammonsulfat ver- schieden verhalten. Doch kann man auch an andere Mösglich- keiten denken. 2. Der Salpetersäureprobe darf man”keinen zu großen Wert beilegen. Ich habe auch mit „B-Histon“ einige Male Nieder- schläge erhalten, und mitunter sind sie bei „A-Histon“ wenig prägnant. Der Niederschlag löst sich beim Erwärmen auf und kehrt beim Erkalten wieder. Es kommt jedoch öfter vor, daß er sich nicht löst. Obne bestimmtere Angaben machen zu können, stehe ich unter dem Eindruck, daß hier die Konzentration der Histonlösung, der Salzgehalt, die Menge der zugefügten Salpetersäure von Ein- fluß ist. 3. Die Alkaloidprobe ist eine der zuverlässigsten Histon- reaktionen, und es fiel mir sehr auf, daß sie bei „B-Histon“ ver- sagte. Nach vielen Bemühungen fand sich eine einfache Er- klärung: Kleine Beimengungen von Ammonsulfat (und das „B- Histon“ war durch Sättigung damit dargestellt) verhinderten völlig die Reaktion. Setzt man zu einem Niederschlage von Histon und Alkaloidreagens einige Tropfen Ammonsulfatlösung, so ver’ schwindet der Niederschlag augenblicklich *). Im Gegensatz zu Malengreau finde ich somit, daß Thymus nur ein Histon enthält, das sich ausschließlich im Histonnucleinat findet. Obwohl ich einige Analysen des Thymushistons schon mit- geteilt habe und diese auch für das aus dem Histonnucleinat er- haltene Histon zutreffen dürften, habe ich noch verschiedene Histonpräparate aus Nucleinat dargestellt und analysiert. Der Stickstoffgehalt wurde zu 18,18 Proz. gefunden, was mit den oben mitgeteilten Analysen übereinstimmt. In meinen „Bemerkungen über das Nucleohiston“ habe ich für das Histon einen Stickstoffwert von 18,05 Proz. angegeben. Huiskamp gibt durchschnittlich 18,09 Proz. an, während meine ursprünglichen Analysen (Studien über Histon) 18,35 Proz. ergaben. Denselben Wert hat auch Fleroff gefunden. Meine ersten Schwefelanalysen gaben kein übereinstimmendes Resultat, da. das Histon leicht mit einem schwefelreichen Körper ver- unreinigt erhalten wird. Nach mehrmaligem Umfällen bekam ich schließ- lich Präparate von konstanter Zusammensetzung. Der Schwefelgehalt *) In meiner norwegischen Publikation habe ich mitgeteilt, daß man auch aus dem Histonnucleinat bzw. der Kochsalzfällung sowohl A-, als B-Histon darstellen kann. Dies trifft für die Kochsalzfällung nicht zu. Was ich hier als B-Histon bezeichnete, waren nur Reste des „A-Histons“, wie später nach Fällung und Auflösung erkannt wurde. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 335 war 0,64 Proz., 0,60 Proz. und 0,60 Proz., im Durchschnitt 0,61 Proz. S. Fleroff hat bei einer Analyse des Thymushistons 0,62 Proz. S gefunden. C- und H-Analysen habe ich nicht ausgeführt. Es liegen jedoch gut übereinstimmende Analysen von anderer Seite vor. Lilienfeld enasi Proz.’C und 7,31. Proz. .H, Fleroff 52,37: Proz. C und 7,70 Proz. H gefunden. Die elementare Zusammensetzung des Thymushistons ist also ım Mittel: 52,35 Proz. U, 7,50 Proz. H, 18,10 Proz. N, 0,62 Proz. S. Ehe ich die Histone verlasse, möchte ich mit einigen Worten meine Auffassung des Histonbegriffs präzisieren. In meiner ein- schlägigen Abhandlung habe ich die Histone als Körper definiert, welche die fünf von mir aufgestellten Histonreaktionen aufweisen. Diese Auffassung trifft jetzt nicht mehr zu, da man seitdem Histone beschrieben hat, welche nicht alle diese Reaktionen geben, wie Ehrströms Lotahiston, welchem die Salpetersäureprobe ab- geht, Mathews Arbacin, das höchstens eine unvollständige Ammoniakreaktion gibt, Fleroffs Parahiston — nach meiner An- sicht ein veritables Histon — das weder die Histonreaktionen beim Kochen und mit Salpetersäure, noch die Ammoniakreaktion auf- weist. Von den fünf Reaktionen bleiben somit nur zwei, die Alkaloidreagenzprobe und die Eiweißreaktion übrig. Diese sind zwar stets vorhanden, aber nicht spezifisch, da sie auch den Prot- aminen zukommen. (Übrigens habe ich schon in meiner ersten Arbeit den geringeren Wert der anderen drei Reaktionen an- gedeutet.) Nach meiner Ansicht kann man denn auch die Histone und Protamine zu einer gemeinsamen Eiweißgruppe vereinigen. Ich werde in aller Kürze diesen Vorschlag begründen: 1. Sowohl die Histone wie die Protamine sind basische Körper, welche sich mit Säuren zu Salzen verbinden. 2. Beide geben mit genuinen Eiweißkörpern Niederschläge, welche aus Eiweiß und Histon bzw. Protamin bestehen. 3. Beide werden von den Alkaloidreagentien bei neutraler Reaktion niedergeschlagen. 4. Die Histone und Protamine besitzen einen hohen Gehalt an basischen Gruppen (Hexonbasen). Die Protamine enthalten da- von 88 Proz. bis 68 Proz., die Histone von 40 Proz ab. Millons Reaktion fällt gewöhnlich bei den Protaminen negativ aus (jedoch bei Cyclopterin positiv) und ist bei den Histonen immer nur schwach. 5. Die Histone und Protamine vertreten einander oft. Das unreife Fıschsperma enthält nucleinsaures Histon, welches bei der 336 Ivar Bang, Reifung in nucleinsaures Protamin übergeht. Übrigens persistiert bisweilen das nucleinsaure Histon auch im reifen Sperma. Gegen diese Gruppierung könnte man den Einwand erheben, daß die absolute Menge der Diaminosäuren in den Protaminen viel größer ist als im Histon. Vergleicht man aber die verschie- denen Protamine miteinander, so findet man unter ihnen ebenso große Differenzen, wie zwischen Histon und Protamin. So enthält Salmin 20 Proz. mehr basische Spaltungsprodukte als Cyclopterin und dieses nur 29 Proz. mehr als Gadushiston. Das Cyelopterin steht also dem Gehalt an Basen nach ebenso weit vom Salmin ab als vom Histon. Dem Gehalt an basischen Spaltungsprodukten nach ist es kaum möglich, die Histone als eine besondere Eiweißgruppe zu charakterisieren. Die Heteroalbumose enthält ebensoviel Diami- nosäuren als jedes Histon. Wollte man auch die Heteroalbumose deswegen als Histon bezeichnen, so scheitert man am kristallisierten Serumalbumin mit 33 Proz. Diaminostickstoff, das doch sicher kein Histon ist; auch sind mehrere Histone nicht auf ihre basischen Kerne untersucht. Einige davon enthalten weniger Stickstoff und werden vermutlich auch weniger Basen liefern. Ich finde daher keinen Anlaß, mit Kossel das Parahiston aus der Histongruppe auszuscheiden, weil es nur 13 Proz. Hexonbasen enthält. Das Para- histon besitzt doch alle wesentlichen Eigenschaften eines Histons. Früher hat man auch den Protaminen ein viel kleineres Molekül als den Histonen zugeschrieben. Seit aber Kossel ge- zeigt hat, daß die Protamine ein großes Molekulargewicht besitzen, ist auch dieser Unterschied unhaltbar. Daß die Histone Verbindungen von Eiweiß und Protamin sind, wird jetzt wohl niemand mehr annehmen. 2. Die biuretgebende Substanz (Parahiston). Wie schon bemerkt, gibt das mit Kochsalz gesättigte Filtrat eine deutliche Biuretreaktion und enthält somit einen Eiweißkörper, welcher nicht Thymushiston ist. Man könnte diese Tatsache als eine Bestätigung der Existenz des Nucleohistons deuten und. an- nehmen, daß die Kochsalzsättigung das Nucleohiston in Histon und Leukonuclein spaltet. Eine solche Auffassung wäre jedoch un- haltbar, denn erstens geht die Substanz in Alkohol über, und zweitens wird sie auch durch Salzsäure und Baryt ganz ebenso wie das Histon von der Nucleinsäure abgespalten. Sie ist somit wahrscheinlich mit der Nucleinsäure in derselben Weise ver- bunden, eine Auffassung, die ich später näher begründen werde. Chemische Untersuchungen der lymphatischen Organe. 337 Um die Substanz darzustellen, schlug ich zuerst im Filtrate des Histonniederschlages die Nucleinsäure mit Alkohol nieder und versetzte das jetzt erhaltene Filtrat mit einem Überschuß von Äther. Auf diese Weise erhielt ich aber den Körper mit allzu- viel Salz verunreinigt. Auch war die Abscheidung nur unvoll- ständig. In 96proz. Alkohol erwies er sich sogar als ziemlich leicht löslich. | Zu einem besseren Resultat kam ich, als ich das native nuclein- saure Histon mit 0,5proz. Salzsäure zerlegte. Das Histon wurde mit Ammoniak ausgefällt und das Filtrat mit Alkohol und Äther ver- setzt. Der Niederschlag wurde im Wasser gelöst, aufs neue mit Ammoniak behandelt, das Filtrat wieder mit Alkoholäther ver- setzt, bis man nach drei bis vier Umfällungen zu einer Lösung kam, welche keinen Niederschlag mehr mit Ammoniak, Salpetersäure und Kochsalzsättigung gab und somit kein Histon mehr enthielt. Dagegen waren nun alle Reaktionen des Parahistons von Fleroff und mir, welche ich hier nicht neuerdings anzuführen brauche, positiv. Die Identifizierung mit Parakiston gelang durch die Analyse. Nach Fleroff enthält das Parahiston 51,84 Proz. C, 7,93 Proz. H, 17,84 Proz. N und 1,99 Proz. S. Meine Analysen ergaben Er Proz. S und 17,72 Proz. N: Die biuretgebende Substanz im Filtrate des Histon- niederschlages ist somit Parahiston. Andere Eiweiß- körperließensichnichtnachweisen. Das native nuclein- saure Histon enthält somit von Eiweißkörpern nur Histon und Parahiston, und zwar letzteres den Niederschlägen nach in viel geringerer Menge. 3. Die Nucleinsäure. Diese ist der dritte Bestandteil des Histonnucleinats. Sie wurde in Übereinstimmung mit meinen früheren Angaben auf folgende Weise dargestellt: Man versetzt das mit Kochsalz gesättigte Filtrat mit 2 Vol. Alkohol. Die Nucleinsäure scheidet sich in großen zähen Klumpen aus, welche wie ein Fibringerinnsel an dem Glasstabe haften. Der Niederschlag ist ganz weiß und einer Mucinfällung durch Essigsäure sehr ähnlich. Die Nuclein- säure wird so als Alkalisalz gefällt. Dieses ist in Wasser leicht löslich und wird daraus nochmals mit Alkohol ausgefällt. Der Niederschlag ist dann schon von Salzen, besonders Kochsalz ziemlich frei. Seine Lösung wird dem entsprechend jetzt von Alkohol nur nach Zusatz von einigen Tropfen Kochsalzlösung, und zwar in Form weißer Flocken gefällt. Diese werden mit Alkohol ausgewaschen. Bei fortgesetzter Alkoholätherbehandlung erhält man das nucleinsaure Alkali als ein feines, weißes Pulver, welches sich in Beitr. z. chem, Physiologie. IV. 22 338 Ivar Bang, Wasser sehr leicht mit neutraler Reaktion löst. Eine solche Lösung gibt nicht die geringste Andeutung einer Biuretreaktion und ist absolut chlorfrei. Mit den Salzen der Schwermetalle, besonders mit - Blei- und Kupfersalzen bekommt man Niederschläge der betreffenden Metallverbindungen der Nucleinsäure. Silber- und Quecksilber- salze geben jedoch mit der Nucleinsäure keine oder nur eine sehr unvollständige Fällung. Alkohol schlägt dann die Silber- und @uecksilberverbindung ziemlich vollständig nieder. Die Nuclein- säure wird von verdünnter Essigsäure absolut nicht gefällt, wohl aber von einer 25proz., ebenso auch von ganz verdünnten Mineral- säuren. Von diesen wird aber die Nucleinsäure rasch zerstört. Schon nach kurzer Zeit lassen sich Purinbasen und Phosphorsäure im Filtrate nachweisen. Hält man eine Lösung des nucleinsauren Alkalıs einige Zeit bei 60°, so bewirkt ein Zusatz von Salzsäure keinen Niederschlag mehr. Silbernitrat und Ammoniak bewirken aber noch keine Fällung. Kocht man dagegen die Nucleinsäure kurze Zeit mit ver- dünnten Mineralsäuren, so lassen sich die Purinbasen leicht nach- weisen, wie dies den Angaben aller früheren Untersucher der Thymusnucleinsäure entspricht. Ebenso reduziert eine Nuclein- säurelösung nach Inversion mit einer Mineralsäure die Fehlingsche Lösung nicht. Die Nucleinsäure gibt weiter eine schöne Pen- tosenreaktion mit Phlorogluein und Salzsäure. Eine Lösung des nucleinsauren Alkalis kann mit Neutralsalzen gesättigt werden, ohne daß Nucleinsäure ausgefällt wird — im Gegensatz zu meiner Angabe in der vorläufigen Mitteilung, derzufolge man mit Ammon- sulfat die Säure teilweise niederschlagen kann. Sättigt man da- gegen eine Lösung des nucleinsauren Alkalis mit Ammonsulfat, so kann man durch einige Tropfen Essigsäure die ganze Säure ausfällen. Diese Fällung ist auch im Wasser leicht löslich und wird durch Sättigung mit Ammonsulfat neuerdings ausgefällt. Die Nucleinsäurefällung und Lösung reagiert aber auch nach oft wiederholtem Umfällen deutlich sauer. Bei Zusatz verdünnter Essigsäure wird also dem nucleinsauren Alkali ein Teil desAlkalisentrissen, und es entsteht ein saures nuclein- saures Alkali, welcheszwar auch im Wasser löslich ist, aber mit Ammonsulfat ausgesalzen werden kann. Um die Zusammensetzung der Nucleinsäure zu ermitteln, analysierte ich das Alkalisalz, nicht die freie Säure. Diese wird nämlich durch Umsetzung mit Salzsäure dargestellt, und bei Anwendung von Mineralsäure läuft man selbst bei vorsichtiger Arbeit Gefahr, die Nucleinsäure zu zersetzen. Beim Trocknen N . Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 339 des nucleinsauren Alkalis (Natron) bei 100° zeigte es sich in- dessen, daß auch diese Präparate sich unter Bräunung zersetzten. Ich mußte deswegen meine Präparate bei 50° im Exsikkator troeknen — ganz wie Schmiedeberg für die Salmonucleinsäure vorgegangen ist. Erst nach einigen Monaten erreichte ich Gewichts- konstanz. Die Präparate waren dann noch ganz weiß und in Wasser vollkommen löslich. Doch waren sie etwas hygroskopisch geworden. Sie hatten im ganzen 6 Proz. Wasser abgegeben. Die Analysen wurden an vier Präparaten ausgeführt. C H N 1% Na Präparat I | 35,75 Proz. 14,18 Proz.| 15,45 Proz. 9,34 Proz. — „ I | E32 ga = 9,30 ” 7 & aan Ra ENTE AB AT", > £ III | = En 15,06 ., 9,33 „ 6,46 Proz. eV 1 2 ee fen »e 1007. -\6,08 7, Mittel: 35,85 Proz. |4,23 Proz.| 15,26 Proz. 9,30 Proz.|6,25 Proz. Man darf, wie für die übrigen Nucleinsäuren auch für die vorliegende annehmen — wie übrigens schon für die Thymus- nucleinsäure geschehen ist — daß sie vier Phosphoratome ent- hält. In der Tat stimmen meine Analysenresultate — besonders die P- und Na-Werte annähernd mit der Formel der Thymus- nucleinsäure nach Herlant überein, übrigens derselben Formel, welche Schmiedeberg für die Salmonucleinsäure aufgestellt hat: C,.HseNu4P: Os. Berechnet für | a CH3, Na, NP, 03 C 35,30 Proz. 35,85 Proz. H 380.7, #298 -., Na Giger, 6,25 „ N ISAL. -, 26%, P 9,12 , 930° - ; Ob hier eine Verwandtschaft bzw. Identität mit der Salmo- nucleinsäure besteht, war nur durch Untersuchung der Spaltungs- produkte zu entscheiden. Zu diesem Zwecke wurde die Nucleinsäure in einem Versuche mit 5proz. Schwefelsäure drei Stunden im Wasserbade gekocht, in einem anderen zwei Stunden im Autoklaven mit 30proz. Schwefelsäure bis 150° erhitzt. Nach der Inversion mit 5proz. Schwefelsäure ließ sich keine reduzierende Substanz nachweisen. Dagegen waren die Purin- 22* 340 Ivar Bang, basen vollständig abgespalten. Nach Ausfällung derselben konnte man mit Quecksilbernitrat einen Niederschlag gewinnen, welcher Thymin, Phosphorsäure und die „Pentose“ enthielt, welche Stoffe dementsprechend fester untereinander verbunden sind als mit den Purinbasen. Diese Verbindung kann nicht der Thyminsäure ent- sprechen, da eine Ausfällung der Purinbasen durch Silbernitrat stattfinden kann. Auch läßt sich die Thyminsäure aus dieser Nucleinsäure nach Kossels Methode isolieren. Was die Natur der Purinbasen betrifft, so ließen sich Hypo- xanthin und Xanthin bald ausschließen. Dagegen fand sich Adenin in reichlicher Menge. In meiner ersten Untersuchung, wo ich nur mit unvollständig gereinigter Nucleinsäure arbeitete, hatte ich kein Guanin gefunden. Genauere Untersuchungen mit reinem Materiale, das übrigens auch eine schöne \Murexidprobe gab, ergaben jedoch seine Anwesenheit. Auch bei der Bestimmung der Purinbasen bin ich zuerst zu einem unrichtigen Resultate ge- kommen. Erst als ich die Silberfällung mehrmals aus 20proz. Salpetersäure unter Zusatz von Harnstoff umkristallisierte, ließen sich sowohl reines Adenin als Guanin nachweisen. Die Silber- salze wurden mit Salzsäure zerlegt und das Adenin vom Guanin mit Ammoniak getrennt. Die Adeninmenge war zweimal so groß wie die Guaninmenge (etwa 0,5:0,25 g), ganz in- Übereinstimmung mit Kossels Befund, welcher aus 10 g Thymus- nucleinsäure 1,2 g Adenin und 0,6 g Guanin darstellen konnte. Nach ihren qualitativen Reaktionen ist also meine Nuclein- säure mit jener Kossels ganz identisch, und da Kossel seine Nucleinsäure nach einem Verfahren dargestellt hat, wonach man, wie gezeigt, die Nucleinsäure aus dem Histonnucleinat darstellen kann, so ist die Identität beider sichergestellt. Bei der Bestimmung der absoluten Basenmenge erhielt ich als Resultat etwa 22 Proz. Basen, Kossel approximativ 18 Proz. Aus dem ungefähr bekannten Molekulargewicht der Nuclein- säure (= 1272) läßt sich berechnen, daß sie zwei Moleküle Purin- basen (1 Molekül Adenin + 1 Molekül Guanin = 22,4 Proz.) enthält. Diese Beobachtung stimmt vollständig mit Schmiede- bergs Befund an der Salmonucleinsäure überein, läßt sich aber nicht mit dem gefundenen Verhältnis der beiden Basen, zwei Teile Adenin auf einen Teil Guanin vereinigen. Was sonstige stickstoffhaltige Spaltungsprodukte betrifft, so gibt die Nucleinsäure kein Ammoniak ab. Bei Destillation mit Maenesia ging nichts davon über. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 341 Dagegen habe ich sowohl Thymin als Cytosin gefunden. Thymin kommt in viel größerer Menge als Cytosin vor. Das Cytosin ließ sich nach einer Kombination der Methoden von Kossel und Steudel und Kutscher nachweisen. Allerdings habe ich nur verhältnismäßig geringere Mengen Nucleinsäure darauf verarbeitet. Kossel schätzt die relativen Mengen des Thymins und Cytosins in der Thymusnucleinsäure auf 8:2. Andere stickstoffhaltige Substanzen habe ich aus der Nuclein- säure nicht darstellen können. Von sonstigen Spaltungsprodukten habe ich Lävulinsäure (nebst Ameisensäure) nachweisen können. Dagegen enthält die Nucleinsäure keine Pentose, der schönen Pentosenreaktion mit Phloroglucin und Salzsäure ungeachtet. Bei einem Ver- such zur Bestimmung der vermutlichen Pentose nach Tollens ging keine Spur von Furfurol in die Vorlage über. Grund lat bei Unter- suchung des „Nucleohistons“ dasselbe gefunden, trotzdem Thymus selbst nicht unerhebliche Mengen Pentose enthält. Auch die Örcinprobe fällt ganz negativ aus. Hieraus geht hervor, daß Glykuronsäure nicht vorliegen kann. Die Orcinprobe ist darnach der Phloroglucinprobe bei weitem überlegen. Die Nucleinsäure enthält somit, wie ich in Übereinstimmung mit Kossel finde, eine Kohlehydratgruppe, welche nicht als redu- zierende Substanz abgespalten werden kann. Ob diese Gruppe die „Pentosenreaktion“ bedingt, weiß ich nicht. Nach Erhitzen im Autoklaven fällt die „Pentosenreaktion“ negativ aus. Den Spaltungsprodukten nach besitzt entweder die Nuclein- säure ein außerordentlich großes Molekül, was nicht wahrscheinlich ist, oder es liegen mehrere, mindestens zwei, Nuclein- säuren vor. Wenn wir uns hierüber näher orientieren wollen, müssen wir zwei Momente im Auge behalten: 1. Die absolute und relative Menge der Spaltungsprodukte und 2. die elementare Zusammen- setzung der Nucleinsäure. Von den Spaltungsprodukten kennen wir alle, oder jeden- falls mehrere stickstoffhaltige. Dagegen sind die stickstofffreien kohlenstoffhaltigen Spaltungsprodukte der Hauptmasse nach un- bekannt. Da unsere Nucleinsäure sich den Reaktionen nach wie die Salmonucleinsäure verhält, ungefähr dieselbe prozentische Zu- sammensetzung und aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine ana- loge Konstitution besitzt, so dürfen wir annehmen, daß in ihr als Kern eine Thymin- bzw. Cytosinsäure vorliegen. Liegen mehrere 342 Ivar Bang, Nucleinsäuren vor, so müssen sie sämtlich eine ähnliche Kon- stitution besitzen. Man darf somit annehmen, daß wir entweder eine Guanin- und eine Adeninnucleinsäure, oder eine Adenin- und eine Adenin-Guaninnucleinsäure vor uns haben. Ich glaube später beweisen zu können, daß letzteres der Fall ist. In diesen können weiter als Komponenten eine Thyminsäure und eine Cytosinsäure oder eine Kombination von beiden vor- liegen, und zwar in der einen oder der anderen oder in beiden Nucleinsäuren. Wenn wir es aber mit einer Adenylsäure und einer Adenin- Guaninsäure zu tun haben, so erfordert die relative Basenmnenge, vorausgesetzt, daß beide Nucleinsäuren je zwei Purinbasen ent- halten, daß zwei Gewichtsteile Guanin-Adeninsäure auf einen Teil Adenylsäure kommen. Da nun das Thymin in weit reichlicherer Menge vorhanden ist als Cytosin, so ist es nicht unmöglich, daß die Adenin-Guaninsäure (ich nenne diese schlechtweg die Normal- säure) Thymin, und die Adenylsäure das Oytosin allein oder auch überdies Thymin enthält. Nehmen wir nach Analogie mit der Salmonucleinsäure, Triticonucleinsäure usw. an, daß zwei Mole- küle Pyrimidinbasen vorliegen, so sollten im ersten Falle (Adenyl- säure = Cytosinsäure und Normalsäure = Thyminsäure) 13 Proz. Thymin und 6 Proz. Cytosin erhalten werden. Ist aber die Adenylsäure eine Cytosin-Ihyminsäure und die Normalsäure eine Thyminsäure, so haben wir in der „Nucleinsäure* (=°/; Normal- säure + '/; Adenylsäure) 16,5 Proz. Thymin und 3 Proz. Cytosin zu erwarten. Kossel hat, wie erwähnt, nach seiner ursprünglichen, unvollkommenen Methode 8 Proz. Thymin und 2 Proz. Cytosin gefunden, was wohl besser mit der ersten Auffassung überein- stimmt. Haben doch Osborne und Harris in der Triticonuelein- säure bei quantitativem Arbeiten nur 11 Proz. Uracil anstatt der theoretischen Menge (16 Proz.) gefunden. Auch stimmt diese Auf- fassung am besten zu den analytischen Werten. Während nämlich die erste Alternative (16,5 Proz. Thymin und 3 Proz. Cytosin) einem Stickstoffgehalt der „Nucleinsäure* (als Na-Salz) von 14,87 Proz. entspricht, stellt sich die Sache der anderen Auffassung nach in folgender Weise dar“). *) Ich bemerke dazu, daß ich die Differenz des Kohlenstoffes zwischen Thymin und Cytosin nicht berücksichtige. Kennen wir doch die stickstoff- freien Bestandteile der Nucleinsäuren nicht und wissen auch nicht, wie sich diese verteilen. Dagegen enthalten die Nucleinsäuren etwa 10 C auf 1 P, was mit meinen Analysen übereinstimmt. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 343 Berechnet | 2/, Normalsäure [(C,, Hz Na, Nj4 Ps Og)2] Gefunden —+ 1, Adenylsäure=[C, H„N&4 NP, O2] | C | 35,49 Proz. I". 85,85 Proz: H l 3,30 , Br, m Na | 5.80. 65 „ N | 1,19, 2 tea, P NAT, 9,30 „ Über die absolute Richtigkeit der C- und H-Werte können wir vorläufig kein bestimmtes Urteil abgeben, dagegen stimmen die Na-, N- und P-Werte gut zu der ausgeführten Auffassung. Da aber nicht sämtliche Komponenten der Nucleinsäuren bekannt sind, so verzichte ich auf die Entwickelung einer Konstitutions- formel.*) Nur möchte ich hervorheben, daß sich sämtlicher Stick- stoff in den Spaltungsprodukten findet, wenn man in der Normal- säure je ein Mol. Guanin und Adenin und zwei Mol. Thymin (= 14 Atome N) und in der Adenylsäure zwei Mol. Adenin und zwei Mol. Cytosin (= 16 Atome N) annimmt. 4. Ist das native Histonnucleinat eine einheitliche Substanz? Bei der Untersuchung des nativen Histonnucleinats haben wir als Bestandteile kennen gelernt: Histon, Parahiston und zwei Nucleinsäuren. Es ergibt sich nun die Frage: Besteht das beschriebene Histonnucleinat in der Tat aus zwei Verbindungen, einem nucleinsauren Histon und einem nucleinsauren Parahiston, und, falls dies der Fall ist, wie verteilen sich die Nucleinsäuren an die Eiweißbasen ? Zur Lösung dieser Frage habe ich auf eine schon in der ersten Mitteilung angeführte Beobachtung zurückgegriffen. Versetzt man eine Lösung des Histonnucleinats nach und nach mit gesättigter Kochsalzlösung, so erhält man bei Halb- sättigung einen Niederschlag von Histon, welcher sich bei weiterem Zusatz vermehrt. Dabei ist bereits ein Teil des . *) An dieser Stelle möchte ich mit Bezug auf eine Bemerkung Kossels, ich hätte über seine Untersuchungen der Thymusnucleinsäure ein absprechendes Urteil gefällt, hervorheben, daß ich gerade auf Grund meiner Bearbeitung dieses schwierigen Gebietes die einschlägigen vorzüglichen Arbeiten Kossels sehr hoch schätze und aus ihnen den größten Nutzen gezogen habe. Die „beträchtlichen Irrtümer“, welche mir Kossel zuschreibt, beruhen zum- wesentlichen auf Mißverständnissen. Kossel hat mir seinerzeit eine Auf- klärung derselben unmöglich gemacht. Es dürfte jetzt nicht mehr lohnen, auf diese sachlich weniger wichtigen Punkte zurückzukommen. 344 Ivar Bang, Histons abgespalten; der Rest kann dann entweder aus einem phosphorreicheren Proteid bestehen, was für eine einheitliche Ver- bindung spräche, oder das Proteid hat den ursprünglichen P-Gehalt, d. h. ein Teil der Nucleinsäure ist zugleich mit dem Histon aus- getreten, was auf eine spezielle Histonverbindung zu beziehen wäre. Aus dem Schwefelgehalte des Restes wären vielleicht auch Aufschlüsse über das Parahiston zu gewinnen. Versuche in dieser Richtung wurden in folgender Art ausgeführt: Die Lösung des nucleinsauren Histons wurde mit Kochsalz halb- gesättigt, filtriert und das Filtrat dialysiert. Nach Entfernung des Koch- salzes bildete sich ein Niederschlag, welcher sich größtenteils in Wasser löste. Diese Lösung fällte ich mit Chlorkalzium und löste den Nieder- schlag in 2proz. Kochsalzlösung. Weder bei Verdünnung mit Wasser, noch bei Dialyse bildete sich jetzt ein Niederschlag. Auch Zusatz von Chlorkalzium bewirkte jetzt keinen Nieder: schlag mehr. Dagegen gab Essigsäure eine Fällung, welche 6,27 Proz. P enthielt. Da ich befürchtete, daß die Essigsäure Eiweiß ab- gespalten hätte, analysierte ich direkt die durch Chlorkalzium erhaltenen Niederschläge ohne weitere Reinigung. Ich erhielt folgende Werte: P 548 Proz., Ca 185 Proz. und S 0% Prez. Die P wndrEez werte blieben unyerändert, dagegen ergab sichwinz die Hälfte des ursprünglichen 5-Gehalts da nutcleinsaure Histion 532 Proz-:P, "EA Fraz Dızıen 047 Proz S enthätt Die Analysen können nur in der Weise gedeutet werden, daß alles Parahiston und die mit diesem verbundene Nucleinsäure abgespalten, daneben auch ein Teil des eigentlichen nucleinsauren Histons zerlegt worden war, derRest aber aus eigentlichem nucleinsaurem Histon bestand. Folglich sind sowohl das Parahiston als das Histon jedes für sich mit Nucleinsäure verbunden. Weiter ist hiermit der Beweis geliefert, daß das Parahiston in derselben salzartigen Weise wie das Histon gebunden und die Annahme eines Leuko- nucleins abzuweisen ist. Wenn aber die analysierte Verbindung nur Histon und Nuclein- säure enthielt, dann mußte es gelingen, durch Kochsalzsättigung ihrer Lösung alles, was Eiweißreaktionen gibt, auszufällen. Dies war auch der Fall. Im Filtrate fiel die Biuretreaktion vollständig negativ aus. Wir haben hiermit die erste Frage beantwortet und werden jetzt untersuchen, wie sich die Nucleinsäuren unter den Eiweiß- basen verteilen. Aus dem eigentlichen nucleinsauren Histon stellte ich mir nach der Salzsäuremethode die Nucleinsäure dar. Sie enthielt sowohl Guanin als Adenin. Weiter müßte man die Menge 1 A Sn ee Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 345 der Basen bestimmen. Nur wenn man 1 Teil Adenin auf 1 Teil Guanin fände, wäre der Beweis für die oben ausgesprochene Auf- fassung der Normalsäure endgültig geliefert. Ich habe solche Untersuchungen noch nicht ausgeführt). Doch ist nach meinen Beobachtungen über die relativen Mengen des Histons und Parahistons zu erwarten, daß das Histon, welches in größerer Menge als das Parahiston vorkommt, mit jener Nuclein- säure in Verbindung steht, welche in größerer Menge vorkommt. In der Tat kommt die Normalsäure in doppelt so großer Menge vor als die Adenylsäure. - Da wir festgestellt haben, daß sowohl Histon als auch Parahiston mit Nucleinsäure verbunden ist, so ist hiermit auch bewiesen, daß das native nucleinsaure Histon aus zwei Ver- bindungen besteht. Daraus folgt nicht, daß diese beiden als voneinander unabhängige Verbindungen vorkommen. Eher dürfte das native Histonnucleinat als eine einheitliche Verbindung anzusehen sein, welche den Charakter einer Doppelverbindung, eines Doppelsalzes, besitzt. Denn erstens ist die elementare Zusammensetzung und besonders der Schwefelgehalt in allen Präparaten konstant, folglich in allen dasselbe Mengenverhältnis zwischen Histon und Parahiston gegeben. Weiter haben wir ge- sehen, daß das eigentliche nucleinsaure Histon eine sehr unbe- ständige Verbindung ist, welche schon von verdünnten Neutral- salzlösungen erheblich verändert wird, während die ursprüngliche Doppelverbindung sehr beständig ist. Die Gegenwart der Para- histonverbindung ist also von wesentlicher Bedeutung für die Histon- verbindung und gibt der ursprünglichen Verbindung ihre Beständig- keit. Zugleich wird sie so selbst vor Zerfall geschützt. Wir besitzen nunmehr ausreichende Anhaltspunkte zu einer vorläufigen Beurteilung der Konstitution des nucleinsauren Histons, zumal die Spaltungspredukte sich durch einige spezifische Ele- mente auszeichnen, die Nucleinsäuren durch ihren P-, die Eiweiß- körper durch ihren S-Gehalt, überdies der S-Gehalt der beiden Eiweißkörper untereinander sehr verschieden ist. 5. Die Konstitution des nativen Histonnucleinats. - Aus den schon mitgeteilten Analysen wissen wir, daß dasnative nucleinsaure Histonkalzium 43,69 Proz. C, 5,60 Proz. H, Beeren, 0,47 Proz. S, 5,23 Proz. P und 1,71 Proz. Ca enthält. Das Histon besteht aus 52,35 Proz. C, 7,50 Proz. H, 18,10 Proz. N, 0,62 Proz. S und das Parahiston aus 51,84 Proz. C, 7,93 Proz. H, 17,73 Proz. N und 2,11 Proz. S. Weiter hat eine *) Im hiesigen Laboratorium ist die Frage schon in Angriff genommen. 346 Ivar Bang, Nucleinsäure, welche aus *% Normalsäure und !/s Adenylsäure besteht, eine durchschnittliche Zusammensetzung von 35,49 Proz. C, 3,80 Proz. H, 6,80 Proz. Na, 15,18 Proz. N, 9,17 Proz. P als Na-Salz berechnet, und die freie Säure 38,08 Proz. C, 4,08 Proz. H, 16,18 Proz. N und 9,84 Proz. P. | Da aller Phosphor den Nucleinsäuren angehört, besteht das native nucleinsaure Histon mit 0,47 Proz. S aus 54 Proz. Nuclein- säure und 46 Proz. Eiweißkörper. Diese enthalten daher zu- sammen 1,02 Proz. S. Wenn weiter das Histon 0,62 Proz. S und das Parahiston 2,11 Proz. S enthalten, bestehen die Eiweißkörper entweder aus 2 Teilen Histon und 1 Teil Parahiston (% Histon + !; Parahiston = 0,41 Proz. S + 0,70 Proz. S = 1,11 Proz. S), oder aus 3 Teilen Histon auf einen Teil Parahiston (?/s Histon + '/«ı Para- histon = 0,47 Proz. S + 0,53 Proz. S = 1,00 Proz. S). Aus den Analysen des eigentlichen nucleinsauren Histons wissen wir, daß diese Verbindung 5,48 Proz. P und 0,26 Proz. S enthält. Folglich besteht diese aus 56 Proz. Nucleinsäure und 44 Proz. Histon, wenn man vom Phosphor ausgeht und 42 Proz. Histon mit 58 Proz. Nucleinsäure, wenn man den Schwefel zum Ausgangspunkt nimmt. Beide Berechnungen geben somit ein übereinstimmendes Resultat und daraus geht weiter hervor, daß das eigentliche nucleinsaure Histon dieselbe prozen- tische Zusammensetzung besitzt wie die ursprüngliche Verbindung. (Die kleinen Differenzen liegen innerhalb der Versuchsfehler.) Hieraus läßt sich schließen, daß auch das nucleinsaure Parahiston eine BRE Een u Zusarınie nersesnE aufweisen muß. Weitere Aufschlüsse über die Zusammensetzung des nuclein- sauren Histons lassen sich hieraus nicht ziehen. Es ist jedoch der proportionalen Menge der Nucleinsäuren nach wahrscheinlich, daß zwei Teile Histon (und nicht drei) aufeinen Teil Parahiston kommen, eine Auffassung, deren Richtigkeit ich später noch begründen will. Das nucleinsaure Histon besteht darnach aus 54 Proz. Nucleinsäure, 30,7 Proz. Histon und 15,3 Proz. Parahiston. Hiermit ist die Frage nach dem Aufbau des nativen Histon- nucleinats in den Hauptzügen gelöst. Wenn ich aber nicht irre, erlauben meine Untersuchungen weitere Schlüsse, und zwar über empirische Formel und Molekulargewicht des Histons und Para- histons, und damit der Eiweißkörper überhaupt. Allerdings hat man schon mehrfach versucht, das Molekulargewicht verschiedener Eiweißkörper zu berechnen, doch muntern die Resultate nicht be- sonders zur Fortsetzung auf. Im vorliegenden Falle liegen aber die Verhältnisse bedeutend günstiger. Chemische Untersuchungen der lymphatischen Organe. 347 Für das Histon haben wir einen wertvollen Ausgangspunkt im Schwefel. 1. Der Schwefelgehalt des Histons ist 0,62 Proz. Rechnet man ihn wegen der unvermeidlichen Versuchsfehler zu 0,70 bis 0,50 Proz., so können wir das Molekulargewicht auf 4600 (S = 0,70 Proz.) bis 6400 (S = 0,50 Proz.) schätzen. 2. Fürs zweite läßt sich das Molekulargewicht des Histons indirekt aus dem Schwefelgehalt des Parahistons be- rechnen. Bei einem Gehalt von 2,10 Proz. S hat das Parahiston ein Molekulargewicht von mindestens 1530 [von 1460 — (S = 2,2) bis 1600 — (S = 2,00)]. Ist aber die prozentische Menge des Histons doppelt so groß als jene des Parahistons, so muß man annehmen, daß das Molekulargewicht des Parahistons — 3060, jenes des Histons also 6100 ist, was ganz gut mit der direkten Bestimmung übereinstimmt. Das Parahiston enthält dement- sprechend mindestens zwei Atome S. (Es ist ausgeschlossen, daß zwei Moleküle Parahiston vorliegen.) 3. Fürs dritte läßt sich das Molekulargewicht des Histons aus dem eigentlichen nucleinsauren Histon berechnen, da wir jenes der Nucleinsäure kennen. Dieses ist 1272, und folglich ist das des Histons = n. 1010. Dieser Berechnung nach ist das Molekular- gewicht des Histons mindestens 5050 bis 6060, woraus folgt, daß das Histon mit mindestens fünf bis sechs Molekülen Nucleinsäure verbunden ist. 4. Weiter habe ich, — worüber später ausführlicher berichtet wird — das Histonchlorid dargestellt und analysiert. Der Chlor- gehalt war in drei Analysen 3,64 Proz., 3,33 Proz. und 3,26 Proz. Cl. Hieraus berechnet sich das Molekulargewicht des Histons zu n. 1045 oder mindestens- 5225 bis 6270. Die Resultate stimmen also mit der Berechnung aus der Nucleinsäure gut überein. 5. Beim nucleinsauren Histon haben wir folgendes zu be- rücksichtigen: 1. Das Molekulargewicht des nucleinsauren Histon- Kalziums läßt sich aus dem Kalzium berechnen; 2. enthält diese Verbindung alle drei (vier) Komponenten, was die indirekte Be- stimmung der einzelnen und besonders der kompliziertesten er- laubt. Endlich kann man hier den Gehalt an den übrigen Ele- menten, besonders an Stickstoff, Schwefel und Phosphor mit- einander vergleichen und die Verteilung derselben auf die Spaltungs- ‚produkte verfolgen. Schon in der ersten Mitteilung habe ich eine Formel des nucleinsauren Histons aufgestellt: (C3s5s Has N SP: Ca; O1.) n. Es kommen darnach drei Moleküle Nucleinsäure auf ein 348 Ivar Bang, Atom Schwefel. Da nun sowohl das Histon als das Parahiston Schwefel enthält und das Histon mindestens ein Atom und das Parahiston zwei Atome Schwefel enthalten muß, im nucleinsauren Histon somit mehrere, mindestens drei, Atome S vorhanden sein müssen, so muß die empirische Formel mindestens heißen: Gros H, 1m Na52 Ss PP. Ca, Oz mit einem Molekulargewicht von 20922, einer außerordentlich hohen Zahl, der größten, die man überhaupt aufgestellt hat. Das nucleinsaure Histon enthält weiter neun Moleküle Nucleinsäure, mit einem Molekulargewicht von 11398. Folglich besteht die Verbindung aus 54,5 Proz. Nucleinsäure und 45,5 Proz. Eiweiß. Die Berechnung aus den empirischen Formeln stimmt also vollständig mit der prozentischen Be- rechnung überein. Das Histon und Parahiston‘\ besitzen dem- entsprechend zusammen ein Molekulargewicht von 9182 [20922 — (11398 + 360 Ca) + 18 H = 9182], das Histon somit ein Mole- kulargewicht von. etwa 6122 und das Parahiston ein solches von 3060, eine vollständige Bestätigung der früheren Berechnung. Daraus geht auch hervor, daß meine Auffassung der relativen Menge des Histons und Parahistons die richtige ist. Es würde zu weit führen, wenn ich auseinander- setzen wollte, daß die Annahme eines Verhältnisses von 3 Teilen. Histon : 1 Teil Parahiston nicht zutrifft. 6. Nach obigem ist die empirische Formel des nativen nucleinsauren Histons = (,,,H 188 Nasa Da Pas Oz1., Jene der Nuelemsäwren —:@, HN. BU Die Differenz = C,H so N iso Ss — Om muss die Zusammensetzung des Histons + Parahistons weniger dem bei der Vereinigung aller Komponenten freigewordenen Wasser ergeben. In der Tat, berechnen wir für das Parahiston (Molekular- gewicht — 3060) die empirische Formel, so erhalten wir: cz 1:87 NE S, Di: Berechnet Gefunden G 51,74 Proz. 51,84 Proz. H 71,93 = 7,93 Y N 17,84 en 17.30, S 2,09 : 2,11 » Es bleibt dann für Histon Q,,;H,.: Nsı Sı O,s eine Formel, die aber für den Kohlenstoff und Stickstoff zu hohe, für den Sauer- stoff und Wasserstoff zu kleine Werte ergibt, (etwa 1 Proz. Diffe- u er Di ee Dec Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 349 renz bei allen Elementen), was sich daraus erklärt, daß die Spaltung des nucleinsauren Histons ein hydrolytischer Prozeß ist. Da wir wissen, daß das Histon mit sechs Molekülen Nuclein- säure verbunden ist, kann man annehmen, daß sechs Moleküle Wasser in das Histon eingetreten sind. Unter dieser Voraussetzung kommt man zu der empirischen Formel des Histons: GH: N; Berechnet (Gefunden - C 52,46 Proz. 52,35 Proz. H 30 5 MB, N 19405 1220 S Dar: "u W62407 ;, Nach Analogie der Spaltung des eigentlichen nucleinsauren Histons darf man annehmen, daß auch das nucleinsaure Parahiston in derselben Weise zerfällt. Nun enthält, wie schon bemerkt, das nucleinsaure Histon neun Moleküle Nucleinsäure und das eigent- liche nucleinsaure Histon sechs, also bleiben drei Moleküle Nucleinsäure für die Parahistonverbindung übrig. Das Parahiston nimmt also bei der Spaltung wahrscheinlich drei Moleküle Wasser auf. Da aber die für das Parahiston oben aufgestellte Formel mit den analytischen Werten viel besser übereinstimmt als eine Formel mit drei Molekülen Wasser mehr, so darf man wohl annehmen, daß die ursprüngliche Verbindung drei Moleküle H,O weniger enthält, als wir berechnet haben. Dies macht kaum einen Unter- schied in der prozentischen Zusammensetzung aus, wie die nach- stehende Berechnung (für die Kalziumverbindung) zeigt: Be LEN S P Ca Berechnet | 43,51 5,58 16,91 0,47 5,35 1,73 Gefunden 43,69 5,60 16,87 0,47 5,23 1,17 Sämtliche aus der Atom-, wie aus der Prozentberechnung sich ergebenden Werte stimmen somit sehr gut überein. Davon haben selbstverständlich die Werte des N, S, P und Ca die größte Bedeutung. Daß auch C und H ganz und gar übereinstimmen, ist mehr als ein Zufall anzusehen. 7. Daß sich aus der Differenz der Nucleinsäuren drei Moleküle Nucleinsäure für die Parahistonverbindung ergeben haben, ver- dient hervorgehoben zu werden. In Übereinstimmung mit den 350 Ivar Bang, früheren Angaben, betreffend die zwei Nucleinsäuren, haben wir hier zwei Teile Normalsäure und einen Teil Adenylsäure, die erstere mit dem Histon, die letztere mit dem Parahiston verbunden. Weiter ergeben drei Moleküle Adenylsäure zu 1250 zusammen ein Molekular- gewicht von 3750, während das Molekulargewicht des Parahistons — 3060 ist. Das nucleinsaure Parahiston besteht danach aus 44,9 Proz. Parahiston und 55,1 Proz. Adenylsäure. 8. Aus den Arbeiten Kossels und Kutschers haben wir die approximativen Werte der Spaltungsprodukte des Thymus- histons kennen gelernt. Von den Diaminosäuren sind drei be- stimmt, von den Monaminosäuren nur Tyrosin und Glutaminsäure. Es hat einiges Interesse, zu untersuchen, wie sich die Sache ver- hält, wenn man diese prozentischen Werte in Moleküle umrechnet. Mol.-Gew. — 6245 N= 81 Berechnet Gefunden Berechnet | Gefunden 6 Mol. Arginin . . || 16,71 Proz. | 14,36 Proz. | 29,96 Proz. | 25,17 Proz. 4.15 Main ei, Se ae 985... 8 t : „ Histidin Nr Baar Sraee 370075 1/79. 3 6 „ Ammoniak . 633 lu A RR TAB 34-5... Tyrosin a. SB Balınr. 3,70, „| "AB 2 „ Glutaminsäure | 4,70 „ Buß DAN 20 1,0% Die Resultate stimmen genügend überein, wenn man sich er- innert, daß die gefundenen prozentischen Werte nur einen an- nähernden Wert besitzen. Kossel und Steudel bemerken z.B. in der letzten Publikation über Hexonbasen, daß die angewandte Methode zur Bestimmung des Histidins einer Verbesserung bedürftig sei, und haben nach einer solchen bei Edestin auch 2,20 Proz. Histidin gegen 1,16 Proz. von Schulze und Winter- stein und 1,1 Proz. von Abderhalden gefunden. Dasselbe ist auch mit den übrigen Basen, z. B. dem Lysin der Fall. (Deswegen habe ich auch einen Gehalt von vier Molekülen und nicht drei, welche 7,02 Proz. entsprächen, angenommen.) Daß die Werte für Tyrosin zu klein erhalten werden, ist nach der Art der Bestimmung zu erwarten. ; Von den 81 Stickstoffatomen des Histons haben wir also etwa die Hälfte (46 Atome) in diesen Spaltungsprodukten wiedergefunden. Aller Wahrscheinlichkeit nach finden sich die übrigen als Monaminosäuren, und in erster Reihe dürften wir an Leucin denken, dessen Menge noch nicht bestimmt ist. Das Parahiston enthält 39 Atome N. Etwa 12 Proz. davon oder fünf bis sechs Atome finden sich in den Diaminosäuren. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 351 Das Parahiston kann somit nicht alle drei Hexonbasen enthalten. (1 Molekül Arginin + 1 Molekül Lysin = 6 Atome N, 1 Molekül Histidin + 1 Molekül Lysin =5 Atome N.) Wir haben somit hier anscheinend einen Eiweißkörper, der nicht alle drei Hexonbasen enthält. Die Spaltung des nucleinsauren Histons läßt sich nach dem Gesagten vorläufig in folgender Weise ausdrücken: C,,, H,ıss Nasa Ss Pe Ogs9 + I H,O En FF H,,; N;s S: O, + U, H,ss N;, S Os ir 6(C, H; Nu P; O;6) = 30, H,, Nie P,; O5). Auf Grund der angeführten acht Beweisgründe kann das Molekular- gewicht des Histons nicht gut kleiner gedacht werden, aber es bleibt noch zu erörtern, ob es nicht in der Tat ein viel größeres ist. Dabei müssen wir zunächst an die Bindung des Schwefels denken. Enthält das nucleinsaure Histon bleischwärzenden Schwefel, so muß man eine Cystingruppe mit zwei Atomen S im Molekül annehmen, und das Molekulargewicht ist zu verdoppeln. Die Untersuchung des nucleinsauren Histons auf bleischwärzenden Schwefel gab aber ein sehr zweifelhaftes Resultat. Beim Kochen mit Na0OH-+-Pb (C,H,0O,), konnte ich keine Schwärzung beobachten, doch wurde die Lösung etwas dunkler und setzte nach Stunden einen schwach bräunlichen Bodensatz ab. Wenn ich aber mit Alkali allein kochte, konnte ich auch eine Farbenveränderung beobachten und ebenso einen schwach gefärbten Bodensatz. In ganz derselben Weise verhielt sich das Histon selbst. Ich bin deswegen betreffs der Existenz des COystins in Zweifel. Da aber der Nachweis kleiner Cystinmengen sehr schwierig sein kann und man in anderen Histonen Cystin in geringer Menge ge- funden hat, so ist damit das Vorkommen des Cystins nicht ausgeschlossen. Malengreau sagt allerdings, daß sein B-Histon (also aus dem nuclein- sauren Histon dargestellt) keinen "bleischwärzenden Schwefel enthält, und dasselbe habe ich in meiner in norwegischer Sprache erschienenen Arbeit mitgeteilt, bevor ich noch den Schwefel bestimmt hatte. Dagegen kann ich mit Bestimmtheit sagen, daß das Parahiston nicht bleischwärzen- den Schwefel enthält, trotzdem es zwei Atome S besitzt. Erst eine genauere Untersuchung dieses Problems kann uns über die absolute Größe des Histonmoleküls genaueren Aufschluß geben. Auch die Untersuchung der Diaminosäuren des Parahistons wird hierzu wichtige Beiträge liefern. Enthält das Parahiston drei Basen, dann muß sein Molekül verdoppelt werden, vorausgesetzt, daß etwa 12 Proz. davon vorliegen. — 6. Kommt das nucleinsaure Histon als solches in der Thymuszelle vor, oder wird es erst bei der Darstellung gebildet? Unsere Vorstellungen über die Art, in der die Nucleoproteide in der Zelle und besonders in dem Zellenkerne gebunden sind, müssen derzeit als recht unbestimmt bezeichnet werden. Was die Thymus betrifft, hat man die Auffassung verfochten, daß die saure und basische Komponente überhaupt erst bei der Auflösung der 352 Ivar Bang, Zelle zu einer Verbindung, dem Nucleohiston, zusammentreten, Ich finde diese Auffassung nicht genügend begründet, selbst wenn man anstatt Nucleohiston nucleinsaures Histon sagte. Zwar haben wir hier Säure und Base, welche beide als getrennte Bestandteile der Zelle gedacht werden können, doch bin ich der Meinung, daß das native nucleinsaure Histon als solches in der Zelle vorgebildet ist und nicht erst bei der Extraktion entsteht, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Bei einer anderen Art Zellen, jenen des Pankreas, ist höchst wahrscheinlich das wichtigste Nucleoproteid, Hammarstens a-Proteid, in der Zelle vorgebildet. Denn die Guanylsäure dieses Proteides verbindet sich nicht spontan mit Eiweiß. 2. Das native nucleinsaure Histon hat eine konstante Zu- sammensetzung, die einem Hexa-Normalsäure-Histon + Tri-Adenyl- säure-Parahiston entspricht. Wenn einmal diese vier Körper ge- trennt aus der Thymus hervorgegangen sind, so ist es höchst un- wahrscheinlich, daß sie sich genau auf dieselbe Weise wieder verbinden. 3. Die Eigenschaften dieser Verbindung sprechen entschieden gegen eine solche Auffassung. Einmal gespalten, lassen sich die Komponenten nicht ohne weiteres zu nucleinsaurem Histon regene- rieren. Es wäre auch sehr auffällig, wenn die Thymus alle Kompo- nenten in ganz proportionaler Menge enthielte, falls diese in der Zelle nichts miteinander zu tun hätten. Ich glaube also, daß das nucleinsaure Histon als solches in der Thymuszelle vorkommt. Es fragt sich dann weiter, ist das native, nucleinsaure Histon eine primäre Verbindung oder kommt es darin in einer noch komplizierteren Verbindung vor. (Daß es eine denaturierte Verbindung nicht ist, d. h., daß es keine Um- lagerung der Moleküle oder Atome erfahren hat, darüber kann man wohl nicht im Zweifel sein.) Nun spricht manches dafür, daß das nucleinsaure Histon als eine komplizierte Verbindung in der Zelle vorkommt und daß wir in ihm trotz seines hohen Molekulargewichtes nur einen Bruchteil der primären Verbindung vor uns haben. Ich habe bereits in der ersten Mitteilung erwähnt, daß das native nucleinsaure Histon nur nach längerer Einwirkung von Wasser und nach vollständiger Auflösung der Zellen als Alkalısalz in Lösung geht. Das Wasser zerlegt allmählich die kompliziertere Verbindung und macht das nucleinsaure Histon-Alkali frei. Physio- logische Kochsalzlösung tut dies nicht, trotzdem das nucleinsaure Histon darin jedenfalls zum Teil löslich ist; man findet aber keine Spur der Verbindung im Kochsalzextrakte. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 353 Man kann diese Tatsache kaum anders deuten, als daß das Histon-Parahistonnucleinat noch mit anderen Bestandteilen der Zelle verbunden ist, und daß das Wasser diese Verbindungen zerlegt, weil das native nucleinsaure Histon-Alkali zum Wasser die größere Affinität besitzt. Dagegen bleibt die Zelle unverändert von dem Nucleoproteide abgesehen), wenn man sie mit 0,9 proz. NaCl-Lösung zusammenbringt, da das native nucleinsaure Histon- Alkali zu Kochsalz viel geringere Affinität besitzt als zu anderen Zellbestandteilen. Daß das nucleinsaure Histon-Alkali eine solche Bedeutung besitzt, läßt sich auch anderweitig zeigen. In den Lymphdrüsen konımt ein nucleinsaures Histon-Alkali vor, welches in 0,9proz. Kochsalzlösung leicht löslich ist. Behandelt man da- mit isolierte Lymphdrüsenzellen einige Zeit, so kann man beob- achten, daß sich dabei viele — nicht alle — auflösen*). Die Vorstellung, daß das Nucleinat der Thymusdrüse andere Komplexe bindet, gewissermaßen zusammenhält, wird dadurch gestützt, daß es hier in sehr reichlicher Menge vorkommt. Mindestens 20 Proz. des Eiweißgehaltes entfallen auf diese Ver- bindung. Und wir wissen weiter, daß das nucleinsaure Protamin (und das nucleinsaure Histon) im Fischsperma beinahe die einzige Eiweißverbindung darstellt, woraus hervorgeht, daß das Nucleinat eine dominierende Rolle in der Zelle spielen kann. Es verdient auch erwähnt zu werden, daß ein Zusatz von Nucleinat zum Wasser seine auflösende Wirkung auf Thymus- zellen herabsetzt. " Im Hinblick auf dieses Verhalten ist es von Interesse, zu wissen, auf welche Weise sich etwa andere Zellbestandteile, besonders die Eiweißkörper an das Nucleinat anlagern, „ver- ankern“ können. In meiner ersten Mitteilung habe ich erwähnt, daß das nucleinsaure Histon-Alkalı deutlich sauer reagiert. Diese saure Reaktion ist selbstverständlich von den Nucleinsäuren und nicht von den Basen bedingt. Weiter wissen wir, daß eine neutrale Lösung des nucleinsauren Alkalis mit Eiweiß einen Niederschlag gibt, wenn man Essigsäure hinzufügt. Endlich habe ich gezeigt, daß sich neutrales nucleinsaures Alkali mit Essigsäure zu einem sauren Salz umsetzt (welches mit Ammonsulfat ausgesalzen werden kann). Die Nucleinsäure schlägt also Eiweißkörper als Nucleinsäureverbindungen nieder, wenn einige ihrer *) Auf der andern Seite kennt man auch Zellen, welche gegen destil- liertes Wasser resistent sind. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 23 354 Ivar Bang, sauren Valenzen freigemacht werden, und dies ist eben beim nucleinsauren Histon-Alkalı der Fall. Wie ich zeigen will, ist von den vier Valenzen der Nucleinsäure dann nur eine frei, während man beim Zusatz von Essigsäure mehrere, ja alle Valenzen freimachen kann. Dabei kann das Vorhanden- sein des Histons usw. eine Rolle spielen. — Auf der anderen Seite ist es bekannt, daß auch das Histon (und teilweise das Parahiston) mit Eiweiß unlösliche Verbindungen eingehen kann. Es fragt sich daher, ob auch diese Wirkung des Histons im Nucleinate zur Geltung kommt. Um dies genauer festzustellen, war es notwendig, andere Histonsalze darzustellen und zu untersuchen. Das unlösliche freie Histon brauchte nicht berücksichtigt zu werden, Von Salzen des Histons stellte ich das Chlorid dar. Das Nucleinat wurde mit Salzsäure gespalten, das Chlorid mit Alkohol und Ather niedergeschlagen, in Wasser gelöst, dialysiert und aufs neue mit Alkoholäther gefällt (das Parahiston läßt sich so nicht fällen) und getrocknet. Das Chlorid war aschefrei, im Wasser leicht löslich und reagierte deutlich sauer. Die Präparate wurden bei 100° C getrocknet und waren auch nachher vollkommen und leicht in Wasser löslich, und die Lösung reagierte immer sauer. Nachdem konstantes Gewicht erreicht worden war, standen die Präparate noch drei Tage im Trockenschrank. Es trat keine Anderung der Löslichkeit, Reaktion und Zusammensetzung ein. i Das Histon bildet also mit der Salzsäure ein sauer reagierendes Salz. Die Salzsäure ist hier höchst wahrscheinlich auf zweierlei Weise gebunden: Sie bildet l. ein neutrales Chlorid. Dafür spricht die Tatsache, daß, wenn man die saure Lösung neutralisiert, das neutrale Histonchlorid gelöst bleibt. 2. Dieses neutrale Salz addiert freie Salzsäure und hält diese Salzsäure so fest, daß sie sich beim Trocknen nicht verflüchtigt. Das Histon besitzt dementsprechend zwei verschiedene Valenzen. Die eine Valenz will ich als Hauptvalenz, die zweite als Nebenvalenz bezeichnen. Ähnliche Verhältnisse sind bei den organischen Basen nicht unbekannt. Es fragt sich weiter, wieviele Haupt- und Nebenvalenzen das Histon besitzt. Wie schon früher bemerkt, enthält das Histon- chlorid sechs Atome Cl, und ich kann hinzufügen: Sämtliche sechs Atome Olsind in der neutralen Histonverbindung gebunden. Bei der Untersuchung des sauren Salzes habe ich weiter gefunden, daß dieses dreizehn Atome Cl enthält. (Gefunden: 7,1 Proz., 7,4 Proz., 7,1 Proz. Cl.) Das Histon be- Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 355 sitzt daher sechs Hauptvalenzen und sieben Neben- valenzen. Welche von diesen Valenzen bedingen die Reaktionen des Histons? Wenn sich z. B. das Histon mit Eiweiß verbindet und als unlösliche Histon-Eiweißverbindung ausfällt, sind dann die Haupt- oder Nebenvalenzen mit dem Eiweiß verankert? Die Frage läßt sich experimentell untersuchen. Von Präparaten des sauren Histonchlorids wurden Proben in Wasser gelöst. Als Eiweißlösung diente eine konzentrierte Lösung von zweimal umkristallisiertem Ovalbumin. Es zeigte sich dann, daß das saure Chlorid absolut keine eiweißfällende Wirkung besitzt. Wenn man aber zuerst die Histonchloridlösung neu- Beieort, bildet sich sofort ein Niederschlag. Daß nicht die saure Reaktion als solche die Fällung hindert, läßt sich so zeigen, daß man erst die Lösungen von Histonchlorid und Eiweiß mischt und dann neutralisiert: Schon bei der Abstumpfung der sauren Reaktion wird die Lösung undurchsichtig opaleszent. | Es geht aus diesen Versuchen bestimmt hervor, daß die Nebenvalenzen des Histons die eiweißfällende Wirkung desselben bedingen. Werden die Nebenvalenzen von einer Säure in Anspruch genommen, so ist die eiweiß- fällende Wirkung aufgehoben: die betreffenden Affini- täten sind schon gesättigt. Daß man bei der Neutralisation diese Affinitäten wieder freimachen kann, ist dahin zu verstehen, daß das Alkali den Nebenvalenzen die Salzsäure wieder entreißt. Wir haben nun alle Daten zur Aufstellung einer vorläufigen rationellen Formel: Die Nucleinsäuren besitzen vier Valenzen. Das Histon be- sitzt sechs Haupt- und sieben Nebenvalenzen, sechs Moleküle Nucleinsäure kommen auf ein Molekül Histon. Wir können ferner mit aller Wahrscheinlichkeit annehmen, daß das Parahiston so gebunden ist wie das Histon, und daß drei Moleküle Nucleinsäure auf ein Molekül Parahiston kommen. Endlich wissen wir, daß im Histon-Alkalinucleinate zwei Atome Alkali (ein Atom Kalzium) auf eine Nucleinsäure entfallen. Somit sind von den vier Valenzen der Nucleinsäure zwei Valenzen vom Alkali, eine Valenz vom Histon mit Beschlag belegt, nur eine Valenz ist dann noch verfügbar. Diese entspricht den Neben- valenzen des Histons und bedingt zugleich die saure Reaktion des nucleinsauren Histons. Vonallen sauren und basischen Affi- nitäten bleibtalso nur eine Nebenvalenz des Histons, die siebente, übrig; diese istfrei; sie kann sich folglich mit Eiweiß verbinden. Dies ist auch in der Tat der Fall. Durch diese letzte Valenz des Histons wird das eigentliche 23* 356 Ivar Bang, nucleinsaure Histon mit dem Parahistonnucleinate ver- bunden. Der Übersichtlichkeit wegen habe ich diese Tatsachen graphisch dargestellt. Bekanntlich enthalten die Zellen viel Kali, und wenn das Nucleinat bei der Wasserextraktion als Alkaliverbindung in Lösung geht, geschieht dies höchst wahrscheinlich als Kalisalz. EEK H ns = | se nd — 4 ————— Parahiston 2 Mr ” | Be Histon ns — Nucleinsäure, die punktierten Linien deuten die Nebenvalenzen des Histons an. Für das Parahiston habe ich keine Nebenvalenzen angeführt, obwohl das neutrale Parahistonsulfat auch Eiweiß fällen kann. Doch tritt diese Wirkung viel weniger hervor als beim Histon. Diese graphische Darstellung soll eine vorläufige Vorstellung von der vermutlichen Konstitution des nativen nucleinsauren Histons vermitteln. Sie zeigt, daß die ungesättigten Affinitäten ausschließlich der vierten Valenz der Nucleinsäuren entsprechen. Wenn nun auch diese Affinitäten teilweise durch Histon gesättigt werden können, so kann die Verankerung anderer Eiweißkörper begreiflicherweise doch nur eine labile sein. Es ließe sich aber noch denken, daß auch die Histonwirkung zur Geltung kommen kann. Wird nämlich die vierte Valenz der Nuclein- säure von den Eiweißkörpern besetzt, so werden die Nebenvalenzen des Histons wieder frei und können sich ihrerseits mit Eiweiß verbinden. Wird aber die Nucleinsäurebindung wieder aufgehoben, so kann auch die Histonwirkung nicht mehr bestehen. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 357 Die Verankerung durch die Nucleinsäuren wird nun selbst- verständlich aufgehoben, sobald Körper vorhanden sind, zu welchen entweder die Nucleinsäure oder das Eiweiß größere Affinität haben als zueinander. Ein solcher Körper ist Wasser. Behandelt man Thymuszellen mit Wasser, so geht, wie bereits er- wähnt, das Nucleinat erst in Lösung, wenn die Zelle aufgelöst worden ist, und diese Auflösung geht langsam von statten, und zwar in dem Verhältnis, als die Affinitäten sich umsetzen. Ist diese Umsetzung erfolgt, so haben wir in der Lösung das nucleinsaure HBiston mit der freigemachten vierten Affinität. Diese Auflösung läßt sich verhindern, wenn man dem Wasser eine Substanz zusetzt, welche die Affinität des Nucleinates zum Wasser herabsetzt. Solche Substanzen sind Kochsalz und das Nucleinat selbst. In 0,9proz. Kochsalzlösung ist das Nucleinat wenig löslich, und die Anwesenheit des nucleinsauren Histon- Alkalis wird selbstverständlich die Dissoziation der Nucleinatver- bindung zurückdrängen. Die Auffassung, die ich hier entwickelt habe, scheint mir die bekannten Tatsachen am besten zu erklären. Ich habe aber außerdem noch zwei Tatsachen mitzuteilen, welche nicht ohne Interesse sind. Wie schon früher gezeigt worden ist, ist das eigentliche nucleinsaure Histon im Wasser schwer löslich. Auch geben Lösungen von Histonchlorid und nucleinsaurem Alkali einen Nieder- schlag von nucleinsaurem Histow. Vergleicht man hiermit die anderen Histonsalze, so erhält man der Löslichkeit nach folgende Reihe: l. Saures Histonchlorid, in Wasser und 70proz. Alkohol leicht löslich. Wird nur von Alkoholäther ausgefällt. 2. Histonsulfat, in Wasser leicht löslich, in 7Oproz. Alkohol unlöslich. 3. Histonphosphat, in Wasser weniger leicht löslich. Saures Histonchlorid in konzentrierter Lösung gibt mit einer neutralisierten Orthophosphorsäurelösung eine deutliche Trübung und später Fällung. 4. Histonnuecleinat, in Wasser schwer löslich. Die Histonsalze der einwertigen Säuren sind also leicht lös- lich. (Das Nitrat verhält sich wie das Chlorid.) Die der zwei- basischen Säuren sind weniger leicht als die der einbasischen und leichter als die der dreibasischen löslich. Diese sind aber immer noch leichter löslich als die Salze der vierbasischen Nucleinsäure. 358 Ivar Bang, Wenn das nucleinsaure Histon- Alkali von 0,9proz. NaCl- Lösung gefällt wird und sich in konzentrierterer Na Cl-Lösung wieder löst, so läßt sich dieses Verhalten nicht gut aus physi- kalisch-chemischen Gesetzen verstehen. Wenn das Histon-Alkal- nucleinat von 0,9proz. NaCl-Lösung ausgefällt wird, kann man zwar annehmen, daß das Nucleinat in der Lösung dissoziiert ist. Ein Zusatz von Kochsalz drängt die Dissoziation zurück, und die nicht dissoziierte Verbindung wird ausgefällt. Wenn man aber mehr Kochsalz zusetzt, dann dürfte die Dissoziation nicht größer, eher geringer werden, und doch geht das Nucleinat wieder in Lösung! Wir stehen hier vor einer neuen und doch schon bekannten Tatsache. Ich habe nämlich schon früher bezüglich der Histon- Eiweißverbindung bzw. Parahiston- Eiweißverbindung mitgeteilt, daß diese Niederschläge in konzentrierterer Kochsalz- lösung löslich sind, und wir wissen nun, daß das Histon hier in ganz derselben Weise an Eiweiß gebunden ist, wie in dem nativen Histon-Parahistonnucleinat an das Parahiston. Wir stehen hier vor Tatsachen, die einen weiteren Einblick in die Konstitution, die Reaktionen und Spaltungen des Nucleinats erlauben. Ich verzichte hier auf eine weitere Diskussion, da eine solche zweckmäßig mit einer experimentellen Prüfung Hand in Hand gehen müßte, die zurzeit noch fehlt. Der komplizierte Bau und die eigentümlichen Affinitäts- verhältnisse des Histon-Parahistonnucleinates gestatten es sonach, anzunehmen, daß es bereits in der Zelle mit Eiweiß und vielleicht auch anderen Zellbestandteilen mehr oder weniger fest verbunden und so an dem Aufbau der lebenden Substanz in hervorragender Weise beteiligt ist. Faßt man das Zellprotoplasma als ein einziges gewaltiges Molekül auf, so liegt es nahe, dem Nucleinat gewissermaßen eine zentrale Stellung darin zuzuschreiben. 7. Über die Zusammensetzung der Thymuszellen. Es war weiter von Interesse, zu untersuchen, in welcher Be- ziehung der Menge nach die beschriebenen beiden Nucleoproteide zu den übrigen Bestandteilen der Zelle stehen. Quantitative Bestimmungen an der Thymuszelle sind schon von Lilienfeld ausgeführt worden, und ein Vergleich mit seinen Zahlen hat schon darum ein gewisses Interesse, da man so er- fahren kann, wieviel von seinem Nucleohiston eigentlich aus nucleinsaurem Histon bestand. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 359 Bekanntlich hat Lilienfeld 98 Proz. alles Eiweißes in Form von Nucleohiston gefunden. Ich selbst habe nicht Thymus direkt untersucht, sondern einen Brei von Thymuszellen dargestellt und analysiert. Zum Vergleich habe ich Lilienfelds Werte auf feuchte Substanz umgerechnet. | Lilienfeld Bang || a er. | 88,51 Proz. 80,41 Proz. Feste Stoffe davon. . . || 11,49 ,„ 19:59 5 Eiweißkörper usw. davon | 9,10 „ 15,927 | Nucleinsaures ? Nucleohiston | 8.90 Histon-Parahiston . 3,15 » MR Aa ee | i = Nucleoproteid. . . 198: °5 Alkohollösliche Stoffe. . | 183 „ 2,481: ,, ee —_ 1,597 Es zeigt sich somit, daß 20 Proz. der Eiweißkörper (Minimal- wert!) aus nucleinsaurem Histon-Parahiston und 7 Proz. aus Nucleo- proteid bestehen. 73 Proz. entfallen auf unbekannte Substanzen, und von diesen sind nur geringe Spuren genuine Eiweißkörper, Albumin und Globulin. Weiter sieht man, daß höchstens 30 Proz. des Nucleohistons aus nucleinsaurem Histon besteht. Beinahe 60 bis 70 Proz. dieser Verbindung bestehen aus Substanzen, welche nichts damit zu tun haben. (Es kann daher nicht be- fremden, daß der größte Teil des Chlorkalziumniederschlages nach der Extraktion mit 2proz. Kochsalzlösung ungelöst auf dem Filter geblieben ist.) Noch größeres Interesse als die prozentische Verteilung der festen Stoffe hat nach meiner Ansicht die Verteilung des Phos- phors. Ich habe deswegen bestimmt: 1. den totalen Phosphor- gehalt der getrockneten Thymauszellen, 2. den Phosphorgehalt der Eiweißkörper usw. (Der P-Gehalt des nucleinsauren Histon- Parahistons und Nucleoproteides ist bereits oben bestimmt.) Beste Stoffe . . . . | 19,59 Proz. 277 Proz.»P. | 0,543 Proz. P Eiweißkörper usw. . . 1552-5 EB el, DARG: Nucleinsaures Histon- Beranısion . . . . Bin -„ Bad m 13, (1 ee Nucleoproteid . . . | 1.08: 22% BON ei = a BAHN Zu .ro Von dem gesamten Phosphor finden sich somit 17 Proz. in den alkohollöslichen Substanzen, 31 Proz. im nucleinsauren Histon- Parahiston, 2 Proz. im Nucleoproteid, der Rest von 49 Proz., die Hälfte der Gesamtmenge, gehört noch unbekannten Substanzen 360 | Ivar Bang, an. Nur ein Teil davon dürfte in anorganischer Form vorliegen. Vielleicht sind somit noch unbekannte wichtige Nucleoproteide oder phosphorhaltige Eiweißverbindungen vorhanden. 8. Physiologische Untersuchung der Nucleo- proteide der Thymus. Bekanntlich schreiben Lilienfeld, Huiskamp u. a. dem Nucleohiston wichtige physiologische Funktionen zu. Besonders soll es eine wichtige Rolle bei der Koagulation des Blutes spielen. Ich habe deswegen meine zwei Nucleoproteide auf deren physio- logische Wirkungen in verschiedener Richtung untersucht. Nach Lilienfeld hat das Nucleohiston in vitro und in vivo ausgesprochene koagulierende Wirkung auf Plasma, Blut- und Fibrinogenlösungen. Versetzt man aber Plasma oder eine nach Hammarsten dargestellte Fibrinogenlösung mit einer Lösung des Nucleo- proteides, so tritt keine Koagulation ein. Dagegen bewirkt in Fibrinogenlösungen ein nachfolgender Zusatz von Kalzium- chlorid Gerinnung. Daß aber diese Gerinnung nichts mit der normalen Koagulation des Blutes zu tun hat, beweist die Tat- sache, daß die Nucleoproteidlösung keine Gerinnung bewirkt, wenn man sie mit Chlorkalzium aktiviert und nachher das Chlor- kalzium wieder entfernt. Einspritzung des Nucleoproteides beim Kaninchen hat keine intravaskuläre Gerinnung zur Folge. Auch bewirkt eine Nucleoproteideinspritzung keine Änderung der normalen Koagulationszeit. Das Nucleoproteid hat also nichts mit dem Fibrinfermente zu tun. Dagegen werden 0,9proz. Kochsalzextrakte durch Digestion bei 38° autolysiert, wie es Kutscher beschrieben hat. Das nucleinsaure Histon-Parahiston hat überhaupt keine Koagulationswirkung, sei es in vitro oder in vivo. Man kann auch beliebige Mengen davon Kaninchen einspritzen, ohne Giftwirkung wahrzunehmen. In dieser Beziehung ist also das Nucleinat von dem Chloride verschieden, insofern dieses eine ausgesprochen antikoagulierende Wirkung besitzt. Das Vorkommen freier Nebenvalenzen ist hier also entscheidend. Versuch I. In die Vena jugularis eines mittelschweren Kaninchens wurden 15 ccm einer 1,5proz. Lösung eingespritzt. Die normale Ko- agulationszeit war 5,30 Minuten. Drei Minuten nach der Einspritzung Ko- agulierte eine entnommene Blutprobe momentan. Das Tier verblieb ganz gesund. Keine Albuminurie oder Glykosurie. Versuch Il. Kaninchen 2700 g schwer; das Blut aus der Jugularis koagulierte nach vier Minuten. Drei Proben zuje 3 ccm wurden versetzt: Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 361 1. mit 1 cem 2 proz. Kochsalzlösung, 2. mit 1 cem einer 4,66 proz. Histon- nucleinatlösung und 3. mit 1 cem einer Nucleinsäurelösung. Die Ko- agulationszeiten waren für: 1. 31/, Min., 2. 31/, Min. und 3. 3'/, Min. Da- nach wurden 10 ccm einer Histonnucleinatlösung von 4,66 Proz. = 0,18 8 pro kg injiziert. Keine Anderung des Zustandes. ZweiMin. nach der Injektion wurde eine Blutprobe ausgenommen, welche nach 3!/, Min. koagulierte., Das Tier blieb gesund. Das eis sanre Histon-Alkali ist gegen Fäulnis sehr widerstands- fähig. Eine solche Lösung zeigte nach acht Tagen im Digestionsapparat keine Spur von Fäulnis. Dagegen war eine Ver ander ung eingetreten, der- art, daß Chlorkalzium keinen Niederschlag mehr bewirkte, wohl aber Essigsäure. Es handelte sich vielleicht um Autolyse. Endlich habe ich bemerkt, daß das nucleinsaure Histon- ak einigermaßen die Auflösung der Thymuszellen durch Wasser ver- hindert oder verzögert, was mit meiner Auffassung von der Be- deutung desselben für die Zelle im Einklang steht. Versuch: Thymuszellenbrei wurde durch Schütteln mit Wasser emulgiert und die Flüssigkeit in zwei Portionen geteilt. Die eine ver- setzte ich mit !/,, Vol. Wasser, die andere mit demselben Volum Histon- nucleinatlösung. Nach fünf Stunden waren in der ersten Probe die Zellen zu einem schleimigen Klumpen zusammengeflossen, in der zweiten waren die Zellen unverändert. Der Kochsalzgehalt war in beiden Proben derselbe (0,08 Proz.). XXIX. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. Von Ivar Bang. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium zu Lund, Schweden.) Dritte Mitteilung. Über das Vorkommen von Nucleoproteiden in Lymphdrüsen, Knochenmark, Milz, weißen Blutkörperchen und Sarkomen. 1. Die Lymphdrüsen. Die Vorstellungen, die man sich über die Nucleoproteide der Lymphdrüsen gemacht hat, beruhen hauptsächlich auf den Arbeiten A. Schmidts und Lilienfelds. Nach A. Schmidt kann man aus den mit Alkohol erschöpften - Drüsen durch Wasser eine Proteinsubstanz, das Cytoglobin, extra- hieren, welches 4,5 Proz. P enthält. Diese Substanz könnte darnach als ein nucleinsaures Histon aufgefaßt werden, wenn nicht ein hoher Schwefelgehalt dies unwahrscheinlich machte. Noch mehr tun dies die Spaltungsprodukte des Cytoglobins. Bei der Behandlung mit Essigsäure wurde nämlich aus dem Cytoglobin ein Präglobulin mit nur 3,7 Proz. P abgespalten, während man bei der Einwirkung von Essigsäure auf Nucleinate immer phos- phorreichere Substanzen erhält. Merkwürdigerweise soll von diesem Präglobulin das Serumglobulin herstammen. Nach Lilienfeld enthalten die Lympdrüsenzellen dasselbe Nucleohiston wie die Thymus. Bei meinen Untersuchungen der Lymphdrüsen war die Methodik schon gegeben. Wie bei der Thymus benutzte ich eine kombinierte Extraktion mit 0,9proz. Kochsalzlösung und destilliertem Wasser. Das Kochsalzextrakt ist nach Zentrifugierung und Filtration eine undurchsichtige, braun- gefärbte, amphoter reagierende Lösung, welche nicht von Chlorkalzium gefällt wird. Dagegen gibt Essigsäure einen reichlichen Niederschlag. Bei der Extraktion mit Wasser bemerkt man im Gegensatz zur Thymus, daß hier keine Schleimbildung vorkommt. Schon nach einigen Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 363 Minuten geben sowohl Essigsäure als Chlorkalzium Niederschläge, während man im Thymusextrakte erst nach 24 Stunden mit Chlorkalzium Fällung bekommt. Im Filtrate des Chlorkalziumniederschlages gibt auch hier Essigsäure eine Nachfällung. Andererseits kann man nach der Extraktion mittels 0,9proz. Kochsalzlösung mit Wasser eine Substanz ausziehen, welche von Chlorkalzium niedergeschlagen wird. Dieser Niederschlag wurde auf nucleinsaures Histon nach der Alkoholmethode verarbeitet, und zwar mit positivem Resultate. Ich konnte zuletzt mit 2proz. Kochsalzlösung eine Substanz extrahieren, welche bei Sättigung mit Kochsalz usw. in Histon, Parahiston und Nucleinsäure zerlegt werden konnte. Die Existenz des nucleinsauren Histons war hierdurch sehr wahrscheinlich gemacht; als ich aber zur Darstellung des Nucleinats überging, zeigte sich sogleich ein nicht unerheblicher Unterschied: Nach Verdünnung mit Wasser bis zu 0,8 bis 1 Proz. Kochsalz blieb die Lösung vollständig klar. Nach der Dialyse vermißte ich jeden Niederschlag. Auch nach der Verdünnung des 2proz. NaCl-Extraktes mit Wasser bewirkte Chlorkalzium keine Fällung, doch wurde die Lösung opaleszent, undurchsichtig weiß. Dagegen kam es, wenn ich nach der vollständigen Entfernung des Kochsalzes durch Dialyse Chlorkalzium hinzufügte, zur Bildung eines Niederschlags. Schon eine geringe Menge Kochsalz genügte, um die Bildung eines Niederschlags durch Chlorkalzium zu verhindern. Umgekehrt war auch die Chlorkalziumfällung schon in lproz. Kochsalzlösung leicht löslich. In dieser Beziehung ist das nucleinsaure Histon-Alkali der Lymph- drüsen von jenem der Thymus verschieden. Eine genauere Untersuchung lehrte, daß auch bei Abwesenheit von Kochsalz die Fällung durch Chlorkalzium nicht ganz vollständig ist. Etwas Nucleinat blieb in der Lösung zurück und konnte daraus durch Essig- säure niedergeschlagen werden. Da nun der Chlorkalziumniederschlag schon in 1proz. Kochsalz- lösung löslich ist, konnte man vermuten, daß auch bei der Extraktion mit 0,9proz. Kochsalzlösung das Nucleinat zwar extrahiert würde, nicht aber durch Chlorkalzium nachgewiesen werden könnte. So istes auch. Wenn ich nämlich das Kochsalzextrakt dialysierte, bewirkte ein nachträg- licher Zusatz von Chlorkalzium einen reichlichen Niederschlag, aus welchem man auch das Nucleinat darstellen konnte. Auch wurden, wie schon vorher bemerkt, die Zellen schon bei Kochsalzextraktion teilweise aufgelöst. Auch wenn man mit Kochsalz und Chlorkalzium (0,9 Proz. NaCl-+ 0,01 Proz. CaCl,) extrahiert, kann man das Nucleinat nicht in den Zellen zurückhalten. Die Verwendung von Ca (OH), macht da keinen Unterschied. Dieser reaktionellen Unterschiede ungeachtet ist jedoch das Nucleinat ein veritables nucleinsaures Histon. Soweit sich nach den Reaktionen der Spaltungsprodukte urteilen läßt, kommen hier dasselbe Histon, Parahiston und dieselben Nucleinsäuren vor, und zwar in Form desselben Salzes wie in der Thymus. Da ich aber die Substanz noch nicht analysiert habe, möchte ich keine bestimmte Meinung hierüber aussprechen. Einer vorläufigen Phosphorbestimmung nach ist die Nucleinsäuremenge viel kleiner als in der Substanz aus Thymus. Dagegen sind die Fällungs- 364 Ivar Bang, grenzen des Nucleinats dieselben sulfatlösung. Das Nucleoproteid verhält sich ganz wie das der Thymus: Es wird von 0,3proz. Salzsäure in ein Albuminat und ein Nuclein gespalten. Die Fällungsgrenzen derselben liegen wie bei dem der Thymus: beide werden von 20proz. Ammonsulfatlösung ausge- salzen. | Der Phosphorgehalt spricht entschieden für die Identität beider Nucleoproteide, indem das der Lymphdrüsen 0,83 Proz. P enthält. Zum Vergleich mit den Thymuszellen hat es ein Interesse, zu untersuchen, wie sich die Eiweißkörper in den Lymphdrüsen ver- teilen. Ich habe deswegen die Zellen isoliert und wie die der Thymus untersucht. von 70 bis 90 Proz. Ammon- Thymus Lymphdrüsen Wasser, er/as-r: dere 80,41 Proz. 80,41 Proz. Feste Blole. ©... 19,89. ", 1959 Biweißkörper |. 1.07: 1939-23 13:79:75 Nueleinät: „- war? 3,18: 75 069.25 Nucleoproteid . . . | 108 106 , Alkohollösliche Stoffe . 2 4,16: 75 Nache: =. 00 mn 1; 1:08.90, Wir sehen hieraus, daß das Nucleoproteid in Thymus und Lymphdrüsen in ganz derselben Menge vorkommt. Beim Nucler nate ıst das nicht der Fall. Die Menge desselben ist in den Lymphdrüsen sehr viel geringer, es kommt hier nur zu 5 Proz. gegen 20 Proz. in der Thymus vor. Es geht hieraus mit Bestimmtheit hervor, daß die Lymph- drüsenzellen nicht mit den Thymuszellen identisch sind. Dagegen kann man nicht eine Verwandtschaft leugnen, die in dem Vorkommen des Nucleinates zum Ausdruck kommt. Es fragt sich dann weiter: sind die Lymphdrüsenzellen mit den Leucocyten, Knochenmarkzellen und Milzzellen identisch? Was die Leucocyten betrifft, so ist die Identität schon darum nicht anzunehmen, weil die Lymphdrüsenzellen kein Fibrinferment enthalten. 2. Das rote Knochenmark wird auch zu den Iymphatischen Organen gerechnet. Ich habe es daher in die Untersuchung einbezogen. Als Ausgangsmaterial dienten Rippen vom Ochsen , welche besonders reich an Knochenmark sind. 1200 g Rippen wurden reinpräpariert, zerkleinert und mit destilliertem Wasser extrahiert. Das Extrakt war rot gefärbt und ganz klar. Ein Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 365 Zusatz von Chlorkalzium bewirkte keinen Niederschlag, dagegen gab Essigsäure eine sparsame Fällung, welche jedoch kein Histon enthielt. Ein Albuminat ließ sich nachweisen. Das Knochenmark enthält somit höchst wahrscheinlich kein nucleinsaures Histon, und seine Elemente sind von denen der Lymphdrüsen verschieden. 8. D18-M ılz. Als ich zu der Untersuchung dieser überging, erwartete ich, hier dieselbe Zusammensetzung wie bei den Lymphdrüsen zu finden, doch bestätigte sich diese Vermutung nicht ganz. Einmal gab Chlorkalzium im Wasserextrakte der Milz einen weit geringeren Niederschlag als bei den Lymphdrüsen. Als ich ferner den Niederschlag nach Alkoholbehandlung mit 2proz. Koch- salzlösung extrahierte, konnte ich im Filtrate überhaupt nicht — auch nicht nach der Dialyse — Fällung mit Chlorkalzium erzielen. Nur eine geringe Opaleszenz trat ein. Auch Essigsäure be- wirkte nur eine minimale Fällung, während Salzsäure einen nicht unbedeutenden Niederschlag gab. Nach Spaltung mit Salzsäure ließen sich geringe Spuren von Histon (Ammoniak- und Alkaloid- reagensproben) nachweisen. Bei Sättigung mit Kochsalz konnte ich auch aus dem Filtrate eine geringe Menge Histon darstellen. Im neuen Filtrate bewirkte ein Zusatz von 2 Volumen Alkohol zuerst nur eine Ausfällung des Kochsalzes. Nach 24 Stunden hatte sich aber auch etwas Nucleinsäure niedergeschlagen. Es steht somit fest, daß die Milz auch nucleinsaures Histon enthält, aber in noch geringerer Menge als die Lymphdrüsen. Den Reaktionen nach dürfte dieses Nucleinat mit dem der Lymphdrüsen identisch sein. — 4. Die Leucocyten des Blutes. Zur Untersuchung der Leucocyten eignet sich am besten Pferdeblut. Da aber seine Beschaffung mit großen Schwierig- keiten verbunden war, habe ich nur etwa 6 Liter verarbeiten können. Davon waren 4 Liter mit 0,3proz. Ammoniumoxalat versetzt und 2 Liter defibriniert. Ich habe hauptsächlich Ochsen- blut zur Verfügung gehabt. Da sich aber dieses nicht gut zu solchen Untersuchungen eignet, ist die Untersuchung leider nicht zu Ende geführt worden — es wurden nur 10 Liter Ochsen- blut verarbeitet —; doch werde ich über die Resultate hier kurz berichten. Meine Arbeitsmethode war folgende: Das Blut wurde zentrifugiert, das Plasma bzw. Serum gesammelt, aufs neue zentrifugiert und filtriert. Danach ließ ich es 48 Stunden im Eisschrank stehen. Ohne Ausnahme hatte sich dann ein Niederschlag 366 Ivar Bang, gebildet, welcher durch Zentrifugieren gesammelt wurde. Dieser Nieder- schlag soll bekanntlich das Prothrombin, bzw. Thrombin enthalten. Die Leucocyten hatten sich als eine Art Speckhaut über den Erythrocyten abgesetzt. Sie wurden mit einem Platinspatel abgeschabt, in physiologischer Kochsalzlösung aufgeschlemmt und sofort wieder zentrifugiert. — Der Leucocytenniederschlag wurde dann gesammelt und entweder mit 0,9proz. Kochsalzlösung und dann mit Wasser, oder auch mit Wasser allein extrahiert. In einigen Fällen wurde er zuerst mit essigsäurehaltigem Wasser behandelt und nach Entfernung des Hämoglobins mit Salzsäure gespalten. Der Plasma- (und Serum-)Niederschlag war teilweise im Wasser löslich, und die Lösung gab mit Chlorkalzium oder Essigsäure eine reichliche Fällung. Da das Filtrat der Chlor- kalziumfällung mit Essigsäure keinen weiteren Niederschlag gab, darf man annehmen, daß von Chlorkalzium und Essigsäure die- selbe Substanz niedergeschlagen wird. Der Essigsäurenieder- schlag wurde mit 0,01proz. Natronlauge versetzt, wobei eine schleimige Lösung resultierte. Nach einiger Zeit war die Lösung ganz klar und dünnflüssig geworden. Darin schwamm der Essig- säureniederschlag als durchsichtiger Schleimklumpen, der mit dem Glasstabe entfernt werden konnte. Der Essigsäureniederschlag war in 0,5proz. HCl teilweise löslich. Das salzsaure Extrakt enthielt verhältnismäßig viel Eiweiß, das schon bei Neutralisation, bzw. bei Abstumpfung der sauren Reaktion ausfiel. In einigen Fällen gab das Filtrat hiervon überhaupt keine Biuret- reaktion, in allen Fällen aber waren im Filtrate sowohl die Ammoniakprobe als die Alkaloidreagensreaktion ganz und gar negativ. Es liegt also hier ein Albuminat vor, welches übrigens dieselben Fällungsgrenzen wie das des Thymusproteides besaß. Der Plasmaniederschlag enthält also kein Histon (vgl. auch später). Der Chlorkalziumniederschlag war in verdünnten Neutralsalzlösungen, sowie in. verdünntem Alkalı nicht löslich. Versetzte man den durch Essigsäurefällung dargestellten Schleim- klumpen mit Chorkalziumlösung, so schrumpfte er unter Weiß- werden zusammen. Übrigens enthielt der Plasmaniederschlag Prothrombin, welches sich mit Chlorkalzium zu Thrombin um- setzte. Soviel ich nach meinen wenigen Versuchen sagen kann, stellt der Chlorkalziumniederschlag nicht selbst das Fibrinferment dar, sondern enthält es nur mechanisch beigemengt. Aus den Leucocyten ließ sich durch Wasser eine Substanz extrahieren, welche sich ganz wie die aus dem Plasmaniederschlage verhielt. Sowohl Clorkalzium als Essigsäure bewirkten eine Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 367 Fällung, welche sich, wie oben beschrieben, verhielt. Die Leuco- cyten enthalten sonach anscheinend kein Histon und folglich auch kein nucleinsaures Histon. Doch kann man dies nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Ich habe in meiner Histonarbeit gezeigt, daß das Histon mit über- schüssigem Eiweiß vermischt nicht von Ammoniak nieder- geschlagen wird und ferner, daß die Histon-Eiweißverbindung in Ammoniak leicht löslich ist. Und in der Tat sind unsere Sub- stanzen mit viel Eiweiß verunreinigt oder enthalten viel Eiweiß. Eine geringe Histonmenge konnte daher leicht übersehen werden und dies um so mehr, als ich verhältnismäßig geringe Mengen Substanz verarbeitete. Aus diesem Grunde habe ich auch nicht die Leucocyten nach meiner Thymusmethode auf nucleinsaures Histon verarbeitet. Ich versuchte aber die Leucocyten durch Auswaschen mit essigsäurehaltigem Wasser zu reinigen; das Resultat blieb das- selbe wie vorher: Es ließ sich reichlich Albuminat, aber kein Histon nachweisen. j Ich bestimmte den Albuminatgehalt der Leucocyten in einem Versuch und konnte nicht weniger als 80 Proz. der festen Stoffe als Albuminat wiederfinden. Daneben dürfte es aber sehr schwer sein, Spuren von Histon nachzuweisen. Zum Vergleich nahm ich Lymphdrüsen und extrahierte sie direkt mit 0,5proz. Salzsäure. Nach Neutralisation und Abfiltrieren des Albuminats konnte ich im Filtrate das Histon leicht und sicher nachweisen. Endlich habe ich auch eine Anzahl Exsudate und Trans- sudate auf Histon untersucht. Es handelte sich um frische tuberkulöse Pleuraexsudate, Ascitesflüssigkeit bei Unterleibs- karzinom u. a., im ganzen um sechs Untersuchungen. Die meisten Flüssigkeiten waren klar und gelb gefärbt und enthielten verhält- nismäßig viele Leucocyten. Überschuß von Essigsäure (etwa 1 Proz.) bewirkte einen mehr oder weniger reichlichen Niederschlag, der jedoch niemals Histon enthielt. Man darf aber diesen Befunden nicht allzu großen Wert beimessen, da Autolyse nicht aus- geschlossen war. Doch möchte ich hier daran erinnern, daß ich früher Eiterzellen mit völlig negativem Resultate auf Histon untersucht habe. Durch die Resultate meiner Untersuchung der Leucocyten erscheint es somit nicht ausgeschlossen, daß auch sie nuclein- saures Histon enthalten. Aber es muß hervorgehoben werden, daß sein Vorkommen auch-nicht bewiesen ist. Und dies ist 368 Ivar Bang, wichtig. Lilienfeld hat bekanntlich angegeben, daß die Leuco- cyten Histon, durch Ammoniakreaktion nachweisbar, enthalten. Es kann kein Zweifel sein, daß Lilienfeld auf das Albuminat gestoßen, und ebenso wie Malengreau beim Thymusnucleo- proteid, durch die Aınmoniakreaktion getäuscht worden ist. Das Albuminat der Leucocyten verhält sich nämlich ganz wie das des Thymusproteids und kann sehr wohl eine solche Täuschung veranlassen. Wenn ich aber die Frage nach der Existenz eines Nucleinates in den Leucocyten hier unentschieden lasse, so erlauben doch meine Untersuchungen den Schluß zu ziehen, daß die Leucocyten des Blutes in chemischer Beziehung von den Zellen der Thymus, der Lymphdrüsen und des Knochenmarks verschieden sind. Und dies ist nicht ohne Bedeutung. Auf Grund des mikroskopischen Bildes hat man bekanntlich an- genommen, daß diese Zellenarten, jedenfalls die Lymphocyten und Leucocyten, identisch sind. Die gewöhnliche Auffassung ist auch, daß die Leucocyten von den Lymphdrüsen herstammen. Nach meinen Untersuchungen zu schließen, scheint dies nicht der Fall zu sein, ist jedenfalls nicht bewiesen. Im Blute kommen mehrere Arten Leucocyten vor: Makro- und Mikrocyten u. a. Vielleicht entsprechen bestimmte davon den Lymphocyten. Eine chemische Differenzierung im Blute selbst ist undenkbar, und auf diesem Wege kann man wohl der Frage nach der chemischen Zusammensetzung der verschiedenen Leucocytenformen nicht näher treten. Ich muß deswegen Lilienfeld vollkommen beistimmen, wenn er sein Material zur Untersuchung der Leucocyten außer- halb des Blutes suchte. Nach der eben begründeten Auffassung kann man dazu allerdings weder Lymphdrüsen noch Thymus benutzen. Will man eine eingehende Untersuchung der Leuco- cyten mit Berücksichtigung der verschiedenen Formen vornehmen, dann muß man nach meiner Ansicht den französischen Forschern, vor allem Metschnikoff, folgen und bestimmte, experimentell dargestellte Exsudate mit spezifischen Leucocyten verarbeiten. 5. Chemische Untersuchung der Rundzellen-Sarkome. In den vorhergehenden Abschnitten habe ich die chemische Zusammensetzung der lymphatischen Organe mitgeteilt. Abge- sehen von den Leucocyten, enthalten sie (Lymphdrüsen, Milz und Thymus) als spezifischen Bestandteil nucleinsaures Histon. Chemische Untersuchungen der lymphatischen Organe. 369 Da ich für alle übrigen Organe des Säugetierkörpers die Ab. wesenheit des Histons nachgewiesen habe, ist bei ihnen auch das Vorkommen des Nucleinates ausgeschlossen. Da wir in dem vorigen Abschnitte gesehen haben, daß die mikroskopische Untersuchung der chemischen insofern nachsteht, als die letztere beträchtliche Differenzen anzeigt, wo die erstere geradezu Identität vermuten läßt, so muß man die chemische Untersuchung als eine wertvolle Reaktion sowohl zur Erkennung lymphatischen Gewebes überhaupt, als auch zur Differential- diagnose zwischen den einzelnen Iymphatischen Organen ansehen. Dies ist um so wichtiger, als der Nachweis außerordentlich einfach ist. Man extrahiert den Organteil mit Wasser und ver- setzt das Extrakt mit einigen Tropfen Olorkalziumlösung. Tritt ein Niederschlag auf, so hat man aller Wahrscheinlichkeit nach ein Iymphatisches Gewebe vor sich. Ist dieser Niederschlag in iproz. Kochsalzlösung löslich, so liegt ein Nucleinat vor, das dem Typus der Lymphdrüsen und der Milz entspricht: Das Organ hat den Charakter dieser Gewebe. Ist er darin nicht löslich, so hat das Organ den Typus der Thymus oder der Leucocyten. Die Differentialdiagnose beruht dann auf dem Nachweis von Histon. Dieser wird am besten so geführt, daß man das Salz- säureextrakt neutralisiert und im Filtrate die Ammoniak- reaktion und Alkaloidreagenzprobe anstellt. Wie man sieht, ist der Nachweis sehr einfach. Bei der Untersuchung verschiedener Organe habe ich übrigens gefunden, daß keines davon ein Wasserextrakt gibt, welches mit Chlor- kalzium einen Niederschlag gibt, ein Verhalten, das die Unter- suchung wesentlich erleichtert. Bekommt man mit Chlorkalzium keinen Nieder- schlag, so ist der negative Ausschlag für die Abwesen- heit eines Iymphatischen Organs beweisend. Die praktische Bedeutung der chemischen Unter- suchung liegt nun darin, daß man damit die Natur und Verwandtschaft der Heteroplasien erkennen kann. Nach Cohnheims Theorie sollen die Geschwülste bekanntlich von einer im Fötalleben abgesprengten, normalen Zellengruppe ab- stammen, die auf einer fremden Stelle proliferiert. Anderen Theorien zufolge ist bekanntlich die Geschwulstbildung als eine irritative Zellenproliferation des normalen Gewebes anzusehen. Nach der einen Theorie sind in der Geschwulst Zellen mit einer von dem normalen Gewebe verschiedenen Struktur zu er- warten, nach der anderen sollten die Geschwulstzellen von den Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 24 370 Ivar Bang, normalen Zellen desselben Gewebes herstammen und dieselbe Struktur haben. Die mikroskopische Untersuchung versagt hier. Denn die Form kann selbstverständlich bei Geschwulstzellen von den Mutterzellen sehr abweichen, bei rasch wachsenden Ge- schwülsten muß dies sogar der Fall sein. Es ist zu erwarten, daß hier die chemische Untersuchung maßgebende Aufschlüsse geben wird, natürlich vorausgesetzt, daß die chemische Zusammensetzung des normalen Gewebes be- kannt ist, wovon wir leider vielfach noch weit entfernt sind. Auf Grund der von mir mitgeteilten Befunde kann man jetzt, soweit es sich um lymphatische Organe handelt, dieses Problem in Angriff nehmen. Als Untersuchungsmaterial habe ich selbstver- ständlich Sarkome benutzt. Leider standen mir zwar mehrere Fibrosarkome, von eigentlichen lymphatischen Rundzellensarkomen aber nur eins zur Verfügung. Die Fibrosarkome waren sämtlich sehr zellenreich, in einem Fall konnte man beinahe an ein Rundzellensarkom denken. Sie starnmten von Mamma, Pharynx und Haut her. Es handelte sich um fünf Fälle. Die Untersuchung ergab bei ihnen dasselbe Resultat: Das Wasserextrakt gab mit Chlorkalzium keinen Niederschlag. Dagegen bewirkte Essigsäure eine mehr oder weniger reichliche Fällung und aus dieser Fällung ließ sich mit Salzsäure Albuminat abspalten. Das Albuminat wurde bei der Neutralisation schon bei schwach saurer Reaktion ausgefällt, und im Filtrate war die Biuret- reaktion negativ. Das Rundzellensarkom verdient eine genauere Be- schreibung. Bei einem Manne war vor einem Jahre ein Sarcoma testis exstirpiert worden. Eine Metastase in der Inguinalgegend wurde im Winter 1903 exstirpiert und mir zur Untersuchung übergeben. Die Geschwulst war faustgroß und wog etwa 300 g@. Sie wurde von dem anhaftenden Gewebe gereinigt und mit Sand zerstoßen. Das Wasserextrakt gab schon nach einigen Minuten mit Chlorkalzium einen Niederschlag. Nach 48 Stunden wurde koliert, zentrifugiert und filtriert. (Die Geschwulstreste wurden mit Wasser erschöpft und weiter verarbeitet.) Das Filtrat wurde mit Chlor- kalzium niedergeschlagen und der Niederschlag wie gewöhnlich auf nucleinsaures Histon verarbeitet. (Im Filtrate des Chlorkalziumnieder- schlages konnte ich mit Essigsäure ein Nucleoproteid ausfällen.) Nach der Extraktion mit 2proz. NaCl-Lösung bekam ich eine Flüssigkeit, welche nach Verdünnung mit 1 Vol. Wasser keinen Niederschlag gab. Nach der Dialyse bewirkte dagegen ein Zusatz von Chlorkalzium einen nicht unbedeutenden Niederschlag. Dieser wurde im Wasser gelöst und ein aliquoter Teil qualitativ untersucht. ee Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 3t1 1. Bei Sättigung mit Kochsalz fiel ein Niederschlag aus, welcher die Reaktionen des Histons gab. 2, Im Filtrate war die Biuretreaktion positiv: Parahiston. 3, Zusatz von 2 Vol. Alkohol fällte im Filtrate Nucleinsäuren, welche in ihren Reaktionen mit jenen der Thymusdrüse übereinstimmten., Es lag somit ein nucleinsaures Histon vor, welches seinen Reaktionen nach mit dem der Lymphdrüsen übereinstimmte. Weiter wurde die Existenz des nucleinsauren Histons durch die Phosphorbestimmung gesichert. Der Phosphorgehalt betrug 5,18 Proz. s Wenn man aus dieser Untersuchung Schlüsse auf die Natur der Geschwulst ziehen will, begegnet man der Schwierigkeit, daß es sich um eine Metastase in die Inguinallymphdrüsen handelt. Es könnte darnach ebensowohl eine Proliferation der normalen Lymph- drüsenzellen, als eine Weiterentwicklung des 'Testissarkomes vor-. liegen. Ich glaube annehmen zu können, daß es sich um ein direktes Übersiedeln der Geschwulst gehandelt hat. Erstens war die Ge- schwulst in Lymphbahnen (diese waren infiltriert) direkt zur Leiste vorgeschritten, und zweitens konnte ich auch einige Unterschiede des Geschwulstgewebes von der Zusammensetzung der Lymph- drüsen feststellen. a) Die absolute Menge des Nucleinates war viel grösser als in den Lymphdrüsen. Die Geschwulst enthielt etwa 3,4 Proz. Nucleinat gegen 0,7 Proz. in den Lymphdrüsen; b) der Phosphor- gehalt des Nucleoproteids betrug nur 0,48 Proz. P. Dagegen war die relative Menge der Nucleoproteide ungefähr dieselbe wie in den Lymphdrüsen. Sie betrug nämlich approximativ 2,78 g Nucleinat und 2,65 g Nucleoproteid. Die metastatische Geschwulst besaß somit eine sowohl von der Thymusdrüse, als den Lymphdrüsen abweichende Zusammen- setzung. Da sie aber nucleinsaures Histon enthielt, muß man dem Sarkom eine Iymphatische Struktur zuschreiben. Nimmt man an, daß das ursprüngliche Hodensarkom dieselbe Zusammensetzung besaß, so muß man, da wir weiter wissen, daß Histon in der Norm im Hoden nicht vorkommt, als das wahr- scheinlichste ansehen, daß im vorliegenden Fall eine embryonale, im Hoden zurückgebliebene, Iymphatische Zellengruppe Ausgangs- punkt der Geschwulstbildung war. Unter dieser Annahme spricht dieses Resultat für die Richtigkeit der Cohnheimschen Theorie. Auf einem so wichtigen und schwierigen Gebiet erlaubt natür- lich eine einzige Untersuchung keine weitgehenden Schlüsse. 24* 372 Ivar Bang, Auch soll die mitgeteilte Beobachtung nur Anregung zu weiterer Forschung bilden. Obwohl ich mir vorbehalte, bei Gelegenheit diese Untersuchungen fortzusetzen, möchte ich doch ausdrücklich betonen, daß mir eine Bearbeitung dieses Gebietes von anderer Seite nur erwünscht sein kann. 6. Juni 1903. Analytische Belege. Die Kohlenstoff-Wassersitoffanalysen wurden auf gewöhn- liche Weise ausgeführt. Der Stickstoff wurde nach Kjeldjafhl-Wilfarth bestimmt. Der Phosphor wurde als Pyrophosphat bestimmt. Die Substanz wurde nach Neumann mit Schwefelsäure-Salpetersäure oxydiert und als Molybdat ausgefällt. Den Schwefel bestimmte ich nach der vorzüglichen und be- quemen Methode von Clason. | Das Kjalzium wurde in Ubereinstimmung mit Huiskamp mit Essigsäure aus dem nucleinsauren Histon-Kalzium ausgezogen und nach Veraschung wieder gelöst und als Oxalat bestimmt. Das Chlor bestimmte ich einfach durch Titrierung mit n/ıo AgNO;- Lösung in neutraler Lösung und mit Kaliumchromat als Indikator. Das Histon wird nämlich nicht von Silbernitrat gefällt, Das Natrium wurde nach Osborne und Harris indirekt bestimmt. I. Thymus. Das Nucleoproteid. Präparat No. I. 0,1484 g Substanz 17,50 ccm r/ıo H,SO, 16,51 Proz. N I 0,2794 „ > — 0,0066 g Asche. N — 16,91: ', 0,5617 „ a — 0,0250 „ Pyrophosphat = 1,2 „ 0,2093 „ a —= 0,1195 „ H,O: und'0,3800. 8 CO, = 6,355 Proz. H und 49,50 C. Präparat No. Il. 0,2652 g Substanz = 0,0096 g Pyrophosphat = 1,01 Proz. P. Präparat No. III (nach Huiskamp dargestellt). 0,3199 g Substanz = 36,30 ccm "/ıo H,SO, = 15,89 Proz. N 0,2343 „ = — 0,0051 g Asche = 2,18 Proz., N = 16,24 Proz. 0,2956 „ % — 0,0096 „ Pyrophosphat = 0,91 Proz. P., Präparat No. IV (mit Alkohol ausgekocht). 0,5156 g Substanz = 0,0263 g Pyrophosphat —= 1,42 Proz. P. Präparat No. V (mit 20 Proz. Am,SO,-Lösung ausgefällt). 0,2013 g Substanz —= 0,0072 g Pyrophosphat — 1,00 Proz. P 11710... > —= 0,0063 „ > = ee Präparat No. VI 0,2268 g Substanz — 0,0193 g Pyrophosphat — 2,38 Proz. P 0,2314 8 n 0,0174 „ 5 = a an 0,1005 „ B> — 12,90 cem n/io H,S0, = 16,57 Proz. N. | ei Sie ee Ne ne a Ace re a ee ee Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 373 Präparat No. VII (das Albuminat). 0,3429 g Substanz. Nur Spur von Molybdat. 0,1401 „ > — 16,60 cem "/ıo H,SO, —= 16,59 Proz. N. Präparat No, VII (der Rest nach 0,3proz. HCI-Extraktion). 0,2052 g Substanz — 0,0183 g Pyrophosphat — 2,49 Proz. P 0,2543 „ > —= W024 „ = — a 0,1445 „ 3 = 4708 Cem 3/10 H,SO, = 1658 Proz: N; Das native nucleinsaure Histon-Kalzium. Präparat No. I 0,4066 g Substanz — 0,0800 Pyrophosphat — 5,49 Proz. P m 0,1040 „ » = 1245 cem %/ı0 H,SO, —= 16,76 Proz. N 0,1500 „ „= 0,0768 g H,O und 0,2398 g CO, — 5,68 Proz. H und 43,60 Proz, C 0,2610 „ ® ergab eine Kalziumoxalatmenge, welche 1,2 ccm einer Permanganatlösung (1 ccm — 0,0097 g Fe) entsprach — Ca — 1,59 Proz. 0,0590 8 : — 0,0051 g Asche — 8,64 Proz, Präparat No. II, 0,3122 g Substanz — 0,0599 g Pyrophosphat = 5,35 Proz. P 0,1716 „ „ — 20,60 cem n/10 1,90, == 16,81 „ N 0,2698 „ * = 041277 g H,0 und 0,4844 8 C0, = 5,35 Proz. H und 43,92 Proz. C. 0,7990 „ E - 700508 5 BaSO, = 0,55. Proz. 5 0,1940 „ 4 — 0,0170 „ Asche = 8,176 £ Präparat No. II. 0,3122 g Substanz 0,0472 g Pyrophosphat = 5,15 Proz. P 0,1178 „ “ — 14,35 ccm n/ıo H,SO, = 17,05 Proz. N 0,1540 „ y — 0,0798 g H,O und 0,2458 g CO, = 5,76 Proz. H und 43,54 Proz. C 0,2439 „ 5 — 1,2 cem Permanganat = 1,70 Proz. Ca 0,2188 „ 3 — 0,0182 g Asche = 8,31 Proz. Präparat No. IV. 0,3391 g Substanz — 0,0610 g Pyrophosphat = 5,08 Proz. P 0,2943 „ h 0,0108 „ BaSO, = 0,50 Proz. S 0,4045 „ A — 9,5 ccm Permanganat (1 ccm = 0,00071 g Ca) = 1,69 Proz. Ca. Präparat No, V. 0,2877 g Substanz — 0,0531 g Pyrophosphat = 5,14 Proz. P 0,5810 „ 3 — 0.017: „:BaSO, = 0,45 Proz. S 0,4544 „ x — 11,10 ccm Permanganat = 1,81 Proz. Ca*). Präparat No. VI. 0,3069 g Substanz — 0,0574 g Pyrophosphat = 5,22 P 0,6796 „ e 0,0214 „ BaSO, = 0,43 Proz. S 0,5841 „ 5 13,90 ccm Permanganat = 1,71 Proz. Ca. II Il *) Im Texte steht fehlerhaft 1,87 Proz. Ca. 374 A-Histon. 1. 0,1735 0,1228 2. 0,0906 0,0874 3. 0,1007 0,0559 B-Histon., 1. 0,1019 0,0892 2. 0,1470 0,1040 0,1310 1. 0,2820 g —= 32,00 ccm n/1oH, SO,.N in der aschefreien Substanz — 0,8276 . 0,8148 DD 3. 0,6146 4. 0,2071 ” 5, 0,2017 ” 6. 0,3332 0,0773 „ Substanz — 9,10 ccm "/jo H,SO, . N in der aschefreien Sub- Präparat No. 0,1667 0,1787 „ 0,1962 „ 0,1930 „ g er ” —— 8 ” gs = „ () = 0,0003 g Asche = etwa 0,5 Proz. ” g Substanz mit 0,0036 Ivar Bang, Das Histo: 22,15 ccm. 20 H,50, = AL, Bro N Keine Asche. 11,40 ccm n/ıo H,SO, —= 17,61. Proz. N 0,0012 Asche = 231 Proz. Substanz — 17,86 Proz. 12,65 ccm "/ıo H,SO, —= 17,59 Proz. N 12,90 ccm n/ıo H,SO, = 17,72 Proz. N 0,0020 g Asche = 2,23 Proz.. N in der aschefreien Sub- stanz —= 18,12 Proz. 18,45 ccm "/ıo H,SO, = 17,57 Proz, 0,0025 g Asche = 2,40 Proz.. stanz — 18,00 Proz. 16,30 ccm "/ıo H,SO, = 17,42 Pro&. N in der asche- freien Substanz — 17,89 Proz. N. Histon aus dem Nucleinate. 18,18 Proz. = W035 0,60 Bin -— 9,1062 0,64 Proz. S 0,60 Proz. S g Histonchlorid —= ” g Histonchlorid g Histonchlorid T; er) ” Pr] 3,59 Proz, 3,86 Proz. el 4.00 Proz.sQl. "Basar, g Asche g Substanz mit 0,0110 g 0,0149 g 001488. g Cl. = 7,13 Proz. Ü 2,20 ccm n/ıo NaOH — 0,00781 g Cl — 0,02467 g g Asche — : Asche — 0,0380 g Ol = 749 Proz 3,80 ccm n/ıo NaOH —= 0,01850 g Cl — Das Parahiston. ; Substanz mit 0,0209 g 2.23 Proz.’ 8 stanz = 17,22 Proz. Die Nucleinsäure. g Substanz — 0,0557 g 0,0595 .N in der aschefreien .Nin der asche- N in der aschefreien Sub- S in der aschefreien Substanz — g BaS0, & Cl’ = 7,19 Proz 2 2,10 com n/jo NaOH = 0,0074 g CL = 0,0287 g BaS0, = ; Asche —= 0,0450 g BaS0, = ; Pyrophosphat — 9,34 Proz. P ” — ei E: 21,65 ccm n/jo H, SO, = 15,45 0,0726 g H,O und 0,2530 & 00, — 4,18 Proz. H und 35,75 Prön. C. ” ” ” N ee m. ee I. WR en. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 375 Präparat No. II. 0,2535 g Substanz — 0,0860 g Pyrophosphat — 9,47 Proz. P 0,1393 „ ex — 15,40 ecm!2/ın H,S0O, = 5,48 Proz N 0,1692 „ P — 0,0650 g H,O und 0,2230 g CO, — 4,27 Proz. H und 35,95 Proz. C. Präparat No. II. 0,3654 g Substanz — 0,1042 g NaPO, —= 0,1136 g Pyrophosphat — 6,46 Proz. Na 0,1198 „ = — 0,0400 g Pyrophosphat — 9,33 Proz. P 0,1346 „ > — 14,30 cem "/io H,SO, — 15,08 Proz. N Präparat No. IV. = 0,3147 g Substanz —= 0,924 g NaPO, = 0,969 g Pyrophosphat — 0,0221 g P = 6,03 Proz. Na 0,2647 „ 3 — 0,0860 „ Pyrophosphat — 9,0% Proz. P 0,3506 „ „ — 37,70 ccm n/ıo H,SO, = 15,09 Proz. N 0,2222 „ ” — do mit MgO destilliert —= 0,25 ccm n/ıo H,SO, = 0,4 Proz, N 0,4953 „ . mit 12proz. HCl destilliert. — Kein Phloroglueid 0,4385 „ 4 „5 „ H,SO, gespalten — 0,2550 g Silber- basenverbindung — 22,70 Proz. Das eigentliche nucleinsaure Histon. 1. Essigsäure-Präparat. 0,2049 g Substanz — 0,0460 g Pyrophosphat — 6,27 Proz. P. 2. CaCl,-Präparat. 0,3570 g Substanz 0,5689 „ 0,5540 „ 0,0701 g Pyrophosphat — 5,48 Proz. P 5 15 ccm Permanganat — 1,85 Proz. Ca = 0.0104. 2: BaS0, = 0,26 Proz, Ss, Thymus getrocknet. 0,5962 g Substanz — 0,0592 g Pyrophosphat — 2,77 Proz. P. Thymus mit Alkohol extrahiert und getrocknet. 0,5590 g Substanz — 0,0580 g Pyrophosphat — 2,88 Proz. P. I Bestimmung der Bestandteile der Thymus. 5,6000 g feuchte Zellen — 1,0968 g Trockensubstanz — 19,59 Proz. 1,0968 „ mit Alkohol ausgekocht — 0,9585 g — 2,47 Proz. alkohol- lösliche Stoffe. 0,9585 „ Substanz — 0,0890 g Asche — 1,59 Proz. 16,1402 „ mit Wasser quantitativ extrahiert und mit CaÜl, niederge- schlagen. Im Filtrate mit Essigsäure gefällt. Essigsäure- fällung — 0,1750 g — 1,08 Proz. Nucleoproteid, Ca-Fällung wie gewöhnlich behandelt. 2proz. NaCl-Extrakt nach Ver- dünnung mit Essigsäure gefällt. Niederschlag — 0,5000 g — 3,08 Proz. Nucleinat. Lymphdrüsen. Nucleoproteid. 0,3452 g Substanz — 0,0102 g Pyrophosphat —= 0,83 Proz. P. 376 Ivar Bang, Bestimmung der Bestandteile. Mesenteriallymphdrüsen vom Ochsen. 1,8856 g feuchte Zellen — 0,3694 g Trockensubstanz — 19,59 Proz. 0,3694 „ mit Alkohol ausgekocht — 0,2797 g — 4,16 Proz. alkohol- lösliche Stoffe. 0,2797 „ Substanz — 0,0198 g Asche — 1,08 Proz. 4,4647 „ mit Wasser quantitativ extrahiert, mit CaCl, niederge- schlagen und im Filtrate mit Essigsäure gefällt. Essig- säurefällung — 0,0475 g — 1,07 Proz. Nucleoproteid. CaCl],;- Niederschlag nach Alkoholbehandlung mit 2 proz. ClNalsg. extrahiert, mit Wasser verdünnt und mit Essigsäure gefällt. Essigsäurefällung 0,0310 g — 0,69 Proz. Nucleinat. Sarcoma.testis, Nucleoproteid, 0,3475 g Substanz — 0,0060 g Pyrophosphat — 0,48 Proz. P. Nucleinat. 0,2594 g Substanz — 0,0482 g Pyrophosphat — 5,18 Proz. P. Autorenregister. Bang, Studier over Nucleoproteider. Archiv f. Mathematik og natur- videnskab. 25, No. 1. Bang, Zur Frage des Nucleohistons. Diese Beiträge 1, 189. Bang, Bemerkungen über das Nucleohiston. Zeitschr. f. physiol. Chemie 30, 508. Bang, Erwiderung gegen Kossel. Ebenda 31, 407. Bang, Studien über Histon. Ebenda 27, 463. | Fleroff, Ueber einen histonähnlichen Körper aus Thymus. Ebenda 28, 307. Grund, Über den Gehalt des Organismus an gebundenen Pentosen. Ebenda 35, 11. B Gümbel, Zit. nach Hofmeister. Uber den Bau usw. der Eiweiß- körper. Ergebnisse d. Physiologie I, 777. Huiskamp, Über die Hirablörber d. Thymusdrüse. Zeitschr. f. physiol. Chemie 32, 145. Huiskamp, Über die Elektrolyse usw. des Nucleohistons. Ebenda. 34, 32. Hammarsten, Über die Eiweißstoffe des Blutserums. Ergebnisse d. Physiologie I. S. 330. Herlant, Untersuchungen über die Nucleinsäuren aus reifer Lachs- milch, Thymus und Hefe. Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 44, 148. Kossel, Über die Nucleinsäuren. Archiv f. Anat. u. Physiol. Physiol. Abt. 1893, S. 157 u. 380. Kössel und Neumann, Weitere Beiträge zur Kenntnis d. Nuclein- säure. Ebenda 1894, S. 194. Kossel, Beitrag zur Physiologie d. Kohlehydrate, Ebenda 1894. S. 536. Kossel und Neumann, Über Nucleinsäure und Thyminsäure. Zeitschr. f. physiol. Chemie 22, 74 Kosselund Neumann, Darstellung u. Spaltungsprodukte d. Nuclein- säure. Berl. Berichte 27, 2215. Kossel, Über den gegenwärtigen Stand d. Eiweißchemie. Ebenda 34, 3214. Chemische Untersuchungen der Iymphatischen Organe. 377 Kossel, Über die Eiweißstoffe. Zeitschr. f. physiol. Chemie 25, 165. Kossel und Kutscher, Beiträge zur Kenntnis d. Eiweißkörper. 31, 165. Kossel und Steudel, Weitere Untersuchungen über das Cytosin. Ebenda 38, 49. Kossel und Patten, Zur Analyse der Hexonbasen. Ebenda 38, 39. Kossel, Bemerkungen zu der Nucleohistonarbeit des Herrn Ivar Bang. Ebenda 30, 520. Kutscher, Beiträge zur Kenntnis d. Eiweißkörper. Ebenda 38, 111. Kutscher, Eine Methode zur Darstellung des Cytosins. Ebenda 38, 170. Lilienfeld, Zur Chemie der Leucocyten. Ebenda 18, 473. Lilienfeld, Über Blutgerinnung. Ebenda 20, 89. Malengreau, Deux Nucl&oalbumines et deux Histons dans le Thymus. La Cellule, 17, 339. Malengreau, Sur les Nucläines du Thymus. Ebenda 19, 285. OÖsborneund Harris, Die Nucleinsäure des Weizenembryos. Zeitschr. f. physiol. Chemie 34, 85. Pauli, Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 2. Mitt. Diese Beiträge 3, 225. Schmiedeberg, Über die Nucleinsäure aus der Lachsmileh. Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 45, 57. Schmidt, Zur Blutlehre usw. Zit, nach Hammarsten, s. oben. Kürzere Mitteilungen. 3. Bemerkungen zu der Mitteilung von L. Langstein „Zur Kenntnis der Ochronose““. Von Dr. Emil Zdarek. In diesem Bande der „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ (3. u. 4. Heft, Seite 145—149) findet sich eine Abhandlung von Leo Langstein: „Zur Kenntnis der Ochronose“, die einige Be- merkungen über meine in der Zeitschrift für Heilkunde (XXIII. Bd., Jahrg. 1902 Heft X) erschienene Abhandlung „Uber den chemischen Be- fund bei der Ochronose der Knorpel“ enthält, welche anscheinend durch ein Mißverständnis hervorgerufen sind und daher der Richtigstellung bedürfen. Bei der von mir versuchten Darstellung der Uroleucinsäure aus dem weingelben Blasenharn zeigte der Anteil, der in den Ather über- gegangen war, starkes Reduktionsvermögen und Grünfärbung mit ver- dünnter Eisenchloridlösung. In meiner Abhandlung heißt es, „der Rück- stand, der bei der versuchten Darstellung der Uroleucinsäure gewonnen wurde, zeigte starkes Reduktionsvermögen, seine wässerige Lösung gab mit einer sehr verdünnten Eisenchloridlösung eine grüne Grenzschicht, die jedoch beim Mischen der Flüssigkeiten wieder verschwand“. Mit diesem Rückstand ist selbstverständlich derjenige gemeint, der nach dem Verdunsten des Athers vom ätherischen Auszuge zurückbleibt, und als solchen hat ihn auch Langstein aufgefaßt, indem er*) schreibt: „Die wässerige Lösung der durch Ather extrahierten Substanzen gab mit verdünnter Eisenchloridlösung eine rasch verschwindende Grün- färbung.“ Es ist daher nicht verständlich, wie er im weiteren Verlaufe seiner Abhandlung **) zu folgender Bemerkung kommt: ; „Eigentlich sprach in dem Wiener Fall nur eine einzige Reaktion dafür, daß eine der beiden für Alkaptonurie charakteristischen Dioxy- säuren mit dem Harn entleert wurde: das ist die Grünfärbung, die der Harn bei der Mischung mit verdünnter Eisenchloridlösung annahm. Hingegen mißlang die Darstellung der Alkaptonsäuren, die auch bei An- wesenheit geringer Mengen immer zu einem Resultate führt, und die die Schwarzfärbung bedingende Substanz erwies sich als stickstoffhaltig. Die Reduktion im Sinne der Anwesenheit der Dioxysäuren zu verwerten, geht nicht an, da dieselbe nicht dem in den Ather übergegangenen Anteil des Harnes zukam, sondern dem nicht ätherlöslichen Rückstand.“ Ich habe schon oben aus meiner Abhandlung die Angabe zitiert, daß der in den Ather übergegangene Anteil des Harnes stark reduzierte und mit Eisenchlorid die Grünfärbung gab, es lag also keine Berechtigung vor, diese beiden Reaktionen auf verschiedene Harnbestandteile zu beziehen. Der weingelb gefärbte Harn aus der Blase reduzierte viel stärker als der Harn, der bereits eine schwarze Farbe angenommen hatte. Ob das Reduktionsvermögen nach langem Stehen des Harnes ganz schwindet, darüber habe ich keine Versuche angestellt. Langstein führt noch folgendes aus meiner Arbeit im Auszuge an: „Der die Schwarzfärbung bedingende Körper, aus Knorpel und Harn dar- gestellt, war stickstoffhaltig und nicht in kristallisiertem Zustand zu *) loc. eit. S. 146. — **) loc. eit. S. 147. Fritz Rosenfeld, Über das Verhalten des Phenylglycins usw. 379 gewinnen.“ Eine so präzise Fassung, daß ich nämlich die Körper dar- gestellt hätte, welche die Schwarzfärbung bedingen findet sich in meiner Arbeit nicht. Ubrigens gewinnt man bei dieser Stilisierung leicht den Eindruck, als ob die beiden Körper, die aus Harn und Knorpel dar- gestellt wurden, identisch seien, was ja nach den vorliegenden Elementar- analysen nicht möglich ist. Der nächste Satz: „Die Untersuchung der Knorpel auf Chondroitin- schwefelsäure zeitigte kein irgendwie verwertbares Resultat“ ist mir übrigens unverständlich. Die Knorpel wurden auf Chondroitinschwefel- säure nicht untersucht, sondern es wurde nur der Versuch gemacht, die Chondroitinschwefelsäure, sowie auch die übrigen aus dem Knorpel dar- gestellten Verbindungen aus dem Knorpel systematisch auszuziehen, wobei die Wahrnehmung gemacht wurde, daß die Menge der Chondroitin- schwefelsäure, die so erhalten wurde, eine sehr geringe war. Ferner ist auch der nächste Abschnitt*) nicht richtig zitiert, denn ich äußere mich auf Grund der chemischen Untersuchung in meiner Arbeit nirgends über die chemische Natur der Schwarzfärbung in den Knorpeln; ich spreche auch nirgends von einem engen Zusammenhange zwischen Alkaptonurie und Ochronose. 4. Über das Verhalten des Phenylglyeins im tierischen Organismus. Von Fritz Rosenfeld. (Aus der I. medizin. Klinik d. Universit. Berlin. Dir, Geh. Rat E. v. Leyden.) Bei meinen Untersuchungen über die Bedeutung der Indoxylreaktion für den Organismus prüfte ich gelegentlich auch die Wirkung des Phenyl- glykokolls auf den Pflanzenfresser. Die Anilinoessigsäure C,H,.NH.CH, COOH läßt sich bekanntlich leicht in Indol überführen **), und es steht zu- dem fest, daß bei der Indigosynthese aus Anilinoessigsäure Indoxyl sich als Zwischenprodukt bildet, das als o-Acetindoxyl leich&. nachweisbar ist.***) Wenn auch diese meist pyrogenen Reaktionen keinen Rückschluß auf analoge Vorgänge im Tierkörper zulassen, so bietet andererseits die Verbindung als substituiertes Glykokoll Interesse genug für die Verfolgung ihrer physiologischen Wirkung. Besondere Rücksicht mußte zudem auf die Reinheit der zersetzlichen Substanz genommen werden. Ich habe nun gefunden, daß auch reinstes Phenylglycin in Dezi- grammdosen für Kaninchen giftig ist, indem es eine akute parenchyma- töse Entzündung aller Organe des Unterleibs, bes. der Leber und der Nieren, hervorruft. Zudem erzeugt es stets Glykosurie. Die Verbindung verhält sich demnach im Organismus wie andere Anilinderivate-+), welche gleichfalls Glykosurie hervorrufen. Eine vermehrte Indikanausscheidung konnte in keinem Falle beobachtet werden. Uber das Schicksal des Phenylglyeins selbst im Organismus kann ich vorläufig keine bestimmten *) loc. eit. S. 146, **) J. Mauthner und W. Suida, Monatshefte für Chemie 10, 250, 254. ***) Vorländer, Indoxylbildung aus Phenylglyein-o-carbonsäure. Berichted. deutsch. chem. Ges. 835, 1689 (1902). Vgl. Vorländer und Drescher, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 34, 1857 (1901). ») H. Brat, Deutsche med, Wochenschrift 1901. 380 Fritz Rosenfeld, Über das Verhalten des Phenylglyeins usw. Angaben machen. OÖ. Schultzen und M. Nencki*) haben bereits vor 34 Jahren einen Versuch unternommen, die Umwandlung von Phenyl- glykokoll im Tierkörper zu verfolgen. Sie gingen von der Vermutung aus, daß ähnlich wie der Stickstoff des Glyeins als Harnstoff wieder- erscheint, so nach der Einführung des substituierten Glykokolls ein Diphenylharnstoff würde ausgeschieden werden. Die Experimente scheiterten an der Giftigkeit der Verbindung, bezüglich der die Autoren nur bemerken, daß die Tiere nach kleinen Dosen sehr bald starben. Die Glykosurie wurde anscheinend übersehen. Das Phenylglyein wurde für meine Versuche aus Anilin und Monochlor- essigsäure nach der Methode von J. Mai **) dargestellt. Umkristallisiert wurde die Substanz aus der sechsfachen Menge heißen Wassers unter Verwendung von Tierkohle. Das reine Präparat schmolz bei 125 bis 125,5° (126,5 bis 127° korr.). Die über Schwefelsäure getrocknete Verbindung ergab in der Analyse folgende Zahlen: 0,1839 g Substanz gaben 0,4293 & COe; 0,0977 g Hz O, Cs Hs NO, Berechnet C = 63,57 Proz., H = 5,96 Proz. Gefunden C=63,6 „ H=5%0 „ Die käuflichen, sowie ältere Präparate sind weniger rein. Sie sintern schon von 100° an und schmelzen, unscharf von 110 bis 116°. Aus denselben ist die reine Anilinoessigsäure nur unter beträchtlichen Verlusten zu erhalten ***). Die derben übereinander gelagerten Kristalle zeigen keine deutliche Form, sind frisch umkristallisiert fast farblos, beim längeren Stehen leicht gelblich. Da die freie Säure in kaltem Wasser ziemlich schwer löslich ist, diente das Natronsalz zu den Injektionen. Verabreicht wurde die Lösung in einer größeren Zahl von Versuchen an Kaninchen subkutan und durch die Schlundsonde. Für mittelschwere Kaninchen liegt die Dosis minima letalis gegen 0,3 g des analysenreinen Präparates vom Schmelzpunkt 126,5 bis 127° (korr.). Ich hebe dies hervor, da 0. Schultzen und M. Nencki (loc. cit.) keine Angabe über Schmelzpunkt oder Reinheitihres sehr giftigen Prä- parates machen. Das Sektionsresultat stimmte in allen Fällen in er- wähntem Sinne überein. In drei Fällen war der noch kurz vor dem Tode spontan gelassene bzw. in der Blase befindliche Harn bluthaltig. Stets reduzierte der Harn stark, drehte das polarisierte Licht nach rechts ent- sprechend 0,5 bis 0,8 Proz. Saccharose (Spez. Drehung —+ 34,68°). Die Gärungsproben waren stark positiv, das erhaltene Osazon war in kaltem Wasser schwer löslich, schmolz bei 204 bis 206° (unkorr.) und zeigte die Formen des Glukosazons. Die Proben auf Anwesenheit gepaarter Glukuron- säuren waren negativ. Ebenso wie erwähnt die Indoxylreaktionen, welche nach Jaffe und Obermeyer angestellt wurden. Die Glukosurie mag mit der starken Giftigkeit in einem gewissen Zusammenhang stehen und als sogenannte toxische Glukosurie aufgefaßt werden. Bei der Verwendung unreiner Präparate wurde der Harn zuweilen beim längern Stehen dunkel bis schwarz, schneller nach Versetzen mit Alkali und ähnelte hierin den Harnen nach Anilineinführung. Bei An- wendung reiner Präparate habe ich diese Erscheinung nicht beobachtet. *) O.Schultzen und M.Nencki, Über die Vorstufen des Harnstoffs im Organis- mus. Berichte d. deutsch. chem. Ges. 2, 580 (1869). **), Berichte d. deutsch. chem. Ges. 35, 580 (1902). ***) Bezgl. der Schmelzpunkte vgl, Paul J. Meyer, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 8, 1152. Schwebel, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 10, 2046. Michaelson und Lippmann, Compt. rend. 61, 739. Verlag von Aug. Hirschwald in Berlin. Soeben erschien: Die chemische Pathologie der Tubereulose. Bearbeitet von Docent Dr. Clemens, Docent Dr. Jolles, Prof. Dr. R. May, Dr. von Moraczewski, Dr. Ott, Dr. H. von Schroetter. Docent Dr. A. von Weismayr. Herausgegeben von Dr. A. Ott. 1903. gr. 8. 14 M. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht der Mediciner zusammengestellt von Dr. Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. Gebunden in Lnwd. Preis 3 4. Die chemische Organisation der Zelle. Ein Vortrag von Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. geh. Preis 0,60 .#. Der Stiekstoff und seine wiehtigsten Verbindungen. Von Dr. Leopold Spiegel, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit eingedruckten Abbildungen. gr. 8. Preis geh. 20 #, geb. 2 4. Synthesen in der Purin- und Zuckergruppe. Von Emil Fischer. Vortrag, gehalten am 12. Dezember 1902 vor der Schwedischen Akademie der Wissenschaften zu Stockholm. gr. 8. geh. Preis 0,80 4. Die Zersetzung stickstofffreier organischer Substanzen durch Bakterien. Von Dr. 0. Emmerling. Privatdozent an der Universität Berlin. Mit sieben Lichtdrucktafeln. kl. 8 geh. Preis4 4. BELBZLLBBEBELB Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunidiweig. — Vollständig erschienen: — | | Hermann von Helmholtz | WATER von | Leo Koenigsberger. In drei Bänden. \ Mit 9 Bildnissen in Heliogravure und einem Brieffacsimile. | u 4 F Gr. 80, In vornehmer Ausstattung. Preis des vollständigen Werkes geh. M. 20.—, geb. in Leinwd. M. 25.—, geb. in Halbfrz. M. 31—. M“ dem soeben zur Ausgabe gelangten dritten Bande des hochbe- deutenden Werkes ist die grosse Helmholtz-Biographie von Leo Koenigsberger, welche als eine biographische Leistung ersten Ranges für die gesamte wissenschaftliche Welt und für weite Kreise des ge- bildeten Publikums von dem grössten Interesse ist, vollständig erschienen. Die Entwickelung, das Leben und Wirken und die Bedeutung einer Persönlichkeit zu schildern, die durch den Umfang und die Tiefe des Wissens und die Macht des Könnens die meisten ihrer Zeitgenossen überragt, alle Welt durch das Produkt ihrer Arbeit während mehr als eines halben Jahrhunderts in Staunen und Bewunderung versetzt und der Wissenschaft neue fundamentale Lehren geschenkt und neue Wege zu fruchtbarer Tätigkeit gewiesen hat, war eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufgabe, deren Durchführung dem Verfasser, welchem nicht nur die Feder, sondern auch die auf eingehender Sachkenntnis ruhende Teilnahme für Person und Stoff zu Gebote stand, in vollendetem Masse gelungen ist. Dem grossen Naturforscher und Gelehrten ist mit dieser meisterhaiten Darstellung seines in der Geschichte der Wissenschaft wohl einzig dastehenden Entwickelungs- ganges und seiner unvergleichlichen Lebensarbeit ein würdiges Denkmal errichtet worden, wie es der Mit- und Nachwelt nicht schöner überliefert werden konnte, a a) Zu bezieben durch alle Buchhandlungen. SEZSZZLLZLLLLZBD A. W. Zickfeldt, Osterwieck /Harz. Beiträge Chemischen Physiologie Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister 0, Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg IV. Band. 9.—11. Heft (Ausgegeben November 1908) Braunschweig Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn "1903 Inhalt des 9, Seite XXX. P. Morawitz. Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. (Aus dem physiologisch- chemischen Institut der Universität Strassburg). -. - .- 381 XXXI. Gustav Embden und Otto v von ‚Fürth. Über die Genius ER Suprarenins (Adrenalins) im Organismus. (Aus dem physio- logisch-chemischen Institut zu Strassburg. Bi ER 421 XXXII Otto vonFürth. Über das Verhalten des Fettes bei der Keinah ölhaltiger Samen. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strassburg) . . 430 XXXIIH. Walther Freund. Zur ealez de Warnahlüteemunett (Aus dem Laboratorium der Universitäts - Kinderklinik zu Brellau) . . . 438 XXXIV. 0. Schumm. Über ein te Feackän im Blute bei myelogener Leukämie. (Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppendorf) . . 442 XXXV. 0. Schumm. Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. (Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Kranken- hauses Hamburg-Eppendorf) . . . . 453 XXXVI B. Slowtzoff. Beiträge zur BE RENEN Phrgcee er Hungerstoffwechsels. Zweite Mitteilung: Der wechsel der Weinbergschnecke. Are 460 XXXVII. D. Kurajeff. Über das Plastein aus een Oral bumin und über das Verhalten der Plasteinalbumosen zur Magen- und Dünndarmschleimhaut des Hundes. (Aus dem physiolog.-chemischen Laboratorium der Universität Charkow.) 476 XXXVIL. E, Friedmann. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen der schwefelhaltigen Eiweißabkömmlinge. Dritte Mitteilune:: Über die Konstitution der Merkaptursäuren. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strassburg.) 486 XXXIX. J. Feinschmidt. Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. (Aus dem Laboratorium der I. medizinischen Klinik zu Berlin.) er 511 XL. Rahel Hirsch. Über die ekorrache Wirkunr 3 Daher (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strassburg.) . 535 Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erscheinen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von 36 Druckbogen zum Preise von M. 15,— bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Maßgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre er- scheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. re dr sind an den Herausgeber, Straßburg i. E. Wimpfelingstraße 2, zu richten. Bei der ER von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung, Sachlich- keit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung maßgebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer tatsächlichen Richtig- stellung überschreiten, Können nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mit- teilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein besonders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40,— für den Druck- bogen und 50 Sonderabzüge. XXX. Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. Von Dr. P. Morawitz. E Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Straßburg. T: Seitdem vor mehreren Dezennien Alexander Schmidt*) die fermentative Natur des Blutgerinnungsvorganges erkannt und durch diese fundamentale Entdeckung der experimentellen Er- forschung aller die Gerinnung betreffenden Fragen eine sichere Grundlage gegeben hat, richtete sich das Interesse der Forscher, die sich mit dem Vorgang der Blutgerinnung beschäftigten, fast ausschließlich auf die Untersuchung der Bedingungen, die mit der Erzeugung und Wirkung des Fibrinfermentes ‘im Zusammen- hange stehen; denn man durfte mit Recht hoffen, durch Klar- legung dieser Fragen eine Erklärung nicht allein für die Gerinnungs- vorgänge an sich, sondern auch für den flüssigen Zustand des Blutes in den Gefäßen finden zu können. Leider ist diese Hoffnung nur zum geringsten Teil in Erfüllung gegangen; zwar zweifelt heute niemand mehr an der Bedeutung des Fibrinfermentes für die Blutgerinnung, da die besonders von Wooldridge**) und Lilienfeld***) gegen die fermentative Natur dieses Prozesses vorgebrachten Einwände als widerlegt ange- sehen werden können. Dazu kommt, daß in neuester Zeit die Schmidtsche Lehre durch Fuldf) eine neue Bestätigung erfahren hat: er konnte nämlich zeigen, daß das Zeitgesetz des Fibrin- fermentes in gewissen, besonders günstigen Fällen im wesent- lichen der für hydrolytische Fermente gültigen Schützschen Regel entspricht. *) Pflügers Archiv 6, 442. **) Wooldridge, Die Gerinnung des Blutes. Deutsch von M. v. Frey. Leipzig 1891. ***) Zeitschr. f. physiol. Chemie 20, 89. 7) Diese Beiträge 2, 514. Krk 382 P. Morawitz, Während also über diesen Punkt Klarheit herrscht, ist es dagegen nicht gelungen, eine Blutgerinnungstheorie aufzustellen, die geeignet wäre, alle bisher beobachteten Tatsachen in be- friedigender Weise zu erklären. Trotzdem sind wir aber seit Schmidt in die Erkenntnis des Gerinnungsvorganges durch ‘die Arbeiten der Dorpater Schule*), durch die Untersuchungen von Arthus, Pekelharing und besonders von Hammarsten, sowie zahlreicher anderer Forscher tiefer eingedrungen. Einen großen Fortschritt bezeichnet die Entdeckung der Rolle, welche die Ca-Ionen**) bei der Entstehung des Fibrinfermentes spielen. Das Verdienst, zuerst nachdrücklich auf die Wirkung der löslichen, durch Oxalat fällbaren Kalksalze hingewiesen zu haben, gebührt Arthus und Pages“), nachdem schon vor ihnen Hammarstenf), Greenfy), Ringer und Sainsbury7rff) und Freund*r) die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Kalk- salze gelenkt hatten. Die sehr zahlreichen Hypothesen, mit Hilfe deren verschiedene Forscher die Wirkung der Kalksalze zu erklären versuchten, sind durch die grundlegende Arbeit Hammarstens*ry) hinfällig ge- worden, da er einwandsfrei nachwies, daß die durch Oxalat fäll- baren Kalksalze einzig und allein notwendig sind, um das Fibrin- ferment aus einer unwirksamen Vorstufe, dem Zymogen oder Pro- ferment, in den wirksamen Zustand überzuführen, und hierbei durch keine anderen Substanzen (von den Ba- und Sr-Salzen ab- gesehen) ersetzt werden können. Dagegen vermag fertiges Ferment auch ohne Anwesenheit der durch Oxalat fällbaren Kalksalze die Umwandlung des Fibrinogens in Fibrin zu: bewirken. Die Ansicht Hammarstens ist heute allgemein anerkannt, nachdem sich auch Arthus von deren Richtigkeit überzeugt hat*rfy). Um so auffallender erscheint es, daß gerade der be- deutendste Forscher auf dem Gebiete der Blutgerinnung, Alexander Schmidt, sich der Entdeckung von Arthus gegen- über durchaus ablehnend verhielt. Noch in seiner letzten Arbeit*) *) Zusammenf. Referat bei Schmidt, Zur Blutlehre. Leipzig 1892. *) Sabbatani, Ref. Centralbl. f. Physiol. 16, 665. *#*) Arch. de Physiol. 5, 2 und Compt. rend. 112. 7) Nova acta reg. Soc. Scient. Upsal. 3, 10, 1876. ++) Journ. of physiol. 8. +++) Daselbst 11 und 12. *r) Wiener med. Jahrb. 1888. 259. *77) Zeitschrift £. physiol. Chemie 22, 333. *7r) La coagulation du sang. Scientia No. 5. 7*) Weitere Beiträge zur Blutlehre. Wiesbaden 1895. ‘ ee Be ee N A ie ds Ze u ee Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 383 leugnet Schmidt überhaupt die spezifische Wirkung der Kalk- salze, indem er nur zugibt, daß die Kalksalze „unter Brüdern“ im wesentlichen das gleiche leisten, wie auch die übrigen Neutral- salze, da die Anwesenheit von Salzen schlechthin für die Ge- rinnung notwendig sei. Schmidt entwickelt etwa folgende Anschauung über die Entstehung des Fibrinfermentes*): Im Plasma des zirkulierenden Blutes sowohl, als auch des Salzblutes ist unwirksames Pro- thrombin enthalten, das nicht durch Kalzium, sondern durch zymoplastische Substanzen aktiviert werden kann. Die zymo- plastischen Substanzen entstammen den Leukocyten und treten bei dem der Gerinnung vorhergehenden Leukocytenzerfall in das Plasma über, wo sie das Proferment aktivieren. Jedoch wird bei der Blutgerinnung nur ein verschwindend kleiner Teil des Pro- thrombins durch die zymoplastischen Substanzen in den wirk- samen Zustand übergeführt. Bei weitem die größte Menge ver- harrt in der inaktiven Form, da die in dem Plasma vorhandenen oder bei der Gerinnung in dasselbe übertretenden gerinnungs- hemmenden Substanzen der weiteren „Spaltung“ des Profermentes hindernd im Wege stehen, und die Menge der zymoplastischen Substanzen im Plasma schon an sich zu einer völligen Spaltung . des Prothrombins nicht hinreicht. Die beiden antagonistisch wirkenden Faktoren befinden sich im Serum in einem Gleichgewiehtszustande. Stört man dieses Gleichgewicht, z. B. durch Hinzufügung zymoplastischer Substanzen, so wird aus dem Proferment eine neue Menge Ferment abge- spalten. Auch durch vorübergehende Erhöhung der Alkaleszenz des Serums kann man ohne Zusatz zymoplastischer Substanzen eine weitergehende Spaltung des Profermentes bewirken, da Alkalien die Einwirkung der aktivierenden Elemente auf das Proferment begünstigen. Zymoplastische Substanzen werden durch mehrtägige Extraktion der verschiedensten Zellen, besonders der Lymphocyten, mit Alkohol gewonnen; doch können sie, wenn auch in geringerer Menge, direkt aus dem Serum hergestellt werden. Sie sind hitzebeständig, in Alkohol, zum Teil auch in Wasser und Äther löslich und nicht diffusibel. Der in Alkohol unlösliche Rückstand der Zellen liefert ein Wasserextrakt, das ausgesprochen gerinnungshemmende Eigenschaften hat, die an einen Eiweißkörper, das Cytoglobin, gebunden sind, während über die chemische Natur der zymoplastischen Substanzen nichts Sicheres gesagt werden kann. Nach v. Samson-Himmel- *) Centralbl. f. Physiol. 4, 257 und Zur Blutlehre 1892. 384 P. Morawitz, 'stjerna*) und Nauck“*) zeigen Lezithin, Taurin und die meisten Purinbasen zymoplastische Wirkungen. Im zirkulierenden Blute ist kein Oytoglobin nachzuweisen, doch kann man annehmen, daß der gerinnungshemmende Atomkomplex desselben auch im Plasma des zirkulierenden Blutes existiert und die geringen Ferment- mengen neutralisiert, die durch Spaltung des Prothrombins auch in der Blutbahn entstehen, wie Birk***) gezeigt hat. Der ge- rinnungshemmende Atomkomplex des Cytoglobins wird durch Kochen zerstört und ist diffusibel. Diese kurz skizzierten Anschauungen über die Bildung des Thrombins, die Schmidt in einer Reihe von Arbeiten nieder- gelegt hat, weichen so vollständig von der herrschenden Ansicht“ von der Aktivierung des Profermentes durch Ca ab, daß es merk- würdig erscheint, wie sie nicht mehr Widerspruch oder zahlreiche Nachuntersuchungen herausgefordert haben. Zwar hat Arthusf) einige von den Einwänden Schmidts gegen die Bedeutung der Kalksalze zu entkräften versucht. Schmidt hatte nämlich die Ungerinnbarkeit des nach den Angaben von Arthus hergestellten Oxalatplasmas auf den Oxalatgehalt desselben bezogen, indem er nach Entfernung des Oxalates durch Dialyse auf Zusatz von Koch- salz und zymoplastischen Substanzen Gerinnung eintreten sah. Arthus wies nach, daß das Oxalatplasma Schmidts offenbar von Anfang an fermenthaltig gewesen war, daß aber die geringe Fermentmenge sich erst nach Entfernung des gerinnungshemmenden Oxalatüberschusses hatte geltend machen können. Doch läßt sich Arthus auf eine weitergehende Nachuntersuchung der Schmidt: schen Befunde nicht ein, speziell nicht auf die Wirkung der zymoplastischen Substanzen. Über diese liegen überhaupt nur sehr spärliche Angaben in der Literatur vor. So will Lilienfeld a. a. OÖ. die Wirkung der Schmidtschen zymoplastischen Sub- stanzen auf ihren Gehalt an saurem Kaliumphosphat beziehen, scheint aber keine sehr deutlichen Erfolge gesehen zu haben. Ferner gelang es Spiro und Ellingerrf), Hundeblut, das durch vorhergehende Peptoninjektionen oder durch Hinzufügung von Blutegelextrakt ungerinnbar geworden war, durch Zusatz zymo- plastischer Substanzen in alkalischer Emulsion zum Gerinnen zu *) Über leukämisches Blut nebst Beobachtung, btr. die Entstehung des Fibrinfermentes. I1-D. Dorpat 1885. | **) Über eine neue Eigenschaft der Produkte der regressiven Meta- morphose der Eiweißkörper. 1.-D. Dorpat 1886. ***) Das Fibrinferment im lebenden Organismus. 1.-D. Dorpat 1881. 7) Archive de physiol. 1896, 47. ++) Zeitschr. f. physiol. Chemie 23, 121. Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 385 bringen. Weitere Angaben über Schmidts alkohollösliche Kinasen liegen nicht vor. Auch hat bisher niemand gesucht, die Schmidtsche Gerinnungstheorie auf ihre Richtigkeit zu prüfen oder mit den Beobachtungen der anderen Forscher, besonders Hammarstens und Arthus’, in Einklang zu bringen. Es mag dieses wohl zum großen Teil daran liegen, daß durch die fortgesetzte und meist wenig glückliche Polemik Schmidts gegen Hammarsten und Arthus das Vertrauen auf die Richtigkeit der Schmidtschen Beobachtungen erschüttert war. Der einzige Autor, der nachdrücklich auf die Unvereinbarkeit der Schmidtschen Lehre von den zymoplastischen Substanzen*mit der Kalziumtheorie hinweist und nicht einfach über dieselbe zur Tagesordnung übergeht, ist Hammarsten (a. a. O.), der eine genaue Nachuntersuchung der Schmidtschen Befunde als durchaus notwendig bezeichnet, indem er sagt: „Die Lehre (von der Ca-Wirkung) scheint mir auch fortgesetzter Untersuchungen sehr bedürftig zu sein, namentlich weil sie die von Schmidt behauptete Wirkung der zymoplastischen Substanzen ganz außer acht läßt.“ Da sich Hammarsten jedoch diesen Problemen nicht mehr zugewandt hat und auch von anderer Seite in den letzten Jahren keine Untersuchungen über diese Fragen angestellt worden sind, schien es wünschenswert, zunächst die Frage zu entscheiden: Wieerklärtsich der Widerspruchin deh Angaben über die Aktivierung des Prothrombins? IE Technische Vorbemerkungen. Bevor auf die Versuche selbst eingegangen werden soll, seien einige Bemerkungen über die Technik vorausgeschickt. Die Versuche wurden fast ausschließlich mit Pferdeblut an- gestellt; wo im folgenden keine Angaben über die Herkunft des Blutes gemacht werden, beziehen sich die Beobachtungen auf diese Blutart. Nur zu wenigen Versuchen wurde auch Rinder- und Hundeblut verwendet. Pferdeblut wurde bevorzugt, weil es bekanntlich sehr schnell die geformten Elemente zu Boden sinken läßt und man leicht auch ohne Zentrifugieren größere Mengen körperchenfreien Plasmas erhält. 1. Die Fibrinogenlösung. Als Indikator für die Wirkungen des Fermentes wurde eine Fibrinogenlösung benutzt, die nach der Methode Hammarstens*) *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 22, 333. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 25 386 P. Morawitz, aus Pferdeplasma gewonnen wurde. Als sehr zweckmäßig erwies sich dabei die von Heubner*) angegebene Modifikation: Fällung des Fibrinogens bei neutraler, Lösung bei leicht alkalischer Reaktion. Dabei wird der bei dreimaligem Umfällen sonst sehr bedeutende Verlust, der durch Unlöslichwerden des Fibrinogens bedingt ist, ganz wesentlich reduziert und die ganze Prozedur abgekürzt. Auch die Methode von Reye**), die Fällung des Fibrinogens mit Ammonsulfat, kam gelegentlich zur Anwendung, bot aber keine Vorteile gegenüber der Fällung mit Kochsalz. Das Verfahren war kurz folgendes: Pferdeplasma, das 0,2 bis 0,3 Proz. Ammonoxalat enthielt, wurde 24 bis 48 Stunden im Eiskasten stehen ge- lassen. Dabei fällt, wie schon Hammarsten (a. a. OÖ.) erwähnt, ein schleimiger rötlich gefärbter Niederschlag aus, der in zusammenhängender Schicht den Boden bedeckt und sehr reich an Proferment ist, d. h. in einer Fibrinogenlösung auf Ca-Zusatz schnell Gerinnung bewirkt. Dieser mit Wooldridges (a. a. 0.) A-Fibrinogen identische Niederschlag, den auch Wright“**) erwähnt, besteht, zum Teil wenigstens, aus Trümmern geformter Elemente. Wartet man das Absitzen des Niederschlages nicht ab, sondern verarbeitet das Oxalatplasma sofort nach dem Niedersinken der geformten Elemente, so kann man nie mit Sicherheit darauf rechnen, eine vollständig profermentfreie Fibrinogenlösung zu gewinnen, d.h. eine Lösung, die mit Ca nicht gerinnt. Ebenso verhindert höhere Außen- temperatur das Absetzen des Niederschlages. (Das ist ein Grund mehr, die Untersuchungen von Blut möglichst in den Wintermonaten vorzu- nehmen.) Dementsprechend gerinnt auch das frische, profermenthaltige Oxalatplasma auf Ca-Zusatz sehr prompt, während Plasma, das drei bis vier Tage gestanden hat, durch Ca nur sehr langsam, zuweilen auch gar nicht, zur Koagulation gebracht werden kann, wie schon Ham- marsten beobachtet hat. Das abgehobene Oxalatplasma wird dann mit Kochsalz in Substanz gesättigt. Der aus Globulinen und Fibrinogen bestehende Niederschlag steigt an die Oberfläche, so daß er durch Abhebern leicht vom Plasma getrennt werden kann. Er löst sich mit Hilfe des anhaftenden Salzes in schwach alkalischem Wasser meist schnell und vollständig. Vom unge- lösten wird abfiltriert. Der Salzgehalt dieser Fibrinogen - Globulinlösung wird dann aräometrisch (Heubnera.a. 0.) bestimmt, und das Fibrinogen bei neutraler Reaktion durch Halbsättigung mit Kochsalzlösung, die 0,1 Proz. Ammonoxalat enthält, also kalkfrei ist, ausgefällt. Durch zwei- bis dreimalige Wiederholung dieses Verfahrens erhält man vollständig ferment- und profermentfreie Fibrinogenlösungen, die tagelang mit oder ohne Ca flüssig bleiben. Mehrfach habe ich gesehen, daß die Fibrinogenlösungen, die drei bis vier Tage teils bei etwa 5°, teils bei Eisschranktemperatur aufbewahrt worden waren, nicht allein eine allmählich fort- schreitende Ausscheidung von umgewandeltem Fibrinogen in Form *) Archiv f. experim. Pathol. u. Pharm. 49, 229. **) ].-D. Straßburg 1898. ***) T'he Lancet 1892, Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 387 zarter Flocken zeigten, sondern unter Umständen auch in typischer Weise gallertig gerannen. Der Vorgang der Gerinnung zeigte hierbei Eigentümlichkeiten, auf die es sich verlohnt mit einigen Worten einzugehen. Eine vier Tage alte Fibrinogenlösung, die als klare, nur leicht opalisierende Flüssigkeit aus dem Eiskasten in das Laboratorium gebracht worden war, war nach einer halben Stunde durch und durch geronnen, ohne daß weitere Einwirkungen stattgefunden hätten. Diese Erscheinung, die ich nur drei bis viermal an meinen Fibrinogenlösungen beobachtet habe, trat niemals im Oxalatplasma selbst ein. Sie erklärt sich wohl-da- durch, daß das Oxalatplasma von vorneherein fertiges Ferment enthalten hatte, was keineswegs wunderbar ist, da bei der üblichen Entnahme des Blutes im Schlachthause dasselbe, wie ich mich überzeugt habe, stets in ausgedehnte Berührung mit den Wund- rändern kommt. Diese geringen Fermentmengen haben im Oxalat- plasma selbst keine Wirkung, ob wegen des Oxalatgehaltes oder aus anderen Gründen mag vorerst dahingestellt bleiben, vermögen aber, falls sie beim Umfällen des Fibrinogens nicht vollständig entfernt worden sind, allmählich die Koagulation herbeizuführen, Dabei scheint das Fibrinogen zunächst in eine lösliche Modi- fikation des Fibrins übergeführt zu werden, da die Flüssigkeit bei der Entnahme aus dem Eiskasten noch gar keine Gerinnungs- erscheinungen zeigt. Erhöhung der Temperatur, mechanische Er- schütterungen usw. führen dann eine rasch, ja schußweise er- folgende Ausscheidung des Fibrins herbei, die an das Verhalten unterkühlter Flüssigkeiten erinnert. Versucht man das ausge- schiedene Gerinnsel in Kochsalzlösung zu lösen, so zeigt sich, daß ein geringer Teil noch löslich ist. Es handelt sich bei diesem Teil offenbar um mitgerissenes Fibrinogen. Dementsprechend enthält die von dem Gerinnsel befreite Flüssigkeit noch unver- ändertes Fibrinogen, wie durch den Gerinnungsversuch nachge- wiesen werden kann. Dadurch wird der Gedanke nahegelesgt, daß durch das noch unveränderte Fibrinogen eine gewisse Menge Fibrin in Lösung gehalten werden kann. Einer genaueren Charakterisierung des gelösten Fibrins stellen sich viele Schwierigkeiten entgegen; vor allem ist man beim Versuch, das- selbe’zu erhalten, zu sehr vom Zufall abhängig, auch geht die Modi- fikation zu leicht in den unlöslichen Zustand über. Deshalb ist eine Be- stimmung der Salzfällungsgrenzen nur mit sehr großer Vorsicht zu ver- werten. Es zeigte sich, daß der Körper in unlöslicher Form zum Teil schon bei 10 Proz. Ammonsulfatsättigung in Form zusammenhängender Gerinnsel ausfiel. Doch ist es natürlich zweifelhaft, ob diese Ausscheidung als Aussalzen im engeren Sinne aufgefaßt werden darf, oder ob der Zusatz von Ammonsulfat einfach als mechanisches Moment gewirkt hat. 25* 388 P. Morawitz, Erfahrungen und Beobachtungen über ein lösliches Fibrin, das bei der fermentativen Umwandlung des Fibrinogens als Zwischenprodukt auftritt, sind schon sehr alt. Eichwald*) hat zuerst einige Tatsachen mitgeteilt. die von Alexander Schmidt**) in diesem Sinne gedeutet wurden. Besonders eingehend hat Hammarsten**“*) den Satz begründet, daß das Fibrinogen schon lange, bevor sich ein sichtbares Gerinnsei ausscheidet, unter Ein- wirkung geringer Fermentmengen in eine Modifikation übergeht, die im Gegensatze zum unveränderten Körper durch Kohlensäure gefällt wird, beim Gefrieren und Auftauen Gerinnsel ausscheidet und eine niedrigere Koagulationstemperatur aufweist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß wir es auch in unserm Falle mit einem löslichen Fibrin in dem oben definierten Sinne zu tun haben. Um Verluste und Ungenauigkeiten der Resultate, die diese ge- legentlichen Veränderungen der Fibrinogenlösung mit sich bringen, zu vermeiden, wurden stets nur etwa 500 bis 700 ccm Plasma verarbeitet, woraus ein für zwei Tage reichender Vorrat an ‚Fibrinogenlösung gewonnen werden kann, der Rest des Oxalat- plasmas aber nach Zusatz von Toluol im Eiskasten aufbewahrt. Auf diese Weise ist man, da das Oxalatplasma selbst nie gerinnt und noch nach sechs Tagen zur Herstellung einer Fibrinogen- lösung brauchbar ist, vom Material relativ unabhängig und vermißt nicht zu sehr die nordische Kälte, die Hammarsten bei seinen Untersuchungen so wertvolle Dienste geleistet hat. Dagegen ist es ganz unzweckmäßig, das Fibrinogen im ge- fällten Zustande aufzubewahren, da es unter halbgesättigter Koch- salzlösung schon nach ein bis zwei Tagen fast ganz unlöslich wird. 2. Andere Indikatoren für Thrombin. Man könnte daran denken, neben Fibrinogenlösung der Be- quemlichkeit halber Oxalatplasma als Indikator für Fibrinferment zu verwenden. Jedoch gerinnt Oxalatplasma sehr schwer und nur auf starken Fermentzusatz. Hat doch z. B. Artbus (a. a. O.) anfänglich geglaubt, Oxalatplasma könne überhaupt mit Ferment nicht gerinnen und darauf seine Theorie der Ca-Wirkung aufgebaut. Brauchbarer als Oxalat- ist nach Arthusf) das Fluoridplasma, das 0,3 Proz. Fluornatrium enthält und sogar ein quantitatives Reagens auf Fibrinferment darstellen soll, da auf Zusatz geringer *) Beiträge zur Chemie der gewebebildenden Substanzen etc. Berlin 1873. **) Pflügers Archiv 11, 340. ***) Pflügers Archiv 19, 603 und 22, 443. 7) Journal de Physiol, et Pathol. gen. 1901, 887. Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 389 Serummengen nur partielle Gerinnungen auftreten. Diese Angabe, die mit dem fermentativen Charakter des Gerinnungsvorganges nicht recht in Einklang zu bringen ist, scheint wenig für die Methode zu sprechen. Deswegen wurde zunächst das Fluorid- plasma als Indikator nicht angewendet. Das Vogelblutplasma*), das bekanntlich spontan nicht ge- rinnt, bietet vielleicht einen gewissen Vorteil vor einer Fibrinogen- lösung. Es ist zwar schwerer zu erhalten und muß sehr sorg- fältıg entnommen werden; aber man darf wohl glauben, daß die Verhältnisse bei der Gerinnung des Vogelblutplasmas denen einer normalen Blutgerinnung mehr entsprechen, als sie in einer dreimal umgefällten Fibrinogenlösung gegeben sind. Da man jedoch nicht alle beı der normalen Gerinnung beteiligten Momente hinreichend kennt, so kann man andererseits nicht ausschließen, daß der Ge- rinnungsversuch in: Vogelblutplasma kompliziertere Bedingungen schafft als der an einer reinen Fibrinogenlösung vorgenommene. Da ich außerdem größere Mengen Material nötig hatte, mußte vom Vogeiblutplasma abgesehen werden. 3. Die Fibrinolyse. | Auch die weder auf Ca-Zusatz noch spontan gerinnenden Fibrinogenlösungen können nicht als gänzlich sichere Indikatoren angesehen werden. Sehr häufig beobachtete ich nämlich das nachträgliche schnelle Verflüssigen eines bereits gebildeten Fibrin- gerinnsels. Es handelte sich dabei um Fibrinolyse, die bisher nur wenig studierte Verdauung des ausgeschiedenen Fibrins durch ein sonst kaum bekanntes Ferment. Die Ansichten über die Ursache der Fibrinolyse sind auch jetzt noch keineswegs vollkommen geklärt. Die meisten Unter- suchungen weisen aber mit Sicherheit darauf hin, daß die Auf- lösung des Fibrins durch ein aus dem Blute stammendes fibrinolytisches Ferment ohne Mitwirkung von Mikroorganismen erfolgt. Schon vor vielen Jahren hat Plösz**) diese Ansicht aus- gesprochen, die in neuerer Zeit besonders von Dastre***) fester begründet worden ist, der bei Ausschluß bakterieller Einwirkungen Fibrinolyse beobachten konnte. HammarstenTr), der die An- *) Delezenne, Archiv de Physiol. 9 (2), 333 und C. R. de la Soc. de Biol. 1896, 782, **) Pflügers Archiv 7, 371. =) 0, R. de la Soc. de Biol. 9. Dezbr. 1893, 995. Archiv de Physiol. (5) VII. 2, 408. 7) Pflügers Archiv 30, 441. 390 P. Morawitz, gaben von Denis*), über sogen. lösliches Fibrin (nicht zu ver- wechseln mit dem löslichen Fibrin Eichwalds) nachprüfte, konnte bestätigen, daß sich Fibrin besonders bei Verunreinigung mit Leukocyten oder Globulin in Neutralsalzlösungen bei leicht alkalischer Reaktion auflöst. Ob diese Löslichkeit des Fibrins in konzentrierten Salzlösungen *) wirklich als fermentative Fibrinolyse aufgefaßt werden darf, muß zweifelhaft erscheinen. Salkowski***) führt die Verdauung des Fibrins auf die Wirkung von Bakterienfermenten zurück. Endlich haben noch Denys und de Marbaixr) gefunden, daß die Verdauung des Fibrins von dem Zusatz von Chloroform, Alkohol, Äther, sowie verschiedener anderer Substanzen abhängig ist; sie sprechen dem Chloroform usw. direkt eine fermentative Wirkung auf das Fibrin zu. Trotzdem die Erscheinung der Fibrinolyse dem Zweck dieser Arbeit ferner liegt, sei es mir doch gestattet, mit\ einigen Worten darauf einzugehen. Denn ich konnte bei meinen Versuchen eine so rapid verlaufende Fibrinolyse beobachten, wie sie bisher in der Literatur noch nicht beschrieben worden ist. Die vollständige Auf- lösung eines dicken Gerinnsels, das das ganze Reagenzglas als feste Gallerte ausfüllte, erfolgte in solchen Fällen in einer Stunde bei Bruttemperatur, oft sogar noch schneller. Zarte Gerinnsel waren öfter schon in einer Viertelstunde vollständig verschwunden. Diese Erscheinungen traten keineswegs konstant auf. Zumeist arbeitete ich mil Fibrinogenlösungen, in denen absolut keine Auf- lösung des gebildeten Fibrins zu erkennen war, ja sogar die Retraktion des entstandenen Fibrinkuchens fehlte. In geringerem Maße als das ausgeschiedene Fibrin ist auch das gelöste Fibrinogen einer Umwandlung unterworfen, die zur Folge hat, daß konzentrierte Fibrinogenlösungen von Tag zu Tag bei der Gerinnung immer weniger Fibrin liefern und endlich ganz ungerinnbar werden. Diese schon von Hammarstenr) be- obachtete Erscheinung habe ich auch in einem Falle zusammen mit einer außerordentlich rapid verlaufenden Fibrinolyse gesehen, so daß der Gedanke an eine gemeinsame, d. h. bakterielle, Ursache beider Erscheinungen naheliegt. Jedoch tritt das Verschwinden des Fibrinogens auch unabhängig von der Fibrinolyse auf. Daher *) Nouvelles ötudes usw. sur les substances albuminoides. Paris 1856 und M&moire sur le sang. Paris 1859, *) Limbourg, Zeitschr. f. physiol. Chemie 18, 450, 1889, **#*) Zeitschr. f. Biologie 7, 92, 1889. +) Sur les peptonisations usw. Extrait de la Revue „La Cellule“, 1. V. 2. fasc. 15 Dec. 1889. Louvain. +r) Päügers Archiv 17. E a Zu Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 391 möchte ich nach allen meinen Erfahrungen diesen Erklärungsver- such ganz entschieden zurückweisen. Die große Inkonstanz des Eintretens der Fibrinolyse bliebe dabei ebenso unverständlich, wie der außerordentlich rapide Verlauf derselben. Auch ist das Fibrin gegen Auflösung durch Fäulniserreger sehr resistent. Auch die von anderer Seite (Dastre a. a. OÖ.) beschriebene Fibrinolyse in steril aufgefangenem Blute ließe sich gegen die Annahme von Bakterieneinflüssen anführen. Mithin bliebe nur die Annahme eines fibrinolytisch wirkenden Fermentes übrig, und es fragt sich nun, ob man irgend welche Anhaltspunkte für die Erklärung des Umstandes hat, daß dieses Ferment nur in gewissen Fällen so außerordentlich wirksam ist, während es sich meist überhaupt nicht nachweisen läßt. In der Tat glaube ich, allerdings rein zufällig, wenigstens eine der hier beteiligten Bedingungen gefunden zu haben. Ich benutzte nämlich mehreremal zum Auffangen des Blutes eine Ammon- oxalatlösung, die, wie sich nachträglich herausstellte, gegen Lack- mus leicht sauer reagierte. Von diesem Blute konnte nur durch Zentrifugieren, und zwar ein stark blutig gefärbtes Plasma ge- wonnen werden; die Blutkörperchen setzten sich darin nur sehr mangelhaft ab. Gerade in diesen und, wie die Protokolle ergaben, ausschließlieh in diesen Fällen habe ich Fibrinolyse gesehen, wie sie oben beschrieben worden ist. Je stärker blutiggefärbt das Plasma war, je mehr geformte Elemente also durch den Oxalat- zusatz zerstört worden waren, je schlechter sich die Blutkörperchen absetzten, um so intensiver verlief die Fibrinolyse in der durch dreimaliges Umfällen hergestellten Fibrinogenlösung. Dabei sei noch bemerkt, daß es auch nie gelang, gänzlich profermentfreie Fibrinogenlösungen aus diesem Plasma herzustellen. Andererseits gelingt es auch, in zentrifugiertem Oxalatplasma durch nach- trägliche Neutralisation sehr starke Fibrinolyse hervorzurufen. Diese Beobachtung macht es nun sehr wahrscheinlich, daß das fibrinolytische Ferment, das vielleicht durch Zerstörung der geformten Elemente frei gemacht worden ist, durch Neutralisation aktiviert wird. Es scheint dann bei der fraktionierten Salzfällung noch leichter mit dem Fibrinogen niedergerissen zu werden als das Fibrinferment selbst. Daß das fibrinolytische Ferment in der Tat sich in der Fibrinogenlösung und nicht allein im zugesetzten Serum findet, ist leicht zu entscheiden, wenn man sich eine mit Ca gerinnende Fibrinogenlösung herstellt. Auch in solchen Fällen tritt Fibrino- lyse ein. 399 P. Morawitz, Auffallend ist es, daß die Fibrinolyse in einer Fibrinogenlösung viel schneller zu verlaufen scheint als im Plasma, selbst wenn dieses sehr stark verdünnt ist. Welche Momente hierbei ausschlaggebend sind, muß vorerst dahingestellt bleiben. Jedenfalls liegt es nahe, an einen mit den Globulinen ausfallenden Antikörper zu denken, um so mehr als Gläßner*) und Delezenne**) erst kürzlich antitryptische Wirkungen des Blutserums festgestellt haben. Weitere Untersuchungen werden über diese Fragen sicher bald Aufschluß geben, nachdem in dem Vorhergehenden ein Weg gezeigt worden ist, fibrinolytisch wirksame Lösungen zu erhalten. Dabei soll nun keineswegs behauptet werden, daß die Auflösung ge- formter Elemente durch Zusatz differenter Mittel unbedingtes Erfordernis für das Auftreten der Fibrinolyse ist. Dagegen spricht schon der Um- stand, daß man im spontan gerinnenden Blute ohne Zusatz irgend welcher Mittel zuweilen auch Fibrinolyse auftreten sieht. Ob man alle in der Literatur beschriebenen fibrinolytischen Vor- gänge als Prozesse auffassen darf, die durch ein in dem Blute vor- handenes Ferment bewirkt werden, erscheint zweifelhaft} eine methodische Durcharbeitung des ganzen Gebietes ist daher sehr wünschenswert. Für die vorliegenden Untersuchungen ist die Fibrinolyse nur insofern von Bedeutung, als sie eine Quelle zahlreicher Be- obachtungsfehler sein kann. Es ist natürlich unmöglich, während der langen Dauer mancher Gerinnungsversuche fortwährend zu untersuchen, wie weit der Prozeß vorgeschritten ist, zumal sich die Versuche oft über 24 Stunden ausdehnen. Findet man z. B. am Morgen nach einem über Nacht ausgedehnten Versuch eine Reihe von Proben ungeronnen, so ist nicht ohne weiteres der Schluß gestattet, daß hier wirklich Gerinnung gefehlt hat. Ein Beispiel mag das illustrieren: Von zwei Eprouvetten wird die erste mit 5 Tropfen fermentativ stark wirksamen Serums, 5 cem 0,4 proz. Ammonoxalatlösung und 15 ccm Fibrinogenlösung beschickt, die zweite in gleicher Weise, nur daß die Ammonoxalatlösung durch 5 cem 0,3 proz. Oxalatplasma ersetzt wird. Beginn des Versuches um 5 Uhr nachmittags bei 35°. Um 6 Uhr ist die erste Probe total geronnen, so daß man das Glas um- kehren kann, ohne einen Tropfen zu verlieren, die zweite ist ungeronnen. Um 7 Uhr 15 Min. sind beide Eprouvetten vollständig flüssig, in der ersten ist auch keine Spur eines Gerinnsels zu sehen. Am nächsten Morgen sind beide noch flüssig. Nun werden beide Proben mit 2 cem stark wirksamen Fermentes versetzt. . Das zweite Röhrchen gerinnt nach 1!/, Stunden, das erste Röhrchen bleibt flüssig. Falls in diesem Versuch, dem ich noch einige andere, freilich weniger prägnante, beifügen könnte, eine Beobachtung um 6 Uhr ver- säumt worden wäre, hätte man sehr leicht den Schluß ziehen können, daß auch Probe 1 ungeronnen geblieben sei. In solchen Fällen entscheidet der nachträgliche Zusatz größerer Mengen von Ferment. *) Diese Beiträge #, 79. **) C©. R. de la Soc. de Biol. 55, 132 (30. 1.). Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 393 4. Die Fermentlösungen. Als Fermentlösung kam fast ausschließlich Pferdeserum zur Verwendung, doch stand mir durch das freundliche Entgegen- kommen von Herrn Dr. Heubner, Assistenten am pharmakolo- gischen Institut, auch Schmidtsches Ferment aus Rinderserum zur Verfügung, das durch zweimonatliche Aufbewahrung unter Alkohol und nachfolgendes Trocknen gewonnen worden war. Der wässerige Auszug des trockenen Koagulums war fermentativ außerordentlich wirksam. Die quantitativen Gerinnungsversuche wurden nach der Tropfenmethode angestellt, die bei Verwendung gleicher Pipetten nach den Ermittelungen Ostwalds als sehr exakt angesehen werden kann. Natürlich muß man die zu den Versuchen benutzten Reagenzgläser nach jedesmaligem Gebrauch auskochen, um mit Sicherheit alle anhaftenden Spuren von Ferment zu zerstören. Daß stets Kontrollversuche neben dem eigentlichen Versuch angestellt wurden, braucht kaum erwähnt zu werden. Als Zeitpunkt der erfolgten Gerinnung wurde, um eine ein- heitliche Beurteilung der Versuche zu ermöglichen, stets der Moment aufgefaßt, in dem der Spiegel der Fibrinogenlösung bei leichtem Neigen die Glaswände nicht mehr benetzte. Bei der Verwertung der Resultate quantitativer Gerinnungs- versuche muß es als Regel gelten, kleinere Differenzen der Ge- rinnungszeit, die natürlich die einzige Handhabe für die Beur- teilung von Wirksamkeit und Menge des Fermentes bietet, um so eher zu vernachlässigen, je weniger scharf die Differenzen sich in einer langen Reihe von Versuchen und unter verschiedenen Bedingungen, wie z. B. bei verschiedenen Temperaturen erkennen lassen. Je mehr man sich vor Augen hält, von wie zahlreichen Faktoren der Gerinnungsvorgang abhängig ist, um so vorsichtiger wird man in der Beurteilung der Resultate sein. Der Begriff „kleinere Differenzen“ kann natürlich nicht mit einem Wort präzisiert werden; vielleicht wird man am besten fahren, wenn man sich an das Verhältnis 1:3 oder 1:4 als Grenzwert hält. Gerinnt z. B. von zwei Proben die eine in 10 Minuten, die andere unter gleichen äußeren Bedingungen in einer Stunde, so kann das als eine größere Differenz angesehen werden, während ein Unterschied der Gerinnungszeit, der sich zwischen 3 und 8 Stunden bewegt, mit viel größerer Vorsicht aufgenommen werden muß, besonders wenn man sich erinnert, daß bei geringen Enzymmengen eine strenge Gesetzmäßigkeit im Sinne der Fuldschen Regel nicht nachzuweisen ist, und die Er- Scheinungen, wie schon Alexander Schmidt gezeigt hat, ziemlich regellos werden, da der Einfluß der Fermentmenge dann deutlicher hervortritt. 394 P. Morawitz, Deswegen gelingt es auch nur unter sehr günstigen Bedingungen, das Zeitgesetz des Fibrinfermentes festzustellen. Fuld, der mit spontan nicht gerinnendem Vogelplasma und ungemein stark fermentativ wirk- samem Muskelextrakt arbeitete, konnte durch Zusatz sehr geringer Fermentmengen, z. B. 0,2 bis 0,025 cem eines Extraktes, Gerinnung her- vorrufen, die in einer bis fünf Minuten vollendet war und eine ganz be- stimmte Gesetzmäßigkeit zeigte. Einige Versuche, die ich nach dieser Richtung hin mit Fibrinogen- lösung und dem sehr wirksamen Schmidtschen Ferment anzustellen Gelegenheit hatte, ergaben Werte, die sich mit steigender Fermentmenge der Schützschen Regel immer mehr näherten, während geringe Ferment- mengen eine deutlichere Abhängigkeit von der Menge des Fermentes zeigten und Zahlen ergaben, die in der Mitte zwischen der Schütz- Fuldschen Regel und einer einfachen direkten Proportionalität zur Fermentmenge standen. Ein genaueres Eingehen auf diese Versuche ist nicht am Platz, da nur gezeigt werden soll, daß sich aus der Gerinnungszeit nur mit ge- wissen Einschränkungen Schlüsse auf die Menge des‘ Fermentes ziehen lassen. Die etwas ausführliche Besprechung der an sich einfachen Versuchstechnik rechtfertigt sich, wie ich glaube, dadurch, daß sich bei Kenntnis dieser Einzelheiten manche Schwierigkeit ver- meiden läßt, die mit dem Arbeiten mit Fibrinogenlösungen ver- knüpft ist. II. Über das Prothrombin Alexander Schmidts und das Prothrombin im Sinne von Arthus, Hammarsten und Pekelharing. Der Gegensatz, der zwischen der Schmidtschen Schule und der heute allgemein herrschenden Auffassung über die Aktivierung des Prothrombins durch Ca-Ionen herrscht, ist bereits oben kurz dargelegt worden. Nach Arthus, Hammarsten und Pekelharing wird das Prothrombin lediglich durch Ca-Ionen in Thrombin übergeführt, nach Schmidt allein durch bestimmte Kinasen (zymoplastische Substanzen), während das Ca auf das Prothrombin ganz ohne Ein- fluß ist und nur die Einwirkung des Thrombins auf das Fibrinogen in seiner Eigenschaft als Neutralsalz begünstigt. Nun ist aber die Aktivierbarkeit des Prothrombins durch die Ca-Salze durch die Arbeiten von Pekelharing*) und Ham- marsten einwandsfrei sichergestellt und kann jederzeit mit Leichtigkeit durch Versuche am Oxalatplasma nachgeprüft werden, auch sind die Einwände, die Schmidt gegen die spezifische Wirkung der Ca-Salze an sich ins Feld führte, durch Arthus *) Die Bedeutung der Kalksalze für die Blutgerinnung. Festschrift f. Virchow I. 1891. | Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 395 (a. a. O.) beseitigt worden, so daß man die uns hier interessierende Frage dahin präzisieren kann: Inwiefern hat neben der Aktivierbarkeit des Prothrombins durch Ca-Ionen die Schmidtsche Lehre von den zymoplastischen Substanzen Geltung? Als ich diese Untersuchungen aufnahm, war ich mit den Resultaten Schmidts noch nicht vollständig bekannt; um so wich- tiger ist es, daß, wie ich nachträglich ersah, die Befunde an sich mit den Angaben Schmidts vielfach durchaus übereinstimmen; dagegen ergab sich bald, daß die von Schmidt gegebene Deutung Veranlassung zu Mißverständnissen geben mußte. Wie wenig geklärt die ganze Sachlage ist, geht am besten daraus hervor, daß Hammarsten*) in der vorzüglichen Darlegung des Gerinnungs- vorganges, die er in seinem Lehrbuche gibt, sich darauf beschränkt, ganz objektiv die Anschauung Schmidts über die Fermentbildung der landläufigen, namentlich von Arthus und Pekelharing ver- tretenen, gegenüberzustellen und den Mangel der Einheitlichkeit und die noch herrschende Unklarheit hervorzuheben. Arthus (a. a. 0.) begnügt sich in der sonst sehr guten zusammenfassenden Darstellung über eine Anzahl wichtiger, den Gerinnungsvorgang betreffenden Arbeiten nur mit der Erwähnung der direkten Ein- wände Schmidts gegen die Ca-Wirkung, ohne auf dessen Theorie weiter einzugehen. l. Abnahme des Fermentgehaltes im Serum. Den Ausgangspunkt für die folgenden Untersuchungen gab die schon Alexander Schmidt bekannte Erscheinung, daß der Fermentgehalt des Serums beim Stehen an der Luft abnimmt. Auch in anderen Fermentlösungen wurde dieselbe Beobachtung von Tammann**) und Effront***) gemacht. Tammann äußert sich darüber in dem Sinne, daß er einen allmählich fortschreitenden Zerfall des Katalysators in unwirksame Elemente auch ohne An- wesenheit einer zu katalysierenden Substanz annimmt. Analoge Be- obachtungen liegen auch über anorganische Katalysatoren vor’f). Im Pferdeserum findet dieses Unwirksamwerden bei Zimmer- temperatur meist im Verlauf von 5 bis 6 Tagen statt, und zwar in der Art, daß die gerinnungserregende Wirkung des Serums unmittelbar nach der Blutentnahme am schnellsten, dann aber *) Lehrbuch d. physiol. Chemie. 4. Aufl. 1899. **) Zeitschr. f. physikal. Chemie 18, 26 (1895). ***) Diastasen 1, 140. 7) Ernst, Zeitschr. f. physikal. Chemie 837, 1901. Me. Intosh, Journ. of physic. Chem. 15, 1902. Bredig, Anorgan. Fermente 1901, 45. 396 P. Morawitz, immer langsamer sinkt und sich endlich nach der angegebenen Zeit im praktischen Sinne dem Werte Null nähert, d. h. 1 ccm Serum vermag dann in 24 Stunden bei 35° 10 cem Fibrinogen- lösung nicht mehr zum Gerinnen zu bringen. Die Geschwindigkeit der Abnahme des Fermentgehaltes ist in ausgesprochener Weise von der Temperatur abhängig: Serum, das im Eiskasten gehalten wurde, zeigte nach 12 Tagen noch sehr ausgesprochene fermentative Wirkungen, während eine andere Probe, die im Brutschrank einer Temperatur von etwa 39° ausgesetzt war, sich schon nach 2'/,;, Tagen vollkommen un- wirksam erwies. Außer der Temperatur scheint auch die Re- aktion des Serums für die Geschwindigkeit der Fermentabnahme insofern von Bedeutung zu sein, als Neutralisation gegen Lack- mus den Ablauf des Vorganges verlangsamt, Vermehrung der Alkaleszenz einen deutlich beschleunigenden Einfluß ausübt. Auch findet die Abnahme im Fermentgehalt zweier Sera, die von verschiedenen Tieren stammen, unter gleichen äußeren Be- dingungen nicht ganz gleichmäßig statt, so daß ich 5 bis 6 Tage in Übereinstimmung mit Schmidt nur als Durchschnittswert be- zeichnen kann. Vielleicht hängt das teilweise damit zusammen, daß der Fermentgehalt frischer Sera von vornherein schon recht große Differenzen aufweist. Auch der ungehinderte Zutritt von Luft wirkt, wie Schmidt gefunden hat, begünstigend auf den Fermentzerfall. | 2. Gehalt des Serums an Proferment. Von der Annahme ausgehend, daß das Proferment gegen die schädigenden Einflüsse, die den Fermentgehalt des Serums ver- nichten, größere Widerstandsfähigkeit zeigt, wurde der Versuch gemacht, die gerinnungserregende Wirkung durch Stehen abge- schwächter Sera durch Zusatz von Chlorkalzium in einer Kon- zentration von 0,1 Proz. zu erhöhen. Dabei mußte ein allzu eroßer Ca-Überschuß vermieden werden, da Horne*) dargetan hat, daß ein Gehalt von 2 bis 3 Proz. Chlorkalzium die Gerinnung verhindern kann, und nach Huiskamp“**) schon 0,6 Proz. Chlor- kalzium einen stark hemmenden Einfluß hat. Der Zusatz von Chlorkalzium hat nun in der Tat in diesen schwach wirkenden Sera einen ausgesprochen gerinnungsbeschleuni- ee ee ee ee ee ee En nn re genden Einfluß, wie ja kaum anders zu erwarten war, da z. B. Hammarsten“**) gezeigt hat, daß sich auch die gerinnungs- *) Journ. of physiolog. Chem. 19. »*) Zeitschr. f. physiol. Chemie 32. ***) Zeitschr. f. physiol. Chemie 28. Fe Wert Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 397 erregende Wirkung frischer Sera durch Chlorkalziumzusatz deutlich erhöhen läßt, eine Beobachtung, die auch ich bestätigen kann. Versuch: Serum, 4 Tage bei Zimmer- | Fibrino- Cacl Tempe- | Geronnen temperatur gehalten gen En ratur nach 10 Tropfen 5b ecm. „0,1. Proz: 33° 1!/, Std. 10 Tropfen 5 cem — 35 ° 3!/, Std. Es entsteht nun die Frage, ob diese mäßige, aber konstante Beschleunigung der Gerinnung, die durch Zusatz von Kalzium- chlorid sowohl bei Verwendung von Serum, als von Schmidtschem Ferment bemerkt wird, wirklich auf einer Aktivierung einer ge- ringen Menge von Proferment beruht, die bei der Gerinnung der Überführung in Ferment entgangen ist, entweder aus Mangel an Ca-Ionen oder aus anderen, noch unbekannten Gründen. Ham- marsten neigt sich der Ansicht zu, daß diese Ca-Wirkung wohl mehr auf andere Ursachen zurückzuführen sei als auf eine Ak- tivierung von Proferment, will aber die Frage nicht endgültig entscheiden. In der Tat läßt sich zeigen, daß Ca auch noch in anderer Weise die Gerinnung einer Fibrinogenlösung befördert als allein durch Aktivierung von Proferment. Schon a priori erscheint die Annahme, daß im Serum noch nachweisbare Mengen von Proferment enthalten sind, sehr wenig wahrscheinlich, wenn man daran denkt, daß jedenfalls im Blute Ca-Ionen stets in einer Menge vorhanden sind, die zur Aktivierung des gesamten Prothrombins hinreicht*). Ferner ist die durch Ca-Zusatz bewirkte Gerinnungsbeschleunigung nicht sehr bedeutend, und endlich ist es mir nie gelungen, ganz unwirksames Serum durch Ca-Zusatz zu aktivieren. Die letzte Beobachtung ist mit der Annahme eines Profermentgehaltes im Serum nicht recht ver- einbar, da wir aus dem Verhalten des im Oxalatplasma aus- fallenden Niederschlages wissen, daß das Proferment äußeren Einflüssen gegenüber resistenter ist als das Ferment. Zur sicheren Entscheidung dieser Frage wurde Serum mit 0,1 Proz. CaC], versetzt und zwei Stunden sich selbst überlassen. Man kann wohl als sicher annehmen, daß durch dieses Verfahren alles Proferment, falls noch solches vorhanden ist, aktiviert wird. *) Sabbatania..a. O. 398 P. Morawitz, Von diesem Serum wurden 5 Tropfen mit 5 cem Fibrinogenlösung vermischt. Der Ca-Gehalt der Mischung betrug dann also etwa 0,005 Proz. Diese Mischung gerann nun regelmäßig langsamer als eine entsprechende Serum - Fibrinogenmischung, die 0,1 bis 0,2 Proz. CaÜCl, enthielt, und annähernd ebenso schnell wie eine Mischung, die überhaupt nicht mit Ca behandelt worden war. Versuch E Nachtr. Serum, 3 Tage alt Menge ee C1,- | Temp: Ver gen nach Zusatz mit 0,1 Proz CaQl], | | ur E | versetzt u. 2 Stdn. | 5 Tropfen | 5 cem m Be 15'/, Stdn. stehen gelassen el) ohne Ca(l, 5 Tropfen | 5 ccm ee do. 3 Stdn. Proz. ohne Call, 5 Tropfen | 5 cem Ka do. 6 Stdn. Aus diesem Versuche läßt sich mit aller Sicherheit schließen, daß Ca die Gerinnungsgeschwindigkeit noch in einer anderen Weise beeinflußt, als lediglich durch Aktivierung von Proferment, und daß der Gehalt des Serums an Proferment entweder nur äußerst geringfügig, oder, was viel wahrscheinlicher, gleich null ist. Durchaus analoge Resultate erhält man, wenn man das zum Serum gesetzte Ca nach zweistündiger Einwirkung quantitativ durch Oxalatzusatz ausfällt, auch dann beobachtet man keine Ge- rinnungsbeschleunigung. Und doch behauptete Schmidt, in dem unwirksamen Serum Ferment aktivieren zu können. Falls es daher wirklich gelingt, aus unwirk- samem Serum Thrombin durch irgend welche Maßnahmen zu entwickeln, muß man annehmen, daß es sich in einer unwirksamen Form im Serum findet, die nicht identisch ist mit dem durch Ca Zusatz aktivierbaren Prothrombin. 3. Nachweis eines Profermentes im unwirksamen Serum. Auf Vorschlag von Herrn Professor Hofmeister prüfte ich den Einfluß der allgemeinsten Katalysatoren, der Säuren, auf das unwirksame Serum. Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, daß Serum mit dem gleichen Volumen "/ıo-Säure versetzt, gemischt und re ee Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 399 nach "/, bis /, Stunde zurücktitriert wurde, wobei sich eine durch die Säurewirkung entstandene leichte Eiweißfällung wieder löste. Es stellte sich dabei heraus, daß vorher ganz unwirksames Serum sich nach dieser Behandlung außerordentlich wirksam erwies und eine Fibrinogenlösung in der kürzesten Zeit zum Ge- rinnen brachte. Versuch: Serum, 5 Tage bei Zimmer- | mit Säure FE Geronnen temperatur gehalten vorbehandelt = nach 20 Tropfen + 10 cem 11/, SC“ 20 Tropfen | — | 10 ccm ca. 13 St. Da bei der Behandlung mit dem gleichen Volumen "/,o Säure und nachfolgender Neutralisation das Serum auf das Dreifache ver- dünnt wird, muß diese Verdünnung bei Berechnung der Steigerung der fermentativen Wirksamkeit mit berücksichtigt werden. Neben ”/,o Schwefelsäure, mit der die ersten Versuche an- gestellt wurden, prüfte ich noch den Einfluß von Milchsäure, Essig- säure, Zitronen- und Oxalsäure, sowie einiger saurer Salze, des Monokaliumphosphats und des Kaliumhydrosulfats, weil mir diese Reagentien gerade zur Verfügung standen. Qualitativ war die Wirkung ın allen Fällen die gleiche; quantitativ zeigten sich dagegen Unterschiede, die, soweit aus der Gerinnungszeit Schlüsse gezogen werden dürfen, dafür zu sprechen schienen, daß die fermentaktivierende Kraft der zugesetzten Säuren mit der Dissoziation derselben ungefähr parallel geht. Genauere Angaben darüber zu machen, erscheint überflüssig, weil die einzige Reaktion auf den Fermentgehalt, die Gerinnung, wie schon oft hervorgehoben, keinen genügenden quantitativen Maß- stab abgibt. Gegen die Annahme, daß es in der Tat die Wirkung des H-Ions ist, die dem Serum wieder eine so bedeutende fermentative Wirkung verleiht, lassen sich zunächst mancherlei Einwände machen. Doch ergibt die Prüfung, daß keiner derselben stich- haltig ist. Man überzeugt sich leicht, daß die Verdünnung des Serums mit dem doppelten Volumen Wasser oder einem neu- tralisierten Gemisch von Schwefelsäure und Natron durchaus keinen Erfolg hat. Etwas mehr Berechtigung hat scheinbar der Einwand, daß die Gerinnungsbeschleunigung auf der Neutralisierung des Serums beruht; denn es ist in der Tat nicht zu leugnen, daß durch Zusatz geringer Säuremengen, die eben zur Neutralisierung gegen Lackmus ausreichen, auch eine, wenn auch nur geringe 400 P. Morawitz, gerinnungsbeschleunigende, Wirkung zu erzielen ist. Aber erstens ist diese Wirkung klein im Vergleich zu der, die man bei einem großen Überschuß von H-Ionen erhält, zweitens ist aber auch die ehedem verbreitete Anschauung von der alkalischen Reaktion des. Serums oder Blutes durch neuere Untersuchungen*) dahin modi- fiziert worden, daß wir in dem Blut eine Lösung vor uns haben, die zwar gegen Lackmus alkalisch, gegen Phenolphthalein aber sauer reagiert. Wir können also nicht mehr von einer Neutra- lisation des Blutes, sondern nur noch von einer Vermehrung oder Verminderung der Konzentration der H-Ionen sprechen. Daß dann aber eine, wenn auch nur mäßige, Vermehrung die Ent- stehung des Fermentes im Serum begünstigt, ist ebenso klar, als die Tatsache, daß stärkerer Säurezusatz viel größere Effekte erzielt. In einigen Fällen wurde dem angesäuerten Serum ein Tropfen Phenolphthalein als Indikator bei der nachfolgenden Neutra- lisation zugesetzt. Die aktivierende Wirkung der Säure war sowohl bei einer eben noch sauren, als bei eben alkalischer Reaktion in gleicher Weise nachweisbar. Man ist also zu dem Schlusse berechtigt, daß die Bedeutung des oben beschriebenen Vorganges, den ich der Kürze halber als Aktivieren des Serums bezeichnen will, darin zu suchen ist, daß die H-Ionen in dem Serum eine Veränderung be- wirken, welche die Bildung des Fermentes aus einer unwirksamen Vorstufe, einem Prothrombin, ermöglicht. Einen ähnlichen Einfluß wie die Säuren üben auch Alkalien aus: Versetzt man unwirksames oder schwach wirksames Serum mit dem gleichen Volumen ?"/;o NaOH und neutralisiert nach !/a- bis '/,stündiger Einwirkung, so hat die fermentative Kraft des Serums in noch weit höherem Maße zugenommen als bei einer Aktivierung durch die gleiche Menge "/ıo H, SO.. Versuch: Serum Be IE Geronnen j Aktiviert Fibrinogen Temperatur 5 Tage alt nach 10 Tropfen mit Alkali 5 cem | 85° 10 Min. — I - — 10 Tropfen mit Säure 5 cem 35° 1 Std. 20 Mim Die Aktivierung durch Alkali ist vom OH-Ion abhängig. Daher wirkt natürlich nicht nur NaOH, sondern auch NH;, Na, CO, etc. qualitativ gleich, quantitativ verschieden. | *) Vgl. z. B. Friedenthal, Zeitschr. f. allgem. Physiol. 1, 1. Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 401 Zwar sind die Wirkungen, die man durch das gleiche Volumen ao NaOH erhält, schon sehr bedeutend, jedoch nicht maximal. Der gesamte Vorrat an Prothrombin, soweit er durch diese Be- handlungsmethode überhaupt wirksam gemacht werden kann, wird erst erschöpft, wenn man '", Stunde lang auf je 10 ccm Serum 2 bis 4 ccm Normalnatronlauge einwirken läßt. In solchen Fällen verläuft die Gerinnung selbst bei Zusatz ganz geringer Serum- mengen im Brutschrank in wenigen Minuten. Es gelingt auf diese Weise, den Wirkungswert abgeschwächter Sera auf das 20- bis 30fache oder noch mehr zu erhöhen. . Schon aus den oben aufgeführten Versuchsanordnungen, speziell der Wirkung der Oxal- und Zitronensäure, ergibt sich, daß zur Aktivierung unseres Prothrombins Ga-Ionen nicht erforderlich sind. Dabei ist zugleich erwiesen, daß es mit dem Prothrombin im gewöhnlichen Sinne des Wortes nicht identisch sein kann. Außerdem läßt sich natürlich auch zeigen, daß Serum, welches mit 0,5 Proz. Ammonoxalat versetzt ist, sich durch NaOH. ebenso leicht aktivieren läßt, wie ohne Oxalatzusatz. Auch die vorher- gehende Entfernung der Kalziumoxalatfällung durch Zentrifugieren ändert an diesem Verhalten nichts. Es unterliegt keinem Zweifel, daß unser Prothrombin mit dem Proferment Alexander ee midis identisch ist, nicht aber mit dem durch Ca aktivierbaren Zymogen. Letzteres hat Schmidt überhaupt nicht gekannt. Daher stammen sein ablehnender Standpunkt gegen die Theorie der Ca-Wirkung und die Verwirrung, die durch das Zusammenwerfen dieser beiden ganz verschiedenen Begriffe in der Literatur entstanden ist. Da die Verschiedenheit der beiden unwirksamen Ferment- vorstufen schon durch diese Versuche sichergestellt ist, will ich, um weitere Mißverständnisse zu vermeiden, vorläufig nach dem Vorschlage Herrn Prof. Hofmeisters das durch Ca aktivierbare a-Proferment, das durch Säurealkali aktivierbare $-Pro- ferment nennen, womit zunächst nichts über die Natur, namentlich über eine etwaige genetische Verwandtschaft, derart etwa, daß das ß-Proferment vom a-Proferment abstammte, ausge- sagt sein soll. 4. Eigenschaften und Vorkommen des ß-Profermentes. Schmidt kannte bereits die Möglichkeit, durch Alkali unwirksames Serum zu aktivieren, und stellte sich vor, daß sein Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 26 402 P. Morawitz, Proferment, das f-Proferment also, schon im zirkulierenden Plasma vorhanden sei. Nicht bekannt war ihm dagegen die Säure- aktivierung, über die sich jedoch auch Andeutungen a.a.O. in der Literatur vorfinden. So glaubt Lilienfeld*, das wirksame Prinzip der sogen. zymoplastischen Substanzen im sauren Kalium- phosphat gefunden zu haben, ferner gibt Schmidt selbst an, daß sehr kleine Mengen Essigsäure die Gerinnung beschleunigen, ebenso Durchleiten von CO,. Endlich fand ich nach Abschluß meiner Versuche eine Notiz von Fuld“*), aus der hervor- geht, daß auch ihm bereits die beiden Arten der Aktivierung bekannt waren. Auf die theoretische Deutung, die Fuld dem Prozeß des Aktivierens gibt, will ich unten mit einigen Worten eingehen. u Sei euere ee ie Me De ei De ee er Zunächst sei bemerkt, daß die Ansicht Schmidts von der Präexistenz des ß-Prothrombins im zirkulierenden Blut insofern unzutreffend ist, als es nicht gelingt, Oxalat- und Fluoridplasma durch die Alkali-Säurewirkung zum Gerinnen zu bringen, selbst wenn es vorher durch Dialyse von seinem Salzgehalt nahezu be- freit oder nach dem Aktivieren mit Fibrinogenlösung stark ver- dünnt wird. Demnach ist im Oxalatplasma nur a-, aber kein ß-Proferment enthalten. Dagegen findet sich f-Proferment in jedem Serum, mag es nun ganz frisch oder schon alt und wirkungslos sein. Man muß daher annehmen, daß seine Entstehung mit dem Vorgang der Gerinnung oder der Bildung des Thrombins aus dem a-Proferment in irgend einer Weise zusammenhängt. Bevor die Möglichkeiten der Abstammung und Bildung des P-Profermentes weiter erörtert werden, seien noch einige An- gaben über das f-Proferment selbst gemacht. Besonders charakteristisch ist seine große Resistenz gegen die schädigenden Einflüsse, die das Verschwinden des fertigen Thrombins im Serum veranlassen. Anscheinend nimmt der Ge- halt des Serums an ß-Proferment beim Stehen überhaupt nicht ab, wenigstens bevor sehr intensive Fäulnis eintritt; denn ganz frisches Serum läßt sich durch die gleiche Menge Alkalı unter genau denselben Bedingungen nicht stärker aktivieren als fünf Tage altes Serum. n.rar.0, **) Biochem. Centralbl. 1, 4. Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 403 Versuch: I. Versuch | IH. Versuch Serum Fibrinogen | Temperatur | Geronnen Geronnen nach nach frisch, nicht h ; i | Stdn. —. aktiviert 5 Tr. is ” alas eh, emer do. do 8 Min. 15 Min. 5 Tr. 5 Tage alt, nicht er do nach 7 Stdn. j aktiviert 5 Tr. ungeronnen 5 Tage alt, nn ar tert & Tr. do. do 10 Min. 12 Min. Dabei muß man allerdings bedenken, daß man durch ein- malige Einwirkung eines gleichen Volumens ?/;o-Normallauge das ß-Proferment nicht vollständig aktiviert. Man kann das auf folgende Weise zeigen: Die durch das Aktivieren frei gewordene gewaltige Fermentmenge verschwindet schon innerhalb sehr kurzer Zeit aus dem Serum. Bereits nach wenigen Stunden ist eine Abnahme zu bemerken, nach 24 Stunden bei Zimmertemperatur ist das Serum ganz oder nahezu ganz wirkungslos. Versucht man solches Serum von neuem zu aktivieren, so gelingt es, falls man das Aktivieren mit dem gleichen Volumen "/;o- NaOH vorge- nommen hat, noch einmal, nicht aber zum dritten Male. Dieser Versuch ist nach zwei Richtungen hin von Bedeutung: einmal zeigt er uns, daß das Ferment, welches aus ß-Prothrombin gewonnen wurde und das wir als $#-Ferment bezeichnen wollen, ungleich viel schneller aus dem Serum verschwindet, als das a-Ferment, das bei der normalerı Gerinnung entsteht und, wie oben erwähnt, erst in 5 bis 6 Tagen verschwindet, obwohl es, der Wirksamkeit nach zu schließen, an Menge sehr hinter dem P-Ferment zurücksteht. Dies legt den Gedanken nahe, daß a- und ß-Ferment überhaupt nicht miteinander identisch sind. Ferner aber lehrt dieser Versuch, daß das Verschwinden des P-Fermentes aus aktiviertem Serum nicht als eine Rückbildung zu ß-Proferment aufgefaßt werden kann. Fuld (a. a. O.) scheint der Ansicht zu sein, daß das ß-Pro- ferment eine stabilere Phase des Thrombins sei, in die dasselbe bei längerem Stehen des Serums übergeht. Ebenso soll nach ihm auch aktiviertes $-Proferment wieder in den stabilen, unwirk- 26* 404 P. Morawitz, samen Zustand übergehen. Gegen diese recht bestechende An- sicht sprechen jedoch einige der oben angeführten Tatsachen: I. Läßt sich frisches Serum ebenso gut aktivieren wie altes. 2, Läßt sich Serum nıcht beliebig oft reaktivieren. 3, Läßt sich Schmidts Thrombin, wenn einmal unwirksam geworden, nicht reaktivieren. Immerhin muß zugegeben werden, daß die angeführten Ver- suche nieht genügen um Fulds Anschauung ganz zu entkräften, Trotz seiner großen Resistenz gegen verschiedene Einflüsse ist das A-Proferment thermolabil und wird in gleicher Weise wie a-Proferment und 'Thrombin selbst durch "/, stündiges Erwärmen auf 60 bis 62° zerstört. Durch Dialyse läßt es sich nicht ent- fernen und fällt beim Aussalzen des Serums mit Ammonsulfat mit den Globulinen zwischen 30 und 50 Proz. Ammonsulfatsättigung aus. Eine genauere "Trennung des T'hrombins und A-Profermentes durch Aussalzen mit Ammonsulfat wurde vergebens angestrebt, dla das Ferment bei dieser Methode scheinbar stark geschädigt wird, und selbst ein geringer Gehalt an Ammonsulfat in der Kibrinogenlösung die Gerinnung zu beeinflussen scheint, jedenfalls die Sicherheit der Resultate vermindert. Während Alkalizusatz die Entstehung von 'T'hrombin aus dem -Proferment ermöglicht, zerstört längere Einwirkung des Alkalis das gebildete A-Ferment vollständig, falls nicht rechtzeitig neutralisiert wird. Schon drei- stündige Einwirkung von "/so NaOH bei 35° genügen, um das gebildete Thrombin zu zerstören, so daß das Serum nach Neutra- lisierung unwirksam ist. In diesem Falle gelingt es auch nicht, das Serum nochmals zu aktivieren. In einer Lösung von Schmidtschem 'Thrombin war kein ß-Proferment nachweisbar. Diese Erscheinung, die schon Schmidt bekannt war, ist um so auffallender, als Schmidts T'hrombin be- kanntlich aus durch Alkohol koaguliertem und getrocknetem Seru hergestellt wird. Schmidt nahm an, daß bei der Alkohol- behandlung das Proferment (= -Proferment) zerstört würde Kr mußte diese Annahme machen, weil er glaubte, daß p-Pro- (erment im Blute präformiert enthalten sei. Ließ er nun Blut direkt aus dem Gefäß in Alkohol laufen, so konnte er nach- träglich im Koagulum weder Ferment noch Proferment nach- weisen. Da letzteres nach seiner Ansicht vorhanden gewesen war, mußte es zerstört worden sein. Auch diesen Ausführungen kann ich mich nicht anschließen. Denn einmal ist es schon a priori wenig wahrscheinlich, daß das Thrombin durch die Alkoholbehandlung weniger angegriffen ur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. Zur |] { ler Vorstuf les Fil f t wird als das sonst viel widerstandsfähigere 9-Proferment. Dann aber zeigt auch der quantitative Versuch, daß man nicht von einer Zerstörung, sondern, wenigstens in dem von mir untersuchten Fall, von einer Aktivierung des A-Profermentes durch die Alkohol- behandlung reden muß. Versuch: 0,75 8 des trockenen, durch Koagulation von Rinderserum mit Alkohol gewonnenen Pulvers werden in 20 cem Kochsalzlösung suspendiert und ı, Stunde bei 30° extrahiert. 0,75 g Eiweiß sind etwa in 10 cem Serum enthalten. Da ich mit 80 cem Kochsalzlösung extrahiert habe, sollte man erwarten, daß, falls die Extraktion vollständig war, die fermentative Wirkung dieses Extraktes nur halb so groß sein wird, als die der gleichen Menge [rischen Rinder- serums. 1. 20 Tropfen frischen Rinderserums —- 10 cem Fibrinogen in einer Stunde geronnen. 2. 20 Tropfen des Extraktes -- 10 ecem Fibrinogen in zehn Minuten geronnen. Man sieht, daß ganz wider Erwarten die Wirkung des Extraktes sechsmal (eigentlich zwölfmal) stärker ist als die des frischen Rinder- serums. Selbst wenn man große individuelle Abweichungen im Fermentgehalt des frischen Serums mit Recht annehmen darf, so weisen doch so enorme Differenzen darauf hin, daß durch die Alkoholbehandlung -Proferment aktiviert worden ist, also neben a- auch 8-Ferment vorhanden ist, falls nicht andere, noch unbe- kannte Faktoren mitspielen. In diesem Sinne würde auch der Umstand sprechen, daß der Fermentgehalt einer Schmidtschen Fermentlösung ungefähr ebenso schnell absinkt, als der des aktivierten Serums, also viel schneller als der Gehalt an a«-Ferment in gewöhnlichem Serum. 5. Die Abstammung des $-Profermentes. Da sich, wie oben hervorgehoben, im Oxalat- und Fluoridblut kein 5-Proferment nachweisen läßt, da es ferner sofort nach der Gerinnung im Serum in reichlicher Menge vorhanden ist, kann man seine Entstehung wohl mit Sicherheit mit dem Vorgang der Gerinnung in Zusammenhang bringen. Bei der normalen Ge- rinnung entsteht neben «-Ferment eine große Menge ß-Proferment. Es fragt sich, ob dieses A-Proferment 1. durch Ca-Einfluß entsteht, ebenso wie das a-lerment, und 2. ob sich dann Anhalts- punkte dafür finden lassen, daß es mit dem «a-Proferment in irgend einem genetischen Zusammenhange steht, etwa als Ab- kömmling des a-Profermentes betrachtet werden kann. Die erste Frage ist leicht in bejahendem Sinne zu beant- worten: fügt man zu verdünntem Oxalatblut eine hinreichende 406 P. Morawitz, Menge von Schmidtschem Ferment, das 0,1 Proz. Ammon- oxalat enthält, so erfolgt natürlich Gerinnung ohne Mitwirkung von Ca-Ionen. Das auf diese Weise gewonnene Serum erweist sich als unwirksam, worüber man sich nicht wundern darf, da einmal bei dieser Art der Koagulation aus dem im Oxalatplasma vorhandenen a-Proferment wegen der Abwesenheit der Kalksalze sich kein Ferment bilden kann, und weiterhin das zugesetzte Schmidtsche Ferment sehr stark verdünnt ist, ferner aber auch, namentlich bei Brutschranktemperatur, sehr schnell an Wirkungs- wert einbüßt, endlich zum Teil dem entfernten Fibrin anhaftet. Das so gewonnene unwirksame Serum “enthält nun kein aktivierbares ß-Proferment, womit gezeigt ist, daß die Bildung des ß-Profermentes nicht unbedingt mit dem Vorgang der Ge- rinnung zusammenhängt, sondern vielleicht auch von der Gegen- wart der Kalksalze har ist. Auf Grund dieses Versuches können wir uns die Forstelhud bilden, daß bei der Gerinnung normalerweise unter dem Einfluß der Ca- Ionen ebenso wie aus a-Proferment das a-Ferment, so aus irgend einer unbe- kannten Vorstufe x 8-Proferment abgespalten wird. Cal a-Proferment Test Alkalien oder Säuren a-Ferment B-Froferment <— | (Alkohol, zymoplastische Sub- | stanzen ?) - -B-Ferment. Diese Vorstellung greift den Tatsachen nicht vor, befriedigt aber insofern weniger, als man eine doppelte Wirkung des Ca, ferner zwei verschiedene Fermentvorstufen annehmen muß. Viel einfacher würde sich das Schema gestalten, wenn es gelänge, einen genetischen Zusammenhang zwischen «a- und B-Proferment zu finden. Ein sicherer Beweis läßt sich vorerst dafür nicht geben, wohl aber ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß. Denn beides sind Thrombine, die in gleicher Weise wirken, beide sind thermolabil. Am sichersten würde für die Identität die Übereinstimmung des Zeit- und Verdünnungsge- setzes sprechen; doch scheitert ein derartiger Versuch leider an den in der Einleitung berührten Schwierigkeiten. Dagegen gelingt es, auf anderem Wege eine weitere Stütze für die Identität des a- und B-Fermentes beizubringen, da sich nämlich zeigen läßt, daß beide durch gerinnungs- hemmende Körper, die man als Antithrombine bezeichnen kann, in der gleichen Weise in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden. IV Nachweis eines Antithrombins. Bisher war nicht versucht worden, eine nähere Vorstellung über das Wesen der Alkali-Säureaktivierung zu entwickeln. Wenn man auch über den zugrunde liegenden Vorgang die ver schiedensten Anschauungen haben kann, so lag doch die Vor- stellung, daß dabei die Wirkung eines die Fermentwirkung Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 407 hemmenden Antikörpers aufgehoben werde, besonders nahe, eine Vorstellung, für die übrigens die weitere Untersuchung keine An- haltspunkte beibringen konnte. Für eine solche Vorstellung sprachen die Angaben über Anti- thrombine verschiedener Art, die sich in letzter Zeit häufen. Daß in der Tat der tierische Organismus spezifische gerinnungs- hemmende Substanzen erzeugen kann, darf als sichergestellt an- gesehen werden. Dafür sprechen die sehr zahlreichen Be- obachtungen einer verminderten Gerinnbarkeit nach Injektionen von Thrombin oder Gewebsfibrinogen, wobei der positiven Phase stets eine negative folgt“). Noch greifbarer und sicherer treten uns Antithrombine, welche die Eigentümlichkeit zeigen, hitze- beständig zu sein, im Pepton- und Blutegelextraktplasma ent- gegen**). Endlich ist es in neuester Zeit Bordet und Gengou*®“*) sowie Camus?7) gelungen, durch Vorbehandlung von Meer- schweinchen mit Kaninchenserum spezifische Antithrombine gegen Kaninchenferment zu erzeugen. Jedoch lagen noch keine Beobachtungen vor, die auch im normalen Blut oder Serum die Anwesenheit eines Antithrombins bewiesen hätten. Zwar hatte schon Alexander Schmidt die Notwendigkeit eines gerinnungshemmenden Körpers für die Eır- haltung des flüssigen Zustands des Blutes erkannt, eines Körpers, der imstande wäre, geringe Mengen von 'Thrombin zu neutra’ lisieren. Doch hat weder Schmidts Cytoglobin nach Lilien- feldsrr) Histon in dieser Richtung Anerkennung gefunden. Was endlich das neuerdings von ConradiTry) bei der Autolyse der Leber gefundene Antithrombin anlangt, so gibt dieser Autor selbst zu, dasselbe im Blute nicht gefunden zu haben. Dagegen finden sich andere Angaben, die für eine gerinnungs- Be nende Wirkung des Blutes zu De scheinen. Schmidt*yr) *) Jakowicky, Zur physiologischen Wirkung der Bluttransfusion. I.-D. Dorpat 1875. — Köhler, Über Thrombose und Transfusion etc. I. nr Dorpat 1877. — Edelbe rg, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 12, 28 — v. Rennenkampf, Über die in Folge intravasc. Injektion von A globin auftretenden Blutveränderungen. I.-D. Dorpat 1891. — Groth, Über die Schicksale der farblosen "Elemente im kreisenden Blute. 1.-D. Dorpat 1884. — Wooldridge,a.a. O. *) Delezenne, Travaux du Laboratoire de physiol. Montpellier. 1898. 213 u. 284. ***) Ann. de l’Inst. Pasteur 15, 129 (1901). 7) ©. R. de l’Acad. des Sciences 1901. Tr) a. a. O. irr) Diese Beiträge 1, 136. *7) Pflügers Arch. 6, 451. 408 P. Morawitz, fand, daß manche Transsudate, trotzdem sie Fibrinogen enthalten, auf Zusatz von Ferment nur sehr unvollkommen oder gar nicht gerinnen, eine Beobachtung, die Schmidt auf das Fehlen der fibrinoplastischen Substanz zurückführt. Ähnliche Erfahrungen machte Hammarsten*) an Hydrokeleflüssigkeiten, die auf Zu- satz von Ferment nicht gerannen, während das aus solcher Flüssigkeit hergestellte Fibrinogen sehr schnell zum Gerinnen gebracht wird. Wichtiger noch sind einige Bemerkungen Hammarstens“*) über die Gerinnung des Oxalatplasmas auf Fermentzusatz. Er fand nämlich, daß 0,3proz. Oxalatplasma auf Zusatz geringer Fermentmengen tagelang flüssig bleiben kann, während stärker wirksames Thrombin es in kurzer Zeit zur Koagulation bringt. Hammarsten bezieht dieses Verhalten auf den Oxalatgehalt des Plasmas. Jedoch scheint eine derartige Auffassung nicht ganz einwandsfrei, da man sich schlecht vor- stellen kann, warum der ÖOxalatgehalt geringe Fermentmengen gar nicht zur Wirkung gelangen läßt, während größere trotz des hindernden Salzgehaltes sehr prompte Koagulation hervorrufen, wovon man sich leicht überzeugen kann. Endlich sei hier noch eine Bemerkung desselben Autors angeführt. Hammarsten (a. a. OÖ.) sagt nämlich, daß er bei Gerinnungsversuchen mit O,1proz. Oxalatplasma bald eine Verzögerung gegenüber einer Fibrinogenlösung gesehen habe, bald aber gar keine hemmende Wirkung des Oxalatgehaltes. Diese Bemerkungen wiesen darauf hin, den gerinnungs- hemmenden Körper zunächst im Oxalatplasma zu suchen. 1. Nachweis eines gerfinnungshemmenden Körpers im Oxalatplasma. Die Schwergerinnbarkeit des Oxalatblutes wurde bisher immer auf dessen Oxalatgehalt bezogen, und es kann in der Tat keinem Zweifel unterliegen, daß ein Oxalatgehalt von 0,4 bis 0,5 Proz. die Gerinnung ganz wesentlich verzögern kann. Auch in verdünntem Oxalatplasma, das nur 0,1 Proz. Ammon- oxalat enthält, beobachtet man fast regelmäßig eine Hemmung des Gerinnungsvorganges. Es fragt sich, ob diese Erscheinung ebenfalls ausschließlich oder doch wenigstens vorwiegend vom Salzgehalt abhängig ist. Zur Entscheidung der Frage wurden sehr zahlreiche Versuche angestellt, die stets das gleiche Resultat ergaben. Es mag daher, genügen, ein Experiment mitzuteilen. *) Pflüg. Arch. 19, 603. **) Zeitschr. f. physiol. Chemie 22, Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 409 Versuch: Serum, Frisches Ammon- BINr Oxalatkon- Zeitpunkt der niert Oxalat- oxalat- Fibrinogen ERBEN: Temp. kn BRBVIeL plasma lösung N = BER nach 9 Stdn. 1 >LWa e 10 Tropf.| 5 ccm _ 15 ccm arm 20° | nicht ge- sta a | ronnen 5 cem etwa do. u do. do. 1'/, Stdn. 0,5 Proz. 0,125 Proz. la 5 cem etwa do. _ do. do. 1!/, Stän. 2.13 Proz: 0,19 Proz. Ih 5 cem etwa do. — do. do. 1!/, Stdn. 1 Proz. | 0,25 Proz. E Es zeigt dieser Versuch, daß die gerinnungshemmende Wirkung frischen Oxalatplasmas weder ausschließlich, noch auch zum größten Teil auf dessen Oxalatgehalt zurückgeführt werden kann. Es fragt sich, ob man es mit einer spezifischen Hemmungswirkung im Sinne eines Antikörpers oder mit irgend welchen auf physi- kalische Weise gerinnungshemmend wirkenden Faktoren zu tun hat. Dabei wäre z. B. an eine Kolloidwirkung zu denken, da man schon seit Johannes Müller weiß, daß Kolloide die Gerinnung verzögern können. Nun ist es schon von vornherein sehr unwahrscheinlich, daß Blutplasma, eine Flüssigkeit, die normalerweise gerinnt, bei einer Verdünnung auf das Vierfache durch seinen Kolloidgehalt die Gerinnung verzögern oder auf- heben sollte. Durch weitere Versuche kann auch dieser Einwand ausgeschlossen werden. Die geriunungshemmende Wirkung des Oxalatplasmas scheint nämlich im frischen Plasma am stärksten zu sein und beim Stehen allmählich abzunehmen. Alle die Faktoren, die, wie oben ausge- führt, das Unwirksamwerden des Fermentes im Serum veran- lassen, wirken auch hier in dem gleichen Sinne. Je länger Öxalatplasma, namentlich bei etwas höherer Temperatur aufbe- walhrt wird, durch um so kleinere Fermentmengen läßt es sich zur Gerinnung bringen. Serum, frisch PRBlaC: Fibrinogen Temperatur Geronnen plasma nach 10 Tropfen 5 cem | i EN nicht aktiv | 5 Tage alt BR, FOR 35 3 St. 40 Min. do. 5 cem frisch 15 ccm do. nach 24 Std. ungeronnen Be er 20 ccm do. ı St. 15 Min. 410 P. Morawitz, Da nicht anzunehmen ist, daß die physikalischen Bedingungen im Plasma, die imstande sind, die Gerinnung zu verzögern, sich in einer so kurzen Zeit in dieser Weise verändern, muß man in erster Linie an eine spezifische Hemmungswirkung denken. Daneben habe ich noch einige Versuche mit Kolloiden an- gestellt, um zu sehen, ob dieselben in einer Konzentration, wie sie im Plasma vorhanden ist, die Gerinnung wesentlich verzögern können. Geprüft wurden Eierklar, Milch*, Dextrin und käuf- liches Eialbumin. In keinem Falle war eine bemerkbare Ver- zögerung der Gerinnung nachweisbar. Um entscheiden zu können, ob diese Hemmungswirkung als Wirkung eines Antıthrombins aufzufassen ist, mußte untersucht werden, ob gleiche Mengen des Antikörpers stets gleiche Mengen Ferment neutralisieren können, ob also hier einfache Pro- portionalität besteht. Das ist in der Tat der Fall, soweit sich bei der unvollkommenen Methodik Schlüsse ziehen lassen. Versuch!: | Serum, m ‚A : A Oxalatplasma, uch Sich. Kochsalzlösung steh. len Zeitpunkt der 3 Tage alt ls iort 0,9 Proz. | Gerinnung r etwa nach 36 Stdn. 5 cem 1 Tropfen 5 cem 35° 0,15 Proz. ungeronnen do. 2 ; do. do. do. do. do. 5 I do. do. do. 15 Stdn. do. 10 do. do. 1. U0. 15 Stdn. ” Versuch 2: Oxalatplasma, , 4 a ne Oxalat- Zeitpunkt der 3 Tage alt ka a Make ae > konzentration zur Gerinnung etwa ungeronnen 5 cem Tropfen 10 ccm 35 1% Ne. 0,1 Proz. n. 60 Stdn. etwa ungeronnen 0. 2 e do. do. 5 e 0:1 Proz, n. 60 Stdn. n. 12 Stdn. do. 5 r = | Ehen do. | partielle Ge- ; rinnung u n. 12 Stdn. z. do. 10 _ do. |größten Teil e 0,3 Proz = “ geronnen **) *) Qamus, Ü. R. Soc. de Biol. 53, 843. **) Diese partiellen, nur langsam fortschreitenden Gerinnungen haben eine schleimige Beschaffenheit, was schon von Hammarsten auf die (egenwart von Oxalaten bezogen worden ist. Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 411 Während diese mit älterem Oxalatplasma ausgeführten Ver- suche nur eine relativ schwache Antiwirkung erkennen lassen, ändert sich das Verhältnis sofort bei Verwendung frischen Oxalat- plasmas. | Zeitpunkt der | Dauer des Oxalatplasma, ® NE OR = | frisch Serum, frisch Fibrinogen Temp. ee En Dr ERBE BL NE EEE NENSEDSEEHRE BIEREVEI RG UNER-SESEAEISEN HE WELAEL VERBBREERL ORG, nach 40 Stdn. 5 cem 5 Tropfen 10 cem 35° nicht | geronnen do. 10 5 | do. do. do. do. 15 4 do. do. | do. 40 Stdn. A nach 40 Stdn. do. 20 = do. do. geronnen | nach 20 Stdn. do. 30 N do. do. | | geronnen Aus zahlreichen Versuchen, die mit frischem Oxalatplasma und frischem oder aktiviertem Serum angestellt wurden, ergab sich, daß Oxalatplasma im günstigsten Falle etwa '/, bis °/, seines Volumens an frischem, inaktivem, kalkfreiem Serum zu neutrali- sieren vermag, d. h. die Gerinnung innerhalb zwölf Stunden bei 35° verhindern kann. Daraus darf mit gewissen Einschränkungen der Schluß ge- zogen werden, daß der Antikörper einen relativ großen Prozent- satz des bei der Gerinnung entstehenden Thrombins zu neutrali- sieren vermag. Da der Antikörper allmählich unwirksam wird, könnte man erwarten, daß dabei diese gebundene Fermentmenge wieder frei und im Serum nachweisbar wird. Auch dafür haben wir Anhalts- punkte in dem verschiedenen Verhalten, das a- und f-Ferment schädigenden äußeren Einflüssen gegenüber zeigen. a-Ferment wird, wie oben gezeigt wurde, viel langsamer unwirksam als ß-Ferment oder Schmidts Thrombin, woraus auf eine Ver- schiedenheit der Fermente geschlossen werden könnte. Nun läßt sich aber mit Hilfe der Antikörperversuche recht wahrscheinlich machen, daß a- und f-Ferment identisch sind. Denn der Antikörper wirkt in gleicher Weise auf a- und p-Fer- ment ein. (Siehe Versuch auf folgender Seite.) Bei diesem Versuch war die Fermentmenge im frischen Serum größer als im 20fach verdünnten aktivierten Serum. Dem- entsprechend gerann sowohl die mit Oxalatplasma, als auch die 412 P. Morawitz, mit einer Fibrinogenlösung beschickte Probe früher als die ent- sprechenden Proben mit aktiviertem Serum. Daraus darf geschlossen werden, daß der Antikörper in der gleichen Weise auf a- und f-Ferment wirkt. Die Spezifizität der Antikörperwirkung legt dann die Möglichkeit nahe, daß «a- und P-Ferment, die sich ja auch in ihrem Verhalten und ihrer Wirkung nicht unterscheiden, identisch sein können. Versuch: Menge des Serums Geronnen nach Oxalatplasma | Serum, frisch Fibrinogen Temp. ktiv, 20 fac 5 cem B RL lie 10 Tropfen 10 ccm 35° etwa 91/, St. verdünnt e- do. do. 15 cem do. 1 St. 55 M. 5 cem mer BERN, do. 10 cem do. 5 St. 20 M. unverdünnt | au do. | do. 15 cem do. 1 St. 10M. | Wenn nun B-Ferment unter den gleichen Bedingungen schneller aus dem Serum verschwindet als a-Ferment, so könnte man sich darüber etwa die Vorstellung bilden, daß a-Ferment im Serum zum Teil in Form eines widerstandsfähigen, unwirksamen Thrombin-Antithrombinkomplexes vorhanden sei und durch Zerfall des Antikörpers langsam aus dieser Form in Freiheit gesetzt werde. -Die freien a-Fermentmoleküle gingen dann ebenso schnell zugrunde wie das ß-Ferment. Die freien Fer- mentmoleküle wären dann also sehr kurzlebig. In diesem Sinne wäre auch z. B. vielleicht der Umstand zu deuten, daß der Gehalt des Serums an a-Ferment zunächst rapid, dann nur langsam absinkt. Ist der Antikörper ganz zugrunde gegangen, so wird das Serum bald völlig unwirksam werden, da das freigewordene Ferment sich nur kurze Zeit wirksam hält. Dieses unwirksame Serum enthält aber noch große Mengen 3-Proferment. Daher darf man nicht annehmen, daß 3-Proferment eben- falls nur aus dem Komplex Antikörper und Ferment besteht, wogegen auch schon die relativ geringe Menge des Antikörpers im frischen Oxalat- plasma spricht. Im andern Falle müßte dasselbe annähernd die gleiche Menge maximal aktivierten Oxalatplasmas neutralisieren können, was auch nicht im entferntesten zutrifft. Über die Natur des 8-Profermentes gibt der Nachweis des Anti- körpers keinen Aufschluß. Vielleicht sind Thrombin und $-Proferment nicht chemisch, sondern nur physikalisch-chemisch different, wie Fuld bereits vermutet. Nur insofern kann ich der Fuldschen Auffassung nicht beistimmen, als sich aus meinen Versuchen kein Anhaltspunkt dafür ergab, daß ö-Ferment oder a-Ferment wieder in -Proferment über- gehen kann. Mir scheint vielmehr das freie Ferment definitiv unwirk- sam zu werden. Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 413 Die Identität des a- und ß-Ferments und der genetische Zusammen- hang zwischen a- und P-Proferment können zwar durch die vorher- gehenden Versuche keineswegs als erwiesen angesehen werden, gewinnen aber doch an Wahrscheinlichkeit. Graphisch würde man die bei der Gerinnung auftretenden Ver- änderungen in diesem Sinne etwa folgendermaßen ausdrücken können, indem man durch Hinzufügung der Prozentzahlen ungefähr das Mengen- verhältnis ausdrückt, in dem die einzelnen Bestandteile zueinander stehen. a-Proferment 100 Proz. <— (Ca Antithrombin | | | | I [ Alkalien, Säuren, Perment 5 Proz. | Alkohol ß-Proferment <— etwa 95 Proz. ‚u S (Antithrombin + Ferment) etwa 2,5 Proz. n N Freies FR Ferment 2,5 Proz. Ferment. 2, Charakterisierung des Antithrombins und Nachweis desselben im Fluoridblut und im Serum. Das im Oxalatplasma gefundene Antithrombin zeigt im wesent- lichen die Eigenschaften des von Bordet hergestellten Antı- körpers, nicht aber die der Antikörper im Pepton- und Blut- egelplasma. a) Dialyse. Nach 24stündiger Dialyse im Pergamentschlauch ist die Antiwirkung deutlich erkennbar, wenn man das ausge- fallene Globulin wieder durch Salzzusatz auflöst. Das Fibrinogen ist dabei zum großen Teil unlöslich geworden. Der Versuch zeigt, daß der Antikörper nicht mit dem Fibrinogen ausfällt. b) Hitzebeständigkeit. Der Antikörper wird durch viertel- stündiges Erwärmen auf 60° in seiner Wirkung geschädigt. Dieser Versuch ist an Plasma zu machen, das durch Dialyse von seinem Fibrinogengehalt möglichst befreit ist, da das Fibrinogen schon bei 56° koaguliert. c) Verhalten gegen Alkalien und Säuren. Alkalien und Säuren, die genau in der gleichen Weise wie beim Aktivieren des Serums angewandt wurden, schädigen ebenfalls den Antikörper. Versuch: Oxalatplasma, Zu mit 0,9 NaCl. Serum, Geronnen frisch or Lös. verdünnt aktiviertes nach 5 cem mit Na0OH — 10 Tropfen 2 St. do. mit H,SO, _- do. 2 St. auf das nach 7 S do. — do. ei \e 3fache noch flüssig 414 P. Morawitz, In den aktivierten Proben trat anfangs eine flockige Aus- scheidung des Fibrinogens und dann erst typische Gerinnung auf. Offenbar wird auch das Fibrinogen durch diese Behandlungs- methode verändert. Ohne Fermentzusatz erhält man keine flockige Ausscheidung im aktivierten Plasma. Bisher wurde das Antithrombin nur im Oxalatplasma ge- funden. Da das Oxalatplasma «a-Proferment enthält, wäre die Annahme möglich, daß der Antikörper zugleich mit dem Pro- ferment gebildet wird, bzw. in das Plasma übertritt und für die Erhaltung des flüssigen Zustandes des Blutes in vivo ohne Bedeutung ist. Man wird daher suchen müssen, den Antikörper in einem Plasma nachzuweisen, das von a-Proferment frei ist. Ein solches Plasma bietet sich uns in dem Fluoridplasma nach Arthus*), das im Gegensatz zum Oxalatplasma auf Ca-Zusatz nicht gerinnt. In der Tat zeigte das Fluoridplasma vom Hunde ‘regelmäßig ge- rinnungshemmende Eigenschaften: Setzt man Hundeserum zum Fluoridplasma, so tritt meist sehr bald eine flockige Fällung auf, die je nach der Menge des zugesetzten Serums verschieden reichlich ist. Diese Gerinnungen bleiben vollkommen stationär, selbst wenn man die Proben 24 Stunden bei 35° hält. Erst Zu- satz stark wirksamen Ferments führt dann in kurzer Zeit die Ge- rinnung herbei. Daß auch bei diesen Versuchen natürlich Kontroll- proben mit fluorhaltiger Fibrinogenlösung ausgeführt wurden, die sämtlich prompt gerannen, braucht kaum erwähnt zu werden. Möglicherweise ist die Beobachtung von Arthus, daß geringe Serummengen im Fluoridplasma umschriebene, stationäre Ge- rinnungen erzeugen, mit dem eben erwähnten Befund in Zusammen- hang zu bringen. Auch das Peptonplasma, das bekanntlich ein Antithrombin enthält, neigt außerordentlich zu partiellen Ge- rinnungen. Man kann sich vorstellen, daß das Ferment, solange es durch den Antikörper noch nicht unwirksam gemacht worden ist, eine par- tielle Gerinnung hervorrufen kann. Warum diese Erscheinung im Oxalatplasma nicht zu bemerken ist, kann man nicht sicher sagen. Vielleicht spielt hierbei der Oxalatgehalt eine Rolle, da ich das un- verdünnte 0,3 bis 0,4 proz. Oxalatplasma stets eine halbe Stunde der Einwirkung des Serums aussetzte, bevor dasselbe durch Zusatz von Fibrinogen verdünnt wurde. Das Natriumfluorid verzögert in einer Kon- zentration von 0,3 Proz. die Gerinnung überhaupt nicht merklich. Diese Versucheam Fluoridplasma weisen mit Wahr- scheinlichkeit auf die Präexistenz eines gerinnungs- - ae Re Te © 7 Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 415 hemmenden Körpers im zirkulierenden Blute hin und damit zugleich auf seine Bedeutung für den flüssıgen Zustand desselben. Daneben boten mir Versuche am Fluorplasma des Pferdes Gelegenheit, eine andre Eigenschaft des Antikörpers festzustellen, nämlich seine Fällbarkeit mit den Globulinen. Bei einem Ver- such aus Fluoridplasma, das auf Ca-Zusatz nicht gerann, mit Hilfe der Salzfällungsmethode Fibrinogen herzustellen, zeigte es sich, daß zwar die durch Ganzsättigung mit Kochsalz erhaltene Fällung mit Ca keine Koagulation gab, wohl aber die durch Halbsättigung erhaltene Fällung, die außer dem Fibrinogen keine Globuline mehr enthielt. Es scheint, daß hier die Anwesenheit der Globu- line hemmend gewirkt hat, wodurch sich diese Beobachtung den im technischen Teil erwähnten gelegentlichen Gerinnungen in Fibrinogenlösungen anreiht. Auffallenderweise kommt nun auch dem Serum eine ge- rinnungshemmende Kraft zu. Versetzt man aktiviertes Serum mit nicht aktiviertem, frischem und gut wirksamem Serum, so wird die Gerinnungszeit gegenüber aktiviertem Serum allein ganz wesentlich verlängert. Wersiwch: Serum, AR Serum, |o,8 Proz. Einwirkungs- | Dann Geronnen | aktiv. (frisch, inakt| NaCl dauer Fibrinogen nach 10 Tropfen 1 ccm —_ ı/, Std. 10 cem. 3—4 Std. 10 Tropfen _ | 1 ccm do. do. 15 Min. Diese Verzögerung ist zwar, soweit ich gesehen habe, nie so stark wie die durch Zusatz von Plasma hervorgerufene, sie ist aber in allen Fällen deutlich vorhanden. Eine Erklärung dieser scheinbar so paradoxen Erscheinung ist nicht leicht zu geben. Wir setzen zu einer geringen Menge starker Ferment- lösung (aktiviertes Serum) eine gewisse Menge Ferment (nichtaktiviertes Serum) hinzu. Statt der erwarteten Gerinnungsbeschleunigung beobachten wir regelmäßig eine ganz wesentliche Verzögerung des Gerinnungs- vorganges. Man konnte zunächst versucht sein, diese Erscheinung auf physi- kalische Momente, wie Kolloid- oder Alkaliwirkung des zugesetzten Serums, zu beziehen, doch finden sich dafür absolut keine Anhaltspunkte. Eben- sowenig kann man annehmen, daß der im Serum angenommene Komplex Thrombin-Antithrombin hierbei der wirksame Faktor sei. Denn da im unaktivierten Serum das Antithrombin vollständig gesättigt sein müßte, da ja freies Ferment vorhanden ist, kann man, sofern man die Vor- stellungen Ehrlichs über das Verhältnis von Antitoxin und Toxin auf 416 P. Morawitz, unseren Fall übertragen will, keinen Grund für eine Abschwächung der Wirksamkeit des aktivierten Serums finden. Eine gewisse Analogie in der oben beschriebenen Erscheinung bieten einige Tatsachen, die ganz kürzlich von Gruber*) sehr energisch her- vorgehoben und zu einem Angriff gegen Ehrlichs Auffassung benutzt worden sind: fügt man nämlich zu einem neutralisierten Gemisch von Toxin-Antitoxin neues Toxin hinzu, so wird dessen Wirkung abgeschwächt. Diese Erscheinung kann für den vorliegenden Fall und seine theoretische Deutung wichtig sein, besonders da oben versucht worden ist, zu zeigen, daß man inaktives Serum bis zu einem gewissen Grade als Ferment- Antifermentgemisch auffassen kann, da die Menge des freien Fermentes sehr geringfügig ist. Mag es nun auch verfrüht sein, die Erklärung Grubers auf diesen Fall zu übertragen, so ist jedenfalls soviel sicher, daß durch Hinzufügen von Serum zu aktiviertem Serum sich ein neuer Gleichgewichtszustand herstellt, der zu einer Verminderung der freien Fermentmoleküle führt. Daß in der Tat dem Antikörper eine gewisse Rolle bei diesen Vor- gängen zuzufallen scheint, macht die Abschwächung der gerinnungs- hemmenden Kraft des Serums durch Erhitzen oder längeres Stehen wahrscheinlich. Altes und erhitztes Serum wirken, trotzdem sie wenig oder kein «a-Ferment enthalten, schwächer hemmend auf aktiviertes Serum als frisches Serum. Zweiin diesem Sinne angestellte Ver- suchsreihen ergaben durchaus gleiche Resultate. Versuch: (seronnen nach Serum, aktiv. Fibrinogen 5 cem Kochsalz- 10 Tropfen * 15 ccm 85° 20 Min. lösung EN 5 cem Serum, Kr Me 91, St [risch, nicht aktiv. 2a gr 5 ccm Serum, Y/, St. : lo. lo. 4 en auf 60° erhitzt i ; WR Fe do. vn he mg; ; do. do. etwa 1 St. dann erhitzt 3G erum do.. DON HBOFUEN do. do. etwa 1 St. 5 Tage alt T, Vergleich der gefundenen Resultate mit Schmidts Gerinnungstheorie. Die mitgeteilten Tatsachen reichen allerdings nicht hin, eine neue Gerinnungstheorie aufzustellen, sie scheinen aber doch ge- *) Gruber und von Pirquet, Münch. med. Wochenschr. 1903. No. 28 und 29. : Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 417 eignet zu sein, auf einzelne Punkte ein klareres Licht zu werfen und manche Mißverständnisse zu beseitigen. Die Beobachtungen Alexander Schmidts konnten so häufig bestätigt werden, daß sich der Gedanke aufdrängt, ob nicht Schmidts Gerinnungstheorie, besonders die Lehre von den zymo- plastischen Substanzen, wie sie in der Einleitung kurz skizziert wurde, doch mehr Berechtigung hat, als man bisher anzunehmen geneigt war, und nur deswegen verlassen wurde, weil Schmidt dem Ca gar keine Rolle bei der Bildung des Fermentes zuer- kennen wollte. . Falls man annimmt, daß dem Organismus gar kein Mittel zu Gebote steht, 5-Proferment ın /-Ferment überzuführen, so ist eine Bedeutung des in so großen Mengen vorhandenen P-Profer- mentes für die Gerinnung nicht zu ersehen, f-Proferment wäre dann ein Reservestoff für Thrombin, der nie in Aktion treten könnte. Das war schon Alexander Schmidt, der ja bereits die Aktivierung durch Alkalı kannte, aufgefallen, und teilweise mag er diesem Gedanken gefolgt sein, als er annahm, daß die Alkalien nur dadurch wirksam sind, daß sie die Einwirkung der zymoplastischen Substanzen auf das f-Proferment begünstigen. Fehlen zymoplastische Substanzen, so ist auch Alkalieinwirkung ohne Einfluß. Wenn man die Gerinnung von der Einwirkung zweier ver- schiedener Faktoren, des 5-Prothrombins und der zymoplastischen Substanzen aufeinander oder der gleichzeitigen Einwirkung der- selben auf das Fibrinogen abhängig macht, werden die Ver- hältnisse im einzelnen Falle sehr undurchsichtig und verwickelt. Deswegen habe ich vorerst die von Schmidt angenommene Bildung von Thrombin aus f-Proferment unter Einwirkung zymoplastischer Substanzen außer acht gelassen. Nun ist aber nicht zu leugnen, daß neben den Beobachtungen Schmidts auch die zahlreicher neuerer Autoren mit großer Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein von Substanzen sprechen, die die Blutgerinnung auslösen oder beschleunigen (W ooldridges*) Gewebsfibrinogene). Dabei muß freilich bemerkt werden, daß die Resultate ver- schiedener Untersucher sich bisher miteinander nicht völlig ın Einklang bringen lassen: nach Foä und Pellacani*), 2.2.0. **) Archiv. p. le Scienze med. 7, 113. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 27 418 P. Morawitz, Rauschenbach* und Huiskamp“*) kann man aus den verschiedensten Geweben, besonders aus nukleinreichen, Fibrin- ferment bzw. a-Proferment durch Wasserextraktion gewinnen. Nach Schmidt enthalten die Gewebe, wenn ich recht ver- standen habe, kein Fibrinferment, sondern alkohollösliche, ge- rinnungsbefördernde und alkoholunlösliche, gerinnungshemmende Substanzen. Conradi (a. a. O.) konnte aus Lymphdrüsenpreß- säften gerinnungsbeschleunigende, durch Wasserextraktion er- hältliche Substanzen, deren Wirkung durch Zusatz von Ammon- oxalat aufgehoben wurde, gewinnen. Endlich hat in neuester Zeit Hewlett“**) durch Extraktion von Leberbrei mit Wasser eine ferment- und profermentfreie Flüssigkeit erhalten, die Peptonblut in ausgezeichneter Weise zur Gerinnung brachte und die Ge- rinnung des Gesamtblutes beförderte. Die Existenz des -Profermentes würde in diesen Fällen die beschleunigende Wirkung der Extrakte zu erklären vermögen, falls es gelänge, eine Aktivierung desselben durch diese Sub- . stanzen festzustellen. Die bisher von mir in dieser Richtung angestellten Versuche haben zweifellos ergeben, daß es Substanzen gibt, die, ohne Ferment oder Proferment zu enthalten, die Gerinnung ganz wesentlich. beschleunigen oder direkt auslösen können. Jedoch sprechen die bisher gefundenen Tatsachen unbedingt in dem Sinne, daß die zymoplastischen Substanzen auf das «-, nicht auf das -Proferment wirken. In diesem Punkt konnten also die Angaben Schmidts über die alkohollöslichen Kinasen nicht bestätigt werden. Während also über die Bedeutung des f-Profermentes völlige Klarheit noch nicht erzielt werden konnte, haben weitere Unter- suchungen schon jetzt mit Sicherheit ergeben, daß die Bildung des Fibrinfermentes von der Einwirkung mehrerer Substanzen aufeinander abhängig ist, daß also die Schmidtsche Lehre im Prinzip das Richtige getroffen hat. Auch Hewlett (a. a. O.) hat erst kürzlich vermutungsweise dieselbe Ansicht ausgesprochen. Diese Versuche, die auch geeignet sind, auf die Wirkung der Ca-Ionen etwas mehr Licht zu werfen, sind noch nicht völlig ab- *) Über die Wechselwirkung zwischen Protoplasma und Blutplasma. I.-D. Dorpat 1883. **) Zeitschr. f. physiol. Chemie 32. ***) Archiv f. exp. Pathol. und Pharmakol. 49, 319. Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 419 geschlossen, so daß ich es mir versagen muß, an dieser Stelle ge- nauer darauf einzugehen. Immerhin möchte ich darauf hinweisen, daß sich hier eine weitgehende Parallele zum Verhalten des Protrypsins und der Enterokinase bietet. | Jedenfalls zeigen uns schon diese kurzen Darlegungen, daß der Blutgerinnungsvorgang ein von viel zahlreicheren Bedingungen abhängiger Prozeß ist, als man bisher anzunehmen geneigt war, ein Vorgang, in dessen Verständnis man nur Schritt für Schritt eindringen kann. Vorzeitige Hypothesen, wie z. B. das Analogi- sieren der zymoplastischen Substanzen mit den hämolytischen Zwischenkörpern, können nur geeignet sein, noch größere Unklar- heit zu schaffen, als sie bisher schon besteht. Schlußergebnisse. 1. Blutserum enthält eın Zymogen (von mir ß-Prothrombin genannt), das nicht durch Kalksalze, wohl aber durch Säuren, Alkalien, Alkohol (zymoplastische Substanzen?) in Fibrinferment übergeführt werden kann. Es ist von dem durch Ca-Ionen akti- vierbaren Zymogen, das z. B. im Oxalatplasma vorhanden ist und dem Prothrombin von Arthus und Pekelharing entspricht (von mir a-Prothrombin genannt), durchaus verschieden; das ß-Pro- thrombin entspricht dem Prothrombin A. Schmidts. Aus der Identifizierung beider Prothrombine erklären sich zum großen Teil die Widersprüche in den Angaben A. Schmidts und der späteren Untersucher. 2. Das P-Prothrombin entsteht erst während der Gerinnung. Bei einer Gerinnung ohne Oa-Salze bildet sich kein -Prothrombin. 3. Bezeichnet man vorläufig das aus «a-Prothrombin durch Ca-Einwirkung erhaltene Fibrinferment als a-Ihrombin, das aus ß-Proferment erhaltene als /-Thrombin, so ergibt sich betreffs ihres Vorkommens: 'a-Thrombin | 3-Thrombin | a-Prothrombin! 3-Prothrombin Serum, frisch . = =: au a Serum, alt . . —_ we I j 2 SchmidtsThrom- | 2 Me | 2 | I Fo Oxalatplasma . + ee | et Fe Fluoridplasma . | _ e, | = an 4920 P. Morawitz, Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. 4. Sowohl a- als #-Thrombin unterliegen beim Stehen einer Veränderung, durch die sie unwirksam werden, und zwar ß-Throm- bin viel rascher als a-Thrombin. 5. Oxalat- und Fluoridplasma enthalten einen Körper, der proportional seiner Menge die Wirkung von zugesetztem Ferment verhindert. Das Vorkommen dieses Antithrombins im strömenden Blut ist wahrscheinlich. Es besitzt nicht die Eigenschaften von A. Schmidts Cytoglobin. XXXI. Uber die Zerstörung des Suprarenins (Adrenalins) im Organismus. Von Dr. Gustav Embden, Assistent am physiologischen Institut, und Privatdozent Dr. Otto v. Fürth, Assistent am physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg. Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg. Bekanntlich ist die durch intravenöse Injektion des wirk- samen Bestandteiles der Nebennierenmarksubstanz hervorgerufene Blutdrucksteigerung von nur kurzer Dauer; dieselbe übersteigt, selbst nach Anwendung großer Gaben, nicht den Zeitraum von wenigen Minuten. Während Oliver und Schäfer*) glaubten, das rasche Vorübergehen der Wirkung durch ein schnelles Hinausdiffundieren der wirksamen Substanz aus dem Blute erklären zu können, waren andere Forscher geneigt, diese Erscheinung auf eine rapide Zerstörung der blutdruck- steigernden Substanz im Organismus zu beziehen. Trotzdem Cybulski**) nach Beibringung großer Mengen von Nebennieren- extrakt die wirksame Substanz im Harn von Hunden nachweisen konnte, glaubte er aus dem Umstande, daß eine Ausschaltung der Nieren die Dauer der Blutdrucksteigerung nicht erhöht, auf eine schnelle oxydative Zerstörung der gefäßverengernden Verbindung im Organismus schließen zu müssen. „Die Tatsache“, schreibt ferner Szymonowicz**), „daß die Wirkung des eingeführten *) Oliver und Schäfer, On the physiological action of extracts of the suprarenal capsules. Proc, of the physiol. Society March 10, 1894. Journ. of physiol. 16. & *) N. Cybulski, Über die Funktionen der Nebennieren. Gazeta Lekarska 1895, No. 12 (polnisch). ***) L. Szymonowicz, Die Funktion der Nebenniere. Pflügers Archiv 64, 143 (1896). 422 Gustav Embden und Otto v. Fürth, Extraktes in kurzer Zeit verschwindet und erst bedeutende Mengen das längere Andauern der Erscheinungen durch mehrere Minuten bewirken können, beweist, daß die Substanz, welche diese Erscheinungen hervorruft, schnell neutralisiert oder im Organismus zerlegt oder aus demselben teilweise ausgeschieden wird.“ Eingehendere Untersuchungen über diesen Gegenstand rühren von Langlois*) und Athanasiu‘*) her. Es ergab sich, daß die blutdrucksteigernde Substanz durch ozonisierte Luft und durch die Oxydase des Krebsblutes leicht zerstört wird, und daß man die Blutgefäßwirkung der Nebennierenextrakte bei Kaltblütern durch Erwärmen der Tiere abkürzen, bei Warmblütern durch Abkühlen verlängern kann, was Langlois aus der Abhängigkeit der Oxydationsvorgänge von der Temperatur erklärte. Organbrei- versuche (wobei frischer Leberbrei u. dgl. in Nebennierenextrakte eingebracht wurde), vergleichende Injektionen des Extraktes in eine Jugular- und eine Mesenterialvene, physiologische Prüfung des nach einer Injektion aus der Leber abströmenden Blutes und endlich Versuche der Ausschaltung der Leber aus dem Kreislaufe führten die genannten Autoren zu der Vorstellung, das schnelle Abklingen des Gefäßkrampfes wäre auf eine rasche oxydative Zerstörung der wirksamen Substanz zu beziehen, bei der die Leber vorwiegend beteiligt sei. Da die wirksame Substanz der Nebenniere gegenwärtig nach dem Verfahren von Takamine und Aldrich in reinem kristallisiertem Zustande unschwer dargestellt werden kann, und da ferner der Blutdruckversuch eine annähernde Schätzung selbst minimaler Suprareninmengen mit ausreichender Genauigkeit ge- stattet, schien uns die Möglichkeit gegeben zu sein, der Frage nach der Zerstörung des Suprarenins durch die Leber und andere Organe auf dem Wege von ÖOrganbrei- bzw. von Durch- blutungsversuchen näher zu treten. Wir gingen bei unseren Versuchen folgendermaßen vor: Eine abgemessene Menge frischen Blutes wurde mit einer Lösung von kristallisiertem Suprarenin versetzt und der Durchblutungs- (bzw. Lüftungs-) versuch damit ausgeführt. Zu Beginn und in ver- schiedenen Stadien des Versuches wurden Proben des suprarenin- *) P. Langlois, L’action des agents oxydants sur l’extrait des capsules surrönales.. Du foie comme organe destructeur de la substance active des capsules surrönales.. Compt. rend. soc. biol. 49, 524 und 571. Vergl. auch Arch. de physiol. 30, 124. **) Athanasiu et Langlois, Du röle du foie dans la destruction de la substance active des capsules surr@nales. Compt. rend. soc. biol. 49, 575 (1897). ° Über die Zerstörung des Suprarenins (Adrenalins) usw. 493 haltigen Blutes entnommen und in einer Kältemischung ım ge- frorenen Zustande aufbewahrt. Noch am selben Tage wurden dann die einzelnen Blutproben nach entsprechender Verdünnung mit physiologischer Kochsalzlösung durch den Kymographionver- such in bezug auf ihren Suprareningehalt verglichen; die intra- venös injizierte Flüssigkeitsmenge betrug immer I cem. A. Verhalten des Suprareninsim Blute. 14 Wer swch:: 200 ecem defibrinierten und kolierten Rinderblutes wurden mit 0,1 g salzsauren Suprarenins (neutrale Lösung, 0,8 Proz. Kochsalz-«ent- haltend) versetzt. Das Blut wurde unter Durchleitung eines lebhaften Luftstromes zwei Stunden bei 38 bis 40° gehalten. Probe I wurde sofort nach Zusatz des Suprarenins, II nach !/, Stunde, III nach 1!/, Stunden, IV nach 2 Stunden entnommen. Der Kymographionversuch (Kaninchen) ergab bei jedesmaliger Injektion von 1 cem: Verdünnung RN N un Probe I ee rap 17... „ I Bub au -.— In Er all 30 29 16 2 e= u Blutdruck- steigerung. EN 18 16 12 = =. x Nach 2 St. Luftdurchleitung bei 38 bis 40° war also die Haupt- menge des Suprarenins zerstört worden. DNNVersuch: Der Versuch 1 wurde mit der Abweichung wiederholt, daß das Rinderblut vor Zusatz der Suprareninlösung durch Gefrieren und Wieder- auftauen lackfarben gemacht worden war, um die Wirkung lebender Blutzellen auszuschalten. Außerdem wurde ein Parallelversuch zur Ermittelung des Einflusses der Blutalkaleszenz ausgeführt, indem das Blut durch eine Na- triumkarbonatlösung von 0,2 Proz. ersetzt wurde. Kymographionversuch (Kaninchen): a) Blut: Verdünnung Y, Yo eo "ıroo "200 "/s00 Probe I — 88 Der E ni FOR er db = 98 u 40 30 20 mm Blutdruck- = ur} : steigerung IV | ganz unwirksam P) Sodalösung: Probe I = — 24 16 = .— rl mm Blutdruck- n III ganz unwirksam. steigerung. IV Demnach ging also auch im lackfarbenen Blute die Zerstörung des Suprarenins recht schnell vonstatten, derart, daß nach 1'/,stündiger Luftdurchleitung bei Brutofentemperatur bereits jede Spur davon verschwunden war. Bemerkenswerterweise vermochte aber eine Sodalösung, deren Konzentration ungefähr der Blutalkaleszenz entsprach, diese 494 Gustav Embden und Otto v. Fürth, Zerstörung unter den gleichen Bedingungen noch schneller und kräftiger zu bewerkstelligen als das Blut. Hier konnte bereits nach einer halben Stunde weder durch den physiologischen Versuch, noch durch die Eisenreaktion auch nur eine Spur von Suprarenin mehr nachgewiesen werden. Das lackfarbene Blut erschien nach Verschwinden des Supra- renins tiefbraun gefärbt. a. Versuch? Vergleich vonPferde- und Rinderblut. Je 100 ccm Blut, mit 0,25 g salzsauren Suprarenins (neutrale Lösung) versetzt; 1?/, Stunden bei 40° Luft durchgeleitet. Probe I und II, vor bzw. nach beendeter Luft- durchleitung entnommen. Kymographionversuch (Kaninchen): a) Pferdeblut: Verdünnung "35 '/so "oo "/soo "soo */aoo Probe I — 62 40 : 23 18 12\ | mm Blutdruck- 3 LEBER he — | steigerung 8) Rinderblut: | Probe I 60 48 36 22 14 | mm Blutdruck- a ALL es 30 20 18 ? f steigerung Das Pferdeblut hatte also eine stärkere zerstörende Wirkung auf das Suprarenin ausgeübt als das Rinderblut. 4. Versuch: Vergleich der Wirkung von Blut, Blutserum und Alkali, Je 10 cem einer Suprareninlösung (salzsaur es Salz) wurden zu je 200 cem von Rinderblut, Pferdeserum, sowie einer Sodalösung von 0,1 Proz. (welche überdies 0,8 Proz. NaCl enthielt) hinzugefügt und die Proben I sogleich, die Proben II und II nach halb- bzw. zweistündiger Luftdurchleitung bei 40° entnommen. Kymographionversuch (Hund, 4 kg schwer): a) Blut: Verdünnung 11, 1/08 Uns eo Probe I 114 28 —_ 0 BR: 160 24 0 wi | mm Blutdruck- IN 132 a 0 22 steigerung ß) Serum Probe I _ 70 0 0 mm Blutdruck- RN! 148 25 0 — Kö an: ganz unwirksam | BLGIgEIIEE y) Sodalösung: h h nt, i n k Wirkung N | mm Blutdruck- „ Vie 0 Pe; steigerung. sv ganz unwirksam Der Versuch lehrt, daß die Wirkung des Pferdeserums größer ist als diejenige des Rinderblutes, daß aber beide hinsichtlich des Vermögens, Suprarenin zu zerstören, von einer ‚Sodalösung von 0,1 Proz. übertroffen werden. Über die Zerstörung des Suprarenins (Adrenalins) usw. 495 Man wird daher schwerlich mit der Vermutung fehlgehen, daß die Suprarenin zerstörende Wirkung des Blutes, soweit “eine solche überhaupt in Erscheinung tritt, in erster Linie durch seinen Alkaligehalt bedingt sein dürfte, und wird die relativ geringere Wirksamkeit des Blutes wohl am einfachsten in der Art deuten können, daß ein Teil des Blutalkalis in gebundener Form vorhanden ist. B. Verhalten des Suprarenins gegenüber Organen. 5..Versuch: « Wirkung von Organbrei. Je 20g der einem durch Chloroform getöteten Hunde in frischem Zustande entnommenen, feingehackten Organe (Leber, Lunge, Muskel) wurden in 100 ccm einer physiologischen Koch- salzlösung aufgeschwemmt und die Suspensionen nach Zusatz von je 10 ccm einer neutralen 2 proz. Suprareninlösung unter Durchleitung eines Luftstromes bei Bruttemperatur gehalten. Der am Kymographion ausgeführte Vergleich der sogleich, bzw. nach "; und 2 Stunden entnommenen Proben ergab, daß weder Leber-, noch Lungen-, noch Muskelbrei unter den ange- gebenen Bedingungen eine merkliche Suprareninmenge zu zer- stören vermochten. Zu dem gleichen Ergebnisse war der eine von uns schon früher gelangt, indem er frischen Leberbrei mit einer abgewogenen Menge Suprarenineisen versetzt, dieses nach längerem Stehen bei Zimmertemperatur möglichst vollständig extrahiert und auf kolorimetrıschem Wege bestimmt hatte. 6.VeTrsuch: Zusammenwirken von Blut- und Organbrei. Ein Hund wurde durch Verblutenlassen getötet, das Blut aufgefangen und defi- briniert, die Leber zerkleinert. Je 0,25 g Suprarenin in gelöstem Zustande wurden hinzugefügt zu a) 150 cem Blut, 8) 100 cem Blut + 50 g Leber- brei, y) 100 cem physiologischer Kochsalzlösung -/- 50 g Leberbrei. Probe I wurde sogleich entnommen, II nach zweistündiger Luftdurchleitung bei 40°. Kymographionversuch (Kaninchen): a) Blut: Berssnnung "so "lıoo soo "soo. soo "/eoo *ıooo Probe I — — 20,32 16,20 — 14,16, gi nn | = re in 2) uage Wh) A 8).Blut und Leber: “ ©. Bet 0 aa 25 2 vo= »„ 2° 24 14,18 19,16,14 keine deutl. ke E$ y) NaClphys. u. Leber: ®5 Probe I — — 34 — 22 — 20 5 | — — 34,40 °— 23 — 16 Im Blute, sowie in der Leber-Kochsalzprobe war daher keine Spur einer Suprareninzerstörung zu bemerken. Dagegen schien 426 (Gustav Embden und Otto v. Fürth, eine solche in dem Blut-Lebergemenge stattgefunden zu haben. Der ganze Versuch wurde daher in genau derselben Weise wieder- holt. Diesmal war aber auch in dem Blut-Lebergemenge von einer Abnahme des Suprarenins nichts zu merken. 7. Versuch: Leberdurchblutung. Ein mittelgroßer Hund wurde durch Ver- bluten getötet und seine Leber mit 2 Liter frischen Rinderblutes unter Zusatz von 2,0 g Suprarenin durchblutet. Bezüglich der Technik sei auf die Angaben von Embden und Gläßner (diese Beiträge 1, 313 bis 315) verwiesen. Die Strömungsgeschwindigkeit betrug ziemlich kon- stant 1 Liter in zehn Minuten, der Druck etwa 100 mmHg, die Temperatur 38° bis 40°; die Dauer der Durchblutung zwei Stunden; die Kontrollprobe des Blutes wurde unter Luftdurchleitung bei 40° gehalten. Kymographion- versuch (Kaninchen): Verdünnung nu a ale Blut vor der Durchblutung 50 24 16 Blut nach der Durchblutung 40,40 20 — Blut nach Luftdurchleitung 70 18 20 Ein zweifelloser Suprareninschwund war also nicht festzu- stellen. \ \mm Blutdruck- steigerung. 8. Versüch: Leber-Durehblutung. Durchblutung einer Hundeleber mit Rinderblut wie oben. Der Suprareninzusatz betrug 0,5 g auf zwei Liter. Probe I wurde zu Beginn des Versuches II nach !/, Stunde, III nach 1 Stunde, IV nach 1Y, Stunden entnommen. Kymographionversuch (Kaninchen): Verdünnung '/j es "so "oo "/200 Probe I 64 28 34 28 20 a 48 32 28 22 mm Blutdruck- 4 770 42 34 32 20 steigerung. 7 IV..,.72 40 34 20 15 Es hatte also hier sicherlich keine Suprareninzerstörung in größerem Ausmaße stattgefunden. 9: Versuch: | Lungendurchblutung. Hund durch Verblutenlassen getötet. Durchblutung mit 2370 ccm Rinderblut unter Zusatz von 0,5 g Supra- renin. Das Blut strömte durch den Conus arteriosus ein und durch eine in das linke Herzohr eingebundene Kanüle aus. Temperatur des ein- strömenden Blutes 40°, des ausströmenden Blutes 35° — Blutdruck 80 bis 100 mm Hg. Während des ganzen Versuches wurde von einer Trachealkanüle aus künstliche Atmung unterhalten, derart, daß die’ Arterialisierung des Blutes in natürlicher Weise erfolgte. Nach etwa halbstündiger Durchblutung begann eine Transsudation einer serösen kaum blutig gefärbten Flüssigkeit in die Bronchien und die Pleurahöhle. Nach 1!/, Stunden mußte der Versuch abgebrochen werden, da mehr als die Hälfte der Blutflüssigkeit infolge der massenhaften Transsudation aus der Zirkulation verschwunden war. Probe I wurde sogleich, II nach 55 Minuten, II nach 1'/, Stunden entnommen. Probe IV war das nach Über die Zerstörung des Suprarenins (Adrenalins) usw. 497 3/, Stunden aus der Trachea entnommene wässerige Transsudat. Kymo- graphionversuch (Kaninchen): Verdünnung io "20 "so "soo "200 Blut I 64 50 40 34 22 14 ee 20 12 | mm Blutdruck- Mr 59 89,82. ' 80. 14,14: 10,12 Al (Steigerung, Transsudat IV — 78 — = 24 14 Es war hier also eine Abnahme des Suprareningehaltes des Durchblutungsblutes deutlich bemerkbar; doch ist dieselbe keines- wegs so groß, daß sie nicht einfach durch die Wirkung des Blutes als solchen erklärt werden könnte. Erwähnenswert scheint uns jedoch die sich aus der Untersuchung des Transsudates ergebende Tatsache, daß das Suprarenin die Gefäßwand unzersetzt passieren kann. Zwei Durchblutungsversuche an Muskeln scheiterten an dem Um- stande, daß, sobald das suprareninhaltige Blut in die Gefäße eindrang, der einsetzende Gefäßkrampf ein völliges Stocken des Blutstromes zur Folge hatte. Da bekanntlich sehr große Curaregaben eine Lähmung der nervösen Endapparate in den Gefäßen bewirken und da die Frage, ob das Suprarenin auf die Nervenendigungen oder aber auf die Muskel- substanz als solche einwirkt, noch keineswegs erledigt ist, brachten wir einem großen Hunde im Laufe von zwei Stunden 2 g eines Curarepräparates subkutan bei, von dem bereits 0,1 bis 0,2 g die willkürlichen Muskeln völlig gelähmt hatten. Trotzdem der Blutdruck auf die Hälfte seines Anfangswertes abgesunken war, bewirkte intravenöse Suprarenininjektion noch immer eine ebenso mächtige Blutdrucksteigerung wie vor der Curarisierung, und machte der Gefäßkrampf auch hier eine Durchblutung unmöglich. Aus den mitgeteilten Versuchen geht hervor, daß bei zwei- stündiger Digestion von Suprarenin mit normalem Blute, lack- farbenem Blute oder Blutserum eine ganz beträchtliche Zerstörung von Suprarenin stattfinden kann. Auffälligerweise findet bei Zusatz von Muskel-, Leber- oder Lungenbrei zum Blute, sowie bei Durchblutungsversuchen ein geringerer oder auch gar kein Suprareninschwund statt. Da vergleichende Versuche mit schwachen Alkalilösungen lehrten, daß die Zerstörung des Suprarenins im Blute im wesentlichen eine Alkaliwirkung ist, liegt es nahe, das Ausbleiben dieser Zerstörung in den vorbezeichneten Fällen mit der Säurebildung in den Organen in Zusammenhang zu bringen. Daß das schnelle Abklingen der Suprareninwirkung nicht etwa durch eine schnelle Ausscheidung oder Zerstörung durch die Nieren bewirkt sein kann, geht aus den eingangs erwähnten Versuchen Cybulskis hervor. Auch haben wir uns wiederholt davon überzeugt, daß der kurze Zeit nach intravenöser Beibringung größerer Suprareningaben aus der Blase entnommene Harn keine biutdrucksteigernde Substanz enthält. 498 (Gustav Embden und Otto v. Fürth, Die Beibringung größerer Suprareningaben per os zum Zwecke des Studiums der Ausscheidungsverhältnisse erwies sich bei Hunden wegen des sogleich eintretenden Erbrechens als undurch- führbar. Kaninchen sahen wir wiederholt nach Gaben von 0,1 bis 0,5 g schnell oder nach einiger Zeit zugrunde gehen. Doch gelang es, von einigen Tieren, denen der Mastdarm unterbunden worden war, um einer Verunreinigung des Urins durch Darm- inhalt vorzubeugen, etwas Harn zu gewinnen. Der von einem Kaninchen, das 0,2 g Suprarenin mit Hilfe der Schlundsonde erhalten hatte, innerhalb zwölf Stunden gesammelte Urin zeigte insofern ein auffallendes Verhalten, als er auf Zusatz verdünnter Eisenchloridlösung eine ausgesprochen grüne, bei wei- terem Zusatz von Natriumkarbonat eine deutlich rote Färbung annahm und sehr stark reduzierte. | Der Harn wurde mit Salzsäure schwach angesäuert, im Vakuum im Kohlensäurestrom bei 40 bis 50° eingeengt, mit dem mehr- fachen Volumen von Methylalkohol gefällt, das Filtrat im Vakuum eingedunstet und der Rückstand in 5 ccm Wasser gelöst. Je 1 ccm dieser Lösung, welche eine schöne Eisenreaktion gab, steigerte bei intravenöser Applikation den Blutdruck eines Kaninchens um 40 bzw. 34 und 38 mm unter bedeutender Ver- größerung des Pulsvolumens. Ein anderes Kaninchen, welches nach Unterbindung des Rek- tums 0,5 g Suprarenin per os erhalten hatte, schied einen Harn aus- der, alkalisch gemacht, mit Eisenchlorid eine dunkelkarminrote Färbung annahm. Bei Zusatz von Säure trat aber keine anısge- sprochen grüne, sondern ein bräunliche Färbung auf. Der mit Salpetersäure neutralisierte Harn wurde mit neutralem Bleiazetat gefällt und der abfiltrierte und ausgewaschene Niederschlag mit Schwefelwasserstoff zerlegt. Das ganze Chromogen fand sich im Niederschlag; im Filtrate, welches das durch neutrales Bleiazetat nicht fällbare Suprarenin, falls solches vorhanden gewesen wäre, hätte enthalten müssen, fand sich nichts davon. Daß das Chro- mogen wedermit Brenzkatechin noch mit Protokatechusäure identisch war, ergab sich aus seiner Unlöslichkeit in Äther. Die physiolo- gische Prüfung desselben wurde durch einen Unfall vereitelt. Mag aber das Suprarenin als solches oder ein Derivat des- selben in den Harn übergehen, stets handelt es sich, wie der ko- lorimetrische Vergleich nach Eisenchloridzusatz lehrt, nur um einen minimalen Bruchteil der in den Verdauungstrakt eingeführten Suprareninmenge. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß der Organismus doch über Mittel verfügt, um schließlich eine Zer- störung des Suprarenins herbeizuführen. Über die Zerstörung des Suprarenins (Adrenalins) usw. 499 Die Frage jedoch, von der wir ausgingen, ob das schnelle Abklingen der Gefäßwirkung des Suprarenins auf eine rapide Oxydation desselben zu beziehen sei, glauben wir auf Grund der mitgeteilten Versuche verneinend beantworten zu dürfen. Wir halten es für wahrscheinlich, daß diese Erscheinung derart zu erklären sei, daß der Krampf der Gefäßmuskulatur auf- hört, sobald die Konzentration des Suprarenins im Muskelgewebe durch Diffusion oder Verdünnung mit Blut und Gewebslymphe unter einen gewissen Schwellenwert abgesunken ist *). Es liegt auf der Hand, daß eine solche Verdünnung sich be- sonders schnell vollziehen wird, wenn man das Suprarenin durch die Pfortader direkt in die großen Gefäßräume der Leber injiziert. So kann leicht der Schein entstehen, als ob dieses Organ eine augenblicklich erfolgende Zerstörung der wirksamen Sub- stanz bewerkstelligen würde, während es sich vermutlich in Wirk- lichkeit nur um eine augenblicklich eintretende Verdünnung handelt. Daß die Leber aber bei der allmählichen Zerstörung des Suprarenins im Organismus mitbeteiligt sein kann, soll natürlich nicht bestritten werden. *) Prof. R. Gottlieb war so freundlich, uns darauf aufmerksam zu machen, daß nach Boehm (Archiv f. experim. Path. 4, 235) Barytsalze bei intravenöser Applikation eine ähnliche und ebenso schnell abklingende Blutdrucksteigerung hervorrufen, wie das Suprarenin. XXXI. Über das Verhalten des Fettes bei der Keimung ölhaltiger Samen. Von Dr. Otto von Fürth, Privatdozent und Assistent am physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg. Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg. Die in den Kotyledonen und im Endosperm der Pflanzensamen enthaltenen Reservestoffe, welche ihrer Hauptmenge nach aus Eiweißkörpern, Kohlehydraten oder Fetten bestehen, liefern be- kanntlich das Material für das Wachstum der Keimpflanze. Die Untersuchungen von Hellriegel*), Sachs*), Peters**), FleuryYr), Detmertr), Frankfurtrrfy) u.a. haben gelehrt, daß bei der Keimung ölreicher Samen eine Umwandlung von Fett mn Kohlehydrat in größtem Ausmaße stattfindet, indem das aus den Reservestoffbehältern verschwindende Fett im wesentlichen das Material bildet, aus dem sich die Zellwände der jungen Pflanze aufbauen. Die im folgenden mitgeteilte Untersuchung wurde auf An- regung Herrn Professor Hofmeisters und in der Hoffnung in Angriff genommen, aus dem Studium der Fettspaltung keimender Pflanzen vielleicht Anhaltspunkte für den Chemismus der Um- wandlung des Fettes im Tierkörper gewinnen zu können. Trotz- *), Hellriegel, Beitrag zur Keimungsgeschichte der ölgebenden Samen. Journ. f. prakt. Chemie 64, 94 (1855). j *) Sachs, Über das Auftreten von Stärke bei der Keimung ölhaltiger Samen. Botan. Zeitung 17, 177 (1859). ***) Peters, Zur Keimungsgeschichte des Kürbissamens. Landwirtsch. Versuchsstationen 3, 1 bis 18 (1861). +) Fleury, Recherches chimiques sur la germination. Ann. de Chimie (4) 4, 38 (1865). Tr) Detmer, Physiologisch-chemische Untersuchungen über die Keimung ölhaltiger Samen. Dissert. Jena 1875. ‘rr) Frankfurt, Über die Zusammensetzung der etiolierten Keim- pflanzen von Cannabis sativa und Helianthus annua. (Aus dem agrikultur- chemischen Institut in Zürich.) Jandwirtsch. Versuchsstat. 43, 143 (1894). Über das Verhalten des Fettes bei der Keimung ölhaltiger Samen. 431 dem diese Erwartung nicht in Erfüllung gegangen ist, möge es mir immerhin gestattet sein, die Versuchsergebnisse in Kürze mitzuteilen. Wie aus den Untersuchungen von Pelouze*), Siegmund‘®*), Green“) und Connsteinf) hervorgeht, enthalten ölhaltige Samen ein kräftig wirksames Ferment, das befähigt ist, Fett zu Fettsäuren und Glyzerin aufzuspalten. Green war der Meinung, daß bei der Keimung von Rizinussamen eine so schnelle Fett- spaltung erfolge, daß bereits nach wenigen Tagen alles Fett der Verseifung anheimgefallen sei. Jedoch auch die dadurch in Frei- heit gesetzten hohen Fettsäuren sollen bereits nach Ablauf von etwa acht Tagen bis auf Spuren aus den Keimlingen verschwinden, um einer sowohl in Wasser, als auch in Äther löslichen, leicht diffundierenden und gut kristallisierenden Säure unbekannter Art Platz zu machen. Aus vergleichenden Analysen des Fettes gekeimter und un- gekeimter Samen zog Müntzyr) den Schluß, daß die Fettsäuren während der Entwickelung der jungen Pflanze immer mehr und mehr Sauerstoff in sich aufnehmen. Es lag daher nahe, eine all- mähliche Umwandlung hoher Fettsäuren in Oxysäuren zu ver- muten. Maquenne7r7f) glaubte aus Beobachtungen an keimenden Arachis- und Rizinussamen folgern zu können, daß nur un- gesättigte, nicht aber gesättigte Fettsäuren zu einer Umformung in Kohlehydrat befähigt sind, und zwar meinte er, daß die in ersteren enthaltenen Alkylkomplexe auf dem Wege inter- mediärer Glyzerinbildung das Material zum Aufbau des Zuckers liefern. Ein besonderes Interesse für die Frage der Zuckerbildung aus Fett schienen Versuche von Maz6*f) zu bieten. Dieser zerrieb *) Pelouze, Me&moire sur la saponification des huiles ete. Ann. de Chimie (3) 45, 319 (1855). *) Siegmund, Über fettspaltende Fermente im Pflanzenreich. Monatsh. f. Chemie 11, 272 (1890). *”*) Green, On the Germination of the Seed of the Castor oil Plant. Proc Roy. Soc. London 47. 147 und 48, 370 (1890). i) Connstein, Hoyer u. Wartenberg, Über fermentative Fettspaltung. Berichte d. deutschen chem. Gesellsch. 35, 3908 (1902). 1) Müntz, Sur la germination des graines oleagineuses. Ann. de Chimie (4) 22, 472 (1871). ii7) Maquenne, Sur les changements de composition qu’eprouvent les graines ol&agineuses au cours de la germination. Compt. rend. 127, 625 (1898). *7) Maz&, Recherches sur la digestion des reserves dans les graines etc. 130, 424 (1900). 432 Otto von Fürth, gekeimte Rizinussamen mit Sand, hielt den Brei in dünner Schicht bei einer Temperatur von 35° und beobachtete in dem- selben eine Neubildung von reduzierendem Zucker, welche er durch eine fermentative Umwandlung von Fett in Kohle- hydrat erklärte. In bezug auf Verbindungen, welche etwa als Zwischen- produkte zwischen Fett und Kohlehydrat gedeutet: werden könnten, vermochte ich in der Literatur keine Angaben zu finden; — es wäre denn, daß man Frankfurts Befund von Glyoxyl- und Äpfelsäure in Hanf- bzw. Sonnenblumenkeimlingen hierher rechnen will. Meine eigenen Untersuchungen bezogen sich auf Sonnen- blumen- und Rizinuskeimlinge. Dieselben wurden in feuchtem Sande gezogen, und zwar die ersteren bei Zimmer-, die letzteren bei Brutofentemperatur. A. Helianthus. Zur Analyse des Fettes dienten Keimpflanzen von Helianthus, die sich nach vier Wochen bei Zimmertemperatur sehr gleich- mäßig zu einer Wurzellänge von 4 bis 5 cm entwickelt hatten. Die Keimlinge wurden gesiebt, gewaschen, ausgelesen, von den locker aufsitzenden Samenhüllen befreit, fein zerhackt, dreimal mit Wasser ausgekocht, abgepreßt, bei 90° getrocknet, fein gepulvert und endlich mit Äther extrahiert. Aus 640 gr trockener Keim- linge wurden so noch 48 g eines braunen ÖOles (entsprechend 7,5 Proz.) gewonnen. Es war also selbst nach vierwöchentlicher Dauer der Keimung ein nicht unbeträchtlicher Bruchteil des Fettes der Zerstörung entgangen. Zum Vergleiche wurde in analoger Weise Fett aus un- gekeimten Sonnenblumensamen dargestellt. Die Fettanalyse erfolgte unter genauer Befolgung der von | Benedikt und Ulzer gegebenen Vorschriften. a) Fettaus Keimlingen von Helianthusannuus. 1. 4,809 g Fett verbraucht, in Ather-Alkohol gelöst, zur Neutralisation (Ehennlphhaie u 6.1 ccm n/»-Lauge = 0,1708 g KOH — Säurezahl = 35,5. ° 2. 4,630 g Fett verbraucht zur Verseifung 33,6 ccm ®/2- NaOH = 0,9408 8 "KOH — Verseifungszahl —= 203,0. 3. 0,6573 g Fett verbraucht bei der Bestimmung nach Hübl 0,5907 g Jod — Jodzahl = 89,9. 0,5720 g Fett verbraucht bei der Bestimmung nach Hübl 0,5259 g Jod — Jodzahl = 91,9. 4. Der Rest des Öles wurde durch Kochen mit alkoholischer Lauge verseift, die Seifenlösung nach Vertreibung des Alkohols mit Schwefel- säure zersetzt, das abgeschiedene, aus freien Fettsäuren bestehende Ol nach viermaligem Auskochen mit Wasser bei 90° getrocknet, sodann durch dreistündiges Kochen mit einem Überschusse von Essigsäure- A ®r Bess E Z5L, Se ae 4 Über das Verhalten des Fettes bei der Keimung ölhaltiger Samen. 433 anhydrid acetyliert, das Gemenge acetylierter Fettsäuren viermal mit Wasser ausgekocht und getrocknet. 4,107 g der acetylierten Fettsäuren neutralisierten 24,2 ccm ®/s-Lauge = 0,6796 g KOH. Acetylsäurezahl = 164,9. Dieselbe Menge, nach vorausgegangener Verseifung mit alkoholischer Lauge neutralisierte 31,6 ccm W2-Lauge — 0,8848 g KÖH. Acetylverseifungs- Bel 215,4. ß) Fettausungekeimten Helianthussamen. 1. 4,804 g Fett verbraucht, in Ather-Alkohol gelöst, 0,6 cem "/2-Lauge — 0,0168 g KOH, Säurezahl = ; 2. 4,677 g Fett verbraucht zur Verseifung 31,9 ccm n/s-Lauge = 0,8932 g KOH — Verseifungszahl —= 190,9. 3. 0,5330 g Fett en bei der Bestimmung nach Hübl 0,6139 g Jod — Jodzahl = 115,2. 0,5788 g Fett verbraucht bei der Bestimmung nach Hübl 0,6200 g oe — Jadzahl — — 107,1, 4. 4,158 8 acetylierten Fettes neutralisiert direkt 20,5 cam n/g-Lauge — 0,5740 & KÖH — Acetylsäurezahl = 120,8. Dieselbe Menge acetylierten Fettes nach vorausgegangener Verseifung neutralisiert 35,4 cem n/e- Lauge —= 0,9912 g KOH — Acetylverseifungszahl = 208,3. B. Rizinus. Rizinuskeimlinge, die sich bei Bruttemperatur innerhalb neun Tagen zu einer Wurzellänge von 4 cm entwickelt hatten, wurden erst am Wasserbade, dann in dünner Schicht bei 90° ge- trocknet, fein gepulvert, mit Äther extrahiert, der Rückstand der ätherischen Lösung wiederholt mit Wasser ausgekocht und bei 108° getrocknet. Aus 185 g der trockenen Keimlinge wurden so 24,67 g eines braunen Öles (entsprechend 11,7 Proz. der Trocken- substanz) erhalten. Fett aus Keimlingen von Ricinus communis. l. 4,469 g Fett verbraucht, in Alkohol-Äther gelöst, zur Neutralisation 6,7 ccm n/s-KÖH = 0,1876 g KÖOH. Säurezahl 41,9. 2. 2,259 g Fett verbraucht zur Verseifung 15,3 cem n/s-KOH = 0,4284 g KÖH — Verseifungszahl 189,6. 3. 0,4530 g Fett verbraucht bei der Bestimmung nach Hübl 0,4048 g Jod — Jodzahl 89,4. - 0,5625 g Fett Jod — Jodzahl 86,9. | 4. Der Rest des Oles wurde zum Zwecke der Abtrennung der darin im freien Zustande vorhandenen Fettsäuren in alkohol-ätherischer Lösung mit Natronlauge neutralisiert, die Lösung eingedampft und der Rückstand durch wiederholtes Auskochen mit Ather und Benzol nach Möglichkeit von Fett befreit. Doch gelang so die Trennung von Seife und Neutral- fett nur in unvollkommenem Maße, da die Seifengallert noch viel Fett einschloß. Die fetthaltigen Seifen wurden nun in Wasser gelöst, mit Salzsäure zerlegt, das öl mit heißem Wasser ausgekocht, solange dieses noch eine Spur Säure aufnahm, sodann getrocknet. 0,9675 g der so abgetrennten Fraktion neutralisierten direkt in äther-alkoholischer Lösung 2,7 ccm n/2-Lauge (= 0,0756 g KÖOH), nach Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 28 ” ” ” ” „ „ 0, 489 2} g 434 Otto von Fürth, Verseifung jedoch 7,0 eem »/2e-Lauge (= 0,0196 g KOH). Daraus berechnet sich für diese Fraktion Säurezahl 78,2 Mittleres Molekulargewicht der Fettsäuren Atherzahl 123,8 d u 168300 — 38 d nn Verseifungszahl 202,0 K ? 3k => Helianthus Rizinus — ne 5. Ol aus Keim- Öl aus unge- Öl aus Keim- re lingen keimt.Samen| lingen Raman ‚Säurezahl (| 35,5 3,5 41,9 \Atherzahl d | 167,5 187,4 147.7 Verseifungszahl k 203,0 190,9 189,6 1:6— 186°) Jodzahl 89,9, 91,9 107,1, 115,2] 868, 89,4 88,8 |Acetylsäurezahl ı 164,9 120,8 x lAcetylzahl \ 50,5 | 87,5 Acetylverseifungszahl 215,4 208,3 Mittleres Molekular- gewichtd. Fettsäuren, berechnet 165300 —38d 265 281 286 290— 300°) ı8K Überbliecken wir die mitgeteilten Resultate, so ersehen wir folgendes: Aus dem Umstande, daß noch in einem späten Stadium der Keimung erhebliche Mengen unzersetzten Neutralfettes vor- handen sind, sowie aus den im Verhältnis zu den Verseifungs- zahlen niederen Säurezahlen ergibt sich, daß die eingangs erwähnten Vorstellungen Greens”*”) keineswegs zutreffen, und daß von einer totalen Spaltung des Keimlingsfettes in Fettsäuren und Glyzerin, sowie von einer reichlichen Anhäufung der ersteren in der jungen Pflanze keine Rede sein kann. ÖOffen- bar erfolgt in dem Maße, als die Fettspaltung sich vollzieht, sehr schnell ein weiterer Abbau der Fettsäuren. Auch finden sich keine Anhaltspunkte für die Vorstellung, daß sich bei der Keimung eine ausgiebige Umwandlung nor- maler Fettsäuren in Oxyfettsäuren vollziehe. Eine solche müßte in einem erheblichen Ansteigen der Acetylzahl zum Aus- drucke kommen; tatsächlich wurde bei Helianthus ein geringes Absinken derselben beobachtet. *) Benedikt-Ulzer. **) ]oc. cit. Über das Verhalten des Fettes bei der Keimung ölhaltiger Samen. 435 Ebensowenig hat man Grund, anzunehmen, daß ungesättigte Fettsäuren während der Keimung wesentlich leichter angegriffen werden als gesättigte. Wäre dies der Fall, so müßten die Jodzahlen während der Keimung stark abnehmen. Eine solche Abnahme wurde aber bei Helianthus nur in geringem Maße wahr- genommen, bei Rizinus jedoch ganz vermißt. Schließlich sah ich mich auch in der Erwartung getäuscht, einen schrittweisen Abbau der Fettsäuren zu kürzeren Kohlenstoffketten in einer wesentlichen Abnahme des mitt- leren Molekulargewichtes der Fettsäuren in Erscheinung treten zu sehen. Eine solche Abnahme ließ sich zwar feststellen, doch fiel dieselbe kaum außerhalb der Fehlerquellen. Auch der Versuch, einen solchen Abbau auf dem Wege der Autolyse zu erzielen, schlug fehl. Dreiwöchentliche Helianthuskeimlinge wurden zerkleinert und der Brei in zwei Hälften geteilt; die eine Hälfte wurde eine Woche lang unter Toluolzusatz und Durchleitung eines Luftstromes im Brutofen be- lassen, die andere dagegen sogleich weiter verarbeitet. Beide Portionen wurden bei 60° getrocknet, mit Ather extrahiert und das Fett bei 108° getrocknet. 1. 2,500 g Fett, nicht autolysiert, neutralisiert 3,8 ccm n/2-Lauge (= 0,1064 g KÖH) — Säurezahl 42,6. 9, 2,310 g Fett, nicht autolysiert, neutralisiert nach Verseifung 16,3 ccm n/.-Lauge (= 0,4564 8 KÖH) — Verseifungszahl 197,6. 3. 3,834 g Fett, autolysiert, neutralisiert 3,7 ccm »/,-Lauge (= 0,1030 g KOH) — Säurezahl 26,9. 4. 1,995 g Fett, autolysiert, neutralisiert nach Verseifung 13,9 ccm n/e-Lauge (= 0,3892 g KOH) — Verseifungszahl 190,1. Sonach: nicht autolysierte Hälfte autolysierte Hälfte Säurezahl 42,6 26,9 Atherzahl d 155,0 163,9 Verseifungszahl K 197,6 190,8 Mittleres Molekulargewicht der Fettsäuren 274 284 m 168300 — 38 d x 3 K Ich habe weiterhin eine Reihe von Versuchen ausgeführt, um mich von der Richtigkeit der Angabe Greens, betreffend das reichliche Auftreten einer in Wasser und Äther löslichen, nicht kristallisierenden Säure an Stelle des verschwindenden Fettes, zu überzeugen. Ich vermochte jedoch diese Angabe in keiner Weise zu bestätigen. Die Acidität des Wasserextraktes der Keimlinge ist über- haupt keine sehr erhebliche, und von dieser entfällt nur ein geringer Bruchteil auf ätherlösliche Säuren. [So betrug z. B. die Acidität des Wasserextraktes aus 100 g feuchter 14tägiger Rizinus- 28% 436 Otto von Fürth, keimlinge 62,1 cem "/ıo-Lauge (Phenolphthalein), wovon aber nur 7,4 Proz. auf ätherlösliche Säuren entfielen.] Auch in gebundenem Zustande ist keine ätherlösliche Säure in größeren Mengen vor- handen [Bestimmung durch Extraktion des mit Phosphorsäure an- gesäuerten Wasserauszuges mit Äther im Schacherlapparate]. Eine größere Menge von Helianthuskeimlingen wurde mit Wasser ausgekocht, der Auszug durch essigsaures Cinchonin von reichlich vorhandenen Gerbsäuren, sodann durch Ammoniak von Cinchonin befreit und nach Neutralisation mit Salpetersäure mit Bleiessig gefällt. Nach Zerlegung des Niederschlages mit Schwefel- wasserstoff erwiesen sich die erhaltenen sauren Verbindungen nur sehr unvollkommen und zum geringsten Teile in Äther löslich. Die Flüssigkeit enthielt große Mengen eines kolloiden, gallertig ausfallenden Kohlehydrates; nach dessen Beseitigung durch Kupfer- acetat wurde eine Lösung gewonnen, die eine Säure von folgendem Verhalten enthielt: Dieselbe reduziert Fehlingsche Flüssigkeit und ammonlakalische Silberlösung sehr kräftig, wird von Quecksilber- acetat, nicht aber von Quecksilberchlorid, Kupfer-, Baryum- und Kalziumsalzen gefällt. Bleiacetat erzeugt einen voluminösen, in Essigsäure unlöslichen, in verdünnter Salpetersäure leicht löslichen Niederschlag. Wird die saure Lösung mit Eisenchlorid versetzt und tropfenweise Natriumkarbonat hinzugefügt, so tritt eine schöne smaragdgrüne Färbung auf, die bei Mehrzusatz von Alkali in Rotbraun umschlägt, Natriumkarbonat allein bewirkt eine bräunliche Färbung. Beim Erwärmen mit verdünnter Salpeter- säure nimmt die Lösung eine Gelbfärbung an, welche beim Über- sättigen mit Alkalı in ein intensives Rotgelb übergeht. Das Verhalten dieser Substanz deutet auf eine aromatische, mehrfach hydroxylierte Verbindung hin. Der Versuch, dieselbe durch Quecksilberacetatfällung abzutrennen, scheiterte an der Zersetzlichkeit derselben. Bei Destillation von frischen Rizinus- oder Helianthus- keimlingen im strömenden Wasserdampfe konnte weder eine flüchtige Säure, noch aber Alkohol, Aceton oder ein Aldehyd nachgewiesen werden. Sollten also derartige Verbindungen als Zwischenprodukte zwischen Fett und Kohle hydrat eine Rolle spielen, so ist jedenfalls die in einem gegebenen Momente vorhandene Menge derselben so gering, daß sie sich dem Nachweise entzieht. Auch im gebundenen Zustande sind flüchtige Säuren nicht in nachweisbarer Menge vorhanden. Die Nachprüfung der Angaben Mazes*) in bezug auf das *) loc. Gi; Über das Verhalten des Fettes bei der Keimung ölhaltiger Samen. 437 Auftreten eines Enzymes, das direkt Fett in Zucker umwandeln soll, ergab, daß der genannte Autor durch Nichtbeachtung eines in den Keimlingen vorhandenen diastatischen Fermentes anscheinend einer Täuschung anheimgefallen ist. Ich unter- warf Rizinuskeimlinge in zerkleinertem Zustande einer dreitägigen Autolyse in Toluolwasser unter Luftdurchleitung bei 30 bis 35° und vermochte tatsächlich, Maz&s Angaben entsprechend, auf titrimetrischem Wege eine erhebliche Zunahme des reduzierenden Zuckers nachzuweisen. (Feuchte Keimlinge frisch: 1,41 Proz. Zucker, autolysiert 4,07 Proz. Zucker, als Dextrose berechnet.) Da es mir aber wahrscheinlich schien, daß ein diastatisches Ferment vorhanden sei, welches nicht reduzierende in reduzierende Kohlehydrate umwandelt, unterwarf ich Proben der Keimlinge einer hydrolytischen Spaltung durch dreistündiges Kochen mit ver- dünnter Schwefelsäure. Nunmehr ergab der titrimetrische Ver- gleich der Keimlinge vor und nach der Autolyse keine außerhalb der Fehlergrenzen gelegene Differenz des gesamten Zuckergehaltes (Keimlinge frisch, mit Säure behandelt, 4,00 Proz., autolysiert 4,76 Proz. Zucker). Schließlich möchte ich bemerken, daß mir bei Anlage und Behandlung der Keimlingskulturen die freundlichen Ratschläge der Herren Professor Jost und Privatdozent Dr. Hannig zu- statten gekommen sind. XXXI Zur Physiologie des Warmblütermuskels. Von Dr. Walther Freund, Assıstenten der Klinik. (Aus dem Laboratorium der Universitäts - Kinderklinik zu Breslau.) | Im Hinblick auf die Beobachtungen und Experimente von Jaques Loeb*), über den osmotischen Druck des Froschmuskels veranlaßte mich vor einiger Zeit mein Chef, Herr Professor Czerny, zu einer Reihe von experimentellen Untersuchungen, die in letzter Linie darauf abzielten, die Veränderungen im osmo- tischen Verhalten der Gewebe bei den schweren Ernährungs- - störungen des Säuglingsalters unserem theoretischen Verständnis näher zu bringen. Loeb hatte gezeigt, daß der unverletzt heraus- präparierte Gastrocnemius des Frosches mit einer 0,7 proz. Koch- salzlösung isotonisch ist, d. h. unter bestimmten Versuchsbe- dingungen sein Volumen in derselben nicht ändert, daß aber sein osmotischer Druck gegenüber minimalen Mengen von Säuren und Basen, sowie gegenüber Konzentrationsänderungen der umgebenden Lösung sich als äußerst empfindlich erweist. Es lag nun nahe, behufs Studiums der Veränderungen des Salzstoffwechsels im kranken Organismus nachzusehen, ob irgendwelche experimentellen Schädigungen, von denen eine Alteration des Wasser- und Salz- bestandes, der Reaktion der Gewebe usw. erwartet werden konnte, zu Änderungen des osmotischen Druckes eines unmittelbar post mortem herauspräparierten Muskels führen würden. Um die Versuche den Verhältnissen beim Menschen anzunähern, kam . es darauf an, einen Warmblütermuskel zu finden, der sich leicht unverletzt gewinnen ließ und sich somit zu analogen Versuchen, wie die von Loeb am Froschgastrocnemius angestellten, eignete. *) Pflügers Archiv 69 u. 71, Physiologische Untersuchungen über Ionen- wirkungen. Zur Physiologie des Warmblütermuskels. 439 Ein solcher Muskel fand sich in dem musculus palmaris*) des Kaninchens, der in zwei Endsehnen ausläuft und daher sehr leicht zu präparieren ist. Zunächst mußte durch Vorversuche fest- gestellt werden, wie sich dieser Muskel in osmotischer Beziehung gegenüber Kochsalzlösungen verschiedener Konzentration verhält; alsdann folgten Versuche über den Einfluß experimenteller Schädi- gungen auf das osmotische Verhalten des unmittelbar post mortem bzw. nach der Tötung herauspräparierten Muskels. An dieser Stelle will ich nur über die Ergebnisse der physiologischen Vor- versuche kurz berichten, die vielleicht darum einiges Interesse verdienen, weil Zahlen über den osmotischen Druck des Warm- blütermuskels meines Wissens bisher noch nicht vorliegen. In der Versuchsanordnung folgte ich den Angaben von Loeb und beobachtete alle Kautelen, die er für seine Untersuchungen am Frosch- muskel angegeben hat. (Möglichst gleiche Größe der Muskeln, vor dem Tode Muskelruhe der Versuchstiere, schnelle Entnahme der unverletzten Muskeln etc.) Es kamen zur Verwendung Kochsalzlösungen von 0,5, 0.7, 0,9, 1,1, 1,3, 1,5 Proz. Der frische, gewogene Muskel wurde immer genau eine Stunde in der betr. Lösung belassen, dann über Fließpapier gerollt und von neuem gewogen, die Gewichtsveränderung in Prozenten des Anfangsgewichtes ausgedrückt. Die so an 55 normalen Muskeln erhal- tenen Werte sind in folgender Tabelle zusammengestellt. Zu bemerken ist noch, daß das absolute Gewicht der untersuchten Muskeln etwa 0,2 bis 0,3 g betrug. Diese Übersicht zeigt im allgemeinen bei den gleich behan- delten Muskeln eine desto größere Übereinstimmung in ihrem Verhalten gegenüber der umgebenden Lösung, d. h. in ihrer Ge- wichtsveränderung, je kleiner diese letztere ist. In der 1,5 proz. Kochsalzlösung verändert die Mehrzahl der Muskeln übereinstimmend ihr Gewicht gar nicht, der Rest zeigt minimale Abnahme. Wir dürfen also den osmotischen Druck der verwendeten Muskeln durchschnittlich etwa dem einer Kochsalz- lösung gleichsetzen, deren Konzentration nur wenig geringer ist als 1,5 Proz. Lösungen von wesentlich geringerer Konzentration wird durchgehends vom Muskel Wasser entzogen, wiewohl indi- viduelle Schwankungen, deren Vorhandensein auch Loeb trotz möglichster Gleichheit der Versuchsbedingungen nicht ganz aus- zuschalten vermochte, derart vorkommen, daß für einzelne Muskeln sich. eine 1,3- bzw. 1,1proz. Kochsalzlösung als isotonisch heraus- gestellt hat. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß dann, wenn rechter und linker Muskel desselben Tieres in der gleichen Lösung verweilten, sich stets eine vollkommen übereinstimmende Gewichtsänderung nachweisen ließ. *) Nach Krause, Anatomie des Kaninchens. 2. Auflage. Leipzig 1884. Walther Freund, 440 Gewichtsveränderung der Muskeln bei einstündigem Verweilen in der betr. Lösung (angegeben in Prozenten des Anfanggewichtes). + 45,7 + 834,1 + 26,2 im Mittel aus 3 Versuchen + 35,3 | +98,0 + 283,0 + 29,7 + 29,5 + 21,6 + 20,6 + 18,7 | im Mittel aus 7 Versuchen + 22,4 0,9 4161 415,8 + 11,9 + 10,8 + 10,7 +10,1 +97 +95 +94 +8,9 + 7,0 | im Mittel aus 11 Versuchen + 10,9 1,1 4-90 +54 +50 +50 +42 +38 +35 +21+0 +40 im Mittel aus 10 Versuchen + 3,6 +49 +43 +28 +26 #0 +0-+0| im Mittel aus 7 Versuchen + 2,1 1704204040 +04040 40404040 -14—22 —25 —29 — 2,9 —3,2 a ee u an — _— — — DZ — _— m — u — ; Zur Physiologie des Warmblütermuskels. 441 Die Tabelle zeigt weiter, daß die Gewichtszunahmen mit der zunehmenden osmotischen Druckdifferenz zwischen Muskel und Lösung nicht proportional wachsen, sondern weit schneller. Dieses auch den Froschmuskeln eigene Verhalten findet, wie durch Loeb nachgewiesen, seine Erklärung darin, daß die Hypotonie der Lösung eine Giftwirkung auf das Gewebe äußert, die mit Erhöhung des osmotischen Druckes einhergeht und somit den Muskel be- fähigt, einer Lösung mehr Wasser zu entziehen, als er in intaktem Zustande, entsprechend der osmotischen Druckdifferenz, getan hätte. Die Schädigung der Muskeln findet vermutlich auch darin ihren Ausdruck, daß mit der zunehmenden Entfernung von der isotonischen Konzentration die Übereinstimmung in den erhaltenen Werten eine immer geringere wird, der angegebenen Durchschnitts- zunahme dementsprechend eine immer bedingtere Gültigkeit zu- kommt. XXX, Über ein proteolytisches Ferment im Blute bei myelogener Leukämie. Von O0. Schumm. (Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppendorf.) Die Kenntnis von dem Vorhandensein einer nicht koagulier- baren albumoseartigen Substanz im leukämischen Leichenblute verdanken wir E. Ludwig!). Er hielt die von ihm aufgefundene Substanz den damaligen Anschauungen entsprechend für Pepton. Von verschiedenen Seiten?) wurde dieser Befund bestätigt. Bei Fällen von „lienal-myelogener* Leukämie fand man im Leichen- blute stets eine nicht koagulierbare, albumoseartige Substanz. Nur in einem Falle ist auch im „lebenden“ leukämischen Blute eine solche Substanz gefunden worden (v. Jaksch)3). In den bisher untersuchten Fällen von Lymphämie®) wurde keine Albumose gefunden, auch nicht nach 48stündigem Stehen bei 30° (Erben). Meines Wissens ist noch keine Untersuchung darüber ange- stellt worden, wie die im leukämischen Leichenblute vorhandene albumoseartige Substanz entsteht. Nachdem im Jahre 1894 Matthes?) bei einer sorgfältigen Untersuchung leukämischen Blutes festgestellt hatte, daß die erwähnte Substanz in ihrem Verhalten große Ähnlichkeit mit einer der durch Verdauung entstehenden Albumosen besaß und sie demnach geradezu als eine sogenannte Deuteroalbumose ansprach, war es naheliegend, anzunehmen, daß die Substanz im leukämischen Blute einem „Verdauungsprozesse*, also einer fermentativen Wirkung ihre Entstehung verdanke. In einer im Jahre 1900 in der Zeitschrift für Klinische Medizin er- schienenen Abhandlung „Zur Kenntnis der chemischen Zusammen- setzung Iymphämischen Blutes“ äußert sich Erben folgender- maßen: „Die Befunde in der Literatur bezüglich des Pepton- bzw. Über ein proteolytisches Ferment im Blute usw. 443 Albumosengehaltes des leukämischen Blutes weisen darauf hin, daß in den polynucleären Leukocyten entweder ein Körper, der postmortal leicht peptonartige Substanzen abspaltet, oder aber wahrscheinlicher ein Ferment enthalten ist, das natürlich nach dem Tode des Gewebes bei günstigen Bedingungen seine Wirkung entfaltet, die dann in der Gegenwart von peptonartigen Körpern sich äußert. Daß dieses Ferment im lebenden Organismus nicht zur Wirkung kommt, (was noch mehr als aus dem Fehlen des Peptons im lebenden Blute aus dem Mangel von Albumosurie bei Leukämie erhellt) ist leicht aus der großen Bindekraft des Blutes gegenüber Fermenten erklärlich. € Auffallend ist nun nicht sowohl der Mangel des Peptons im lebenden Blute unserer Fälle, als besonders die Tatsache, daß im aseptisch aufgefangenen Blute auch nach längerem Stehen unkoagulierbare Eiweißkörper nicht nachzuweisen waren. Sollte sich dieser Befund bestätigen (meiner gründet sich nur auf die vorliegenden zwei Fälle), so wäre wohl ein fundamentaler Unter- schied zwischen den polynucleären Leukocyten und den Lympho- cyten auch in chemischer Beziehung damit gegeben, daß nur die polynucleären Leukocyten Fermentträger wären, die Lymphocyten dagegen fermentfrei sind.“ Ist die Annahme, daß die albumoseartige Substanz im leukämischen Blute durch fermentative Eiweißspaltung ent- steht, richtig, so darf man es als wahrscheinlich betrachten, daß sich in solchem Blute nicht nur eine einzige Art von Albumosen auffinden läßt, sondern mehrere. Ferner erscheint es auf Grund unserer heutigen Kenntnisse von der Wirkung verschiedener eiweißspaltender Fermente des Tierkörpers nicht aussichtslos, in solchem Blute auch nach tiefer stehenden fermentativen Spaltungs- produkten der Eiweißkörper zu suchen. Das Auffinden mehrerer von den Substanzen, die als typische Produkte fermentativer Eiweißspaltung gelten, würde es sehon sehr wahrscheinlich machen, daß ein proteolytisches Ferment seine Wirkung aus- geübt hat. Dann aber wäre zu hoffen, daß sich unter geeigneten Bedingungen an solchem Blute ein Fortdauern der Wirkung des proteolytischen Fermentes würde zeigen lassen. Bei zwei Fällen von myelogener Leukämie habe ich eine derartige Untersuchung ausgeführt. Bei dem ersten Falle habe ich mich darauf beschränkt, die albumoseartige Substanz zu unter- suchen. Es ergab sich, daß sie aus einem Gemisch verschiedener Albumosen bestand. Ich habe mich damit begnügt, drei Fraktionen darin nachzuweisen, vermute aber, daß diese sich noch weiter 444 OÖ. Schumm, würden aufteilen lassen. Bei dem zweiten Falle konnte ich nach- weisen, daß im Blute neben verschiedenen Albumosen Leuein und Tyrosin vorhanden waren. Ferner ließ sich im Blute die Anwesen- heit eines proteolytischen Ferments feststellen, unter dessen Einfluß während einer 2ltägigen Digestion eine bedeutende Vermehrung nicht koagulierbarer, stickstoffhaltiger Substanzen eintrat. Erster Fall.) 25jähriger Mann, Schiffskoch. Am 11. VI. 0 fiel ein Sack auf ihn“), er taumelte und stieß mit der linken Wade gegen einen eisernen Pfahl. Am 18. VII. 02 wurde er ins Kranken- haus aufgenommen. Diagnose: Hämatom der linken Wade. Am 297. VI. stellten sich in der rechten Seite des Leibes Schmerzen: ein. Am 98. abends plötzlich Temperatursteigerung; das Abdomen ist leicht aufgetrieben und gespannt. Am 30. VII. auch in der linken Seite Schmerzen; hier findet sich eine umschriebene druckempfindliche Resistenz. Da es sich nach dem vorliegenden Befund um das Vorhandensein eines perityphli- tischen Abszesses zu handeln scheint, wird die Eröffnung desselben be- schlossen. Am 2. VIII. Operation. Der vermeintliche Abszeß erweist sich als ein Teil der kolossal vergrößerten Milz. Am 4. VII. tritt unter zu- nehmender Herzschwäche der Tod ein. — Bei einer am 2. VII. vor- genommenen Urinuntersuchung konnte ich weder Eiweiß noch Nucleo- albumin noch Albumose nachweisen. — Bei der Sektion, die 20 Stunden nach dem Tode ausgeführt wurde, zeigte sich, daß die Bauchhöhle ganz von geronnenen Blutmassen gefüllt war. 1600 g der Blutmassen wurden mit 1100 g Wasser und einer reich- lichen Menge Chloroform #**) vermischt, mit Essigsäure schwach an- gesäuert, mit Ammoniumsulfat in der Kälte gesättigt und der Nieder- schlag auf einem Filter gesammelt}). Die Hauptmenge des Niederschlags wurde mit viel Alkohol verrieben und so zwei Monate lang aufbewahrt. Der Niederschlag wurde dann abfiltriert, nach dem Abdunsten des Alkohols mit 1’/, Liter Wasser verrieben und im Pergamentschlauch zwei Tage gegen fließendes Wasser dialysiert, die Flüssigkeit auf 35° erwärmt und filtriert. Das Filtrat wurde von neuem mit Ammoniumsulfat in der Kälte gesättigt, der Niederschlag mit 200 com Wasser verrieben und im Per- gamentschlauch 32 Stunden gegen destilliertes Wasser unter mehrfachem Wechseln des letztern dialysiert. | a) Untersuchung der Innenflüssigkeit. Sie wurde bei essigsaurer Reaktion vorsichtig enteiweißt, das Filtrat mit Ammoniumsulfat in der Kälte gesättigt, der in sehr reichlicher Menge entstandene Niederschlag abfiltriert, mit gesättigter Ammoniumsulfatlösung *) Von diesem Falle stammte auch die Milz, über deren Untersuchung ich kürzlich berichtet habe. (Diese Beiträge 3, 12, 576.) **) Aus Rücksicht auf den erforderlichen Raum ist hier nur ein kurzer Auszug aus der Krankengeschichte gegeben. ***) Im Verlaufe dieser ganzen Untersuchung wurde in allen Fällen das Material durch reichliche Anwendung von Chloroform vor der Zersetzung durch Bakterien bewahrt (nach Salkowski), auch wo dies nicht ausdrücklich angegeben ist. +) Bei allen Filtrationen wurde hartes Filtrierpapier (Nr. 602) von Schleicher und Schüll verwandt. Über ein proteolytisches Ferment im Blute usw. 445 ausgewaschen. Er ließ sich leicht durch Wasser von gewöhnlicher Tem- peratur in Lösung bringen. Diese wurde zwei Tage lang gegen destilliertes Wasser unter mehrmaligem Wechseln des letzteren dialysiert. Im letzten Außenwasser ließen sich nur noch Spuren von Ammoniumsulfat nach- weisen. a) Aus der Innenflüssigkeit konnte ich in reichlicher Menge ein Ge- misch von Albumosen abscheiden, das unter Anwendung von Ammonium- sulfat in drei Fraktionen zerlegt wurde. Am bedeutendsten an Menge war die durch Ganzsättigung, etwas geringer die durch ?/,-Sättigung und noch geringer die durch Halbsättigung fällbare Albumose. Das Gemisch dieser Albumosen war durch Lauge nicht denaturierbar, gab intensive Biuretreaktion, starke Millonsche Reaktion und eine starke Reaktion-auf leicht abspaltbaren Schwefel. Die Reaktionen auf Histon und Muein fielen negativ aus; durch Kochen mit verdünnter Salzsäure ließ sich keine reduzierende Substanz abspalten. Neben diesen Albumosen enthielt die Innenflüssigkeit noch in geringerer Menge eine schwer koagulable Ei- weißsubstanz, von der Spuren bei Halbsättigung, der größte Teil bei *1,- Sättigung und ein kleiner Teil bei Ganzsättigung mit Ammoniumsulfat ausfiel. Von dieser Substanz ließen sich die Albumosen aus der gemein- schaftlichen Lösung dadurch trennen, daß letztere zur Trockne ein- gedampft und mit wenig heißem Wasser aufgenommen wurde, Diese Lösung war bis auf Spuren frei von dem koagulablen Eiweißstoff. ß) Beim Eindampfen der vereinigten Portionen des Außenwassers bis zur Bildung einer Salzhaut schieden sich klebrige Klümpchen aus. Sie wurden rasch mit Wasser abgespült und dadurch ziemlich rein er- halten. Sie lösten sich vollständig in Wasser auf und waren durchaus frei von koagulabler Eiweißsubstanz. [Letzteres beweist gleichzeitig, daß die Substanz tatsächlich dialysierbar ist; hätte es sich um einen Durch- tritt der Innenflüssigkeit durch Fehlstellen des Pergamentschlauches ge- handelt, so hätte sich im Außenwasser auch koagulable Eiweißsubstanz nachweisen lassen müssen.| Die Lösung gab intensive Biuretreaktion. b) Untersuchung des Außenwassers. Sowohl die während der ersten 24 Stunden wie auch die in den folgenden acht Stunden der Dialyse erzielte Außenflüssigkeit war albumose- haltig. Beim Eindampfen auf ein kleines Volumen schied die Außen- flüssigkeit der ersten 24 Stunden harzige Massen ab, die sich klar in Wasser lösten. Eine Probe dieser Lösung gab intensive, fast rote Biuret- reaktion. Die Hauptmenge wurde mit Ammoniumsulfat in der Kälte ge- sättigt, die ausgeschiedene harzige Masse rasch einige Male mit kaltem Wasser abgespült, dann in kaltem Wasser gelöst. Die gelbe, schwach sauer reagierende Lösung war frei von koagulablem Eiweiß: sie gab starke Biuretreaktion. Durch Essigsäure wurde sie nicht getrübt, auch nicht durch Salpetersäure. Durch Zusatz des gleichen Volumens gesättigter Kochsalzlösung und etwas Essigsäure oder Salpetersäure entstanden starke Trübungen, die sich beim Erhitzen leicht vollständig lösten, beim Erkalten wiederkehrten. Bei vorsichtigem Zusatz von verdünntem Ammoniak blieb die Flüssigkeit vollkommen klar. Der Rest wurde mit verdünntem Ammoniak neutralisiert und auf sein Verhalten gegen Ammo- niumsulfat geprüft; bei Halbsättigung und bei Ganzsättigung entstanden nur schwache Fällungen, bei ?/,-Sättigung dagegen starke Fällung. Die während der weiteren acht Stunden bei der Dialyse erzielte Außenflüssig- 446 OÖ. Schumm, keit lieferte nach dem Einengen beim Sättigen mit Ammoniumsulfat eine kleinere Menge von Albumosen in Gestalt harziger gelblicher Klümpchen. Die angeführten Beobachtungen beweisen das Vorhandensein mehrerer albumoseartiger Substanzen; am reichlichsten sind die sogenannten sekundären Albumosen vertreten, die man früher als Deuteroalbumosen bezeichnete. ®) Zweiter Fall. Auffallend schwere Form von myelogener Leukämie. »2jähriges Mädchen, schon während der Schuljahre schwächlich; im Verlaufe von Jahren sich herausbildende starke Milzschwellung; keine Schwellung der Lymphdrüsen. — Sie starb einige Tage nach ihrer Auf- nahme in das Krankenhaus. Der Tod erfolgte durch eine im Anschluß an das Platzen einer haselnußgroßen Ovarialcyste eintretende Blutung in die Bauchhöhle. Vier Stunden nach dem Tode wurde, von den einige Liter betragenden geronnenen Blutmassen aus der Bauchhöhle ein halbes Liter, vorwiegend Flüssiges, unter sorgfältiger Vermeidung jeglicher Ver- unreinigung herausgenommen. 470 ccm des Blutes wurden sofort mit dem gleichen Volumen Wasser im Mörser zerrieben, in einer Flasche unter reichlichem Zusatz von Chloroform stark durchgeschüttelt und in zwei Hälften geteilt. Die eine Hälfte wurde in einer mit Glasstöpsel ver- schlossenen Flasche in den Brutofen (bei 37°) gestellt. Die andere Hälfte wurde in einer gut verschlossenen Flasche bis zum nächsten Morgen im Eisschrank aufbewahrt, 100 ccm zur Ammoniakbestimmung herausge- nommen, der Rest nach schwachem Ansäuern mit Essigsäure aufgekocht, nach dem Erkalten reichlich mit Chloroform versetzt, auf das ursprüng- liche Volumen aufgefüllt und in gut verschlossener Flasche in den Brut- ofen gestellt. Verschiedentlich wurde während der Digestionszeit die Sterilität der beiden Flüssigkeiten festgestellt. Nach drei Wochen wurden beide aus dem Brutofen genommen; sie enthielten noch reichlich Chloro- form und waren steril. Ich bezeichne im folgenden die vor der Digestion nicht aufgekochte Portion mit „A“, die vor der Digestion aufgekochte mit „B“. Bei A war die über dem Bodensatze stehende Flüssigkeit tief bräunlich-gelb mit einem Stich ins Grün, bei B schwach gelblich. Von A und B wurden nach kräftigem Umschütteln 100 eem zur Ammoniak- bestimmung herausgenommen, die Reste durch Aufkochen bei schwach essigsaurer Reaktion und Filtrieren enteiweißt, die Eiweißkoagula mit heißem Wasser sorgfältig ausgewaschen und die enteiweißten Flüssig- keiten soweit verdünnt, daß 4 ccm 1 g Blut entsprachen. Beide Flüssig- keiten wurden in gleicher Weise auf ihr Verhalten bei Zusatz von Brom- wasser geprüft, bei der Biuretprobe, bei der Millonschen Reaktion und bei fraktionierter Fällung mit Ammoniumsulfat nach vorheriger Neu- tralisation mit verdünntem Ammoniak. Gleiche, größere Portionen beider Flüssigkeiten wurden auf Leucin und Tyrosin verarbeitet. Leucin wurde durch die Art der Sublimation und durch die Scherersche Probe identi- fiziert; Tyrosin wurde in den typischen, schönen garben- und büschel- förmigen Kristallaggregaten erhalten und außerdem durch die Millonsche und Mörnersche Reaktion?) identifiziert. Endlich wurde in beiden. Flüssigkeiten der Gesamtstickstoff nach Kjeldahl und der Ammoniak- stickstoff nach Nencki und Zaleski®) und nach Schlösing bestimmt. Es wurde peinlich genau darauf geachtet, daß die Analysen der beiden Flüssigkeiten in genau gleicher Weise zur Ausführung gelangten. Über ein proteolytisches Ferment im Blute usw. 447 Bei den Stickstoffbestimmungen wurde die zu zerstörende Flüssigkeit unter Zusatz eines Tröpfehens Quecksilber nicht weniger als zwei Stunden mit dem Säuregemisch erhitzt. Bei den Ammoniakbestimmungen verfuhr ich genau nach den Angaben von Nencki und Zaleski; nur benutzte ich ein unten geschlossenes Destilliergefäß und kochte vor der Titration das Destillat zur Entfernung der Kohlensäure aus?). Letzteres geschah auch bei den Stickstoffbestimmungen, um etwa vorhandene, die Titration fehlerhaft beeinflussende, flüchtige Substanzen zu entfernen. Die Ammoniak- bestimmungen nach Schlösing führte ich in Apparaten mit weiten Glas- schalen und niedrigen Glasglocken aus, bei deren Anwendung ich in Kontrollversuchen aus reinen Lösungen von geringem Gehalte an Chlor- ammonium richtige Ammoniakwerte erhielt. Die Proben blieben drei Tage stehen. Sowohl bei den Stickstoffbestimmungen, wie auch bei den Am- moniakbestimmungen wurde der Stickstoffgehalt der Reagentien und des Wassers durch Blindversuche ermittelt und die entsprechende geringe Menge in Abzug gebracht. Die bei der Untersuchung erhaltenen Befunde sind der Übersicht- lichkeit halber tabellarisch zusammengestellt. Tabelle»L Ammoniak, nach Nencki und Zaleski im nicht enteiweißten Blut bestimmt, in 100 ecem Blut: Nach 19stündigem Stehen jan nn. Aufkochen| Nach S21tägiger Digestion im Eisschrank bei Gegen- a Er 20 Br .| bei 370, bei Gegenwart von j TIER tägiger Digestion bei 37°, bei een wart von Chloro Gegenwart von Chloroform 0,0104 & 0,0157 g 0, 0464 & Tabelle I. Aus den Analysen der enteiweißten Filtrate von A und B berechnen sich folgende Werte für 100 g Blut: A | B- Gesamtstickstoff der nicht 2 298 g 416 koagulierbaren Substanzen LASSE ER = nach Nencki-und Zaleski 0,0479 8 0,0151 g E bestimmt (= 0,0895 & N) (= 0,0185 g N) S r | Hr 5 nach Schlösing bestimmt BEnE | 0,0194 8 . (= 0,0508 g N) | (= 0,0160 g N) Im Einklange mit der bedeutenden Zunahme nicht koagulabler Stick- stoffsubstanzen bei der Digestion der nicht gekochten Portion (A) stehen die folgenden Befunde, durch welche der Verlauf der fermentativen Ei- weißspaltung weiter gekennzeichnet wird: 448 O. Schumm, Tabelle IT. 8 = = E) eo 5 2 3.8, 8, | ee = u Ss .— —— | Hast ®& ze] & (es) So ei - ne Se Di, 5 — ee A o > we == DM == SE 5 Sp Irre ie ee >22 An a2 ar a Fr Te zu = = - a = = E = ler r7 ' A inten- ziemlich ziemlich Portion A Er stark i es Ha a stark sive positiv geringe reichlich| vor- reichlich ojweigt || positiv | Rot- rot | Menge | vor- |handen | vor- | 'färbung | handen handen | IR stark ziemlich 'ziemlich| |. Portion B| ' mäßige | u chlich\reichlich nicht > schwach - positiv, |reichlich reichlie eringe ent- | Ki Rot- Pe i : nach- 5 S EE 90SItIV | 2: violett- | vor- vor- : Menge eiweißt | P färbung | weisbar 5 | |. EOR handen | handen Der beobachtete Vorgang bietet hiernach durchaus das Bild einer fermentativen Eiweißspaltung. Eine weitere Verarbeitung des übrigen Materials habe ich noch nicht ausgeführt, da sie wegen seiner immerhin kleinen Menge nur geringen Erfolg ver: sprach. Ich beabsichtige, diesen Rest der Verdauungsprodukte zusammen mit neuem Material zu untersuchen. Vermutlich werden sich dann noch weitere Produkte der fermentativen Ei- weißspaltüng gewinnen lassen. Die bei der nicht gekochten Portion (A) beobachtete Zunahme des Ammoniakstickstoffs während der Digestion ließ die Aus- führung eines Vergleichsversuchs mit möglichst normalem mensch- lichen Blute wünschenswert erscheinen. In Ermangelung ge- eigneteren Materials untersuchte ich vorläufig das Blut in zwei Fällen, bei denen ich Änderungen der chemischen Eigenschaften des Blutes im Sinne der bei Leukämie vorhandenen für unwahr- scheinlich hielt. Im ersten Falle handelte es sich um Tabes dorsalis, Insufficientia valvulae mitralis et aorticae, Emphysem; ferner bestanden Stauungser- scheinungen. Am 23. VI. 03 entnahm Herr Dr. Franke 175 cem Blut durch Venäsektion. Ich schüttelte sofort 168 g des Blutes mit 160 g Wasser und 8 g Äther und stellte die Flüssigkeit in einer verschlossenen Flasche in den Eisschrank. Am nächsten Morgen wurden etwa 200 g abgegossen, 52 g sofort zur Ammoniakbestimmung nach Nencki und Zaleski ver- wandt; 70 g nach Zusatz von Chloroform in den Brutofen gestellt; weitere 70 g nach dem Verdünnen mit etwas Wasser und An-' säuern mit Essigsäure*) aufgekocht, eine Minute im Sieden erhalten, quantitativ in eine Flasche übergefüllt, nach dem Erkalten mit Chloroform *) Den Zusatz von Essigsäure habe ich in diesem Falle gemacht, um sicher jeden Ammoniakverlust beim Aufkochen zu vermeiden. ee Über ein proteolytisches Ferment im Blute usw. 449 versetzt und ebenfalls in den Brutofen gestellt. Nach sechs Wochen wurde in beiden Portionen der Ammoniakgehalt bestimmt. — Im zweiten Falle handelte es sich um einen alten Mann, der einen Gehirnschlag erlitten hatte. Am 1. Vli. 03 entnahm Herr Dr. Müller durch Venäsektion einige hundert cem Blut*), die in einem etwas Toluol enthaltenden Glasgefäß aufgefangen wurden. 148 g des Blutes mischte ich sofort mit dem gleichen Volumen Wasser. Von dieser Flüssigkeit wurden 74 g nach Zusatz von Chloroform und Toluol in den Eisschrank gestellt und am nächsten Morgen auf Ammoniak unter- sucht; 148 g wurden nach Zusatz von Chloroform und Toluol gleich in den Brutofen gestellt; 74 g wurden ferner nach dem Verdünnen mit etwas Wasser aufgekocht (absichtlich ohne Essigsäurezusatz), quantitativ in eine Flasche übergeführt, nach dem Erkalten mit Chloroform und Toluol versetzt und ebenfalls in den Brutofen gestellt. Nach drei Wochen wurde in beiden Portionen das Ammoniak bestimmt. Die bei diesen Fällen ermittelten Werte sind mit den bei der Untersuchung des leukämischen Blutes erhaltenen in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Tabelle IV. Ammoniak, nach Nencki und Zaleski im nicht enteiweißten Blute bestimmt; in 100 g Blut: Nach sofortigem | ö 2 ; Nach 19- bis 20- | Aufkochen und .dar- Nach Digestion bei auf folgender Di- Gegenwart von gestion bei Gegen- | Chloroform, bei i wart von Chloro- |I. 6 Wochen lang, Ener! ker form,bei 1.6Wochen bei IL. u. IH. Haus !ber Ei TIEF Wochen ish 3 Wochen lang | I. Tabes dorsalis, Insufficientia valvulae mitralis et aorlicae, stündigem Stehen im Eisschrank bei 0,0004 & 0,0045 & 0,0079 Emphysem, Stauungs- 5 or: 2 erscheinungen. Venäsektion. 2 Il. Gehirnschlag. Io oO 3 © enasektion 0,0012 g 0,0068 8 0,0085 8 III. Myelogene Leuk- EN ämie. — Leichenblut. EIER JE ne Beim leukämischen Blute wurde in der nicht aufgekochten Portion nach drei Wochen langer Digestion etwa dreimal soviel Ammoniak gefunden wie in der vor der Digestion aufgekochten Probe. Demnach hat eine ziemlich erhebliche fermentative Ammoniakbildung stattgefunden, als deren Ausdruck auch der verhältnismäßig hohe Anfangswert für Ammoniak in der vor der *) Der Kranke starb noch am Abend desselben Tages. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 29 450 OÖ. Schumm, künstlichen Digestion untersuchten Blutportion anzusehen ist. Er übertrifft die bei den beiden anderen Fällen (I u. II der Tabelle IV) gefundenen Anfangswerte um das Vielfache. Die bei den Fällen I und Il ermittelten Zahlen scheinen zwar darauf hinzudeuten, daß überhaupt im menschlichen Blut bei der Digestion in Gegenwart von Chloroform eine geringfügige fermen- tative Ammoniakbildung erfolgt. Indes ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den Fällen I und II doch nur um minimale Mengen von Ammoniak handelt und daher die durch die Analyse ermittelten Zahlen nur als annähernd richtige zu betrachten sind. Ob wirklich eine fermentative Ammoniakbildung bei der Digestion normalen, gegen Bakterieneinwirkung geschützten menschlichen Blutes stattfindet, muß noch durch eine besondere Versuchsreihe festgestellt werden. — Durch die vorliegende Untersuchung ist das, Vorkommen eines proteolytischen Fermentes im Blute bei myelögener Leukämie sichergestellt. Dadurch erklärt sich auch in einfacher Weise der Gehalt solchen Blutes an Albumosen. — Über die Wirkungsweise dieses Ferments beabsichtige ich weitere Versuche anzustellen und im Anschluß daran auch eine Untersuchung des Knochenmarks auszuführen. — Das in dieser Untersuchung benutzte Material wurde mir von den Herren Prosektor Dr. E. Fraenkel, Oberarzt Dr. Sick, Oberarzt Dr. Rumpel, Dr. K. Reuter (Prosektor am hiesigen Hafenkrankenhause, früher Assistenzarzt in Eppendorf), sowie den Herren Assistenzärzten Dr. Moltrecht, Dr Müller und Dr. Franke in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt. Den genannten Herren spreche ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank aus. Literaturverzeichnis. 1. E. Ludwig, Wiener med. Wochenschr. 1881. 2,v. Jaksch, Zeitschr. f. klin. Medizin 6, 1883. — v. Jaksch, Zeitschr. f. phys. Chemie 16, 1892. — v. Jaksch, Klin. Diagnostik, 4. Aufl. 1896. — Freund und Obermayer, Zeitschr. f. phys. Chemie 15, 1891, — Matthes, Berl. klin. Wochenschr. 1894. — v. Limbeck, Grundriß einer klin. Pathologie des Blutes. Jena 1896. 3. v. Jaksch, loc. eit. — Devoto, Rivista clinica 30, 1891 (zitiert nach v. Jaksch). 4. Straus, Charitö-Annalen 1898 (zitiert nach Erben). — Erben, Zeitschr. f. klin. Medizin 40, 1900. - . loc. cit. . Pick, Zeitschr. f. phys. Chemie 24, 1898. . Mörner, Zeitschr. f. phys. Chemie 87. Nencki und Zaleski, Zeitschr. f. phys. Chemie 39. | . Siegfried, Anmerkung in der Arbeit von O. Thiele, Zeitschr. f. phys. Chemie 37, 297. Do In Du Über ein proteolytisches Ferment im Blute usw. 451 Analytische Belege*). Zu Tabelle I. Ammoniakbestimmungen nach Nencki und Zaleski. 2 100 cem verdünntes Blut = 50 g Blut, nach Zusatz von Chloroform 19 Stunden im Eisschrank gestanden, erforderten zur Bindung des ausgetriebenen Ammoniaks 3,05 cem H,SO, — 0,005185 g Ni, = 0.010537 Proz. NH,. . 100 cem verdünntes Blut —=50 g Blut, aufgekocht und danach 3 Wochen unter Zusatz von Chloroform bei 37° digeriert, er- forderten zur Bindung des ausgetriebenen Ammoniaks 4,62 cem CH, SO, — 0,007854 g NH, — 0,015708 Proz. NH,. . 100 ecem verdünntes Blut = 50 g Blut, nach Zusatz von Chloroform 3 Wochen bei 37° digeriert, erforderten zur Bindung des aus- ? B N . getriebenen Ammoniaks 13,66 cem nz 1,80, 0,023222 & NEL, = 0,045444 Proz. Ammoniak. Zu Tabelle II. Stickstoffbestimmungen nach Kjeldahl und Ammoniak- bestimmungen nach Nencki und Zaleski und nach Scehlösing. T: 180) Je 10 cm des enteiweißten Filtrats von A — 2,5 g Blut erforderten bei der Stickstoffbestimmung 23,16 cem resp. 23,21 ccm =H, SO,, im Mittel 23,19 ccm = 0,032466 g N —= 1,29864 Proz. N. . Je 10 ccm des enteiweißten Filtrats von B== 2,5 g Blut erforderten bei der Stickstoffbestimmung 7,47 resp. 7,37 ccm H,SO,, im Mittel 7,42 ccm — 0,010388 g N —= 0,41552 Proz. N. . 40 ccm des enteiweißten Filtrats von A=10 g Blut erforderten zur Bindung des nach Nenecki und Zaleski ausgetriebenen Am- moniaks 2,82 cem H,SO, — 0,004794 g NH, — 0,04794 Proz. NH, = 0,03948 Proz. Ammoniakstickstoff. .40 cem des enteiweißten Filtrats von B=10 g Blut erforderten zur Bindung des nach Nencki und Zaleski ausgetriebenen Am- moniaks 0,89 ccm CH, SO, = 0,001513 g NH, = 0,01513 Proz. NH, = 0,01246 Proz. Ammoniakstickstoff. | . 40 ccm des enteiweißten Filtrats von A=10 g Blut erforderten zur Bindung des nach Schlösing ausgetriebenen Ammoniaks 3,63 cem H,SO, — 0,006171 g NH, — 0,06171 Proz. NH, = 0,05082 Proz. Ammoniakstickstoff. . 40 cem des enteiweißten Filtrats von B=10 g Blut erforderten zur Bindung des nach Schlösing ausgetriebenen Ammoniaks Nı ca 1,14 cem „,H, 50, — 0,001938 8 NH, — 0,01938 Prox% NH, 0,01596 Proz. Ammoniakstickstoff. Menge *) Durch Blind-Versuche war festgestellt, daß von der gebundenen r H,; SO, bei den Ammoniakbestimmungen nach Nenckiund Zaleski 0,15 ccm und bei den Stickstoffbestimmungen nach Kjeldahl 0,40 ccm als Korrcktur in Abzug zu bringen waren. 29* 452 O. Schumm, Über ein proteolytisches Ferment im Blute usw. Zu Tabelle IV. Ammoniakbestimmungen nach Nencki und Zaleski. WD a) Tabes dorsalis. .52 g verdünntes Blut = 26 g Blut, 19 Stunden im Eisschrank gestanden, erforderten zur Bindung des ausgetriebenen Am- moniaks 0,06 cem —H,S0, — 0,000102 g NH, — 0,0001 Proz. NH,. . 70 g verdünntes Blut = 35 g Blut, aufgekocht und danach 6 Wochen bei 37° digeriert, erforderten zur Bindung des ausgetriebenen Am- moniaks 0,92 cem H, SO, = 0,001564 g NH, = 0,00447 Proz. NH,. . 70 g verdünntes Blut = 35 g Blut, 6 Wochen lang bei 37° digeriert, erforderten zur Bindung des ausgetriebenen Ammoniaks 1,63 cem —H, SO, — 0.009771 g NH, = 0,00792 Proz. NH,. b) Haemorrhagia cerebri. . 74 g verdünntes Blut = 37 g Blut, 20 Stunden im Eisschrank ge- standen, erforderten zur Bindung des ausgetriebenen Ammoniaks Nun 0,26 cem 108250, =00001412°87NH, == 0,00119 Proz. NH,. . 74 g verdünntes Blut = :7 g Blut, aufgekocht und danach 3 Wochen bei 37° digeriert, erforderten zur Bindung des ausgetriebenen Am- moniaks 1,49 ecem rn H,SO, = 0,002533 g NH, = 0,006846 Proz. NH;. . Verdünntes Blut, 3 Wochen bei 37° digeriert; davon erforderten zur Bindung des ausgetriebenen Ammoniaks: a) 74 &— 37 g Blut 1,84 ccm H,SO, — 0,003128 g NH, — 0,008454 Proz. NH;. ß) 70 g—35 g Blut 1,74 cem XH,SO, — 0,002958 g NH, — 0,008451 Proz. NH,, Mittel 0,0084525 Proz. NH,. XNNY: Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. “ Von ©. Sehumm. (Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppendorf.) Während nach Neumeister im normalen Blute Albumosen und Peptone nicht vorkommen sollen, kamen neuerdings Embden und Knoop!), ferner Langstein°) bei ihren Untersuchungen in Überein- stimmung mit älteren Autoren zum gegenteiligen Ergebnis. Embden und Knoop schließen aus ihren an Blut von Hunden angestellten Versuchen, „daß im normalen Blute Albumosen vorkommen können“. Langstein untersuchte „drei Ochsenblutsera, sieben Pferdeblutsera und zweimal Blutserum von Menschen, das durch zu eurativen Zwecken ausgeführte Aderlässe an Herzkranken mit schweren Stauungserscheinungen gewonnen war“. Er fand in allen Fällen, aber in sehr verschiedener Menge eine nicht koagulable Substanz. Die Arbeiten von Embden und Knoop und von Lang- stein veranlassen mich, schon jetzt, vor Abschluß meiner Versuche, über einen Fall von chronischer Schrumpfniere zu berichten, bei dem es mir gelang, aus dem durch Venäsektion entnommenen Blute in verhältnismäßig reichlicher Menge eine albumosenartige Substanz abzuscheiden. Ich habe mich dabei im wesentlichen des seiner- zeit von Matthes?) bei der Untersuchuug leukämischen Blutes be- nutzten Verfahrens bedient. Da es zur Beurteilung derartiger Befunde indes notwendig ist, die angewandte Methodik genau zu kennen, gebe ich nach- stehend eine ausführliche Beschreibung des von mir 'einge:- schlagenen Weges. Chronische Schrumpfniere. Am 9. X. 01 wurden dem Patienten durch Venäsektion 360 g Blut entnommen, unter aseptischen Kautelen in einem sterilen Kolben aufgefangen und so bei etwa 15° im Zimmer stehen ge- 454 | OÖ. Schumm, lassen. Nach 20 Stunden war noch keine Gerinnung eingetreten. Dann wurden 245,4 g Serum abgehoben und unter Zusatz von Chloroform (nach Salkowski) und Thymol mit zuvor pulverisiertem reinsten neutralen Ammoniumsulfat kalt gesättigt. Der aus dem Blutkörperchenbrei und etwas Serum bestehende Rest im Ge- wichte von 113 g (im folgenden kurz als „Blutkörperchenbrei“ bezeichnet) wurde ebenso behandelt. Beide Gemische wurden filtriert, die beiden Niederschläge gesondert mit dem mehrfachen Volumen absoluten Alkohols verrieben und so in mit Glasstöpseln verschlossenen Gefäßen im Zimmer aufbewahrt. — Die beiden Filtrate wurden sofort durch Eindampfen auf dem Wasserbade und Absaugen von dem ausgeschiedenen Ammonium- sulfat auf etwa 20 ccm eingeengt. Die dem Serum entstammende Flüssigkeit war gelblich, die dem Blutkörperchenbrei entstammende hellbräunlichgelb. In den mit einem Volumen Wasser ver- dünnten Flüssigkeiten entstand bei vorsichtigem Zusatz von Tanninlösung keine Ausscheidung. Echtes Pepton (Kühne) war somit nicht nachweisbar. Nachdem die durch Ammoniumsulfat aus dem Serum und dem Blutkörperchenbrei erhaltenen Nieder- schläge zu möglichster Koagulation der Eiweißkörper zwei Monate unter Alkohol gestanden hatten, wurde der Alkohol abfiltriert, zuletzt unter Benutzung der Saugpumpe. Die weitere Verarbeitung geschah folgendermaßen: | a) Der Niederschlag aus dem Serum wurde mit etwa 400 cem Wasser unter Zusatz alkoholischer Thymollösung verrieben und in zwei Pergamentschläuchen zunächst 18 Stunden gegen stehen- des, dann 48 Stunden gegen fließendes Wasser dialysiert, wobei für genügenden Thymolgehalt der Flüssigkeit gesorgt wurde. Der Inhalt der beiden Schläuche wurde gemischt, die völlig neutral reagierende Flüssigkeit halbiert und die eine Hälfte zurückgestellt. Die andere Hälfte wurde bei neutraler Reaktion im Jenaer Stehkolben vorsichtig aufgekocht, sofort durch ein Filter aus hartem Papier filtriert, das Filtrat sogleich mit wenigen Tropfen Essigsäure angesäuert, nochmals aufgekocht und filtriert. Das Filtrat war klar, nur in dicker Schicht zeigte es eine minimale Opaleszenz. Nach dem Erkalten wurde es nochmals filtriert. Die’ Flüssigkeit zeigte folgendes Verhalten: Essigsäure-Ferrocyankalium bewirkte keine Spur einer Trübung. Sie gab schwache, aber deutliche Biuretreaktion. Mit dem gleichen Volumen absoluten Alkobols gab sie eine mäßig starke Trübung. Bei der Salpeter- säure-Schichtprobe entstand kein weißer Ring, nach einigen’ Minuten aber an der Berührungsstelle Gelbfärbung. Beim Auf- Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. 455 kochen und Zusatz von '/ıs Volumen Salpetersäure blieb die Flüssigkeit völlig klar, es entstand aber Gelbfärbung. Nach Zu- satz des gleichen Volumens gesättigter Kochsalzlösung blieb die Flüssigkeit in der Kälte und beim Erhitzen klar. — Die Haupt- menge wurde nun allmählich mit pulverisiertem reınstem Am- moniumsulfalt gesättigt. Schon bevor alles Salz gelöst war, entstand eine reichliche flockige Ausscheidung. Durch Abfiltrieren wurde eine nicht unbedeutende Menge eines etwas klebenden dunkelgrauen Nieder- schlags erhalten. Dieser wurde mit etwas Wasser angerieben, die Flüssigkeit durch Zusatz einer Spur Sodalösung genau neutralisiert, filtriert, aufgekocht, durch ein „hartes“ Filter filtriert und das Filtrat mit der dreifachen Menge absoluten Alkohols gefällt. Der entstandene reichliche grobflockige weiße Niederschlag wurde zur Entfernung etwa noch anhaftender Spuren von Thymol an der Saugpumpe gründlich mit absolutem Alkohol ausgewaschen. Nach dem Abdunsten des Alkohols wurde der graue Rückstand mit etwas Wasser verrieben, wobei fast vollständige Lösung eintrat, die Flüssigkeit aufgekocht und filtriert. Das Filtrat war schwach gelblich gefärbt und besaß eine geringe Opaleszenz. Ein kleiner Teil wurde zur Trockne eingedampft und der Rückstand auf dem Platinblech erhitzt. Die Substanz ver- brannte unter Entwicklung des Geruchs nach verbranntem Horn; gleichzeitig entwich Ammoniak, von beigemengtem Ammonium- sulfat herrührend. Die Flüssigkeit gab ferner deutliche Biuret- reaktion (rotviolett) und starke Millonsche Reaktion (Flüssigkeit und Flocken tief rot). Beim. Erhitzen wie auch beim darauf folgenden Erkalten trübte sie sich nicht. Beim Aufkochen unter Zusatz von !/ı Volumen Salpetersäure entstand keine Trübung, nur starke Gelbfärbung, beim nachherigen Übersättigen mit Ammoniak tiefgelbe Färbung. Auch in der Kälte wurde die Flüssigkeit durch Zusatz kleinster bis größerer Mengen von Salpetersäure nicht getrübt. Ebenso wenig entstand eine Trübung bei Zusatz des gleichen Volumens gesättigter Kochsalzlösung und etwas Salpetersäure oder Essigsäure. Zusatz von sehr verdünnter wie von stärkerer Ammoniakflüssigkeit bewirkte keine Trübung. Ebenso bewirkte Zusatz von Essigsäure und Ferrocyankalium keine Trübung. Kochen der Flüssigkeit mit Kalilauge und einer Spur Bleiacetatlösung bewirkte Braunfärbung. Eine nähere Charakteri- sierung der Substanz war aus Mangel an Material nicht möglich. Das angegebene Verhalten führt dazu, sie als eine albumosenartige Substanz anzusprechen. 456 OÖ. Schumm, Es ist oben gesagt worden, daß die Hälfte der nach dem Dialysieren resultierenden Flüssigkeit einstweilen zurückgestellt wurde. Sie ist vor der weiteren Verarbeitung auf 37° erwärmt und einige Stunden im Brutschrank gehalten worden, um etwa vorhandene schwer lösliche „Albumosen“ möglichst in Lösung zu bringen. Im übrigen wurde sie in gleicher Weise verarbeitet wie die andere Hälfte, und es wurde in etwa gleicher Menge eine Substanz gewonnen, die in ihrem Verhalten der oben be- schriebenen glich. b) Bei der Verarbeitung des Niederschlags aus dem „Blut- körperchenbrei* wurde genau das unter „a“ angewandte Ver- fahren befolgt. Beim Sättigen der enteiweißten Flüssigkeit mit Ammoniumsulfat wurde nur eine ganz spärliche Ausscheidung erhalten. Der durch Abfiltrieren gewonnene Niederschlag war so gering, daß eine Reinigung der daraus hergestellten wässerigen Lösung durch Alkoholfällung unterblieb. Die Flüssigkeit wurde auf ihr Verhalten gegen Salpetersäure, Ferrocyankalium-Essigsäure und Millons Reagens, ferner mit der Biuretprobe geprüft. Sie verhielt sich dabei wie die aus dem Serum gewonnene Substanz. — Die geringe Menge, in der die Substanz aus dem „Blut- körperchenbrei*, also aus den mit Serum verunreinigten Blut- körperchen, gewonnen wurde, macht es wahrscheinlich, daß die gefundene Substanz nur im Serum enthalten war. — Ä Am 10. X. 01 starb der Patient. Bei der 21 Stunden nac dem Tode ausgeführten Sektion wurden 360 g Blut entnommen, mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt, mit Chloroform und Thymol versetzt, mit Ammoniumsulfat kalt gesättigt und im übrigen in der unter „a“ angegebenen Weise behandelt. Dabei wurde ebenfalls eine nicht koagulable Substanz erhalten, aber nur in so geringer Menge, daß sie sich nicht näher charakteri- sieren ließ. Da bei der Untersuchung des nach dem Tode entnommenen Blutes nur Spuren, bei der Untersuchung des durch Venäsektion gewonnenen dagegen eine ziemlich erhebliche Menge einer albumosenartigen Substanz gefunden ist, die Untersuchungs- methode aber in beiden Fällen die gleiche war, erscheint ziemlich ausgeschlossen, daß die gefundene Substanz durch eine Zersetzung der koagulablen Eiweißkörper des Blutes bei den durch die Unter- suchungsmethode bedingten Manipulationen entstanden ist. Trotz- dem habe ich besondere Versuche angestellt, um die Zuverlässig- keit der Methode zu erproben. Von dem Eiweißkoagulum, das durch Aufkochen der dialysierten Flüssigkeit bei neutraler Reaktion erhalten (siehe unter „a“) und unter Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. 457 Chloroformwasser aufgehoben war, wurde eine Portion mit 400 cem Wasser im Kolben bei neutraler Reaktion aufgekocht und die Flüssigkeit durch ein „hartes“ Filter filtriert. Das Filtrat wurde durch Alkohol nicht ge- trübt. — Ferner wurde eine größere Portion des erwähnten Eiweiß- koagulums mit 600 ecm Wasser verrieben, ein Teelöffel voll Ammonium- sulfat und etwas alkoholische Thymollösung zugesetzt und das Ganze im Kolben aufgekocht und filtriert. Das Filtrat wurde mit Essigsäure schwach angesäuert, wieder aufgekocht und filtriert. Abgesehen von einigen Papierfasern, erschien das Filtrat in einem Becherglase von 10 em Durchmesser absolut klar. Durch das gleiche Volumen Alkohol absolutus wurde es nicht im geringsten getrübt. Zusatz von Essigsäure und Ferrocyankalium bewirkte auch nach längerer Zeit keine Trühung. Die Biuretreaktion war völlig negativ. Die Hauptmenge der Flüssigkeit wurde mit Ammoniumsulfat in der Kälte gesättigt und filtriert, das Filter mit einer kleinen Menge Wasser ausgespült und diese Flüssigkeit aufgekocht und filtriert. Das Filtrat gab beim Erhitzen mit Salpeter- säure eine schwache Gelbfärbung:; die Biuretprobe fiel dagegen negativ aus. Weiterhin habe ich geprüft, ob das zugesetzte Thymol zu Täuschungen Anlaß geben kann. Eine große Messerspitze voll kristallisierten Ovalbumins, das durch Absaugen von der Mutterlauge möglichst befreit war, wurde in Wasser gelöst und die Lösung im Pergamentschlauch einige Tage gegen destilliertes Wasser dialysiert, bis die Außenflüssigkeit nur noch sehr geringe Schwefelsäurereaktion gab. Der Schlauchinhalt wurde mit einer Lösung von 2 g Thymol in 8 g Alkohol vermischt. Von dem entstandenen reichlichen N hederschlage w urde nach 48 Stunden die überstehende Flüssigkeit abgegossen, der Niederschlag mit Alkohol geschüttelt, der Alkohol abfiltriert und der Niederschlag auf dem Filter mit Alkohol aus- gewaschen. Der Niederschlag hatte keinen Thymolgeruch. Er wurde mit 200 cem Wasser verrieben, unter Zusatz einiger Tropfen Essigsäure auf- gekocht und die Flüssigkeit heiß filtriert. Nach dem Erkalten wurde nochmals filtriert. Das klare Filtrat gab keine Biuretreaktion. Die Essig- säure-Ferrocyankalium-Reaktion zeigte eine Spur der Koagulation ent- gangenen Eiweißes an. Die Hauptmenge der Flüssigkeit wurde mit Ammoniumsulfat gesättigt, wobei nur eine feine Tr übung entstand. Nach 24stündigem Ehen wurde die Flüssigkeit filtriert und das Filter mit heißem Wasser ausgelaugt. Eine albumosenartige Substanz ließ sich nicht nachweisen. — An dieser Stelle muß daran erinnert werden, daß das Thymol bei einigen Eiweiß- resp. Albumose-Reaktionen stören kann. In besonderen Versuchen konnte ich bei Thymollösungen durch Erhitzen mit Millons Reagens Rotfärbung, durch Erhitzen mit Salpetersäure Gelbfärbung mit unmittelbar folgender Trübung erhalten. Man entfernte daher das Thymol durch Anwendung von Alkohol. — Die mitgeteilten Erfahrungen geben keinen Grund zu der Annahme, daß die von mir bei chronischer Nephritis aus dem Blute isolierte Substanz durch Zersetzung koagulabler Eiweißstoffe bei den durch die Unter- suchungsmethode bedingten Manipulationen entstanden ist. — Der positive Befund bei dem Falle von Nephritis veranlaßte mich, auch bei anderen Krankheiten das Blut auf Albunosen zu prüfen. Da sich die Gelegenheit bot, untersuchte ich zunächst das Blut einer an perniziöser Anämie gestorbenen Frau. Der 458 OÖ. Schumm, Tod erfolgte am 26. X. 01. 1'/, Stunden nach dem Tode wurden 307 g Blut entnommen und in einem sterilen Kolben aufgefangen. Nach kurzer Zeit trat Gerinnung ein; die Abscheidung des Serums aus dem Blutkuchen erfolgte rasch. Eine halbe Stunde nach Ein- tritt der Gerinnung ließen sich schon 230 g und nach weiteren 1'/, Stunden noch 43 g Serum abgießen. Der Blutkuchen im Gewichte von 34 g wurde dann mit der gleichen Menge Wasser verrieben und mit Ammoniumsulfat in der Kälte gesättigt. Die Hauptmenge des Serums, reichlich 200 g, wurde ebenfalls mit der gleichen Menge Wasser verdünnt und mit Ammoniumsulfat gesättigt. Ein Teil des Serums wurde zu einigen quantitativen Bestimmungen verwandt. Dabei wurden folgende Werte erhalten: Gesamtstickstoelf. 3-7. re Er Gesamteiweißstoffe. > :.Y27 ans 2.202 Kobulia..2 2375; N Ole... Belege: Bei der Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl erforderten zur Bindung des entwickelten Ammoniaks a) 5 ccm Serum 3,8 cem N-H,SO, \ 037,4 RE NAEET 10 ccm Serum, mit 40 cem Wasser verdünnt, mit Magnesiumsulfat bei 17° gesättigt, Niederschlag auf gewogenem Filter gesammelt, mit ge- sättigter Magnesiumsulfatlösung gewaschen, bei 115° getrocknet, mit heißem Wasser, Alkohol, Ather gewaschen, bei 115° bis zur Gewichts- konstanz getrocknet, gaben 0,2275 g Globulin, darin 0,0024 g Asche. 10 ccm Serum mit 70 ccm Alkohol absolutus; gefällt, Niederschlag auf gewogenem Filter gesammelt, mit Alkohol, Ather gewaschen, bei 115° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet, gaben 0,6150 g Gesamteiweiß- stoffe, darin 0,0132 g Asche. = 0BEN; Die weitere Verarbeitung von Blutkuchen und Serum erfolgte in der gleichen Weise wie bei dem nephritischen Blut. “Der Nachweis einer’ wenn auch nur geringen Menge albumosenartiger Substanz gelang weder beim Serum noch beim Blutkuchen. Gleichfalls mit negativem Erfolge habe ich das Blut eines gesunden Mannes untersucht, der sich erschossen hatte. Es war kurze Zeit nach dem Tode aus dem Herzen entnommen und steril aufgefangen worden. Eine gesonderte Untersuchung von Serum und Blutkuchen wurde nicht ausgeführt, vielmehr wurden 300 cem des Blutes nach 24stündigem Aufbewahren im Eisschrank als Ganzes verarbeitet. Eine albumosenartige Substanz habe ich daraus nicht isolieren können. Dieses Ergebnis spricht zwar nicht dafür, daß im Blute des gesunden Menschen Albumosen in irgend erheblicher Menge vorkommen; indessen bedarf es zur Entscheidung dieser Frage wiederholter Untersuchungen. — Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. 459 Das zu dieser Untersuchung benutzte Material wurde mir von den Herren Dr. E. Fraenkel, Prosektor am Eppendorfer Krankenhause, Dr. Reuter, Prosektor am Hafenkrankenhause, Dr. Kißling, Assistenzarzt an der Direktorialabteilung (Chef: Herr Prof. Dr. Lenhartz) freundlichst zur Verfügung gestellt. Den genannten Herren sage ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank. — Literaturverzeichnis. l. Embden und Knoop, Diese Beiträge, 3, 120 (1903). 2. Langstein, Diese Beiträge, 3, 373 (1903). - 3. Matthes, Berliner Klin. Wochenschrift 1894. XXXVI. Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. Von Dr. med. B. Slowtzoff. Zweite Mitteilung: Der Hungerstoffwechsel der Weinbergschnecke. Im Laufe des vorigen Winters habe ich eine Anzahl im April 1902 in der Umgegend von Heidelberg gesammelter Schnecken chemisch untersucht. Die Tatsachen, die ich in der Mitteilung über das Hungern der Insekten*) zusammengestellt habe, machen es wünschenswert, auch die an den Schnecken gewonnenen Zahlen mitzuteilen. Diese Tiere haben Gehäuse, die als Analogon der Gerüstsubstanz anderer Tiere anzusehen sind, und es lag nahe, deren Verhalten beim Hungern zu verfolgen. Ich habe deswegen nicht nur die Weichteile, sondern auch die Gehäuse auf Wasser-, Asche- und Stickstoffgehalt untersucht und das Verhalten der wasserlöslichen anorganischen Bestandteile (Kalium- und Natrium- salze) zu den wasserunlöslichen (Magnesium- und Kalziumver- bindungen) festgestellt. BE Die Trockensubstanz der Tiere wurde, wie in meiner vorigen Arbeit beschrieben worden ist, auf Äther-, Äther-Alkohol- und Wasserextrakt, sowie auf Aschengehalt untersucht. Da die Schnecken beim Invertieren eine große Menge reduzierender Substanz liefern, habe ich die Menge der letzteren quantitativ nach Allihn bestimmt. (Das Invertieren wurde mit 5 proz. Schwefelsäure vorgenommen und dauerte 24 Stunden.) Der Pentosen- gehalt wurde aus der Menge des Phlorglueidniederschlages (nach Tollens) mit Hilfe der Kröberschen Formel berechnet. Für meine speziellen Zwecke war es am wichtigsten, die Verteilung des Stickstoffes und Phos- phors in den verschiedenen Extrakten zu bestimmen. Der Stickstoff der Eiweißkörper wurde als Rest durch Subtrahieren der Stickstoffmenge der verschiedenen Extrakte von dem Gesamtstickstoff berechnet. Der Phos- phor der Eiweißkörper wurde als Rest berechnet, aber auch direkt be- stimmt. Die Zahlen stimmten gut überein. *) Diese Beiträge 4, 23. Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 461 Die gesammelten Schnecken (Helix pomacea) wurden in einen mit Laub und Gras gefüllten Kasten gelegt und am andern Tage in zwei möglichst gleiche Gruppen geteilt. Dies war nötig, weil die Tiere ihrer Größe nach sehr verschieden waren. Es gelang uns, die Tiere in zwei annähernd gleiche Gruppen zu teilen; die erste (Kontrolltiere) bestand aus 17 Tieren, die 371,1 g wogen (Mittel 21,83 g), die zweite (Karenztiere) aus 18 Stück mit dem Gesamtgewicht 392,9 g (Mittel 21,53 g.) Die Karenztiere wurden in einen ganz trockenen Kasten gelegt und jeden Tag bis zum Tode einzeln gewogen. Die Kontrolltiere wurden ge- tötet, die Gehäuse abpräpariert und für sich gewogen. So konnten #vir die Gewichte der Gesamttiere, der Gehäuse und der Weichteile (Schnecken- leiber) feststellen und das mittlere Verhalten der beiden Teile bestimmen, Die Zahlen sind in der Tabelle I zusammengestellt. Die Weichteile wurden in 95proz. Alkohol bis zur chemischen Bearbeitung aufbewahrt, die Schalen sogleich auf Wasser- und Aschengehalt untersucht. Die Be- arbeitung der Karenztiere geschah in derselben Weise. Tabelle IL Gewicht des Gewicht des Gewicht der ganzen Tieres Gehäuses Weichteile ı1n 8 1n g Ne 21,8 8,4 13,4 19,7 er BerTE 26,5 10,0 EIER 29,8 9,4 13,4 20,2 6,8 13,4 18,6 68 11,8 21,8 7,4 FE 25,4 11,0 14,4 27,0 IE 17,6 21,8 116 10,2 17,6 Ban ö 10.2 21,2 7,8 13,4 20,7 9,4 5 11,3 17,6 6,3 11,3 29,3 10,0 19,3 23,3 9,3 14,0 29,8 8,4 14,4 462 B. Slowtzoff, Aus der Tabelle ersieht man, daß das Gewicht der Gehäuse 144,7 g und das Gewicht der Weichteile 226,4 g ausmacht. Im Mittel wiegt die ganze Schnecke 21,83 g, ihr Gehäuse 851 g (38,99 Proz. des Gesamtgewichtes), das Tier selbst (die Weichteile) 13,32 g (61,01 Proz). Die Gewichte der Karenztiere sind in der Tabelle II angegeben. Tabelle':ItE Gewicht des ganzen Gewicht des Gewicht der Tieres Gehäuses Weichteile ing ing in g 17,0 7,0 10,0 18,8 7,3 11,5 14,0 5,0 9,0 16,9 a: 11,0 14,4 BET 10,0 14,7 er, 10,0 13,7 R 4,7 9,0 18,0 Br Bi 11,0 14,6 5,6 9,0 16,0 | 7,0 9,0 5,1 8,0 17,8 7,8 10,0 162. 4,2 11,0 14,0 4,5 9,5 14,9 | 4,9 10,0 | Wir sehen also, daß die Karenztiere (15 Stück*) im Augenblick des Todes 233,1 g wogen, davon entfielen 148 g (63,49 Proz.) auf die Weichteile und 85,1 g (36,51 Proz.) auf dıe Gehäuse. Im Mittel wiegt das Karenztier 16,21 g, sein Gehäuse 6,34 g und der Schneckenleib 9,87 g. Tabelle II. ale Nach Verlust in Proz. Mittleres Gewicht Er Fr .„. , des ursprünglichen em Hungern em Hungern Görichtad des ganzen Tieres 21,83 16,21 25,74 Proz. der Schale 8,51 6,34 25,50 Proz. der Weichteile 13,32 | 4,87 25,90 Proz. *) Während des Versuches gingen 3 Tiere verloren. Deswegen sind in die Tabelle II und IV nur 15 Stück aufgenommen. | | 00‘0 | ers | 8'sor | 8's83 | 'IA/E || TOT | 80°96 | 876 | 8'798 | "A/6T OH‘ | S9‘9T | ‘sg | 6'165 | "A/F 463 2 . a & oO Te] ai No) — -— [0,0] Ne) ”, e2) ©) cu 2 1 00'0 | er‘6 s'cor 888 IAla | ar‘o | 2085| 8'866 | 829 "Ale 60°0 8r’68 | 5 Col 83%5 | "'IA/I Hro |C6‘re | 9'68 | 5'898 | "AlZI 102°0 | gg‘eı | 8'74 |9‘s08 | "Ale 80°0 | 58'658 | SToOL Y'a0s | "A/TE | 38‘0 | IETE | 868 | 8'695 | 'A/9I ‚00°1 eg) e‘as | T’coe| 'A/I 90°0 | 78'65 | croL | 6'585 | "A/OR |58°0 6875 | 898 | 9018 | "A/ET | 60'0 |E9°EL| 28V | 2'808 |"AT/OE 76'658 | 0201 #086 'TA/EI 880 81'658 EroT | Tea | 'A/6R | eco I8'ES | TICB | 825 "AP 870 | TEEL| PSP | 0'608 |"AT/ER 16‘65 | 6‘901 | 8'083 | "IA /81| 000 | 96‘85 | g'gor | 6'eez | "A/szg |9c‘o | saes| ses |8r23 | "Aleı |88‘0 98eL| Fur | 0018 | 'AT/85 88‘65 | 8'901 9°ogs |"IA/Tı) 80‘0 | 9688 | s’eor | ee | "Alız so 8185 | 818 | 3028| alsı |9so | 8681 | vor \oıte 'arler 88'665 | 8'90T | 908 "IA/ol 80°0 | 86‘85 | FEOT 0'788 | 'A/9a | uro | vrias | 808 5225 | "A/LT |89°T \ar°sı | Frr |o‘e1e | 'AT/9R LL'66 | v‘90T | 0°TEa | "IA/6 | 80°0 .06‘88 | 8E0T | 1745 | 'Alea || 2e‘0 | 261% | S’82 | 6'823 | 'A/or 98:0 FL‘oL | Fe | 0'6Te | "AT/ER LL'66G | #°90L | 0'185 'IA/8| 80°0 | 88'838 | 5'801 ars "Alte |eT'T 0915 | 322 | 6'085 | 'A/6 | 18‘0 8E‘or , T‘2E | g‘ose "ALFA 1,'68 | 8'901 | s1es 'IA/ı || 80°0 | e8‘8g | 1'801 | E'rea | 'Ales | oo‘ı | erioa| Tte1 |ersd "Als ru lıce | ZrE | Bee | Alle 99'685 | 0'901 | F'IEa | 'IA/Y | er‘O | 88'85 | 0'E0T | Fred | 'A/a8 |or‘o | 68‘6T | e‘6n | T'88Z | 'Alı 20T esı | 0'88 |F'6ze | 'AT/A 97°65 | EcoL | 1'865 | "TA/E | 10°5 | 28'858 | PLOT | 0‘9€3 | "A/TZ || 95°T | 69°8T | 8‘g9 | 9‘T6a | "A/9 919 | 919 | 0'865 | rege |'AI/TE "zolg ul Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. ISHLIIASITOTM 94 AOYOIISEL (in « ‘ . ‘ . ‘ . — 97°68 | ECOI | 1‘se8 | "IA/r ||88‘o | 9895 | 876 | E98 | 'Alos |820 |erizı | eg | Te68 | "Als 0| 0| o|rıee AI/0s Be lag all Bar De IE BF a BE rege ale 2 A el oe | | | ep) >) man) ep: 2 mm > : >) : >| > : ei = : er} 21 2. m B 5 ee) 2.5 1% = | ER nn = a = 2,5 = 2» “ale 8 Bee B8| Gilles Bene 58 zZ Lusisselses 53 H8%.Elsseses| 88 55 725 ar. een: > = & al ne u. ıanB “ 33 re —. uB “S7 PB PEB, u ee u RS 4BE$ BEBISSZEIBRE esBEipgigsw3s P35 P E85 29335 Wer YES PES PER SE lHEH mal PS PE8|S55 se8|ıms2 RBal&an se2Ise8|ns8 ®R5o ab sesise2t we | RBo a». |Se8|dgst|mgss8|n3c 28 "Ea Egal 235 EB Ea Fol LE8"Elea"Fol Fa 8:8 Elsa tEo Bo 8288 k - h S > is . > mn =: Sa vn ag ae BEE lad a9 ae rl ae a ae See | ae a ae Ber + + AI: S1IESAR #7 464 B. Slowtzoff, Die Zusammenstellung der mittleren Gewichte der Kontroll- und Karenztiere in Tabelle III zeigt, daß die Gehäuse beim Hungern in demselben Maße wie die Weichteile angegriffen werden. Wir können deshalb nicht annehmen, daß die Gehäuse eine inerte, fast leblose Masse sind, die vom Organismus nur als Schutzdecke ausgeschieden wird, sondern sie sind ein Gewebe, das beim Mangel genau wie die übrigen Teile Not leidet. Die mittlere Kurve des Gewichtsverlustes bei absoluter Karenz läßt sieh aus den Bestimmungen des täglichen Gesamt- gewichts der Karenztiere erhalten. Die Gewichtsverluste der einzelnen Tiere folgen, wie ich mehrmals durch Vergleich er- mittelt habe, im ganzen derselben Kurve, und es wäre zwecklos, die individuellen Schwankungen näher anzuführen. Aus der Tabelle IV ersieht man, daß die Schnecken fast 51 Tage ohne Nahrung bleiben können. Dabei werden fast 30 Proz. des ursprünglichen Gewichtes verbraucht. Was die täg- lichen Gewichtsverluste betrifft, so kann man das ganze Leben der Karenztiere in drei Perioden teilen. Während der ersten (19 Tage) ist der mittlere Gewichtsverlust im Mittel 1,14 Proz., während der zweiten (13 Tage) beträgt derselbe nur 0,55 Proz., während der letzten nimmt er bis 0,05 Proz. ab. Somit wird der tägliche Verlust immer kleiner und kleiner. Eine prämortale Steigerung des Zerfalls, wie bei Maikäfern und höheren Tieren, ist hier nicht festzustellen. Vom 14. bis 15. Tage des Hungerns suchen die Tiere den Wasserverlust zu vermindern, indem sie den Eingang des Gehäuses mit einer dünnen Schichte von Mucin verkleben. Da ich den möglichst schnellen Tod erzielen und die Wasserverluste möglichst normal machen wollte, so zerriß ich jeden Tag diese Häutchen. Bis zum letzten Tag konnten die Tiere sich bewegen, ließen bei Berührung ein schaumartiges Sekret austreten und reagierten auf mechanische und chemische Reize durch Zu- sammenziehen ihres Bauchmuskels. Die Reaktion schien sich etwas langsamer fortzupflanzen, doch habe ich zu spärlich direkte Messungen ausgeführt, um sie hier mitzuteilen. Die Gehäuse wurden allmählich durchsichtiger und brüchiger. Die Resultate der chemischen Untersuchung stelle ich in den nachstehenden Tabellen, und zwar getrennt für Gehäuse und für Weichteile, zusammen. Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels.. 465 Tabelle V. Gehäuse. Normaltiere Karenztiere in der frischen lin der Trocken- in der frischen |in der Trocken- Substanz substanz Substanz substanz Proz. Proz. Proz. Proz. Wasser 0,84 0 1,04 _ Trockensubstanz | 99,16 100,00 98,96 100,00 OrganischeSubstanz 45,01 45,39 43,61 44,07* Gesamt-Stickstoff 0,255 0,257 0,255 0,258 Gesamt-Asche 54.15 54,60 55,35 5598 Wasserlösl. Asche 2,64 2,66 3,21 3,24 Wasserunlösl. Asche 51,51 51,94 52,14 52,69 Man bemerkt schon bei flüchtiger Durchsicht der angeführten Zahlen, daß die Zusammensetzung der Schalen, selbst wenn sie während der Inanition ein Drittel ihres Gewichtes verloren haben, sich kaum geändert hat. Der Gehalt an Stickstoff ist absolut der gleiche. Auch das Verhältnis von Asche und organischer ’ Substanz ist konstant, beim Normaltiere a — 1,26, beim Karenz- tiere en —1,27. Es scheint also, daß bei der absoluten Karenz i ’ das Gehäuse der Schnecken in toto einschmilzt und daß bei dem Verbrauch organische Substanz und Aschenbestandteile in gleichem Maße abgegeben werden. Um eine zutreffende Vorstellung über den absoluten Verbrauch der verschiedenen Bestandteile der Ge- häuse zu gewinnen, ist es nötig, die Zahlen der Tabelle V auf eine bestimmte Zahl von Individuen zu beziehen. Das Ergebnis einer solchen Berechnung ist aus Tabelle VI ersichtlich. (Siehe Tabelle VI auf folgender Seite.) Die angeführten Zahlen zeigen noch deutlicher als die früher angeführten, daß bei der Karenz die Verluste der Gehäuse sich gleichmäßig auf organische und anorganische Substanz verteilen und daß bloß der Wassergehalt und die Menge der wasserlös- lichen Salze ungefähr gleich bleibt. Wenn sich schon die Gehäuse beim Hungern so bedeutend verändern, so ist zu erwarten, daß die Weichteile noch stärker angegriffen werden. Tabelle VII zeigt uns die Zusammensetzung der Weichteile von Normal- und Karenztieren. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 30 466 B. Slowtzoff, Tabelle VI. © N R a N H AN © 258 5 A: 35 oe |43e|48o © n “8 17} 48 IS 204 ,g mn a EN Ar aa © md | AS = 8 8 © SS © an A 309 = a = u 2 & 5 < <ö<ı|£0< a FAHn un za 223 es 10 Stück Normal- Schneckengehäuse \ 85,1 | 0,72 | 84,38) 0,22 | 38,30 | 46,08| 2,24 | 43,84 enthalten g 10 Stück Karenz- Schneckengehäuse |) 63,4 | 0,66 | 62,74| 0,16 | 27,65 | 35,09| 2,03 | 33,06 enthalten g Absoluter Gewichts- verlust in g 21,7 | 0,06 | 21,64, 0,06 | 10,65 | 10,99| 0,21 | 10,78 Gewichtsverlustin Proz. der ursprüng- |-25,74| —8,33 | -25,65/-97,47 -27,81.23,85| —9,37 -24,59 lichen Menge Wie oben erwähnt, ist der Eiweißgehalt der Schneckenleiber nicht direkt bestimmt worden. Wir verstehen darunter den Rest der organischen Substanz nach Extrahieren mit Ather, Alkohol und Wasser und nach Subtrahieren der Zuckermenge, die aus der Trockensubstanz durch Invertieren mit 5proz. Schwefelsäure erhalten wurde. Die berechnete Menge der Eiweißkörper stellt somit nur einen Näherungswert dar, zumal da das Invertieren auch Zucker aus Eiweißkörpern (Mucin) abspaltet. Da aber die Berechnung in den beiden Reihen der Untersuchung dieselbe Näherung:ist, so dürfte es gestattet sein, auch diese Zahlen zu verwerten. (Siehe Tabelle VII auf folgender Seite.) Die Zusammensetzung der Schneckenleiber verändert sich beim Hungern beträchtlich. Die Menge der Trockensubstanz steigt bedeutend an (von 17,86 Proz. auf 22,44 Proz.), was natürlich von Wasserverdunstung bedingt ist. Die Oxydationsprozesse haben den Fett- und Kohlehydratgehalt bis auf ein Minimum, 0,05 Proz. für Zucker und 0,27 Proz. für Fett, vermindert. Die merkwürdigste Erscheinung bei den Karenztieren ist eine beträchtliche Vermehrung der wasserunlöslichen Salze (bzw. der Kalzium- und Magnesiumverbindungen), die aus der Verminderung des Gewichts nicht erklärt werden kann. Die natürlichste Er- klärung dieser Tatsache ist darin zu suchen, daß bei dem Ein- schmelzen der Gehäuse ein Teil der wasserunlöslichen Salze ın den Leib zurücktritt und nicht ausgeschieden wird. Um eine zu- treffende Vorstellung über den absoluten Verbrauch von Fett, Kohlehydrat und anderen Bestandteilen des Schneckenleibes zu ermöglichen, haben wir die Zahlen der Tabelle VII auf je zehn Stück Tiere berechnet. (Siehe Tabelle VIII auf Seite 468.) Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 467 Tabelle VII. Schneckenleiber. Normaltiere Karenztiere Trocken- Frische Trocken- Frische £ substanz in Substanz in substanz in Substanz in Proz. Proz. Proz. Proz. Wasser 0 | 82,14 0 77,56 Trockensubstanz 100,00 17,86 100,00 22,44 Gesamt-Asche 11,28 2,01 8,84 1,98 Wasserlösliche ; che 6,36 1,26 1,64 0,36 Wasserunlösliche 5 „ Asche 4,92 0,75 7,20 1,62 Organische Sub- Bea ie ar 88,72 15,85 91,16 20,46 Ätherextrakt (Fett, Leeithin usw.) 508 0,91 1,20 0,27 Alkoholextrakt 2,56 0,46 0,55 0,12 Wasserextrakt 14,48 2,59 37,51 8,42 Zucker (als Glykose gene) DE hnel) 3,50 0,63 0,22 0,05 Eiweißkörper 63,10 11,26 " 51,68 11,60 Pentosen 0,99 0,17 1,18 0,26 Die Verluste der verschiedenen Substanzen können somit in folgende Reihe gebracht werden: Kohlehydrate (93,98 Proz.), Fette (78,51 Proz.), Alkoholextrakt (80,30 Proz.), wasserlösliche Asche (76,10 Proz.), Wasser (30,02 Proz.), Gesamtasche (27,24 Proz.) und Eiweißkörper (23,70 Proz.) Die Trockensubstanz hat sehr wenig eingebüßt (6,39 Proz.), die Vermehrung der Pentosen fällt in die Fehlergrenzen. Der Abbau der Eiweißkörper ruft eine Verdoppelung der Menge der Extraktivstoffe (141,50 Proz.) her- vor, die Menge der unlöslichen Salze wird um mehr als ein Drittel erhöht. Der absolute Verlust an organischen Substanzen gestattet uns, eine Vorstellung über die Energieeinbuße zu gewinnen, obgleich der kalorische Wert der organischen Substanz des Gehäuses nur annähernd geschätzt werden kann. Vielleicht kann man es als ein Gemenge von Glutin und chitin- artigen Substanzen ansehen und das kalorische Aquivalent im 30* 468 B. Slowtzoff, Tabelle VII. 10 Stück 10 Stück Absoluter Be Normaltiere Karenztiere Gewichts- Er a enthalten g enthalten g verlust in g lichen Men Wasser 109,41 76,55 32,86 — 30,02 Trockensubstanz 23,79 22,15 1,64 — 6,89 Gesamt-Asche 2,68 1,95 0,73 — 27,24 Wasserlösliche 5 ech 1,51 0,36 1,15 — 76,10 _ Wasserunlösliche Asche 1,17 1,59 0,42 —+- 35,90 Organische Sub- _. 21,11 20,20 0,91 — 4,31 Ätherextrakt (Fett, 5 ; Leeithin usw.) 1,21 0,26 0,95 — 7851 Alkoholextrakt 0,61 0,12 0,49 — 80,30 Wasserextrakt 3,44 8,31 4,87 —- 141,50 Kohlehydrate (als 3 Glykose berechnet) 0,83 0,05 0,78 — 93,98 Eiweiß 15,02 11,46 3,56 — 23,70 Pentosen 0,23 0,25 | (+ 0,02) (+8,69) ; * Gesamt-Gewicht 133,20 93,70 | 34,5 25,90 Mittel aus den kalorischen Werten der Eiweißkörper und Kohlehydrate- zu annähernd 4,20 Kal. pro 1 g Substanz annehmen. Die anderen kalorischen Aquivalente werden wie gewöhnlich angenommen. Die Be- rechnung der organischen Substanz als Konchiolin’ würde an der Be- rechnung nicht viel ändern. Der absolute Verlust der Leibessubstanz von zehn Schnecken wird zu 0,95 g Fett, 5,36 g Extraktivstoffe, 0,78 g Kohlehydrat und 3,56 g Eiweißkörper angenommen. Der Verlust an organischer Substanz der Gehäuse ist zu 10,65 g bestimmt. Kalorisch be- rechnet, gibt das folgende Zahlen: 9,46 Kal. X 0,95 = 8,987 Kal. 4,18 „ X 0,78 = 3,2604 „ 4,32 „X 3,56 — 15,3792 „ 4,20 1, ECH Ze 4,780, Summa 72,3566 Kal. Um aber einen richtigen Wert des Energieverlustes zu bekommen, muß man diese Summe um den Kalorienwert der bei dem Zerfall ge- Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 469 bildeten Extraktivstoffe vermindern, deren Menge zu 4,87 g berechnet ist. Ihr Kaloriewert ist somit — 3,154 Kal. X 4,87 —= 15,3610 Kal. Der wirkliche Energieverbrauch wäre danach 72,3566 — 15,3610 Kal. = 56,9956 Kal. pro 54 Tage des Hungerns und pro 218,3 g des Lebendgewichtes. Das macht pro Tag und 10 Stück 1,0555 Kal., pro Tag und Kilo 4,3397 Kal., pro Stunde und Kilo 0,2016 Kal. Den kalorischen Wert der Normaltiere kann man aus ihrer Zusammensetzung berechnen. Sie enthalten 38,30 g organischer Substanz in den Gehäusen, 1,21 g Fett, 15,02 g Eiweißkörper, 0,83 g Kohlehydrate, 4,05 g Behakssioit Das macht: 2,154 Kal. X 3853 == 120,7982 Kal. 946 „ x 121 = 11,4466 „ 4.32 »..% 15,02 =, 61,8864 „, AAe 1.083 = 3,4694 „ Summa 200,6006 Kal. Davon wurden beim Hungern 56,9956 Kal. verbraucht, was ungefähr 28,41 Proz. der ursprünglichen Kalorienmenge ausmacht. Um einen Überblick über die Gesamt-Verluste der Schnecken (Gehäuse und Leiber) zu vermitteln, will ich nachstehend die hierher gehörigen Zahlen in Tabelle IX zusammenstellen. Tabelle IX. 10 Stück 10 Stück Absoluter Ana Normaltiere | Karenztiere Gewichts- ne Be rg enthalten in g | enthalten in g| verlust ing BES Monss Gesamt-Gewicht 218,30 162,10 56,20 — 25,74 Wasser 110,13 77,21 32,92 — 29,21 Trockensubstanz 108,17 84,89 23,28 — 21,52 Gesamt-Asche 48,76 37,04 11,72 — 24,03 ensliche 3,75 2,39 1,36 —a6.d7 Wasserunlösliche " BE. 45,01 34,65 10,36 -— 23,02 Be eete Sub- 59,41 47,85 11,56 — 19,46 Der Hauptverlust fällt auf die wasserlöslichen Salze, von denen ein Drittel (36,27 Proz.) ausgeschieden wird; die organische Substanz wird sehr wenig vermindert. Die Verluste an anderen Bestandteilen schwanken zwischen 29,21 Proz. und 21,52 Proz. Die beobachteten Tatsachen zeigen uns, daß beim Hungern fast ein Fünftel aller Eiweißkörper der Leibessubstanz zerfällt. 470 B. Slowtzoft, Es schien interessant, die Menge der zerfallenen phosphorhaltigen organischen Stoffe zu bestimmen. Die Hauptresultate der Stickstoff- und Phosphorbestimmungen in verschiedenen Extrakten der Leibessubstanz sind in den Tabellen X, XI, XII und XIII zusammengestellt. Tabelle X. Normaltiere Karenztiere Proz.- \ In d 1t Prozen Trocken-| frischen 2% nn substanz | Substanz gedrückt substanz | Substanz gedrückt Gesamt-Stickstoff 1,592 | 100,00 || 9,430 2,116 | 100,00 Stickstoff des Äther- und Alkoholextraktes z Stickstoff des Wasserextraktes 0,207 | 183,02 || 3,225 | 0,724 | 33,42 Eiweißstickstoff 6,911 1,234 77,52 | 5,815 | 1,305 62,44 0,390, 0,087 | 4,14 Tabelle XI Sti fd Stickstoff A Sicnun (Aero. aus War | en | N Ne 20 0,201 0,976 1,644 A RE 0 od 0,086 “or 1,289 ee 0,039 0,115 0,438 0,355 SE NE in ||_ 1,51 Proz. = 57,22 Proz. |+ 158,70 Be 21,59 Proz. Tabelle XII. Normaltiere Karenztiere Proz.- Proz.- Proz.- : Gehalt | pi Gehalt Be y an, der aus- Trocken- Gesamt-P,O, 0,459 | 100,00 | 2,128 P,0, des Äther- und Alkoholextraktes P,O, des Wasser- extraktes 0,048 | 10,55 || 0,182 0,145 | 31,61 || 0,652 P,O, der Eiweißkörper 0,266 57,84 | 1,294 Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 471 Tabelle XIII. PO, des P,O, des ; Gesamt-P,O, | Alkohol-Ather- Wasser- an. extraktes extraktes iweißkörper 10 Stück Normal- 0,611 0,065 0,193 0,353 tiere enthalten g 10 Stück Karenz- 0,471 0,041 0,145 0,285 tiere enthalten g Absolute | Veränderung 0,140 0,024 0,048 0,068 2 Veränderung in PETE FEUER, SIE Proz. — 22,91 — 29,31 — 24,87 — 19,29 Die Tabellen X und XI lehren, daß beim Hungern der Gehalt verschiedener Extrakte an Stickstoff sich stark verändert. Der Stickstoff des Ätheralkoholextraktes wird um 57,22 Proz. ver- mindert, der Stickstoff der Eiweißkörper um 21,59 Proz. Die letztere Zahl stimmt gut mit der Verminderung der Eiweißkörper (siehe Tabelle VIII 23,70 Proz.). Der Stickstoff der Extraktiv- stoffe wird bedeutend vermehrt (um 158,7 Proz.), was auch der Vermehrung der Extraktivstoffe im allgemeinen (141,50 Proz.) entspricht. Die Veränderungen des Phosphorsäuregehaltes sind nicht groß. Der Prozentgehalt bleibt nahezu der gleiche. Die Ab- spaltung des Phosphors aus den Eiweißkörpern, die auf den Zerfall der Nucleine und Nucleoalbumine hindeutet, beträgt 19,29 Proz. Bei Schnecken geht also der Verbrauch der Eiweiß- körper dem Zerfalle der phosphorhaltigen Eiweißkörper parallel. Die Pentosen bleiben aber, so wie es schon früher an Maikäfern festgestellt wurde, beim Hungern ganz unverändert. Wenn wir die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfassen, so kommen wir zu folgenden Schlüssen. 1. Bei absoluter Karenz verbrauchen die Schnecken 25,74 Proz. des Gesamtgewichtes und etwa 28,41 Proz. ihres gesamten Energie- vorrates. 2. Die täglichen Gewichtsverluste nehmen allmählich ab. Eine prämortale Steigerung scheint nicht einzutreten. 3. Die Gewichtsverluste beziehen sich nicht nur auf die Leibes- substanz, sondern auch auf die Gehäuse, welche fast 25,50 Proz. ihres ursprünglichen Gewichtes verlieren. 4. Bei den Gehäusen werden gleichmäßig alle Bestandteile vermindert. Nur das Wasser und wasserlösliche Salze scheinen sich sehr wenig zu verändern. Das Verhältnis der organischen 472 B. Slowtzoft, zur unorganischen Substanz bleibt in den Gehäusen der Normal- und Karenztiere dasselbe. 5. Die Verluste der Leibessubstanz der Schnecken betreffen vorzugsweise Fette, Kohlehydrate und Wasser. 6. Die Verluste zeigen folgende Reihenfolge: Kohlehydrate (93,98 Proz.), Fette (78,51 Proz.), Wasser (30,02 Proz.), Gesamt- asche (27,24 Proz.) und Eiweißkörper (berechnet) (23,70 Proz.). 7. In den Weichteilen erfolgt beim Hungern eine Vermehrung der wasserunlöslichen Salze (bis 35,9 Proz.). 8. Während des Hungerns verbrauchen die Schnecken pro 24 Stunden und pro Kilo 4,834 Kal, pro Stunde und Kilo 0,202 Kal. 9. Die phosphorhaltigen Eiweißkörper werden mäßig ange- griffen, so daß nur etwa 19 Proz. des Eiweißphosphors abge- spalten wird. Die Menge der Pentosen scheint sich nicht zu verändern. | Analytische Belege. Kontrolltiere, Gehäuse. Trockensubstanz bei 110° C. BA nen IE ai AR — ‚99,18. Proz OB TITTEN ee Mittel 99,16 Proz. Gesamtasche. \ IB ES ne 2 EEE — 54.07 Proz Dar ee N — 544 , Mittel 54,155 Proz. Wasserunlösliche Asche. 1,1296 g Asche, davon unlöslich 1,0742 8 . — 95,10 Proz. 19840 8... 1777. 1 om. II WIREISTIS ET ZZ Mittel 95,12 Proz. Gesamtstickstoff. 2608. .:..: 2 ce N-Bäure Spar KUREN BIP a ee 20 5C. I —. (36 ” Mittel 0,255 Proz. Karenztiere, Gehäuse. Trockensubstanz bei 110° C. 2 8.775685... vv = BT 0,0996:.8.. 7,8, aa Be Een Mittel 98,96 Proz. Gesamtasche. Da EN REN — 55,28 Proz. BREI EN ERERN NS IR AO — re aa rare are —_ ur Mittel 55,35 Proz. Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 473 Wasserunlösliche Asche. 0,3950 g Asche, davon unlöslich 0,3720 8 . . . . = 94,18 Proz. 0.6035 & rn ei. a ee 0 7: Mittel 94,20 Proz. Gesamtstickstoff. nn 2 3-26 ce I N-Säure_ — 05 Proz: een, 9 ne Mittel 0,25 Proz. Kontrolltiere. Ätherextrakt. 2 Y1:':1:00° — a Proz. en. 2,0050. Bl gg =), y Mittel 5,08 Proz. Alkoholwasserextrakt. en ne. 083387 8 RN 39 Beer 2... 0a. RN. tel 8,64 Proz. Wasserextrakt. en . 0,8. 2. 1446 Proz. er VER Er ee , Mittel 14,48 Proz. Zuckerbestimmung. rn: .7. .. 2. 00162 g Glykose . = 3,40 Proz. 2 ee 17 17:11: — 860 „ el 3,50 Proz. Gesamtasche. ee, .» QlMBh.E Asche _. = 11,31 Proz. re re. DO... eiBb. , Mittel 11,28 Proz. davon wasserunlöslich 0,0649 & — 4,94 Proz. RL 8) Mittel 4,925 Proz. Pentosenbestimmung. 3,1098 8 . . 0,0248 g Phlorglucidniederschl. —= 0,0302 g Pentose — 0,970 Proz. LE. ... 47. re, Mittel 0,989 Proz. Gesamtstickstoff. nn 0, 8h8.cc. !ıu N-Säure = 8,90 ‚Proz. een. 0.0 BE nr. ei r Mittel 8,915 Proz. Stickstoff des Alkoholätherextraktes. en 8-0 Bäure.- ,; , = 0809 Proz. 2,7516 8 In72n,00. Zr si , Mittel 0.813 Proz. 474 B. Slowtzoff, Stickstoff des Wasserextraktes. 6,592». a Er BB ee 2,7516. nn REN RE ee BB ap. IE 2 Mittel 1,161 Proz. Phosphor des Alkoholätherextraktes. 6592 8 .-. 22.2... 00956 g P,kMg,0, = 0,248 Proz. P,@8 SEBLE - = »"2v.0 7001808 ;, 25, 2 Mittel 0,271 Proz. P,O, Phosphor des Wasserextraktes. 6,5925. . 2.2.5. -0,0846 g P.M8,0, = 0,806 Proz To DNS Km NET 5, SEO — 0,818: „. "Ts Mittel 0,812 Proz. P;,05 Gesamtphosphor. 248708 : ..: 2... 0,1004 8 P,M2,0, = 2574 Pre Fi Br rd re! Au 0, Nittel 2,569 Proz. P,O, Phosphor der Eiweißkörper. 079088 . . 2... «0,0192 g P,Mg,0, = 1,548 Foz 7 a Karenztiere. Atherextrakt. R BABES. a a RE — 1,123 Proz. 358 E82... EEREREE — tel 1,203 Proz. Alkoholätherextrakt. BAGS N. nn ee — 1,707 Pros SBIGLE na 1 are FE —, ET ital 1,752 Proz. Wasserextrakt. BAGBEE INT. 2.0 a WEBUBB Bi: DS Rarr e 3,6962 Bir. ua Nr un a T PEBBAB ER Re Mittel 37,51 Proz. Zuckerbestimmung. BEE nr rn al Ei Er DEIB0 8.1 0 ..% 0.20.0000. 00010 BR Mittel 0,220 Proz. Aschebestimmung. j 0,6794 8 . » .» . . 0,0598 g Gesamtasche . . = 8,80 Pros 05356 8.5 »-: 2,3 DOEBE SS An l Mittel 8,845 Proz. davon wasserunlöslich 0,0487 g = 7,17 Proz. 0,0430 8 = 7,4 „ Mittel 7,20 Proz. Pentosenbestimmung. 2,4216 8 . 0,0240 g Phlorglucidnied. 0,0296 g Pentose — 1,19 Proz. 2,5168 8 . 0,0242 8.5.9.9. 72. 32.00998 8): 2 Ver r Mittel 1,185 Proz. Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hungerstoffwechsels. 475 Gesamtstickstoff. ee 090.2 37,7 ce. Säure Da et Proz. ner). .... ..:58,0 cc. Säüre El ZA NE: |. Mittel 9,43 Proz. Stickstoff des Alkoholätherextraktes. ee... 2080er euer Proz 2 2 ZORLRCE ERS IEET SER; Mittel 0,39 Proz. Stickstoff des Wasserextraktes. re RB ee Bro, ee ER PLEH Er € | 2 ee > Mittel 3,225 Proz. Phosphor des Alkoholätherextraktes. er 770,0, 0,0080: Mg, P,0,: = 0,185 Proz... P,0, ee OR . 6180 „ 7750; Mittel 0,1825 Proz. P, O, Phosphor des Wasserextraktes. Ber... ,._. 0,0852 8 Mg,P,0, = 0,647 Proz. P,O; 720050. ehr „PO, Mittel 0,652 Proz. P,O, Eiweißphosphor. Ber, 0,7. 0,0140 8 Mg, P,0, = 1280 Proz.’P,0, rn... 00182 g ae LE FE, Mittel 1,282 Proz. P, 0, Gesamtphosphor. 7 5 - 0,0302. 8 M2, PO, = 2,196 Proz. P,O, en 2.03 .0,0872 8 Mg, PO, = 2130: ,. P,O, Mittel 2,128 Proz. P,O, XXXVI. Über das Plastein aus kristallisiertem Ovalbumin und über das Verhalten der Plasteinalbumosen zur Magen- und Dünndarmschleimhaut des Hundes. Von D. Kurajeff. Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der Universität Charkow. Die vorliegende Arbeit stellt eine Fortsetzung der von mir unternommenen Untersuchungen über die Plasteine und Koagulosen dar, d. h. über die Niederschläge, welche bei Einwirkung von Labextrakt und Papayotin auf Albumosengemenge entstehen. Im folgenden teile ich die Resultate von Untersuchungen über das Plastein aus kristallisiertem Ovalbumin, sowie einige Versuche mit, die ich angestellt habe, um das Verhalten der Plastein- albumosen zur Magen- und Dünndarmschleimhaut festzustellen. I. Plasteine aus dem kristallisierten Ovalbumin. Das kristallisierte Ovalbumin wurde genau nach der Methode von Hopkins aus 100 Eiern dargestellt und einmal umkristallisiert. Das gut abgepreßte Präparat wurde im Wasser gelöst, durch Kochen koaguliert und durch Waschen mit heißem Wasser vom Ammonsulfat befreit. Zu 540 g gut abgepreßten geronnenen Albumins wurden 8 Liter Wasser, 135 ccm 25proz. Salzsäure und 2 g Pepsinum Grübler zugesetzt. Die Mischung wurde in den auf 40° © eingestellten Brutschrank gebracht. Nach drei Tagen wurden von der Flüssigkeit 6 Liter entnommen, der Rest weiterer Verdauung unterworfen. Die 6 Liter Verdauungsflüssigkeit wurden mit Soda neutralisiert, von einem geringen Niederschlage ab- filtriert und auf dem Wasserbade auf 750 ccm eingedampft. Die er- haltene Albumosenlösung wurde unter häufigem Erhitzen zwei Monate lang aufbewahrt. 1. Darstellung des Plasteins A. Zu 350 cem der 15,2 Proz. feste Stoffe enthaltenden Albumosen- lösung wurden 5 ccm 12,5proz. Salzsäure zugesetzt; dabei bildete sich ein geringer flockiger Niederschlag. Dann wurde die Flüssigkeit mit 100 ccm Wasser versetzt und nach einigen Stunden abfiltrier. Zum Über das Plastein aus kristallisiertem Ovalbumin usw. 477 klaren sauren Filtrat wurden 40 ccm etwa 3proz. Lablösung*) zugesetzt und die Mischung in den Brutschrank bei 40° C gesetzt. Schon nach einigen Minuten trübte sich die Flüssigkeit stark, und bald bildete sich ein starker feinflockiger weißer Niederschlag. Nach 36 Stunden wurde der Niederschlag abfiltriert, abgepreßt und in 200 cem Wasser zerteilt. Auf Zusatz von 180 cem „Natronlauge löste er sich vollständig. Die Flüssigkeit wurde abfiltriert, mit viel Wasser verdünnt und mit Salzsäure neutralisiert. Der gebildete, sehr voluminöse Nieder- schlag wurde Re und in 200 cem Wasser verteilt. Auf Zusatz von einigen cem „Natronlauge löste er sich vollständig. Die alkalische Lösung wurde lich mit viel Wasser verdünnt und mit Salzsäure gefällt**). Der voluminöse Niederschlag wurde lange Zeit mit Wasser, darauf mit kaltem und heißem Alkohol und mit Äther ausgewaschen. Das Plastein wurde zuerst bei gewöhnlicher Temperatur, dann, nach Zerreiben, bei 105 bis 115° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet (Plastein A). Lufttrocken wog das Plastein A 3,9 g, d. h. etwa 7,3 Proz. auf die Trockensubstanz der verwendeten Albumosenlösung be- rechnet. Das erste Filtrat vom Plastein A wurde neutralisiert, aufgekocht, vom gebildeten Niederschlage abfiltriert und mit etwa 3proz. Papayotinlösung bei durch Soda hergestellter schwach alkalischer Reaktion versetzt. Über Nacht bildete sich nur ein sehr geringer Niederschlag. 2. Darstellung der Koagulose. Zu 400 cem der 15,2proz. Albumosenlösung wurden 5 cem 10 proz. Sodalösung und 40 ccm etwa 3proz. Papayotinlösung hinzugesetzt und die Mischung in den Brutschrank bei 40° © gestellt. Sehr bald bildete sich eine Trübung und ein feinflockiger Niederschlag. Nach 24 Stunden wurde die Flüssigkeit aus dem Brutschrank herausgenommen und einen Tag lang bei Zimmer-Temperatur aufbewahrt. Dann wurde der gebildete reichliche Niederschlag abfiltriert und abgepreßt. Er erwies sich als in verdünnter Natronlauge (0,5 bis 1 proz.) nur teilweise löslich. Er löste sich selbst in einer viel konzentrierteren Natronlauge nicht vollständig. Solche stark alkalische Koaguloselösung wurde von mir nicht verarbeitet, weil sie keine Garantie für das Intaktbleiben der Substanz bot. Das Filtrat von der Koagulose wurde in analoger Weise wie in Ver- such 1 mit Lablösung behandelt. Ich erhielt nur etwa 1,5 g lufttrockenes Plastein. 3. Darstellung des Plasteins B. Wie früher gesagt, überließ ich 2 Liter der Verdauungsflüssigkeit vom kristallisierten Ovalbumin weiterer Verdauung. Nach 18 Tagen wurde die ganz klare Lösung mit Soda neutralisiert, vom sehr spärlichen *) 1,5 g Labpulver Witte einen Tag lang bei gewöhnlicher Temperatur mit 50 ccm Wasser digeriert. **) Bei dem geringsten Überschuß von Säure löst sich der Niederschlag sofort wieder. 478 D. Kurajeff, Neutralisationsniederschlage abfiltriert, auf dem kochenden Wasserbade eingeengt und mehr als einen Monat lang unter häufigem Erhitzen auf- bewahrt. Darauf wurden zu 200 ccm 16,1proz. Albumosenlösung 3 cem 12,5proz. Salzsäure zugesetzt und die Mischung eine Nacht lang stehen gelassen. Nach Abfiltrieren vom gebildeten, geringen Niederschlage wurde die saure Flüssigkeit mit 20 ccm etwa 3proz. Lablösung versetzt und in den Brutschrank bei 40° C gestellt. Nach zwei Tagen wurde der ge- bildete, ziemlich reichliche Niederschlag abfiltriert, abgepreßt und in 200 ccm Wasser zerteilt. Auf Zusatz von 5 cem 10proz. Natronlauge löste sich der Niederschlag vollständig. Weitere Bearbeitung der Lösung und des Niederschlags geschah wie beim Plastein A. Die lufttrockene Substanz (Plastein B) wog 2,35 g, d. h. 7,3 Proz. auf den Trockenrückstand der verwendeten Albumosen- lösung berechnet. 4. Zusammensetzung des Plasteins A und B. Die erhaltenen Plastein-Präparate A und B gaben die Biuret- reaktion, Molischs und Adamkiewiczs Probe. Auch die Sahwereibleireskiän fiel sehr scharf aus. Die Bestimmung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs Sure durch Verbrennung der mit Kupferoxyd gemischten Substanz im Platinschiffehen im offenen Rohr mit Kupferoxyd und vorgelegter reduzierter Kupferspirale im Luft- und Sauerstoffstrome. Der Stickstoff wurde nach Dumas be- stimmt. Die Schwefelbestimmung wurde durch Schmelzen der Substanz mit Soda-Salpetergemisch ausgeführt. Die Asche wurde durch Ver- brennung der Substanz im Platintiegel bestimmt. Die Analysen gaben folgendes Resultat: Plastein A. 1. 0,2476 g gaben 0,5336 g CO, == 58,77 Proz. C DSG En. Siebe D,0, > er 2.020485 7, DIEB Ze 0206er „ DIEB ERO TOT H 3. 0,2384 8 „. OBEN 4 DAs66 8%, "0.0800 Ba5D, > ra 5. 0,2108 g „ Spuren von Asche. PilasLe1in.B, 6. 0,2444 g gaben 0,5280 g 00, = 58,92 Proz. C DAR: 5 AO TER re 7. 0,2736 8 5 DOSE EN E15, N 8. 0,2854 g ,„ Spuren von Asche. Plastein A Plastein B Proz. Pro, 58,77; 58,88 C a 58,92 58,82 1:37, 692 H a 1,22 7,34 N 14,44 14,31 S 1,24 = Asche Spuren Spuren en Zi a Über das Plastein aus kristallisiertem Ovalbumin usw. 479 5. Ergebnisse. Aus den angeführten Tatsachen geht hervor, daß die albu- mosenartigen Pepsinverdauungsprodukte des kristallisierten Oval- bumins in ähnlicher Weise wie diejenigen der nicht kristallisierten Eiweißkörper zur Plastein- und Koagulosebildung befähigt sind. Die elementare Zusammensetzung des Plasteins aus dem kristallisierten Ovalbumin zeigt dieselbe Eigentümlichkeit, welche auch für Plasteine von anderer Herkunft gefunden worden ist, d. h. einen hohen Kohlenstoff- und verhältnismäßig niedrigen Stickstoffgehalt. Die Menge und die Zusammensetzung der gewonnenen Plasteine ist auffallenderweise ganz gleich, ob die Plasteine nach drei- oder achtzehntägiger Pepsinverdauung des kristallisierten Ovalbumins erhalten sind. Diese Tatsache zeigt, daß die plasteinogene Substanz (viel- leicht handelt es sich um ein Gemenge mehrerer solcher Sub- stanzen) schon nach dreitägiger Pepsinverdauung vom Molekül des Ovalbumins abgespalten ist und sich sogar bei weiterer lang- dauernder Pepsinverdauung quantitativ nicht mehr verändert. Auf Grund der vorliegenden und meiner früheren Be- obachtungen kann man mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Lab- und Papayotinniederschläge, d. h. Plasteine und Koagulosen, chemisch einheitliche Körper sind. In nächster Zeit beabsichtige ich, die kristallinischen Spaltungsprodukte der Plasteine zu untersuchen. Zum Schluß muß ich noch hinzufügen, daß ich überein- stimmend mit W. Okunew aus Pepsinverdauungsprodukten der Gelatine kein Plastein und keine Koagulose erhalten konnte. Möglicherweise ist diese Tatsache nicht nur von chemischer, sondern auch von physiologischer Bedeutung. Es liegt die Ver- mutung nahe, daß im Molekül der echten Eiweißkörper eine be- sondere eiweißartige plasteinogene Gruppe von hervorragender physiologischer Bedeutung enthalten ist. Die Albuminoide, Gelatine und Keratin [eigentlich die künstlich dargestellten eiweiß- artigen Spaltungsprodukte des Keratins]*), welche bekanntlich als Nahrungsmittel die echten Eiweißkörper gar nicht ersetzen können, sind der Plasteinbildung (Okunew und ich) nicht fähig. Schon A. Danilewski, Okunew und Lawrow**) bemühten sich, ein „echtes Pepton“ zu erhalten, welches alle Eiweiß- *) S. Zipkin, Über Einwirkung des Keratins in der Nahrung auf morphologische Prozesse im Organismus. Diss. 1896. St. Petersburg. **) Die Literatur siehe in meinen früheren einschlägigen Arbeiten. 480 D. Kurajeff, reaktionen und dazu noch die Plasteinreaktion geben würde. Doch sahen sie in solchem „Pepton“ kein Spaltungsprodukt, sondern nur ein hydriertes Eiweißderivat, was mit den jetzt be- kannten Tatsachen nicht im Einklang steht. I. Verhalten der Plasteinalbumosen zur Magen- und Dünndarm- schleimhaut des Hundes. Um der Aufklärung der physiologischen Bedeutung der Plasteine näher zu treten, unternahm ich eine Reihe von Unter- suchungen an Tieren. Die Frage bedarf der Untersuchung in mehr- facher Richtung: a) Fütterungsversuche mit Plasteinen einerseits und mit plasteinfreien Albumosen andererseits; b) Untersuchung des Verhaltens der Plasteine oder besser der Plasteinalbumosen zur Magen- und Dünndarmschleimhaut (und zu anderen Organen) usw. Die hochinteressante Arbeit von K. Gläßner*) aus Hofmeisters Laboratorium, welche zum ersten Mal eine Rückverwandlung der Albumosen in koagulable Stoffe mit Sicherheit beweist, veranlaßte mich, zuerst das Verhalten der Plasteinaibumosen zur Magen- und Dünndarmschleimhaut zu untersuchen. Im folgenden teile ich die Resultate von drei einschlägigen Versuchen mit und behalte mir die weitere Untersuchung in dieser Richtung vor. Bei der Anstellung der Versuche folgte ich im allgemeinen dem Verfahren von K. Gläßner, G. Embden und F. Knoop“*). Wie erwähnt, benutzte ich für meine Versuche statt des Plasteins selbst die Albumosen, welche ich bei der Pepsinver- dauung daraus erhalten hatte. Ein solches Plasteinalbumosen- gemisch reagiert mit Lab oder Papayotin schon in verdünnter (zwei- und mehrproz.) Lösung sehr gut, d. h. bildet reichliche Niederschläge von den allgemeinen Eigenschaften des Plasteins. Es war von Interesse, zunächst das Verhalten solcher Plastein- albumosenlösungen zur Magen- und Dünndarmschleimhaut usw. zu untersuchen. 1. Darstellung der Plasteinalbumosen. 100 g Wittepepton wurden in 700 ccm Wasser beim Erwärmen auf- gelöst. Die Lösung wurde mit Salzsäure neutralisiert, aufgekocht und nach dem Abkühlen abfiltriert. Zur erhaltenen Peptonlösung wurden 20 ccm 12,5 proz. Salzsäure und 80 cem etwa 3proz. Lablösung hinzugesetzt. Nach zweitägigem Verweilen im Brutschrank wurde die Flüssigkeit von dem sehr volumi- nösen Niederschlage abfiltriert; die Filtration ging schlecht von statten. *) K. Gläßner, Diese Beiträge 1, 328. **) 8. Embden und Knoop, Diese Beiträge 3, 120. L- ade Über das Plastein aus kristallisiertem Ovalbumin usw. 481 Der voluminöse, noch viel Flüssigkeit enthaltende Niederschlag wurde durch Zusatz von Natronlauge gelöst, die Lösung mit viel Wasser ver- dünnt, abfiltriert und mit Salzsäure neutralisiert. Der gebildete volumi- nöse Niederschlag wurde noch einmal in der angegebenen Weise behandelt. Die schließlich mit Salzsäure neutralisierte alkalische Plasteinlösung wurde auf dem Wasserbade aufgekocht. Der ausgeschiedene höchst voluminöse Niederschlag wurde dabei feinflockig und konnte darauf leicht abfiltriert und mit heißem und kaltem Wasser ausgewaschen werden. Nach dem Auswaschen mit Alkohol wurde das Plastein an der Luft getrocknet, dann gepulvert. Lufttrocken wog es etwa 6,5 g. In solchem Zustande wurde es einen Monat lang aufbewahrt. Darauf wurden zu 6,5g Plastein 300 ccm 0,5 proz. Salzsäure und ein wenig Pepsinum Grübler zugesetzt und die Mischung in den Brutschrank bei 40° C. gestellt. Uber Nacht löste sich das Plastein fast vollständig. Nach viertägiger Ver- dauung gab die saure Flüssigkeit beim Neutralisieren einen nicht unbe- deutenden Niederschlag (nicht verändertes Plastein), der abfiltriert wurde*). Dann wurde die Flüssigkeit aufgekocht und auf dem Wasser- bade eingedampft. Die eingedampfte Plasteinalbumosenlösung reagierte mit Lab und Papayotin sehr rasch und gut. Die für den ersten Magen- versuch verwendete Plasteinalbumosenlösung enthielt in 10 ccm 0,06468 g N oder, wenn man den ganzen Stickstoff auf Eiweiß mit 15 Proz. N berechnet, etwa 4,3 Proz. Eiweiß. Ich muß noch hinzufügen, daß meine Plasteinalbumosenlösung, mit dem mehr- fachen Volumen einer iproz. Lösung von primärem Natrium- phosphat (NaH,PO,) verdünnt, beim Kochen keine Spur von Niederschlag gab. Auch beim Versetzen einer solchen verdünnten Plasteinalbumosenlösung mit dem halben Volumen saurer ge- sättigter Zinksulfatlösung entstand kein Niederschlag. 2. Versuche an Hunden. Versuch 1. Ein kleiner Hund wurde 2!/, Stunden nach Fleisch- fütterung durch Verblutenlassen aus beiden Karotiden getötet. Der Magen war mit unverdauten Fleischstücken gefüllt. Er wurde längs der beiden Kurvaturen in zwei Hälften geteilt, sorgfältig vom Inhalt befreit, die Schleimhaut rasch abpräpariert, mit warmer 0,8 proz. Kochsalzlösung gewaschen und zwischen Papier abgepreßt. Darauf wurden die beiden Schleimhauthälften gut zerkleinert, in gewogene Kolben eingebracht und gewogen. Der Schleimhautbrei reagierte schwach sauer. Inden einen Kolben - wurden 10 ccm der neutralisierten, oben erwähnten Plasteinalbumosenlösung eingebracht und gut umgerührt. Die gut verschlossenen Kolben wurden 3 Stunden bei 40° gehalten, dann wurde der Inhalt mit °/« Volumen I proz. Mononatriumphosphatlösung versetzt und am Rückflußkühler 20 Minuten lang gekocht. Nach dem Abkühlen wurde die Flüssigkeit mit der Phosphatlösung auf ein bestimmtes Volumen aufgefüllt, gut ge- *) Ich muß hier bemerken, daß ganz frisch dargestelltes Plastein sich bei Pepsinverdauung rasch löst und verdaut. Schon nach 24 Stunden be- kommt man nur einen sehr geringen Neutralisationsniederschlag. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. s1 482 D. Kurajeff, mischt, nach einigen Stunden eine gemessene Menge davon (120 ccm) mit dem halben Volumen gesättigter Zinksulfatlösung, der auf 100 Volumteile 0,4 Volumteile konzentrierter Schwefelsäure hinzugesetzt waren, versetzt, von dieser Flüssigkeit nach 24stündigem Stehen eine bestimmte Menge (30 ccm) abfiltriert und zur Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl benutzt. Solche Magenschleimhautfiltrate opalisierten immer stark, waren aber ganz durchsichtig. Alle Stickstoffbestimmungen wurden doppelt ausgeführt. a— Gewicht des Magenschleimhautbreies, der mit 10 ccm Plastein- albumosenlösung versetzt wurde = 26,9 8; b = Gesamtvolumen der diesen Schleimhautbrei enthaltenden Flüssig- keit—= 440 ccm; c—= Menge der Flüssigkeit, die mit dem halben Volumen gesättigter Zinksulfatlösung versetzt wurde =120 ccm; d = Volumen der zu !/, mit Zinksulfat gesättigten Flüssigkeit = 180 ccm; e— Zur N-Bestimmung verwendetes Volumen der letzten Flüssigkeit — 0 Cem}, f = Neutralisierte Menge 10" „>ehwefelsäure — 7,6 ccm; g—Für das Gesamtvolumen der Flüssigkeit — 440 — berechnet : a N 7,6...180 . 440 © sich die Menge neutralisierter Säure, ,., — JoGa come Für die andere Hälfte der Magenschleimhaut waren die entsprechen- den Zahlen: aı ZZ 23:5 g C,=120 ccm ‚=150 ccm e, =30 ccm fh, =>5 ccm 8,—=107,5 ccm oder auf 26,9 g der Magenschleimhaut berechnet — 113,4 ccm. Die 10 ccm Plasteinalbumosenlösung entsprechende Menge — -Säure ist —46,2 ccm (0,06468 g N). Wenn keine Rückverwandlung der Plasteinalbumosen statt- gefunden hätte, so hätten wir mindestens 113,4 + 46,2 = 159,6 ccm -;"säure verbrauchen müssen. Tatsächlich haben wir 167,2 cem ver- braucht, somit 7,6 ccm mehr, d. h. wir haben 10,64 mg Stick- stoff mehr gefunden, als man erwarten konnte. Auf Grund der erhaltenen Resultate muß man schließen, daß unter den angegebenen Versuchsbedingungen keine Rück- verwandlung der Plasteinalbumosen im Magenschleimhautbrei stattgefunden hat. Es ıst auffallend, daß die beiden sauren zu '/; mit Zinksulfat gesättigten Filtrate bei der vollständigen Sättigung mit Zinksulfat nur Spuren von Trübung zeigten, die Biuretreaktion aber sehr ausgesprochen gaben. Daraus muß man schließen, daß die beiden Über das Plastein aus kristallisiertem Ovalbumin usw. 483 Filtrate nur Spuren von Albumosen enthielten und die hinzu- gesetzten Plasteinalbumosen sich in Peptone event. in weitere Spaltungsprodukte verwandelt hatten. Zum Schluß sei bemerkt, daß sich die frisch durch Lab in Plasteinalbumosenlösung gebildeten Niederschläge beim Kochen mit viel NaH, PO,-Lösung nicht lösen. Versuch 2. Ein mittelgroßer Hund wurde 6 Stunden nach Fleisch- fütterung durch Verblutenlassen aus beiden Karotiden getötet. Der Magen war mit unverdauten Fleischmassen halb gefüllt. Die weitere Bearbeitung war dieselbe, wie im Versuch 1, nur wurden zu der einen Hälfte der Magenschleimhaut 20 ccm Plasteinalbumosenlösung, zur anderen 20 ccm 0,8 proz. Na Cl-Lösung hinzugesetzt. Der Magenschleimhautbrei war n@utral oder nur eben sauer. Ergebnisse: — — 430 ccm — 120 ccm — 180 ccm Ze 30.60ecM = 41,1 ccm g —= 238,65 ccm. =D 0 SB Für die andere Hälfte der Magenschleimhaut sind die entsprechen- den Zahlen: a, — 34,9 g D, = 440 ccm c; = 120 cem d, = 180 ccm e, = 30 ccm 1, 5=.9.55:ccm g, — 210,1 ccm oder, auf 35,35 g berechnet — 212,8 ccm, Die den 20 cem Plasteinalbumosenlösung entsprechende Menge n-Säure — 99,8 ccm. Wenn keine Rückverwandlung der Plasteinalbumosen statt- gefunden hatte, so war für die erste Schleimhauthälfte verlangt: g = 212,8 + 99,5 = 312,6 ccm. Tatsächlich wurden gefunden nur 238,65 ccm. Es fehlen also 73,95 ccm N Säure oder 0,10353 g 10 Stickstoff — 74,1 Proz. der ganzen mit 20 ccm Plasteinalbumosen- lösung zugesetzten Stickstoffmenge. Bei der Sättigung der Filtrate d und d, mit Zinksulfat bildete sich im Gegensatz zum ersten Versuch ein nicht unbedeutender Albumosenniederschlag. Versuch 3. Dem in Versuch 2 verwendeten Hund wurde sofort nach dem Tode ein Dünndarmstück (Jejunum) entnommen, längs des Mesenterialansatzes eröffnet, vom Inhalt auf das gründlichste (Auspressen zwischen den Fingern und Waschen) gereinigt. Zuletzt wurde das gereinigte Darmstück mit der Schere der Länge nach in zwei möglichst symmetrische 31* 484 D. Kurajeft, Teile zerschnitten. Die übrige Bearbeitung geschah wie im Versuch 2. Das Verweilen im Brutschrank dauerte nur 2 Stunden. Ergebnisse: = IRB b = 400 ccm c = 120 ccm d ==:180 ccm e. =.]BOL.CEM I. =. Hö:nch g = 230 ccm. Für die andere Hälfte des Dünndarmstückes sind die entsprechenden Zahlen: a, = 88,68 g b, = 390 com c, = 120 ccm d, = 180 ccm 8, = 39. Cem ie = =81B.c0m g, = 158,92 ccm, oder auf 39,92 g berechnet = 164 ccm. Die den 20 cem Plasteinalbumosenlösung entsprechende Menge N. 19’päure — 99,8 ccm. Wenn keine Rückverwandlung der Plasteinalbumosen statt- gefunden hatte, so mußte man für die erste Dünndarmhälfte g — 164 + 99,8 — 263,8 ccm Säure finden. m haben wir nur 230 ccm erhalten. Es fehlen also 33,8 ccm 5 —-Säure, d.h. 0,04732 g Stickstoff oder 33,9 Proz. des mit 20 ccm Plastein- albumosenlösung zugesetzten Stickstoffs. Bei der Sättigung der Filtrate d und d, mit Zinksulfat bildeten sich feinflockige Albumosenniederschläge (mehr im Filtrat d). 3. Schluß. Wegen der geringen Zahl der Versuche möchte ich aus dem Mitgeteilten keine endgültigen Schlüsse ziehen. Es bedarf noch weiterer Untersuchungen und Kontrollversuche in dieser Richtung. Doch kann man wohl schon jetzt auf Grund meiner Magen- versuche von einer Umwandlung der Plasteinalbumosen in koagu- lable Stoffe durch die Magenschleimhaut mit einiger Wahrschein- lichkeit reden. Bemerkenswert ist die auffallende Überein- stimmung der Resultate meiner Magenversuche mit denjenigen von K. Gläßner. Dieser Autor konnte keine Rückverwandlung der in der Magenschleimhaut enthaltenen Albumosen konstatieren, wenn er den Hund im Beginn der Verdauung (3 Stunden nach Fleischfütterung) tötete und für den Versuch benutzte; dagegen war die Rückverwandlung der Albumosen 4'/, bis 8 Stunden nach der Fütterung sehr ausgesprochen. Über das Plastein aus kristallisiertem Ovalbumin usw. 485 Ganz dieselbe Erscheinung konnte auch ich in meinen Magen- versuchen konstatieren. Im Hinblick auf diese auffallende Über- einstimmung wäre es höchst interessant, die in der Magen- schleimhaut während der Verdauung vorfindlichen Albumosen näher zu untersuchen, event. ihre ausgesprochen plasteinogene Eigenschaft festzustellen. Die weitere Bearbeitung der hier an- gedeuteten Fragen behalte ich mir vor. Die beschriebenen Tierversuche wurden mit Hilfe von Dr. A. Nürnberg, dem ich meinen besten Dank ausspreche, aus- geführt. “ AÄXXVIN. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen der schwefelhaltigen Eiweißabkömmlinge. Dritte Mitteilung. Über die Konstitution der Merkaptursäuren. Von E. Friedmann, | Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg. Baumann und Preuße*) haben für die Merkaptursäuren folgende Formel aufgestellt: CH, CH,.CO.NH—C—SC,H,X | COOH Nach dieser Formel wären diese Substanzen Derivate eines a-Cysteins**): Die Tatsachen, auf Grund deren Baumann und Preuße die Merkaptursäuren als aa-substituierte Propionsäurederivate an- sprachen, sind einmal in dem Auftreten von Gärungsmilchsäure bei der Reduktion dieser Säuren mit Natriumamalgam in der Kälte, dann in der leichten Bildung von Brenztraubensäure bei der Alkali- spaltung zu suchen ***), Das Vorhandensein eines Acetylrestes ergab sich aus der Bildung von Essigsäure bei der Einwirkung von Säuren auf die MerkaptursäurenTf), die Bindung des Acetylrestes an eine *) Baumann und Preuße, Zeitschr. f. physiol. Chemie 5, 309. **) E. Friedmann, Diese Beiträge 3, 1. ***), Baumann und Preuße, loc. eit. S. 319 u. 326. 7) Baumann und Preuße, loc. eit. S. 315. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 487 Aminogruppe durch die Zurückbildung von Merkaptursäure*) bei Einwirkung von in Benzol gelöstem Essigsäureanhydrid auf den bei der Säurespaltung erhältlichen, von Baumann und Preuße Bromphenyleystein genannten Körper. Die Bindung des Brom- phenylrestes an den Schwefel der Merkaptursäuren*) wurde durch das Auftreten von Bromphenylmerkaptan bei der Alkalı- spaltung bewiesen. Auch die von König“) in Baumanns Laboratorium dar- gestellten Oxydationsprodukte der Merkaptursäuren zeigten in ihrer leichten Zersetzlichkeit durch Alkali ein Verhalten, das gut zu der von Baumann vertretenen Anschauung über die Könsti- tution der Merkaptursäuren paßte. Baumann erschien die a-Stellung sowohl der Aminogruppe, wie des Bromphenylmerkaptanrestes so sicher begründet, daß er die Synthese der Merkaptursäuren in Angriff nahm. Weiß), der diese Versuche ausführte, ging vom Alanin (I) aus, dessen Benzoylphenylester (II) er der Einwirkung von Phosphorpenta- chlorid unterwarf. Das so erhaltene aa-substituierte Produkt (III) wurde mit Bromphenylmerkaptan in Reaktion gebracht, der resul- tierende Körper (IV) sollte den Phenylester des Benzoylbrom- phenyleysteins darstellen: II CH, CH; | CH ..NH, CH.NH.CO.C,H, | | COOH 009, 05H, III IV CH, CH; | SE, BrC;H,S.C.NH.CO.C,H, | C0,.C,;,H, C0,.0,H, Auffallend war, und Weiß betont dies besonders, daß es nicht gelang, das aus diesem Ester dargestellte Amid zur Säure zu ver- seifen, vielmehr trat bei dahin zielenden Eingriffen völlige Zer- setzung ein. Jedoch gelang es S. Fränkel’rf) auf Veranlassung von Bau- mann, von den Merkaptursäuren ausgehend zu Substanzen zu *) Baumann, Berl. Ber. 18, 266. *) Baumann und Preuße, loc. eit. $. 319. ***) König, Zeitschr. f. physiol. Chemie 16, 547. 7) Weiß, Zeitschr. f. physiol. Chemie 20, 407. 17) 8. Fränkel, Zeitschr. f. physiol. Chemie 20, 435. 488 E. Friedmann, kommen, deren Verhalten dem der von Weiß dargestellten syn- thetischen Produkte analog war. (Verglichen wurden der oben erwähnte Benzoylphenylester und sein Amid.) Die beobachteten Abweichungen im Schmelzpunkt und in der Kristallform der be- treffenden Körper erklärt S. Fränkel daraus, daß es sich bei den Derivaten der Merkaptursäuren um optisch aktive, bei den vom Alanin aus synthetisch erhaltenen Produkten um Racem- körper handelte. Ein Versuch jedoch, von racemisierten Merkap- tursäuren Vergleichspräparate zu gewinnen, wurde nicht ausge- führt. Es können daher die auf diese Synthese der Merkaptur- säuren sich -stützenden Argumente nicht einwandsfreie Beweis- kraft beanspruchen. Unter dem reichhaltigen Tatsachenmaterial, mit dem Bau- mann seine Auffassung über die Konstitution der Merkaptur- säuren stützen konnte, findet sich einzig eine Beobachtung von König*), die aus dem Rahmen des sich auf Grund der übrigen Erfahrungen Baumanns über die Konstitution der Merkaptur- säuren ergebenden Bildes herausfällt. König erhielt nämlich unter den Oxydationsprodukten der Merkaptursäuren eine Sub- stanz (I), die nach Abspaltung des Acetylrestes (II) und Ersatz der Aminogruppe durch die Hydroxylgruppe (III) unter der Einwirkung von Alkali nicht, wie erwartet, Brenztraubensäure und Chlorbenzol- sulfinsäure lieferte. Die aa-Substitution erwies sich in diesem. Falle als beständig, und das einzige Resultat der Alkalibehandlung war die Entstehung eines Anhydrids (IV): I II CH; CH; | | aD NH,.0.8S0,.0,H,C1 COOH COOH III IV CHs CH, : CH, | | OH.C.SO,.0;H,Cl C1C;,H,S0,.C—0—C.S0,.C;,H,C1 | | COOH COOH COOH König vergleicht diese Anhydridbildung mit dem Verhalten der Thiophenyloxypropionsäure, die von Baumann**) bei der Ein- wirkung von Phenylmerkaptan auf Brenztraubensäure erhalten war, und die ebenfalls unter bestimmten Bedingungen zur Anhy- dridbildung in dem oben gekennzeichneten Sinne befähigt ist. *) H. König, Zeitschr. f. physiol. Chemie 16, 525. **) Baumann, Berl. Ber. 18, 266. EN, "ER RE Va a; ei BE TE ni a Aa 1a Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 489 = CH, CH; | 0sH,;8.C. OH — 0H,S.0-0—-C.SC,H, COOH COOH a Bedenkt man aber, daß die Thiophenyloxypropionsäure bereits durch Wasser in Brenztraubensäure und Phenylmerkaptan zer- legt wird, während die Chlorphenylsulfopropionsäure Königs gegen Wasser beständig ist, ferner daß die Anhydridbildung hier durch Phosphoroxychlorid erzielt wird, während sie dort eine Folge der Alkalieinwirkung ist, so ergibt sich, daß die Grund- lagen zur Konstruktion dieser Analogie doch etwas zweifelhaft sind. Scheinen so Gründe chemischer Natur dahin zu drängen, die Frage nach der Konstitution der Merkaptursäuren von neuem aufzuwerfen, so kommen Erwägungen physiologischer Natur hinzu, die es notwendig erscheinen lassen, diese Frage zur Ent- scheidung zu bringen. In einer früheren Mitteilung*, habe ich zeigen können, daß ein Zusammenhang zwischen den nach der Baumannschen Formel konstituierten Merkaptursäuren (Il) und dem Eiweißceystein (Il) auszuschließen ist, da erstere Derivate eines a-Cysteins sind, letzteres aber ein f-Cystein ist. I II IH CH; ‚7 99.88 CH, | | | CH,.CO.NH.C.SC,E,X CH.NH; CH.SH | | | COOH COOH COOH. Da ich ferner a-Thiomilchsäure (III)**) als Spaltungsprodukt der Keratinsubstanzen und des Serumalbumins nachgewiesen habe, so war die Möglichkeit einer synthetischen Bildung der Merkaptur- säuren von dieser a-Thiomilchsäure aus nicht ganz von der Hand zu weisen. Für die tierexperimentelle Bearbeitung dieser Frage ist aber die Sicherstellung der Konstitution der Merkaptursäuren eine kaum zu umgehende Vorbedingung. Bei der Konstitutionsbestimmung der Merkaptursäuren kann es sich, wie aus dem anfangs Gesagten ersichtlich ist, nur darum handeln, ob in dem ihnen zugrunde liegenden Propionsäurekern ‚die #-Stellung besetzt ist oder nicht, da eine Substition in a-Stellung sowohl aus der Bildung von Brenztraubensäure bei der Alkali- spaltung, wie aus dem Auftreten von Gärungsmilchsäure bei der Reduktion mit Sicherheit abzuleiten ist. *) E. Friedmann, Diese Beiträge 3, 1. *) E. Friedmann, Diese Beiträge 3, 184. 490 E. Friedmann, Demnach kommen für die Merkaptursäuren folgende Formeln in Betracht — ich wähle der Bequemlichkeit wegen die Amino- bromphenylthiopropionsäure (Baumanns Bromphenyleystein): I 11 113 CH; CH,.SC;H,Br ;, OH,.SH, | | NH,;.C.SC,;H, Br CH.NH, CH . SC;H,Br | | | COOH COOH COOH. Formel I entspricht der Baumannschen Auffassung der Konstitution der Merkaptursäuren. Nach Formel II wären sie Abkömmlinge des Eiweißeysteins, nach Formel III wären sie Derivate eines a-Thio--aminocysteins. Das zur Konstitutionsbestimmung notwendige Ausgangs- material wurde aus nach Brombenzolfütterung erhaltenem Hunde- harn dargestellt. 1. Darstellung des Ausgangsmaterials*). Die Applikation des Brombenzols geschah in der Art, daß mittelgroßen kräftigen Hunden bei reichlicher Fleischfütterung je 5 g Brombenzol in Gelatinekapseln täglich verfüttert wurden. Nach dem fünften oder sechsten Tage wurde die Fütterung einen Tag ausgesetzt. Zur Darstellung der Merkaptursäuren aus dem so erhaltenen Hundeharn wurde, wie folgt, verfahren. Der Harn wird mit !/ıo Volumen konz. Salzsäure (Spez.-Gew. 1,19) versetzt und 10 Tage stehen gelassen. Nach dieser Zeit wird vom kristallinischen Bodensatz, der zum größten Teil aus Merkaptursäure be- steht, abgegossen. Die Kristalle werden im Becherglase durch wieder- holtes Aufrühren mit Wasser gereinigt und das Dekantieren fortgesetzt, bis die über den Kristallen stehende Flüssigkeit nur noch schwach gelb gefärbt ist, darauf im selben Gefäße mit 10proz. Ammoniak in der Wärme zur Lösung gebracht, und die braune, heiße, ammoniakalische Lösung durch ein Tierkohlenfilter hindurchgesaugt. Nach dreimaligem Passieren des Tierkohlenfilters in der Wärme ist die ammoniakalische Flüssigkeit nur noch schwach gelb gefärbt. Sie wird zur Kristallisation eingeengt. Das beim Erkalten auskristallisierende Ammoniumsalz wird abgesaugt und scharf von der Mutterlauge abgepreßt. Es ist in der Regel nur noch wenig gefärbt. Zur Abscheidung der freien Merkaptur- säure wird das Ammoniumsalz in die 20fache Menge heissen Wassers eingetragen. Nach erfolgter Lösung wird in der Wärme mit verdünnter *) Das zu dieser Untersuchung notwendige Ausgangsmaterial habe ich mir in der chemischen Abteilung des physiologischen Instituts der Universität Berlin dargestellt. Herrn Prof. Thierfelder bin ich für die Freundlich- keit, mit der er mir erlaubte, in seinem Laboratorium als Gast zu arbeiten, zu großem Danke verpflichtet. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 491 Schwefelsäure angesäuert. Der größte Teil der Bromphenylmerkaptur- säure fällt sofort aus, der Rest nach zwölfstündigem Stehen im Eisschrank. Dieses Verfahren entspricht im wesentlichen den von Bau- mann und Schmitz“) bei der Darstellung der Jodphenylmerkaptur- säure gemachten Angaben. Beim Arbeiten nach der Vorschrift, die Baumann und Preuße zur Isolierung der Merkaptursäuren angegeben haben, gelang es mir nicht, Merkaptursäure in ge- nügender Menge zu erhalten, auch machte sich bei diesem Ver- fahren die Anwesenheit von Kynurensäure stets unangenehm bemerkbar. Die Ausbeute an Merkaptursäure entsprach den von Bau- mann und Preuße gemachten Erfahrungen. Es konnten nach Verfütterung von 100 g Brombenzol 25 bis 30 g Bromphenyl- merkaptursäure isoliert werden. Aminobromphenylthiopropionsäure (Baumanns Brom- phenylcystein). Bromphenylmerkaptursäure wird den Angaben von Baumann und Preuße entsprechend mit der dreißigfachen Menge verdünnter Schwefel- säure (1 Tl. Schwefelsäure, 4 Tle. Wasser) ®/, Stunden am Rückflußkühler gekocht. Nach dieser Zeit ist völlige Lösung eingetreten. Die schwach gefärbte Flüssigkeit wird in der Wärme mit 10Oproz. Ammoniak nahezu neutralisiert und mit Ammoniumkarbonat schwach übersättigt. (Ein Verdünnen mit dem mehrfachen Volumen Wasser, wie es Baumann und Preuße vorschreiben, habe ich unterlassen, weil ich hierdurch weder ein reineres Produkt noch eine größere Ausbeute erzielte.) Die ausgeschiedene Aminobromphenylthiopropionsäure schwimmt zum größten Teil als schlammige Masse an der Oberfläche der Flüssigkeit, sie wird nach dem völligen Erkalten abgesaugt und mit kaltem Wasser ausge- waschen. Die Ausbeute ist quantitativ. AT. Über die Stellung des Bromphenylmerkaptanrestes in der Brom- phenylmerkaptursäure. Zur Bestimmung der Stellung des Bromphenylmerkaptanrestes in der Bromphenylmerkaptursäure bin ich denselben Weg ge- gangen, den ich bei der Untersuchung der dem Cystein zugrunde liegenden Thiomilchsäure mit Erfolg beschritten habe. Ich habe versucht nach der Reaktion von Jochem“**) durch Einwirkung von Natriumnitrit auf Aminobromphenylthiopropionsäure in konzen. triert salzsaurer Lösung die Aminogruppe durch Chlor zu ersetzen, um von der so erhaltenen Verbindung durch Reduktion zu der den Merkaptursäuren zugrunde liegenden Bromphenylthio- *) EE Baumann und P. Schmitz, Zeitschr. f. physiol. Chemie 20, 586. **) Jochem, Zeitschr. f. physiol. Chemie 31, 119. 492 E. Friedmann, milchsäure zu gelangen. Denn die Betrachtung der drei für die Merkaptursäuren möglichen Formeln ergibt, daß einem nach der Formel I oder III gebauten Bromphenyleystein eine Bromphenyl- a-thiomilchsäure, einem nach der Formel II sich ableitenden Körper dagegen eine Brompbenyl-/-thiomilchsäure zugrunde liegen muß. A. Einwirkung von Natriumnitrit auf Aminobromphenylthiopro- pionsäure in konzentriert salzsaurer Lösung. 1. Versuch. 5 g Aminobromphenylthiopropionsäure werden in 200 cem konzen- trierter Salzsäure (Spez. Gew. 1,19) suspendiert und durch Rühren mittelst Turbine in feiner Suspension gehalten. In dieses Gemisch wird eine Lösung von 15 g Natriumnitrit in 30 ccm Wasser innerhalb zwei Stunden eingeträufelt. Die Reaktion tritt langsam ein und nimmt allmählich an Intensität zu. Nach beendetem Zusatz des Nitrits schwimmt eine ölige, breiige Masse an der Oberfläche der Flüssigkeit, eine weiße kristallinische Masse befindet sich auf dem Boden des Gefäßes, die Flüssigkeit selbst ist hellgelb gefärbt. Das Reaktionsgemisch wird 12 Stunden sich selbst über- lassen, darauf mit Äther überschichtet und durch energisches Rühren die auf der Oberfläche schwimmende Schicht in Lösung gebracht. Nach er- folgter Lösung wird abgesaugt, die auf dem Filter zurückbleibenden, schneeweißen Kristalle werden einige Male mit Ather nachgewaschen. Die Menge der zurückbleibenden Kristalle beträgt 11,4 g. Sie bestehen zum größten Teil aus Kochsalz und wenig unveränderter Amino- promphenylthiopropionsänre. Das wässerige, ätherische Filtrat dieser Kristalle wird im Scheide- trichter getrennt, und die so erhaltene wässerig salzsaure Lösung vier- mal mit Ather ausgeschüttelt. Sowohl der ätherische Auszug, wie die wässerige, salzsaure Lösung wurden untersucht. Es war zu vermuten, daß die erwartete Chlorbromphenyl- thiopropionsäure im ätherischen Auszug vorhanden wäre. Die ätherischen Extrakte werden vom Äther befreit. Beim Ab- destillieren des Athers entwickeln sich zum Schluß der Operation nitröse Dämpfe. Der Rückstand wird in wenig Ather gelöst und die ätherische Lösung im Vakuum über Schwefelsäure eingedunstet:. Die Menge des Rückstandes beträgt 3 g. Nach dreitägigem Stehen ist ein Teil desselben kristallinisch erstarrt. Die Kristalle bleiben beim UÜbergießen des Rück- standes mit wenig Ather zurück, ihre Menge beträgt 1,3 g. Die von diesen Kristallen abgegossene ätherische Flüssigkeit lieferte 1,7 g eines öligen Körpers, der auch nach tagelangem Stehen keine Neigung zum Kristallisieren zeigte, Es waren also im ätherischen Auszuge zum mindesten zwei Körper vorhanden, eine kristallinische und eine ölige Substanz. Dem ausgeschiedenen kristallinischen Körper haftet der eigentümliche, faulige Geruch des Bromphenylmerkaptans an. Der Schmelzpunkt liegt bei 130 bis 131°. Nach einmaligem Umkristallisieren aus Ather, in dem die Kristalle jetzt schwer löslich sind, steigt der Schmelzpunkt auf 147 bis 148°, nach zweimaligem auf 149° und bleibt bei weiterem Umkristalli- | Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 493 sieren konstant bei 149°. Es wurde eine Elementaranalyse und eine Halogenbestimmung dieses Körpers ausgeführt. Zur Analyse wurde die Substanz im Vakuum über Schwefel- säure getrocknet. 0,1818 g Substanz gaben 0,2351 g CO,, entspr. 35,27 Proz. © und 0.0465 _ H,O, „ a: 0,1820 g Substanz gaben 0,1114 g AgBr, „, 36.0 eier: Die Zahlen ergeben, daß die vorliegende Substanz eine Oxy- bromphenylsulfopropionsäure ist. Ber. f. C,H, 0, SBr. Gef. (6 34,94 Proz. 35,27 Proz. . H Ba‘, 2,86 Br, 2586, 26.05 x, Die Substanz ist in kaltem Äther schwer löslich, ebenso in kaltem Wasser. Dagegen löst sie sich in beiden Lösungsmitteln in der Wärme, ohne beim Erkalten wieder auszufallen. Die wässerige Lösung setzt aber auf Zusatz von Säuren sofort einen kristallinischen Niederschlag ab, der aus unveränderter Oxybrom- phenylsulfopropionsäure vom Schmelzpunkt 149° besteht. Beim langsamen Auskristallisieren aus heißem Wasser scheidet sich die Substanz in schönen, durchsichtigen Nadeldrusen aus, die kristallwasserhaltig sind, beim Stehen an der Luft opak werden und verwittern. Der Körper gibt mit konzentrierter Schwefel- säure keine charakteristische Farbenreaktion und ist in reinem Zustand geruchlos. Die ätherische Mutterlauge dieser Oxybromphenylsulfopro- pionsäure, die nach Abdestillieren des Äthers 1,7 g eines öligen Körpers geliefert hatte, enthielt die gesuchte Chlorbrom- phenylthiopropionsäure. Ihre Reinigung geschah in der Art, daß sie mit Äther auf- genommen und die ihr anhängende Salzsäure durch wiederholtes Waschen mit Wasser entfernt wurde. Sie wurde nach Abdestil- lieren des Äthers als gelbes Öl erhalten, das beim Behandeln mit Alkalı Salzsäure und Bromphenylmerkaptan abspaltete. Letzteres wurde als Disulfid vom Schmelzpunkt 81° identifiziert. Neben den beiden im Ätherauszuge vorhandenen Körpern, der Oxybromphenylsulfopropionsäure und der Chlorbromphenyl- thiopropionsäure, war bei der Einwirkung von Nitrit auf Amino- bromphenylthiopropionsäure die Entstehung von noch zwei anderen Körpern nachzuweisen, die in der vom ätherischen Auszug ge- trennten, wässerig salzsauren Flüssigkeit vorhanden waren und wie folgt, isoliert wurden. Nach längerem Stehen im Eisschrank scheiden sich aus der wässerig salzsauren Lösung schöne, gut ausgebildete Nadeln aus, die leicht braun 494 E. Friedmann, gefärbt sind. Sie werden abgesaugt. Ihre Menge beträgt 0,6 g. Beim Einengen des Filtrats dieser Kristallisation wird eine zweite kristallinische Ausscheidung von 0,5 g erhalten. Die beiden Kristallisationen werden getrennt in der gleichen Weise verarbeitet. Beide werden in der Wärme in möglichst wenig absolutem Alkohol gelöst. Beim Stehen in der Kälte scheiden sich schöne, blättrige Kristalle aus. Dieselben werden abge- saugt. Sie sind, einmal aus der alkoholischen Lösung isoliert, in Alkohol unlöslich. Ihr Schmelzpunkt liegt bei 192°. In konzentrierter Schwefel- säure gelöst und erwärmt, färben sie die Lösung blaugrün, eine Reaktion, die das Vorhandensein eines Bromphenylmerkaptanrestes anzeigt. Mit Natronkalk erhitzt, geben sie Ammoniak ab. Da nur 0,08 g analysen- reines Produkt erhalten werden konnte, mußte von einer Analyse Abstand genommen werden. Jedoch machten es die angegebenen Reaktionen wahrscheinlich, daß der vorliegende Körper eine Aminobromphenyl- thiopropionsäure ist. Es soll später noch einmal auf diesen Körper eingegangen werden. \ Neben dieser Aminobromphenylthiopropionsäure vom Schmelz- punkt 1920 war eine Aminobromphenylsulfopropionsäure nachzuweisen. Zu ihrer Isolierung wird das alkoholische Filtrat des oben be- sprochenen Körpers stark eingeengt und in der Kälte mit dem mehr- fachen Volumen Essigäther versetzt. Es beginnt sofort eine Kristallisation von kleinen weißen Nadeln. Nach beendeter Ausscheidung werden die- selben abgesaugt. Ihre Menge beträgt 0,6 g. Von neuem in Alkohol gelöst und mit dem mehrfachen Volumen Essigäther versetzt, scheiden sie sich nicht sogleich wieder aus, wohl aber beginnt sofort eine reichliche Kristallisation bei gelindem Erwärmen dieser essigäther-alkoholischen Lösung auf dem Wasserbade. Die Analyse der im Vakuum über Schwefelsäure getrockneten Substanz gab die für Aminobromphenylsulfopropionsäure verlangten Zahlen. | 0,1306 .g Substanz gaben 0,1675 g CO,, entspr. 34,98 Proz. C und 0,0449 „ H,O, entspr. 3,85 Proz. H. 0,1284 g Substanz gaben 5,89 ccm N (749,5 mm, 23,1°). Ber..T.. 5,H,0,NBrS Gef. C 35,05 Proz. 34,98. Proz. H 47 3,85 „, N 460, 5,00 „ Die Substanz schmilzt bei 196° unter Zersetzung. Mit Natron- kalk geglüht, entwickelt sie Ammoniak. Mit konzentrierter Schwefelsäure gibt sie nur eine Braunfärbung. Eine Aminobromphenylsulfopropionsäure vom Schmelzpunkt 163 bis 164° ist bereits von König in seiner Arbeit über die Oxydationsprodukte der Merkaptursäuren beschrieben werden. Diese gab ebenso wie die von mir erhaltene Säure mit konzentrierter Schwefelsäure Braunfärbung. Die Differenz im Schmelzpunkt erklärt sich vielleicht daraus, daß König eine optisch aktive Substanz in den Händen gehabt hat, ich dagegen vermutlich eine optisch inaktive. Allerdings ist die Größe der Differenz auffällig. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 495 Es konnten also unter den Produkten der Einwirkung von Natriumnitrit auf Aminobromphenylthiopropionsäure unter den ge- schilderten Bedingungen neben unveränderter Aminobromphenyl- thiopropionsäure vom Schmelzpunkt 181 bis 182”, Oxybromphenyl- sulfopropionsäure, Chlorbromphenylthiopropionsäure, eine Amino- bromphenylthiopropionsäure vom Schmelzpunkt 192° und eine Aminobromphenylsulfopropionsäure von Schmelzpunkt 196° nach- gewiesen werden. Ob die beim Abdestillieren des Athers sich entwickelnden nitrösen Dämpfe der Ausdruck einer nachweislichen, nachträglichen Oxydation waren oder nicht, so daß an Stelle oder neben der erhaltenen Oxybrom- phenylsulfopropionsäure auch die entsprechende Oxybromphenylthio- propionsäure bei der Reaktion entstanden wäre, habe ich nicht feststellen können. Ich habe nach dieser Säure gesucht, aber vergeblich. Sie wäre interessant, weil sie, die Richtigkeit der Baumannschen Formel voraus- gesetzt, mit der von Baumann durch Einwirkung von Bromphenyl- merkaptan auf Brenztraubensäure erhaltenen Säure identisch sein müßte. Der eben geschilderte Versuch zeigt neben der Vielseitigkeit des Reaktionsverlaufes, wie spärlich die Ausbeute an der ge- suchten Chlorbromphenylthioprepionsäure unter den beschriebenen Bedingungen ist. Ich habe daher, um die zur Reduktion nötigen Mengen zu erhalten, die Bedingungen der Einwirkung des Nitrits ändern müssen und bin nach einigen vergeblichen Versuchen auf folgendem Wege zum Ziele gelangt. 2. Versuch. 5 g Aminobromphenylthiopropionsäure vom Schmelzpunkt 181° w en in der fünffachen Menge rauchender Salzsäure suspendiert und unter Eis- kühlung bei leichtem Schwenken des Reaktionsgefäßes mit einer konzen- trierten Lösung von 5 g Natriumnitrit langsam versetzt. Nach Zusatz von etwa 2,5 g Nitrit wird die Operation unterbrochen, das Gefäß aus dem Eis herausgenommen, bis die begonnene Reaktion bei Zimmertemperatur beendet ist. Nachdem dies geschehen ist, wird mit dem Nitritzusatz fort- gefahren, zu Anfang unter Eiskühlung bis zu dem Punkte, wo die teigige Konsistenz des Reaktionsproduktes augenfällig wird. Jetzt wird bei Zimmertemperatur weiter diazotiertt. Da nach Zusatz von 5 g Nitrit noch immer nicht unbeträchtliche Mengen des Ausgangsmaterials unver- braucht sind, wird noch ein weiteres g Nitrit bei Zimmertemperatur hinzu- gesetzt. Nachdem dies geschehen ist, schwimmt das Reaktionsprodukt als braunes Öl auf der Oberfläche der salzsauren Lösung. Zur Ver- jagung der Stickoxyde wird etwa eine Stunde Luft durch das Reaktions- gemenge geleitet, darauf das Öl mit Ather aufgenommen, die ätherische Lösung durch Waschen mit Wasser von anhängender Salzsäure befreit und der Ather abdestilliert. Die Ausbeute an tkeriöslichem Produkt be- trägt 4 g. Oxybromphenylsulfopropionsäure war in diesem Falle nicht gebildet worden. Nachdem dieser Versuch ausreichende Mengen Chlorbrom- phenylthiopropionsäure geliefert hatte, war zu hoffen, daß bei der 496 E. Friedmann, Reduktion etwa entstehende Bromphenylthiopropionsäure auch identifiziert werden könnte. B. Reduktion der Chlorbromphenylthiopropionsäure. 1..YVersuch, 2 g Chlorbromphenylthiopropionsäure werden mit 60 ccm Salzsäure (1 TI. Wasser, 5 Tle. konzentrierter Salzsäure) übergossen und nach Zusatz von granuliertem Zinn bei Wasserbadtemperatur reduziert. Dabei wird auf- fallend viel Bromphenylmerkaptan abgespalten. Das der Reduktion unterworfene Ol zeigt keine wahrnehmbare Veränderung. Nach 1'/,stündiger Reduktion wird die heiße Flüssigkeit vom ungelösten Zinn abgegossen und das zurückbleibende Zinn einige Male mit Wasser abgespült. Die abgegossene Flüssigkeit, aus der sich ein schweres, rasch erstarrendes Ol zu Boden senkt, trübt sich beim Erkalten und scheidet nach einigem Stehen in der Kälte schön ausgebildete Kristalle ab. Die Reinigung dieses Reduktionsprodukts, das die gesuchte Bromphenylthiopropionsäure enthalten sollte, war wegen des schwer zu beseitigenden Bromphenylmerkaptans mit großen Ver- lusten verbunden. Das kristallinisch erstarrte Öl, wie die ausgeschiedenen Kristalle werden abgesaugt, mit Wasser ausgewaschen, in Soda gelöst und die trübe Lösung mit Salzsäure angesäuert. Es entsteht sofort eine dicke milchige Trübung, die rasch ein zum größten Teil erstarrendes, gelbes Ol absetzt neben spärlichen, weißen, blättrigen Kristallen. Nachdem die Flüssigkeit völlig klar geworden ist, wird abgesaugt und der Rückstand von neuem in Soda in der Wärme gelöst, die trübe Sodalösung abgekühlt und nach 24stündigem Stehen das ausgeschiedene Dibromphenyldisulfid abfiltriert. Die Filtration muß durch ein Barytfilter geschehen, da das Disulfid große Neigung hat, durch das Filter hindurchzugehen, und wird wiederholt, bis ein klares Filtrat erhalten wird. Da dasselbe gelb gefärbt ist, wird es in der Kälte mit Tierkohle andauernd geschüttelt. Nach Entfernung der Tierkohle wird angesäuert, aber auch diesmal haftet dem ausgeschiedenen Produkte eine ölige Verunreinigung an. Erst als ge- funden wurde, daß die Kristalle unter Zurücklassung eines Teiles der öligen Beimengung in Petroläther löslich waren, gelang es, zu einem sauberen Körper zu kommen. Beim Eindunsten der Petrolätherlösung kristallisiert die Substanz in zu Drusen vereinigten Blättchen aus, deren Schmelzpunkt bei 112 bis 113° liegt. Von neuem in Soda gelöst und mit Salzsäure ausgefällt, steigt der Schmelzpunkt auf 115 bis 116° und bleibt jetzt bei erneutem Umfällen konstant. Von den Eigenschaften dieses Körpers ist sein Verhalten gegen konzentrierte Schwefelsäure besonders hervorzuheben. Übergießt man nämlich die trockene Substanz mit konzentrierter Schwefel- säure und erwärmt gelinde, so färbt sich sehr bald die Schwefel- säure schön kirschrot, bei weiterem Erwärmen wird die Farbe purpurrot, um bei starkem Erhitzen nach einer unbestimmten Zwischenfarbe tiefsmaragdgrün zu werden. Die rote Farbe ver- schwindet sofort auf Zusatz von Wasser. Ein charakteristischer Absorptionsstreifen ist nicht vorhanden. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 497 Die Ausbeute an diesem Körper war unter den geschilderten Bedingungen so gering, daß kaum zu hoffen war, die zur Analyse nötige Menge Substanz zu erhalten. Da nun bei der Reduktion mit Zinn und Salzsäure in der Wärme eine erhebliche Bromphenyl- merkaptanabspaltung stattgefunden hatte und hierin möglicherweise der Grund für die spärliche Ausbeute zu suchen war, so habe ich versucht, ob vielleicht eine gelindere Reduktion in der Kälte bei Abwesenheit von überschüssiger Salzsäure ein besseres Resultat liefern würde. 2. Versuch. E Da wiederholt beobachtet worden ist, daß Säureester leichter reduziert werden als die Säuren selbst, so habe ich den Chlor- brompbenylthiopropionsäureester der Reduktion unterworfen. Chlorbromphenylthiopropionsäureäthylester. 3 g Chlorbromphenylthiopropionsäure (aus Versuch 2, S. 495) werden in der fünffachen Menge absoluten Alkohols gelöst und die Lösung mit Salzsäure gesättigt. Der gebildete Ester wird mit Kochsalzlösung abge- schieden, mit Ather aufgenommen und die ätherische Lösung. mit ver- dünnter Sodalösung gewaschen. Nach Abdestillieren des Athers hinter- bleiben 3 g Chlorbromphenylthiopropionsäureäthylester, was einer Ausbeute von 91 Proz. entspricht. Reduktion des Chlorbromphenylthiopropionsäure- äthylesters. | 3 g Ester werden in 30 cem Äther gelöst, mit 12 g frisch bereitetem - Aluminiumamalgam versetzt und unter tropfenweisem Zusatz von Wasser _ sechs Stunden reduziert. Darauf wird vom unverbrauchten Amalgam _ und der gebildeten Tonerde filtriert, der Äther abdestilliert und “der | zurückbleibende Ester verseift. Bromphenylthiomilchsäure. Zur Verseifung wird der Ester mit der zehnfachen Menge verdünnter Salzsäure (1 Tl. rauchende Salzsäure, 2 Tle. Wasser) zwei Stunden am Rückflußkühler gekocht. Auch jetzt ist deutliche Merkaptanabspaltung - vorhanden. Die noch warme Flüssigkeit wird mit Soda alkalisch ge- macht, die Sodalösung mit Äther zur Entfernung von etwa noch vor- handenem Merkaptan wiederholt ausgeschüttelt und mit Salzsäure ange- _ säuert. Aus der frisch bereiteten Lösung kristallisiert das gesuchte - Reduktionsprodukt sehr rasch in schönen Blättchen, die nach ein- maligem Umkristallisieren aus heißem Wasser analysenrein sind. Ihre Menge beträgt 0,4 @. Die Substanz gibt die oben erwähnte Farbenreaktion mit konzentrierter Schwefelsäure, ihr Schmelzpunkt liegt bei 115 0,1799 g im Vakuum zur Konstanz getrocknete Substanz gaben 0,2756 g CO,, entspr. 41,78 Proz. © end. 006045 BO, 745 318, ;„. > H 3 } | | bis 116°. | Bei der Elementaranalyse wurden folgende Zahlen erhalten: Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 32 498 E. Friedmann, Diese Zahlen ergeben, daß die vorliegende Substanz die ge- suchte Bromphenylthiomilchsäure ist. Ber. f. C,H, BrSO, Gef. Ö 41,46 Proz. 41,78 Proz. a ae, Die Ausbeute an Bromphenylthiomilchsäure beträgt 16,5 Proz. der Theorie. (Bezogen auf Chlorbromphenylthiopropionsäure- äthylester.) Nachdem in der eben geschilderten Weise der Abbau der Merkaptursäuren zu der ihnen zugrunde liegenden Bromphenyl- thiomilchsäure gelungen war, handelte es sich darum, festzustellen, ob dieselbe der a- oder der f-Reihe angehört. Zu diesem Zwecke habe ich die entsprechenden Bromphenylthiomilchsäuren dar- gestellt, deren Synthese bisher noch nicht ausgeführt worden ist. C. Bromphenyl-c-thiomilchsäure. Diese Säure wurde durch Einwirkung von Bromphenyl- merkaptannatrium auf a-Brompropionsäure dargestellt: CH; CH; | | C,H,BrSNa+ BrCH = (C,H, BrS.CH-- NaBır. COOH COOH Das zu dieser Reduktion notwendige Bromphenylmerkaptan habe ich mir anfangs nach der Methode von Otto*), durch Reduktion von Brombenzolsulfochlorid mit Zinn und Salzsäure dargestellt. Ich erhielt aber beim Arbeiten nach dieser Methode erst brauchbare Ausbeuten, als ich beim Übertreiben des ent- standenen Merkaptans mit Wasserdämpfen in der stark salzsauren Lösung durch wiederholtes Hineinwerfen von Zinkstücken eine kräftige Wasserstoffentwicklung unterhielt. Unterläßt man dies, so wird fast nur das entsprechende Disulfid erhalten. Da aber die Darstellung des Merkaptans nach dieser Methode ziemlich zeitraubend ist, so habe ich dasselbe später nach der schönen von Leuckart**) angegebenen Methode zur Gewinnung aromatischer Merkaptane dargestellt. Dieselbe besteht darin, daß sich Diazo- salze mit Xanthogenaten glatt zu aromatischen Estern der Xantho- gensäure umsetzen und letztere durch Alkalı leicht zu Thio- phenolen aufgespalten werden können. 1. p-Bromdiazobenzolchlorid und xanthogensaures Kalium. C,H,BrN;C1+KS.C(S)0C,H, = C;H,BrS.C(S)0C,H, + KCI-+-N;. Zu einer eiskalten Lösung von 18,8 gxanthogensaurem Kalium (1 Mol.) wird *) Berl. Ber. 10, 939. **) Journal f. prakt. Chemie 41, 1890. N PH 2 I iz ie I re a Fa, az Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 499 eine ebenfalls mit Eis gekühlte Lösung von 1 Molekül p-Bromdiazo- benzolchlorid (dargestellt aus20 g in üblicher Weise diazotiertem p-Brom- anilin) allmählich hinzugesetzt. Es tritt gleich nach Zusatz der ersten Tropfen der Diazolösung eine hellgelbe Trübung auf, bei weiterem Zusatz scheidet sich das Additionsprodukt als braungelbe, breiige, kristallinische Ausscheidung auf der Oberfläche der Reaktionsflüssigkeit ab. Dieses Produkt ist äußerst zersetzlich, und man muß es, um einen explosiven Zerfall zu vermeiden, durch beständiges Schwenken des Gefäßes unter Wasser halten. Überläßt man es auf der Oberfläche der Flüssigkeit sich selbst, so tritt bereits bei 7° plötzliche Explosion ein, wobei die Temperatur der Flüssigkeit auf 11° steigt. Die Explosion ist aber so heftig, daß der dabeientstehende Xanthogensäurebromphenylester zum größten Teilheraus- geschleudert wird. In guter Ausbeute erhält man dagegen den letzteren, wenn unmittelbar nach dem Zusatz der Diazolösung unter beständigem Schwenken des Gefäßes zu dem Reaktionsgemenge heißes Wasser in kleinen Portionen hinzugesetzt wird. Dabei zerfällt das kristallinische gelbe Additionsprodukt Unter lebhafter Stickstoffentwicklung und ver- wandelt sich in ein schweres, braunes Öl, das auf den Boden des Ge- fäßes fällt. Der so dargestellte Xanthogensäurebromphenylester bildet ein gelbbraunes eigentümlich riechendes O1*). 2. Bromphenylmerkaptan. 21 g Xanthogensäurebromphenylester werden in 300 ccm Alkohol gelöst, die Lösung mit 16 g gepulvertem Kaliumhydroxyd versetzt und so lange im Sieden gehalten, bis eine Probe, der Flüssigkeit entnommen, auf Zusatz von Wasser klar bleibt. Nach dreitägiger Zersetzung ist dies erreicht. Darauf wird der Alkohol abdestilliert, das entstandene Merkaptan mit Schwefelsäure in Freiheit gesetzt und mit Wasserdampf unter wieder- holtem Zusatz von Zink zu der schwefelsauren Lösung übergetrieben. Die Ausbeute an Bromphenylmerkaptan beträgt 87 Proz. der theoretischen Menge. 3. Bromphenylmerkaptan und a-Brompropionsäure. 3,6 g a-Brompropionsäure, 3 g Kaliumhydroxyd, 4,4 g frisch be- reiteten Bromphenylmerkaptans und 15 ccm Wasser werden miteinander vermischt und in der Wärme mit so viel Alkohol versetzt, daß gerade alles gelöst ist. Die Reaktion findet bei Wasserbadtemperatur statt und ist nach dreistündigem Erwärmen beendet. Nach dieser Zeit wird die Flüssigkeit rasch abgekühlt, vom ausgeschiedenen Dibromphenyl- *) Bei längerem Stehen scheiden sich aus dem Xanthogensäurebrom- phenylester Kristalle ab, die nach dem Abpressen auf Ton und wieder- holtem Umkristallisieren aus Petroläther oder Essigäther bei 152° schmelzen. Mit konzentrierter Schwefelsäure erhitzt, färben sie dieselbe tiefblau. Bei der Elementaranalyse der bei 110° getrockneten Substanz wurden folgende Zahlen erhalten: 0,1698 g Substanz gaben 0,2439 g CO,, entspr. 39,17 Proz. C und 0,0347 „ H3s0, 3 ae, 0,1492 g Substanz gaben 0,2160 & CO,, entspr. 39,47 Proz. C und 0,0308 „ H,O, „ EEE 32* 500 E. Friedmann, disulfid (0,7) durch Filtration befreit und der Alkohol mit Wasserdampf abgeblasen. Nachdem dies geschehen ist, wird die Flüssigkeit einge- engt und mit Salzsäure übersättigt. Es findet sofort eine rejchliche kristallinische Ausscheidung statt, deren Menge 3,1 g beträgt. Die Substanz wird aus heißem Wasser wiederholt umkristallisiert, dabei kristallisiert sie beim langsamen Erkalten der wässerigen Lösung in Nadeln, beim raschen Abkühlen in rhombischen Blättchen aus. Die Ausbeute an Bromphenyl-a-thiomilchsäure beträgt 61 Proz. der Theorie (berechnet für die in Reaktion getretenen Mengen). Zur Analyse wurde die Substanz im Vakuum über Schwefel- säure getrocknet. 0,1746 g Substanz gaben 0,2671 g CO,, entspr. 41,62 Proz. C und 0,0588 „ H,O, rn Te DE Ber. f, C,H,BrS0, Gef. CG- 41,46: Proz. 41,62 Proz. Ei» are Sm} Die wiederholt umkristallisierte Bromphenyl-e-thiomilchsäure sintert bei 107° und schmilzt bei 112°. Mit konzentrierter Schwefel- säure erhitzt, gibt sie keine charakteristische Farbenreaktion. Die Schwefelsäure wird braun gefärbt. Ein Vergleich dieser Bromphenyl-a-thiomilchsäure mit der beim Abbau der Merkaptursäure erhaltenen Bromphenylthiomilch- säure ergibt also einen Unterschied der Schmelzpunkte von 3 bis 4°, ferner eine beträchtliche Differenz im Verhalten gegen konzentrierte Schwefelsäure. Die beiden Substanzen sind daher nicht identisch. Dem entspricht auch das Verhalten eines Ge- misches der beiden Bromphenylthiomilchsäuren beim Erhitzen. Erhitzt man am selben Thermometer Bromphenyl-«a-thiomilchsäure neben der durch Abbau der Merkaptursäuren erhaltenen Brom- phenylthiomilchsäure und ein Gemisch dieser beiden Substanzen gleichzeitig, so sintert die erstere bei 107° und schmilzt bei 112°, die zweite sintert bei 112° und schmilzt bei 115 bis 116°, und das Gemisch sintert bei 92° und schmilzt bei 96 bis 105°. D. Bromphenyl-$-thiomilchsäure. 1. Bromphenylmerkaptan und f-Jodpropionsäure. Zu 6,1 g B-Jodpropionsäure wird in der Kälte eine Lösung von 3,9 g Kaliumhydroxyd in 20 cem Wasser hinzugesetzt, und die Lösung mit 5,8 g Bromphenylmerkaptan in 40 ccm Alkohol versetzt. Die erhaltene Flüssigkeit wird drei Stunden am Rückflußkühler gekocht, dabei dunkelt sie zu Anfang nach, um sich bei längerem Erwärmen wieder aufzuhellen. Nach beendeter Einwirkung wird rasch abgekühlt, vom ausgeschiedenen Disulfid (0,2 g) abfiltriert und die schwach alkalische Lösung durch Ein- dampfen vom Alkohol befreit. Nachdem dies geschehen ist, wird in der Wärme mit Salzsäure angesäuert; der erhaltene weiße kristallinische Niederschlag wird abgesaugt, in Soda gelöst, die trübe Lösung mit Ather durchgeschüttelt, bis sie klar geworden ist, und die alkalische Lösung Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 501 mit Salzsäure übersättigt. Dabei kristallisiert das Produkt in schönen, leicht braun gefärbten Blättchen aus. Nach zweimaligem Umkristalli- sieren aus heißem Wasser ist die Substanz farblos. Es wurden 5,9 g Bromphenyl-3-thiomilchsäure erhalten, was einer Ausbeute von 76 Proz. entspricht. Zur Analyse wird der Körper im Vakuum über Schwefel- säure getrocknet. 0,1912 g Substanz gaben 0,2915 g CO,, entspr. 41,58 Proz. C und 0,0619 „ H,O, 5 BA 5 Ber. f. Gs44% Br SO, Gef. Ö 41,46 Proz. 41,58 Proz. ® H 47. , 3,62 „ Auch auf einem anderen Wege gelang die Synthese der Bromphenyl-?-thiomilchsäure, die im Hinblick auf später zu be- schreibende Versuche erwähnenswert scheint. Läßt man nännlich p-Bromdiazobenzolchlörid auf /-Thiomilchsäure einwirken, so erhält man ein schwer lösliches, gelbes Diazoadditionprodukt, das bei der Zersetzung Bromphenyl-p-thiomilchsäure liefert. 2. p-Bromdiazobenzolchlorid und 5-Thiomilchsäure. P-Thiomilchsäure). 10 g ß-Jodpropionsäure werden mit einer gesättigten Lösung von Ammoniumkarbonat bis zur alkalischen Reaktion versetzt. Hierzu wird eine mit Schwefelwasserstoff gesättigte Lösung von 3 g Kaliumhydroxyd in 30 cem Wasser gefügt und das Ganze auf dem Wasserbade zwei Stunden erwärmt. Darauf wird die Lösung ohne Rückflußkühlung über freier Flamme im schwachen Sieden gehalten, bis die Reaktion gegen Lakmuspapier sauer geworden ist. Dabei hellt sich die zu Anfang braune Flüssigkeit beträchtlich auf. Die erhaltene Flüssigkeit wird mit Salz- säure übersättigt und mit Ather wiederholt ausgeschüttelt. Nach Ab- destillieren des Athers bleibt die 8-Thiosäure in quantitativer Ausbeute zurück. 3. Bromphenyl-f-thiomilebsäure. 5,3 g ß-Thiomilchsäure werden in 20 cem Wasser gelöst und langsam unter Eiskühlung mit einer aus 8,4 g p-Bromanilin bereiteten p-Brom- diazobenzolchloridlösung versetzt. Es entsteht sofort ein hellgelber, kristallinischer Niederschlag, der in kleinen Portionen abgesaugt, auf Ton abgepreßt und in absolutem Alkohol suspendiert wird. (Das Filtrat dieses Diazoadditionsproduktes, dem vermutlich die Konstitution U:.2: 0.6.4, Br | CH, | COOH *) 5-Thiomilchsäure ist von Lov&n durch Einwirkung von Kalium- sulfhydrat auf B-Jodpropionsäure erhalten worden. Jedoch findet sich bei Loven weder die Methode ausführlich mitgeteilt, noch finden sich Angaben über die erhaltene Ausbeute. 502 E. Friedmann, zukommt, ist prächtig rot gefärbt.) Der in Alkohol suspendierte Körper löst sich in diesem in der Kälte unter reichlicher Stickstoffentwicklung zu Anfang mit gelber, allmählich mit rotbrauner Farbe. Nachdem die Stickstoffentwicklung aufgehört hat, wird der Alkohol unter vermindertem Druck bis auf wenige ccm abdestilliert, der Rückstand im Scheidetrichter mit Äther aufgenommen und die ätherische Lösung mit Sodalösung wiederholt durchgeschüttelt. Beim Ansäuern werden jedoch aus der Sodalösung nur spärliche Kristalle von Bromphenyl-ß-thiomilchsäure erhalten. Dagegen gelingt es, die gesuchte Substanz aus dem ätherischen Auszug zu isolieren. Nach Abdestillieren des Athers wird der hinter- bleibende Ölige, esterartig riechende Rückstand mit 60 cem verdünnter Salzsäure (1 Tl. Salzsäure, 2 Tle. Wasser) zwei Stunden unter Rückfluß- kühlung gekocht. Darauf wird mit 20proz. Sodalösung alkalisch gemacht und von einer geringen braunen Ausscheidung abfiltriert. Beim Ansäuern fällt die gesuchte Bromphenyl-P-thiomilchsäure in schönen blättrigen Kristallen aus. Zur hReinigung wird dieselbe in Soda gelöst, die Lösung mit Ather ausgeschüttelt, bis derselbe keine gelbgefärbten Ver- unreinigungen mehr aufnimmt, die alkalische Lösung über Tierkohle heiß filtriert und angesäuert. Das so erhaltene Produkt wird einige Male aus Petroläther, zum Schluß aus heißem Wasser umkristallisiert. Die im Vakuum über Schwefelsäure getrocknete Substanz gab bei der Analyse die für Bromphenylthiomilchsäure verlangten Zahlen. 0,1348 g Substanz gaben 0,2053 g CO,, entspr. 41,55 Proz. C und 0,0455 8 H,0, „ 3.78 Ei :: Ber. f. C,H,BrS0, Gef, G:: 41,46 Proz 41,55 Proz. ER Bun Der Schmelzpunkt der nach beiden Methoden erhaltenen Bromphenyl-?-thiomilchsäure wie derjenige ihres Gemisches liegt bei 115 bis 116°. Mit konzentrierter Schwefelsäure erhitzt, färbt die Substanz die Schwefelsäure kirschrot, bei stärkerem Erhitzen geht diese Farbe nach einer unbestimmten Zwischenfarbe in Smaragdgrün über. Schmelzpunkt, Kristallform und Farbenreaktion zeigen also, daß diese Bromphenyl-/-thiomilchsäure mit der beim Abbau der Merkaptursäuren erhaltenen Bromphenylthiomilchsäure identisch ist. Dem entspricht auch das Verhalten eines Gemisches dieser beiden Substanzen beim Erhitzen. Beide Säuren wie ihr Gemisch am selben Thermometer gleichzeitig erhitzt schmelzen scharf bei 115 bis 116°. Die den Merkaptursäuren zugrunde liegende Bromphenyl- thiomilchsäure gehört also der f-Reihe an. Daraus ergibt sich, daß die von Baumann aus dem Auftreten von Brenztraubensäure hei der Alkalispaltung der Merkaptursäuren gezogene Schluß- folgerung, daß der den Merkaptursäuren zugrunde liegende \ Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 503 Propionsäurekern aa-substituiert ist, irrtümlich ist. Die Ent- stehung der Brenztraubensäure muß hier ebenso wie beim Cystin als ein sekundärer Prozeß aufgefaßt werden, ein Vorgang, dessen innerer Chemismus allerdings erneuter Untersuchung bedarf. Die Bildung von Bromphenyl--thiomilchsäure unter den ge- schilderten Bedingungen zeigt ferner, daß von den drei für das Bromphenyleystein und daher auch für die Merkaptursäuren möglichen Formeln: I II III CH, CH, . SC, H, Br CH, . NH; NH,—C—SC;, H, Br CH.NH, CH.SC;,H, Br | | | COOH COOH COOH Bromphenylecystein Formel I und III zu verwerfen sind, und diese Substanzen der Formel II entsprechend als Derivate einer a-Aminobromphenyl- P-thiomilchsäure anzusprechen sind: CH; . SC,H,Br CH.NH.CO.CH;, COOH Bromphenylmerkaptursäure. Die Konstitution der oben beschriebenen Umwandlungsprodukte des Bromphenylcysteins kann jetzt, wie folgt, formuliert werden: 012.7 580,6,H,Br CH, . SC,H,Br CH, 50, C,H, Br | | | CH.OH CH.Cl CH.NH, | | COOH COOH COOH Oxybromphenylsulfo- Chlorbromphenyl- Aminobromphenyl- propionsäure thiopropionsäure . sulfopropionsäure, Durch den Nachweis, daß die den Merkaptursäuren zugrunde liegende Bromphenylthiomilchsäure der f-Reihe angehört, ist ein direkter chemischer Zusammenhang dieser Körper mit dem Eiweiß- cystein gegeben, insofern als die Merkaptursäuren auf Grund der mitgeteilten experimentellen Daten als Substitutionsprodukte des Eiweißeysteins, dessen Konstitution als a-Amino-p-thiomilchsäure ich vor kurzem bewiesen habe, angesehen werden müssen: CH,.SH CH,.SC,H,X | CH.NH, CH.NH.CO.CH, COOH COOH Eiweißcystein Merkaptursäure. 504 E. Friedmann, Ich habe mich bemüht, die Richtigkeit dieser Auffassung experimentell zu prüfen, und versucht, die Merkaptursäuren vom Eiweißcystein aus aufzubauen. IH. Überführung des Eiweißcysteins in Bromphenylmerkaptursäure. Der Weg, den ich bei dieser Überführung gegangen bin, ergab sich mir aus der Beobachtung, daß f-Thiomilchsäure mit p-Brom- diazobenzolchlorid ein schwer lösliches Additionsprodukt gibt, das bei seiner Zersetzung Bromphenylthiomilchsäure liefert. Ich habe versucht, diese Reaktion auf das Cystein zu übertragen, in der Hoffnung, aus dem entstehenden Additionsprodukt Bromphenyl- cystein gewinnen zu können. 1. Cysteinchlorhydrat. Oystin, aus Haaren dargestellt, wird mit der zehnfachen Menge ver- dünnter Salzsäure (1 Tl. rauchende Salzsäure, 2 Tle. Wässer) übergossen, mit granuliertem Zinn versetzt und nach Zusatz einiger Tropfen einer 1proz. Platinchloridlösung auf dem Wasserbade ein bis zwei Stunden reduziert. Darauf wird die Flüssigkeit mit dem fünffachen Volumen Wasser verdünnt, vom Zinn durch Einleiten von Schwefelwasserstoff befreit und zur Trockne eingedampft. Dabei bleibt das Cysteinchlor- hydrat als weiße, kristallinische Masse in annähernd quantitativer Aus- beute zurück. 2. p-Bromdiazobenzolchlorid und Cysteinchlorhydrat. 10 g Cysteinchlorhydrat werden in der fünffachen Menge Wasser ge- löst, die Lösung wird mit Eis gekühlt und mit einer ebenfalls gekühlten Lösung der berechneten p-Bromdiazobenzolchloridlösung (1 Mol.) versetzt. Es entsteht sofort ein voluminöser gelber Niederschlag, die Flüssigkeit selbst ist prächtig rot gefärbt. Das Additionsprodukt bildet sich jedoch erst vollständig beim Erwärmen der Reaktionsflüssigkeit auf 35°. Dabei erstarrt sie zu einem dicken zeisiggelben Brei. Das Ganze wird unter häufigem Rühren eine halbe Stunde auf 35° gehalten, darauf langsam erkalten gelassen, abgesaugt, mit Wasser ausgewaschen und auf Ton abgepreßt. Dieses Additionsprodukt ist durch ungewöhnliche Beständigkeit ausgezeichnet. Mit Wasser erhitzt, zeigt es erst bei 80° geringe Zeichen einer beginnenden Zersetzung, um gegen 100° unter reich- licher Stickstoffentwicklung zu zerfallen. Trocken erhitzt, konnte es nicht zur Explosion gebracht werden. 3. Bromphenylecystein. Die Zersetzung dieses Additionsproduktes in dem Sinne, daß der Bromphenylrest unter Stickstoffentwicklung an den Schwefel des Cysteins gekuppelt würde: 0OH,:8:N,G,E,Br Ess GH,Be | | CH . NE, =>: Par . NH, | COOH COOH Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 505 war mit großen Schwierigkeiten verbunden, der größte Teil des Cysteins wurde bei allen dahinzielenden Versuchen als solches oder als Cystin abgespalten, und daher waren die Ausbeuten an Bromphenyleystein recht spärliche. Als Zersetzungsmittel wurden benutzt: Wasser, stark verdünnte Salzsäure, Methylalkohol, Wein- geist, Athylalkohol, Eisessig und Kupferpulver. Bromphenyleystein konnte bei der Zersetzung des Additionsproduktes mit Wasser, wässerigem Methylalkohol und Weingeist erhalten werden, jedoch lieferten durchschnittlich 3 g Cystin nur 0,3 g Bromphenyleystein. Brauchbare Ausbeuten erhielt ich erst, als ich verdünnte Soda- lösung zur Aufspaltung benutzte. Hierbei wurde, wie folgt, ver- fahren. 10 g Cysteinchlorhydrat werden in der oben geschilderten Weise in Bromdiazobenzoleystein übergeführt. Das auf Ton abgepreßte Produkt wird in 50 cem Wasser suspendiert und bei Wasserbadtemperatur langsam gerade die zur Lösung des Produktes nötige Menge einer 20proz. Sodalösung hinzugefügt. Die Flüssigkeit wird so lange gelinde erwärmt, als noch Stickstoffentwicklung stattfindet. Dabei tritt reichliche Bromphenolabspaltung auf. Nach beendeter Stickstoffentwicklung wird (die noch warme Flüssigkeit von dem an dem Boden und an den Wänden des Gefäßes haftenden Phenol abgegossen und sofort mit verdünnter Essigsäure angesäuert. Der beim Ansäuern entstehende Niederschlag wird nach dem Erkalten, das durch Kühlen gegen fließendes Wasser beschleunigt wird, sogleich abgesaugt, zuerst mit Wasser, dann mit Alkohol ausgewaschen und auf Ton abgepreßt. Es konnten 5,4 & dieses Niederschlages erhalten werden, Es ergab sich sowohl aus den Eigenschaften des Produktes, wie aus den bei der Analyse erhaltenen Zahlen, daß dieser Körper ein Gemenge von Bromphenyleystein und Oystin darstellt. Die Trennung dieser beiden Substanzen gelang mit Hilfe von Eisessig. 5,4 8 dieses Niederschlages werden mit Eisessig wiederholt ausge- kocht, solange der Eisessig noch sichtlich Substanz aufzunehmen vermag. Vom ungelösten Cystin (1,9 g) wird in der Wärme abfiltriert, ‚das zuerst erhaltene Filtrat wird für sich aufbewahrt, die späteren werden vereinigt. Beim Erkalten scheidet das erste Filtrat 1,4 g Sub- stanz aus, die nach zwölfstündigem Stehen in der Kälte filtriert werden. Das Filtrat wird mit den übrigen Eisessigauszügen vereinigt und der Eisessig und wenig Phenol mit Wasserdampf abgetrieben. Nach zwei- stündiger Destillation wird die heiße Flüssigkeit filtriert, mit Ammoniak nahezu neutralisiert und mit Ammoniumkarbonat schwach übersättigt. Nach eintägigem Stehen im Eisschrank wird das erhaltene Produkt ab- gesaugt, zuerst mit Wasser, dann mit Alkohol ausgewaschen. Seine Menge beträgt 1,7 g. Das so erhaltene Präparat enthält keinen locker gebundenen Schwefel mehr. Eine Probe mit konzentrierter Schwefelsäure erhitzt, färbt diese schön blaugrün. Mit Alkali gekocht, spaltet es Ammoniak und Bromphenylmerkaptan ab. In der mit Soda 506 E. Friedmann, und Salpeter erhaltenen Schmelze ist reichlich Brom und Schwefel- säure vorhanden. Zur Analyse wurde die Substanz durch wiederholtes Lösen in Ammoniak und Fällen mit Essigsäure gereinigt und bei 100° getrocknet. 0,1680 g Substanz gaben 0,2432 g CO,, entspr. 39,49 Proz. C 1nd%0,0579- 3,0. 2.5 3,86: TEE 0,1371 g Substanz gaben 6,85 ccm N (21,5°, 755 mm), entspr. 5,63 Proz. N. Diese Zahlen ergaben, daß die vorliegende Substanz Brom- phenylcystein ist. Ber, 1. GH.,BISNO, Gef. C 39,18 Proz. 39,49 Proz. H 3,69. - , 380 N 5:08. =, 5,03. 5 Die Ausbeute an Bromphenyleystein beträgt 16 Proz. der Theorie. Der Schmelzpunkt dieses ee liegt bei 181°, bei derselben Temperatur schmilzt sowohl das aus Merkaptur- säuren erhältliche Bromphenyleystein, wie ein Gemisch beider Bromphenyleysteine. Beide Substanzen geben ferner dieselbe Farbenreaktion mit konzentrierter Schwefelsäure und zeigen in ihrem ganzen chemischen Verhalten völlige Übereinstimmung. Es mag hervorgehoben werden, daß beide Substanzen leicht ın einen Körper vom Schmelzpunkt 192 bis 193° durch kurze Ein- wirkung verdünnter Salzsäure und nachheriges Neutralisieren mit Ammoniak umgewandelt werden können. Auch Baumann und Preuße*) sind diesem Körper bei der Zersetzung der Mer- kaptursäuren durch zu langes Kochen mit Säuren begegnet und geben an, daß er sich von dem bei 181° schmelzenden Brom- phenyley lei nur durch den Schmelzpunkt unterscheidet, während ihm sonst alle Eigenschaften des Bromphenylcysteins zukommen. In der Tat gab der nach kurzer Einwirkung verdünnter Salz- säure auf synthetisches Bromphenyleystein erhaltene Körper (Schp. = 192 bis 193°) bei der Analyse noch die für Bromphenyl- cystein verlangten Zahlen. 0,1698 g Substanz gaben 0,2466 g CO,, entspr. 39,51 Proz. C und 0,0588 „H,O, „ 3,88 H. 0,1431 g Substanz gaben 7,00 cem N (761 mm, 21,5°), entspr. = 55 Proz. N. "Ber. 5-04. ,Br&8Ng, Gef. C 39,18 Proz. 39,51 Proz. H er 38, N 555 „ *) Baumann und Preuße, |. c., S. 317. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 507 Der aus einem Bromphenylcystein, das aus Merkaptursäuren gewonnen war, analog dargestellte Körper hatte ebenfalls den Schmelzpunkt 192 bis 193°, ebenso ein Gemisch beider Substanzen. Beide Körper unterscheiden sich aber vom Bromphenylcystein vom Schmelzpunkt 181° durch ihre relative Schwerlöslichkeit in Ammoniak. Welcher Art die hier augenscheinlich vorliegende Isomerie ist, habe ich aus Mangel an Material vorläufig nicht entscheiden können. Eine naheliegende Deutung wäre, daß der höher schmel- zende Körper der Racemkörper des ursprünglichen Bromphenryl- eysteins wäre, eine Vermutung, die einige Wahrscheinlichkeit hat, weil er unter Bedingungen auftritt, wo eine Racemisierung möglich ist. Die experimentelle Prüfung dieser Vermutung behalte ich mir für eine spätere Gelegenheit vor. Es sei erwähnt, daß das Bromphenyleystein vom Schmelz- punkt 192 bis 193° ei der oben beschriebenen PER RLEIT thiopropionsäure (S. 494) identisch ist. 4. Bromphenylmerkaptursäure. Die Einführung des Acetylrestes in das Bromphenyleystein ist nach den vorliegenden Versuchen von Baumann mit Schwierig- keiten verbunden. Sie gelang Baumann erst, als er Essigsäure- anhydrid, das mit dem zehnfachen Volumen Benzol verdünnt war, mit Bromphenyleystein zur Reaktion brachte”). Bei Wieder- holung dieser Versuche habe ich jedoch nur Spuren von Brom- phenylmerkaptursäuren erhalten können. Schon nach kurzer Ein- a u ld a Z o D wirkung von Essigsäureanhydrid wurde das Bromphenylcystein in das oben beschriebene Bromphenyleystein vom Schmelzpunkt 192 bis 193° umgewandelt. Dagegen habe ich auf einem anderen Wege Bromphenylmerkaptursäure leicht erhalten können. 0,5 g aus Cystein dargestelltes Bromphenyleystein werden in Pyridin suspendiert und tropienweise unter Kühlung mit Acetylchlorid versetzt, bis alles in Lösung gegangen ist. Die Lösung erfolgt bereits nach Zu- satz weniger Tropfen Acetylchlorid. Nach einigem Stehen wird mit Salzsäure angesäuert. Die dabei entstehende ölige Ausscheidung wird nach zwölfstündigem Stehen in der Kälte von der Mutterlauge getrennt, das ‚ausgeschiedene Reaktionsprodukt und die Mutterlauge werden für sich verarbeitet. Die ölige Ausscheidung wird in Ammoniak gelöst, die Lösung durch wiederholtes Filtrieren von bei der Reaktion entstandenem Dibromphenyl- disulfid befreit und von neuem mit Salzsäure angesäuert. In der Regel fällt jetzt das Acetylprodukt sofort kristallinisch aus, mitunter aber erst *) Baumann, Berl. Ber. 18, 266. 508 E. Friedmann, nach mehrtägigem Stehen in der Kälte. Es wird, nachdem es wiederholt in Ammoniak gelöst und mit Salzsäure gefällt worden ist, in wenig Alkohol gelöst und die alkoholische Lösung in heißes Wasser gegossen, worauf nach längerem Stehen das Acetylprodukt auskristallisiert. Das so gewonnene Produkt kristallisiert in schönen Nadeln. Dieselben lösen sich in Sodalösung unter Aufbrausen. Mit kon- zentrierter Schwefelsäure erhitzt, färben sie diese tiefblau. Die Kristalle schmelzen bei 152 bis 153°. Bei derselben Temperatur schmilzt die aus Hundeharn erhältliche Bromphenylmerkaptursäure. Beide Substanzen, gemischt, schmelzen ebenfalls scharf bei 152 bis 153°. Die beiden Substanzen sind daher identisch. Damit dürfte der völlige Aufbau der Merkaptursäuren vom Cystein aus gelungen sein. Die Ausbeute an Bromphenylmerkaptursäure ist unter den ge- schilderten Bedingungen eine äußerst geringe. Es konnte gerade die zur Identifikation nötige Menge Substanz gewonnen werden. Die Hauptmenge des Reaktionsproduktes befindet sich in der Mutterlauge der beim ersten Ansäuern erhaltenen Öligen Ausscheidung und wurde in folgender Weise isoliert. Die abgegossene Mutterlauge wird mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt, mit Natronlauge alkalisch gemacht, die alkalische Lösung mit Ather wiederholt ausgeschüttelt und mit Salzsäure angesäuert. In der trüben Lösung beginnt beim Reiben der Gefäßwände mit einem scharfen Glasstabe sofort eine reichliche Kristallisation. Nach zwölfstündigem Stehen werden die Kristalle abgesaugt, in Ammoniak gelöst, die am- moniakalische Lösung wiederholt filtriert und das klare Filtrat mit Salz- säure angesäuert. Die erhaltenen Kristalle werden in wenig Alkohol gelöst und die Lösung in heißes Wasser gegossen. Beim langsamen Erkalten scheidet sich die Substanz in farblosen Kristallen aus. 058° Bromphenylcystein lieferten 0,3 g dieses Produktes. Zur Analyse wurde die Substanz bei 100° getrocknet. 0,1240 g Substanz gaben 0,1893 g CO,, entspr. 41,63 Proz. C. und :0,0441- „E50, 5 3,98 Bi: - Diese Zahlen sprechen für ein Acetylbromphenylcystein. Ber; 1..0.,H.,Brsm. Gef. C 41,51 Proz. 41,63 Proz. Hr. BU; 3,98 % In der Tat lösen sich die Kristalle in Sodalösung unter Aufbrausen, mit konzentrierter Schwefelsäure erhitzt, färben sie diese tiefblau. Ihr Schmelzpunkt liegt bei 153 bis 154°. Nach diesen Eigenschaften könnte man geneigt sein, dieses Acetylbromphenylcystein mit Bromphenyl- merkaptursäure für identisch zu halten. Dieses scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Das Produkt unterscheidet sich von der entsprechenden Merkaptursäure durch seine Kristallform. Betrachtet man nämlich das erhaltene Acetylbromphenylcystein genau unter dem Mikroskop, so sieht man, daß die Kristalle platte Nadeln darstellen, und dort, wo sie als reine Nadeln imponieren, kann man sich unschwer davon überzeugen, daß man es mit Platten, die auf die Kante gestellt sind, zu tun hat. Erhitzt man ferner ein Gemisch von aus Hundeharn- dargestellter Brom- | | Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen usw. 509 phenylmerkaptursäure mit diesem Acetylbromphenylcystein, so sintert dieses Gemisch bereits bei 142°, beginnt bei 146° zu erweichen, und _ diese erweichte, halbflüssige undurchsichtige Masse hellt sich scharf bei -152 bis 153° auf. Bromphenylmerkaptursäure schmilzt dagegen bei 152 bis 153°, ohne vorher zu erweichen. Da ich nun beobachtet hatte, - daß Bromphenylcystein vom Schmelzpunkt 181° leicht durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid in ein isomeres Produkt vom Schmelzpunkt 192 bis 193° übergeführt werden konnte, eine ähnliche intermediäre Umwandlung aber auch unter den von mir eingehaltenen Bedingungen der Acetylierung möglich war und ferner Bromphenylcystein vom Schmelzpunkt 192 bis 193° ein anderes Acetylprodukt liefern konnte, so "habe ich zum Vergleich ein aus Hundeharn stammendes, in Bromphenyl- eystein vom Schmelzpunkt 192 bis 193° umgewandeltes Produkt unter den geschilderten Bedingungen acetyliert und in der Tat einen in platten - Nadeln kristallisierenden Körper vom Schmelzpunkt 153 bis 154° erhalten, der mit dem erwähnten Acetylbromphenylcystein identisch war. Es scheint sich also unter den Acetylprodukten dieselbe Isomerie wieder- zufinden, die bereits bei Besprechung des Bromphenylcysteins erwähnt war, eine Isomerie, die erst ihre Deutung nach Klarstellung der beim Bromphenylcystein eintretenden Umwandlung finden kann. Ich behalte mir vor, die zur Lösung dieser Frage einschlägigen Versuche später _ auszuführen. Durch die Überführung des Cysteins in Bromphenylmerkap- -tursäure findet die bereits bewiesene ß-Stellung des Bromphenyl- -merkaptanrestes in den Merkaptursäuren eine erneute Bestätigung. Gleichzeitig wird die a-Stellung der Aminogruppe, die bisher nur durch indirekte Beweisgründe zu stützen war, auf direktem Wege - einwandsfrei bewiesen. Der chemische Nachweis, daß die Merkaptursäuren sub- -stitulerte Cysteine sind, macht ferner die physiologische Schluß- ‚folgerung, die ich in einer früheren Arbeit auf Grund der Kon- stitution der Eiweißcysteine einerseits, wie auf Grund der von "Baumann angenommenen Konstitution der Merkaptursäuren andererseits gezogen habe, daß der Organismus über zwei Cysteine verfügt, ein a-Öystein der Merkaptursäuren und ein P-Cystein der Eiweißkörper, hinfällig, da sich beide Cysteine als identisch er- wiesen haben. Der Befund von a-Thiomilchsäure unter den -Spaltungsprodukten der Keratinsubstanzen wie der Eiweißkörper läßt sich zwar noch zugunsten des Vorhandenseins eines a-Cysteins deuten, aber die Bedingungen, unter denen diese Säure bisher aufgefunden und isoliert worden ist, schließen die Möglichkeit einer Umwandlung des P-Cysteins in a-Thiomilchsäure nicht völlig aus, und es erhebt sich die Frage, ob die geschwefelte Vorstufe EEE N 510 E. Friedmann, Beiträge zur Kenntnis usw. der a-Thiomilchsäure, deren ich früher Erwähnung tat, nicht im Cystin selber zu suchen ist, eine Frage, mit deren Beantwortung ich beschäftigt bin. Nach der physiologischen Seite ergibt die vorstehende Unter- suchung, daß die Merkaptursäurebildung im Organismus des Hundes eine experimentelle Oystinurie ist. Die sich aus dieser Tatsache ergebenden Fragen nach dem Material, das der Organis- mus zu dieser Synthese verwendet, nach der Lokalisation dieses komplizierten, augenscheinlich in drei Phasen verlaufenden Vor- ganges, wie nach den Gründen der Ausscheidung dieser unvoll- ständig oxydierten Produkte hoffe ich auf tierexperimentellem Wege einer Lösung entgegenzuführen. XXXIX. Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. Von Dr. J. Feinschmidt aus Charkow, Volontärarzt an der I. medizinischen Klinik in Berlin. Aus dem Laboratorium der I. medizinischen Klinik zu Berlin. Die Tatsache, daß der normalerweise im Blut enthaltene Traubenzucker beim Stehenlassen des der Zirkulation entzogenen Blutes ziemlich rasch verschwindet, war schon Claude Bernard bekannt. So z. B. berichtet er*), daß im Blut von einem Hunde, das im Laboratorium bei einer Temperatur von 15° gestanden hat, der Zuckergehalt betrug: unmittelbar nach der Entnahme des Blutes 1,07 p. m. ar Minuten ..- 7. 20... 201 ei 2 B er N Fer... udn .. ne. nr Oh. „ „24 IEg 7 Degge Diese Versuche sind zeit von ‚ Pavy®) Beat worden, der allerdings nur ein langsameres Verschwinden des Zuckers be- obachtete. Die Zerstörung des Zuckers im Blut ist nach Claude Bernard***) abhängig von einem Milchsäureferment, das im Blut, in den Muskeln und in der Leber vorhanden ist. Die Alkalien des Blutes begünstigen bloß den Vorgang. Diese Untersuchungen blieben ziemlich unbeachtet, bis Lepine sie wieder aufnahm und mit der Frage des Stoffwechsels, namentlich mit der des Diabetes, in Beziehung brachte. Lepine nahm anf), daß in normalem Blut ein zucker- zerstörendes Ferment „ferment glycolytique* vorhanden ist. Die *) Claude Bernards Vorlesungen über den Diabetes, deutsch von Karl Posner. Berlin 1878, S. 120. **) Pavy, Vortrag in der Londoner Royal Society. Cf. Zentralblatt f. d. ges. med. Wissenschaft. Nr. 33, 1877. er) ioe, cit. S. 195. 7) Lepine, Le ferment glycolytique et la pathogenie du diabete. Paris . 1891. Die Beziehungen des Diabetes zu Pankreaserkrankungen, Autoreferat in der Wiener mediz. Presse, Nr. 27—32, 1892. Semaine med. seit 1891 u. ff. Compt. rend. de la soc. de biol. seit 1891. Deutsche med. Wochenschr. 1892, S. 57. 512 J. Feinschmidt, Spaltung des Zuckers ıst keineswegs eine Funktion der Zell- tätigkeit der Blutkörperchen, da das Ferment sich nach dem Ab- zentrifugieren der letzteren aus denselben mit Chlornatriumlösung extrahieren läßt; die Glykolyse ist auch nicht an das Serum ge- bunden, da dieses eine viel geringere zuckerzerstörende Kraft besitzt als die Blutkörperchen. Auch die Erythrocyten sind nicht die Träger des Fermentes: der Chylus, der fast keine roten Blut- körperchen enthält, zeigt eine bedeutend höhere glykolytische Kraft als das Blut. Lepine konnte in abzentrifugiertem Blut nachweisen, daß die zuckerzerstörende Wirkung in verschiedenen Schichten der Blutkörperchen proportional ihrem Gehalte an Leuko- cyten war. Das glykolytische Ferment bildet sich nach Lepine nicht bloß in vitro, sondern es spaltet sich auch intra vitam von den Leukocyten ab. Die epochemachende Entdeckung von Mering und Min- kowski”), daß Hunde, bei denen das Pankreas extirpiert wurde, diabetisch werden, veranlaßte Lepine zu einer großen Reihe von Untersuchungen, die ihm folgende Resultate ergaben. Durch Reizung des Pankreas auf verschiedene Art, gelang es ihm, die Glykolyse zu vermehren: bei Veränderung der Zirkulation ın der Drüse infolge von Durchschneidung ihrer Nerven, sowie beim Abbinden des ductus Wirsungianus, wobei durch Gegendruck die Pankreaszellen gereizt werden, wird die zuckerzerstörende Kraft des Blutes vermehrt; dagegen wird sie bei Ausschaltung der Drüse vermindert. Ferner fand er, daß die glykolytische Wirkung des Blutes der Pankreasvene bedeutend höher ist als die des Blutes der Milzvene. Daraus glaubt er schließen zu dürfen, daß das Pankreas die Fähigkeit besitzt, ein lösliches zucker- zerstörendes Ferment zu bilden, welches aber gleich bei seiner Bildung in das Blut ergossen und daselbst von den Leukocyten aufgenommen wird. Da die Glykolyse im Blut von ihres Pankreas beraubten Hunden seinen Versuchen zufolge vermindert ist, nimmt er an, daß der Diabetes bei ihnen wenigstens zum großen Teil durch die Aus- schaltung der Bildungsstätte für das zuckerzerstörende Ferment bedingt ist. Die Ursache der Zuckerausscheidung im Harn des Diabetikers beruht nach Löpine im wesentlichen auf einer Überlastung des Blutes mit Zucker infolge Verminderung der glykolytischen Kraft des Blutes, die mit der Affektion des Pankreas parallel geht. *) Mering und Minkowski, Archiv f. exp. Path. u. Therapie 26, 371. Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. 513 - Dafür spricht ihm zufolge: 1. die zahlenmäßige Verminderung der Glykolyse im diabetischen Blut; 2. bei einem durch Pankreas- exstirpation diabetisch gemachten Hund konnte er durch Infusion von normalem, also fermenthaltigem, Chylus in die Blutbahn die Zucker- ausscheidung im Harn für einige Stunden bedeutend herabsetzen. Die Lehre L&pines vom glykolytischen Ferment und seinen Beziehungen zum Diabetes ist fast in sämtlichen Punkten von ver- schiedenen Autoren bestritten worden. Sehen wir zu, ob mit Recht? Zunächst, was den Zusammenhang des glykolytischen Fer- - mentes mit dem Diabetes ınelitus anbetrifft, so nehmen Chauveau und Kaufmann*) an, daß beim Diabetes nicht ein ungenügender Zuckerverbrauch, sondern eine übermäßige Zuckerproduktion statt- findet. Das Pankreas spielt dabei bloß die Rolle eines Regulations- apparates für die zuckerbildende Funktion der Leber; die letztere Funktion ist von zwei nervösen Zentren abhängig: einem hemmenden und einem erregenden. Die Tätigkeit des Pankreas reizt das hemmende und hemmt das erregende; umgekehrt wirkt die Zer- störung des Pankreas. Minkowski**) hält es für möglich, daß beim Diabetes das Pankreas direkt oder auf nervösem Wege die zuckerverbrennenden Organe beeinflussen kann, ohne daß es auf das Zuckermolekül direkt einwirkt. Weiter bestreiten Seegen“*), Minkowskif), Arthusry), Krausjjf), Spitzer*r) u. a. die Angabe Le&pines, daß beim Pankreasdiabetes das glykolytische Ferment vermindert sei. Dagegen fanden Achard und Weil**r) in drei Fällen von Diabetes zweimal die glykolytische Kraft des Blutes vermindert "und glauben, daß der Mangel an Glykolyse ein Attribut des echten Diabetes sei. | Biernacki***r) fand in fünf Diabetesfällen „auffallend niedrige Werte des oxydierten Traubenzuckers im Vergleich mit sonstigen —__ *) Chauveau u. Kaufmann, Compt. rend. Nr. 67 ff., 1893. *#) Minkowski, Berl. klin. Wochenschr. Nr. 5, 1892. Arch. f. exp. Path. u. Ther. 31, 175 (1893). ***) Seegen, Wiener klin. Wochenschr. Nr. 14, 15, 1895. Centralbl. f. ‚Physiol. 5, 121. 7)-Minkowski, loc. eit. 1) Arthus, Glycolyse dans le sang et le ferment glycolytique. Arch. de Physiol. 1891, S. 425; 1892, S. 387. itr) Fr. Kraus, Zeitschr. f. klin. Medizin 21, 315 (1892). *7) Spitzer, Berl. klin. Wochenschr. 1894, $. 949. Pflügers Arch. 1895 und 1897. **7) Achard u. Weil, Compt. rend. 1898. *#*7) Biernacki, Zeitschr. f. klin.“Medizin 41, 332 (1900). Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 33 514 J. Feinschmidt, pathologischen Fällen“. Er meint, daß die Ergebnisse von Kraus und Spitzer gegenüber den Lepineschen Angaben nicht ganz ins Gewicht fallen können, da sie ihre Versuche nicht unter den gleichen Bedingungen (gleichen Zucker- und Blutmengen) wie | Lepine angestellt hatten. | Auch die Angabe von Le&epine über den größeren Reichtum der Pankreasvene an glykolytischem Ferment im Vergleiche zu anderen Venen und Arterien ist von verschiedener Seite bezweifelt worden. So konnten Arthaud und Butte*) nach Unterbindung der Pankreasvene keine Vermehrung des Zuckers im Blut kon- statieren. Ebenso fanden die Gebrüder Cavazzani**) bei gleicher Versuchsanordnung die glykolytische Kraft des Blutes nicht herab- gesetzt. Pal”**) bestimmte den Zuckergehalt in dem zu- und ab- führenden Blut des Pankreas und fand dabei keine nennenswerten Unterschiede. UmberYy) kommt auf Grund seiner Experimente zu folgendem Resultate: „Das Venenblut verhält sich in seiner glykolytischen Eigenschaft wie das Arterienblut, und das der Vena pancreatico-duodenalis kurz vor ihrem Eintritt in dıe Pfort- ader entnommene Blut zerstört gleichfalls nicht mehr Zucker als das übrige Venen- und Arterienblut.“ Was das Ferment selbst anbetrifft, so bezweifelt Hoppe- SeylerYrr) seine Existenz überhaupt, weil er in den von ihm an- gestellten Versuchen keine wesentliche Abnahme des dem Blute zugefügten Traubenzuckers konstatieren konnte. SeegenTfry), Arthus*r) u. a. halten die Glykolyse bloß für einen postmortalen Vorgang. Sie meinen, daß das zuckerzerstörende Ferment im lebenden Blut nicht präexistiere; es soll sich post mortem aus den Leukocyten, oder wie Arthus sich ausdrückt, „d’elements figures autres que les globules rouges“ bilden. Andere Autoren, wie Colenbrander*r),Rywosch”“*r), wollen wieder die zuckerzerstörende Eigenschaft des Blutes in Beziehung zu. der Blutgerinnung resp. zum Fibrinferment stellen; sie fanden nämlich, daß Fluornatrium, Pepton und Blutegelextrakt, die be- *).Arthaud u. Butte, Compt. rend. de soc. biol. Nr. 42, 59, 62, 1890. **) Gebrüder Cavazzani, cf. Referat, Centralbl. f. Physiol. 7, 216. ***) Pal, Wiener klin. Wochenschr. 1891, S. 64. +) Umber, Zeitschr. f. klin. Medizin 39, 13. ir) Hoppe-Seyler, cit. nach Kraus. Trr) Seegen, loc. cit. *+) Arthus, loc. cit. M&m. de la soc. de biol. 1891. **7) Colenbrander, cf. Malys, Jahresber. 1892, S. 137. **#7) Rywosch, Centralbl. f. Physiol. 11, 495. Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. 515 kanntlich auf die Entstehung von Fibrinferment hemmend wirken, auch die Glykolyse beeinträchtigen. Dagegen behauptet Hahn*), daß die Glykolyse in keiner Weise an den Gerinnungsvorgang gebunden und von ihm ganz unabhängig sei. Er neigt sich mehr der Ansicht zu, daß die zuckerzerstörende Kraft an die Leukocyten gebunden ist, weil er bei Hyperleukocytose eine Vermehrung des Fermentes fand. Indessen fanden Loewy und Richter“*) bei künstlich hervor- gerufener Hyperleukocytose die glykolytische Kraft des Blutes herabgesetzt. “ Während die genannten Autoren die Glykolyse für eine post- mortale Erscheinung halten, sind Salkowski, Kraus, Spitzeru.a. geneigt, die zuckerzerstörende Eigenschaft des Blutes als einen oxydativen Vorgang aufzufassen. So fand Salkowski”"*), daß das Blut bei feiner Sprayverteilung Salizylaldehyd in reichlichen Mengen oxydiert und meint, daß das glykolytische Ferment, welches nur bei Gegenwart von Sauerstoff wirkt, mit dem Oxydationsferment identisch sei. Krausr) schließt aus der Bildung von Kohlensäure und der Absorption von Sauerstoff bei der Glykolyse, daß es sich dabei um eine direkte Oxydation handelt, und SpitzerTr) schließt sich der Ansicht an, indem er behauptet, daß die Glykolyse „durch eine erg des molekularen Sauerstoffs bedingt sei“, denn bei zweistündiger Durchleitung von Kohlensäure durch ein Blut- zuckergemisch, also beim Fehlen von Sauerstoff, fand er nach 24 Stunden die dem Blut beigefügte Menge Zucker unverändert. Indessen haben die weiteren Arbeiten von LepinerTrr), Blumenthal und Mosse*r) und M. Jacoby**r) außer Zweifel ‚gestellt, daß die Glykolyse einen selbständigen Vorgang darstellt, ‚der weder mit der Blutgerinnung noch mit der Oxydation etwas Zu tun hat. M.Jacoby führt in seiner Arbeit sieben Momente an, die einen Unterschied zwischen dem glykolytischen und oxydativen Ferment u und die Spezifizität der glykolytischen Funktion beweisen. *) Hahn, Berl. klin. Wochenschr. 1897, S. 499. en er u. Kichter F=T., Berl: klin. Wochenschr. Nr. 47, 1897. Virchows Arch, 151, 1898. j *=*) Salkowski, Virchows Arch. 147. Zeitschr. f. physiol. Chemie 7, 115. Centralbl. f. d. med. Wissenschaften Nr. 52, 1894. { 7) Fr. Kraus, loc. cit. BT) Spitzer, loc. eit. Fr) L&pine, Compt. rend. 1895, S. 139. Lyon medic. 1897. *7) Blumenthal, Zeitschr. f. diätetische u. physik. Therapie. 1, 3 (1898). **7) M. Jacoby, Virchows Arch. 157, 235 (1899). 33* 516 J. Feinschmidt, Indessen traten im Laufe der Zeit in den Ansichten von Lepine über die Glykolyse wesentliche Veränderungen ein*). Als Bildungsstätte des glykolytischen Fermentes sieht er nicht mehr das Pankreas, sondern sämtliche Gewebe an; das Pankreas spielt dabei insofern eine Rolle, als es einerseits durch seine innere Sekretion die Glykolyse begünstigt, andererseits aber als solches dadurch, daß es, unabhängig von der inneren Sekretion, einen Einfluß ausübt, vielleicht indem es Substanzen zerstört, welche die Glykolyse in den Geweben verhindern. | Blumenthal**) betrachtet die Glykolyse als einen vollkommen | selbständigen und zellulären Vorgang. Er nimmt an, daß das Ferment nicht bloß im Blut, sondern in den Gewebszellen selbst vor- handen sei. Diese Ansicht bestätigte sich, als er die Buchnersche Presse zur Zertrümmerung der Zellen verwandte; er bekam dabei Preßsäfte aus den verschiedensten Organen, welche Zucker in sehr intensiver Weise zerstörten. Blumenthal hat dabei auch die Produkte, die bei der Glykolyse sich bilden, genauer zu ver- folgen gesucht. Wie erwähnt, hielt Claude Bernard***) die Glykolyse für bedingt durch die Tätigkeit eines Milchsäurefermentes, dagegen glaubten Blondeau und Huston Fordyr), daß dabei eine Spaltung in Alkohol und Kohlendioxyd stattfinde. Seegenf) konnte aber bei seinen Untersuchungen weder Milchsäure noch Kohlensäure finden. Das widerspricht aber den Angaben von Krausyrr), der nachweisen konnte, daß bei der Zerstörung des. Zuckers im Blut unter Sauerstoffabsorption Kohlensäure entsteht, ebenso wie den von Scheremetjewski*r), der diese Tatsache allerdings auf anderem Wege schon in den 60iger Jahren vorigen Jahrhunderts gefunden hat. Blumenthal gelang es, nachzuweisen, daß bei der Spaltung des Zuckers sich Kohlensäure in reichlichen Mengen bildet, welche er für eines der wichtigsten Produkte der Glykolyse hielt. Er sprach sich dagegen aus, daß die Glykolyse in der Art einer alkoholischen Gärung erfolge. Denn er konnte ebenso- wenig wie Bendix, der auf seine Veranlassung die Frage verfolgte, *) Lepine, Lyon medic. Nr. 16, 1899. Deutsche med. Wochenschr. Nr. 4, 1902. **), Blumenthal, loc. cit. ++*) O]aude Bernard, loc. ceit. S. 19. +) eit. nach Claude Bernard, loc. cit. Tr) Seegen, loc. cit. +rr) Kraus, loc. cit. *7) Scheremetjewski, cit. nach Kraus. Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. 517 mit Sicherheit Alkohol nachweisen. Indessen glaubte Umber*), der die Versuche von Blumenthal mit Pankreas wiederholte, auch die von Blumenthal beobachtete Kohlensäurebildung auf Bakterienwirkung zurückführen zu können, während Brunton und Rhodes“*) durch Auspressen von Muskeln die Glykolyse in Abwesenheit von Bakterien konstatieren konnten. C. Oppen- heimer“**) konnte bei seinen mit frischem Blut und Zucker- lösungen angestellten Versuchen „stets eine sehr geringe Menge eines jodoformgebenden Körpers, der nicht Aceton war“, nach- weisen. Es gelang ihm jedoch nicht, mit Sicherheit festzustellen, daß der gefundene Körper Alkohol war. Auch Herzog), der sich neuerdings mit der Frage beschäftigt hat, konstatierte das Ent- stehen von Kohlensäure bei der bakterienfreien Glykolyse des Pankreas, kam aber auch in bezug auf das Vorkommen des Alkohols zu zweifelhaften Resultaten. Da uns neuerdings eine Buchnersche Presse von 400 Atm. Druck zur Verfügung stand — die von Blumenthal benutzte Presse gab nur bis zu 100 Kilogramm pro gem —, da sich über- haupt die Technik des Organpressens seit damals vervollkommnet hat, habe ich auf Anregung von Herrn Dr. Blumenthal die Frage von neuem aufgenommen. In der Zwischenzeit haben Stoklasa und Czernyrrf) Ver- suche veröffentlicht, in denen sie mitteilen, daß es ihnen gelungen sei, durch Auspressen von Pflanzenteilen und Tierorganen mit 300 bis 400 Atm. einen Saft zu bekommen, welcher Zuckerlösung unter Kohlensäure- und Alkoholbildung vergärt, und zwar in demselben Verhältnis wie bei der Hefegärung. Zwischen ihren Versuchen und denen von Blumenthal ist insofern ein Unter- schied, als Blumenthal seine Versuche aerob, Stoklasa und Czerny anaerob, und zwar in Wasserstoffatmosphäre, durchführten. Blumenthal, Stoklasa und Üzerny und seinerzeit Spitzerfff) haben das Ferment zu isolieren versucht. Blumen- thal hat es mit Alkohol schnell gefällt und diesen durch Äther entfernt, welcher Methode sich ebenfalls Stoklasa und Czerny bedienten. Die von Stoklasa angewandte Versuchsanordnung hat *) Umber, loc. eit. **) Rhodes u. Brunton, cf. Referat Chem. Centralbl. 2, 493 (1900). ***) Carl Oppenheimer, Die Fermente 1900. +) Herzog, Diese Beiträge 2, 102 (1902). +7) Stoklasa u. Üzerny, Berichte d. deutsch. chem. Ges. 1903, Nr. 3, S. 622. Centralbl. f. Physiol. 16, 652. Diese Beiträge 3, 11, 460. #17) Spitzer, loc. eit. 518 J. Feinschmidt, neuerdings Simä@ek*) mit positivem Resultate zum Nachweis der Pankreasglykolyse benutzt. Ich habe nun Untersuchungen nach folgenden Richtungen angestellt. 1. Über das Vorhandensein der Glykolyse im Organbrei bzw. im ÖOrganpreßsaft. 2. Über die Produkte der Glykolyse. 3. Über die Intensität der Glykolyse bei gewöhnlicher und anaerober Atmung. 4. Habe ich das glykolytische Ferment aus den Preßsäften zu isolieren versucht und seine zuckerzerstörende Kraft mit der der Preßsäfte verglichen. 5. Habe ich versucht, die bei der Glykolyse entstehenden Produkte quantitativ zu bestimmen, sowie das Verhältnis zwischen der gebildeten CO,- und Alkoholmenge. | Zur Methodik. 1. Gewinnung des ÖOrganbreis. Die Organe stammten entweder von im Laboratorium getöteten Tieren oder vom Schlacht- hof. Sie wurden sofort nach dem Schlachten aus dem Tierkörper entnommen und im letzteren Falle während des. Transportes in Toluolwasser bzw. Fluornatriumlösung gehalten. Vor dem Ver- arbeiten wurden sie 1 bis3 Stunden im Eisschrank stehen gelassen, dann von Fett und Sehnen befreit, in einer Fleischmaschine fein zermahlen und durch einen reinen Leinwandlappen mittels einer starken Handpresse filtriert. 2. Zur Gewinnung des Preßsaftes wurden ebenfalls nur ° die Organe von frisch geschlachteten Tieren verwendet. Nach dem Abspülen mit dem Wasserstrahl und Befreien von Fett und Sehnen wurden die Organe mit der Fleischmaschine zerkleinert, mit Quarzsand vermischt und zerrieben, in mehrere Portionen ver- teilt und in der Buchnerschen Presse bei 300 Atm. Druck ge- preßt. Der erhaltene Saft wurde in sterilen Kolben mit oder ohne Chloroform aufgefangen und 10 bis 14 Stunden im Eisschrank stehen gelassen. Der auf diese Weise gewonnene Saft stellt eine leicht trübe, mehr oder weniger bräunlich-rötliche Flüssigkeit dar, die mikroskopisch keine erhaltenen Gewebszellen zeigt. Aus 5 kg Substanz wurden etwa 500 bis 650 ccm Saft erhalten. 3. Um das Ferment zu isolieren, bediente ich mich des von Blumenthal angegebenen Verfahrens: *) Simäcek, Centralbl. f. Physiol. 17, Nr. 1, 1908. Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. 519 200 bis 300 ccm Saft wurden in einem hohen Cylinder mit absolutem Alkohol übergossen und gut durchgeschüttelt. Nach dem Abscheiden des Niederschlages wurde der Alkohol abge- gossen und der Niederschlag zweimal mit Äther durchgeschüttelt und mit der Wasserstrahlpumpe abfiltriert. Der erhaltene Nieder- schlag stellte eine graugelbliche zellenfreie Masse dar, die im - Brutofen bei 30 bis 35° in kleinen Portionen auf Fließpapier etwa 10 bis 20 Minuten resp. im Vakuumapparat getrocknet wurde. Vor der Anstellung der Versuche wurde der trockene Niederschlag abgewogen und im sterilen Mörser mit etwas sterilem Wasser aufgeschwemmt. 4. Alle Versuche wurden unter Zusatz von !Anti- septicis, Chloroform bzw. Toluol, Fluornatrium oder Thymol ausgeführt. Sämtliche Gefäße waren vor dem Gebrauche im Kochschen Apparat sterilisiert. Auch die verwandten Zuckerlösungen waren sterilisiert und behufs Konservierung mit Chloroform versetzt. Bei der Unterbrechung der Versuche wurden stets von den Brei- bzw. Preßsaftzuckerlösungen 1 bis 2 Platinösen oder mittels steriler Pipette einige Tropfen auf Agar und Bouillon über- tragen. Die Nährböden wurden im Brutofen bei entsprechender Temperatur, solange als der Hauptversuch dauerte, meist 4 X 24 Stunden, belassen. In den meisten Versuchen wurde auch die Züchtung anaerober Bakterien vorgenommen. Un: einen Einblick in die Produkte der Glykolyse zu ge- winnen, habe ich mich folgenden Verfahrens bedient. Zwei Halbliterflaschen werden mit durchbohrten Gummistöpseln ge- schlossen und untereinander durch ein gebogenes Glasrohr verbunden. In die eine Flasche kommt unter Zusatz des Antiseptikum das Brei- resp. Saftzuckergemisch, in die andere Baryt- bzw. Kalkwasser zur Aufnahme der sich entwickelnden Kohlensäure. Das Verbindungsrohr reicht in der Flasche mit dem Kalkwasser fast bis zum Boden des Gefäßes, in der Flasche mit dem Gemische etwas über den unteren Rand des Gummistöpsels. Bei den anaerob angestellten Versuchen sind die Gummipfropfen doppelt durchbohrt: außer der Verbindungsröhre ist jeder Pfropfen noch mit einem gebogenen Glasrohr versehen, das an seinem freien Ende einen Gummischlauch mit Metallklemme trägt. In der Flasche mit dem Preßsaftzuckergemisch reicht das zweite Rohr fast bis zum Boden des Gefäßes, in der mit Kalkwasser einige Zentimeter über den unteren Rand des Pfropfens. Bei der Durchleitung des Wasserstoffs passiert das sich im Kippschen Apparat entwickelnde Gas zuerst eine Flasche mit 5proz. Sublimatlösung, dann eine Wulffsche Flasche mit konzentrierter Natronlauge, dann wieder eine Flasche mit Sublimatlösung, dann die Flasche mit dem Preßsaftzuckergemisch und schließlich die mit Kalk- wasser. Dabei wird die Klemme an dem Ausgangsrohr der Kalkwasser- flasche beim Beginnen der Durchleitung zunächst geöffnet und beim 520 J. Feinschmidt, Schlusse der Durchleitung zuerst geschlossen. In der II. Versuchsreihe (s. u.) habe ich mich genau der Anordnung bedient, wie sie von Stoklasa angegeben worden ist*). Die quantitative Bestimmung des Kohlendioxyds habe ich in den meisten Versuchen nicht vorgenommen, da mich hauptsächlich die Produkte der Glykolyse interessierten; ich be- gnügte mich mit der Abschätzung der Menge des ausgefallenen kohlensauren Baryums bzw. Kalziums. Späterhin habe ich mich bemüht, auch das Verhältnis zwischen der bei der Glykolyse ent- stehenden Alkohol- und Kohlensäuremenge genauer zu bestimmen, und habe mich dabei der von Stoklasa gebrauchten Methodik bedient. Die Bestimmung des Zuckers geschah stets (außer in einem Falle, wo ich mich des Polarisationsapparates bediente) nach dem Knappschen Titrationsverfahren. Diese Methode wurde zuerst auf ihre Genauigkeit geprüft und nach den dabei er- haltenen Resultaten für unsere Zwecke geeignet befunden. Von den frisch zubereiteten, bzw. der Glykolyse unterworfenen Preßsaftzuckergemischen werden 30 ccm mit 1 bis 2 Tropfen Essigsäure angesäuert, im Wasserbade aufgekocht und nach dem Abkühlen abfiltriert. Das Koagulum wird sorgfältig mit destilliertem Wasser auf dem Filter ausgewaschen. Die Filtrate werden vereinigt und mit Wasser auf das ursprüngliche Flüssgikeitsgquantum aufgefüllt. In der auf diese Weise enteiweißten Flüssigkeit wird der Zuckergehalt mit der Knappschen Lösung titriert. Die in den einzelnen Versuchen angegebenen Zucker- werte sind das Mittel der bei zwei Titrationen desselben Gemisches erhaltenen Zahlen. Was den Alkohol betrifft, so gelang es mir nicht, bei den einzelnen Versuchen ihn rein darzustellen. Deshalb habe ich bei jedem Versuche in geringen Mengen des erhaltenen Destillats die üblichen Alkoholproben, in den meisten Fällen auch die Natrium- nitroprussidprobe, angestellt. Die Reste der Destillate wurden vereinigt, in einem sterilen geschlossenen Kolben aufbewahrt und der fraktionierten Destillation, wie unten beschrieben ist, unter- worfen. Bevor ich zu der Schilderung der einzelnen Versuche über- gehe, möchte ich noch an dieser Stelle folgendes bemerken. Ohne Zusatz von Antisepticis gelang es mir nicht, einen einzigen Versuch steril zu erhalten. Deshalb habe ich dieses Verfahren aufgegeben und bediente mich in allen hier angeführten Versuchen irgend eines von den früher angeführten Antisepticis. Auch bei Zusatz von Antiseptieis gelang es mir *) Stoklasa, Diese Beiträge 3, 464. Lu | Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. 591 öfters nicht, die Gemische während der Versuchsdauer bakterien- frei zu erhalten. Ich berichte in folgendem daher bloß über die Versuche, die bakterienfrei verliefen. Versuchsreihe I. Versuch Nr. 1. Zwei Kaninchenlebern werden unter aseptischen Kautelen ausge- schnitten, in kochendes Wasser kurz eingetaucht, in steriler Petrischale fein zerschnitten. . A. Die eine Hälfte wird mit 50 ccm einer 10proz. Zuckerlösung unter Toluolzusatz im Uberschuß versetzt und in eine Flasche getan. In der anderen Flasche Kalkwasser. B. Die andere Hälfte wird zur Kontrolle anstatt mit Zuckerlösung mit steriler Kochsalzlösung und Toluol vermischt. Sonst wie in A. C. 100 ccm von demselben Kalkwasser in geschlossener Flasche. Alles wird in den Brutschrank bei 37° gesetzt. A. B. C. Nach 6 Stdn. || Sehr leichte Trübung | Sehr leichte Sehr leichte Trübung Trübung E18. .; Trübung stärker, ge- | Kalkwasser klar, Kalkwasser klar, ringer Niederschlag | kaum merk- kaum merk- barer Nieder-) barer Nieder- schlag schlag a Kalkwasser trübe, Unverändert Unverändert Niederschlag etwas größer Ex 34, Geringe Gasentwickelg.| Unverändert Unverändert Kalkwasser wie am Tage zuvor 3, Keine Gasentwickelg. | Unverändert Unverändert Kalkwasser. trübe, Niederschlag größer Te Keine Gasentwickele. | Unverändert. Unverändert. Kalkwasser klar, Nie- derschlag wie am Tage zuvor, im ganzen nicht groß. Am 4. Tage abgeimpft, abdestilliert; in den Destillaten: | A. iA «BD; Die Jodoformprobe . . | deutlicher Geruch, einzelne Kristalle | negativ Die Acetonprobe . . . || negativ negativ Nährböden blieben steril. 522 J. Feinschmidt, Versuch Nr. 2. Drei unter aseptischen Kautelen ausgeschnittene Kaninchenlebern werden kurz in kochendes Wasser eingetaucht, fein zerschnitten, im sterilen Mörser zerrieben und durch einen Leinlappen unter Zusatz von 20 ccm steriler physiologischer Kochsalzlösung gepreßt. Erhalten: etwa 40 cem dünnflüssigen Breis. A. 20 ccm Brei werden mit 50 ccm steriler 5proz. Zuckerlösung und 10 ccm einer 1 proz. Fluornatriumlösung vermischt, das Gemisch wird mit steriler physiologischer Kochsalzlösung auf 100 ccm aufgefüllt. In der anderen Flasche 100 cem Kalkwasser. B. Im Kontrollversuche hat das Gemisch die gleiche Zusammen- setzung, der Brei aber ist vorher aufgekocht. Brutschrank bei 37°, A. B. Nach 6 Stdn. | Leichte Trübung Sehr leichte Trübung Br Deutliche Trübung, geringer | Kalkwasser klar, kaum Bodensatz, Aufsteigen merklicher Bodensatz einzelner Gasbläschen im | Kalkwasser I Gasentwickelung gering, Unverändert Bodensatz größer, Kalk- wasser trübe. „oxaı, Keine Gasentwickelungmehr, | Unverändert Kalkwasser ziemlich klar, deutlicher Bodensatz BR Wie am Tage zuvor. Unverändert Am 4. Tage || Das Gemisch riecht und | Das Gemisch reagiert reagiert stark sauer. (Die, schwach sauer. Jodoform- Trommersche und Moore- und Acetonprobe im sche Probe stark positiv.) | Destillate negativ. Im Destillate Jodoform- probe (starkerGeruch,reich- lich Kristalle) Acetonprobe negativ. Die Nährböden blieben steril. Versuchsreihe II. Organpreßsäfte und aus ihnen durch Fällung mit Alkohol-Ather gewonnene Niederschläge. Versuch Nr...3. A. Etwa 20 ccm Pferdeleberpreßsaft werden unter Zusatz von Chloro- form mit 100 ccm einer 10proz. sterilen Traubenzuckerlösung in einer Flasche vermischt. In der anderen Flasche etwa 100 cem Kalkwasser. Es wird täglich zwei Stunden lang Wasserstoff durch- geleitet, . B. 10 g aus dem Saft mit Alkohol-Ather gefällten Niederschlags + 100 ccm einer 10 proz. Zuckerlösung + Chloroform. In der anderen Flasche 100 cem Kalkwasser, Täglich wird zwei Stunden lang Wasserstoff durchgeleitet. Uber das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. A. Bei der Durchleitung tritt eine Trübung des Kalkwassers ein, all- mählich bildet sich ein bedeutender Niederschlag. 5253 B. Das Kalkwasser wird bei der Durchleitung sofort getrübt, schon nach zehn Minuten bildet sich ein geringer Niederschlag, das Wasser ist stark trübe; zum Schluß der Durchleitung besteht eine starke Trübung des Kalkwassers und ein ziemlich starker Niederschlag. Die Flaschen werden in den Brutofen bei 37° gesetzt. un | A. B. Nach 2!/, Stdn.) Das Kalkwasser trübe, der Das Kalkwasser ist stark Niederschlag etwas größer, trübe, der Niederschlag Aufsteigen einzelner Gas- | ist größer wie in A, ziem- blasen aus der Verbin- lich starke Gasbildung; dungsröhe im Kalkwasser.| reichliches Aufsteigen von Gasblasen im Kalkwasser. Te: „ ‚Die Gasentwickelung etwas Die Gasentwickelung wie stärker, der Niederschlag, vorher, der Niedercshlag größer, das Kalkwasser ist | istnoch größer geworden, trübe. das Kalkwasser ist stark trübe, ,:24 „ Die Gasbildung geht lang- | DieGasbildungistbedeutend sam weiter vor sich. „stärker wie in A, im Ge- misch ist deutliche Gärung erkennbar. »„ 2xX24 „ \Gasbildung wie am Tage Die Gasbildung und Gärung zuvor; der Niederschlag | bestehen noch, sie haben scheint nicht größer ge-| aber an Intensität abge- worden zu sein, das Kalk- nommen, starker Nieder- wasser ist trübe. schlag, das Kalkwasser leicht getrübt. „ 3xX24 „ |jGanz geringe Gasentwicke- | Gasentwickelung u. Gärung lung, das Kalkwasserleicht| haben aufgehört, Das trübe, der Niederschlag | - Kalkwasser ist ziemlich wie am Tage zuvor. klar, starker Niederschlag, „ 4X 24 „ |Keine Gasentwickelung, das | Keine Gasentwickelung und Kalkwasser ist klar, Boden- Gärung, Kalkwasser klar, satz etwa '/s cm hoch. Bodensatz zweimal so hoch wie in A. Am fünften Tage wird von beiden Gemischen je eine Platinöse in Agar- und Bouillonröhrchen übertragen. Beide Gemische riechen nach frischem Fleisch, Chloroform und stark sauer, beide reagieren stark sauer. Die angestellte Tromm ersche Probe fällt in beiden Gemischen stark positiv aus, die Mooresche Probe ist im Gemische A stärker wie im Gemische B. Die Gemische, sowie das Kalkwasser werden mit Natriumkarbonatlösung neutralisiert und ab- 524 J. Feinschmidt, destilliert. Die in den ersten Destillatportionen angestellten Proben fielen folgendermaßen aus: f Jodoformprobe, nach Zusatz von Jodkalium und Natronlauge: A. B. Allmählich Trübung und deutlicher Allmählich entwickelt sich starke Jodoformgeruch, nach zwei Stunden Trübung, starker Jodoformgeruch, scheiden sich mehrere Jodoform- reichlich Jodoformkristalle. kristalle aus. Aldehydprobe, nach Zusatz von Chromat und H,SO;: Deutliche Grünfärbung und Starke Grünfärbung, starker Aldehydgeruch. Aldehydgeruch. Natriumnitroprussidprobe negativ. negativ. Die Reste der Destillate werden zusammengegossen und für die spätere Reindarstellung des Alkohols in sterilem geschlossenen Kolben aufbewahrt. Die Nährböden bleiben steril. C. Zur Kontrolle wird durch 100 ccm desselben Kalkwassers zwei Stunden lang Wasserstoff durchgeleitet. Bei der Durchleitung wird die Flüssigkeit sehr leicht getrübt, beim Stehen im Brutofen scheidet sich ein kaum bemerkbarer Niederschlag ab, die übrige Flüssigkeit bleibt klar. Versuch Nr. 4. Zwei sterile Gärungsröhrchen werden mit einer Mischung aus fünf Teilen einer 10proz. Zuckerlösung und einem Teil Leberpreßsaft unter Chloroformzusatz gefüllt und in den Brutschrank gesetzt. Nach 2!/, Stunden ist in beiden Gärungsröhrchen keine Veränderung merkbar. : & Im oberen Teile des langen Schenkels sind einzelne kleine Gasbläschen. | 5 Die Zahl der Gasbläschen hat nicht zugenommen, das Gemisch sieht in einem Röhrchen etwas trübe aus. ut ARE IETE, Beide Gemische sehen trübe aus, die Zahl der Gas- bläschen hat nicht zugenommen. Er EEDESAT wie am Tage zuvor. Am vierten Tage wird von beiden Gärungsröhrchen eine Platinöse auf Agar und Bouillon übertragen; nach zwölf Stunden deutliches Bakterien- wachstum. Versuch Nr. 5. A. Drei sterile Gärungsröhrchen werden mit einer Mischung aus vier Teilen einer sterilen mit Chloroform gesättigten 10proz. Zuckerlösung gefüllt. In ein Röhrchen wird noch ein Tropfen Toluol, in das andere noch ein Tropfen Chloroform zugesetzt. B. Drei Gärungsröhrchen werden mit einem Gemisch aus vier Teilen derselben Zuckerlösung und einem Teil aus dem Preßsaft gewonnenen Niederschlags gefüllt. Zusatz von Antiseptikum wie in A. In sämtlichen Röhren tritt während 5 x 24 Stunden keine sichtbare Veränderung ein. Die Nährböden bleiben steril. Versuch Nr. 6. In diesem Versuch wird Leberpreßsaft und aus ihm gewonnener Niederschlag verwendet, die 36 Stunden unter Chloroformzusatz auf Eis Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. 5925 ä " . _ gestanden hatten. Versuchsanordnung wie im Versuch »Nr: :2, - Der Fermentniederschlag zeigt zwar auch hier eine größere glykolytische Kraft als der Preßsaft, aber im ganzen ist die Glykolyse bedeutend geringer als bei frischen Substanzen. Bei der Wasserstoffdurchleitung trübt sich das Kalkwasser geringer wie im Versuche Nr. 7, die Gasentwickelung beginnt erst nach 24 Stunden und besteht nur etwa acht Stunden; die Jodoform- und Aldehydproben fallen schwach positiv aus. ‘ b P 2 Versuch Nr. 7. 30 ccm Leberpreßsaft + 100 ccm steriler 10 proz. Traubenzucker- lösung + 10 ccm Toluol werden in eine sterile Flasche getan. Inder anderen Flasche 100 ccm Kalkwasser + 10 cem Toluol. Es wird Wasser- stoff eine Stunde lang durchgeleitet. Beim Durchleiten tritt eine sehr geringe Trübung des Kalkwassers ein. Nach sechsstündigem Stehen im Brutofen ist das Kalkwasser klar, es hat sich ein ganz geringer Nieder- schlag gebildet. Vier Tage bleibt der Apparat im Brutschrank ohne weitere Ver- änderung. Am fünften Tage wird geöffnet; das Gemisch riecht stark nach Toluol und frischem Fleisch, reagiert schwach sauer. Die angelegten Nährböden bleiben steril. Der Zuckergehalt vor dem Versuch — 8,3 Proz., nach dem Versuch — 8,1 Proz. k Die im Destillate angestellten Jodoform- und Aldehydproben, sowie die Natriumnitroprussidprobe fielen negativ aus. u Versuch Nr. 8. A. Vier Gärungsröhrchen werden mit je 10 ccm einer 5 proz. Zucker- lösung (mit Chloroform gesättigt) und je 1 ccm Leberniederschlag gefüllt, als Antiseptikum werden je zwei Tropfen zugesetzt: Nach 2x 24 Stunden, nach 4x 24 Stunden. 1. ohne Antiseptikum- !/, Röhre ist mit Gas zusatz gefüllt, die Flüssigkeit ist klar 2. Toluol 1/,, Röhre ist mit Gas gefüllt, die Flüssigkeit Ohne Veränderung. ist klar Keine Gasentwickelung, 4. 10proz, Fluor- | ie Flüssigkeit ist klar. natriumlösung Es wird auf Agar und Bouillon mittels Pipette je ein Tropfen über- tragen, die Nährböden bleiben 4x 24 Stunden steril. 3. Chloroform Versuch Nr. 9. A. 100 cem Leberpreßsaft 4 100 ccm steriler Zuckerlösung -—+ 20 ccm einer 10proz. Fluornatriumlösung .... .. 200 cem Kalkwasser. B. Von 100 cem Leberpreßsaft durch Alkohol und Ather gewonnener Niederschlag + 100 cem Zuckerlösung —+ 20 ccm einer 10 proz. Fluornatriumlösung ... . 200 cem Kalkwasser. 526 J. Feinschmidt, Es wird Wasserstoff zwei Stunden lang durchgeleitet. Die erste Trübung des Kalkwassers tritt in A etwa nach zehn Minuten, in B nach fünf Minuten ein. Zum Schluß ist das Kalkwasser in beiden Proben ziemlich gleich stark getrübt, der Niederschlag ist auch in beiden Flaschen ziemlich gleich. A. B. Nach 3 Stdn. || Unverändert | Unverändert 6: Deutliche Gasentwickelung, | Unverändert Niederschlag größer TR Wie vorher Ganz leichte Gasentwicke- lung Sun. 0 Gasentwickelung stark, im | Ziemlich starke Gasent- Gemische deutliche Gä-, wickelung, im Gemische rung, Kalkwasser stark | leichte Gärung, Kalk- trübe, Niederschlag be-| wasser trübe, Nieder- deutend größer schlag‘ bedeutend größer . ax, Gasentwickelung ziemlich | Starke Gasentwickelung, stark, leichte Gärung starke Gärung ax<21 5 Gasentwickelung gering, im | Gasentwickelung gering, Gemisch keine Gärung geringe Gärung „ 4X24 „ Keine Gasentwickelung, Sehr geringe Gasentwicke- Kalkwasser klar, Nieder- | lung, Kalkwasser ziemlich schlag etwa !/, cm hoch) klar, Niederschlag etwas größer wie in A. „5x24 „ |Wie am Tage zuvor. Keine Gasentwickelung, _ Kalkwasser klar, Nieder- schlag wie am Tage zuvor. Das Stehen im Brutschrank unterbrochen. Abgeimpft mittels steriler Pipette auf Agar und Bouillon. Beide Gemische riechen nach frischem Fleisch und sauer. Jedes Gemisch mit dem entsprechenden Kalkwasser vereinigt und abdestilliert. Die an- gestellten Proben auf Alkohol positiv, die Natriumnitroprussidprobe negativ. Die Zuckerbestimmung ergibt: Br n Vor dem Versuche . 92 Proz. — 11,5 g 5,1 Proz. — 11,66 8 Nach „ E N A Ps 53... 66 2 en Menge des vergor. Zuckers 4,87 8 5,9 8. Versuch Nr. 10. A. Fünf Gramm Muskelpreßsaft, durch Alkohol und Äther gewonnener Niederschlag — 100 eem Zuckerlösung — Chloroform. anaerob. B. Wie A, Versuch aerob. A. Bei der Durchleitung des Wasserstoffs tritt sofort Trübung ein, die rapid zunimmt, nach 15 Minuten Niederschlag. Versuch Zum Schluß der Durchleitung ist das Kalkwasser stark trübe; bedeutender Niederschlag. B. Beim Stehen auf dem Tisch keine Trübung des Kalkwassers. Nach 3 Stdn. ” 8 ” » mM „ ». 28 „ ” 32 ” DAX 24, ” 3 6 24 ” a 0 positiv aus, Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. Pipette übertragen. reagieren stark sauer. A, Geringe Gasentwickelung Gasentwickelung etwas stärker, Niederschlag größer, Kalkwasser deut- lich trübe Gasentwickelung stark, Kalk- wasser stark trübe, Nieder- schlag größer Starke Gasentwickelung, im Gemisch deutliche Gärung Wie vorher Gärung u. Gasentwickelung lassen nach Keine Gärung, keine Gasent- wickelung Wie am Tage zuvor, Kalk- wasser klar, etwa ein cm dicker Niederschlag. Zuckergehalt vor dem Versuche » nach „ er; 527 B. Unverändert Leichte Gasentwickelung, das Kalkwasser ist trübe, Niederschlag geringer wie in A Ziemlich starke Gasent- wickelung, Kalkwasser stark trübe, Niederschlag wie in A Starke Gasentwickelung, keine Gärung im Gemisch Gasentwickelung wie vorher, geringe Gärung im Ge- misch Wie am Tage zuvor. Geringe Gasentwickelung, geringe Gärung Keine Gärung, keine Gas- entwickelung, Kalkwasser klar, etwa 1 cm dicker Niederschlag. Das Stehen im Brutschrank unterbrochen. Von den Gemischen wird auf Agar und Bouillon je ein Tropfen mittels Die Nährböden bleiben steril. Die Gemische riechen nach frischem Fleisch, Toluol und sauer; In den Destillaten fallen die Alkoholproben A. B. 8,34 Proz, 8,2 Proz. 5,4 „ 5,8 ” Bei diesen Versuchen wird die gesamte Azidität vor und nach dem & Stehen im Brutschrank bestimmt. Zu diesem Zwecke wird das Gemisch abfiltriert, und 10 ccm des Filtrats werden unter Zusatz von einigen Tropfen neutraler Lakmuslösung mit Yo Normalnatronlösung_ titriert. Azidität auf 100 berechnet beträgt: Azidität vor dem Versuche . nach „ ” Versuch Nr. 11. dem Tode mit der Buchnerschen Presse etwa 50 cem roter Flüssigkeit gewonnen (die Preßtücher sind mit steriler Na Cl-Lösung angefeuchtet). Der Lebersaft wird mit 75 cem Zuckerlösung unter Zusatz von Chloroform vermischt und in eine Flasche getan. In der anderen Flasche Kalkwasser. Es wird eine Stunde lang Wasserstoff durchgeleitet; dabei entsteht eine geringe Trübung, sowie ein ganz leichter Niederschlag. j i } 1 | | | ” | “ Aus etwa 250 g Leber von einem Diabetiker werden drei Stunden nach | j 528 J. Feinschmidt, Nach 6 Stunden Kalkwasser klar, geringer ee mr N wie am Tage zuvor ss BIC MER unverändert Pi 0 > ebenfalls. Am vierten Tage riecht das Gemisch nach Chloroform und sauer, Die am Destillate angestellten Alkoholproben fallen negativ aus. Zuckergehalt vor dem Versuche 4,9 Proz. g nach: 3 % ST Versuch Nr. 12. A. 100 ccm Muskelpreßsaft + 100 cem Traubenzuckerlösung + Toluol im Uberschuß,. B. Niederschlag gewonnen aus 100 ccm Muskelpreßsaft und + 100 cem Traubenzuckerlösung + Toluol im Uberschuß. Beide Versuche anaerob, Bei der Durchleitung des Wasserstoffs tritt Trübung in beiden Ver- suchen fast zur gleichen Zeit ein, zum Schluß aber ist in B ein etwas größerer Niederschlag wie in A. \ Brutschrank bei 37°. A. B. Nach 3 Stdn. |Trübung und Niederschlag | Wie in A etwas größer n Be Wie vorher Leichte Gasentwickelung, Niederschlag größer,Kalk- wasser deutlich trübe a BT Leichte Gasentwickelung Gasentwickelung stärker Ball. .: Leichte Gärung, Gasent- | Gasentwickelung stark. Im wickelung stark Gemische deutl. Gärung. RE Wie vorher Wie vorher A a Ziemlich starke Gasent- | Gasentwickelung ziemlich wickelung und Gärung stark, Gärung gering nr, GeringeGasentwickelung und| Geringe Gasentwickelung, Gärung keine Gärung 5; KeineGasentwickelung, keine | Wie in A. Gärung, Kalkwasser klar, starker, 1 cm hoher Nie- derschlag. Abgeimpft mit steriler Pipette auf Agar und Bouillon. Die Nähr- böden bleiben steril. und sauer, reagieren stark sauer, fallen positiv aus. Die Gemische riechen nach frischem Fleisch, Toluol Die auf Alkohol angestellten Proben Die Zuckerbestimmung ergibt: A. er Vor dem Versuche 4,6 Proz. — 9,2 g 8,9 Proz. — 10,68 g Nach ” ” an dar RE 2,8 E2) > 5,6 - 6,3 » ;. 7,65 8 Menge des vergor. Zuckers 3,6 8 8,03 8 A, B. Azidität vor dem Versuche _ 4 2 nach „ 5 — 39 Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. 529 Versuch Nr. 13. Ein Kaninchen wird getötet. Die ganze Muskulatur abpräpariert, sorgfältig mit sterilem Wasser abgespült, in einer Fleischhackmaschine zer- kleinert, mit Quarzsand zerrieben und nachher gepreßt. Erhalten werden etwa 180 ccm hellbräunlicher Saft. Im Eisschrank zwei Stunden. Die Hälfte wird schnell mit Alkohol und Äther auf Ferment verarbeitet. A. Etwa 90 cem Kaninchenfleischpreßsaft + 100 ccm Zuckerlösung —- Toluol im Uberschuß. B. Niederschlag, erhalten aus 90 cem Kaninchenpreßsaft, + 100 cem Zuckerlösung + Toluol im Überschuß. Versuchsanordnung anaerob,. Bei der Durchleitung stellt sich die Trübung und der Niederschlag in beiden Versuchen fast zur gleichen Zeit und in gleicher Intensität, ein. A. 153 Nach 3 Stdn. |Trübung und Niederschlag | Aufsteigen einzelner Blasen etwas größer, Keine Gas- | in das Kalkwasser, letzteres bildung trübe, Niederschlag wie inA SER Geringe Gasentwickelung Gasentwickelung stärker wie in A I ee Gasentwickelung stärker als | Gasentwickelung ziemlich am Tage zuvor stark EP E; Starke Gasentwickelung, Wie in A starker Niederschlag DOSE BE „ Wie am Tage zuvor Wie in A. „33x24 „ Gasentwickelung läßt nach | Gasentwickelung etwas stärker wie in A „ax24, Keine Gasentwickelung, Keine Gasentwickelung, Kalkwasser klar, Nieder-| Kalkwasser leicht trübe, schlag etwa !/, cm dick. Niederschlag wie in A. Mittels steriler Pipette wird von jedem Gemisch je ein Tropfen auf Bouillon und Agar übertragen. Die Nährböden bleiben steril. Die Gemische riechen nach frischem Fleisch, Toluol und sauer; reagieren stark sauer. In den Destillaten fallen die Alkoholproben positiv aus, die Aceton- probe negativ. Der Zuckergehalt beträgt: =>... B. Vor dem Versuche. . . . . 38 Proz. —5,6 g 5,3 Proz. — 5,3 g Nach „ 2 REDE MT u Da Te SE Die Menge des vergor. , Zuckers 248 2,48. Reindarstellung des Alkohols. Die von den meisten Versuchen dieser Reihe in steriler geschlossener Flasche unter Zusatz von Toluol aufbewahrten Destillatreste, im ganzen in der Menge von etwa 120 ccm, werden von Toluol befreit und auf die Hälfte abdestilliert. Das erhaltene Destillat wird mit Natriumkarbonat gesättigt. Beim Zusatz von Natriumkarbonat tritt starker Alkoholgeruch auf, allmählich bildet Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 34 530 J. Feinschmidt, sich an der Oberfläche eine fette, stark nach Alkohol riechende Schicht. Die mit Natriumkarbonat gesättigte Flüssigkeit wird wieder destilliert. Dabei werden 4 ccm Alkohol von 80 Proz. gewonnen. Der Siedepunkt des Alkohols war 78 bis 79°. Versuchsreihe III. Versuche mit der Anordnung von Stoklasa. Um genauer auf das Verhältnis zwischen dem sich bei der Glykolyse entwickelnden Kohlendioxyd und Alkohol einzugehen und nachzuprüfen, ob die Glykolyse wirklich in der Art einer alkoholischen Gärung verläuft, habe ich mich bei den folgenden Versuchen genau der Anordnung und der Methodik bedient, wie sie von Stoklasa angegeben ist. Sämtliche Versuche dieser Reihe sind bei der Temperatur von 22° unter Zusatz von Anti- septicis durchgeführt. Nach dem Ablauf jedes Versuches wurde auf aerobe, sowie auf anaerobe Bakterien untersucht. Versuch Nr. 14. 1 kg Kaninchenfleisch wird !/, Stunde in einer 0,5proz, Sublimat- lösung sterilisiert, mit destilliertem Wasser tüehtig abgespült, in einem Mörser mit Quarzsand und Kieselgur zerrieben und in der Buchnerschen Presse gepreßt. Erhalten werden etwa 220 ccm zellenfreien Saftes. 200 ccm davon werden mit 300 cem einer 5proz. sterilen Trauben- zuckerlösung versetzt; als Antiseptikum dient Thymol (drei Körnchen). Wasserstoff wird täglich zwei Stunden lang durchgeleitet. Während der ersten Durchleitung und eine Stunde nachher tritt keine bemerkbare Gärung ein. Nach 18 Stunden keine Gärung zu sehen 335: 7: OR deutliche Gärung Er starke Gärung, über dem Gemisch steht eine Schaumschicht „a.xX. 38, die Gärung hat aufgehört. An Kohlendioxyd wurde gewonnen: Nach 18 Stunden: 0,034 6 0,458 ee... Be ee) im ganzen 0,944 CO,. In den für aerobe Bakterien angelegten Nährböden ist schon nach zwölf Stunden deutliches Bakterienwachstum nachweisbar. Die Nähr- böden für anaerobe Bakterien bleiben steril. Alkohol durch fraktionierte Destillation darzustellen, gelang nicht, obwohl die qualitativen Proben auf Alkohol positiv ausfielen; die Natrium- nitroprussidprobe war negativ. Versuch Nr. 15. In diesem Versuche wurde der durch Alkoholätherfällung aus Kaninchenfleischpreßsaft gewonnene Niederschlag benutzt. ri a Be Back | | | | | | | | Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. 531 6 g Niederschlag werden mit 100 cem einer 5 proz. sterilen Glykose- lösung vermischt. Darüber wird etwas gepulvertes Thymol verstreut. Es tritt nach einer halben Stunde deutliche Gärung ein. Der Versuch bleibt wegen eines Unfalls unvollendet. Versuch Nr. 16. Aus 2 kg Schweinsleber wird Preßsaft in der Menge von 280 ccm gewonnen. 10 g des durch Alkoholätherfällung erhaltenen Niederschlages werden in 200 cem einer sterilen 5proz, Traubenzuckerlösung getan; darüber wird reichlich Thymolpulver gestreut. Es tritt schon nach fünf Minuten eine lebhafte Gärung ein. Wasserstoff wird täglich zwei Stunden lang durchgeleitet. Nach 24 Stunden: Über dem Gemisch steht eine starke Schaumschicht 0 Die Gärung scheint nachgelassen zu haben =0%x24 „ Keine sichtbare Gärung,. An Kohlendioxyd wurde gewonnen: Nach 24 Stunden: 0,498 90547 a 1:7 „3x4 „0,052 ERET RBTRIEK NS Im ganzen 0,927 00,. Die Alkoholproben fielen positiv aus. Eine Reindarstellung des Alkohols durch fraktionierte Destillation gelang aber nicht. Die geimpften Nährböden blieben steril. Versuch Nr. 17. Schweinsleber im Gewichte von 21/, kg. Erhalten werden etwa 350 ccm Preßsaft. 250 ccm Preßsaft werden mit 250 ccm einer 5proz. Zuckerlösung vermischt. Als Antiseptikum wird reichlich Thymolpulver zugesetzt. Wasserstoffdurchleitung täglich zwei Stunden, Nach acht Stunden tritt eine starke Gärung ein. An Kohlendioxyd wurde erhalten: Nach 24 Stunden: 0,346 BR N 0,821 0 ek 0,793 pr 0,485 Im ganzen 2,445 CO,. Die Alkoholproben fielen folgendermaßen aus: Jodoformprobe: Schwacher Geruch, wenige Kristalle Aldehydprobe: Deutliche Grünfärbung, deutlicher Aldehydgeruch. Eine Reindarstellung des Alkohols gelang nicht. In den angelegten Nährböden trat nach zwölf Stunden reichliches Bakterienwachstum ein. Versuch Nr. 18. 250 ccm aus 2!/, kg Schweinsleber gewonnenen Preßsaftes werden mit 250 cem einer 5proz. Traubenzuckerlösung vermischt. Als Anti- septicum dienten 5 ccm Chloroform und etwas Thymolpulver, 34* 532 J. Feinschmidt, An Kohlendioxyd erhalten: Nach 12 Stunden: 0,27 Er Se x 7,2088 BR N Im ganzen 0,51 CO,. Die qualitativen Alkoholproben fielen positiv aus. Die quantitative Bestimmung des Alkohols wurde durch Abwägung der ausges:hiedenen Jodoformkristalle vorgenommen; zur Bestimmung des eventuell vor- handenen Acetons habe ich mich des von C. Oppenheimer modi- fizierten Denigesschen Verfahrens*) bedient, Auf diese Weise erhielt ich 6 mg Jodoform aus einer Substanz, die keineswegs Aceton war. Die angelegten Nährböden blieben steril. Wenn ich die Ergebnisse meiner Untersuchungen betrachte, so komme ich zu folgenden Resultaten: 1. In den unter Zusatz von Antisepticis angestellten Ver- suchen zeigte sich, wenn ich nur die anführe, in welchen die Abimpfung ergab, daß sich keine Bakterien entwickelt hatten, jedesmal die Bildung von Kohlendioxyd, Alkohol und Säuren. Die Entwickelung der Kohlensäure und Zerstörung des Zuckers war stärker in den durch Alkoholäther erhaltenen Fällungen der Preßsäfte als in den Preßsäften selbst. Auch negative Resultate mit Preßsäften hatte ich zu ver- zeichnen, immer dann, wenn ich sehr große Mengen Antiseptiea zugesetzt hatte. Es ist also unbedingt nötig, bei der Anstellung solcher Versuche die Menge des Zusatzes von Antiseptieis zu variieren, da schon ein geringes Minus die Bakterien nicht ab- tötet, ein geringes Plus die Wirkung des Fermentes hindern kann, eine Beobachtung, auf die schon verschiedene Autoren auf- merksam machten. Ich möchte noch erwähnen, daß auch die Buchnersche Zymase sich bei weitem nicht indifferent zu den verschiedenen Antiseptieis und besonders zu verschiedenen Quantitäten desselben Antisepticums verhält**). 2. Die Glykolyse ist ein selbständiger zellulärer Vorgang, der anscheinend mehreren Organen zukommt. Ich fand sie in Brei- und Preßsäften von Pankreas***), Leber- und Muskelfleisch. Sie ist aber nicht bloß an die Tätigkeit der lebendigen Zelle gebunden, da der *) C. Oppenheimer, Über einen bequemen Nachweis von Aceton usw.. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 38, 1899. **) Buchner, E. u. H., und Hahn, M.: Die Zymasegärung 1903,. Kapitel 4, S. 169. ***) Da von anderer Seite neuerdings negative Resultate mit Pankreas erzielt wurden, so sollen diese Versuche fortgesetzt werden, um die Divergenz. der Ergebnisse aufzuklären. Über das zuckerzerstörende Ferment in den Organen. 533 durch hohen Druck in der Buchnerschen Presse gewonnene Saft, der bloß Zellentrümmer und keine lebendigen Zellen mehr enthält, bei gewöhnlicher, sowie bei anaerober Atmung glykolytisch wirkt. Es ist mir auch gelungen, wie Blumenthal und Stoklasa und Czerny, das Ferment mit Alkoholäther, allerdings noclı unrein, zu isolieren. 3. Aus dem Vergleich der aerob und anaerob ausgeführten Versuche (Nr. 11, 13, 17, 18) geht hervor, daß anaerob die Glyko- lyse intensiver und rascher vor sich geht als bei Sauerstoffzutritt. 4. Die glykolytische Kraft der Preßsäfte nimmt mit der Zeit ab, wie aus dem Versuche Nr. 6 hervorgeht. 5. Beim Vergleiche der Wirkung einer bestimmten Menge Preßsaftes mit der einer entsprechenden Quantität isolierten Fer- mentes (Nr. 9, 12, 13) stellt sich heraus, daß im Fermentzucker- gemisch die Spaltung früher beginnt, früher zu Ende kommt und intensiver verläuft. Ich habe eine sehr rasch entstehende Gärung, wie sie Stoklasa beschreibt, bloß in drei Fällen auftreten gesehen; gewöhnlich trat sie erst nach 2'/, bis 6 Stunden ein. 6. Unter den Produkten, die sich bei der Glykolyse ent- wickeln, konnte ich reichliche Mengen von Kohlendioxyd und verhältnismäßig sehr geringe Quantitäten von Alkohol konstatieren. Für die Bildung von Alkohol bei der Organglykolyse halte ich für beweisend: 1. das fast in allen Versuchen positiv ausgefallene Resultat der Alkoholreaktionen, wobei ausgeschlossen war, daß sie etwa durch Aceton vorgetäuscht sein könnten; 2. die gelungene Darstellung von fast reinem Alkohol, wenngleich nur in geringerer Menge (4 ccm). Doch muß die Menge des bei meinen Versuchen wirklich gebildeten Alkohols mindestens auf das doppelte Quantıım geschätzt werden, da ich für die Alkoholreaktionen wenigstens die Hälfte der Destillate verbraucht habe. 7. Außer den genannten Produkten bilden sich bei der Gly- kolyse in reichlichen Mengen Säuren. Nach der abgelaufenen Glykolyse fand ich stets die Gemische bedeutend saurer wie vorher. In einigen Versuchen habe ich die Steigerung des Säuregrades in den Gemischen bei der Glykolyse zahlen- mäßig auszudrücken versucht. Auf die Natur der Säuren bin ich nicht weiter eingegargen. Möglicherweise stören die sich ent- wickelnden Säuren die weitere zuckerzerstörende Wirkung des Fermentes. Claude Bernard*), hat schon die Beobachtung ge- macht, daß Säuren die glykolytische Wirkung im Blut ver- - *) Claude Bernard, loc. cit. 534 J. Feinschmidt, Über das zuckerzerstörende Ferment usw. hindern oder mindestens verzögern, und Bendix*) hat gefunden, daß, wenn die Säuren, noch ehe sie das Ferment abgetötet haben, durch Zusatz von Alkali neutralisiert werden, die Gärung ihren Fortgang nimmt. Simätek berichtet in seiner eben erschienenen Arbeit, daß bei der Glykolyse außer Produkten der alkoholischen Gärung noch Milch- und Buttersäure entsteht. 8. Der Versuch Nr. 11 bestätigt die Befunde von M. Jacoby“) und Blumenthal**), daß die diabetische Leber keine glyko- lytische Kraft besitzt. Die Mengen Alkohol, welche ich in den einzelnen Versuchen gefunden habe, waren viel zu gering, als daß man von einer alko- holischen Gärung sprechen könnte. Die wesentlichen Produkte bleiben immer Kohlendioxyd und Säuren. Die Glykolyse ist also, entsprechend der Ansicht von Blumenthal, ein selbständiger Vorgang, verursacht durch ein in den Gewebszellen enthaltenes Ferment, das aber nicht in gleicher Weise den Zucker abbaut wie das Hefeferment. Zum Schluß möchte ich Herrn Geheimrat E. von Leyden meinen herzlichsten Dank aussprechen für die Erlaubnis, meine Arbeit auf seiner Klinik ausführen zu dürfen. Ebenso bin ich Herrn Dr. F. Blumenthal, Vorsteher des Laboratoriums der Klinik, für die Anregung und unermüdliche Unterstützung bei dieser Arbeit zu verbindlichstem Dank verpflichtet. *) Bendix, loc. eit. Vgl. auchBurghart, Dtsch. med. Wochenschr. Nr. 37, 1899. **) M. Jacoby, Kongress f. innere Medizin 1898. *#*), Blumenthal, loc. cit. el XL. Über die elykolytische Wirkung der Leber.” Von Dr. Rahel Hirsch. Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg. Bekanntlich sucht man die Ursache der diabetischen Stoff- wechselstörung in einem Minderverbrauch von Zucker. Da nun die Exstirpation des Pankreas die gleiche Stoffwechselstörung hervorruft, so hat man diese Ursache in einer glykolytischen Wirkung des Pankreas gesucht (Lepine, Ferdinand Blumen- thal), eine Vermutung, die sich in dieser Form als unrichtig erwiesen hat. Denn nicht bloß, daß das Pankreas an sich keine glykolytische Wirkung hat, auch das Blut der Vena pancreatico- duodenalis zeigt keine stärkere Glykolyse als jenes anderer Körpervenen (Umber). Wohl war aber denkbar, daß das vom Pankreas zur Pfortader strömende Blut ein Agens, ein Proferment oder eine Kinase, der Leber zuführte, durch welche das Lebergewebe erst zum Zucker- verbrauch befähigt würde. Trifft diese Vorstellung zu, so muß die Pankreasexstirpation die sonst in der Leber erfolgende Um- wandlung des Zuckers, die zu seinem Verschwinden führt, tief- *) Vorliegende Untersuchung wurde Ende Juli lauf. Js. der hiesigen medizinischen Fakultät als Dissertation vorgelegt und erschien im August unter dem Titel: „Ein Beitrag zur Glykolyse“. (Straßburg, Buchdruckerei C. Müh u. Co. 1903.) Die inzwischen veröffentlichte Untersuchung von OÖ. Cohnheim: „Die Kohlehydratverbrennung in den Muskeln und ihre Beeinflussung durch das Pankreas“ (Zeitschrift f. physiologische Chemie 39, 336, ausgeg. am 3. Sept.) hat mit meiner Arbeit soviel Berührungspunkte, daß es notwendig erscheint, den wesentlichen Inhalt der Dissertation schon jetzt weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Damit soll zugleich dem hiesigen Laboratorium das Recht gewahrt werden, die in Angriff genommene Frage weiter zu verfolgen. Betreffs der Literatur der Glykolyse verweise ich auf meine Dissertation, sowie die in diesen Beiträgen erschienenen Arbeiten von Herzog (2, 102) und Feinschmidt (4, 511). 536 | Rahel Hirsch, gehend schädigen oder völlig aufheben und muß so Hyperglykämie, Glykosurie und eine mehr oder weniger weitgehende Unfähigkeit, Zucker zu assimilieren, bedingen. Dieser Gedankengang, welcher von Herrn Professor Hofmeister gelegentlich seiner Vorlesungen entwickelt wurde, war der Ausgangspunkt der mitzuteilenden Versuche. Sie hatten zum Ziele, festzustellen: 1. ob die von früheren Autoren bei Autolyse der Leber beobachtete Glykolyse sich auch auf zugesetzten Traubenzucker erstreckt; 2. ob in diesem Fall die Menge der bei der Autolyse ent- stehenden ätherlöslichen Fettsäuren, vor allem der Milchsäure, dadurch eine solche Steigerung erfährt, daß sich ein Schluß daraus auf die Entstehung dieser Säuren aus Zucker ziehen ließe; 3. ob die glykolytische Leistung der Leber durch Zusatz von Pankreas eine Steigerung erfährt. Methodisches. Die Versuche wurden ausschließlich an ganz frisch entnommenen Organen vom Rind unter strenger Antisepsis bzw. unter Anwendung von Toluol ausgeführt. Dies empfiehlt sich schon im Hinblick auf die zahl- reichen Fehlerquellen, denen man bei rein aseptischen Versuchen, sobald es sich um Entnahme größerer Organe handelt, stets ausgesetzt ist. Im vorliegenden Falle, wo überdies eine möglichst innige Einwirkung der Leber auf den zugesetzten Zucker angestrebt werden mußte, war eine Zerkleinerung der Leber bzw. des Pankreas vor dem Zusammenbringen mit Zucker nicht zu umgehen, und dabei ist an eine Fernhaltung von Gärungs- und Fäulniserregern nicht zu denken. Da, wie andere Antiseptica, auch das Toluol bestimmte fermentative Umsetzungen auf- heben kann, ist damit zugleich ein Verzicht auf den Nachweis von etwa vorhandenen gegen Toluol empfindlichen Fermenten gegeben *). *) Wenn, während diese Untersuchungen ausgeführt wurden, Stoklasa und seine Schüler Beobachtungen mitgeteilt haben, wonach Leber und Pankreas und andere Organe der Hefezymase und dem Milchsäureferment ähnliche, äußerst wirksame Enzyme enthalten sollen, so konnte ich zu diesen Befunden in meinen Versuchen nicht weiter Stellung nehmen, möchte aber doch erwähnen, daß die von Stoklasa angewandten Maßnahmen, durch welche er sich vor Täuschung durch hinzutretende Gärungserreger zu schützen suchte, nicht derart sind, eine exakte Nachprüfung überflüssig zu machen. Vor allem ist die Unmöglichkeit, Bakterienwachstum durch Über- impfung auf eine beschränkte Anzahl Nährböden zu erzielen, keineswegs ein sicherer Beweis von Sterilität, da es zahlreiche, zumal ana@robe, Bakterien gibt, — man denke nur an die im Darm lebenden zahlreichen Formen —, die sich nur äußerst schwierig, wenn überhaupt, auf künstlichem Nährmaterial zu lebhaftem Wachsen bringen lassen. Soweit aber Stoklasa vom Zusatz antiseptischer Stoffe Gebrauch machte, so handelte es sich einerseits mehr- | Über die glykolytische Wirkung der Leber. 537 Meine Versuche wurden in der Regel in folgender Weise ausgeführt. Von dem gut zerkleinerten Leber- bzw. Pankreasbrei wurden gewogene Mengen — 100 g — mit dem gleichen Gewicht 0,8proz. Kochsalzlösung, event. einer Zuckerlösung von bekanntem Gehalt und soviel Toluol versetzt, daß der in einem gut verschließbaren Präparatenglas befindliche Brei nach innigem Schütteln beim Stehen eine fingerdicke Schicht von Toluol absetzte. Dieses Schütteln ist namentlich im Anfang zweckmäßig öfters zu wiederholen. Bei sehr fäulnisfähigen Geweben, z. B. Pankreas, kann man die Erfahrung machen, daß bei Unterlassen zureichenden Schüttelns sich Fäulnis auch unter der Toluolschichte einstellen kann. Daß in meinen Versuchen die Antisepsis eine vollkommene war, ergab sich nicht bloß aus der Beschaffenheit der Proben, die ihr frisches Aus- sehen lange bewahrten, sondern auch aus der mikroskopischen und bakteriologischen Prüfung. Insbesondere bin ich Herrn Prof. Forster für die gütige eingehende Untersuchung zweier derart gewonnener auto- lytischer Flüssigkeiten zu besonderem Danke verpflichtet, bei der sich deren völlige Sterilität auch auf den geeignetsten Nährböden herausstellte. Die zur Autolyse bestimmten Proben wurden, gut verschlossen, in einen auf 37° temperierten Brutraum gestellt und gelangten nach einem kürzeren oder längeren Zeitraum (1 bis 100 Tage) zur Untersuchung. Dieselbe erstreckte sich auf die quantitative Bestimmung des Glykogens, des Zuckers und der ätherlöslichen Säuren, Zur Bestimmung des Glykogens diente das in jüngster Zeit ange- ‚gebene Verfahren von Pflüger, bei dem das Gewebe mit 60proz. - KOH-Lauge in Lösung gebracht und das Glykogen durch Alkohol aus- gefällt wird. Die Prüfung auf Glykogen war übrigens nur bei der frischen oder nur wenige Tage autolysierten Leber notwendig, nach achttägiger Autolyse ist nie Glykogen mehr vorhanden, wie sich übrigens schon durch die völlig klare Beschaffenheit der Leberdekokte verrät. Behufs Zuckerbestimmung wurde der Organbrei in mit saurem Kalium- phosphat (KH, PO,) angesäuertem Wasser zum Kochen gebracht, wobei sich in der Regel das noch etwa vorhandene gelöste Eiweiß gut ab- schied; Flüssigkeit samt Niederschlag wurden dann in einem Maßzylinder _ auf ein bestimmtes Volum (1000 cem) gebracht. Dann wurde nach längerem Stehen abfiltriert und ein aliquoter Teil unter Vernachlässigung des Volumens des Gewebes zur Zuckerbestimmung benützt. Gelegentliche Kontrollversuche im hiesigen Institut haben nämlich gezeigt, daß auf - diesem bequemen Wege richtigere Zahlen für den Gehalt des Organbreis an gut diffundierenden Substanzen erhalten werden als bei Auswaschen des Eiweiß-Niederschlags. Sämtliche Titrationen wurden doppelt und zum Teil öfters ausgeführt, Die Bestimmung der ätherlöslichen Säuren geschah durch Extraktion eines aliquoten Teiles des Dekokts nach Ansäuren mit Ather in einem Apparat nach Schacherl und darauf folgende Titration des sauren Atherrückstandes, fach um Stoffe von sehr unzureichender antiseptischer Wirkung, andererseits vielfach um den Zusatz von so kleinen Mengen und unter so ungünstigen Bedingungen, daß Zweifel an ihrer ausreichenden Wirksamkeit nicht ausge- schlossen sind. 538 Rahel Hirsch, Versuche. Eine Anzahl der im Beginn von mir ausgeführten Versuche diente mir zur Orientierung über Technik und Fehlerquellen des angewandten Verfahrens. Diese Vorversuche hatten im ganzen das gleiche Ergebnis wie die noch anzuführenden; sie zeigten, daß unter Toluol eine langsame, aber unzweifelhafte Abnahme des der Leber zugefügten Zuckers erfolgt, sowie daß diese Ab- nahme durch Zusatz von Pankreasbrei in auffälliger Weise be- schleunigt wird. Bei diesen Vorversuchen wurde ferner unter- sucht, ob der Zusatz von säurebindenden Salzen: Natriumbikarbonat, Magnesiumkarbonat, Kalziumkarbonat die Zuckerabnahme und die Säurebildung begünstigt. Doch habe ich in weiteren Versuchen, um nicht die natürlich gegebenen Bedingungen unnötig zu komplizieren, zumeist von diesen Zusätzen Abstand genommen. Nachstehend lasse ich eine Anzahl Versuchsprotokolle in tabellarischer Anordnung folgen. Tabelle I. Versuche ohne Pankreaszusatz. 100 g . Ges.- | Ge=.- Nr frische Leber Zusatz Kohle- Kohle- Abnahme " enthalten an |hydrat Dauer der | hydrat des Gly- |vor der| NaHCO, nach d.|____ 2 eg Be Gly- Gly- Lose Auto- Autolyse | Auto- “ | kogen | kose lyse lyse g Proz. g g g g g m |134 |a86 | .o | :asol ©... A Ta ı| ao mr m |ı3 Jı1u | oo | aa 0o Is, | 108) 100 om pvp /ıe lea | oo | a0 oo | „ | 18 as 5 e ! „ 950012900 0 |1m „ |gasa| 697) 36 _—_ VI 0,67 | 2,45 | 24,50 | 27,62 |zugesetzt!6 Wochen| 21,92| 5,70 | 20,6 — IVb | 0,39 | 1,95 0 2,34 0 3!/, Mon.| 2,05| 029 | 123,6 Ivan. „ Ias0|as| 0o |, „1022| 542 | 220. vp |0963| 2843| 0 | ssı 0 |5Mon. | 39.| 0897| 87 Ve „ist 0 „ |zugesetzt| „ „ 3,33 | 0,48 ErrZ Var ac, oa a5 0 |, , I1o|35| SW Ve » |» )1980| 23,61 \zugesetzt| „ „ | 17,02| 659 29 Diese Versuche zeigen, daß Leberbrei unter Toluol, sich selbst überlassen, in vielen Fällen einen Zuckerverlust zeigt, der nach Zuckerzusatz pro 100 g Leber mehrere Gramm Zucker betragen kann. ° Sie zeigen ferner, daß zugesetzter Traubenzucker stets ange- griffen wird, und zwar im Verhältnis rascher als der von der — Über die glykolytische Wirkung der Leber. 539 Leber gelieferte. Die Abnahme tritt verhältnismäßig langsam ein und erreicht selbst bei monatelanger Digestion meist nur einen Wert von 20 bis 30 Proz., selten bis 50 Proz. des ursprünglichen Kohlehydratgehalts. Dabei steigt die Menge des verschwundenen Zuckers deutlich mit der Größe des Zusatzes (Versuch V b, d, e). Die Abnahme kann daher bei sehr ungleichem Gehalt an Gesamt- kohlehydrat prozentisch ziemlich gleich, in absoluten Werten aber sehr verschieden sein. Es könnte sich somit um eine Gleich- gewichtsreaktion handeln. Bevor ich daran ging, den Einfluß des Zusatzes von Pankreas auf die glykolytische Leistung der Leber zu bestimmen, war zu erwägen, ob nicht Pankreas selbst zuckerzerstörend wirkt. Von Lepine und Blumenthal und erst jüngster Zeit von Simätek ist dem Pankreas eine solche Wirkung zugeschrieben, von Umber aber auf Grund sorgfältiger Versuche durchaus abge- sprochen worden. Soweit es sich um Versuche mit ausreichender Antisepsis handelt — also um Bedingungen, wie sie auch bei meiner Untersuchung gegeben waren —, ist die Angabe Umbers nicht bezweifelt worden. Immerhin habe ich es für zweckmäßig gehalten, mich neuerdings von Ihrer Richtigkeit zu überzeugen *). Versuch \L 100 g Pankreasbrei wurden mit 25g Glykose unter Toluol sieben Tage lang digeriert. Es wurden dann wiedergefunden 24,99 g. Es hatte sonach keine Zuckerabnahme stattgefunden. Ganz anders gestaltete sich das Ergebnis bei Zusammenwirken von Leber- und Pankreasbrei. Tabelle II. Versuche mit Pankreaszusatz. 100 8 Ges.- Ges.- frische Leber Zusatz K BES: Kehle- Abnahme 2 enthalten an |hydrat Dauer der | hydrat des Gly- ‚vor der| NaHCO, nach d. ER: Be Gly- Gly- kose | Auto- Autolyse | Auto- “ I kogen | kose lyse g Proz. 8 Id, 1,12 | 2,97 | 25,00 | 29,09 0 1 Tag 29,41 0 0 IIc.| 1,34 |. 2,86 | 25,00 | 29,20 0 4 Tage | 23,53 | 5,67 | 19,7 id, 1,12 | 2,97 | 25,00 | 29,09 0 Brlız 10,52 | 18,57 63,8 Be 11,923 | 1.11 0 2,34 zugesetzt 8 „ 0,76) 1,58 | 67,5 im | _ r2cg \ Bes „1050| EBE7S6 *) Auch Cohnheim hat beim Pankreaspreßsaft die Abwesenheit einer glykolytischen Wirkung nachweisen können. 540 Rahel Hirsch, Wie ersichtlich, hat Pankreaszusatz einen mächtig fördernden Einfluß auf die Zuckerabnahme. Er beschleunigt sie in dem Maße, daß sie zu einem Zeitpunkt, wo die Kontrollprobe noch nichts davon erkennen läßt, bereits mehrere Gramm Zucker beträgt, (Man vergleiche z. B. die mit derselben Leber ausgeführten Ver- suche IIb der Tabelle I und IIc der Tabelle IL) Nach achttägiger Digestion hat bei Pankreaszusatz der Zuckerverlust regelmässig eine Höhe erreicht (über 60 Proz. des Anfangsgehalts), wie sie ohne solchen Zusatz in keinem Fall auch bei viel länger dauernder Autolyse beobachtet wurde. Besonders auffällig erschien der Einfluß des Pankreaszusatzes in nachfolgendem Versuch (1V d)*): 100 g der in Versuch IVb verwendeten Leber hatten, wie aus Tabelle I ersichtlich, bei 3'/,monatlichem Stehen (16/II. bis 80./VI.) nur 0,29 g Kohlehydrat = 12,6 Proz. eingebüßt. Eine sonst gleich behandelte Probe derselben Leber wurde nach viermonatlichem Stehen (16./IIl. bis 17./VIl.) mit 100 g Pankreas versetzt und neuerlich unter Toluol auto- lysiert. Nach achttägiger Digestion ergab die Titration 0,44 Proz. Zucker, statt 2,34, somit eine Gesamtabnahme von etwa 80 Proz. Der Zuckerverlust, der schon bei den einfachen Leberver- suchen in vielen Fällen auffallend groß ist, erreicht in diesen Versuchen einen erstaunlichen Wert. Es liegt da ein Zucker- umsatz vor, der mit den gewaltigen Leistungen des pflanzlichen Kohlehydratstoffwechsels in eine Reihe gestellt werden kann, Wenn darnach 100 g Leber in acht Tagen 5, 10 g und mehr Glykose so verändern können, daß sie sich dem Nachweis entziehen, so erscheint die Frage um so dringender, was aus dem verschwundenen Zucker geworden ist. Da man bei der Leberautolyse regelmäßig reichliche Säure- bildung beobachtet, die vielfach auf Umwandlung der Kohlehydrate bezogen wird (Magnus-Levy), so liegt die Vermutung nahe, daß auch in meinem Falle der zugesetzte Zucker für die Bildung von Säuren — von Milchsäure, Bernsteinsäure, Buttersäure usw. — Verwendung gefunden hätte. Die Bestimmung der bei der Autolyse entstehenden äther- löslichen Säuren in Versuchen, wo dieselbe Leber unter Zufügung neutralisierender Salze teils mit, teils ohne Zuckerzusatz der Autolyse überlassen wurde, ergab keine Stütze für diese Auffassung. *) Der Versuch konnte erst nach Abschluß meiner Dissertation zu Ende geführt werden, ist daher in dieselbe nicht aufgenommen. a a u 2 © 0059 m “w Über die glykolytische Wirkung der Leber, 541 Tabelle III. Säurebildung bei dreimonatlicher Autolyse. Bedarf an Be, Zusatz an neu- Zusatz No-Natron zur Neu- 5 |tralisierendem | an Glykose tralisation der ge- er | Salz g bildeten ätherlösl. | Säuren 100 g Lieber + 100 ccm | Er VIITa | 0,8proc. NaUl-Lösg | 0 0 11,8 ccm VIaID. R \2 g MgCO, 0 | 104% VIIIe | 3 ee 10,0 | KEANE VIIId ö |2g CaCO, 0 | 168 „ VIIIe | ” AAN 59 | 10,0 16,4 „ VIE i 2g NaHCO, 0 | 147 „ VINg. R PETER AR 10,0 | 152 , Wie man sieht, scheint zwar das zur Neutralisation zugesetzte Salz einen gewissen Einfluß auf die Menge der gebildeten äther- löslichen Säuren zu haben, ein Einfluß des Glykosezusatzes ist aber nicht erkennbar. Aber auch sonst haben sich bisher keine Anhaltspunkte zur Erkennung des betreffenden Umwandlungs- produktes ergeben. Eine Vergärung unter reichlicher Kohlen- säurebildung, wie sie Stoklasa und Simädek beobachtet zu haben glauben, war nicht wahrnehmbar; Alkohol konnte ich zwar in einzelnen Versuchen im Destillat nachweisen, aber nicht konstant und vor allem nicht in einer Menge, die zur Deckung des ver- schwundenen Zuckers auch nur entfernt hingereicht hätte. Ich muß daher wenigstens für meine Versuchsanordnung Feinschmidt darin beistimmen, daß bei der Glykolyse eine alkoholische Gärung nicht vorliegt. Es wird besonderer Versuche bedürfen, die ent- sprechenden Umwandlungsprodukte zu fassen und der Analyse zuzuführen. Das Ergebnis meiner Versuche läßt sich kurz dahin zusammen- fassen, daß das Lebergewebe die Fähigkeit besitzt, Traubenzucker weitgehend chemisch zu verändern*), und daß diese Fähigkeit durch Pankreasgewebe mächtig gefördert wird. Damit scheint der ein- gangs entwickelte Gedankengang eine auffallende Bestätigung zu finden, Man könnte sich nun über die Rolle, welche Leber und Pankreas bei der Glykolyse im Tierkörper spielen, folgende einfache Vorstellung bilden: Die Leber besitzt das Vermögen, ihr *) Ob es sich dabei um einen Abbau oder eine Veränderung anderer Art handelt, mag zunächst unentschieden bleiben. 542 Rahel Hirsch, Über die glykolytische Wirkung der Leber. zuströmenden Zucker zu verändern, dieses Vermögen ist aber an die Bedingung geknüpft, daß ihr vom Pankreas aus ein dazu absolut nötiges — an sich allein unwirksames — Agens, vermutlich ein Pro- ferment oder eine Kinase, zugeführt wird. Die frisch isolierte Leber, die eben erst aus der Verbindung mit dem Pankreas gelöst worden ist, besitzt naturgemäß noch etwas von dem zugeführten Agens und damit in wechselndem Maße glykolytische Wirkung. Zusatz von Pankreas steigert diese Wirkung. Wird der Leber durch Aus- schaltung des Pankreas das betreffende Agens dauernd entzogen, so muß ihre glykolytische Wirkung zurückgehen und schließlich verschwinden. Ob dieser Schluß gerechtfertigt ist, werden end- gültige Versuche über die ‚glykolytische Leistung der Leber von Tieren ohne Pankreas entscheiden müssen. Vorläufig spricht der Umstand, daß Jacoby, Blumenthal und jüngst Feinschmidt die Leber des Diabetikers frei von glykolytischer Wirkung gefunden haben, sehr für eine solche Auffassung. Gegen dieselbe könnte der Einwand erhoben werden, daß die in meinen Versuchen beobachtete Glykolyse allzuspät auftrete und zu träge verlaufe, um eine Anwendung auf die vitalen Vorgänge zu gestatten. Doch kann dieses Bedenken nicht entscheidend sein. Einmal kennen wir die Bedingungen der Glykolyse im Körper nicht entfernt genau genug, um sie im Reagenzglas mit annähernd gleichem Erfolg nachahmen zu können. Sodann ist aber der langsame Verlauf der experimentellen Glykolyse in unserem Falle zum Teil dem Umstand zuzuschreiben, daß der in den Leberzellen enthaltene glykolytisch wirkende Stoff erst bei Zerfall der Leberzellen mit dem aus Glykogen entstehenden und dem zugesetzten in Lösung befindlichen Zucker ausreichend in Berührung kommt, daß gewissermaßen zuerst eine „Aufschließung“ der Zellen durch autolytische Fermente erfolgen muß. Möglicherweise ist der raschere Verlauf der Glykolyse bei Pankreaszusatz zum Teil auf eine solche be- schleunigte Aufschließung zu beziehen, während sich die intensivere Wirkung aus diesem Umstand nicht wohl erklären läßt. Immerhin kann diesen Vorstellungen vorläufig nur ein heuristi- scher Wert zuerkannt werden. Bei der verwickelten Natur der einschlägigen Vorgänge und der großen praktischen Wichtigkeit der Sache erscheint es hier mehr noch als sonst geboten, sich weitgehender Schlußfolgerungen zu enthalten. Vor allem muß nochmals aufs sorgfältigste geprüft werden, ob die beobachtete auffällige Wirkung des Pankreas auf die Glykolyse in der Leber nicht doch noch von Bedingungen abhängt, die mit dem physiolo- gischen Zuckerverbrauch nichts zu tun haben. Verlag von Aug. Hirschwald in Berlin. Soeben erschien: Die chemische Pathologie der Tubereulose, Bearbeitet von Docent Dr. Clemens, Docent Dr. Jolles, Prof. Dr. R. May, Dr. von Moraczewski, Dr. Ott, Dr. H. von Schroetter. Docent Dr. A. von Weismayr. Herausgegeben von Dr. A. Ott. 1303. - gr. 8, 14 M. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht der Medieciner zusammengestellt von ar. Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. Gebunden in Lnwd. Preis 3 #. Die chemische Organisation der Zelle. Bin Vortrag von Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. geh. Preis 0,60 #. lder Stiekstoff und seine wichtigsten Verbindungen. Von Dr. Leopold Spiegel, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit eingedruckten Abbildungen. gr. 8. Preis geh. 20 #, geb. 22 M. Synthesen in der Purin- und Zuckergruppe. Von Emil Fischer. Vortrag, gehalten am 12. Dezember 1902 vor der Schwedischen Akademie der Wissenschaften zu Stockholm. gr. 8. geh. Preis 0,80 #. Die Zersetzung stickstofffreier organischer Substanzen durch Bakterien. Von Dr. 0. Emmerling. Privatdozentan der Universität Berlin. Mit sieben Lichtdrucktafeln. kl.8 geh. Preis4 4. BELEBLBZZBBBEEEEE Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunicdtweig. — Vollständig erschienen: —— Hermann von Helmholtz u REED EEE TELLER RIED Leo Kokkisibengeh In drei Bänden. Mit 9 Bildnissen in Heliogravure und einem Brieffaesimile. Gr. 80. In vornehmer Ausstattung. Preis des vollständigen Werkes geh. M. 20.—, geb. in Leinwd. M. 2. geb. in Halbfrz. M. 3L—. IM“ dem soeben zur Ausgabe gelangten dritten Bande des hochbe- deutenden Werkes ist die grosse Helmholtz-Biographie von Leo Koenigsberger, welche als eine biographische Leistung ersten Ranges | für die gesamte wissenschaftliche Welt und für weite Kreise des ge- bildeten Publikums von dem grössten Interesse ist, vollständig erschienen. Die Entwickelung, das Leben und Wirken und die Bedeutung einer Persönlichkeit zu schildern, die durch den Umfang und die Tiefe des Wissens und die Macht des Könnens die meisten ihrer Zeitgenossen überragt, alle Welt durch das Produkt ihrer Arbeit während mehr als eines halben Jahrhunderts in Staunen und Bewunderung versetzt und der Wissenschaft neue fundamentale Lehren geschenkt und neue Wege zu fruchtbarer Tätigkeit gewiesen hat, war eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufgabe, deren Durchführung dem Verfasser, welchem nicht nur die Feder, sondern auch die auf eingehender Sachkenntnis ruhende Teilnahme für Person und Stoff zu Gebote stand, in vollendetem Masse gelungen ist. Dem grossen Naturforscher und Gelehrten ist mit dieser meisterhaiten Darstellung seines in der Geschichte der Wissenschaft wohl einzig dastehenden Entwickelungs- ganges und seiner unvergleichlichen Lebensarbeit ein würdiges Denkmal errichtet worden, wie es der Mit- und Nachwelt nicht schöner überliefert werden konnte, Zu bezieben durch alle Buchhandlungen. FEFFFEFRIITTFERT A. W. ZICKFELDT, OSTERWIECK/HARZ. Beiträge zur Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister 0. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg IV. Band. 12. Heft (Ausgegeben November 1908) Braunschweig Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn 60:3 Inhalt des 12. Meftes. 3 Seite XLI. A. Nürnberg. Uber die koagulierende Wirkung autolytischer Organ-Extrakte auf Albumosenlösungen und Milch. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der UniversitätCharkow). 543 XLI. H. Bayer. Über die plasteinogene Substanz. (Aus dem physio- logisch-chemischen Institut zu Strassburg ü. E) . . . . . 554 XLIII. Leopold Moll. Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin. (Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität in Prog)... ..'s). “% wie ru Ze uk XLIV. Leopold Moll. Über Blutveränderungen nach Eiweißinjektionen. (Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität in. Brag) ».- 02. man De a ee ee re a 2 a ee Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erscheinen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von 36 Druckbogen zum Preise von M. 15,— bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolet nach Maßgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre er- scheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. ee sind an den Herausgeber, Straßburg i. E., Wimpfelingstraße 2, zu richten. Bei der Male von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung, Sachlich- keit, Knappheit und UÜbersichtlichkeit der Darstellung maßgebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer tatsächlichen Richtig- stellung überschreiten, können nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mit- teilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein besonders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40,— für den Druck- bogen und 50 Sonderabzüge. XLI. Über die koagulierende Wirkung autolytischer Organ- Extrakte auf Albumosenlösungen und Milch. Ven Dr. A. Nürnberg. Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der Universität Charkow. Die Untersuchungen der letzten Jahre über die autolytischen Veränderungen der tierischen Gewebe haben gelehrt, daß es sich dabei um recht verschiedene chemische Prozesse handelt. Die Eiweißkörper und Nucleoproteide zerfallen allmählich bis zur Ent- stehung von kristallinischen Produkten, die Kohlenhydrate bis zur Bildung von Fettsäuren, z. B. Milchsäure, Bernsteinsäure, Essig- säure, Buttersäure und Kohlensäure. Diese Veränderungen sind fermentativer Natur, d. h. sie werden von gelösten nichtorgani- sierten Fermenten, die sich in den Geweben vorfinden, hervor- gerufen. Die große Verbreitung einer labenden Wirkung auf Milch in den Geweben der Tiere und Pflanzen und das in einzelnen Fällen nachgewiesene Nebeneinandervorkommen von labender und proteolytischer Wirkung (Magen-, Pankreas- und Papayotin- extrakte) legt die Frage nahe, ob nicht auch die autolysierten Organe Labwirkung besitzen. Das Interesse einer solchen Untersuchung wird wesentlich dadurch gesteigert, daß in der letzten Zeit A. Danilewski, W. Okunew, D. Lawrow, Sawjalow, Kurajeff, Salaskin und M. Lawrow gezeigt haben, daß die Magenschleimhaut-, Pankreas- und Papayotinextrakte neben der labenden Wirkung auf Milch und der proteolytischen Wirkung auf Eiweißkörper auffallenderweise auch eine Ein- wirkung auf Albumosenlösungen besitzen, indem sie darin eigen- tümlıche Niederschläge (Plasteine und Koagulosen) erzeugen. Es war daher von Interesse zu erfahren, ob die Extrakte von auto- lysierten Organen außer der eigentlichen Labwirkung auch die Plasteinreaktion aufweisen. Von einschlägigen Arbeiten sind nur die Untersuchungen von W. Okunew zu erwähnen. Okunew untersuchte die Milch- und Plasteinreaktion von Wasser-, Alkohol- und Glycerinextrakten, xx 544 A. Nürnberg, die aus den zerkleinerten und an der Luft getrockneten, frisch dem Tierkörper entnommenen oder durch 24 Stunden in schwach salzsaurem Wasser aufbewahrten Organen dargestellt waren. Magen- und Pankreasextrakte koagulierten Milch und Albumosen- lösungen viel stärker als die Extrakte von anderen ÖOrganen. Betreffs des Pankreasextraktes gibt Okunew an, daß es sowohl bei neutraler, als auch bei saurer und schwach alkalischer Reaktion auf Albumosenlösungen koagulierend einwirkt. Für die anderen Organe fehlen solche Angaben. Die Leberextrakte nehmen bei Okunew, ihrer Fähigkeit nach, auf Albumosen zu reagieren, unter anderen von ihm geprüften Organextrakten (Magen, Pankreas, Dünndarm) den letzten Platz ein. Unter -anderem beobachtete Okunew, daß die Lösung von Kalbsblutfibrin, das in chloroformhaltigem Wasser lange aufbe- wahrt worden war, auf Milch und Albumosenlösungen ganz wie Labextrakt koagulierend einwirkt. Da die Untersuchungen von Okunew in keiner direkten Be- ziehung zu den autolytischen Veränderungen der Organe stehen, habe ich auf den Vorschlag von Herrn Professor Kurajeff eine Reihe von Versuchen ausgeführt, um die Wirkung der Extrakte autolysierter Organe auf Albumosenlösungen und Milch fürs erste in ihren Hauptzügen zu studieren. Methodisches. Für meine Untersuchungen habe ich die im Laboratorium von Hofmeister ausgearbeitete antiseptische Methode (Vergl. Conradi u. a.) benutzt. Möglichst schnell nach dem Tode des Tieres (im Laufe von 10 Minuten bis 1 Stunde) wurden die zum Versuch bestimmten Organe aus dem Körper entnommen, sorgfältig gereinigt, fein zerhackt und in Kolben mit der doppelten Gewichtsmenge physiologischer Kochsalzlösung (0,7 proz.) ver- teilt. In jeden Kolben wurden 10 bis 50 cem Toluol und Chloroform ein- gebracht, so daß der Boden des Kolbens und die Oberfläche des Inhaltes mit einer 1 em hohen Schicht des Antiseptikum bedeckt waren. Die Kolben wurden mit Kautschukpfropfen verschlossen in den auf 37 bis 40° C eingestellten Brutschrank gebracht. Von Zeit zu Zeit wurde ge- schüttelt und noch Antiseptikum zugefügt. Die Reaktion der Extrakte war in allen Kolben schwach alkalisch. Bakterien waren nicht vorhanden. Die Albumosenlösung wurde aus Hühnereiweiß in folgender Weise bereitet. Das Eiweiß von 25 bis 50 Eiern wurde mit dem vierfachen Volum Wasser vermischt, mit Essigsäure schwach angesäuert, Koaguliert, das Eiweißgerinnsel mit Pepsin (1,5 Pepsinum Grübler auf 5 Liter) und 0,5proz. Salzsäure 2 bis 3 Tage bei 37 bis 40° gehalten. Die Verdauungs- lösung wurde mit Soda neutralisiert, vom ausgeschiedenen Acidalbumin ‚abfiltriertt und auf dem Wasserbade etwas eingedampft. Die benutzten Albumosenlösungen enthielten 10 bis 13 Proz. feste Bestandteile. Über die koagulierende Wirkung autolytischer Organ-Extrakte usw. 545 Die Versuche mit den Organextrakten wurden in folgender Weise ausgeführt. Für jedes zum Versuch bestimmte Organ wurden in drei Probierröhrchen je 5 ecm neutralisierter Albumosenlösung, in das vierte 5 ccm Kuhmilch eingegossen. Zu einer Probe der Albumosenlösung wurde ein Tropfen (= 0,05 ccm) 12,5proz. Salzsäure, zur zweiten ein Tropfen 10proz. Sodalösung zugesetzt, die dritte blieb neutral. Die Milch war immer von schwach alkalischer Reaktion und frisch. Von jedem Organ- extrakte wurden dann je 20 Tropfen in die vier Probierröhrchen filtriert und die Proben in den Brutschrank eingestellt. Die Kontrollversuche mit 20 Minuten lang gekochten und filtrierten Extrakten gaben immer negative Resultate. Die zu den Versuchen benutzten Kaninchen und Hunde wurden durch Verblutenlassen aus den Halsgefäßen im Laboratorium getötet. - Die Organe vom Rind und Schwein wurden vom Schlachthaus bezogen. ua u Fan Be in ET U an A. Organe zweier ausgewachsener Kaninchen. I. 4stündige Autolyse. Milch Albumosenlösung Eine Stunde Eine Nacht j im Thermostaten sauer |neutral| alkal. | sauer neutral olkal. = | spärl. N N erinnung in | flock. aum | flock. 2 . Magen 3 Stunden |Nieder- trüb |Nieder-] Kaum trüb schlag schlag Br 2 Bahpı |, #7 Er ) r flock. en ‚starker | starker | flock. Leber Nieder-) trüb trüb | flock. | Nieder-| Nieder- schlag Nieder-| schlag | schlag Bi: schlag | | spärl. "Wa . flock. en kaum Milz zen — _ - 2 (th Sr Bernina trüb Nieder- trüb 8 ‚schlag j RN Eier f ee _ — ||ebenso | ebenso | ebenso . Stunde E Muskeln N wie in den |Nieder-| trüb | — INieder- Fan trüb Kontroll- | schlag | .j|sehlag | var Dünndarm proben mit | etwas | +.üp | trüb | Trübung Milch allein | Üb | ___ a ae Dickdarm ie _ = eg Trübung : | Nied. Nieren De _ — /ebenso Trübung z | flock. Lungen J trüb - — Nieder--- Trübung : PL ee | schlag Labpulver von Pe 15 Min. | Grübler 1,5:50,0 | Kontrollproben: I. 5 cem aq. destill. + 1 Tropfen HÜl von 12!/, Proz. + 20 Tropfen der Extrakte — klar. II. 5 ccm saurer Albumosenlösung + 20 Tropfen aq. dest. = klar. | III, Dieselben Proben wie in den Tabellen nur mit 20 Minuten ge- _ kochten Extrakten = klar. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 35 546 A. Nürnberg, II. stägige Autolyse. Milch Albumosenlösung 2 Eine Stunde | Eine Nacht im Tliermostaten | sauer neutral alkal. sauer neutral alkal. M ı Gerinnung in Klum | kaum | re Trübun agen 2 Stunden |Schlae| trüb 7 Nieder 8 | schlag | starker | | | ) | ers R | ] sehr starker Leber Nieder sehr trüb |} „ehr | lock. Nieder- schlag | | schlag Besherneeng: star- sehr ge- Milz ringer ' kaum trüb |} ker In5Stunden _Nied. | } lock. | n . sehr ge- u Eier | a sea ı ringer Trübung | Nie rt starke 'ı Gerinnung. Nied. \ der- Trübung Muskeln '( Kontroll- | ebenso ebenso | schlg.' Dünndarm proben ganz Trübung | Nüssig sehr # fer sehr = Dickdarm trüb kaum trüb || Fore trüb = ws Trü- . 4 Nieren aa Trübung nie | trüb Hock. starker E . : l. lock. Lungen Nieder- sehr trüb A. Nie-, Pa Bin 1 schlag derschl. Niederschlag Labpulv er von ı5 Min. Grübler 1,5:50,0 Kontrollproben wie bei A 1. ho E III. 20tägige Autolyse. Milh Albumosenlösung 3 Eine Stunde Eine Nacht im Thermostaten 1 —ä I | | sauer neutr. alkal. sauer neutr.. alkal. J i ' | sparl. starker | Magen rt kaum trüb Eee kaum trüb ‚schlag schlag EN Let Nil. Trebune | fock. 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I. 3!/,stündige Autolyse. 547 | Milch Albumosenlösung | | Eine Stunde Eine Nacht | im Thermostaten | sauer | neutr. | alkal. | sauer | neutr. |; alkal. | starker | Gerinnung u | Hlock. | „», | kaum Magen nach 2 Stunden ee, > Be trüb | trüb | schlag | Gerinnang in = spärlicher Hockiger“ Pankreas der ersten Stde. kaum trüb Niederschlag | kaum | kaum |Fehr ze- m Dünndarm | | wüb | üb trüb ER Trübung | | | Nı1ed. £ | \ —_ ee = sehr geringer Dickdarm | | kaum trüb trüb trüb | Niadars chlag Fe sehr = Ge- | sehr stark flock. Leber Ki Wie die | trüb trüb rinnsel | Niederschlag Äi Kontroll- | sehr ge- E Milz AI proben trüb kaum trüb || ringer | sehr trüb | Nied. : u kaum || sehr sehr geringer Gehirn Bus trüb | trüb | Niederschlag Lungen Trübung flockiger Niederschlag Eier | | trüb kaum trüb trüb kaum trüb _Kontrollproben wie bei A I. lI. 8stägige Autolyse. Gehirn Lungen Eier n | J Milch Eine Stunde sauer k | Hoc ıNied neutr. | alkal. | sauer Albumosenlösung Eine Nacht im Thermostaten neutr. | alkal. Kontrollproben wie bei A T. Gerinnung u ni - Ge- er ach 3 Stunden ie u | kaum trüb | jnnsel Zrabung Gerinnung | spärlicher flockiger sehr starker flockiger ı nach 10 Min. | Niederschlag Niederschlag flock. | ._, : tlock 2.13 s ı sehr geringer |. .;... | spärlicher lock ‚Nieder-- %:_,2°..5°7 | Nieder-, "PM! : schlag | Niederschlag schlag | Niederschlag uni sehr ge- | sehr starke Trübung ri | trüb | ringer | | Nied. Gerinnung | Sehr starker flockiger | Ge- | sehrstrk. flock. 2 . Niederschlag E rinnsel | Niederschlag i Een sehr ge-| kaum \.flock. 4 bis 5 Stund.| ringer | trüb trüb | Nieder- Trübung Kontrol- |_Nied. | | use: ns f sehr ge- proben flüssig trüb ringer ı sehr trüb ı Nied. | Inden fehzE>| sehr |Mtrker| _Aockiser schlag | Nied. | schlag ” ı sehr | ” kaum | F ” trüb trüb trüb | sehr trüb s5* 548 A. Nürnberg, IlI. 20tägige Autolyse. Milch | Albumosenlösung "Eine Stunde | Eine Nacht im Thermostaten sauer neutr. | alkal. Yari a Hock. Magen ER a | = ee in Gerinnung mE ' schwacher flockiger 2 Pankreas nach 1 Stunde = Niederschlag Dünndarm ) - | - | = sehr ger. Niederschlag Diekdarm | trüb | — | trüb | flockiger Niederschlag sehr | ., starker flock. |Sehr ge- Leber iR trüb | nie Niederschlag Hinger ; sehr ge- > Milz L as trüb | — _ en ringer sehr trüb [ Kontroll- | \ Nied. \ proben .“ı | kaum | kaum ler En kann Gehirn üb üb | trüb | trüb | Wüb | erüb sehr R = \starker | tlockiger Lungen trüb kaum trüb | ee) Niederschlag BE a ER HET Ta Eier j | a Fe = | un trüb | kaum trüb Kontrollproben wie bei A Il. C. Organe vom Schwein. I. 3l/astündige Autolyse. 8 y & Milch Albumosenlösung Eine Stunde l Eine Nacht im Thermostaten sauer | neutr. | alkal. | sauer | neutr. | alkal. z He] ||starkes sehr ge- Gerinnung 3 . || | 5 . Maecn [Rs ‚> |Nieder-- kaum trüb || Ge- ringer | trüb = le ke | schlag \rinnsel | Nied. 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Gerinnuug im \ || großes | Magen Tue der, Sure el! trüb | Ge- trüb ersten Stunde |rinnsel | A Br | sehr as ' sehr | Hock. starker Dünndarm 2 ) trüb | trüb | trüb | Nied. | Nied. : | ' Hock. e spärlicher flockiger Dickdarm eanang | Need. ur Niederschlag + ä starker flock. | ,.., |; sehr starker flockiger Leber im ve fl. Nied. Nied. | trüb | Niederschlag mg H von 2 bis 3 |Aock. :, starker flockiger Nieren N Stunden. | Nied. trüb | Nied. | Niederschlag TER ar. Hack, P starker | flock. |shr.ger. Gehirn nr Nied. trüb fl. Nied.| Nied. | Nied. = proben starker fock. | ,.. | sehr starker tloekiger Lungen flüssig. A. Nied., Nied. , üb Niederschlag AR | b ” j ‚ flock. TE | Hook. |. Muskeln ) : | kaum trüb |lstarker| 1: | trüb Nied. | A Nied Nied. | Gerinnung | Aoekiger sehr starker flocki © Rue ger ren 8 bis 10 Min. | Niederschlag |®Njup | Nied. | Niederschlag F Fe, flock. | f sehr | : Wie Dünn- : e . = en flockiger Mile | Yale [Mieder-| Trühung senken wiederhlug Kontrollproben wie bei A I. III. 16tägige Autolyse. Milch Albumosenlösung _ Eine Stunde | Eine Nacht | im Thermostaten | | GE sauer | neutr. alkal. | sauer | neutr. | alkal. Gerinnung ERMEREr Magen nach ı Stunde | trüb 2 le Dünndarm ] trüb | kaum trüb | starke Trübung Dickdarm trüb Io | | Trübung Br Gerinnung |iock. | | sehr starker flockiger | ü ger Leber im Laufe von| Nied. kaum trüb Diehlie I 5 bisa Bi “ _ . |)starker flockiger Nieren KR; a trüb i | Nied. Niederschlag Bahn ri a kaum z «| Hook. | 8 ärl. | sehr v Kontroll- trüb sr || Nied. | Nied. | trüb | proben | sehr Istarker| flock. | flock Lungen a. 2 _ starker | flock. | flock. negativ, Niod, | fl. Nied. Nied. Nied. kaum | kaum || „Sehr | flock. | sehr | Muskeln ji üb | — | trüb |starker| Nied. | trüb . Gerne DEE i spärlicher flockiger Pankreas nach 20 Min. Trübung Niederschlag BaN, Milz Wie Dünn- | kaum Beat spärlicher flockiger darm usw. trüb | | Niederschlag 550 A. Nürnberg, D. Organe vom Hunde. I. 4!/;stündige Autolyse. | Milch Albumosenlösung Eine Stunde Eine Nacht im Thermostaten | sauer | neutr. | alkal. || sauer | neutr. | alkal. > Mi ehr ge- | BEN Magen rn, Singer | kaum trüb 066, | kaum erh ied. I hl | Pe | schlag Leb nach 5 Stunden Nie Trübung | starker flockiger eber et Se Niederschlag Pankreas | 20 Min. | Trübung | flockiger Niederschlag Kontrollproben wie bei A I. lI. Atägige Autolyse. \ Milch Albumosenlösung Eine Stunde Eine Nacht im Thermostaten sauer | neutr. | alkal. I sauer | neutr. ' alkal. M | Gerinnung we | k trüb | ee | ab aMazen nach !/, Stunde na Au |Nieder- trü | = schlag Then nach 21,, sehr starker flock. | _ sehr starker flock: EIER & Stunden Niederschlag Niederschlag Pankreas 7 Min. er Trübung Flockiger Niederschlag Kontrollproben wie bei A I. Ergebnisse. Aus den angeführten Tabellen ist ersichtlich, daß die auto- lytischen Extrakte von Lebern im Vergleich mit denjenigen anderer Organe auf Albumosenlösungen am stärksten koagulierend ein- wirken. Dann folgen Magen- und Lungenextrakte, erst nach diesen Pankreas-, Dünndarm-, Dickdarm-, Nieren-, Gehirn-, Eier- und Muskelextrakte. Die Organe dieser Serie unterscheiden sich in ihrer koagulierenden Wirkung auf Albumosen wenig und stehen. der Leber, den Lungen und dem Magen in dieser Beziehung sehr nach. Ganz anders gruppieren sich die untersuchten Organe in betreff der Milchgerinnung. Hier stehen die Pankreasextrakte an erster Stelle und die frischesten davon geben der Lablösung in der Raschheit der Wirkung wenig nach. Während die zur Milch- labung durch Pankreasextrakt nötige Zeit nach Minuten zu rechnen ist, bedürfen die anderen Extrakte dazu einer oder Über die koagulierende Wirkung autolytischer Organ-Extrakte usw. 551 mehrerer Stunden. Nur das frische Magenextrakt wirkt energischer aber immerhin nicht so, wie das Pankreasextrakt. Was den Einfluß der Reaktion der Albumosenlösung auf die koagulierende Wirkung der Organextrakte anlangt, so zeigen die geprüften Organe im ganzen eine größere Koagulierungskraft bei schwach saurer als neutraler und schwach alkalischer Reaktion. Die Magenextrakte geben in schwach sauren Albumosenlösungen ziemlich starke flockige Niederschläge, in alkalischen und neu- tralen kaum eine Trübung, die Pankreasextrakte wirken trotz wechselnder Reaktion nahezu gleich, ebenso wirken auch frische Leberextrakte sehr stark sowohl bei saurer als auch neutraler oder schwach alkalischer Reaktion, die Wirkung der Darmextrakte ist in dieser Beziehung nicht konstant, die Gehirn-, Muskeln-, Nieren- und Eierextrakte koagulieren die sauren Lösungen am besten, doch ist der Einfluß der Reaktion hier nicht so groß wie bei den Magenextrakten. Es erübrigt noch, den Einfluß der Dauer der Autolyse der Organe auf die Intensität der Gerinnungswirkung zu besprechen. Die 16stündigen Organextrakte zeigten immer die größte Energie der Wirkung, was sich in der schnelleren Bildung von Trübung und Niederschlägen zeigte (nach 2 Stunde). Die frischeren (3 bis 4 Stunden alten) wie auch die älteren (bis 3 bis 4 Wochen alten) Organextrakte erreichten manchmal dieselbe Wirkungskraft wie die 16stündigen, aber erst nach längerer Einwirkung auf Albumosenlösung (nach 18 Stunden). Die Organextrakte vom Schwein zeigten im Vergleich mit denjenigen von anderen Tieren (Hund, Rind, Kaninchen) augenscheinlich die intensivste koagu- lierende Wirkung. Schlußbemerkungen. Schon Salkowskı hat in seinen Untersuchungen über die Veränderungen der Organe nach dem Tode bei ausgeschlossener Bakterienentwickelung („Autodigestion® Salkowski, „Autolyse“ Jacoby) auf die Wichtigkeit dieser Veränderungen zur Erklärung der Natur des Abbaues der Gewebe und Organe im lebenden Organismus hingewiesen. Spätere Forscher (z. B. Schlesinger) weisen auf die Analogie der autolytischen Veränderungen im lebenden Organismus bei Störungen der Zirkulation mit den- jenigen bei künstlich erzeugter Autolyse hin. Dieser Umstand macht die große Mannigfaltigkeit der bei der Autolyse gefundenen Fermentwirkungen noch interessanter. Man kann jetzt außer von der proteolytischen, lipolytischen (Kraus, Siegert) und glykogen- spaltenden Fermentwirkung der autolytischen Organextrakte auch 552 A. Nürnberg, von einer plasteinogenen und milchlabenden sprechen. Weitere chemische Untersuchungen über die Natur der durch autolytische . Organextrakte in Albumosenlösungen erzeugten Niederschläge werden die Frage über ihre plasteinogene Funktion endgültig aufklären. Die Frage, ob es ein oder zwei Fermente sind, die in den autolytischen Organextrakten einerseits auf die Albumosen, anderer- seits auf die Milch einwirken, wie auch, ob diese Fermente bei verschiedenen Organen identisch sind, müssen wir offen lassen. Jedenfalls haben wir weder einen vollständigen Parallelismus in der Wirkung eines einzelnen bestimmten autolytischen Extraktes, noch auch der verschiedenen Extrakte auf Albumosen und Milch gefunden. Die Fähigkeit autolysierter Organe, verschiedene Ferment:- wirkungen (proteolytische, labende, plasteinogene usw.) hervorzu- bringen, ist derjenigen der frischen Organe (bzw. ihrer Extrakte) ganz analog. Wie es scheint, besteht überall im Organismus, wo sich das eine oder das andere proteolytische Ferment vorfindet, auch die Fähigkeit, Albumosen und Milch mehr oder weniger energisch zur Gerinnung zu bringen. Wenn es gestattet ist anzu- nehmen, daß dasselbe komplizierte Pepsin- und Trypsinmolekül (Nencki, Pawlow, Pekelharing, Vernon) verschiedener Fermentwirkungen fähig ist, so kann man mit gleichem Recht dieselbe Annahme auch für das proteolytische Ferment (bzw. die Fermente) der Autolyse machen. Weitere Untersuchungen müssen diese wichtige Frage beantworten. Literaturverzeichnis. l) Sawjalow, Zur Theorie der peptischen Verdauung. Dissert. Jurieff 1899. (Russisch.) 2) Okunew, Beiträge zur Biologie des Chymosins. Botkins Kranken- hauszeitung 1901. Sep.-Abdr. (Russisch.) 3) Okunew, Die Wirkung des Chymosins bei den Assimilations- prozessen im Organismus. Dissert. St.-Petersburg 1895. (Russisch.) 4) Kurajeff, Uber die koagulierende Wirkung des Papayotins auf Peptonlösungen. Diese Beitr. 1, 121, 2, 411. 5) Conradi, Uber die Beziehung der Autolyse zur Blutgerinnung. Diese Beitr. 1, 136. _ 6) Conradi, Über die Bildung bakterizider Stoffe bei der Autolyse. Ibidem 1, 193. 7) Benjamin, Beiträge zur Lehre von der Labgerinnung. Virchows Archiv 145, 30. 8) Nencki und Sieber, Beiträge zur Kenntuis des Magensaftes und der chemischen Zusammensetzung der Enzyme. Zeitschr. f. physiol. Chemie 32, 291. 1 Über die koagulierende Wirkung autolytischer Organ-Extrakte usw. 553 9) Nencki, O zadaniach biologiezne Chimie. Kraköw. 10) Pawlow, Vorlesungen über die Arbeit der Verdauungsdrüsen. St.-Petersburg 1897. (Russisch.) 11) Pekelharing, Mitteilungen über Pepsin. Zeitschr. f. physiol. Chemie 35, 8. 12) Vernon, The precipitability of pancreatic ferments by Alcohol. Journal of Physiol. 29, 302 (28. IV.). — Autoref. Bioch. Zentralbl. I, Nr. 13, 13) Jacoby, Zur Frage der spezifischen Wirkung der intracellulären Fermente. Diese Beitr. 3, 446. 14) Rosell, Uber Nachweis und Verbreitung intracellulärer Fermente. Inaug.-Dissert. Straßburg 1901. Cit. nach Schlesinger (15). 15) Schlesinger, Untersuchungen über die Abhängigkeit der Aauto- lytischen Prozesse von physiologischen und pathologischen Verhältnissen. Diese Beitr. 4, 87. _ 16) Jacoby, Uber die fermentative Eiweißspaltung und Ammoniak- bildung in der Leber. Zeitschr. f. physiol. Chemie 30, 149; 1900. XL. Über die plasteinogene Substanz. Von cand. med. H. Bayer. Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg i. E. I Seit A. Danıilewski beobachtet hat, daß Labferment in Albumosenlösungen einen Niederschlag erzeugt, der in seinen äußeren Eigenschaften koaguliertem Eiweiß gleicht, ist über ähnliche Fermentreaktionen von Danilewskis Schülern und auch von anderen Beobachtern*) mehrfach berichtet worden. Danach haben Pepsin und Trypsin**), bzw. Magensaft***) und Pankreas: safty), aber auch Darmsaftfr) und Papayotinyfy) und die bei Autolyse verschiedener Organe erhältlichen Flüssigkeiten*r) eine ganz analoge Wirkung. Danilewski hat seinem ersten Befund dadurch ein be- sonderes Interesse verliehen, daß er die beobachtete Niederschlags- bildung als eine Rückbildung von Eiweiß aus Verdauungsprodukten auffaßte. Diese Vorstellung hat dann, wenn auch zum Teil in abgeänderter Form, alle späteren Untersuchungen beeinflußt. Da- neben darf aber auch die damit zusammenhängende Frage nach *) Okunew, Wratsch Nr. 42, 1895. Jahresbericht für Tierchemie 291 (1895). Wratsch Nr. 21, 1900. - Vgl. Kurajeff, Diese Beiträge 1, 123. B. Schapirow, Diss. Jurjew 1896, Jahresber. für Tierchemie 400 (1896). Sawjalow, Pflügers Archiv 85, 171 (1801). R. O. Herzog, Zeitschr. f. physiol. Chemie 39, 305 (1903). Lawrow u. Salaskin, Zeitschr. f. physiol. Chemie 36, 277 (1902). +7). R. O. Herzog, loc. ci, *°#) ]awrow u. Salaskin, loc. eit. 7) Okunew, loc. cit. Tr) Okunew, loc. eit. +rt) Kurajeff, Diese Beiträge 1, 121, 2, 411, 4, 476. *7) Nürnberg, Diese Beiträge 4, 543. Über die plasteinogene Substanz. 555 einer synthetischen (bzw. reversiblen) Wirkung der dabei tätigen Fermente, sowie auch der nähere chemische Aufbau der neu- gebildeten Produkte auf Interesse Anspruch erheben. In den nachstehend mitzuteilenden Versuchen habe ich mich darauf beschränkt, eine einzelne unter den sich ergebenden Fragen näher zu untersuchen. Wie bekannt, zerfällt das Eiweißmolekül bei der Verdauung in eine ganze Anzahl von größeren und kleineren Bruchstücken. Entsteht in einer Verdauungslösung durch fermen- tative Wirkung ein Niederschlag von „Plastein“ — mit diesem Namen bezeichnet Sawjalow die durch Chymosin erhältliche Substanz — so kann dieses Plastein ebensowohl durch Übergang eines bestimmten solchen Bruchstückes, z. B. einer Albumose, in unlösliche Form, oder durch Aneinanderlagern (Kondensation) einer Anzahl gleicher Bruchstücke, oder aber durch Aneinander- lagern einer Anzahl unter sich verschiedener Bruchstücke ent- standen sein, wobei noch ganz offen bleiben mag, ob es sich dabei um eine Polymerisierung, Anhydridbildung oder einen anderen chemischen Vorgang handelt. Nun besteht aber weiter die Möglichkeit, daß in derselben Lösung nebeneinander verschiedene Plasteine entstehen, sei es, daß mehrere von den vorhandenen Verdauungsprodukten die Fähigkeit besitzen, unter dem Einfluß von bestimmten Fermenten in eine unlösliche Form überzugehen, sei es, daß die Ver- dauungsprodukte sich untereinander je nach den äußeren Be- dingungen in verschiedener Art zu höheren Komplexen vereinigen. Es könnte sonach das beim Versuch erhaltene „Plastein“ trotz gleichen Ausgangsmaterials kein einheitlicher Stoff, sondern ein wechselndes Gemenge solcher Umwandlungsprodukte sein, eine Auffassung, die in den keineswegs übereinstimmenden Angaben der Beobachter über die Eigenschaften der erhaltenen Plasteine recht wohl eine Stütze finden kann. Daß die durch verschiedene Fermente erhaltenen Plasteine nicht identifiziert werden dürfen, geht schon jetzt sehr deutlich aus Kurajeffs Beobachtungen her- vor, welche zeigen, daß die durch Lab und durch Papayotin aus derselben Lösung erhaltenen Produkte, die Labplasteine und die Papayotinplasteine (Kurajeffs Koagulosen) auseinander gehalten werden müssen. Dieser verwickelten Sachlage gegenüber erschien es not- wendig, die Bildung der Plasteine unter möglichst einfachen Ver- hältnissen zu verfolgen, und ich glaubte das am besten zu erreichen, indem ich mich 1. auf ein einziges Ferment beschränkte, und zwar das Lab, 2. indem ich aus dem Gemenge von Produkten, 556 H. Bayer, welche sich in den Verdauungslösungen finden, mit Hilfe der Labreaktion jene zu isolieren suchte, die ausschließlich oder vor- wiegend an der Plasteinbildung beteiligt sind. Der Kürze wegen will ich diese Muttersubstanz des Plasteins nach Analogie des Fibrinogens als „Plasteinogen“ bezeichnen, wobei gleich von vorne- herein bemerkt sein mag, daß damit die Existenz mehrerer auf Lab reagierender Plasteinogene nicht ausgeschlossen werden soll. Von bisher gemachten Angaben über die Muttersubstanz des Labplasteins verdienen die folgenden Erwähnung. Lawrow“) untersuchte die Beziehungen einiger von ihm isolierter Verdauungsprodukte zum Labferment und faßt das Resultat seiner Arbeit in folgende Sätze zusammen: 1. Die durch Ammonsulfat nicht fällbaren Produkte der peptischen und tryptischen Verdauung albuminisieren sich nicht durch Labferment. 2. Das durch Ammonsulfat fällbare, durch Ferrocyankalium und Essigsäure jedoch nicht fällbare und einige Farbenreaktionen des Eiweiß nicht gebende Gemenge der Produkte der peptischen Fibrinverdauung albuminisiert sich nicht durch das Labferment, sondern dehydriert sich nur; die bei Behandlung einer Mischung dieser Lösungen mit Lab er- haltenen Niederschläge geben nicht die Reaktionen von Adamkiewicez, Liebermann und Pettenkofer. Sawjalow**) ließ Labferment auf „Proto-, Hetero-, Deutero- albumosen, Ampho- und Antipepton* einwirken und bestimmte die Menge des entstandenen Niederschlags. Sie betrug bei Proto- albumose 10,09, bei Heteroalbumose 26,59, bei „Deuteroalbumose“ 2,85, bei „Amphopepton“ 0,92 Proz. des Ausgangsmaterials, während „Antipepton* keinen Niederschlag gab. Sawjalow faßt das Er- gebnis dahin zusammen, daß, je näher das gegebene Verdauungs- produkt dem nativen Eiweiß steht, in desto größerem Maßstabe es fähig sei, durch Regeneration Eiweiß zu geben. K urajeff***) untersuchte nach E. P. Pick möglichst rein dar- gestellte Albumosen aus Wittepepton und Kasein. Bei Hetero- und Protalbumosen aus Fibrin vermißte er jede Labwirkung. Hingegen gaben A- und B-Albumose 3 bis 4 Proz. ihres Gewichts an Plastein. Protokaseose gab mit Lab keinen Niederschlag oder nur eine geringe Trübung, A-Deuterokaseose dagegen eine be- trächtliche Fällung (etwa 4 Proz. des Ausgangsgewichts). Die erhaltenen Plasteine gaben Biuretreaktion mit rotvioletter Farbe, *) D. Lawrow, Diss. St. Petersburg 1897 (russisch). Cit. bei Sawjalow Pflügers Archiv 85, 171. Mir leider im Original nicht zugänglich. F* Ioe.scıt. 8. I9E ***) Kurajeff, Diese ‚Beiträge 2, 412 u. ff. Über die plasteinogene Substanz. 557 Millonsche und Adamkiewiczsche Probe, bei der Prüfung auf abspaltbaren Schwefel Spuren von Braunfärbung. M. Lawrow und S. Salaskin*) gelangten zu dem Ergebnis, daß in konzentrierten Witte-Peptonlösungen unter Einwirkung von Magensaft bei allen Arten Albumosen Bildung von Nieder- schlägen stattfindet. Demgegenüber enthielten Albumosenlösungen, die in diesen Versuchen durch wiederholte Einwirkung von Lab, bzw. Magensaft, die Fähigkeit eingebüßt hatten, damit weiter zu reagieren, immer noch alle Albumosenfraktionen. Die erhaltenen Plasteine besitzen nach Lawrow und Salaskin in gewisser Hinsicht den Charakter von Albumosen; sie zeigen Biuretreaktion mit violettroter Färbung, die Xanthoproteinreaktion bereits in der Kälte, und zerfallen unter Einwirkung von Darmsaft unter Bildung von Leucin und Tyrosin. Die Ausbeute an Plastein betrug bei der nach E. P. Pick dargestellten II. Fraktion von Wittepepton 12,2 Proz., bei der III. Fraktion 5,9 Proz., bei der I 2025 Proz., im Gemisch der II; Ill. und IV. Fraktion 7,99 Proz. des Ausgangsmaterials. Endlich hat Kurajeff**) jüngster Zeit aus kristallisiertem Eieralbumin einmal nach 3tägiger, ein andermal nach 18tägiger Verdauung Plasteine aus der Verdauungslösung zu 7,3 Proz. des Ausgangsmaterials erhalten. Sie gaben Biuretreaktion, die Probe nach Molisch, Adamkiewicz und die Schwefelbleiprobe. El, Bei der geringen Übereinstimmung dieser Angaben ist es aus- sichtslos, aus ihnen Schlüsse auf die Natur der plasteinogenen Substanz ziehen zu wollen. Namentlich fällt auf, daß einerseits Sawjalow die größte Plasteinausbeute bei denjenigen Albumosen findet, die dem Eiweiß am nächsten stehen, andererseits Kurajeff bei den „primären“ Verdauungsprodukten, der Proto- und Hetero- albumose, die Plasteinbildung ganz vermißt. Dazu kommt, daß, wie meist berichtet wird, die plasteinogene Substanz schon in der ersten Zeit der Verdauung auftritt, somit nicht unter den End- produkten der Pepsinverdauung zu suchen ist, während ihr doch der Angabe Lawrows zufolge die Reaktion von Adamkiewicz fehlt, was wieder auf eine weit fortgeschrittene Eiweißspaltung hinweist. Nun kommt für die Beurteilung der meisten dieser Angaben noch in Betracht, daß der Plasteinniederschlag in einem Gemenge *) Lawrow u. Salaskin, Zeitschr. f. physiol. Chemie 36, 277. **) Kurajeff, Diese Beiträge 4, 476. 558 H. Bayer, von Albumosen erzeugt wurde und daß bei der Art der Plastein- ausscheidung in Form eines voluminösen, flockigen Niederschlags oder gar einer Gallerte die Gefahr nahe liegt, daß der Plastein- niederschlag etwa wie ein Fibringerinnsel schwer diffundierende Stoffe der Lösung, z. B. Heteroalbumose und andere Albumosen, einschließt, und so nicht bloß eine Gewichtsvermehrung erfährt, sondern auch in seinen Reaktionen natürlich das Verhalten der eingeschlossenen Albumosen aufweist. Daher habe ich, um etwas über die Natur der plasteinogenen Substanz zu erfahren, durch eine möglichst weitgehende Fraktionierung vor dem Zufügen von Lab eine Abtrennung der nicht zugehörigen Stoffe zu erzielen gesucht. Da mir einige aus Wittepepton dargestellte, weit gereinigte Albumosenpräparate des hiesigen Instituts zur Verfügung standen, habe ich zunächst an solchen die Plasteinreaktion versucht. Es war leicht, die Angabe Kurajeffs zu bestätigen, daß nach E. P. Pick dargestellte, möglichst reine Proto- und Heteroalbumose keine Plasteine bildet. Überraschenderweise fand ich aber auch Thio- und Glykoalbumose völlig indifferent. Ich wandte daher zur möglichst weitgehenden Isolierung der plasteinogenen Substanz nicht die Ammonsulfatmethode, sondern die gewöhnlichen Lösungsmittel an. Als Ausgangsmaterial diente mir Wittepepton, als Labferment benutzte ich meist das „Pegnin“ der Höchster Farbwerke, ein sehr wirksames, aber milchzucker- haltiges Präparat. Für bestimmte Zwecke — so für die Rein- darstellung des Plasteins zur Analyse — stellte ich mir nach Glaeßners*) Verfahren mit Hilfe von Uranylacetat und Uranyl- phosphat reines Prochymosin dar. Um die erhaltenen Fraktionen auf Plasteinbildung zu prüfen, versetzte ich die auf etwa 10 bis 20 Proz. eingedickte Lösung mit Salzsäure bis zu einem Gehalt von 0,3 Proz., dann mit der Lablösung und ließ sie 24 Stunden im Brutofen stehen. Hatte sich kein oder nur ein minimaler Niederschlag gebildet, so ver- setzte ich die Probe meist; nochmals mit Lab. Die etwa ausgeschiedenen Niederschläge wurden auf die wichtigsten Eiweißreaktionen untersucht. Die Fraktionierung gestaltete sich wie folgt: 1. Fällung mit 1 Vol. 95proz. Alkohols. In der Kälte hergestellte 10 proz. Wittepeptonlösung wurde mit dem gleichen Volumen 95proz. Alkohols versetzt. Dabei fiel ein dichter Niederschlag aus, der abfiltriert und vom Alkohol befreit wurde. *) Glaeßuner, Diese Beiträge 1, 1. Über die plasteinogene Substanz. 559 Der Niederschlag gibt in Wasser gelöst und mit Salzsäure ange- säuert auf Pegninzusatz nur eine minimale Fällung. Eine Probe des alkoholischen Filtrats gibt nach Entfernung des Alkohols bei gleicher Behandlung dichten Plasteinnieder- schlag, der auf der Zentrifuge abgetrennt und so lange gewaschen wird, bis das Waschwasser keine Millonsche Reaktion mehr gibt. Die Reaktionen des Produkts sind aus der am Schlusse beigefügten Tabelle ersichtlich. 2. Fällung der alkoholischen Lösung mit 2 Vol. Aceton. Es fällt ein milchiger Niederschlag aus, der abzentrifugiert und-zom Aceton befreit wird. In der Lösung des Niederschlags versagt die Plastein- reaktion völlig. Eine Probe des Acetonfiltrats gibt nach Entfernung des Acetons in wässeriger Lösung mit Lab einen dichten Nieder- schlag. 3. Fällung des acetonlöslichen Anteils mit 8Oproz. Alkohol. Die von Alkohol und Aceton befreite Substanz wurde in konzentrierter wässeriger Lösung mit so viel 95proz. Alkohol versetzt, daß der Gehalt durchschnittlich 80 Proz. betrug, Der Niederschlag gibt kein Plastein, wohl aber das Filtrat. Die Eigenschaften der aus den verschiedenen Fraktionen erhaltenen völlig ausgewaschenen Plasteine sind aus den nach- stehenden zwei Tabellen ersichtlich. Dabei ist in erster Reihe der direkt aus Wittepeptonlösung erhältliche Niederschlag an- geführt. Löslichkeitstabelle. | he vs j | ni aber: : 95proz. |In Natron- | In verd. | 3 In verd. Plastein aus | In Wasser | Alkohol lauge |Sodalösung | ee Salzsäure | | | | größten- | | teils schon | : ar R in der Kälte, ch | unlöslic | — ra pp 1030: Ja > pepton | rn | beim Er- | wärmen | ganz etwa 50 proz. | sh: Teiche een | sehr E j: | 12 2 ele eic Ian Kisessig| __ı1 Alkohol-Aus-| unlöslich löslich | löslich |leicht) lös-| Schlecht zug | lich löslich a“ 2 Teil lös- bei Er- | unlöslich Aceton-Aus- | unlöslich | löslich ich (nicht | unlöslich | wärmen selbst bei zug | | in NH,) | ı löslich | Erwärmen 80 pr02. | im Über- | SE i a - | in.der | Alkohol- Aus- unlöslich BB di Aare erh Wos- ı unlöslich Wärme lös-' löslich Kae ie lich zug 560 H. Bayer, Tabelle der Eiweißreaktionen. . . Salpetersäure - £ E MR Biuret- Millons > Molischs| Schwefelblei- Plastein aus probe Reaktion ee Reaktion probe BR e sehr deutliche “ sehr deutlich Wittepepton sehr sehr Xanthoprotein- - sehr Schwarz- PER deutlich | deutlich Be deutlich fürbams etwa 50 proz. sehr sehr een sehr bloß Grau- Alkohol-Auszug || deutlich deutlich a deutlich färbung Ä ’ löslich in verd. Alkohol-Aceton- | erheblich | erheblich | NO,H mit Bi A fehlt Auszug schwächer | schwächer |Xanthoprotein- N x reaktion löslich in 80 proz. Alkohol- warmer, verd. Auszug fehlt fehlt NO,H, keins = fehlt Färbung I \ Das Plastein aus dem Extrakt mit 50proz. Alkohol gibt bei Kalischmelze keinen Indolgeruch und eine sehr schwache Reaktion nach Adamkiewicz und Hopkins. Es enthält keinen Phosphor. Das überraschende Ergebnis dieser Versuche läßt sich dahin zusammenfassen, daß die Plasteine mit zunehmender Reinigung rasch die charakteristischen Reaktionen der Eiweißstoffe ein- schließlich der Biuret- und der Millonschen Reaktion einbüßen. Will man nicht die Annahme machen, daß durch den Gerinnungs: vorgang die typischen Eiweißreaktionen verschwinden — eine Annahme, die im Hinblick auf das Verhalten anderer, durch (rerinnung erhaltener Eiweißstoffe, wie Fibrin, Myosin und Kasein, kaum Anklang finden dürfte — so muß man auch der Mutter- substanz dieser Plasteine, dem Plasteinogen, die typischen Eiweiß- reaktionen absprechen. Das Plasteinogen kann danach garnicht den Albumosen an- gehören, auch nicht den Peptonen, sondern nur den Peptoiden, jener noch wenig gekannten Gruppe von Spaltungsprodukten des Eiweiß ohne Biuretreaktion, die, wie zuerst Zunz gezeigt hat, bei der Pepsinverdauung sehr früh und in erheblicher Menge entstehen. Soweit sich aus den Reaktionen der möglichst reinen Plasteine entnehmen läßt, fehlen ihnen gewisse Kerne, die für Eiweißkörper sonst so charakteristisch sind, der Tyrosin-, der Cystinkern, vielleicht auch der Kohlehydrat- und der Indolkern. Das Plasteinogen wäre danach ein in SOproz. Alkohol und Aceton lösliches Peptoid von vermutlich sehr einfacher Zusammensetzung. Wenn die Plasteine, die aus Wittepepton selbst und aus so ausgiebig fraktionierten Albumosenlösungen erhalten wurden, noch die typischen Eiweißreaktionen darbieten, so ist die Vermutung N h = ” ‘ Über die plasteinogene Substanz. 561 gestattet, daß es sich in diesem Falle noch um Beimengung von Albumosen handelt. Es soll aber nicht bestritten werden, daß möglicherweise die plasteinogene Substanz bei Anwesenheit von Albumosen durch Lab zu anderen Produkten führt, als wenn sie vorher durch die Alkoholacetonfraktionierung annähernd isoliert ist. Es ist in der Tat denkbar, daß sich bei dieser fermentativen, durch Lab eingeleiteten Umwandlung vorhandene Albumosen- moleküle au das Plasteinogen anlagern. Immerhin hat es nach dem Gang der Fraktionierung (die übrigens mit dem gleichen Ergebnis wiederholt wurde) durchaus den Anschein, daß nur das keine Biuretreaktion mehr darbietende Plasteinogen die äuf Lab reagierende Gruppe enthält. IE 0% Als nächste Aufgabe ergab sich, die Zusammensetzung und den Aufbau des Plasteinogens zählen zu untersuchen. Ir habe diese Frage aus äußeren Gründen nur soweit in Angriff nehmen können, daß ich einiges über die Zusammensetzung des aus dem Alkoholextrakt dargestellten Plasteins berichten kann. Ich extrahierte ein Kilo trockenes Wittepepton direkt mit großen Mengen 95proz. Alkohols. Trotz wochenlang fortgesetzten Ausziehens es kein Punkt erreicht werden, wo nichts mehr in Lösung gegangen wäre. Aus dem heißen Alkoholfiltrat setzte sich beim Erkalten stets ein feinpulveriger, beinahe kristallinisch aussehender Niederse :hlag ab, der sich bei der Fraktionierung mit Ammonsulfat als aus verschiedenen Albumosenfraktionen zusammengesetzt ergab, unter denen allerdings die Protalbumose überwog. Nach Abschluß dr Extraktion wurde sowohl der unlösliche Rück- stand, als der beim Erkalten ausfallende Nieder schlag und die alkoholische Lösung in bekannter Weise auf die Gegenwart von Plasteinogen geprüft. Der Rückstand gab gar keine, der Kälteniederschlag nur eine minimale, das Alkoholextrakt ren eine ausgesprochene Plasteinabscheidung. Die alkohollösliche Fr on wurde nun wie oben mit Aceton behandelt. Die Aceton-Alkohollösung enthielt das Plasteinogen, welches nach Ent- fernung des Alkohols durch reines Lab in Plastein übergeführt wurde. Es fiel innerhalb weniger Minuten in feinen Flocken aus, zeigte das oben für das reinste Blasien angegebene Verhalten, nur mit dem Taler daß es zwar keine Biuret- Bed keine Schwefelreaktion, aber doch eine ‚ schwache Millonsche und Hopkinssche Reaktion gab. Der Nieder- schlag wurde mit Wasser sorgfältig ausgewaschen, dann über Schwefel- säure im Vakuum bis zur ae rasen getrocknet und zur Analyse gebracht. 0,1179 Substanz: 0,1662 CO, und 0,0739 H,O 0,1212 Substanz: 8,55 cem N bei 21,6° und 761 mm Hg gefunden C = 38,43 Proz. 5 a * 17 N= 806 „, C:N= 477. Beitr. z. chem. Physiologie. IV. i 36 562 H. Bayer, Über die plasteinogene Substanz. Sawjalow findet für Plasteine aus Eiereiweiß-, Muskel- und Kaseinalbumosen im Mittel: C = 54,93 Proz., H = 7,29 Proz., N = 14,73 Proz., C:N somit, Kurajeff für Plastein aus Kaseosen: C = 57,03 Proz., H = 7,14 Proz., N = 14,55 Proz., C: N somit 4,576 und für Plastein aus den Albumosen des kristallisierten Eieralbumins: C = 58,87 Proz., H = 7,28 Proz., N = 14,38 Proz., C: N somit 4,095. Während Sawjalows Analysenzahlen noch der Zusammen- setzung typischer Eiweißkörper nahestehen, entfernen sich jene Kurajeffs und meine davon in einem Maf£fe, daß hier an eine Regeneration von Eiweiß durch Plasteinbildung nicht mehr gedacht werden kann. Dabei möchte ich auf die absoluten Prozentzahlen nicht allein Gewicht legen, da sie von dem Grade des Trocknens nicht unabhängig sind, sondern vor allem auf das Verhältnis von Kohlenstoff zu Stickstoff, das bei Kurajeff und noch mehr bei mir eine Verschiebung gegenüber der gewöhnlichen Zusammensetzung der Eiweißstoffe aufweist, die nur bei Entstehung der Plasteine nicht aus dem Eiweißmolekül selbst, sondern aus ihm schon recht fernliegenden Bruchstücken, wie es z. B. die Peptoide, d. h. die nicht Biuretreaktion gebenden aber doch noch aus mehreren Amino- säuren aufgebauten Verdauungsprodukte, sind, verständlich ist. Es führt somit die Analyse der Plasteine zu demselben Schlusse, zu dem ich oben auf Grund der Reaktionen derselben gelangt bin. Kann danach auch die ursprüngliche Vorstellung Danilewskis über die Bedeutung der Plasteinbildung als ein- facher Regeneration des verdauten Eiweißes, und auch die An- schauung Sawjalows, daß die Plasteinbildung bei verschieden zusammengesetzten Eiweißstoffen zur Bildung des gleichen „An- hydrideiweißes“ führt, nicht aufrecht gehalten werden, so ist damit nicht ausgeschlossen, daß Danilewskis fruchtbarer Ge- danke, wenngleich in etwas anderem Sinne, doch noch eine Bestätigung findet. Die so allgemeine Verbreitung plastein- bildender Fermente in tierischen und pflanzlichen Geweben weist geradezu darauf hin, daß die Zellen über Fermente gebieten, die ihnen zugeschwemmte Bruchstücke des Eiweißmoleküls durch Überführung in unlöslichen Zustand festzuhalten, vielleicht sogar durch einen Kondensationsvorgang den Eiweißkörpern des Proto- plasmas bzw. des Blutes anzugliedern vermögen. Nach chemischer Richtung aber fordert die Tatsache, daß durch die Plasteinreaktion sonst’ nicht faßbare Spaltungsprodukte des Fiweißes isoliert werden können, dringend zur weiteren Untersuchung der einschlägigen Produkte auf. } : Pe N En GE ED de el lit A 2 5 B5 XLIH. Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin. Von Dr. Leopold Moll, Assistenten des Instituts. Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität in Prag. Die mannigfachen Veränderungen, welche die Immunkräfte eines Serums durch Erhitzen desselben auf bestimmte empirisch gefundene Temperaturen erfahren, legten es nahe, festzustellen, ob dieselben nicht von analytisch nachweisbaren Veränderungen in der Zusammensetzung des Serums begleitet sind, beziehungsweise ob die letzteren in etwaigem Zusammenhange mit den ersteren stehen. Der negative Ausfall von bereits vorliegenden Unter- suchungen über Unterschiede des erhitzten und unerhitzten Serums in bezug auf Gefrierpunkt und elektrisches Leitver- mögen [Dietrich, v. Zeynek, E. P. Pick]!) konnten nicht ent- mutigen, die aufgeworfene Frage zu verfolgen, da die von den genannten Autoren benutzten Methoden zur Konstatierung der betreffenden komplizierten Vorgänge in Eiweißlösungen unzu- länglich sein konnten. I. Meine Untersuchungen gingen von folgenden Befunden aus: 1. Eine Stunde auf 60° erwärmtes Blutserum läßt nach Ver- dünnen mit Wasser und Ansäuern mit verdünnter Essigsäure (0,01 Proz.) einen Niederschlag ausfallen, welcher im Vergleich zu dem in gleicher Weise erzielten Niederschlag aus einer ebenso großen Menge unerhitzten Serums viel mächtiger ist und auf Zu- satz von verdünnter neutraler Kochsalzlösung sich nur zum Teil löst. Dabei zeigen sich in verschiedenen Seris quantitative Unterschiede. 2. Bringt man die nach Zusatz von Ammonsulfat bis zur Halbsättigung ausgefallenen Niederschläge des unerhitzten und 36* 564 Leopold Moll, erhitzten Serums aufs Filter, wäscht sie mit 50proz. Ammon- sulfatlösung alkali- und albuminfrei, so geht der Niederschlag auf Zusatz von Wasser im ersten Falle ganz, im zweiten nur teilweise in Lösung. Die quantitative Untersuchung dieser Niederschläge (Methode siehe unten) zeigte, daß in dem auf 60° erwärmten Serum die als Globulin anzusehende Eiweißfraktion vermehrt und außerdem Alkalialbuminat aufgetreten war. Wurde das Serum nur eine halbe Stunde auf 56° erwärmt, so fehlte die Alkalialbuminatbildung, dagegen ließ sich eine deutliche Globulinvermehrung nachweisen. Es ist hier geboten, als wichtigstes physikalisches Unter- scheidungsmittel zwischen Globulin und Alkalialbuminat die Löslichkeit in verdünnten neutralen Salzlösungen, die in der ge- schilderten Weise geprüft werden kann, hervorzuheben. (Daß bei solchen Untersuchungen die Leichtigkeit, mit welcher Globuline namentlich bei längerem Aufenthalt \in destilliertem Wasser ihre Löslichkeit in verdünnten Salzlösungen verlieren und denaturiert werden, berücksichtigt werden muß, braucht nicht näher erörtert zu werden.) Ich halte es für notwendig, diese Differenz der beiden Eiweißkörper um so mehr zu betonen, als man in der Literatur oft entgegengesetzten Ansichten begegnet. So schreibt z. B. Hammarsten in seinem Lehrbuch der physio- ]ogischen Chemie*): „Eine scharfe Grenze zwischen den Globulinen einerseits und den künstlichen Albuminaten andererseits läßt sich kaum ziehen. Die Albuminate sind zwar regelmäßig unlöslich in verdünnter Kochsalzlösung, doch kann man durch stärkere Alkalı- einwirkung Albuminate darstellen, welche vor allem unmittelbar nach ihrer Ausfällung in Kochsalzlösung löslich sind. Umgekehrt gibt es auch Globuline, welche mit Wasser ın Berührung nach einiger Zeit in Kochsalz unlöslich werden.“ Ich halte jedoch die prinzipielle Scheidung beider Körper für gerechtfertigt. Bei strenger Beobachtung des differenten Verhaltens der beiden Eiweißgruppen gegenüber neutralen Salzlösungen gelingt die Unter- **) Das Freisein des Albuminat und Globulin enthaltenden Nieder- schlages von Alkali vor der Vornahme der Prüfung auf seine Wasserlöslichkeit ist noch aus folgendem Grunde notwendig: Wenn man eine reine Pseudoglobulin- lösung mit einem in etwas Alkali gelösten Albuminat zusammenbringt, die Mischung durch Zusatz von Ammonsulfat bis zur Halbsättigung fällt, so löst sich der Niederschlag auf Wasserzusatz zu einer opaleszenten Flüssig- keit, die selbst nach mehrstündigem Zentrifugieren keinen Niederschlag ab-: Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin. 565 Untersucht man viele Sera in der oben geschilderten Weise, so beobachtet man bezüglich der Menge des neugebildeten Globulins und Albuminats große Unterschiede. Es kommt dabei neben dem Hitzegrade und der Dauer seiner Einwirkung auch die Tierart, von welcher das Serum stammt, in Betracht. Tabelle: -E Ir 4 cem Kaninchenserum. Normal Eine Stunde auf 58° erwärmt k Pseudo- i : N Ps - 2 ' Euglobulin ne Albumin | Euglobulin Bde Albumin globulin | globulin 8 8 g g | 8 8 I. ! 0,0207 0,0828 | 0,1875 | 0,0461 0,1665 | 0,0290 EL. 0,0385 0,0813 | 0,1206 0,0680 | 0,1172 | 0,0569 II. 0,0322 0,1001 0,1210 || 0,0440 | 0,1562 | 0,0509 IV. | 0,0369 | 0,0970 0,1119 | 0,0768 | 0,1040 | 0,0674 IV 0,0353 0,0991 | 0,1150 ;| 0,0699 | 0,1103 | 0,0680 0,0657 , 0,1814 0,0491 | 0,1363 | 0,0718 | NE 0,0054 So zeigten alle Sera nach halbstündigem Erwärmen auf 56° eine deutliche Globulinzunahme ohne Alkalialbuminat” bildung. Bei einstündigem Erwärmen auf 60° aber war letztere ım Pferdeserum immer, im Hundeserum oft, im Kaninchenserum seltener nachweisbar. In der vorstehenden Tabelle I sind die im gleichen Volumen (4 ccm) der unerhitzten und der eine Stunde auf 58° erwärmten Kaninchensera — in diesen Fällen fehlte jede Albuminatbildung — eintretenden Veränderungen quantitativ“) und übersichtlich zusammengestellt. Dabei ergab sich eine gewisse sitzen läßt. Es ist dabei alkalische Reaktion notwendig. Im Gegensatz dazu wird dasselbe mit Ammonsulfat bei derselben Alkaleszenz ausgefällte Albuminat bei Abwesenheit von Pseudoglobulin durch Wasserzusatz nicht zur Lösung gebracht. Das hier erwiesene Lösungsvermögen des Pseudoglobulins für Albuminat ist zwar ein beschränktes, kommt aber bei den Schwankungen, welche die Albuminate verschiedener gleichbehandelter Sera in ihrer Löslich- keit durch reines Alkalı zeigen, doch in Betracht. Man kann die genannte Löslichkeit des Albuminats willkürlich durch längeres Erwärmen (bei seiner Herstellung) mit Alkali ändern und zwar herabdrücken. Hierdurch finden die Befunde von Hammarsten?) über das Verhalten von Kasein bei Gegen- wart von Blutserum, sowie die Ausführungen von Spiro und Porges’) (l. c. p. 280) ihre Aufklärung. *) Methode Hofmeister-Pohl. Näheres Arch. f. exp. Pathol. 20, 426. 566 a, Leopold Moll, Differenz der einzelnen Sera, indem zwar alle eine Euglobulinver- mehrung, jedoch nur einige eine gleichzeitige Pseudoglobulinver- mehrung aufwiesen. Da, wie unten erwiesen werden wird, aus dem Albumin durch das Pseudo-Globulinstadium Euglobulin wird, so muß angenommen werden, daß in den ersteren Fällen eben- soviel Euglobulin aus dem nativen Pseudoglobulin entstand, als Pseudoglobulin aus Albumin neu gebildet worden war. Daß Albumin in Globulin übergeführt werden kann, ist zwar mehrfach behauptet, aber noch niemals einwandfrei be- wiesen worden. So erwähnen Corin und Berard?), daß Eier- albumin nach Erwärmen die Fähigkeit erlangt, mit Magnesiumsulfat zu fallen, ein Umstand, der an und für sich über die Natur des entstandenen Eiweißkörpers noch nicht entscheidet. Ferner hat J. Starke) in einer ausführlichen Mitteilung auf Veränderungen von verdünnter Eieralbuminlösung durch Erwärmen hingewiesen. Das von ihm als Globulin bezeichnete Produkt war aber nach den entscheidenden, von ihm angegebenen Reaktionen („Unlöslichkeit in verdünnten Neutralsalzlösungen‘*), 1. ec. p. 520, kein Globulin. Bei Befolgung der von Starke geforderten Versuchsanordnung der Hitze- dialyse konnte ich mich nicht überzeugen, daß der ausfallende Körper in selbst stärkerem Alkalı löslich war. Vielmehr sprachen die beobachteten Eigenschaften desselben für einen koagulierten Eiweißkörper. Außerdem ist noch darauf hinzuweisen, daß sich das von Starke zu seinen Untersuchungen verwendete verdünnte Eieralbumin, sowie das kristallisierte Eieralbumin, was den Über- gang in Globulin anlangt, wesentlich vom Serum, beziehungs- weise kristallisiertem Serumalbumin in dem Sinne unterscheidet, als das Auftreten von Globulin unter Einhaltung der weiter unten geschilderten Versuchsbedingungen, die beim Serumalbumin immer die genannten Veränderungen herbeiführen, beim Eieralbumin nur angedeutet ist. Das letztere hat vielmehr die Neigung, sehr schnell in Albuminat überzugehen. Da beim Erhitzen des Serums eine kombinierte Alkalı- und Hitzewirkung statthat, wobei der Einfluß der beiden Komponenten wegen des verschiedenen Gehaltes des Serums an Salzen und anderen Eiweißstoffen nicht ohne weiters ersichtlich ist, ging ich. daran, den beim Serum gefundenen Übergang von Albumin in Globulin und weiter in Albuminat am kristallisierten Serum- - albumin bei wechselndem Alkalı- und Salzgehalt zu studieren. Das bei der Kristallisation des Serumalbumins in Lösung bleibende Conalbumin konnte durch die Alkali- Hitzewirkung nicht in Globulin übergeführt werden. | Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin. 567 Versuche mit kristallisiertem Albumin. Das Ausgangsmaterial zu den folgenden Versuchen bildete das nach der Hofmeisterschen Methode in der Gürber- und Kriegerschen Modifikation?) kristallisierte und durch Dialyse salzfrei gewonnene Serumalbumin. In späteren Versuchen habe ich die Kristallisation des Serum- albumins folgendermaßen vorgenommen. Die alkalische Reaktion des Serums wird durch so viel 1, Salzsäure abgestumpft, daß auf 100 ccm Serum 25 cem der Säure kommen. Das jetzt gegen Lackmus neutral reagierende Serum wird durch neutrales Ammonsulfat auf Halbsättigung EB . . n { 1. . m. gebracht. Das Filtrat wird mit ; H,SO, bis zur beginnenden Trübung angesäuert. Dieses Verfahren bietet gegenüber dem bisherigen folgende Vorteile: Wie mich eigene quantitative Messungen belehrten, ist nach Neutralisation des Serums die bei Halbsättigung mit Ammonsulfat aus- fallende Globulinmenge größer und stellt den wahren Globulingehalt des Serums dar, da durch das Alkali des nativen Serums ein Teil des Globulins der Fällung entzogen wird. Ferner geht die Kristallisation des Albumins viel rascher vor sich, und bei richtig gewählter Menge der zu- gesetzten — - Schwefelsäure fehlen schon in der ersten Kristallisation amorphe Bestandteile oder werden auf ein Minimum reduziert. Wird so gewonnenes Serumalbumin ‚(das mit Baryumchlorid selbst bei längerem Stehen keine Trübung zeigt) erwärmt, so tritt schon bei ungefähr 50° Koagulation ein. Diese regelmäßig beobachtete Erscheinung steht mit den meisten Angaben, wonach das salzfreie Albumin ungerinnbar sein soll, im Widerspruch, im Einklang dagegen mit einer Angabe von Erb®), welcher ebenfalls auf die entgegengesetzten Angaben in der Literatur aufmerksam macht. Das Gerinnen der Albuminlösung wurde aber hintangehalten, wenn sie vorher etwas alkalisch gemacht wurde. Es mußte nun jene Alkalimenge festgestellt werden, bei der konstant zwar ein Übergang von Albumin in Globulin, aber keine Alkalialbuminatbildung eintritt. Für 1 bis 3proz. Albuminlösungen wurde diese in einer Natriumkarbonatlösung gefunden, die 0,0795 n > minlösung das gleiche Volumen dieser Sodalösung zugesetzt, so proz. war, somit einer Lösung entsprach. Wurde der Albu- daß der Alkaleszenzgrad derselben jetzt einer - Lauge ent- n 132 sprach, so konnte sie auf 60° erhitzt, ja aufgekocht werden, ohne zu koagulieren. In der ersten durch eine Stunde auf 60° erwärmten Probe fiel bei Halbsättigung mit Ammonsulfat ein dicker Nieder- schlag aus, welcher sich auf Zusatz von destilliertem Wasser 568 Leopold Moll, vollkommen klar löste, desgleichen, nachdem er durch Waschen mit 50 proz. Ammonsulfatlösung vollkommen von Albumin und Alkalı frei geworden war. Ebenso ging der auf Zusatz verdünnter Essigsäure (0,01 Proz.) ausfallende Niederschlag der erhitzten Probe durch einige Tropfen physiologischer Kochsalzlösung in Lösung. Ging man aber z. B. bei einem Eiweißgehalt von 3,5 bis 5 Proz. mit der so verwendeten Alkalimenge auf die Hälfte der Konzen- tration herab, so wurde die Probe beim Erhitzen auf 60° opaleszent und gerann zum Teil bei längerem Erhitzen. Das obige empirisch gefundene Verhältnis zwischen Alkali- und Eiweißmenge ändert sich insofern mit der Konzentration des Eiweißes, als es geboten ist, bei verdünnteren Albuminlösungen, z. B. solchen unter 1 Proz,, mit der Alkalikonzentration noch herabzugehen. Will man aber bei derartig verdünnten Albuminlösungen eine ausgiebige Glo- bulinbildung erzielen, so ist längeres als einstündiges Erhitzen auf 60° nötig. Trotzdem wäre es gefehlt, anzunehmen, daß die beschriebene Reaktion auch ohne Alkalı von statten ginge. Erhitzt man eine reine Albuminlösung auf Temperaturen, welche unter dem Koagulationspunkt liegen, z. B. 48 bis 49°, so wird selbst nach längerer Zeit (2 bis 3 Stunden) nicht eine Spur Globulin gebildet, während unter gleichen Versuchsbedingungen nach Zusatz von etwas Alkali das Phänomen eintritt. Andererseits geht bei stärkerer Alkalikonzentration oder durch länger als 1 bis 2 Stunden währende Hitzewirkung bei 60° oder durch Überschreiten dieser Temperatur ein merklicher Teil des Albumins in Albuminat über. Es war also bei den weiteren Versuchen geboten, das einmal für gut befundene Maß der Alkali- und Hitzewirkung einzuhalten. In bezug auf die Art des entstandenen Globulins ist folgendes zu sagen: Durch Dialyse des aus dem mit Alkali erwärmten Albumin gewonnenen und durch Waschen mit 50proz. Ammon- sulfatlösung vom Albumin befreiten Halbsättigungsniederschlages fiel ein Teil aus (Euglobulin), während der Rest (Pseudoglobulin) in Lösung blieb. Der ausgefallene Anteil wurde durch wenige Tropfen verdünnter neutraler Kochsalzlösung gelöst undmit Ammonsulfalt bei Drittelsättigung ausgefällt. Ebenso stimmte auch das in Lösung ver- bliebene künstliche Pseudoglobulin in seinen Fällungsgrenzen gegen Ammonsulfat mit dem natürlichen überein. Wurde jedoch seine Lösung neuerdings mit dem gleichen Volumen der angegebenen Sodalösung eine Stunde auf 60° erwärmt, so gab sie jetzt bei Drittelsättigung einen Niederschlag, der auf Wasserzusatz löslich war. Ebenso ging ein nunmehr durch verdünnte Essigsäure aus- Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin. 569 fällbarer Niederschlag der erhaltenen Lösung durch physiologische Kochsalzlösung wasserklar in Lösung. Wenn das Verhalten der Eiweißkörper gegen Salzlösungen und die Fällungsgrenzen durch Ammonsulfat als maßgebend für die Existenz verschiedener Eiweiß- individuen gelten dürfen — durch die in jüngster Zeit aus Hof- meisters Laboratorium erschienenen Arbeiten von Porges und Spiro’) wurde dieser Maßstab noch mehr gefestigt — so war durch mäßige Alkali-Hitzewirkung aus Albumin Pseudo- globulin, ausPseudoglobulin Eugloblin gebildet worden. Letzteres ließ sich dann bei längerer Wärme- und Alkaliein- wirkung leicht in Alkalialbuminat überführen. Übereinstimmend mit dem künstlichen Pseudoglobulin konnte auch das native, aus normalem Pferdeserum dargestellte bei gleicher Behandlung partiell in Euglobulin übergeführt werden. Es sei hier noch folgender Beobachtung gedacht, die für die Diskussion der Frage der Einheitlichkeit des Albumins vielleicht von Bedeutung ist, die aber noch weiterer Ausarbeitung bedarf: bestimmt man in Albuminlösung, die bei gewisser, willkürlich gewählter Konzentration an Ammonsulfat (z. B. 65 Proz. und 100 Proz. Sättigung) ausfallenden Eiweißmengen, so ergibt sich nach kurzdauernder Erhitzung ('/, Stunde) mit obiger Alkalilösung bei 60° Zunahme der leicht fällbaren Fraktion auf Kosten der schwer fällbaren. IT. Bei der Wichtigkeit, welche die Beobachtung der Überführ- barkeit des Albumins in Globulin für die Annahme einer genetischen Beziehung dieser beiden natürlichen Eiweißkörper hat, war es noch unbedingte Forderung, zu prüfen, ob die künstlich gewonnenen Eiweiße mit den natürlich vorkommenden außer in ihrem Ver- halten gegen Salze auch in ihrer chemischen Zusammensetzung übereinstimmen. Als entscheidender analytischer Unterschied zwischen Albumin und Globulin ist der verschiedene Schwefelgehalt sicher- gestellt. K. A. H. Mörner?°) hat nachgewiesen, daß in diesen beiden Eiweißkörpern des Serums der gesamte Schwefel in der- selben Form und zwar in „eystinähnlicher“ gebunden ist; ferner hat man das Globulin stets schwefelärmer als das Albumin gefunden. Diese Tatsachen, welche der Vorstellung, das Globulin des Serums sei aus dem Albumin hervorgegangen, nicht nur nicht im Wege stehen, sondern entgegenkommen, könnten andererseits auch das oben genannte differente Verhalten des Eieralbumins, in welchem — wie ebenfalls Mörner gezeigt hat — nur ein kleiner Teil des Schwefels als Cystin- schwefel gebunden ist, erklären. 570 Leopold Moll, Es ergab sich daher behufs Identifizierung des künstlichen mit dem natürlichen Globulin die Aufgabe, den Schwefelgehalt beider zu vergleichen. Bei den quantitativen Bestimmungen des Schwefels ging ich genau nach den Vorschriften Mörners vor (l. eit. S. 209). Um sicher zu sein, die Methode vollkommen zu beherrschen, machte ich zunächst einige Kontrollbestimmungen am kristallisierten Pferdeserumalbumin, und fand in gut übereinstimmenden Parallelproben als Mittelwert 2,18 Proz. S. (Mörner fand 2,15 Proz. S.) Dieser Wert bedarf nach Mörner einer Richtigsteilung. Da Mörner nämlich nach dem Ausziehen des Albumins mit Ammoniak einen Verlust von 0,42 Proz. S zu verzeichnen hatte, nimmt er den dann übrig bleibenden 1,73 Proz. als wirklichen Schwefelgehalt des Albumins an. „Dieser Versuch scheint es sicher zu stellen, daß die Schwefelsäure nicht organisch gebunden ist, sondern eine salzartige Verbindung mit dem Albumin eingeht. Diese Schwefelsäure stammt also wahrscheinlich von den Sulfaten her, welche bei der Darstellung des Albumins gebraucht wurden.“ Um zu erfahren, wie viel Schwefel durch Behandeln mit Ammoniak aus dem von mir benutzten Albumin beseitigt wird, wurde .ein Teil desselben so lange mit Ammoniakwasser ausgezogen, bis das Wasch- wasser mit Baryumchlorid, das mit Salzsäure angesäuert war, keine Trübung mehr gab. Durch das Waschen mit Ammoniakwasser war etwas Eiweiß in Lösung gegangen. Das vom Filter genommene und auf kon- stantes Gewicht gebrachte Albumin (0,1356 g und 0,5172 g) enthielt noch 1,95 Proz. bzw. 2,01 Proz., im Mittel also 1,98 Proz. Schwefel. Die Differenz der Schwefelwerte gegenüber dem oben angeführten, mit Am- moniak nicht ausgezogenen Albumin betrug daher nur 0,20 Proz. Bei einem anderen kristallisierten Pferdeserumalbumin, dessen Schwefelgehalt ein recht hoher, nämlich im Mittel 2,61 Proz. war, erwies sich derselbe nach dem Ausziehen mit Ammoniak um 0,305 Proz. geringer. Im allge- meinen sei noch bemerkt, daß die Albumine und auch die Globuline ver- schiedener in derselben Weise dargestellten und untersuchten Pferdesera in ihrem Schwefelgehalt erhebliche Differenzen aufwiesen. Zur Darstellung des künstlichen Globulins wurde das durch Kristallisation gewonnene und gereinigte und durch Dialyse vom Sulfat befreite Albumin mit dem gleichen Volumen der 0,079 proz. Sodalösung durch 1!/, Stunden auf 60° im Wasserbad erhitzt. Nach dem Ausfällen des gebildeten Globulins mit Ammonsulfat — auf Abwesenheit etwa vor- handenen Albuminats wurde in der oben geschilderten Weise geprüft — und Reinigen desselben durch Waschen mit 50 proz. Ammonsulfatlösung, wurde es koaguliert, mit heißem Wasser vom Sulfat vollkommen befreit, mit Alkohol und Ather behandelt, bei 100° bis zur Gewichtskonstanz ge- trocknet und gewogen. Die Schwefelzahlen sind das Mittel aus zwei Bestimmungen. (Siehe Tabelle auf folgender Seite.) Zu dem Präparat III sei bemerkt, daß auch das aus dem betreffenden nativen Pferdeserum dargestellte Pseudoglobulin und ebenso das Euglobulin durch hohe Schwefelwerte auffielen. Das Pseudoglobulin enthielt im Mittel 1,50 Proz. S, das Euglobulin 1,57 Proz. S. In anderen untersuchten Fällen schwankte der Schwefelgehalt des nativen Globulins zwischen 141 Proz: und'1,4 Proz. | z nd Ds a Zn in 2 Zu ee nn. ur 1 N ee ee Me Me ee ee Mei < ‚ 2:0 u ae ni Due ee Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin. 571 Desadenn ne ER NER | S-Gehalt des Albumins 2,19 Proz. | 2,19 Proz. | 2,61 Proz. S-Gehalt des künstl. Preudoglobulius +| 9 Pros. 185 Pro. me en..,. | ee a S-Gehalt des künstl. Pseudoglobulins | | 1,79»Proz. ra Biglobulin > ern In Übereinstimmung mit Mörner, welcher allerdings nicht die Ammonsulfatfällung zur Trennung der beiden Globuline be- nutzte, konnte ich im Schwefelgehalt des Eu- und Pseudoglobulins keine nennenswerten. Unterschiede finden. Die künstlichen Globuline stimmten somit in ihrem Schwefelgehalt völlig mit den natürlichen überein. Auch in folgenden Versuchen konnte eine Übereinstimmung zwischen künstlichem und nativem Globulin konstatiert werden. Das aus einem nativen Pferdeserum durch Verdünnen und Ansäuren mit verdünnter Essigsäure ausfallende Globulin (Freunds Essigsäure- körper) hatte einen Schwefelgehalt von 1,21 Proz. Der Schwefelgehalt des kristallisierten, aus demselben Serum stammenden Albumins betrug 1,93 Proz. und das aus diesem Albumin nach Alkali-Hitzewirkung durch sehr verdünnte Essigsäure ausgefallene Globulin (künstlicher Essigsäure- körper) wies einen Schwefelgehalt von 1,44 Proz. auf. Die angeführten ‚Zahlen sind das Mittel zweier Parallelproben. In ähnlicher Weise konnte ein künstlicher Essigsäurekörper mit einem Schwefelgehalt von 1,35 Proz. gewonnen werden, als nach Aus- fällung des nativen Essigsäurekörpers, dessen Schwefelgehalt 1,39 Proz. im Mittel betrug, das Filtrat desselben der Alkali-Hitzewirkung unter- worfen und mit verdünnter Essigsäure zur Fällung gebracht wurde. Aus den genannten Untersuchungen geht wohl mit Sicherheit hervor, daß zwischen künstlichem und natürlichem Globulin nicht nur in bezug auf die physikalischen Reaktionen, wie Wasser- unlöslichkeit, Salzlöslichkeit und Fällungsgrenzen, sondern auch — und darauf soll besonders Gewicht gelegt sein — im prozentischen Schwefelgehalt Übereinstimmung herrscht. Ob der weitere von L. Langstein?) festgestellte qualitative Unterschied zwischen den Kohlehydratgruppen des Serumalbumins und Serumglobulins auch für künstliche Globuline Gültigkeit hat, konnte, zumal die ausführliche Mitteilung der Untersuchung über „die Kohlehydrate des Serumglobulins“* erst vor einigen Tagen erschienen ist, andererseits die Beschaffung der zu den Unter- suchungen erforderlichen großen Mengen künstlichen Globulins - derzeit undurchführbar war, noch nicht geprüft werden, 572 Leopold Moll, Ferner kann und sol) erst nach Veröffentlichung der Angaben Gümbels:?) über die Verteilung des Stickstoffs im Globulin- molekül ein darauf bezüglicher Vergleich des natürlichen mit dem künstlichen Globulin durchgeführt werden. Die Differenz in den Koagulationstemperaturen des natürlichen Albumins und Globulins konnte auch bezüglich des künstlichen Globulins konstatiert werden. Bei Beobachtung gleicher Versuchsbedingungen, d. i. gleicher Eiweiß- und Salz- konzentration hatte eine Albuminlösung einen niedrigeren Koa- gulationspunkt als das aus ihr dargestellte Globulin. Zahlen anzuführen unterlasse ich, da die Koagulationstemperatur von Globulinlösungen nach Eiweiß- und Salzkonzentration schwankt. Schließlich sei erwähnt, daß das „biologische“ Verhalten des künstlichen Globulins jenem des nativen entsprach. Es gab nämlich das Serum der mit subkutanen Injektionen von künst- lichem Globulin, ebenso wie der mit natürlichem Globulin be- handelten Kaninchen einen stärkeren Niederschlag mit Globulin als mit Albumin. Es schien von Interesse zu prüfen, ob auch bei Lebens- temperatur ein Übergang des Albumins in Globulin eintritt. Die an Seris verschiedener Tiere angestellten quantitativen Versuche zeigten, daß nach 24stündiger Digestion derselben bei 37 bis 38" kein Albumin in Globulin überging. Die gleichen negativen Resultate hatten auch die an reinen mit der 0,079proz. Sodalösung zu gleichen Teilen verdünnten Albuminlösungen angestellten Ver- suche. Dagegen tritt das Phänomen auf bei einer auf Blutalkalescenz (0,4 Proz. Na,CO;) gebrachten und 8 Stunden bei 38° gehaltenen Lösung von kristallisierttem Serumalbumin; worauf dieser Unter- schied zwischen Serum und Eiweißlösungen beruhen könnte er- hellt aus dem Folgenden. II. Bevor eine Deutung des Zustandekommens der beobachteten Überführung von Albumin in Globulin versucht werden kann, bedarf es noch vielfacher Vervollständigung unserer Kenntnisse. Nachdem die Gegenwart von freiem Alkali als unbedingte Voraussetzung der Umwandlung erkannt worden war — die Über- führung ist somit eine Funktion der Hydroxylionen —, wurde zunächst untersucht, ob sich die Energie der Reaktion mit wechselnden Basen *) ändert. Es wurden Lösungen von K,CO,, (NH,),CO,, Li, CO;, NaHCoO,, NaOH, KOH, Na,HPO.,, K:.HPO,, welche einer 0,079 proz. +) 2 Auch ee Basen, wie Anilin, Pyridin führen Albumin ın Globulin über. Über künstliche Umwandlung von Albumin in Giobulin. 573 Na,CO,-Lösg. äquivalent waren, hergestellt (je 10 cem dieser Lösungen werden durch 1,5 cem einer „.Hcı neutralisiert), und auf ihr Überführungsvermögen von Albumin in Globulin untersucht. Je 12 cem einer reinen Albuminlösung wurden mit 12 cem einer dieser Lösungen zusammengebracht und in einem auf 60° gestellten Wasserbade eine Stunde lang belassen. Alle Proben wurden zur selben Zeit und gleich lange erhitzt. Nach dem Abkühlen der Lösungen wurde zu je 20 cem der Mischung die gleiche Menge kaltgesättigter neutraler Ammonsulfatlösung zugesetzt. Nach dem Absetzen der Niederschläge wurden dieselben auf ein gewogenes Filter gebracht, mit 50 proz. Ammonsulfatlösung albuminfrei gewaschen, bei 100° koaguliert, mit heißem Wasser vom Sulfat befreit. mit Alkohol und Ather gewaschen, getrocknet und gewogen. Die in Tabelle II zusammengestellten Ergebnisse dieser Ver- suchsreihen lassen folgende Schlüsse zu: 1. Die Menge des gebildeten Globulins hängt bei gleichen Versuchsbedingungen von der Konzentration der Albuminlösung ab, indem aus konzentrierten Lösungen verhältnismäßig mehr Globulin gebildet wird. Tabelle IL In 10 ccm Re a FE Albumin- Lithi- A c- - E - - lösung 2 eg Natrium- Kalium- iu Karbo- Karbo- Hyar- Karbo- Phos- Bikar- Hysur- Karbo- Phos- nat nat oxyd nat phat bonat | oxyd nat phat E .& e .... 0,2662 ie S Albu- |... 0,3452 =&_] 0.2692 0,2701 0,2956 _"__,, 0.2718 0,2661 4... 0.2717|0,2664 a>= i ——M I I 3.52 0,1701 Albu- zaoıX 70° - IC 717 7 0,2492 3° , 0,1709 0,1716 0,1920 0,0, 1717 u. ‚0,1729 5°3 Du | P:82 | an 332 A u 0,0615 ” „u Albu- 0,1245 == | ‚0,0590 0,0563 0,0909 _'_ ... 0,0598 0,0597 “0,0660 0.0583 = — Ey minat 2. Die Karbonate, Bikarbonate, Phosphate der Alkalimetalle wirken gleich stark, schwächer aber als die Hydroxyde. 3. Auch das Kation ist dabei von Bedeutung, was z. B. in dem ungleichen Verhalten des Kaliumhydroxyds und Natrium- hydroxyds zum Ausdruck kommt. War die Annahme einer Wirkung freier Hydroxylionen bei der Überführung von Albumin in Globulin richtig, so mußte auf diesen Vorgang die Anwesenheit von Salzen, welche die Dissoziation 574 Leopold Moll, zurückdrängen, hemmend wirken. In der Tabelle Nr. III sind darauf bezügliche Versuchsergebnisse zusammengestellt. Aus diesen geht hervor: 1. Die neutralen Salze wirken hemmend auf die Überführung von Albumin in Globulin, und zwar mit ansteigender Konzentration stärker; 2. die stärkste hemmende Wirkung haben die Ammonsalze; schwächer als diese wirken die Nitrate und noch schwächer die Chloride; 3. die Hemmung der Globulinbildung durch Salze hängt von der Eiweißkonzentration ab, indem sie bei konzentrierten Eiweiß- lösungen viel stärker als bei verdünnten in Erscheinung tritt; bei einer stark verdünnten Albuminlösung ist (wie im dritten Falle) ein hemmender Einfluß durch Salze, wenn von den Ammonsalzen abgesehen wird, nicht oder nur in geringem Maße konstatierbar. Tabelle II. Globulinbildung unter dem Einfluß von Salzlösungen, welche einer 3proz. bzw. pen Kochsalzlösung äquimolekular waren. Menge Es aus 10 Kr er | ' minlösung | | In 10 cem |0ccm Na, 00,- ' Ammonium- | Natrium- " Kalium- Lösung Lösung durch | | er Albumin einstündiges | | 5 Bwee = | | 600 gebildeten e 2 ı = Globulins Chlorid| Nitrat | Chlorid | Nitrat ‚Chlorid Nitrat BR | a..|| 0,9873 | 0,0798 | | / | jı Er ’ 22 2 Es | 3 /o | Spur | Spur I- 68,7 %/0|— 23,1 %/o 0,2240 | 6,090 0,3452 : N ne mm: menu FL En — ul RE EooBRRd En, 0,1003 | | ; | | ı =29 %o | | 0,1400 | 0,1852 | 14=nl: 30/. Spur | Spur : “ ‘0,1450 |'0,1312 0.2493 | 0,1701 ; | ne 56,1 = 50,2 a 5 ee Baer 4 0,1131 | 0,0342 | | N | 7 (2468 %o= 18,7 07, |%1150 0.0497 san ann) 0,0595 | 0,0504 | 3 0.0530 |? / | Spur | Spur |_ 37,8 0/1 — 88,0 0/0 - 0,0505 0,1575 38,60] E92 - | Rn RT oo AR FR 0,0540 0,0439 | Neben dem ın vorstehender Tabelle RR Chlorid und Nitrat wirkten Ammoniumbromid, -jodid und -sulfat in gleicher Weise hemmend. Um eine nähere Vorstellung von dem Umfang der Hem- mung durch Salze in ihrer Abhängigkeit von den absoluten Mengen derselben zu geben, mögen noch folgende zwei Versuchsreihen (Tabelle IV und V) hier Platz finden. Die Versuche zeigen den Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin. Tabelle IV. Menge des aus 10 ccm Albu-| | 575 minlösung (0,2707 g enthal- Unter dem Einfluß von NH«sCl gebildetes Globulin tend) + 10 ccm (NH )2C0;- Lösung (0,075 9%) dur ch ein- stündiges Er wärmen auf 60° | gebildeten Globulins ' Auf ein (NH,),CO;- | Molekül entfallen | NH,CI-Moleküle | NH,CI-Konzen- | tration in Proz. | 0,1818 — 67,1%, 29,8 0,93 °/, 0 24,0 0,75%, Spur a 0,56%, 0,0583 — 19,6% ee a ee ner ie GER a 0,1380 - 47, 33 0,57 0018°% [0,1644 — 60,7 ° Tabelle V. Menge des aus 10 cem Al- buminlösung (0,2707 g ent- haltend) + 10 ccm Na, C09;- Unter dem Einfluß von NaCl gebildetes Globulin Lösung (0,079%,) durch ein- | stündiges Erwärmen auf 60° || gebildeten Globulins | I AUL eın Na, CO,- Molekül entfallen NaCl-Moleküle Na Cl-Konzen- tration in Proz. | 0,1870 — 69,0 %/, 143 6,95%, 0 123 5,86 ef, RE Spur To a 05 19], Pe 357%, 10073 —974°|, Se en ARE 0,0 0905 — = 33,4%], SR FANSRAREEEN 0, 1522 — 56,2%], 0 Ma. in 1853 — 68,4 9), Einfluß von Chlornatrium auf Natriumkar bonat- na von Chloram- monium auf Ammoniumkarbonatwirkung. Die gewählten Salzkonzentrationen il absteigend angeordnet, Multipla der zur Digestion verwendeter Dr -Karbonatlösungen. Aus den angeführten Werten ergibt Eh daß Chlorammonium sich einem gleichionigen Karbonat gegenüber ebenfalls leistungs- fähig erweist, quantitativ jedoch schon in weit schwächeren Konzentrationen hemmend wirkt als Chlornatrium auf Natrium- karbonat. Durch diese konstante Hemmungswirkung*) stehen die Ammoniaksalze bei der chemischen Reaktion der Globulin- *) Em TE TERR für unser Phänomen ist vielleicht die von Arrhenius (Zeitschr. f. physik. Chemie 1903, 44, 7) gemachte Beobachtung der Hemmung der hämolytischen Wirkung des Ammoniaks durch Ammoniaksalze. 576 Leopold Moll, bildung im Gegensatz zu ihrer Rolle beim physikalischen Phänomen der Beeinflussung der Salzfällung von Eiweißkörpern =: Fau a Es besteht somit, kurz zusammengefaßt, folgende merkwürdige Beziehung zwischen Alkalikarbonaten und Ammonsalzen. Während beim Erhitzen auf 60° 1. Albumin allein koaguliert, 2. Albumin + Chloramonium ebenfalls koaguliert, 3. Albumin + Karbonat ın Globulin übergeht, wird 4. Albumin + Karbonat + Chlorammonium nicht verändert. Dialysiert man in letzterem Falle nach der Digestion das Karbonat und Chlorammonium weg, so zeigt das Albumin seine ursprünglichen Eigenschaften in unvermindertem Maße, und ist insbesonders mit Karbonat allein in Globulin über- führbar. Es besteht somit im Falle 4 eine Art Gleichgewichts- zustand zwischen entgegengesetzten Funktionen des Hydroxyls: einerseits ist die Koagulation verhindert, was auf, freie Hydroxyl- wirkung zurückzuführen ist, andererseits ist deren Vermögen, Al- bumin anzugreifen, durch Chlorammoniıum aufgehoben. Wie beeinflussen Nichtelektrolyten den Vorgang der Globulinbildung? In dieser Richtung habe ich bisher nur Zucker und Harnstoff in Lösungen kristallisierten Albumins untersucht. Sie zeigten entgegengesetztes Verhalten. Während Zucker eine geringe Hemmung ausübte, hat der Harnstoff, wie aus Tabelle VI hervorgeht eine fördernde Wirkung. Tabelle KESE g 10 l- a 9707 © ent-| Unter dem Binaal von Ü gebildetes Globulin haltend) + 10 eem N3,00, - 1— . 5 Na, ‚co, - Lösung (0,079°/,) durch ein- || Aut ein 2 stündiges Erwärmen auf 600 a entfallen BR. in| gebildeten Globulins | U-Moleküle Proz. | 0,1798 = 68,4 97,71 4,02 | 0,18%, 0,1774—65,5°% | 24,8 111,308 0,1821 — 67 2° | 45,8 2,05 0,1910 — 70,5%, ‚Bere PER! = = | 66,6 2,98%, 0,1963 — 79,5%, | | rv j 87,2 3,90 9, 0,2072 — 76,4 °], Menge des aus 10 eem Al- \ buminlösung (0,2707 g ent- | N | ni - Lösung (0,4 %/,) (Blutalkales- | von U (bei 380) ge- zenz) durch achtstündiges | bildetes Globulin Erwärmen auf 38° gebilde-) ten Globulins 0,0523 — 19,3%], 87,2 |; i8,90.%9, 0,1247 — 46,0 ®], Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin. 577 Die naheliegende Vermutung, daß diese fördernde Wirkung auf Karbonatbildung durch Zersetzung des Harnstofis beruhen könnte, begegnet der Schwierigkeit, daß Harnstoffzersetzung bei der eingehaltenen niedrigen Temperatur nicht beobachtet wird. Übertrage ich die Erfahrungen dieses III. Abschnittes vor- liegender Arbeit auf den lebenden Warmblüterorganismus, indem bei 0,4 Proz. Na,CO,-Alkaleszenz stets nur ein Teil des Gesamt- eiweißes als Globulin kreist, so scheint es, als ob die globulin- bildende Wirkung des Alkalis durch die Blutsalze eine Regulierung resp. Hemmung erfahre. Wenn auch der Umfang der beschriebenen Reaktion der Umwandlung des Albumins zu Globulin in ihrer Abhängigkeit von Konzentration, Zeit, Basis, Temperatur und Salzgehalt fest- gestellt worden ist, so müssen zur Aufklärung des zugrunde liegenden Vorgangs noch weitere eingehende Versuche angestellt werden: in der Schwefelabspaltung allein ist kaum das Ent- scheidende zu vermuten. Unabhängig von der zukünftigen Auf- fassung der Reaktion erscheint auch die Schlußfolgerung aus dem Mitgeteilten, daß die Bindung der Cystin- bzw. Thiomilchsäure- moleküle im Albumin keine gleichartige ist, daß sich vielmehr in diesem leichter und schwerer abspaltbare Schwefelkomplexe befinden. Prag, Juli 1903. Literaturverzeichnis. 1) Baumgarten, Berl. klin. Wochenschr. Nr. 43, 1902. 2) Hammarsten, Ergebnisse d. Physiologie 1, 344. Über die Eiweiß- stoffe des Blutserums. 3) Corin und Berard, Corin und Ansiaux, cit. nach Malys Jahresbericht 18, 13, 22, 92. 4) J. Starke, Zeitschr. f. Biolog. S. 494 (1900). 5) Cohnheim, Chemie der Eiweißkörper, S. 140 (1900). 6) Erb, Zeitschr. f. Biolog. 41, 314 (1901). 7) Porges und Spiro, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 3, 1902. 8) K. A. H. Mörner, Zeitschr. f. physiol. Chemie 34, 207 (1902). 9) L. Langstein, a) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1, 259. b) Sitzungsbericht d. kaiserl. Akademie d. Wissenschaften in Wien. Mathem.- naturw. Klasse 112, Abt. IIb. Mai 1903. 10) Hofmeister, Ergebnisse d. Physiologie 1, 777. Über Bau u. Gruppierung der Eiweißkörper, 11) Pauli, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 4, 225 Beitr. z. chem. Physiologie. IV. 37 XLIV. Über Blutveränderungen nach Eiweißinjektionen. Von Dr. Leopold Moll, Assistent des Instituts. Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität in Prag. In einer vorhergehenden Arbeit!) wurde der Nachweis geliefert, daß durch Erwärmen des Serums auf jene Temperaturen, bei welchen die bekannten Veränderungen an den Immunkörpern oder -kräften desselben (Inaktivierung) vor sich gehen, auch solche an den Eiweißkörpern, und zwar Umwandlungen der schwerer in die leichter fällbaren (der Albumine in Globuline) statthaben. Hieran anknüpfend stellte ich mir die Aufgabe, festzustellen, ob nicht auch im Verlaufe eines Immunisierungsvorganges die Eiweiß- körper des Serums im lebenden Blute eine quantitative Ver- änderung erfahren. Schon jetzt liegt eine Reihe von gelegentlichen Beobachtungen vor, aus denen hervorgeht, daß mit der Immunisierung Ver- _ änderungen des Blutes, und zwar der Eiweißkörper desselben, einhergehen. So hat Seng? die Angabe gemacht, daß im Diphtherieheilserum Globuline in vermehrter Menge nachweisbar seien. Atkinson?) nimmt einen direkten Zusammenhang zwischen der antitoxischen Kraft des Serums und dem Globulin an. Joachim) untersuchte das Serum eines Pferdes vor und nach der Immunisierung mit Diphtherietoxin und fand eine sehr be- deutende Zunahme des Gesamtglobulins auf Kosten des Albumins. In derselben Arbeit, welche erst vor kurzem und zu einer Zeit erschien, als meine Untersuchungen bereits längst abgeschlossen waren, ist ferner festgestellt worden, daß die Vermehrung des Globulins nicht das Pseudoglobulin, an welchem, wie E. P. Pick?) gezeigt hat, die wirksame Substanz haftet, sondern das Euglobulin betrifft. „Inwieweit hier individuelle Verschiedenheiten in der Zusammensetzung des Blutserums von Pferden mitspielen“ und ob der genannte Befund ein allgemeiner ist, müßte weiteren Über Blutveränderungen nach Eiweißinjektionen. 579 Untersuchungen anheimgestellt bleiben. Schließlich fand Jakoby‘), daß im Serum des Rizin-Immunblutes „die Euglobulinfraktion sehr groß ist und eine reichliche Quantität wasserlöslichen Globulins (Pseudoglobulins) enthält.“ Allen diesen mehr zufälligen Befunden kann erst dann völlige Wertschätzung zuteil werden, wenn durch eine systematische Untersuchung ihr regelmäßiges Auftreten und ihr Zusammenhang mit gewissen, bestimmten Immunitätsreaktionen sichergestellt erscheint. Ich wählte von letzteren die einer Messung zugängliche Präzipitinreaktion. Faßt man die Bildung von „Präzipitinen“ im Blut von mit Eiweißinjektionen behandelten Tieren als Aus- druck von Gegenreaktionen des Organismus auf, so ist es wohl ge- stattet, diesen Vorgang mit anderen Immunisierungsvorgängen (Antikörperbildung, Antitoxinerzeugung) in eine Reihe zu stellen. In diesem Sinn ist unter Immunserum im folgenden stets das Serum derartig behandelter Tiere gemeint. I. Als Versuchstiere dienten Tiere (Kaninchen, Hunde), deren Sera im normalen Zustand auf ihren Globulin- und Albumingehalt*) untersucht worden waren. Erst nachdem sich die Tiere von dem zu dieser Untersuchung notwendigen Aderlaß (40 cem) erholt hatten, wurde mit den subkutanen Eiweißinjektionen begonnen, und damit durch sechs Wochen (eine Injektion wöchentlich) fortgefahren. Vorher hatte ich mieh am Kontrolltiere überzeugt, daß schon 24 Stunden nach einem derartigen Aderlaß die Eiweißkörper des Serums ihrer Menge und Verteilung nach dieselben waren wie vorher. Acht Tage nach der letzten Injektion wurden die Tiere verblutet. Die Sera gaben mit den zu den Injektionen verwendeten Eiweißkörpern deutliche Niederschläge. Dieselben waren keines- wegs spezifiichh Auch Rostoski’) konnte eine Spezifität der Niederschläge nicht beobachten. Nur insofern konnte ich eine gewissermaßen relative Spezifität nachweisen, als die Immunsera mit den zur Injektion verwendeten Eiweißkörpern einen stärkeren Niederschlag ausfallen ließen, als mit anderen Eiweißkörpern. Abweichend verhielten sich die mit Wittepepton behandelten Tiere, indem ihre Sera mit demselben ein sehr kleines Präzipitat, mit anderen Eiweißkörpern jedoch recht deutliche Niederschläge gaben. Ähnlich verhielten sich auch mit Leim behandelte Tiere. *) Die Angaben über das zur quantitativen Bestimmung dieser Eiweiß- körper eingeschlagene Verfahren nach Hofmeister-Pohl, s. Arch. f. experim. Path. 20. 37* 580 Leopold Moll, Dagegen gaben die mit Globulin (sowohl natürlichem, wie künstlichem) behandelten Tiere Sera, welche mit Globulinen stärkere Präzipitate als mit Albuminen gaben. Auch Umber?) konnte eine absolute Spezifität für einzelne Eiweißkörper nicht konstatieren*). Die Resultate meiner Bestimmungen sind in nebenstehender Tabelle verzeichnet. Aus derselben geht hervor, daß mit sub- kutanen Injektionen von Pferdeserum behandelte Tiere das gemeinsame und gesetzmäßige Phänomen der Globulinver- mehrung bei gleichbieibendem Eiweißgehalt des Serums zeigen. Dasselbe Verhalten boten ferner die Sera der mit den einzelnen rein dargestellten Eiweißkörpern des Serums oder mit anderen Eiweißkörpern behandelten Tiere. (Als Conalbumin Nr. X ist analog dem so benannten Körper des Eierklars der bei der Kristallisation des Pferdeserumalbumins in Lösung bleibende bezeichnet.) Das Tier Nr. VI, das ebenso wie das fünfte mit subkutanen Injektionen von reinem Pseudoglobulin bebandelt worden war, verhielt sich in zweifacher Hinsicht abweichend. Erstens hatte es schon im normalen Serum viel mehr Globuline (fast die Hälfte des Gesamteiweißes) und zweitens war nach der Immunisierung keine Globulinvermehrung nachweisbar. Die Tatsache, daß trotz_ längerer Immunisierung der Globulingehalt des Serums über eine gewisse Grenze hinaus nicht gesteigert werden kann, spricht für einen uns derzeit noch unerklärten Regulierungsvorgang im Organismus. Die Vermehrung des Halbsättigungsniederschlages im Immun- serum könnte nun sämtliche in ihm enthaltenen Eiweißkörper be- treffen, das sind das Pseudoglobulin, das Euglobulin, das Fibrino- globulin und ein Nucleproteid. Das letztere kommt bei den in Verwendung gezogenen kleinen Serummengen nicht in Betracht. Den Hauptanteil an der Vermehrung des Halbsättigungsnieder- schlages betrifft das Pseudoglobulin und KEuglobulin. Das Eu- globulin ist verhältnismäßig meist stärker vermehrt als das Pseudo- globulin, wiewohl das letztere im normalen wie im Immunserum an Masse weit überwiegt. *) Die ausführliche Literatur über die Frage der Spezifität der Prä- zipitinreaktion findet sich in einer in letzter Zeit erschienenen Arbeit „Uber Immunität gegen Eiweißkörper“ von L. Michaelis und ©. Oppenheimer. (Archiv für Physiologie 1902, S. 341.) Über Blutveränderungen nach Eiweißinjektionen. 581 Tabelle a | "Gewicht des | Gesamt- Gesamt- Gesamt- Gesamt- Immuni- Tieres ''Globulin in) Eiweiß in | Globulin in| Eiweiß in : ieh |vor und nach! _ 4 ccm 4 cem 4 ccm 4 cem Berungs- der | Normal- | Normal- || Immun- | Immun- material 'Immnnisierung | serum serum | serum serum Ba: ERANTER Eu g Pferdeserum 1. [Kaninchen 2680 | 2250 | 0,0923 | 0,2473 | 0,1664 | 0,2503 pi SE nahen! 2730 | 9210 5 0,0848 ei 0,2519 0,1477 0,2392 Pferdeserum | III. | Kaninchen | 2280 | 1850 | 0,0869 | 0,2551 | 0,1570 | 0,2394 uns| IV. | Kaninchen | 2820 | 2600 | 0,1086 | 0,2641 | 0,1577 | 0,2678 sendoslobulin y. | Kaninchen | 3300 | 2800 | 090922 | 0,2574 | 0,1444 | 0,2537 Be stohuiin VI. |Kaninchen | 2910 | 2750 | 0,1321 0,2752 | 0,1325 0,2552 OF — (a2 ,° ER EN Ber an ee VII. ‚Kaninchen | 2315 | 1800 | 0,0832 0,2488 0,1303 0,2564 Serumalbumin | | a | gristallisiertes | 5 BER 2 } $ Pferdeserum- | VIII. | Kaninchen 2900 | 1840 0,0557 0,2165 0,1371 0,2187 albumin | A Kristallisiertes EN Pterdeserum- IX. |Kaninehen | 2700 | 1940 | 0,0512 0,2472 0,1183 0,2271 albumin | Er ee ex | Kaninchen | 2820 2000 0,0968 | 0,2260 ' 0,1497 | 0,2390 Alkalialbumi- N DEE EEE we EN it, dargestelit XI. |Kaninchen 92360 | 1850 | 0,0939 0,2370 0,1321 0,2557 . Pferdeserum | ATSDE NEE TE Alkalialbumi- a har RE | Br ST at, dargestellt! XII. | Kaninchen 2200 2000 0,0894 0,2481 | 0,0798 0,2316 . Pferdeserum | | 2: ER | ; Kaninchen- | xrır. [Kaninchen 2560. | 2200 | 0,1236 | 0,2346 | 0,1109 | 0,2338 ssinchen- XIV. |Kaninchen | 2700 | 2560 | 0,0987 0,2531 0,1035 0,2485 | See Bra ru SE 0,1431 | 0,2567 Ziegenserum XV. |Kaninchen | 2650 | 2080 0,0827 0,2480 \u.5 Wochen|n.5 Wochen ) 0,1203 0,2403 Biegenserum: XV. | Kaninchen 2500 1980 | 0,0690 | 0,2454 0,1260 0,2496 Bieralbumin | xyır. |Kaninchen | 3000 | 2700 | 0,1020 | 0,2482 | 0,1381 | 0,2460 Mn a —_ —e- ee EN Ale cher e Milch XVII. |Kaninchen | 2200 | 1950 | 0,1021 | 0,2327 0,1548 0,2451 as | XIX. | Hund | 6620 | 6650 | 0,0773 | 0,2656 | 0,1967 | 0,9707 Blobulin aus | xx.| Hund |10800 | 9250 0,1487 | 0,3091 | 0,1784 | 0,9784 on), XXI. | Kaninchen | 2030 | 1040 | 0,0621 02251 | O1 0m em XXIT. |Kaninchen 2650 | 1620 | 0,1030 ' 0,2553 | 0,1407 | 0,2695 Ben = ang XXI.) Hund | 9670 | 9020 , 0,0692 | 0,2279 | 0,1255 | 0,2314 TaCl (0,85 proz.) XXIV. |Kaninchen | 2350 | 2300 | 0,0837 0,2437 0,0921 0,2513 582 Leopolä Moll, Iın Drittelsättigungsniederschlag ist noch neben dem Eu- globulin das schon bei 28,5 Proz. Sättigung ausfallende Fibrino- globulin enthalten. Im normalen Serum ist dieses in so minimaler Menge vorhanden, daß es bei den geringen verwendeten Serum- mengen füglıch übergangen werden kann. Mit steigendem Fibri- nogengehalt des Blutes aber würde es im Serum ebenfalls ver- mehrt auftreten, gleichgültig, ob es bei der Gerinnung durch hydrolytische Spaltung aus dem Fibrinogen hervorgegangen oder in Lösung gebliebenes Fibrinogen ist. In der Tat lehrten quanti- tative Messungen, die nach den von Reye°) in Hofmeisters Laboratorium ausgearbeiteten Angaben vorgenommen wurden, und deren Einzelheiten tabellarisch an anderem Orte zusammenge- stellt sind, daß ım Verlaufe der Immunisierung der charakteristische Eiweißkörper des Plasmas, das Fibrinogen, gegen die Norm zunimmt*). Das somit in diesen Fällen auch im Serum vermehrt vorhandene Fibrinoglobulin wurde nicht isoliert, sondern in dem (resamtglobulin mitbestimmt. Il. Wie schon erwähnt, sollte die Entscheidung der Frage, ob die nach Eiweißinjektionen stets eintretenden, eben beschriebenen Blutveränderungen mit einem Immunisierungsphänomen in ursäch- lichem Zusammenhange oder in Parallele stehen, durch Analyse der nach Eiweißinjektionen (Immunisierung gegen Eiweiß) auftretenden Präzipitinreaktion untersucht werden. Es mußte daher zunächst klargestellt werden, ob die vermehrten Globuline an der Niederschlagsbildung beteiligt sind oder nicht. Es galt zu entscheiden, ob das Präzipitat, d. i. der Nieder- schlag, welchen Immunserum und Eiweiß zusammengebracht geben, aus dem Immunserum oder aus dem zugesetzten Eiweiß oder aus beiden stammt. Über diesen Punkt herrschen verschiedene Anschauungen. Die verbreitetste ist die, daß das Immunserum durch einen in ihm neu entstandenen fermentartig wirkenden Immunkörper (Präzipitin der Autoren) das korrespondierende Eiweiß aus seiner Lösung ausfälle [v. Dungern'®)]. *) Meine Beobachtungen über die Fibrinogenvermehrung nach Eiweiß- und Leiminjektionen sind in einem „Die blutstillende Wirkung der Gelatine“ betitelten Artikel (Wiener klinische Wochenschrift 1903, Nr. 44) niedergelegt. Siehe auch dort den Nachweis eines Parallelismus zwischen Fibrinogen- und Leukocytengehalt des Blutes. Über Blutveränderungen nach Eiweißinjektionen. 583 Gegen diese Ansicht sprechen folgende Befunde. Zunächst wird übereinstimmend [Uhlenhuth!!), Wasser- mann und Schütze!?), Stern')] berichtet, daß die zur ge- richtlich medizinischen Blutuntersuchung hergestellten Präzipitin- sera mit einer Spur des zu untersuchenden Blutes, z. B. noch oft bei 50000 facher Verdünnung desselben Niederschläge gaben, die somit schon der Masse nach unmöglich aus dem verwendeten Blute stammen konnten. Ferner konnte E. P. Pick!) aus Kulturfiltraten, die mit den entsprechenden Immunseris die Krausschen Niederschläge gaben, zwei Körper darstellen, welche bis auf die Biuret- und Millonsche Reaktion — im zweiten Falle, Bakterienkoagulin K, fehlte auch die letztere — keine Eiweißreaktionen mehr zeigten, dagegen mit den Immunseris deutliche Niederschläge gaben, sodaß „in dem Bakterienkoagulin das chemisch aktive Agens, in dem Serum- koagulin der passive Komplex, das wesentliche Substrat der Reaktion“ zu suchen sei. „Linossier und Lemoine')*) haben die Proportionsver- hältnisse zwischen beiden Substanzen, unter deren Zusammen- wirkung es zur Niederschlagsbildung kommt, ebenfalls genauer studiert und gleichfalls gefunden, daß z. B. 25 Teile eines aktiven Kaninchenserums durch einen Teil Menschenserum ihrer ganzen präzipitierenden Körper beraubt werden, während 200 bis 300 Teile des aktiven Kaninchenserums nötig waren, um einen Teil Menschenserum seiner auslösenden Eiweißkörper zu berauben. Camus bestätigte diese Erscheinungen.“ Die nach den angeführten Beispielen zu folgernde Anschauung von der passiven Beteiligung des Immunserums am Niederschlage findet in den Versuchsergebnissen anderer Autoren eine, vielleicht scheinbare Einschränkung. So fand P. Th. Müller!‘ im Niederschlag, den ein Laktoserum mit Milch gab (Laktopräzipitat), neben dem „Präzipitin“ noch Kasein. Ich kann den Befund von Kasein im Niederschlag bestätigen. Be- züglich der Deutung desselben verweise ich auf weiter unten folgende Bemerkungen. Leblanc!”) wies im Niederschlag, den ein entsprechendes Immunserum mit Hämoglobin gegeben hatte, solches neben Serum- globulin nach. Nach v. Dungern®®) sind die „angewandten Methoden nicht einwandfrei genug, um dieses Ergebnis sicher zu stellen“. Der Einwand, daß hier der Farbstoff bei der Niederschlags- *) Zitiert nach Aschoff, „Ehrlichs Seitenkettentheorie“. Z. f. allgem. Physiol. I, 133. 584 Leopold Moll, bildung mitgerissen wurde, trifft auch die von v. Dungern und Cohnheim!?) mitgeteilten Versuche, in denen im Präzipitate, das das Serum eines mit Oktopusplasma behandelten Kaninchens mit dem Plasma gegeben hatte, Kupfer aus dem Hämocyanin des Plasmas nachgewiesen werden konnte. Meine eigenen, bezüglich der Frage über die Herkunft des Präzipitates angestellten Versuche ergaben nun folgendes: 1. Ein kräftiges Immunserum (45 ccm) ließ nach Hinzufügen des zu den Injektionen verwendeten Globulins ein Präzipitat aus- fallen, das 0,0724 & wog. Die zur Anstellung des Versuches sehr verdünnte Globulinlösung hatte im zugesetzten Volumen nur 0,0074 g Eiweiß enthalten. 2. Aus einem Immunserum wurden bei neutraler Reaktion die Globuline durch Halbsättigung mit Ammonsulfat ausgefällt. Der Niederschlag wurde aufs Filter gebracht, albuminfrei ge- waschen, in Wasser gelöst und dialysiert. Die Dialyse wurde so lange fortgesetzt, bis mit Chlorbaryum nur noch eine leichte Trübung entstand. Ein weiteres Dialysieren war weder nötig noch angezeigt, da ja in salzfreier Lösung die Präzipitatbildung ausbleibt. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß die Globulin- lösung bei Halbsättigung mit Ammonsulfat alles Eiweiß aus- fallen ließ, wurde zu einer Probe die Hälfte des Volums von der zur Immunisierung verwendeten Albuminlösung zugesetzt. Das ent- standene Präzipitat wurde aufs Filter gebracht, erst mit phy- siologıscher Kochsalzlösung, hierauf mit Wasser gewaschen, bis das Filtrat keine Eiweißreaktionen mehr gab, was sehr bald ein- trat, so daß keine wesentliche Verdünnung des gesamten Filtrates und damit keine Verschiebung der Fällungsgrenzen verbunden war. In diesem Filtrate wurde das ganze zugesetzte Albumin quanti- tativ wiedergefunden, sodaß das Präzipitat nur aus den Globu- linen des Immunserums stammen konnte. 3. Wenn man zu gleichen Mengen (2 ccm) des unverdünnten Im- munserums die gleichen Volumina absteigend verdünnter Lösungen des zu den Injektionen angewandten Eiweißkörpers zufügt, so größte > kleinste | Konzentration Konzentration des Eiweißes Präzipitathöhe Über Blutveränderungen nach Eiweißinjektionen. 585 erzielt man erst bei einer bestimmten Verdünnung der Eiweiß- lösung das stärkste Präzipitat. Bis zu dieser Probe wächst die Menge des Niederschlages und nimmt von da wieder ab. Vorstehendes Schema läßt das Verhältnis einfach überschauen. Bei x war das stärkste Präzipitat. Alle Proben wurden zum vollständigen Ausfallen und Ab- sitzen des Niederschlages durch 24 Stunden bei 33° belassen. Die klare, über dem stärksten Präzipitat stehende Flüssigkeit wurde nun abpipettiert und in zwei gleiche Teile geteilt. Zu der einen Hälfte wurde neuerlich das gleiche Volumen Immunserüm, zu der anderen ebensoviel Eiweißlösung gegeben. Schon nach kurzem Stehen bei 38° hatte sich in der ersten von beiden Proben ein neuerliches Präzipitat gebildet, während die letztere vollständig klar geblieben war. Nun konnte mit der zum zweitenmal gefällten Probe derselbe Vorgang mit gleichem Ergebnis wiederholt werden. Die über dem zweiten Präzipitat stehende Flüssigkeit ließ, abge- hoben, auf Zusatz des gleichen Volumens Immunserum neuer- dings einen Niederschlag im Gegensatz zu der mit Eiweißlösung versetzten Hälfte ausfallen. Das Spiel konnte 8 bis 12 mal, manchmal noch öfter wiederholt und so die Verdünnung der ursprünglich der ersten Probe zugesetzten Eiweißlösung ins Tausendfache, jedenfalls so weit getrieben werden, daß der Ge- danke, sie als die Muttersubstanz so vieler Niederschläge anzu- sehen, hinfällig wird. Die oben beschriebene paradoxe Erscheinung der Abnahme des Präzipitates mit Zunahme der Konzentration der zur Hervorrufung der- selben zum Immunserum zugesetzten Eiweißlösung wird allgemein auf eine Hemmung der Reaktion, das ist der Niederschlagsbildung zurückge- führt. Es war wünschenswert, zu untersuchen, ob auch in unserem Falle diese Erscheinung tatsächlich in einer gehemmten Präzipitatbildung ihren Grund habe oder ob das Pı räzipitat zwar gebildet, aber durch die lösende Wirkung eines anderen Eiweißkörpers nur am Ausfallen ge- hindert werde. Masnborg 20) gibt der Ansicht Ausdruck, „daß dr spezifische Niederschlag bis zu einem gewissen Grade im Überschuß der Eiweißlösung (Biereiweiß) löslich ist, aha wie Alkalialbuminat mit Säuren Niederschläge gibt, die sich im Überschuß der Säure auflösen“. Da das Präzipitat, wenigstens in seinen physikalischen Reaktionen einem Alkali- albuminat gleicht — ein solches aber kann, wie in einer vorhergehenden Arbeit!) gezeigt wird, durch Pseudoglobulin bis zu einem gewissen Maße in Lösung gehalten werden —, so brauchte nur die über dem geringen Niederschlage stehende Flüssigkeit auf Albuminat untersucht zu werden. Dies geschah in der Weise, daß der bei Drittelsättigung mit Ammon- sulfat aus derselben ausg sefallene Niederschlag so lange mit der entsprechen- den (33 proz.) Ammonsulfatlösung gew aschen Ww urde, bis das Filtrat eiweiß- und alkalifrei war und dann auf ee Wasserlöslichkeit untersucht wurde. Da nun der Niederschlag auf Wasserzusatz sich vollkommen löste, so war 586 Leopold Moll, damit erwiesen, daß kein Albuminat bzw. Präzipitat gebildet und in Lösung gehalten worden war. Somit ist bewiesen, daß das geschilderte Phänomen, welches allgemein gesprochen darin besteht, daß ein Uber- schuß an reagierender Substanz einen geringeren Effekt auslöst, nicht im Gelöstbleiben des Niederschlages, sondern tatsächlich in einer Hemmung der Reaktion seine Ursache hat. 4. Bezüglich der Angaben von P. Th. Müller, welcher, wie schon oben erwähnt, im Laktopräzipitat neben Kasein noch „Präzi- pitin“ nachwies, sei erwähnt, daß in einem gleichsinnigen Ver- suche, welchen ich mit Laktoserum und Milch vorgenommen habe, beim Optimum der Ausfällung die über dem Präzipitat stehende klare Flüssigkeit zwar kein Kasein mehr enthielt, wie die Wirkungslosigkeit von Labzusatz bewies, wohl aber imstande war, mit neuen Serummengen einen Niederschlag ausfallen zu lassen. Da dieser jetzt kein Kasein mehr enthalten konnte, so ist in Anbetracht der Leichtigkeit, mit welcher Kasein aus seiner Lösung abgeschieden wird, die Annahme berechtigt, daß das in dem zuerst ausgefallenen Präzipitat befindliche Kasein beim Aus- fallen des Immunserums nur mitgerissen worden war. Aus dem Mitgeteilten ergibt sich der Schluß, daß das Präzi- pitat zum allergrößten Teile aus den Eiweißkörpern des Immun- serums stammt, womit jedoch nicht in Abrede gestellt werden soll, daß in einzelnen Fällen in das Präzipitat auch Bestandteile der fällenden Eiweißlösung eingehen. Ohne Vorschläge für eine auf dieser Erkenntnis basierende Änderung der bisher üblichen Nomenklatur machen zu wollen, halte ich es doch für notwendig, der Erscheinung, welche beim Vermischen eines Eiweißimmunserums mit dem Immunisierungs- material (oder einem anderen Eiweißkörper) beobachtet wird, folgende Deutung zu geben: das Immunserum, das passive Reagens, das Fällungssubstrat, wird durch das Immuni- sierungsmaterial, das aktive Reagens, das Fällungs- mittel, ausgefällt. Bezeichnet man mit dem Ausdruck „Präzipitin‘“ den im Immunblut gelöst vorhandenen, neuge- bildeten, mehr oder minder spezifischen Eiweißkörper, der durch einen zweiten fällbar ist, so bezeichne „Präzipitat‘“ die in un- löslicher Form ausgefällte Modifikation desselben. Präzipitin und Präzipitat stehen zueinander in Beziehung etwa wie Fibrinogen zu Fibrin. Das Immunserum mußte demnach eine Veränderung erlitten haben, welche sehr wohl identisch sein konnte mit der von mir gefundenen Globulinvermehrung. Diese Annahme wird durch die Feststellung von Fuhrmann?) und Umber‘°), nach welchen die EZ A u u Zu DUO CH Ad a Le > Mu Über Blutveränderungen nach Eiweißinjektionen. 587 „Präzipitinwirkung“ an die Globulinfraktion gebunden sei, trotz der entgegensetzten Deutung des Präzipitierungsvorganges, gestützt. In der Tat wird, wie ich nach eigenen Versuchen bestätigen kann, nur die Globulinfraktion, nieht aber das Albumin eines Immunserums durch das fällende Eiweiß (Immunisierungsmaterial) niedergeschlagen. In allen obigen Fällen von Globulinvermehrung war die Präzipitatbildung deutlich und konstant vorhanden. Dort, wo das Serum weder mit dem Immunisierungsmaterial noch mit anderen verschiedenen Eiweißkörpern Niederschlag gegeben hatte, fehlte auch die Vermehrung der Globuline. Solche Fälle liegen vor bei den Seris XIII und XIV, wo Kaninchen mit Kaninchenserum, und bei Serum XII (einer von zwei gleichartigen Versuchen), wo das Kaninchen mit aus Pferdeserum dargestelltem Alkalialbuminat injiziert worden war. Es scheint demnach im höchsten Grade wahrscheinlich, daß bei der Immunisierung gegen Proteinstoffe im Blute Substanzen entstehen, welche, mit den Immunisierungsmaterialien zusammen- gebracht, unlösliche Verbindungen eingehen und ausfallen, und wegen der gleichen Fällungsgrenzen eine Globulinvermehrung ım Serum in Erscheinung treten lassen. Daß diese Körper übrigens keine eigentlichen, mit den normalen identische Globuline sind, dafür spricht neben der Unwirksamkeit normaler Sera der Um- stand, daß eine auf andere Weise erzielte Globulinvermehrung in einem Serum diesem nicht die Eigenschaft erteilt, von Eiweiß- .körpern gefällt zu werden. Wie ich a. a. O.') mitgeteilt habe, gelingt es durch halbstündiges Erwärmen auf 56° Albumin in Globulin umzuwandeln, somit unter Vermeidung von Alkali- albuminatbildung eine Globulinanreicherung im Serum zu erzielen. Solche Sera werden ebensowenig wie ‘die nativen Sera durch Eiweißkörper gefällt. Bei halbstündigem Erwärmen von Immunseris auf 56° tritt ebenfalls eine Vermehrung der Globuline ein, ohne daß die Prä- zipitatbildung eine Steigerung erfährt. Es wird Sache fernerer Untersuchungen sein, die durch Immunisierung gebildeten mehr oder minder spezifischen Globuline, welche die Präzipitatreaktion geben, von den normal vorhandenen zu isolieren und die chemischen Unterscheidungsmerkmale fest- zustellen. Somit scheint wenigstens für die Präzipitinbildung der Nach- weis geliefert zu sein, daß in der Blutveränderung (Globulinver- 588 Leopold Moll, mehrung) nicht eine bloße Begleiterscheinung, sondern eine wesentliche, sie bedingende Veränderung gegeben ist. Inwieweit die gleichzeitig vorhandene (s. Fußnote S. 582) Leukocyten-und Fibrinogenvermehrung mit der erlangten Immunität im Zu- sammenhange steht, müßten erst weitere darauf gerichtete Unter- suchungen, die auch auf die homologen Veränderungen der Eiweiß- körper der Organe einzugehen hätten, feststellen. Doch läßt sich schon jetzt auf Grund der Versuchsergebnisse von Alex. Schmidt eine Vermutung äußern. Hammarsten??) schreibt: „Das Serum- elobulin stammt nach Alex. Schmidt von den schon vor der Ge- rinnung des gelassenen Blutes massenhaft zugrunde gehenden weißen Blutkörperchen. Es gelang ihm auch, aus den isolierten ge- waschenen Leukocyten Paraglobulin (Serumglobulin) zu gewinnen. Die Ansicht, daß die ganze Globulinmenge des Blutserums aus den Leukocyten stammt, scheint allerdings später von Alex. Schmidt verlassen worden zu sein. Dagegen nahm er fort- während an, daß immer ein Teil der Serumglobuline diesen Ursprung hat, eine Annahme, die wohl allgemein als richtig anerkannt worden ist.“ Es ist demnach nicht unwahrscheinlich, daß die bei der Immunisierung entstehenden mehr oder minder spezifischen Globuline ihren Ursprung ebenfalls vermehrt auftretenden und - wieder zerfallenden Leukocyten verdanken. Vorstehende Untersuchung wurde mit Unterstützung der „Gesellschaft für deutsche Kunst, Wissenschaft und Bir atur in Böhmen“ ausgeführt. Literaturverzeichnis. 1) L. Moll, „Über künstliche Umwandlung von Albumin in Globulin“. Diese Beiträge 4, 563. 2) W. Seng ‚ Zeitschrift f, Hygiene u. Infekt. 31, 513. 3) REN Journ. of exp. med. 5. 4) Joachim, Arch. für die gesamte Physiol. 98. 5) E. P. Pick, Diese Beiträge 1, 357. 6) M. Jakoby, Diese Beiträge 1, 59. ”) Rostoski, Münch. med. Wochenschr. 1902, S. 740. 8) Umber, Berl. klin. Wochenschr. 1902, S. 657. 9) Reye, Straßburger Dissertat. 1898. 10) v. 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K Bomann EI nee] Le) . warn „6 a > a 2 Gr Bann nh Justus Perthes. Hand-Atlas in 100 Karten. 50 Lieferungen zu je 60 Pig. für 30 Mark! lu beziehen durch alle Buchhandlungen. | Gotha L Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin SW. 11 Dessauerstrasse 29. Biochemisches Lentralblatt. Vollständiges Sammelorgan für die Grenzgebiete der Medizin und Chemie unter Leitung von P. EHRLICH- Frankfurt a. M., E. Fıscher-Berlin, A. Kosser-Heidel- berg, O. LiEBREIcCH - Berlin, FR. MÜLLER - München, B. ProskAuer-Berlin, E. Sarkowskr-Berlin, N. ZunTz- Berlin herausgegeben von Dr. phil. et med. Carı ÖPPENHEIMER. Jährlich 24 Hefte. Gross-Oktav. Preis pro Band 30 Mk. Zur Anlage von Collectaneen, Litteraturzusammenstellungen des einen oder anderen Spezialgebietes etc. werden die Referate den Abonnenten auch in einseitig bedruckten Abzügen zu 3 Mk. (pro Band) zur Verfüyung gestellt. Ausführliche Prospekte und Probehefte gratis und franko. Verlag von August Hirschwald in Berlin. Soeben erschien: Die Faeces des Menschen im normalen und krankhaften Zustande mit besonderer Berücksichtigung der klinischen Untersuchungsmethoden von Prof. Dr. Ad. Schmidt und Dr. J. Strasburger. III. Teil. Die Mikroorganismen. gr. 8. Mit 4 lith. Taf. 1903. 6 Mark. PEFFFTFFTTTTFT FR] Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunicdtweig. —— Vollständig erschienen: —— Hermann von Helmholtz Leo Koenigsberger. In drei Bänden. Mit 9 Bildnissen in Heliogravure und einem Brieffaesimile. Gr. 80. In vornehmer Ausstattung. Preis des vollständigen Werkes geh. M. 20.—, geb. in Leinwd. M. 25.—, geb. in Halbfrz. M. 31.—. Mi“ dem soeben zur Ausgabe gelangten dritten Bande des hochbe- deutenden Werkes ist die grosse Helmholtz-Biographie von Leo Koenigsberger, welche als eine biographische Leistung ersten Ranges für die gesamte wissenschaftliche Welt und für weite Kreise des ge- bildeten Publikums von dem grössten Interesse ist, vollständig erschienen. Die Entwickelung, das Leben und Wirken und die Bedeutung einer Persönlichkeit zu schildern, die durch den Umfang und die Tiefe des Wissens und die Macht des Könnens die meisten ihrer Zeitgenossen überragt, alle Welt durch das Produkt ihrer Arbeit während mehr als eines halben Jahrhunderts in Staunen und Bewunderung versetzt und der Wissenschaft neue fundamentale Lehren geschenkt und neue Wege zu fruchtbarer Tätigkeit gewiesen hat, war eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufgabe, deren Durchführung dem Verfasser, welchem nicht nur die Feder, sondern auch die auf eingehender Sachkenntnis ruhende Teilnahme für Person und Stoff zu Gebote stand, in vollendetem Masse gelungen ist. Dem grossen Naturforscher und Gelehrten ist mit dieser meisterhaiten Darsteliung seines in der Geschichte der Wissenschaft wohl einzig dastehenden Entwickelungs- ganges und seiner unvergleichlichen Lebensarbeit ein würdiges Denkmal errichtet worden, wie es der Mit- und Nachwelt nicht schöner überlieiert werden konnte, rn Zu bezieben durch alle Buchhandlungen. BESB3Z 2323333352 1 A. W. ZICKFELDT, OSTERWIECK/HARZ, ee NG. a BE a u Du 0 a Ze Zi Aue u 4 Dabh Hs Br, = “ Fr WIEN 2.8 9.8 . De er nn nt . nu 268-0 De Fe ne 4.5 Ba De Er Ze 2 tunen - wm nen el TS E RL SR EN,