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BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE

DER

DEÜTSCIEU SPMCHE TMD LITERATTJE

HERAUSGEGEBEN

VON

HERMANN PAUL und WILHELM BRAUNE.

I. BAin).

HALLE A/S. 1874.

LIPPERT'SCHE BUCHHANDLUNG

(MAX NIEMEYER).

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INHALT.

Seite

Zur kenntnis des fränkischen und zur hochdeutschen lautverschie-

bung von W. Braune 1

Uebersicht der neuangelsächsischen Sprachdenkmäler von B.

Wtilcker 57

Legenden und sagen von Pilatus von W. Creizenach . . . . 89

lieber die letanie von F. Vogt 108

Zur lautverschiebung von H. Paul 147

Kritische bemerkungen zu mittelhochdeutschen gedichten von H.

Paul 202

üeber die spräche der Ancren Riwle und die der homilie Hali Mei-

denhad von R. Wtilcker 209

lieber die neuangelsächsischen Sprüche des königs Aelfred von R.

Wülcker 240

üeber die Margaretenlegenden von F. Vogt 263

lieber das gegenseitige Verhältnis der handschriften von Hartmanns

Iwein von H. Paul 288

Die althochdeutsche Übersetzung der Benediktinerregel von F.

Seiler 402

Kleine beitrage zur deutschen grammatik von £. Sievers.

I. Zur altangelsächsischen declination 486

n. Die reduplicierten präterita 504

lieber den grammatischen Wechsel in der deutschen verbalflexion

von W. Braune 513

Die altslovenischen Freisinger denkmäler in ihrem Verhältnisse zur

althochdeutschen Orthographie von W. Braune 527

Zum leben Hartmanns von Aue von H. Paul 535

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ZUR KENNTNIS DES FRANKISCHEN

UND

ZUR HOCHDEUTSCHEN LAUTVERSCHIEBUNG.

Wie überhaupt die mittel- und niederdeutschen dialecte einer grammatischen darstellung und begrenzung ihres gebiets noch harren, so ist auch der begriff des sogenannten nieder- rheinischen im ganzen ein vager, die grenzen und hauptunter- scheidungsmerkmale des dialects sind noch von niemand ge- nauer bestimmt worden. Man sieht wol im allgemeinen ganz richtig den dialect als einen solchen an, der den Übergang des hochdeutschen in das niederländische vermittele, wo und wie aber der Übergang stattfinde, darüber begegnet man meist unklaren anschauungen. Und diess ist auch gar nicht zu ver- wundern, da man den dialect doch hauptsächlich nach den literaturdenkmälem, die man ihm zuzuweisen pflegt, beurteilt. Nun weichen aber die gedieh te, welche wir niederrheinische nennen; in ihrem lautstande meist von einander ab, ihre ent- stehungsorte sind nicht genau bekannt und man kann daher auf sie keine sichern Schlüsse bauen. So ist z. b. besonders das Annolied, welches man ohne weiteres flir kölnisch ausgibt (cfr. Koberstein i^, p. 154) nur geeignet, die Vorstellung vom köl- nischen dialect zu verwirren, da es wenigstens in seinem jetzigen zustande nicht aus Köln hervorgegangen sein kann. Ganz ähnlich verhält es sich mit den von W. Grimm unter dem namen Wemhers vom Niederrhein herausgegebenen gedichten, in welchen ebenfalls der vom originale etwas abweichende dialect des Schreibers deutlich hervortritt, während die in der- selben hs. enthaltenen, von einem andern Schreiber geschriebe- nen Marienlieder (Haupt X) eine ganz reine mundart darbieten;

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I. 1

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2 BRAUNE

Die sicherste quelle zur erkenntnis der älteren deutschen mundarten sind die nach ort und zeit ihrer entstehung , fest- stehenden Urkunden. Sie sind von det mitte des 13. Jahrhun- derts an in immer zunehmender fülle vorhanden und mtissen die basis aller Untersuchung bilden, erst in zweiter linie kom- men die gedichte in betracht. Auf grund dieser Urkunden wollen wir denn versuchen, die ausdehnung und den character der niederrheinischen mundarten in der 2. hälfte des 13. und im 14. Jahrhundert einigermassen festzustellen.

Zuvor aber möchte ich nochmals (cf. liter. centralbl. 1872, p. 1227) gegen den landläufigen, aber äusserst unglticklich ge- wählten namen „niederrheinisch" protestieren. Der name hätte nur einen sinn, wenn man damit die. spräche des Niederrheins bis zu seiner mündung hin bezeichnete. Das tut man aber nicht, da das unterste gebiet des Bheines durch „niederländisch" bezeichnet zu werden pflegt und man meint daher mit „nieder- rheinisch" gemeiniglich die spräche der preuss. Rheinprovinz. Diese aber wird durch eine deutlich erkennbare Sprachgrenze in zwei teile getrennt, so dass man unter diesem namen zwei grundverschiedene mundarten begriff und in einander warf. Das unzutreffende desselben ftihlte auch Pfeiffer (Germ. 111, p. 493) und schlug statt dessen „kölnisch" vor. Diese bezeich- nung ist aber wiederum zu eng, wie wir weiter unten sehen werden. Der passendste name ist wie mir scheint „mittelfrän- kisch" (dessen sich auch schon Heyne, kleinere denkm. p. III, bedient) und zur begrttndung desselben werden wir die Stellung dieses dialects zum gesammten fränkischen stamme, so wie die sprachliche gliederung des letzteren überhaupt kurz zu erör- tern haben.

Der fränkische stamm zieht sich bekanntlich vom nörd- lichen Oberdeutschland an den Rhein entlang bis hinunter in die Niederlande und enthält sonach, wie kein zweiter der alten stamme, einen hochdeutschen und einen niederdeutschen hauptteiL Diese Spaltung ist natürlich eine verhältnismässig sehr späte. Sie ist entstanden, als der südliche teil Deutsch- lands von der hochdeutschen lautverschiebung betroffen wurde. Deren ausdehnung ist eine rein geographische : von den bergen Oberdeutschlands nahm sie in historisch erreichbarer zeit ihren ausgan^ und beweg^te sich ohne auf die Zusammengehörigkeit

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. '3

der Stämme rücksicht zu Behmen nordwärts, bis sie endlich zwischen dem 61. und 52. breitegrade in ihrer kraft erlahmte. Ganz von derselben betroffen sind die Alamannen und Baiem^ wol nur in ihren südlichsten grenzgebieten die Sachsen, aber vollständig geteilt sind durch sie die sich von sttden nach norden lang hinziehenden Franken. Die sprachliche einteilung des Stammes ergäbe sich darnach von selbst, nämlich fränkisch ohne und mit hochdeutscher lautverschiebung, oder nieder- und oberfränkisch. Hier müste aber das sogenannte nieder- rheinische entschieden unter das oberfränkische gesetzt werden, da es die hervorragendsten teile der lautverschiebung mit erlit- ten hat Doch wegen seiner sonstigen mehr zum niederdeut- schen stimmenden lauterscheinungen empfiehlt sich die drei- teilung in ober-, mittel- und niederfränkisch. Einteilungsgrund ist der stand der consonanten, vornehmlich der dentalen welche ja von der hochdeutschen lautverschiebung am stärksten afficieft sind.

Der oberfränkische dialect ist von MttUenhoff in der reichhaltigen und in vielen beziehungen vortrefflichen einleitung zu den denkmälern eingehend behandelt worden. Er zerlegt das fränkische (den von uns „oberfränkisch" genannten teU) an der band der ältesten Urkunden und denkmäler nach der seala der dentalen in hochfränkisch, rheinfränkisch und süd- fränkisch. Hochfränkisch nennt er die mundart des späteren Ostfranken, wo nach seinen urkundlichen belegen die dental- tenuis zu z, die dentalmedia zu t verschoben war, desgleichen war auch th schon in d übergegangen, mit ausnähme des an- lauts, wo es sich im 9. jahrh. noch hielt Als beispiel dient der Tatian, welcher als in Fulda entstanden nachgewiesen wird. Im rheinfränkischen ist ebenfalls die tenuis t vollständig verschoben, die media verharrt meistens als solche, auch das th ist noch vorhanden. Das hauptsächlichste hierher gehörige denkmal ist der Isidor. Eigentlich nur eine Unterabteilung dieses ist das von MüUenhoff sogenannte südfränkisch des Otfrid. Dieses hat das alte d nur im anlaute, im inlaute ist es zu t verschoben, was aber auch im rheinfränkischen nicht selten vorkommt Das im rheinfränkischen unversehrte ih be- steht bei Otfrid nur im anlaut

Das sind, wenigstens betreffs der consonanten, die haupt-

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4 BRAUNE

gesichtspünkte, üaeh denen M. diese oberfränkischen mundarten teilt. Doch sind dieselben nicht ganz feststehend^ da er die mund- arten des 9. Jahrhunderts betrachtet und demgemäss die spirans th zur dialectsonderung mit zu hilfe nimmt Diese aber geht später in allen dialecten in die media über, kann also für die spätem mundarten keinen sonderungsgrund mehr abgeben. Wir betrachten hier den consonantenstand des oberfränkischen, wie er sich aus den Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts ergibt Dasselbe lässt sich darnach nur in zwei Unterabteilungen zer- legen, nämlich 1) das ost fränkische (MtiUenhoflFs hochfrän- kisch). Da bei diesem nun auch das anlautende th verschwun- den ist, so steht es betreffs des consonantismus auf allgemein hochdeutschem Standpunkte und bedarf keiner weiteren be- sprechung. 2) Das süd fränkische. Diess unterscheidet sich vom ostfränkischen durch das Vorhandensein der alten media d. Seine grenze gegen das ostfränkische ist, ebenso wie M. für das 9. Jahrhundert anführt, ungefähr Spessart und Vogels- berg. Zeugnisse dafür, dass die Wetterau noch zum Südfrän- kischen gehört, sind der friedberger Christ aus Friedberg in der Wetterau, und Urkunden, wie die von Rieger (leben der heil. Elisabeth p. 47 ff.) abgedruckten, desgL die Urkunde der neun geschwomen des landfriedens in der Wetterau von 1359 (L. ni, 593).*) Gegen Norden erstreckt sich das Südfrän- kische auf dem linken Rheinufer ungefähr bis zur Mosel, auf dem rechten bildet etwa der unterlauf der Lahn die grenze, dann aber müssen wir dieselbe noch weiter nördlich führen, indem das hessische in seinen consonantischen eigentümlich- keiten im grossen und ganzen zum Südfränkischen stimmt Doch wird vielleicht noch eine genauere sonderung möglich sein. Im Süden geht das fränkische dann ins alaman- nische über.

Die unverschobene media ä ist also einmerkmal des süd- fränkischen. Doch finden wir sie nicht immer gleichmässig durchgeführt, indem in vielen Urkunden des dialects sich unter- schiedslos daneben t findet In Riegers Urkunden ist t nicht sehr häufig, aber in der Wetterauer Urkunde bei L. stehen

*) L. = Lacomblet, urkundenbuch für den Niederrhein. 4 bände. H. Höfers auswahl deutscher Urkunden. Q. » Günther, codex diplomaticus Rheno-Mosellanus. 5 teile.

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ZUE KENNTNIS DES FRANKISCHEN. 5

14 dj 18 tj also luden, gebode, siede, dun neben tede, teil, tun, syten, in der Urkunde des Mainzers v. 1339 (Lac. HL 343) 27 d zu 24 t: dun, aber getan, in gode vadem und gleich dar- auf von desem hutigen tage, deikn und vier zeilen weiter teilen etc. In der Urkunde aus Bingen v. 1329 (6. IIL 162) giebt es nur wenige t, im subst site, warte, sonst aber stets d in dun, hudigen dag, luden etc.~ ebenso überwiegt weit das d in der Frankfurter Urkunde v. 1332 (H. p. 262. Der kaiser Ludwig der Baier stellt hier eine südiränkische Urkunde aus!). Das t überwiegt in der Mainzer Urkunde v. 1325 (H. p. 183), doch finden sich auch zahlreiche d, z. b. beraden, vader etc. Es mögen beispielsweise noch eine anzahl südfränkischer Ur- kunden hier angeführt werden, in denen das Verhältnis überall das gleiche ist: Sponheim, H. p. 49. 128. 129. 148. L. HL 290. 624. G. m. 84. 109. 167. 236. 275. 319. 456 u. a. (in aU diesen Urkunden gehört i zu den Seltenheiten). Dann- (b^i Sponheim) G. III. 281. 490. H. p. 36. Saarbrücken H. p. 188. Kirchberg G. IIL 186. 221. Brunshom (bei Castellaun) G. HL 474. Mainz G. III. 251. 260. 26L 361. 451. L. IIL 941. Katzenellenbogen G. IIL 631. IV. 28. Bingen G. HL 633. Amsburg a. d. Wetter H. p. 60. Creuznach H. p. 161.

Eine weitere scharf ausgeprägte eigentümlichkeit ist femer das im anlaute stets unverschobene p, also z. b. plagen, {plegit Katzenellenbogen L. IIL 970, plach Sponheim G. IIL 624), parrer (Sponheim G. IIL 236), paffen (Mainz L. III. 343), punde (Sponheim H. p. 49), punt (Leiningen H. p. 290, Mainz H. p. 183), Pawe (ib. p. 186), pdnt (Sponheim G. IIL 275), penning pert Pingesten etc., wovon man die beispiele auch in den oben angeführten Urkunden zahlreich findet So war es zu Otfrids zeit und so ist es noch heute in der «Palz", Frankfurt, Mainz, wtr man stets im anlaut p spricht, aber aspiriert Dieses nachstürzende h wird auch damals schon dagewesen sein, da es, wenngleich nur selten, doch zuweilen bezeichnet wird, z. b. phleger (Leiningen H. p. 266), phert (Katzenellen- bogen G. IIL 631), ohne dass man dabei an die afiricata pf zu denken braucht Ausserdem steht noch unverschobenes p in den inlautenden Verschärfungen, denen hd. pf entspricht: appelhaum (Bingen G. IIL 633) kop (G. III. 314) Amsteiner Marienleich: gescheppen 170, scheppaere 200. Beispiele dieses

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6 BRAUNE

letzteren falles sind in den Urkunden nicht häufig und ich glaube nicht, dass in diesem falle das p bis in die südlichsten teile Südfrankens reicht, da Otfrid aphul, scepheri, kuphar etc. hat, also gevsris bei ihm schon ein starker nachstürzender hauch Yorhanden war. In allen übrigen fällen ist das p im süd- fränkischen regelrecht luerschoben {helfen, dorf etc.).

Nördlich nun schliesst sich an das südfränkische das mittelfränkische an, ungefähr von der Mosel und Lahn bis gegen Düsseldorf und gegen westen bis nahe zur Maas. Den consönantenstand der mundart habe ich in meinen Unter- suchungen über Veldeke (zeitschr. f. d. phil. IV) in seinen grundzügen angegeben; Trier, Koblenz, Köln, Jülich, Aachen sind die bedeutendsten orte, welche ihr angehören. Diejenige durchgehende eigentümlichkeit nun, welche uns bestimmt, den dialect dieses ganzen gebietes als einen im wesentlichen ein- heitlichen zu bezeichnen, ist, dass im ganzen durchweg die tenuis t zu z verschoben ist, mit ausnähme des neutralen t in dat, wat, it, allet, dit Ausserdem blieb unverschoben das t, welches im perf. und part. perf. der 1. schwachen conjugation entstand, wenn ein t des stammauslauts mit dem d der schwa- chen flexion zusammentraf, und dadurch eine schärfung des dauts entstand, also vom praes. setzen satte und gesät (diese in den Urkunden sehr häufig); gruzen, groessen ]}^xt groete gegroet (z. b. Karlmein. 2,43, 13,38); buzen, boezen, boessen, perf. boete, geboet (z. b. Karlm. 13,i6. 261,17. 314,65, gut:gebut Marld. 53,38. 56,5); letzen perf. latte (Karlm. 311,25) gelat (Karlm. 87,55. 119,45. 121,13), schetzen, geschat (L. III. 163. 363 etc.). Ausserdem findet sich unverschobenes t noch in einigen ein- zelfäUen, als toi (telonium, zoll) z. b. L. 11. 542 und seinen ableitungen tolUnge (L. II. 537) etc. besonders aber noch in ft(ÄCÄen (zwischen), welches wort aber merkwürdiger weise nicht bloss im mittelfränk., sondern auch im südfränk. (z. b. Mainz L. ni. 343, Saarbrücken H. p. 321) regelmässig in dieser form auftritt, ja Weinhold flihrt twischen sogar als alemannisch an (al. gr. § 169). Vereinzelt und nicht durchgängig finden sich un- yerschobene t in einigen worten. So kommt in kölnischen Urkunden einige male moit, muthe, moythe vor (L. IL 1064 p. 625 u. 626, IL 1065), ja sogar in einer südfränk. Urkunde (H. p. 37) habe ich ein muten gefunden, was man an dieser

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN.

stelle allerdings vielleicht als mohten fassen könnte. Ganz allgemein aber ist sonst mittelfränk. moiss, muss, moste u. s. w. drussete, droissit (truchsess) scheint besonders den Jtilicher Urkunden eigen (z. b. L. III. 120. 352. 384. 545 u. s. w.), während in Köln druszeszin (L. IL 542) droississm (H. p. 274) üblicli ist. Das seit mitte des 14. Jahrhunderts in Köln und Mittelfranken nicht seltene tgegen, igegn, tgain, tgenwordig ist nicht, wie es auf den ersten blick scheinen sollte, aus te gegen, sondern aus inigegen entstanden. Im 13. und der 1. hälfte des 14. Jahrhunderts heisst es immer diesen intgegenwor- digen brief (z. b. L. IL 534. 537. 744), wofür dann tgegenwordig eintritt (L. III. 532. 540. 556). Das erste tgegen (statt intgegen, untgen etc.) habe ich in einer kölner Urkunde von 1349 gefun- den (L. III. 474), von wo ab es dann herscht, doch findet sich auch später sporadisch untgen (L. III. 498), intganwordicheit (L. m. 670) etc.*)

Doch es ist hier nicht der ort, noch weitere einzelheiten

•) In diesem vorgange haben wir eine bemerkenswerte analogie zur entstehung des anlautenden t in den westfries. zahlen tachtich, iniogen- tich aus der silbe ant-, die im altsächs. vorliegt. Ich will nur noch hinzufügen, dass jene formen , die man gewöhnlich nur als friesisch an- führt, noch viel häufiger im östlichen Niederfranken, vornehmlich Gel- dem-Kleve sich finden. Und zwar nicht nur tnegdntich (L. III. 952. 966. 1018. 1068 etc.) und tachtentig (L. III. 864. 882. 913. 920. 945), sondern auch tseventich (L. III. 716. 739. 828. 834. IV. 370 etc.) und tsesHch^ tseistich (L. III. 635. 666. 674,75. 682 etc.) Nie aber habe ich 50 oder 40 mit diesem t gefunden. Für Kleve-Geldem sind diese formen regel; in Mittelfranken dagegen ist das t nicht vorhanden, nur ein mal ist mir in Köln tsestzich begegnet (L. UI. 627). Ebenso fehlt das t im west- lich-niederfränkischen, dem sog. mlttelndl. Sonach steht in einer Brüsseler Urkunde bei L. III. 652 sestich. Wenn wir daher in einer ebenfalls Brüsseler Urkunde (L. III. 696) tsestich lesen, so erklärt sich das daraus, dass ohne zweifei der graf von Kleve durch seinen Schreiber diese Urkunde hat aufsetzen lassen, da er sich darin vom herzog von Brabant einen zoll verschreiben lässt. In den nördlichen Niederlanden aber tritt das i wider regelmässig auf: codex dipl. neerlandicus 2. ser. 1 p. 83 (Haerlem) tsestich, p. 84 (Wondrichem) tseuentichj p. 92 (Isselstein) tachtigy p. 165 tachtentich etc. Dass übrigens die silbe ant- mit dem ags. hund- sich decke, glaube ich nicht, da in diesem zahlwort durchaus in allen german. sprachen und ja auch im altsächs. selbst das alte a in 0, u geschwächt ist. Ein hand neben hund wird ebensowenig nach- zuweisen sein, wie z. b. ein handum statt hundum.

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8 BRAUNE

anzuführen, da sonst im allgemeinen überall t die hochdeutsche Verschiebung erlitten hat. Dieses hochdeutsche z, resp. s (denn schon seit ende des 13. Jahrhunderts wird ^ regelmässig durch s, SS vertreten) scheidet den dialect scharf von dem nördlich und westlich sich anschliessenden niederfränkischen, das ganz niederdeutschen consonantenstand hat, so wie das auf- treten von dat, it u. s. w. richtschnur sein muss zur grenzbe- stimmung gegen das stidfränkische. Diese grenzen wollen wir jetzt nach den vorliegenden Urkunden näher festzustellen suchen.

Zuvor aber bedarf es noch einiger bemefkungen ttber die benutzung der Urkunden zu derartigen zwecken. Es wäre nämlich ganz verfehlt, wenn man aus dem ausstellungsorte der Urkunde ohne weiteres Schlüsse betreffs des dialects dieses orts ziehen wollte, ohne vorher auch die dabei beteiligten per- sonen ins äuge zu fassen. So ist z. b. die mehrfach erwähnte Urkunde des Mainzers (L. III. 343) zu Koblenz ausgestellt und doch im Mainzer dialect, da jedesfalls der erzbischof seinen Schreiber bei sich gehabt hat. Oder es stellt (L. III. 737) der graf von Cleve eine Urkunde aus, ein ausstellungsort steht nicht dabei, aber flir clevisch wird sie niemand halten, der die clevisehen Urkunden kennt. Die Urkunde ist eine quittung an den erzbischof von Köln und ist ohne zweifei von dessen Schreiber verfasst Die Urkunde L. III. 567 ist zu Mastricht, also auf rein niederfränkischem gebiet ausgestellt, sie betrifft einen vertrag zwischen dem grafen von Loon, also einem Nie- derfranken, und dem herzog von Jülich, Die Urkunde ist aber mittelfränkisch und es ergibt sich daraus, dass der herzog seinen Schreiber bei sich hätte. Die Urkunden L.'IIL 689. 827. 889. sind unter beteiligung des kölner erzbischofs in Arnsberg in Westfalen ausgestellt; sie sind kölnisch. Weitere beispiele für diess Verhältnis anzufahren ist unnötig, sie sind ganz un- gemein häufig und lassen es fast als regel erscheinen, dass Urkunden, in denen bischöfe, herzöge und flirsten mit städten oder einzelpersonen pactieren, in dem dialect der ersteren ver- fasst sind; weiter aber lässt sich der allgemeine satz aufstellen, dass, bei vertragen zwischen flirsten unter einander, meist der das doeument verfassen lässt, zu dessen vorteil der betreffende vertrag gereicht. So macht der könig Johann v. Böhmen ftfcr

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ZÜE KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 9

die wähl seines sohnes Karl IV. dem Kölner grosse Verspre- chungen und diese Urkunden (L. III. 432. 33) sind sonach im kölnischen dialect geschrieben. Ein anderes beispiel besprachen wir oben schon, wo die Brüsseler Urkunde in klevischer spräche ausgestellt war.

Unter diesen umständen haben wir eine fülle von Urkun- den, aus welchen wir über den dialect von Trier, Jülich, Berg, Köln, Geldern, Cleve unterrichtet werden, aber für die andern orte müssen wir uns mit viel weniger zahlreichem material begnügen, da wir sicher für ihren dialect nur städtische docu- mente und solche, bei denen nur kleinere herren beteiligt sind in anspruch nehmen können.

Der südlichste hauptpunkt des mittelfränkischen dialects ist Trier. Die alten Urkunden des Trierer erzbischofs bieten durch- gängig dat H. p. 3, p. 129, p. 164, p. 167 f., (p. 168 steht einmal das), p. 173, G. III. 112. 114. 117. 126. 131 (einmal das) 156, in Übereinstimmung mit dem Trierer capitulare (das aber auch einmal thaz hat) und der heutigen volksmundart. Die nähe der grenze wird durch das sporadisch auftretende das bekundet. Ueber eine in den Trierer Urkunden später eingetretene Wandlung wird weiter unten zu reden sein.

Ebenso wie in Trier herscht dat in den flussabwärts auf beiden selten der Mosel gelegenen orten, ich fllhre an auf dem linken Moselufer: Witlich (G. III. 352), ßeil (H. p. 154), Alf (H. p. 251), Clotten bei Cochem (Weisth. IL 441—45), Elz, (burgfrieden des Schlosses Elz G. IV. 143), Münster- mayfeld (H. p. 186, p. 216), Trimbs (Weisth. 2, 476), Lön- nig-Kerben (G. III. 612), Ochtendung (G. III. 150 oder H. p. .213), Cobern (G. III. 301. 662); auf dem rechten Mo- selufer: Zell (G. m. 254), Beilstein (G. IV. 162, auch einige das), Treis (H. p. 235, G. IH. 315), Ehrenberg (G. III. 431. 496), H. p. 243 47 bündnis einer grossen zahl meist auf dem rechten ufer der Mosel ansässiger herren; Alken, gegenüber Boppard (G. III. 219), Koblenz (H. p. 151, p. 199. L. III. 622. G. III. 148).

Wir sehen also, dass der lauf der Mosel von Trier bis zu ihrer mündung zu Mittelfranken gehört, aber auch noch weiter rheinaufwärts über die Moselmündung hinaus erstreckt sich die mittelfränkische mundart auf der linken seite des Rheins,

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10 BRAUNE

SO herscht dat in Boppard (G. III. 346, H. p. 214). Der südlichste punkt, an welchem auf dem linken Rheinufer dat vorhanden ist, ist Oberwesel. H. p. 65 67 haben wir eine städtische Urkunde von Wesel aus dem jähre 1301. Darin steht ein dit, ein alllt, 4 it, aber neben 23 dat auch 3 daz, z. b. dat er daz ahe lege. Doch auch in Bacharach (schöf- fenweistum des 14. Jahrhunderts Weisth. IL 219 22) findet sich ein paarmal rvat und dat neben dem weit vorwiegen- den daz.

Alles was nördlich von dieser Mosellinie liegt, hat nun durchweg dat. Ich fiihre beispielsweise einige orte an: An- dernach (L. III. 632. G. III. 6), Mayen (H. p. 256), Kem- penich bei Laach (G. III. 272. 513. 619), Saffenberg an der Ahr (G. III. 405. 473. 480. 650), Virnenburg (G. IV. 119. 135. 226. 249), Prüm (L. 680. G. IV. 286. Weisthümer IL 515—21), Sinzig (H. p. 202. 203), Brol oberhalb Sinzig (G. IV. 272), Remagen (G. IIL 503), Ahrweiler (Weieth. IL 643—47).

Von Wesel an geht die grenze nordwärts, wir werden sie wol am richtigsten nach der stadt Nassau hin ziehen. Katzen- ellenbogen (cf. oben) ist schon slidfränkisch , doch in einer Urkunde des grafen Diether (L. III. 970) kommt auch ein dat neben dem sonst regelmässigen daz vor. Nassau wird so ziemlich einen grenzpunkt bilden, denn in den dahin gehörigen Urkunden wird neben daz auch nicht selten dat gebraucht So L. IIL 637 (4 daz, 3 dat\ 756 (12 daz, 1 iz, 2 it), 911 (brief des grafen von Nassau: 1 daz und 1 dai). Nur daz steht in der Nassauer Urkunde L. III. 379. Ziemlich denselben dialect, wie diese Nassauer Urkunden bietet der Amsteiner Marienieich (denkm. XXXVIII), der aus dem weiter nach osten a. d. Lahn gelegenen kloster Amstein stammt. Nur hat er schon durch- gehend neutrales z, mit ausnähme eines einzigen dad (v. 151), das in den denkmälern nicht hätte entfernt werden sollen.

Nördlich von Nassau gehören dann zum mittelfränkischen die herschaften Sayn und Isenburg. Durchaus dat steht in den Urkunden der gräfin Mechthild von Sayn aus dem 13. Jahr- hundert L. IL 744. 786. H. p. 29. G. IL 247, ebenso L. IIL 308 (diese Urkunde, einen vertrag zwischen Gottfried von Sayn und dem markgrafen von Jülich enthaltend, ist dem dialect

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 11

des ersteren zuzuweisen, da uf statt des jülichsehen up ge- braucht ist), femer in den Isenburger urk. : L III. 316. 335. 339. 622. 628. 6. HI. 179. 203. 468. 571. Schwankend ist H. p. 261. L.m.906 (Sayn) und H.p.l76 (Isenburg). Hierzukommt noch Westerburg im nördl Nassau G. UI. 171.

In den westlich von diesen orten gelegenen gegenden ist neutrales t die regel, z. b. Wied (H. p. 196), ßennenberg bei Wied (G. IT. 241. H. p. 97). Helfenstein bei Arzheim gegen- über Coblenz auf dem rechten ßheinufer (H. p. 106. G. III. 259), ßomersdorf bei Engers (G. IL 336. IH. 369. IV. 231). Engers (G. IV. 194), Hammerstein oberhalb Linz auf dem rechten Bheinufer (H. p. 59. 224. 326. G. IIL 4. 375. 484. 538. 578. G. IV. IL 12), Battenberg (G. HI. 614), Linz (H. p. 11. 18. G. IIL 502). Weiter nördlich ist Blankenberg an der Sieg als mittelfränkisch belegt durch ein weistum (Weisth. III. 17 ffg.) Das herzogtum Berg auf der rechten ßheinseite war seinem grundstocke nach mittelfränkisch, weshalb auch die Bergischen Urkunden in diesem dialect verfasst sind, z. b. L. in. 407. 486. 513. 582. 629. 708 etc. Es würde nun unge- fähr die linie zu bestimmen sein, in welcher das rechtsrhei- nische mittelfränkisch in das östlich darangrenzende hessische, welches bloss öit, sonst aber daz, ez hat, übergeht. Dazu feh- len mir jedoch zur zeit sichere locale Urkunden, da für Kur- hessen und Nassau noch kein codex diplomaticus existiert Wir werden aber weiter unten diesem mangel durch vergleichung der neuem mundarten einigermassen abhelfen können.

Es ist nunmehr die grenze des mittelfränkischen gegen die rein niederdeutschen sprachen, das niederfränkische und sächsische, zu bestimmen. Doch zuvor einige worte über die grenze zwischen diesen letztem selbst Diese in ihrem ganzen verlaufe zu verfolgen, bin ich jetzt nicht im stände, ich will bloss einige endpunkte des sächsischen besprechen, nämlich Essen, Werden und Elberfeld. Betreffs des zweiten befinde ich mich im Widerspruch mit Heyne, welcher es (cf kleine altnd. denkmäler, vorr. und zeitsch. f d. philoL L p. 288) dem niederfränkischen zuteilt Sein grand ist vornehmlich der frän- kische vocalismus {uo = germ. 6, ie aus i in thie, hie) in den Werdener denkmälem, -denen er den Cottonianus und das bmchstück eines psalmencommentars (kl. denkm. III) wol mit

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12 BRAUNE

recht zuweist. Aber es fragt sich, ob wir diess als entscheidendes kriterium des altniederfränkischen anerkennen wollen; und darin glaube ich eben widersprechen zu müssen. Bekanntlich ist ja die Spaltung des dm uo erst im 8. Jahrhundert vor sich gegangen, und hat ausser dem hochdeutschen auch das mittelfränkische und, wenn es auch für das ganze nicht ohne weiteres behauptet werden kann, so doch sicher einen teil des niederfränkischen mit ergriffen. Dass nun diese äflfection auch das den betreffenden fränkischen gegenden angrenzende Werdener land mit betroffen hat, wird nicht auffällig erscheinen. Aber fränkisch darf man allein wegen dieses so spät eingetretenen lautwandels Werden noch nicht nennen. Denn wir sehen ja, dass Werden in einem andern hauptpunkte des fränkischen vocalismus wieder abweicht. In den altniederfränkischen psalmen ist durchgängig der alte diphthong ei bewahrt, wie er ja auch im mittelfränkischen des 13. Jahrhunderts noch besteht, und im niederfränkischen des 13. Jahrhunderts (mittelniederländischen) ganz gewöhnlich neben der da allerdings häufigeren Verengung zu e auftritt. Der Cottonianus aber sowol als der psalmencommentar haben dafür e. Ein hauptmerkmal des fränkischen aber ist folgendes. Sowol im altsächsischen, als im angelsächsischen und friesi- schen sind in der conjugation die plurale. in den drei personen gleichgemacht, indem das übergewicht der am häufigsten vor- kommenden dritten person die beiden andern unterdrückte. Im praesens ind. könnte man sich den Vorgang auch so den- ken, dass, indem in der endung der 3. person -anth das n laut- gesetzlich vor th geschwunden war, dieselbe der 2. person auf -ath gleich wurde und diese gemeinschaftlich dann die 1. per- son verdrängten. Dann würde der Vorgang in den temporibus mit secundären endungen ein anderer sein, indem die gleichen endungen der 1. und 3. person die der 2. verdrängten. Jeden- falls aber müssen wir diesen Vorgang, als den räumlich ge- trennten Angelsachsen mit dem contineüt gemeinsam, flir ziem- lich alt halten. Hieran nun hatte das fränkische keinen an- teil. In den niederfränkischen psalmen sind im praesens sogar alle drei personen noch geschieden, indem die 3. person auf -ant, 'int, -^nt endet. Im darauf folgenden mndl. ist allerdings durch abfall des t die 3. person mit der ersten zusammenge- fallen, aber die 2. person fahrt bis ins neundl. hinein ihr

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 13

selbständiges leben. Genau dasselbe Verhältnis findet statt in den zum mndL gehörigen Urkunden von Cleve, Geldern, Mors, nur kommt in den älteren dorthin gehörigen stücken noch zuweilen die im verschwinden begriflene volle form der 3. p. pl. vor, also z. b. sient, horent etc. (L. III. 173. 184) Eine 1. und 3. pers. pl. auf -et findet sich aber links des Rheines nicht.*) Wenn nun in dem Werdener psalmencommentar (z. 75. 76) die 3. pers. pL ?iebbed steht, und wenn der Wer- dener Schreiber des Cottonianus das -ad seiner vorläge stehen liess, so verbindet die teilname an dieser alten sächsischen eigentttmlichkeit den Werdener dialect viel enger mit Sachsen, als ihn die verhältnissmässig junge Spaltung .des ö in uo mit Franken verbindet. Ebenso beginnt das Essener bruch- stück (kl. d. V) mit wi lesed und die Essener Urkunde L. III. 771 aus dem jähre 1375 mit wy doyt kundich. Elberfel- der Urkunden bieten ebenfalls diese formen cf. L. III. 669 wy hebt und rvy doit Am weitesten westlich habe ich die form in Duisburg gefunden (Duisb. weistum bei Lacomblet, archiv fUr d. gesch. des Niederrheins IIL p. 260): se hebt unn gevet. **)

*) In einer einzigen Urkunde^ die die namen der grafen von Cleve und Geldern an der spitze trägt, habe ich die form wy hebt gefunden (L. III. 229). Mag man nun annehmen, dass diese Urkunde, in welcher sich verschiedene gutsbesitzer auf der rechten seite des Rheins in der Lymersch Zusicherungen machen lassen, von diesen verfasst und dem grafen zur Unterschrift vorgelegt worden sei, oder mag man diese ver- muthung ablehnen, jedenfalls wird dieses eine beispiel keine plurale auf et für das fränkische beweisen; es könnte ja auch aus dem benachbarten friesischen eine solche form zu erklären sein. Zur leichteren controlle dessen, was ich hier und im folgenden über die geldem-clevesche spräche bemerke, füge ich ein verzeichniss der ältesten bei Lacomblet befind- lichen hierher gehörigen Urkunden bei:

Cleve IL 1011. 1049. IIL 15. 34. 66. 117. 173. 184. 207. 229. 242. 254. 272. 297. 298. 302. 314. 317. 322—25. 341. 345. 366. 368. 387. 401. 415. 442. 444. 457. 458. 482. 495. 497. 511. 521. 555. 560. 590. 606. 616. 619. 620. 625. 638. 640. (646 ist ein wunderliches weder klevesches noch kölnisches mischproduct) 650. 662. 664. 666. 674. 675 etc.

Geldern III. 217. 223. 229. 232. 250. 256. 257. 270. 271. 338. 346. 434. 477. 512. 520. 531. 541. 543. 544. 552. 604. 635. 655. 658. 665 etc.

Mors m. 429. 721. 975.

*•) Es ist ja bekannt, dass im 14. jahrh. auch die 1. pers. pl. praes. auf -en statt -et im sächs. vorkommt (cf. Nerger, mekl. gr. § 86, 3), wahrscheinlich

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14 BRAUNE

Ferner hat das niederfränkische zur zeit, wo wir es aus reichlichen quellen kennen, im dativ sing. masc. neutr. des starken adjectivs die endung -m, nicht -eme, wie das mittel- fränkische noch im 14. Jahrhundert regelmässig bietet Dass diess nicht bloss im sog. mndl., sondern auch an der ostgrenze des niederfränkischen statt hat, sehen wir aus den Urkunden von Cleve, Geldern, Mors, z. b. Cleve bei L. IL 1011: smen tvittelikm rvive (v. 1298), ein -eme, -em kennt das niederfrän- kische zu der zeit nicht Diese eigenheit wird aber widerum als alt erwiesen durch die psalmen, wo dieser starke dativ auf 'in, 'on, endigt, z. b. skalke thimn (ps. 18, 13), farvurpanon 61,4 etc.; ein dativ -emo kommt in diesem sonst die vollen endungen bietenden denkmale nicht vor. Der Werdener psal- mencommentar hat aber thinemo (z. 63), eine Werdener Urkunde von 1320 (Weisth. HL p. 32) zweimal eynem, die Essener Urkunde L. III. 1058 unseme, die oben erwähnte Elberfelder eyme, unsem, disem (vgl auch die Elberfelder Urkunde L. IIL 686), wie überhaupt gleich dem mittelfränkischen das sächsische die volle dativendung -eme noch lange ßewahrt. Doch kommt im sächsischen die form auf -en neben der älteren nicht selten vor (cf. Nerger, meklenburg. gramm, § 138). Der Cottonianus allerdings setzt gewöhnlich f&r die sächsische dativendung -mnu, -um die niederfränkische -ön.

Eine weitere eigentlimlichkeit des niederfränkischen, welche es mit dem mittelfränkischen gemein hat, ist dass in der schwa- chen adjectivdeclinatlon der genet u. dat sing, femin., sowie der genet plur. aller drei geschlechter ausser gebrauch gekom- men ist und daftlr stets die starke form gebraucht wird. Grimms paradigma (gr. I, p. 761) des mndL schwachen adj.

durch eindringen der analogie der secundären fonnen. Dieses -en findet sich in wesfäL Urkunden ebenfalls, z. b. eine märkische Urkunde von 1362 (L. UL 631) beginnt: Wy maken kundich allen luden und tuget opehbar. In den an das fränkische stossenden sächsischen districten herscht das -en vor und nur seltner findet sich das -et, wozu allerdings fränkischer einfluss mitgewirkt haben mag. Es ist daher nicht zu ver- wundem, wenn man eine Werdener Urkunde ohne -et findet, wie auch z. b. die lange Essener Urkunde L. III. 1058 neben 14 -en nur 2 -et hat Es genügt eben die fOr die älteste zeit hinlänglich bezeugte endung 'indf um den Werdener dialect dem fränkischen abzusprechen.

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 15

gibt was schon von anderer seite bemerkt worden ist *) für diese casus die schwache form blinden, welche aber im mndL durchaus nicht zu belegen ist. Dasselbe gilt vom mittelfränkischen. Z. b. eine Urkunde von 1267 (L. IL 572) ausgestellt ze Breitpach U der Nutvirburch (unweit Bonn) bietet: van dersehcer vorgenamder edilre vrouwen u. ä.; gen. plur. aller dieser vurgescrievener dinge (L. IL 537); die beispiele sind natürlich auf jeder seite mittelfränkischen textes zu finden: wir der heiliger kirchen zu Colne ertzlmsschof ist der gewöhn- liche anfang der kölner erzbischofsurkunden. Doch ganz un- belegt ist die schwache form im mittelfränkischen nicht, die fälle sind aber äusserst selten. Für den dat. fem. habe ich nur L. IIL 576: mit eynre gantzen ind getrurver helpen, für den gen. plur. L. IIL 586: der gewapenden lüde. Für Geldem- Cleve gilt, wie man sich leicht aus jeder Urkunde überzeugen kann, dasselbe wie für das übrige niederfränkische. Wie alt dieser gebrauch sei, lässt sich nicht sagen, da auf die altnieder- fränkischen psalmen als interlinearversion hierin kein verlass ist, indem schwache formen des adj. daselbst fast gar nicht vorkommen. An dieser fränkischen eigentümlichkeit hat nun aber Sachsen keinen teil, wie die westfälischen Urkunden zur genüge beweisen, z. b. L. III. 699: to einer meren bekantnisse; L. in. 353: unser echten vrawen; L. III. 456: siner swomen sathlude. So auch in Essen (L. III. 1058): mit der edeln unser ghenedigen vrouwen, unser ghemeynen medeburghere, op der graten waghen. Wenn nun in dieser selben Urkunde noch ausserdem 9 ina niederfränkischen ungebräuchliche schwache formen vor- kommen, so kann der umstand, dass auch zweimal in fränki- scher weise die starke form gebraucht ist (derselver und to der ghemeyner stad), weiter nichts beweisen, als die nähe des frän- kischen Sprachgebietes.

So steht denn auch in der erwähnten Werdener Urkunde von 1320 (Weisth. III. 32): up der heiigen onschuldigen kynder dach MnA am ende nochmals der hilligen kinder; was widerum erheblich für die Zugehörigkeit zu Sachsen sprechen dürfte. Die oben angeführte Urkunde von Elberfeld (L. III. 669), wel-

•) Verwijs, bloemlezing uit middeln. dichters IV. 206.

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16 BRAUNE

ches dem mittelfränkischen gebiete hart angrenzt, behandelt von 5 fällen 4 naoh fränkischer regel

Ich glaube durch diese erörterungen dargelegt zu haben, dass niederfränkisch und sächsisch auf dem rechten Rheinufer an einander stossen, und wenn es gefordert wird, die grenze etwas näher zu bestimmen, so scheint es mir. geratener die drei städte Essen, Werden, Elberfeld, welche so ziemlich in einer linie liegen, zum sächsischen zu rechnen, als zum nie- derfränkischen, an dessen eigenttimlichkeiten sie nur in sehr geringem masse teilnehmen. Sonach kann ich auch nicht mit Heyne den Cottonianus flir eine „Übersetzung" ins niederfrän- kische halten, die in Werden vorgenonmien sei, um das ge- dieht auch flir die niederfr. Umgebung nutzbar zu machen. Das sächsisch des Monacensis wäre in Werden, ja bei den geringen abweichungen wol sogar in Niederfranken, unzweifel- haft ebenso verständlich gewesen, als in Münster.

Doch wir kehren nun zurück zur bestimmung der grenze des mittelfränkischen gegen die rein niederdeutschen dialecte. Hier muss ich zuvor bemerken, dass die sich aus den Urkun- den ergebende grenze ziemlich stimmt zu der (nach den neueren dialecten gezogenen), welche auf Bemhardis und Kieperts*) sprachkarten angegeben ist Ich lasse nun die urkundlichen belege folgen. Der am weitesten östlich nach der sächsischen grenze hin gelegene mittelfränkische ort ist Höh scheid. Die Urkunde L. IIL 507, einen vertrag zwischen Johann v. Elber- feld und Johann v. Höhscheid enthaltend, kann als durchaus mfr. nicht nach Elberfeld gehören, und muss deshalb in des letzteren dialect geschrieben sein, dessen grenzender läge es entspricht, dass zwei niederd. formen: heyrschap und vurspro- kinre darin vorkommen. Ebenso gehören noch zu Mittel- franken die Ortschaften Hilden und Haan, wie aus einer dortigen' schöflfenurkunde hervorgeht (L. III. 903). Sächsisch ist aber die Stadt Lennep, die, wenn sie mittelfränkisch wäre, Lennef heissen müste, wie Honnef und Hennef bei Bonn. Dass

•) Hierunter ist aber bloss die 1. ausgäbe von Kieperts sprachkarte (Weimar, 1848) zu verstehen, denn auf den neuen ausgaben (Berlin, bei Reimer) ist trotz des älteren richtigeren die Verkehrtheit began- gen worden, die niederdeutsche grenze in grade fortlaufender linie ober- balb Bonn zu ziehen, so dass also Köln niederdeutsch wäre!

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ZUR KENNTNIS DES FBÄNKISCHEN. 17

Elberfeld nicht mehr zu Mittelfranken gehört, haben wir oben scht»n gesehen. Der nördlichste punkt des mittelfränkischen ist, wie schon erwähnt, Düsseldorf. Von dort habe ich nur zwei wirklich rein locale Urkunden gefunden (L. IIL 1029 u. 1049). Das characteristicum des Düsseldorfer dialects ist, dass er mittelfränkisch seiner grundlage nach, doch auch oft unver- schobene niederfränkische formen einmischt und so seine läge hart an der grenze klar vor äugen stellt

In der ersten dieser Urkunden, welche, obwol der herzog von Berg beteiligt ist, doch von einem Düsseldorfer Schreiber geschrieben sein wird, findet sich neben sloss^ laessen, zu etc. auch hertougen und uytgescheidm. Die zweite ist ein vertrag zweier Düsseldorfer bürger untereinander und hat zahlreiche unverschobene t nämlich; tem, to, ter, schetende (2 mal) strate, twyntich, betalungen, getuich, aber auch zo (4 mal) Putze, zyt, scheffen (2 mal), sich, die adjectiva auf -liehe, femer die mfr. form wyr (gegenüber ndfr. tvy). Wir sehen, dass in Düsseldorf ein schwanken zwischen mittelfränkischer und niederfränkischer ausspräche der laute bestand, welches gewis auch bei den ein- zelnen individuen verschieden war. Aehnlich stand es auch in dem etwas südlicher auf der andern seite des Rheines gelege- nen Neuss. Von hier haben wir eine authentische locale Ur- kunde .(klageschrift der Stadt Neuss L. IIL 738), in welcher uytgericht und moeten für moessen sich findet. Ausserdem haben wir für Neuss noch eine sichere quelle, nämlich die chronik dßs dortigen Stadtschreibers Wierstraat (ed. Groote 1855), welche sprachlich höchst interessant, aber bis jetzt viel zu wenig beachtet ist. Die durchgehend weit überwiegende regel ist hier die mittelfränkische lautbezeichnung, doch kann man wol auf jeder seite eine oder mehrere ab weichungen davon notieren, z. b. p. 39 verteilen, viyt, fallre. Es könnte nun jemand vermuten, dass ursprünglich das gedieht ganz in nie- derdeutscher lautbezeichnung niedergeschrieben und nur durch den Kölner drucker von 1497 in kölnischen lautstand umgesetzt sei, wobei dann diese formen zurückgeblieben seien. Das wird aber anzunehmen verboten durch den reim, in welchem genau dasselbe schwanken statt hat. Es reimt z. b. auf bussen (büchsen) sehr oft schussen (= ndfr. sehnten) z. b. 491, 1097, 1543 etc., aber auch scfhoittnoit 475 üs:laudamus 2835 und

Beiträge zur geschichte der de«tschen spräche. I. 2

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üt:Mti 1027 vns:fvis (sapiens) 516 und vRt:zit 2997 ocUwasihas 2829, was :gehas 1401 und stat:hat (hass): dat754:. Ja noch ein anderer höchst merkwürdiger umstand spricht deuüich sowol für die identität der spräche des gedichts mit dw gesprochenen Neusser spräche, als auch für die Sorgfalt des dnickers und endlich nicht zum wenigsten für die bildung und objeetivität Wierstraats selbst. Es kommen nämlich in dem gedichte zwei stellen vor, wo einer aus dem burgundischen belagerungsheere in die stadt hinein ruft und von dort aus Antwort erhält Der belagerer spricht niederfränkisch, die Neusser antworten in ihrem Neussischen mittelfränkisch. Ich lasse diese interessanten stellen, mit Unterscheidung des nieder- fränkischen durch cursivschrift, hier folgen: V. 379 Entlieh sy dayr begrouen

eyn vaste wagenborch

ind wes sy soulden hoeuen

verfueghden sy, dat dorch

dye groysse swaere schiffen

bracht wart seer zytelich, 385 sy sprengen ind sy pyflfen

ind ryeffen spytelich:

„Syet nader ghy moyt blyuen

nu moeghdy nyrgmt vyt!

rvy wyllen naerre drifuen 390 ind cloppen v dye huyt!

naber, gy moyt oick hangen

V fv\iff hehdlden wy gheen nemen tvy gefangen ghy syt eyn vuyll parthijl

395 In dye steed wyllen wy wesen,

dat moegMif keren nyet,

up den dyrden dach van desen

sydy int groyt verdryet!

wyldy dye steed nyet gheuen 4ld0 segt naber, vuyll kat^ff

kosten sah v dat leuen

V guedt ind oick v lifff-" „Myt dreuwen ind worden enwynstu vnser nietl

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ZUR KENNTNIS DES FRANKISCHEN.

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405 wyr willen dich begorden

as man die vyand plyet!"

BUS rieflfen vyssz die Nuysser,

„wyr syn noch vnerveert!

nu syet doch her yr tuysscher 410 wie noch dyessz goit stat beri"

Man beachte das niederfr. wy, gy, incliniert -y, während die Neusser als Mittelfranken wyr, yr (v. 409) brauchen, femer segi (400), während der Neusser sagen setzt (z. b. v. 636, cf. zeitschr. f. d. philol. IV. p. 260 ff.). Die zweite stelle v. 1615 ff:

1615 Ast zom auent ther seiner stunt sich aldoe zo neecken begunt gynck eyn yeder nae gesettze zor hueden ind vp syn lettze. Do riefl* dair eyn gudt engelsch man: 1620 „Watouw segt naber! hoyrt my an, ick hyd tvyli my doch bedyeden dat geruckt vnder v lyeden. Vns heefft all, got weet, besonder van dem geruckt seer groyi woTider!" 1625 Tzor stunt wart yeni dair vyssz der »tat gudertijrlich geantwordt dat: „Die jonckheren van her bynnen haut gestechen vmb zo wynnen lotf ind prijssz vur unsem heren. 1630 den bürgeren ind zeuldeneren. Sy moyssen sieb wat ergetzen j^ rbeyts swayr vp den lettzen

•hen dem fürst freuwden schyn^ ich alltziit niet droeuieh syn!''

wat ick heb gehoirt* [aldoe der engelnch man rort, dayr nock bist zo steicken, da belegh nief. hreicken oell freuwde to maycken, nhfie saycken! \ niet meer groeten keer,

P.

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20 BRAUNE

benedi/st wat soll ick seggen, gady dair noch steckspoell leggen!'' 1645 Mit hoeflfscheit wart geantwort dar *•

vys der stat in dat oflfenbair: „Naeber, oflft noch zwey jair suld duren, nochtant moyst men sorgh ind truren dair mit freuwden vnderstechen 1650 ind also den sweermoyt brechen! Mit truren ind euch myt sorgen enthielten wyr niet bys morgen dyessz gude stat ind schonen playn dat eyn moys by dem andren stayn!" „Addeuw naeber, ghy duet yem recht' sprach der getruwer engelsch knecht, dair mit was dair die spraech gelacht. V. 1620 der acc my, mittelfränkisch michj dich (oben v. 405). Die Neusser sagen stechen^ machen, der belagerer steicken, maycken, ick etc. Ich finde überhaupt in Wierstraats nieder- fränkisch nur eine uncorrectheit, nämlich v. 1624, wo er ftir das ndfr. den sein mfr. dem gesetzt hat.*)

Ueber die spräche von Neuss kann sonach kein zweifei mehr sein. Westlich von da liegt der ort Büttgen, von welchem wir eine interessante schöflfenurkunde haben (L. III, 687). Auch diese gehört zu der übergangsmundart, welche immer am genauesten die grenze bezeichnet. Es herscht da- selbst t vor, dagegen sind p und k gegenüber dem mittelfrän- kischen f und ch in der minderheit z. b. unilepe, roypen, in ustorupen ist ein cons. auf mittelfr., zwei auf niederfr. stände. Meist heisst es trva, twene, aber zwelff. Mittelfr. ist femer noch wir sain statt niederfr. tvy seggen. Schon ziemlich rein ndfr. dem consonantenstande nach ist eine schöffenurkunde aus dem etwas nördlicher gelegenen Willich (L. III. 991). Hier steht stets t, mit einer ausnähme {gebessert)^ rvy und rvir kommt ne- beneinander vor, auch gilt hier schon das ndfr. seggeru Eine

*) Ansser dem dat. des pron. der 3. p. kerne, kern, oem gibt es im niederfrSnkischen keine pronominale dativendung auf m mehr. Nor in den ostniederfräukischen gegenden findet sich in den älteren Urkunden (Kleve-Geldem) ausser jenem heme, oeme auch noch vereinzelt deme, dem neben den. Doch verschwindet es auch hier bald gänzlich.

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ZUR KENNTNIS DES FRANKISCHEN. 21

ältere lateinische Urkunde aus fPilike (L. IL 631.) zeigt die Worte Lutelbule, aber ce dinge in ce , ringe (vgl das spätere weistum aus Wilich Weisth. IL 761). Ein weistum aus Gey- seren bei Kempen (Weisth. IL 764) hat ganz unverschobenen consonantenstand, mit ausnähme einiger ch: kirchen, tvelUch neben gelyck. Fälle des ch kommen sogar noch in Morser Urkunden Yor, besonders im auslaut, z, b. ganz gewöhnlich ich und adject auf 'lieh. (L. IIL 721.)

Bei Gladbach liegt der ort Holt, bei Erkelenz Holtum{^i. Holzheim), auf mittelfränkischer seite liegt aber Holzweikr, welches schon L. IL 806 in einer lateinischen Urkunde des grafen von Kessel a.Maas Holzwilre heissi Niederfränkisch, oder wahrscheinlicher der Übergangsmundart angehörig ist die herschaft Heinsberg. Hierf&r habe ich nur aus lateinischen Urkunden L. IL 90. Schaphusen und Holtheym (das eben erwähnte Holtum); IL HO ligna que dicuntur doufholt kukentmsch IL 694. 887. 984. —Auch Randenrath (L. IIL 603.) gehört zum Übergänge. Der lautstand ist niederfränkisch, doch heisst es wir, kirgen und zweimal z (uszgescheyden u. seiszich). Ungefähr derselben gegend wird L. lü. 190. angehören {dar zu, grosin neben sonstigem t). Noch reiner niederfränkisch ist eine Ur- kunde von Valkenburg (L. HI. 440.)

Ganz mittelfränkisch ist Aachen, allerdings sehr nahe an der grenze gelegen, weshalb hier und da schon niederfrän- kische formen sich einmischen. So L. IH. 690 uitgenommen, IIL 858 uytgeset, rvrake. Alles was östlich von Aachen liegt, ist natürlich rein mittelfränkisch z. b. Cornelimünster (Weisth IL 781— 89), Düren (Weisth IL 791). Aber gleich wenig west- lich von Aachen beginnt das niederfränkische. Wir haben ein weistum von Einrode (Weisth IV. 804 flf.), welches eine schon ziemlich niederfränkische Übergangsmundart repräsentiert. Ganz niederfränkisch ist Limburg (L. IH. 284), doch findet sich da- selbst auch noch das bei Veldeke (cf. Zeitschrift f. d. philol. IV. 282) ebenfalls gebräuchliche als ch auslautende k (Buedkenbach, doch auch ghelyc). Noch genauer ist diese regel befolgt in einer sonst ebenfalls rein niederfränkischen Urkunde von Sittart (cod. dipl. neerlandicus 11, 3, 1. p. 294), wo stets ich, oich, -lieh steht, aber inlautend -liken etc. JBei Eupen stösst dann das

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»ittelfrÄnkisclie auf französisches Sprachgebiet, das von da ab «ehae westgrenze bildet

Innerhalb dieser nun gezogenen grenze haben wir also eine, unbeschadet weiterer dialectischer Unterabteilungen, doch ein- heitliche mundart, welche eben dadurch zusammengehalten wird, dass sie bei sonstiger hochdeutscher Verschiebung der tenues das neutrale t unberührt bestehen lasst. Indem man gewöhn- lich diess bisher verkannte und besonders unter nichtbeachtung 4eT.deuflichen Sprachgrenze, durch welche die preussische Rhein- provin» geschieden wird, die mundarten dieser provinz unter demnamen „niederrheinisch^^ zusammenfasste, sind oft; die grösten Biisverständnisse entstanden. Ich will hier nur ein beispiel aus der neuesten zeit anfahren. In der Germania XVII. p. 77 teilt Birlinger aus einem kölnischen druck einige stellen mit. Er bemerkt, dass Kaufmann Germ XI. 411 mitteilungen aus einer k«. derselben erzählung gemacht habe und äussert sich dann über die spräche seines druckes folgendermassen: „Die spräche igt mundartlich niederrheinisch, doch bei weitem nicht so mundartlich gefärbt als Kaufmanns hs." Das heisst also: beide recensionen können demselben orte angehören, nur hat der Verfasser der Birlingerschen recension besser hochdeutsch verstanden und ist daher nicht so sehr in den groben dialect jerfallen als der Schreiber der hs. Ganz frei von den einwir- kungen der volksmundart war aber auch er nicht, darum ist seine spräche immer noch mundartlich gefärbt Sieht man aber näher zu, so ergibt sich ohne weiteres, dass Kaufmanns hs. jenseits der Sprachgrenze entstanden ist (der darin beschriebene Vorfall spielt auch im Kleveschen), und reines niederfränkisch bietet, während natürlich die kölner recension Birlingers mittel- fränkisch ist Es dürfte also nicht ferner rätlich sein, zwei ver- schiedene mundarten durch denselben namen zu vermengen.

Wir wollen nun noch die übrigen consonantischen eigen- tümlichkeiten des mittelfränkischen dialects kurz besprechen. Wir hatten gesehen, dass schon in dem einen teile des ober- fränkischen, der von uns südfränkisch genannt worden war, <lie alte media d unverschoben vorlag, wenn auch öfter durch die tenuis verdrängt. Im ganzen gebiete des' mittelfränkischen ist sie durchaus unverschoben.

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISEHEN. 99

Betreffs der labialtenuis hatten wir gefunden, dasft imsttiA*' fränkischen dieselbe im anlaut, so wie pei rerschärfung^n w inlaut unverschoben war (inlautend nach m t. b. gelimperp kann ich augenblicklich nicht belegen^ doch darf man dieses den neu^ em mundarten entsprechend ohne weiteres hinzufügen). Alte» dieses hat natürlich im mittelfränkischen auch statt; nur komm^ noch hinzu, dass p auch nach / und r unverschoben verharrt, also helpen, dorp, werpen. Einige belege ans kölnischen urkun- den: pendin L. IL 530, ploege L. IIL 378, pc^in L, 11. 572, uzTverpin L. 11. 376, helpen L. 11. 434, kampe L. III. 348, hestuppeß L. ni. 422. ete. Hierzu kommt noch das wort n?apen z. b. L. IL 532 und up, op z. b. L. IL 434, auch in älteren Urkunden noch uppe L. IL 376. 537. Doch erstrecken sich die speciell mittelfränkischen fälle des p (nach l, r und up) nicht über das ganze gebiet dieses dialects, sondern nur über die grössere nördliche hälfte, der schmalere südlichere strich hat helfen, dorf^ ufxmA stimmt also hierin zum südfränkischen. So heisst es in Trier gelimpUch (G. IIL 365), femer H. p. 3 pdlzgrcvOy pleier, aber helfer, H. p. 168 punt, penningy behelfen, uf; Münstermay- feld H. p. 187 dorf, dorfrecht, ebenso Trys, Coblenz, Andernach Das mittelfränkische p ist aber vorhanden in Linz , Bonn, Mayen, Prüm etc. und ist in Köln durchaus das herscheiide. Ausnahmsweise findet sich aber auch da, und zwar schon in Urkundendes 12. Jahrhunderts deransatz zu einer Verschiebung. Neben dem ganz gewöhnlichen -dorp^ -torp treffen wir näm- lich zuweilen die Schreibung -dorph, -torph L. L 281. 314. 381. Und auch in spätem deutschen Urkunden tritt dieser fall ein. z.b. L. IL 744 steht dorp und dorph, ebenso in der Breit- pacher Urkunde L. IL 572 helphen neben helpen, ja in dw kölner Urkunde L. IIL 187 neben helpm auch einmal helfen^ doch sind, wie gesagt, in den Urkunden des 13. und 14. jakt' hunderts in Köln die fälle selten. Im ganzen kann man beo^ backten, was weiter zu verfolgen der grammatik überlassen bleiben muss, dass die verschobenen formen von Süden nach norden vordringen, bis sie endlich in der 2. hälfte de» 15u Jahr- hunderts in Köln die herschenden sind. Und dass diess nicht bloss einwirkungen der damals schon existierenden, auch im . kölner Schriftdeutsch jener zeit schon spurenweise auftretenden hochdeutschen kanzleisprache sind, wird dadurch bewiesen, d»öö

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der heutige kölner volksdialect ebenfalls helfen und dorf sagt, während in Jülich und Aachen noch heute helpen gebräuchlich ist (cf. Firmenich). Dieses fortschreiten der lautverschiebung (denn so ist der Vorgang ohne zweifei aufzufassen) findet aber nur bei p nach / und r statt, nicht z. b. bei inlautender Ver- schärfung. Die praeposition up wird auch in den kölner Ur- kunden- vom ausgang des 15. Jahrhunderts gemeiniglich uff geschrieben, aber die kölnische Volkssprache bewahrt noch heutzutage ihr op, zu dem auch im mittelalter die nebenform uph in Köln mir wenigstens nicht vorgekommen ist.

In den übrigen fällen hat bekanntlich das mittelfränkische die Verschiebung des p zu f durchgeführt und abweichungen von dieser regel sind selten. Aus Köln flihre ich an vruntschap H. p. 271. graschap (zweimal) L. III. 460.

In der behandlung der german. gutturaltenuis stimmt das mittelfränkische durchaus mit dem oberfränkischen, also machen^ kirche etc. Beispiele von im inlaut nach vocalen unverscho- benem k sind selten, nur in einigen werten tritt k häufiger auf: suken, soeken (suchen) L. 11. 537. IIL p. 392, 400, 420, 524, 650. H. p. 203. Karlm. 114,14. 121,30. 140,22. 148,49 etc., doch auch oft suchen z.b. L. II, 434, III, 754, Karlm. 60,40 ; roeken Karlm. 159,51. 188,2. 219,55; reiken L. III, 459, 548, 608, p. 306, p. 327. etc., reichen L. III, p. 327, 544. Dagegen finden sich vereinzelt im mittel- und südfränkischen auch Schreibungen mit chy wo gemeinhochdeutsch k steht, z. b. Mainz L. III. 343 chost, chuchenspisCy Jülich L. IIL 220 chunnen (daneben kuni) und so öfters, ohne dass man diess auf hochdeutschen ein- fluss zurückfahren darf. Ja in einigen werten scheint wirklich etwas mehr als blosse Schreibung vorzuliegen, wenn z. b. in den in jeder hinsieht rein mittelfränkischen Marienliedern (Haupt X) immer nachet (nudus) geschrieben wird und reimt auf machet (22,21. 23,25), wachet (22,3l).*)

Geben alle diese an den tenues vollzogenen verschiebungs- ptocesse dem mittelfränkischen ein hochdeutsches gepräge, so wird es dem niederdeutschen wider näher gerückt einesteils

*) Wenn Rückert, Rother p. LXXVII. aus einzelnen Schreibungen im Rother: eckone, nackity blicke, roch u. a. beweisen will, dass der Rother einmal durch die hand eines bairischen Schreibers gegangen sein müsse, 80 steht dieser beweis sonach auf sehr schwachen flissen.

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 26

durch den nicht vollständigen Vollzug dieser Verschiebung, an- deresteils aber hauptsächlich dadurch, dass in niederdeutscher weise in- und auslautendes v, f einem hochdeutschen h ent- spricht. Dieses v erstreckt sich bis zur südgrenze des mittel- fränkischen, wo dann mit dem sfLdfränkischen das h beginnt Doch wechselt oft in Urkunden desselben ortes an der südgrenze das V mit dem &. So steht z. b. in der Saynschen Urkunde L. IIL 308 gehen etc. neben dai und auch noch weiter nördlich findet sich zuweilen & geschrieben. Das erklärt sich ganz ein- fach dadurch, dass h im südfränkischen nicht den explosivlaut, sondern die labiale (labio -labiale) spirans m bezeichnet und also dem mittelfränkischen und niederdeutschen v, welches la- biodentale spirans ist, sehr nahe kommt. Wir Mitteldeutsche sprechen noch jetzt ich gewe, schreiwe, also die rein labiale spirans, und diese ausspräche zieht sich über den ganzen mittel- deutschen gürtel hin und bildet eine naturgemässe Zwischen- stufe zwischen dem niederdeutschen labio-dental v, der im aus- laut in das tonlose labiodentale /"übergeht, und dem strenghoch- deutschen explosivlaut. So ist es ohne zweifei auch schon im mittelalter gewesen. In der südfränkischen Schreibung geben ist nichts anderes als gerven zu erblicken, was auch durch die sowol in Südfranken als in allen mitteldeutschen denkmälem häufigen Schreibungen grehe, nebe, hriebe, hohe = grave, neve, bheve, kove bestätigt wird. In diesen mundarten ist also nicht bloss der niederdeutsche, sondern auch der hochdeutsche labio- dental intv übergegangen. Auslautend wird das mitteldeutsche rv seinem rein labialen character gemäss zu p, wir sagen also gap, schreipy wie sich ähnliches auch schon früher nachweisen lässt z. b. hop {=^hof Nassau. Urkunde H. p. 82) hrip (R p. 68) u. a. Auf die frage, weshalb man im älteren mittel- deutsch die spirans rv in diesen fällen durchs und nicht durch w bezeichnet habe, ist die antwort die, dass, wie ja wol von allen anerkannt wird, der durch w bezeichnete laut zur mittel- hochdeutschen zeit dem u noch viel näher, ähnlich dem heu- tigen englischen m, gesprochen worden ist.

Um zu erfahren, wie die aus den Urkunden gewonnenen ergebnisse über ausdehnung und character des mittelfränkischen sieh zu den neueren mundarten verhalten, habe ich die reich- haltigen Sammlungen von dialectproben dieser gegenden, welche

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bei Firmenich, vorzüglich bi L, stehen, verglichen. Wenn auch das werk von Firmenich wegen seiner dilettantischen art der aufzeichnung den anforderungen der phonetik nicht entspricht und für feinere detailarbeiten daher nur ungenügende grund- lagen liefert, so reicht es doch vollständig aus, um sich im all- gemeinen über die physiognomie eines dialects zu orientieren. Daraus ersieht man denn, dass der lautstand des mittelfränki- schen von neueren besonderen Veränderungen abgesehen noch genau auf der grundlage des älteren Standes ruht. Kein ein- ziger von den orten, wo wir daskriterium des mittelfränkischen, neutrales t neben sonst verschobenem, fanden, hat diese eigen- tümlichkeit aufgegeben, insonderheit stimmt die nordgrenze noch genau zu der älteren, so dass das niederdeutsche seitdem da- selbst weder boden gewonnen, noch verloren hat. Fassen wir zunächst das Verhältnis der neueren kölner mundart (Firm. I. 448—77, III 196—210. 518) zur altem betreffs der von uns besprochenen punkte ins äuge. Wir finden, dass ausser dat et wat alles in der alten weise verschoben ist. Allerdings gibt es einige ausnahmen. Das perf. von mohsz (mhd nmoz) scheint jetzt durchweg moot, conj. mööt zu sein, während altköln. diese form gewöhnlich moste hiess, doch führten wir auch schon oben die alten nebenformen moythe u. a. an. Die erklärung dieser form ist schwierig, da ihr ja auch im mittel- und neuniederländ moeste, moest entspricht. Wenn das praesens nicht mohsz sondern mot hiesse, so könnte man es aus der analogie des praesens er- klären, so aber möchte man fast diess t flir dem stamme nicht angehörig halten, sondern für das ^der schwachen flexion, vor dem das s, nach art vieler consonanten vor t im neukölnischen, ausgefallen wäre. Eine andere form, welche Schwierigkeiten macht, ist vom praesens lösze {läzen) das pf. leet, welches durch- aus regel zu sein scheint. Im altkölnischen hiess es Uez, leys. Auch in Düsseldorf heisst es lees (Firm 1. 436). Im allgemeinen steht aber alles auf altem stände, also z. b. zand{Aen&)j essen, droppe (gutta), lehf (niederfränkisch Uep cucurrit), pinksfuss (pfingst- fuchs), maache (niederfränkisch mäken) etc., jedoch helfe werfe gegen älteres helpen, werpen, aber doch daneben äörp (F. III. 200) == älterem dorp] töschen, tagen = altem tuschen, tgegen. Regel ist jetzt aber kooz gegenüber altem kurt, neben dem kurz nur seltener auftritt. Die pforte heisst noch jetzt de pooz (F.

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 27

IIL197) entsprechend dem alten ausnahmslos gebrauchten porze (schon 1224 für Köln belegbar: Marporzm L. IL 121. Graoen parzen 1238. L. U. 229, porzenere H. p. 13. etc.)

Haben wir also gesehen, dass in Köln der alte lautstand bewahrt ist, so werden wir nun dasselbe auch an der nord- grenze des mittelfränkischen, in Düsseldorf, finden. Düsseldorf- Neusswar wie wir gesehen haben mittelfränkisch, doch fanden sich daselbst auch unverschobene niederfränkische formen. Ebenso heute (Firm. L 431«— 38). Daselbst treffen wir formen wie Leckertüch (leckerzeug) 432, stäte 432 (plur. von hochdeutsch sierz) daneben aber auch (438) der sing, stäts, hop (häufe) depe (tiefe). Dem kölnischen lösze entspricht hier Idte (perf. lees)j stets grot (kölnisch gros)-^ fast immer maake (kölnisch maache) z.b. on makte grote sacke (433). Sonst aber ist der lautstand des mittelfränkischen durchaus herschend, auch ist helpe hier nicht wie in Köln in helfe tibergegangen. Wenn nun auch hier das alte Verhältnis in dem masse geblieben ist, dass nieder- deutsche formen noch jetzt in das Düsseldorfer mittelfränkisch hineinspielen, so werden wir wol im allgemeinen auf den con- servatismus der mundart vertrauen dürfen und annehmen, dass eine grenzbestimmung, wie wir sie aus den heutigen mundarten finden, im grossen und ganzen auch auf das mittelalter ange- wandt werden könne. Ich will also jetzt nach dem material Firmenichs die grenze ziehen, innerhalb welcher das heutige mittelfränkisch, d. L eine mundart mit dat, wat, it bei sonst verschobenem t, lebt. Wir beginnen mit Düsseldorf. Dass dieses wirklich die nordgrenze bildet, sehen wir an der mund- art des wenig nördlich gelegenen Eatingen (F. 1.431), welche niederdeutschen lautstand hat. Niederdeutsch ist auch Hom- berg bei Eatingen (I. 415), Wülfrath (I. 423), Elberfeld (I. 424—30), Schöller westlich von Elberfeld (I. 438), Lütt- ringhausen (IIL194), Kemscheid (1.442), Solingen (1.439 m. 195), Attendorn (I. 354), Olpe (I. 357). Mittelfränkisch ist Opladen-Neukirchen (1.443), Burscheid (1. 443), Oden- thal südlich von Burscheid (1. 444), Marienberghausen (1. 518), Nümbrecht (I. 517), Waldbroel (I. 517), Freusburg (III. 521), Siegen (I. 518 20). Man wird also die niederdeutsche grenze von Düsseldorf aus zwischen diesen orten ziehen, im ganzen so wie Kiepert auf seiner Weimarer sprachkarte, nur

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hat er Burscheid fälschlich schon zum niederdeutschen geschlagen. BeiBemhardi geht die grenze zu hart am Rheine entlang, aber auch von Kieperts grenze müste, wie Marienberghausen er- fordert, die südwestecke abgeschnitten werden. Das Siegener land bezeichnet zugleich die östlichste ausdehnung des mittel- fränkischen, südöstlich davon in Dillenburg und Herborn (11.89 93) überwiegt schon das neutrale s, daneben jedoch auch t, südlich von da in Biskirchen (IL 93) und Weilburg (IL 82) ist das allein herschend. Man würde nun die ostgrenze von Herbom geradlinig nach Limburg SbfL. zu ziehen haben, woselbst (11. 84) auch beide formen gemischt sind; Hadamar (IL 86) hat noch überwiegend t Von Limburg an wird man die grenze wol die Lahn entlang nach dem Rheine ziehen müssen, genauere belege für diese gegend fehlen bei Firmenich. Am Rheine zeigt Oberwesel (III. 660 62), wo wir früher daz und dat schwanken sahen, jetzt nur das, fttr Boppand und St. Goar fehlen belege. Solche sind fttr das Rheinufer nur da aus Vallendar (111.524) und Coblenz (L523), die natürlich mittelfränkisch sind. Die übrigen belege für das mittelfrän- kische des rechten Rheinufers sind: Neuwied und Meisbach (L 622), Dierdorf (L 520) Hachenburg (E. 87), Buchholz (I. 616), Geistingen bei Siegburg (L 616).

Wir gehen nun auf das linke Rheinufer zur Moselgrenze über. Hier werden wir dielinie ziehen (vielleicht vonBoppard aus) über Simmern (L 528. IIL 527), Kirchberg (L 533) Birkenfeld (IIL 548-r-50), St Wendel (L 643) Cusel wenig östlich davon (III. 244) hat das Ottweiler (I. 644) nach Saarlouis (11.555). Blieskastel (11. 23) und Saarbrücken (IL 557) gehören niftht mehr hierher. Von Saarlouis ziehen wir die grenze westwärts bis zum französischen Sprachgebiete, ob nördlich oder südlich von Dietenhofen, weiss ich nicht, je- desfalls aber so, dass Grevenmachern (L536) und Luxem- burg (I. 537 43) noch zum mittelfränkischen kommen. Die westgrenze bildet dann bis gegen Montjoie das französische Sprachgebiet, von wo an das niederfränkische zu grenzen be- ginnt. — Zuvor mögen hier noch die übrigen mittelfränkischen orte verzeichnet werden, aus denen Firmenich dialectproben gibt: Trier (I. 634—36, IIL 528—48), Bernkastei (L 583) Bonn (L 509—11), Euskirchen (L 508), Eifelgegend (L

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ZUE KENNTNIS DES FRANKISCHEN. 29

500—8 IIL 239—44), Aachen (I. 487 95, IH. 219 34), Jülich (I. 484—85), Düren (I. 478—84^ m. 517).

Die grenze gegen das niederfränkische konnten wir schon oben nach den Urkunden ziemlich genau ziehen, dieselbe wird durch die neueren mundarten durchaus bestätigt Eupen (I. 495 600, IIL 235 39) ist schon niederfränkisch, die grenze geht dann westlich um Aachen und in der oben'Jangegebenen weise nach Düsseldorf. Dass Heinsberg und umgegend im ganzen schon niederfränkisch sind, ergibt sich auch hier (I. 487), desgl. Wanlo (I. 486). Ebenso ist Gladbach nicht mehr mittelfränkisch (III. 510 17). Niederfränkisch ist dann natürlich Kempen (L 408), Krefeld (L 408), Mors (I. 394). Die grenze der sprachkarten bedarf hier also insofern der berichtigung, als sie Eupen, Heinsberg, Gladbach noch zum mittelfränkischen schlagen.

Durch die vergleichung der neueren mundarten ergibt sich, dass auf dem rechten Moselufer noch ein ziemlich breiter streifen dem mittelfränkischen angehört und wir haben gar keinen grund anzunehmen, dass diess früher anders gewesen sei, wenngleich wir nur aus orten dicht am rechten Moselufer gelegen dai-nrkimden nachweisen konnten. Nachholen will ich zuerst zwei oben übergangene Urkunden mit e?a^ aus Schmid- burg bei Kirchberg (H. p. HO u. 111), welche also zur neuem mundart stimmen. Dann aber haben wir noch einige alte Ur- kunden des grafen von Veldenz, nahe der Mosel (H. p. 38. 39. 109. 114), welche von anfang an daz aufweisen und also Büdfränkisch sind.

Wenn auch die eine dieser Urkunden (p. 109) wahrschein- lich in Speier verfasst ist, so gilt diess doch nicht auch von den drei andern und wir haben hier in der tat ein abweichen der Schrift von der gesprochenen spräche vor uns. Vielleicht wird man ein einwirken des Mainzer canzleischreibgebrauchs annehmen können, doch entscheiden wird sich diess schwer lassen. Greifbarer tritt dasselbe Verhältnis in Trier ein. Wenn man die oben aufgeführten Trierer Urkunden mit dat ansieht, so wird man finden, dass diese sämmtlich vor das jähr 1320 fallen. Von da ab tritt in allen aus der Trierer canzlei her- vorgegangenen Schriftstücken daz ein, so dass die Urkunden nun ganz ein südfränkisches gepräge erhalten. Eine ähnliche

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Wandlung in der spräche ißt nicht eingetreten, ;v^ie uns noch der heutige dialect belehrt, es ist also nur ein canzleischreib- gebrauch. Und hier können wir auch den anlass dieser Wand- lung mit wahrscbeinlichkeit vermuten; von 1329 1335 war der erzbischof Balduin v. Trier zugleich Verwalter („beschir- mere" H. p. 223, „erzbischof" G. lU. 162, „ein Pleger und ein Beschirmer" G. III. 177, „provisor" 6. III. 206) des erz- bistums von Mainz. Fortan schreibt seine canzlei daz. Man kann den Wechsel deutlich erkennen, wenn man die beiden Urkunden G. III. 156 u. 160 vergleicht. In der ersteren, einem vertrage mit der gräfin von Sponheim aus d. j. 1328, steht noch äat, in der letzteren von 1329, wo Balduin zum ersten male den titel beschirmer des stiftes zu Mainz trägt, tritt daz ein, wenn auch sonst die spräche von dem, was wir als Trierisch annehmen müssen, nicht gerade abweicht. Es ging also wol aus der Mainzer canzlei der gebrauch daz zu schrei- ben in die nun mit ihr vereinigte Trierer über. Dass wirklich nun die Umgebung des erzbischofs in Trier auch daz gespro- chen habe, ist nicht ohne weiteres anzunehmen, da sich ge- meinsamkeiten viel eher in der schrift festsetzen, als in der spräche. Ein beweis dafür ist der umstand, dass in späteren Trierer Urkunden, welche also ausnahmslos daz, das etc. haben, sich dennoch hin und wider ein vereinzeltes dat, it findet (z. b. G. m. 289. 345. 428. 464. 465. 466. 545, IV. 273), woraus hervorgeht, dass der Schreiber dat sprach, welches ihm denn auch, der orthographischen regel zuwider, einmal in der schrift entschlüpfte. Diese Trierer canzleisprache ist nun immer im äuge zu behalten, wo es sich um Urkunden handelt, welche von nördlicher in Mittelfranken wohnenden personen ausgestellt werden. Z. b. der graf von Vimenburg stellt eine auf seine herschaft bezügliche Urkunde in seinem mittelfränkisch aus (G, IV. 249 V. j. 1454), während er bald darauf (G. IV. 251 V. j. 1455) einen revers über seine trierischen lehen in der Trierer canzleisprache ausstellt. Aehnliche fälle sind natürlich so häufig, dass es kaum nötig wäre, weitere beispiele anzu- führen. Doch vgl die Urkunde des Herren von Elz v. 1337 mit das (G. III. 227) und den burgfrieden von Elz v. 1430;^ mit dat (G. IV. 143), desgl die Urkunden der herren von Isen- ' bürg G, III. 369. 373. 468. 571. 587.

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 31

Es konnte aber auch nicht auBbleiben, dass die canzlei* spräche von Trier nicht auch noch weiter im gebiete des erz- bistums um sich gegriffen hätte. So haben wir schon aus dem jähre 1353 in derselben verfasst eine städtische Urkunde von Coblenz (G. HL. 409), und ebenso in späteren daher rührenden documenten (cf. G. lY. 207. 280). Dass aber auch daselbst nie daz gesprochen wurde, ersehen wir ausser aus dem heutigen dialecte aus Urkunden, wie die G. III. 501 vom jähre 1365, in welcher daz und dat bunt wechselt Aehnliche Verhältnisse begegnen uns in vielen zur Trierer diöcese gehö- rigen orten.

Femer ist aber in erwägung zu ziehen, dass schon von der zweiten hälfte des 14. Jahrhunderts an die ausätze der entwickelung einer allgemein hochdeutschen canzlei- Schrift- sprache zu beobachten sind, was ja auch nicht ausbleiben konnte, nachdem die kaiserlichen canzleien ihre documente deutsch ausfertigten. Und diese beginnt sich allmählich auch bis gegen Trier hin auszudehnen, nicht zwar so, dass daselbst wirklich oberdeutsche Urkunden geschrieben würden, sondern indem einzelne specifisch oberdeutsche eigentümlichheiten dahin zu dringen beginnen, so besonders die Schreibung pf im anlaut statt p. Der pfalzgraf z. b. schrieb sich noch 1362 (G. III. 482) seiner heimischen mundart angemessen Pallentzgreff, aber schon 1367 (G. III. 512) und von da an wöl ohne ausnähme Pfältzgraue. In Trier wird diess natürlich noch später her- schend, noch im 15. Jahrhundert ist daselbst der anlaut p bei weitem das überwiegende; ja es steht selbst in einer Urkunde des Trierers von 1492 (G. IV. 387) neben dreimal Parkirchen nur ein Pfarkirchen. Schon bedeutend eher aber ist statt des früheren unverschobenen d das hochdeutsche t überwiegend in die Schrift eingedrungen. Es ist hier nicht meine absieht, die entwicklung der hochdeutschen canzleisprache zu verfolgen, da es mir hauptsächlich auf die wirklich gesprochene spräche dieser gegonden ankommt. Nur das will ich noch hinzufügen, dass auf das nördlichere, kölnische mittelfränkisch die einwir- kung solcher einflüsse nicht vor der zweiten hälfte des 16. 'phrhunderts in irgendwie erheblicherer weise bemerkbar ist Sie sistehen hauptsächlich darin, dass die substantiva auf -^cÄa/ jetzt häufiger -schaß geschrieben werden, dass neben up auch

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die Schreibung uff eintritt, dass statt eines alten d zuweilen t geschrieben wird, ja sogar Schreibungen thun etc. auftreten, wie man sich leicht aus den einschlägigen Urkunden bei La- comblet IV. tiberzeugen kann. Nur selten tritt neben dat ein das ein (das erste, was ich mir aus einer Kölner Urkunde no- tiert habe, ist von 1464. L. IV. 328). Erst an der grenzscheide des 15. und 16. Jahrhunderts wird dann das etwas häufiger. Dasselbe gepräge tragen denn auch die zu dieser zeit in Köln geschriebenen literaturdenkmäler. Als beispiel ftlhre ich den Karlmeinet an, in welchem sich vereinzelt hochdeutsche Schrei- bungen finden: das 292,34, was 96,17, alles 47,38, tages 46,51. 124,19, teil 17,57, sytenistryten 24,37, subst. auf -schafft z. b. bot- schafft 16,13, das aber auf gaff reimt, geben (statt geven) 62,27. 133,9, nicht (statt niet) 119,1, 122,2 u. s. w.*)

Wir sind durch die obigen Untersuchungen zu dem resul- tate gekommen, dass das mittelfränkische vom 13. Jahrhundert an bis auf die neueste zeit, in seinen grundzügen unverändert, eine mundart ist, welche von dem hochdeutschen lautstande nur die verschobenen tenuefe, und auch diese nur mit bestimmten ausnahmen, besitzt Die frage nun nach der zeit und art der bildung dieser mundart beantworte ich dahin, dass dieselbe in ihren consonanten- Verhältnissen so alt ist wie der eintritt der hochdeutschen lautverschiebung, welche nur in einem teile, nämlich nur an den tenues, bis über dieses gebiet sich ver- breitet hat. Anders fasst Mtlllenhoflf (in der einleitung der denkmäler) die entstehung sowol dieser, als auch sämmtlicher mitteldeutschen mundarten. auf Er meint, dass die mittel- deutschen gegenden, unberührt von der hochdeutschen lautver- schiebung, zuerst noch rein niederdeutsch geblieben seien; dann sei schon im 9. Jahrhundert vermöge des Übergewichts, welches

*) Erst als das manuscript dieses aufsatzes schon in der druckerei war, konnte ich das schöne programm von Wahlenberg „die niederrhei- nische (nord-rheinfränkische) mundart und ihre läutverschiebungsstufe*^ (Köln 187tJ benutzen. Daselbst finden sich reiche Zusammenstellungen aus den neueren mundarten und besonders über die nördlichen über- gangsstufen des mittelfränkischen ins niederfränkische gibt W. genauere auskunft, als ich es nach den wenigen bei Firmenich abgedruckten pro- ben tun konnte.

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das oberdeutsch-firänkisclie durch die Karolinger erhielt, eine eiBwirkung des letzteren auf die spräche jener gegenden ein- getreten und zwar zuerst in den höheren und literarisch gebil- deten kreisen, in deren spräche sonach eine mischung von hooh- und niederdeutsch eingetreten wäre, während in der Volkssprache das niederdeutsche weit länger gelebt hätte. Als ein Zeug- nis solcher mischmundart wird das Hildebrandslied angeführt, welches die hessische spräche vom ende des achten Jahrhun- derts darstellen soll. Die letztere ansieht dürfte wol Müllenhoff jetzt selbst nicht mehr aufrecht erhalten, nachdem nachgewiesen ist, dass wir im Hildebrandslied nicht eine aufzeichnung aus dem gedächtnisse zu sehen haben.

MüUenhoffs auseinandersetzung beginnt damit, dass er sagt (p. Vni), Wilhelm Grimm habe gezeigt (Athis u. Prophil. s. 9.), „dass ein zurückweichen der plattdeutschen bestandteile in der hessischen mundart in dem masse stattgefunden hat, als der gebrauch derschrift vordrang." Mir hatdiess Wilhelm Grimms beweisftihrung nicht wahrscheinlich gemacht Er vermutet, dass zu Herborts zeit die rede des gemeinen mannes eine stär- kere färbung des niederdeutschen trug. Den beweis dafür bildet Cassel, „wo die plattdeutschen bestandteile erst im ausgangdes vorigen Jahrhunderts zu weichen begannen." Man fragt welche? Herschte da wirklich noch t f^r z, p für f, k für ch, oder sind bloss mitteldeutsche ausdrücke gemeint, die das niederdeutsche auch hat und die darum für niederdeutsch angesehen werden? „Wenigstens zeigt ein in der mundart des volkes bei der an- kauft des landgrafen und schwedischen königs Friedrichs L in Cassel etwa im jähre 1740 abgefasstes gedieht noch ziemlich starke, dagegen eine im jähr 1376 zu Cassel ausgestellte Ur- kunde nur geringe einmischung plattdeutscher Wörter und for- men:, in den briefen des landgrafen Philipp des grossmütigen aus dem sechzehnten Jahrhundert sind sie verschwunden." Dass Philipps briefe nicht mehr echt hessisch sind ist natürlich, denn im sechzehnten Jahrhundert schrieb man in Hessen, wie auch aus Urkunden vielfach hervorgeht, nicht mehr hessisch, sondern die neuhochdeutsche Schriftsprache mit den neuen diph- thongen. Die 1376 zu Cassel ausgestellte Urkunde soll geringe einmischung des niederdeutschen zeigen, ich habe aber weder ui ihr eine spur des niederdeutschen entdecken können, nodi

Beitrag znr gesohichte der deutsehen spräche. J. 3

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in den übrigen Casseler Urkunden des 14 Jahrhunderts, welche ich gesehen habe. (Deren zahl ist allerdings leider nicht sehr gross, da es uns an einem codex diplomaticus fehlt) Die casse- ler Urkunden sind eben mitteldeutsch. Wenn z. b. in einer Ur- kunde des capitels zu St. Martin in Cassel vom jähre 1368 (Kuchenbecker, analecta hass. V. p. 40. flFg.) die formen heennd her = mhd. er und der nominativ des artikels dy, de neben der vorkommen, so haltfe ich das fftr durchaus nichts nieder- deutsches, welches etwa bewiese, dass das volk damals noch niederdeutsch gesprochen habe und in folge dessen sich diese formen in die höher gebildete schritt eingemischt hätten. Ebenso sind zu beurteilen die daselbst vorkommenden formen wasses {= Wachses), kunschaf, sthichte, dochter, godes, gude. Das schi- boleth des niederdeutschen, die unversehrten alten tenues, fehlt gänzlich.*) Ebenso wenig wtlrde ich es fllr einen beweis des

*) Dass in Niederhessen, der niederdeutschen grenze so nahe, sich auch einige wirklich niederdeutsche formen finden, ist nicht sehr wun- derbar und berechtigt keineswegs zu einem Schlüsse auf ursprünglich niederdeutschen Charakter des dialects.

Das wenige derartige, was Vilmars idiotikon aufweist, könnte wol recht gut durch einschleppung zu erklären sein, wie ja auch in die neu- hochdeutsche Schriftsprache niederdeutsche worte aufgenommen sind. Vieles was Yilmar niederdeutsch nennt, fallt nach dem obengesagten weg, wie z. b. das wort karmen (p. 193); desgleichen worte wie krappe (p. 223) petter (296), von denen V. sagt, es seien niederdeutsche formen gegenüber einem hochdeutschen krapfCy p fetter. Denn diese sind nicht bloss niederdeutsche , sondern auch hessische formen , woselbst ja p im anlaute und inlautend bei Verschärfungen, wie im südfränkischen, nicht verschoben wird. Hier kann es sich bloss um einige worte handeln: schnüte (p. 365, welches wol ohne zweifei eingeschleppt ist) strotte (p. 404) lüttich (p. 256) fett (p. 101), bei welchen letzteren wol die conso- nantenverschärfung zu beachten ist , wie ja auch das pronomen da aus diesem gründe in ganz Mitteldeutschland der Verschiebung entgangen ist. Mit p und k ist mir laupe (p. 239) und bdken (p. 46) aufgestossen, welche vielleicht auch für niederdeutsche eindringlinge zu halten sind. Betreffs der einwirkung der Schriftsprache sei hier noch bemerkt, dass mit der besonders im letzten Jahrhundert immer intensiver werden- den macht derselben ein untergehen volkstümlicher worte und formen sicher statt hat und gewis in immer grösserem masse statt haben wird, doch ist es nicht richtig, wenn man das in Hessen ein zurückweichen des niederdeutschen nennt Wenn z. b. bei Cassel seit 1830 der ausdruck das suffen dem schriftdeutschen suppe gewichen ist (p. 338), so weicht

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niederdeutschen halten, wenn man Schreibungen wie geven, leven aus Hessen beibrächte, denn auch flir das gewöhnlich geschrie- bene b nehme ich die ausspräche = win ansprach; als beweis dienen die in der eben^rwähnten Urkunde vorkommenden for- men höbe (= mhd. hove) bribe. Alles das sind durchaus mittel- deutsche formen, welche das mitteldeutsche seiner zwischen- stellung nach mit dem niederdeutschen gemein hat, ebenso wie es mit dem hochdeutschen die tenuesverschiebung teilt Es widerholt sich hier also dasselbe Verhältnis, welches Johannes Schmidt in seiner neuesten kleinen schrift*) ftlrdas slawolitau- ische nachgewiesen hat, das in ähnlicher weise zwischen dem arischen und germanischen steht, indem es mit dem erste- ren vor allem die Verwandlung der gutturalen explosivlaute in Spiranten, mit dem letztern viele andere eigentümlichkeiten teilt, ohne dass man deshalb das slawolitauische eine germano- arische mischsprache nennen darf.

Man möchte daher wol gern wissen, was es mit dem cassel- schen gedichte von 1740 für eine bewantnis habe, auf die blosse anführang Grimms hin werden wir keinen schluss ziehen dürfen. Vorläufig glaube ich die ansieht noch halten zu können, dass schon im 14. Jahrhundert auch das volk mitteldeutsch sprach^ oder mit andern werten, dass flir Hessen die niederdeutsche grenze damals schon ganz dieselbe war wie heute. Diese grenze liegt jetzt zwischen den beiden städten Hofgeismar und Cassel. Urkunden von Hofgeismar liegen uns in ziemlicher anzahl vor (ürkundenbuch von Hofgeismar in: Falckenheiner, hessische Städte und Stifter, band IL). Diese sind sämmtlich niederdeutsch

ja etwas echthochdeutsches zurück, da hier die Schriftsprache das nieder- deutsche wort hat. Es tritt eben ein schwinden der landeseingeborenen ausdrücke ein und dass dieses Schicksal bei dem hochdeutschen Charakter der Schriftsprache meist solche formen treffen wird, welche Hessen mit Niederdeutschland gemein hat (vgl. z. b. süster p. 408) , berechtigt noch nicht, diesen Vorgang ein zurückweichen des niederdeutschen zu. nennen. Und nun gar, wie es W. Grimm tat, dem allgemeineren gebrauch der Schrift im mittelalter schon eine ähnliche einwirkung auf die spräche zu- zuschreiben, wie sie die erstarkte neuhochdeutsche Schriftsprache jetzt zu üben begonnen hat, will denn doch wenig glaublich scheinen.

*) Die verwantschaftsverhältnisse der indogermanischen sprachen. Weimar 1872.

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und zwar nicht Wobb die des 14., sondern auch des 15, Jahr- hunderts z.b. 46 a. 1470, 49 a. 1473, 50 a. 1488., desgleichen die Urkunden des noch etwas nördlicher gelegenen Stiftes von Heimarshausen 20 a. 1337, 22 a. 1338, 24 a. 1364 Heimars- hausen und Hofgeismar gehörten aber zur erzdiöcese Mainz und standen mit dem erzbischofe in Schriftwechsel, desgleichen mit dem landgrafen in Cassel, wie die dazwischen stehenden Mainzer und Casseler Urkunden beweisen, n. 27 a. 1360 z. b. ist ein bünd- nis des stiftes von Heimarshausen mit dem erzbischofe, welches natürlich in Mainzer kanzleisprache geschrieben ist. An hoch- deutschen einwirkungen fehlte es also nicht und diese waren denn doch wol sicher intensiver als. die des fränkischen zur zeit der Karolinger, wo man noch keine deutschen Urkunden hatte. Nichtsdestoweniger bleiben die Urkunden dieser orte nach wie vor niederdeutsch, während die von Cassel von an- fang an mitteldeutsch sind. Das wäre denn doch wol kaum zu erklären, wenn nicht schon damals die niederdeutsche grenze zwischen Hofgeismar und Cassel in der mitte gelegen hätte: das Volk sprach in Hofgeismar niederdeutsch, in Cassel mittel- deutsch, deshalb auch die Verschiedenheit in der spräche der Urkunden. Dabei will ich durchaus nicht in abrede stellen, dass nicht die cassler landgrafenurkunden des 15. Jahrhunderts schon von der Volkssprache abgewichen wären, im gegenteil lassen sich die einflüsse der Mainzer kanzlei und der sich bil- denden hochdeutschen kanzleisprache durchaus nicht verkennen, nur muste die mundart eine schon im ganzen conforme, hoch- deutsche sein, um solche, doch wol nur orthographische, einflüsse leicht einfttgen zu können. Die beachtung dieses letztem mo- ments vermisst man auch in MüUenhoffs sonst sehr dankens- werten nachweisungen über die entstehung des eigentlichen neuhochdeutschen, der spräche mit den neuen diphthongen (denkmäler p. XXV. flf.). Er weist die neuen diphthonge in schlesischen und obersächsischen Schriftstücken vom anfang des 16. Jahrhunderts schon als zahlreich nach, während sie in den westlichen gegenden Deutschlands noch nicht vorhanden sind. Er kommt zu dem Schlüsse : „es scheint, dass die Umbildung des dialects östlich an der Elbe sich schon früher vorbereitet als in den übrigen mitteldeutschen landschaften, wo in Thüringen bei Johann Rothe, in der Frankfurter reichscorrespondenz, in

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den akten könig Ruprechts von der Pfalz, der erzbischöfe von Mainz und Trier u. s. w. noch der alte landübliche vocalismu« herscht." (p. XXVI.) Dass ihm, der das auftreten von ei und au in Obersachsen nur durch einfluss der böhmischen hof- und kanzleisprache erklärt, dieses rätsei ungelöst bleiben muste, da ja die kanzlei auf die ttbrigen gegenden Deutschlands eben so grossen einfluss übte, ist leicht begreiflich. Die erkläning ist vielmehr nur aus der Volkssprache zu geben. Die Verbrei- terung der alten längen zu äiphthongen ist nichts anderes als ein naturereignis im gebiete der deutschen spräche, welches unbekümmert um äussere förderungen oder hemnisse anfängt, fortschreitet und endet. Begonnen hat dieser process, wie wir wissen, im anfang des 13. Jahrhunderts in der südosteoke Deutschlands, verbreitete sich von da aus über Baiem, Oesterreich und Böhmen und nahm auf der grenzscheide des 14. und 15. Jahrhunderts auch Schlesien und dann Obersachsen ein, ohne etwa durch eine, im vergleich zu solchem walten des sprachgeistes ohnmächtige, kanzleisprache aufgehalten oder gefordert zu werden. Weil nun in der ersten hälfte des 15. Jahrhunderts die spräche des gemeinen mannes in Obersachsen die neuen diphthonge schon hatte, darum begannen sie sich nun auch in den dort entstandenen Schriftstücken zu zeigen, denn die spräche der Schrift war damals, wie auch hierdurch wider bewiesen wird^ von der spräche des volks durchaus nicht abgelöst; weil in den westlichen gegenden die neuen diphthonge noch nicht waren, kommen sie, trotz böhmischer kanzlei, auch in der schrift nicht zum allgemeinen ausdruck, während einzelriö auf solche nach- ahmung zurückzufahrende beispiele allerdings schon früh vor- kommen, so z. b. schon 1360 in einer Urkunde des Pfalzgrafen 6. III, 472. zelten und dreyzehenhundert ; 1456 in Sayn (G. IV. 254) gehrauchen, zeit, Seyierij baussent; 1470 Wied. G. IV. 317 harusen, verschreiben, neun. Doch sind das eben nur ganz ver- einzelt'auftauchende ausnahmen. Wir können wol nicht eher die lautbewegung für die gegenden am Untermain und Mittel- rhein für vollzogen erachten als in der ersten hälfte des 16. Jahrhunderts. Ja der umsatz der alten längen in diphthonge ist bis auf den heutigen tag in Hessen (Fulda Cassel), Thü- ringen (Erfurt, Gotha, Weimar, Rudolstadt, Eisenach), im nörd- lichen teile Mittelfrankens, sowie in einem grossen teile Ale-

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manniens nicht durchgedrungen; daselbst sind die alten tundü noch in voller Kraflk trotz der nun schon seit drei Jahrhunderten auch über diese gegenden waltenden neuhochdeutschen Schrift- sprache, die denn doch noch eine andere macht repräsentiert als die böhmische canzleisprache. Die lautbewegung der diph- thongisierung ist eben erlahmt, bevor sie bis zu jenen gegenden vorgedrungen war. Johannes ßothe, der in Eisenach, also in einem lande lebte, wo bis heute noch die alten vocale herschen, hatte keine Ursache die diphthonge zu brauchen, ebenso findet sich in einer Urkunde des landgrafen von Hessen von 1498 (G. IV. 405) noch kein einziger neuer diphthong. Im 16. Jahr- hundert aber, zu der zeit, wo diejenigen deutschen länder, bei denen die diphthongisierung überhaupt zum durchbruch kommen sollte, dieselbe hatten und die Schriftsprache sich zu festigen anfing, da muste auch in den davon verschonten gegenden Mitteldeutschlands der schreibgebrauch der majorität weichen und die neuen diphthonge annehmen, welche die spräche nicht hatte. Wir sehen also, dass das eintreten der neuen diphthonge in obersächsischen Schriften mit der canzleisprache durchaus nicht zusammengebracht werden darf.*)

Ich würde Grimms ausflihrungen über die hessische mund- art nicht so eingehend besprochen haben, da man von der ansieht deir mischsprache wol schon ziemlich allgemein abgelassen hat, wenn nicht MüUenhoflf seine argumentation dadurch stützte. Ein zurückweichen der eingemischten niederdeutschen bestand- teile behauptet er, wie Grimm fttr Hessen, so fftr das mittel- fränkische gebiet. Er sagt (p. XV.): „eine vergleichung der heutigen kölnischen mundart mit dem kölnischen Schriftdeutsch des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts wird auch hier das allmähliche zurückweichen des niederdeutschen bestätigen und fttr das achte und neunte ist am Niederrhein wie in Hessen und Thüringen noch ein übergewicht des niederdeutschen in der Volkssprache anzunehmen." Gerade diese vergleichung hat

•) Wenn nach umfassender beobachtung, namentlich der Urkunden, die geschichte dieser diphthongisierung monographisch behandelt würde, so wären unzweifelhaft noch manche genauere resultate zu erwarten. Wertvolle beitrage aus alten deutschen drucken hat in gi-osser reich- haltigkeit Zamcke, Narrenschiff p. 273. ff. geliefert.

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uns nun aber ergeben, dass die heutige mittelfränkische Volks- sprache in allen wesentlichen punkten zum älteren Schriftdeutsch stimmt, sogar genau mit derselben nordgrenze Düsseldorf-Neuss. Und wie wenig das niederdeutsche hier „allmählich zurückge- wichen" ist, zeigt eben grade Dtisseldorf, wo noch jetzt wie damals unverschobene tenues neben den gewöhnlich verschobenen vorkommen. Wir werden also auch bedenken tragen müssen den schluss ftir das achte und neunte Jahrhundert anzunehmen, dass da das niederdeutsche in der „Volkssprache" überwogen haben werde. In der spräche der höheren stände soll es also auch schon damals anders gewesen sein, indem dieselbe durch einwirkung der fränkischen hofsprache eine hochdeutschere ßlrbung gehabt hat. Nehmen wir nun auch eine solche frän- kische hofsprache in der von MüUenhoflf vorausgesetzten form an, also eine spräche, welcher sich alle am kaiserlichen hofe verkehrenden fügen musten, so fragt es sich nur, wie konnte diese hofsprache auf das niederdeutsche Thüringen so wirken, dass dieses allmählich mitteldeutsch wurde? Eine deutsche reichs- und Urkundensprache gab es ja nicht, da hier das la- teinische dominierte. Karl selbst sammt seinen karolingischen nachfolgen! hielt nicht in Thüringen hof, es könnten 'also höch- stens einige forsten am karolingischen hofe sich die hofsprache angewöhnt und bei ihrer rückkehr verbreitet haben. Man weiss in der tat nicht wie man sich den Vorgang denken soll. Eine erklärung gibt MüUenhoff auch nicht, er behauptet bloss (p. IX.): „Sobald die verschiedenen deutschen stamme im reich Karls des Grossen zu einer politischen und religiösen einheit verbun- den wurden, konnte auch für die spräche die entwickelung 2U grösserer einheitlichkeit nicht ausbleiben. Darauf führte schon das bedürftiis des reiches." Was das für ein bedürf- nis war, erfahren wir nicht, meinen aber, dass fttr die gesetz- gebung und den sonstigen regierungsverkehr durch die latei- nische spräche ausreichend gesorgt war, welche auch insofern die einzig mögliche war, als das reich nicht zum kleinsten teile aus Romanen bestand und von einem einheitlichen deutschen reiche unter Karl dem grossen insofern doch nicht die rede sein kann. Eine „spräche des höheren lebens" (p. IX.) ftir jene zeit anzunehmen scheint mir ebenfalls sehr mislich. Denn abgesehen von den wenigen wirklich (lateinisch) gebildeten,

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werden wel die vorneh^ieii und fürsten der einzelnen stamme, denn um sie mttste sich doch für diese das höhere leben grup- pieren, auch nicht viel mehr höhere geistige Interessen zu be- sprechen gehabt haben als das niedere volk, wozu ihnen dann eine besonders eultivierte spräche nötig gewesen wäre; ich halte sonach den unterschied zwischen spräche des höheren lebens und der des gemeinen mannes zu jener zeit für nicht existierend. Wenn ich nun durchaus nicht zugeben kann, dass eine fränkische hofsprache solche den Organismus der betreffenden dialecte erschütternde Umwälzungen habe hervorbringen können, so muss ich gestehen auch über die natur dieser hofsprache selbst nicht recht ins reine kommen zu können. Dass Karl der grosse und sein hof irgend einen fränkischen dialect ge- sprochen haben müssen, ist ja sicher, dass es der rheinfrän- kisehe (unser südfränkisch) gewesen sei, hält MüUenhoff durch die strassburger eide und das Ludwigslied fiir erwiesen (p. XX). Schon Einhard aber stimmt nicht recht dazu. Er, im Maingau geboren, hielt sich in der letzten zeit seines lebens (815 44) in Seligenstadt auf, und dem entsprechend schrieb er auch die monatsnamen Karls ;,mit einer starken annäherung ans hoch- fränkische^ (p. XXI.) nieder. Wie nun, wenn aber Karl mittel- fränkisch gesprochen hätte, was bei seinem häufigen aufenthälte in jenen gegenden doch von vornherein nicht fttr unwahrschein- lich erklärt werden kann? Dagegen sagt MüUenhoff (p. XXL): „dass die hofsprache das niederdeutsche ^auch nur in derein- sohränkung wie der trierische dialect zuliess, dafür finde ich kein beispiel, auch nicht in den Urkunden. Dagegen fehlt es in den andern consonantreihen allerdings nicht an spuren tiefer lie- gender mundartlicher einflüsse.^ M. hält nämlich für „das erste entscheidende zeichen dieser Übergangsmundarten das im aus- laut noch nicht zu z verschobene r," wie es in der trierischen Übersetzung des capitulare wahrgenommen werde (p. XV.) Wie wir wissen, ist das aber zu allgemein gefasst, da, wie es auch im capitulare der fall, nur das neutrale / im mittelfränkischen anverschoben bleibt Ein that, it, tvat aber kann in einer la- teinischen Urkunde nicht vorkommen und die übrigen Verschie- bungen sind im mittelfränkischen ungefähr in demselben masse vorhanden, als im südfränkischen. Die Urkunden beweisen also gar nichts gegen die annähme, dass Karl that, it gesagt

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habe. Ja ich wüste nicht, was sich dagegen einwenden Hesse, wenn man vermuten wollte, jenes capitulare Ludwigs des from- men sei auf dessen befehl und an seinem hofe* übersetzt worden. Wenn der annalist (p. XXI.) SUesthorp schreibt, desgleichen den bairischen grafen Huelp nennt, nicht wie Thegan Huelf^ so ist das sehr leicht dadurch zu erklären, dass der annalist aus dem nördlicheren Mittelfranken war, während Thegan als Trierer zu dem südlicheren streifen Mittelfrankens gehörte, wo p nach / und r wie in Südfranken verschoben war. Hierzu stimmen denn auch die (p. XXI. unten) angefahrten belege von p nach / und r aus Prümer und Trierer Urkunden, doch ist dazu zu bemerken, dass sie sämmtlich aus Prüm stammen, mit ausnähme der drei letzten für den namen Helpricus, und in einem solchen eigennamen bewahrt sich ja öfter die ältere Schreibung länger, niemals aber stehen in Trierer Urkunden Ortsnamen auf -dorp, sondern alle beispiele haben Verschiebung von anfang an z. b. n. 65 a. 838 Uudrestohrf^ 80 a. 847—868 Rmgeresdorf, 139 a. 895, 339, 400 etc., daneben auch -dorph z.b. 83, a. 853, 233, 245 etc. 'dorp aber findet sich nur im nördlicher gelegenen Prüm, woselbst es ja noch im 14. Jahrhundert so lautet (L. IIL 680). Daneben kommt daselbst allerdings auch -äorph vor, ja sogar (in einem ausführlichen güterverzeiehnis von Prüm aus dem jähre 893. Beyer I. 135.) in einer grossen anzahl von beispie- len beständig die Schreibung -dorpht. -dorp findet sich auch regelmässig in Laacher Urkunden Beyer II. 127 a. 1192 etc.

Wie man femer die aufzeichnung des Muspilli mit der hof- sprache vereinen soll, weiss ich nicht Man hat ja in Ludwig dem deutschen selbst den Schreiber desselben vermutet. Wenn es nun auch denkbar wäre, dass der frjlnkische Ludwig, der von früher zeit an in Regensburg hof hielt, sich mit der zeit dem bairischen idiom soweit anbequemt hätte, dass er das Mus^ pilli niedergeschrieben haben könnte, so will ich das doch nicht grade urgieren. Aber so viel lässt sich doch mit Sicherheit be- haupten, dass nur einer aus der allernächsten Umgebung des königs in das diesem gehörige buch das gedieht eingetragen haben kann. Was ist das aber für eine hof spräche, die in Mitteldeutschland solche wunder tut, die aber ohne alle Wirkung ist, wenn ein Karolinger einige zeit in Baiern hof hält? In den denkmälem ist dieses Widerspruchs mit keinem werte gedacht.

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So beweisen mir auch die Strassburger eidß Nithards weiter nichts, als dass eben diese fränkische mundart dem Nithard geläufig war; er selbst lebte am hofe Karls des kahlen wo jedenfalls französisch gesprochen wurde; wer also eine ro- manische hofsprache aufstellen wollte, würde dazu die roma- nische form der eide als beleg aufführen. Auf diesen gedanken ist aber bekanntlich noch niemand gekommen. Auch flir das Ludwigslied, glaube ich, hat man keine hofsprache nötig. Kann denn nicht ein etwa aus Mainz stammender geistlicher das lied verfasst haben? An Ludwigs hofe dürfte wol ebenfalls das französische überwiegend gesprochen worden sein.

Mögen nun aber auch schliesslich die Karolinger gespro- chen haben, wie sie wollen, ftir die geschichte der spräche im ganzen und grossen kann die spräche einzelner Individuen nicht wol in betracht kommen.

Aus dem liede de Heinrico wird dann (p. XXIIL) ge- schlossen, „dass schon im X. Jährhundert am hofe der sächsi- schen kaiser das hochdeutsche seine herschaft in Niederdeutsch- land begann." Das lied ist einfach mitteldeutsch von einem Mitteldeutschen geschrieben; alle teiiues haben darin die Ver- schiebung erlitten.

Auf diese und die folgenden hofsprachen will ich hier nicht näher eingehen, zwingende gründe sie anzunehmen sind nir- gends vorhanden. lieber die hohenstaufische hofsprache hat schon Pfeiffer und nach ihm Paul*) ausftlhrlich gehandelt. Ich gehe jetzt über zur begründung der an die spitze dieser letzteren betrachtungen gestellten ansieht, dass das mittelfrän- kische, wie auch das mitteldeutsche in der gestalt seines con- sonantismus so alt, wie die hochdeutsche lautverschiebung, und von dieser wesentlich hervorgebracht sei. Dass die kölnischen Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts, so weit diess einer nicht nach phonetischen principien geordneten Orthographie möglich, in laut- und formenlehre genau die spräche des köl- nischen volkes widergeben, scheint mir, schon wegen der Über- einstimmung des heutigen kölnischen dialects, nicht im minde- sten zweifelhaft. Dass die alten Kölner freilich nicht in dem stile und der immer widerkehrenden phraseologie der Urkunden gespro- chen haben werden, kommt dabei natürlich nicht in betracht.

*) Gab es eine mhd. Schriftsprache? Halle 1873.

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ZUE KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 43

Ebenso dürfen wir als sicher voraussetzen, dass die kölnischen Urkundenschreiber des 9. und 10. Jahrhunderts in den lautver- hältnissen sich streng an ihre mundart gehalten haben.

Die älteste kölnische Urkunde bei L. I. ist vom jähre 874 n. 66. Diese bietet aber auch schon ürcechon, (heute Ürzig), 88 a. 927 Bozilesthorpe, 102 a. 948 via quae dicitur hurcMraza, 103 a. 948 Wizonstein, 231 a. 1081 bischouishohe, 253. a. 1096 Hundeszdgel etc.

Und so steht in allen älteren kölner Urkunden z statt des alten u War aber schon im südlicheren trierer capitulare das Verhältnis so, dass neben stets verschobenem ^nur das neutrale t unverschoben war, so dürfen wir flir das nördlichere Köln selbstverständlich schliessen, dass auch dort that, ii, rvat, die in lateinischen Urkunden eben nicht vorkommen können, zu jener zeit geherscht haben.

Dass auch das k Schon 874 verschoben war, sehen wir an eben jenem ürcechon, dem niederfränkisch Urtekon ent- sprechen würde, n. 103. a. 948 Blanconhiechi j 104 a. 958 in Branbechen, 123 a. 989 Rodmkyrichon, Für -thorp sind die belege sehr häufig: 88 a. 927, 93 a.941, 105 a.962, 111. a. 970 etc.

Schon Scherer (zur geschichte der deutschen spräche p. 79) hat nachdrücklich betont, dass die Verwandlung von th {dh) zu d nicht den anstoss zur hochdeutschen lautverschiebung gegeben haben könne, was dadurch als das einzig haltbare erwiesen wird, dass th erst schwindet, nachdem alle andern Verschiebungen vor sich gegangen sind. Er behauptet ferner, und wie ich glaube mit vollem recht, dass die verschiedenen erscheinungen durchaus keinen Zusammenhang unter einander haben, noch sich gegenseitig bedingen. Ferner hat er aus dem grösten Verbrei- tungsgebiete der tenues sehr richtig geschlossen, dass mit diesen die Verschiebung begonnen habe, darauf die der mediae gefolgt und zuletzt der Übergang der tönenden spirans th in d einge- treten sei. Ich glaube nun, so richtig Scherers bemerkungen im ganzen und grossen sind, dass sich, und besonders mithilfe des mittelfränkischen, vieles noch genauer bestimmen und son- dern lässt. Ordnen wir zunächst einmal die erscheinungen der lautverschiebung nach den Verbreitungsgebieten, indem wir vor-

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läufig von der noch besonders zu besprechenden spirans th ab- sehen, so ergeben sich folgende gruppen:

A. Tenues.

1. Die Verschiebung des ^ zu z überall, einfaches p und k im in- und auslaut nach vocalen zu /und eh. Diese Ver- schiebung verbreitet sich über ganz Ober- und Mitteldeutschland mit einschluss Mittelfrankens, und zwar ist sie in Mittelfranken überhaupt die einzige durchgedrungene lautverschiebung (mit abzug natürlich des neutralen t). Nicht verschoben sind in Mittelfranken p und k im anlaute und im inlaute nach conso- nanten, so wie nach vocalen bei Verschärfungen.

2. t ist durchweg zu z verschoben, einfaches p zu /* im in- und auslaute nach vocalen und nach / und r, einfaches k im in- und auslaute nach vocalen zu ch. Diese Verschiebung erstreckt sich auf ganz Ober- und Mitteldeutschland mit aus- schluss der grossem nördlichen hälfte von Mittelfranken. Sie ist die einzige im südlichen teile von Mittelfranken und in Süd- franken, wozu auch Nassau und Hessen gehört. Nicht ver- schoben ist daselbst/? im anlaut, pbei Verschärfungen und nach m im inlaut, so wie k im anlaut, im inlaut nach consonan- ten und bei Verschärfungen.

3. t ist ganz verschoben, k wie bei den vorigen beiden gruppen, p im anlaute, im inlaute nach vocalen und nach /, r. Diesfe art der Verschiebung dehnt sich aus über Oberdeutschland, Ostfranken, Thüringen, Obersachsen, ausschliesslich herscht sie in Nordthüringen und Obersachsen, woselbst p nach m und bei Verschärfungen nicht wie in den übrigen norddeutschen gegenden zu pf verschoben wird, man sagt daselbst noch heute äampy strumpy kop, kappe.

4. t und p sind ganz verschoben, k wie bei den vorigen, Diese Verschiebung erstreckt sich auf Oberdeutschland, Ost- franken und dengrösten (südlichen) teil von Thüringen. Nicht ver- schoben ist in Ostfranken und Thüringen von den tenues nur das k in den schon mehrfach angegebenen fallen.

5. Die tenues sind allesammt verschoben. Das ist der fall nur in Oberdeutschlend.

B. Mediae.

Medialverschiebungen drangen gar nicht vor nach Mittel- franken, und fast gar nicht nach Südfranken, nur kommen da-

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 45

selbst neben dem gewöhnlicheren d Wie von t vor. Bloss die Verschiebung von dzn t trat ein in Ostfranken und Thüringen, an allen medien gingen verschiebungsprocesse nur in Ober- deutschland vor sich.

Daraus nun, dass die Verschiebung des i, sowie des p und k nach vocalen sich am intensivsten verbreitet hat, glaube ich mit Scherer schliessen zu dürfen, dass damit der process begann, Doch noch eine andere chronologische bestimmung, meine ich, wird man erschliessen können. Sämmtliche erscheinungen der lautverschiebung gehen von Oberdeutschland aus und verbreiten sich von da an nordwärts, die erste und kräftigste schiebt am weitesten. Eine solche lautwandlung pflegt aber nicht auf dem ganzen gebiete, auf welchem sie später herscht, zu gleicher zeit aufzutreten, sondern von einem punkte ausgehend braucht sie eine geraume zeit, bis sie an den, endpunkt kommt und dort erschlafft. Diess sehen wir recht deutlich an einer andern laut- verschiebung, deren verlauf wir beobachten können, ich meine die diphthongisierung der alten i und ü, welche vom Südosten ausgehend über 300 jähre gebrauchte, bis sie ihr Verbreitungs- gebiet ganz durchlaufen hatte. So wird es auch mit den er- scheinungen der uns jetzt beschäftigenden lautverschiebung be- want sein. Bezeugt wird diess aber durch urkundliche belege, welche MüUenhoflf, denkm. p. VIII. beibringt. Es sind namen aus thüringischen Urkunden vom anfange des 8. Jahrhunderts, in welchen t noch nicht zu z verschoben ist: Virteburh, Ada- goto und Cato, Während wir wissen, dass diese Verschiebung in Oberdeutschland schon im 7. jahrlmndert eingetreten sein muss, kann sie sonach an ihren endpunkten erst vielleicht in der mitte des 8. Jahrhunderts angekommen sein.

In der Verschiebung des t zu z, sowie des p und k nach vocalen zu /und ch sehe ich also die erste schiebt der laut- verschiebung. Sie ist in allen unseren literaturdenkmälern, welche auf ihr gebiet fallen, durchgeftthrt, nur im Isidor bemer- ken wir noch in zwei vereinzelten fallen nachzügler, nlmlich scap (91, 9) und uharhUmpnissi (61, 3), während sonst durchaus das p ZM f (ff) vollständig verschoben ist. Doch beweisen wol diese nachzügler, dass noch nicht zu lange vor Isidor, der wahr- seheinlidi nicht nach 750 zu setzen ist^ in Südfranken der pr^.

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ceBB eingetreten war. Unterdes war aber in Oberdeutschland die bewegung schon weiter gegangen.

Zur zweiten schiebt rechne ich die Verschiebungen, welche die Verbreitungsgebiete 2 4 characterisieren, also die bewegung welche zum ziele hat, die noch nicht verschobenen p (im anlaut^^ inlaut nach consonanten und bei Verschärfungen) zu afficieren. Diese bewegung können wir nun schon bequemer beobachten, als jene erste. Zwar nicht in Oberdeutschland, denn da ist sie immerhin schon so früh eingetreten, dass sie zur zeit unserer ältesten glossen, die mit dem Isidor etwa gleichzeitig sind, schon durchgefllhrt erscheint, in Franken aber geht sie noch vor sich zur zeit, da unsere denkmäler einsetzen. Der Isidor vornehmlich fällt in eine zeit, wo diese bewegung noch gar nicht nach Südfranken gedrungen war, ein neues bedeutsa- mes zeichen seines alters. In der heimat des Isidor, ja noch weiter nördlich im südlichen teile Mittelfrankens wurde später p nach / und r verschoben und zwar zuerst aflfriciert und dann meist in /verwandelt. Im Isidor aber ist hier dsi&p noch un- versehrt in hilpit und aruuorpanan. Darauf folgt zunächst die affiricierung und in diesem zustande ist das p in unsem meisten denkmälem. Tatian schreibt überwiegend werphan {werpfan) helphan (cf. Sievers, Tatian p. 15.). Femer heisst es bei ihm clophon, tropfo gilimpfan etc. Auch bei Otfrid findet sich noch helphan, werphan, werpfan u. a. häufig. Für Otfrids dialect hätte ich eigentlich oben unter 2. noch eine Unterabteilung machen sollen, da trp nur im anlaute bewahrt, im inlaute aber dem übrigen Südfranken entgegen und seinem benachbarten alamannisch entsprechend auch nach m und bei Verschärfung affirication eintreten lässt (Imphan, aphul), wiewol auch noch limpit, gihjmpUch, intslupta, scapiin ausnahmsweise sich findet (cf. Kelle, Otfrid 11.478). Diese gesammte bewegung hat das gemeinsame, dass sie im ganzen sich nicht über die affi-ication erhebt Nur gehen später in Franken (in Oberdeutschland war auch das schon früher eingetreten) die aflfricaten in einigen häufig gebrauchten wörteiTi nach r und /in /" über, also werfen^ helfen, dorf, weif, in andern hielt sich aber dieaflFricatai^cÄarjp/i gelpf; der name Helpfrich im Nibelungenliede bezeugt aber auch noch deutlich das alte helpfen. Ich habe deshalb keine weitem Unterabteilungen gemacht, wiewol dieses durch die Variation

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der Verbreitungsgebiete allerdings geboten gewesen wäre. Und es scheint in der tat, dass der process mit dem p nach / und r begonnen hat, einesteils wegen desgrösten Verbreitungsgebietes, anderesteils weil z. b. die beiOtfrid eben erwähnten nachzügler nach m und bei Verschärfung sich nicht nach / und r finden. Man kann die ankunft der bewegung nach Franken wol in die 2. hälfte des 8. Jahrhunderts setzen und in ihren letzten Stadien ist 'sie vielleicht erst in der ersten zeit des 9. Jahrhunderts vollendet, zu welchen insonderheit die aflfricierung des p im an- laut zu rechnen ist. Diese hat ja auch Ostfranken eingenommen und Tatian hat sie bereits vollständig, aber in dem entschieden ostfränkischen bruchstück der lex salica (MttUenhoff setzt es ins jähr 802. d. p. 477) steht noch pentinga.

Ein moment, welches noch dafür spricht, dass die unter der ersten schiebt zusammengefassten tenuesverschiebungen weit früher eingetreten sind, als die eben behandelten, ist auch das^ dass im inlaut nach vocalen die Zwischenstufe ph, pf sich nicht mehr findet, während sie in den fällen, wo p nach consonanten in f übergeht (in helfen etc.) ums jähr 800 noch die gewöhn- liche Schreibung ist. Im oberdeutschen, wo die Verschiebung lange vor unsem denkmälem liegt, können wir das gar nicht erwarten, aber im fränkischen des Isidor könnte man es wol mit recht. Und ich weiss nicht, ob nicht vielleicht jenes scäp und ubarhlaupnissi als eine unvollkommene Schreibung für ein stark aspiriertes p angesehen werden dürfte. Kommt doch in einer Urkunde Karls des grossen von 777 (Sickel, acta Karol. L p. 33) Thyupßach vor, Freilich will ein zeugnis nicht viel besagen.

Scherer aber hat (zuletzt in seiner recension vonRumpelts System der sprachlaute, Zeitschrift fttr östr. gymn. 1870 p. 656 f.) geläugnet, dass bei der hochdeutschen lautverschiebung im inlaut nach vocalen überhaupt eine Zwischenstufe der affi-ication an- zunehmen sei und behauptet, der übergairg der tonlosen explo- sivae t, p, k in die tonlosen Spiranten §, /; sei ein unmittel- barer gewesen. Wenn ich nun auch nicht daran denke die möglichkeit eines solchen Übergangs in abrede zu stellen ^ so sind es doch hauptsächlich zwei gründe, welche mich an der alten ansieht festzuhalten bewegen.

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Erstens haben wir auch nach / und r einen Übergang des p in /in helfen^ werfen und von diesem wissen wir sicher, dass er durch affrication hindurch gegangen ist. Begännen unsere denkmäler erst am ende des 9. oder anfang des 10. Jahrhun- derts, so würden wir die aflfiricata in helpfen auch nicht mehr belegen können und es könnte dann mit demselben rechte un- mittelbarer Übergang des jp in / behauptet werden. Wenn wir also einen Vorgang in seiner folge sicher belegt haben, so werden wir wol am richtigsten einen naheliegenden analogen Vorgang, der aber wegen seines grösseren alters nicht so belegt ist, auf dieselbe weise zu beurteilen haben.

Zweitens aber, und das ist fftr mich hauptsächlich bewei- send, haben wir im hochdeutschen nach vocalen an stelle der alten tenues nicht einfache tonlose spirans, sondern doppelte. Das hat auch Scherer beachtet (ebendas. p. 658). Zur erklärung aber nimmt er im inlaut nach vocalen eine andere art von zu gründe liegender tenuis an, als im anlaut und nach consonanten. Er meint, dass ii^ anlaut und nach consonanten die wirkliche tenuis gestanden habe, nach vocalen aber die physiologische aspirata, d.h. die tenuis, wie wir sie- im neuhochdeutschen sprechen, welcher in der tat ein hauch unmittelbar nachstürzt. Die erste gei dann zur aflfricata verschoben worden, die zweite ih, ph, kh, zu §Ä, /%, xh, woraus dann ^, ff, xL entstanden sei. Dieser ansieht kann ich mich nicht anschliessen. Es scheint mir zu gezwungen zwei verschiedene arten von tenues zu gründe zu legen, besonders da die auf germanischer lautstufe verhar- renden sprachen keinen solchen unterschied aufweisen; ein an- derer grund wird sich weiter unten ergeben; zunächst will ich darlegen, wie mir die sache zu erklären scheint.

Die tatsache steht also fest, dass wir im althochdeutschen in diesen fällen doppelte spirans haben. Im mittelhochdeutschen beweist die metrik auf das klarste, dass nach kurzen vocalen die doppelung vorhanden ist, während sie nach langen in der regel nicht mehr geschrieben wird. Aber im althochdeutschen wird sie auch nach langen vocalen sehr oft geschrieben, nur schwanken daselbst die bezeichnungsweisen bedeutend.*) Wo

*> Meist hat man allerdings die doppelte Schreibung nach langen vocalen im althocfadeiitschen för orthographischen misbranch gehalten (so noch Holtzmann in seiner altd. gr.). Das ist gegenüber der menge von

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ZUR KENNTNIS DES PRANKISCHEN. .49

wir aber im altdeutschen doppelconsonanten finden^ da sind sie etymologisch begründet und gewöhnlich durch assimilation ent- standet. Sie sind demgemäss auch als zwei consonanten ge- sprochen worden, so dass der eine zur vorhergehenden silbe, der zweite zur folgenden gehört, mit deutlicher pause zwischen den beiden silben. So sprechen bekanntlich die Italiener ihre doppelconsonanten, die ebenfalls etymologisch begründet sind: fat-to aus facto. Diess wird nur zu häufig von uns ausser acht gelassen, .die wir stets nach kurzem vocal zwei consonanten schreiben und gewöhnlich auch altdeutsche doppelconsonanten nach unserer weise aussprechen. Es ist aber althochdeutsch fuoZf^i == fuo^'^i, eZf^n = e^-^ariy släffan = släf-fan, $ahha = sach'cha (in mittelfränkischen Urkunden gewöhnlich geschrieben sachge, hrechgen etc.) Und diese sind entstanden durch assi- milation aus fUot'^ij et'^an, släp-fan, sak-cha, gerade mestim- ma s»\i& Stirn -na, guol'Uchain& guot-lich etc. Ich denke mir den Vorgang also so: die tenues werden zuerst aspiriert und daraus aflfriciert. Auf diese weise wird aus dem einfachen ein doppel- laut, dessen erster teil an das ende der ersten, dessen zweiter an den anfang der zweiten silbe tritt. Die tenuis assimiliert sich dann der folgenden spirans und wir haben so einen ety- mologisch begründeten wahren doppelconsonanten. Auf Sche- rers weise aber kann man nicht zu solcher doppelconsonanz gelangen. Denn die aspirierten tenues, wie er sie zu gründe legt, sind noch durchaus keine doppellaute, welche sich derge- stalt auf zwei silben spalten könnten. Denn der hauch stürzt dem explosivlaut ganz unmittelbar nach, und würde die so be- haftete tenuis auf einmal spirans, so dürfte wol der hauch ganz in der spirans aufgehen, nicht aber sich als selbständiger con- ßonant, wie Scherer will, der vor ihm stehenden spirans assi- milieren können.

beispielen natürlich unstatthaft^ wie es auch andererseits leicht begreiflich ist, dass nach langen vocalen bald die doppelung schwand und deshalb neben der doppelten auch schon früh die einfache Schreibung sich findet; der gleiche fall liegt vor bei der doppelung in werten wie hörrauj tüan etc., die ja eben so berechtigt ist. Dass an eine bloss orthographische doppelung nicht zu denken ist, zeigt am deutlichsten Isidor, welcher iminlaut die spirans z stets durch zss ßeizssan), im auslaut durch zs bezeichnet

Beitrl^ zur geschichte der deutschen spräche. I. 4

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Noch einen grund flihrt Scherer gege» den durchgang durch die affrioata an (ebend. p. 657), Er sagt: ^Wenn niederdeut- schem pp althochdeutsches pf^ niederdeutschem p althochdeut- sches ff entspricht, so kann das nicht hinterher wider so ein- gerichtet worden sein und anfänglich durchweg pf gestanden haben.*' Ganz gewis, wenn die Verschiebung des niederdeutschen pp mit der des p gleichzeitig entstanden wäre, so wären beide gleichmässig zu/?/ geworden und wären fortan gleichem schick- saleunterlegen. Aber wir haben ja gesehen, dass die Verschie- bung des pp erst in der zweiten schiebt eintrat, als die p der ersten schon durch pf hindurch nach ff übergegangen waren, von Vermischung kann also hier keine rede sein. Ebenso wenig kann das verschärfte k, dessen Verschiebung erst in dritter Schicht eintritt, mit der in erster schiebt entstandenen aflPri- cata von k, die dann in ch überging, zusammenfallen. Bei t würde aber, wenn die Verschiebung des anlautenden und ver- schärften t zu gleicher zeit mit der des t nach vocalen vor sich gegangen wäre, in der tat ein zusammentreffen des geschärften t mit dem einfachen in der affricata tz eingetreten sein. Wir werden hierdurch belehrt, dass der Vorgang in der 1. schiebt noch etwas genauer zu fassen ist, wodurch denn auch die Sym- metrie des ganzen wesentlich gewinnt: die Verschiebung der tenues begann damit, dass dieselben nach vocalen durch die aflfricata hindurch in die (doppelte) spirans übergingen. Zurück blieben also die tenues im anlaut und im inlaut nach conso- nanten und bei Verschärfungen ; diese zurückgebliebenen brachten es dann bloss bis zur affrication. Zuerst und Jener Verschie- bung auf demfusse folgte nach das t in den angegebenen fällen und erlangte noch dasselbe Verbreitungsgebiet, weshalb es denn auch der ersten schiebt füglich beigerechnet werden kann. Erst in zweiter linie folgte die affricierung des p, welches danji se- cundär in wenigen werten sogar noch eine spirans hervorbrachte. Zuletzt unterlag dann das k der affiricierung.

Doch wir waren bei der besprechung der zweiten schiebt stehen geblieben. Zu dieser ist noch die Verschiebung der den- tahttedia zu rechnen, deren Verbreitungsgebiet auch jener affri- rierung d«« p ziemlich gleichkommt. Dasselbe ist ausser Ober- deutschland hauptsächlich Ostfranken-Thüringen, nach dem süd- fränkischen teile Oberfranken^ ist sie nur in ausläufern gekom-

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men. Bei Tatian, der bedeutendsten älteren ostfränkischen quelle, ist i schon ganz durcligedrungen, doch gibt es immer noch eine anzahl fälle, wo noch d steht, die vollständige auf- zählung derselben bei Sievers p. 10. Auch aus andern ostfrän- kischen denkmälem führt Müllenhoff (p. XI.) einzelne alte d an z. b. aus der Würzburger beichte (d. 75. cf, p. 490, 7.) Später aber ist in Ostfranken das t allein herschend, es können dem* nach diese d nur nachzttgler der kurz vorher vollzogenen ver^ Schiebung sein. Von der Verschiebung der früheren ersten sfchicht treffen wir keine solche nachztigler.

Anders steht es nun in Südfranken. Wir haben gesfeheü, dasä duselbst die Verschiebung des dtat auch im 14 Jahrhun- dert nicht durchgedrungen war, wiewol neben dem d sich Schreibungen mit t fanden. So ist es auch schon in den älte- sten denkmälem, die wir dieser gegend zuweisen müssen. Zu- erst im Isidor. Daselbst herscht unverschobenes d allerding» weit vor, es heisst aber stets fatery rnuoter^ zweimal dhrato neben einem drado, got hat in der flexion meist ^, daneben aber auch nicht selten rf, die genetive gotes und godes kommen beide vor, auf derselben seite (25) steht der dat. gote und der instr. godu dicht bei einander, muotes und uharmuodic, deta und chiteda, (p. 41), ausserdem chideda. Im Ludwigsliede gode, dugidi, gideilder, giduot etc., aber auch ritariy liutin. In denaufteich- nungen der heutigen dialecte bei Firmenich aber wird für die- sen laut d geschrieben. Wenn man durch Firmeniohs Schrei- bung auch nicht über die natur des lautes belehrt wird, so geht das doch daraus hervor, dass es ein einheitlicher laut ist; dass er aber ein anderer laut war als die wirklich tönende media lehrt das schwanken in der Schreibung zwischen tenuis und media, das bei dem später aus ih entstandenen d nicht statt hat, welches also wenigstens im 14. Jahrhundert noch tönend gewesen sein muss. Es bleibt keine andere annähme übrig, als dass im südfränkischen das ursprüngliche d zur sogen, geflü- sterten media geworden sei, welche mit der media die articulation, mit der tenuis die tonlosigkeit gemein hat. Daher das schwan- ken in der bezeichnung. Ein solches schwanken findet sich nicht im südfränkischen des Otfrid, welcher im anlaut d^ im inlaut t schreibt. Es ist nun an und für sich nicht wahrschein- lich, dass sein schon ans alemannische grenzender dialect einen

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52 BRAUNE

unterschied in der behandlung desselben lautes im an- und in- laut gemacht habe, ein unterschied, den weder das nördlichere südfränkisch, noch das im Süden grenzende alemannisch kannte. Hier gibt uns das älteste Weissenburger denkmal, der kate- chismus (d. 56) aufschluss. Derselbe zeigt dasselbe schwanken zwischen d und t, nur mit entschiedener neigung zum t^ ich habe 25 alte d, dagegen 88 t gezählt. Von einem unterschiede zwischen an- und inlaut aber ist keine spur. Daselbst steht ardeilmne (48), citdlmte (56) tootem (47), doodem (49) guodes (22), mmtü (31) MdU (24), bitit (33) gidago (19), giterian (30) u. s. w. Ich schliesse daraus, dass auch der Weissen- burger dialekt die geflüsterte media hatte, nur schon mit etwas mehr annäherung an die wirkliche tenuis. Es ist also auch ganz unglaublich, dass der spätere Otfrid auf einmal wider im anlaut so sauber die media gehabt habe, im inlaut aber überall die tenuis. Ich stimme daher Paul bei (mdh. Schriftsprache p. 26), wenn er diess für eine willkürliche regel Otfrids hält Und es ist in der tat leicht zu denken, dass Otfrid, zu dessen zeit die tönende Spirans th nur noch im anlaute vorhanden war, mit dieser correspondierend immer die media schrieb. Dagegen im inlaut, wo er durch den Übergang des th eine wirklich tönende media bekommen hatte, setzte er für jenen zwischenlaut das zeichen t Noch zur zeit des Weissenburger katechismus hätte eine solche correspondenz des anlautenden d und th nicht her- gestellt werden können, da damals das th auch noch im Inlaute überwiegend gebraucht wurde. Endlich zeigen auch noch die von Otfrid vorder evangelienharmonie geschriebenen Urkunden, aus denen MüUenhoflF p. XV. namen wie hiltibodo, uodo anführt, dass sich Otfrid seine orthographische regel erst gemacht hat, als er sein gedieht begann.

In die dritte schiebt der lautverschiebung gehören nun die affricierungen des k und die Verschiebungen, welche die beiden andern medien erleiden. Diese Verschiebung als die letzte hatte nicht die kraft, weiter als über Oberdeutschland sich aus- zubreiten.

In Oberdeutschland liegt die lautverschiebung in allen drei schichten vor unsern denkmälern, in Franken die erste auch ganz, die zweite aber können wir daselbst wenigstens teilweise in unsern ältesten denkmälern als eben in der Vollendung be-

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 53

griffen sehen, die dritte würden wir, wenn sie bis dahin ge- drungen wäre, wahrscheinlich in ihrem verlaufe beobachten können, Mit diesen erscheinungen ist die speciell hochdeut- sche lautverschiebung abgeschlossen.

Der Vorgang, den wir nun zu besprechen haben, nämlich der Übergang der medialen spirans th in die media d kann keine specifisch hochdeutsche genannt werden. Allerdings nimmt auch diese lautbewegung von Oberdeutschland ihren anfang, rückt aber von da vorwärts bis über die hochdeutschen grenzen hinaus und verbreitet sich auch über ganz Niedersachsen und Niederfranken. Und diese bewegung als die letzte hat so spät begonnen, dass wir selbst in Oberdeutschland noch ihre letzten Stadien, in Franken aber ihren ganzen verlauf beobachten können. Denn wir haben in den ältesten oberdeutschen denkmälem, weniger in bairischen, aber desto mehr in alemannischen zahl- reiche beispieie des alten unverschobenen th. In den keroni- schen glossen sind sie noch sehr häufig, desgleichen in den hymnen und den glossen des Junius. Daneben stehen aber auch schon die neuen d, bis sie denn mit dem ende des achten Jahr- hunderts so ziemlich ganz geschwunden und durch d verdrängt sind. Merkwürdig ist nur die diesen oberdeutschen unverscho- benen th gewöhnlich zu teil gewordene verkennung, die doch wol nur darin ihren grund findet, dass man die Verschiebung des th um jeden preis als den anstoss zur hochdeutschen laut- verschiebung ansehen wollte. Scherer als der erste, welcher das spätere eintreten der Verschiebung des th betont hat, wird wahrscheinlich auch die oberdeutschen th richtiger beurteilt haben, aber ausgesprochen finde ich es bei ihm auch nicht. Wein- hold führt zahlreiche beispieie für „/ä, dh statt d^ an, hält sie aber für willkürlichkeit der Schreiber und stellt sie mit dem th aus t in eine reihe, welches seit dem 14. Jahrhundert häufig auftritt (in thun etc.). Aber auch dieses wird man nicht für Willkür, sondern flir genauigkeit der Schreiber halten müssen, welche die, wie wir daraus sehen, schon zu jener zeit aspirierte tenuis dadurch wider zu geben suchten. (Alemann. gr. § 170. 173. 179. 181, bair. gr, § 144). Man wird aber zu diesem „falschlich statt d geschriebenen th^ bei Weinhold stets die be- merkung finden: „nur in alten den ältesten quellen." Dadurch tritt denn gleich die sache in das rechte licht, Holtz-

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mann (altd. gr. p. 281. flf.) hilft Bich anders Über die mislics- bigen th hinweg, indem er für sämmtliche sie enthaltende alte denkmäler fränkische vorläge annimmt. So müssen denn die keronischen glossen, ßa, Pa, die hymnen („sonst ein streng oberdeutsches denkmal"), die exhortatio (hs. B.), Gloss. Jun., St. Galler patemoster und credo alle aus fränkischer vorläge ge- flossen sein. Nur bei den „rein alamannischen glossen Eb** wird auch Holtzmann bedenklich. „In diesem denkmal kann man nicht wol an fränkische vorläge denken, eher ist ein schwacher einfluss der fränkischen hofsprache anzunehmen." Wie nichtig es um diese fränkischen vorlagen bestellt ist sehen wir, wenn wir eins jener stücke genauer betrachten, z. b. das St. Galler patemoster und credo (d. 67), das wol schon aus der späteren zeit des 8. Jahrhunderts stammt. Wir finden daselbst bereits 9 neue d, aber auch 3 alte th: ihu, dhana, kemeinitha. Nun hat dieses denkmal durchweg die Verschiebungen der drit- ten Schicht; man mtiste aber erwarten, dass der Schreiber, der von 12 fränkischen th 3 aus versehen stehen liess, von den 23 fränkischen g etwa 6 habe stehen lassen, aber nein, wir haben ausnahmslos alle 23 k und das genügt wol um die fiction einer fränkischen vorläge zurückzuweisen.

Geht also in Oberdeutschland das th in der zweiten hälfte des 8. Jahrhunderts in d über, so werden wir es hur der con- tinuität der bewegung angemessen finden, wenn in Ostfranken dieser Vorgang ins 9. Jahrhundert fällt. Imanfang des 9. Jahr- hunderts war in Ostfranken das th noch an- und inlautend vor- handen, wie wir aus der ostfr. lex. salica (d. nr. 65) ersehen; der ca. um ein halbes Jahrhundert spätere Tatian hat es noch im anlaut, doch finden sich auch wenige (5) nachzügler im In- laut (cf. Sievers p. 11), in der Würzburger beichte aber (d. 75), welche ungefähr aus dem ende des 9. Jahrhunderts herrührt, *st auch das th im anlaut ganz verschwunden, desgleichen in den späteren bamberger stücken (d. 30. 81. 91). Es ist also nicht zutreffend, wenn man das th im anlaut als merkmal des ostfränkischen dialects ansieht, da man nur sagen darf, dass zur zeit des Tatian in Ostfranken das th bloss noch im anlaut bestand.

Etwas später erst verschwindet das th in Südfranken. Dass es bei Isidor noch vorhanden ist, ist ganz natürlich, da

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ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 55

e& zur sdben zeit in Oberdeutsciüand erst im schwinden war« Im neunten Jahrhundert beginnt aber auch hier der tibergang in dL Im Weissenburger catechismus z. b. ist das th noch in kraft^ desgleichen in d^ Strassburger eiden, im Ludwigsliede ist es im inlaute schon im schwinden (pruoder 8^ Haan 11 o*a.)^ in der Mainzer beichte (aus dem 10. Jahrhundert d. 74) ist der bestand ungefähr derselbe, wie in Alamannien 2ur zeit des St Galler pateriL Daselbst finden sich nur noch 9 alte th z.b< thaz, tMabu, thir, aber das regelmässige ist schon di daz, dir etc. Im laufe des 10. Jahrhunderts wird dann das th auch in Südfranken vollständig yerschwunden sein.

Etwas eher schon als in der Mainzer gegend ist das ih im Weissenburger dialect geschwunden. Im catechismus ist es, wie schon bemerkt, auch noch im inlaute regel, wiewol schon da verschiedene d vorkommen, bei Otfrid aber ist th bekanntlich im anlaute immer, im inlaute nur in seltenen ausnahmen vor- handen, während es in den weiter nach norden zu gelegene)) sädfränjkischen gegenden zur selben zeit auch noch inlautend bestand. Es hat demnach den anschein, als sei die tönende Spirans th in der regel zuerst im inlaut in d übergegangen."^) Man könnte nun zwar bei Otfrid auch hier orthographische regelung annehmen wollen, doch wird diess durch die ana-^ logie desTatian, der von so verschiedenen Schreibern herrührt^ verboten.

Widerum später als in Oberfranken ist die wandelung des Üi in d in Mittelfranken und im nördlichsten teile Mitteldeutsch* lands eingetreten. Für Mittelfranken haben wir für da» A Jahrhundert th durch das capitulare bezeugt, für die folgenden Jahrhunderte, auf die es uns in diesem punkte besonders an* kommt ^ sind wir leider ohne denkmäler und lediglich auf die nameu in den Urkunden angewiesen. Diese machen aber eine

*) XhuTB das ^^ für dias }a auch oft dh gesehrieben wird, i^tets einen tönenlen \m.t bezeicbne, wird wol niemand in abrede stellen wollen. Isidor hat bekanntlich übersUI dh und schon das beweist genugsam, dass die spätem th nur eine andere Schreibung desselben lautes repräsentieren. Dass aber das th, gleich dein heutigen engl, th, spirans (reibelaut) und nicht etwa tenufs aspirata war, beweist hinlänglich schon der umstand, dass im altsächs. (ags. altfries. altn.) vor den Spiranten s^ f, th O?) aus- fall des » eintritt.

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56 BKÄÜNE

genauere einsieht insofern schwieriger, als gerade in solchen eigennamen oft die alte Schreibung conserviert wird. -^ Die Schreibung -thorp ist in den Urkunden des 10. Jahrhunderts noch sehr häufig z. b. Walathorp L. I. 88 a. 927 Iminethorp 102 a. 948, 111. a. 970, daneben aber Rumundorp 105 a. 962 Zudmdorp 146 a. 1009. 102 a. 948 steht Thiedenhovin, aber 221 a. 1075 Diodericho 164 a. 1028 findet sich copeleweide und im 11. Jahrhundert kann d als durchgedrungen gelten, wenn- gleich noch vereinzelte -thorp daneben vorkommen, z. b. 211 a. 1068 etc. Ja sogar noch 1117 (nr. 284) lesen wir Nithirindorp. Im allgemeinen kann man danach wol annehmen, dass im 10. Jahrhundert auch in Köln der umsatz des th in J erfolgt sei.

In den nördlichen gegenden Mitteldeutschlands scheint sich die alte spirans noch länger als in Köln gehalten zu haben: in dem liede de Heinrico, also in der mitte des 10. Jahrhun- derts, ist sie noch vorhanden; ja sogar auch noch in der mitte des 11., aus welcher zeit die Leidener hs. des Williram rührt, welche sowol an- als inlautend th schreibt. Wann nun die Wandlung hier, in Niedersachsen und in Niederfranken stattge- funden habe, weiss ich im einzelnen nicht genauer anzugeben, doch wird wol im allgemeinen das 12. Jahrhundert als grenz- punkt anzunehmen sein. In Bremen freilich erscheint noch 1303 dh (statuta Bremensia nach den citaten immnd. wb. z b.p. 179. 188.217.221.231 etc.), während es zur selben zeit in den meisten niederdeutschen gegenden schon geschwunden war. Auch in den ältesten mndl. denkmälern herscht schon d statt der frü- heren Spirans.

Jedenfalls aber ist die continuität dieser bewegung anzu- erkennen, welche von Oberdeutschland im 8. Jahrhundert aus- gehend in allmählichem weiterschreiten mehi^ere Jahrhunderte brauchte, bis sie das ganze ihr zustehende gebiet durchlief. Insbesondere jedoch muss die ansieht ganz unhaltbar erscheinen, welche die Verschiebung des th zu d zum anlasse der hoch- deutschen lautverschiebung macht, da wie wir gesehen, die er- stere überall später als die letztere erfolgt.

LEIPZIG. WILHELM BRAUNE.

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ÜBEESICHT DER NEUANGELSÄCHSISCHEN SPRACHDENKMÄLER.

Jtlickes ist der erste gelehrte gewesen, welcher es versuchte eine historische grammatik des englischen bis etwa zum jähre 1200 zu schreiben. 1) Er teilt die spräche vom einfalle der Angelsachsen bis zur genannten zeit in drei perioden:^)

1. Die erste nennt er britannisch -sächsische periode, die spräche lingua Britanno-Saxonica oder auch purior Saxonica.

Von denkmälem führt er daraus nur die bei Alfred er- haltnen zeilen Cädmons an. 3)

2. Mit den am ende des 8. Jahrhunderts häufiger wer- denden einfallen der Dänen beginnt dann die zweite periode, die dänisch-sächsische und dauert bis zur eroberung durch die Normannen.

In diese zeit fallen also alle damals bekannten angelsäch- sischen denkmäler.

3. Der dritte Zeitabschnitt ist dann der normanno-dano- sächsische.

In dieser periode gehen nach Hickes^) zwei dialecte neben einander, die lingua Semi- Saxonica, welche dem anglo-säch-

*) Vgl. Hickesii thesaurus linguanun ßeptentrionalimn. Oxford 1705. 3bde.

2) a. a. o. I. pag, 87. cap. 19.

3) Es sind natürlich die bei Alfred in seiner Übersetzung des Beda IV, 24 angeführten zeilen gemeint, die beginnen:

Nu ve sceolon h§rjan heofonrices veard, metodes mihte and his mödgeponc nicht die notdhombrisch abgefassten:

Nu scylun hergan hefaenricsBS vard metndsBS maecti end his modgidanc. *) Vgl. Hickes cap. 22 p. 134 u. 146.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. J, 0

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58 WÜLCKER

ßisch des zweiten abschnittes und die lingua Anglo-Normannica vel Normanno-Saxonica, welche dem anglo-dänisch entspricht.

Wie Hickes den ausdruck Semi-Saxon verstanden wissen will, sagt er selbst deutlich: Quemadmodum enim vinum ace- scens, nondum tarnen in acetum conversum, semivinum vel semi- acetum dici usu adprobante possit; sie australium nostrorum Saxonum medium illum vel ad medium aecedentem sermonem Semi-Saxonicum et, siusus vellet, Semi-Anglicum haud absurde nuncupandum esse judicamus. Auf diese periode folgt bei Hickes dann die englische spräche.

Warton behält die selbe einteilung bei und erklärt vom Semi-Saxon oder Norman-Saxon:^) it formed a language extre- mely barbarous, irregulär and intractable; and consequently pro- mises no very striking specimens inany species of composition. Its substance was the Danish Saxon, adulterated with french. ^)

Grimm erkannte mit scharfem blicke, dass die einteilung von Hickes unhaltbar, doch da er einsah, dass nur jemand, der die ags. mss. vor äugen hätte, eine wirklich haltbare auf- Stellung geben könne, gab er die angelsächsische laut- und for- menlehre und schloss daran das mittel- und neuenglische,'') ohne eine genauere Scheidung zu versuchen.

Wright teilt in Anglo-Saxon and Anglo-Norman period ein®). Bei letzterer finden sich ausser Schriftstellern, welche latein

*) Warten, history of Englißh poetry from the cloise of the 1 !***»• cen- twty to th€ oomowHcenentof l^e 18<^ eentnry. London 1840. I.bd. p. 1 o. ff. Die erste ausgäbe davon erschien 1774.

ö) W. scWiesst diese periode nrit dem tode Heinrichs 11. (1189). Er setzt hinein ausser den werken, welche man gewöhnlich in die zeit von ItÖO-^ii^ öetist, (siehe unten) die jüngere Marherete, heiligenleben, die weit später anzusetzen sind, the land of Cokaygne, dann Volkslieder, i0rie 6aiD^r f s ieamen in, Blow northeme wind u. a.^ ebeAlnBs Hom «hild. Vom wirklichen alter dieser lieder hat er gar kein Verständnis. Maddea hat ihm in anmerkungen seine fehler nachgewiesen und so liest j^tzt der le^er gaUae seiten bei Warton, um dann in den anmerkuigieii «i erfah- ren, dass aUes gelesene durchaus mnrichtig ist. Warum setzen so treff- liche gelehrte, wie Madden, niefat eine unzeitige piei£t gegen Warton bei Seite und arbeiten den text des buohes einiial gründlich um, statt die berichtigungen in anmerkungen, oft in anmerkungen an anmerkiiA^pen zu bringen!

7) Grimm gramm. I, 222 und 506. Das mitt^ngligche gibt Grimm leider nur nach Tristrem, Alisaundre und Chaucer, es üeas «ich natürlich

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NEüANGELSACHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 59

Bchrieben^ sowol diejenigen, welche Bich des normannisch-fran- zösischen, als die, welche sich des (neu-) angelsächsischen bedienten. »)

Latham hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, wie wenig doch eigentlich das normannisch-französische auf die angelsäch- sische spräche eingewirkt hat. i®) Er führt aus, wie das angel- sächsische nach natürlichem gesetze sinken muste, auch ohne die normannische eroberung und tritt so gegen die auf, welche behaupten wollen, das abschleifen der endungen, das abschwä- chen der vollen vocale und ähnliches sei durch die fremden ge- konmien« Madden in seiner trefflichen einleitung zu La^amon folgt Latham und stellt seit der normannischen eroberung fol- gende Perioden aufr^^)

1100 1230 Semi-Saxon. 1230 1330 Early English. 1330 1600 Middle English. 1500 1600 Later English

Im allgemeinen ist diese art der einteilung jetzt überall angenommen. Zweifel herscht über die letzte periode, die meist schon zum neuenglisch gerechnet wird. Ebenso kann man über 1100 als beginn des Semi-Saxon streiten, allein diese aufstel- lungen sind ja alle nur ungefähr und überall gibt es hier tibei^änge, die man zur früheren oder späteren periode zäh- len kann.

Koch hat ebenfalls diese einteilung, welche Madden machte, angenommen, doch weist er mit recht den eigentümlich gewählten namen halbsächsisch (den Mätzner beibehalten hat i^) zurück. *^)

nadh diesen quellen^ welche zeitlich und örtlich so sehr auseinander liegen, keine einheitliche darstellung der spräche erzielen.

*) Vgl. Wright Biographia Britannica Literaria. L the Anglo-Saxon period. II. the Anglo-Norman period.

») Ebend. II» bd. Hier findet sich neben Wace, Turold (d. h. also dem dichter des Rolandliedes), Philipp de Thaun, Wilhelm yon Malmes- bnry, Geryasius von Tilbury, als endlieh Lajamon, Gnu uud Nicholas de Guildford (als dichter der enle und nachtigal *" s. unten).

^) Latham, the English Language. London 184t. pag. 61. ff.

^^> Madden in der ausgäbe des Lagamon (vgl. unten) pag. VI.

*') Matzner in seiner englischen grammatik p. 6.

''j Eooh in seiner historischen grammatik der englischen spräche p^g. 8.

5*

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60 WÜLCKER

Nacli wie vor ist die flexion der verba und nomina durchaus angelsächsisch, die romanischen bestandteile. des Wortschatzes sind vollkommen germanisiert, Semi-Saxon aber könnte leicht vermuten lassen, die spräche von 1100 1230 sei eigentlich kein angelsächsisch mehr. Koch führt die bezeichnung neu- an gel- sächsisch ein und ihm ist aus obigen gründen entschieden beizustimmen.

In der nun folgenden zeit wird der verlust der Normandie unter Johann für die entwicklung der englischen spräche wichtig, fast noch wichtiger aber das von Heinrich IIL und Ludwig IX. gegebne gesetz, dass kein edler zugleich in England und in der Normandie land besitzen dürfe. Hierdurch hörte der zuzug nor- mannisch sprechender barone auf. Die folgen dieser ereignisse zeigten sich natürlich nicht sofort. Zum glücke für das ger- manische Clement brach bald grosse Unzufriedenheit unter den normannischen grossen mit der regierung Heinrichs aus. Es musten sich nun die Normannen, um mit erfolg den kämpf mit dem könige auftiehmen zu können, auf das angelsächsisch redende volk stützen. Der hass zwischen Norjnannen und Angelsachsen wurde aufgehoben und das germanische und ro- manische Sprachelement im englischen i^) ausgeglichen.

") Über den namen „englisch" sei hier eine bemerkung vergönnt. Mätzner sagt a.a.O. pag. 6: „Der bildung der englischen spräche geht eine Übergangsepoche, die des halbsächsischen Toran die spräche nennt sich allerdings schon englisch." Zum belege wird dann angeführt: Orm Ded. V.322.

Jcc ]7att tis Ennglissh hafe sett

Ennglisshe menn to lare. Es Hessen sich aus Orm noch viele stellen dafür anfuhren Ded. v. 109, 113, 147, 157, 306, 317,' 331 u. a. Bei La^. heisst es v. 31: He nom pst, Englisca boc, }7a makede Seint Beda. Weiter findet sich in Juliane , dass der Verfasser sein werk „of Latin itumd to Englische leode" nennt (vgl. unten). Ebenso S. Marh. pag. 23: iJ7e mone?$ J^et on ure iledene is ald englisch efterlit5 inempnet. Doch schon altags. haben wir belege: in der Übersetzung des ev. Nie. (Thwaites gab es heraus) wird z. b. cap. XXI gesagt: ToUite portas prin- cipes vestras etc. tJät biÖ on Englisc. Dies werk stammt wol a^s der 1. hälfte des 11. jh. Älfric in seiner Übersetzung der Genesis (Grein, ags. prosa I, 22): \fn baede me, }?ät ic sceolde ävendan of Lödene on Englisc psk böc Genesis. Auch sonst nennt er seine spräche Englisc p. 6, 7, 15 ebend. Doch schon früher überträgt Alfred in Beda stets

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NEüANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 61

Die haupteinwirkungen des romanischen auf das angel- sächsische sind:

In der declination des plurals bewirkt das normanische, dass man beim mascul. die starke endung auf es beibehielt, die ursprünglich sw. masc, aber mit dieser endung versah, ebenso den femininen und neutren, mit wenigen ausnahmen, diese plu- ralendung gab. Im sing, blieb hingegen das deutsche genitiv-* und drang auch in das femininum vor. Die beugung der ad- jective ist noch heutigen tages deutsch. Nur ist vielleicht das verstummen des flexivischen e romanischem einflusse zuzu- schreiben.

Durchaus deutsch blieben femer Zeitwert, ftirwort und Zahl- wort. Ebenso der grösteteil der adverbien und praepositionen.

Der haupteinfluss des französischen zeigt sich in den lauten, vor allem in den gutturalen, und besonders in dem wortvorrate.

Die zeit nun, wo sich das germanische mit dem romani- schen auszugleichen sucht, also die periode von c. 1240 1517, teilt man gewöhnlich in zwei abteilungen, in die altenglische (-1330 nach Madden) und in die mittelenglische (-1500). Der unterschied zwischen beiden ist nicht so leicht festzustellen. Doch setzen wir 1350, nicht 1330, als anfang der mittelenglischen zeit, so zeigt sich doch eine grosse Verschiedenheit. Die dichter der altenglischen zeit schreiben ihre heimischen dialeete, Robert von Glocester im südwestdialect, Robert Mannyng im Lincoln- dialect, Wilhelm von Shoreham, Dan Michel im Kentdialect, Richard Rolle de Hampole und Lorenz Minot in nordenglischer spräche.

Hingegen in der mittelenglischen periode suchen die Schrift- steller, wenigstens die bedeutendsten, durch aufgeben eines teiles ihrer dialectischen eigentümlichkeiten sich allen Engländern ver- ständlich zu machen. Allerdings ist auch nicht aus dem äuge zulassen, dass Langley, i^) der Verfasser der visions conceming Piers the Plowman, in Shrop, Chaucer, Gower, Lidgate, in Kent lebten, Wycliflfe hingegen, obgleich in Yorkshire geboren, Trevisa,

Saxonica lingna: on oder in Englisc, ebenso praef. znr Übersetzung des Beda.

*5) Dass der Verfasser dieser schrift Langley, nicht Langland hiess, hat Pearson bewiesen. North British Review 1871 p. 241—245 und Early Engl. Text Soc. 7. Report of the Committee (February 1871) p. 8.

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62 WÜLCKER

dier ühersetzer des Higdenschen werkes, der aus Cornwales stammt, wenigstens sich längere zeit in London und Oxford aufhielten und so alle mehr oder weniger in der spräche von Kent und von Mittelengland schrieben.

Die spräche ist allerdings auch in der mittelenglisehen Periode noch weit entfernt zu einer voHkommnen einheit ge- langt zu sein und erst den geisteshelden des 16. und 17. Jahr- hunderts gelang es, hier durchgreifend einzuschreiten und so die zeit, welche wir die neuenglische nennen, heranzuführen.

Koßh und Mätzner haben in ihren grammatiken das neu- angelsächsische nach seinem bedeutendsten poetischen denkmale, dein Brut des Lägamon, dargestellt Ihm gegenüber wird dann, als Vertreter des nordhumbrischen, die homiliensammlung Orms gesetzt. 1^)

Doch seit erscheinen dieser grammatiken haben englische gelehrte eifrig durch herausgäbe von texten und auch von gram- matischen arbeiten die kenntnis des neu -angelsächsischen ge- fördert. Es sind hier drei namen zu nennen: James Morton, Oswald Cockayne und Eichard Morris. Durch ihre veröflFent- lichungen hat sich die kenntnis des nags. sehr erweitert und die angaben, welche Koch macht, bedürfen öfters sehr der er- gänzung. ")

Selbstverständlich soll daraus Koch durchaus kein Vorwurf gemacht werden. Er hat mit den mittein, welche ihm geboten

") hg. sind die homilien : The Onnulum, now first ed. from the Bod- leian ms. by Robert Meadows White. 2 bde. Oxford 1852. Schon Hickes (oder besser Wanley) hat nachricht darüber gegeben.

") Um hier nur eins anzuführen, ist über*den gebrauch des dual» der pronomina im nags., also zu Koch pag. 467 § 161, viel nachzutragen. Orm verbindet den dual des pron. häufig mit twa oder ba z. b. Ded. 6: Witt ba, 8655 witt bal7e, x^inac baj7e 4495, jitt baj^e 6206, 6247 etc. Doch ohne weitere zufUgung steht der dual der pron. pers. Ded. 73, Hom. 201, 202, 4498, 12362, 12363, 13012, 13014, 13020, 6242, 8663 u. a. Einzelne dualformen finden sich noch während der ganzen nags. zeit z. b. H* Meidenh. ine p. 11; inker 31. 0. a. N. unker 552, 151, 993 , 1689, 1780, 1782, 1783. hunke (= junnc bei Orm) 1733. Diese letzte form zeigt sowol Calig. A. IX als ms. Jes. Coli. Arch. I, 29. Stratmann ändert ganz falsch und willkürlich in unk, er miskennt form und sinn. Mätzner hat sie richtig erklärt, sprachpr. I, 1 pag. 48. Unk ist ganz sinnlos, denn den vers 1733 spricht der zaunkönig ((^e wrenne) und unter: hunke ist natürlich eule und nachtigal zu verstehen.

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NEÜANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 63

waren^ so bedeutendes geleistet, dass jeder, der fernerhin fiber englische spräche arbeiten wird^ sich an Eoch anschliessen muss.

Lagamons chronik ist nach wie vor das bedeutendste werk aus der nags. zeit geblieben, doch ihm an dieseite ist ein pro- saisches werk getreten, ]?e Ancren Riwle, das sprachliolx nicht weniger interessant ist, als Lagamon. Sachlich allerdings haben viele der anzuführenden Schriften wenig bedeutung.

Es scheint, dass nach der eroberung Englands durch die Normannen die angelsächsische nation längere zeit keinen schriftsteiler hervorgebracht hat. Will man nicht die fortsetzung der Sachsenchronik oder vielleicht einige homilien hierher setzeu so finden wir, abgesehen von Urkunden, in den ersten siebzig Jahren des 12. Jahrhunderts keinen rest der ags. spräche. Am hofe blühte französische poesie, die angelsächsischen grossen, welche vorher die dichtung begünstigt hatten, waren unterdrückt oder irrten als verbannte in Nordengland umher, selbst in den klöstem wurde das angelsächsische element in jeder weise un- terdrückt, das Volk aber mag sich, wie dies immer bei unter- drückten Völkern geht, lieber am rühme der vorzeit erfreut und den alten heldenliedem gelauscht, als neues gedichtet haben.

Erst am ausgange des 12. Jahrhunderts lassen sich wieder literarische produkte feststellen.

Vor Lajamon ist vielleicht noch zu setzen:

I. Seinte Marherete J>e meiden ant martyr^®) Das leben der Margarete zu bearbeiten scheint im M. A. sehr beliebt gewesen zu sein. Ausser den verschiednen deutschen und fran- zösischen Übertragungen besitzen wir auch eine alt- angelsäch- sische, i^) Das nun hier anzuführende leben der Marg. ist in alliteration geseihrieben und darf noch in das zwölfte Jahrhun- dert gesetzt werden; Cockayne aber nimmt sicher eine zu frühe zeit an. ^o) Erhalten ist es uns in zwei hss. Die eine aus dem

**) Hg. von Oswald Cockayne: Seinte Marherete the meiden ant martyr. London 1866. Early Engl. Text Society No. 13.

**) Hg. von 0. Cockayne in Narratinnoulae Anglice conscriptae.

^) Cockayne sagt in der ausgäbe der Marherete; pag. VI; Sir F. Madden (Lagamon III p. 350 dies 30II heissen i 359) has stated that the piece (viz. the life of Margaret) was probably composed about 1200 a. d., and as it seems in some respects a few years older than the priü"

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64 WÜLCKER

anfange des 13. Jahrhundert ist Oxf. BodL No. 34., die andre Brit. Mus. Reg. Ms. 17 A 27 (foL 37—56 enthalten das leben). Diese hs. ist etwa 1230 entstanden. 21)

IL The proverbs of King Alfred. 22)

Gleichzeitig oder etwas früher als Lagamon ist eine Samm- lung von denksprüchen und sprüchwörtem, welche sämmtlich

ted earlier text of Layamon, itwill be as well to acquiesce in that opinion. Sir| Frederic is well able to maintain any opinion he forms, but if com- pared with the text of the last entries in the Chronicle written soon after 1154 and before 1177, the language of St. Marherete might be put thirty or forty years earlier. Cockayne nimmt also etwa 1165 an. Besser ist es wol mit Madden das ende des 12. jh. für die entstehung an- zusetzen.

^0 Vgl. Morris: Old English homilies and homiletic treatises of the 12th. and 13*^. centuries ed. by Rieh. Morris. First series. part. I Earl. Engl. T. Sog. No. 29. London 1869 pag. IX.

22) Zwei hss. sind uns davon erhalten; Ms. Trin. Coli. Camb. B. 14, 30 aus dem anfange des 13. jh. und Ms. Coli. Jes. Oxf. I, 29, abgedruckt in den Keliquiae Antiquae ed. by Wright and Halliwelll, 171 ff. Eine dritte hs. Galba A, XTX ging bei dem brande der Cottoniana verlören. Wanley bei Hickes gibt die ersten z eilen I, pag. 231. Diese hs. gehörte zu einer gruppe mit dem Jes. Coli. ms. Man vergleiche

At Sifforde

seten )?eines manie

feie biscopes

feie boclered

erles prüde

cnihtes egieche

J7er was erl Alfrich

of the läge swuj^e wis

ec Alfrede

Engle hirde

Engle derling

on Engelonde he was king

hem he gan laren

swo hi heren mihten

hu hi here lif

leden scolden

Alfred he was on Engelond

a king wel swit5e strong

he was king and clerc

wel he luvede godes werc u. s. w. Der schluss der hs. ist leider nicht angegeben.

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NEUANGELSÄCHSISCHE SPEACHDENKMÄLEE. 65

beginnen; „]?us que]? Alfred. *" und am anfange wird ausdrück- lich der könig Alfred genannt.

In welchem zusammenhange diese Sprichwörter mit La jamon stehen, ist noch zu untersuchen.

So finden sich (p. 185.) die zeilen:

And hweder so J>u hwendes, sei J>u aten ende: wrj>e J>at iwurj>e iwurj?e Godes wille und Lagamon schliesst seinen Brut

iwuröe J>et iwurÖe iwuröe Godes wille. 2») Ebenso beruft sich im gedichte „eule und nachtigal" sowol die letztere als .die eule häufig auf Alfreds Sprüche. ^4) Aller- dings können darunter auch alt-angelsächsische gemeint sein. IIL La^amons Brut. 25)

Erhalten ist uns das werk in zwei bearbeitungen, die ältere bearbeitung im Ms. Brit. Mus. Cott. Caligula A IX, hs. aus dem anfange des 13. Jahrhunderts (nach Madden). fol. 1 192 enthalten die dichtung. Die andre bearbeitung ist aus dem ende des 13. Jahrhunderts und bedeutend verkürzt. Sie ist Cott. Otho C XIII. Durch den brand, Oktober 1731, hat sie bedeutend gelitten.

Wir wissen über La^amons leben nur das, was er uns selbst darüber angibt v. 1 8.

An preost wes on leoden Lagamon wes ihoten, he wes LeovenaÖes sone:

^) Vgl. Lag. ed. Madden III, 297. Oder bezieht sich die anm. zu V. 32235: „added by a later band in the margin" auf den ganzen schluss und wären dann die schlusszeilen später zugefügt? Dies ist unglaublich nach dem, wie Wanley bei Hickes III, 228 den schluss gibt:

And I?as (leode) )?at nevere geoÖtSen maere kinges neoren here t5a jet ne com )7et ilke daei beo hednne vorÖ alse hit mei. JwurtJe godes wille. Amen. Wanley hat hier nur „leode" eingeklammert, doch gibt er allerdings gerade unsre stelle anders.

2*) Vgl. 0. a. N. V. 235, 294, 299, 349 u. a. a. o.

^) Lajamons Brut or chronicle of Britain, a poetical Semi-Saxon Paraphrase of the Brut of Wace. 3 bde. London 1847. Hier sind beide hss. abgedruckt.

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68 WOlCKER

liÖe him beo drillten.

he wonede at Endeje

at sßt^elen are chirechen

uppen Sevarne 8taJ>e,

sei pSLT Um puhbd.

on fest Badestone^

peT he bock radde. Madden hat gezeigt, dass dieses Ernley dasjenige sei, wel- ches in Worcester, nicht das, welches in Staflford, liegt. 2«) Lag. führt Beda, Albinus und Augustinus, endlich Wace als quellen an. Letzteren hat er zu gründe gelegt, Beda hat er nur ein- mal nachweislich benutzt, 2'') wie Madden schon ausgeführt hat, die anderen gar nicht. Doch Wace ist nichts weniger, als wört- lich übersetzt, Lagamon hat sehr erweitert, vjor allem hat er viele ortssagen und legenden aufgenommen und besonders die Artussage mit vielen zügen bereichert, die sich auch nicht bei Gotfried von Monmouth finden. 28)

Über die zeit der abfassung hat Madden scharfsinnig aus dbn dürftigen angaben festgestellt, dass in den ersten jähren de» 13. Jahrhunderts das werk noch nicht vollendet war, dass es aber vor 1206 abgeschlossen wurde. Da aber ein so grosses gedieht jahrelangen fleisses bedurfte, gewinnen wir das ende

26) Madden, preface X.

27) Lag. sagt V. 31 ff. von sich:

He nom pa, Englisca boc,

]7a makede seint Beda.

an o]7er he nom on Latin,

pe makede seinte Albin

and ]7e feire Austin,

pe fnlluht broute hider in.

boc he nom }?e }?ridde,

leide }?er amidden,

]7a makede a Frenchis clerc,

Wace wes ihoten. Über Austin u. Albin vgl. Madden XII. Dass Wace seine hauptquelle war, deutet Lagamon selbst durch das „amidden" an.

28) Es ist dies ein beweis, dass noch andre quellen für die gesehichte Arturs in England existierten, als Grotfried von Monmouth. Sonst wäre auch schwer das plötzliche emportauchen der vielen Artussagen im 1 2. jh. zu erklären.

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NEÜANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 67

des 12. und den anfang des 13. Jahrhunderts f&r die zeit der abfassung. 2»)

Die alliteration waltet vor, doch finden sich auch assonan* zen und selbst reime.

lY. Etwas später als das leben der heiligen Margarethe sind zwei andre heiligenleben anzusetzen, die wol am anfange des 13. Jahrhunderts abgefasst wurden.

Seinte Katherine.»«)

Es ist uns in drei hss. erhalten. 1. Bodl. No. 34 (früher NE. 3, XL) aus der zeit Johanns oder Heinrichs III. ^i) be- ginnt: Constantin ant Maxence were on a time as i keiseres stude hebest i Bome, ah Constantin ferde ]7urh pe burhmenne into Franclonde ant wunede sumne while )?ear for J>e burhes neode ant Maxence steorede pe refschipe i Rome. Weox umbe hwile wreaÖÖe ham bitweonne ant comen to fehte. Wes Maxence overcumen and fleah into Alexandre. . . Schluss: pn» wende pe eadie meiden Katerine icrunet to Criste from eoröliche pinen i Novembre moneÖ pe fif and twentesöe dei and fridei on outte under i pe dei i pe tune p hire deore leofmon Ihs ure layerd leafd lif o rode for hire and for us alle. Beo he a se halend iheret and iheiet in alre worlde worlt a on ecnesse. Amen. 2. Ms. Reg. 17 A XXVII fol. 11—37. (c. 11i30 entstanden.) hier- nach hat Morton seinen text gegeben. 32) 3. Eine dritte hs. Titus D XYIIL, die auch sonst sehr wichtig fftr nags. ist, schliesst fiidi, abgesehen von lautlichen abweichungen, dem Bodl. ms. an.^^)

29) Vgl. Madden pag. XVII— XXL

**) Zweimal ist das leben der Katharina herausgegeben worden: James Morton veröffentlichte es London 1841 für den Abbotsford Club (nur für mitglieder zu bekommen!). Dann: An historial inquiry touching St. Catharine of Alexandria, to which is added a Semi-Saxon legend by Charles Hardwick. Cambridge 1849 für die Antiquarian Society. No.XV.

31) Wanley bei Hickes III p. 79.

^) Vgl. Cockayne S. Marh. pag. VL

*3) Hickes III, 247. Der Inhalt der hs. ist:

1. Liber Alphabetarius.

2. Ancren Riwle.

3. Homilie : Si sciret paterfamilias.

4. Audi filia et vide et inclina etc. (vgl. unten. Es ist dies also die homilie Hali meidenhad>

5. )?e wohunge of ure laverd.

6. passio St. Catherinae.

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Y. Seinte Juliene,34)

Bodl, ms. No. 34. enthält auch dieses heiligenleben. foL 36b— 56,a Es beginnt:

I pe feaderes ant i J>e sunes and i pe hali gastes nome her beginneÖ pe Made ant te passiun of Seinte Juliene. In ure laverdes lufe pe feader is of frumscheft ant i ]?e deore wurömunt of bis deorewuröe sune ant i pe heiunge of pe hali gast pe of ham ba glideÖ an Godd una^in euch godes ful. Alle leawede men pe understonden ne mähen Latines ledene liÖeÖ ant lusteÖ pe liflade of a maiden p2dt is of Latin itumd to Englische leode. Es schliesst:

Hwen drihtin o domes dei windweÖ bis hweate And weorpÖ pset dusti chef to hellene heate, He mote beon a corn i godes güldene edene, pe turde )?is of Latin to Englische ledene Ant he p2et her least onwrat swa as he cuÖ. Eine andre hs. soll sich in der Cottoniana finden, welche Brock mit Cockayne herausgeben wird, ^ß) Auch im schon ge- nannten ms. Reg. 17 ist fol. 56 70 h dies heiligenleben zu finden. 37)

VI. pe ule and pe nihtegale.^^)

Zwei hss. sind Uns davon bekannt Eine Brit Ms. Cott Calig, A IX. 39), die andre Oxf. Jes. Coli. Arch. I, 29.

Wann dieses gedieht entstanden sei, ist sehr verschieden beantwortet worden. Stevenson setzte es an das ende des 12.

^) Hiervon gibt es noch keine ausgäbe. Doch soll demnächst eine von Cockayne erscheinen, vgl. Eighth report of the Earl. Eng. T. S. 1872 pag. 5.

35) Vgl. Hickes ni, p. 79.

36) Vgl. den oben ang. report of the E. E. T. S. pag. 5. ^) Cock. S. Marh. pag. VI.

3*) Zwei drucke haben wir nach; der Cott. hs. The Owl and the Nightingale. Ed. by Jos. Stevenson. London 1838. 4o. Printed f. th. Roxburghe Club (einige lesarten des Jes. ColL finden sich hier). The 0. a. t. N. on early poem attributed to Nicholas de Guildford ed. by Thom. Wright. London 1843. 8®. Pr. f. t. Percy Society. Beide hss. hat abgedruckt mit wenig Verbesserungen und manchen willkürlich- keiten : J. H. Stratman : an old English poem of the Owl and the Nigh- tingale. Krafeld 1868.

39) Schon Wanley gibt nachricht darüber HI, 229.

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NEUANGELSÄCHSISCHE SPEACHDENKMÄLEE. 69

Jahrhunderts. Dies ist den reimen nach zu früh, denn die reime sind gröstenteils recht rein, wenn auch öfters sich noch asso- nanz einschleicht. ^^) Wright glaubt, dass es unter Johann ohne land entstanden sei.^^) Madden nimmt an, es sei erst unter Eduard L gedichtet worden. ^2) j)ies wäre jedenfalls zu spät und gradezu unhaltbar, weijn es sich erweist, dass das Cott ms. aus der 1. hälfte des 13. Jahrhunderts stammt. Marsh lässt es ziemlich unbestimmt, wann er das werk abgefasst glaubt. Er gibt nur das 13. Jahrhundert an, stellt es aber zwischen King Ali- saundre und Hörn child.'*^)

Einige gelehrte schreiben das gedieht Niclas de Guildford zu. Hickes hat diesen fehler nicht begangen, 4^) jedoch War- ton *^) teilt es auf ganz falsche Schlüsse hin einem Johannes de Guldevorde zu. Madden wies schon in der ausgäbe Ws von 1840 nach, wie unberechtigt dies sei. Wright meint, Nicolas de Guildford sei der Verfasser. 4*) Nicholas wird aber stets in

*«) Es ist daher auch jedenfalls von Stratmann unberechtigt, dass er öfters gegen die hss. ändert, um einen reim herzustellen. Wo reime vorkommen, wie eunde: sehende 273; fugele: uvele 277; gidie: geonie 291 ; worse : mersche 303 u. ähnl. braucht man wahrlich nicht dem reime zu lieb zu ändern.

**) V. 1091 (ich eitlere nach Stratmann) steht: ]7at underwat ]fe King Henri Jesus his soule do merci. Dies bezieht Madden anf Heinrich III, und es wäre nach dessen tode unter Eduard L abgefasst. Stevenson und Wright sehen in diesem Hein- rich Heinrich H. (t 1189), Wright setzt das gedieht aber erst unter Johann an, vgl. Wright Biographia Britannica literaria. Anglo-Norman period. London 1846. pag.438.

*2) Madden in den anm. zu Warton pag. 26.

^) Marsh, the origin and history of the English language and of the early literature it embodies. New- York 1862. p. 205—211. DaAlisaundre und Hörn erst ende des 13. jh. gedichtet wurden, folgt er wahrscheinlich Madden.

**) Wanley sagt p. 229 HI: über unser gedieht; Poema Normanno- Saxonicum de contentione facta inter noctuam et philomelam pro suavis- Bimae cantionis gloria, quam demum submiserunt arbitrio magistri ^Nicolai de Guideford.

«) Vgl. W. hist. of poetry I, 25 ff.

**) Wright a. a. o. sagt: The name of Nicholas de Guildford occurs in a poem ... in a way which would lead any one acquainted with the

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70 WÜLCKER

einer weise genannt, daes er unmöglich der Verfasser sein kann, oder er müsto einer der eitelsten menBchen gewesen sein. 4^) Aüisserdem sagt der dichter am anfange: Ich was in one sumere dale: In one »wipQ di^ele hale Iherde ich holde grete tale An nie and one nihtegale Von Nicholas wird stets als von einem abwesenden gesprochen^ der zuPortesham in Dorset wohnt und zum Schlüsse heisst es* 1789. Mid J^isse worde forJ> hi forden AI bute here and bute forde To Fortesham )>at heo bicome Ac hu heo spedde of heore dorne Ne can ich eu na more teile Her nis na more of ]>isse spelle. Warum liesse der dichter, wenn er mit Nicholas eine person wäre, die vögel wegziehen, statt aus seinem verstecke hervor- zutreten oder warum könnte er uns nicht den Urteilsspruch berichten?

Jedenfalls ist das richtige einen unbekannten dichter anzu- nehmen, der dieses werk Nicolaus von GuUdford zu ehren schrieb, in bezug auf die zeit der entstehimg hat Wright wol das richtige getroffen*

Vn. Es sei hier noch ein andres gedieht angeschlossen, welches in alliteration geschrieben ist Doch uns ist nur ein bnichsttlck davon erhalten. Conybeare nennt es;

Poem on Death, oder the Grave, wie es Thorpe nennt.*«) Dies gedieht ist auf den rand eines homiliencodex (Nags. ho- milien) geschrieben. 4») BodL NE. F. 4, 12.

sunmer in which writers of the middle ages name tliemselvee, to believe kim to be tlie »nthor. In den Chronological series of the literary oha- racters finden sich (pag.[481) zwischen 1174—1228: Orm, Nicholafl de GwMford, La^amon»

*^ Man vergleiche die Btelkn, wo von Niohalas die rede ist, V* 191, 1755.

**) Conybeare Illustrations of Anglo-Saxon poetry. London 1826. pag. 270 flf. Thorpe, Analecta Anglo-ßasfoniea. L(»idfon 1834.

^ Abg«dr. findet es sieh auch hei M. Bieger, alt- und angelsäch- ^«ebes lesebttoh. Güeesen 1861. p. 124.

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NEüANGELSÄCHSISCHE ßPRACHDENKMÄLER. 71

Es beginnt: ]?e w«g bald gebyld^ er pn iboren were,

pe wes melde imynt er )ni of moder come. Conybeare läßst die letzten drei langzeilen hinweg. Sie iaaten nach Thorpe:

for ßone biÖ pin haefet faxes bireyed al biÖ J>es faxes feirnes forsceden, nsele hit nan mit fingres feing stracien. ... VIIL pe Ancren riwle.^^)

Dieses bedeutendste prosadenkmal der nags. literatnr ist uns in vier mss. erhalten, welche zwei gruppen bilden. Zur ersten gruppe gehören die drei Cottoniana.

Nero A XIV aus dem XIH. jL pg. 8. 131 bL^O- ßiesö hs. hat Morton seiner ausgäbe zu gründe gelegt. Titus D XVIIL pg. 8. 147 bL^^) Am anfange fehlen einige blätter.Ms.schliesst: Ase ofte as ge haven red ^ht o piB boc gretes ure lavedi wiÖ an ave for him (viz. pet maked ]7eos riwle) and swanc her abuteu,53).— Cleopatra CVI, 4020ibL5*) Beginnt: Recti diligunt te. Laurd seiS godes «puse to hire deorewurt^e spuse . . . Schluss: As ofte as je habbeÖ capet (oder cawet »oll wol owet heissen) J^eron greteÖ J?e lafdi wiÖ an Ave for him, pe swong her ahn- ten. Inoh met^ful ic am, pe bidde pe Intel.)

Die zweite gruf^pe ist nur durch eine hs. vertreten:

Cambridge, Coq>. Christi colL No. 402, 4^ pg.^^) Diese

hs. weicht sprachlich bedeutender ab und es ist daher schade^

dass Morton in seiner fleissigen ausgäbe sie nicht mehr beachbet

hat Sie kägt einen etwas mehr weetmitteländischen Stempel

^) The Ancren riwle, a treatise on the mies an duties of monastic nie ed. by James Morton. London 1852. pr. t the Camden Sodety.

") Vgl. Hickes III, p. 228, Planta, Oatal. der Cotton. London 1802. psg. ^5. Mb. enthält:

Ancren Riwle, Marienlied (Christes milde moder seinte marie, mines Hves leome, mi leove lefdi), 120^; Orationes iid Christum et Mariam fengüsch) 128^; symbeiium apostolicnm 130 bis BcMnss.

«) Hickes HI, pag. 247, vgl. anm. 33.

") VgL damit pag. 430 bei Morton.

M) Hickes SLI, 248. Planta pag. 681 ; bL 3—198 entiiält Ancren riwle. Es folgt hymnAA in solemaitate S. Ethelredae.

^) Hickes HI, 149. Das werk nennt sich Ancren wisse.

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72 WÜLCKEß

(damit stimmt auch die notiz die sie trägt, ^^) überein), während die andern südlicher entstanden sind.

Endlich besitzen wir, noch einen druck BibL BodL Laud. D. 85.5''), welcher gebete aus der Ancren riwle enthält Siege- hören zur zweiten gruppe, vielleicht sind sie geradezu aus obi- gem Cambridge codex entnommen*

1. Ealmihtig god faeder suna and hsBlig gast as je beoÖ an god ealra etc. (= pag. 26 bei Morton).

2. La ihu, }?in are for myne synnas ahongen o rode. (= pag. 26).

3. For }?a seovengyftas )?8es haljan gastes. (= pag. 28).

4. For }?a tyn heastas pe ic gebroccen haebbe. (= pag. 28).

5. For J>a wuröegunge ihu crist of }?ine tweolfen apo- stolas (= pag. 28).

6. For ealle pe sawlen pe beoÖ forÖ faren i pe bileave of J>a feower godspelles. (= pag. 30).

Leicht überzeugt man sich aus diesen anfangen, dass hier eine ältere spräche vorliegt, als in den Cotton mss. Um so verdienstvoller wäre es, den text der Cambr. hs., der hier wahr- scheinlich zu gründe liegt, herauszugeben.

Viel ist darüber gestritten worden, ob unser werk ursprüng- lich nags. abgefasst wurde, oder ob es nur eine Übersetzung aus dem lateinischen. Thomas Smith ^s) hält den nags. text nur für eine Übersetzung aus dem lateinischen und dieses la- teinische original will er gefunden haben in der hs. Cotton. Vitellius EVIL Zu dieser ansieht brachte ihn wol nur die aufschrift des codex. ^^) H. Wanley ^^) bekräftigt diese behaup- tung auf grund einer vergleichung, welche er zwischen Vit

^) Sie lautet: Liber ecclesie ßancti Jacobi de Wigmore quem Johan- nes Purcel dedit eidem ecclesie ad instantiam fratris Walteri de Lo- delle senioris tune percentoris etc. Wigmore liegt in der Grafschaft Hereforde. '

") Hickes III, 100 f. Bas buch hat die uotiz: Imprimatur: Henry- Butts, Procanc. Cantabrig. 3. dez. 1630. Es enthält: the Anglo-Saxon psalter, dann Certaine prayers of the Saxon times taken out ot the Nunes rules of St. James Order in Bennet College library.

^) Smith catalogus bibliothecae Cottonianae. Londini 1696.

*®) Regulae vitae Anachoretarum utriusqne sexus scriptae per Simo- nem de Gandavo, Episcopum Sarum in usum suarum sororum.

«>) Hickes bd. III, p. 228.

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NEüANGELSÄCHSiSCfiE SPRACHDENKMÄLER.

EVn. und den Cotton ms. angestellt haben will. Ihm folgt Planta. 61)

Was« zuerst den angeblichen Verfasser des Originals, Simon von Gent, bischof von Salisbury betrifft, so lässt sich nur einer nachweisen, welcher 1284 archidiacon zu Oxford, 1297 bischof von Salisbury wurde und 1315 starb. Der vater desselben kam aus Gent, daher wol der name.^^)

Die spräche der Ancren riwle aber ist nicht alt- englisch, sondern neuangelsächsisch. Simon von Gent kann also nicht der Verfasser des Originals sein.

Allerdings könnte nun, wenn auch Simon nicht den latei- nischen text verfasst hat, doch das original lateinisch gewesen sein. Leider ist der Cod. Vit. EVII. bei dem brande, Oktober 1731, zu gründe gegangen. Doch eine andre hs., welche Smith und Wanley kennen, ist uns erhalten: ms. Magdalene College zu Oxford. 63) Sie führt die aufschrift:

Hie incipit prohemium venerabilis patris magistri Simonis de Gandavo, Episcopi Sarum, in librum de vita solitaria, quem scripsit sororibus suis anachoretis apud Tarente.

Es ist ein verdienst Mortons mit schlagenden gründen nach- gewiesen zu haben, dass diese lateinische hs. nur eine Über- setzung und zwar eine recht schlechte des nags. textes ist, die von groben fehlem und misverständnissen wimmelt. Ausser- dem ist das erste buch stark gekürzt, das achte fehlt gänzlich. **)

Schliesslich könnte man noch ein französisches original an- nehmen und wirklich gab es auch das werk in französischer spräche. 65) Mätzner führt gegen das franz. original die stelle p. 44 an: 66)

AI Jjet je ever siggeÖ of swuch oÖer bonen, ase of Pater- nostres and of Avez, on ower owene wise, psalmes and ureis- uns: al ich am wel ipaied everichon sigge pet hire best bereb on heorte: verslunge of hire sautere: redinge of Englichs oÖer of Freinchs, holi medidaciouns.

«0 Vgl. a. a. 0. p. 205.

«2) Vgl. Morton preface XIV.

«3) Ebend. VII. '

«*) Ebend. pag. VÜI ff.

«5) Vitellius F VII bei Smith a. a. o. Sie ist 1731 verbrannt.

^) Mätzner, altenglische sprachproben I, 2. abt. Berlin 1869. pag. 6,

Beiträge sar geschichte der deutschen spräche. I^ 6

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^4 WÜLCKER

M^ätzner meint, noniieB, welche sowol englisch als franKö- sisch verstanden hätten, wäre es nicht nötig gewesen, etwas 4»rtts dem französischen zu tibertragen. Doch, wenn das werk auch zunächst an drei Schwestern gerichtet ist, welche wol beide sprachen verstanden, geht doch aus andern stellen hervor, dass der Verfasser auch auf Verbreitung seiner schrift in grösseren kreisen rechnete, ß^) Und ob alle drei Schwestern französisch lesen konnten, ist nirgends gesagt. Jedenfalls hätte man immer in hinblick auf grösseren zuhörerkreis das werk in das eng- lische tibertragen können.

Allein der ton des ganzen Werkes ist durchaus englisch. Die romanischen worter sind allerdings zahlreich, allein bei einer geistlichen schritt darf dies nicht auffallen. Einige andre stellen, w-elche schon Mätzner angefahrt hat^ beweisfen, dass der ver&ßÄer ein Engländer war, ebenso dass die schwestem eng- lisch als ihre mutterspradie betrachteten, ß^) ^

Wie jetzt die frage stehl;, dürfen: wir also die Ancren riwle als ein neuangelsachsiscke» originalwerk ansehen.

Bei bestimmung des ortes, wo das werk entstanden sei, hält Morton sieh an die angäbe des Oxford codex, dass die Schwestern, für welche es geschrieben, in Tarente gelebt hätten. Dies Würde also auf Dorset weisen. Die spräche der Cotton mss. "Stimmt damit völlig überein. Doch ist dabei nicht aus ^em äuge zu lassen, dass sich die angäbe von Tarente neben der sicher falschen findet, Simon von Gent sei der Verfasser der lateinischen Urschrift. Grosses gewicht dürfen wir also auch irichl; auf den namen Tarente legen.

Morton knüpft nun weiter an den namen eine geistreiche Vermutung: Zu Tarente am S teure in Nord -Dorset errichtete Jßalph de Kahaines, dessen vater mit Wilhelm dem erobrer ge- kommen war, ein kloster für nennen, welches Maria und allen

®') So pag. 50. Ich write muchel vor otJre and noÖing ne etrinetS QU, mine leove sustren, pag. 192. "^e, mine leove sustren. beoS |?eo ancren ]fet ich iknowe, )7et habbeÖ lest neode to uroure ^jean }?eos temptaciuns : bute one sicnesse. Vor midmore eise, Qfimid more menke, not ich non ancre J>et habbe al pet hire neod ds |7ene ge freo habbetJ : ure loverd beo lik idoucked. '

^^) V;gl* Mätzner a. a. o. Es sind dies vor allen pag. 172 u. pag. 244.

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NEüANGELSACHSISCHi: SPÄACHDENKMALEE. 76

heiligen gewidmet war.^^) Dies kloster zerfiel, doch Richard Poor richtete es von neuem ein. Poor war «u Tarente geboren, wurde decan zu Chichester in Sussex, dann bischof zu Salis- bury und Durham. Zuletzt ging er wider nach Tarente und starb daselbst 1237.70) Wie sehr er das dortige kloster liebte, beweist, dass er dort sein herz beisetzen liess. Diesem Poor schreibt nun Morton die Ancren riwle zu. Wäre der name Tarente besser beglaubigt, so dtlrften wir unbedingt dieser schönen Vermutung beistimmen, allein ihn nennt unter den sie- ben hss. der nonnenregel nur eine einzige und zwar eine, die, wie Morton selbst gezeigt hat, durch und durch schlecht ist IK. Poema morale.'*)

So nennen die englischen herausgeber ein in langen reim- paaren geschriebnes gedieht, welches über Vergänglichkeit des lebensj über tod und jüngstes gericht handelt. Es umfagst J98 reimpaare. Es beginnt:

Ich em nu alder )?ene ich wes a wintre and a lare Ich weide mare pene ich dede mi wit ahte bon mare. Well longo ich habbe child ibon a werde and a dede |?ah ich boa wintre ald, togung ichem on rede. Hss. davon gibt es folgende: 1. Egerton ms. 613. Hiemach gab.es Furnivall heraus. 2. Lambeth 487 fol. 59b— 65b. Wanley sagt,72) der schluss sei in prosa (Morris bemerkt hierüber gar nichts), doch sieht man genauer zu, so ist das angebliche prosastück vers 262 271. Hiermit bricht Lambeth cod. ab, Morris druckte das ende nach dem Egerton ms. '^^) 3. Digby ms. No. 4. ''*) Hiemach druckte Hickes es ab I, 222. 4. ms. Trinity Coli. Cambridge. Abge- sehen von kleinen abweichungen stimmt es mit dem Egerton ms. '^)

«^) Schon Morton zeigt, wie Wanleys angäbe bei Hickes bd. III, 149 n. a. o., die Schwestern hätten dem St. Jakobsorden angehört, auf mis- verständnis einer stelle (pag. 8 bei Morton) beruhe. Morton pag. X. ff.

70) Morton pag. XH— XV.

V} Abgedruckt ist das gedieht bei Furnivall: Early English poems and lives of Suints. Berlin u. London 1862. Morris a. a. o. nach Lambeth, ergänzt durch Egerton ms. ~ Hickes hat es ebenfalls.

«) Hickes III, bd. 268.

'3) Vgl. Morris a. a. o. VI oben.

'*) Hickes III, p. 83.

'S) Ebend. p. 169.

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76 WÜLCKER

Wir gehen nun zu den homilien, den paternoster, glaubens* bekenntnissen, gebeten und ähnl. über, welche in nags. spräche geschrieben sind. Oft ist es allerdings recht schwer zu ent- scheiden, ob ein denkmal nags. oder altags. sei. Abgegeben davon, dass überhaupt beides sich berührt, gibt es viele hss., welche altags. abgefasst waren, aber von nags. Schreibern abgeschrie- ben wurden. Diese änderten manche alte formen, andre Hessen sie stehen. Ein beispiel dafür ist Bodl. cod. F 4, 12. ^ß) Neben gewende, gersed, gelaede findet sich ihaten, isceop, ilomlice, istreona. Sonst wird schon vielfach gekürzt und geschwächt, neben godspel findet sich gospel, mseden (virgo), cnihtes neben cnihtas, brucen, habben, libben (vivere), buten statt butan, wundre für wundra, auch schon Übergang der starken declination zur schwachen: mid eadmodre stefnen; rixeÖ mid alle bis halgan. Auch schon die acht nags. Schreibweise dsei^e neben daßge ist hier anzutrefien. Ebenso zeigt diese mischung ein cod. der bibl. S.James, Westminster. ^7) Hier steht neben dagas ein bispelles, weorces, neben gen. suna auch sune, die infin. beclyppen, un- terstanden neben solchen auf -an. mid feilenden tacnen, on boken u. ähnl. So mag es sich auch mit cod. Hatten. 65 der Bodl. verhalten, welcher angeblich die vier evangelien in nags. spräche umfassen soll. '^^) Die proben bei Wanley sind zu kurz, um darnach etwas entscheiden zu können.

In der übersieht der nags. homilien sind hier die bereits gedruckten vorangestellt.

X. Hali Meidenhad.^0)

Es ist dies eine homilie über Ps. XIV, 11: Audi filia et inclina aurem tuam etc. Die hss., welche uns erhalten, sind: Titus D. XVIII, 80) und Bodl. No. 34. «i)

XL De octo viciis et de duodecim abusivis hujus seculi.82) Diese abhandlung ist nach einer altags. verfasst,

'«) Hickes bd. HI, 15—26. ") Ebend. 181. '«) Vgl. ebend. p. 76.

'*>) Hg. von Coekayne, Hali Maidenhad nach der Titus hs. Den titel hat Coekayne erfunden. «>) Hickes III, 247. «0 Ebend. p. 80. 82) Morris a. a. o. pag. 101— 119.

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; NEUANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 77

i welche sich bei Morris auch abgedruckt findet. ®3) Erhalten ist

i die nags. schritt in Lambeth ms. 487.^4)

! XII. Sawles war de ^^) oder, wieCockayne es nach den

anfangsworten nennt; Si sciret paterfamilias. Drei hss. sind davon bekannt: Bodl. ms. No. 34.86) Es beginnt: fol. 76^: I pe feaderes and i }>e sones and i j^e hali gastes nome: her be- ginneb sawles ward. Si sciret paterfamilias qua hora für ven-

I turus esset vigilaret utique et non sineret perfodi domum suam. Der schluss dieser hs. fehlt von fol. 84 ab. Diese hs. hat Morris seinem drucke zu gründe gelegt. Den schluss gibt er

i nach der hs. Heg. ms. 17 A XXVII. s') _ Eine dritte hs. ist

I Cotton. Titus D 18. s^) Diese hs. stimmt abgesehen von mund- artlichen abweichungen mit den andern überein. Sie ist voll-

I ständig, nur fehlt natürlich der schreibervers am Schlüsse.

XIII. pe wohunge of ure laverd.^^) Davon ist nur

die hs. Titus D XVIII bekannt. Hickes gibt schon nachricht

[ darüber. 90)

I XIV. Gebete an Jesus.

Unter XIX und XXI hat Morris zwei gebete^i) an Christus abgedruckt. XIX nach Lambeth 487; «2) XXI nach Nero A XIV. 9^) Abgesehen vom anfange ist in beiden hss. dasselbe gebet. Doch ist XXI vollständiger, als XIX. Pag. 203 z. 10

; des druckes bricht Lambeth ms. ab. Doch "Nero ms. ist auch nicht vollständig. Der schluss fehlt. Unter XXIII finden wir bei Morris ein andres gebet an Christus nach Nero A XIV fol,

I 128»— 131a abgedruckt. »4)

»3) Ebend. pag. 296—305. 8*) Hickes bd. III, 267. 8*) Morris p. 245—267. 8«) Hickes III, 80. 8^ Vgl. Morris 265 z. 23. «8) Hickes ffl, 247.

89) Morris 269—288.

90) Hickes UI, 247.

9') Pag. 183 u. pag. 200.

92) Vgl. Hickes III, 268.

93) Ebend. 228. Planta a. a. o. 205.

9*) Ebend. Wanley teilt dieses gebet nochmals in zwei, indem er bei der stelle: Swete softe iesu iseli beot5 petpe luvieÖ (Morris 215 z. 21) ein neues gebet annimmt.

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78 WÜLCKER,

XV. Marieiilied.95)

Es ist in alliteration und mit reimen oder assonanzen ge- schrieben. So der anfang:

Cristes milde moder seynte marie, Mines lives leome mi leove lefdi, To pe ich buwe and mine kneon ich bege And al min heorte blöd to ]?e ich oflfrie pn ert mire soule liht and mine heorte blisse Mi lif and mi tohope min heale mid iwisse. Die. einzig bekannte hs. dieses liedes istCotton. Nero A XI V.^*^)

XVI. Gebet an Maria. ^7)

Zwei hss. sind uns erhalten. Eine ist die schon oft er- wähnte Royal Ms. 17 A27. Doch ist hier nur ein bruchsttick? welches schliesst: ant te unwuröe wohes )?at he for us sunfule willeliche, ^s) Vollständig findet sich das Gebet Cott. Nero

A xiv:«9)

XVn. Pater noster in reimen. i<^ö) , Es steht im erwähnten Lambeth ms. fol 21^ 25*. Der anfang lautet :^<^i)

Pater noster qui es in celis etc.

Ure feder ]?et in heovene is,

pet is al soÖ ful iwis.

XVIII. Pater noster ^<>2) ^nd andere glaubensfor- meln.

Es ist von Wright nach einer hs. Caius College zu Cam- bridge gedruckt.

XIX. Credo.

Eines führt Wanley an, welches wol in diese zeit zu setzen ist.^<^3) Es beginnt: Credo in deum ic bileve on God patrem omnipotentem ]?ene almihti fader und schliesst: }?o gode on

9*) Morris a. a. o. pag. 191—200. 06) Hickes III, p. 228. ^ Morris pag. 205—208 nach Nero.

^) Abgedruckt ist das bruchstück Morr. pag. ao5. Verglichen mit der Cott. hs. bricht es pag. 207 z. 2 bei Morr. ab. 09) Hickes III, 228. ««>) Morris pag. 55—72. »0») Hickes m, 267.

^^^) Reliquiae antiquae ed. by Wright and Halliwell I, 282. ^^) Hickes III, 169. Vgl. jedoch auch das anm. 122 gesagte.

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NEüANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 79

eche blisse and wele on ure loverd Jhu Criste on hevene. pe uvele on eche wope and pine roid pe devel on eile sowie and licam abuten ende. Ein anderes glaubensbekenntnis enthält Cotton. ms. Nero A XIV. ^^*) Damach hat es Morris abge- druckt. i<^^) Das Credo und paternoster, welches in den reli- quiae antiquae mitgeteilt wird,i<^<^) ist schon dem altengliscHen zuzuteilen.

XX. De initio creature.^^'')

So nennt Morris sehr wenig passend eine predigt über den stlndenfall der engel und menschen und die erlösung der kinder Adams durch Christi tod, höllenfahrt und auferstehung, Erhalten ist. uns dies denkmal in mss. Cott. Vesp. A 22**'«) fol. 54— 56b.

XXL Parabel vom reichen könige. ^^*)

Morris gibt dieser predigt den titel: an bispel. Sie findet sich im selben cod. wie die vorige, fol. 56** 58^.

XXII. Indulte vos armatura dei.^^*^)

Die homilie beginnt: Ur hlaford sanctes paulu» pe is ]?eo- den lareaw us maneÖ and menejeÖ of sume wepne to nemene Jws cweÖende: Indulte vos armatura dei. Auch dieses werk steht im angefahrten Cott. ms. 58^. Diese homilie ist jeden- falls unvollständig. Wanley hat dies richtig eingesehen, Morris hält sie flir vollständig, ^i*) Jedenfalls hat Wanley recht, denn die homilie endet: pn ahst to habben ehte wepnecin, J>a beoÖ sceold, heim and brenie, swrd and spere, stede and twei Sporen and ane smearte gerd. Hwic scule beon ure sceld? sanctus paulus hus seiÖ: In omnibus sumentes seutum fidei, in quo possitis omnia teia nequissimi (ignea) extinguere. Hiermit kann die homilie nicht geschlossen haben.

1«) Hickes bd.m 228.

»05) Morris pag. 217.

»06) Rel. antiquae I pag. 57 nach Brit. Mus. Hari. 3724.

»07) Morris 217 231. Es ist diese homilie wahrscheinlich nach einer homilie Aelfrics angefertigt, die betitelt wird: Sermo de initio creaturae ad populum. In so fern ist der gegebne name einigennaösen gerecht- fertigt

»08) Hickes III, 242.

»09) Morris pag. 231—241.

»»0) Monis pag. 241—243. Der text findet sich Eph. VI, 11.

»»») Hickes III, 242.

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80 WÜLCKER

XXIII. Erant appropinquantes-i^^)

Es ist diese homilie wahrscheinlich nach einer von Älfric gearbeitet „Dominica IV post pentecosten ". Die nags. ho- milie findet sich ebenfalls Vespasian A 22. Wanley erwähnt sie nicht

XXIV. Quum appropinquasset ihesus iereso- limam.

Von dieser homilie besitzen wir zwei bearbeitungen. Sie ist für den palmsonntag geschrieben. Die eine version findet sich Lambeth ms. 487. i^^) Hiernach hat sie Morris gedruckt. 114) Eine andre homilie steht Otho A 13. i^^) Sie beginnt: Ure drihten nechlende his passiun isohte )?reo stedes J?ider ward and }?et was ]?e feorde. Schluss: J>et he lede ey on domes dsei into hewenriche ]?e o «chal ileste. Quae nobis prestet qui seda per omnia regnat.

XXV. Ecce nunc tempus acceptabile, ecce nunc dies salutis.iiß)

Auch hierüber sind uns zwei nags. homilien erhalten. Pie eine findet sich Trin. Coli. Cambr.ii^) und fängt an: pe hevenliche leche seinte Poul nimeÖ geme of ure sawle sic- nesse ]?et ben ure 'sinnes ]?onged wurse him and minejeÖ US bi his holie write. Schluss: and overcumen at ende hem and alle J>e }?ing pset us to sunne teÖ. Quod ipse prestare dignetur q, v. etc. Die andre bearbeitung ist im Lamb. ms., wonach Morris sie veröflfentlicht hat.

-XXVI. In leinten time uwilc mon gaÖ to scrifte.ii^)

Nur im Lambeth ms. uns erhalten.

XXVIL In diebus dominicis.ii»)

Diese betrachtung über die heiligkeit des Sonntages hat uns auch nur das Lambeth ms. überliefert.

"-) Morris a. a. o. pag. 243—245. Wir haben hier, wie bei der vori- gen, nur ein bruchstück vor uns.

»3) Hickes ÜI, 266.

»J*) Morris 1—11.

"*) Hickes HI, 233.

**^') Morris 11—25 trägt die Überschrift: Hie dicendum est de qua- dragesima.

1") Hickes m, 170.

"8) Morris 25—41.

"8) Ebend. 41—47.

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NEüANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 81

XXVIIL Missus est Jeremias in puteum etcJ'^^) Ebenfalls nur in der Lambeth hs.

XXIX. Tria sunt hominum saluti necessariä, fides, baptismus, mundicia vite. Diese erklärung des glaubensbe- kenntnisses ist im Lambeth ms. unvollständig. ^2^) Morris be- merkt zwar nichts darüber, doch ist es ganz klar. Eine zweite hs. Trinit. ColL geht viel weiter und bietet wahrscheinlich einen vollständigen text. ^22)

Endlich gibt es noch eine hs. Otho A 13, welche vielleicht dieselbe abhandlung, wenn auch etwas abweichend, enthält, ^^s) Leider ist aus Wanleys dürftigen angaben nichts zu sehen. Sie beginnt; Unicuique hominum etc. Biforc alle ]?ing J^reo )?ing beoÖ efric man helwur}>>e and erest bihoveÖ to habbe. Diese homilie ist jedenfalls vollständig, denn sie schliesst: }>et we mote eche riebe habbe 0 0 bute eiide. Qui vivit etc. Leicht können gelehrte in England feststellen, wie sich diese homilie zu den zwei andern verhält.

XXX, Vom barmherzigen Samariter. ^24)

Dies stück beginnt: Homo quidam descendebat ab ierusa- lem in ierico etc. Nur im Lambeth cod. ist es uns erhalten. ^25)

^^) Ebend. 47 54, Überschrift: Hie dicendum est de propheta.

121) Morris nach Lambeth, also jedenfalls nach der unvollkommensten hs., pag. 73—78. Hickes III, 169.

1^) Vollständig ist der text, wenn wir die drei von Wanley unter V VII incl. gegebenen stücke zu einer homilie verbinden. No. VIdas credo gehört jedenfalls zu V und entspricht Morris p. 75 z. 25 ff. Es schliesst: )7e gode on eche blisse and wele mid ure loverd JhuCriste on hevene. ^e uvele on eche wope and pine mid )7e devel, on eche (so ist wol statt Wanleys „eile" zu lesen) sowie and licam abuten ende. Hier- mit ist jedenfalls die erklärung des credo beendet, doch hat sich sehr wahrscheinlich die von Wanley unter VII gegebene erklärung des pater- noster daran geschlossen. Anfang; Pater noster etc. }7u singest ]>e salm pe me clepetJ crede |7U seist }?aet on gode bilevest and dost cnovnesse )?aet he is laverd, ac Joanne ]>u singest ^e salm )7aet is cleped pater noster. Schluss: Ac lese us loferd of his egginge and of alle uvele. Amen. Swo hit wurtJe. Hiermit scheint diese homilie geschlossen zu haben. Diese meinung bestätigt auch der umstand, dass nun sowol im Lambeth cod. als im Trin. Coli, codex „in die natalis Domini" folgt.

123) Ebend. 233.

*2*) Morris hat es unter der wenig bezeichnenden benennung: „De natale domini" pag. 79—86 abgedruckt.

125) Hickes IE, 267.

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82 WÜLCKER

XXXL Pfiiigstpredigt.126)

Nur im Lambeth cod. 12?) Sie fängt an: fram )?an halie bester dei bob italde fifti daja to )>isse deie and )?es dei is ihaten pentecostes.

XXXIL Faetus est filius dei omnibus sibi ob- temperantibus causa salutis eterne.^^s)

Diese homilie ist nach Älfric gearbeitet. ^29) gj^ gteht im Lambeth cod.

XXXIII. Christus passus est pro nobis, relinquens^ exemplum.130)

Auch diese betrachtung ist nur im Lambeth.

XXXIV. Qui parce seminat parce et metet.^^^) Diese homilie findet sich unter der bezeichnung: deSancto

Laurentio im ms. Trin. Coli. Cambr.^^i) Eine andere hs. ist der Lambeth cod., wonach Morris die schrift veröffentlicht hat. ^^^) Der anfang beider hss. stimmt ziemlich überein, das ende hin- gegen geht auseinander.

XXXV. ßeverenda est nobis hec dies sancta que dicitur dominica-*^^)

Ausser dem gegenstände hat diese homilie nichts mit XXVII gemein. Zwei hss. sind uns erhalten: 1. Lambeth ms. 2. Cott. Otho A 13.135) Die anfange stimmen fast wörtlich, der schluss der Cott. hs. lautet: )?ider mote we cume |?ar is wane of alle ifel and fiUe of iche gode. Lambeth hat hier noch latein eingemischt.

XXXVI. Qui vult venire post me abneget semet ipsum etc. 13^)

Diese abhandlung wird bewahrt im Lambeth ms. und im

*26) Morris gibt sie unter: in die pentecosten pag. 87— -101.

^27) Hickes III, 267.

^28) Morris 119—125 als: dominica V quadragesimae.

^29) Morris XI.

*^) Ebend. pag. 125—131 als: dominica II post pascha.

^30 Morris pag. 131—139.

»32) Hickes 171.

>33) Hickes 268.

»»0 Morris p. 139—145.

135) Hickes 233.

13«) Morris p. 145—150. Hickes 172.

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NEUANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 83

oben erwähnten ms. Trin. ColL Cambr. Beide mss. stimmen ziemlich mit einander. Endlich im Otho A IS.i^')

XXXVII. Estote fortes in belle et pugnate cum antiquo serpentc^^^)

Drei hss. dieser homilie sind bekannt: 1. Trin. Coli. Cambr. 139) 2. Lambeth ms. 3. Cott. Otho A 13. i^o) Die letzte hs. hat den schluss etwas verändert: Mid j^is wepne was David iscryd po ]>o he Goliam his unwine ofer com, two wile God ]?at we ure mohte.

XXXVIII. Euntes ibant et flebanti^O

Im Otho A 13 ms. fuhrt diese homilie den titel: „Sermo de jacobo apostolo".!*^^ Ebenfalls ist diese schritt auch im Lambeth ms. erhalten. Beide hss. stimmen ziemlich mit ein- ander. Eine dritte hs, ist die des Trin. Coli., die dem Cott. zunächst steht.

XXXIX. Maria virgo assumpta est ad ethereum thalamum. 1^3)

Diese homilie ist uns nur in dem schon Ott erwähnten Cambr. cod.. Trin. Coli. B, 14, 52 erhalten. 1^4)

XL. Nox precessit, dies autem appropinquabit.**^) Der Trin. cod. bringt diese abhandlung. ^*^) Hiermit ist die zahl der in zugänglichen drucken veröffent- lichten nags. denkmäler gesclilossen. Es folgen nun die un- edierten. Für die homilien sind zwei hss. wichtig. Die erste ist Cambr. cod. B. 14. Diese will Morris flir dieEarly T.Soc. herausgeben. 1*^) Die andreist eine Cöttoniana, OthoA, 13. i*^)

"^) Als sermo de martiribus bezeichnet Otho diese homilie (vgl. Hickes 233). Cambr. ms. stimmt genau mit Lambeth.

"8) Morris 151—157.

139) Hickes 172. *«>) Ebend. 233.

1*0 Ebend. pag. 155—159.

1«) Hickes 233.

1«) Rel. antiqu. bd. I pag. 128.

»«) Hickes III, 171.

"0 Röl- siiit' ebend. pag. 130 betitelt: Dominica tertia.

1«) Hickes Uli 169.

»*7) Vgl. Morris XV. Es sollen die homilien der Cambr. hs. den zweiten teil der „OldEnglish homilies" bilden. Nach dem „Eigth report of the Committee, January 1872-* pag. 6 ist das werk, welches durchaus notwendig für die kenntnis des nags. ist, fast fertig gedruckt.

1«) Hickes HI, 233.

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84 WÜLCKER

Das Cambridge ms. enthält ausser den schon ange- fahrten i49):

XLL Apparuerunt apostolis dispartite lingue tan- quam iguis. ^^o) d^,. anfang lautet:

)?o)>e ure loverd Jhu Crist fundede lichamliche fro eorÖe (Wanley: eceSe) tohevene heforbedhis ap. andhireholi ferre- den podi hie neren noht sorie.

XLIL Ambulans Jhc juxta mare Galilee. i^^)

Anfang: pe holi godspel of )>is dei specÖ of ure helend and of two broÖren, J^aet on is S. P. and psdt oÖer S. Andrew and seiÖ psdi ure helende giede bi ]>e se.

XLIII. Convertimini ad mein toto corde vestro.*^^)

Anfang: Non eorÖliche fader ne moder haveÖ sva milde- lieorte to hire life child swo ure he venliche fadr haveÖ to us. J?onkeÖ wuröe him.

XLIV. Cum inimundus [spiritus ab homine exierit, vadit per loca arida. i^^)

])G loverd Seint Matten specÖ on his holi godspel of pe grimliche wordes pe ure haelend at sume time gaf to andswere . pQ unbilefde ludeuische men.

XLV, Dominus de celo prospexit super filios hominum. i'^4)

pe holi prophet DaviÖ seiÖ on ane stede on pe salmboc pe wordes pe ich her nu seide. J>er he specÖ of pe mildhert- nesse pe ure loverd Jhu* Crist doÖ men.

XLVL Ecce venit rex, occuramus obviam salva- tori nostro. 1^^)

To dai is cumen pe holie tid ]?8et me clepe)? advent, )>an- ked be ure loverd Ihn Crist )?it haveÖ isend and hit lasteÖ )?re wuke fülle and sum del more.

1«) Ebend. pag. 169—172.

150) Ebend. 171 mit der bezeichnung: in die pentecostes:

151) Ebend. überschrieben: de sancto andrea.

152) Ebend. 170 bezeichnet: in capite ieiunii.

153) Ebend. betitelt: in media Xea. 15*) Hickes III, 171.

155) Ebend. 169. Es ist dort bezeichnet: „de adventu".

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NEUANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 85

XLVII. Ego vox clamantis in deserto, parate viam dominiJ^^)

)>e loverd Seint lucas guittinneÖ (?) on .his ]>e wunderliche hiderkume and pe eorölich herbiwist and ]?e wunderHche heÖen siS of ure loverd Seint Johan Baptiste.

XLVIIL Egredietur virga de radice Jesse.^^^)

An ^erd sal spruten of Josse more and an blosme stien of J>are more and uppe ]?are blosme resten pe holie gost.

EKL. Elevatus est sol in celum.^^^)

pe holi prophete Abacuc pe wunede (W. wundede) on ]?is weorlde and eft )?er of wot feie hundred wintre er pe time pe ure drihten unterstod manisshe.

L. Estote prudentes et vigilate in orationibus. i^^)

pe hevenliche keyhirde Seinte peter iseih padt ure eldren hadden feie fon^and we habbeÖ alswo pe ben al to snelle (W. smiele) on swikedom.

LI. Ha3C est dies quam fecit dominus, exultemus et letemur in ea. ^^o)

J?is dei haveÖ ure drihten makeÖ to gladien and to Wissen US. )?onked wuröe him.

LII. Hora est jam nos de sompno surgere.*®^)

pe laverd seinte Powel pe is heved-lor)?eov (W. LorÖeau) of alle holie chirechen bihield )?is wrech woreld and sajh p3dt mast mannen ladden hire lif on sinnen and j^aet hem likede here lodliche sinnes.

LIII. Inter natos mulierum'non surrexit major Johanne Bapti8ta.i62)

An li^er man ofte ligeÖ and a soÖsage man seiÖ ofte soÖ. )>e nevre ne lihgh ne lige ne wite ne ne mai ]?at is ure haelende.

LIV. Libera nos domine de morte eterna.^®^)

pe lifholi man Job pe pe boc of specÖ and seiÖ: erat vir ille Simplex et justus etc.

***) Ebend. 171, betitelt: de Sco Johanne Baptista.

«') Ebend. 172, ohne titel.

^^) p. 171, benannt: In ascensione domini.

«») p. 172. titel f«hlt.

***) p. 170 bezeichnet: In die pasche.

*®0 P- 169 als Dominica 11 in adventu.

*®^) p. 171 ohne bezeichnnng.

*«^) Hickes III, 171 ist tiberschrieben: de defunctis.

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86 WÜLCKER

LV, Natus est nobis salvator qui est Christus. ^^) Gode tiöinge and murie to heren us telleÖ J?e loverd seinte lucas on }>e holie godspelle.

LVI. Mulier que erat in civitate ijomine Marie jam penitens.^®^)

pe laverd S. L, pe irenned psdt holi godspel pe men raed in holie chiriche seiÖ )>ar on.

LVIL Obtulerunt pro eo domino par turturarum."®)

To dai man mai iheren he )?e wile wich J>eaw wes on]?e olde la je mid wimmen on J?re )?inges, )?8et on is childbed, and ]?set oÖer chirchganj and pe )?ridde pe offrinj.

LVIIL Omne datum Optimum et omne donum per- fectum desursum est.^®'^)

Seint Jacob pe holie apostel pe ure drihten sette to lor- ]?eove pe folc of Irslm. he nam jeme of pe wune pe weren ]?o. LIX. Posuerant peccatores laqueum mihi.^^^)

pe sinfuUe haveÖ leid game me to beuten and ich ne forlet )?ine bode. Ure fo fareÖ and hunteÖ and leid game in a wildemesse to heuten pe deor pe wunieÖ )?er inne.

LX. Preoccupemus faciem domint et in psalmis jubilemus ei.^^^)

pe holie prophete DaviÖ munegeÖ us on pe sealmboc to berewen )?isse (W, berejentis pe) wile pe we mugen.

LXL Quömodo cantabimus canticum domini in terra aliena.^^^)

pe holie prophete David spec]? on pe sealmboc and on a stede ]>eron muneje)? sume of pe wordes pe weren spoken bitwinne two folkes.

LXIL Reges Tharsis et insule munera Offerent, reges Arabum et Sabae dona adducent^"^*)

^**) Ebend. 170 als: in die natali domini.

»65) Führt den titel: Maria Magdalena. Hickes 171.

*^) Ebend. 170 ist sie benannt: purificatio Mariae.

16^) Ebend. 171.

»««) Ebend. 172.

*6») Hickes III, 170 ohne titel.

"0) Ebend.

*^') Ebend. als „de epiphania** bezeichnet.

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NEUANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 67

Mid mede man mai over water faren and mid weldede ofgive frend wuertlie.

LXIII. Stetit Jesus in medio discipulorum su-

We reden on pe holi godspel-boc p9dt ure holende }?rovede on )^e holi rode and deaöe ]>olede and mid his eheliche dea5e lesde US of deaöe.

LXIV. Turbe que precedebant Dominum et que seqücbantur clamabant dieentes: Osanna.^"^^)

It is eustume psdi ech chirchsocne goÖ J^is dei a procession and J>i8 wune haveÖ pe bejinnigge of pe holie processiun l^e ure helende makede toward te stede J>er he wolde deÖ J^olen. Otho A 13 enthält folgende homilien: LXV. A^paruit beni'gnitas et humanitas.^'''*) Iwrn US was gesvuteled ]?urh vitegie and erendrache J>at god wolde man bimmeal for ure sache.

LXVI, Cum natus esset Jesus in Beethlehem

Jude. 175)

God almihti pe his fader and sune and holi gost on ]>reo wise to dai his michele mihte swatelede.

LXVIL Ego sum panis vivus.^'^^)

Ure drihten spech on one stede on paa holie godspelle.

LXVIIL Intravit Jesus in quoddam castellum.^^'^)

Lucas pe godspellere pe trehnede pe holie godspel of )>i8se dei.

LXIX. Mulierem fornicantem recepi.'^^)

Ure drihte pe ^ef boöe pe olde laje and pe newe. Das Verhältnis dieser homilie zu LVI ist noeh zu untwsttohen.

LXX. Qu>e est ista que ascendit.^''*)

pe hevenliche cwen ure lefedi Seinte marie heveÖ fif feste inne twelf monaÖ.

Mit der ersten bei Wright .und Halliwell abgedruckten

"2) Diese homilie führt weiter keinen titel.

^") Hickes 170, bezeichnet: Dominica Palmarum.

"*) Ebend. 233, „in die nataili domini" tiberschriebön.

"*) Hickes III, 233- Als „sermo in epiphania domini" aufgeführt.

"ß) Ebend. ohne titel. »") Ebenfalls ohne titel.

^^) ßiEffmo de Idarla Magdalena benannt.

"*) Als sermo beate virginis von Wanley angegeben.

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88 WÜLCKER

homilie (vgl. oben XXXIX) hat hier diese nichts zu tun, wenn auch sie sich im inhalte nahe berühren.

Hiermit schliessen wir die Übersicht der nags. denkmäler. Wanley führt jioch einige mehr an. Doch wie es sich mit der nags. evangelienübersetzung verhält, haben wir oben pag. 76 gesehen. Ein angeblich lateinisch-neuags. glossar ist erst noch zu untersuchen, in welche zeit es gehört. Wanley sagt nm»^i8o) es sei „ante quingentos annos" geschrieben.

Schliesslich führt Wanley i^O noch aus' Cott. Calig. A IX, also aus derselben hs., welche die hs, A des Lagamon und eine hs. der eule und nachtigal enthält, ein gedieht an: „de morte, judicio et de poenis infernis" als nags. Es beginnt: Non mai longe lives wene Ac ofte him lieÖ pe wrench, Feir weÖer turneÖ oft into reine And wunderliche hit makeÖ his blench etc. Madden setzt dieses mss. bekanntlich in die erste hälfte des 13. jh. Doch dürfen wirj es dann gewis nicht viel vor 1250 entstanden denken. Denn das gedieht zeigt keine ent- schieden alte formen, ausserdem ist die reimstellung:

ababbaab doch schon eine sehr künstliche, während sonst nags. nur paar- weise gereimt wird. Besser wird es also in spätere zeit zu setzen sein.

Die neue ausgäbe von Warton's literaturgeschichte (ed. by Hazlitt, London 1871, 4 voll.) wurde bei unsrer darstellung noch nicht benutzt. Doch gibt dieselbe auch nichts neues. Nur ist das in anm. 6 gesagte teilweise zurückzunehmen, indem viel Verbesserungen jetzt in den text aufgenommen sind. Die denkmäler, welche Craik (a compendious hi- story of English literature from the Norman conquest, 2 voll.) anführt pag.l93flf., aus Ritsons anc. songs, also das lied von Canut, die worte Aldreds u. a. sind hier absichtlich übergangen, weil sie sehr zweifelhafter natur sind. Nur die Godric zugeschriebenen zeilen dürften noch hierher gehören.

Nachdem ferner die neue ausgäbe von Mätzners Englischer gram- matik erschienen, ist das in anm. 14 gesagte etwas zu modificiren, vgl. Mätzner 2. aufl. I. teil, 1. abt. pag. 7 oben.

iw) Hickes ÜI, 84, ms. der Bodleiana. »si) Hickes III, 229. LEIPZIG. RICHARD WÜLCKER.

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'7/,

LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS.

Wenn auch die legende von Pilatus keine eigentlich volks- tümliche sagenbildung ist, so hat sie doch so viele merkwür- dige, für die ganze anschauungsweise des mittelalters interes- sante Züge in sich aufgenommen, dass eine eingehendere Unter- suchung ihrer entstehung um so lohnender erscheint, als eine solche bis jetzt noch nicht geführt worden ist. Massmann hat zwar bereits in den anmerkungen zur kaiserchronik ^) viele ein- zelne notizen über die sage gesammelt, jedoch ist diese Samm- lung bei weitem noch nicht erschöpfend und in manchen ein- zelnen punkten nicht ganz genau; auch hat Massmann es wol an dieser stelle gar nicht darauf abgesehen, die art und weise, wie die sage allmählich entstanden ist, darzustellen. Ebenso- wenig ist in Du M^rils aufsatz über Judas Ischarioth und Pi- latus 2) eine eingehendere darstellung der sage enthalten, auch hier sind im wesentlichen bloss einzelne notizen, namentlich aus altfranzöBischen quellen, beigebracht.

Bei der ausserordentlichen Verbreitung unserer legende und bei den mannigfaltigen lokalen traditionen, welche sich an dieselbe knüpfen, darf es uns nicht wundem, dass kaum eine darsteUung unserer sage erhalten ist, die nicht irgend welchiö, mehr oder weniger erhebliche abweichungen von den übrigen darstellungen enthielte. Die allgemeinste Verbreitung hat die sage jedoch ungefähr in der folgenden gestaltung gefunden:

In Mainz lebte einst der könig Atus, der in der stemdeu- tung sehr erfahren war. Als derselbe sich einst auf der jagd befand, las er in den stemen, dass, wenn eine frau in dieser

*) Massmann, kaiserchronik III. 594.. ff. Pilatus Schicksal. cf. 573. ff. Veronika.

*) Du M^ril. Poesies populaires latines du moyen äge. 315. ff.

Beiträge zur geschichte der deutachen spräche. I. 7

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90 CRElZENACH

stunde von ihm empfange, sie ein kind zur weit bringen werde, welches einst über viele länder und menschen mächtig sein werde. Da er gerade weit von hause entfernt war, gab er seinen jagdgenossen den auftrag, ihm ein mädchen aus der gegend zuzuführen, in welcher sie sich gerade befanden. So wurde ihm Pila, die tochter eines in der gegend wohnenden müUers zugeführt. Nach einiger zeit gebar diese einen knaben und nannte ihn nach ihrem und des königsAtus namen Pilatus; in einigen Versionen der sage wird auch erzählt, dass der könig Tyrus"^) geheissen habe und dass Pilatus die zweite hälfte seines namens dem vater der Pila verdanke. Nach verlauf einiger jähre schickt Pila den Pilatus an den hof seines vaters. Dort entzweit er sich mit einem andern söhne des königs und tötet ihn. In folge dessen entfernt ihn der könig von seinem hofe und schickt ihn als geisel nach Rom. Dort gerät er widerum nach einiger zeit mit einem fürstensohne *) in streit und er- schlägt denselben, wofür ihn die Römer zur strafe in das land Pontus schicken, dessen einwohner sich den Römern nicht unter- werfen wollten; Pilatus jedoch bezwingt das land und erhält daher den namen Pontius Pilatus. Nachdem er das unterjochte land eine Zeitlang beherscht hatte, hört Herodes in Palaestina von seinen herschertalenten und ernennt ihn zu seinem mitre- genten. Pilatus verdrängt in dieser Stellung sehr bald den Herodes. Hierauf schildert die legende das auftreten Christi und das Verhältnis des Pilatus zu demselben.

Um diese zeit leidet zu Rom derkaiser an einer schweren krankheit,^) kein arzt weiss ihm zu helfen. Da hört er von Christo, der alle krankheiten auf wunderbare weise heile und schickt einen boten, Volusianus, an Pilatus, damit dieser ihm

^) In einer handschrift der lat. prosaerzählung heisst er Cyrus (Du M^ril 359. anm.)

*) Nach dem lat. gedichte (cf. Du M6ril pag. 343 ff. Mone, anzeiger 1835. 425. ff.) ein englischer, sonst meist ein französischer königssohn. Das deutsche gedieht nennt ihn Paynus (Massmann, deutsche gedichte des 12. jhdt. pag 165 ff.), die französische prosa (Du M^ril. pag. 359. ff.) nennt ihn Paginus, fils Pagini.

5) An dieser stelle gehn die Überlieferungen sehr auseinander. Am häufigsten werden Tiberius, Vespasian und Titus genannt, selten Nero oder Caligula. Auf diese Variationen werde ich weiter unten zurück- kommen.

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LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. Öl

Christum sende. Der böte triflft; Veronika, die ihm erzählt, dass Christus nicht mehr lebe, sich aber erbietet, mit ihrem wundertätigen schweisstuche den kaiser zu heilen. So reist der böte mit Veronika nach Rom und führt Pilatus als den hauptschuldigen am tode Christi gefangen mit sich. Der kaiser wird geheilt, ist sehr erzürnt über Pilatus, wird aber jedesmal, sobald derselbe vor ihm erscheint, wider günstig gestimmt Da stellt sich heraus, dass Pilatus mit dem wundertätigen rocke Christi bekleidet ist. Sobald er diesen rock ausgezogen hat, verurteilt ihn der kaiser zum tode, Pilatus aber bringt sich vor der Verurteilung selbst um. Sein leichnam wird in den Tiber geworfen, da er aber dort stürm und ungewitter veran- lasst, schafft man ihn zuerst nachVienne und von da in einen see hoch in den Alpen.

In den ersten zeiten des Christentums wird Pilatus durch- aus nicht so ungünstig dargestellt, wie in der legende. Man legte, wie Du M6ril bemerkt, grosses gewicht darauf, die mei- nung des richters Christi,^) der über alle umstände genaue kenntnis haben muste, als dem Christentum günstig darzustellen. Unter dem einflusse dieser bestrebung entstand die erzählung von einem berichte des Pilatus an den kaiser,') in welchem derselbe die Verurteilung Jesu ganz in christlichem sinne dar- stellt Ebenso soll der Vorgänger des Pilatus, Lentulus in Wirklichkeit hiess derselbe Valerius Gratus einen brief nach Rom geschickt haben, in welchem er Christum sehr lobt und namentlich seine äusserliche erscheinung sehr ausführlich be- schreibt *) In derselben weise wird auch Tiberius bereits sehr früh, schon von TertuUian, ^) als anhänger des Christentums ge- schildert. Später bildete sich sogar die sage aus, er habe das volk zum Christentum gezwungen und habe alle heidnischen tempel niederreissen lassen, sei aber von der aufgeregten menge getötet und in den fluss geworfen worden, der vorher Albanus

•) Du M6ril pag. 340.

^ cf. evangelia apocrypha ed. Tischendorf. Lipsius, die Pilatusacten kritisch nnterBucht. Kiel. 1871. Calmet, dictionnaire de la bible ed. Migne m. 1155. ff.

*) Herzog, realencyclopädie, art. Lentulus.

•) Lipsius. pag. 19.

7*

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92 CREIZENACH

hiess, dann aber nach ihm Tiber genannt wurde. ^^) Die kop- tischen Christen halten den Pilatus sogar fttr einen heiligen, der den märiyrertod erlitten habe. In ähnlichem sinne wird der tod des Pilatus und seiner frau in der jtaQaöocig HUdrov erzählt")

Nach dem siege des Christentums hatte man nicht mehr nötig, sich um so problematische zeugen der christlichen kirche zu bemühen. Man erkannte mit unbefangenerem blick, wie wenig veranlassung die heilige schrift zu einer so günstigen beurteilung des Pilatus bietet und von diesem gesichtspunkte aus entstand dann die legende von der Verurteilung und dem tode des Pilatus. Die bildung der legende wurde erstens, wie die. aller christlichen legenden, dadurch unterstützt, dass das neue testament im gegensatz zum alten testamente so wenig eigentlichen erzählungsstoff enthält; dann aber auch dadurch, dass, während sonst in der bibel und namentlich im alten testamente kaum eine einzige sünde oder ein einziges vergehen erwähnt wird, dem nicht auch eine bestimmte zeitliche strafe auf dem fusse folgt, in unserm falle von einer solchen strafe in der bibel nicht die rede ist.

Jedoch auch abgesehen von diesen allgemeineren rücksichten ist in der bibel ein bestimmtes motiv enthalten, welches in die geschichte des Pilatus einen geheimnisvollen, zu weiterer aus- öchmückung verlockenden zug hineinbringt. Es ist diess der träum der frau des Pilatus, durch welchen dieselbe aufgefordert wurde, ihren gemahl vor der Verurteilung Christi zu warnen. Dieser zug ist zwar weniger in der legende selbst, als nament- lich in den meisten dramatischen bearbeitungen der passion sehr ausführlich behandelt. Schon sehr früh kommt für sie der name Claudia Procula vor, sie wird mit der im zweiten brief an Timotheus erwähnten Claudia identificiert und es wird von ihr erzählt, dass sie eine proselytin des tors gewesen sei ^2)

«0) Diese version findet sich in einer Görlitzer handscbrift des von Pfeiffer evangelium Nicodemi genannten gedichtes.

") Tischendorf, pag 426 ff., über Pilatus als Christen cf. Fabricius cod. apocryph. IIL 505.

«) IL Timoth. 4,21.— cf. Cahnet, art. Claudia. Herzog, art. Pila- tus. — Thilo, evang. apocr3rph. 522. ff.

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LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 93

Die griechisclie kirche hält sie für eine heilige. Man erinnerte sich hierbei jedenfalls an die vornehmen Römerinnen, die sich selbst in den zeiten der härtesten Verfolgungen vielfach dem christentume und judentume geneigt zeigten. Fabricius erwähnt eine in seiner zeit verfasste historia anecdota, welche die ge- schichte der Claudia in sehr phantastischer und willkttrlicher weise weiter ausspinnt ^3) Auch Abraham a santa Clara in seinem „Judas der erzschelm" verherlicht sie in seiner weise wegen ihrer fttrbitte fllr Christum. Der träum wird von den meisten abendländischen kirchenvätem fär eine eiugebung des teufeis gehalten, um den opfertod Christi zu verhindern. Dieser auffassung schliessen sich auch der heliand und die meisten dramatischen darstellungen der passion an;, am drastischsten ist die scene behandelt in den Coventry mysteries und in dem comisdien passionsdrama*^). Das von Jubinal mitgeteilte my- störe de la passion erwähnt ein derartiges traumgesicht gar nicht, sondern schildert in einer wahrhaft poetischen scene, wie die frau des Pilatus mit ihrem söhne und ihrer tochter bei ihrem manne um Schonung Christi bittet**) Diese kinder des Pilatus kommen sonst sehr selten vor: in den rechnungsbtlchem über die englischen mysterienauflftihrungen wird einmal scepter und Streitaxt fUr den söhn des Pilatus erwähnt*') und in dem St Galler passionspiel wird dargestellt, wie die frau des Pilatus ihrer tochter den träum erzählt*') Elopstock stellt im Messias das traumgesicht so dar, als ob der geist des Socrates der frau des Pilatus erschienen sei

Pilatus selbst wird in den mittelalterlichen darstellungen der passion und der auferstehung meist noch ungünstiger als in der bibel dargestellt Einige mysterien, namentlich die passion des Jehan Michel malen zwar die bemühungen des Pilatus um die rettung Christi sehr ausführlich aus,i8) in den darstellungen der auferstehung jedoch tritt er fast durchgängig als ein ent-

*3) cod. apoeryph. III. 398. Historia anecdota. noch eine publicierte Geschichtßerzählung von der Frau Pilatusin etc.

*^) Lndus Coventriae, a coUection of mysteries formerly represented at Coventry. London 1841 p. 310. Norris, the ancient comish drama. L 373 flf.

*») Jubinal myst^res in^dits vol. II.

»«) cf. Ebert, Jahrbuch L 44. flf.

*^ Mone, deutsche Schauspiele des mittelalters L 114.

") cf. Du M6ril pag. 340.

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94 CREIZENACH

schiedener feind Christi auf. Während er in der bibel die be- wachung des heiligen grabes ganz den Juden überlässt, erscheint er in den mysterien nach dem begräbnis meist in beratungmit Annas und Kaiphas, um die auferstehung durch eine besetzung des grabes zu verhtlten. In den betreflfenden scenen treten fast überall vier Soldaten als Wächter des grabes auf, wiewol die bibel hierzu keine veranlassung bietet; in derselben weise wie diess mit der dreizahl der weisen oder könige aus dem mor- genlande der fall ist. In dem oben erwähnten myst6re de la passion und in den Chester-plays i^) erscheinen drei ritter, in der westsächsischen Übersetzung des evangeliums Nicodemi wird von 44 rittem gesprochen. 20) Die acta S. Longini Centurionis erzählen, dass Longinus einer dieser ritter gewesen sei; von Pilatus sagen diese acta, er sei „adversus Christi innocentianä mercede conductus" gewesen. 21) Die englischen mysterien schil- dern hier den Pilatus ganz besonders ungünstig. In den Towne- ley mysteries hält er eine lange rede, in welcher er sich selbst alles mögliche schlechte nachsagt; er schwört wie alle beiden und Juden in den englischen und keltischen mysterien tun, bei Mahomet; bei der grossen Sonnenfinsternis, welche nach Christi tode eintritt, tröstet er sich sehr leicht damit, dass er sagt, es sei diess dasjenige, was die gelehrten eine eclipsis nennen. 22) Ebenso wird häufig erwähnt, dass er den Joseph von Arimathia und den Nicodemus in das gefangnis habe werfen lassen.

In dieser weise wurde der Charakter des Pilatus auch in- nerhalb des in der bibel gegebenen rahmens immer ungünstiger dargestellt und das bedürfnis nach einer erzählung von einer bestrafung wachgerufen. Den nächsten anlass zu einer solchen erzählung gabwol die notiz desJosephus, dass Pilatus im jähre 36 wegen niedermetzelung der Samaritaner auf dem berge Garizim verklagt, abgesetzt und zur Verantwortung nach Rom

») The ehester plays. ed. Thomas Wright 1843. IL 87.

20) Wülcker, das evangelium Nicodemi in der abendländischen lite- ratnr. Paderborn 1872. p. 18.

2») acta SS. 15. mz. tom. IL 386 ff.

^) Der abdruck der Towneley mysteries (London 1836 für die Surtee Society) war mir nicht zugänglich, ich konnte nur den auszug bei Ebert (Jahrbuch L 44 ff.) benützen.

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LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 96

geschickt worden sei. 23) Daran knüpfte sich später die erzäh- lung; er sei von Rom aus nach einer Stadt im südlichen Gallien geschickt worden, wo er sich dann selbst das leben genommen habe; die angaben schwanken zwischen Yienne und Lyon. Diese erzählung erinnert daran, dass mehrere jüdische fürsten in der tat nach Gallien in das exil geschickt wurden; Arche- laus wurde nach Vienne und Herodes Antipas nach Lyon ver- bannt. Eusebius erwähnt zuerst diese version^ ihm schliessen sich mehrere Chronisten an,^*) bis die sage später, wie unten gezeigt werden wird, durch die Vermischung mit der Veronika- sage eine andere gestalt erhielt. Ausserdem wird erzählt, dass Pilatus in Gallien geboren sei, Chörier erwähnt, dass die städte Vienne und Lyon sich darum stritten, welche von" ihnen das meiste recht habe, sich den geburtsort des Pilatus zu nennen. 2*) Übrigens wurde diese frühere gestaltung der sage durch die spätere keineswegs vollständig verdrängt, sie taucht vereinzelt auch noch im späteren mittelalter auf und hat auf dem schau- platze, auf welchem sie spielt, mannigfache kleinere Umgestal- tungen erfahren. In dem gedichte d^struction de Jerusalem ist die frühere tradition mit der späteren combiniert. 20) Dort wird erzählt, Vespasian habe nach seiner heilung durch Veronika einen kriegszug gegen Jerusalem unternommen; Pilatus sei als- dann in Jerusalem gefangen genommen, nach Vienne in das exil geschickt und dort in einen türm eingesperrt worden; nach zwjöi jähren sei alsdann der türm init ihm in einen ab- grund versunken. Nach der erzählung des dichters wurde der platz, auf dem diess geschah, noch zu seiner zeit in Vienne ge- zeigt. Noch lange konnte man in Vienne ein pretoire de Pilate, tour de Pilate, maison de Pilate sehen; die mannigfachen er- zählungen, welche sich an diese gebäude knüpfen, weichen alle nur in ganz unwesentlichen punkten von der alten tradition vom tode des Pilatus ab. Chorief- meint, der name dieser ge- bäiide habe mit unserm Pilatus gar nichts zu tun, sondern be-

23) Josephus. Antt. 4. 1.

2*) Eusebius. IL 7. Orosius 7. 5. Frekulf IL 1. 12.

**) Chorier. histoire du Dauphin^. Grenoble 166L vol. I. pag. 331.

26) Histoire litt^raire de la France. XXII. 412—16. Auch die von Thilo (prolegg. CXXXVI. ff.) aus einem hallen ser codex mitgeteilte Ver- sion hat noch spuren der alten Überlieferung.

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Ö6 CKEIZENACH

ziehe sich auf einen Italiener Humbert Pilati. 2^) In Schlözers briefwechsel wird einmal erwähnt, dass auch ein schloss in der nähe von St. Vallier als der Wohnort des Pilatus bezeichnet wird. 28)

Die gewöhnliche version der Pilatussage steht im engsten zusammenhange mit der legende von der Übertragung d^s schweisstuches der heiligen Veronika nach Rom. Das älteste Zeugnis für die anwesenheit jdieser reliquie in Rom fällt in das jähr 705, in welchem jähre papst Johann VII. in der Peters- kirche vor derkapelle der Maria ein tabemakel zur bewahrung des schweisstuches errichtete. 2») In demselben Jahrhunderte bildete sich dann die legende aus, welche offenbar die tendenz hat, die bedeutung der reliquie dadurch zu erhöhen, dass die bekehrung des kaisers und die bestrafung der feinde Christi als durch sie herbeigeführt dargestellt wird; nur in ganz späten Versionen der legende hat sich dieser Zusammenhang verwischt. -Bei der erzählung der art und weise, wie die heilung des kaisers vom aussatze durch, das schweisstuch herbeigeführt wurde, hat offenbar die zur zeit der entstehung unserer sage schon voll- ständig entwickelte, ältere und historisch begründetere legende von der bekehrung des ersten christlichen kaisers mit einen einfluss ausgeübt. Constantin nämlich soll am aussatze gelitten haben; um sich nun von dieser krankheit zu befreien, will er im blute von kindem baden, er lässt sich aber durch die trä- nen dermütter dieser kinder dazu bestimmen, auf dieses blutbad zu verzichten, und wendet sich, durch eine himmlische erschei- nung belehrt, an den papst Sylvester, der ihn durch die taufe von der krankheit befreit. Eine erwähnung dieser legende findet sich -schon im 5. Jahrhundert. 3<^) Es ist offenbar, dass sie die bildung unserer legende beeinflusst hat, am deutlichsten zeigt sieh diess darin, dass in einer version der sage Constantin

2') cf. Calmet. art. Püatus.

28) Schlözer. Briefwechsel IV. 49. antiquarische reise in das südliche Frankreich im Monat Mai 1776 von Hrn. adjunkt Oberlin in Strassburg.

2«) cf. W. Grimm. Die sage vom Ursprung der Christusbilder, pag. 144. Abhandlungen der Beriiner akädemie. 1842.

3«) Döllinger. Papstfabeln pag. 54.

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LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 97

auch als derjenige kaiser auftritt, welcher den Pilatus zur rechenschaft zieht und bestraft. 3*)

Nach vielen Versionen der sage litt der kaiser aber nicht am aussatze, sondern daran, dass er Ungeziefer, Würmer oder wespen in seinem körper hatte. Nach dem lateinischen ge- dichte von Pilatus herschten Titus und Vespasian damals zu- sammen; Titus litt am aussatz, Vespasian daran, dass sein körper mit wespen angefüllt war. Mehrmals wird sogar er- wähnt, dass Vespasian von diesen wespen seinen namen er- halten habe. ^^) Diese erzählung erinnert an eine alte jüdische sage. Titus, erzählt dieselbe, litt auf dem meere mit den in Jerusalem geraubten tempelschätzen stürm. Er verspottete den gott der Juden, dass derselbe seinen feinden nur zu wasser schaden könne; so habe er das beer des Pharao im roten meere und das beer des Sissera im bache Kison vernichtet. Da rief ihm eine stimme vom himmel zu: „wenn du an das land steigst, werde ich dir einen gegner schicken den du nicht überwinden kannst" Und sowie Titus ans land stieg, flog eine mücke herbei, setzte sich ihm in das haupt und peinigte ihn sein ganzes übriges leben. 3^) Dass das volk einem verhassten herscher eine derartige krankheit andichtet, kommtauch sonst vor; von Sulla, von Herodes, ja sogar noch von Philipp II. wird be- kanntlich ähnliches erzählt. Diese sage ist übrigens schon sehr alt, Eabbi Elieser ben Hyrkan, der zur zeit der Zerstörung des zweiten tempels lebte, kennt sie bereits.'^*)

Dass Titus und Vespasian so häufig anstatt des in den ältesten Versionen erwähnten Tiberius als diejenigen dargestellt werden, an welchen die wunderbare heilung und ])ekehrung durch das schweisstuch vollzogen wurde, dazu trug jedenfalls der umstand bei, dass man bei ihnen wegen ihres feldzugs gegen die Juden auf eine christliche gesinnung schliessen zu können glaubte. Vielleicht erinnerte man sich aber auch bei dem namen der Veronika oder Berenike, an das bekannte lie-

3*) Gildemeister und v. Sybel, der heilige rock zu Trier und die 20 andern ungenähten heiligen rocke. 3 aufl. pag. 54. ^) So berichtet u. a. die legendaaurea.

33) cf. Tendlau. Buch der sagen und legenden jüdischer vorzeit. 312. ^) Pirke R. Elieser. 49.

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besverhältnis des Titus mit der Jüdin Berenike; jedoch möchte ich diess nicht bestimmt behaupten.

Ein verhältnismässig sehr spät zu der legende hinzugetre- tener zug ist die erzählung von der wundertätigen Wirkung des rockes Christi. In der gegend von Trier hat sich eine tradition erhalten, in welcher ganz dieselbe begebenheit unter anderen Verhältnissen nach Trier verlegt wird. 3*) Da die le- gende nirgends erzählt^ wie Pilatus zu dem rock Christi ge- kommen ist, so wurde in späterer zeit def versuch gemacht, diesen umstand zu erklären. Im Donaueschinger passionsspiel wird dargestellt, wie Israhel, dem bei der Verlosung nach der kreuzigung der rock zugefallen war, denselben dem Pilatus zum geschenk macht ^ß) Die Towneley Mysteriös, deren Verfasser auch sonst die legende zu kennen scheint er erwähnt, dass Pilatus von Pila und Atus seinen namen erhalten habe be- richten, die henker hätten sich um den rock gestritten und Pilatus habe ihn, zum Schiedsrichter aufgerufen, sich selbst an- geeignet. Dass ein habsüchtiger richter sich eines von zwei Parteien in ansprach genommenen gegenständes selbst bemäch- tigt, ist ein zug, der auch sonst mannigfach in fabeln und anec- doten vorkommt Sehr ausführlich ist die wundertätige Wir- kung des heiligen rocks in dem cornischen dr§-ma dargestellt^ WO Pilatus mit dem kaiser über das anbehalten oder ausziehen des rockes eine sehr unästhetische debatte führt.

Wie wir oben gesehen haben, schliesst sich nunmehr die erzählung von der bestrafung des Pilatus sehr natürlich an und hier brachte die sage einen zug an, der den Pilatus in den äugen der mittelalterlichen leser oder zuhörer ganz besonders verächtlich erscheinen lassen neuste. Es ist diess der Selbst- mord, der gewis im mittelalter als ein ganz besonders unna- türliches verbrechen erschien. Die uns aus dem mittelalter über- lieferten fälle von Selbstmorden sind sehr selten; Dante, der die höUenqualen der Selbstmörder als ganz besonders peinvoll schil- dert, erwähnt bei dieser gelegenheit nur eine einzige historische persönlichkeit, den Peter von Vinea.^^)

3*) Gildemeister und v. Sybel a. a. o. ^) Mone, Schauspiele IL 320.

•^') Inferao XIII. Lano, von welchem Dante erzählt, dass er nach einem zügellosen leben in der schlacht den tod aufgesucht habe, kann

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LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 99

Dieser Selbstmord des Pilatus ist auch eine tat, die ihn mit dem grösten Verbrecher des neuen testaments, mit Judas Ischarioth auf eine stufe stellt und bei beiden wird auch sehr häufig das unnatürliche dieses Verbrechens hervorgehoben. In dem St Galler passionsspiel sagt Augustinus, der in diesem drama ungefähr die rolle des antiken chors vertritt, beim tode des Judas, dass demselben, wenn er sich nicht erhängt hätte, gewis seine Sünden vergeben worden seien. ^®) Ebenso werden dem kaiser in sehr vielen Versionen der legende werte des ab- scheus und der entrüstung über den Selbstmord des Pilatus in den mund gelegt

Die Versenkung des leichnams in den Tiber steht mit dem Selbstmord in engster Verbindung. Es ist ein mehrfach nach- gewiesener gebrauch, dass Selbstmörder nach ihrem tode in einen fluss geworfen wurden; gewöhnlich wurden sie zuerst in ein fass gesteckt und dann dem ströme überlassen.^*) Es knüpf- ten sich nunmehr an den platz, an welchem die Überreste des Pilatus sich befanden, allerlei unheimliche geschichten an, wie sie sich leicht an der grabstätte eines Verbrechers bilden. Wahr- scheinlich waren zu der zeit, wo die erzählung von den Wir- kungen des bösen geistes in dem Tiber sich bildete, schon ähn- liche traditionen inVienne vorhanden; in der wendung, welche die legende dadurch nimmt, dass sie den leichnam von Born nach Vienne gebracht werden lässt, liegt gewissermassen eine concession an die ältere Überlieferung vom tode des Pilatus. Einige Versionen kennen jedoch diese Übertragung des leichnams nach Vienne nicht In einer version wird erzählt, dass die leiche zuerst, nachdem man sie aus dem Tiber herausgeholt hatte, ins meer geworfen sei; dann aber weil dort alle fische umge- kommen seien, habe man sie in die wüste gebracht*®) Im

nach unseren begriffen gar nicht für einen eigentlichen Selbstmörder gelten.

3*) Mone, Schauspiele. I. 59.

^) cf . Bourquelot. Becherches sur les opinions et la legislation en ma- ti^re de mort volontaire pendant le moyen äge. bibliotheque de l'ecole des chartes. tom IV. pag. 456. flf. Paris 1842—43. Föringer, über den gebrauch, Selbstmörder in schwimmenden tassern zu bestatten. Oberbay- risches archiv für vaterländische geschichte. IL 407 ff.

*^) Massmann, kaiserchronik III. 606.

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kornischen drama ist sogar schon die blosse berührung mit dem Wasser unheilbringend; es wird dort dargestellt, wie ein Wanderer, der sich in dem wasser des Tiber wäscht, sofort tot niedersinkt.

In Vienne hatte Pilatus noch keine ruhe. Der leichnam wurde wider hervorgeholt und in einen gebirgsee der Alpen versenkt Hier vermischten sich einheimische, volkstümliche demente mit der sage. Einsame gebirgseen waren in der heidnischen zeit vielfach göttersitze und diese wurden dann häufig in christlicher zeit zum sitze böser geister. In den meisten fällen wird der see oder brunnen, in welchen Pilatus versenkt wurde, gar nicht ausdrücklich genannt, gewöhnhlich whrd aber hinzugefligt, dass auch dort noch manchmal der geist ungewitter veranlasse. In dem lai gedichte von Pilatus wird erzählt, dass der leichnam in einen feuerspeienden berg geworfen worden seL*^)

Der berg, den wir jetzt Pilatusberg nennen, kommt nach Massmann mit diesem namen zuerst bei Conradus de Mure vor (1273), an ihm hat sich die sage localisiert. Hierzu trug bei, dass auch sonst vom Pilatusberg mancherlei wunderbares er- zählt wird. So wird die fabel, dass auf dem Pilatusberge drachen vorkommen sollen, noch von Scheuchzer in seinem ovQsai^olrrjg helveticus, dem ersten wissenschaftlichen werke über die Alpen, erwähnt. ^^^ Es ist schon häufiger darauf hin- gewiesen worden, dass diese lokalisierung wahrscheinlich einer zufälligen namensähnlichkeit ihren Ursprung verdankt. Der Pilatusberg dient nämlich in der gegend als Wetterprophet; wenn sich die wölken in der gestalt eines hutes um ihn sam- meln, so bedeutet dieses gutes wetter, daher die Wetterregel: Wenn der Pilatus hat einen hut So ist das wetter fein und gut.

♦0 Aehnlich erzählt eine Nürnberger chronik (Btißching wöchentliche Nachrichten Breslau 1816. pag. 301.) dass Hatte von Mainz vom teufelin den Ätna geworfen worden sei. Vom herzog Amolph von Bayern wird hänfig erzählt, dass der teufel seine leiche in einen see bei dem kloster Scheym geworfen habe (Aventinus, ann. boj. üb. IV. 22, 24.)

**) Scheuchzer, ovQ€ai(pokijg helveticus. Lugd. Bat. 1723. 11. 390 flf. Die Wetterregel wird I. 23 erwähnt. Über die sage vom erdmännchen auf dem Pilatusberg cf. Kochholz. Schweizersagen aus dem Aargau. 1. 325.

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LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 101

Von dieser eigentümliehkeit wurde der berg, dessen deutscher name eigentlich Fragment 43) (monsfractus, in der franz. prosaer- zählung Mont Tranchiö) ist, wahrscheinlich in lat spräche mons pileatus genannt. Nun existierte von dem see auf dem Pilatusberg wie von vielen andern bergseen die erzählung, dass ein in denselben geworfener stein stürm und unwetter erzeuge. Ganz das nämliche berichten von vielen andern seen Earcher im mundus subterraneus und Liebrecht in den anmerkungen zum Gervasius von Tilbury.'*^) Kircher erzählt zwar, dass die Jesuiten dieser gegend häufiger ohne erfolg sich von der be- rechtigung dieser erzählung zu überzeugen suchten; aber trotz- dem war die fiircht vor diesen ungewittern so gross, dass der rat von Luzem die besteigung des berges verbot. Der natur- forscher Gesner muste sich eine besondere erlaubnis zur besteigung des berges erbitten. ^5) Diess alles den Wirkungen eines bösen geistes zuzuschreiben, lag sehr nahe und so konnte es wol einem geistlichen der gegend, der diesen mons pileatus kannte und der auch von der legende wüste, nach welcher der ins wasser geworfene leichnam des Pilatus Überschwem- mungen und stürme erzeugte, sehr leicht einfallen, den mons pileatus mit Pilatus in Zusammenhang zu bringen, was um so wahrscheinlicher wird, wenn man bedenkt, wie viele sagen einer derartigen zufälligen Übereinstimmung ihren Ursprung verdanken, selbst wenn ausserdem nicht so viele bedeutende momente wie bei unserer sage mitwirken. Der name des Pilatus selbst ist ja auch wahrscheinlich auf Pileatus, ein mit dem filzhut versehener, freigelassener, zurückzu- fahren, ^ß) Die grosse Verbreitung, welche die sage durch diese lokalisierung in der ganzen gegend fand, hatte zur folge, dass auch sonst in der Schweiz mancherlei von

«) Rochholz n. 309.

**) Kircher, mundus subterraneus 1.311. b. Liebrecht, die otiaim- perialia des Gervasius von Tilbury (zu der stelle Leibnitz pag. 1()04> ähnliche erzählungen bei Wolf, deutsche sagen. Nr. 263. 268.

*5) cf. Nork. Mythologie der deutschen volkssagen und Volksmärchen, kloster IX. 980.

*ö) cf. Herzog, art. Pilatus.

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1Ö2 CÄElZENACfl

Pilatus erzählt wird. In vielen dieser erzählungen hat Pi- latus Züge angenommen, die an die sage vom ewigen Juden erinnern.*')

In ihren grundzügen ganz unabhängig von dem bisher dargestellten ist die sage von der geburt und Jugend des Pilatus bis zum auftreten Christi. Sie ist offenbar in verhältnismässig später zeit entstanden und zwar mit der bestimmten tendenz, die Schicksale des Pilatus i^u einer vollständigen biographie zu ergänzen und abzurunden, wiewol eigentlich an Pilatus bloss sein Verhältnis zu Christo und seine bestrafung interessierte. In mehreren einzelnen punkten tritt die tendenz ganz offen zu tage, später geschehenes im voraus zu motivieren. So ist bei der erzählüng, dass Herodes den Pilatus aus Pontus berufen habe, dann aber von diesem aus seiner Stellung verdrängt worden sei, jedenfalls im voraus daran gedacht, die im neuen testamente (Lucas 23, 12) erwähnte feindschaft zwischen Herodes und Pilatus zu erklären. Der brudermord des Pilatus ist^ abgesehen von der allgemeinen tendenz, den Charakter des Pi- latus möglichst ungünstig darzustellen vielleicht auch des- halb hinzugefügt, weil der Verfasser der erzählüng wissen mochte, dass die Versenkung in einen fluss die alte römische strafe des parricidiums war und auf diese weise dem Pilatus auch ein parricidium aufgebürdet wurde; wenn auch für die Versenkung des leichnams in den Tiber, wie wir oben gesehen haben, schon durch den Selbstmord ein genügender grund gege- ben war. Dass der autor auch sonst mit dem römischen alter- tum nicht ganz unbekannt war, beweist unter andern der umstand, dass er erzählt, Pilatus habe den namen Pontius von der Unterjochung des landes Pontus erhalten, woraus hervor- geht, dass er die alte römische sitte kannte, feldherm und Staatsmännern nach gewonnenen schlachten und unterworfenen landstrichen beinamen zu erteilen. Alle diese züge machen es deutlich, dass wir es hier im wesentlichen mit einem gelehrten sagengebilde zu tun haben, einem sagengebilde, das es sich zur aufgäbe macht, dem vorhandenen Stoffe bis zu seinen äussersten anfangen nachzuspüren.

*') ßochholz II. 306 ff.

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LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 103

Schon gleich zu anfang die erzählung von d^r geburt des Pilatus macht den eindruck einer durchau» willkürlichen er- ' dichtung. Der name des königs, Atus, Tyru», oder Cyrug, der umstand, dass der könig zugleich auch ein astrolog war, die art, wie er seine diener nach der Pila ausschickt: diess alles sind Züge, die mehr an ein orientalisches märchen, als an eine deutsche volkssage erinnern; auch ist es dgentümlich, dass Yon Pilatus weiter nichts prophezeit werden soll, als dass er dereinst ein mächtiger herscher sein werde. Überhaupt passt eine derartige ausführliche erzählung yon der geburt und Jugend wol in die biographie eines gewaltigen herschers oder grossen eroberers, nicht aber in die eines an und für sich so unbedeu- teoäßa menschen wie Pilatus. Und wirklich stellt sich heraus, ddffi hier eine sage von der geburt und Jugend Karls des Grossen ganz willkürlich auf Pilatus übertragen ist, wenn auch die uns erhaltenen schriftlichen aufzeichnungen dieser sage in eine spätere zeit fallen, als die ersten aufzeichnungen der sage von der geburt des Pilatus. Von den beiden für unsem zweck hauptsächlich in betracht kommenden darstellungen der geburt Karls, nämlich ^er Wolterschen chronik und der Weihen- stephaner Chronik, enthält auch die später c. 1460 abgefs^sste W^oltersche chronik ofienbar eine ältere darstellung als die W^eihenstephaner, die wahrscheinlich aus dem 13. Jahrhundert stammt.*») Die Woltersche chronik erzählt:

König Pipin wollte Bertha, die tochter des königs Theo- dorich heiraten; er schickte deshalb boten zu könig Theodorich, um für ihn um sie zu werben und sie alsdann In sein land zu geleiten. Theodorich nimmt den antrag an und gibt seine tochter sogleich den von Pipin abgesanten drei rittem mit. Unterwegs beschliessen die ritter aber, Bertha auszusetzen und dafür dem könig die tochter des einen von ihnen als gemahlin zuzuführen. So geschieht es und Pipin vermählt sich mit der falschen Bertha; die echte Bertha aber findet nach langem um- herirre» im walde bei einem müUer Zuflucht. Bei diesem ver- weilt sie mehrere jähre. Pipin kommt nun einmal auf einer

♦») Chron. Henrici Wolteri. 20—21. Meibomius. scriptt. rer. Germ. II. ef. Wolf, neuste leistungen der Franzosen flir die herausgäbe ihrer natio- nalheldengedichte. Wien 1833.

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jagd in die mühle, in welcher sieh Bertha aufhält; diese wird ihm zu willen und verabredet mit ihm, dass, wenn sie einen söhn zur weit bringen werde, sie denselben mit einem bogen bewaiSaet zu ihm schicken wolle. So kommt Karl an den hof Pipins, hat aber immerwährend mit den kindem der falschen Bertha Streitigkeiten und wird in folge dessen auf den rat der falschen Bertha an einen auswärtigen hof verbannt. Soweit die erzählung der Wolterschen chronik, insofern sie für unsern zweck von bedeutung ist; die Weihenstephaner chl-onik, welche die geburt Karls in der Reissmühle bei Weihenstephan vor sich gehen lässt, fügt hinzu, dass der könig von einem astrologen begleitet gewesen sei^ welcher die zukünftige grosse des in der betreffenden stunde gezeugten kindes aus den stemen geweis- sagt habe.

Die Übereinstimmung dieser sage mit der unsrigen ist offen- bar. Züge, die in eine sage vom leben Karls sehr gut passen, sind hier ganz willkürlich auf Pilatus übertragen. Die mühle, welche in allen Versionen der Pilatussage gleichmässig vor- kommt, der merkwürdige umstand, dass in beiden fällen nicht etwa aus der constellation der geburtsstunde, sondern aus der constellation bei der zeugung gewahrsagt wird,^^) der streit mit den andern königskindern, die Verbannung an einen aus- wärtigen hof: das alles sind züge, die beiden sagen gemeinsam sind. Die einfach volkstümliche erzählung von der geburt Karls hat, wie oben bereits angedeutet, ihr ursprüngliches colorit durch den ausländischen namen des königs, durch die etymologische Spielerei etc. eingebüsst. Die auf Pilatus durchaus nicht passende Prophezeiung blieb bestehen; die absieht, diesen auffallenden zug zu mildern, trug jedenfalls dazu bei, dass Pi- latus im weitern verlauf der sage als unterjocher von Pontus dargestellt wurde.

Jedenfalls erklärt sich durch diese Zusammenstellung die sage von der geburt des Pilatus auf eine klarere und einfachere weise, als wenn man mit Mone und Massmann annimmt, die entstehung dieses teils der sage hänge damit zusammen, dass die 22. römische legion, die zur zeit der Zerstörung des zweiten

«) cf. Simrock. Handbuch der deutschen mythologie. 3. aufläge pag. 162.

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LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 106

tempels in Jerusalem lag, bald darauf an den Bhein gekommen sei; diese reminiscenz ist offenbar zu weit hergeholt; ich wüste auch keine andere sage, in welcher diese 22. legion eine rolle spielt. Allerdings gibt es eine tradition, nach welcher der Stammvater des hauses Dalberg die 22. legion und mit ihr die ersten Juden nach Worms geführt hat,^») jedoch ist diess offen- bar eine der vielen spät entstandenen sagen, die in der ahnen- sucht vieler adeliger herren ihren Ursprung haben und ist offen- bar mit anlehnung an die alten sagen vom hohen alter der Judengemeinde in Worms entstanden, welche sich unter anderm auch rühmt, einen boten nach Jerusalem geschickt zu haben, um vor der kreuzigung Christi zu warnen. Menzel glaubt auch, dass der söldnerdienst der Germanen in den römischen legionen zu dieser Wendung der sage veranlassung gegeben habe. Er führt auch an, es existierten „mancherlei spottreden über die Westfalen, die angeblich Christum sollen gekreuzigt haben" ohne hierüber bestimmte nachweise zu geben. ^^)

Einen entschieden volkstümlichen zug aber hat dieser teil der sage in sich aufgenommen, wenn Pilatus als Mainzer dar- gestellt wird. Sehr viele bösewichter und Verräter, namentlich unter den feinden Karls des Grossen, werden als Mainzer dar- gestellt. Auch in der geschichte des mittelalters gibt es hierflir mehrere beispiele, die Massmann in den anmerkungen zur kaiserchronik (pag. 280 81) zusammengestellt hat Das be- kannteste beispiel dieser art ist wol der erzbischof Hatte. Döllinger will auch die fabel von der päpstin Johanna mit die- ser tradition in Zusammenhang bringen, da diese auch eine ge- borene Mainzerin gewesen sein soll. ^^) Auch in einigen Versio- nen der sage von der geburt Karls spielen die Mainzer eine sehr unrühmliche rolle; von der falschen Bertha wird häufiger erwähnt, dass sie eine Mainzerin gewesen sei. ^^) Sonst ist aus dem Karlssagenkreise Ganelon das bekannteste beispiel und merkwürdiger weise gibt es eine tradition, nach welcher auch Juda*s Ischarioth, dessen rolle unter den zwölf Jüngern Christi auch sonst an die rolle erinnert, die Ganelon unter den zwölf

^) Bechstein, Mythe, sage, märe und fabel etc. vol. III. pag. 43.

") W. Menzel.^ Geschichte deutscher dichtung I. 238.

*2) Papstfabeln, pag. 40.

^) cf. Wolf, neuste leistungen etc. 48. ff.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I. $

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genossen Karls spielt, aus Mainz stamme.^*) Also widerum ein zug, der den Pilatus mit Judas Isßharioth in Verbindung bringt, eine Verbindung, welche auch in der Judaslegende vor- kommt, indem dort Judaß als diener und vertrauter des Pilatus auftritt. 55)

Jedoch gibt es auch noch versahiedene andre traditionen über den geburtsort des Pilfttus, Dass derselbe nach einigen in Frankreich geboren mv^ soll, ist bereits oben erwähnt und ^aljen diese traditiopen mit der uns vorliegenden sage wol nichts ^u tup. Sehr hwfig wird ein ort in Bayern als ge- burtsort erwähpt> oflF<ßnbar mit anschluss an die tradition von der göburt Karls des Gross^u. Die lateinische und die franzö- k\m^^ prosa l^s^e^i ih» m ßiuew ort in der nähe von Bamberg geboren werdQ»^ d^r m lateinischen Berleich, im französischen J^^ich genannt wird- N^^oh einer vielvQrbreiteten tradition ist Pila,tM¥^ in Fprchheim geboren; es ist hierüber ein alter leoni- nischer vers erhaltfJi;^,

FQrc^hßDaii Wtm est Pontius ille Pilatus, Teutppic^ß g^ntis crucifi^or omnipotentis.

Pa,flzer beriol^tßt, dftßs in Forchbeim früher die roten hösen d^ftPilo-tup gezßigt vyord^n seiön und erwähnt auch sonst meh- rfirß tr*ditionßn, die sich in Forchheim und in dem benachbar- t^ipi dQrfeHa-vsen a-nPilatiip kflüpfßn.^^) Auch in dieser gegend exi^tiqrßn sagen ym der abstj^mmung vornehmer geschlechter auß dem qrient, di^alben ab^r mit der Pilatussage in zusam- menhing zu bringen, wie djess in den Jahresberichten des histo- rischen verzins fUr Mittelfranfeen ^^) geschieht, ist doch wol ver- fehlt, Dies^ geneajogii^chen sagen bestehn in einem von Aur- b^cher im volksbtlchlein mitgeteilten schwanke. Dort wird er- zählt, die herren von ßiedesel, Gebsattel, Aufsess und talm hätten sich gegen einander mit dem alter ihres geschlechts ge- rühmt, wobei Riedesel erzählt, seine vorfahren hätten Christo bei seinem einzuge in Jerusalem den esel geliefert; Gebs^ttel,

5*) Kaiserphronik III. 598.

*5) cf. Du Meril a. a. o. Abraham a santa Clara ergeht sich im „Judas" über diess verbHltnis in einer seh^ aui^fmirlichen betr^chtog-

^) Panzer. B^yr, sag§^ u. brauche. JJ§itr. ?., A^iitficheft wytiiplpgie^II. 23.

") Neunter Jahresbericht. 1839. pag. 53. (Awbft^^U^r) VQlki|büch- lein. 2. teil. pag. 23. „die adfjspifol^.'- M,tl9i9h^i^ 1835,

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LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 107

seine vorfahren hätten ihm einen sattel geschenkt, Aufsess, die seinigen hätten ihn auf den esel hinaufgehoben und Palm end- lich erzählt, seine vorfahren hätten unter das volk die palmen verteilt, die Christo bei seinem einzuge auf den weg gestreut wurden. Diese erzählung ist jedenfalls ein schwank in welchem die ahnensucht einiger adligen verspottet wird und herr v. Aufsess selbst sieht in der von ihm verfassten geschichte seines geschlechts die erzählung für nichts anderes an.^^)

In Siebenkees materiWien zur geschichte der Stadt Nürn- berg ist ein reisebericht des russischen metropoliten Isidor mit- geteilt, welcher im jähre 1436 von Moskau zum concile nach Florenz reiste und auch drurch diese gegendenkanL^») Dort wird von einer stadt Pont in der nähe von Bamberg gei^jprocheBi, welche an einem flusse Tisk liege; diess sei der geburtsort des Pilatus, welcher daher auch der Pontiskische Pilatus heissß. Siebenkees vermutete schon, d^ss hier eine Verwechselung mit Forehheim vorliegt und diess ist um so wahrscheinlicher als auch sonst in diesem reiseberichte die Ortsnamen auf d$k9 wun- derlichste verdreht werden.

In Herzogs realencyclopädie wird einer tradition gedacht, nach welcher Pilatus ein Spanier gewesen und auf der Univer- sität Huesca studiert haben soll, ohne dass weitere belege oder motivierungen zu dieser version angegeben sind.

Simrock teilt in seinem kinderbuche ein kinderlied mit, in welchem Petrus und Pilatus als auf einer gemeinsohaftUchw Wanderung begrilBen geschildert werden/^) Simrock zählt das gedieht unter die verse, welche von den kindern beim spiel »um abzählen verwendet werden. Es wäre möglich, dasft in diesem liede auf einen der vielen volkstt^mlichen schwanke angespielt ist, welche \on Wanderungen des Petrusi erzählen, wiewol in dioeen schwanken Petrus meist in gesellschaft Chrißfti auftritt

'*) H. V. Aufsess in den berichten des historischen Vereins für Ober- tranken, heft I.

^) Siebenkees. Materialien zur geschichte Nürnbergs I. 29S. ff. «>) Simrock. Kinderbuch 2. aufläge. 197. ^

LEIPZIG, WILHELM CEEIZENACH.

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ÜBER DIE LETANIE.

Die deutsche litanei des 12. Jahrhunderts „Heinrichs litanei aller heiligen", wie man sie gewöhnlich bezeichnet ist bisher noch keiner 8pecialuntersucl\ung unterzogen worden. Die literatur darüber beschränkt sich auf die kurze aufführung in den literaturgeschichten und auf die wenigen worte, welche W. Grimm gesch. d. reims S. 41 42 und Diemer in der ein- leitung zu den deutschen gedichten ihr widmen. Und doch lässt der inhalt dieses gedichtes nicht minder wie die eigen- tümliche art seiner Überlieferung noch so manche wichtige frage zu erledigen. Vor allem ist es weder wissenschaftlich festge- stellt, in welcher der beiden überlieferten formen wir die ur- sprüngliche „letanle" zu suchen haben, noch wie sich diess deutsche gedieht zu der kirchlichen lateinischen litanei verhalte und welcher platz ihm überhaupt in der literaturgeschichte des 12. Jahrhunderts anzuweisen sei.

Die folgende abhandlung soll ein versuch sein, zur aus- fÜUung dieser lücke beizutragen.

Die eine der beiden recensionen unseres gedichtes ist in einer hs. des 12. Jahrhunderts erhalten, die sich in der öffent- lichen bibliothek zu Graz befindet und nach Diemer (d. ged. XVII) aus dem stifte Lambrecht in Steiermark stammt. Sie besteht aus 134 pergamentblättern und enthält zuerst lateinische gebete einer frau, dann „sehr schön und zierlich geschrieben" die letantjB in 950 versen, worauf dann deutsche und bis ans ende lateinische „gebete einer frau" folgen. Sie ist abgedruckt in Hoffmanns fundgruben IL s. 216 ff.

In anderer, weit umfänglicherer gestalt war das gedieht in einer strassburger hs. überliefert, die früher dem coli, societat Jesu Molshemy im Nieder -Elsass angehörte und beim brande

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der bibliothek i. j. 1870 mit veniichtet wurde. Die hs. enthielt Hartmanns „rede vom glouben", die letante mit 1468 versen (also 518 V. mehr, als die Gräzer), das Alexanderlied und das gedieht von Pilatus, welches nach einer randbemerkung i. j. 1187 niedergeschrieben wurde. Mit besonderer Sorgfalt scheint der Schreiber bei ihrer abfassung nicht zu werke gegangen zu sein, denn es kommen ziemlich viele fehler und nachlässigkeiten Yor, wie wir sie bei unserm gedieht noch finden werden. Der j vollständige abdruck der hs. befindet sich in Massmanns deut- schen gedichten des 12. Jahrhunderts I s. 43 fil

Die beiden recensionen weichen erheblich von einander ab und es ist daher unsere nächste aufgäbe, durch eine eingehende vergleichung derselben die ursprünglichere gestalt unseres ge- dichtes zu bestimmen. Da beide hss. schon in ganz verschie- denen dialekten geschrieben sind, so kommt es zuerst darauf an, festzustellen, ob die sprachlichen eigenttimlichkeiten der Strassburger oder der Gräzer hs. mehr anspruch auf Originalität haben: dann erst werden wir zu der frage nach den kritischen Vorzügen des einen oder des andern textes schreiten.

Wir geben daher zunächst eine kurze Übersicht über den dialekt jeder hs. ^

Die Strassburger hs. (S) trägt durchaus das gepräge des / mitteldeutschen, was wir aus folgenden lautlichen Verhältnissen entnehmen.

I. Vocale.

a kommt statt seines umlautes e vor, wenn auch nur ver- einzelt, so: du samftis v. 83, tageUh 250, widerwärtigen 761. a für ö in sdl (ich soll) 461 und oft, und in sal, (der pfuhl) 462 (dagegen findet sich durchgängig wol, während in andern teilen der hs., z. b. dem Alexander, oft wal geschrieben wird).

a für e in larte 237 karte 238 (daneben aber auch 588 u. 89 lerte: bekerte). ä nicht umgelautet in maninne 278, harin 1062, Saide 1306, vereinzelt in der endung -äre: sundäre 520 (gleich darauf sundere\ bigihtare,

e für i findet sich stets in der allgemein md, form bren- gen (903, 953, 319 u. ö.) auch in irwenden (intransitiv) v. 917 Die Schreibung e für ce ist ganz durchgängig. (Das zeichen ce nur v. 273 in gescegent für e) ö für ei nur in ani- redis 43.

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i für 6 in wir (wer) 492, irlidige 1294, irkfnnis 85, swiligen 544. dagegen für den umlaut von a in dlrres 149, Usches (transitiv) 157, verbrinnen (träne.) 1011. In bildungs- und flexionssuffixen steht in der regel i statt des mhd. e (muiir, iohiir, tu/vil, vbir u. a w.); ausnahmen sind verhältnismässig selten. Bei den untrennbaren partikeln wird durchgängig he-, ge- geschrieben; ent-, ver- wechseln mit int-, vir-; /r- steht ohne ausnähme. i für ie nur in virstiz 127, behilt 209, ini- phinge 1367.

6 für uo in vozscamele 388, vozen 236, armote 322, tvochir 596, mose 781 u. s, w. Gewöhnlich aber wird uo durch u ver- treten; w kommt ganz vereinzelt vor und auch da nicht aus- schliesslich für uo z. b. in scuhes 153 für ü (hd. sciuhes).

M für ö in uzgermmene 543, vemumen 814, auch suUch V. 558 können wir annehmen (der Schreiber machte fuUch daraus). ü, üe, oe existieren nicht. •— Ä für iu häufig z. b. /wr.626 u. 628, irsures 66, duzit 179, fluzit 180, Äw/e 485, ^g/w^^ 494, aber auch iu ist nicht ganz selten (fliuhis, /iure).

II. Consonanten.

d&LY t durchgängig nach l (einvaldic, woldis, gelden u. s. w.), nach r in vjerden 1170. Zwischen vokalen hie u. da; z. b. antredis 43, zuleidis 4A, arzidein 768, leiden (ducere) 956. t fällt manchmal nach f ab z. b. vientscaf 431, hotscaf 1363, gesceffe 175, .v(?^/7?n 367 {:hefte\ t unverschoben nur in ttve- lif 570.

jp regelmässig unverschoben im anlaut; pife 730, phic 851, p%if 824 u. oft, palenze 199. Inlautend in cloppen, troppin 1397 u. 1398; dagegen verschoben in vorcemffe 568.

h fällt hie und da nach l ab: bevelen 1335, bevolen 1283, verswolen 1284 (daneben z. b. bevalch 644 fe«;a/Ä 1202). Vor ^ wird Ä assimiliert in asselin 702, bei vorausgehendem langen vokal fällt es aus in wvs 263; ausfall vor t kommt vor in it 756 u. 954, nit oder niei wird fast durchgängig geschrieben. Ausfall zwischen vokalen in hoes 49, gemale 200, entphan 425, */an 968, zare 1164; aber nicht überall findet er statt. ch und h im auslaut für g (resp. /r) z. b. in slach 1070, ^rwcÄ 1061, burch 1122, /aÄ 1183; daneben aber z. b. ^^/ac 1184

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71 fallt im Infinitiv ziemlich häufig ab z. b. verüUge 949, sehe 976, Ulihe 1^1^ vergehe 590.

Wir fügen noch einiges über charakteristische wortformen hinzu. Das md. sichein kommt v^ 774 vor; die nd. form fttr Mnnm finden wir einmal 622 in burninde (627 ist wol brin- ninde zu lesen, denn auch diese form kommt vor z. b. 1011); 787 u. 1319 weist die hs. die form nirgen auf, die dem hd. fremd ist; echt md. ist auch die form zu- der untrenn- baren Partikel mhd. zer. Die bildungssilbe -ine an stelle des hd. -ic kommt in kuninc öfter, v. 1019 auch in der form leben- diiigen vor. Die für den nom. masc. des bestimmten artikels fast ausschliesslich gebrauchte form ist di (worin übrigens unser gedieht vom Pilatus, der immer der hat, abweicht, während der Gloube auch häufig, aber nicht imtiier und der Alexander sehr selten diese form zeigt). Der nom. f. lautet äi (einmal de 1059), ebenso der nom. plur. neutr.; denn die endong m ist, wie überhaupt im md. so auch in der hs. unsrea gedichtes überall verstümmelt; am vollsten hat sie sich noch im Instrumentalis erhalten, ftlr den »ich durchgängig die form ^ findet. Die allgemein md. form des pron. poss. unse, un- m u. s. w. ist überall durchgeffthrt.

Das mag zur Charakterisierung des dialektes der hs. S ge- nfigen; es kann danach kein zweifei sein, dass sie von einem Mitteldeutschen niedergeschrieben wurde und zwar, wie W, Grimm vermutet, wahrscheinlich am Mittelrhein, vielleicht in Mainz, wo der dichter des Pilatus seine quelle fand.

Dahingegen zeigt uns nun die Gräzer Hs. (G) unser gedieht in rein oberdeutscher gestalt ohne jede md. einmischung; viel- mehr trägt ihre Orthographie die kennzeichen des österreichi- schen dialektes.

Besonders charakteristisch ist dafür das Überaus häufige vorkommen des a fttr o vor r. So finden wir mit einer auß- nähme (Fdgr. II, 227, 33) immer tvari statt rvort geschrieben, 60 ferner war den part. praet. (217,22), vertvarht (226, 16) u. s.w.

bezeichnet, wie in andern guten hss. des bairisch-öster- reichischen dialektes (cf. Weinhold bair. gramm. §42), so auch in 6 immer den umlaut des a. Auch den unechten umlaut, der in jenen hss. nicht selten ist, zeigt G. z. b. in gervoeffente 220, 36. Daneben dient oe auch ganz vereinzelt zur bezeich-

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nung des umgelauteten a so in vcmer 217, 32. Die form rvoehse 220, 8 zeigt unechten umlaut des a.

ie wird überall bezeichnet (zeichen: ie oder %e).

Dialektisch tritt es ein in liehart 217, 36 für lihart oder leohart und in dem öfter vorkommenden hiete (in G einmal im reim auf diete 229, 29).

m wechselt manchmal mit ü; auch die Verbreiterung zu eu, welche um diese zeit zuerst in Osterreich sich ausbildet, tritt schon auf in Worten wie erleuge 225, 33, irleuhte 218, 37, teuflich 234, 39, den, warm 217, 29 u. s. w. (sie findet sieh übrigens auch schon in der Vorauer hs.*)

u wird ziemlich konsequent als zeichen für uo gebraucht. Vereinzelt wird es auch für u angewant, z. B. chünden 217, 16 furste 217, 30 gegenrvurte 222, 14. Vielleicht ist hier wirklich die österreichische diphthongisierung zu uo eingetreten, die be- sonders vor liquiden beliebt ist {gegmtvurt z. b. kommt in Tür- lins kröne 4002 im reime auf fuori vor) vergl. Weinhold bair, gramm. § 114, ü für uo finden wir in wühs und, wol vermittelt durch ü, auch fftr iu in schuhist 218, 26.

ßücksichtlich des consonantismus der hs. wollen wir als ein Charakteristikum die durchgängige Schreibung des strenghd. ch für gemeinhd. k hervorheben. Vereinzelt tritt auch die strenghd. Verschiebung der labiahnedia ein z. b. pin, pezzer, picherte, prustigizy winisprüt, zwelfpoten u. s. w.

Wenn uns nun die.dialekte unsrer beiden recensionen in so weit auseinander liegende gegenden weisen, so müssen wir untersuchen, ob etwa einige der geschilderten dialektischen eigentümlichkeiten mit notwendigkeit dem ursprünglichen text angehörten und diesen so mit Sicherheit einem der beiden dialekte zuweisen. Das sicherste kriterium sind natürlich die reime, aber bei unserm unrein reimenden gedieht sind wir auch da gezwungen, nur mit vorsieht vorzugehn. Die reim Verhält- nisse sind nämlich etwa folgende;**)

*) Die in andern, namentlich spätem, österreichischen hss. häufige, aber auch schon in der Milstäter durchgedrungene wandelung des ^ und iu zu QU kommt in unsrer hs. nie vor. (vgl. jedoch hierzu; Paul, mhd. Schriftsprache, p. 29. Br.)

**) Wir schliessen die- in G nicht enthaltenen stücke vorläufig aus, da das Verhältnis derselben zu dem in beiden hss. enthaltenen texte noch besonders zu untersuchen sein wird.

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G hat in seinen 950 versen 133 unreine reime, also etwas weniger als V? der gesammtzahl. Darunter sind nur 14 voka- lisch unreine reime (unter diesen nur 3 stumpfe); die übrigen haben gleiche vokale bei ungleichen consonanten und zwar meist so, dass muta auf muta, spirans auf spirans, liquida auf liquida reimt. Seltner sind auch unter den klingenden reime wie 224^ 2 emphahen: gnaden, einzig in seiner art der 226, 10 anders: Johannes, Es handelt sich nun darum, ob einige dieser reime aus md. oder österreichischen lautverhältnissen zu er- klären sind.

Aus dem reim dinge: begierige (S 309 G 221, 20) darf nicht auf md. i iMie geschlossen werden; in klingenden reimen sind solche Unreinheiten gestattet und ausserdem könnte mit gleichem rechte auf österreichische diphthongisierung von i zu ie in der ausspräche geschlossen werden; so reimt Heinrich v. Melk, Erinnerung 441 sogar stumpf viench: dinch.

Ganz ebenso verhält es sich mit den reimen u: uo z. b. chunde: stuonde G 222, 28 (wo S 363 künde: hegende hat) frumeie: stunde G 219, 25, S 221 meum: iuon G 233,43, S 1313. Auch hier ist kein md. u flir uo anzunehmen, wenn man um- gekehrt die so sehr beliebte österreichische diphthongisierung von u zu uo vor liquiden berücksichtigt, wie sie zahlreiche reime der österreichischen dichter der besten zeit belegen. Für unsere zeit vergl. z; b. Heinrich v. Melk Erg. 373 chunt: iuont. Auf- fallend stimmt übrigens unser dichter mit H. v. Melk überein in den mannigfaltigen reimen des wertes sun. So reimt er sun: tuon 221, 16 und entsprechend :wistuom2l7, 12 :magituom 219, 11; ganz so Heinrich sun: tuon sehr oft (z. b. Erg. 743), :richtuom 749. Daneben aber reimt unser dichter 217, 41 suns: w/wganz wie Heinrich v. Melk, Priesterleben 384.

Wenn man in reimen wie G 232, 23 iusent: beriuset (so ist zu lesen statt des handschriftlichen beriusmt) wirklichen Übergang von iu in u annehmen will, so Hesse sich das ebenso gut aus dem österreichischen, wie aus dem md. vokalismus ableiten (vergl. Priesterleben 225 unsür f-ourj: untiur (-tourj, Helm- brecht 1783 ungehmr: bür).

Rücksichtlich der konsonantisch ungenauen reime könnte man G 231, 19, S 1070 slach: ungimach zu gunsten des md.

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114 VOGT

so gut wie des österreichischen dialektes des dichters beibrin- gen. (Abgesehen von zahlreichen reimen österreichischer dichter des 13. Jahrhunderts vergl. für unsre zeit Erinnerung 906 ge- mach: macfi), Der ausfall desÄ vor t, der in niet durch den reim diet: niet S 1249 G 232, 11 belegt ist, findet sich im md. zv^ar häufig, nicht minder aber auch in österreichischen ge- dichten dieser, wie auch der späteren zeit, wenn auch G hier niht schreibt. Vergl. z.b. H. v. Melk, Erg. 447 niet: Uet, 759: schiet. Echt md. scheint die v. 263 in S tiberlieferte form rvus: buz. 6 schreibt (220, 20) rvüJis^ aber sollte die form ohne h flir einen Österreicher unmöglich sein? Weinhold bair. gramm. § 194 fahrt mehrere beispiele an, wo im bairisch- österreichi- schen dialekt in schritt und reim h vor s ausfällt. Und wollte man wirklich einen völligen ausfall in dieser form nicht an- nehmen, so mag der hauch doch ein so leiser gewesen sein^ dass dieser reim nichts bedenkliches flir den Österreicher hatte und man hat es wol nicht nötig, hier auf die analogie des in jedem falle weit härteren Johannes: anders hinzuweisen.

Eine wirklich nur md. form, als solche durch den reim ge- stützt, lässt sich in unserm ganzen gedichte nicht nachweisen. Vielmehr entstellt sogar S oft durch dialektische Schreibung die reime. Meist mag das nur nachlässigkeit des Schreibers sein, wo auch richtiges reimen nicht gerade gegen seinen dialekt Verstössen würde, aber oft scheinen doch wirklich die reime seiner vorläge zu seinem dialekt nicht gestimmt zuhaben. Wenn er z. b 426 entphan (:gnaden) schrieb, so gebrauchte er die ihm geläufige md. form mit ausfall desÄ, verwischte aber den reim; ebenso verschlechterte er wenigstens den reim, wenn er die von ihm konsequent so geschriebene und allgemein mitteldeutsche form hr engen v. 320 auf gedinge^ 566 auf tegedinge, 903 auf dinge reimt. Auch der umlaut in Merte (G 229, 33) mag ihm ungewohnt gewesen sein und er schrieb (S 717) Martin trotz des reimes auf geverte.

Die zusammenziehung von -ege- zu ei kommt zwar im Alexander der Strassburger hs. und im Pilatus vor, aber Hart- mann im glauben (mit dem die dialektischen eigentftmlichkeiten der letante auch sonst gegenüber dem Pilatus übereinstimmen) kennt sie noch nicht und es kann daher doch vielleicht gegen

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die Priorität des dialektes der letante in 8 geltend gemacht werden, wenn S diese zusammenziehung, wie überhaupt, 80 auch da unterlägst, wo der reim sie erfordert. 8 schreibt 228 magit im reim auf mennischeit, 338 gesagit: mennischeit, 1094 beide: megede,

Auffallend ist es auch, dass 8 immer statt gite A\^ form gire setzt, selbst im reime auf ^te 127 und auf margerite 267: das allgemeiner verbreitete wort ist gire, gite wird seltener ge- braucht (das adjeetivum giiec kennt 8 allerdings: 418 gitege cuwe).

Infinitivformen mit bewahrung des ursprünglichen j (meist zu g verändert), wie sie 6 235, 34 in irwergen aufweist, kommen in bairisch-österreichischen denkmälern jener zeit mehrfach vor (vergl. die beispiele bei Weinhold bair. gramm. § 311); der reim auf enterben erfordert hier diese form, trotzdem setzt G die seinem dialekte allein geläufige form irwerin (1389) und zerstört den reim.

Derartige entstellungen der reime zugunsten des dialektes kommen in G nie vor. Nur für das äuge bestehn natürlich reimverschlechterungen wenn man sie überhaupt so nennen darf wie z. b. G226, 42 lebetest: phleiiest, wo G eben so gut phlegetest hätte schreiben können, wie schon das mageä^ 227, 5 beweist. Weitere derartige beispiele aufzuführen wäre über- flüssig: eine wirkliche differenz zwischen dialekt und reim zeigt sich eben in G nirgend, und ich glaube wir sind daher schon jetzt berechtigt, den schluss aus der vorangegangenen Untersu- chung zu ziehen, dass der ursprüngliche dialekt der letanie nicht der md. der hs. 8, sondern der in G repräsentierte öster- reichische war.

Wir kommen somit zum zweitenteile unserer Untersuchung: zur kritischen vergleichung beider texte. Auch hier werden wir zunächst nur den in beiden hss. enthaltenen text berück- sichtigen, um die in G nicht enthaltenen abschnitte und ihr Verhältnis zum übrigen steile des gedieh tes im zusammenhange für sich untersuchen zu können.

Die Überschriften des ganzen gedieh tes und der einzelnen abschnitte in G finden sich in 8 nicht. Erst eine spätere band

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116 VOGT

fügte die Überschrift „/7ig get ane daz hoch von der heiigen latenien^ und die Unterschrift „Jlie ist vz daz boch von der laienien^ hinzu. (Massmann vorwort VII. 3).

Der erste teil (G 216, 1—218, 44; S 1—172) enthält eine anrufung der dreieinigkeit. Schon v. 3 zeigt eine kleine Ver- schiedenheit: 6 siniu tougen niene mach versperren ist einfach und klar. S si7iir tougen njeman nemah besperren gibt, wenn man auch hier ^a^/rßre als Subjekt fasst, keinen sinn. Die einzige art, es zu deuten, wäre vielleicht: „vor dem niemand des herzens heiligtum in bezug auf dessen geheimnisse verschliessen kann" immerhin eine mindestens schwerfällige und dunkle construction. G hat hier sicher das richtige.

V. 8 und 9. S: der Üb ist zu geistlichen Sachen

weih vnde ungehaldich (in bezug auf geist- liche Sachen schlaff und ohne ausdauer) G: ce fleischlichen sachen weich unde ohaltich.

Diess 0 kann hier weder, wie sonst, ou, noch den von MüUenhoflf (denkm. zu LXX. 2) angenommenen zwischenlaut zwischen o und w bedeuten. Es ist jedenfalls Schreibfehler und zwar wol entweder fflr ähaltich, was sonst nicht vorkommt, oder für unhaltich (uhaltich) was im mhd. wb. bei Osw. v. Wolken- stein belegt ist für einen der nichts verschweigen kann. Hier würde das wort dasselbe wie das ungehaldich in S bedeuten, also etwa: in bezug auf fleischliche dinge (gelüste) schlaff und ohne Widerstandskraft. Beide lesarten geben sinn. Kleinere abweich ungen, wie sie fast in jedem verse vorkommen, zu erörtern, würde zu weit flihren; wir wollen nur die berücksich- tigen, aus denen man auf den wert und die Stellung der beiden recensionen zu einander Schlüsse ziehn kann.

Eine erhebliche Verschiedenheit zeigen die texte in G 26 35, S 26—39. Während in G der dichter gott bittet, in dem kämpfe, den die tugenden mit den Sünden in ihm erhoben haben, ihm seinen söhn als beistand zu senden, bringt S zwei bibelstellen bei, die sich auch auf jenen kämpf und besonders auf den lohn für den sieg in demselben beziehen. Vielleicht wurde in S der ursprüngliche text geändert, um die citate an- zubringen: jedenfalls sehe ich keinen grund, in G eine ände- rung anzunehmen.

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ÜBER DIE LETANIE. 117

V. 44 ist in S jedenfalls nach G (40) faogis st. ougis zu lesen.

In der Schilderung der alimacht gottes (in 6 von 216, 37 in S von 41 ab) durch gegenüberstellung einer reihe von ge- gensätzen, die alle in seiner gewalt liegen, stimmen beide hss. überein bis G 217, 3 (abgesehen davon, dass S jene eigen- schaften in zweiter person direkt gott zuschreibt, während sie 6 vom „gervalf gottes aussagt). Statt der beiden letzten dieser versa aber, die jetzt in S v. 53 u. 54 bilden, sind in S, nach Massmanns mitteilung, am rande v. 47 90 von der band des correktors eingeflochten. Die ersten 6 von diesen nachgetragenen yersen sind die in G 217, 4 9 in abweichender reihenfolge enthaltenen; nämlich S 47. 48 == G 217, 4. 5; S 49. 50 = G 217, 9. 8; S 51. 52 = G 217, 7. 6. Die übrigen gegen- . Sätze, welche noch in den versen 55 90 enthalten und zum teil etwas abgeschmackter art sind, sehen ganz wie erfindung des verbessevers aus, der diese verse zugleich mit den 6 vom Schreiber ausgelassenen versen nachtrug.*)

Dem gebete an gott folgte in S ursprünglich die in G nicht enthaltene anrufung an die trinitas (jetzt 17S 196), dann die an den heiligen geist und darauf die an Christus. Die richtige reihenfolge, wie sie der correktor angab, entspricht der m G.

6 217, 26. Er helzzit din wart unt dln (d. i. gottes) ge- bot (also Xoyog) ist jedenfalls richtiger als S 107 din (d. i. Christi) name vnde din gebot heizzit u. s. w., das gebot passt hier gar nicht in S. Dagegen ist G 217, 36 das ein brunne zwischen leu und liebart eine offenbare entstellung aus dem in S 114 tiberlieferten einhorne. Ob 217, 33 34 in G zugesetzt oder in S fortgelassen sind, lässt sich wol kaum entscheiden. G 217, 43 ist statt geist mit S 121 crist zu lesen. S 145 u. 146 sind inG nicht enthalten: sie passen gut in den Zusam- menhang, ohne dass jedoch derselbe in G durch ihr fehlen unterbrochen würde. S 147 weicht dem entsprechend von G 218, 21 ab. G. 218, 22 (vergl. S 148) entspricht wörtlich dem eingeschobenen verse S 68. S 153 lockis ist besser als 6 218, 26 sterchist im gegensatz zu scuhis (d. i. sciuhis).

•) V. 74 in S ist übrigens kan st. han zu lesen.

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118 VOOT

Sbfioaso ist S 153 dar gegeneatz mthullis vnde deckes jedenfalls besser ; als das in 6 218 , 30 entsprechende du vertilist tmt in- tecchist.

Von S 150, 6 218, 24 ab ist die reihenfolge der varse in beiden hss. wider ganz verschieden. In S würden die vv, nach G so zu ordnen sein: 154. 153. 15$, 155. 151. 152. S 157— 162 fehlen in G. Es ist nicht möglich, weh hier bestimmt für eine der beiden hss. zu entscheiden, ebenso wenig wie bei den in S nicht enthaltenen G 218, 37 40. Das hier in G angewante bild kehrt übrigens nachher in ß 631 32 im gebet an den apostel Johannes wider, welches in G fehlt

Mit dem mUerere nobis schlies^t das gebet an den beil. geist und der gemeinsame te^^t geht in S 197 mit dem hymnus an Maria weiter.

S 205 ist im anechluss an G ^u lesen unsin Herren ^ ein fri vart. Das um sin, wie Ms^ssmann will, müßte sich auf den engel oder den wissag^ beziehen und gäbe gar keinen sinn.

G 219, 12 der den ervichlichin magitum bihielt, S 208 di dir 4^ ewicHchen magitum behilt Also nach G hat Jesus sich die keuschheit bewahrt, nach S hat er sie der Maria be- wahrt (nnicht einmal dadurch, dass sie ihn gebar, ging sie ihrer Jungfräulichkeit verlustig"). Ich glaube, dass hier, wo Maria angeredet wird, mehr am platte ist was S gibt. Dazu kommt, da^s S 999 in dem (in G nicht enthaltenen) gebet „Jhem Co- rona virginum^' ganz dieselbe wendung widerkehrt, wie hier in S, G 219, 17 der waz i$t passender von der blume ausge- sagt, als S 213 * frowede, S 219 ff. ist der text sicher ent- stellt Das wde v. 320 ist ganz unsinnig und bewirkt, ds^ss gerade da* gegenteil von dem gesagt wird, was gesagt werden soll Es ist jedenfalls das beste, sich hier einfach der lesart von G 219, 23 ff amiuschliessen, so dass dann in S auf stunde 222 gleich v. 287 folgt {di anf missehellunge bezüglich); das noch daz st ienoch siy sowie die in S folgenden verse unter- brechen unnötig die conBtruktion und dfts wene d^rh dinen trost 223 ist nur aus v. 228 (G 219, 28) entnommen. Die ganze Änderung in S ist hier wol nur dem aohreiber zuzu- schieben. — G 220, 27 ist in G st. röre mit S 270 trore zu lesen. S 276 st uffUmgine zu lesen ufUmginde^ (mhd. wb).

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ÜBER DIE LETANIE. 119

Mit y. 311 u. 12 hebt S einen neuen absatz an^ indem sich der dichter dagegen verwahrt, dass er der Maria zu nahe trete, wenn er ihr so eindringlich zu spreche, da ja auch sie nur ein geschöpf gottes gewesen sei. Ahnliche Verwahrungen des dichters kommen vor S 1115, S 516 ff,, G 226, 12; aber der V. 314 passt hier doch bei weitem nicht so in den Zusam- menhang, wie der entsprechende in G 221, 23. V, 319 setzt S sipnreicher magit dem wibe 317 gegenüber als G 221, 26 u. 88, welches an beiden stellen tvip gibt („ein weib brachte der weit den tod, eine Jungfrau das leben"), G 221, 40 fehlen hinter wan daz die in S 331 überlieferten worte si uns daz.

G 222, 12 u. 13 sind in S nicht enthalten. Der Zusam- menhang wird durch ihr fehlen nicht unterbrochen. G 222, 45 f. gibt einen ganz andern gedanken, als S 380 f. Die lesart in S passt nicht recht in den Zusammenhang: das er 380 könnte sich doch nur auf den engel beziehen, welcher der Maria die jungfräuliche geburt verkündete, aber dieser ist vor- her nicht genannt. Nach S 400 ist Maria nur fürbitterin, nach G 223, 19 ist sie selbst die beschützerin.

Es folgt das gebet an die engel. S v. 418 ist abzuteilen: gitege cuwe. G 224, 9 ist st. habe mit S au lesen werde. 443 hatS das seltnere wort underdige, Q (324,20) wie überall an den entsprechenden stellen nur digen^ G 224, 23 25 sind in @ nicht enthalten: notwendig sind sie jedenfalls nicht

Gebet an Johannes Baptista G 224^ 28—227, 17, S 447—569. 450 unterbricht S durch ih meine dih die construktion ebenso wie 454 vergl. G 224, 31 u. 35. Derartige auflösungQu der Perioden sind überhaupt in S nicht selten, vergl. oben v. 219 ff.

G 33 dütte, S 452 bebute, was doch wol heissen soll: wie gern hätte ich deinen uamen inne, trüge ihn, ddUie in G passt besser zu dar folgenden deutung des namens, bebuwen ist sonst Q}<)Jbit belegt. S liebt überhaupt sehr die Zusammensetzungen mit be^; so hat S 457 und überhaupt durchgängig bekam wo G erkant hat, so oben v. 3 S be$perren; G versperren^ 465 hat S behart; koren kojnmt son^ mit be- nicht vor, es ist über- ka^upt iii jan€^ zeit, schon ein seltenes wort, darum änderte G 386 in berpurt. S 471 u, 72 in G in umgekehrter reihen- folge; dßr i73 ist mit G in daz zu ändern. S 477 ist st. ich fliege in der välvisch zu lesen ich flieginder valwisch

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120 VOGT

G 225, 16 flohzunder. S 481 windishru die md. form für jvintsprüt wie G hat S 496 durch den Schreiber ent- stellt. Man lese mit 6: der suntm madewelligen eizze („der Sünden wurmzerfressene geschwüre"). G 225, 39 üf sülU S 500 ufscuUU sülen: durch eine säule, starke stütze aufrecht halten, ist sonst weder im nahd. noch im ahd. belegt. Doch passt es hier recht gut. Im got. kommt übrigens auch das wort gasuljan vor: „fest auf erbauen, fest gründen" (Matth. 7, 25, Luc. 6, 48, Eph. 3, 18), ufscuUt würde hier etwa = vristet sein, doch passt es nach ausdruck und reim weniger als üf sülit G 225, 42. 43 fehlen in S; sie sind entbehrlich, der Übergang von der 3. in die 2. person ist etwas schroff. S 537 ist st nur mit G zu lesen mir. Die verschiedenen attri- bute des Johannes (G 226, 33—36 S 538—41) weichen, be- sonders in der reihenfolge, in beiden hss. etwas von einander ab, ohne dass der sinn dadurch geändert würde.

Gebet an die apostel G 227, 18—228, 25. S 570- -61 7. G 227, 23 gibt die bibelstelle (Matth.l 6, 18) treuer als S 575. G (228, 4—7) führt in 4 vv. aus, was S (578—79) in 2 vv. sagt V. 6 in G widerholt nur das v. 2 gesagte. Das wir in S 600 weist bestimmt auf eine seelsorgerische tätigkeit des Verfassers hin. S 613 14; (daz gerichie) daz ane irbarmunge nit irget vnde doh nah rehie entspricht dem zusammenhange mehr als G 228, 21. 22:

diu äne barmunge

irget niht wan (denn so muss man doch st war lesen) ruich rechte. Der bittende hofft hier ja gerade auf die erbar- mung und den schütz der apostel. Doch macht die lesart in S den eindruck einer Verbesserung.

Der gemeinsame text geht in S 662 (G 228, 26) mit dem gebet an die märtyrer weiter. S 672 entstellt durch das Übe den sinn. G 228, 36 hat richtig; swer an der sele verscheiden si: „wie du einst 7 tote erwecktest, so erwecke auch die, deren seele (in Sünden) erstorben ist" Derselbe gedanke kehrt wider in G 229, 34—39 S 718—720; vergl. auchG 222, 17 flf. S 352 flf. S 684 ist durch den Schreiber entstellt: vor uns ist aus 683 herübergekommen, das tu {tun) gibt keinen genügenden sinn. Es ist einfach nach G 229, 6 tragen zu lesen.

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ÜBER DIE LfiTANlÜ. 121

Gebet an die confessores G 229, 14—21; S 692—746. 6 229, 25 ist st. wime sten zu lesen wir ernten (in derselben weise ist zu ändern G 221, 33). S 706—11 sind inG nicht enthalten. Die vv. fügen dem lobe des Gregor gleichsam als beleg noch das verdienst hinzu, welches er sich durch die erklärung des Hieb erworben habe. Sie sind als späterer nach- trag leicht zu erkennen. Dagegen hat G 229, 35 38 eine in S nicht enthaltene und wol nicht ursprüngliche erweiterung; indem G ausser den totenerweckungen auch noch der krank- heitsheilungen des heil. Martin gedenkt, während doch nur die ersteren als bild für der erchuche den tot unser sele hier zu er- wähnen waren. 722 S löst S wider die in G 229, 40 ff. richtig überlieferte periode auf und entstellt dadurch den sinn ganz. Dieser ist nachG: „denn obgleich euer hingang in den christ- lichen frieden aufgeschoben wurde" (d. h. obwol ihr den mär- tyrertod nicht erlittet) „so seid ihr doch zum teil vom siege der märtyrer „ungeschieden", habt so gut wie sie anteil an demselben." (Es ist in S 722 doh nach rvan einzusetzen und 725 noh in doh und site in sige zu ändern). G 230, 7 muss zu gunsten des reimes mit S meistis (von swaz abhängig) gelesen werden. S 732 ist das gescriben eine interessante abweichung von dem gehorte in G 230, 8. Wäre jenes richtig, so würde es noch auf eine anderweitige schriftstellerische tätigkeit des dichters schliessen lassen. Die verworrenen verse S 733 u. 55 sind nach G 230, 10 11 zu berichtigen.

An die confessores schliesst sich im gemeinsamen text das gebet an die Jungfrauen anS 1036 ff. Das gebet an die heil. Agnes schliesst in S 1052 ff. mit der bitte um beistand im kämpf gegen unkeusche gelüste, die sich an die erzählung ihres Sieges über derartige Versucher gut anschliesst. G 230, 38 ff. erwähnt dagegen noch zuvor ihren märtyrertod und schob diesen passus wol nur der Vollständigkeit halber ein. Das sich an- schliessende gebet weicht nun auch dem entsprechend von S ab; in demselben stimmen die vv. 231, 1 u. 2 auffallend mit den gleichfalls in S nicht enthaltenen 235, 14. 15 überein. S 1082 st. hume zu lesen U ime, 1083 beiden st. beL G 231, 36 u. 37 und 232, 1 u. 2 hat S nicht.

Im gebet an alle heiligen (S 1243) geht der gemeinsame text weiter. S 1256 st. heiligen mit G 232, 18 ßingir zu

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I. 9

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122 VOGT

lesen vgl. S 1257 zu 661, wo das gleiche prädieat von den aposteln ausgesagt wird. G 232, 22 muss statt Uriusent gelesen werden birmset, wodurch der reim allerdings sehr un- rein vrird.

S 1271 tmde elicJien hirai

hin ze gote hant braht

G 232, 33 olde die diu Sache hirat

hin ce got braht hat,

G hat hier, wo von seKg gewordenen die rede ist, das richtige. DasB eine treue ehe zur Seligkeit verhelfe, war eine weit verbreitete ajasicht jener zeit: jußgfrauen, wittwen, ehe- leute haben auspruoh auf den himmel; vergl. Heinzel zu H. v. Melk Priesterleben 485. S will wol sagen: „die ihre ehe gott dargebracht, auf gott hingelenkt haben" und modificierte damit vielleicht absichtlich das in G gesagte, denn jene ansieht von der ehe hatte auch ihre gegner (vergL Hartm. v. Gloub. 2490 flf.).

S 1274 ubele ist entstellt aus dem in G überlieferten abele.

G 233, 7 nach sant pauls rede ist falsch, da das citat 1. Petri 5, 8 steht. S 1289 bietet also hier das richtige. Mit den vv. 1291 u. 92 hebt S einen neuen absatz in dem gebet an die heiligen an, in G fehlen sie. Dagegen sind die vv. G 233, 13—22, 27—30 in S nicht enthalten und möglicher- weise in G interpoliert: eine erweiterung bei solchen aufzäh- lungen liegt nahe. G 233, 42 zu lesen sine st. siner, S 1314 ffi G 234, 1 ff. wird die minne als haupttugend gepriesen; während G in den in S nicht enthaltenen vv. 11 u. 12 noch tugenden nennt, welche die minne im gefolge habe, ftlhrt S 1325 30 noch ganz anmutig die Vorzüge der minne aus; aber das folgende mit disen tugentlichen scaren schliesst sich in G besser an die eben aufgeführten tugenden, als in S nach einem Zwischensatze von 6 versen an. S 1347 G 234^ 32 flf. sind wider in abweichender reihenfolge überliefert: G 234, 32. 33 = S 1351. 52; G 234, 34, 35 = S 1349. 50. G 234, 39 ist das sunten eine änderung des als Substantiv nur hier vor- kommenden schunden in S 1356 (Verlockungen), welches dem ab insidiis diaboli der lateinischen litanei auch mehr entspricht

1362 S ist st. herre vater zu lesen: herre cristy wie G 234, 45 hat Die w. S 1365 u. 66 fehlen in G, während die

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ÜBER DIE LETANIE. 123

TT. G 235, 8 11 in S fehlen, Sowol die in S, wie die in ß enthaltenen lassen sieh aus lateinischen litaneien belegen. (Darüber unten).

Die bitte um gnade beim jüngsten gericht in 1373 ff. liegt in G 235, 12 ff in etwas erweiterter gestalt vor: vv. 14 u. 15 fehlen in S, ebenso 20 23, die einen wesentlich neuen gedanken hineinbringen. „Denn wenn es auch geschehn könnte, dass tag für tag deine mutter und alle heiligen des verworfenen (im gebete) gedächten: wolltest du ihn nicht verschonen, so ist er gerichtet'*' S gibt einen andern, aber auch einen guten sinn. Hinter S 1394 sind die in G 235, 40. 41 erhaltenen w. jedenfalls nur durch flüchtigkeit des Schreibers ausgefallen. Die vv. G 236, 18—19. 22—23 fehlen in S. S 1324 ist wider eine auflösung der periode in G 236, 31 33, hier ohne den sinn zu entstellen. Dagegen leidet derselbe wesentlich in S 1426 27 gegenüber G: die bitte hunger und dürftigkeit in der luft zu vertreiben ist doch gar zu unsinnig. Aber auch wenn man anders als Massmann interpungiert und 1427 mit 1428 verbindet, genügt der sinn nicht. 1426 setzte S notdurft für das seltnere bisez (misswachs) in G 236, 35 ein. G 236, 42 43 ist der text offenbar verderbt, der reim auf lone 42 fehlt; S 1432—35 hat hier das richtige. Es ist also in G lone (was wahrscheinlich aus v. 41 herübergekommen) zu streichen, gelte substantivisch zu nehmen und zu v. 42 zu ziehn und V. 43 hinter uns einzusetzen: in tUrre weite. 236,-45 u. 46 in S 1437 u. 38 in umgekehrter reihenfolge, wodurch der sinn geändert, aber nicht entstellt wird. 1442 ist in S statt wec sicher trost, was G^hat und der bibelstelle (ps.23, 4) ent- spricht, einzusetzen. S 1443 ist bekleiden aus dem in G über- lieferten bechleiben entstellt, was allerdings in dieser übertragenen bedeutung (begaben) ungewöhnlich ist. G237, 8 ermeinit be- fremdet, da nichts vorangeht, worauf sich das er beziehen könnte est ist hier mit S 1446 zu lesen ih meine. Ebenso hat S 1450 er ne si des himelriches entfreidit den ursprüng- licheren text, schon wegen des reimes auf scheidit. G 237, 12 setzte dafür die gewöhnlichere wendung: im ne si vor dir verteilet.

Am Schlüsse des gedichtes zeigt sich eine wichtige ab- weichung zwischen beiden recensionen: während in S nur der

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Urheber des gedichtes um die ewige Seligkeit bitt^^ nennt sich in G ein Heinrich. Wir können hier über die priorität der lesart in G oder S nicht entscheiden, bevor wir die resultate aus unseren vorangegangenen Untersuchungen gezogen haben und über das Verhältnis beider hss. im klaren sind.

Wir haben gesehen, dass in den meisten fällen dieGräzer hs. der Strassburger gegenüber den richtigen text hat. Ent- stellungen und flüchtigkeiten, wie sie in S häufig vorkommen (wir konnten natürlich nicht alle kleinigkeiten anführen), sind inG selten. Trotzdem blieben doch immer einige fälle übrig, wo kein zweifei sein konnte, dass S den ursprünglicheren text reprä- sentierte und mehrere, wo G im verdacht steht, zusätze gemacht zu haben. Es ist demnach weder möglich, dass G aus S, noch dass S aus G geflossen sei. Dass beide auf einer grundlage entstanden seien, ist dagegen ganz gut denkbar. Doch hier können wir nicht weiter gehn, bevor wir das Verhältnis der nur in S erhaltenen partieen zu dem beiden recensionen gemeinsamen texte untersucht haben. Gehörten sie dem Origi- naltext an und wurden in G ausgelassen, oder wurden sie in S interpoliert?

Dass sie dem gedichte in seiner ursprünglichen gestalt nicht angehört haben können, ist leicht zu erkennen.

Das gebet an den apostel Johannes 618 flf. folgt, nachdem das gebet an die apostel eben mit dem (auch in den kirchli- chen litaneien gebräuchlichen) schlussverse omnes sancti apostoli beendet ist. Blasius und Coloman (s. u.), die 746 897 hinter den in G und S genannten bekennem stehn, gehören zu den märtyrem und der verbesserer gibt daher auch richtig die er- forderliche Umstellung am rande an. Aber die anrufung der märtyrer war schon 691 geschlossen und noch deutlicher zeigen v. 676 und 77 (mit der helfe andir vrver gesellen di wir nit gereite ne migin gezellen), dass ursprünglich keine mehr ge- nannt werden sollten. Ebenso geht bei den bekennem aus den vv. 737 und 38 sowie aus dem schlussverse (745) hervor, dass Nicolaus und Aegidius (898 977) erst nachträglich hinzugefügt sind. Und wenn nun auch noch durch den schlussvers (1095) im gebet an die Jungfrauen das an Maria Magdalena (1096 1242) als nicht dem ursprünglichen texte angehörig verdächtigt wird 9 so können wir schon nach dieser analoge mutmassen,

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ÜBER DIE LETANIE. 125

dass auch die übrigen in 6 nicht enthaltenen stücke, nämlich die anrufung der trinitas 173 96, sowie die Übergang bilden- den vv. 978 1035, späterer zusatz seien.

Dazu kommen nun noch einige direkte angaben im gedichte selber, aus denen wir auch zugleich ersehn von wem jene nach- trage herrühren. V. 907 9 sagt der dichter in der nachgetra- genen anrufung des Nicolaus und Aegidius: wi torst ih vwer namen hie verswige under vwer genozscefte daz dag ih mit rehte. Das kann nur heissen; „wie durfte ich mich erdreisten, eure namen hier unter eurer genossenschaft (den andern heiligen) zu verschweigen! Dasmuss ich jetzt mit vollem gründe beklagen." Der Verfasser macht sich also vorwürfe, weil er anfänglich diese heiligen in seinem gebete übergangen hatte und trägt sie da- rum jetzt nach. Dasselbe sagen die vv. 769 71 im gebete an Blasius:

ih clage daz ih ie verwarf

dine helfe heiliger man

des wir ruwigervor dih stan. Auch hier klagt er sich an und bereut, dass er den Blasius zuvor nicht um hülfe angerufen habe, da doch gerade seine fttrbitte, wie 772 75 ausgeführt wird, besonders kräftig sei.

Was den dichter zu diesen nachtragen noch besonders ver- anlasste, sehn wir aus den vv. 888 im gebet an Coloman (über den namen s. unt):

hevil uns gote mit deme gebete

unde gedenke des zu vorderis

durh des gebot du hie genant bis

des dbbit Engelbrechtis u.s. w.

Also auf geheiss des abtes Engelbrecht trug er noch das gebet an Coloman nach und fügte dann zugleich noch die an- deren heiligen ein, die er fürchtete zurückgesetzt zu haben, sowie das abschliessende gebet owi einvaldige trinitas und den Übergang von den heiligen auf die Jungfrauen (Jesu corona virginum) , die im urtext unvermittelt neben einander standen. Eine Überarbeitung des gedichtes verknüpfte er nicht damit, sondern er wollte eben nur nachtrage liefern; allenfalls könnte er et wa noch S v. 26—39 statt des früheren in G überlieferten textes nachgetragen haben.

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126 VOGT

Ihre weitere begrtindung findet jene ansieht, dass die nachtrage vom ursprünglichen dichter selbst herrtlhren, in der Übereinstimmung von spräche, reimen, Wendungen und inhalt der eingeschobenen stücke mit dem grundtext. Auch in diesen stücken können wir den dialekt von S nicht als den ursprüng- lichen erkennen. Nirgend steht eine md. form an beweisender stelle. Der md. abfall des t ist natürlich durch du rvil: vile 184 nicht belegt; vergl. du rvil: vil bei H. v. Melk erg. 669. Dass die genetivendung -is 888 und 90 im reime auf bis (eine form die in Osterreich bis ende des 13. Jahrhunderts belegt ist) vorkommt befremdet ebenso wenig, da jene volleren endungon auch in Österreich zu jener zeit sehr häufig sind. Weiteres aufzufuhren wäre überflüssig. Dagegen ist dem Schreiber von S sogar eine echt österreichische form durchgeschlüpft, wenn wir 1108 wart (wort) lesen, was in dieser form durch den reim auf hehart gestützt wird.

Das Verhältnis der unreinen zu den reinen reimen ist in den nachgetragenen teilen ganz genau dasselbe, wie in den ursprünglichen (auf 7 8 reine reime ein unreiner) die rühren- den reime, die in unserm gedichte überhaupt im gegensatz zu manchen andern jener zeit (z. b. dem loblied auf Maria bei Diemer, welches gar keine enthält) sehr beliebt, sind, kommen auch in diesen partieen häufig vor. So -heit: -heit in S 722 gnedicheit: armicheit, wie in G und S 381 magitheit: warheit und 1323 warheit: frumicheit; -tuom: -tuom in S 860 wistum: rlch- iurrij in GS 327 und 1429 richtum: fritum: irretum; -lieh: -lieh in S 870 redelih: bewegelih, in GS 684 tagelich: urwertregelich, 1393 brudirlih: gemeinlih u. s. w.

Es kehren oft ganz dieselben reime in den nachgetragenen teilen wie in den ursprünglichen wider, so gnade: läge S. 656 und GS 339, irledige: giwegede S 658 und GS 1293, dabide: Übe S 812 davides: libes GS 1441 u. s. w.

Sprachgebrauch und Wendungen sind ganz dieselben. Oft kehren wörtlich dieselben verse wider. So erscheint im ein- geschobenen lied an Maria Magdalena 1204 ganz derselbe vers dem mac ih wole gelih sin wie 472 im ursprünglichen text, an beiden stellen im reime auf swin; so ferner in demselben ab- schnitte 1217 so ne mohte min niemer werden rat wörtlich = v. 6; ebenda 1250 ne virsagit uns uwer gewegide niet = 1293 nit

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ÜBER DIE LETANIE. 127

716 versagit um uwer gewegede. Im gebet an Coloman stimmt V. 857 die rverlt er uf solle aldi ere der wunne fast wörtlich mit 1043 f. daz du dt rverlt uf seltes aldi ere di si nohhat Im gebet an Blasius 797 zu unsir jungistin hineverte = 562 zu der jun- gistin hineverte an beiden stellen im reime auf gerte,

Gleichheiten einzelnen bildern und ausdrücken findet sich sehr oft. Wir führen nur einiges an: v. 642 in der anrufung des apostels Johannes wird das gelutterte galt als bild benutzt wie 248 im gebet an Maria. Das bild vom verbrennen der Sünden, welches sich in der anrufung des heil, geistes (S 136 G 218, 12 und G allein noch 218, 38 f.) schon vorfand, kehrt im gebet an den apostel Johannes 631 und 32 und in dem passus Jhesu corona virginvm 1011 f. wider.

Die Wendung rvol irchenn ih arm menische mine brode im gebet an Blasius 757 kehrt ganz ähnlich v. 1245 wandir unse brode rvol irkennit wider. Einen offin sundere nennt sich der Verfasser v. 808 dem Coloman gegenüber, wie er es schon 520 (hier nur in S) gegen Johannes tat. Die beispiele Hessen sich noch vermehren, doch die gegebenen genügen wol. Nur über Inhalt und gedankengang der eingeschobenen stücke ist noch zu bemerken, dass auch sie den übrigen teilen des ge- dichtes durchaus entsprechen. Bei den gebeten an die heiligen schliesst sich an den namen des betreffenden gewöhnlich erst eine kurze allgemeine bitte um beistand, oder es folgen auch gleich einige nur andeutende züge aus der legende des heiligen, die dann allegorisch verwertet werden für die Schilderung des Sündenkampfes des dichters und des beistandes, dessen er in demselben bedarf. Gegen ende wird dann immer um für- bitte besonders beim jüngsten gericht gebeten und den äussern abschluss bildet fast durchgängig ein lateinischer vers. Diese form kehrt überall in den nachgetragenen, wie in den ursprüng- lichen teilen wider. Ein längeres Sündenbekenntnis kommt noch im gebet an Maria Magdalena vor (1192 ff), welches mit dem vor Johannes demtäufer abgelegten grosse ähnlichkeit hat. ;

Ich glaube, das alles genügt um die indentität des Ver- fassers für sämmtliche teile der letanie auch in ihrer erweiter- ten gestalt zu beweisen. Das Verhältnis der recensionen ge- staltet sich danach folgendermassen:

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128 VOGT

Das original wurde im österreichischen dialekt, wahrschein- lich in Osterreich selbst (wie wir nachher sehn werden) verfasst. In G besitzen wir eine abschritt desselben, die, im ganzen ziem- lich sorgfältig gearbeitet, sich vielleicht manche änderungen und kleine zusätze, seltener auslassungen und noch seltener misverständnisse oder flüchtigkeiten zu schulden kommen Hess. Auf veranlassung des abtes Engelbrecht trug indes der dichter in seine hs. die weiteren in G nicht enthaltenen stücke nach und diese erweiterte hs. wurde in einem kloster des westlichen Mitteldeutschlands im dortigen dialekte abgeschrieben. Dabei wurde nun mit weit grösserer Sorglosigkeit zu wege gegangen, als bei der abfassung von G: misverständnisse und entstellun- gen des textes kamen oft genug vor, noch häufiger leichtere flüchtigkeiten und Schreibfehler. Seltener sind überlegtere än- derungen und Zusätze. Die nachträglichen zusätze des dichters waren in der vorläge wol nur am rande nachgetragen, was der grund war, dass die stücke mehrfach an falscher stelle in den text aufgenommen wurden: so 173 196 und 746 897; auch das gebet an Maria Magdalena stand nach des verbesserers ansieht an falscher stelle und er wollte es noch vor den passus Jhesu Corona virginum gerückt haben. In dieser gestalt liegt uns die letante in der hs. S vor.

Nachdem so im übrigen das Verhältnis beider hss. festgestellt ist, bleibt uns nur noch die frage nach den schlussversen zu erledigen, welche sich auf den Verfasser beziehen. G 237, 18 24 S 1456—60.

Wir sahen, dass S absichtlichen änderungen im allgemeinen abgeneigt sei. Die bitte flir den abt Engelbrecht 888 ff. behielt S treu mitsammt dem namen bei; es müste irgend ein grund vorliegen wenn S hier anders verfahren wäre. Ein solcher würde vorhanden sein, wenn etwa der Verfasser von S sich selbst hier hätte nennen wollen, aber das ist ja nicht der fall. Der orthabe dirre getlhte kann nur der uAeber des gedichtes selbst, der dichter sein. Wenn also der Verfasser von S doch das gebet flir diesen aufaahm; warum entfernte er den namen und änderte die ganze stelle? Leicht erklärlich ist es dagegen, wenn man annimmt, dass der Verfasser von G seinen namen anbrachte, da er ja nicht einmal einen andern namen zu ent- fernen brauchte. Überdiess nennt er sich ja gar nicht direkt

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ÜBER DIE LETANIE. 129

den Verfasser des gedichtes, er sagt nur, dass er sich grosse mühe darum gegeben habe, der gnade teilhaftig zu werden die sich jeder erwirbt, der diess gebet mit wirklichem Verständ- nis liest. Das kann doch recht wol auf seine schöne und sorg- fältige abschrift gehn, mit der er sich gewis viel mtlhe gegeben hat, sowie auf die eigenen kleinen zutaten, mit denen er dem gedieht gedient zu haben meinte. Nicht so sehr kann ich aller- dings mit W. Grimm (gesch. d. reims S41) in sprachlicher be- ziehung den text in G hier, bedenklich finden. Die Wendung derselben gnaden la niht besten ist durchaus nicht unerhört und zu Grimms änderung derselben gnaden niht entsten dinem . . . liegt kein grund vor; eines dinges bestdn heisst „von etwas zu- rückbleiben" vergl. die im mhd. wb. unter bestän angeflihrte stelle Tundal. 50, 17 du enmaht des niht besten du kannst davon nicht zurück, nicht abkommen du muozest dise brücke gen und die noch treffendere parallele Nib. Z. 273, 2* deheiner hovereise hin ih vil selten ie bestän, auf die mich herr prof. Zarncke ver- weist Der sinn ist also einfach: „von diesen gnaden lass nicht zurückbleiben, dieser gnade lass teilhaftig werden."

Weit auffälliger ist das einlichen in G, welches in dieser form durch den reim auf Heinrichen sicher gestellt ist. Aus dem mhd. Sprachgebrauch weiss ich das wort hier nicht zu er- klären (im mhd. wb. ist es nur als einheitlich, in eins geflochten von der trinität belegt), nur aus den für das ahd. von Graff sprachsch. I, 318 unter eirUich entwickelten bedeutungen liesse sich hier ein sinn gewinnen. Aus den glossen zu Gregor, dialog. (welcher von den 5 hierher gehörigen codd. hier gemeint ist lässtGraffs bezeichnung Gd. unklar) ist einlicho artius constric- tius, anxie beigebracht und daraus leitet sich dann leicht die aus den Gl. in cod. frising C. F. 10 Mtlnchen aus dem 9. Jahr- hundert belegte bedeutung ab enlicho studiose. Nur diesen sinn kann einlichen auch an unsrer stelle haben und ich trage kein bedenken, es hier in der bedeutung „eifrig" aufzufassen, wenn- gleich es immerhin wtlnschenswert bleibt, auch aus späterer zeit belege für diese bedeutung beizubringen. Obwol ich also in dieser hinsieht die lesart in G hier nicht anfechten möchte, so halte ich doch die oben angeführten gründe für völlig hin- reichend, jenen Heinrich nicht als den Verfasser der letanle, sondern nur als den Schreiber der hs. G zu betrachten. Auf

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130 VOGT

den namen unseres dichters müsten wir also verzichten: ob wir sonst etwas über ihn bestimmen können, werden wir nach Untersuchung der quellen unseres gedichtes sehen.

Die quellen der letante.

Bei der frage nach den quellen der letante handelt es sich vor allem darum, das Verhältnis derselben zur kirchlichen la- teinischen litanei klar zu legen und wir haben daher zunächst auf wesen und inhalt der letzteren und auf die entwickelung derselben zu einer gattung der geistlichen dichtung einzugehn.

Die litanei wurde zuerst durch Mamercus bischof von Vienne 452 eingeführt als eine feierliche mit fasten und processionen verbundene buss- und bittandacht (Herzog realencycl. II, 239).*) Als solche verbreitete sie sich allmählich durch die ganze abend- ländische kirche, besonders seit Gregor I. sie bei einer grossen pest in Eom mit wunderbarem erfolge angewant haben woUte. Von den 7 Massen, in welche die von 7 verschiedenen kirehen ausgehenden teilnehmer der procession gesondert wurden, ward diese ganze bittandacht die litania septiformis genannt. Be- sonders wurde nun die litanei immer noch bei ausserordent- lichen ungltlcksfällen angewant, aber daneben wurde sie immer mehr ein regelmässiger bestandteil des gottesdienstes an be- stimmten festen, anfangs immer noch notwendig mit procession der beteiligten geistlichen in der kirche verbunden, dann auch als blosses responsorium, ja auch als einfaches gebet bei heiligen handlungen (so z. b. bei der letzten Ölung). Man unterschied die litania septena, bei der aus jedem der 9 himmlischen chöre 7 heilige genannt wurden und die von 7 subdiakonen wechsel- weis recitiert wurden und entsprechend die quina und tema. (Nach andern soll der name jedes heiligen 7, 5 oder 3 mal ge- rufen sein. Vergl. über die arten der litanei Martine de anti- quis ecclesiae ritibus lib. I. pars i. 209. Trombelli, dissert, epistolaris in quasdam veteres litanias, Krez Exerc. acad. de

*) Vergl. jedoch PfannenBchmidt „flurprocessioii und hagelfeier" bei Schenkel allg. kirchl. zeitschr. XIII. 10. p. 520, der den Ursprung der litaneien auf heidnische feldumzüge zurückführt und allerdings fehlen die bitten um gute Witterung und fruchtbarkeit des feldes in keiner grösseren litanei.

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ÜBER DIE LETANIE. 181

litaniis ecclesiae Romanae Tubing. 1742). Mit der zeit wurden die litaneien immer mannigfaltiger, die zahl der heiligen, unter denen die wunderlichsten und willkürlichsten namen begegnen (z. b. St. Beelzebul!), wuchs ins unglaubliche, denn fast jedes kloster brachte seine besonderen heiligen hinein und die ver- schiedenen anrufungen und gebete wurden je nach den verschie- denen Verhältnissen und gelegenheiten, bei denen die litanei angewant ward, vielfach modificiert. Dennoch lassen sich als die gemeinsamen grundzüge der vollständigen kirchlichen lita- neien etwa folgende*) angeben:

Die litanei beginnt:

Kyrie eleison, Chrisie eleison, Christe audi nos Sta Maria ora pro nohis

Dann folgen die namen der engel, denen sich (der in man- chen litaneien auch übergangene) Johannes Baptista anschliesst, dann die apostel, darauf die märtyrer, die bekenner (worauf bei einigen noch die heiligen mönche folgen) endlich die heiligen Jungfrauen. Bei einigen folgen die blossen namen in der ange- gebenen reihenfolge, jeder mit ora pro nohis, auf einander; bei den meisten aber folgt als abschluss hinter jedem chor noch eine zusammenfassende anrufung: hinter den engein omnes sti angeli orate pro nohis (bei einigen noch weiter omnes sti archan- geli 0. p, n., omnes sti Fatriarchae, omnes sti Prophetae o, p, n.) und so weiter omnes sti apostoli orate pro nohis ^ martyres, con- /essores, fmonachij, virgines.

Dann folgt durchgängig omnes sti orate (intercedite) pro nohis und hieran schliessen sich nun die mannigfaltigen bitten um befreiung von verschiedenen Übeln, alle mit den Worten libera nos ^wme schliessend. Dann per crucem tuam lihera nos domine und hierauf wider eine bald grössere bald geringere anzahl positiver bitten (meist um frieden, gute Witterung, be- ßchützung von kirche, papst, könig u. s. w.), die alle mit den Worten te rogamus audi nos enden. Dann folgt fast durchgängig

*) Wir entnehmen dieselben aus den litaneien bei Mabillon vet. anal. p. 168 ff. anglikanische lit. u. litan. unter Karl d. gr. Leibnitius scriptt. rer. Brunsvic. I. no. XVII. 2 corvej^er litt, aus der zeit Ludw. d. frommen. Martene de ant. eccl. disciplina p. 520 u. 629; ders. de ant. eccl. ritib. I, 1. 551.

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agrms dei qui tollis etc. und den schluss bildet Christe atidi nos Kyrie eleison^

Es handelt sich für uns nun vor allem darum, von diesem kirchlichen gebet, welches zum grossen teil nur in der ausru- fung vieler heiligennamen besteht, die brücke zu einer poetischen bearbeitung zu finden, die den liturgischen Charakter fast ganz abgelegt hat und keinen jener namen nennt, ohne zugleich eine kurze skizze der taten des betreffenden heiligen und ein oft recht geschickt in beziehung dazu gebrachtes gebet an denselben hinzu zu fügen. Ansätze zu einer derartigen erweiterung finden sich schon in einzelnen alten kirchlichen litaneien. So werden bei anrufung der trinität und der Maria den blossen nainen auch schon weitere prädikate hinzugefftgt; in der 1. corveyer lit. Spiritus sancius deus qui es trinus et unus miserere nobis ipse idemque henigrms mis, nob. Scta Dei genitrix ora pro nobis scta virgo virginum o, p. n. Bei Martine rit. I, 1. 551 lautet die anrufung: Sta Maria o,p. n, Sta Dei Genitrix, Sta mater Domini Sta Virgo virginum, Regina caelorum, Mater misericoräiae. Wei- tere bitten sind schon eingeschoben Mart. Disc. 629 hinter Christe aud nos: Christe miserere nobis Praesta mihi primum ut te bene rogem, deinde ut me dignum facias exaudiri, deinde ut exaudias. Und hinter .9^0 Maria o.p.n.: Sta Mar. intercedepro me peccatore, Sta Maria adjuva me in die exitus mä. Aber das alles steht dochunsrer letanie noch ziemlich fern. Etwas eini- germassen entsprechendes finden wir nur in -den lateinischen metrischen und rhythmischen umdichtungen der litanei, die uns schon aus dem ende des 9. und anfang des 10. Jahrhunderts tiberliefert sind. Das damals so rege geistige leben in St Gallen betätigte sich bekanntlich auch besonders auf dem gebiet der geistlichen dichtung und des kirchengesanges und so wurde dann auch die litanei für diese zwecke verwertet. Verschie- dene solche litaneien sind uns überliefert, zum teil unter den rühmlichst bekannten namen eines Notker Balbulus, Ratpert, Hartmann. Freilich schliessen sich ihre dichtungen der oben gegebenen gestalt der kirchlichen litanei noch recht genau an: die poetische ausführung beschränkt sich auf hinzufügung we- niger prädikate zu den namen der angerufenen und stellenweise einschaltung kurzer bitten. In gewisser reihenfolge kehren die anfangsverse als refrain wider, denn diese litaneien waren,

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ÜBER DIE LETANIE. 133

wie ausdrücklich überliefert wird, für den processions-gesang bestimmt

Notkers rhythmische litanei beginnt mit einem distichon, welches nachher den refrain bildet (bei Canisius lectiones anti- quae ed. Basnage III, 3. 202).

Votis supplicäms voces super astra feramus

Trimis ut et Simplex nos regat omnipotens. Ky (-rleleison)

Scie Pater a4juva nos, Scte Fiii adjuva nos,

Compar his et Spiritus ungue nos intrinsecus, Fo.*)

Scta virgo virginum Stella Maris Maria

Tu pro nobis Dnminum Ora Christum ftlium. Trinus**)

Es folgen nun in der weise der kirchlichen litanei die ein- zelnen chöre und dann das gewöhnliche schlussgebet; Omnes Sancti Domihi Angeli et homines Vos ad aures divinas ferte preces sedulas, Trirvus Ut nobis remissio peccatorum donetur Aeris temperies terraeque fertilitas Ky, etc.

Aus dem folgenden:

Ut rex noster Chuonradus Eßts et exercitics

Hinc et inde servetur Oramus Christe audi nos etc.

Das ganze schliesst: Kyrie eleison canimm

Christe eleison psallimus. Ich gebe noch kurze proben aus Ratperts und Hartmanns litaneien. Litania Ratperti ad processionem diebus Dominicis Can. III, 3. 199 (Basnage bemerkt dazu: Ratpertus . . . dictaverat Letanias plurimasquae canebantur diebus Rogationum etc.) Ardua spes mundi solidator et inclyte coeli Christe exaudi nos propitius famulos, Virgo Lei genitrix rutilans in honore perennis Ora pro famulis scta Maria tuis, Christe

Das gedieht geht dann in der gewöhnlichen weise weiter mit anrufung der einzelnen chöre, hinter jedem distichon kehren abwechselnd v. 1 und 2 als refrain wider. Dann kommt das gebet an alle heiligen, wobei das gedieht in hexameter über-

*) Das ist vers 1 als refrain. **) Das ist vers 2 als refrain.

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te Chre rogamus

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geht Beim schlussgebet finden wir die herkömmlichen bitten, alle mit ie Chrlste rogamus schliessend. So

Ut pacem nohis dones

Crimen ut omne tuis solvas

aurae ut temperiem dones

Ut fruges Terrae dones u. s. w. Schluss; Agne Dei patris nobis miserere pusillis

Christe exaudi nos o Kyrieleyson EXevöov.

Auch Hartmanns litanei war für den processionsgesang be- stimmt, er selbst hatte die melodie dazu gemacht. (Can. IL 3. 192). Sie ist gleichfalls indistichen abgefasstund schon etwas ausführlicher als die vorige. Die gebete an die einzelnen chöre sind nicht blosse ausrufungen und es treten zu den namender heiligen weitere prädikate hinzu. So z. b. bei den märtyrem : 0 vos Martyrio decorati in nomine Christi Conspicui festes purpurei proceres Qui hello invicti superastis daemonis iras Conspirata manus vlncere morte minas etc.

Übrigens stimmt sie wesentlich mit den obigen litaneien tiberein.

Sogar in odenform brachte man die litanei, wie das bei Canis. 194 mitgeteilte Carmen sapphicum, cujusdam monachi S. Galli anonymi beweist, welches die litanei in der gewöhn- lichen form enthält und in jeder Strophe einen chor be- handelt

Wir flihren schliesslich noch eine k^irze rhythmische litanei von 23 vv. an, die bei Martine de anf. eccl. disc. 541 abge- druckt ist Sie beginnt mit dem nachher als refrain benutzten verse: JRex sanctorum angelorum totum mundum a4fuva.

Nicht unwichtig fttr die geschichte unsrer dichtungsart würden die bei Leibnitz a. a. o. angeführten „Litaniae Ehyth- micae vitam S. Ludgeri continentes" sein, da sie eben wirk- liche Züge aus der legende des betreffenden heiligen enthalten wenn das gedieht, dem die dort beigebrachten stellen ent- nommen sind, wirklich den namen litanei verdiente. Aber es ist nur eine rhythmische lebensbeschreibung des h. Liudger (v. jähr 1140) und liegt somit ausserhalb unsres gesichtskreises (vergl. Pertz mon. scriptt IL 404 u. 424);

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ÜBER DIE LETANIE. 136

So hatte sich also schon die litanei zu einer besonderen gattung der lateinischen geistlichen poesie entwickelt, als sie um die mitte des 12. Jahrhunderts durch die vorliegende bear- beitung auch in den bereich der deutschen dichtung trat, überall regte sich damals ein eifriges bestreben unter der deutschen geistlichkeit, den inhalt der bibel, der symbole, des ritus und selbst kirchenpolitische fragen im gewande deutscher dichtung dem laien zugänglich und vertraut zu machen. Diesem streben verdankte wol auch unser gedieht ursprünglich seine entstehung. Der gedanke, die litanei poetisch zu verwerten, ist auch für unsem dichter jedenfalls nichts neues mehr ge- wesen, aber die art und weise wie er das durchführte, war doch w esentlich anders, als es bisher in den lateinischen dich- tungen geschehen war. Er wollte nicht nur wie diese eine Paraphrase der kirchlichen litanei geben, sondern er benutzte dieselbe im gründe nur als rahmen, in den er seine gebete, stindenbekenntnisse, loblieder und legendarischen skizzen ein-; fügte. Aber allerdings schloss er sich dabei der Ordnung und dem Inhalte der lateinischen kirchlichen litanei sehr genau an. Die anrufungen und schlussformeln derselben ziehen sich wie der rote faden durch unser ganzes gedieht hindurch, ganz in der herkömmlichen reihenfolge und zum teil noch in latei- nischer form. Der folgende vergleich des deutschen gedichtes mit der kirchlichen litanei wird das veranschaulichen:*)

Die lateinischen Schlussworte der 4 ersten absätze unseres gedichtes geben fast wörtlich den gewöhnlichen anfang der lat litanei:

V. 40 Kyrie eleison

V. 106 Pater de caelis [sc. miserere nobis] nicht in allen litaneien

V. 130 Chrisie audi nos

(v. 131 = Spiritus sancte) miserere nobis v. 172. Dem nur in S enthaltenen abschnitte 173 196 entspricht die gleichfalls nicht in allen litaneien enthaltene bitte

sancta trinitas unus deus (vgl. v. 173 u. 74) miserere nobis

*) Wir beziehn uns hier auf die bei Martine disc. 520 u. 629 und rit. I. 1. 551 mitgeteiiteu litaneien; unser gedieht eitleren wir hier der bequemlichkeit wegen, nach S.

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V. 402 = Sancta Maria ora pro nobis

V. 404 St Michael (in der kirchl. litanei folgen meist noch mehr engelnamen). V. 446 Omnes sancü angelt /sc. orate pro nob.J V. 569 St Johannes Baptista V. 570 = St Petre

V. 592 = St Paule (diese beiden allein auch z. b. bei Rat- pert und Notker, sonst auch noch der nur in S folgende Jo- hannes.)

V. 617 omnes sancti apostoU /sc. orate pro nob.J Unter den in jeder litanei wechselnden heiligennamen begegnet Laurentius (673) meist; Stephan wie hier (670) immer an der spitze der märtyrer. Zu dem in der litanei folgenden omnes sancti martyres o. p. n. vgl. 691.

Unter den bekennern kommen Gregor (692), Martin (717), Hieronymus (728) fast überall vor. (Omnes sti confessores vgl. 738) orate pro nobis 745.

Von den Jungfrauen nennt unser gedieht die auch in den meisten litaneien enthaltenen Margarete (nur S 1007), Agnes (1036), Cäcüie (1059), Maria Magdalena (nur S 1096). 1095 alle gotes megede = omnes stae virgines (o. p. uj Ftlr den in S nachgetragenen tibergang Jesu corona virginum habe ich in den kirchlichen litaneien nichts analoges gefunden.*)

1243 44 alle gotis heiligen ) omnes sancti

helfet uns mit uwer underdiginen ) intercedite pro nobis Diese bitte der litanei ist in den vv. 1243 1334 ausge- führt. Den in der kirchlichen litanei sich daran schliessenden

•) Die lateinischen anfangsworte bilden den eingang eines ambro- sianischen hymnus, der Jesus als den anführ er der himmlischen Jung- frauen preist (bei Daniel Thesaurus Hymnologicus I, 112); er schwebte hier jedenfalls dem dichter vor, jedoch ohne dass dieser sich genau an den Inhalt desselben hielt. Zu den anfangsversen dieses passus 978 79, 983 84 vergleiche man die erste Strophe des hymnus:

Jesu Corona virginum

Quem mater illa concepit

Quae sola virgo parturit

Haec Vota clemens accipe. Dem Inhalte nach hat der nachtrag nichts auffälliges, da es auch sonst vorkommt, dass bei anrufung irgend eines heiligenchores Jesus als der anfiihrer desselben vorangestellt wird vgl. Daniel a. a. o.

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ÜBER DIE LETANIE. 137

bitten mit libera nos domine (s. ob.) entspricht der abschnitt 1335 59 (zum teil auch schon 1294 1300), in dem sich die einzelnen bitten grossenteils aus der kirchlichen litanei nach- weisen lassen:

1348 von allin unrehte = cU> omni iniguitate

1349 von din selbis zorne = a Ventura ira

1350 von dem ewigen virlome = a morte perpetua 1353 von unreinen gedanken = ab omni cogitaHone mala

zu 1354 u. 55 vergl.: ab immunditia cordis et corporis ab omni concupiscentia mala

1356 von tuvillichen schunden = ab insidlis diaboli

1357 von grozir becorunge = ab omni tentatione 1359 von allirsldhte leide = ab omni malo 1347 ledige herre dine knehie = libera nos domine

Die flf. w. entsprechen genau dem in der lat. litanei sich daran schliessenden (vgl. hiezu die lit. bei Mab. anal. 168) 1365 (nur in S) durh willen der geburte = per nativitatem tuam 1367 durh den touf dm da intphinge = per baptismum tuum 1370 durh dine crucisere = per crucem tuam

G 235, 8 durch din urstende = per resurreciionem tuam

10 durch diner üfferte signumft = per ascensionem tuam 11 durchdesheiligengeistis chumft= per decensionem sti Spi- ritus*)

Dieser abschnitt ist in unserm gedichte nicht wie die mei- sten andern durch einen lateinischen vers abgeschlossen (etwa libera nos domine): er fliesst im folgenden mit den in derkirchl. litanei als besondere gruppe sich anschliessenden positiven bitten zusammen. Der gemeinsame schlussrefrain aller dieser bitten: te rogamus audi nos ist wörtlich schon 1392 vorwegge- nommen, während der eigentliche Inhalt jener bitten erst in dem in 6 Communis tiberschriebenen schlussgebete folgt Auch hier wird die latein. litanei ziemlich treu widergegeben; wir vergleichen aus derselben: ut pacem nobis dones zu 1399. ut pontificem nostrum conservare digneris zu 1406 ut universos gradus ecclesiae zu 1408

•) Diese nur in G. enthaltenen sätze fehlen z. b. auch in den litt bei Martine.

Beiträge zur geschlohte der deatsclxen spräche. I. 10

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ut regem nostrum conservare digneris zu 1417

(doch siehe unten.) ut inimicos stae ecclesiae comprimere digneris zu 1420 ut aeris temperiem nobis dones zu G 236, 36. 37

Vgl. auch Hartmanns lit.: Temperiem coeli tribuens (m. Christe) ut copia frugum omrühus exundet ubere laeticia.

Zu den versen über das abendmal 1443 flf. könnte man vergleichen (Mart. Kit 551); ut istud ineffäbile sacramentum puris munibus tractemuSj j, puris mentibus sumamus.

Der gewöhnliche schluss der litanei, das Agnus dei und Kyrie eleison (an dessen stelle auch das Gloria patri treten kann) hat hier dem gebet für den dichter platz machen müssen, doch schliesst wenigstens wider ein lateinischer vers das ganze.

So bildet also die kirchliche litanei gleichsam das gerippe des deutschen gedichtes, welches der Verfasser nun noch mit seinen eigenen zutaten umkleidete, wodurch dann eine reihe ziemlich umßlnglicher und gewissermassen selbständiger gebete entstand.

Für die an die dreieinigkeit , an Maria, die engel und apostel gerichteten darf man nach einer bestimmten quelle nicht suchen: sie enthalten die herkömmlichen züge, welche in den geistlichen gedichten sowie in den lateinischen und deut- schen gebeten jener zeit aller orten widerkehren. Wo bibel- stellen angegeben werden, sind sie meist ziemlich frei benutzt.

Bei den heiligen aber werden auch immer einige kurze Züge aus ihrer legende beigebracht, an die sich dann das gebet anschliesst. Bei Gregor wird ausdrücklich auf seine vita hin- gewiesen (698) und mit den Schriften desselben scheint der Ver- fasser überhaupt veiiraut zu sein; wenn auch 7Q7 flf., wo seine erklärung des Hieb erwähnt wird, zusatz in S ist, so wird er doch auch 1315 wider angeführt. (Auch mit dem Hieronymus ist er bekannt 732 ff.) Eine bestimmte quelle wird noch bei der Maria Magdalena erwähnt 1176 f.: daz habe wir ouh von der (1. dir) gelesen als uns ein herre hat gezalt sagt der dichter als er die eigentümliche erweiterung der legende berichtet, wo- nach Maria Magdalena nach der himmeifahrt Christi der weit überdrüssig geworden und in eine wüste gegangen sein soll, wo sie in einer höhle, durch engel mit speise versorgt, bis zu ihrem ende lebte; kurz vor ihrem tode erschien ihr dann durch

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ÜBER DIE LETANIE. 139

göttliche gnade noch plötzlich ein priester, dem sie beichtete. Die ähnlichkeit dieser züge mit der legende von der ägyptischen Maria fällt sofort in die äugen. (Diese lebte nach einer laster- haften Vergangenheit alsbüsserin in einer wtlste, kurz vor ihrem tode kam der priester Zosimas zu ihr, um ihre' beichte. zu ver- nehmen; vgl. Grloube_2264 jff.). Gewis beruht jene erweiterung der legende auf einer Vermischung beider Marien. Als die la- teinische quelle derselben weist Heinzel (zu Erg. 26) desHono- rius speculum ecclesiae nach und es stimmt recht gut zu un- sem obigen resultaten tlber den dialekt d^s dichters, dass Ho- norius gerade in Osterreich damals viel gelesen und durch handschriften verbreitet war. Auch Heinrich v. Melk bezieht sich Erg. 26—34 auf diese gestalt der sage mit erwähnung desselben charakteristischen zuges, wie ihn die letanle über- liefert, dass Maria Magdalena nach Christi hingang ekel an der weit empfunden habe:

Maria diu süzze

diu nach Christes ou/verie

dt uni stat hischerte

in einer äisHchen wüste

da si inne rvonen müste

äne der Hute mitwisi

die si nach unserm herren Christ

nimmer mir heschourven tvolde

Sit si in nicht lenger sehen soide. Möglicherweise trugen auch die bei Heinzel a. a. o. ange- führten französischen lokalsagen zur weiteren ausbildung dieser legende bei. Später verbreitete sich dieselbe in dieser gestalt allgemein (wir erinnern an die Magdalenenbilder).

Bei den übrigen heiligen werden nur die allgemeinsten züge aus ihren legenden gegeben, die nichts besonders bemerkens- wertes enthalten. Nur das gebet an den heiligen, welchen der dichter „Columban" nennt, ist auffällig. Die legendarische skizze passt hier auf den namen durchaus nicht. Es wird nämlich V. 829 ff. von jenem „Columban" erzählt, er habe seine reich- ttimer und den glänz dieser weit aufgegeben, habe sein geschlecht und sein Vaterland verlassen und sei kühnen mutes in das stväre eilende hinausgezogen, seinen tod habe er gefunden, indem er wie Christus zwischen zwei räubern aufgehängt sei. Nach

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seinem tode habe er grosse zeichen getan. Dass diese züge nicht auf den Columban passen, der im kloster aufgewachsen war und eines friedlichen todes im kloster starb, liegt auf der hand. Schon Diemer (d. ged. XXVI.) nennt daher den betreifen- den heiligen Koloman und Scherer bemerkt bei Gervinus g. d. I. I. (5. aufl.) S. 197, dass auf den Coloman allein die le- gendarischen Züge passen. Und das ist unzweifelhaft der fall. Dieser Coloman war ein reicher, vornehmer Schotte, der als pilger nach Jerusalem zog und im jähr 1017 auf seiner durch- reise durch Osterreich vom pöbel, der ihn fär einen böhmischen Spion hielt, ergriffen, gefoltert und zwischen zwei räubern auf- gehängt ward. Sein leichnam blieb unverwest und tat die herkömmlichen wunder. Markgraf Heinrich liess ihn dann als heiligen nach Melk bringen, wo er als landespatron Österreichs verehrt wurde.

Die älteste form dieser legende überliefert ganz kurz Thiet- mar v. Merseb. VII. 54. Bei ihm fehlen noch mehrere der oben erwähnten züge. Diese finden sich erst vollständig in der etwas ausführlicheren vita Colomanni bei Pertz mon. scrptt. IV, 675 ff., welche dort für ziemlich gleichzeitig gehalten wird. Ausserdem verfasste noch der bekannte Erchanfried v. Melk nach einer angäbe des Melker nekrologs eine vita Colomanni. Ob diese uns wirklich in den bei Pertz a. a. o. mitgeteilten „Miracula Colomanni" erhalten ist, welche nur eine ausführlichere beschrei- bung der wunder enthält, die Coloman nach seinem tode ge- tan, lassen wir dahin gestellt; für uns würde sie in dem falle nicht in betracht kommen. Die legendarischen züge, welche die letanle überliefert, sind in der hauptsache in jener vita ent- halten; dass dieselbe wirklich unserm dichter vorgelegen, könnte vielleicht der anfang der praefatio zu derselben beweisen:

(Princeps apostolorum Petrus audiens) a domino mundi contemptores centuplo remunerandos hie emolumento et in futuro vitam aetemam possessuros etc. Vgl. 836 flf.: „Wer die weit aufgibt"

841 flf. dem rvil ihs Ion zeigen (so zu lesen) da mite ih ime geldin rvil ih gehe ime zeinzichstunt also vil zu deme ervigeme libe.

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ÜBER DIE LETANIE. 141

Aber wenn dem auch wirklich so ist, so müste der dichter doch noch eine andere quelle gehabt haben. Die 865 ff. über- lieferten Züge von seiner geistlichen tätigkeit, vom beschirmen der armen, dem tadeln der Sünder, seiner weisen lehre u. s. w. sind in keiner der aufgeführten quellen enthalten. Vielleicht hat dem dichter doch noch eine andere vita von Erchanfrid vorgelegen möglicherweise schöpfte er auch aus mündlicher tradition. Dann würden wir uns jedenfalls den dichter in der nähe des Schauplatzes der legende zu denken haben.

Wir kommen damit auf die frage nach heimat, zeit und persönlichkeit des dichters.

Dass wirklich' nur jene gegend die heimat (resp. der aufent- haitsort) des dichters gewesen sein kann, geht schon klar ge- nug daraus hervor, dass er überhaupt jenen österreichischen lokalheiligen auf besonderes geheiss seines abtes nachtragen muste und noch dazu in so ausführlicher weise. (Wie wenig Coloman ausserhalb Österreichs bekannt war zeigt schon die änderung seines namens in S.) Dazu kommen dann noch die resultate unserer dialektischen Untersuchungen.

Also in Osterreich, lebte unser dichter und zwar als mönch unter dem' abte Engelbrecht, wie die vv. S 890 ff beweisen : (gedenke ) des abblt Engelhrechtis

unde andirs diner knehte

(mit der ware[n] goiis crefte) (zu gedenke zu ziehen)

[di] undir siner melsterscefte

in der er istinen Joh sint gerveten (so st. gewetet).

Den geschichtlichen nachweis eines abtes Engelbrecht ver- suchte Diemer d. ged. XXVI. Er sieht in ihm den prälaten Engelbrecht, der vom bischof Altmann im stifte von St. Polten in Osterreich unter der Enns eingesetzt wurde und der zuerst in einer Urkunde des klosters Gleink vom jähre 1088 und dann in einer Urkunde Ottokars VI. v. Steiermark erscheint, die zwischen 1092 und 1121 anzusetzen ist. Die läge von Polten würde sehr gut zu unsern obigen resultaten stimmen, aber die Zeitbestimmung, wonach unser gedieht spätestens ca 1120 25 verfasst sein müste, passt absolut nicht. Unser gedieht müste dann in dieselbe zeit wie die gedichte der Ava fallen (was Biemer auch gerade bezweckt); dass daran nicht zu denken ist, zeigt, von allem andern abgesehn, schon eine ganz flüchtige

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vergleichung der reime beider gedichte. Von den bei Ava so häufigen volleren, noch nicht zu e geschwächten eridungen zeigt sich in den reimen der letante keine spur mehr. Vielmehr ver- weisen die spräche und die verhältnismässig reinen reime unser gedieht wol noch in die zeit nach 1150. Heinrich v. Melk hat in seinem Priesterleben ganz dasselbe Verhältnis reiner und un- reiner reime wie unser gedieht, in der Erinnerung hat er noch etwas mehr unreine. Auch der spräche nach kann man Hein- rich keinesfalls später ansetzen, als den Verfasser der letanie. Heinrichs gedichte nun werden mit Sicherheit zwischen 1148 und 1163 angesetzt: früher ist auch die letanie jedenfalls nicht entstanden. Die äusserste grenze nach der andern seite hin gibt die hs. S, die 1187 vollendet wurde.

Möglicherweise könnte noch ein andrer umstand zu einer näheren Zeitbestimmung beitragen. Die lateinischen litaueien, welche im schlussgebet den papst aufführen, beten auch in ganz bestimmter formel fttr den oft sogar mit namen genannten könig. So hat die 2. Corveyer lit. Exaudi Christe Hludovico Imperatori (Ludwig d. fromme) viia! die bei Leibnitz no. XVII. erwähnte lit. enthält „preces pro Arnulfo rege", die des Notker (s. ob.) bittet für könig Konrad I. Die litaneien bei Martine haben ut regem nostrum conservare dignerU te rogamus audi noSj ui ei vitam et vicioriam dones etc.

Es befremdet daher, dass unser dichter zwar fttr den papst ausdrücklich bittet (G 236, 11 und beschirmest unsem Herren den pabes)y aber flir den könig keine bitte hat, sondern nur ganz allgemein und vieldeutig sagt:

236, 26 daz du chunige unde rihtaere unt ander ir volgaere muzist gevesten an dem rehten.

Leicht genug Hesse sich das erklären, wenn wir annehmen, dass unser dichter in dem furchtbaren streite, der (schon seit 1157 vorbereitet) 1161 zwischen papst undkaiser ausbrach, auf päpstlicher seite stand und daher flir „seinen herren" den papst bittet, während er des gebannten kaisers nicht gedenkt 1177 wurde der bann gelöst und in diesen Zeitraum (1161 77) liesse sich dann die abfassungszeit unseres gedichtes noch näher einschränken.

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ÜBER DIE LETANIE. 143

In Übereinstimmung mit diesen resultaten über ort und zeit der abfassung der letanie dürfte wol auf die identität mit dem in unserm gedichte erwähnten abt Engelbrecht ein Engelbertus ansprueh haben, der in den jähren 1172 1203 dem zwischen Enns und Linz gelegenen kloster St. Florian als pri^epositus vorstand, (cf. Stülz, geschichte des regulierten chorhermstiftes St. Florian s. 191). Sein name erscheint mehrfach in urkuß-r den, nach dem mir vorliegenden material (ausser dem angef, monum. Boica XXIX, urkundenbuch des landesob der Enns IL) zuerst in einer Passauer Urkunde vom 21. 7. 1183 (urkunden- buch des landes ob der Enns CCLXI), in welcher bischof Diet- polt V. Passau die rechte des klosters St. Florian auf das hospital zu Vechelahebruck und die pfarrkirche Scuoendorf be-' statigt Daselbst heisst es: „statuimus ... quatenus domnus En- gelbertus venerabilis prepositus S. Floriani Martyris Christi cujus diligentia et instanti industria hoc Privilegium conquisitum est eiusque successores prefatum hospitale in sua dispositione . . . habeant" Die weiteren Urkunden, in denen Engelbert begegnet, sind vom 24. 1. 1188 (a. a. o. IL S. 407), „ca. 1200" (a. a. o. II, 470) und vom 28. 7. 1202 (a. a. o. II, 485). Schon 1203 tritt in einer Urkunde aus Mautern (a. a. o. 493) ein Otto als praepositus von Florian auf. Ich wüste nichts, was un» hindern könnte, diesen Engelbert für den in unserm gedichte erwähnten zu halten. Die läge von St. Florian entspricht ganz unsem obigen ermittelungen über die heimat des dichters. Dass es im lande ob der Enns liegt und daher erst seit 1156 zu Österreich gehörte, macht es vielleicht noch erklärlicher, dass der österreichische landesheilige von dem dichter, der sich wol noch nicht ganz in die österreichischen traditionen eingelebt hatte, nicht gleich anfangs aufgenommen wurde^ während an- drerseits die läge des klosters unweit der grenze doch anfeinen regen verkehr desselben mit dem lande unter der Enns und dessen klöstem schliessen lässt, was auch durch Urkunden be- ßtätigt wird (z.b. die a. a. o. 407 mitgeteilte, in der Engel- bert erwähnt wird, ist aus Polten, die a. a. o. 493 beigebrachte, in welcher Otto v. St. Florian auftritt, aus Mautem u. s. w.) und dadurch wird dann widerum auch die nachträgliche aufnähme des Coloman genügend erklärt. Vielleicht kann ein weiterer umstand die identität des abtes von St. Florian mit dem Engel-

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brecht unsres gedichtes noch wahrscheinlicher machen. In jener Urkunde vom j. 1183 nämlich, in der die rechte St. Florians auf das hospital zu Vöchlabruck und die kirche Schöndorf be- stätigt werden, wird bestimmt, dass die erhaltung des hospitals der Pfarrkirche Schöndorf zur last fallen solle und es heisst: „que prefata parrochia dinoscitur posse persolvere ob amorem sancti Egidii confessoris Christi in cujus honore capella ibidem a prefato Pilgrimo constructa est" und am schluss wider „qui- cunque vero largitate munerum suorum . . . eidem xenodochio pro amore Christi et honore S. Egidii confessoris subvenerit" etc.: es stimmt dazu trefflich, dass auch der Egidius unter den heiligen sich befindet, die der abt Engelbrecht in die letanie (S 948 ff.) nachtragen Hess. Die zeit, in welcher der abt von St. Florian auftritt, widerspricht unsem obigen Vermutungen über die abfassungszeit des gedichtes nicht. Ungefähr um die zeit des amtsantrittes des Engelbert wird der dichter der letante seine nachtrage gemacht haben, denn der abt wird ihn doch dazu veranlasst haben, gleich nachdem er mit dem gedichte bekannt geworden. Die erste abfassung aber müssen wir noch mehrere jähre früher ansetzen, da sich das gedieht schon in seiner ersten, kürzeren gestalt weiter verbreitet hatte, wie die Gräzer hs. beweist. Wir werden also wider ganz in den oben vermuteten Zeitraum verwiesen und werden nach alledem die entstehung der letanie gegen 1170 und die abfassung der nach- trage flir das jähr 1172 ansetzen müssen.

Soviel über zeit und heimat des dichters. Für seine per- sönliche Charakteristik dürfen wir nicht erwarten, aus art und geist seiner dichtung vielmerkmale entnehmen zu können: Die geistlichen dichter jener zeit beherschen ihren stoff zu wenig, als dass sie ihm den bestimmten Stempel ihrer persönlichkeit aufzuprägen vermöchten, es ist ihnen im gründe auch nur um den stoflf zu tun, die gestaltung ist völlig nebensache; daher auch die formlosigkeit ihrer gedichte. In dieser beziehung ist unser gedieht ganz ein product seiner zeit; freilich gestaltet hier der dichter seinen stoff, jedoch nach einer fertigen Schab- lone. Innerhalb jener werke seiner gattung aber möchte ich dem gedichte doch keinen untergeordneten platz anweisen: das ganze spricht von lebendiger empfindung und einzelnen stellen, namentlich z. b. dem hymnus an Maria, der den besseren

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ÜBER DIE LETANIE. 145

Marienliedern nichts nachgibt, ist wirkliche poesie nicht abzu- sprechen.

Die anschauungsweise des dichters, wo sie wirklich selb- ständig unter dem gegebenen Stoffe durchblickt, verrät überall den mönch, aber sie trägt einen milderen Charakter als die seiner meisten genossen, wie z. b. Hartmann, der Verfasser des Grloube, oder auch Heinrich v. Melk, mit dem Diemer unsem dichter sogar identificieren wollte. Aber die ganze art des Ver- fassers der letanie steht der bitterkeit und finstem askese Hein- richs ebenso fem, wie sein ruhiger und gleichmässiger stil dem hastig forteilenden, sich selbst überstürzenden, bald höhnenden bald polternden des Heinrich.

Asket ist unser dichter zwar auch, seine Sündhaftigkeit schildert er grell genug und manchmal in nicht sehr delikaten Zügen. Aber weltverachtung spricht er nirgend aus. Er bittet um maezzigen richtum (236, 39) und um ein fruchtbares jähr. Seinen sündigen mitmenschen verheisst er nicht höhnisch die höUenstrafe wie Heinrich, sondern er bittet für sie um Verge- bung, selbst für seine feinde (236, 44). Über den innern zu- stand des dichters dürfen wir aus dem Inhalt seines werkes keine voreiligen Schlüsse ziehn. Es wäre durchaus falsch wenn wir von vornherein annehmen wollten, dass die Sündenbe- kenntnisse, die er namentlich im gebet an Johannes den täufer und Maria Magdalena ablegt, der Wirklichkeit entsprechen müsten. Ihrena wesentlichen Inhalt nach stimmen diese bekennt- nisse ziemlich mit den gewöhnlichen beichtformeln überein und dass der Verfasser diese herkömmlichen züge ohne weiteres auf sich überträgt, darf uns nicht befremden. Ähnliches kommt oft genug vor, man vergleiche z. b. das ganz allgemein für jeden leser berechnete Sündenbekenntnis im Gloube 1768 ff. (wo mord, raub, kirchendiebstahl u. s. w. vorkommen) und das im lobl. auf Maria bei Diemer d. g. Und doch möchte ich andrerseits gerade hier jeden wirklichen hintergrund nicht ablehnen. Dass der dichter sich seinen besondern Schutzheiligen, den Johannes, aussucht (225, 44 f. 226, 13 ff.), vor dem er jenes Sündenbe- kenntnis ablegt, deutet doch darauf, dass er hier keine allge- meine gebetsformel geben will, sondern dass er wirklich von seinen persönlichen Verhältnissen ausgeht; ebenso weist wol da- rauf hin die mehrfach widerkehrende bemerkung über den kämpf;

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146 VOGT

gegen die Sünden, den er angefangen habe und der noch immer kein ende nehmen wolle. Wenn er sich daher mit dem verlor- nen söhne vergleicht, der sein gut verprasst und ein unkeusches leben geführt habe (S 1195 ff), so kann man das immerhin im eigentlichen sinne nehmen. Er mag wirklich ehedem ein leicht- lebiger weltlicher gewesen sein, bis ihn jener asketische zug erfasste, der gerade jene zeit durchwehte, so dass er sich, wie so mancher andere seines gleichen, in die einsamkeit des klo- sters zurückzog. Als ein zeugnis seiner bekehrung und seiner innern kämpfe und zugleich als ein zeugnis seines ehrenwer- ten strebens, den laien seiner zeit dem leben und den brauchen der kirche näher zu bringen, schrieb er dann die letanle.

LEIPZIG. FRIEDRICH VOGT.

Nachtrag zu einlichen. Ein späterer beleg für einlich in der bedeutung eifrig findet sich Priesterleben v. 251: ich rvirde sin auch nimmer einlich; daz ich siu mit solhen dingen cihe d. h. ich beeifere mich nicht, bin nicht darauf bedacht, sie solcher dinge zu beschuldigen.

F. V.

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^v

ZUR LAUTVERSCHIEBUNa.

JJer hauptzweck der nachfolgenden Untersuchung ist die bestimmung des ganges, welchen die Verschiebung der indoger- manischen aspiraten im germanischen genommen hat. Dazu sind drei fragen zu beantworten; erstens: welches war die ur- sprüngliche gestalt der aspiraten in der indogermanischen Ur- sprache; zVeitens: welches die in der germanischen Ursprache: drittens: durch welche etwaige Zwischenglieder war der Über- gang von der einen in die andere vermittelt. Ohne die richtige beantwortung der beiden ersten fragen fehlt natürlich allen spe- culationen über die dritte der boden. Die erste ist der gegen- ständ vielfältiger erörterungen gewesen. Noch immer stehen sieh sehr abweichende ansichten gegenüber. Aber doch halte ich daflir, worauf ich später zurückkomme, dass wir zu einem bestimmten von den meisten hervorragenden sprachforschem anerkannten resultate gelangt sind. Die zweite frage aber ist eigentlich noch gar nicht aufgeworfen. Man hat sich stets be- gnügt vom gotischen auszugehen, und hat dabei meist ohne weiteres diegotischen laute denjenigen gleichgesetzt, welche die lateinischen buchstaben ausdrücken, durch welche sie in der gewöhnlichen Umschreibung bezeichnet werden. Bei Scherer erscheint zwar zum teil eine andere auflfassung; aber sie ist nur schwankend ausgesprochen und nicht consequent durchge- ftihrt. Nun ist aber ein unbedingtes erfordernis zur bestimmung der urgermanisclien ausspräche dieser laute eine vergleichende betrachtung der gestaltungen derselben in sämmtlichen germa- nischen sprachen, und zwar eine solche, welche sich nicht bloss an den buchstaben hält, sondern, soweit dazu mittel vorhanden sind, den lautwert festzustellen sucht. Erst mit hülfe dieser feststellung kann sowol die Weiterverschiebung in den einzelnen mundarten, als das Verhältnis zu den verwanten sprachfamilien

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148 PAUL

in das rechte licht gesetzt werden. Ich will also zunächst einen versuch dazu machen. Die frage nach ausspräche und geschichte der den indogermanischen aspiraten entsprechenden sogenannten deutschen medien b, g, d hängt überall aufs engste zusammen mit der Untersuchung über die indogermanischer tenuis entspre- chenden laute /; h, p, die wir daher in unsere betrachtung ein- schliessen müssen.

Ueber die ausspräche des gotischen besitzen wir zwei mo- nographien, von Weingärtner, Leipzig 1858 und von Dietrich, Marburg 1862. Die ansichten dieser beiden gelehrten gehen wie über die auspraclie der vokale, so auch über die der hier in betracht kommenden consonanten ziemlich weit auseinander. Eine neue prüfung ist daher nötig. Die kriterien, welche uns zu geböte stehen, sind einerseits das Verhältnis der gotischen zu den griechischen und lateinischen lautzeichen, anderseits ge- wisse lautgesetzliche Veränderungen. Was die ausprache des griechischen zur zeit des Ulfilas angeht, so steht es fest, dass die medien ft 7, 6 bereits als tönende, die aspiraten % ^ als tonlose Spiranten gesprochen wurden; weniger sicher ist das letztere für x^ was wir übrigens für unsern zweck ganz bei Seite lassen können. Zu beachten ist noch, dass ß und 9 als rein labiale, nicht labiodentale Spiranten aufzufassen sind. Nun sind die gotischen zeichen für b, g, d entstanden aus den grie- chischen ßj 7, rf; es ist also das nächstliegende ihren lautwert denselben gleich zu setzen, so lange nichts anderes dagegen spricht. Hinwider wird gotisches / und p nicht durch 90 und ^ bezeichnet, sondern durch einheimische ruhenzeichen; das erweckt den verdacht, dass die ausspräche etwas verschieden gewesen sei^ ohne dass indessen darauf ein bestimmter beweis gegründet werden könnte, da die beibehaltung der runen auch auf anderen gründen beruhen kann. Entscheidender ist die widergabe der griechischen und lateinischen Wörter im gotischen, und umgekehrt die der gotischen namen bei griechischen und lateinischen Schriftstellern. Es werden nun nicht bloss die grie- chischen medien durch die entsprechenden gotischen widerge- geben, sondern auch (p durch f, {h durch p; h entspricht dem Spiritus asper; über seine natur ist überhaupt kein streit mehr. Für die ausspräche der medien als Spiranten spricht noch, dass in einem falle d = ^ ist, baidsaiidan Luc. 9, 10, und mehrmals

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ZUK LAUTVEESCHIEBUNG. 149

b = q) in Asabis Esdr. 2, 41 und Joseba. Dagegen kann es nicht sehr ins gewicht fallen, dass zweimal in Lod d einem r und einmal in falaig g einem tc entspricht, so wenig wie man aus dem einmaligen peimaupaius flil- Ttfiod-sog auf eine von der des d- verschiedene ausspräche des p schliessen wird. Es können hier abweichungen des griechischen textes oder fltichi- tigkeiten des Übersetzers vorliegen. Die Vertretung des lateinischen V durch b in Silbanus, naubaimbair beweist noch bestimmter die spirantische ausspräche des letzteren wenigstens im inlaut. Lateinischem b entspricht es nur in anakumbjan und naubaimbair wol zu beachten nach m, in welcher Stellung, wie wir sehen werden, auch in den übrigen dialekten die ausspräche abweicht; doch ist diess an und für sich kein zwingender beweis für die völlige gleichheit des lateinisclien und gotischen b, da eben kein anderes zeichen zum ausdruck des ersteren zu geböte stand und da das wort bereits eingebürgert zu sein scheint. Die widergabe der gotischen eigennamen bei den griechischen und lateinisclien Schriftstellern ist besonders ausführlich von Dietrich besprochen. Ich kann aber den Schlüssen, die derselbe daraus auf die ausspräche zieht, nicht durchgängig beistimmen. Man darf übrigens bei der betrachtung derselben nicht aus dem äuge verlieren, dass die gotischen laute wie die anderer dialekte in einem stäten fortschreiten ))egriffen gewesen sind, so dass die spräche ohne ihr frühes aussterben aller Wahrscheinlichkeit nach bis zu derselben stufe wie das ätrengalthochdeutsche gelangt sein würde. Wir dürfen daher die lautgestaltungen in späteren quellen nicht ohne weiteres auf die zeit des Ulfilas übertragen. Am meisten klären uns die lateinischen namensformen über die ausspräche des b auf. Diess wird im inlaut zwischen vokalen regelmässig durch v widergegeben (Dietr. s. 71), auch nach l kommt V vor. Wenn sonst im inlaut in consonantenverbin- dungen und im anlaut b daflir steht, so beweist diess noch nicht sicher, dass das gotische b hier als explosivlaut gesprochen wurde. War es wie /? ein rein labialer spirant, so entsprach ihm weder das lateinische labiodentale v noch das b vollkom- men, sondern der laut hatte etwas mittleres zwischen beiden, wodurch ein schwanken in der Schreibung veranlasst werden konnte, b wird ja auch mit vorgesetztem u flir deutsches w gebraucht (Dietr. s. 79) z. b. Ubadila, wo es nur den rein labi-

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150 PAUL

alen Spiranten bezeichnen kann. Doch die consequente setzung von b im anlaut neben v im inlaut scheint eine Verschiedenheit der ausspräche anzudeuten. Nur im zweiten teile eines com- positums, dessen anlaut sonstwie der eines selbständigen Wortes betrachtet wird, findet sich v in Reciverga. Wenn gotischem g und d lateinisches g und d entspricht, so werden wir widerum daraus nicht mit notwendigkeit schliessen, dass die ausspräche gleich war. Man könnte sonst mit demselben rechte schliessen, dass auch y und 6 in der späteren zeit als verschlusslaute ge- sprochen wären. Die gotischen laute konnten nur durch die zeichen ausgedrückt werden, deren lautwert ihnen am nächsten kam. Die spirantische natur des g im inlaut ist auch von Dietrich zugegeben und durch zahlreiche beispiele des verklin- gens von g im inlaut und auch im anlaut des zweiten teils der composita wahrscheinlich gemacht. Wenn aber die widergabe durch lateinisches g nicht als ein beweis gegen die ausspräche des gotischen g als spirant angesehen wird, so darf uns auch lateinisches für gotisches d nicht stören. Im anlaut wird go- tisches g öfter durch c widergegeben, schon bei Ammianus. Wir müssen hierin gewis einen beweis dafür finden, dass hier kurz nach Ulfilas ein verschlusslaut gesprochen wurde. Gotisches p wird durch ih vertreten, also durch dasselbe zeichen wie lö-, dem wir demnach die gleiche bedeutung zuzuschreiben berech- tigt sind. Wenn dafür häufig einfaches t steht, so ist diess wol blosse schreibemachlässigkeit, der wir ebenso später bei der Schreibung deutscher eigennamen in lateinischen büchem und Urkunden begegnen, d' flir/> im inlaut beruht auf weiterer fortbewegung des lautes. Gotisches f wird seltener durch f widergegeben als durch ph. Daraus folgt nicht, dass es einen sehr harten klang gehabt hat, wie Dietrich sagt, sondern nur, dass es rein labial war wie 9), weshalb es im lateinischen durch dasselbe zeichen wie dieses umschrieben werden muste. p für gotisches f ist jedenfalls aufzufassen wie t für />. Es mag auch sein, dass beide nicht bloss auf nachlässiger Schrei- bung beruhen, sondern auch auf ungenauer auffassung mit dem obre. Bei hastiger ausspräche kann die spirans wenig- stens ebenso gut als tenuis aufgefasst werden, wie die aspi- rata oder afifricata, von welchen letzteren es übrigens gar nicht sicher ist, ob sie wirklich die raittelstufen zwischen

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 151

indogermanischer tenuis und germanischer spirans gebildet, haben.

Fassen wir zusammen, was sich von dieser seite für die ausspräche der medien ergibt, so lässt sich allerdings nicht in abrede stellen, dass immer einige Schwierigkeiten und Wider- sprüche bleiben, die nicht bis zur zweifellosigkeit gelöst werden können. Indessen wenn man die unausführbarkeit einer voll- kommen genauen Umschreibung in ein fremdes aiphabet erwägt, so werden einzelne kleine bedenken in rticksicht hierauf schwin- den müssen, und man muss das resultat anerkennen, dass sehr gewichtige stünde vorhanden sind die medien im inlaut nach vokalen als Spiranten aufzufassen, während anderseits die aus- spräche im anlaut und im inlaut nach liquida und vor allem nach nasal davon verschieden gewesen sein muss, sodass hier entweder verschlusslaute gesprochen wurden oder, wofür die gleiche Schreibung und das Verhältnis zum griechischen spricht, übergangslaute zwischen verschluss- und reibelauten.

Entscheidender als alles bisher vorgebrachte ist die beo- bachtung des lautwandels im gotischen. Es ist bekannt, dass in denselben Wörtern, welche im inlaut h und d zeigen, im auslaut und vor dem nominativzeichen s statt dessen meistens f und Jj erscheint, ausgenommen nach consonanten m, n, l, r, z. Wo wir sonst einen solchen Wechsel zwischen in- und auslaut in den germanischen sprachen finden, beruht derselbe darauf, dass im inlaut ein tönender, im auslaut der entsprechende tonlose laut gesprochen wird. So spricht man in Oberdeutsch- land tak und liep für tag und lieh, in Niederdeut«chland dach und leif, weil hier im inlaut tönende Spiranten gesprochen werden: daghe, leiwe. Dasselbe Verhältnis sind wir berechtigt ftir das gotische anzunehmen. Da f anerkanntermassen reine ßpirans ist, so muss h die ihm entsprechende tönende spirans gewesen sein. Wäre ferner /> aspirata, d tönender verschluss - laut gewesen, so wäre gar nicht abzusehen, wie sie dazukämen mit einander zu wechseln. Sie können sieh vielmehr nur durch Vorhandensein oder fehten des stimmtones unterschieden haben, und wir müssen ihren lautwert gleichfalls als tönende und ton- lose spirans bestimmen. Auf diess Verhältnis hat schon Wein- gärtner bedeutendes gewicht gelegt. Wenn im auslaut f und p nicht ganz consequent geschrieben werden, sondern daneben

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b und ^, so rührt diess nur daher, dass nicht tiberall streng phonetisch geschrieben wurde, wie diess im neuhochdeutschen in diesem falle gar nicht geschieht. Dass nach consonanten die media bleibt, beweist wider eine abweichende ausspräche. Da aber in diesen fällen auch nicht die tenuis geschrieben wird, so ist es doch nicht sicher, ob hier wirklicher verschluss- laut gesprochen wurde. Wenn zwischen g und h nicht derselbe regelmässige Wechsel besteht, so kann daraus nicht gefolgert werden, dass g nicht spirant gewesen wäre, sondern da h be- reits zum blossen hauche abgeschwächt war, so war es nicht geschickt den dem g entsprechenden harten Spiranten = mhd. ch auszudrücken, und es konnte passender inermanglung eines bessern das zeichen flir den weichen Spiranten beibehalten werden.*) Es wäre allenfalls noch denkbar, dass fnnäp als harte aflfricaten aufzufassen wären y und dann b und d als die entsprechenden weichen, wie es Scherer flir möglich hält. Aber das widerspricht durchaus dem, was wir vorher über die natur der laute erschlossen haben. Wie hätte z. b. bv durch einfaches lateinisches i; widergegeben werden sollen? Man hat überhaupt keine andere veranlassung medienaffricaten im gotischen an- zunehmen, als die, wie wir sehen werden, unbegründete Voraus- setzung, dass wol aus einer solchen, aber nicht aus einer ein- fachen Spirans sich eine mit verschluss gebildete media ent- wickeln könnte. Dem p eine andere natur zuzuschreiben als dem /* berechtigt nichts; ihr beiderseitiges Verhältnis ist völlig analog.

Wir haben bisher diesen lautwechsel nur vom Standpunkte des gotischen aus betrachtet. Von diesem aus gesehen, scheint es, dass überall der weiche laut der ältere ist, der nur im aus- laut fast mit natumotwendigkeit in den harten übergeht Die vergleichung der verwanten sprachen aber ergibt, dass in den meisten fällen der harte laut der ältere ist, keineswegs aber durchgängig. Fälle, in denen die gotische media einer indo- germanischen aspirata entspricht, also zunächst weich sein muss, sind baup (praet von biudan\ßiggalaupSy rairop (praet. von redan)\ von liubs^ galaubs, stabs, rauds kommen zufällig nur formen vor.

*) BeiJordanes findet sich^mcÄ neben Berig (Diefcrjch s. 75), was also dem Übergang von h m f und rf in )? analog sein würde.

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 153

in denen h und d inlautend zwischen vokalen steht; es könnte daher eben so gut üufs, raups etc. angesetzt werden. Eine Ver- härtung im auslaut findet also sicher statt. In den meisten Wörtern, in denen der Wechsel zwischen b und f, d und /> sich zeigt, entsprechen diese laute indogermanischer tenuis. Auch sonst sind die medien h, d und auch g aus ursprünglicher te- nuis hervorgegangen. Die hierher gehörigen Wörter sind am vollständigsten zusammengestellt in Lettners abhandlung „tlber die ausnahmen der ersten lautverschiebung" Kuhns zeitschr. XI, 161 ff. auf Seite 187 ff. Es ist wol kaum noch nötig die früher verbreitete ansieht zu widerlegen, dass diese medien un- mittelbar aus der- tenuis erweicht seien. Scherer hat eine Wider- legung derselben gegeben in der zeitschr. f. d. östr. gymn. XII, 648. 49. Er stellt drei möglichkeiten auf: entweder die erwei- chung hat stattgefunden vor der laut Verschiebung, oder nach der Verschiebung, oder sie fällt zwischen die einzelnen akte der Verschiebung. Fiele sie vor die Verschiebung, so hätte die aus der tenuis erweichte media durch dieselbe wider zurtenui« werden müssen. Zwischen die Verschiebung könnte sie nach Scherer fallen, wenn man dieselbe reihenfolge wie Curtius an- nimmt, nämlich zwischen dessen zweiten und dritten akt, der Verschiebung der media zur tenuis und der der media zur aspirata. Ich möchte auch diese möglichkeit bestreiten. Denn dann wäre es wenigstens ein sehr wunderbarer zufall, dass nicht auch eine anzahl aus der media entstandener tenues er- weicht sind. Und überhaupt wäre es unwahrscheinlich, dass unmittelbar nach der eben vollzogenen durchgängigen Verhär- tung gleich wider eine ausgedehnte erweichung gefolgt wäre. Die erweichung muss also nach der Verschiebung der indoger- manischen media und der der tenuis stattgefunden haben. Der von der erweichung betroffene laut war also nicht mehr die tenuis, sondern eine durch die Verschiebung bewirkte mt)difica- tion derselben. Es fragt sich nur, bis zu welcher stufe die Ver- schiebung gediehen war. Um diese frage zu entscheiden, wäre zunächst zu bestimmen, auf welche weise die germanische Ver- schiebung der tenuis vor sich gegangen sein kann. Entweder wurde, wie die gewöhnliche annähme ist, aus der tenuis zu- nächst die aspirata, aus dieser dann ein doppellaut bestehend aus tenuis und homorganer spirans, den man affricata zu nennen

Belträ|;e zur ^eschichte der deutschen spräche. I. \\

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gewohnt ist, und daraus endlich einfache spirans, oder es wurde aus der tenuis unmittelbar die aflfricata, wie der Vorgang vielleicht im hochdeutschen war, und daraus wider die spirans, oder endlich drittens, eine ansieht, die von Scherer vertreten wird, (z. gesch. 82, z. f. d. östr. gymn. XII, 65^) es wurde unmittel- bar aus der tenuis die spirans. Alles dreies ist physiologisch vollkommen möglich. Die letzte annähme setzt, wie Scherer richtig bemerkt, keinen sprung voraus. Der Vorgang ist ein- fach der, dass bei sonst gleicher mundstellung der verschluBs gelockert wird. Unmittelbaren Übergang von tonlosem ver- sohlusslaut in einen reibelaut weiss ich allerdings sonst nicht mit Sicherheit nachzuweisen, sehr häufig ist aber der vollkommen analoge von tönendem verschlusslaut in reibelaut, z. b. im grie- chischen und in den romanischen sprachen. Scherer beruft sich für seine ansieht besonders darauf, dass das resultat der ger- manischen Verschiebung einfache Spiranten sind, während im hochdeutschen im anlaut affricata erscheint^) Es ist richtig, dass durch diesen umstand seine annähme überhaupt möglich wird, aber erwiesen ist sie damit nicht. Die wandelung durch die aspirata hindurch brauchte nicht bis zur einfachen spirans fortzuschreiten, wie das althochdeutsche beweist, konnte es aber sehr wol, wofür das griechische und lateinische die sichern belege gibt. Wir müssen also die frage einstweilen unentschie- den lassen. Wurde die tenuis unmittelbar in die spirans ver- wandelt, seist ohne weiteres klar, dass in den fraglichen fällen g, dj b durch erweichung aus der harten spirans entstanden sein müssen. Liegen dagegen die erwähnten Übergangsstufen dazwischen, so kann es in frage kommen, ob nicht bereitsauf einer von diesen die erweichung eingetreten ist; ob also viel- leicht aspirata oder affiicata davon betroffen wurde. Zunächst scheint mir die Verwandlung von wirklicher harter aspirata =«= tenuis -|- h in die weiche = media + h eine physiologische Unmöglichkeit. Es ist bekannt, wie sehr sich unser bedeutend- ster Sprachphysiologe, Brücke, gegen die anerkennung der sprech-

*) Auch für das hochdeutsche hat Scherer im Inlaut nach vokalen untuittelbaren Übergang in die spirans angenommen. Diese ansieht ist widerlegt und der durchgang durch die affricata nachgewiesen von Braune in diesem heft s. 48 ff.

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Züß LÄUTVEKSCHlEßÜNG. 156

barkeit der medialaspirateu gesträubt hat Wenn nun auch durch die bemerkungen von Arendt in den beitragen z. vergL spracht II, 283 flf. die existenz derselben ausser zweifei gesetzt ist, so sind sie doch immer sehr schwierige lautverbindungen deren sich deshalb die meisten sprachen entledigt haben, und es ist gar nicht denkbar, dass sie aus der gar keine Schwie- rigkeit bietenden Verbindung tenuis + h sollten entstanden sein. Die Verwandlung von tenuisaflfricata in medienalBfiricata wäre mindestens unwahrscheinlich. Nirgends findet sich ein analogen dazu, wie denn überhaupt die medienaffi-icaten nir- gends in einer spräche nachgewiesen, sondern nur erschlossen sind. So schwere consonanten Verbindungen sind nicht leicht dergleichen Veränderungen ausgesetzt Ueberdiess würde die erweichung derselben eine erweichung der tenuis in sich schliessen, die sonst auf germanischem boden vom neunordischen abge- sehen unerhört ist. Dagegen hat die erweichung der Spirans nichts auffallendes, und wir werden im weiteren verlaufe un- serer Untersuchung gelegenheit haben reichliche belege dafür beizubringen. Der hauptgrund aber dafür, dass die indogerma* nische tenuis bereits zur spirans geworden war, als die erwei- chung eintrat, ist der, dass dieselbe sich im gotischen als eine ganz junge lautveränderung erweist, die noch im werden be- griffen ist, und der deshalb nur diejenige lautstufe zu gründe lie^ gen kann, auf welcher das gotische zur zeit der entstehung deJ: uns überlieferten denkmäler stand. Der beweis dafür liegt in folgendem. Schon der ganz lebendige Wechsel zwischen aus' und inlaut weist darauf hin, dass dazwischen keine andern unterschiede bestanden als das Vorhandensein oder fehlen des Stimmtons*, Auch in den hierher gehörigen Wörtern wird nicht selten im auslaut die media geschrieben, was, da an dieser stelle wol an eine erweichung nicht zu denken ist, nur aus der spirantischen natur derselben zu erklären ist Hier findet sich auch h im auslaut neben g im inlaut in aih aigvm und /'neben b nach r in parf paurhum. Ferner findet sich ein schwanken in ganz nahe verwanten Wörtern, wie ßiggs ßchiza, fmggrjan

hührus, vigam velhan, filhan fulgins und fiUgrij fagrs ga* fahrjan, faginon faheps, tigus taihun, alds alpeis, stap, staäis

im composituln lukamarstada, naupjari' naudibandi und an- deren (vgl. Holtzm. altd. gr. 22. 29); ja in einem und demselben

11*

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156 PAUL

Worte: aihan aigan, gupa guda; und in einem und demselben Suffix: brothar fadar, missadedins gabaurpai, gabaurjopus auhjodm, diupipa junda, fijapva—pivadv, uribamähs viclpags (vgl Lettner a. a. o. s. 194. ff.). Am deutlichsten sehen wir noch die entstehung des b aus / in den schon oben angeführten fremdWörtem asabis und ioseba und in den praepositionen a/ und w/; die bei antritt des Suffixes uh sofort zu abuh, ubuh werden. Die weitere betrachtung wird zeigen, dass die erweichung in den übrigen germanischen sprachen, von denen wir erst aus späterer zeit denkmale besitzen, noch weitere fortschritte ge- macht hat Auch im gotischen selbst können wir an den von lateinischen schriftsteilem tiberlieferten eigennamen den immer weiter greifenden tibergang von inlautendem th zu <? beobachten. Ich denke, alles diess tut zur geniige dar, dass sich im ganzen inlautendes g, d, b von h, p, f nur durch den stimmton unter- schieden haben. Schwierigkeiten macht allerdings d^s h, für dessen ausspräche als blosser hauch, wie schon bemerkt, ent- scheidende grtlnde vorliegen. Doch ist dieselbe hauptsächlich nur für den anlaut gesichert. Im inlaut muss es wenigstens vor consonanten, wenn es überhaupt hörbar werden sollte, noch reibelaut gewesen sein und es bleibt die möglichkeit, dass es auch zwischen vokalen noch stärker gesprochen wurde. Für unseren zweck genügt es, dass wenigstens die ausspräche des h als reibelaut die allernächste Vorstufe war und dass gar nicht daran zu denken ist, dass es aspirata oder affricata ge- wesen sei. Ebenso wird wol von niemand bezweifelt, dass / reine spirans war. Nur p ficht man immer an. Aber wir haben widenim gesehen, dass es sich in jeder beziehung dem f vollkommen analog verhält. Scherer nimmt auch an, dass g, d, b aus Spiranten erweicht seien, meint aber, dass sie dann durch denselben akt wie die indogermanischen medienaflricaten, die er statt der aspiraten annimmt, zu medien verschoben seien, und setzt diesen akt an den schluss der germanischen lautver- sehiebung, so dass die erweichung zwischen dieselbe fallen würde. Das geht aber eben deshalb nicht an, weil wir die erweichung in den ältesten auf uns gekommenen denkmälem noch im werden begriffen sehen und sie nicht eine geraume zeit zurückschieben können. Auch haben wir kein recht tö- nende spirans und medienaffiHicata ohne weiteres zu identificie-

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 157

ren und durch denselben process aus ihnen die media entstehen zu lassen. Vielmehr fällt die erweichung wirklich nach allen den Veränderungen, die wir unter dem namen „germanische Verschiebung" zusammenfassen können, nur dass das resultat derselben, sei es aus den medienaspiraten oder aus medienaff< ricaten, im inlaut nicht medien, sondern tönende Spiranten sind, und die aus der erweichung entstandenen laute waren wirklich noch zu Ulfilas zeit tönende Spiranten, was Scherer läugnet,. und fielen deshalb mit den schon frtlher vorhandenen zusammen. Vor der Verschiebung derselben zu medien trat die erweichung allerdings ein. Aber diese erfolgte, wie wir sehen werden, erst viel später und durchgängig nur im hochdeutschen. Soweit können wir schon durch die betrachtung des gotischen allein kommen; die der tlbrigen dialekte wird uns diess resultat be- stätigen.

Ich führe noch ein paar weniger bedeutende tatsachenän, die fllr die spirantische natur von g, d, b sprechen können. In den eigennamen aus späterer zeit wird agi in ai, igi in i zu- sammengezogen (Dietrich s. 73. 74). Die Zwischenstufen müssen und (;'^ sein, und darin kann das j am leichtesten aus dem gutturalen Spiranten entstanden sein. Möglich bleibt es aller- dings, dass der einfluss des i auch den gutturalen verschluss- laut zum palatalen Spiranten umgewandelt hätte, jedenfalls aber ist es minder wahrscheinlich. In einem falle ist dmz über- gegangen, nämlich in izvar. Das beweist an. ytSar, welches, wie schon das y zeigt, aus ytSvar = it5var hervorgegangen ist. Nicht z, sondern Ö ist das ältere. Die vergleichung des ahd., as., ags. ergibt als grundform ivar; Ö ist eingeschoben wie in batimr und wie sonst dd oder gg. Nach unserer auffassung hätten wir dann in izvar aus idvar nur den Übergang von den- talem s in alveolares, resp. dorsales s. Für h endlich ist noch an- zuführen, dass es in fragihtim Luc. 1, 27 die stelle von f vertritt und in dem suflix ubni*) mit /* wechselt (Holtzm. altd. gr. 33).

*) Dasselbe ist überhaupt rätselhaft. Da es im indogermanischen keine suffixe mit lippenverschlusslauten gibt, so muss b oder /*wol aus einem andern laute entstanden sein. Nun findet sich sonderbarer weise im altn. na/h und sa/ha neben den sicher älteren namn und samna, während sonst umgekehrt mn neben älterem fn steht. Ist diess nicht für etwas rein orthographisches zu nehmen, so könnte man vermuten,

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16§ PAUL

Wit wenden uns nun zu den übrigen dialekten. Es wird sich empfehlen die betrachtung der labialen voranzustellen, da bei diesen das Verhältnis am klarsten zu tage liegt. Im alt- Aordischen entspricht gotischem f tiberall f {mf ist zu mm ge- worden in /?mm), gotischem h anlautend ft, inlautend /; nur nach m steht auch h und ausserdem findet sich hh im inlaut in Wör- tern, die im gotischen keine entsprechungen haben. Man findet in sprachwissenschaftlichen werken gewöhnlich angegeben, altn* f sei nur lautgesetzlicher Vertreter für h und hält sich mit die- ser redensart aller weiteren Untersuchung des Verhältnisses für überhoben. Nun ist aber klar^ dass der Wechsel von h und f der für das gotische nachgewiesenen Verschiedenheit in der ausspräche des h entspricht. Der unterschied ist hier nur noch klärer und auch durch graphische Verschiedenheit bezeichnet. Dass f nur eine spirans ausdrücken kann , ist selbstverständ- lich und aus der sichern Unterscheidung von h und f im anlaut geht anderseits hervor, dass ersteres immer den verscjilusslaut bezeichnet Eine abweichung vom gotischen besteht darin/ dass auch nach / und r, nach denen sich im gotischen das l analog dem nach m zu verhalten scheint, f herscht, wofür nur verein- zelt ft eintritt (vgl. Holtzm. altd. gr. 117). Es fragt sich nun: Jiaben wir /"in diesen fällen als tonlos zu fassen, worauf der buchstabe zunächst hinweist. An und für sich ist es im höch- sten grade unwahrscheinlich, dass ein verlust des tones im in- laut zwischen vokalen stattgefunden haben sollte. Anderseits begreift sich die anwendung des eigentlich für den tonlosen laut bestimmten Zeichens auch für den tönenden sehr wol aus dem mangel eines eigenen verfügbaren Zeichens fftr den letz- teren. Denn v (u) war für den dem got. v, ahd. rv entspre- chenden laut in anspruch genommen, der sicher im älteren alt- nordisch noch die von Brücke s. 70 beschriebene halbvokalische natur hatte.*) Um, so weniger konnte dasselbe für die rein

dass auch im got. mn zu fn oder hn, d. h. zu labialer spirans + n gewor- den wäre, so dass dann z. b. vittd>ni abgesehen vom genus ganz gleich dem lat. calumnia gebildet wäre.

*) Dass diese ausspräche des v, sowie die entsprechende des j die ursprüngliche indogermanische gewesen ist, erheUt aus einer reihe von erscheinungen in den verschiedenen sprachen und wird wol von niemand b^zw^felt. Dass diese ausspräche auch noch im germanischen lange fort-

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. ISO

confeonantische spirans gebraucht werden , wenn dieselbe etwa, worüber sich etwas sicheres kaum wird ermitteln lassen, bereit» wie in den neueren nordischen sprachen labiodental geworden war. Für die nichtunterscheidung von tonender und tonloser

gedankt hat, dafür sprechen namentlich folgende gründe: 1) Im engli- schen besteht sie noch heute im anlant, während im in- und aaslant das TV vollständig vokalisiert oder ausgefallen ist. 2) Im gotischen ist noch das indogermanische gesetz des wechseis von u und v, je nachdem con- sonant oder vokal folgt, vollständig lebendig, was für die grosse leiehdg- keit des Überganges spricht. 3) In gotischen eigennamen wird von la- teinischen Schriftstellern das anlautende v durch uu, vv, uv^ üb wider- gegeben, eine Schreibung, wie sie für den aus mit einander verschmolze- nem vokal und consonant bestehenden laut sehr geeignet ist; vgl. darüber Dietrich auspr. 78. 79. Wenn solche Schreibungen nicht auch im inlaute vorkommen, so ist dadurch noch nicht bewiesen, dass hier rein goubo- nantische ausspräche galt wie Dietrich behauptet; dagegen spricht das unter 2. angeführte gesetz und der umstand, dass in anderen dialekten gerade im anlaut, nicht im inlaut der vokalklang verloren geht; 4) Go- tisches v erscheint in den eigennamen vor folgendem u oder i mit diesen zu u verschmolzen vgl. Dietr. 79. 80. 5) In allen germanischen sprachen finden sich Verschmelzungen des v (w) nach k oder s mit dem folgenden vokal zu u oder ü. 6) Die im ahd., as. und zum teil im ags. gebräoch- liehe Schreibung uu, woraus sich dann rv entwickelt, ist ebenso durch die ausspräche berechtigt, wie in den gotischen eigennamen; 7) Wenn im ahd., as., afr., ags. ein kurzer vokal vor w zum diphthongen wird so folgt das fast notwendig aus dessen vokalischer natur; das u des diph- thonges ist der vokalische bestandteil des w, der auch schon im gotischen vorhanden war und nur allmählich etwas stärker hervorgetreten zu sein und sich enger mit dem vorhergehenden vokal verbunden zu haben scheint

8) Auslautend wird rv im ahd. und as. zu u oder o, d. h. es bleibt nur das vokaHsche element, das consonantische ist zu schwach sich zu halten.

9) Die schwäche des consonantischen Clements zeigt sich dann weiter darin, dass es später im inlaut zwischen vokalen ganz ausfallt, während das vokalische nach kurzem vokal und auch nach langem a in der mit diesem eingegangenen diphthongischen Verbindung erhalten bleibt. Der Schwund des consonanten ist im mhd. wahrscheinlich in der ausspräche früher eingetreten als in der schrift. Denn im 1 5. jahrh. wird ganz ge- wöhnlich so gut wie frarve auch haws, arvsz u. dergl. geschrieben. Spe- ciell für die ausspräche des altn. ist von bedeutung: 1. dass es überall vor dunkeln vokalen ausfällt; 2. dass es im anslaut und vor dem noml- natiys r nach langem 6? und i zum vokal wird, sonst aber abfallt; 3. dass Thorodd in seinem traktat über die isländischen buchstaben noch gar keinen consonanten u oder v kennt. Das u ist ihm wie das i nur in soweit consonant, als es ihm auch sonst ein mit einem andern zum diph- thongen verbundener vokal ist.

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160 PAUL

Spirans werden wir alsbald weitere belege finden. Es ist ja auch nichts anderes, wenn wir im nhd. kein besonderes zeichen für das weiche s haben. Für tönende ausspräche des dem go- tischen b entsprechenden f spricht erstens, dass es vokalisiert wird in fumkr, Giukr^ femer der Wechsel von /und w, wobei bald das eine, bald das andere ursprünglich ist. Derselbe ist gewöhnlich vor n, kommt aber auch in einigen andern fällen vor wie in hifinn^ helfingr vgl. Holtzm. 118. Da m tönend ist, muss auch der mit ihm wechselnde consonant tönend sein. Ein beweis für tönende ausspräche des f ist femer das eintreten desselben für v besonders nach langem vokale. Darin hat man nicht einen vertust des stimmtons zu sehen, wogegen schon die moderne ausspräche spricht, sondern die ersten spuren der Ver- wandlung des halbvokals in einen reinconsonantischen, vielleicht labiodentalen laut. Weiter flihrt uns die betrachtung der neu- nordischen sprachen. Im isländischen bleibt in der schrift über- all /, wird aber im in- und auslaut ausser vor tonlosen conso- nanten, gleichviel ob es gotischem /oder h entspricht, tönend wie deutsches rv gesprochen, nur vor /, n, & wie h. Im schwe- dischen tritt inlautend /r, auslautend f ein, im dänischen (auch im faeroeischen) in- und auslautend v. Die ausspräche ist in beiden in- und auslautend = deutschem tv. Diese Überein- stimmung der verschiedenen zweige des nordischen ist ein hin- länglicher grund die durchgängig tönende ausspräche des f im in- und auslaute für alt zuhalten, wie auch Wimmer tut Dass die abweichende ausspräche des isländischen vor /, n, Ö erst eine jüngere verändemng ist, beweist schon die schrift und anderseits die nichtübereinstimmung des schwedischen und dänischen. Ziemlich alt mag sie aber doch sein, wie die von Holtzmann auf s. 117 angeführte Schreibung Fdbnir beweist. Wir haben also folgendes resultat gewonnen: urgermanisches/* ist im nordischen in- und auslautend ausser vor tonlosen con- sonanten tönend geworden und dadurch mit der schon früher bestehenden tönenden spirans zusammengefallen. Nun erklärt sich um so. mehr die an Wendung des Zeichens f für beide.

Analog ist das Verhältnis im angelsächsischen. Hier vertritt ebenso /*got. f überall und got. & im in- und auslaute, ausgenommen nach m und in der gemination, wo wie im an- laute h steht Auch hier kann die tönende ausspräche des f

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 161

flir den inlaut nicht zweifelhaft sein. Erstlich wechselt es an dieser stelle mitunter mitr, welches besonders in denNorthum- brischen evangelien häufig ist; v bezeichnet aber im ags. und engl, stets den weichen laut = lat. und franz. v. Es findet sich femer ein paar mal b (Holtzm. 217), gewisein zeugnisfür tönende ausspräche. Kaum wahrscheinlich aber ist es, dass damit ein explosivlaut hat bezeichnet werden sollen; jedenfalls würde dieser nicht etwa altertümlich sein, da sich auch einmal ßrbu statt faretvu findet Weiter ist beweisend der tibergang von f vor n zu m, wie im altn. Dass auch das got f entspre- chende /* tönend war, geht daraus hervor, dass es bei eintre- tender gemination zu lib wird in hehhan = got hafjan. Das entscheidendste aber ist wider das lautverhältnis in den jtlngern Sprachperioden. Im neuangelsächsischen, alt- und mittelengli- ßchen wird allmählich das f im inlaut vom v gänzlich ver- drängt, was gewis mit der massenhaften einführung romanischer Wörter zusammenhängt, wodurch v ein geläufiger buchstabe wurde; im neuengl. steht es tiberall, wo ursptlnglich / inlautend war, mit dem laute der labiodentalen spirans. Dagegen wo f im ags. auslautend war, da steht abweichend vom nordischen im neuengl. tonloses f, scheinbar nun auch im inlaut in Wörtern wie Ufe, rvife, in denen aber das stumme e nur angehängt ist zum zeichen, dass i diphthongisch zu sprechen ist Diese ab- weichung wird, da nichts dagegen spricht, ebenfalls alt sein. Für das angelsächsische ist daher die regel so zu fassen; ger- manisches f wird im inlaut erweicht und fällt dadurch mit der tönenden spirans = got h zusammen, während umgekehrt im auslaut letztere den stimmton verliert und so gleichfalls mit dem alten f zusammenfallt

Im altsächsischen sind gleichfalls got b und /* in- und auslautend zusammengefallen. Im Heliand steht; im auslaut fftr beide in der regel f, daneben b und h, inlautend f natürlich immer vor tonlosen consonanten, in der regel auch vor n und l, sonst aber ist das eigentlich regelmässige b, daneben findet sich h, namentlich im Monacensis, und v (u), sehr selten /, ver- einzelt uu in hiouuandl = ahd. Mufanti 5516 Cott; in der ge- mination steht ausnahmslos hh, welches dann im auslaut ver- einfacht wird. Verschieden entwickelt sind nur gerade wie im ags. die gotischen lautverbindungen mh und mf. Ersteres ist

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162 PAUL

auch im alts. consequent mb, in letzterem schwindet der nasal und das / wird dann auch im inlaut zu ft. In den übrigen alt- sächsischen denkmälern findet sich kein b, sondern statt dessen durchgängig v, ebenso im altfriesischen und im altniederfrän- kischen, auch im altmittelfränkischen, welches durch das Trierer capitulare vertreten wird,*) während die ältesten denkmäler des stld- und ostfränkischen wie das oberdeutsche & und /streng scheiden. Es ist nicht denkbar, dass die verschiedenen zeichen im HeL wirklich verschiedene laute bedeuten; denn sie wech- seln ganz beliebig mit einander. Wir können vielmehr darin nur verschiedene versuche zur bezeichnung desselben lautes se- hen und müssen für den inlaut sowol als für den auslaut je eine gleichmässige ausspräche annehmen, die sich auch mit ziemlicher Sicherheit wird feststellen lassen. Dass f und v nur eine spirans bezeichnen können, ist klar, und zwar wird man von letzterem, solange nichts anderes dagegen spricht, anneh- men, dass die tönende damit widergegeben werden soll, wiewol es allerdings später auch für die tonlose verwendet wird. An- derseits weisen ebenso sicher b und b auf einen tönenden laut hin. b ist jedenfalls vollkommen analog dem Ö zu beurteilen; die bestimmung des lautwertes des einen nrnss massgebend fftr den des andern sein. Die spätere betrachtung des Ö wird un- sere auffassung des b als tönende spirans nur stützen. Die erfindung dieses Zeichens wurde wol dadurch veranlasst, dass V im lateinischen labiodentale spirans ist und deshalb das zei- chen für den deutschen ursprünglich sicher rein labialen laut nicht genügend erschien. Wenn dafür auch b geschrieben wird, so könnte man darin vielleicht mit Holtzmann hochdeutschen einfluss sehen, wahrscheinlich aber ist es nur nachlässige Schrei- bung wie d für b. In keinem falle aber haben wir darin einen älteren lautstand zu erkennen; denn es steht ebenso gut für got. /, als für b. Dass im auslaut f bei weitem überwiegt, zeigt uns, dass hier Verhärtung der weichen spirans eingetreten ist. Wenn daneben b und b sich findet, so haben wir diess wol

*) Auch in dem in das nördliche Thüringen oder Hessen gehörigen gedichte de Heinrico findet sich v und f = got. b ; für die entsprechung des got. /"findet sich kein beispiel ausser ovar, in welchem worte auch ahd. erweichung eingetreten ist.

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ZUR LAÜTVERSCfflEBÜNG. 163

nicht anders aufzufassen, als wenn« im gotischen b und d im auslaat bleibt. Die Verhärtung verstand sich so von selbst, dass sie durch die schrift nicht angedeutet zu werden brauchte, gerade wie sie im nhd. niemals bezeichnet wird. Demnach hätten wir im altniederdeutschen genau dasselbe Verhältnis wie im ags. ^

Auch in der folgenden zeit bleibt diess unverrtickt dasselbe. Im mittelniederdeutschen und niederländischen wird im inlaut ausser nach m und in der gemination, wo ft, und vor harten consonanten wo / steht, consequent v, im auslaut / geschrieben sowol für got. / als h, und beide arten von / und v reimen un- bedenklich auf einander. In der heutigen ausspräche klingen sie wie neuhochdeutsches w und /, als tönender und tonloser labiodentaler reibelaut. Wenigstens ist mir nicht bekannt, dass labiolabialer laut irgendwo vorkäme. Mit der endsylbeew ver- schmilzt dies w (ich weiss nicht, ob in ganz Niederdeutschland) zu einem sylbenbildenden iw, z. b. ge-m für gervm. Da dieses m auch von den hochdeutsch redenden niederdeutschen gespro- chen wird und diese sich dessen nicht bewust sind, vielmehr nach der schrift hm zu sprechen glauben, so entsteht der irrtum, als spräche man in diesem falle auch plattdeutsch ein h, was man sogar in mundartlichen grammatiken angegeben findet^ z.b. in Nergers grammatik des Meklenburger dialekts S 189. 191. Ueber das holländische v werden die allerverschiedensten angaben gemacht, vgl. darüber Rumpelt, System der sprachlaute s. 60. 61 und Scherer, zeitschr. f. i östr. gymn. XII, 635. Es wird doch wol zwischen an- und inlautendem zu unterscheiden sein, und vielleicht beruhen die Widersprüche in der angäbe der ausspräche auf der ausserachtlassung dieses Unterschiedes. Das mittelfränkische schliesst sich in diesem punkte ganz dem niederdeutschen an. Aber noch viel weiter südlich geht sowol der gebrauch der spirans für got. by als die erweichung des got f im inlaute. Die dinge liegen hier nicht so einfach wie im niederdeutschen, und verschiedene Schwierigkeiten sind in erwägung zu bringen. Es wird sich empfehlen vom lautstande der heutigen spräche auszugehen, wenn man zu einem urteil über die Verhältnisse in der älteren zeit gelangen will. Leider fehlt es so sehr an einer zuverlässigen beschreibung der laute der einzelnen mundarten, dass einstweilen manches unsicher bleiben

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164 PAUL

miiss und ganz sichere grenzbestimmungen sich nicht angeben lassen. Soviel ich darüber ermitteln konnte, wird tönende Spi- rans für got. b im inlaut gesprochen in Sttdfranken, Hessen, Thüringen, Obersachsen, auch noch weit nach Oberdeutschland hinein im Elsass in Schwaben und Baiern. In Schlesien findet sich nach Weinhold (laut- und Wortbildung und di^ formen der schlesischen mundart p. 72.) w nur in der gegend von Mittel- walde, anderswo aber tiberall b. Dagegen behauptet Eückert, (Entwurf einer darstellung der schlesischen mundart im mittel- alter, zeitschr. des Vereins f. gesch. u. altert Schlesiens IX. p. 36), das's allgemein w gesprochen würde, ein recht schlagender beweis dafür, wie unzuverlässig alle angaben über ausspräche sind. Nicht so weit erstreckt sich die erweichung des f. Sie ist durchgeführt in Südfranken, Hessen, Schlesien, nicht in Ober- sachsen abgesehen vom nördlichen teile, ich glaube auch nicht in Thüringen, so dass in Südfranken und Hessen und in Schle- sien , soweit w f\XY b gesprochen wird, got. b und f im inlaut wie im niederdeutschen in einen laut zusammengefallen sind. Es handelt sich nun darum, wie weit dieser lautstand alt ist. Ich habe schon bemerkt, dass im altsüdfränkischen z. b. bei Otfrid b und / noch scharf geschieden sind. Die erweichung des letzteren muss hier erst später eingetreten sein, ist es aber sicher im XII. jahrh. Noch später scheint sie in Schlesien er- folgt zu sein. Denn in den dahin gehörigen denkmälern wird das ganze mittelalter hindurch fast consequent im inlaut / ge- schrieben (vgl. Rückert a. a. o. 34), gerade wie in den ober- sächsischen.

Was das rv betrifft, so ist an und für sich natürlich überall die möglichkeit, dass es erst aus dem verschlusslaut entstanden ist. Und dafür scheint zu sprechen, dass in diesen gegenden überwiegend b, seltener v geschrieben wird, und dass nament- lich Otfried nur b kennt. Anderseits aber steht & da, wo er- weichung des / eingetreten ist, ebenso gut auch für dieses, namentlich in den südfränkischen Urkunden, aber auch in hand- schriften von gedichten, z. b. im Alexander, in Hartmanns Credo, bei Herbort von Fritzlar, in der Elisabeth (vgl. Reissen- berger über Hartmanns rede vom glauben 29), auch bei Nico- laus von Jeroschin (Pfeiflf. LXIV.). Beide arten von b reimen unbedenklich auf einander. Man würde also zu der unwahr-

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 165

schemlichen annähme getrieben, dass die aus /erweichte Spi- rans erst zum verschlusslaut und dann wider zur spirans ge- worden wäre. Weiter tritt das b auch für w ein vgl. Pfeiffer zu Jeroschin LXIV, Rtickert a. a. o. 31, während es heute we- nigstens nur in einzelnen landschaften gesprochen wird. Bei Jeroschin und in Hartmanns Credo reimen b und rv auf ein- ander. Da nun anderseits auch v für b nicht selten ist und auch TV daftlr geschrieben wird, so scheint es mir das wahr- scheinlichste, dass inlautendes b im mitteldeutschen die spirans bedeutet. Diese lautbezeichnung begreift sich, wenn man be- denkt, dass rein labiale spirans gesprochen wurde, welche dem verschlusslaut b eben so nahe steht, als dem labiodentalen lateinischen v, welches noch dazu, wie wir später sehen wer- den, flir die tonlose spirans verwendet zu werden anfing. Und w konnte dafftr erst eintreten, nachdem es sein vokalisches element verloren hatte. Noch heute wird in Mitteldeutschland, wenigstens in Obersachsen, Thüringen, Hessen, Frankfurt nur labiolabiales rv sowol für altes rv, als für got. /* und b ge- sprochen, im anlaut wol meistens mit flüsterstimme.*) In Süddeutschland muss das rv erst vor kurzem labiodental ge- worden sein, da, worauf Scherer aufmerksam gemacht hat, noch im ausgange des vorigen Jahrhunderts der physiologe Kempelen in Wien nur labiolabiales w kennt. Dagegen geht in Norddeutschland, soviel ich weiss, das labiodentale tv durch. Ist dieser unterschied alt, so liegt es nahe zu vermuten, dass die in Mitteldeutschland überwiegende. Schrei- bung mit b gegenüber dem niederdeutschen und mittelfrän- kischen V eben darauf beruht. Allerdings ist ein bedenken gegen das hinaufrückender labiodentalen ausspräche in ein so hohes alter, nämlich der Übergang a on ven in m, welcher doch fast die labiolabiale ausspräche des v vorauszusetzen scheint. Wer nun diese argumentation nicht flir Überzeugend hält und meint, das b überall, wo es geschrieben wird, einen verschluss- laut bezeichne, der muss zugeben, dass b, wo es got. / oder v

*) Ich behalte diesen ausdruck bei, weil er jetzt ziemlich eingeführt ißt, wiewol die natur dieser laute vielleicht noch anders zu bestimmen sein wird. Auch in Niederdeutschland wird das w zum teil mit flüster- stimme gesprochen, gleichviel welchen Ursprunges es sei, wahrscheinlich in denselben gegenden, in denen man auch geflüsterte medien spricht.

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166 PAUL

entspricht, aus einem reibelaut entstanden sein muss, und deshalb auch da, wo es got. b entspricht, sein kann. Wird in Schlesien wirklich b gesprochen, so wird diess eben so gut erst aus der spiraüs geworden sein, wie es sehr häufig aus altem rv entsteht, z. b. in ebich, lobe vgl. Weinhold, sohles. mundart 75. Auch andere mitteldeutsche dialekte kennen die Verwandlung des n; in b, auch im anlaute. Jedenfalls beweist also das vorkommen von b im inlaut = got. b nichts gegen die ursprtlnglichkeit des reibelautes.

Im auslaut wird im mitteldeutschen, abgesehen vom mit^ telfränkischen, wo f die regel ist, entweder b = got b beibe- halten oder p geschrieben. Heutzutage wird p gesprochen. Nur in Schlesien wird, wie Weinhold und ßtickert behaupten, nach langem vokal die media (auch d und g) gesprochen. Nach den unbestimmten angaben von ßückert, a. a. o. s. 334 scheint es aber, als ob das vielmehr die unaspirierte tenuis ist Sicher ist also von alters her verschlusslaut gesprochen worden. Diess scheint in Widerspruch zu stehen mit unserer auffassung des inlautenden *, da wir nach dem allgemeinen gesetze ent- sprechung des in- und auslautes erwarten mtisten. Da aber in den neuern mundarten keine genaue entsprechung stattfin- det, so haben wir ein recht, diess auch für die ältere zeit an- zunehmen. Und dieses misverhältnis lässt sich sehr wol be- greifen. Der labiolabialen tönenden spirans im inlaute sollte die labiolabiale tonlose im auslaute entsprechen. Dieser schwie- rige laut ging im niederdeutschen in den labiodentalen laut über, indem vielleicht der inlaut gleichzeitig dieselbe Wandlung durchmachte, im mitteldeutschen in den ihm eben so nahe stehenden verschlusslaut Diese auffassung wird dadurch be- stätigt, dass auch statt des got / in Stidfranken und Hessen sehr gewöhnlich p resp. b geschrieben wird. Es reimen in Hartmanns Credo brie/': lieb 1980, bei Herbort vrloub: hob 2375, hob: lob 3033 u.a., während anderseits auch brief: lie/l so dass man wol annehmen muss, dass er noch spirans sprach. Noch heute wird in Hessen briep, hop gesprochen. Das berechtigt uns das p auch da, wo es got auslautendem f flir inlautendes b entspricht, als aus der spirans entstanden anzunehmen.

In Oberdeutschland und einem teile von Mitteldeutschland tritt also, wie schon bemerkt, die er weichung des / im allge-

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 167

meinen nicht ein, aber doch in einer beßtimmten anzahl von Wörtern. Diese haben in den ältesten ahd. denkmälern v, und zwar auch schon in solchen, welche im anlaut und auch in- lautend in anderen Wörtern niemals v haben, so dass hier /J V, b deutlich geschieden sind. Dieses v geht dann allmählich in b und sogar im strengalthochdeutschen in p über. Solche Wörter sind z. b. avar avur, später al?ur, heven heben, inse- ven eniseben, hrverfan werben, eiver (amarus) N. eibar eipar, diuva (furtum) diuba, zouver zouber. Hie und da findet sich in ältester zeit auch in diesen Wörtern noch /, so- gar geminiert in heff'an K. 0. Der Übergang in p oder b ist bereits vollzogen, als unsere Überlieferung beginnt, in ubar = got. u/ar, wahrscheinlich weil in diesem die Ciweichung früher eingetreten war, in den übrigen Wörtern beginnt er auch schon wenigstens in der mitte des neunten Jahrhunderts, tritt aber nicht überall gleichmässig ein, sondern v erhält sich daneben auch im mhd. Auch scheinen dialektische abweichungen vor- zukommen in bezug auf die Wörter, in denen die erweichung eintritt.

Eine grosse Verwirrung entsteht nun dadurch, dass bereits im neunten jahrh. auch in allen übrigen Wörtern v für got. f im inlaut sich einzudrängen beginnt, und sich allmählich ausser vor t und ^ so festsetzt, dass daneben /nur noch selten erscheint.*) Es ist eine ziemlich allgemeine annähme, die auch Scherer teilt, dass auch dieses v überall die tönende Spi- rans bezeichnen solle. Indessen wie erklärt man sich dann das nhd. f? Ist es denkbar, wenn im mhd. das v in hove, brieve, iavel etc. allgemein tönend gesprochen wäre, dass dann im nhd. die ursprüngliche tonlosigkeit wider" hergestellt wäre?**) Und was für einen zwingenden grund hat man dem v hier den stimmton zuzuschreiben? Es tritt ja von derselben zeit an

*) Doch in handschriften bedeutend häufiger als in nnsern kritischen ausgaben mittelhochdeutscher texte.

**) Das nhd. f in diesen Wörtern ist keineswegs bloss graphisch zur herstellung der Übereinstimmung mit dem auslaut eingetreten, wie Rumpelt (Das natürliche System der sprachlaute 59) durch seinen schlesischen dialekt verführt meint, und die tonlose ausspräche ist nicht bloss dialek- tisch und individuell, sondern allgemein als mustergültig angenommen«

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auch im anlaut für f ein und wird bis auf den heutigen tag geschrieben. Der unterschied ist nur, dass es im inlaut noch etwas mehr als im anlaut vor dem f tiberwiegt. Man müste also behaupten, dass auch im anlaut das f erst erweicht und dann wider verhärtet wäre. Gibt man die tonlose ausspräche des V aber für den anlaut zu, so kann man es auch flir den inlaut. Die Mher angeführten Wörter sondern sich eben da- durch von den tlbrigen ab, dass in ihnen v schon in denkmä- lem erscheint, die niemals t; für /* im anlaute haben, und dass es mit h und y wechselt und dass das erstere in der neuhoch- deutschen Schriftsprache zur herschaft gelangt ist. Vereinzelt mag die erweichung weiter gegangen sein und ist es in neuern oberdeutschen mundarten entscliieden. Aber allgemein ist sie niemals geworden. Man darf sich nicht darauf berufen, dass die Unterscheidung zwischen altem / und dem erst durch die hochdeutsche lautverschiebung entstandenen darauf beruhen müsse, dass ersteres tönend geworden, letzteres tonlos geblieben sei. Es sind vielmehr andere unterschiede vorhanden. Das neue / ist geminiert, da es durch assimilation aus pf entstanden ist, ursprünglich auch nach langen vokalen, nach welchen sich die gemination nur nach einem allgemeinen gesetze allmählich vereinfachte.*) Wahrscheinlich aber bestand noch eine andere Verschiedenheit, die auch zur Unterscheidung der einfachen laute genügte. Das alte / wurde wol früher labiodental als das neue eben aus pf entstandene und zum teil wie m scharf, ^^// u.a.m. noch vor unsem äugen entstehende. Uebrigens findet keines- wegs eine ganz reinliche sonderung statt. Es findet sich rfür neues f (Weinh. bair. gr. 132.) und ph fttr altes (ib. 129). In dürfen wird, so viel ich weiss niemals v geschrieben und es reimt durfm: würfen Martina 144, 79. Es scheint also das alte / in diesem werte mit dem neuen zusammengefallen zu sein.**) Die anwendung des v für den tonlosen Spiranten er-

*) Vgl. d. beitr. p. 48 ff.

**) Ganz analog ist das Verhältnis zwischen s und z, soweit das letztere einen einfachen Spiranten, nicht t -{- s bezeichnet. Scherer (zur geschichte 101 ff., zeitschr. f. d. östr. gymn. 1870. 756. f.) hat behauptet, dass s im ahd. und älteren mhd. tönend sei und dass es sich dadurch yon dem z unterscheide, welches die entsprechende tonlose spirans bedeute. Piese annähme steht im entschiedensten Widerspruch mit der heutigen

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 169

klärt sieh daraus, dass es in Deutschland üblich war dasselbe auch im lateinischen so zu sprechen, eine gewohnheit, die zum teil bis auf den heutigen tag fortdauert Nur aus dieser aus- spräche begreift es sich, dass in den aus dem lateinischen (später auch in den aus dem französischen) entlehnten Wörtern mit V oder nach romanischer weise spirantisch ausgesprochenem b (z. b. tmfal, evangelio) die tonlose spirans eintritt, / oder v ge- schrieben, während das deutsche doch gar keine neigung zur Verhärtung der inlautenden Spiranten, sondern im gegenteü

ausspräche. In Oberdentschland (ich weiss nicht ob allgemein) wird noch heute an jeder stelle des wertes scharfes s gesprochen wie sicher im indogermanischen. In der gemination ist, so viel ich weiss, in keiner germanischen mundart erweichnng eingetreten. Ist man hier wunderbarer weise wider zur ursprünglichen härte zurückgekehrt? Dasselbe müste auch im auslaut geschehen sein, wo ja auch s und z in älterer zeit streng geschieden werden. Hier ist überhaupt die erweichung vollends undenk- bar. Nirgends in Deutschland werden, glaube ich, und wurden schon von alter zeit her tönende verschluss - oder reibelaute im auslaut gespro- chen. Vielmehr geht an dieser stelle immer der stimmton, auch wenn er ursprünglich vorhanden war, verloren. Ein sonstiger grund für die an- nähme von tönendem s liegt nicht vor. Wir müssen nach einem andern unterschiede von s und z suchen. Gegen Bumpelts annähme, dass die ausspräche von z nhd. sz nicht viel verschieden von ts gewesen sei, spricht die analogie von f und ch (hh), wonach wir auch in der dental- reihe hinter vokalen reine spirans erwarten müssen. Der unterschied von s und z kann daher nur auf der Verschiedenheit der artikulations- Btelle beruhen, und darüber lässt sich, glaube ich, eine ziemlich wahr- scheinliche Vermutung aufstellen. Es ist bekannt, dass im judendeutsch auch sonst in manchen mundarten und vielfach in individueller ausspräche der doppellaut z zu einem gelispelten s wird. Dasselbe ist nach Brückes System als dentales s zu bezeichnen; doch wird bei bildung desselben die Zungenspitze nicht so weit vorgeschoben, als bei der des englischen thy sondern kommt höchstens bis an den rand der obem zahnreihe. Die- ser laut, welcher physiologisch dem ts zunächst liegt, und den wir noch heute daraus entstehen sehen, muste fast notwendig die Übergangsstufe zu dem heute gesprochenen alveolaren oder dorsalen s sein. Mit dem ik des ältesten ahd. brauchte derselbe nicht zusammenzufallen. Denn erst- lich konnte die artikulationssteile noch etwas verschieden sein, ferner war z stets, th nie geminiert, endlich ist th schon in den ältesten quellen als tönender laut zu fassen und im Übergang zum verschlusslaut begrif- fen. Das zusammenfallen des s und z tritt dann um die mitte des drei- zehnten Jahrhunderts ein , indem letzteres in die artikulationsstelle dea ersteren übertritt

Beitritte snr getchicbte der deutschen spräche. I. 12

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ÄUt erweiohung hatte. Die veranlassung zu dieser ausspräche war wol, das» die deutschen ohren und zungen an tönende la- biodentale »piran« nicht gewöhnt waren. Denn rv war rein labial und halbvokalisch und unterschied sich ganz scharf von lateinischem v. Das aus f erweichte v war zwar rein conso- nantisch, aber gewis labiolabial^ da es bald in h überging. Dagegen war f wöl schon, wie frtther erwähnt, labiodental und konnte als der dem lateinischen v zunächstliegende laut ange- Mhen werden und für dasselbe eintreten. Möglicherweise ist auch die tradition der irischen mönche, welche ihrer mutter- sprache gemäss das lateinische t;^ verhärteten, von einfluss ge- wesen. Wir werden also daran festhalten, dass die erweichung des / im inlaute, welche im altnordischen, angelsächsischen, nie- derdeutschen und einem teile des mitteldeutschen durchgedrun- gen ist, in Oberdeutschland und einem teile von Mitteldeutsch- land nur einzelne Wörter ergriffen hat, während die anderen davon verschont geblieben sind.

Wir kommen jetat zu der wichtigen frage: kann der hoch- deutsche versohlusslaut im inlaut ft, wie die herschende ansieht darüber ist, im vergleich zu der von uns in den übrigen dia- lekten nachgewiesenen spirans als altertümlich betrachtet werden, oder ist er aus dieser hervorgegangen? Die Übereinstimmung «ämmtlioher übrigen mundarten, von denen noch dazu allgemein anerkannt ist, dass sie sonst in bezug auf die consonanten einen älteren lautstand repräsentieren, spricht auf das stärkste für die letztere annähme. Sie würde ein unumstösslicher beweis sein, wenn man an der theorie vom Stammbaume festhält, also anlximmt, dass n^h der trennung des nord- und südgermaniBchen i^eide, «ich selbständig entwickelt hätten und nicht teile des einen in gemelnschaft mit dem andern lautveränderungen hätten durchmachen können. Ich bin von der unhaltbarkeit dieser äidorie überzeugt und halte es an und fUr sich wol für mjög* lioh, dasfieiae zusammenhängende lautbewegung & in den übri- gen dialekten wir Spirans wandehi konnte ohne das hochdeut- sche zu berühren. Aber die grössere Wahrscheinlichkeit ist natüriich für die entgegengesetzte ansieht, so lange nichts an- deres dagegen spricht Entscheidender ist folgendes. Wir haben gKds^en, dass im gol ein teil der inlautenden h durch erwei- chung aus f entstanden ist. Dieselben Wörter zeigen nun auch

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ZUR LAüTVERSCHIEBUNa. 171

im ahd. von anfang an b oder/?, woraus hervorgeht, dasß diese erweichung nicht bloss gotisch, sondern überhaupt germa- nisch war. Abweichend vom ahd. sind im got. erweicht nur paurban, amlibim, ivalib, hoairban (in letzterem ist im ahd. die erweichung später eingetreten), abweichend vom got. im ahd. vbar; ebar xmAiniswebm (sopire) fehlen im got. Diese erweich- ten laute waren also im ahd. wie im gotischen sicher einmal Spiranten. Wir müssen also dieser wegen annehmen, dassvor der zeit, aus der uns die ältesten denkmäler erhalten sind, eine allgemeine Verschiebung von tönender labialer spirans in tönenden verschlusslaut, der dann zum teil weiter zu tonlosen verschoben ist, stattgefunden hat. Wir können diese Verschie- bung wenigstens an einem werte aus dem hochdeutschen selbst erweisen, nämlich in dem volksnamen Stievi, Swäöe, Swäpe, Leider ist die etymologie des wertes dunkel, so dass wir nicht wissen können, ob das v indogermanischem bh oder p entspricht Es scheint aber fast bedenklich die erweichung des f in eine so frühe zeit hinaufzurücken. Jedenfalls so viel ist klar; der* selbe akt, welcher die aus / erweichte spirans verschob, konnte auch den indogermanischem bh entsprechenden laut verschieben, wenn derselbe wie in den übrigen dialekten tönende spirans war. Diese lautbeweguug dauert nun noch fort in der periode, deren geschieht© wir beobachten können. Nachdem von neuem eine anzahl f erweicht waren, machten auch sie, wie wir sahen, die entwickelung zu tönendem und tonlosem verschlusslaut iurch. Endlich nachdem das w seine vokalische natur verloren hatte, ward auch diess zum teil zu b. In bairischen hand- sehriften wird im 14. und 15. Jahrhundert unendlich häufig b fftr rv geschrieben, viel seltener im alemanischen. Ich kann mich aber nicht entschliessen zu glauben, dass damit wirklich der Übergang in den explosivlaut bezeichnet werden soll, da sich in der heutigen mundart nur wenige spuren davon finden. Wahrscheinlicher scheint es mir, dass diese Schreibung nur den Verlust des vokalischen dementes andeutet, und dass b als rein labiale spirans zu fassen ist wie im mitteldeutschen. Lautlich mit b zuisammengefallen muss allerdings diess rv im inlaute sein; dass beweisen die von Weinhold bair. gr. 125 angeführten reime. Aber ich möchte eher glauben, dass b im inlaut zur spirans geworden war, wie es in den neuem bairischen mund-

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arten vielfach der fall ist^ oder vielleicht, dass auch hier die Spirans von alters her bewahrt ist, worüber ich noch keine ent- schiedene meinung zu äussern wage. Diese erscheinung möchte ich also nicht zur stütze meiner ansieht gebrauchen. Sicher aber wird tv nach r und /, nach denen es ebenso wie j schon früh seine vokalische natur verloren zu haben scheint, zu b, und diess hat sich auch in der nhd. Schriftsprache festgesetzt. Vereinzelt kommt b ßlv w auch sonst in neuem mundarten vor (vgl alem. gr. 155. bair. gr. 124. 125), allgemein auch im anlaute ist es bei den Vicentiner und Veroneser Deutschen. Ich denke, das wird genügen, um jedes bedenken, das etwa jemand wegen des Übergangs der spirans in den verschlusslaut haben könnte, zu beseitigen. Vielleicht lässt sich auch die in den übrigen dialekten bestehende Verschiedenheit zwischen an- und inlaut noch im hochdeutschen nachweisen. Im ahd. wird im inlaut viel seltener p geschrieben als im anlaut. Es gibt quellen, die es im anlaut häufig und im inlaut gar nicht haben. Im mhd. wird es ausser vor s und t im inlaut fast gar nicht mehr geschrieben. Es ist indessen schwierig daraus einen ganz be- stimmten schluss zu ziehen, da im allgemeinen zwischen an- und inlaut in ältester zeit nur ein gradueller unterschied be- steht, und da das schwanken der Schreibung verschiedener deu- tung unterliegt Scherer glaubt, dass dadurch die geflüsterte media angedeutet würde. Ich habe (Gab es eine mhd. Schrift- sprache 24 ff.) auszuftlhren versucht, dass auch b im anlaut cÜe bedeutung einer tenuis hat Ihr dieselbe danach auch durch- weg ftir den inlaut zuzuweisen würde an und ftlr sich nicht vollkommen ungerechtfertigt erscheinen. Doch scheinen die neuem mundarten dagegen zu sprechen, deren laute wir frei- lich noch viel zu ungenügend kennen. Erst eine genaue pho- netische beschreibung der oberdeutschen mundarten mit sorg- fältiger grenzbestimmung wird es uns vielleicht möglich machen den Wirrwarr der alt- und mittelhochdeutschen Schreibung auf- zulösen und auch über diesen punkt sicherer zu urteilen. Nach Weinhold steht p in den heutigen mundarten nur in einigen Wörtern, im bairischen, was sehr zu beachten ist, namentlich auch nach »i, wo es auch mhd. geschrieben wird, während sonst im bairischen und elsässischen sogar spirans gesprochen wird. Daraus wird es doch sehr wahrscheinlich, dass wirklich ein

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ZUR LAüTVEESCHIEBÜNG. 173

phonetischer unterschied zwischen an- und inlaut im ahd. be- stand, welcher auf dem schon vor der Verschiebung vorhandenen beruhte. Die media wurde zur tenuis, die spirans zur media verschoben. Wenn auch in den inlaut p eindrang, so wider- spricht das, wie man auch darüber urteilen mag, unserer auf- fassung nicht; denn auch fllr das aus f erweichte v tritt p ein.

In der gutturalen reihe, zu der wir uns nunmehr wen- den, sind die gotischem g entsprechenden laute mit wenigen ausnahmen nicht im an- und inlaut durch die schrift unter- schieden,. wie diess bei den labialen im nordischen, angelsäch- sischen und niederdeutschen der fall war, vielmehr ist fast überall ein und dasselbe zeichen g in gebrauch. Aber schon die ana- logie macht es wahrscheinlich, dass auch hier unterschiede in der ausspräche bestanden haben werden, welche so weit als möglich festzustellen unsere aufgäbe ist Wir werden, wenn wir im ausgedehnten masse die spirantische ausspräche im inlaut vertreten finden, ein recht haben, diese unmittelbar an die von uns als wahrscheinlich ermittelte ausspräche des goti- schen anzuknüpfen. Finden wir daneben den verschlusslaut, so lässt sich zum mindesten die möglichkeit, ja sogar die Wahr- scheinlichkeit, dass derselbe erst aus dem reibelaut entwickelt ist, in derselben weise dartun wie beim h. Unser hauptargu- ment fftr das gotische war, dass g vielfach erst aus h erweicht ist. Diese erweichung hat aber im allgemeinen gleichmässig auch in den übrigen dialekten stattgefunden. Allein im got ist das h erweicht nur in tagr. Dagegen ist sonst in den übri- gen dialekten die erweichung weiter gegangen, z. b. in hahan prähan, fahan, juhiza, ahana, /raihnan, ganohs, pahan, vrohs, die überall ausser im got. g zeigen. Bei andern erweichungen finden sich dialektische abweichungen. Im allgemeinen übereinstim- mend ist noch der sogenannte grammatische Wechsel, der bei den verben der VIL, VIII. und IX. classe stattfindet (z. b. ahd. zmhu, zugumes) und den ableitungen aus denselben. Nur geht darin das nordische manchmal weiter z.b. in fleygfa == mhd. vloeherij ebenso teygja, tiugari, leiga^ Idgja. Nur im nordischen erweicht ist elgr. == ahd. elaho, ags. eich. Speciell faeröisch sind faß (capio), ivafi (lavo). Nebeneinander stehen ags. alt- niederd. (psalmen) alth. svelgan nhA schwelgen, und ahd. swelhan,

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174 PAUL

Bihd. swelhen. Manche erweichungan finden sieh nur im agB. nd. und zum teil im md.; eo ags. heagan aoc. von heah, mnd. und md. hoffen, mnl. hoghen; ags. hegan (exaltare), mnd. und md. irhogen; ags. scegon (viderunt), and. (psalmen) gesdgon, mnd. und md. sägen, mnl. saghen, mnd. und md. geschägen] alts. nigen\ altß. (Freckenh.) tegotho (decimus), friee. tegoiha, ags. preotegeoöa, seofonteogoba (Benson), noch heute nd. tegede; md. negln, genegin = mhd. nmhenen vgl. Rückert a, a. o. 57, noch jetzt im nd. noeger compar, Speciell ags. sind/%an (varium), ßgian (variare), fulgon praet von felfian (aber auch got. fvlgins, an. fi(ügr\ sveger (doch daneben sveor und anderseits in den dazu gehörigen Wörtern auch im hochdeutschen g). Dass die Verwandlung des ä in ^ nicht noch allgemeiner wurde, ebenso wie die des / in t; oder T)y lag jedenfalls daran, dass es sich zum blossen hauche ver- flüchtigte, und daher nur einfach ausfallen konnte. Jedenfalls müssen alle so entstandenen g einmal reibelaute gewesen sein. Finden wir diese zu verschlusslauten verschoben, so steht nichts im wege, dase durch dieselbe lautbewegung auch die übrigen erst aus Spiranten zu verschlusslauten geworden sind.

Es wird uns nun, denke ich, auch gelingen nachzuweisen dass die spirantische ausspräche des g im inlaut bei den ver- schiedenen germanischen stammen entschieden überwiegt und bis in die älteste zeit zurückreicht. Dass der buehstabe g zur bezeichnung derselben gebraucht wurde, darf uns deshalb nicht wunder nehmen, weil im lateinischen aiphabet kein anderes verwendbares zeichen vorhanden war. e wurde zur bezeichnung des vokales und der halbvokalischen palatalen spirans gebraucht welche in ältester zeit wol viel mehr als vokal wie als con- sonant empfunden wurde (vgl. oben s. 158 anm») Dem gutturalen Spiranten lag denn doch wol der homorgane verschlusslaut näher. Auch wurde ja das^ bereits im romanischen vor hellen vokalen als spirans ausgesprochen. Nichtsdestoweniger wech- selt vielfach g mit/. Seltener ist der fall, dassy fftr g ge- braucht wird, sehr häufig aber im hoch- und niederdeutschen und im ags. das umgekehrte, so dass es keines beleges bedarf was vielleicht als ein zeugnis daflir anzusehen ist , dass das j sein vokalisches element zu verlieren beginnt*) Dieser Wechsel

*) In der häufigen Schreibung ig erscheinen beide demente deutlich gesondert, gerade wie in der Schreibung uu, üb. Doch wird auch in der

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ZUR LAüTVBBSCHIEBUNG. 17B

s^igt, dass da& g wenigstenf^ an bestimmten stellen ^ne dem j nicht zu fern liegende außspraehe gehabt haben musa.

Aus dem altnordischen laawn sich mehrere momente anfahren y die dafür sprechen, dass ^ im in- und audant wpi* rant war. Ueberall, wo es ursprünglich im auslaute stand, ist es geschwunden mit Verlängerung des voraufgehenden vokai», wenn er kurz war. Es ist also ganz analog behandelt wie *, wozu ee wahrscheinlich vorher nach Verlust de» stimmtones ge* worden war. Die ausnahmen von dieser regel im iaip. und im nom. der neutra erklären sich vielleicht daraus, daes dM vokalische auslaul^esetz hier später in kraft getreten ist ai« in den übrigen germanischen sprachen, wofür ja anch die ält©'^ sten runeninschriften und die gestult der aus dem nordifohen entlehnten Wörter im finnischen sprechen. In der Verbindung gj nach langem vokal fällt g öfter aus z. b. in %?ö ftir t€ygja^ and daher wird dann umgekehrt oft gj statt des richtigen j geschrieben vgl Holtzm. 108. Wir haben darin offenbar einen beweis fftr die bereits eingetretene palataüsierung zu seh^jif Die gutturale spirans ist durch das folgende j in die palatale verwandelt In süa und dash ist das g zwischen den yokalen ausgeMlen gerade wie sonst h. Zu beachten ist aueh die in dem Gutalagh und auch sonst vorkommende Schreibung gh. Die ausspräche des neuisländischen und dänischen spricht über- einstimmend für versohlusslaut im anlaut und reibelaut im in- und auslaut. Im isländischen wird anlautend vor harten voka- len g, vor weichen 0 gesprochen, in- und auslautend vQr h9,rten gutturaler reibelaut, vor weichen p^lataler '^ j\ Im dänischen ist g im anlaut immer verschlusslaut. Im in- und auslaut ist es entweder gutturaler oder palataler reibelaut, oder wird zu i vokalisiert, oder verklingt ganz, oder endlich wird zu v, wel* ches dann wider teilweise zu u vokalisiert wird. Dem lefert* genannten übergange werden wir auch in andern dialekten, namentlich im englischen begegnen, eben so Yde dem umgiekehr^ ten von t; in g. Wir sind gewis überall berechtigt diesen Wechsel als ein zeugnis für die ausspräche des g als #piranf

aussprach« eine solche zerteilung stattgefanden haben, gerade wie man in heutigen mundarten deutlieh nazijon » frz. nation <oder spijon »* Spion h&rt.

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176 PAUL

anzusehen. Er vergleicht sich zunächst mit dem Wechsel von j und w. Ueberhaupt sind die Spiranten, tönende wie tonlose, vielmehr dem Wechsel unter einander ausgesetzt als die ver- schlusslaute. Aus der dänischen ausspräche lässt sich aller- dings kein sicherer schluss auf die älteste zeit machen, da auch das aus k erweichte g zur spirans wird. Wir müssen uns also namentlich auf die neuisländische ausspräche und die aus dem an. selbst beigebrachten anzeichen stützen und können nur con- statieren, dass das dänische dazu stimmt Doch lässt sich we- nigstens eine spur von dem übergange des ^ in t; schon in alter zeit nachweisen in dem von Grimm aus Saxo citier- ten Svipdavtis* In bestimmten fällen steht der explosivlaut. Wenn im neuisländischen g vor n, l, b, g mit verschluss gespro- chen wird, so ist diess vollkommen analog der ausspräche des /vor denselben consonanten als & und erweist sich dadurch als eine jüngere Veränderung. Dazu kommt, dass auch hier^^ geschrieben wird, und dass in der skaldenpoesie dieses ^ auf ^ zwischen vokalen reimt (vgl Gislason oldnordisk formlaBre§8i). Ebenso ist die heutige ausspräche nach consonanten erst jung. Auch hier wird in älterer m\\,gh geschrieben (vgl. ebendas.) und im dänischen spirant gesprochen, wenn das g nicht ganz ver- stummt Sicher ist g schon im an. wie in den neuern sprachen verschlusslaut nach n und in der gemination. Für den ersten fall folgt diess daraus, dass ng im auslaut wie nk kk über- geht Für geminiertes g findet sich kk geschrieben (HoltznL 106). Wenn in der dänischen ausspräche g vor s und t txl k wird, so ist anzunehmen, dass diess aus dem zunächst tonlos gewordenen Spiranten entstanden ist, da auch altes h vor den selben consonanten zu k wird, vor i nur in Wörtern die aus dem deutschen entlehnt sind, da es in echt altnordischen ge- schwunden war, z. b. mögt, sprich makt. Spuren dieses Über- ganges finden sich schon im an., indem zuweilen ks fftr gs ge- schrieben wird. Das neutrum -likt von den adjectiven auf ligr kommt nicht in betracht, da bei diesen g erst aus k erweicht ist Der Übergang von h vor s\nk ist wol überhaupt in sämmt- lichen neuern germanischen dialekten eingetreten. Ihm ver- gleicht sich auch das im an. zuweilen vorkommende /?* für fs (Holtzm. 116). Auch fllr den von ht in ki werden wir in deut- schen mundarten analogien finden. Und vielleicht ist auch das

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 177

an pt für fl, welches auch in gotischen eigennamen und in den merseburger sprächen vorkommt so aufzufassen, dass wirklich p erst aus f entstanden ist. Ein anderer fall, in dem ^ zu i wird, ist hinter t und s. Zum teil ist dabei g der anlaut des zweiten teiles eines compositums; aber es wird auch z.b. ämatki aus ämättigi. Wir werden auch hier keinen anstoss daran neh- men, dass das k aus einem Spiranten entstanden ist. Wir werden demselben übergange bei dem p wider begegnen. So entsteht auch hüspreufa aus Msfreyja, Inlautender verschluss- laut steht im altn. auch vory, wo gg geschrieben wird, wel- ches aber hier wie Holtzmann 108 ausgeführt hat, nicht gemi- nation bezeichnen kann. Dass gg zur bezeichnung des ver- chlusslautes angewendet wird, beweist einerseits, dass derselbe in der gemination gesprochen wurde, anderseits, dass diess sonst nicht der fall war und daher zur Unterscheidung von der gewöhnlichen ausspräche in ermangelung eines besseren die Verdoppelung zu hülfe genommen werden muste. Wenn so das nordische, neuisländische und dänische für die ursprüng- lichkeit der Spirans im inlaut spricht, so haben wir wol ein recht den verschlusslaut im schwedischen für unursprünglich zu halten, welcher hier nach den angaben der grammatiken überall steht ausser noch r und /, wo j gesprochen wird.

Für das ags. lässt sich die spirantische natur des inlau- tenden g noch mit grösserer Sicherheit dartun. Schon dass hier die Verwendung des g fftr / besonders häufig ist, weist da- rauf hin, dass es wenigstens zum teil nicht bedeutend verschie- den davon geklungen haben kann. Im neuags. und altengl. wird es im inlaut ganz verdrängt von dem neuerfundenen zei- chen ^ (gh). Da dieses sonst auch für altes j und für h im auslaut und vor t gebraucht wird, so kann man daraus den schluss ziehen, dass es eine spirans, und zwar gutturale' wie palatale, tönende wie tonlose bezeichnet. Ueberblicken wir nun die Wandlungen des in- und auslautenden g im ags. und engl. Im auslaut geht g im ags. und auch im neuags. nach langem vokal und nach consonanten gewöhnlich, seltener nach kurzem vokal in h über (Holtzm. 210. Koch § 177), wofttr vom neuags. an wie sonst für auslautendes h auch gh eintritt. Da wir darin jedenfalls wider den bekannten vertust des stimmtones zu se- hen haben, so muss auch im inlaut spirans bestanden haben.

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178 PAUL

Dieselbe Verwandlung tritt ein vor s und Ö bei syncope des vokals z. b. byhst, byht^ aus bügan. In schwachen verben wird g verwechselt mit dem / des Suffixes. Es tritt daher einerseits für dieses ein z. b. in freogan (amare Holtzm. 212), anderseits geht, wenn die wur^el ursprünglich g hat, nicht bloss das y, sondern auch das damit verschmolzene g verloren z. b. eavan yvan aus augjan (Holtzm. 210). Häufig ist der Wechsel zwischen ^ unde;, der ebenso zu beurteilen ist wie im dänischen. Auf der einen Seite entsteht im ags. häufig g aus v (Holtzm. 211) z. b. grceg, engl, gray. Auf der anderen geht im neuags. nicht selten g in w über, welches dann später vokalisiert wird (Koch § 178). Ganz analog tritt im auslaute statt des gh in der ausspräche ein /"ein. Die gewöhnlichste Verwandlung des g ist, dass es zu i vokalisiert wird. Die erste stufe dazu findet sich wol an- gedeutet in der in den northumbrischen evangelien vorkommen- den Schreibung weig für weg u. a. m., bei La^amon rveige, fcei^er etc. Das vorgesetzte i bezeichent wol den Übergang in die pa- latale, auch wol schon halbvokalische spirans, gerade wie im altn. die Schreibung seigja, von wo aus dann der Übergang in den blossen vokal leicht ist. Es findet sich auch in den evan- gelien und ist bei La^amon das gewöhnliche, bei dem man statt altem age oder ag findet ai, m, ei, e. Merkwürdiger weise findet sich gerade die letzte Schreibung, nach der das g einfach ver- loren zu sein scheint, häufig schon im altags. (Holtzm. 209). ig und ig werden natürlich zu i zusammengezogen z. b. stiräpy älmihti. Verschlusslaut wurde im ags. gesprochen wie im altn. nach 71 und in der gemination. Niemals geht nach dem wdas g auslautend in h über. Im neuengl. bleibt der verschlusslaut oder es tritt' in der ausspräche dsch ein, welches in deutschen Worten immer aus einem verschlusslaute hervorgeht. Für die gemination ist schon die Schreibung cg beweisend, welche zu^ gleich ein zeugnis für das bedürfnis nach Scheidung von dem gewöhnlichen g ist. Im neuengl. bleibt wider entweder g oder wird dg (dsch). Nur in den verben Ucgan, lecgan, secgan, bycgan tritt vokalisation ein, aber später als bei dem einfachen ^;noch im mittelengl. ist sie nicht allgemein durchgedrungen. Daher ist sie auch nicht mit der des einfachen lautes auf eine stufe zu stellen. Bei den drei ersten verben kann übrigens die analogie des praeteritums mitgewirkt haben. Der ursprüngliche unter-

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 179

Bcbied der auÄsprache des einfachen und des verdoppelten g igt also klar. Ebenso wird auch in den romanischen Wörtern das g nicht vokalisiert oder ausgestossen, sondern es bleibt vor consonanten und harten vokalen als g z. b. legal, tigre, vor wei- chen vokalen als dsch, wie es schon im franz. gesprochen wurde. Wenn Koch § 179 ausfall des romanischen g im engl, behauptet so verlegt er lanttibergänge in diese spräche, welche die ange- fiilirten Wörter schon vor ihrer aufnähme in dieselbe durchge- macht haben. Wir sehen also auch hieraus, dass nicht der yerschlusslaut von der vokalisation betroffen wird. In einigen wenigen Wörtern hat sich im neuengl. einfaches g im auslaut nach vokalen erhalten und wird mit verschluss gesprochen: Whig (daneben whey), trvig, egg, drag, hag, crag, heg, nag (Koch § 178). Wir werden keinen anstand nehmen in diesen verein- zelten fällen die entstehung des g aus der spirans flir wahr- scheinlich zu halten, zumal da das g von ags. twig und äg erst aus j hervorgegangen ist. Uebergänge der auslautenden Spi- rans in den verschlusslaut lassen sich auch sonst im neuengl. nachweisen. Aus ags. eolh wird elc] gh, welches aus ags. h hervorgegangen ist und im altengl. sicher die harte gutturale Spirans bezeichente, wird k gesprochen in lough (see), shough (pudel) und hough (kniekehle); in letzterem werte schwankt die ausspräche, indem daneben mit dem bekannten Wechsel des Organs f gesprochen wird. In hiccough (schucken) hat dieser Wechsel durchaus stattgefunden und ist dann das f meistens in der ausspräche in p übergegangen, so dass nun auch dane- ben hiccup geschrieben wird. Alles diess sind vollkommen un- anfechtbare lautübergänge , nach deren analogie wir auch die auslautenden g zu beurteilen berechtigt sind.

Auch im anlaut muss g im ags. zum teil als spirant ge- sprochen sein. Dafür spricht schon die gerade hier häufige Yerwendung des Zeichens g flir j vor hellen vokalen, welche in manchen Wörtern ausnahmslos statt hat. Vor harten wird ge flir y geschrieben. Das e dient also dazu anzudeuten, dass g als Spirans zu sprechen ist. Wir werden ihm daher dieselbe bedeutung zuschreiben, wenn es vor a hinter altem g geschrieben wird auch in fällen, wo nach den sonstigen lautgesetzen kein ea eintritt z. b. geat, geäton. Auch dient ja vollkommen analog die Schreibung sce zur bezeichnung des reibelautes. Im neuags.

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180 PAUL

werden viele worter im anlaut mit g geschrieben. Die partikel ge vokalisiert sich sogar zu i, welches im neuengl. mit wenigen ausnahmen ganz abfallt. Aber im neuengl haben nur ein paar Wörter y, alle übrigen mit verschluss gebildetes g. Diese tat- sachen nötigen uns anzunehmen , dass diess g mindestens zum teil erst aus dem reibelaut entstanden ist, den wir, soweit un- sere quellen zurückreichen, als das älteste ansetzen müssen«

Im niederdeutschen und einem teile des mitteldeutschen wird heute ausser nach n im inlaut tönender, im auslaut ton- loser Spirant gesprochen. Für das alter dieser ausspräche lassen sich schon aus den ältesten quellen beweise beibringen. Im Heliand findet sich auslautend öfter h geschrieben wie im ags. (Holtzm. 150), woneben das einmalige ödoc im Mon. nicht sehr in betracht kommen kann. In der Essener rolle findet sich ahtodoch, vi/tech. Sonst bleibt allerdings g in den ältesten denkmalen, wol aus demselben gründe wie im gotischen. Umge- kehrt findet sich g für auslautendes ä imHcL in nah wie häufig in späteren nieder- und mitteldeutschen quellen, nur erklärlich dadurch, dass g als spirans, und zwar im auslaut als tonlose Spirans gesprochen wurde. Femer fällt g in dem suiBx ig im Cott öfter ab wie das h und tritt umgekehrt an auslautendes I an wie gtbithig. Schreibungen wie tom statt togiu im Mon. und hol statt hogi in gl Arg. sind gewis eben so aufzufassen wie die von uns besprochenen analogen fälle im an. und ags. {teyja für teygja etc.). Verwandlung des w; in ^ findet sich we- nigstens in niguYiL Vollkommen klar ist das Verhältnis in jün- gerer zeit. In den altfriesischen rechtsquellen ist der Übergang von auslautendem g in ch durch die schrift fast durchgängig bezeichnet. Im inlaut spricht die häufige vokalisierung für die spirantische ausspräche. Dagegen tritt in der gemination und nach n palatalisierung resp. dentalisierung ein wie im anlaute, welche den verschlusslaut voraussetzt. Im mnd. mnl. und mittelfränkischen ist ebenfalls ch im auslaut und im inlaut vor harten consonanten die gewöhnliche Schreibung und die reime beweisen das zusammenfallen lait got. h und in dem letztge- nannten dialekte auch mit got k nach vokalen. Oft wird g geschrieben, aber eben so gut auch für got ä. Auch in das südfränkische und hessische hinein reicht die verwandelung des auslautenden g in ch z. b. bei Herbort und in Hartmanns Credo,

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zun LAÜTVEBSCHIEBÜNG. 181

während z. b. in der Elisabeth häu% c im auslaute geschrie- ben wird und keine reime auf ch sich finden. Für das mnd, ist noch die Schreibung gh zu beachten, die auch sonst vor- kommt und doch wol analog dem ch die spirans bezeichnen soll. Allerdings wird auch ngh und ggh geschrieben, während in diesen Verbindungen nachanalogie der übrigen dialekte der verschlusslaut erwartet wird und auch im auslaut nc, nicht ncÄ eintritt Auch in der heutigen ausspräche des niederdeutschen bleibt ng, resp. gutturaler nasal und im auslaut nk; gg ist zu kk verschoben, nur in schwachen verben, wo die Verdoppelung durch ein j bewirkt war, ist wider die spirans eingetreten: lejjenj sejfen.

Auch im anlaut lassen sich von alter zeit her spuren spi- rantischer ausspräche erkennen. Aus dem Heliand lässt sich allerdings nichts weiter dafür anführen, ausser dass g vor hellen und gi vor dunkeln vokalen fllr j gebraucht wird. Aber in der Übersetzung der predigt des Beda findet sich jegivan, in den Merseb. gl. jemihed. Im afries. ist j für g vor e nicht selten; ja die vorsilbe ge wird zu e oder i zusammengezogen, wofftr sieh auch ein beispiel in den Mers. gl. findet. Noch in ein paar andern Wörtern fällt g im afries. ab (unge, ungath, iuthj. Heute ist im niederdeutschen überall die partikel ge zu einem schwachen e geworden oder ganz abgefallen. Im mnl. wird auch im anlaut vor hellen vokalen gh geschrieben. Eine spur, dass vor ursprünglich harten vokalen reibelaut gesprochen wäre wie im ags. finde ich nicht, doch lässt sich auch das gegenteil nicht erweisen. Heute unterscheiden sich die niederdeutschen mundarten in der ausspräche des anlautenden g. Es stehen neben einander verschlusslaut, gutturaler und palataler spirant, so dass wol der erste das häufigste, der zweite das seltenste ist Von dem palatalen Spiranten ist es klar, dass er erst aus dem gutturalen entstanden sein muss; aber ob dieser oder der verschlusslaut altertümlicher ist, wird schwer zu entscheiden sein.

Für. das hochdeutsche gilt dasselbe, was bei den labi- alen bemerkt ist Wo wir im in- und auslaut den verschluss- laut finden, kann er nach einem gesetze, das notwendig einmal wirksam gewesen sein muss, aus der spirans entstanden sein. Aber auch in Oberdeutschland stossen wir auf den Spiranten.

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182 PAUL

Allerdings findet sich besonders in den ältesten quellen Ar. Aber im ganzen tiberwiegt g bedeutend im inlaute auch in denkmä- lern, die im anlaut in der regel k haben. Im auslaut erscheint schon von frühester zeit ch neben g und c oder k. In vielen mhd. handschriften erscheint es fast regelmässig. Reime auf ch == got. h oder k sind nicht gerade häufig, kommen aber auch bei guten dichtem wie Hartmann von Aue vor. Ich habe (mhd. schriftspr, p. 26.) die ansieht ausgesprochen, dass diess oberdeutsche ch ganz anders aufzufassen sei, als das nieder- deutsche und durch eine doppelte Verschiebung zu erklären. Ich trage jetzt bedenken daran festzuhalten, da auch andere gründe dafür sprechen, dass inlautendes g mindestens in be- stimmten teilen von Oberdeutschland als spirans gesprochen wurde, so dass ihm also ch dem auslautgesetze gemäss unmit- telbar entsprach. Allerdings sind zwei bedenken dabei einmal dass oft auch nch geschrieben wird, während g nach n sicher explosivlaut war, und dann, dass dies ch gerade in gegenden zu herschen scheint, welche in der Verschiebung am weitesten gehen, während in einem grossen teile von Mitteldeutschland c neben g in der Schreibung überwiegt und in den reimen keine Vermischung mit ch, wol aber mit k got. k vorkommt Für inlautenden Spiranten spricht sonst noch folgendes: Häufig wird g für j geschrieben und dieses g reimt nicht selten auf echtes g (Weinh. aL gram. 215. bair. gram. 178). Es bleibt uns nur die wähl zwischen zwei möglichen annahmen. Entweder wurde das g wie j gesprochen, oder j ist in g tibergegangen. Ist letzteres der fall, so haben wir wider einen beweis für den Übergang der spirans in den verschlusslaut. Wir sind hier in einer ähnlichen ungewisheit wie bei h und Im allgemeinen scheint mir die erstere annähme das wahrscheinlichere. Aber zum teil mag auch Übergang des j in g erfolgt sein, namentlich nach r, wo das g auch in der neuhochdeutschen Schriftsprache sich findet Auch im anlaut findet sich in neueren mundarten g für j, z. b. in der Oberpfalz und im Voigtlande. Vokalißie- rung des g ist auch in Oberdeutschlaud häufig, besonders vor t (gramm. 1*^426). Wenn age, ege zu ei werden, so kann das wol nicht 80 aufgefasst werden, dass das g ausgestossen und dann a-e oder ^-e zu ei zusammengezogen wäre. Wir müßten dann wenigstens überall i statt des stummen e haben. Nun

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 188

aber ißt das e nur in der kleineren anzahl der ßlUe aus i ge- schwächt und die zusammenziehung ist auch erst eingetreten nachdem die Schwächung erfolgt ist. Das i des diphthongs ist yielmehr aus dem zunächst zu j gewordenen g entstanden. Viel weiter in diesen zusammenziehungen, ähnlich wie das englische und friesische gehen die östlichen mitteldeutschen mundarten ygl. Weinh. schles. mundarten 47. 64. Im schlesischen findet sich z. b. auch moi für mag, wo an eine zusammenziehung aus a-e gar nicht zu denken ist. Uebergang von tv in g, zum teil durch den reim bestätigt, findet sich besonders im elsässischen (alem. gr. 216). lieber das vorkommen desselben in Mittel- deutschland vgl. Rückert a. a. o. 57. und Pfeiffer, Jerosch. L. XVII.

Heute wird die spirans gesprochen im Elsass, in Nieder- schwaben, der Oberpfalz, Niederöstreich und teilen von Tyrol. Es scheint also, dass sie im Verhältnis zum mhd., wo sie im auslaut so tlberaus häufig durch ch bezeichnet wird, an umfang eingebüsst hat. In Mitteldeutschland tiberwiegt sie. Es ist mir unmöglich ihre Verbreitung genau anzugeben. In Schlesien und und dem grösseren östlichen und sfidlichen teile von Obersach- sen wird verschlusslaut gesprochen, im inlaut tönender, im aus- laut nach den mir etwas zweifelhaft erscheinenden angaben von Weinhold und Rückert in Schlesien wenigstens nach lan- gem vokal gleichfalls tönender, in Sachsen tonloser. Ausgenom- men ist davon die endung -igh und sontigh, montlgh , .herbrigh. Dass "auch hier der verschlusslaut jünger ist, wird dadurch wahrscheinlich, dass derselbe im schlesischen auch aus altem^Ä entsteht, ,z. b. flog (fugit), sag (vidit), sickt, erwackt, versmacktet, formen die schon bei Opitz und Gryphius vorkommen (Weinh. schles. mundarten 84. 86). Aus dem angrenzenden obersächsi- schen gebiete kenne ich sak. Auch weist der dem abfall des h analoge abfall des g in anderen Wörtern (Weinh. 84.) und die gerade hier häufige vokalisierung des g auf ältere spirantische ausspräche hin.

Mit der betrachtung der dentalen betreten wir das am meisten streitige gebiet. Ich führe zunächst zwei punkte an, welche entscheidend dafür sind, dass p in der ältesten zeit, bis zu der wir zurückgehen können, die gewöhnlich geläugnete geltung einer spirans hatte. Erstens entsteht in einigen wör-

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tern aus älterem p eine andere spirans. So h in got mapl, mapljan, ags. mätiel, mätSelian, ahd. madiU in eigennamen = ahd. mahal, mahaljan, as. mahal, mahlian, an. mit regelrechtem ausfall des h und contraktion ma/, »löp/a. Mehr beispiele gibt es fllr den Übergang in f: got pliuhan = ahd. as. ßohan, ags. fleorij an. ^ö; got. plaihan= ahd. flehan, flehön, as. gißhian {giß- hid Hei. 1460); ahd. dinstar, md. dinster, as. thiustri (mit vokalisierung des nasalklanges), ags. peosiri, pystre = ahd. finstar; got. aippau, ahd. c^o, oefö, ags. oÖÖe = as. e/Üa, a/Öo, fries. ieftha;*) an. pengill, ags. pengel ='ags. fengel; im an. gehen neben einander />//i und /Jd7. Wie Hesse sich das erklären, wenn /> aspirata oder auch affricata gewesen wäre? Wir haben vielmehr in diesen Übergängen wider beispiele des Wechsels der Spiranten unter einander. Zu vergleichen ist damit der Übergang des h in f, der gleichfalls in alter zeit stattgefunden hat (vgl. J. Schmidt, z. indogerm. vokalismus s. 53.) und im englischen (Koch 182), und der im niederdeutschen häufige um- gekehrte des / vor i in ch, Ueber den Wechsel der tönenden Spiranten ist oben s. 175 £ gesprochen. Die wandelung von den- talem ^ (s^ nach Brücke), als welches wir p auffassen, ist be- kanntlich einer der leichtesten lautübergänge, den man sich denken kann. Man braucht nur die zunge und die beim s^ vorgeschobene Unterlippe etwas zurückzuziehen, so dass die letztere der obem zahnreihe genähert wird. Bekannt ist ja auch das vorkommen dieses Überganges im lateinischen und russischen. Wenn auch im äolischen ^ in 9p übergeht, so muss man wol daraus schliessen, dass in diesem dialekt die aspira- ten bereits zu Spiranten geworden waren.

Der zweite punkt, den ich meine, ist folgendes: Im alts. und ags., auch im an. zum teil, schwindet vor />, das dann auch zu Ö erweicht erscheint, der nasal z. b. alts. ööar aus got an/>ar. Dieser schwund des nasales tritt sonst noch ein vor s und f; vor h ist er bereits in einer früheren periode in allen germa- nischen dialekten eingetreten. Nirgends zeigt er sich vor ver- schlusslauten. Wir werden daher auch/> nicht zu den letzteren rechnen, und es ergibt sich dann die einfache regel: der nasal schwindet vor den harten Spiranten.

•) Oder ist vielleicht letzteres die ältere form?

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Diese beiden argumente, das Verhältnis im gotischen, die analogie der beiden andern consonantenreihen müssen ilns für die beurteilung der entwickelung de» p massgebend sein. Im . an. sind im anlaut d und p in gleicher weise geschieden wie im got. Inlautend sind sie nur nach / und n geschieden: got Ip, np = an U, nn; got Id, 7id = an. tb, oder Id, nd. In jeder andern Stellung sind sie zusammengefallen: in der gemi- nation steht dd; sonst steht in den ältesten handschriften />, wofür später Ö eintritt, welches selten auch im anlaut geschrie- ben wird. Wir sehen, das ursprtlngliche Verhältnis ist ganz so wie bei den labialen und die gröste Wahrscheinlichkeit spricht daher dafür, dass es gerade so aufgefasst werden muss. Der hauptgrund, weswegen man sich dagegen sträubt, ist, dass im schwedischen, dänischen und faeroeischen anlautend für p der explosivlaut steht, im schwedischen und bei vielen consonanten- verbindungen in allen neunordischen sprachen, ja selbst im jün- geren an. auch inlautend. Dazu kommt der im inlaut sehr seltene, im auslaut häufigere Wechsel von & und i (Gislason 118, 4. 5). Man nimmt daher an, dass ursprünglich noch aspi- rata gesprochen sei, die anlautend nur im isländischen zur Spi- rans geworden, während in den andern sprachen der hauch abgefallen sei. Ich will einstweilen davon absehen, ob wirklich bei dieser auflfassung die entstehung der neunordischen t mxdd aus p vom physiologischen Standpunkte aus begreiflicher wird. Aber wie erklärt man sich das zusammenfallen mit got d? Wir können doch nicht dem in ältester zeit gleichmässig ge- schriebenen p eine so ganz verschiedene geltung zuschreiben, dass es bald einen doppellaut, die aspirata, bald einfache Spi- rans oder etwa tonenden verschlusslaut bezeichent hätte? Und wie hätte aus der got. media, mag man sie nun als spirans oder als verschlusslaut auffassen, im in- und auslaut aspirata werden sollen, um später wider zu tönendem reibe- oder ver- schlusslaut zu werden? Die auslautenden t für &, woneben um- gekehrt Ö für t vorkommt, beruhen wol darauf, dass das aus- lautende t schon wie im neuisländischen zur spirans geworden war. Die paar fälle im inlaut können verschreibungen sein; wenn sie einen lautlichen grund haben, so können sie nur ein anzeichen sein, dass die ursprüngliche spirans sich bisweilen dem explosivlaute näherte. Auf der andern seite findet sich

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I, 13

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auch z fttr Ö. Ferner geht in einigen seltenen fällen Ö wie s in r ttber, z. b. bar (orabat) und namentlich in der 2. pers. pl. (Gislason 118, 6), weshalb Gislason mit grosser Wahrschein- lichkeit vermutet, dass auch in der 3. pers. sing, das r auf dieselbe weise zu erklären sei. Spuren dieses Überganges fin- den sich auch im neuisländischen (ib. anm.). Wie femer f aus p entsteht, so umgekehrt /> (^) aus f in 0riläi aus fifriltSi und pjosir für älteres fjosir. Ebenso haben wir den bekannten Spirantenwechsel darin zu sehen, wenn zuweilen ^ zu Ö oder ft zu ^ wird (Gislason 118, 2). Die erweichung im in- und auslaut war bei aspiraten nicht möglich; sie beruht vielmehr auf der allgemeinen neigung der Spiranten dazu wie die des /und h. Die erweichung ist schon vor der zeit, aus der wir Überlieferungen haben, vor sich gegangen, wiewol sie durch die Schrift nicht bezeichnet wird Das geht daraus hervor, dass/>/> zu dd geworden ist und dass in consonantenverbindungen früh- zeitig J für /> eintritt Daher ist es auch so wenig wie bei den labialen nötig eine Verhärtung der gotisclien media anzu- nehmen. Diese Verhältnisse sind meiner ansieht nach so klar, dass wir uns entschliessen müssen da, wo der verschlusslaut erscheint, anzunehmen, dass er aus der spirans entstanden ist Diese entstehung können wir im inlaut in den an. denkmälem verfolgen. In den ältesten quellen kommt nach n und / noch Ö (p) vor, nach m ist es die regel; bald wird d herschend; ebenso nach mb, If, lg, ng. Nach p, k, s steht t, aber in den älteren denkmälem nach p und k gewöhnlich , nach s wenig- stens noch in runeninschriften Ö (p). Es ist hier zugleich Ver- härtung eingetreten durch assimilation an den vorhergehenden consonanten nach ausstossung des ursprünglich dazwischen ste- henden vokales. Ebenso wie inlautendes p oder Ö wird das des enklitischen pu behandelt. Auch vor i wird Ö zu t, was um so weniger gegen ursprünglich spirantische ausspräche be- weisen kann, weil tt auch aus st entsteht und ebenso dd aus zd. Wenn nun in den neueren sprachen auch im anlaut die Spirans in den explosivlaut übertritt, so ist das dem inlaut voll- kommen analog. Wir können auch in anderen fällen bemerken, .dass anlautende consonanten gerade so behandelt werden wie inlautende nach anderen consonanten. Im fseroeischen tritt über- 4tll t ein, im schwedischen und dänischen im pron. der 2. pers.

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und im artikel nebst den ableitungen davon, d, sonst t Da auch gerade in diesen Wörtern im an. am öftesten ft geschrie- ben wird und das englische dazu stimmt, so wird die er- weichung in den dem dän. und schwed, zu gründe liegenden dialekten alt sein, während sie im fseroeischen und isl. nicht eintrat.

Während im nordischen got. p und J im in- und auslaute zusammengefallen sind, sind sie in den ältesten quellen der südgermanischen dialekte geschieden, indem ersterem p oder Ö, letzterem d, hochdeutsch zu t verschoben, entspricht. Wir müssen nach der analogie der beiden anderen consonantenrei- hen und gemäss dem von uns erkannten lautwert des gotischen annehmen, dass dieses ohne zweifei mit verschluss gesprochene d erst aus der spirans verschoben ist. Der unterschied von der entwickelung der labialen und gutturalen besteht nur darin, dass bei diesen die Verschiebung zum verschlusslaut auf ein kleineres gebiet eingeschränkt ist. Ein teil der d war schon im got. aus p entstanden, im südgermanischen hat sich die anzahl derselben bedeutend vermehrt. In diesen fällen muss erweichung des p eingetreten sein, bevor die Verschiebung zum verschlusslaute erfolgte. Trat sie später ein, so blieb zunächst der reibelaut. Wie bei den labialen und gutturalen finden sich einzelne abweichungen der dialekte unter einander, gramma- tischer Wechsel, Schwankungen in einem und demselben dialekt Nur im got. ist erweichung eingetreten in skaidan as. sceihan, ahd. sceidan. Ob im an. einzelne p früher tönend geworden sind, ehe die allgemeine erweichung eintrat, lässt sich nicht entscheiden ausser bei den Verbindungen np und //>. Letzteres ist im südgermanischen durchweg zu Id geworden, während es im an. als // von Id geschieden ist. Nur aldr, öld ist abwei- chend von got. cUpeiSj daneben aber steht noch elli, np und nd bleiben auch im südgermanischen geschieden, indem von ersterem im as. und ags. der nasal schwindet; doch schwankt es nach n^ und ein solches schwanken findet auch im an. statt in firma und finda, pp, welches im an. allgemein zu Jefwird, bleibt im agg^ abweichend auch von der analogie der labialen und guttu- ralen, pp oder ÖÖ; ebenso im as. in ettha; Verdoppelung durch folgendes j tritt im as. nicht ein; in queddan ist wol schon vor der Verdoppelung d eingetreten wie in qmdu

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Betrachten wir nun die entwickelung der zunächst nicht zum verschlusslaut verschobenen p und &. Im ags. werden beide zeichen unterschiedslos gebraucht, im nags. kommt Ö all- mählich ausser gebrauch, im mengl. tritt allgemein th ein. Der gebrauch des Zeichens Ö weist auf das Vorhandensein tönender ausspräche hin, wenn auch die Schreiber den unterschied nicht richtig durchzufahren vermochten Dass dieselbe im inlaut im ags. wie im neuengl. allgemein war, zeigt besonders der häufige Wechsel mit d, das sowol für Ö eintritt, als umgekehrt dieses für d. In letzterem falle könnte man die Ö «zum teil als un- verschobene reste der alten spirans ansehen; aber sie treten auch in lateinischen Wörtern für d ein und in einigen Wörtern entsteht erst im neuengl. th aus dj so dass das vorkommen der Verwandlung des verschlusslautes in die spirans keinem zweifei unterliegt. Als beweis dafür, dass die erweichung schon in alter zeit stattgefunden haben muss, lässt sich auch noch an- führen, dass dieselbe in den lehnwörtern aus dem griechischen nicht eintritt, weil die neigung dazu vorüber war. Im anlaut kennt die heutige Schriftsprache die erweichung nur in denpro- nominalstämmen. Da aber in vielen mundarten th in d tiber- geht, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass schon in alter zeit auch in anderen Wörtern das /> zum teil tönend geworden war.

In der heutigen ausspräche auch der gebildeten klingt th sehr oft nicht mehr als reine spirans. Wir dürfen darin nicht mit R. V. Raumer etwas altertümliches sehen, als ob das th jetzt erst im begriflf wäre vollständig zur spirans zu werden, sondern die Sache ist gerade umgekehrt: die spirans ist im begriflf in den verschlusslaut überzugehen. Ich glaube hinlänglich gezeigt zu haben, dass jene das ursprüngliche war, und es ist kaum noch nötig auf einige lautübergänge der altern spräche auf- merksam zu machen, die für sie sprechen. Im nags. geht h vor t öfter in /> über (Koch 181), wofiir sich auch z geschrie- ben findet z. b. dozter (Koch 171), also wider der Wechsel der Spiranten. Femer geht /> in der 2. pers. sing., mitunter auch im pL praes. in s über; der anfang dazu findet sich bereits in den northumbrischen evangelien (Koch, flexionslehre 57). Das wichtigste argument aber ist wider der eintritt der erweichung. Jetzt gibt es wol in dem grösseren teile von England kein an- lautendes th mehr. Sowol in Schottland als in den südlichen

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dialekten wird dentales d gesprochen, durch die artikulations- stelle von dem alten cacuminalen d geschieden. Dass diess erst in neuerer zeit entstanden ist, beweist die ältere schrift. Die ausspräche der gebildeten Engländer ist die Übergangsstufe dazu. Wie haben wir nun diese zu definieren? Nach R. v. Raumer und Scherer schwankte die ausspräche zwischen Spi- rans, verschlusslaut und afiricata. Ich muss mich gegen die- selben auf das zeugnis meines freundes Eduard Sievers berufen, der bei einem mehrmaligen längeren aufenthalt in England der ausspräche die sorgfältigste aufmerksamkeit geschenkt hat, und dessen scharfe beobachtungsgabe in lautphysiologischen dingen ich reichlich bewährt gefunden habe. Nach ihm kann von einem doppellaute nicht die rede sein. Vielmehr besteht die Zwischen- stufe darin, dass die organe einander fast bis zu völligem ver- schluss genähert werden, und dass der laut möglichst kurz ge- sprochen wird, was in direktem widersprach mit der natur eines doppellautes steht, der gerade eine verlängerang sein würde. Das ist gewissermassen eine mitte zwischen verschluss- laut und Spirans, die leicht nach der einen, wie nach der an- dern hinüberschwankt, aber keine Verbindung von beiden.

In derselben weise wie im englischen, haben wir auch im hoch- und niederdeutschen den Übergang des th in J aufzufas- sen, nur dass die entwickelung hier rascher vor sich gegangen und weiter vorgedrangen ist. Dass schon im Heliand im inlaut erweichung eingetreten ist, erkennen wir daraus, dass über- wiegend Ö gesehrieben wird, was dann auch mit d wechselt gerade wie im ags., so dass auch hier bald das eine, bald das andere als älter aufzufassen ist. Für das alter der erweichung im fries., wo Ö unbekannt ist und nur th geschrieben wird, sprechen die d für ih in der lex Frisionum, die wol wie die gotischen aufzufassen sind. Im oberdeutschen und fränkischen zeigen schon die ältesten denkmäler die erweichung auch im anlaut. Isidor hat dh. Die ältesten alemannischen quellen haben zwar th; da aber daneben d schon überwiegt, so können wir darin nur eine unvollkommene lautbezeichnung sehen, ebenso indem der jüngeren fränkischen quellen, das nicht erst wider verhärtet sein kann und das auch unmittelbar in d übergeht, ohne dass eine andere lautbezeichnung dazwischen läge. Für den Heliand ist es wahrscheinlich, wenn auch nicht zweifellos,

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dass der anlaut noch nicht von der erweichung ergriffen ist, da hier th durchsteht, während doch das zeichen Ö bekannt ist. Zweifelhaft kann es auch sein, ob der auslaut mit stimm- ton gesprochen wurde oder nicht. Doch spricht die sonstige analogie für das letztere, und die Ö können hier eben so wenig tönende qualität beweisen wie die b. Als entscheidend fttran- und auslaut zu gunsten der tonlosigkeit können wir es vielleicht betrachten, dass bei dem zusammenstoss eines auslautenden und eines anlautenden dejitals ^Äzuweilfen in t tibergeht, mquatthat, quaitiu, anttat aus qvxtth that, guath ihiu, and that, wider ein beispiel von der abneigung gegen Spiranten in consonantenver- bindungen. Ueber die zeit, in welcher der Übergang zum ver- schlusslaute erfolgte vgl. Braune in diesem hefte s. 53 flf. In- lautend besteht auch heute die spirans, vielleicht von ältester zeit erhalten, in Holstein.

Ich habe mit möglichster Vollständigkeit zusammenzustellen gesucht, was für natur und entwickelung der fraglichen laute in den verschiedenen dialekten von Wichtigkeit ist. Vielleicht bin ich zu ausführlich darin gewesen, da die meisten der von mir vorgebrachten tatsaehen auch schon sonst allgemein bekannt sind. Da ich aber weiss, wie sehr man sich vielfach gegen die anerkennung gewisser lautübergänge sträubt, so schien es mir nötig dieselben so sicher als möglich zu begrtinden. Vor allem kam es mir darauf an durch eine zusammenhängende darstellung aller in betracht kommenden einzelheiten die tiber- einstimmung in denselben klar hervortreten zu lassen. Diese zusammenfassende und vergleichende betrachtung muss unser urteil bestimmen, wo die bei den einzelheiten stehenbleibende Untersuchung hie und da noch zweifei zurücklässt. Ueberblicken wir die gewonnenen resultate, so ergibt sich als urgermani- scher lautstand folgendes: Die indogermanischen tenues sind zu tonlosen Spiranten geworden h, p^ f. Die indogermanischen aspiraten sind inlautend zu tönenden Spiranten geworden; nur nach nasalen erscheinen sie, soweit wir sie zurückverfolgen können, als tönende verschlusslaute. Diese ausnähme begreift sich leicht; denn da die nasale durch verschluss des mundca- nals gebildet werden, so schliesst sich daran ein explosivlaut leichter an, als ein reibelaut, zu dem erst, bevor er gebildet werden kann, der verschluss gelockert werden muss. Ebenso

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zeigt sich im anlaut von alter zeit an tönender verschlusdaüti Jedoch muss im ältesten niederdeutschen und angelsächsischen wenigstens zum teil gutturale spirans bestanden haben. Es ist ferner nicht ganz sicher, ob schon zur zeit des Ulfilas h, g, d im anlaut wirkliche verschlusslaute waren oder zwischen ver- schlusslaut und spirans schwankten. Das idt der boden, auf dem die weitere entwicklung ruht.

Es zeigt sich nun, dass eine zwiefache bewegung der ur- sprünglichen indogermanischen verschlusslaute zum teil zwischen die erste, die gemeingermanische und die zweite, die specifisch hochdeutsche Verschiebung,*) zum teil in die letztere hinein und nach ihr fällt, die erweichung der aus indogermanischer tenuis entstandenen Spiranten, besonders im inlaut, und der Übergang der tönenden, in einem falle auch der tonlosen Spiranten in verschlusslaute. Was die erstere betriflft, so beginnt sie vor der auf uns gekommenen Überlieferung und tritt zunächst spo- radisch auf, zum grösseren teil übereinstimmend in den ver- schiedenen dialekten, was aber eine reihe von einzelnen abwei- chungen nicht ausschliesst. Das Verhältnis ist sehr ähnlich wie bei dem Übergange von a zu ^ in den verschiedenen europä- ischen sprachen. Bei dem weiterumsichgreifen der erweichung scheiden sich die dialekte etwas mehr, so dass aber doch die entwickelung in den einzelnen sehr analog ist. f wird inlau- tend allgemein tönend ausser im hochdeutschen und einem teile des mitteldeutschen, wo sich einige tonlose f erhalten, im nor- dischen auch auslautend. Der Übergang des h zw g bleibt spo- radisch, jedenfalls nur deshalb, weil das h sehr früh zum blossen hauch wurde, welcher durch den stimmton nur zum Spiritus lenis werden konnte. Wir haben daher das schwinden des h im inlaut zwischen vokalen, welches ausser im oberdeutschen

*) Die namen „erste und zweite Verschiebung" wären vielleicht bes- ser ganz zu vermeiden; sie haben wenigstens nur einen praktischen wert. In Wirklichkeit sind nicht die sogenannten beiden Verschiebungen je ein aus dem kreise aller übrigen . lautveränderungen heraustretendes ganze, sondern sie bilden mit den von uns besprochenen Vorgängen, von denen man einen teil zur zweiten Verschiebung zu rechnen pflegt, und mit an- dern erst später eintretenden Veränderungen eine reihe von vielen ein- zelnen lautwandelungen, die sich von der ältesten zeit bis auf die neueste nach einander und meist ohne beziehung zu einander vollziehen.

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allgemein erfolgt, wol als eine analoge erscheinung anzusehen. Die erweichung . des p ist inlautend allgemein (im nordischen und englischen findet sie auch auslautend statt), erstreckt sich aber in Deutschland durchgängig, in England und Skandinavien partiell auch über den anlaut. Die neigung zur etweichung ist also bei den dentalen am stärksten, aber die behandlung ist keine grundverschiedene. Unsere auffassung erhält dadurch noch eine schlagende bestätigung, dass sich in völlig analoger weise wie die erst auf germanischem boden entstandenen Spi- ranten, auch die einzige indogermanische^ tonlose spirans ^ent- wickelt. Auch hier ist die erweichung zuerst sporadisch, im got. durch z bezeichent, und die in ältester zeit erweichten s gehen in r über, ebenfalls im ganzen tibereinstimmend, aber doch mit mannigfachen abweichungen in den einzelnen dialekten. Nach der periode des rotacismus geht dann die erweichung weiter j wird im anlaut ausser in Oberdeutschland allgemein, ausgenommen in der gemination und in Verbindung mit ton- losen consonanten, und ergreift im niederdeutschen und einem teile des mitteldeutschen, auch in englischen dialekten selbst den anlaut. Der letztere umstand ist besonders wichtig inrück- sicht auf die erweichung des />. Englische dialekte kennen auch die erweichung des f im anlaut. Bei allen harten Spiran- ten zeigt sich also dieselbe tendenz. Die vollkommenste ana- logie dazu findet sich im lateinischen. Ascoli (Vergleichende lautlehre 171. ff.) hat meiner ansieht nach tiberzeugend nach- gewiesen, dass die lateinischen inlautenden medien = indoger- manischen aspiraten aus den ursprünglich wie im griechischen verhärteten und dann zu tönlosen Spiranten gewordenen aspi- raten erweicht sind. Unsere auffassung der deutschen und Ascolis der lateinischen lautwandelungen stützen sich gegenseitig. Ebenso werden im altirischen die aus indogermanischer tenuis entstandenen sogenanten aspiraten, die aber sicher als Spiran- ten aufzufassen sind, inlautend erweicht; daher das schwan- ken in der Schreibung zwischen aspirata und media. Wir haben hier also noch eine genauere Übereinstimmung mit dem deutschen.

Die zweite bewegung, der tibergang in den verschlusslaut, hat statt so wol bei den aus den medienaspiraten entstandenen, von anfang an tönenden Spiranten, als bei den aus den ton-

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losen erweichten und den ursprünglichen indogermanischen wei- chen Spiranten (/und w), nur in verschiedener ausdehnung. Am regelmässigsten und fast durchgängig tritt sie ein nach nasalen und und in der gemination, dann unter dem einflusse anderer vorhergehender, zum teil auch unter dem folgender consonanten. Aber auch ohne einen solchen einfluss erfolgt sie zwischen vokalen, ziemlich allgemein im oberdeutschen, bei den dentalen auch im niederdeutschen und (wenigstens bei den ursprünglich tönenden oder in ältester zeit tönend gewordenen) angelsäch- sischen, bei den gutturalen auch im schwedischen, vereinzelt noch sonst. Bei den dentalen geht also auch diese bewegung am weitesten und ergreift selbst den anlaut, da auch dieser von der erweichung betroflFen wird. Darin liegt indessen kein we- sentlicher unterschied. Eine grössere abweichung besteht darin, dass im dänischen und schwedischen der hart gebliebene Spi- rant p gleichfalls zum verschlusslaut wird, was bei dem guttu- ralen und labialen Spiranten nicht möglich war, weil h zum blossen hauch, /" labiodental geworden war. Wol findet hie und da auch eine entgegengesetzte bewegung statt. So geht im dänischen die aus dertenuis erweichte media in die spirans über. Im ags. und engl., sowie im alts. finden sich Schwan- kungen 'des d nach Ö und th. Aber der allgemeine zug ist vom reibelaut zum verschlusslaut, und ersterer wird, so lange nicht das gegenteil erwiesen ist, immer zunächst fftr älter gel- ten müssen, Widerum ist die entwickelung im lateinischen analog: die inlautend erweichten Spiranten werden zu tönenden verschli^sslauten.

Ganz sichere beispiele vom Übergang des dentalen Spiranten in den verschlusslaut haben wir im persischen, wo z -= skr. h IM d wird. Wenn in neugriechischen dialekten ^ zu t, x zu x wird (vgl. MuUach, Grammatik der griechischen vulgärsprache s. 28. 89. 94. Curtius, Grundz. 3. s. 386. Ascoli, Vergleichende lautlehre s. 161 flf.), so ist es im höchsten grade unwahrschein- lich, dass in diesen fällen die aspirata ganz abweichend von der sonstigen entwickelung niemals zur spirans geworden sein, sondern nur den hauch eingebtisst haben sollte. Vielmehr wer- den wir uns den Vorgang zu denken haben wie im schwedi- schen und dänischen. Den Übergang in den verschlusslaut haben wir uns wol überall so vorzustellen, wie ihn uns die heutige

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ausspräche des englischen th lehrt und wie er bei besprechung desselben erörtert ist. Auch im neugriechischen soll die aus- spräche des d- zwischen reibe- und verschlusslaut schwanken. Auch hier wird es falsch sein, wenn man es für einen doppel- laut erklärt, oder wenn man meint, dass diese ausspräche altertümlich sei und der laut erst im begriff in die blosse spi- ^rans überzugehen. Vielmehr ist er im übergange aus der Spi- rans in den verschlusslaut begriffen und teilweise ist dieser Übergang schon vollzogen.

Im anlaut haben, soweit unsere Zeugnisse zurückgehen, die den indogermanischen medienaspiraten entsprechenden laute eine andere gestalt als im inlaut. Doch bleibt es immer un- sicher, ob schon im gotischen wirkliche explosivlaute bestanden, und im altniederdeutschen und angelsächsischen ist sicher zum teil gutturaler spirant das älteste. Es fragt sich nun., in wel- cher weise diese zweiheit auf die unzweifelhaft früher beste- hende einheit zurückzuflihren ist. Ist diespirans aus dem ver- schlusslaute oder der verschlusslaut aus der spirans oder beide unabhängig aus einem dritten laute entstanden? Erstereswar bisher die allgemeine annähme, indem man den verschlusslaut vielfach da ansetzte, wo wir die spirans erkannt haben, und indem man die mit recht oder mit unrecht im inlaut angesetz- ten verschlusslaute für ursprünglich hielt, während wir ihre entstehung aus den reibelauten nachgewiesen haben. Somit ist dieser ansieht der boden entzogen. Es ist gar keine veran- lassung anzunehmen, dass die spirans erst aus dem verschluss- laute entstanden sei, um dann wider teilweise in denselben überzugehen. Viel grössere Wahrscheinlichkeit hat die zweite möglichkeit, die entstehung des verschlusslautes aus der spirans. Sie stimmt durchaus zu dem grundzuge der dargestellten ent- wickelung. Was ist wahrscheinlicher, als dass derselbe zug, welcher einen langen Zeitraum hindurch die tönende spirans im inlaut und, soweit gelegenheit dazu war, auch im anlaut zum verschlusslaut hindrängte, auch schon eine kurze zeit vor der periode wirksam gewesen ist, aus der unsere ältesten denk- mäler stammen? Ja er muss es sogar, da er bereits im goti- schen inlautend nach n, r, l, z unzweifelhaft gewirkt hat. Gleich- zeitig mit dem gemeingermanischen übergange nach nasalen kann auch der im anlaut stattgefunden haben. Wir sehen auch

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sonst in der deutschen lautgeschichte den inlaut nach conso- nanten in gleicher weise behandelt wie den anlaut. Dass der anlaut den verschlusslaut mehr liebt, als der inlaut, besonders zwischen yokalen, zeigen das englische, schwedische und dä- nische. Die dritte möglichkeit ist noch ins äuge zu fassen, ob etwa die entwickelung der indogermanischen laute von anfang an oder von einer bestimmten noch vor der einfachen spirans und dem einfachen verschlusslaute liegenden Übergangsstufe an für den an- und inlaut verschiedene wege eingeschlagen hat. Diess führt uns aber auf die frage nach der ursprünglichen be- schaffenheit der zu gründe liegenden laute in der indogerma- nischen Ursprache.

Hierüber sind nun drei*) verschiedene ansichten aufgestellt. Die eine behauptet wirkliche aspiraten, die zweite aflfricaten, die dritte einfache Spiranten, Die letzte ist jetzt wol allgemein aufgegeben. Der streit dreht sich nocli um die erste überwie* gend anerkannte und die zweite von ß. v. Raumer und Scherer vertretene. Es würde uns zu weit ftthren alles, was zu gunsten der einen oder andern ansieht vorgebracht ist, hier noch ein- mal zu widerholen. Ich halte dafttr, dass der beweis für die ursprünglichkeit der aspiraten im sanskrit und griechischen ge- liefert ist durch Curtius, Grundzüge ^ 383 ff. und Ascoli, Ver- gleichende lautlehre 149 ff., wenn ich auch einige der von ihnen vorgebrachten argumente nicht gelten lassen kann. Die auf- fassung der laute als Spiranten ist auch von ß. v. Raumer sehr gründlich widerlegt, Sprachwissenschaftliclie scliriften 96 ff. 383 ff. Gegen die affricaten entscheidet meiner Überzeugung nach die metrik des griechischen und des sanskrit. Wenigstens kann ich mir noch keine Vorstellung von den ßaumerschen affricaten machen, die kein© positionmachende doppellaute sein sollen. Scherer (zeitschr. f. d. östr. gymn. XII, 641) hält durch den Übergang von tva in ifa, den er als assimilation des organes auffasst (ta = isa), die affricaten im sanskrit für bewiesen. Aber um eines solchen einzelnen lauttiberganges willen, für den eine andere auffassung sehr wol denkbar ist, kann man nicht

*) Von dem streite über die ursprüngliche tonbegabtheit oder tonlo- ßigkeit dieser laute, welche letztere noch in neuerer zeit durch Rud. v. Ramner vertreten wird, kann ich für unsern zweck absehen.

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alle entgegenstehenden argumente ignorieren. Die verwande- lung einer Verbindung von zwei homorganen tönenden lauten in eine von zwei durch das organ wie durch den stimmton ver- schiedenen lauten bleibt eine unlösbare physiologische Schwie- rigkeit, während der entgegengesetzte Vorgang leicht begreiflich und durch reichliche analogieen gestützt ist. Wir wollen trotz- dem auf alle drei aufgestellten ansichten rücksicht nehmen und sehen, wie sich nach einer jeden unsere frage stellt. Wären die indogermanischen laute Spiranten gewesen, so wäre die frage einfach entschieden. Es wäre dann selbstverständlich nur die zweite von uns angesetzte möglichkeit anzunehmen. Die Spiranten wären im germanischen inlautend zunächst geblieben, anlautend in verschlusslaute tibergegangen. Schwieriger ist es, wenn, was unzweifelhaft der fall ist, eine von den beiden an- dern ansichten richtig ist, über den gang der entwickelung zu entscheiden. Die Vertreter beider nehmen übereinstimmend an, dass das hinter dem verschlusslaut stehende dement abgefallen sei, der hauch oder die homorgane spirans, und so die media entstanden. Man beruft sich dabei , Scherer allerdings nicht, auf die Übereinstimmung der iranischen, slavischen, litauischen und keltischen sprachen, ftir die man die gleiche entwickelung annimmt. Namentlich wird der Übergang im slavischen und litauischen mit dem im germanischen in historischen zusammen- hanggesetzt, und man sieht darin den beginn der lautverschie- bung, der noch in die periode der slavodeutschen Spracheinheit fallen soU. Ich stimme mit Scherer darin überein, dass dann notwendig die alte und die neue media im germanischen, wie im slavischen, zusammengefallen sein müsten. Es lässt sich hierbei auch nicht wol eine Zwischenstufe denken, bis zu wel- cher etwa nur das deutsche gemeinsam mit dem slavischen ge- gangen wäre. Der hauch war entweder weg oder noch da. Eine andere art von Zwischenstufe ist noch angenommen, näm- lich, dass zwar der hauch im slavodeutschen verschwunden, zunächst aber geflüsterte media entstanden sei, die dann unab- hängig im slavischen und deutschen, im letzteren erst nach der Verschiebung der media zur tenuis, tönend geworden sei. Aber der weg, den die media zur tenuis nahm, ging notwendig durch die geflüsterte media hindurch, und es muste so zusammen- fall eintreten. Wurde die medien-aspirata oder aflfricata zur

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media durch abfall des zweiten elements, so kann diess erst nach der Verschiebung der media zurtenuis, also auch erst nach der Verschiebung der ursprünglichen tenuis*) auf speciell germani- schem boden geschehen sein, wie auch Scherer annimmt; man darf sich also nicht zur stütze dieser ansieht auf die übrigen sprachen berufen.**) Wir werden also ein recht haben ledig- lich die älteste lautgestaltung des germanischen mit der des indogermanischen zu a ergleichen und zusehen, auf welche weise sich dieselben am einfachsten vermitteln. Wir haben gesehen, dass wir im germanischen für den inlaut auf die spirans als das älteste kommen, und dass es unwahrscheinlich ist, dass dieselbe aus der media entstanden ist. Ein sehr häufiger laut- übergang ist die enistehung tonloser spirans aus tonloser aflfri- cata oder aspirata durch die affricata hindurch. Danach ist es auch die nächstliegende annähme, dass die germanischen tönenden Spiranten aus den medienaspiraten durch die medien- affjicaten hindurch, oder, wenn man doch letztere für ursprüng- lich halten' wollte, noch einfacher aus diesen entstanden sind. Für den anlaut könnte man nun bei der alten theorie von dem abfall des hauches oder Spiranten stehen bleiben. Dann hätten wir also von vornherein oder von der Zwischenstufe der medi- enaflfricaten an verschiedene entwickelung des an- und Inlautes. In dieser fassung ist die lehre von der Verschiebung der aspi- raten von E. Sievers bereits in seiner im Wintersemester 71/72 gehaltenen Vorlesung über deutsche grammatik vorgetragen.

*) Für die priorität der Verschiebung der tenuis vor der der media liesse sich vielleicht ausser dem von Scherer gegebenen beweis, gegen den meiner Überzeugung nach kein widersprach möglich ist, die gotische namensform Kreks = Grcecus anführen, die auch dem althochdeutscllen Kriach zu gründe liegt. Sie würde sich vielleicht so erklären, dass das wort in einer zeit entlehnt wurde, als die Verschiebung der tenuis bereits vollzogen war, die der media noch nicht, so dass es nur noch von der letzteren betroflfen wurde.

**) Man müste dann etwa annehmen, dass die lautverschiebung in eine zeit zurückreicht, in welcher das deutsche noch ein dialekt der indo- germanischen Ursprache war, der mit den übrigen dialekten in ununter- brochenem zusammenhange stand. Ich glaube nicht, dass jemand diess wahrscheinlich finden wird. Dass das in der vorigen anmerkung ange- führte argument dagegen streitet, wage ich nicht geltend zu machen, da es doch nur eine unsichere Vermutung bleibt.

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Es lässt sich indessen zunächst kein gnind einsehen, warum in- und anlaut ganz verschiedene wege eingeschlagen haben sollten. Dann aber scheint mir der gewöhnlich als etwas so leichtes angesehene abfall des hauches oder der homorganen Spi- rans von physiologischer seite höchst bedenklich. Es ist häufig, dass hauchlose tenuis aspiriert wird, aber einmal vorhandene aspiration pflegt nicht spurlos zu verschwinden. Die aus dem nordischen und dem neugriechischen beigebrachten beispiele vom Verlust des hauches in harten aspiraten sind, wie wir ge- sehen haben, anders zu fassen. Verändern sich die aspiraten so gehen sie in affricata und dann in spirans über. Noch we- niger hat der abfall der spirans in der aflfricata irgend welche Wahrscheinlichkeit. Wir haben gesehen, dass die dafür nament- lich aus dem englischen angefahrten beweise nicht zutreffen. Ein solcher abfall mtiste wie jeder ausfall eines consonanten in einer consonantenverbindung auf assimilation beruhen. Es ist aber ein allgemeines gesetz, dass in der regel der zweite laut, über den ersten den sieg davonträgt , und ein hoch allge- meineres, dass die dauerlaute ein entschiedenes übergewicht über die momentanen behaupten. Daher die Verwandlung der affri- cata zur spirans. Nehmen wir also an, dass sich die aspiraten im anlaut zunächst in gleicher weise wie im inlaut zu Spiran- ten entwickelten und daraus erst zu tönenden verschlusslauten. Das stimmt völlig zu dem, was wir bloss vom Standpunkte des germanischen aus als wahrscheinlich erkannt haben.

Ist diess die richtige auffassung der entwickelung, so wird die von Scherer aufgestellte reihenfolge der Verschiebung (tenuis media, aspirata oder affricata) wider zweifelhaft. Die Verschie- bung der aspirata zur spirans konnte hinter, zwischen und vor die beiden andern Verschiebungen fallen, ohne dass eine Ver- mischung eintrat. Nur muss der Übergang der spirans in die media nach der Verschiebung der alten media erfolgt sein. Es wäre also ins äuge zu fassen, ob nicht doch gründe vorhanden sind, die uns bestimmen die Verschiebung mit den aspiraten be- ginnen zu lassen und ob dann nicht doch ein historischer Zu- sammenhang mit den verwanten sprachen besteht. Wir betre- ten hier allerdings ein gebiet, auf dem sich kaum etwas ande- res aufstellen lässt, als mehr oder minder wahrscheinliche hypo- thesen. Folgendes, worauf ich vonherrn professor Leskien auf-

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 199

merksam gemacht worden bin, Hesse sich vielleicht für die Pri- orität der Verschiebung der aspiraten geltend machen. Das t in den praeteritis mahta, ohta und dem im got. nicht überlie- ferten, aber vorauszusetzenden dauhta kann nicht wie in thahta, (iihta, mosia etc. durch assimilation an den voraufgehenden con- sonanten entstanden sein. Man könnte sich nun den Vorgang so denken: durch die Verschiebung der aspiraten zur Spirans entstanden zunächst may^a, oybaj duyba (mit / bezeichne ich die gutturule tönende spirans); da aber einespirans hinter einer anderen die neigung hatte in den verschlusslaut überzugehen, wie wir auch an den praeteritis thahta etc. sehen können, und wie es sich auch in den späteren germanischen dialekten, na- mentlich im altn. zeigt, so erfolgte hier dieser Übergang viel- leicht alsbald vor der Verschiebung der alten media und das neue d wurde dann durch denselben akt wie diese zur tenuis verschoben. Für vollkommen sicher will ich diese erklärung nicht ausgeben, da sich in den praeteritis noch andere Unregel- mässigkeiten zeigen z. b. ku7ipa.

Ein Zusammenhang mit den verwanten sprachen, welche die aspirata zur media entwickelt haben, der allerdings von vornherein sehr wahrscheinlich ist, war bei der bisherigen auf- fassung der Verschiebung unmöglich. Durch unsere aufstellung gewinnen wir zunächst die möglichkeit die verwandelung der aspiraten vor die andern Verschiebungsakte zu stellen. Wenn aber ein Zusammenhang mit den übrigen sprachen bestehen sollte, so müste auch der gang der Verschiebung in diesen der- selbe wie im germanischen gewesen sein. Es fragt sich, ob dies möglich oder vielleicht wahrscheinlich ist. Wir haben ge- sehen wie mislich es mit der erklärung der media aus abfall des hauches oder des homorganen Spiranten bestellt ist. Die vielfach angezweifelte möglichkeit des Überganges aus der spi- rans in den verschlusslaut glaube ich durch meine Untersuchung festgestellt zu haben. Der einzige weg einen historischen Zu- sammenhang oder auch nur eine analogie des Überganges zwi- schen dem germanischen und den übrigen sprachen herzustel- len, bleibt die annähme, dass in ihnen allen die aspirata zu- nächst zur Spirans und dann zur media geworden sei.

Es wäre nun zu untersuchen, ob sich für diese annähme noch aus den einzelnen sprachen gründe beibringen Hessen. Inj

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Zend stehen anlautend h, g, d, inlautend bh, gh, dh, welche letzteren gewöhnlich als Spiranten aufgefasst werden. Aller- dings hatAscoli in denStudj Irani, articolo primo (vgl. Kuhns zeitschr. 17, 135 ffi) den nach weis zu führen gesucht, dass man im Zend wirkliche tonlose und tönende aspiraten anzunehmen habe. Soweit ich darüber urteilen kann, halte ich durch As- colis ausflihrungen die ältere ansieht noch nicht für widerlegt. Namentlich wird die entstehung von tönender aspirata aus alter media, wie sie Ascoli annehmen muss, da auch diese im inlaut durch hh, gh, dh vertreten wird, eine physiologische Un- möglichkeit bleiben. Sind hh, gh, dh Spiranten, so haben wir ein ganz ähnliches Verhältnis wie im deutschen. Nur freilich lässt sich die ursprtlnglichkeit dieser Spiranten nicht erweisen weil sie auch für die alte media stehen, also auch, wo sie die aspirata vertreten, erst aus der media entstanden sein können. Doch kann man auch nicht mit Sicherheit behaupten, dass letz- teres der fall ist. Es ist leicht möglich, dass durch dieselben Ursachen die spirans im inlaut erhalten blieb, durch welche die media in sie verwandelt wurde, ja sogar, dass der Wechsel zwischen verschluss- und reibelaut, der bei der alten aspirata bestand, auch auf die alte media einwirkte, und so eine aus- gleichung eintrat. Dasselbe Verhältnis haben wir im dänischen, wo im inlaut die aus der tenuis erweichten medien zu Spiran- ten werden. Aehnlich ist auch der Wechsel von o und u im germanischen, die sich in ganz analoger weise verhalten, mag a oder u der grundvokal und demnach o oder u das ältere sein. Wir können also aus dem Zend nichts mit Sicherheit für noch gegen unsere hypothese beibringen.

Ebenso lässt uns das keltische in ungewisheit. Auch im altirischen stehen im inlaut tönende Spiranten, gewöhnlich als aspiraten bezeichnet. Es unterliegt aber wol keinem zweifei dass die irischen aspiraten als Spiranten zu fassen sind. Inder ältesten zeit wird allerdings noch die einfache media geschrie- ben; aber ihr Wechsel mit den harten aspiraten (spiranten) macht es wahrscheinlich, dass wir darin nur eine mangelhafte Orthographie zu sehen haben. Aber ebenso wie im Zend ist die alte media gleichfalls zur spirans geworden und ganz mit der alten aspirata zusammengefallen.

Im slavischen und litauischen steht tiberall die media, nir-

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ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 201

gends zeigt sich die spirans. Ihr einstiges Vorhandensein aber glaube ich mit einiger Wahrscheinlichkeit aus einem sonst kaum begreiflichen lautübergange schliessen zu können. Es ist be- kannt, dass in dem zur casusbildung verwanten suffixe bhi das hh übereinstimmend im slavischen, litauischen und deutschen, soweit die betreffenden casus erhalten sind, in m übergangen ist. Der tibergang ist von so besonderer art, dass er notwen- dig in die periode des ungetrennten Zusammenlebens der drei Sprachfamilien fallen muss. Ebenso ist es klar, dass die zunächst vorhergehende lautgestaltung in allen dreien dieselbe gewesen ist Ein unmittelbarer Übergang von bh in m ist undenkbar^ der von b in m nicht wahrscheinlich, ausserdem kann aber ein b, wie wir gesehen haben, in der slavodeutschen periode nicht bestanden haben. Nicht selten dagegen in den verschiedensten sprachen ist der Wechsel von reinlabialer spirans mit m. Diese werden wir als die notwendige Zwischenstufe zwischen bh und m betrachten. Nun ist es aber durchaus nicht wahrscheinlich, dass bh nur in diesem falle in die spirans tibergegangen sein sollte, während es sich sonst ganz anders entwickelt hätte* Alles stimmt vortrefflich, wenn unsere hypothese richtig ist

Eine hypothese kann allerdings unsere ansieht nur ge- nannt werden; aber man wird ihr mindestens die selbe Wahr- scheinlichkeit zugestehen müssen, als der hypothese vom abfall des hauches, die flir etwas unbestreitbar feststehendes ausge- geben wird. Wir würden also nach unserer auffassung für das iranische , slavische, litauische , germanische und keltische als das zunächst zu gründe liegende gemeinsame die tönende spirans anzusehen haben. Vom Standpunkte dieser sprachen aus könnten wir nicht weiter gelangen, und es stände nichts im wege darin das ursprüngliche zu sehen. Aus ihnen lässt sich auch kein argument gegen die ursprünglichkeit der me- dienafifricaten beibringen, wenn sie auch eben so wenig durch sie gefordert wird. Die entscheidung ist aus dem sanskrit und griechischen herzuholen und, insofern die Verhärtung der itali- schen Spiranten mit der der griechischen aspiraten in zusammen- hange steht und richtig aus assimilation an das tonlose h er- klärt wird, indirekt auch aus den italischen sprachen.

LEIPZIG. HEßMANN PAUL.

Beiträge zur geschichte der deatschen spräche. I. *4

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KRITISCHE BEMERKUNGEN ZU MITTELHOCH- DEUTSCHEN GEDICHTEN.

1. Zu Wolframs liedern.

Im ersten liede 3,1 4,7 ist nicht einzusehen, worauf sich die versabteilung bei 3,8. 19. 4,4 gründet. Die betreffenden Zeilen sind mit der jedesmal folgenden in eine zeile zusammen- zuziehen. Deshalb sowol, als weil der sinn dadurch gewinnt, wird 18 20 zu interpungieren sein:

zrvd herze und einen ftp hän wir: gar ungescheiden unser triuwe mit einander vert. 3, 25. 26 hat die handschrift: sus der iac erschein rveindm ougen. Eine änderung ist nötig. Lachmann vermutete beschän. Aber in 26 wird nach analogie des ersten stellen und der andern Strophen ein auftakt verlangt Ich schlage daher vor erschein beizubehalten und üf vor weindiu einzuschieben, vgl. 5,2. Nach 3, 23 ist ein kolon zu setzen; alsus bezieht sich auf die im folgenden gegebene beschreibung des Urlaubs vgl. 5, 14. 7, 10.

5,18. 19: ich ger (mir wart auch nie diu gir verhabet) min ougen swingen dar.

Ich zweifle, ob sich zu einer solchen klammer zwischen dem verb. fin. und dem dazu gehörigen inf. ein beispiel finden wird. Schön ist sie jedenfalls nicht. Transitives swingen mit diu ougen als object kommt meines wissens sonst nicht vor; da- gegen wird das intransitive swingen sehr oft von den äugen ge- braucht. Ich ger ist hier offenbar der zunächst vom falken ge- brauchte terminus technicus und kann demnach nicht einen inf. bei sich haben. Es wird daher die klammer zu streichen und kommata dafür zu setzen, swingen vielleicht in swüngen zu än- dern sein: Mir wurde niemals die gir gehemmt, dass meine äugen sich nicht dahin geschwungen hätten. Auch swingent

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KRITISCHE BEMERKUNGEN. 203

würde gut sein. Der eonj. praes. würde sichwol nicht vertei- digen lassen.

Ueber das folgende lied hat ausführlich gehandelt Lucae „De nonnuUis locis Wolframianis." Ich will mich nicht auf eine Widerlegung der ansichten desselben einlassen, die, glaube ich, von ihm selbst nicht mehr aufrecht erhalten werden. Ich schlage vor nach 5, 36 und 38 ein komma, nach 39 ein kolon zu setzen. Ich würde dann etwa so übersetzen: Du sangst immer die klage der heimlichen liebe (d. h. dein sang war ihr immer veranlassung zur klage), das bittere nach dem süssen (als apposition), so dass die sich scheiden musten, welche minne und weiblichen gruss auf solche weise (zurückzubeziehen auf helnde, also heimlich) empfingen. alsd 5, 38 ist um den Zeilen 5,41. 6,58 richtig zu entsprechen msd zu verwandeln. gerne in 5, 42 fehlt in B und steht in C nach sing. Es scheint demnach nur ein Schreiberzusatz zu sein und es wird uns frei stehen die lücke des verses durch ein passenderes wort zu er- gänzen. Ich schlage vor da von niht mere sine. Es wird da- durch ein passender gegensatz geschaffen zu dem d^ in z. 40.

Das letzte lied % 3 10, 22 ist zuerst von Wackemagel, dann auch von Lachmann für unecht erklärt, weil es „nichts als ein armseliges gemisch zusammengewürfelter gedanken und Worte eines nachahmers" sei. Ich glaube dieser ansieht mit gnind widersprechen zu können. Einer aufmerksamen betrach- tung kann es kaum entgehen, dass zwischen den drei ersten und den drei letzten Strophen ein merklicher abstand ist. Jene enthalten eine bitte um minne, die mit wenig aussieht auf er- hörung vorgetragen wird, und sehr schön mit dem schmerzli- chen ausruf abbricht, dass ein donnerkeil schwerer zu erwei- chen sein würde. Wären sie uns allein überliefert, so würden wir sie für ein vollständig abgeschlossenes gedieht halten. In den letzten Strophen dagegen gibt der dichter eine beschreibung seiner geliebten und ist glücklich eine so herliche wähl ge- troffen zu haben, die ihm hohen mut und freude bereitet Er spricht nur in der dritten person von ihr, während im ersten teile die geliebte angeredet wird. Allerdings heisst es auch 9, 28 got müeze ir herze erweichen. Doch Hesse es sich hier wol rechtfertigen, dass der dichter im gefühl der erfolglosig- keit seiner bitte von dieser zu einem für sich gesprochenen

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wünsche übergeht, üebrigens wäre eine änderung von ir in dm der einzigen handschrift gegenüber keine zu grosse kühnheit. Im zweiten teile aber ist gar keine spur von dem sehmerze in dem ersten, gar keine beziehung zu der bitte oder irgendeinem anderen gedanken. Man könnte ihn auch für ein selbständiges gedieht halten, wenn nicht der anfang mit ir ohne alle nähere bezeichnung doch etwas auffallend wäre. Mit grösserer Wahr- scheinlichkeit können wir in ihm eine spätere fortsetzung des liedes von einem andern Verfasser vermuten. Vergleichen wir nun den stil in beiden teilen, so springt die Verschiedenheit in die äugen. Die Ironie gleich im anfange, die kühnen bilder z. 9. 17, die etwas geschraubten Wendungen z. 14. 20. 27 sind so ganz der eigentümlichkeit Wolframs angemessen, dass man mindestens einen sehr geschickten nachahmer annehmen müste. Dagegen enthalten die drei letzten Strophen auch nicht eine spur von der weise Wolframs, sie bewegen sich vielmehr ganz in den gewöhnlichen bildem und phrasen der minnepoesie, so dass man, auch wenn man die ersten drei einem nachahmer zuschreiben wollte, sie doch davon trennen müste, weil die darstellung im Widerspruch steht zu dem ausgeprägten stü der- selben. Die beobachtung der reime kann diess resultat nur be- stätigen. Wir finden 9, 9. 13 Her: mir, 9, 26. 29 hoch: noch, reime, wie sie bei Wolfram sich auf jeder seite finden, nichts der art im zweiten teile. 9, 20 reimt gestalt auf gewalt, 9, 36 gestellet snxfgevellet; keins von beiden findet sich sonst bei Wolf- ram im reim, so dass ihm dadurch mit Sicherheit die eine oder die andere form zu- oder abgesprochen werden könnte; aber es ist nicht wahrscheinlich, dass er oder ein anderer sie beide unmittelbar hinter einander sollte gebraucht haben. Vielleicht lässt sich auch behaupten, dass der fortsetzer das metrum des ursprünglichen liedes nicht ganz richtig aufgefasst hat. Es scheint, dass je die erste und zweite zeile der stellen in eine zeile zusammenzufassen sind und innerer reim anzunehmen ist, 'da die zweiten zeilen nur dann einen auftakt haben, wenn das tonlose e des vorhergehenden reim wertes davor elidiert werden kann, 9, 4. 15, dagegen nicht 9, 7. 18. 26. 29. Im zweiten teile ist das nicht durchzuführen. Zwar 9, 40 könnte sist leicht gestrichen werden; aber 40, 2. 5 ist eine änderung nicht mög- lich, und die einzige aushülfe wäre höchstens, dass etwa die

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KRITISCHE BEMERKUNGEN. 205

kärzungen lacht, macht im innern reime fttr erlaubt gelten könnten. Doch davon abgesehen glaube ich, dass die andern kriterien schwer genug wiegen, um zwei Verfasser zu consta- tieren, als deren einen Wolfram anzuerkennen wir durch nichts behindert sind.

2. Zu Hartmanns erstem büchlein. Trotz der vielen glücklichen nachbesserungen Bechs bleiben in dem ersten büchlein immer noch viele verdiörbnisse, von de- nen wenigstens einen kleinen teil die nachfolgenden bemer- kungen zu beseitigen suchen. 20. dar umbe wolt em immer (er nymmer die hs.^ (ragen gibt so keinen angemessenen sinn. Er Würdeden kämpf doch auch getragen haben, wenn er ihn einem andern gesagt hätte. Für immer wird eine zu lesen sein, vgl. 310. daz herze hiez michz eine tragen, 100. ^^m ir gruo zeich dicke neic würde einmal die Sonderbarkeit enthalten, dass die dame zuerst gegrüsst hätte. Ferner ist nicht anzunehmen, dass der dichter, nachdem er ihr seinen sinn geoffenbart hat, sich nicht mehr vor ihr verneigt hätte. ' Anzunehmen aber, dass er damit nur hätte sagen wollen, dass er sich zwar noch verneigt hätte, aber nur nicht auf ihren gruss hin, würde der einfachen redeweise Hartmanns widersprechen. Auch schliesst sich das folgende nicht gut an. Es ist zu lesen gein minem gruoze se dicke neic, 115.6. hcete ^ mich doch als e, so gerte ich allez (so Lachmann, aller die hs.) gnaden me. Der Zusammenhang verlangt notwendig den sinn: behandelte sie mich doch wenig- stens wie früher, ehe ich ihr meine liebe erklärt hatte, so wäre ich schon zufrieden. Ich weiss nichts besseres vorzuschlagen für aller als keiner, welches dem sinne vollständig genügt, aller- dings von der hs. sich etwas stark entfernt. 238. dd dühte si ez verloren baz ist sinnlos, baz könnte nicht noch bei verloren stehen. Lies verboren, 257.8. daz er sine knehte hoene rvol nach rehte, hoene ist conjectur Lachmanns, die hs, hat lone. Der Zusammenhang verlangt, dass diess beibehalten werde. Das ist von Bech geschehen. Aber lönen regiert niemals den acc. Ich schlage daher vor : daz er sinen knehien Idne wol nach dem rehten. Das substantivierte sw. n. daz rehte ist im mhd. wb. n. 1 613 genügend belegt, wenn auch zufällig nicht mit der

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praep. nach. Vielleicht gehören hierher auch noch mehrere stellen^ welche ebenda 612 b unter das sw. m. gestellt werden, sicher z.b. Vrld 158, 1. Hinter 293 ist ein komma zu setzen und 294 'waz in swaz^ freude, wie schon von Bech geschehen ist, in freu4m zu verwandeba. Die construction ist: wenn ich daran (d. h. an das vorher erwähnte) denke, so erlöschen alle freuden, die ich je hatte. 309 ist hinter getar einzuschieben ez und die anftthrungsstriche in 310 zu streichen: ich wage es niemand zusagen, denn das herz gebot mir es allein zutragen, vgl 18 ff, 386 ist wol die änderung von mir in dir geboten.

451 konnte statt diu das sb der hs. beibehalten werden. 474 daz het ich Heller vemomen. Dass lieber von dem Schreiber für das ältere gemer eingesetzt ist, ist klar, und Bech hatte grund diess wider herzustellen. Aber der comparativ ist nicht zu rechtfertigen und weiter in gerne zu ändern, vgl. 436: und rvolt ez gerne vememen; gerner fttr gerne hat die hs. auch 1028.

Nach 568 ist besser ein kolon, nach 569 ein konoana zu setzen. Nach 720 ist ein komma zu setzen, 721. 2 die klam- mer zu streichen, 723 hörte fttr hoeret zu schreiben. Die con- struction ist: wie gross mein schade auch ist, so würde mich doch niemand klagen hören, wäre es nicht (rvan)^ dass du mir das nicht erlässt. 761 ist wol besser umzustellen: dem got daz hal enteil getan, als relativsatz zu fassen. 807. got also guot, ich bin hie ist durchaus unverständlich. Die von Haupt und Bech verglichene redensart bei Konrad v. Haslau 155: dem glich Jch bin ot auch hie" dient zur Charakteristik eines prahlers, der sich überall bemerklich zu machen sucht, und passt nicht im geringsten hierher. Dagegen ist gewis mit recht von Bech ver- glichen Er. 8855. 6, wo mit der hs. zu lesen ist: ouch ist mir daz für war geseit, got st noch als guot als er ie was. Danach wird zu lesen sein: got ist also guot als er was ie. 849 fF. ist die lesart der hs. fast unverändert beizubehalten: Sost min gnäde kleine die ich hän : wa7i du last mich deheinen wän ze liebe gewinnen. 895. Vor din ist wol die einzuschieben. 1028. ouch mäht du dichs gemäzen beruht auf conjektur. Die hs. hat dich sein gerner erlassen, und danach ist von Bech wider her- gestellt ouch mäht da dich stn gerne erlän, was er erklärt „du hast auch grund dich willig des scheltens zu entschlagen." sich erläzen in der bedeutung sich eines dinges enthalten ist

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KRITISCHE BEMERKUNGEN. 207

von Lexer nur an zwei stellen aus späten quellen nachgewie- sen. Es wird dich in mich zu ändern sein. 1132. swd ersieh selben {seJbs die hs.) verstau Es ist wol des selben zu lesen: sobald er dasselbe merkt, nämlich dass er missetut. Nach 1144 wird besser ein punkt, 1146 ein komma gesetzt 1209. mich ist von Lachmann mit unrecht eingesetzt Das herz soll dem leibe desto eher glauben, wie grosses leid er trägt, weil jenes dasselbe hat

3. Zur guten frau (Haupt 11, 385 flp.) 65. getriufvem friunde ist nütze U. Die hs. hat Ain getreilrvn fründ. Ein subst nütze ist mhd. nicht nachzuweisen. Es wird zu lesen sein ein getriuwer friunt ist nütze M] dieselbe construc- tion MS F. 128, 37. der (der getriuwe man) ist leider srvoere U; Freid. 22, 2. 3. swie liep daz mensche lebende si, ez ist doch nach tode unmeere bt

80 flf. diu juncvrouwe und der kndbe wären sament zollen stunden, daz si gedenken künden, wie holt se einander wceren^ an spräche und an gehoeren minien si sich su7ider, dazm z. 82 kann nicht heissen „seit derzeit dass.'' Sie waren nicht erst von der zeit an zusammen, wo sie ihre gegenseitige liebe erkannt hatten. Was heisst einen an der spräche minnen? ich schlage vor: stunden, sit daz si gedenken künden an spräche und an gebceren, wie holt etc. 351. hat, lies hete. 358. ald ich geloese {glas hs.) mich mi, lies ald ich geloicbe mich sin, 568. ez, 1. es, Nach 694 ist ein punkt, nach 695 ein komma zu setzen.

834 flf. 1. swer mich da her zuo iu Jaget, han wir detn {dem hant wir Sommer) wol geRchen sirtt, als ichz erhebe, so kumei enzit. Den gegensatz zu 835 bildet dann 837 wirt aber der jegere ze vil 864 ff. 1. do sin begunden nähen, zuo zin er da {zuo zim der da Sommer) ha:bte (er ritt auf die feinde los), gezogen- Hohe er drabte, 878. 9. dd warf der wol gebome sin ros hin wider diu ougen, wol zu lesen ir ougen (er wante sich gegen die front

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208 PAUL

der feinde). 1355. grüsm unde vehen. es wird an dieser stelle eine reihe von gegensätzen aufgestellt, deshalb ist zu lesen gräezen. 1365. tvazy 1. daz. 1378. als Metze alse {also hs.) friere. 1. aide Triere, 1385 ff. diu Mmie d zesamme twanc:

diu kundes tvol gevellen

ensamt ze einem wellen (One sani ze sine wollen \s%.) Lies gewillen etisamt se einem willen. Ueber willen willig machen vgl. mhd. wb. III, 664 1). 1412. sint wir 1. sin wir. 1570. vor, 1. V071. 1872. durch bäc, 1. durch den bäc. 2006. srves, 1. wes. 2486. lieben, 1. gelieben.

4. Zum Pantaleon (Haupt VI, 193 ff.) 693. (rüten, wol trüte. 1342. Für er ist wol ez zu lesen, auf daz bli z. 1336 zu beziehen. Das blei wird passen- der als Pantaleon mit dem maientau verglichen. Hinter 1885 fehlt ein punkt, wol nur durch druckfehler. Nach 2023 steht besser ein komma. 2035 konnte die lesart der hs. gencedec unde milte beibehalten werden.

5. Zu Pyramus und Thisbe (Haupt VI, 504 ff.) 68. daz du uns so sere keifest nu. 1. kellest = quellest 133.

vor der hanen kräi. 1. hanekrät. 139. ie, 1. ir oder ir ie, auf

Venus 137 zu beziehen. 175. und männiclich slafen was. 1.

entsläfen. 185. 6. an die stat do si im daz zeichen geben

hat. 1. da.

LEIPZIG. HEEMANN PAUL.

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ÜBER DIE SPRACHE DER ANCREN RIWLE UND DIE DER HOMIUE: HALI MEIDENHAD.

Wie wir in der Übersicht der neuags. Sprachdenkmäler (pag, 57 88 dieses bandes) gesehen haben, ist der Brut des Lagamon das einzige nags. denkmal, von welchem wir den namen des Verfassers kennen. Natürlich haben sich die engli- schen gelehrten viel gemüht, auch für andre nägs. Schriften die Urheber festzustellen. Wie weit dies Morton fttr die Anci-en Riwle gelungen ist, haben wir oben gesehen.

Ueber den Verfasser der Bali Meidenhad nun sagt Cockayne;^) I assume, from the tone of the tract (viz. B. Meid.), its eager advocacy of nunneries and profession, its mixture of advice and authority, that the. writer was of no less than the episcopal order. A probability is visible that he was also the author of the Anc- ren Riwle, of the life and passion of St Margaret, St. Juliana, StKatharine, of thepiece Si sciret paterfamilias, ofthe oreisun of St Mary and ofother tr^pts now lost These are all in the same homely, terse, eloquent English of the former half ofthe thirteenth Century, and are all of a devotional character, and almost all addressed to meidens, professed and veiled. The Story of St Margaret is distinctly named in the Ancren Riwle as known to the ladies to whom the latter piece is addressed, and in the tract now printed, the examples of St Katharine, St Margaret, St Agnes, St Juliana, St Lucy, St Cecilia are re- commended.

Ausser auf den ton der ganzen schrift stützt er sich auf eine stelle in A. R p. 244:

Nabhe ge pis also of Ruffin pe deovel^ Beliales broffer, in cur Englische'^) hoc of Seinte Margarete? und auf B. M. pag. 45;

») vgl. H. M. foreword VI.

*) Unter Englisch kann sowol altags. als nags. verstanden sein vgl. pag. 60, anm. 14.

Beiträge zur geschichte der deatschen spräche. I. 15

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210 WÜLCKER

pench 0 st kaierine, o st margarete, st enneis, st ßiUene, st hicie, st cecille and ope otfre hau meidnes in hevene.

Aus diesen stellen nun den schluss zu ziehen, der Verfasser derA. R. und H. M. habe alle diese heiligenleben nags. nieder- geschrieben, ist zum mindesten sehr kühn. Denn, wenn wir auch die leben der Margarete, Juliane und Katharine in nag& spi'ache besitzen, gibt es auch verschiedne altags. Margareten- leben, 3) deren eines Cockayne selbst herausgegeben hat, 4) ausserdem haben wir das alliterierende altags. gedieht auf Ju- liane,*) dann altags. homilien ftber Agnes «), Lucie''), Cecilie»), also, ausgenommen Katharine, besitzen wir von allen ange- Alhrten heiligen altags. homilien. Es können sich also die bei- den angefläirten stellen ebenso gut auf altags. wie auf nags. Schriften beziehen.

Ausserdem befindet sich Cockayne mit sich selbst in bezug auf Margarete im Widerspruche. Er setzt c. 1165 für die ent- stehungBzeit dieses h^ligenlebens an und will, dass A. R. vom selben Verfasser sei^). Für diesen Verfasser abersieht er „sehr wahrscheinlich** Richard Poor an ^®). Nehmen wir also an, dass Poor, etwa 20 jähre alt, 1165 das leben derMarg. geschrieben bat, so mtigfte er 84 jähre alt bischof zu Durham geworden (1229) und im 92. jähre gestorben sein. Jedenfalls sind dies bedenkliche annahmen. #

Doch gehen wir nun zur eigentlichen aufgäbe über. Cockayne glaubt, A. R. und H. M. seien vom selben verfassen Kein englisdier forscher hat dies bis jetzt zu widerlegen gesucht, wenn auch Morris sich sehr vorsichtig äussert i^. Mätzner und

») Einen Cambridger Corp. Christ cod. bespricht Wanley (Hickes m. 134), dann über Cott Otho B 10 vgl. Hickes III. 190* und 196 da- ii6lb0t wird Tib. A. 3. besprochen.

*) vgl. meinen aufsatz über die nags. sprachdenkmlUer ps^. 63 anm. 19.

*) vgl. Grein Bibl. der ags. poesie. 11. bd. 52— 7L ffickes III. 281.

•) Hickes 187, 191, 208.

7) ebehd. 187, 208.

8) ebend. 190, 207. •) S. Marg. pag. 6.

^) ▼gl* P^' '^^ u- ff* dieses bandes.

*^) Morris, 0. E. H. pag. IX. Soules Warde . . . has been ascribed to the aniiior of the Ancren Biwle, Hali Meidenhad and the smaller treatises already noticed.

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. ?11

Goldbeck halten Cockaynes annähme für unwahrscheinlich, gehen aber nicht näher auf eine Widerlegung ein 12).

Hier soll nun gezeigt werden, dass sowol aus sprachlichen, alfi auch aus Innern gründen, nicht derselbe mann beide werke geschrieben haben kann.

Wir beginnen mit dem sprachlichen:

a.

Altangelsächsisch hat kurzes a, ausser durch d^n umlaut^ vielfach Wandlungen erfahren. Vor m und n schwankt es be- deutend nach Oj vor den gutturalen r, l und h wurde es zu eck gebrochen, vor andern consonanten wurde es, wenn nicht durch a, u oder 0 in nächster silbe geschützt, zu ä geschwächt.

Hau Meidenhad nun hat meii^t vor m und n das a in 0 verdumpft, doch stets findet sich fram pag. 5, 7, 17, 27, 41 u, a. w. auch framim 29, frameb 31; und hwam 9, 13, 41 etc. Sonst steht 0, a vor n hat sich nur erhalten in: man pag, 17 z. 23 in der bedeutung =frz. on, sonst immer mm 5, 7, 9, 11, 15, 23 u. a. w; femer in and (et), kmcrn 11, aaum 35, 41.

Ancren Riwle hat ganz selten a vor mi in hrvam und hwamo blieb a durchweg. Sonst findet sich nur hier ui^d da einmal ein o. So schamel (nur Titus) 1^6^^), liccme 378, aber sonst $cheomel^^) (scabeUum), Hcome 4,y 106, 112, 152, 172, 258. Immer steht from 54, 62, 216, 356, vrommard 92, 248 etc., frormard 112, 134, 294, 376, 426. vor n wurde ausser in mt z. b. 112, 232 etc. ^^) mit ganz gerii^en ausnahmen a zu 0; hanä^nfule p, 146, aber auf derselben seite hond und sonst hondhnmle 94, 114, 290, anan 346 aber anon 370 und arwnriht 18, 226, 248, 2S2, 326. Durchgeführt ist htvo% während H. M. stets hwan zeigt, i®)

<'^) Mätzner Altengl. sprachpr. I. bd. 2. abt. pag. 6.

") Cleopatra bat scheomel, Nero aber stol

") Das e hier ist natürlich das zu dem seh gehörige, wie durchweg sonst A. K. sich findet scheome (pudor) 60, 108, 356, scheomen ^\1, sehe- omeleas 170, scheoniefuf 302, scheomeUche 366.

^^) Dass in ani a blieb, kann so wenig auffallen, als oben die form ^iwam. Beide formen, finden sich in altags. Schriften, welche sonst o durchgeführt haben. '

**) Morton stellt in seinem glossare neben subst wone wie es z. b. pag. 68. vorkommt (das ganz richtig altags. wana, tvona defectus ent-

15*

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212 WÜLCKER

Hali Meidenhad: Vor r ist« teils geblieben, teils in ea ge- brochen^'') worden. towardS, 5, 15, 17, 25, 29, 33u.ö. Ebenso aflerward, framward \l sl. compos; art (es) 11, 25, 29 etc., hard (dui-us), barm (sinus), armes (brachia) 45; arm (pauper) 7; 37 aber mrw; bearn (infans) 35, 37; hingegen bamteam 31; wear- nen (monere) 37; Garden (habitare) 43.

Vor / ist a selten gebrochen worden: ?ialden 5, 11, 13, 17, 19, 21 etc. pral (ancilla) 5, 7, 13, daneben prel 31. prittißld, sixüfald, kundred/ald2d] bale, cwalm^ 7ial/y ca//; /ä/ewi (flavescere), al (omne) stets mit a. Aber wealden 39, wealdent 35; ald 15, 37 hingegen 41 z. 28 ealdeste dohter und ealdren (parentes) 27, 35. Eine brechung des a vor h kommt nicht vor. mcJite (conj. praet.) a. v. o., nie meahte, pu mäht, mähten; tvaxen 3, 35 = altags. fveaxan ^®).

Ancren Riwle: Vor r ist a teils geblieben, teils zu ea ge- brochen worden, teils schon zu e übergegangen, armliche 328 1^); ageanfvard 274; foreward 126, 310, 360; onward 126; bearn 82, 272; eam (aquila) 134, 196; earm (brachium) 1 12, 394^ daneben erm 258, 402. herd (durus) 134 u. a. w; Ä^rm/en altags. hearm- tan, hermen 196, 256, dann immer pu ert; weamen 408 neben wamie 53, 64; geteward 272, 274.

Vor/ sehr selten ea^ wie healden 142 2»), manchmal eo: feolle (infin.) 140, feolleb 272. Ueberhaupt schwankt a vor / in A. ß. stark nach o. unvolden (explicare) 100; monifold 176, 298; feale- fold 180; monivoldm A02] preovold 82, 88, 110; kold 6; old 272] holde (inf.) 142; a hat sich erhalten al, schal, half, halp, halse (implorare), cwalm, vollen u. a.

a vor h: eihte 12, eihtube 14, eihteobe 236; monsleiht 56,

spricht), eine form rvean distress, pain, der altags. auch wana entspre- chen soll. Es beruht dies auf irrtum. Altags. findet sich weä gen. wedn^ hiervon stammen die foi-men mit ea. Die bedentung iniquitas, miseria, malum passt bei allen von M. angeführten stellen, nicht aber defectus. Man vergleiche 80, 108, 114, 156, 220.

1^) Ich behalte diesen landläufigen ansdruck bei.

**) feahe (to vary) geht auf altags. fäh zurück, gehört also nicht hierher (H. M. 457. 20), ebenso feahunge 43, 15.

*^) Diese form haben nur Titus u. Cleopatra, Nero hat ervedliche,

2ö) Nur Titus hat healden. Ferner hat Cleop. pag. 162. beoidd^ (confirmat), wo Tit. u. Ner. heldeti schreiben, sonst steht baldeUcke 62, 292, 354, 364,

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 213

210; meiht (2. pers.) 294. meih 230. Vor* x = hs ist a geblie- ben, mag es nun es oder x geschrieben sein, also wacseb 64, waxeti 98^ 288. In den meisten fällen ist also a hier in e ge- schwächt worden 21), während es H. M. a blieb.

Hali Meidenhad: Vor andern consonanten, als m, n, r, l, h ist a meist geblieben: pat, htvat, fader, aske, after; maken, makien; was; lat (tardus); gladschippe; glad; rabe (cito); ein- mal auch eatelvJcest {eatol = atol) 41; zu ^ ist es geschwächt in: gres (gramen) 35; gef {geaf) 21; wes 11, 15, 27; hrveter 29, togedere 17.

Ancren Riwle: pet, feder, gled, efter, et, sterp (mortuus est), gles, hingegen hac, habhen^ blac, water, was (54, 92), immer hrvai und hrvatse,

e.

H. M. hat e als umlaut von a, und von i in den stellen, wo er auch schon altags. eingetreten ist, ebenso verhält es sich in der Ancren ßiwle. Mithin ist hierüber nichts weiter zu be- merken, e steht auch vor r, l, h öfters z. b. h'erte (cor) 29 da- neben heorte 3, 5, 7, 9, 11, 15, 17, 31, 43, 47 u. s. ßle 35 ne- ben feole 7, 23 in H. M. A. R. hat feh 224 oder auch feih 326, feie 132 neben feole 320, feolevold 180. Auch das e als indifferenten laut an stelle eines altem volleren lautes zei- gen H. M. und A. R. in ziemlich gleicher ausdehnung.

Eine eigentümlichkeit der H. M,, welche A. ß. nicht teilt, ist die häufige ausstossung des e in compos. von per: prinne 11; prin 7, 9, 23, 31, 33; perin 5 z. 20; prof 11, 13, 19, 25, 31, 33, 43; perof 2% 31; pron 23, 25; pruppe 27, 29, 31, 39 und peruppe 39.

i.

In H. M. und A. ß. entspricht i altags. L Die brechung eo findet H. M. nur vor r und /, nie vor ä, statt: Jieorte 3, 5, 7, 9, 11, 15, 17, 31, 43, 45, 47 daneben härte 29; eorbe 5, 13, 15, 19, 21, 25, 27. 43; daneben ^arö^ 39 z. 35; eor(5liche 11,23, 27, 41, 45, 47; georne 3, 21; tveorreb 5, 15, 17, 35, 47; steorre 11; 5eör^(ferat) 15 undinf. äbeore 17; eorl 45; cheorl 39, weor-

^0 Das I in eikte-f monsleikt soll, wie unten feih, den dem tiefen kehllaute vorangehenden vokalähnlichen ansatz bezeichnen, den altags. mit a oder o in ea und eo ausdrückte.

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5J14 WÜLCKER

Ides 21 y 31 neben worlde 29 u. sonst. Vor / ist nur zu be- legen: ßole 7, 23; ßle aber 35.

A. R. hat: heorte, eorbe und eorbene, eortieülien; tveorre rbellum) und vörb. weorren. femer 348 hat Titus: weore^^) (H. M. stets wer). Aber rverc, steme u. a. Neben sterne (strenuus, severus) kommt noch die ächt^ südenglische form sturne vor, femer steorvetf (moritur)^») u. a. Vor /: feole neben fele^^ seolk 420, seolfor 152, z^oluh (flavus) 88. Eine ganz südeng- lische form ist sulf statt seolp"^). Vor h ist i zu e umgelautet worden (vgl. oben).

Vor andem consonanten zeigen beide denkmäler öfters formen mit eo neben solchen mit e, doch nur an solchen stel- len, wo auch schon altags. eo vorkommt. H. M. heofon 5, 13 neben hefen 13, 15. 19 u. a. cleopeb (nominat) 9, neben clepeti 3, 11, 33; undemeomen 19] geoven 33; eomeb=^rimb 39 u. s.w. A. R heoven, heovenrlche 94, 142, 150, 242, 358, cleopeö 58, 102, 132, 306; clepeb 98; seove (septem), 236, 324; seoueÖedS% geofe (donum) 203, 368.

H. M. entspricht i häufig altags y: kineriche ^= cynerice 19; kinedom 39; king 5, 23, 27 u, a. w. rvimie {vynn) 19; bisne ^=== bysen 4cb. Häufig steht auchw; dunt (ictus) 17; rüg (dorsum) 17; fielst XL a. (vgLu.) rvunne 27.*^6) A. R. hat hier u viel stren-

^) Die andre stelle pag. 352, wo Nero weri, Tit. wart hat, ist wol überhaupt zu ändern.

^) World, was sowol H. M. als A. R. haben, ist das einzige wort, wo H. M. ursprüngl. i in o hat tibergehen lassen. Doch hat hier jeden- falls w verdumpfend eingewirkt und es ist darum nicht massgebend.

2*) feie 132 hat nur Cleopatra.

28) Wie diese formen aus einander entstehen, zeigt Lag. deutlich im Worte: seolver. Er hat seolver I, 75, II, 139. Dies kann in zwei weisen contrahiert werden , je nachdem e oder o vorherseht: selver I, 187 A; solver II, 20& A. Für süver wird dann auch sylver gesehrieben und davon wider ein sulver A. I, 152, wie dude aus dyde = dide. So hat Laj. auch sulkene I, 94. vgl. die nächste anm.

^) Die «-formen sind natürlich umgelautete w-formen und i an stelle von y getreten. Wie nahe y und i in der ausspräche sich standen , be- weisen, ausser den vielen Übergängen von i zu y und umgekehrt, reime, wie Reiml. 49: gemynde: gecynde: ungrynde: winde und 73: nime'ti: becymeti. Allerdings sind die reime des Rl. nicht ganz rein, immerhin muss die anspräche des y und i doch sehr sich genähert haben. Vgl. auch u.

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 818

ger dürchgeflihrt nad wahrt so seinen südlieben Charakter: cunde »= cynd 120, 126, 140; ounne (genus) 368; wutme 198, 196, 200, 354, 398 u. a. w: wurp ö>^feä^"i)j ^^^ ^ ^

0 entspricht in den beiden stäcken dem altags. Bemer- kenswert ist nur A. E. o vor gutt h. Hier verdiaapft 'sieh o %n m, wie es ja altengliseh gewöhnlich wird, Aijoh Laj» neigt dazu. AR. hat bouhien 376, iboukt 398; brouhim 114, ibrcnM 144; bouh (ramus) 150 u. a. H. M. sehreibt brohte 45; adoht 27.26«)

U.

In beiden denkmälern steht u an stelle Yon altem u: ksßy Just, wunder^ stm, sunderHche u. a. Es wechselt u mit i H. M. ittr altags. y, wie winne 19, mame 27; Htel 29 neben kit 19, 37. A. B. hat hier u festgehalten. (An stelle von «Item i steht es H. M. in: muche, muchel, äude 15 neben dide 43.) Hier ver- mitteln die iormeifismycel und äyde, die beide sich altags. finden. Für u ==s altags. y liefern beide schriftstüeke sehr zahlreiche bei- spiele, u anstatt altem wi s. «mter w.

Gehen wir nun am den langen vokalen und diphthon- gen über.

ft.

Hier zeigt sich ein hauptunterschied zwischen der spräche der H. M. und A. R. In H. M. entspricht altags. ä ^ijx a: lare 3; wedlac 13; meidenhad 5, 11, 15; betakneb 5; Hftade 5, 9, 19; hau 5, 21; halinesse 13; dal 9^?), 25; lam (lutum). 5, 13, 23; wac 7, 11, 15; wacliche 9; sar 7, sari 13; sariliche 5; mare 7? 9, 11, 13, 15, 19; hal (sanus) 13, 15; lad 15; a {aa geschrie- ben) 15; an 5, 7, 11, 13, 19 u, a. w. behate 19; kalfves (sancti) 19; nan (nullus); laverd 23 u. viele andre.

A. R. ist ä meist schon in o übergegangen. Bisweilen schwankt man noch zwischen a und o, hierauf deutet die Schreibweise oa. Neben lore 18, 80, 198, 428 steht loare 254,

26a) Orm zeigt durch die fonnen: brohhte, brohht und bohhie^ bohht, dass hier nicht etwa schon ein d anzusetzen ist.

27) für dal H. M. und dol A. R. ist eine form däl altags. anzusetzen, obgleich nur dcel .zu belegen ist.

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216 WÜLCKEß

ebenso neben more 206^ 428 findet sich moare 64, 426; ^8) loave = altags. läf 168; sonst laverd 2, 28, 30, 32, 430 u. a. w; on; forgm 8, 10; Uhoten 8; hoU 10, 28, 48, 160, 360, 426., 428, 430; hoHnesseS] meidenhod 164, 392 u. a. w; bitocneti Vi. andre formen des verbums: 170, 300, 326, 374. liflode 350, 352, 362, 380. woc 4, 178; tvocnesse 66, 232, 280; sor 354, 376; hol (sanus) 112, 430; gost (spiritus) 426, 428, 430. or (honor) 26, 32, 80,' 136, 316, 406, 430; lodliche 50, 118, 256, 418, lodlukest 66; dol (pars) u.a. Selten blieb a: hcUewen (sancti) 30, 124, 166, 232; wedlac 206.

Das altags. ob (oder wie Koch schreibt oeY^) wird H. K und A. K. teils durch ea^ teils durch e ==^ e widergegeben.

EL M; learenSy 6, 9: read (consilium) und readen 3, 9, 19, 21] ear (prius) 6; earre 7, earest 16. eaver 5, 7, 9, 11, 13, 19 u. a. w; netwer 11, 16, 17; meane (altags. nur gemosne)] leaden (ducere) 3, 6, 13; ckane 11, 13; healen 16; leaf 11; leave 15 (relinquere); eanes 11 {cene)\ - formealen 13; ä^cw^ 7; Uheaste 19 u. a. Durch e ist es widergegeben: w^ver 37; flesch 5, 13, 15, 21, 26, 43, 47; seli% 11, 17, 39; unseli 26; dede 9, 17, 21, 25; bere {ßebceni) 31; ii;^r^ (esset) 3, 46 u. a. w; eni 21, 29, 39, 43; mest 9.

A. R. hat ebenfalls teils ea, teilst: eaver ^ leafdi4i\ cleane 4, 8; read (consilium) 6, 198, (consulere) 224; reades mon224:] read 224; tear (von der form teer) 64; leareb 64; leavei^ = lw/an\ leaten 394; leate; ileaned 208, 314 u. a. e steht dann oft im selben werte: deden 4, techeti 4, j/ejt?m 4; clennesse 164; /^^ 64, 108, 114; ilered 64; redf (consilium) 66; lefdiA, 66^0); evere' 4; hestes 6; ^ecÄ^ 6, vleschs 164; fe^m 6, 8, 12, 103, 268; erest 64; u. a.

Altags. e ist in beiden denkmälern e geblieben und bietet weiter nichts auffälliges.

^) Doch ein paar zeilen vorher steht wieder more,

29) vgl. Koch, grammatik I pag. VII.

^) lefdi ist eine richtige nags. form, welche altags. hlmfäige entspricht. Ebenso findet sich dann Uafdi daneben, wie sowol mit e als mit ea wider gegeben wird. H. M. Uivedi 5, 9, 15-, lafdischipe 7 ist wol durch laverd = Mäford veranlasst.

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 217

R M. ebeHche 9, 11; cwen 7, 9; cwemen 3, 11; herest == herian 7; her 39 (von heran altags. nebenform von hyran)\ alesen 15 {alSsan altags. neben alysan)] ebenso das umlauts -e in dehtren 19; sechet5 17; scherte, schenre 23; /re/ö (cilan) 25; fordemen 41; grenen 35 u. a. A. R. zeigt ebenso urspr. e und den ö-umlaut als e: cwene SS^ 170, 296, 336; ctvemen 138, 192, 238. *cÄm^ 98, schenre 100, 324, 352. sechen 164, 274, 318, 350 u. a. w.

1.

Im allgemeinen bietet i in beiden denkmälern nichts bemer- kenswertes. Nur beachtenswert ist Hc mit seinem comparativ und Superlativ. Dass hier i noch lang war, beweist Orm ^^). Der positiv hat i festgehalten, der guttural ist in ch übergegangen: E,M,hevenliche,b, 21; eort5Uche41\ HcomUcheZ,^, 17; bitterliche 25]fleschiiche26-^ sikerliche 11; hokerliche 35. üeberallhat sich vor dem Zischlaute i erhalten ausser in glaäluche 29 z. 7 »2)^ swoteluche 41 z. 1. A. R. hat überall den gutt. des positivs in den zischlaut verwandelt: misliche 6; luveliche 104; vlesliche '104, 240; sikerliche 352, 364; 'sunderliche 90, 302; puldeliche 106, 158; ungledliche 338. Im compar. und superL haben aber beide /r festgehalten und i zu w verdumpft: H. M. hlitieluker 3; hokerluker 15; strongluker 15; wodeluker 15; etiluker 25; labluker 25; la&lukest 41; lovelukest 11; bitter lukest 35 u. s. w. A. R. openluker 8; vestluker 234, 238; rvisluker 234, 318; wwcw- melukest 414^3); stronglukest 218; loblukest 66 u. a.

ö.

0 im altags. entspricht in beiden Schriftstücken o, nur ver- dumpft A. R. auch hier, wie daz kurze o, langes o zu öw vor gutt. Ä. Während H. M. dohter 3, 5, 7, 15, 39, 41 u. s. hat, zeigt A. R. douhter 258; slouh 118, 136, 298, 336; drouh 102 u. s. w. Die form nouwhare 160 neben nohwar 134 ist zu er-

") Orm hat z.b. hlipeli^, UipeUke D 92, 131; 307; H. I. 30, 44, 83, 107 u. s. w., nicht hUpeli^^. fuUikell, 213, 286; 334; gastliCy gastUke TL. 140, 141, 142, 146, 177 u. a. w.

^) Vielleicht ist diese form nur auf rechnung des Schreibers zu setzen, denn in derselben zeile mit glaäluche findet sich lihtliche und lärgeliche. Neben swoteluche steht in der selben reihe blitfeliche.

^) Nur Titus u. Cleopatra haben diese form. Nero : unkuindelukest.

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218 WÜLCKER

klären, dafis hier auch einmal ein nieht ursprttngL o sieh vor dem gutt verdumpfl; hat. Eine einwirkong des w hier anzu- nehmen, ist schwer glaublich, denn, wenn auch graphisch das n> an das u ini% in der ausspräche stand der kefaUaut dazwi- schen. Einen fall, wo wirklich langes o durch folgendes w ver- dunkelt worden ist, zeigt A.Ktouward 92, 96, 256, 430u.a.w. H. M. kennt diese Verdunkelung nicht

ü.

An stelle des altags. ü steht in beiden denkmälem auch u. H. M. hus 3, 7, 9, 11, 29,39; buh (imper. von bugm) 3, 17; btUe 11, 14, 21; wit^ute 13, 35, 39; luteb (se inclinare) 43; sukeb 39; bilukeÖ 37; ßU 25; fuUtoheschip 31; dun 21; duneward 21, 23; ferner iwwö 3, 25, 35, 37; ßrcub (pravus) 33. A.B. äw^ 104; huselefdi 414; husewif 4^1^'^ bute und buten 98, 114^ 150, 210; ful 118, 216, 236, 276; pusmt 100, 336, pusmt 202; mwÖ 102, 106; cub 204, 342, selcu^ 8; Imsel 208.

Wie häufig nags. kurzes, u für altags. y steht, so auch lan- ges u an stelle von langem y, mag es umlaut von ü, eo oder ed sein, brud 5, 7; brudlac 3, 9; /w/Ö (altags. ^y/Ö L.) 3, 11, 13, 27, 31 u. s; /ur (ignis) 39 u. a. A. R. brude 164; /ust (pugnus) 82, 106; /ur 124, 150, 206, 228 u. s.

eö.

Altags. ed entspricht in H. M. und A. R. teils eo teils e, welches natürlich lang anzusetzen ist. H. M. deore (carus) 11, 13, 21, 27, 29; deoretvurbe 3, 5, 29; deortvurtiUche 11; /eo/5, 11; leofmon 6, 11; leovest 19, 21; leodB, 21; deope 23; deopUche 3j peof (für) 17, 29; dreori (moestus) 17; breost 8, 23, 43; ferner peowdom 5, 11, 25; feond 5, 15; freondl, 13, 11, {friend 19); /eoröe (quartus) 17; blreorve 9; bireowsinge 15, 21; ifreon^e 5, 13, 19, 29 daneben dere 27; /e/ 15, 29; fend 37; vor allem aber hat e im praeteritum der ursprünglich reduplicierenden verben um sich gegriffen ^4). A. R. deore 190, 329, 408; deore- würbe 98, 102, 106, 112; daneben 98 derervurti; deorUng 336; leoflh2, 204, 230, 232, 238; deop 232; deopUche 154; dßor (bestia) 196; dreori 106, 274; ör^o^r 200; peov 150; forleoseii

^) Ein teil dieser verba ist allerdings schon nags. zu den schwachen übergegangen. So La^. leite, Iceite^ leatte. A. R. /d«^ 112, 366; slepte 238, 270.

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ANCREN RIWLE UND BALI MEIDENHAD. 219

150; veond 190, JIO, 264, 256. Im allgemeinen liebt A. R. die Schreibung e statt' «> nicht So findet sich heold lOS, 148, 172; veol 226, 260, 336 und nicht held und vel

eä.

Altags. ed wird H. M. teils mit e teils mit a widergegeben. Der gröste teil aber bleibt ea: ear 3; eadi 5, 13, 15, 21, 23, 39 u. a; eadinesse 11; heavedSj 25, 35; bread 31; dreatn\% 21; leave 29; bileave 5, 19, 33; scheatven u. andre formen: 3, 9, 23, 27, 2%VL.%.Tveab, 7, 25, 31, 37, 39 daneben rva^l, 3534»); deatS 17, 27, 31, 33, 45; deadlich 13, 21; undeadUch 13, 39; reaver 29; reavets 31; bireaveii 29; team (soboles) 41; bamteam 31; teame u. a. f. 33, 39, 43; fernes aber 43 z. 22; >ean? (mos) 3, 43 daneben pawful 45; unpeaw 9, 25, 41. Nirgends findet sich H.M. eine e-form, wo nicht auch altags. e neben ^d vorkommt, 80 tbrnn Geh, 196; ec 35, 39 kommt vor Ex. 194, Dan. 305, Sat.326; ehne^^) (oculi) führt auf altags. ätöw zurück, das sich Sat. 728 findet, heh 5, 11, 15, 17, 21, 23 hege 13, hehschipe 5, 19 u. s. w. weisen auf die altags. schon gewöhnliche form heh hin. Auch in den praet. der VI. abl. klasse steht ea: forleas 15, cheas 15, 47. A. R. ear 90, 100, 104; eadi 28, 142, 146, 154; eadiIicheS2Sf eadinesse 28; eadmodfiesse 8; heaved 10, 130 daneben hefden 188; dreäm 210, 214 dreamen (sonare) 430; leave 230; biteave 280; unbileave 8; scheawen 90, 98, 154, 292; deab 6; dead 112; o^mrfen 112; reaven 68, 96, 286, 300, 396; team 216, 288, 336, aber stets temen 220, 288, 308; rvea 80, 108, 114, 156; federleas 10 daneben scheakeles 94, /öö/ecw 188; ec 168, 236, 240. Wie oben meihi, eiht u. a, so wifd heh zu heihy heihschipe u. s. w., durch einwirkung des folgenden kehl- lautes, ebenso, während leas (von leosan) 54, bead 230, 390 von beodan rein ea behält, wird fledh zu fleih.

el

wird unter ^, g besprochen, da es für äg meistens steht.

Uebersehen wir noch einmal die vokale, so zeigt sich schon eine so grosse Verschiedenheit in beiden denkmälem, dass sie nicht einem Schreiber zugeschoben werden kann. Vor allem

**») OflFenbar ist hier schon für das subst. eine form rvä (wovon alt- engl. wo) neben wed anzusetzen.

^) Cockayne setzt ohne grnnd ehnefiy während die hs. ehne hat.

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220 WÜLCKEß

liebt A. R. dumpfere laute, als H. M. und ist so jedenfalls in einer südlicheren gegend, als H. M. entstanden.

Gehen wir nun zu den consonanten über, so stimmen hier beide denkmäler mehr überein, als in den vokalen.

Wir beginnen mit den Spiranten:

w.

Einfaches w im anlaute entspricht dem rv verwanter spra- chen, wie: was, rvorld, rvidetve, tvilni, wunder und bietet nichts erwähnenswertes. Nicht ganz gleich sind Verbindungen des ro mit andern conson. im anlaute verlaufen.

hw. Lag. 36) hat teils hw, teils schon wh. Der laut ist na- türlich derselbe. Im norden Englands wird der gutt. stets vor dem w geschrieben. Eine ausnähme macht Orm^"). Genesis und Exodus 38) hat quamie, quaiso, quiles; Barbour^^) qvhm, quhethir, quhär, quhat u. s. w. Minot^^) hat allerdings wh. H. M. hat, wenn überall, wo Cockayne hw setzt, auch wirklich in hs. hw steht, nur hw ^^). hwaty hwer, hwi, hwen, hwuch, hwile u. s. Ebenso verhält es sich bei A. R. hwatse, hwederes, hwarto, hwar- burh, hweolj hweolp (catulus) u. a.

cw schwankt schon bei Lag. nach qu. H. M. hat mit einer ausnähme av: cwen 9, 11, 21, 27, 45; cwemen 3, 5, 11; cwike 13; acwikeb 17; cwikede^!^'^ cwalnt2%\ cweöeö 41 z. 23. daneben

3«) Oft findet sich das h bei Laj. an ganz falsche stelle gesetzt So neben whar (ubi) ein wahr, neben what steht waht Es zeigt dies eben, dass schon damals im isüdwesten h nicht mehr gehört wurde.

^) Dieser ist jedenfalls doch dem Nordosten Englands zuzuteilen, wenn er auch nicht, wie Koch 6) sagt, ein Noidhumbrier ist.

3*) Genesis und Exodus neigt in andern formen nach der spräche des Südens hin, doch hierin schliesst es sich dem nordenglischen an. Hg. in Earl. Text Soc. Nr. 7. vsn R. Morris. London 1865.

39) Herausg. in den Extra Series der Earl. Engl. T. S. Nr. XI. von Skeat.

*«) Minots werke finden sich von Wright herausgegeben: Political poems and songs relating to the English history II. In Berum Britann. medii aevi scriptores.

**) Es ist allerdings zu bezweifeln, dass die hss. tiberall hw haben. Denn in Lag; prov. of Alfr., 0. a. N. u. a. nags. denkmälern steht hrv und wh unter einander gemischt. Es ist also anzunehmen, dass Morton und Cockayne öfters, um einheit in der Schreibweise herzustellen, wh in hw geändert haben, ohne weiter eine bemerkung zu machen.

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 221

quoh 19 oder quod 45 *2). A. R mischt cw mit gii, allerdings ist cw das häufigere: crvm 88, 170, 296, 336; cwemen 138,192 338; daneben queme2^\ ctvic 112, 170, 310, 332; cwicliche 24ß\ qmc 122 (nur Titus u. Cleop.); cwälm 160, 140; cweb 122, 234, 338; cweatf(altags. nicht belegt*3) = malus) 72, 336; cweadschipe 310, 422; qaicshipe 150.

Andre consonanten Verbindungen, wo tv an zweiter stelle steht, wie dw, ptv und das häufigere ttv können hier übergangen werden, da sie unverändert bleiben. Auch sw bietet nichts ver- schiedenes in beiden denkmälem.

tvl ist schon altags. eine seltene Verbindung. Im nags. ist wl*^) schon im verschwinden. H. M. hat noch; wlite 11, 19, 35; wlonk 31; tvlecchunge 45; A.B. wlaiien altags. tvlatiariy wlä- äan (Bosworth) 86, 400; tvlaiunge 80; wliie 200, 398; 98 (nur Tit u. Cleop.); rvlech 202, 400^5). Zu Wallis zeit wurde w vor r noch gehört. Wäre w schon früher verklungen, so hätte man es auch sicher nicht in der Schreibweise beibehalten. Es ist für unsren zweck nicht ^weiter zu beachten, da es in beiden denkmälem gleichmässig stehen geblieben ist

Einwirkung des w auf folgende vokale:

Häufig verdunkelt rv den folgenden vokaL Schon altags. ist dies häufig: nmdu, nmduwe, rvuton (eamus). H. M. hat kurzes i zu u verwandelt in: wule 29, rvullen 31 daneben rvil 25, wult 17, 27; fvummon 31, 35;*®) daneben wil (voluntas) 17; willneb (desiderare) 29; in einsilbigen Wörtern ist i stets geblieben: ausser ml, wiht 47; rvit (intellectus) 25; ausnähme macht hwi woneben sich hu findet (vgl. unten) und die pronomia, ewcÄ *'), hwuch, sfvtu:h. Statt tve steht wo in swolleb 15; statt tve in

^) Dies wort ist allerdings nicht von grossem gewichte, da es immer nur abgekürzt qtS oder qd vorkommt.

") Neuags. aber Lag. A. 5061; qued 0. a. N. 1137.

**) Koch sagt 1 p. 104, Orm habe kein wl mehr, doch es findet sich noch pag. 20 v. 666: pe wUte off enngUkinde.

^) A. R. rvlech H. M. tvlecchunge beweisen das dasein eines altags. vläc, dessen existenz Grein (glossar U, 727) leugnet. Die bedeutnng haben Ettmüller und Lye richtig aufgestellt: tepidus.

^) Tvimmen findet sich pag. 15.

*^) AxLeuch lässt sich der verlauf dieser pronomina auf Uc verfolgen: Altags. cehfvilc fUr (ßghtvilc Hom. I pag. 13 z. 20 elc Kat. ervc nnd euch wie hier.

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?83 WÜLCKER

mote 13, 19, 29, daneben aber mete 9, 29, swoteltiche 39; quob fftr cwaö oder cweö eetat Coekayne (vgl. oben) an. Oft fallt n^ auch gauz aus; am 3, 15 u. a. suster 17; euch (oder ist hier dn ewcA =^ ^?w<^Ä wie in Kat anzunehmen?); ichulie 19, 27; tmle II, 27; y>a^ wuüenha millen^\\ wutteha nulle Äa==^neuengL wi7/ tliey nill they. Ohne Veränderung des folgenden lautes fällt w aus in nat =^ nevät und in naldes u. andern formen des praeteritums, A. ß. zeigt auch hier, wie wir schon früher ge- sehen haben, verliebe zu dumpfen lauten: wule 212, 238^ 254 u. a. w.; Tve nncUeb 168. von witen findet sich tvot 54, wost 96; g^ wM^en 236; wüte 174, 190, 204; daneben finden sich auch praesentisch gebildete formen; ge wütete 68 und nmteti in(iper. 98, 248; 4^) wummon 68. Ausser in den pronoffl^en ist i in de?;i einsilbigen meist geblieben z. b. cwic nie ctvuc oder cwc; die pronomina sind: swuch 68, 242 u. a> w.; ä«;wc 112, 196, sonst hwuch; htm 212, 256 = neugl. how, hnm 148, 398 = why. Auch auf langes i hat w neben dem schon angefahrten wmi' mon eingewirkt in hnmle 68, 238, 254 und swutie 92, 244 aber STvit5e 236. Auch in hwo ist a verdunkelt, während H. M. stets hwa hat. Ein hwot findet sich aber nicht in der A. E.

Schliesslich ist vom anlautenden w noch zu bemerken, dass h. R. vor d ihm häufig, wie dem ^c ^. g ein e anfllgt Schon alt^s. haben wir z. b. weox. A.ß. sind es: tveox 258; weosch 66; weop^ 274, 312; ausserdem findet %\Qk weolcne 246, 306 neben wölken 174, H. M. kennt diese einschiebung nicht.

Femer ist eine eigentümlichkeit der A. R., dass sie ich chulfe = ich wuUe, H. M. ichulie (vgl. oben) schreibt, ebenso ich chudde 186^»).

w im Inlaute entspricht oft altags. g, welches man sehe.

it' im in* und auslaute. H. M. schreibt im in- und aus- laute w: peawes 45, unpeawes 41; treoweliche 47, ewt (aliquid) 43; ^eow/icÄ^ H. M. 39, 47; bireowseb 43; reow/ulnesse 4\\pem' dorn 37; schaweb 37, scheawen 39, ischeawet u. a. A. R. liebt w im auslaute u zu schreiben, treou 254, 402; (arbor) treou- Uche, treounesse (fides), peoudom 32, 218, >eaw 88, 278, 300

*8) Hiernach ist das von Koch I pag. 336 $ 71. unter 1) gesagte zu berichtigen.

^) Selten findet sich ichulie 72, 126, 222, aber auch ic chuäe 76, 78.

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 228

}>eaxifaie 422, hingegen im inlaute treawesehüpe ^ treowe (fideliß); pl peams 200, 240; mpeau 162, 200 aber mpeawes 132, 176, 252. rmfianesse^^\ reounesse (Cleop. p. 144). Aus ursprünglichem, wie aas na^. m^^) entwk^kelt sich öftersein u und verdunkelt den Yorhergehenden vokal. So hat wol seheauware 90 z. 20 und scheaufvinges 268 14, da kaum anzunehmen ist, dass drei vokale gesprochen wurden, wie schedware gelautet.

j-

Ursprüngliche y im anlaute sind, wie viele alte ^, in g übergegangen, den tonlosen palatalen Spiranten. Ursprünglichem y entspricht g: H. M. ge 11, 13, 17, 31 u. s.; gif 11, 13, 17,31, 37, 39 U.S.; gea 27; gef 31, 37, 41, 43; geomerunge 35. A.E. Ze; gif^S, 70, 116, 146, 170, 200; get 66, 92, 170; gut 356; ger 190, 218, 412; goc 156; gun^ 70, 424; guwebe 156, 192, 206; gurvebehode 342.

Alte g die zu g wurden vergleiche man unter g.

J im inlaute: in den kurzvokalischen stammen der sw. verba steht häufig noch das /: H. M. carien^l\ clepien 45; hopien 43; hatieti 33; lufim 31, lüftete 21 ; hivieb 43; luvte 31; makim 31, 33, 37; polten 33; wakien 37. Doch haben wir auch daneben foimen, worin / schon ausgestossen worden. A. ß. hopien 78, hopie 230; hivien 206; lufietS 350; makien 6, 192, makie 224; daneben makeb 224; ialie 356; poüen 6, 134, 220; wakim 4, 144, 278, wakieb 144 daneben waketi; wilnie 66; nmnien 134, 158, 340; nmnieb 142, tvuneö 126.

S.

s im anlaute bietet nichts bemerkenswertes. Esentsprioht m beiden denkmälem altags. s.

Auch anlautendes sl, sm, sn, sp, st entsprechen denselben altags. lauten. Ebenso sw, so weit nicht nach Verdunkelung des folgenden vokales das rv ausgestossen worden ist, wie z. b. in sustren (vgl. oben).

sc. Vor e, i und y (mag es umlaut von u sein oder für i stehen) und ihren längen wurde sc wol schon altags. sc als scharfer Zischlaut, wie seh ausgesprochen. Vor den andern vokalen fügte inan altags. ein e ein, um diesen laut anzudeu-

^) Das heisst das ans altags. g entwickelte w. Vgl. darüber unten,

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224 WÜLCKER

ten, also sceamiU Ps. 89*; sceädan (dividere) Ruine 39; sceolde; scedp (vates) Metr. 30*; scedhc (schola) EL 1301; sceuccaV». 105 2'; Lag. hat oft im anlaute ein s, besonders B. ^^), sal neben scal, sceld und scäld, sort neben sceort Im in- und auslaute findet sich auch $s. neben fisch, fisccere und fisscere. Stets sc steht bei Lag. vor r. Orm hat vor r sh: shrifmn.

H. M. hat anlautend tiberall seh: schal 5, 16, 27, 29 u. s., schome 7, 17; schomliche 27; lafdischipe 7; falschipe 5, 7, «'wrft- schipe 5; hehschipe 5; cleanschipe 21; halschipe, 5 u.v.a. Neben so vielen ^cä ist hehscipe 19, 21 nur als verschreibung zu be- trachten. 5cMtf 15; schulde 25, schuldest 25; schulen 21; ^cäö/? (creavit) 9; ischeawet 9, 27;. scheawen 27; schinende 23; ^cÄ^^ 23, ^cÄe/ire 23.

A. R. liebt es, trotz der Schreibung .9cä noch das e einzu- schieben: scheadewe 242, 364, 366. scheome^O, 108, 312; ^cÄeö- me/ul 302, scheomeliche 266; scheon (calcei) 362; daneben aber schone 420» Ebenso schamel, schonken, schucke. Es ist also die einfligung des e nicht durchgeführt.

In der Verbindung scr ist ^c auch zu sehr geworden H. M. Schrift 15, 21, 25; hingegen iscrept 23z. 34 von screpm (rä- dere) *2). A. R. hat stets sehr. So schrapien 116, 344; schrepeiS 186, 344; ischrapede 82^^^)] schrift4t, 6, 298, 300u.a.w;; sckri- ven 266, 340, 344, 426; schruden 214, 216, 302, 412 u. s.; schrude 300.

sc im inlaute und auslaute: H. M. flesches 5, 9, 13, 16, 17 u. s.; flesch 5, 13, 15, 33, 35; fleschliche 3, 9, 15, 17 u. s., eag- lische 5, daneben 37 z. 19 on englich. Hingegen stets aske. A. R. hat aski 4t u. s., askin (favillae) 214; auch metathese aeseS 8; wacschunge 332, daneben wassunke 332; waschet 324, 424 (imper.), waschest ^24c\ weosch^O()\ vlescJte ISO, 234, dsnxehen vlesliche 10^ 240, 244; und vlessis 140, auch vlesshwise; Englische 244; &i- schope 6.

Die eine stelle, wo jcä statt ch steht, nämlich 418, hat nur Titus: schirches = chirches, doch dies gibt gar keinen sinn und ist verschrieben fllr schriftes.

*») Aehnlich schreibt Robert von Gloucester ssip,- ssame u. a. Die ausspräche ist natürlich in beiden fällen die eines harten zischlantes. *2) screpan ist auch altags. zu belegen: Älfrics hom. II, 452. ed Thorpe **a) Das particip hat nur Cleopatra.

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ANCREN EIWLE UND BALI MEIDENHAD. 226

r.

Die einwirkung des r auf vorhergehendes a haben wir oben besprochen. Metathese, die schon altags. häufig yorkommt, hat H. M. in eomeb 39; heameti 43; A. R. eomen 74, 86; cor- ne6 42, 80, 332, 360; pari umen 188. bernm 306, berrdnde 122, 310. r, welches schon altags. an die stelle von altem s trat, ist natürlich r geblieben.

1.

Die Wandelung des a und i durch / veranlasst, wurde oben besprochen.

Der ausfall des l in euch, hnmch, such ist in beiden denk- mälern gleichmässig eingetreten.

m.

m im auslaute wird öfters abgeworfen in H. ÄL fra^ 5, 23, daneben fram 7 u. s; ebenso ha statt ham (eis) 7; A. B. behält m bei: from 54, 62, 216, -366.

n.

n im auslaute fällt H. M. oft aus, so in den praepositionen i, 0, upo = in, on, upon: ipe häufig; ipi 47; imi 19; ipat 13; ipis 13; ibodi 23; ibreoste 23; iflesches futöe 27; ibedde (jnlecto) 31; ihnmch, 37; ^ö^e^ /ut;e43; itvidewene ring 21] imoni care. ope 15, opi 17, ogrome 15; o/»m 35; olatines Jedem 23; opulliche Tvise 33; /»m wirft vor consonanten das w ab: pi wil 31; />i Word 45; ebenso wpe 21, 35, 39, 47. Auch sonst ist n öfters abgeworfen: hevelich 7 neben hevenlich 5. Endlich fällt im In- finitiv und im conj. plural häufig n aus, ohne bestimmte regel sowol vor. consonanten als vor vokalen ^3), Vor vokalen ist es allerdings seltener, i finde 29; beo 29, 31; iwurtien pe 33; seggen for 33; daneben aber makie to 27, 29; carie for 29; carien and 27; wakien in 29; schearven hit 27; drahen his 33; aber ende in 27; bireave ham 29; teame ha 33 u. ß. Neben dem partic. ibore 35 steht 37 iboren u. 55 ibom; icnute 33 und untohe 31.

^^) Cockayne hat hier oft ganz willkürlich n eingefügt. Li^. A. hat zwar fast überaU noch das n, allein B lässt es meist weg. Altengl. ist der ausfall des n sehr gewöhnlich und so mag in H. M. auch das n schon oft verschwunden sein. Keinenfalls sind wir berechtigt, im nags. gegen die hs. ein n einzufügen.

Beitrage zur gesohiohte der deutschen spräche. L 16

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226 WÜLCKER

A. R. i parais 54; f&ew eien 64; für in oder i schreibt A. R. oft, abweichend von H. M., die vollere form ine^^). Aehnlieh 0. a. N. So: ine luve 202 \ ine hope and ine trust 202; ine unkut^e peode 250; ine Dauides siht5e 56; ine mine earen 98; ine Mi rvrite 112; ine his iborenesse 158; ö leie (in flamma) 202, o wummone 224; o fluhte 248; o vif halve 112; oöe 112 u. s. oft; ot5e spitel 250; vor vokalen aber: on eihie distinciuns 12.

Im Infinitive und im part. liebt A.ß. das w beizubehalten: 5^) witen (tueri) 4, 10, 14; wilnen 60, 148; weamen 408; daneben warnte 54, 64; makien 6, 176, 192; wählen 4, 144; reaven 396, rotiert 116, 274; techen 176; holden 176; biholden 54; bileauen 340; 5/wnml30, 268, 306; />encÄm204; ^>^o/i 416. pari: iknowea 224; «Z><?rm 158; iholden 250; u. s. w.

Im conjunctive lässt A. ß. das n ausfallen, wenn daspro- nomen nachsteht: ileve ^e 224; give ^e 98; teile ge 224. In die- sem falle fehlt es oft schon im altags.^^)

Wir gehen nun zu den muten über, zuerst sollen die labi- alen abgehandelt werden.

P-

p im anlaute ist altags. wie gotisch selten. Der gröste teil der so anlautenden Wörter sind fremde. Im nags. kommen durch das rom. viele stamme dazu. Altags. plegan (alacriter se movere) pleien 41 H. M.; A. R. 94, 212, 230, 3l8, 424 Sonst finden sich pinunge 35; pinet5 39; passet^ 39, 43; pes (pax) 41; paraisc 45 u. a. A. R. parais 54, 66, 356; parlur 68; pinutige 368, 372; pimmt 404 (pigmentum); preost 3l8, 340 u. a.

Wie im altags. ö') ist auch/ in unsren Schriften die anlau- tende consonantenverbindung ps nicht gern gehört H. M. salm- wrihte, sauter 3; A. R. psalmwuruhte 78, 134, 400, aber sahn 290; salmwurhte 256.

") Morton erklärt 451 ine fttr inpe. Dies ist falsch, für in pe steht A. R. wie H. M. ^e. Auch für in a kann ine nicht stehen, vgl. die beispiele.

*5) Vorausgesetzt dass Morton nicht willkürlich ohne weitere bemer- knng n eingesetzt hat,

**) So altags. fare we Mrc. 1, 38 ; hwät ete we, hwät drince we Mtth. 6, 31 n. Dnrh. b. hwät waUa we eatta,

*0 So neben psalterium Fä. 91 3, 107 2, 143»», 149'; wynpsaUerium?B. 56*«. finden wir seakn Ps. 568,», 67«^ 94 2 65*; 107*; sealmfät Ps. 70»; saUetan 104^.

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ANCREN RIWLE UND BALI MEIDENHAD. 227

Bisweilen wird ein/? zwischen m undn eingeschoben, H. M. nempnedebj aber somnunge 31, somnlnge 31; Aß. isompned 186 (coUectum); nempnie 200, daneben nem7ie MO] inempned IBS, 200. nempnen 84 (nur Titus).

b.

lieber b ist nichts zu bemerken. Es steht in beiden denk- mälern an-, in- und auslautend, wie im altags.

f.

Altags. findet sich ein schwanken zwischen f und v nur ganz selten, wie neben ce/re ein cevre, und ee/lm daneben ceven. In unsem denkmälem ist nun tibergang von / zu v^^) sehr häufig. H. M. hält im anlaute noch altes f fest im unterschiede zu A R wo /* und v neben einander gebraucht werden. H. M. /öfc3; fader 3; /brget 35, 39, /ram; for, flesch 5, 13, 15. etc. Hier tritt nie v ein. A. R. hat vorervard 98, 72; foreward 172; vor- bisne 52, 68, 76, 140; vore, vorleosen 166, 236, 310, 424; vreo- mede 106, 183, 392; vreomien 234; vonden 102, 162, 194; vlige 8, 10; vorgiten 200, 272; veld 102; vederen 132 und viele andre, daneben falleb 34:8, /eö/280; /^^^m (jejunare) 6, 240, 308; praet. veste 126, feste 160; fit^eron 132 (Cleopatra), vederen die andern hss. fondeb 162, 182; fondunge 232, 234; for^iten 320; fargivet^ 96; for kosen 208, 246; /we/ 126, 388 u. a.

Im inlaute wechseln in beiden dcnkmälern / und v und zwar so, dass zwischen vokalen stets v, vor consonanten stets f steht. Ebenso steht / im auslaut. Diese regel ist streng be- obachtet. Es findet sich alsoH.M. hevene 19, 21, 23; hevenlich 5, 19, 21; over 5, 21; leafdi 25, lafdi 9, 24, doch sobald f zwi- schen vokale tritt l(wedi 5; laverd 5, 23, 29, nie laferd\ haveb 5, 7, 19 aber hefden 21, hefdest 29, n6/l?ew 25; lif 5, 29; /iVe^ 23, liven 25; ^öa;er 19, 23, 29; neaver 21, 25; heaved 25; /wweÖ 29, 27wi;^^ 25; leaven 25, 29; /^r« (carus) 29; leovest 19, 21. Sonst ofte 29, soßeliche 21; ^cÄn/]f 21, 25; a/lfer 25.

/• im auslaute: gi/* 21, 25, 29; ^e// 5, 21, 29; o/ 5, 19, 21, 25, 29; leofmon 25, 29; /i/7arf^ 19, 25; peof 17 aber peoves 29; ^ero/ 25, 29; derf 29 und andre.

^) Geschrieben wird A. R. im Inlaute m, im anlaute bald u bald v* Ich habe überall v gesetzt

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228 WüLCKEß

A.E. ebenso luvien 206, 222, luvest 282, 292, 350; luveliche 428; over an vielen orten; overdon 286; overgon 238, 380, 394; loverd 2, 8, 30, 32 u. s; leafdi 4, lefdi 62, 176, 108 lefdischipe; gw€n222] navet^ 222, 228, 308; Ä6/a^ 124, 196, 224, 234; hefdest, aber hevedest 38; Gonj. he/de pairt, iheved; kuslefdi 350; o/?e 220, softe 222; e/Ter 22, 24, 126, 222. peof 174; peoves 174^ 292: ö/* 220, 222 u. s.; ^i/* 222; cÄa// 106; derf SO, 106, 180; /o/(laus) 104; husewif 222, 416; rfri/" imper. von driven.

Man sieht, dass /"und t; nach bestimmten regeln gesetzt werden und nicht ist der Wechsel zwischen / und v, wie man sich bisher oft auszudrücken beliebt hat, der Willkür des Schrei- bers überlassen. Sehen wir das heutige englisch an, so ist zwischen vokalen das v auch in der anspräche: eleven, evü, over, vor consonanten blieb /: after, often, soft. Im auslaute wird der harte firicativlaut gesprochen, wenn auch häufig noch V (als früherer inlaut) geschrieben wird, z. b. live, give, drive^% Stand ursprünglich f im auslaute, so blieb es z. b. thief, of, seif life, tvife. Betrachten wir nun /im anlaute, so ist es EL M. stets /geblieben, A. R. wechselt mit v. Dies beweist wider, wie manches andre, dass A. R. südlicher entstanden ist, alsH.K In den heutigen südwestdialekten findet sich kaum ein anlau- tendes f: Devon *^): vlnds (reperio) vast, vur, vule, vrim = from, vine = fine, Vrench = Fr euch Dorset «i): vor, vew, vrom, visher, veet, vriend, vorver, veäry = fair, vrozen, var = for. Wilt*^); vet = feet, vriz = frozen, vuddled = /uddled (drunk), vor, vather, Somerset ^3): volly = to follorv, vooäth = forth; voun = found;

**•*) io live, to give, to drive = nags. Uven, given, driven, fife (pfeife) mag bewirkt haben, dass man in five (fünf) ans dem nags. noch vorkom- menden plural das v beibehielt. Die Schreibart wife, Ufe = ags. Uf, toif kommt durch die mittelenglische art, eine lange silbe durch ein ange- schobenes e zu bezeichnen.

^) Die Worte aus dem Devon-dialekt gebe ich nach: Nathan Hogg, poetical letters tu es brither Jan and tha old humman way tha urd cloke London. 1865.

^^) Dorsetdialect nach: Wüliam Barnes, poems of rural life in the Dorset dialect.

«*) vgl.: John Y. Ackermann, A glossary of provincial words and phrases in use in Wiltshire.

^) vgl.: James Knight Jennings, the dialect of the West of England particularly Somersetshire.

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 229

vur = far; vust == first; vang (fang); vier = fire, Gloc.®*): avoore, vood, vollow. Haut: vit (fit), vlick, vore = forth, Dass dies V der labiodentale tönende fricativlaut ist, braucht nicht erwähnt zu werden.

Ob wir auch schon für H. M. und A. R. annehmen dürfen, dass V tönender labiodentaler laut war, fragt sich. Jedenfalls spricht daflir, dass nie vor consonanten und nie im auslaute v steht. Wäre es, wie bisher angenommen worden ist, nur gra- phisch verschieden von ^ warum steht dann niemals ein leov oder ein hevden? Etwa einzuwenden wäre noch, dass dann Verbindungen, wie vly vr eingetreten wären, während doch das englische bemüht war, die verwanten tvl und wr zu tilgen. Doch erstlich ist das labiodentale v doch verschieden vom la- bialen rvj ein vi ist leicht, ein ml schwer auszusprechen, endlich haben aber die heutigen südwestdialekte oft genug vi und vr, vrassly = to wrestle; io vrlde (to expand); vring {2l press); vrumple (a rumple), ebenso Devon: vright. Hier wurde also der ursprüngliche labiale laut w in die labiodentale verändert und dann beibehalten. Für vi, vr = altem fl, fr finden sich oben schon beispiele, ausserdem: vlare (to flare); vleer (flea); vlannin (fiannel); vlingd{^SiYt. flung), vlother (nonsense); vroästn. a.^^)

Für meine ansieht über die ausspräche des v im nags. spricht auch, dass die romanischen Wörter das romanische v beibehalten haben. /" im auslaute fällt in beiden denkmätem «war incompositis nicht aus, wie dies nengl. vielfach geschehen ; vor /waber assimiliert es sich: rvifmon, das wummon wirdH. M. 15, 31, 35: hingegen leofmon, des später lemman lautet (vgl. Havel. 1283, Michel agenb. 230, Hom 550, Will. of. Pal. u. a. o.), behält sein /. Ebenso verfährt A. R.

t

steht, wo es altags. schon anzutreflfen. Die einzige änderung ist, dass es öfters für /> steht vgl. bei />.

d. Eine eigentümlichkeit ist, dass H. M. statt David, Davits ^^)

®*) Die übrigen dialekte sind dargestellt nach den proben, welche ge- geben sind in: James Orchard Halliwell: a dictionary of archaic and pro- vincial words etc. I bd; XI— XXXVI.

^^) vgl. Jennings a. a. o.

^ Sonst findet sich diese eigentümlichkeit nnr im nordhumbrischen.

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230 WÜLCKER

schreibt So 9, 11, 35. Einfluss des folgenden consonanten kann es nicht sein. An den zwei stellen aber, wo die hs. David hat, ist wol Davit5 zu setzen, vgl, unten.

J., 8.

An stelle von altags. Ö lässt H. M. d auslautend eintreten in qiLod ha 45. z. Doch ist dies wol nur ein Schreibfehler, da 19 z. 27 und z. 29 quot5 he steht. A. ß. hat cweb sowol für praes. (p. 56), wie für praet. 232, 234, 236 u. s.^^)

Es ist nun das verhalten des /> im anlaute zu besprechen, wenn das vorhergehende wort mit einem dentalen schliesst

Orm hat nach t und d folgendes fj verhärtet. Vorausge- hendes s macht auch öfters p zur tenuis. Doch ist die erste regel nicht ohne ausnähme. In H. M. wird nun />, wenn eine tenuis vorausgeht, zur tenuis. pat tu 3, 7, 9, 13, 23; fordet ü folc 3, 9; ai im ende 7; Uhet te 9; omni ü 17; pat tis 19; atie 27; itricchei te 9. Scheinbar dagegen spricht feat pat 13, sest pat 9; hit pat 25, allein hier steht in der hs. feot p , sest p, hit p. (Bei p ist nur die schleife verlängert). Man behielt hier das übliche zeichen p fiir pat bei, auch wenn der anlaut nicht mehr p war. Eine der wenigen ausnahmen ist pag. 19: get per.

A. ß. hat auch meist p nach vorangehender dentaler te- nuis zu t verhärtet pet te 6; pet iet 312, 156; pet iu 238, 406; pet ins 238; pet ter 238; weitere beispiele liefert jede seite. Daneben aber steht nout pet 8; luvedest pene 406; graunt perof 328; pouht perof 238; nowiht perof u. a.

Nach d wird, wenn eine pronominalform oder eine vom pronomen gebildete partikel folgt p verhärtet, in andern Wör- tern nicht Also: iseid tus 27; tomard tis 5; and tat 5, 9; and tu 5; and iah 7; and tine 33; and tene 23; and te 23 u. a.^^) Andre Wörter werden nicht verändert: and puncheb 27; and ponken 21; allerdings auch: torvard pulli 9.

A. ß. schwankt p nach d sehr: and ter 104; fed tu 104; and tine 104; loverd tauh 104; and teos 238; and te; and <w238; fed tu 104; and te 148, 238; and tauh 238; aber offered pet 8;

**') Hiemach ist auch das von Koch I. § 167 gesagte zu berichtigen.

**) Deshalb ist auch an den zwei stellen, wo die hs. der H. M. David pe schreibt pag. 3 z. 3 und z. 19 Davits (in folge der oben bemerkten eigenttimiichkeit) zu setzen.

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 231

tvord perof 148; (mä puhte 148; osad pet, and peanne 156; blöd pauh 312; and peonne 238; ofserved pet 238; and pauh 8, 406; and pe 312; istäeled pm 8.

Nach Ö bleibt/». A. ß. intvib pavh 104; heob pe 104; ka/oed >i238; witisiggeb /»c238; vorö />w, cweti pe 312; ^e/^Ö /»e 430, wiäS />e^ 6; nimeb ping 6; wiäÖ />^n^ 8; sigg^ pe 8; stvolewetf pe 8; i^ />me 148; bitocneb pet 138; *^/Ö /»e^ 156; seib pe 156; ^;?c/:eft per 156; Ebenso H. M. singet^ penne 21; ^eiö pat 21; öeo& />eo^ 21 ; /biheb pat 25; ermeft pe, mak^ pe 25; ^«'Ö pat 27; 5/aÖ /»a^ 29; puncheb pe, husteb pe 31; beateb pe 31. u. a.

Nach s hat H. M. die pronominalstämme verhärtet, andre Worte behalten p: nis tis 9, 13; dides te 9; is tat he 19; is te lust 11; forschuppes te 27; as ti 9; w ^e blosme 11; t^ ^ 9; ij /a^ 11; as tat 13; /^ tenne 21; i; /»a^ 9 ist nicht als ausnähme zu betrachten, denn hier ist wider, wie oben, nur ein J> ge- schrieben. Sonst findet sich is pullich 25; peos pre 23; as pe er 19; in pat leades pah 5, reades pa 19 ist zu schreiben lea- deb pah und readeb pa ^^). A. R, lässt nach s das p stehen : heardschipes pet 6; pinges pet 6; peos pet 148; his preatunge 156; ^örfßj preatunge 156; /»^o^ />r^o 238; w pet 238; sünges pet 430; />2/^ />w 406; i^ >e 104.

Vor vokalen und den übrigen consonanten bleibt p in bei- den denkmälern.

c^ k.

Es soll hier versucht werden über den Wechsel von c und k und c, k und ch regeln aufzustellen.

Altags. cl hat sich H. M. erhalten und wechselt nie mit k: chtppinge 3; cleane 11, 13, 24; cleanschipe 21; cleannesse 11; bicluppen 19; iclepet 5, 33; icleopet 13; cleopet 5; cleopeb 9, 33; c/^rpeft 11, 33; cleopet 5.

cn bleibt ebenfalls: icnatve 23; icnawen 23; cnawlecheb 9; cno^, icww^^e 33;

er in germanischen Wörtern selten, wie schon altags. Nur crß/]f 37. Hingegen von romanischen finden sich; crune 19, 21, 23; icruned 23; icrunet 7; cre*^ 33; crlstendom 33.

»») * in der 3. pers. Bing, ist wol überall zu tilgen. Es findet sich manchmal, wo wir durchaus keinen grund dafür angeben können, z. b. pag. 27. pat lades loving man.

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232

WULCKER

Cfv hat nur einbusse erlitten durch qu nicht durch kw : crvike 13, cwalm 29; ctven 7, 9, 11, 21, 27; cwemen 6j ctvemest 11; icweme 39; cwebeif 41. Im anlaute blieb also c vor consonan- ten. Anders ist es vor vokalen.

c vor a bleibt H. M. in den ags. Wörtern: carien 5, 27, 29, 37; car^ 27, 29, 33, 35; hingegen behalten Wörter, die dem nordischen entnommen sind, ihr k: akastB, kosten 6-^ p. 41 aller- dings cast. Ebenso bleibt c vor o und u: /brcorven 11, icorven 17; forcudest 33; cumelich, uncumellch 37; cumeÖ 17; cun 33; cunde 9, 25, 27, 35, 45; hingegen vor i {=y dem umlaute von u) wird k gesetzt: king 11, 45; kinedom 39; kineriche 19; vor altem / ist c in übergegangen : chüdren 27, ebenso in cheorl^ erner in cheowest 35, cheosetS 39, während c vor e /r wurde: kempene 23, ikepunge 23; e/r^jp^e 19. Romanische c blieben un- verändert: cuniasses 9, cuncrveari 33, confort 7, 27.

Im auslaute bleibt stets c. ^c 9 w^rc 9, 19, 37; spec 19; «?^rf/ac 9, 13, 21, 23, 33, 37; brudlac 3, 47; tac = imper. von •iakm 7, 39; fearlac 35; 2>/ac 43; w?i/>önc 47 ,u. s. w.

Ausnahme machen ^cä 3, 43, 45; hwuch 31, 33, 35, 37 u. s.; swuch 5, 7, 9 u. s. w. und üich 5, 45, 2cä 9, 39. Sonst findet sich noch: hisech 45, pmch 45.

In licome muss noch die Zusammensetzung gefohlt worden sein, denn nie steht Ukome. Ebenso Ilcrvurbe 11; rvracfulliche 41 ; wacliche 9. Im inlaute steht zwischen vokalen kein c mehr. An dessen stelle ist k (undcÄ) getreten: spekeb 3; maken 3, ma- kirn 31, 33, 37; imakei 9; swlkes 3; 27a/re?z 5; sekerliche 7; /JM 7; forsaken 7, 33; likinge 7; a/r^Ö 31: rvakien 37; ^//r^r^ 43; /oXtö 33; lokinge 31; irekened 33; 6rwÄ:ß 33; brudlakes 9, ^w//:e- //cÄ« 39; speken 37; m^ö/r^ 43; meokelec 43; srvikeUche 39 u. a.

cc wird cÄ: Altags. licdan (L.) zu //cÄ^Ö 9 z. 13. Dass ewcÄ, snmch, hwuch im auslaute haben , ist schon oben be- merkt worden. Im inlaute bleibt dies natürlich. Manchmal steht auch cch dafür: hrvucche 33; swucches 39.

Besondere beachtung verdient lic in adjektiven und adver- bien. Im positive dieser Wörter steht stets ch, mag er nun liehe oder luche lauten. Im comparative und Superlative dage- gen bleibt die gutturale tenuis und zwar wird sie, als zwischen vokalen stehend, durch k ausgedrückt. Regelmässig steht sons noch der zischlaut zwischen vokalen in miLche und muchel, sons*

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 233

hevenriche 39; sticke, daneben aber stikinde p. 35 z. 35: wrecche = altags. vräcca 13 und tvlecche'^^) 43,

Steht die gutturale tenuis im inlaute mit einem andren eonsonanten verbunden, so wird sie durch c ausgedrückt, wenn der andre consonant folgt, durch k oder ch, wenn derselbe vorhergeht: bitacneb 5; hercne 39; aber swinkeb 39, rvlonke 31; inker 31; ilke 9; nmrchen 35, 37; hipencheb 9; pencheb 5, 37; Pmchet5 7, 31, 37; punckeb 3^^).

In der spräche der A. R. ist k weiter vorgedrungen im anlaute.

Vor / ist c geblieben: clea/res 102; clenesse 164; clenliche 412; cleopien 58, 98, 102, 208, 216. u.s.; cUmhm 140, 162,244; cluppen 230, 288; cluppunge 324, 396;

Neben cn ist schon stark kn eingedrungen; cneolen 18, 122; cnowettj icnowen 204, 232, 250; cnowunge 280; kniht 86; Ärnav^ (puer) 380; Am/ 212, 284; Ärno^^^ 1 u.a.; kneoUnde 18; iknorven 232. Auch neben er findet sich /rr. creopan 292; crocke 214 = altags crocca; croppebSß; crefi 268; crw^i«94 daneben /rrw- WßÖ 392; ArrocAre 346.

cw meist geblieben, selten ist es zu qu übergegangen (vgl. unter w). cwemm 138, 192, 338; cwme 88, 170, 296 u.a.

Auch im anlaute vor vokalen wird der guttural häufiger durch kj als durch c ausgedrückt: kat 416; /rar e/eo^ 246; kake- Im 66, daneben cakelet5 88, icaceled 66, casiel 62 cos (os- culum) 102, 194, 256; cöm (venit) 62; con 18, 24, 66, 206; icorm 28; daneben ikorven 362, 424, Ukorven 62, Aro/^ 6 cunneSQ, 122, 358; Awww^ 14, 60, 120, 200; ikunned 398; cww^ö 120,126, 140, künde 14, 66, 84, 120; cwnw^64, 114, 28; kunnen 72, 108; /rwöm 66, 222, 284; cut^ (imper.) 302, selkuö 8; kumen 60, 66, cumen 62, 66; icufnen 62, 64. Auch in romanischen Wörtern, wo H. M. c behält, hat A. R. vielfach k: kunfori 8; kuvent, ku- verlur, kunsenten = cumentir w, di, kepen 96; kesten, daneben auch cherre (versio, vices) 36, 84, 314,408; kimeb 92 "^2); kinedome

''^) Dies ist wider ein beweis, dass vMc (tepidus) sehr gut im altags. Vorkommen kann und es nicht nötig ist die stelle Ps. 148* mit Thorpe zu ändern.

^*) puncketi wird wol nur verschrieben sein für punchetf.

''^) Nur Cleopatra hat die /-form.

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234 WÜLCKER

322, aber chirche 68, 268 und churche 2273); childrm 10, 416 U.8. cheapen 190 j 290, 418; cheping 88, 206; cheast 200 (altags. ceds)\ Chef 270, 272; cheokm {cedca L.) 70 106, 156; cheotw^ 80, 84; cheosen 370, 406.

Im auslaute bleibt c in der A. R. mit den seljbön ausnah- men, wie H. M. Also: blac 10; boc 8, 64; spec 68; woc 4, 12; dnmc 14 aber drunch 8; hingegen ^cÄ 4, 6, 12; efrichAi, 6 everich 12, 18, 20; ä«?wcä 8, 12, 266 daneben hwuc 64; 5wn<cÄ 10, 64; ich 26, 62, 96, 266; alswuch 12.

Auch in der A. R, wurde in licome nie k gesetzt, ebenso Hcwurbe u.a. composita.

Zwischen vokalen steht inlautend kein c mehr, gerade wie H. M. fikele, swikele 268; moke 268; maket5 412, loketi \\% siker 60, 166 u. a.

cc wird cÄ; stucchenes 14, 412.

tritt öfters zwischen vokalen ein. Stets bei euche u. den andern obengenannten Worten: swucheS, 64; ferner muchel 10, 62, 66; muche 12, 62, 18; wreche 66; spreche 66, 68 u. a.

Mit Hc verhält es sich gerade so, wie in H. M.

Die gutturale tenuis mit einem andren consonanten im in- laute verbunden verhält sich in A. R. gerade so, wie in H. M. .d. h. steht der guttur. voran, so wird c, geht der andre conso- nant voran, so wird k oder ch gesetzt z b. hercnen 12, 64, 82, 86 u. s. lecnen (mederi) 330, 368; iocne (signum) 106, 316, ancreriy bitoc- me 12; aber ilke, dolke, tverkes^ werkedei, stinkind und wrenchfvX 268; puncheb 268, 8, 38, rvurcheby 30; kmchm 62; penchet5 16, 32 ; penche 96 u. s. w. drincken 4 wird, wie H. M. punck^, ver- schrieben sein.

g-

Im anlauteist g vielfach in g übergegangen, daneben blieb <;75). H.M. giveb 7, 17, 21, 39 geoveb 9; geove (inf.) 11 xx. geo- ven 33; igeoven 9; geove (donum) 11; marhegive 39; give 45; f orgelt 7, for^lden 13; gulten 47, guUeti 35; forget 3, 5, 9, 11, 39; gerne = altags, gemen 3, 25, 45; georne 3, 21; again 15, 31;

^3) In H. M. ist vor % = umlaut von u kein ch nachzuweisen. ■'*) Hier ist ein i angehängt, wie in hesi = altags. h(BS jussum. '**) Darnach ist auch das von Koch § 176 gesagte, der g im anlaute erst für das altengl. annimmt, zu berichtigen.

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 235

garketi 47 (zu gearc paratus) u. v. a. Aber gold, god, goää (deus), gederunge, bigunnen, gastliche^ togedere u. a. Nie wird g erweicht, wenn noch ein consonant im anlaute.

Ebenso verfährt A. R. given u. andre formen: 68, 80, 82, 92, 294, 330; morgiven 94; geove 202, 368; geld 78, 376; ßr- gelde 428; forgitm 124, 186, 320; gerne 32, 78, 344; germi 98, 344; gelpm 148, 222, 330; gimston 134, 360; geome 108, 124, 158, 234. georneluker 234; geteward 270; daneben güldene, geat, gateherden (capra), gederen u. a.

Das praefix ge ist in beiden denkmälern stets zu einfachem / geworden. Wie altags. wird es nicht nur dem part., sondern auch öfters dem Infinitive beigefügt. H. M. iseid 1, 3; iburhen 19; ilahet 21; ibroht 15; igan 11; icleped 5, itaken 5; irvriten 13; Inf. iftjiden 7, 9, 29; iheren 9; imper. iher 3; ferner inoh 7, 29, 33, 35; ifvis 33; Home 33; imeane 21, 23, 25.

g im auslaute: wo altags. im auslaute h an die stelle von g trat, blieb es auch in unsem denkmälern, so sorh, buh, /br- buh u. a. Wo hingegen g altags. blieb, wurde es in H. M. u. A. R. zu i oder es fiel ab.

Zu i wurde es: H. M. awei 9, 11, 15, 27; awai 43; mei 11, 31, 33 (daneben me mit abfall des i 19); wei 43, 47; neben mei steht auch mai 7, 17; dei 9, dai 15; grei 43; &d 3; eihwer 39.

A. R. mei 74, 78, 266, 268; mai 34 u. s., /d (jacuit) 266; dei 266, 412; sunedei, pursdei 412, domesdei 188; awei 62; wi«?- w 41 i

Abgefallen ist g im suffix ig: H. M. an^ 7, 17, 29; eni 17, 25, 27, 29; eadi 5, 13, 15, 21, 39; hau 5, 21; sali 5, 7, 9, U, 33; sari 13; sariliche 5; mom 7, 11, 25, 27^ almihti 19; ^tom 17; modi^\ bodi\% 23, 35, 41; lavediS, 5; /a/ii/ 15, 23. Ebenso A R. m/, Äö/e, &/öfife, bodi u. a.

Ein ^ steht H. M. niemals im wortinnern. Nur eine ein- zige ausnähme bildet witege p. 5. Geht im Inlaute ä, e, ce, e voraus, so wird g zu i und bildet mit dem vorgehenden vokale den diphtongen ei, seltener ai. H. M. meiden 33, 37, 39, 43, 45; säen 3; seit^ 3, 5, 7; iseid 1, 3, 31; breide 9; eie 31, 43; feire (pulchritudo) 33; ßir 19, 27, 33, 39; eiber TJ, 31; meidm- hadb, 11, 13, 15, 17; agaifi 15, 31; weis 9, 21, 27, 39; AR. meiden26S'^ seide266] deieslA] deie4l2] betet 266, /eir 206 u.a.

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236 WÜLCKER

Sonst verläuft das inlautende g im nags. auf zweierlei art, es wird entweder ^ oder tv. La^. hat beide formen nebenein- ander: dra^e u. drawCy Ulanen u. islawen, bugen vl hutven.

H, M. hat im inlaute ^ zu ^ werden lassen, da aber im inlaute keine ^ geschrieben werden, bezeichnete H. M. diesen laut durch Ä;'^) mähe 25, 29; mähen 19, 31, muhen 43; drohen 3, 5, 11; drehen 7, 17, 37; wdhes (muri) 31; utlahe 11, 43; un- laheliche 25; laheliche 13; ahne 27; huhet5 5; untohe 31; untoke- liehe 17; welitohe 25; femer sorhen 27, 29; marhegive 39; /ö/to 15, 19, 23; tiwrÄm 11, 19; ^örÄe 27, .33, 39; sorhfulliche 17. Eine ausnähme macht halrves 19 statt Äa/Äe^ oder Äa/ie^.

A. R. dagegen lässt g im inlaute, wenn nicht ä, e, m, e davor steht, zu w tibergehen und w entwickelt alsdann öfters ein Uy es ist das halbvokalische labiale w: hairve 268, halewen 18, 124, 166, 362; halervune 412; helidawes 24, helidawene 302; he muwe 96; ecÄ mw«;6? 26; ge muwen 20, 22, 66, 412; darvunge 20, munedawes 22; Ulowen 68; öww^ ^^ 68; swoluweb 8; vorsrvo- lurvetS 66; ^^ buweÖ 18 u. a.

h.

Ä als hauchlaut bietet nichts bemerkenswertes. Ä als gutt. fricativlaut. Die anlautsverbindungen hw u. s. w. sind oben besprochen. Wo gutturales h erst nags. eingetreten ist, wurde bereits oben besprochen.

Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass die laut- lichen ab weichungen doch zu bedeutend sind, um nur einem Schrei- ber zugeteilt werden zu können.

Die formenlehre bietel; wenig unterschied. In der flexion stimmen beide nags. denkmäler ttberein.

Der Wortvorrat bietet Verschiedenheit. Doch nur dann können wir eine solche im wortgebrauche feststellen, wenn ein wort, welches H. M. oft gebraucht, in A. R. fast gar nicht vor- kommt. Ist das Verhältnis umgekehrt, so dtirfen wir nicht

■^ö) Dass Ä keinen andren laut als ^ bezeichnen soll, dafür spricht die form unwurtSehetS 35 z. 14. So schreibt auch z. b. S. Maih. den namen der heiligen stets Marherete^ statt Margereie. Lag. gebraucht ohne be- denken g im inlaute: läge, fugel, fleoge, drage u.a. Orm geht hier oft einen mittel weg zwischen der Schreibweise Lag. u. H. M. Er schreibt nämlich flighenuy eghe, laghe, aghenn u, a.

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ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 237

yergessen, dass H. M. nur 23 druckseiten einnimmt, während A, R. beinahe das zehnfache.

Ein wort, was RM. fast auf jeder seite gebraucht, ist wer, daneben mon. A. R. setzt mon, auch weopmon 10, 68, 68, 316. Nero hat einmal p. 352 wert Tit. wan, was Morton auf wer zurückffthrt, doch die stelle ist wol überhaupt zu ändern. Dann schreibt Titus noch 398 weore, wo Nero u. Cleopatra ganz an- ders lesen.

Beweise der zweiten art sind, dass A. R. viel häufiger wrmmon braucht, während H. M. meist wif setzt, auch child neben heam wendet A. R. verhältnismässig häufiger an, als H. M. weopmon fllr man kennt H. M. gar nicht Auch das H. M. so beüebte care, carien tritt A. R. vor dem, allerdings auch H.M. wolbekannten5orww^m(H. M. ^orÄ^) zurück. So Hesse sich noch mancherlei feststellen, wären beide denkmäler von gleicherem umfange.

Doch auch im stile des ganzen Werkes zeigt sieh A. R. sehr verschieden von H. M.

Der ton in A. R. ist ein weit liebevollerer, als der in EL M. Der Verfasser der ersteren sagt ausdrücklich, dass die regeln, welche er fiir das äussere leben aufstellt, geändert werden könn- ten je nach bedarf: p. 6, Vor pi mot peos fviz. nitre J riwle cJumngen hire misUche efter euch ones manere and e/ter hire efne. Vor mm is strong, sum is unstrong and mei ful wel beo cwiie and paie god mid lesse. u, s, w. Als unveränderlich stellt er nur das halten dreier dinge auf: obedience, chastete and studestaj^el- vestnesse. Doch hier selbst gibt er zu, dass durch not eines dieser drei gelübde über seite gesetzt werden könne. Er warnt geradezu, mehr als diese drei zu versprechen, da es ein ver- brechen gegen gott sei, ein eingegangnes gelübde zu brechen.

Anders verfährt der Verfasser der H. M. Er gibt (anleh- nend an den 14 psalm) seine geböte, wer sie nicht hält, dem droht er mit tod, höUe und teufel.

Der ton ist in H. M. überhaupt ein viel roherer, als in A. R. Man vergleiche nur z. b. p. 9. Obgleich A. R. oft auch recht weit geht, so wird sie doch von H. M. in derbheit übertroflFen. Manchmal allerdings ist die Schilderung in H. M. nicht ohne humor ''^), den A. R. nie zeigt, doch dieser humor ist stets derb.

") vgl. pag. 37 unten u. 38 oben.

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238 WÜLCKER

Diese paar andeutungen mögen gentigen, um zu zeigen, dassauch andre gründe, als sprachliche es unglaublich machen, A. R. und H, M. seien demselben verfosser zuzuschreiben. Allein Cockayne hält es nicht nur flir wahrscheinlich, dass beide Schriften vom selben Verfasser, sondern sogar für nicht unwahr- scheinlich, dass auch H. M. an dieselben drei Schwestern ge- richtet ist. Beweise daflir führt er keine an. Es dürfte auch wol schwer halten, solche aufzubringen.

Es Hesse sich allerdings behaupten, da der Verfasser in H. M. sich an die werte Davids: Audi filia et vide etinclina aurem tuam etc. anlehne, dass er stets nur die rede an eine Jungfrau richte. Allein ähnlich sagt A. R. p. 2:

Loverd! selb godes spuse to hire deorenmrbe spm, peo J>e riht luviet5 pe^ peo pet heot5 riht: peo pet libbeb efter riwle, Dann aber lautet es weiter: And ge, mine leove smtren, hah- bet5 moni dai iremd on me efter riwle etc.

H. M. bleibt aber stets an eine Jungfrau gerichtet, selbst da, wo sie ganz selbständig vorgeht. Z. 6. pag. 45.

Have eaver ipin herte pe eadieste of meidnes and meidehades moder and bisech ai hire pat ha pe Uhte and give luve and strengte for to foThe i meidenhad hire pearves pench o st. katerine etc.

Wir haben also gar keinen anhaltspunkt, dass H. M. an drei nennen gerichtet sei.

Das ergebnis unsrer Untersuchung ist also:

Ancren Riwle und Hali Meidenhad ist nicht vom selben Ver- fasser, nicht einmal in der selben gegend geschrieben. Der Ver- fasser der A. R. war ein durchaus gebildeter mann, während der der H. M. wol niederen kreisen angehört, H. M. endlich ist nicht, wie A. R., an drei Schwestern gerichtet.

Nachwort. Seitdem ich meine Übersicht der neuangelsäch- sischen denkmäler und vorstehenden aufsatz, nov. 1872, niederge- schrieben habe, hat der unermüdliche fleiss des Rev. Oswald Cockayne und Dr. Richard Morris wider einiges veröffentlicht, was für die neuangelsächsische zeit sehr wichtig ist. Erschienen sind unterdes: an Old English Miscellany, St. Juliana und der zweite teil der Old English Homilies. Hauptsächlich ersteres werk vermehrt nicht nur, sondern ändert auch manches in meiner

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ANCREN RIWLE UND HAU MEIDENHAD. 239

Übersicht gesagte. Es stehen jedoch auch noch Veröffentlichun- gen andrer neuangelsächsischer denkmäler in aussieht, vor allem solcher, welche den Übergang vom altangelsächsischen zum neu- angelsächsischen bilden (Vgl. Atheneum, No. 2391; Aug. 23, 1873). Dazu konmit, dass ich in der Zwischenzeit gelegenheit hatte, die Übersetzung des evangeliums Matthaei aus. dem Hatton ms. hg. von Eemble in die hände zu bekommen. Alles dies ändert und wird manches von dem pag. 76 gesagten ändern, wie ich überhaupt über diese periode jetzt zu etwas andrer ansieht gekommen bin.

Anstatt aber jetzt gleich nachzutragen und zu bessern, um bald wider nachtragen zu müssen, verspare ich es mir auf die zeit auf, wo obige Schriften erschienen sind, um dann einen möglichst erschöpfenden nachtrag zu geben.

lieber meine anordnung der denkmäler bemerke ich, dass ich versucht habe dieselben chronologisch zu ordnen, obwol es nur ein versuch ist, da uns bei vielen derselben alle anhalts- punkte mangeln. Aus einem versehen ist das poem on Death vor die Ancren Riwle geraten. Es sollte nach derselben stehen und als No. VIII. die reihe der stücke eröfflien, über deren ent- stehungszeit ich nicht zu entscheiden wage, dies gilt für das poema morale und vor allem für die homilien, die unter ein- ander im alter recht verschieden. Vorstehender teil wird vom neuerschienenen nicht berührt.

LEIPZIG. RICHARD WÜLCKER.

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ÜBER DIE NEU-ANGELSÄCHSISCHEN SPRÜCHE DES KÖNIGS AELFRED.

Wenn irgend ein fürst ansprach auf ein dankbares an- denken bei seinem volke machen darf, so ist es Aelfred der grosse, der könig der Westsachsen (871 901). Nicht nur schützte er als heerflihrer die gaue seines Vaterlandes mit dem Schwerte, indem er die Dänen in mehreren schlachten besiegte und weit nach norden trieb, sondern er erkannte auch, dass ein volk, welches sich durch die waflFen rühm und macht er- kämpft hat, nur durch fortschreitende bildung sich dieser er- rungnen guter wtlrdig zeigen und die unter den andern nationen gewonnene ehrenvolle Stellung behaupten könne.

Kaum hatte daher Aelfred durch Unterwerfung der nordi- schen schaaren die drohendste gefahr von seinem vaterlande abgewendet, so war all sein sorgen auf hebung der bildung unter seinen landsleuten gerichtet Welchen weg er, um zu diesem ziele zu gelangen fUr den besten hielt und daher auch einschlug, spricht er deutlich in der vorrede zu seiner Über- setzung derCura pastoralis^ des Gregor aus^). „Er habe, heisst es darin, oft darüber nachgedacht, welch weise männer, sowol geistliche als laien, dereinst unter den Angeln gelebt hätten. Durch die könige, welche damals gehersctt, sei innerhalb der grenzen frieden und gute sitte aufrecht erhalten worden, nach aussen aber hätten sie, durch kämpf und durch kluges beneh- men, ihre macht und ihr ansehen ausgedehnt Die diener gottes Wären damals nicht nur eifrig im lehren, sondern auch im lernen gewesen und von überall her sei man nach England gekommen, um Weisheit zu lernen. Glückliche tage habe da-

0 Neuerdings wurde die Cura pastoralis herausgegeben von Heniy Sweet als Publicalionen No. 45 u. No. 50 der Early English Text Socie- ty. London, 1871 u. 72.

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ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 241

mals das volk der Angeln gesehen. Seitdem, fährt Aelfred fort, hat es sich gewaltig geändert. Die bildung der Angelsachsen ist so sehr gesunken, dass ich mich keines einzigen erinnern kann, der zur zeit meines regierungsantrittes südlich von der Themse wohnend etwas lateinisches ins angelsächsische über- tragen konnte. Jetzt ist es allerdings besser geworden, allein noch lange nicht genug ist für die Volksbildung geschehen. Da- her habe ich selbst begonnen, wie einst die Lateiner die wich- tigsten werke der Griechen in ihre spräche übertragen haben, die bedeutendsten lateinischen Schriften ins angelsächsische zu übersetzen. Denn viele können angelsächsisch lesen, welche doch kein latein verstehen. Es sollen daher in Zukunft die söhne der freien zuerst angelsächsisch lesen lernen, dann kön- nen sie, wenn sie sich weiter bilden wollen, immerhin noch latein lernen."

Diesem grossartigen streben Aelfreds verdanken wir denn auch eine ganze reihe Übersetzungen lateinischer werke.

Vor allem ist hier zu neiinen die Übertragung der schrift, welche ja in keiner literatur, die während des M. A. zu irgend welcher bedeutung gelangte, fehlt, die Übertragung der conso- latio philosophiae des Boethius. Doch besitzen wir in der ar- beit des königs keine wortgetreue Übersetzung, sondern eine freie bearbeitung in prosa. Von einschaltungen Aelfreds ist hauptsächlich eine im 2. buche erwähnenswert, wo er die grund- sätze seiner regierung darlegt. Gerade die schrift des Boethius muste bei der Vorliebe der Angelsachsen für didaktik sich rasch verbreiten. Beweis dafür ist auch eine etwa ein Jahrhundert später entstandne bearbeitung in alliterierenden versen, welche wesentlich auf Aelfreds arbeit beruht 2).

Eine andre Übersetzung ist die des geschichtswerkes von Orosius, welches gerade seiner tendenz wegen im M. A. sehr beliebt war. Auch hier ist viel eingeschaltet z. b. die geogra- phie von Germanien.

^) Schon Thomas Wright hat, in der Biographia Britannica Literaria I hd. Anglo-Saxon period. London 1842 pag. 400 403 , hinlänglich nach- gewiesen, dass die metrische bearbeitung der metra nicht von Aelfred sein kann. Grein hat ausserdem auch darauf aufmerksam gemacht, dass der Verfasser des gedichtes sich gerade neben Aelfred stellt nnd ihn als seine quelle angibt (Vgl, BibL der ags. poesie. bd. II pag. 412 ff.)

Beiträge znr geschichte der deutschen spräche. I. 17

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242 WÜLCKER

In gleicher weise verfährt der könig bei der bearbeituiig der kirchengeschichte des Beda, in der er uns vieles aus sei- nen eignen kenntnissen über Säd- und West-England bringt.

Ausserdem besitzen wir von ihm an rein - theologischen werken eine Übersetzung der Cura pastoralis mit der schon er- wähnten trefflichen einleitung. Auch eine Übersetzung derSoli- loquien des Augustinus wird, wol mit recht, dem könige zu- geschrieben 3).

Ganz selbständig scheint Aelfred in einem uns leider rer- loraen werke verfahren zu sein. Er selbst nennt die schrift Enchiridion: aus anführungcn bei William of Malmesbury u. a. geht hervor, dass darin die geschichte des angelsächsischen Vol- kes und des westsächsischen königshauses behandelt war.

Stellen wir zu so hohen Verdiensten, welche Aelfred sich um die bildung seines Volkes erwarb, noch, dass er sein land mit einer neufengesets^bung beschenkte, und diese gesetze auch mit kräftiger band durchftlhrte, so konnte es nicht ausbleiben, dass die Angelsachsen diesen flirsten als volkslehrer unä ge- setzgeber, von dem alle bildung ausgegangen wäre^ liebten. Noch höher aber stieg diese liebe und würde zur innigsten Ver- ehrung, als zwei Jahrhunderte später das land unter dem drucke der fremdherschaft seufzte und mit wehmütigem verlangen nach jenen zeiten zurücksah, wo es im innern des friedens, mächti- gen Schutzes aber nach aussen hin sich freuen durfte, nach den Zeiten Aelfreds.

Das eine gut, wofür Aelfred sein leben eingesetzt hatte, die Selbständigkeit- des landes, ging zwar durch die norman- nische erobrung verloren, doch am andern, an der einheimischen bildung, hielten die Angelsachsen desto hartnäckiger fest und bald schrieb man alle volkstümliche bildung diesem flirsten zu.

So sagt schon der chronist Ethelwerd, der wahrscheinlich am anfange des 11. jh. lebte'*), von Aelfreds werken &):

3) Wir besitzen von diesem werke nur ein bruchstück in einer hs. der Cottoniana) Vitellius, A XV. Schluss lautet: beer endiatü pa cwidas pe Aelfred kining altes of pcere hec pe we hatati on . . . Eine Über- setzung des ganzen bruchstückes findet sich Vol. III. pag. 83 118 der Whole Works of King Aelfred the Great. London 1858.Jubilee Edition.

*) Thomas Wright a. a. o. pag. 522 ff. gibt an, dass Ethelwerd noch im jähre 1090 gelebt habe. Richtiger ist wol in dem chronikenschreiher

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ÜBER DIE NAGS/SPRÜCHE ALFREDS. 243

Nam ex Latino rhetorico fasmate inpropriam verterat lin- guam Volumina, numero ignoto, ita varie, ita praeopime, ut nou tantum experti^-ibus, sed et audientibus über Boetii la- chrymosus quodammodo suscitaretur motus.

Wir sehen also, dass gewis damals schon viele bttcher, welche nicht vom könige stammten, ihm zugeschrieben wurden. Es darf uns daher nicht wundem, wenn im zwölften Jahrhun- dert Sammlungen weiser lehren und sprttche, die Aelfred als ihren Verfasser angaben, umliefen. Hat doch Aelfred seinen Übersetzungen viele weise aussprdche eingemischt und ganz be- sonders bot die Übertragung des Boethius anhaltspunkte eine solche Spruchsammlung diesem fürsten zuzuschreiben.

Für das Vorhandensein solcher Sammlungen haben wir fttr das 12. jh. das zeugnis zweier Chronisten:

Ailred von Riveaux, welcher in der grafschaft York von 1109—1166 lebte, sagt«) von Aelfred:

In diebus autem pacis non ocio torpuit aut vanis specta- eulis ociosisve discursibus tempus perdidit, sed legere et scri- bere et sacros apices in linguam AngUcam vertere laborabat Extant parabolae ejus plurimum habentes aediflcationis, sed et venustatis et jocunditatis. Leges Christianissimas et scripsit et promulgavit, in quibus fides ejus et devotio in Deum, solli- citudo in subditos, misericordia in pauperes, justitia circa om- nes eunctis legentibus patet.

In den Annales Ecclesiae Wintoniensis, die bis 1186 gehen und also wol um diese zeit abgefasst sind, wird von unserm könige gesagt*^):

einen Zeitgenossen Aeltrics zu erblicken, wie es Thomas Duffus Hardy tut (Tgl. Descriptive Catalogue of Manuscripts relating to the history of Great Britain aud Ireland. Vol. I part. 2. pag. 571 No. 1160). Nach Hardy hat Ethelwerd am anfange des 11. jh. geschrieben. Damit stimmt auch, dass die chronik mit 975 dem todesjahre Edgars schliesst. Im allgemeinen ist dieses werk ein magrer auszug aus der angelsächsischen chronik. Allein gerade die oben erwähnte stelle ist von Ethelwerd hinzugesetzt, in der angels. ehr. findet sich nichts ähnliches.

*) vgl. Ethelwerdi chronic, libri IV im I. bde. der Scriptores Rerum Britannicarum Medii Aevi pag. 519 A. * ^) vgl. Historiae Anglicanae scriptores X ex vetustis mss. ed. a Bogero Twysden. Londini 1652. Vol. I pag. 357. Ein exemplar dieses seltenen huches ist auf der Stadtbibliothek zu Frankfurt am Main.

^) vgl. Anglia Sacra sive collectio historiarum de archiepiscopis et

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244 WÜLCKER

Iste regum Anglorum ante dies suos rüde et incompositum totuin erudivit et informavit ad regulam. In proverbiis ita enituit, ut nemo post illum amplius.

Während wir also aus Nordengland und Schottland nach- richten haben, dass Spruchsammlungen unter Aelfreds namen im Volke bekannt waren, sind wir so glücklich aus dem süd- licheren England noch ein solches werk zu besitzen.

In der uns erhaltnen gestalt ist es wol nicht vor ende des zwölften jahrh. abgefasst werden, obgleich sich darin, wie ich unten zeigen werde, ältere teile absondern lassen 8).

Wir haben von vier hss. dieser Sprüche nachrichten. In betracht kommen jedoch nur drei, da die angäbe über eine vierte wol auf Irrtum beruht. Kemble berichtet nämlich von einer hs. dieses werkes, welche sich zu Oxford im Lincoln College befinden solP), allein alle nachforschungen, die ich bisher an- stellte und anstellen Hess, blieben erfolglos.

Die drei hss., die zu betrachten sind, zerfallen in zwei gruppen.

Die erste gruppe enthält einen umfangreicheren text und ist vertreten durch zwei hss:

I. hs. zu Cambridge, Trinity College, B. 14, 30.

Hiernach wurde der text gedmckt in den Reliquiae Antiquae ed. by Wright and Hälliwell, London 1841 1843. Vol. I pag. 170 ff. ferner von Kemble in: the dialogue of Salomon and Saturnus. Printed for the Aelfric Society London 1848. pag. 226 ff. neu- erdings wurde der text nach Wright und Kemble ge- druckt in Old English Miscellany ed. by Rev. Richard Morris: London 1872. Early English Text Society . No. 49 pag. 103 ff. Leider konnte Moms das Original nicht mehr vergleichen, denn es ist gestohlen ^^j^ IL hs. zu London, British Mus. Cotton. Galba, A XIX ^i).

episcopis Angliae. Londini 1691. Vol. I pag. 289.

8) Die uns erhaltnen hss. sind nach Sir Frederic Madden aus dem 13. jh. Vgl. Warton, History of English Poetry ed. Hazlitt. London J871. Vol. I pag. 176 anm. 2.

3) vgl. Kemble, dialogue of Salomon and Saturnus pag. 225.

*®) vgl. Morris a. a. o. Preface pag. IX.

") Hierdurch nehme ich das in diesen beitragen pag. 64, anm. 22 ge-

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ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 245

darüber weiteres unten. Die hs. ging bei dem grossen brande der Cottoniana^ Oktober 1731, zu gründe. Aus der zweiten gruppe ist eine hs. erhalten: III. hs. zu Oxford, Jes. Coli. I, 29.

Diesen text veröffentlichte zuerst, nach Maddens ab- schrift, Wright in den Rel. Ant. a. a. o. Neuerdings wurde diese lis. abgednickt von Morris a. a. o. pag. 102 ff. In betreff der Cotton hs. hat man sich bisher damit be- gnügt, zu beklagen, dass sie verbrannt sei und dass Wanley bei Hickes so spärliche angaben gemacht habe. Wanley gibt nur die ersten 30 zeilen^^). Doch wir entdecken an anderer stelle hinlängliche auskunft, um vollständig diese hs. unterbrin- gen zu können. Es findet sich diese im leben Aelfreds von Spelman^^). Eigentümlicher weise hat man niemals, den von Spelman nach einer abschrift des Thomas Cotton gegebnen text zur herstellung streitiger stellen benutzt, auch Dr. Richard Morris hat dies unterlassen. Es scheint also, dass auch in England selbst dies buch in Vergessenheit geraten ist, ein grund mehr hier genauer darauf einzugehen.

So weit wir den von Wanley gegebenen text vergleichen können, stimmt er bis auf kleine Irrtümer, welche Cotton oder Spelman zur schuld fallen. Man vergleiche beitrage pag. 64 anm. 22. Bei Spelman lautet der text: 1. At Siiford

seten j^aynes many feie biscopes and feie boclered, 5. earlcs prüde, knilits egloche. ]7er was erle Alfiich

sagte zurück, dass das Cotton ms. mit Jes. Coli. ms. eine gruppe bildete. Damals stand mir für erste hs. nur die dürftige probe bei Wanley zu geböte. Durch Spelman bin ich eines bessrern belehrt worden und glaube, dass nach den unten folgenden ausführungen jeder beistimmen muss, dass Cotton ms. zur I. gruppe gehörte. Meine damalige behauptung gründet sich auf Übereinstimmungen von Cotton und Oxf. ms. in zeile 7 (Alvrich) und 15—19.

'2) Wanley bei Hickes, thesaurus linguarum Septentrionalium. Oxford 1705. pag. 231.

^^) Aelfredi Magni Anglorum Regis Invictissimi vita tribus libris comprehensa a Dr. Johanne Spelmnn. Oxonii, 1678 pag. 93 97.

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246 WÜLCKER

of pe läge swu}? wise and ec Alfred, 10. Engle hirde, Engle derling, on Englond he was king. Hern he gan leren, swo him heren mihten, 15. hu hi here lif leden scolden.

Alfred he was on Engelond a king wel swij^e sträng, he was king and clerk, 20. wel he loved Gods werk, he was wise on his word and war on his spech, he was pe wiseste man, ]7at was on Engelond. 25. )?us qua)? Alvered, Engle frofre: Wolde )?e nu Üben and lusten yure loverd and he you wolde wisen 30. wiseliche winges. Ich habe den text Spelmans buchstäblich hergesetzt. Mit dem von Wanley verglichen, zeigt er manche Verlesungen. So z. 27 pe fllr ye. Üben fllr lipen, winges für pinges^ fehler, welche bei den betreifenden buchstaben leicht möglich sind.

Auch der weitere text soll hier buchstäblich abgedruckt werden. Mit hülfe der Cambridge hs. (C) und der Oxford hs. (0) lassen sich die fehler leicht bessern. .

Hu ye mihten werlds

wurj>e cipe weiden

and ec yure soule

samne to eriste. 35. Wise weren |7e cwej^en

)?e Saide l?e king Alfred:

Mildeliche imune yu,

mine dere frend,

arme and edi lede 10. luviende )?at ye all dred

yure drihten Christ

luviend him and licen.

For he is louerd of lif,

he is one God 45. over all Godnesse,

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ÜBER DIE NAGS, SPRÜCHE ALFREDS. 247

he is one blisse

over all blessedness,

he is one manne

milde master, 50. he one folce fader

and frofre,

he Ib one rihtwise

and riche king,

]7at him ne scal be pane 55. noht of his will,

hwo him here on werld

wur|?end and e{>.

)?us ewa)? Alvred

Engle frofre; 60, He mai no riht cing

ben under erist seife,

but he be boclered

and wise o loage

and he hise writes 65. wel icweme,

and he cunne letres

locen him seife,

hu he sceal his lond

lageliche beiden. 70. J?us cwa}? Alvred,

Engle frofre:

)7e earl and J^e aj^eling,

\>o ben under )7e cing,

pe lond to leden 75. mid lagelich deden.

Bo)?e )?e clerc and pe cniht

demen evenliche riht

For after ]7at ]>g man sowe)?,

\>ev after he scal mowen SO. and efr ilces mannes dom

to his ogen dure charige]?.

|ms cwaj? Alvred:

pe cniht behove)?

ceneliche to mowen 85. nor to werce ]>e lond

hunger and of heregong,

]7at pe chureche have gri]?

and )?e cherle be in fri)>

his sedes to sowen, 90. his medes to mowen,

his plowes to driven

to ure alre bilif.

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248 WÜLCKER

piß es pe cDihtes läge 94. to locen, ]7at it well fare.

In Cottons abschrift ist mancherlei offenbar modernisiert, hauptsächlich hat er ofte, die später verstummten, weggelassen, doch auch sonst finden sich willkürliche änderungen z. b. well statt fvel u. a.

So weit gibt Spelman den angelsächsischen text. Ver- gleichen wir ihn mit C und 0, so kann es noch zweifelhaft sein, welcher gruppe er angehört. Für nähere verwantschaft mit C spricht z. 1. Sifford, z. 39, auch 64 u. folgende schliessen sich näher an C, fenier hat zwischen 77 u. 78 0 zwei verse, welche den beiden andern hss. fehlen. Uebereinstimmungen der Londoner hs. (L) mit 0. sind: z. 2. L. paynes (nach Spel- man), Peines (nach Wanley) ebenso 0, hingegen C. kinhis. z. 7 L. u. 0: Alurich, C Alfred'^ auch zeile 17, 18 in L stimmen mit 0, nicht mit C, ebenso hat L vers 37 u. 38, welche C fehlen. Allein trotzdem beweisen die weitern verse in hs. L., dass sie zur ersten gruppe gehört.

Spelman gibt von den folgenden versen nur einzelne und diese leider nicht angelsächsich, sondern nur lateinisch.

Gleich der nächste spruch ist wichtig für unsre Untersu- chung. 0 schiebt hier einen spruch ein, bei Morris No. 6^*} Er stört die ganze anordnung. Speimann gibt als fünften sprach:

Sic inquit Aelfredus: Parvi sunt divitiae sine sapientia; nempe si cui contin gereut centum septuaginta jugera auro con- sita, si segetis instar late flavesceret metallum, tamen opes illae ingentes, nihil nobis conducerent, nisi prius ex inimicis amicae fierent. Quid enim lapidi interest aurum, quo non prudenter utaris? Einblick genügt sicli zu überzeugen, dass Spelmans spruch 5 dem spruch 6 in C, 7 in 0 entspricht. Dass 5 bei Spelman 6 in C gleich ist, kommt dadurch, dass Sp. die ein- leitende Strophe nicht mit zählt und erst bei z. 25 die Zählung beginnt. Dadurch bleiben seine nummern stets um eins bei Morris zurück. L hat also, so wenig als C, den eingeschobnen spruch gekannt.

Es folgt nun bei Spelman spr. 6 = 7 in C, 8 in 0.

**) Morris a. a. o. pag. 108. Die nummern der Sprüche von C und 0 sind nach Morris angegeben, die von L nach Spelmans Zählung.

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ÜBER DIE NAGS; SPRÜCHE ALFREDS. 249

Sic inquit Aelfredus: Juvenis ad malum ne unquam de- clinet, etiamsi bonum illinon eyeniat exanimi sententia; neque Omnibus, quae velit, fruatur. Potest enim, ubi volet Christus, post malum conferre bonum ejt divitias post gratiam. 0 vere beatum qui ad id conformatus est.

Aus dem lateinischen geht hervor, dass Cotton „gunge mon" las, nicht wie Kemble „gise mon^^)".

Nun überspringt Spelman viele verse und übersetzt erst wider No. 13, also = 14 in C. Aber gerade dieser spruch ist wichtig für uns. Denn 0 hat ihn ganz ans ende als 23 gestellt*^). Wir sehen, dass L ihn genau an derselben stelle hatte, wie C und ebenso wenig, als diese, das anhängsei kannte, welches 0 ihm gibt Er lautet:

Sic inquit Aelfredus: Filius sapiens est benedictio patris. Si tibi puer coritigerit, dum adhuc parvus est, praeceptis eum' imbue, quae ad virum spectant; et ubi adoleverit, iis adhae- rebit ; ita demum evadet, qui tibi gratiam rependat. Sin ipsum propriae libidini permiseris, adultum jam serotui pigebit; suo- que tutori male precabitur. Tunc tibi monenti filius obtempe- rare recusabit, tibique optabilior fuisset orbitas. Praestat enim puero nunquam nasci, quam non castigari.

Es folgt darauf der spruch 27 und 28 = 28 u. 29 in C i^). Beide sind sehr wichtig für uns. Denn der erste der beiden fehlt in 0 gänzlich, der zweite steht dort an ganz anderer stelle, nämlich als No. 21. Ein neuer beweis für die Übereinstimmung von L und C.

Sic inquit Aelfredus: Si natu grandior factus opibus qui- dem abundes, quibus Interim frui non possis, insuper viribus ad tui regimen destituaris, tum quae dominus tibi commoda- verit, gratus recole; vitam tuam et lucis usuram, caeteram etiam delectationem , quam hominibus paravit. Et quicquid demum de te fiat, addas: Velit Dens quod volet; Dei voluntas mihi erit gratissima.

Sic inquit Aelfredus: Affluentia secularis demum ad ver- mes redit, ejusque gloria versa in pulverem et vita cito transit.

^^) vgl. Morris pag. 111.

*«) vgl. ebend. pag. 128 ff.

") vgl. ebend. pag. 124 u. 134.

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250 WÜLCKER

Et si cui contingßret etiam totius terrarum orbis imperium opumque quae iij^.illo sunt omnium, tarnen vitam ad breve modo tempus retinere poterit Tota mundi hujus felicitas ad miseriam tuam solummodo jaleret, nisi Christum tibi aoquireres. Cum igitur vitam ad coelestem doctrinam componamus, tum commodis nostris vel m^me inservimus. Tunc enim is nos certo sustentabit. Ita oiamque Salomon ille sapiens nos edo- cuit; bene est ei qui bewefacit in hoa seculo, nam ad extremum eo pervenit, ubi bonum reperiet.

Als letzte probe gibt Spelman spruch 29 = 30 in C. Hier- mit ist bewiesen, dass L, wie C, 2^' ende noch mehr Sprüche hatte, als 0.

Sic inquit Aelfredus; Mi chare fili, propter me nunc con- sideas et veros monitus tibi tradam. Mi fili sentio supremam horam mihi instare. Genae mihi pallescunt. Dies mei prope decursi sunt. Digrediendum est nobis. Ego quidem in alium orbem eo: tu vero solus relinqueris omnium mearum opum haeres. Obsecro te, sicut es filiusmihi praecharus, da operam ut populo tuo patrem ac dominum te praebeas. Esto pupillo- rum parens et quantum in te fuerit, corrige quod pravum est. Te vero ipsum, fili; ad normam legum dirigas; ita dominum habebis propitium et Dens super omnia erit tibi merces. Hunc invoca tibi consiliarium , quoties consilio opus fuerit, ita tibi erit adjumento, quo id consequaris, quod eflfectum velis.

Obgleich dieser spruch der letzte ist, welchen Spelman übersetzt, war er nicht der letzte in L. Er trägt No. 29, Spel- man aber sa^ ^^): ^,

Quare cuhi si^J^papit^la dictorum regis triginta unum, quo- rum singula/^b -Wf-jocibus qrdiuntur: Sic inquit Aelfredus, nee omnia nee iategrj^^scribam.

Wir habes^g9sehei% daas Wsher alle Sprüche bei Spelman der hs. C entepTochea,iabeö, is?enn wir das erwähnte Verhält- nis mit der nuiiimer beachten, und so dürfen wir gewis auck annehmen, dass der letzte, der einunddreissigste sprueh in h mit dem 32. in C tibereinstimmte i^) und ^r schluss in L %lfio lautete:

*8) a. a. o. pag. 94.

»9) vgl. Moiris pag. 137.

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ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 251

Y&ix he be wi^uten stille,

he bit wi]7inen hille,

and al he bifulit his frend,

]>en he him nnfoldit. Auf grund vorausgehender Untersuchung darf man also für die Zukunft behaupten: die hs. Galba A XIX gehörte mit der Cambridge hs. zu einer gruppe, jedoch, wie die abweichungen von C am anfange beweisen, floss nicht etwa eine der beiden hss. aus der andern, sondern beide beruhen nur auf einer ge- meinsamen quelle. Am ende hat C noch zwei sprüche mehr. Nun zum Schlüsse unsrer handschriftenuntersuchung noch eine Vermutung, welche ich hauptsächlich den englischen ge- lehrten zur erwägung und nachforschung empfehlen möchte. Spelman hat eine copie der Londoner hs., von Thom. Cotton angefertigt, besessen, nach welcher er seinen text gab 20). Er stand in enger Verbindung mit Oxford, als lehrer daselbst. Sollte sich daher nicht vielleicht diese abschrift Cottons irgend wo in Oxford finden, sollte dieselbe nicht vielleicht die hs. sein, welche Kemble im Lincoln College gesehen haben will?

Man war bisher gewohnt, die uns vorliegende spruchsamm- lung als ein ganzes zu betrachten, wovon C (und L) den voll- ständigeren text liefere 21). Es soll nun gezeigt werden, dass wir es hier mit einigen Sammlungen zu tun haben, welche nur lose zu einem ganzen vereinigt sind. Vorher jedoch sei eine Übersicht gegeben, wie sich die sprüche der einzelnen Samm- lungen zu einander verhalten. Die Zählung ist nach Morris gegeben:

Oxford. Cambridge. London.

1 1 122)

2 2 1

**) Der Vollständigkeit halber sei hier angeführt, dass sich eine neu- englische Übersetzung der von Spelman gegebnen sprüche findet in der oben erwähnten jubelausgabe der werke Aelfreds. Vol. III. pag. 83—118.

2*) Wright in der Biogr. lit. I 395 ff. erwähnt, dass die sprüche an das Volk und seinen söhn gerichtet seien; ohne es aber weiter auszu- führen.

**) So bezeichne ich die von Spelman nicht mitgezählte einleitung. Nochmals sei erwähnt, dass durch diese art der Zählung stets die sprüche in L um eine nummer gegen C zurückbleiben,

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252

WULCKER

Oxford.

Cambridge.

London

3

3

2

4

4

3

5

5

4

6

,

,

7

6

5

8

7

6

9

8

10

10

11

9

1-2

11

13

12

14

13

15

16

16

17

17

(21 (20

18

26

19

19

20

23

21

29

28

22

26

,

23

14

i:

j

Die Sprüche 15, 18, 22, 24, 27 und 28 (= 27 in L) von der Cambridge hs. haben also keine entsprechenden in 0.

In der einleitenden Strophe wird beschrieben, wie könig Aelfred eine grosse Volksversammlung hielt und dabei die lehren erteilte. Die nun folgenden sprtlche beginnen sämmtlich: pus quad (quep) Alfred, Englme frouere oder nur: pus quad Alfred,

Der 30. vers in C {= 29 in L) ist der erste, welchen 0 nicht mehr hat, wenn wir von den in 0 dazwischen fehlenden vorerst absehen. Der anfang lautet:

Sone min swo leue, Site me nu bisides and hieb J^e wile sagen soJ?e |?ewes. Sone min, ich feie l?at min hew talewid)? and min wlite is wan and min herte woc,

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ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ÄLEREDS. 253

mine dagis arren nei done; and we sulen unc todelen, ' wenden ich me sal

to )?is o)?ir werlde and ]>n salt blleuen in alle mine wel}?e.

Hier haben wir es offenbar mit einer neuen Sammlung zu tun. Vorher sprach Aelfred zum versammelten volke, jetzt zu seinem söhne. Man beachte auch den dual unc in s^ßile 10, vorher stand stets pluraL In den frühem Sprüchen lesen wir nichts, was darauf deutet, Aelfred habe die lehren in hohem alter gegeben, hier im 30. verse führt ihn der dichter als lebens- müden greis uns vor. Nach den oben gegebnen stellen aus Chronisten Nordenglands und Schottlands sind wir berechtigt, anzunehmen, dass mehrere Spruchsammlungen unter Aelfreds namen umliefen, in unseren hss. C und L konnten mehrere derselben vereinigt sein, während 0 sich mit einer begnügte. Es handelt sich also nur darum: bilden die 29 ersten Sprüche ein abgeschlossnes ganze und zeigt der letzte vers einen wirk- lichen abschluss?

Das ende, welches 0 hat, ist kein schluss. Die letzten Worte in 0 sind:

]fe mon j^e sparej^ yeorde

and yonge childe

and let hit arixlye,

]7at he hit areche ne may,

Y&t him schal on ealde

sore reowe. Amen.

Expliciunt dieta regia Aluredi. Stünde hier nicht: Amen, so glaubte kein mensch, dass die Sammlung zu ende sei. Wie in 0 kann der schluss ursprüng- lich nicht gelautet haben. Allein in C und L findet sich auch unser vers an ganz andrer stelle, als No. 14. C undL haben vor dem oben angeführten spruche zwei, wovon der eine 0 gänzlich mangelt, der andere dort an einen sehr unpassenden platz gestellt ist Der Inhalt der zwei erwähnten verse ist kurz folgender: V. 28. Bist Du im alter arm und krank, so danke doch gott flir alles, was er dir in deinem leben gutes erwiesen hat und noch tagtäglich erweist

And hweder so Jju hwendes, sei |?u aten ende:

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254 WULCKER

wr{>e ]7ad iwui*)?e iwur)?e Godes wille! V. 29: Irdische guter zerstört der wurm und durch £ein kleinod vermag der menscli auch nur eine kurze weile sein leben zu verlängern. Zur bestimmten stunde muss jeder von hinnen und alle seine lust kehrt sich in leid, wenn er nicht auf erden nach Christi gebot gelebt hat: For swo Saide Salomon, ' ]>e wise Salomon:

wie is }7ad wel do)?, hwile he is in J^is werld; euere at pen ende, he eomid per he hit findit. Einen bessern abschluss für diese Sammlung könnten wir gar nicht finden. Zugleich zeigt aber auch diese bemerkung wider, dass wir in der gruppe I einen bessern ursprünglicheren text haben, trotz mancher fehlerhaften lesarten, als in 0.

Betrachten wir nun diese 29 an dasvolk gerichteten Sprü- che näher, so zerfallen diese widerum in zwei teile, welche ursprünglich wol als selbständige Sammlungen undiefen. Ich gebe den Inhalt derselben nach C.

Der 1. abschnitt enthält, wie wir gesehen haben, die he- schreibung, unter welchen umständen Aelfred die folgenden leh- ren gegeben habe.

2. Gott sollen wir über alles lieben. Er ist herr aller herren, in ihm allein ist glück und Seligkeit Selig darum, wer gottes willen tut.

3. Ein könig soll gelehrt sein, damit er lesen und durch- forschen kann die gesetze, nach welchen er zu regieren hat

4. Ritter und geistliche sollen richten, aber gerecht, denn wie jemand säet, so wird er ärnten.

5. Der ritter soU das land gegeif feinde schützen, damit die kirche23) friede habe und der bauer in ruhe sein feld be- stellen kann.

6. Ohne Weisheit aber nützt es nichts ein reicher, vorneh- mer mann zu sein. Denn gold ist nur stein, wenn der besitzer nicht auch ein weiser mann ist.

7. Nicht gebe sich ein junger mann demunmute hin, wenn

^3) So ist die lesart in L undO. Chat verderbt: />at pe riche habbe gryt vgl. Morris 109.

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ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 255

nicht alle seine wünsche sich erflilleu. Oft gibt gott last nach leid, nach weh wonne.

8. Schwer ist es gegen die Strömung zu rudern, so auch gegen das unglück anzukämpfen ist schwer. Gltiklich wer in der Jugend spart, auf dass er im alter genug habe.

9. Wer aber reich ist, der sei nicht stolz. Denn gott hat die guter uns gegeben, er kann sie auch wider nehmen. Sicher- lich müssen wir beim tode alle reichtümer zurücklassen.

10. Mancher hofft auf langes leben. Allein unvermutet er- scheint der tod und gegen ihn ist kein kräutlein gewachsen. Niemand weiss seine todesstunde, ausser gott allein.

11. Darum vertraue nicht auf schätze und reichtum, son- dern auf gott. Alles irdische vergeht, gott aber bleibt ewig. Mancher hat durch reichtum schon seine seele verloren.

Hier fühlt man einen abschluss und wirklich haben wir in 12 eine neue einleitung. Wir dürfen also v. 1 11 ind. als eine besondre Sammlung betrachten und zwar wol als die äl- teste. Für letzteres spricht, dass alle Sprüche, ausser No. 4, in alliteration geschrieben sind 2*). Der Inhalt der lehren aber lässt'sich wirklich in den verschiednen werken Aelfreds, be- sonders in der Übersetzung des Boethius, nachweisen. Halten wir sie aber mit v. 12 29 incl. zusammen, so enthalten sie allgemeine leliren, v. 12 29 mehr klugheitsregeln flir bestimmte fälle des lebens. v. 2 11 können daher recht gut wirklich Aelfreds werken entnommen sein und daher ihren namen „pro- verbia Alfredi" mit recht verdienen. Spruch 4 stammt aus späterer zeit, wahrscheinlich von dem geistlichen, der den Sprü- chen die gestalt gab, in welcher sie uns überliefert sind. Für spätere entstehung spricht äussere form und Inhalt. Man sieht er ist von einem pfaffen nur geschrieben, um die gleichberech- tigung des geistlichen richteramtes neben dem weltlichen her- vorzuheben und als von könig Aelfred gebilligt zu zeigen:

J7e herl and )?e hej^eling

\fo ben under l?e king

]?e lond to leden

**) Dabei ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass öfters sich zufällige reime finden. Aehnliches kommt schon m viel früherer zeit vor. Vgl. z. b. Phoeftix V. 16: ne forstes fncest, ne fyres hleesiy ne hägles hryre, ne hrmes dryre; ebenso v. 52 u. anderswo.

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256 WÜLCKER

mid lauelichi dedin

boj7e J?e clerc and \fe cnict

demen euenliche riet. Aeusserlich ist der reim durchgeführt. Die ftirsten und edeln sollen das land nach den gesetzen beherschen. Nun kommt auf einmal: Geistliche und ritter sollen nebeneinander die gerichtspflege ausführen. Die absieht jenes einschiebsels liegt klar vor äugen. Eine logische Verbindung zwischen z. 5 u. 6 mit dem vorhergehenden ist nicht da. Ausserdem wider- spricht der vers den regierungsgrundsätzen Aelfreds, welcher, trotz all seiner frömmigkeit, den geistlichen eine solche macht nicht einräumte. Endlich kennt Aelfred nur drei stände: ritter, geistliche und bauem 25)^ nicht noch einen der fiirsten und adelinge. Dieser letzte unterschied schmeckt sehr nach der normannischen Verfassung. Offenbar also ist gedachter sprach nicht mit den andern gleichzeitig entstanden. Der eingang in 12 lautet:

}?U8 quad Alfred;

Lustlice luBtuie

. . . lef dere

and ich her .gu wille leren

wenes mine

wit and wisdome,

)?e alle welj^e ouure god^«) Er ähnelt also sehr dem anfange in v. 2.

13. Hast Du sorgen, so behalte sie für dich und teile die- selben niemanden an, dc^nn selten findet man einen teilnehmen- den freund.

14. Ein weises kind ist die freude des vaters, lehre darum dein kind Weisheit, damit es dir ehre niache; denn besser ist kein kind, als ein ungeratnes.

15. Halte mass im trinken, sonst wird es dich reuen.

16. Wähle kein weib seiner Schönheit wegen, oft trtlgt der schein. Wehe dem, der ein übles weib hat.

25) Diese einteilung galt auch noch in späterer ags. üeit. Man ver- gleiche die abhandlnng, welche Aelfric zugeschrieben wird: Ms. Cotton. Nero, A I. Abgedruckt bei Wright, Political songs of England. London, 1839. Camden Society p. 363 ff.

2*) So ist zu lesen statt des sinnlosen />e aüe rvelpe on ure god der hs.

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ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 25t

17. Niemals teile geheimnisse deinem weibe mit; dasselbe wird sie sonst leicht verraten.

18. Auch gegen deinen freund sei vorsichtig. Oft schon wurden die besten freunde die grösten feinde.

19. Häufig traut man einem falschen freunde. Aber trau, schau wem?

20. Mancher apfel ist aussen schön und innen bitter. So ist manche als mädchen liebenswürdig, als frau ränkevoll.

21. Eitelkeit lehrt die frau oft schlimme dinge, darum soll sie nicht die herschaft im hause führen.

22. Hast du einen treuen freund, so bewahre ihn dir, denn ein treuer freund ist ein grosser schätz.

23. Durch gespräch wird der mensch weise, durch alter klug. Fliehe daher sünde und trug, sei weise und du wirst von allen geschätzt werden.

24 Bist du reich und mächtig, so behandle deine unter- gebnen nicht hart, denn bald wird ein andrer nach dir her- sehen und nur dein andenken wird fortleben. Sorge darum, dass du dir einen guten ruf erwirkst.

25. Traue dem rate deiner frau nicht zu sehr. Weiberrat ist kalter rat.

26. Hadre nicht mit toren, ein mann vermag viel durch weise rede.

27. Das alterbringt viele leiden. Hast du im alter grosse reichtümer, so verteile dieselben. Doch wenn du auch noch so viele beschenkst, bald wirst du vergessen sein.

28. Wenn du im alter arm bist, so danke doch gott ftlr alles gute, was er dir. erwiesen hat. Und was auch geschehe, ergib dich in gottes willen.

29. Wahre Weisheit ist, gott zu lieben und seine geböte zu halten. Dereinst wird er uns dafür lohnen.

Man sieht, die gedankenverbindung zwischen den einzelnen Sprüchen ist hier eine weit lockerere, als im ersten teile. Im allgemeinen ist auch hier die alliteration angewant, eine aus- nähme machen No. 25 u. 26, welche gereimt sind. Doch sie unterbrechen auch sehr ungeschickt den ganzen gedankengang und mögen vom spätem tlberarbeiter erst hinzugesetzt sein. Dass dieser ein geistlicher war, scheint mir ausser dem oben angeführten gründe auch sein stark ausgesprochener weiber-

Beiträge zur geschichte der deatschen spräche. I. IS

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258 WÜLCKER

liass, der sonst durchaus nicht im wesen der Angelsachsen lag, zu beweisen.

Mit sprach 30 beginnt nun die neue Sammlung, welche Unterweisungen eines vaters an seinen söhn enthält 27). Das Verhältnis zwischen C und L ist hier: C. 30 L. 29

31 30

32 31

33

34

Spruch 30 und 31 sind in alliteration geschrieben und geben allgemeine lehren. 32, 33, 34 sind gereimt 2») und be- ginnen alle: Sorte min so dere oder leue sone dere, ne ches pu neuere io fere pen . . . mon. Auch diese entstammen gewis erst deml2.jh. L hat sich mit einem derselben begnügt, Chat deren drei. Der letzte schliesst:

]>e rede mon he is a qnede

for he wole ]>e J?m iwil rede

he is cocker, pef and horeling

scolde, of wrechedome he is king

Hie ne sige nout bi }?an,

p&t moni ne ben gentile man,

t^aru y\s lore and genteleri

he amendit huge companie. Ein abschluss ist hier nicht, der dichter oder Schreiber hat an dieser stelle abgebrochen. Nicht einmal das übliche Amen findet sich.

Das ergebnis gegenwärtiger Untersuchung ist also: Es waren im 12. jh. mehrere Spruchsammlungen unter Aelfreds namen in England im umlaufe. In unsera hss. sind einige der- selben vereinigt. Die erste Sammlung ging von v. 1 11 incl. Bei V. 12 beginnt eine neue mit neuer einleitung und geht bis V. 29 incl. V. 11 u. v. 29 zeigen einen vollkommen zufrieden stellenden abschluss. 0 hat sieh mit diesen zwei teilen begnügt C und L hatte noch eine neue reihe hinzugefügt, welche mit V. 30 in C ihren anfang nimmt und einen prolog vorausschickt Die Sprüche sind ursprünglich in alliteration geschrieben, doch

'^) vgl. Morris pag. 134—139.

23) In V. 32 herscht der reim vor uÄd lässt sich sogar mit geringen Änderungen durchführen.

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ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 259

sind in jeden teil von einem späteren Verfasser gereimte lehren eingeschoben. Von diesem Überarbeiter stammen auch v. 32, 33 und 34 und er gab den Sprüchen, wol in der 2. hälfte des 12. Jh., die uns erhaltne gestalt. Dieser dichter gehörte sehr wahrscheinlich dem geistlichen stände an.

Für die ansieht, in den Strophen 1 11 incl. den ältesten teil zu sehen, spricht auch der umstand, dass alle drei hss. sie fast in derselben Ordnung geben, während in v. 12 29 incl. 0 sehr von C, L abweicht.

Sehen wir uns nun nach den Schicksalen der sprüche Ael- freds im 13. jh. und in der spätem zeit um.

Lajamon, der seinen Brut am ende des 12. und am an- fange des 13. jh. verfasst hat^»)^ scheint unsre sprüche, wenig- stens V. 1 29, gekannt zu haben. Er sagt 3«): V. 6312. SeotJÖen }?er «fter

monie hundred wlntre

com Alfred pe king,

Englelondes deorling

and wrat ]>3l lagen on Englis^

ase heo wes ser on Bruttisc. Er nennt also hier Aelfred lEnglelondes deorling gerade wie er in spruch 1 bezeichnet wird. Doch könnte dies auch ein weitverbreiteter beiname dieses geliebten fürsten gewesen sein. Ein stärkerer beweis aber, worauf auch schon beitrage pag. 65 aufmerksam gemacht wurde, ist, dass La^amon sein grosses werk, statt mit den sonst immer üblichen gebeten und bitten an den leser, für die seele des dichters zu beten, einfach mit den Worten schliesst^i):

V. 32232. Aenglisce kinges

walden |?as londes

and Bruttes hit loseden

]7is lond and )7as leoden,

|?at naeuere seot5t5en maere

kinges neoren here.

]7a jet ne com j^aes ilke dsei

beo heonne uorÖ alse hit maei,

29) vgl. beitrage, pag. 66 fF.

*) vgl. Lagamons Brut or chronicle of Britain ed. by Frederic Madden, 3 bde. London 1847. Vol. I, 269 ff. 3») ebend. Vol. III, pag. 296 ff.

18*

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560 WÜLCKEß

iwurÖe J^et iwuröe,

iwnrÖe Godes wille. Amen. Sicher schwebten dem dichter dabei die werte unsrer Sprüche vor:

sei ]fu aten ende:

wr|?e }?ad iwur)?e,

iwur}?e Godes wille. Ebenfalls am anfange des 13. jh. bezieht sich ein andres gedieht häufig auf die aussprtiche Aelfreds: das gedieht vom streite zwischen Eule und Nachtigall vgl oben pag 68 ff. An nicht weniger als 16 stellen werden alte Weisheitslehren und zwar 12 darunter mit ausdrücklicher nennung von Aelfred an- geführt »2). Diese finden sich Owl a. Night, v. 235, 294, 299, 349, 569, 685, 697, 761, 942, 1074 (derselbe ausspruch, wie 176), 1223 und 1269. Die vier orte, wo Aelfred nicht ausdrücklich genannt, sind v. 176, 290, 637 u. 1037. Zwar findet sich nur einer dieser aussprüche, v. 293, in unsrer Sammlung in v. No. 26 wider 33): Er lautet 0. a. N.

Hu Alfred seide on his spelle:

Loke ]7at \fu ne beo l^are,

}?ar charling beo}? and eheste gare,

Lat sottes chidde and for]? pu go. Aber es heisst v. 235: Alfred hing hit seide and tvroi; 349: Alfred hit seide and me hit mai in hohe rede; u. oben v. 293: seide on his spelle: und dies beweist zur genüge, dass sich der dichter bei seinen Sprüchen auf schriftliche, nicht mündliche Überlieferung stützte. Es geht daraus aufs neue hervor, dass in ziemlicher anzahl Spruchsammlungen Aelfreds umliefen, von welchen aber uns nur einige erhalten sind.

Ein andres gedieht, welches uns aus der ersten hälfte des 13. jh. erhalten ist, scheint direkt an eine stelle unserer Sprüche anzuknüpfen und den dort enthaltenen gedanken weiter auszu- führen. V. 10 heisst es:

Monimon wenit,

|?at he wenen ne J^arf,

longer liuis,

ac him scal legen |?at wrench.

3^) die citatesind nach der ausgäbe von H. Stratmann: an old English poem of the Owl and the Nightingale. Krefeld, 1868.

^) Mätzner hat die andern auch meist in englischen werken nach- gewiesen (Altengl. sprachproben I p. 304), jedoch haben wir keine gleich- zeitigen sprnchsammlangen, sondern nur die viel jüngere des Hending.

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ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 261

Besagtes lied fängt an 3*) nach der Jesus Coli. hs. 29: Mon^*) may longe lyues wene Ac ofte hirn lyet5 }?e wrench

Aus dem ende des 13. jh. haben wir noch ein zeugnis fttr das fortleben der Sprüche Aelfreds in der chronik des Johannes de Oxenedes. Ueber das leben dieses Schriftstellers wissen wir nichts. Da jedoch seine chronik mit dem jähre 1292 abschliesst, dürfen wir annehmen, dass er ende des 13. jh. schrieb. Er sagt von Aelfred^e): Leges christianissimas et scripsit et pervulgavit, in quibus fides ejus et devotio in Deum, solicitu- do in subditos, misericordia in pauperes, justitia circa om- nes cunctis legentibus patet Extant parabolae etiam ejus plurimum habentes aedificationis, venustatis, jocunditatis et nobilitatis.

Viel darf man allerdings nicht auf dieses zeugnis geben, da diese stelle wörtlich aus Ailred von Riveaux (vgl. oben) ab- geschrieben ist.

Im 14. jh. finden sich keine spuren mehr, welche auf ein fortleben der Sprüche Aelfreds hindeuteten. Der grund dieser erscheinung liegt nahe.

Aelfred war ein acht ags. held. Durch die erinnerungan ihn, durch die verherlichung seiner person, erfreute und tröstete sich das ags. volk während der normannischen fremdherschaft. Im laufe des 13. jh. nun vollzog sich die Versöhnung und Ver- einigung von Angelsachsen und Normannen; am ende des jh. war dies werk vollendet: der alte hass verschwand und beide nationen waren jetzt stolz darauf, Engländer zu sein. Und als unter den Eduards nun die kämpfe gegen die alten feinde, die Schotten und Franzosen begannen, feierte man die beiden des tages, Eduard I. und Eduard III. Zu gleicher zeit drang fran- zösische bildung auch mächtig auf die Angelsachen ein, die sich vorher dagegen unwillig abgeschlossen hatten. Unter sol- chen umständen musten die bilder der alten beiden erbleichen

**) Morris hat es abgedruckt a. a. o. {nach der Cotton. hs. und Jes. Coli, hs.) pag. 157 ff.

35) Die lesarten von Jesus hs. behielt ich bei, da mon einen bessern sinn gibt, als non.

^ vgl. Chronica Johannis de Oxenedes ed. by Henry EUis. London 1859. Rerum Brittannicarum medii aevi scriptores. pag. 5,

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262 WÜLCKER

und selbst Aelfreds andenken allmälich aus der erinnerung schwinden.

Ein deutliches zeichen dieser veränderten denkart der Ags. ist, dass im ersten viertel des 14. jh. eine neue Sammlung von Sprüchen (oder besser von glossierten Sprichwörtern) in Umlauf kam, welche nicht mehr Aelfreds namen trug, son- dern den des Hending^^), Eine hs. derselben, Harl. 2263, gibt den anfang38)j

Mon that wol of wysdam heren, At wyse Hendyng he may lernen, That weeL Marcolves sone und bringt dadurch die Sprüche in Verbindung mit Salomon und Morolf, den zwei männem, welchen die andern Völker des abendlandes all ihre «pruchweisheit zuschrieben. Hiermit haben die Angelsachsen ihre eigentümlichkeit in bezug auf spruchli- teratur aufgegeben und treten mit den andern occidentalischen nationen in eine reihe.

3') Der name Hending hängt wol zusammen mit hendi = got. handugs 38) Vgl. Wright and Halliwell; Reliquiae Antiquae. vol. I. p. 109. Die hs. ist nach Halliwell aus den zeiten Edwards II.

LEIPZIG. RICHARD WÜLCKER.

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ÜBER DIE MARGARETENLEGENDEN.

Die Margareteillegende verbreitete sich schon früh vom Orient, ihrem schauplatze und entstehungsorte, auf dem wege durch Griechenland über das ganze abendland. In Deutsch- land tritt sie zuerst bei Hrabanus auf, der in seinem martyro- logium*) schon die hauptztige derselben berichtet. Einer wie allgemeinen beliebtheit sie sich erfreute, zeigen besonders die mannigfachen poetischen bearbeitui^gen , die sie seit dem 12. Jahrhundert in Deutschland, England, Frankreich in den natio- nalsprachen erfuhr. Nicht als ob man den Inhalt der legende als besonders dazu geeignet hätte ansehn müssen so anzie- hend auch wenigstens dem verdorbenen geschmacke der spä- teren zeit das auftreten des teufeis in derselben gewesen sein mag vielmehr der besonderen geltung der heiligen ist das zuzuschreiben. Margarete war die christliche Lucina, wie sie Hieronymus Vida**) auch geradezu anredet: das gebet zu ihr, das lesen und verbreiten ihrer passion verhalf den frauen zu glücklicher niederkunft; das wird ausdrücklich in der legende erwähnt und sogen fftr kreissende folgen unmittelbar auf die- selbe in mehreren handschriften.

Deutsche poetische Margaretenlegenden sind schon in mannig- faltiger gestalt und nicht geringer anzahl bekannt gemacht. Die älteste unter ihnen ist wol die in Haupts zeitschr. 1, 152 ff. veröffentlichte: mehrere nur noch im 12. jh. mögliche reime, welche das gedieht aufzuweisen hat***), beweisen, dass dieje-

•) Opera VI. 190. F. G.

•*) opera Antverpiae 1578. s. 176. v. 49.

***) edele: Eugene 113, ubele: himele 247, himele: nidene .633, Mar- garite: guote 14;- das letztere in der hs. nur hier, aber sonst oft mit Haupt herzustellen, am sichersten v. 149, 443, 449, 461, 827, 689, 743, 715.

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264 VOGT

nigen, welche das gepräge einer jüngeren zeit tragen*), dem originale nicht angehört haben können. Uebrigens scheint die hand des Überarbeiters auch sonst erkennbar: so v. 83 u. 84, wo der dichter aus der schaar der heiligen Jungfrauen allein die „frouwe Elspet" namentlich hervorhebt. Damit kann die mutter Johannes des täufers nicht gemeint sein, die sehr wenig als heilige verehrt wurde, wenigstens enthalten weder die vitae sanctorum des Surius noch die legenda aurea in ihrer ursprüng- lichen gestalt die geschichte derselben (die Acta SS. sind noch nicht bis zu ihrem heiligentage gekommen). Eine solche Ver- ehrung, um vor allen andern heiligen genannt zu werden, ge- noss nur die heil. Elisabeth v. Thüringen (1235 canonisiert); die versesind also späterer zusatz. Noch in dasselbe Jahrhundert setzt Bartsch die nach einer Prager hs. des 15. jh. Germania 4, 440 von ihm herausgegebene „Margareten marter" (Varian- ten einer Klostemeuburger hs. Germ. 6, 376 von J. M. Wagner). Auch hier finden sich reime, die doch jener zeit schwerlich zu- zutrauen sind. Beispiele für apokope des e nach langer Stamm- silbe und flir unorganische dehnung des kurzen Stammvokals eines zweisilbigen Wortes kommen freilich schon in reimender gedichte des 12.jhs. vor, aber doch nur ganz vereinzelt. Wein- hold bair. gramm. § 338 flihrt als beispiel flir apokope erbetail dat. {isipiail n.) und bluot dat. (ituot) denkm. XL VI, 40 u. 80 und einige belege für denselben fall aus Wernhers Maria und Dietmar v. Aist an; weniges lässt sich aus älteren gedichten hinzufligen: eine härtere apokope erheischt der reim sacheiun- gemach*"^) Diem. d. ged; 48, 17 (bücher Mose), gleichfalls die des e des dat. m. der reim sinne :chini a. a. o. 87, 22 (in dem gedichte diu wärheit). Verletzung der Quantität findet sich ebenfalls schon in den bb. Mos. 24, 24 im reime 6le:wole und in der Jüngern Judith Diem. 160, 14 im reime fragen : sagen. Aber was haben solche Seltenheiten zu bedeuten gegenüber einem gedichte, in dem jeder zehnte vers eine solche apokope des e nach langer Stammsilbe erfordert und noch dazu darun- ter die des e des plur. (v. 342) und des dat. fem. (307)? Das

•) so 109 land.'santy 167 chrisi:frist (conj.), 324 sin:minne, 526 Aaw (dat.): vass, 561 wild (willst): püd; 703 slahen: gähen, 555. 697 u. a.

**) Wenn man nicht lieber in ungemach anfügung eines unechten e annehmen will vgl. Weinhold b. gr, § 342.

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ÜEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 265

darf man einem österreichischen dichter des 14. jhs. ohne be- denken, möglicherweise auch einem des 13., keinesfalls aber einem früheren zutrauen. Wenn sich nun aber doch daneben altertümliche reime wie heiligon (d. pl.): Idn (v. 3), guote: Mar- garete (v. 11) finden es kommen noch einige weniger sichere hinzu und wenn der ganze frische, knappe und einfache stil für das 12. jh. zu sprechen scheint, so werden wir auch hier eine grundlage aus dieser zeit veraussetzen müssen, wie das gedieht uns aber vorliegt, ist es eine spätere Überarbeitung. Die' annähme einer altem grundlage könnte auch dadurch noch ge- stützt werden, dass gerade an mehreren bedenklichen stellen die beiden hss. nicht übereinstimmen so v. 259 u. 60, 307 u. 8, 419 u. 20 ^^ in andern fällen zeigen sich abweichungen von der lateinischen quelle, so v. 339, wo der reim chragm : lägen zwar auch in der Prager hs. beibehalten werden muss wegen der lesart der Klostemeuburger oben üf sinem chragen zwei prlnnmide swert lägen; aber die quelle hat: super coUum ejus erat serpens, gladius candens in manu ejus videbatur; es scheint also hier schon die vorläge beider hss. entstellt gewesen zu sein. Auch im 13. jh. wurde die Margaretenlegende poetisch bc: arbeitet. Ein freund des Rudolf v. Ems, Wetzel, hat nach des ersteren bekannter angäbe im Alexander M. S. 4, 867^ „vil ge- fuoge" ein Margaretenlebcn verfasst. Die Identität desselben mit einer nur teilweise in einer hs. des 15. jh«. erhaltenen Margaretenlegende, die der herzogin Clemende von Zähringen gewidmet ist, hat Bartsch, germanistische Studien I, 1 fif, nach- zuweisen gesucht. Wenn sich auch darüber eine absolute ge- wisheit aus den gegebenen anhaltspunkten nicht gewinnen lässt, so macht es die von Bartsch gegebene Zeitbestimmung doch immerhin wahrscheinlich und jedenfalls ist dies durchaus im höfischen stile des 13. jhs. gehaltene gedieht das einzige unter den zahlreichen bekannten Margaretenlegenden, welches auf Wetzeis autorschaft anspruch machen kann *). Höchstens könnte vielleicht noch die von HoiFmann Wiener hss. n. 35, 45 ange- führte bearbeitung in betracht kommen, die möglicherweise noch im 13. jh. von einem Oberdeutschen verfasst wurde, doch

•) Ich führe daher im folgenden auch das gedieht unter Wetzeis namen an.

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266 VOGT

gestatten natürlich die beiden dort mitgeteilten anfangsverse*) nicht einmal darüber einen schluss. Die hs. ist aus dem 14 jL Sonst gehört ins 13. jh. nur noch die im Passional ent- haltene Margaretenlegende (beiKöpke s. 326 flF.) und wolauch das mitteldeutsche gedieht von einer menlichen iuncvrowen, dessen eingang von Lappenberg im anzeiger f. künde der d. vorz. III, 39, aus einer Hamburger hs. des 13. oder 14." jhs. mitgeteilt ist **).

Dem 14. jh» gehört die Margareta an, welche Docen dem •Hartwig vom Hage, dem dichter der 7 tagzeiten (Hagens mu- seum II, 266; hs. v. j. 1348), zugewiesen hat und wovon er altd. Wälder III, 149 flF. proben mitteilte.

Hierher, schwerlich in frühere zeit, ist auch Margareten passie in Schades geistl. gedd. des 14. und 15. jhs. vom Nieder- rhein zu setzen. Schade vermutete zwar, dass diesem gedichte ein früheres des 12. jhs. zu gründe gelegen habe. Das hat sich auch insofern bestätigt, als der niederrheinische dichter die oben t)esprochene Margareten marter des 12. jhs. benutzt hat Aber er entnahm ihr wenig mehr als den anfang der eigent- lichen erzählung (cf. Bartsch Germ. 7, 268 f.) und arbeitete im übrigen selbständig nach einer vielfach abweichenden lateini- schen quelle. Das geschah aber schwerlich eher, als im 14 jh. denn während von den unreinen reimen keiner notwendig auf das 12. jh, zurückzufahren ist, können die reime mer (mare): wer (esset) v. 223, gedeuft (part.).*^ geleuß (praet) v. 304, dede (conj.): gebede 336 nur von einem späteren dichter herrühren.

Noch nicht bekannt war bisher meines wissens eine nieder- deutsche bearbeitung der legende, welche in einer der Göttinger univ. bibl. angehörigen papierhs. des 15. Jahrhunderts (Cod. M. S. theoL 199. 8») enthalten ist. Die hs. (25, bll. in kl. 8) enthält auf bl. 1 23* die Margaretenlegende ohne Überschrift; daran schliessen sich unmittelbar bl. 23* 24* „Vota ad par-

*) Die edel magt hoch gepom

mit allen tvgenden auzerchom *•) Ez was ein iuncvrowe gut An guten werten wol behut Di hette riebe mage Si was in schöner plage Wol gewaszen als de kint De schone vnde lep sint

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UEBER DIE MAßGARETENLEGENDEN. 267

tum mulieris, ut pariat absque gravi dolore*)", worauf bis zum schluss eine niederdeutsche Übertragung der ersten 14 w. des ev. Job. folgt.

Den von hochdeutscher einmischung nicht ganz freien dialekt wird folgende Übersicht des lautbestandes kennzeichnen.

Vocale: hA a = e in nesze (nase), der (audeo). vor / == o in olt, holdes. ^ d = 0 vor. c?i : brachte, noch.

schwaches e = i : martir, andirs, godis: == o in vor-. e = w in sulveriy huipe. e = i in irsten (primum), sile;

= 0 in or (ehe). i = u in sulverin, ummer;

= e : hen, hemfnel, em,' er, met, beth, weten, w edder; = 0 : or (ihr, neben er). 0 = a : van, oder, sali, laue, gade (selten). j, u= 0 : koningk. Joden, dorch, or-, borde, worde. ce= e : gebere, siede (siehe unten über den umlaut). ei= ei(ey): eyn, bereydet, geheiten;

e : menden, sehen, bleck, weck, wesze (waise); == i : hiliger, hilgen. n ie= i : lith, hit, gingk, hingk, rypen, kyszen;

= e : (selten) densL n iu= u : lade, du fei n öM= 0 : dope, lope, houet, rock; = ouyoY rv: frouwen, schou-

wen und in ougen. uo= 0 : kope, moder, mot, tho; bokelin, vote; = u : vluck, gefuch, gute, huff, suchten. Der umlaut von a ist mit wenigen ausnahmen (z. b. irfa- restu) überall durchgedrungen, selbst der von ä wird meist durch e bezeichnet, daneben aber z. b. salich. Alle andern vokale kennen den umlaut nicht und ich habe deshalb der einfachheit halber im vorstehenden die umgelauteten mhd. vocale hier un- ter die unumgelauteten mit einbegriflFen.

Consonanten: hd. b inlautend = v (u): vordryven, lauen, suhien,

*) Wie aus diesem an sich wertlosen lateinischen gebete hervorgeht, wurde die hs. für eine trau namens Anna verfasst.

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268 VOGT

hd. p auslautend = /; huff, wiff, Uff,

pf anlautend = p: plegen; inlautend = pp: appeL

verschobenes /in- und auslautend = p : hulpe, hope; warp, up.

t = d: öufel, dede, godis; daneben, wenn auch selten, = t: gute, gote, trost, teil; apokopiert in is..

z = t, ausser in czart, czeier, zcirheit, crucze, kercze und einmal: hercze (: kercze).

g = ch vor t in licht (Hget)

c im auslaut = ch: mach, ge/uch,

verschobenes ch = k: hokelin, siken, vluck, welk; daneben selten = ch: suchten (neb. sokeden), sprach.

h fällt hie und da zwischen vocalen aus: sie (video), vlie. Verdoppelung des consonanten nach kurzem vocal findet sich in meniiigher, hemmel, numme, ummer, wedder, leddich u.a. In betreflf der flexion ist zu bemerken: flir die verbalen- dungen das n des pl praes. ind. (gy geven); flir den ablaut das e des plur. und der 2. sing, im ind. praet. der 2. ablauts- reihe fgevest, brekenj. Die formen der personal-pronomina sind die gewöhnlichen niederdeutschen. Der artikel schwankt im nom. sing. (u. plur.)m. u. f. zwischen die dy de*); entsprechend lautet das interrogativum rvy, wie. Dem mhd. nehein ent- spricht neyn.

Zu den eigenttimlichkeiten der niederdeutschen Schreibweise gehört die anwendung des z und sz für s und die bezeichnung eines gedehnten vocals durch nachgesetztes e, die jedoch nur selten angewant wird (fuer feuer, gruet gruss, bluei), einmal wird auch / dafiir geschrieben (vorgoit vergoss). Oefter kommt das e über dem vokal vor, in welchem einige das zeichen für den Umlaut gesehn haben. In unsrer hs. sind die beispiele dafür folgende:**) not, geböth (praet.), döth (tut), dot (tod), vöt^ mdt (muss), göt (goss), vöp (wuof), bock, röst, dr (ehe), or (ihr, dat. f.), göt (gott); behüt, müt (muss), ?nüih (animus);. wit, nyt (hasste), ///ä (licss), r/j? (rief), t;«/ (cecidit), }iy (nie); schäp;mayt. Dass also wenigstens hier dies zeichen keinen umlaut anzeigen kann, liegt auf der band: man müste denn annehmen, dass

*) einmal auch der n. ag. m.

*•) Hier, wie im folgenden immer, wird vocal mit übergeschriebenem e durch vokal mit strich widergegeben.

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UEBER DIE MAKGARETENLEGENDEN. 269

das nd. für o und u nur falschen umlaut gekannt habe. Des- halb braucht man aber dies e keineswegs für bedeutungslos anzusehn: der Schreiber scheint mir einfach dasselbe damit zu bezeichnen wie mit dem seltener nachgesetzten e^ nämlich die länge des betr. vocals. In allen beispielen sind wir berechtigt langen vocal anzunehmen ausser in dem einzigen gdt (gott), was sonst immer got geschrieben wird, und dass hier der Schreiber sich versehn habe, der noch weit schlimmere dinge machte (z.b. morder für wiöt/^r schrieb), ist wolkeine zu kühne annähme. Bemerkenswert ist noch, dass das zeichen nur da angewant wurde, wo die Quantität zweifelhaft sein konnte, also nur vor auslautendem, nicht vor inlautendem einfachen consonanten, denn im letzteren falle war die länge des vorausgehenden vocals selbstverständlich*); also: müt^ möt, aber conj. mute, mote;hdck aber hokelin. In mayi und ny auch fnayet und nye ge- schrieben — wurde wol das e gesprochen.

Ich lasse den anfang des gedichtes folgen. Die abbrevia- turen habe ich aufgelöst und interpunction hinzugefügt, sonst nichts geändert

ET schulen alle frouwen

Die martir gerne schouwen,

Hören vnde lezen

Vnde stede dar nha weszen, 5 Alze margarete dy reyne mayt,

Dar von vns dit bokelin sagit.

Sie kan wol vordryven dy not,

Die göt suluen geböth,

Dar van id eüen miszgegingk: 10 Don sie den appel vmme vingk,

Tho hant wart dy vluck gedan,

Dy noch den frouwen henget an.

Die vluck tweyerley wart;

Got des irsten nye vorgath: 15 He sprack du salt weszenn

Under dynes mannes bezem. Ib

Szo isz dat dy ander vluck

(Nutte isz ock syn gefuch),

Dat sie des mannes borde

*) Die gemination des folgenden consonanten, welche hier bei voraus- gehendem kurzen vokal eintrat, wird freilich ebensowenig consequent vom Schreiber bezeichnet wie im erstem falle die länge des vocals vor auslautendem consonanten.

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270 VOGT

5 Nummer leddich worde

Ane pyne vnde ane noth.

Dar van lidet mannich den doth.

Isz dat sie geneszeun

Vnde tho hulpe kyszen 10 Margareten die reyne mayet,

Dar van vns dit bokelin saget.

Or vader was eyn heyden,

Van gode was he gescheiden.

Don sie van em gebom wart, 15 He szande sie dorch syn hatb

Auer vefteyn milen in eyne stath,

Dar ynne he eyne amme bath,

Dat sie des kindes scholde plegen

Vnd were em wol gewegen.

Mit diesem eingang stimmt vom dialekt abgesehn, f^st wörtlich der anfang einer Margaretenlegende tiberein, welchen Hagen im grundriss s. 279 mitteilt bis auf die w. s. 2, 1—8 bei Hagen. Zwischen beiden steht hier ein Leipziger druck vom j. 1517*), welcher in den vv. Hagen s. 2, 1 8 und teil- weise auch in dem von der nd. bearbeitung abweichenden Schlüsse mit Hagens Margarete übereinstimmt; da dieser druck im übrigen teile des gedichtes mit wenigen abweichungen den text der Göttinger hs. nur hochdeutsch repräsentiert, so können wir den schluss ziehen, dass diese 3 bearbeitungen zu- letzt auf eine grundlage zurückgehen. Dazu kommt dann noch die von Docen Altd. Wälder III, 156 erwähnte legende, welche im wesentlichen mit der Hagenschen übereinstimmt, femer, wenn man nach den beiden ersten vv. schliessen darf, auch die in einer Olmützer hs. des 15. jhs. enthaltene, welche Bartsch, an- zeiger flir künde der d. vorz. 1861. s. 331 , anführt und die Margareta einer Wiener hs. (Hoffmann Wiener hss. n. 90, 2), deren anfangsworte mit denen der letzterwähnten völlig tiber- einstimmen.

Endlich aber erweist sich nun auch noch das von W.

. Schum in der Germania 18, 98 fil veröffentlichte Erfurter bruch-

stück einer gereimten Margaretenlegende als hierher gehörig.

*) *Sant Margaretha legend.* Auf dem titel ist die heilige mit einem buche und einem kreuze in der band abgebildet den drachen am bände haltend.

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UEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 271

Man vergleiche:

G. {Göttinger hß.) 19», 5. E. (Schums bruchßt.)

Beelczebuck bin ick genant 1 Belczebngk byn ich genant

M3men gesellen bin ick wol bekant Mynen geseliin ben ich wol bekant Dy lüde ick ouer wynne Dy lute ich ubirwinde

Er gebet ick gar vorslinge Or gebete ich gar vorslynge

Ick mit allen rechte 5 Ich mit on allin vechte

Vnde alle myn gesiechte ünde alle myn gesiechte

Nymant my ouer wynnen mach Keyner dich ubirwindin mag Du bist my eyn grot wedder slach Wannen du bist mir eyn wedirslag 0 we myn geselle Ou we mynes geseliin

Bosze is vnsze geuelle. 10 Gut ist dure gefeile.

Hier und v. 7 bietet G offenbar das richtige.

Es mögen noch einige abweichende lesarten von G folgen. 24 Id is my nrv gevallen. 26. nicht szer guth, 27, 28. desse rede dy ick em gerne dede. 29. van em to hande. 31. 32. Älzo is my von dy gesehen Hir vmme möt ick van dy tihen. 34. Ick volgede gerne dynen rat na, 44 sprack hen wedder sam. 47. Ick was wisz dat segge ick dy. 51. vordragen. 52. dar dy nicht nummer sagen. Nach 54: Do hüff dy dufel wedder an Dessze rede he began He sprack vnsze koningk. 66. was, 63. mer 64 stan by dy, 70. glas, 72. in dat mer nat. 73. Babylon. 74. gülden Ion. 78. dat isz der werlde vntrost. 86. hingk, 87. nicht andirs. 88. Opper vnsze gode Loueszam. 89. He spragk du sah erkennen. 90. Got wil ick dy nennen, 91. alle dingk. 94. an gode gar vordorffen. 97. Tyen aue die cleydere bloth. 98. wit vnd roth. 99. szere von tomen, 104. alzo eyne kercze» 105. van pyne werde erloszt. 106. vnd van der hellen röst. 109. fehlt. Nach 110. Juwe radt der is eyn wicht, 115. eyne kope grot. Nach 116: He lith sie dar yn szencken Nicht ergers konde he erdenken. 121. Llosze my here von der sunder banU Nach 124: üp sette my dat heil Dat van my der sunder teil (? Die vorläge hatte vielleicht: Dwach von mir der sunden meit).

Keine von beiden hss, kann, nach diesen abweichungen zu schliessen, den ansprach machen, den Originaltext zu liefern: bald gibt die Göttinger, bald die Erfurter das richtige. Es ist oflfenbar noch eine ältere gemeinsame gi-undlage vorauszusetzen. Es fragt sich, welchem dialect und weiterhin, welcher zeit die- selbe angehörte.

6 weist einige nd. formen im reime auf: nd. t im reime hlot (bloss): roth (aber hier bietet Emit der lesart wisz als eyn

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272 Vogt

slosz sicher das richtige) und in vorgat (vergass): hat (hatte), groi: gehot Nd. d in moder: broder, rede: dede (täte)*); femer die reime //cÄ^ (liegt) : frist, tornen: vorhomen, lave {[^mAi): klage) älzo: to, her (huc): er (ihr), my (dat. sing.): sie: syn: votelin.

Dem gegenüber steht aber eine nicht unbedeutende anzahl rein hochdeutscher reime: vor gas (vergass) wird einmal sogar so geschrieben im reime; was; herzustellen ist es im eingang V. 14 ebenfalls im reime ; was (wie st. wart mit den andern hss. zu lesen ist); ebenso ist haz v. 30 in demselben reime herzu- stellen; geschrieben wird noch einmal das: was {=daz: was). Der nd. form tho (zu) widersprechen die reime derselben: hlstu, meinestu, nu (2 mal). Statt der formen my dy für dat. u. acc wird mir durch den reim: dir (tier), mich und dich durch den auf louelich, ewichlich gesichert.

Nd. k wird widerlegt durch »^aX:^; lachen, waken: trachten; nd. t durch hercze: kercze.

Nd. kann also das original nicht gewesen sein, aber auch nicht hd., da der reim tornen: vorbomen, wie die Übereinstim- mung von G und E beweist, schon dem 'urtexte angehört hat Der dialect desselben war ohne zweifei md.; darauf weisen auch reime wie sere:gebere und: swere; bringen (d.i. br engen): lengen (in G und E); ferner das md.^ wort vullemunt ( : rmnt), woraus selbst der Leipziger druck ein sinnloses wolmuth machte. Md. können auch reime sein, in denen d statt hd. t auftritt, so- wie die formen licht (liegt)**) und labe (lobe).***)

Auch apokopierung des infinitiv n kommt im reime vor, so: 5ye?z (sehen, 1. se):ge (conj.) senden: ende; vielleicht gehörten auch die in G nicht enthaltenen reime E. 28, 34, 64 dem ori- ginale an. (Dass Schum a. a. o. s. 100 auch vorslinde als inf. aufführt, ist ein versehn.) Die wenigen speciell niederdeutschen reime dürfen wir gewis dem Schreiber von G zusprechen, der auch sonst ziemlich willkürlich verfuhr, wie zahlreiche entstel- lungen des sinnes beweisen. Das er nicht einmal den dialect seinem vorläge genügend verstand, beweist z. b. die lesart zu

*) Auch hier ist die lesart von E mit dem reime Ure : bekire anzu- nehmen.

•*) cf. z. b. Marien rosengarten (bei Bartsch erlösung anhg. XIX.) v. 31 Pflicht (^=pfliget) : gericht

***) cf. das leben der heil. Elisabeth ed. Rieger v. 33. 1182 ü. ö.

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UEßER DIE MARGARETENLEGENDEN. 273

V. 47 genugsam (die vorläge hatte: rvaz ich rveiz daz sage ich dir oder wie E., der Schreiber fasste weiz als wise und waz als was auf); auf ein ähnliches misverständnis scheint die textes- entstellung bl 1^ 8 zurückzugehn. Das original hatte wol iz end daz. Merkwürdigerweise sind auch die beiden andern Über- lieferungen hier entstellt und v. d. Hagen gibt daher auch schon diese Verbesserung an.

Was die zeit der abfassung betrifft, so verweisen spräche und reime mit gröster Wahrscheinlichkeit auf das 14. jh. wie auch Schum vermutet und wol noch auf die erste hälfte desselben. Unreine reime sind nicht gerade selten j dravedm (trabeten): sageden, worden : vordorffeUj hengen : hen-* den; kraft : macht, vöp : bdck, visch : is (ist); wart : wort, an : hän : gedän, not : got, wort : gehört Selten ist noch apokope des e nach langer Stammsilbe {geist : leist praestabat) und unorga- nische dehnung im reim fnoden : goden göttem, samen zu- sammen; amen, geneszen : kyszen). Diess sowie das gewicht, welches jioch der tiefton im reim behauptet, spricht gegen spä-* tere zeit. Beispiele sind tornich : wenich, sachm^dich : dich, ja selbst forchten (dat. plur.): ynnichlichen*) wird gereimt Auch reime wie mlverin : guldin, iszerin : kopperin dürften in späteren gedichten nicht vorkommen. Besonders häufig erscheint noch die endung md. - ere im reim ; so swere : sunder e : vogeler e : korkenere, mere (mhd. maere): merterere : bichtigere; eine eigen- tümlichkeit, die sich besonders im Thüringischen dialect lange behauptete.

Wie unter den deutschen umdichtungen der Margareten- legende die letztbesprochene, der zahl der hss. nach zu urteilen, die verbreitetste war, so war unter den lateinischen Versionen die in des Mombritius sanctuarium**) II, 104 flF. überlieferte oflfenbar die bekannteste und am meisten benutzte. FürBartschs Margareten marter und für das Erftirter bruchstück hat Schum a. a. 0. dieselbe bereits als quelle nachgewiesen. Die dem letz- teren zu gründe liegende bearbeitung folgte derselben auch in

*) Dass aber deshalb nicht auch hier an ein original des 12. jhs. ge- dacht werden darf, beweist ausser den äusseren kennzeichen auch der Stil des gedichtes, der in seiner unbehülflichen breite, reich an Platt- heiten und herkömmlichen flickwortern für den reim, das gepräge der angegebenen zeit trägt.

**) 2 bde. fol. Mediolani s. a. (vor 1480).

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I. 1*^

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den übrigen nur in G erhaltenen teilen in derselben weise. Meist sebloss sich der dichter ziemlich sclavisch dem lateinischen texte an, aber natürlich bringt schon das reimbedürfhis einzelne abweichungen mit sich und man braucht deshalb noch nicht mit Schum die benutzung einer deutschen quelle neben der la- teinischen anzunehmen. Die geringen ähulichkeiten dieser ab- weichungeiji mit stellen. in der Margareten marter scheinen nur darauf zu deuten, dass der lateinische text, welcher den deut- schen dichtem vorlag, nicht ganz identisch war mit dem so viel später bei Mombritius abgedruckten, was sich auch sonst nachweisen lässt. Einzelnes gewinnt übrigens auch ein anderes licht durch die mitgeteilten lesarten von G, vgl. die zu v. 7 und V. 10, welche zeigen, dass der dichter das lateinische nicht falsch verstanden habe.

Eigene zutat des dichters ist die einleitung. Der anfang der legende selbst wird getreu, zum teil wörtlich nach Mombri- tius berichtet, nur wird der bei Mombr. und in Hagens und Bartschs Margareta angegebene name des vaters der Margareta nicht erwähnt und ihr wird das alter von 12 statt von 16 Jahren beigelegt. Margareta wird von ihrem vater, der sie hasst weil sie dem Christentum zugetan ist*), einer amme übergeben, deren Bchafe sie hüten^ muss. Dabei erblickt sie der christenfeindliche praefect (in G greve) Olybrius; er lässt von liebe zu ihr ent- flammt, die widerstrebende ergreifen. In dem nun folgenden gespräche zwischen ihm und Margareta, welches in G (weniger in der Margareten marter) im einzelnen von Mombritius etwas abweicht, bekennt sich Margareta als Christin., und da alleüber- redungsversuche des Olybrius scheitern, lässt dieser sie ins ge- fängnis werfen. Nochmalige gütliche versuche des praefecten am nächsten morgen haben keinen bessern erfolg; die heilige wird aufgehängt und gepeitscht, ohne dass es gelingt ihren

*) An dieser stelle hat der Schreiber einen recht gedankenlosen fehler gemacht^ indem er bl. 2^ v. 13 mitten im satze abbricht and uns mit einem male in das gespräch hinein versetzt, welches Margareta im kerker mit dem teufel liat; es geht dann im zusanunenhang weiter bis 13, wo die erzählung der Jugendgeschichte fortgesetzt wird; dann unterbricht 20 b V. 9 wider den zusammenbang, schliesst sich aber ganz genau an 8a 12 an. £s ist also einfach der passns 13 bis 20^ 8 zwischen bl. y. 13 und v. 14 einzuschieben.

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ÜEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 275

glauben zu erschüttern. Eine darauf folgende noch grausamere zerfleischung, von der Mombritius, Margareten marter und der Leipziger druck berichten, wird in G abgesehn von einer geringen andeutung übergangen. Margareta wird abermals in den kerker geworfen und betet, dass ihr gott ihren feind zeigen möge. Die angäbe bei Mombritius, dass Contimus der gewährsmann der legende das nun [folgende durchs fenster mit angesehn habe, wovon ohne nennung des namens auch die Marg. marter berichtet, fehlt wider in G. Es erscheint nun der teufel als drache*), der in folgender wunderlichen weise nach Mombr., abweichend von den übrigen deutschen bearbeitungen in G beschrieben wird.

G. fol. 14b z. 3 ff. Mombr. 105*

Do sach sie hen vnd her. Et ecce subito de angulo carceris

Do sach sie in den kercke^er exiult draco horribilis:

5 Den dufel sach sie vor sick sten b Vth eynen vinstem winkel gen. a He was gruwelich gar

Vnde mennigher varffe har: totus variis coloribus deauratuB.

Dy har w^ren suluerin, Capilli eins et barba aurea:

10 De bart was em guldin. Dy tene weren iszeren. et videbantur dentes eins ferrei

Syne ougen weren kopperin. Ocoli eins nelut Margaritae spien-

debant Vth syner neszen gingk eyn rock et de naribus eins ignis et fnmus Vnde eyn mechtich fuer ock, exibat [Lingua illius anheliabat. su-

15 Dar van eyn grot licht sehen. per Collum eins erat serpens. gla-

dius candens in manu eins vide- batur et fsßtorem faciebat in car- cere. traxit se in medium carceris: et sibilabat fortiter]. et factum est lumen in carcere ab igne : qui exi- bat de ore draconis. Er verschlingt die heilige, welche das zeichen des kreuzes macht und ihn dadurch in zwei stücke spaltet. Es folgt ein dankgebet der Margareta, darauf die erscheinung des zweiten teufeis in gestalt eines moren. Sie wirft ihn nieder und setzt ihm den fuss auf den nacken; eine taube erscheint vom himmel und bestärkt .sie. Dann folgt die Unterredung mit dem teufel,

*) Dasa dies ungetüm ein drache gewesen, wird in G nicht ausdrück- lich berichtet, möglicherweise absichtlich, da der bearbeiter sich einen dracben wol anders vorstellte.

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076 VOGT

die ebenso wie das weiter sich anschliessende (Überwindung des teufeis, nochmalige Überredungsversuche des Olybrius, feuer- und wassermarter) auch im Erfurter bruchst. enthalten ist. Als Margareta, ins wasser geworfen, gebetet hat, dass ihr dasselbe zur taufe und zur Sündenreinigung dienen möge, erfolgt ein erdbeben, welches ihre fesseln löst; eine taube bringt ihr vom himmel eine kröne und, wie G selbständig hinzusetzt,

dy werster hüffe (l westerh.) Vnde dat ander westercleit. Nach diesem wunder bekehren sich 5000 ohne weiber und kinder zum Christentum. Olybrius befiehlt, die Margareta zu enthaupten; der henker, Malchus in den deutschen Versionen, bei Mombr. Malens*) genannt, gibt ihr frist zum beten und sie bittet, charakteristisch genug, fär alle die ihre leidensgeschichte lesen und abschreiben, ihr lichte stiften, kirchen bauen u. s.w.; besonders soll in dem hause, wo man ihre passion hat, kein fehler- haftes kind geboren werden. Es erscheint nun wider eine taube vom himmel und sagt ihr die gewährung zu. Der henker, der sich anfänglich geweigert und sie um Verzeihung gebeten, enthauptet sie und fällt tot neben ihr nieder. Ein donnerschlag wirft ^alle umstehenden zu boden. Die engel kommen und füh- ren ihre seele in den himmel, die teufel wehklagen, kranke werden an ihrem leichnam geheilt Mit dem nach Mombr. widergegebenen gesang der engel schliesst G, abweichend von Hagens Margareta und dem wesentlich damit übereinstimmen- den Leipziger druck:

Dy engein sangen eyn sangk, G fol. 22^ z. 6 ff.

Die in den wölken sere klangk.

Sie snngen alle hoch,

Dy sangk Inde alzo: 10 „Du bist aller gnte grot;

Die werlt steit an dynem gebot."

Vnd snngen denne noch mere

•) Mallens ist ein christlicher name des teufeis cf. mythol. 559 wie das deutsche hämmerlein und hämmerling; die häufigere anwendung des deutschen Wortes zur bezeichnung des henkers (cf. D. W.) legt die Ver- mutung nahe, dass auch das lat. mallens dafür gebraucht sei; auch der Wortlaut der stelle bei Mombr. II, lOtf^ macht es wahrscheinlich, dass das wort hier als appellativum zu fassen sef: Questionarii comprehende- runt eam: et duxernnt foris ciuitatem. Dixit Malens ad eam: Extende ceruicem tuam. (Vorher ist das wort noch nicht vorgekommen.)

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ÜEBER DIE MARGÄRETENLEGENDEN. 277

Dorch dy godes ere: „Here hiliger got, 15 Du bist geheiten sabaoth. ,

Vor ynllet ist dat ertrick 23«

Myt dyner zcirheit vnd dat hemelrick". Hir het dat bokelin eyn ende.

Got mote vns syne hnlpe senden '

5 Vnde gene vns allen samen Dat ewyge hemmelricke. Amen.

Bei Mombritius folgt noch die bestattung der heiligen durch Tectinus, der in der Margareten marter, die auch davon be- richtet, Theodosius heisst. In allen den angeführten haupt- ztigen der legende stimmen sonst diese beiden deutschen bear- beitungen mit dem Mombritius genau, teilweise wörtlich über- ein, ohne unter sich in einem abhängigkeitsverhältnis zu stehn.

Soweit man aus den von Docen a. a. o. mitgeteilten proben aus der Margareta Hartwigs vom Hage einen schluss ziehen kann, entnahm auch dieser seinen stoff der bei Mombritius er- haltenen tradition. Man vergleiche den dort gegebenen eingang des gedichtes mit dem bei Mombritius: Nach der zit daz warer got Post resurrectionem domini

Crist väterliches willen bot nostri Jesu Christi et gloriosae

Gecrüzet an der menschait starb tempus ascensionis eins in Ze helle do den rawp erwarb caelnm ad patrem omnipotentem

n. s. w. etc.

femer einzelne aus dem gedichte mitgeteilte sätze: dl mir die kirchen machen qui basilicam in nomine meo fecerit

oder ir licht mir brennen * et quisqois Inmen fecerit in basilica

mea de sno labore. wer sie (die legende) schreibe lese et scripserit passionem meam uel qui oder ze schriben frnme de suo labore comparauerit codi-

cem passionis meae endlich die s. 159 mitgeteilte stelle, wo das zauberbuch Mam- bre erwähnt wird mit Mombr.: In libris tamen ianuae et mam-

brae inuenies genus nostrum. scrutare et uide Nam uiae

nostrae non sunt super terram sed cum uentis ambulamus. Die geschichte von der einsperrung der teufel durch Salomo wird fast wörtlich nach Mombr. erzählt. Der name des gewährsman- nes aber wird, wie bei den andern deutschen bearbeitern, die denselben erwähnen, Theotimus, nicht wie bei Mombr, Tectinus oder Contimus und der teufel Belial, nicht Bezeleel, genannt.

Auch Wetzel benutzte fÄr sein gedieht offenbar den text

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278

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des Mombritius und nicht den der Acta SS. Freilich verfuhr er mit seinem Stoffe ganz anders als die übrigen bearbeiter. Er suchte denselben nicht einfach in reime zu bringen, sondern er wollte ihn wirklich poetisch umformen. Daher liess er es nicht an redegewanten und redseligen ausschmückungen fehlen, wie in der Schilderung der zeit der Christenverfolgung v. 73 ff. und in der im Hartmannschen stile ausgeführten rede des Oli- brius V. 459 ff, wie in der ganz entsprechend gehaltenen ant- wort der Margareta v. 508 ff; aber im ganzen gange der er- zählung folgt er doch treu seiner vorläge und wie er auch die einzelnen charakteristischen züge der lateinischen Überlieferung verwertete, mag beispielsweise die vergleichung des gebetes der von den knechten des Olibrius bedrohten Margareta zeigen:

V. 258 sie rief ze gote nnde sprach beata Margarita innocare coepit Chri-

stam ac dicere

«herre got, erbanae dich 260 genaedecltch über mich, verlias m!ne s81e niet mit nngdoubiger diet

herre got, getroeste mich daz ich mit freuden lobe dich, 265 so daz dtn reine güete vor flecken mich behüete. herre got, behalt an mir daz ich geloube von dir.

Miserere mei domine. miserere meL

ne perdas cum impiis

animam meam [aut cum uiris san-

gninum nitam meam] fac me laetari semper in te domine

J. Chr. et te semper coUaudare.

Ne permittas animam meam con-

taminari et ne poUuatur fldes mea.

der blaome und der reine nam mtner megetltchen schäm,

275 den ich dir einen wlhte in mtnes herzen blhte, ich von 6rst den sin gewan daz ich verkös alle man, und den ich reine her hän bräht,

280 mir niht werfen in daz bäht keinen irdischen man, wan stn min herze nieman gan. den engel du mir sende

verlieh mir dine wisheit daz min zunge si bereit ze antwürten dem rihtaere, 290 des tiufels wizenaere.

mir ist gelich an dirre frist

Non inquinetur corpus menm: Non proiiciatur Margarita mea in lutum: non immutetur sensus mens a tur- pitudine unquam. et ab insipientia diaboli

Sed transmitte angelnm gubemato- rem ad aperiendos sensus meos: et ad respondendum cum fiducia impio et iniquo praefecto sangui- nario.

Video enim me ut ovem in medio

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UEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 279

daz schäf daz andern wolven ist. luporom ecce facta sam sicut passer der vogel sich mir gelfchet, in raetibus comprehensa. den der vogelaere ersuchet

auch waen sich mir geliche et sicut piscis in hämo, der vischswenne erkumtgevara da in bestricket daz gam.

n. s. w. Es Hessen sich noch viele weitere einzelheiten beibringen, doch ich glaube, die gegebene probe beweist genügend, dass und wie Wetzel die bei Mombritius widergegebene quelle benutzte*).

Andere quellen haben Haupts und Schades Margareta^ so- wie die im Passional enthaltene. Der dichter des letzteren, be- nutzte auch hier die legenda aurea, welche in manchen punkten wesentlich vom Mombritius abweicht. Es scheint als sei hier etwas kritik geübt: die erscheinungen der taube fehlen, die engel und teufel treten bei Margaretas tode nicht auf. Auob die scene mit dem henker wird ausgelassen. Die erscheinung des drachen wird nicht näher beschrieben; er verschlingt zwar die heilige und wird durch das kreuz getötet, aber der dichter fügt hinzu 330, 52

sumeliche haben verhowen an den meren disen strich und sprechen, ez si mislich swaz deme wurme ist geseit. was auf die worte seiner quelle hinweist (bei Grässe s. 401) „Istud autemquod dicitur de draconis devoratione etipsius cre- patione, apocryphum et frivolum reputatur."

Doch scheint ihm auch hier wie in andern teilen des Werkes noch eine andere version neben dem Jacobus a Vora- gine bekannt gewesen zu sein. Die zahl derer, welche sich nach Margaretens wunderbarer errettung vom ertrinken bekeh- ren, wird im Passional nur auf 8, in den andern deutschen und lateinischen Versionen, auch in der leg. aur. auf 5000 angegeben.

Die quellen der legende bei Haupt und Schade weiss ich nicht nachzuweisen, Dass dem dichter der letztgenannten die

*) Auch an den meisten der von Bartsch mit dem texte der Acta SS. verglichenen stellen ist die Übereinstimmung mit Mombritius grösser.

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280 VOGT

„Margareten marter" vorlag, ist bereits erwähnt; seine haupt- quelle blieb aber eine version , welche mit denen bei Mombri- tius, Petrus de Natalibus, Jacobus a Vor., Surius, Acta SS. nicht übereinstimmt. Dagegen trifft sein gedieht in mehreren punkten mit dem Hauptschen „Margareten püechlin" zusammen. So darin, dassMargareta insfeuer geworfen, nicht mit fackeln verbrannt wird *) und der versuch, sie zu ertränken, in kochen- dem Wasser gemacht wird. Im gegensatz zu Mombr. findet in beiden gedichten auch die erste marter schon statt ehe Marg. in den kerker geworfen wird, während allein im „püechlin" auch die beiden folgenden martern schon vordem berichtet werden. Bemerkenswert ist noch, dass das letztere auch den namen von Margaretens mutter Eugenne mitteilt, der sonst in keiner deutschen oder lat. version genannt wird. Der name des vaters ist, wie in den andern deutschen bearbeitun- gen, Theodosius, in Übereinstimmung mit Mombr. , der leg. aur. und Petrus de Nat.; bei Surius, und in den Acta SS. heisst er Aedesius.

Soviel über die gereimten bearbeitungen der Margareten- legende. — In der älteren zeit war die poetische form für die behandlung legendarischer Stoffe offenbar die beliebtere, erst seit dem 15. jh. kam auch auf diesem gebiete die prosa mehr zur geltung und besonders die Übertragungen der legenda aurea, die natürlich auch unsere legende enthalten, hatten sich einer grossen ausbreitung zu erfreuen, wie die zahlreichen alten drucke der „passionale" beweisen. Aus früherer zeit sind von der Margaretenlegende nur zwei prosabearbeitungen bekannt Die eine ist in der Gräzer hs. des 14. jhs. überliefert, welche auch die himmelfahrt Marien von Konrad v. Heimesfurt ent- hält. Herausgeg. von Diemer in den kleineren beitragen (Wie- ner Sitzungsber. 1851. 2, s. 316). Der eingang ist gereimt (30 V. V.) und das verleitete Pfeiffer zu der unrichtigen angäbe bei Hpt. 8, 157 „gereimte Margaretenlegende," was auch in Wackernagels lit. gesch. überging. Die eigentliche legende ist nur eine latinisierende prosaübersetzung des' Mombritiusschen

*) Schade v. 285 ff. Hpt. v. 377 ff. Schum hat das letztere übersehn indem er Germ. 18, 106 angibt, die Hauptsche version kenne keine ge- trennte feuer- und wassermarter.

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ÜEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 281

textes; einige auslassungen und geringe abweichungen werden auch hier der lateinischen vorläge zuzuschieben sein.

Die zweite prosabearbeitung ist die, welche Hermann y. Fritslar seinen heiligenleben einverleibte (bei Pfeiffer mystiker 1, 155 flf). Sie schliesst sich im wesentlichen der legende aurea an. Eine abweichende angäbe von der Zeitfolge der martern, welche hier alle unmittelbar hintereinander zwischen der ersten und zweiten einkerkerung berichtet werden, und ein in der le- genda nicht enthaltener zusatz am Schlüsse bestätigen jedoch die angäbe Hermanns (s. 4, 15), dass er nach mehreren quellen arbeitete. Von dem „20 mtle von Rome in Tuscanjen" bele- genen „kasteile zu sente Margareten" berichtet er nach eigener anschauung.

Eine verkürzende bearbeitung der legenda aurea ist die von Holland (die legende der heil. Margareta altfranzösisch u. deutsch. Hamiover 1863) mitgeteilte „Sand Margareta" eines passionals v. j. 1463. Auffällig ist hier nur bei der sonsti- gen genauen Übereinstimmung mit der quelle, dass die wasser- marter, abweichend von derselben, wie in Haupts undSchades Margareta berichtet wird.

Ausserhalb Deutschlands scheint die Margaretenlegende als Stoff poetischer wie prosaischer behandlung nicht weniger willkommen gewesen zu sein. Die älteste bearbeitung, welche sie in einer vulgärsprache erfahren hat, ist die ags. prosaische Passio Scae Margaretae virginis, welche der herausgeber, Cockayne (narratiunculae anglice conscriptae 1861), ca 1000 ansetzt. Noch dem ausgange des 12. jhs. gehört das alliterie- rende gedieht Seinte Marherete pe meiden ant martyr an, von Cockayne zusammen mit zwei mittelenglischen gereimten Mar- garetenleben („Seinte Margarete )>at holi maide" und „meidan Margarete") herausgegeben in der 13. publication der early english text-society. Von einem späteren gedichte gleiches In- halts (die abfassung wird 1463 angesetzt) werden nur die Schlussverse a. a. o. s. VIII. mitgeteilt.

Die beiden ersten dieser bearbeitungen gehen nun unzwei- felhaft auch auf die so viel benutzte lat. version des Mombri- tius zurück. Die ags. prosalegende ist nur eine fast wörtliche Übersetzung derselben.

Man vergleiche zu dem bereits mitgeteilten eingang bei

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282 VOGT

Mombritius denaügelsächsischen: Efter J^äre )>rovunge and J^äre seriste and )?äre vuldorfästan upastlgnesse fires drihtnes hselen- des cristes to god (so) fäder ealmihtigum. Nur selten kom- men kleine auslassungen vor: die bemerkenswerteste ist die der erzählung des teufeis von seiner einschliessung durch Salomo. Andere geringe abweichungen werden meist der mit dem drucke des Mombritius nicht ganz congruenten vorläge zuzuschieben sein, wie denn auch -diese abweichungen zum teil mit denen der deutschen bearbeitungen übereinstimmen*). Auch die „Seinte Marherete" schliesst sich im ganzen sehr genau an Mombritius an; nur machte sich auch hier der in alliterierenden gedichten so oft hervortretende und teilweise durch die form selbst begründete hang zu breiteren ausftthrungen geltend. Die gebete und reden namentlich die rede des teufeis, in welche der dichter auch eigene gedanken hineintrug**) gehn noch bedeutend über die schon recht ausführliche quelle hinaus, so dass diess gedieht das umfangreichste unter allen bekannten Margaretenlegenden ist. Dass das gedieht übrigens nicht etwa auf die ags. prosaübersetzung, sondern direct auf die lat. quelle zurückgeht, wird unter vielem andern auch durch die erzählung . von Salomo und den teufein bewiesen.

Schwerer ist zu entscheiden, auf welche grundlage die bei- den gereimten legenden zurückgehn. S. Margareta J?at holi maide stimmt in der hauptsache mit der legenda aurea tiber- ein. Ihr sind z, b. auch die werte des Olybrius entnommen, welche er an die von seinen knechten ergriffene Margareta richtet: V. 75 J?is tue J?inges ]?at J?u nemnedest erst ' bicome]? J>e faire and suete

J?at J>u beo icome of heje blöde and )?at J>u hote margarete

J?use tuo bicomej? J?e wel ynoug suche maide noble and free Ac J>e J?ridde becomej? J?e no^ as J?u mijt iseo***)

*) So hat z. b. gleich zu anfang die Gräzer prosalegende überein- stimmend mit der ags.: nach der marier und nach der urstende gegen- über dem lateinischen post resurrectionem. '

••) besonders fol. 48 a, 7 flF.

***) Duo prima tibi recte conveniunt, quod nobilis haberis et pul- cherrima margaritha comprobaris-, sed tercium tibi non convenit

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ÜEBER DIE MAEGÄRETENLEGENDEN, 283

und der zweifei an der drachenersclieiiiuiig v. 165 Ac. J?is ne teile ic nojt forßoJ>e u. s. w.

Dagegen stimmt die scene vor Margaretas hinrichtung wider ganz mit Mombritius, der bericht der feuer- und der einen Wassermarter aber mit der Hauptschen und Schadeschen Mar- gareta überein, während sich die angäbe, dass die leidensge- schichte sich 285 jähre nach Christi geburt unter Diocletian u. Maximian zugetragen habe, sonst nur in dem texte der Acta SS.*) findet; der bericht von 2 wassermartern ist dem dichter ganz eigentümlich. Derselbe wird wol schon als quelle eine Zusammenstellung aus den verschiedenen Versionen benutzt haben, schwerlich hat er sich seinen stoflf aus denselben selbst zusammengesucht. Wider andere besondere züge hat Meidan Margarete aufzuweisen, wie z. b., dass Margarete mit 7 andern kindem bei der amme aufgezogen wird u.a.; sonst ist hier Mombritius benutzt, aber in ziemlich freier weise und vielfach verkürzt

Von französischen bearbeitungen sind handschriftlich meh- rere in versen und in prosa vorhanden. Eine bruchstückweise in einer hs. aus dem anfang des 13. jhs. auf der bibl. zu Tours erhaltene Margaretenlegende ist nach du Möril (ötudes sur quel- ques points d'archöologie et d'histoire littöraire Paris 1862, s. 228 u. 29.) von einem „sehr gewanten dichter des 12. jhs." verfasst. In den schlussversen, die du M6ril (a. a. o.) mitteilt, nennt sich der Verfasser Grace, worin dann du M6ril ebenso wie Luzarche Adam drame anglonormand s. XXXVIIL den Guace sieht**). Da der Verfasser sich ebendort auf den lateinischen text des „Theodimus" beruft, so mager auch nach

Mombritius gearbeitet haben ( ce dit Grace qui de latin

en romans mist ce que Thöodimus escrit).

Vollständig veröffentlicht ist meines Wissens nur das gleich- falls gereimte Margaretenleben einer Neuenburger hs. von Holland (die legende der heil. Margarete altfranzösisch u. deutsch). Diess hat viele, hie und da selbst wörtliche Übereinstimmungen mit Mombritius. So im anfang:

I. 8. 12.

*) hier jedoch mit abweichender Zeitbestimmung.

••) vgl. du M6ril la vie et les ouvrages de Wace in Eberts jahrb«

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284 VOGT

Apres la sainte passion Jhesucrist, a Tescension Quant en son ciel fast monte etc. Vgl. den eingang bei Mombr. Daneben aber übergeht 'das ge- dieht nicht allein bedeutende in dieser version enthaltene stücke 80 die ganze feuer- und wassermarter sondern es hat auch einzelne ab weichungen aufzuweisen, die sich nicht wol erklären lassen ohne die annähme, dass nebenher noch eine andre bearbeitung oder, was wahrscheinlicher ist, dass eine verkürzte Umarbeitung des Mombritiusschen textes benutzt sei.

Nach Bartsch, germ. stud. I, 8 anm., wird Übrigens „dieser altfranzösische text noch heute als volksbuch gedruckt und verkauft".

Die hss. der übrigen französischen bearbeitungen der le- gende sind aufgefahrt bei du Meril und Holland a.a, o. VLVIL

Auch eine niederländische Margaretenlegende in versen ist uns erhalten in dem bruchstücke der hs. eines passionals, wel- ches vom ungenannten herausgeber des Stückes im Belgisch museum voor de nederduitsche taal- en letterkunde I, 227 ff. ungefähr in die mitte des 13. jhs. gesetzt wird. Das gedieht, nur 178 vv.*), ist eine verkürzende Umarbeitung des in der legenda aurea widergegebenen textes; neben einigen auslas- sungen beschränken sich die abweichungen im wesentlichen da- rauf, dass statt der feuermarter eine 3. zerfleischung, anders als in allen übrigen bearbeitungen, berichtet wird. Daflir kommen aber auch oft genug wörtliche Übereinstimmungen mit der quelle vor. Unmittelbar auf die Margaretenlegende folgt in der hs. die legende von der heil. Regina, welche hier sowol wie in der lat. quelle mit der ersteren eine so grosse ähnlichkeit zeigt, dass sie nur eine nachbildung derselben zu sein scheint.

Ich fasse noch einmal das resultat obiger Untersuchung zu- sammen, soweit sich diese auf das Verhältnis der verschiedenen bearbeitungen der legende bezog. Die in Hagens grundr. 229 und in den altd. wäld. III, 156 angeführten hss., das Erfurter bruch- stück, der Leipziger druck und die Göttinger hs., aller Wahr- scheinlichkeit nach auch die im anzeiger v. j. 1861, s. 391 und

*) anfang: Passie ende sware verdriete

Doghede die rene Margariete Ende al omme ons heren minne

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ÜEBER DIE MAEaARETENLEGENDEN. 286

bei Hofifman Wiener hss. 90, 2 bemerkten hss., sind insgesammt auf eine md. gereimte Margaretenlegende des 14. jhs, zurück- zuführen. Diese sowie die in der Prager und der Klosterneu- burger hs. erhaltene Margareten marter, die dichtungen Wetzeis und Hartwigs, die Gräzer prosalegende und die beiden ags. bearbeitungen gehn direkt auf die bei Mombritius mit geringen abweiehungen widergegebene lateinische legende zurück. Eben- falls benutzten dieselbe, aber mit beimischung aus verschiede- nen fremden quellen, Hollands altfranzösische Margareta und die altenglische meidan Margarete. Eine selbständige Stellung nimmt Haupts Margareten püechltn ein; etwa zwischen ihm und der Mombritiusschen gruppe steht die niederrh. Margare- ten passie.

Das Passional, Herman von Fritslar, die bei Holland mit- geteilte deutsche prosalegende, - Margareta J?at holi maide und die niederländische Margareta schöpfen aus der legenda au* rea; alle jedoch mit entlehnung einzelner züge aus andern Versionen.

Ich glaubte dem schon so reichlich angehäuften Stoffe über die Margaretenlegende nicht noch neuen hinzufügen zu dürfen ohne einen versuch, das vorhandene einigermassen zu sichten. So unbedeutend auch an sich die bearbeitungen der legende teilweise sein mögen: für die literaturgeschichte sind sie doch gerade in ihrer grossen anzahl von wert als ein sprechendes Zeugnis für die geistes- und geschmacksrichtung ihrer zeit. Jenes wolgefallen des mittelalters am wunderbaren, ja unna- türlichen vereinigte sich mit dem glauben an den sehr realen nutzen des heiligencultus, um demselben an sich so unbedeu- tenden Stoffe fünf Jahrhunderte hindurch flir das ganze abend- land immer neue anziehungskraft zu verleihen. Und in so ver- schiedener gestaltdie lateinische legende überliefert war: über- all ist es doch gerade die wunderreicheste und unglaublichste Version die bei Mombritius , auf welche vollkommen un- abhängig von einander der geschmack der dichter verfällt Erst später macht ihr die nüchternere legenda aurea den rang streitig, als man bei der behandlung des grossen legendencyclus der ktlrzeren fassung den vorzug gab.

Aber auch der Inhalt der legende an sich ist in gewisser beziehung nicht ohne interesse: er zeigt, wie sich schon in frü-

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286 VOGT

her zeit*) auch im christlichsten gewande orientalische mythen ins abendland einschlichen, wo sie dann gewis nicht wenig zur ausbreitung des verhängnisvollen Zauberei- und hexen- glaubens beitrugen. Mohammedanischen Ursprunges ist die ge- schichte von der einschliessung^der teufel durch Salomo. Ganz ähnlich wie in unserer legende wird im Suleimanname nach V. Hammer rosenöl I, 221 dieser mythus erzählt: Salomo, dem die gewalt über alle dämonen gegeben ist, zwang die einen zum tempelbau indem er ihnen sein Siegel auf den hals drückte, die andern aber, die sich ihm nicht unterwerfen wollten, be- zwang er mit gewalt und sperrte sie in weinschläuche, flaschen und eherne topfe, die er mit eigner band versiegelte und auf den grund des meeres warf. Wie dann einer wider frei ge- worden ist darüber sollen „die wahrhaften geschichten der 1001 nacht" aufschluss geben. Vielleicht ist damit die erzählung W)m fischer gemeint, der einen solchen von Salomo in ein ge- fäss eingeschlossenen geist befreit. Hier sind die Babylonier die unvorsichtigen befreier der teufel**): Babylonien ist das heimatland der „schwarzen kunst" und die teufel selbst spre- chen chaldäisch. (vgl. Roth über den zauberer Virgilius Germ.

IV, 278). Wie diese geschichte von den eingesperrten teufeh in die Virgiliussage eingang fand (Roth a. a. o. 277 u. 78), so vermutete Öocen noch einen anderen, directeren bezug unsrer legende auf jene sage. In den büchern Jamne und Mambre, auf welche nach der version des Mombritius der teufel die Margareta verweist, um näheren aufschluss über die höUenbe- wohner zu erhalten, sieht Docen (altd. wäld. HI, X59) „eine beziehung auf den zauberer Virgilius und auf jene so dunkelen verse im Wartburgkriege, die so trefflich durch den herzog

*) Die ags. prosalegende calOOO; hss. derlat legende wahrscbein- lich in der Mombritiusschen version aus dem ll.jh. vgl. Diem. a.a.o, s. 315, text Society 13 s. VIE.

••) Etwas abweichend wird dieselbe geschichte im Reinfrid ed. Bartsch

V. 21042 flf. erzählt:

künc Salamön hat oach für war daz glas höh gehenket was

mit stner künste meisterschaft üf in des tempels kröne

verwürket aller tiuvel kraft unz die von Babilöne

die faoren in den lüften. sich an den Juden rächen,

ir tiuveUtchez güften daz glas si zerbrachen

was ouch verwürket in ein glas. und wänden dinne vinden golt.

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UEBER DIE MARGARETENLEÖENDEN. 287

Reinfrit aufgeklärt werden". Er kann damit nur die erzäh- lung vom zauberbuch des Zabulon oder Savilon meinen (Wart- burgkrieg Simrock 156 S, Reinfrid v. 21034 flf), welches Christi geburt hintertreiben sollte, dann aber vom magnetberge, wo es auf wunderbare weise bewacht war, durch den Virgilius ent- führt wurde. Aber, das steht mit dem in der Margaretenle- gende erwähnten in gar keinem Zusammenhang. Jannes und Mambres sind nach 2. Timoth. 3, 8 die zauberer, welche des Moses zeichen vor Pharao nachmachten. Eine alte lateinische aufzeichnung die auch ins ags. übersetzt wurde mitgeteilt bei Cockayne narratiunculae s. 50 u. 67 berichtet weiter, dass Mambre dafür in die höUe gekommen ist. Mit hülfe sei- nes zauberbuches wird er dann durch seinen bruder Jannes auf die oberweit heraufbeschworen, um diesem von den schrecken der höUe zu berichten und ihn vor der strafe nach dem tode zu warnen*). Das gemeinsame dieser erzählung mit dem be- richte der legende ist also die tatsache, dass man glaubte, durch das buchMambre**) aufschluss über die geheimnisse der höUe erhalten zu können.

Auf fremdem einflusse beruht auch ohne zweifei die be- schreibung des als drache erscheinenden teufeis. Diess Unge- tüm mit silbernem haar, goldenem hart, eisernen zahnen und perlen- oder kupferaugen hat nicht die geringste ähnlichkeit mit dem äusseren, welches sonst das mittelalter dem teufel oder einem drachen beilegt. Wenn man die heimat der legende berücksichtigt, so wird man sich kaum der Vermutung erweh- ren können, dass diese züge, einem orientalischen götzenbilde entnommen seien***), wie denn ja bekanntlich die kirche so manchen heidnischen gott als teufel fortleben liess.

*) Zu den Sammlungen Liebrechts im Gervasius s. 87 und Germ. IV, 374 „das grab und seine länge" liefern einen beitrag die nur in der ags. Übersetzung vollständig erhaltenen Schlussworte des Mambres: and äfter )?am)7e ]7udeäd bist )7onnecymst )7ut6 helle and betvixdeddum mannnm bit$ ^tn eardingstdv nit$er on eort$an and ]7tn seäd bit$ tvegea cubita vtd and feövra lang.

••) vgl. auch Fabricius cod. pseudepigr. vet. test. I, 813 ff. u. bes. s. 818.

•••) üeber den einfluss bildlicher darstellungen heidnischer gottheiten anf die mittelalterliche Vorstellung vom aussehn des teufeis vgl. Mentzel chrifltl. symbolili unter teufel.

GÖTTINGEN. FRIEDRICH VOGT.

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UEBER DAS GEGENSEITIGE VERHÄLTNIS

DER HANDSCHRIFTEN VON HARTMANNS

IWEIN.

-Lachmamis ausgäbe des Iwein hat in der geschickte der deutschen philologie eine bedeutung gehabt wie kaum die irgend eines anderen mittelhochdeutschen Werkes. Sie war der erste versuch die anforderungen, welche man in der clas- sischen philologie an die textkritik zu stellen gewohnt war, auch auf dieses gebiet zu übertragen. Dazu hat Lachmann in den anmerkungen die meisten seiner grundsätze über mit- telhochdeutsche rechtschreibung und metrik niedergelegt. Die erläuternden anmerkungen und das Wörterbuch von Benecke machten das buch sehr tauglich zur ersten Qinführung ins mittelhochdeutsche. Unter solchen umständen ist es nicht sehr zu verwundern, dass man sich gewöhnte die ausgäbe für ein unübertreffliches, ewig gültiges muster anzusehen, dem jeder , herausgeber eines mittelhochdeutschen gedichtes unbedingt nach- zueifern habe. Pfeiffer wagte es zuerst diese mustergültigkeit zu bestreiten. Aber er ist dahin geschieden, bevor er seine mehrmals versprochene revision des textes ausgeführt hatte. Bech, der in den übrigen werken Hartmanns sich bedeutende abweichungen von den kritischen ausgaben gestattet hat, hat im Iwein nur wenige schüchterne versuche gemacht an dem texte zu rütteln. Je höher das ansehen des Lachmannschen Iwein ist, und je mehr die darin angewanten und ausgesproche- nen grundsätze für die mittelhochdeutsche textkritik und me- trik noch heute als richtschnur betrachtet werden, um so ge- botener ist eingehende prüfung von Lachmanns verfahren. So fruchtbar und woltätig auch die ausgäbe zunächst gewirkt hat und so viel sie dazu beigetragen hat die deutsche philologie aus einer liebhaberei zur strengen Wissenschaft zu machen, so

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 289

würde doch, wollten wir die prüfung versäumen und allen ihren aufstellungen auf immerdar blindlings folgen, der anfangs heilsame einfluss sich in das gegenteil verkehren, viel mehr durch unsere, als durch Lachmanns schuld. Und das ist leider bereits geschehen, so dass jetzt viel weniger die belebende an- regung zu empfinden ist als die lästige fessel, die der freien entwickelung unserer Wissenschaft auferlegt wird.

Ich stimme mit Pfeiffer darin überein, dass Lachmann 'in keiner seiner ausgaben der Willkür und gewalttätigkeit so sehr hat die zügel schiessen lassen, als gerade i^ Iwein'. Frei- Hch muss man dabei noch einen unterschied machen zwischen der ersten und zweiten ausgäbe, welche letztere von einzel- heiten abgesehen mir eine entschiedene Verschlechterung der ersten scheint, indem hier auf einem allerdings schon in der ersten angebahnten wege weiter gegangen wurde. Die gründe zu dieser verirrung des grossen kritikers sind mehrfacher art Einmal hatte sich Lachmann ein bestimmtes System von me- trischen regeln gebildet, wonach er alles eonstruierte mit hint- ansetzung jeder anderen rücksicht. Das bestehen solcher regeln wäre aber zuvor zu erweisen gewesen, ehe man nach ihnen die texte gestaltete. Es bedurfte dazu einer allseitigen be- nutzung des vorhandenen materials, während Lachmann eine verhältnismässig kleine anzahl von gedichten nach willkjir- ,licher auswahl zu gründe legte. Es musten ferner erst die texte der werke, von denen eine gute und reichliche Über- lieferung vorlag, nach den sonst für die textkritik gtütigen grundsätzen hergestellt sein, ehe man aus ihnen metrische regeln abstrahieren konnte. Erst auf solcher grundlage ge- stützte regeln konnten zu änderungen in mangelhaft, etwa nur in einer hs. überlieferten texten berechtigen und zur entscheidung über den wert verschiedener hss. beitragen, wenn darüber sonst noch nicht entschieden war. Statt dessen werden die noch nicht auf solche weise gesicherten regeln höher gestellt als die ersten und notwendigsten gesetze jeder philologischen methode, mit deren auflösung überhaupt eine methodische kritik unmöglich wird. Es hilft nichts, dass eine regel in den meisten fällen anwendbar ist. Widerspricht ihr auch nur an einer stelle die wol beglaubigte und kritisch gesichtete Überlieferung, so haben wir daraus nichts anderes zu schliessen, als dass die

Beiträge zur geschichte der deatschen spräche. I. 20

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vorausgesetzte regel keine geltung hat. Es wird mir zunächst frei stehen unbekümmert um alle metrischen regeln tiberall aufzusuchen, was der Überlieferung und dem sinne nach das echteste ist. Eine prüfung der zum teil ja schon vielfach an- gefochtenen Lachmannschen regeln, welche im zusammenhange» nicht bloss in rücksicht auf den Iwein erfolgen muFS, behalte ich mir für später vor. Doch bemerke ich im voraus, dass ich im Stande bin alle Verstösse zu rechtfertigen, die ich im folgenden gegen die regeln machen werde. Ein zweiter grund, weshalb Lachmann fehlgriflf, war die ihm anhaftende verliebe für alles schwierige und abstruse, welche ihn geneigt machte hinter jedem unsinn einen versteckten oder verderbten sinn zu suchen, ein verfahren, worin auch heutzutage leider von man- cher Seite die einzig richtige methode gesehen wird. Dieser hang und das bestreben nach durchführung seiner regeln übten auf Lachmann den wesentlichsten einfluss bei der beurteilung des wertes der verschiedenen hss.. Endlich aber hat er es ver- säumt eine eingehende Untersuchung über das gegenseitige Verhältnis der hss. anzustellen, was als notwendige Vorbedingung für die herausgäbe eines in zahlreichen hss. erhaltenen Werkes angesehen werden muss. Vielmehr entscheidet er sich von vornherein für den vorzug einer einzelnen hss., deren autorität er fast so hoch und öfter höher schätzt als die aller übrigen zu- sammengenommen. Es war dies verfahren überhaupt seine art ^ Am deutlichsten zeigt sich das in seiner ausgäbe der Nibe- lungen. Aber auch im Parzival und Willehalm folgt er oft einseitig den hss. D und K. Das beispiel Lachmanns hat einen starken einfluss ' auf unsere gesammte textkritik geübt Noch heute kann man den grundsatz predigen hören, dass bei einer ausgäbe die beste hs. zu gründe zu legen sei, von der man nicht abweichen dürfe, wo es nicht durchaus notwendig sei. Und doch kann nichts klarer sein, als dass dieser grund- satz falsch ist, sobald mehr als zwei hss. vorliegen. Es kann unter drei oder mehr hss. recht wol die eine besser sein als jede der andern für sich, und trotzdem kann und wird in der regel die Übereinstimmung der andern einen höhern kritischen wert haben als die eine beste. Selbst wenn alle übrigen ausser ihr aus einer gemeinsamen vorläge stammen sollten, von der sie unabhängig wäre, so könnte sie doch an wert von dieser

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 291

vorläge tibertroffen worden sein, so schlecht die einzelnen da- raus abgeleiteten hss. sein mögen, piese vorläge wird aber an vielen stellen durch die Übereinstimmung aller oder der mehrzahl der abgeleiteten hss. zu reconstruieren sein. Und wenn nun gar, was doch meistens der fall sein wird, keine vermittelnde quelle zwischen der urhandschrift und allen übrigen hss. ausser der besten liegt, wenn vielleicht gar eine von jenen zu dieser in einem näheren Verhältnis st^ht, so lässt sieh aus der Übereinstimmung jener, die um so weniger zufallig sein kann, je zahlreicher sie sind, der text der urhandschrift reconstruieren, wogegen die abweichungen auch der besten hs. gar nicht in betracht kommen. Ich glaube, dass man sich im allgemeinen bei der herausgäbe mittelhochdeutscher texte viel zu sehr auf die berücksichtigung einiger wenigen ausgezeich- neten hss. beschränkt. Man kann niemals von vornherein sagen auch von der schlechtesten hs., dass sie nichts zur auf- findung des echten textes beitragen könne, wofern nicht ihre vorläge erhalten ist oder andere mit ihr aufs engste verwante hss. Diese andeutungen werden genügen um die Veröffent- lichung dieser arbeit zu rechtfertigen. Ich habe dazu nur weniges ausser Lachmanns Variantenverzeichnis und den ge- druckten hss. benutzen können. Herr professor Bartsch hatte die gute mir seine vetgleichung der ersten 1000 verse der Rostocker , hs. mitzuteilen , welche ich mit r bezeichne. Ich selbst habe an einer reihe wichtiger stellen die zweite, von Lachmann lücnt benutzte Dresdner hs. verglichen, für die ich das zeichen f brauche. Diese beiden hss. trugen nicht wenig dazu bei mir meine schon früher' gefassten ansichten über das handschriften- verhältnis zu sichern.

Als grundregel seines kritischen Verfahrens stellt Lach- mann auf (I. ausgäbe s. 4, III. ausg. s. 362), dass der hs. A überall zu folgen sei, wo sie nicht allein stehe. Begründet wird diese Vorschrift dadurch, dass A mit keiner der andern näher verwant sei und Veränderungen, die erkennbar absicht- lich wären, niemals mit einer andern gemein habe. Abzu- weichen davon ist nach Lachmann, wenn A nur durch zufall mit einer andern hs. stimmt, oder wenn sich die echte lesart in keiner andern erhalten hat. Und so sind denn a ch ca. 170 nur durch A bezeugte lesarten gegen die übereinstim-

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2d2 PAüL

mung aller oder doch der mehrzahl der übrigen in den text aufgenommen. Dieses verfahren setzt erstens voraus, dass A mit einer besonderen treue und Sorgfalt geschrieben ist, und zweitens, dass nicht bloss A mit keiner der ilbrigen hss. näher verwant ist, sondern dass auch diese alle zusammen aus einer gemeinsamen quelle geflossen sind, von welcher ^unabhängig ist. Es wird also darauf ankommen diese beiden Voraus- setzungen einer prttfung zu unterziehen.

Zur begründung der ersteren ist von Lachmann nichts bei- gebracht worden. Man tiberzeugt sich leicht aus den Varian- ten, dass A von einem sehr unsorgfältigen und nachlässigen Schreiber herrührt. Das zeigen vor allem zahlreiche auslas- sungen. Ich fahre davon die in den ersten 600 versen vor- kommenden auch von Lachmann als solche anerkannten voll- ständig auf: 58 fehlt diu; 69. 70 fehlen; 156 fehlt bitters; 265 fehlt der; 301 fehlt an, 422 fehlt ich; 471 fehlt im; 472 fehlt niht; 476 fehlt ör?^; 511 fehlt in; 521 fehlt waz; 525—31 sind in drei werte zusammengezogen; 606 fehlt vogel; 628 fehlt in. Ich bemerke weiterhin nur die grösseren auslassungen. Es fehlen entweder ganze verse, so 768. 1263—4. 1644—7. 2004. 2118. 2178=80. 2398. 3611—2. 3619—20. 3639. 3818. 4665. 6922—4 8021—2, oder, was noch häufiger ist, es wer- den meist durch überspringen von einem werte auf ein anderes bald darauf folgendes gleiches oder ähnliches mehrere zeilen in eine zusammengezogen, so 754—6. 1044 7. 1204 6. 1275 77. 1528—34. 2170— L 2711—5. 3255—6. 3539—41. 3840 —1. 3933—6. 4021—3. 4024—5. 4388—9. 4695—7. 4793—5. 5227 31. 5864—6. 5993—4. 6683—4 6674—8. 7194—5. 7993—4. Eine grosse lücke ist 6925 7075; dass diese schon in der vorläge von A vorhanden war, wie Lachmann zu 6925 behauptet, ist nicht erwiesen und die übrigen auslassungen machen es wahrscheinlich genug, dass auch diese der nachläs- sigkeit des Schreibers zuzurechnen ist. Häufig ist das fehlen von einzelnen Wörtern. Ebenso zaldreich sind Umstellungen, vertauschungen von partikeln und andere kleine ändei-ungen, die eine nachlässige abschrifk charakterisieren. Es wird zur darlegung des Verhältnisses genügen anzufahren, was der- gleichen bis zu z. 500 von Lachmann als falsch in die Vari- anten gesetzt ist: 58 doh für da; 95 ist nach 96, 99 nach 100

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HANDSCHRIFTENVERHÄELTNIS DES IWEIN. 293

gestellt; 115 ne was für wcere; 143 un tnoch; 147 dich f. (Urz; 150 haz niewen zouden frumen f. niuwan haz ze den frumen; 156 des eueres so vol f. hiiters eiters vol; 244 irs mih ruht wil f. ir michs niht weit; 267 un vil f. und; 279 gesach f. ersach; 282 da so f. r?4; 299 dou f. nw; 300 in f. an; 303 war^ f. was; 361 mr^ew f. nie Bd (mÄ^ Dacf.); 379 da hinen f. «;t'd^; 382 un ih f. ww^; 384 die f. wJwe; 386 noh oh f. nocÄ; 387 da f. Jo, riterlicher f. riterRchen; 403 mfÄ f. W2r; 409 etor f. tfd; 459 unde breit f. ferg/<; 464 hoverde f. hoveroht; 470 Ja Z>« ^me fr^^ew f. t/a bi im; 478 ^er^/f f. bereit; 489 ^^^a^^ f. ^ö^tf. Dies sind nur die lesarten, mit denen A allein steht; dazu kommen noch meh- rere, in denen sie zu einer andern hs. stimmt und bei denen Lach- mann diese Übereinstimmung flir zufallig hält. Und in dieser weise geht es das ganze gedieht hindurch fort. Ganz sinnlose entstellungen sind nicht selten, z. b. 613 den esien scim f. der este schin; 2133 imne tete niht ze we, ein tah t im endet ze vuoz ein tac; 2624 nu lan der herre her key dort f. noch lac der herre Keii dort; 4001 nu git mih doh des blibe f. git mir doch des bilde] 5946 so moz ruwe. un ungenade ban = sd muoz ich gnäde und ruowe län ; 7388. 9 so sie der tah oubet, un man- heit. un wafen f. so der tac Hebet manheit unde wä/en.

Wenn demnach A noch eine hervorragende geltung haben soll, so kann das nur darin seinen grund haben, dass sie aus einer vorzüglichen quelle abgeschrieben ist. Dies angenommen und vorausgesetzt, dass der Schreiber von A immer nur aus flüchtigkeit fehlte, so würden wir auf A ein grosses gewicht zu legen berechtigt sein überall da, wo sie bedeutende ab- weichungen zeigt, die nicht leicht ohne Überlegung aus den lesarten der übrigen hss. entstanden sein könnten; dagegen würde sie geringe beachtung verdienen bei allen geringfügigen abweichungen, die den sinn nicht wesentlich ändern oder sich leicht aus eilfertigkeit erklären lassen. Lesarten der letz- teren art sind nun aber von Lachmann nicht wenige in den text aufgenommen, teils solche, die in A allein überliefert sind, teils solche, die sie mit einer andern hs. teilt. Auf die letz- teren komme ich später zurück, zunächst sehen wir uns die ersteren etwas an. Vor allem, wenn in A ein wort fehlt, welches in den übrigen hss. steht, müste es doch erst ganz bestimmt erwiesen sein, dass es an der betreffenden stelle un-

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gehörig ist, wenn wir dieselbe nicht nach der analogie der zahlreichen übrigen fälle beurteilen sollen, in denen die aus- lassung in A evident ist. Dazu sprechen auch gar keine in- neren stichhaltigen gründe für die auslassungen, wol aber meistens dagegen. So scheint mir 657 die auslassung von weter gegen BDabdrf dem sprachgebrauche wenig angemessen; es ist störend daz als pronomen auf das vorhergehende des we- ter es zu beziehen, weil mit 657 ein neuer abschnitt des sinnes beginnt; die berufung auf Er. 669 kann wenig beweisen, da wir nur die Überlieferung einer einzigen späten hs. vor uns haben. 1557 kann der artikel bei minne wol nicht gut ent- behrt werden; eine vollständige personification liegt nicht vor, da sonst nicht gesagt werden könnte, dass die minne sich zer- teilt hatte. 1792 muss es heissen ir diu noehest und diu beste] wenn das erste diu mit A weggelassen wird, würde man ir für den gen. nehmen müssen, der bei nceheste doch nur stehen kann, wenn es als subst. im biblischen sinne gebraucht wird. 2939 ist uns kaum zu entbehren. 4536 wird durch das in A fehlende für in die Situation viel klarer, indem man nun weiss, dass der ritter, sobald er abgesessen ist, vor Artus steht, und es begreift, dass er sofort ihn anredet. 7145 fehlt in äne bürgen und äne phant daz zweite äne in A gegen den mittelhochdeut- schen Sprachgebrauch, der es liebt die präposition zu wider- holen. 7761 steht iemer in allen hss. ausser A; die rede wird dadurch nachdrücklicher, und der vers stimmt so mit 3636, wo auch A immer hat, was freilich für Lachmann ein grund ist es hier nicht zu setzen, worüber weiter unten. An andern stellen ist der Vorzug weniger entschieden auf seiten der übrigen hss. 2412 des ritters gehurt und sin frümekheit; sin fehlt in A und ist von Lachmann aus unhaltbaren metrischen gründen weggelassen. 3413 kommt nicht viel darauf an, ob von wis fehlt; aber die form wirdet welche Lachmann wegen der aus- lassung in den text zu setzen genötigt ist, ist für Hartmann mit lücksicht auf die sonst von ihm gebrauchten kürzungen nicht wahrscheinlich. 4316 ist al nur deshalb von Lachmann mit A weggelassen, weil er stüendez aus Aa gegen stüende in BDbd au^fgenommen hatte; übrigens sind auch bei der ersteren lesart die metrischen bedenken gegen al ze nicht berechtigt. 5133 fehlt daz, 6723 im, ohne dass sich das geringste gegen

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HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 295

die einsetzung dieser wörtchen einwenden lässt. Ebenso wenig kann A flir die Wortstellung irgend massgebend sein, und es ist nicht abzusehen, warum ihr Lachmann z. b. an folgenden stellen folgt: 3513 wan mir min troum hat gegeben gegen wan (fehlt BabD) mir hat min troum gegeben BDabcd; 4334 sluogen ouch danne mich gegen danne (dannoch) sluogen si ouch mich; 7455. 6 daz ich iu durch iurver frümekheit al der eren wol gm gegen daz ich durch i, f, iu al etc; und so noch an mehre- ren stellen. Können wir hier nicht ebenso gut Umstellungen in A vor uns haben wie z. b. 6756. 7 sine vll scarpen da. begonder in sinen ruke heften gegen er begunde sine scharfen cid in sinen rücke heften? Und welches recht haben wir aus der menge der sonstigen kleinen abweichungen einige herauszu- suchen und für ursprünglich zu erklären, wie z. b. 281 und öfter engegen= gegen, 2695 daz ne = da ne, 1365 gesach = er- such j während hier doch eben so gut wie 279 gesach aus er- sach vom Schreiber geändeii; sein kann, etc. Dass die lesarten von A möglich und vielleicht eben so gut als die der übrigen hss. sind, kann noch nicht als ein zwingender grund angesehen werden sie in den text zu setzen. Vollends nicht zu rechtfer- tigen ist es, wenn auf die nachlässige Schreibung von A zu- weilen ein solches gewicht' gelegt wird, als hätte der Schreiber die absieht gehabt mit diplomatischer treue seine vorläge widerzugeben. So schreibt Lachmann 92 dez, weil A des hat, gegen daz De, der Badrf; 2698 niht tes wegen nihtes in A gegen 7iiht des Bbd, des niht E, niht D; 2962 bedähter mit A für bedähte her und 4865 tmder für un her; 6633 üzer mäze für üz der mäze; 5032 hat A im deme, BDbf im in dem, Ea in dem: Lachmann macht daraus ime, während es klar ist, dass A einfach in ausgelassen hat, wie Ea im. 7871 haben daz er BDEabf, der A; dies benutzt Lachmann zu herstellung des Oberhaupt sehr problematischen der.

Besondere beachtung verdient es, dass A von einem nie- derdeutschen Schreiber hen-ührt, und dass Lachmann sich hat verleiten lassen aus ihr formen in den text zu setzen, die ent- weder nur niederdeutsch (resp. auch mitteldeutsch) sind, oder zwar im hochdeutschen neben andern vorkommen, im nieder- deutschen aber ausschliesslich gelten, so dass in bezug auf dieselben die autorität eines niederdeutschen Schreibers gar

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nicht in betracht kommt. So ist vor allem niuwet für niht eine niederdeutsche form, die auch bis in das mittel- und süd- fränkische und in das hessische hineinreicht, und die nun auf die autorität einer von einem niederdeutschen geschriebenen hs. ohne weiteres auch für das hochdeutsche in anspruch genommen und durch die Wörterbücher fortgeschleppt wird. Niederdeutsch ist natürlich die weglassung der partikel ge- in burt 2089 und seilen 3033; aber auf die beiden durch eine so nichtige autori- tät gewährten formen stützt sich wesentlich mit die später von Haupt z. Er. 1969 weitergeführte ansieht Lachmanns, dass ge in nominibus auch im oberdeutschen abgeworfen werden könnte.*) Auch die bevorzugung von denken gegen gedenken haben wir wol als etwas niederdeutsches anzusehen, nicht mit Lachmann für das richtige. Ferner bemerkt Lachmann selbst, dass nach der negation die partikel ge vor dem verbum in A immer weggelassen würde; warum er trotzdem ihrer autorität in dieser dialektischen eigentümlichkeit an mehreren stellen z. b. 2375. 3219. 4325. 5977 folgt, ist nicht abzusehen. Viel- leicht nicht dialektische eigenheit, sondern blosse nachlässig- keit ist es, wenn A 6604 segete an für gesigete an der übrigen schreibt. So häufig an gesigen ist, an sigen ist unerhört. Aber der offenbare fehler in A genügt für Lachmann, um im Er. 8795 gegen die hs. zu vermuten der disem ritter sigte an. Man müste ebeü so im Tristan 1129 gegen alle hss. schreiben er vaht mit im und siget im an. Femer stützt sich die Setzung des auslautenden e im dat. sing, der pronomina und adjectiva nur auf die niederdeutsche hs. A und die mitteldeutsche a, also formen wie demej ime, weme, mineme, eime, sime, jenemej michelmey michelre, kurzerme, mitteme. In der ersten ausgäbe sind fast sämmtliche formen der art, die in A vorkommen, in den text gesetzt. In der zweiten ausgäbe sind viele e ge- strichen, zum teil weil es die regel von der einsilbigkeit der Senkungen erforderte, oft aber so, dass man kein festes prin- cip in der Streichung erkennen kann. Es ist eine jetzt allge- mein bekannte tatsache, dass dieses e in Nieder deutschland und auch in Mitteldeutschland, namentlich Kheinfranken bis in das fünfzehnte Jahrhundert erhalten ist. Es ist daher nicht

*) Vgl. meine anm. zum Gregor v. 254.

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HANDSCHBIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 297

zu verwundern, wenn Schreiber, die aus diesen gegenden stammen, dasselbe in ihre abschriften einsetzen. Dass der Schreiber von A das e nicht durchgeflihrt hat, ist eigentlich schon ein hinlänglicher beweis dafür, dass es in seiner vor- läge nicht stand. Denn er hatte nach seiner mundart wol grund es hinzuzusetzen, aber durchaus gar keinen es wegzu- lassen. Ich behaupte nicht, dass die erhaltung des e in Ober- deutschland um 1200 überhaupt nicht mehr vorgekommen sei (einige beisp. bei Weinh. al. gr. s. 461 u. 471). Die sache be- darf noch einer umfassenden auf die rein oberdeutschen hss. ge- stützten Untersuchung. Aber jedenfalls berechtigt uns die au- torität einer nieder- oder mitteldeutschen hs. nicht dazu aus ihr das e in den text eines oberdeutschen dichters einzusetzen, und danach auch, wo es nirgends überliefert, hineinzuconji- cieren, wie dies Lachmann und andere nach seinem muster getan haben. Auch die sonstigen kürzungen Hartmanns machen die erhaltung des e bei ihm unwahrscheinlich. Ich bedaure, dass ich mich von Bartsch habe verleiten lassen im Gregor 1509 manegeme zu schreiben. Wir kommen doch ein- mal nicht über die annähme hinweg, dass Hartmann sich ge- stattet hat einsilbige Wörter von geringem tongewichte wie praepositionen und artikel zur ausfüUung von hebung und Sen- kung zu verwenden. Dies zugegeben hat Hartmann kaum einen vers, der die setzung des e verlangte, welches bei Lachmann meist auch ohne das unnötig ist, zumal wenn man die ausdehnung anerkennt, welche Bartsch dem sogenannten logischen betonungsgesetze eingeräumt hat. Man darf auch nicht den reim deme: neme Iw. 5207 zum beweise der erhal- tung des e bei Hartmann in anspruch nehmen. Es ist hier viel- mehr die kürzung nem anzusetzen, welche durch das vollstän- dig analoge nam (nomen): zam Er. 8912 gesichert ist. Die formen ^me und eime erfreuen sich einer besonderen beliebt- heit und werden ohne anstand überall in jeden text gegen die hss. eingesetzt auf die autorität von Lachmann hin, der sie hauptsächlich aus den hss. A und a des Iwein genommen hat. Es dürfte doch geraten sein etwas vorsichtiger in dieser be- ziehung bei oberdeutschen dichtem zu sein. Dass Lachmanns regeln über die letzte Senkung und die unzulässigkeit einer l^etonung wie mlchilem die formen eime, michelme u. s. £

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verlangen, kann uns nicht irre machen. Aehnlich verhält es sich mit iuclinierten formen wie anme, vonme, etc., die sich zwar zuweilen in oberdeutschen hss. finden, aber jedenfalls nicht bloss nach nieder- und mitteldeutschen hss. einem ober- deutschen dichter zugeschrieben werden können. So ist amne 6059, vonme 2496 und 3707, hime 1438 nur von A gewährt, ante 1162 gegen alle hss. gesetzt, ime 5032 durch eine son- derbare combination der verschiedenen lesarten conjiciert cf. 8. 295. Eine weitere eigentümlichkeit des niederdeutschen, die Lachmanns kritik beeinflusst hat, ist die substantivische flexion oder, wie man gewöhnlich sagt, flexionslosigkeit der adjectiva im nom. sing, aller geschlechter. Es kommen dabei weniger die eigentlichen adj., als die halbprominalen in be- tracht. Lachmann hat sich gestattet die formen al, ein, de- kein, manec bloss aus A statt einer, einiu, einez etc. in den text zu setzen und dann weiter darauf gestützt an andern stellen auch gegen alle hss. hineinzuconjicieren, zum teil allerdings an stellen wo dieselben auch oberdeutsch möglich sind, öfters aber auch gegen allen oberdeutschen Sprachgebrauch. Lach- mann hat zu 105 das substantivische ein und dehein im reime nachgewiesen. Aber an allen diesen stellen ist davon ein gen. abhängig; ohne denselben aber ist für den absoluten gebrauch von ein und dehein bei oberdeutschen dichtem kein sicheres material beigebi^acht. Sehen wir uns die stellen im Iwein an. 6664 daz ein dem andern schadbn wil; hier haben mer BDabd, ein nur A. 4327 daz ein kempfe dri man; hier haben einer BEabdf, ein AD; vermutlich hat der Schreiber von D aus ge- dankenlosigkeit kempfe für ein subst. genommen. 2394 und in geviele dehein haz; A hat ne hdn, dagegen hat E dehein man, a ny keyn mmi, i nie man, cnie nymante, BDd nie dehein dinch; es ist für jeden unbefangenen klar, dass wir hier eine der häufigen auslassungen des Schreibers von A vor uns haben, und es kann nur zweifelhaft sein, ob nie dehein man oder nie de- hein dinc das richtige ist. 102 und 7488 ist kein (dehein) zwar zulässig, aber weil es nur von A gewährt wird, doch nicht in den text zu setzen. Noch weniger gewähr hat das unflektierte manec, welches an drei stellen auf das zeugnis von A hin, einmal gegen alle hss. aufgenommen ist Und doch werden diese unflektierten formen und andere wie ieglich

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 299

(cf. Haupt zu Er. 1965) jetzt fast überall ohne jedes bedenken gegen die liss. geschrieben aus scheu vor kürzungen, von de- nen man doch erst nachweisen müste, dass sie die dichter vermieden haben. Und schliesslich trägt niemand anders die schuld daran als der niederdeutsche Schreiber der Iweinhs. A, welchem hierin zu folgen Lachmann gefallen hat. Endlich werden wir noch hierher zu rechnen haben die bevorzugung von dicke gegen ofte und die regelmässige Setzung der halben negation ew, worin Lachmann A fast überall folgt ausser wo ihn metrische gründe davon abhalten.

Wir haben also festgestellt; dass A polier flüchtigkeitsfehler ist und deshalb in kleinigkeiten durchaus kein vertrauen ver- dient. Aber auch an grösseren nicht unabsichtlichen fehlem fehlt CS nicht, bei denen es meist nicht zu entscheiden ist, ob sie erst dem Schreiber von A oder schon seiner vorläge ange' hören; für die bestimmung des kritischen wertes der hs. ist das gleichgültig. Es ist nicht leicht die gränze zwischen ab- sichtlichen und unabsichtlichen änderungen zu ziehen. Ganz unabsichtlich können wir vielleicht nur die wirklichen Schreib- fehler und Verlesungen nennen. Diese sind im allgemeinen in mittelhochdeutschen hss. selten. Eine zweite art von fehlem entstanden, indem die Schreiber ein stück ihrer vorläge über- lasen, vielleicht ein zu grosses für die fassungskraft ihres ge- dächtnisses, und dann, wenn ihnen etwas davon in der erin- nerung unklar geworden war,' statt noch einmal einen blick auf die vorläge zu werfen es bequemer fanden etwas beliebiges ähnliches oder ungefilhr passendes hinzuschreiben. Dieser art sind, wie überhaupt in den mittelhochdeutschen hss., so auch in A bei weitem die meisten fehler. Es können auf diese weise schon ziemlich bedeutende abweichungen entstehen, und wir haben grund solche auch in A vorauszusetzen. Endlich aber enthält sie auch unzweifelhafte mit bewuster absieht ge- machte änderungen, die auch Lachmann als solche anerkennen muss. Ich führe zuerst eine anzahl minder bedeutende auf, bei denen es zum teil zweifelhaft bleibt, ob sie nicht vielleicht der zweiten classe zuzuzählen sind. 548 gewogen (niederdeut- sche und mittelfränkische form für gervahen) = gesagen\ 769 U7i7vert = niugerne\ 820 er = rede] 946 unde warb iz aisein hiderhe man == und warp rehte als ein man] 958 nunc la niwet

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300 PAUL

sin ze ga = er sprach nu dir wesen gäch\ 992 zwivel^=^ twelen] 1686 got hat an siu geleit = goi der hat geleit; 1752 na also = niender sd] 1766 hinehte = noch; 1780 grot gemah = dUen den gemach; 2139 iemir = lange; 2206 sie sprah waz meres = waz mcere; 2396 mit sparen slat=^mit sporn hestät; 2443 vollem michel; 2631 nam = schicof; 2558 in dort = Jenen; 2602 san = dan; 2738 da zuget slh oh ein ander U = der ziuhet sich ouch lihte derU; 2960 der der vrowen== iete ir herzen; 3204 was ein slah=^der slac; 3253 des Ubes, un der sinne = an Rbe unde an sinne; 3432 daz sie riten drate = und riten alsd dräte; 3470 also=^beidiu; 3603 siu ne sah umbe = weder si ensach dar; 3901 nu namer =^ nu schant erz; 4090 .^«2 sie = die 52CÄ;4892 nih missevar = rehte gevar; 6316. 7 mosie sih hewaren. her ywein als ein wiser man=muoser sich bewarn dar nach als ein wtser man; 6221 da sie sin wrden gewar = ouch wurden si «in gewar; 6261 du besluzes «= wan besliuzzestu; 6376 bejagen = be- haben; 7254 vreisliche = frische ; 7323 drumbe = alle; 7493 rweten = richseten; 7496 zeichenten =^zeicten; 8087 geminne- ten = gemuoten ; 8147 besizen = gewinnent Tiefer greifende Veränderungen, zu denen sich zum teil noch die motive erken- nen lassen, sind folgende 703 5 Iz was mir vorthlich un un- gemah. Älsih aber in elnin sah, dou getrost ih mih i doh^^ah ab ich in einen sach, min vorhte und min ungemach wart gesenf- tet iedoch; 1460 den hat mir der dot benuomen== ouwe wie bist du mir benomen; 2430 der hat alliz daz er gert=^dm niuwan sines willen gert; 3238 ze walde un war wilde =^ nacket nach der wilde; 3566 also bin ih=^als ich; 4293 diz was gescen in den tagen = und was daz in de7i selben tagen; 5355. 6 u^nder den satel stach er in. rehte vligende hin = rehte vllegent stach er in enbor über den satel hin ; 5426 iedoh ne dorfte ine nieman clagen = dochn hörte in da niemen clagen; 6871. 2 so begreib siu die vart. dar ir der weh gezeiget wart = da ir der wec gezeiget wart, und was ouch üf der rehten vart; 6128 daz höbet sie uz dem vinster hienc = als er den burcwec gevienc (Lachmann in der anmerkung zu dieser stelle erklärt diese und die folgende änderung aus einer beschädigung der vorläge) ; 6183. 4 do her necheine vreise ne sah* un im nechein leit ne geschah ^^em ruochte waz er im sprach] dd er deheine vreise sach ; 7420 got ne sender sine gnade zuo=^got 4 der sine gnäde tuo. Insbesondere hebe ich hervor

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HANDSCHKiFTEKVEßHAELTNiS DES IWEIN. 301

solche fälle, wo der Schreiber geändert hat, um ein ihm unge- wöhnliches wort oder eine ungewöhnliche form zu entfernen; 1333. 4 un daz was ir lib. undir har. gelih deme rvnsce gar = und da was ir här ur\ß ir Hch s6 gar dem wünsche getich (Reh sollte vermieden, werden; so wird auch 1669 ohne änderung des darauf reimenden Wortes Itb flir Hch geschrieben); 2026: 7 ih mohte mih wol gemazen. miner zornigen site = ich möhte wol verwäzen mne zornige site; 2332 waz mah ih nu reden me ==ichn nceiUche tu niht me; 4927. 8 ungescut mit hemeden von sactuche hehut=ungeschuoch: ir hemde was ein sactuoch (ver- mäzen, nosiHche, ungeschuoch warfen anstössig); 4823. 4 aisein kemfe solte der vol varen wolte = als er kemp/en wolde den der da komen sölde (die construktion von kempfen mit dem acc. sollte beseitigt werden; aus dem selben gründe ist 4327 wider hinzugefttgt vgl. dazu Lachmanns anmerkung); an vier stellen wurde der reim von Uchen auf kurzes i zu vermeiden gesucht (vgl Lachm. z. 2479): 2779 nu mouzer uns untwichen^'^nü ist er uns entwichen ( : lästerlichen); 4199 nu wil her uns beswichen = hat er uns beswichen ( : schedelichen); 4295 dou begounde her gawein nastrichen = her Gäwein (was) nach gestrichen ( : wcer- lichen) ; 4723 so moi^er na strichen = so ist er nach gestrichen fnämelichen). Dass diese änderungen erst dem letzten Schreiber angehören, möchte man aus den reimen sän;dan, ungeschut; behut schliessen. Aber anderseits mliste man voraussetzen, dass ein niederdeutscher Schreiber, wenn er etwas ganz an- deres als seine vorläge setzte, dies auch in rein niederdeutschen formen getan haben würde, was, wie aus dem angeführten leicht zu ersehen ist, nicht der fall ist. Demnach würde man genötigt sein mindestens den grösten teil der änderungen seiner vorläge zuzuweisen. Die angeftthrten reime können auch einem mitteldeutschen angehören. Für uns genügt es, dass der text von A durch eine band, wenn nicht durch meh- rere, hindurch gegangen ist, die leichtsinnig genug damit ge- wirtschaftet hat, und nicht bloss jeder treue im kleinen entbehrt, sondern mitunter auch gewaltsamere änderungen nicht gescheut hat um etwas, was ihr nicht passte, zu beseitigen. In jedem falle ist es daher bedenklich einer solchen autorität allein gegen alle übrigen hss. zu vertrauen.

Wir wenden uns noch zur besprechung einiger stellen, an

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302 PAUL

welchen auch aus innern gründen Lachmanns bevorzuguiig von Azu verwerfen ist. 3412 haben wir gewis eine änderung von A anzunehmen, die den zweck hatte das anakoluth zu be- seitigen, welches nicht mehr seltsam ujid gegen Hartmanns weise ist, wenn wir nicht 3408 mit AD gegen alle übrigen ir einsetzen; die form ir hat kommt auch gerade A zu und ist aus ihr von Lachmann mehrfach in den text gesetzt. 4239 schreibt Lachmann mit A tvizzen gegen wizze BDEbdf und demgemäss 4240 ersürhe mit Ba gegen ersterbe Dbdf (A ent- scheidet nichts); d wizzen müste dann auf alle Zuschauer des kampfes gehen , denn die drei kämpfer werden davon deutlich unterschieden; dem Iwein handelt es sich aber in seiner ganzen rede nur um das verhalten seiner frau; ihr wissen wird 4242 flf. dem nichtwissen an unserer stelle gegenübergesetzt, wir brauchen sie daher auch hier als subject; der conj. ist vollkommen be- gründet durch die abhängigkeit des regierenden verbums von sol 5099 setzt Lachmann beide aus A in den text gegen vil gar in BDabdf, während beidiu schon in der vorhergehenden zeile steht; er spricht sich nicht darüber aus, ob er sowol bei- diu als beide auf das objekt oder nur ersteres auf das obj., letzteres auf das subj. beziehen will; an der hierzu vergliche- nen stelle a. Heiür. 566 van dirre rede wurden do trüric beidiu unde unfrö beide muoter unde vater steht das doppelte beide nur in A und ist auch von Haupt und Bech nicht in den text auf- genommen; wenn es nicht eine, einfache entstellung ist, so ist das erste wol auf irüric unde unfrö ^ das zweite auf muoter unde vater zu beziehen; an unserer stelle geht es wegen der Wortstellung nicht an das zweite beide auf er und sin mp zu beziehen; eine Verdoppelung von bade aber wäre sehr seltsam und müste erst durch bessere Zeugnisse gesichert sein. 6792. 3 schreibt Lachmann der muose sich in iedoch gar in ir genäde gebn; für das erste in A haben df im, es fehlt DEabe; für ir in A haben sin DEadef, ien b; was der plural hier soll, ist schwer zu begreifen; dem löwen ergibt er sich doch nicht mit, sondern nur dem Iwein; auch folgt darauf do liez er in durch got leben.

Auch durch die vergleichung mit Chrestiens werden meh- rere von Lachmann aus A aufgenommene lesarten zurück- gewiesen. 4025 7 schreibt Lachmann daz von deheiner sache

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HANDSCHRIFTFNVERHAELTNIS DES IWEIN. 303

vmi manegerm ungemache dehelniu armer rnöhte leben; Beneckes erklärung Ww deheiner sacke in keiner hinsichf müste erst durch parallelstellen gestützt werden, was schwerlich gelingen wird; die zeile ist so allein in A überliefert und hier nicht anders verstanden, als sie überhaupt verstanden werden kann ^aus keiner Ursache*, denn in der folgenden zeile schreibt A wh von so; D und e weichen jede in selbständiger weise stark ab, ebenso f, das A noch am nächsten kommt, wahrscheinlich auch E und a, deren ab weichungen hier nicht angegeben sind; Bbd stimmen überein, und diese Übereinstimmung genügt schon ihnen den vorzug vor den übrigen zu geben, welcher durch das französische bestätigt wird; den drei Zeilen entspricht Chres- tiens 3566 la plus dolanie riens qui vive ; danach ist mit Bbd, denen nun auch 4027 zu folgen ist, zu lesen daz deheln sacke von manegem {manigerm hat nur b) ungemacke also armiu möhte leben; der durch das französische veranlasste auffallende ge- brauch von sacke veranlasste die verschiedenen änderungen. 5187 und mackten im den wec dar; den hat A, einen Dbd^ es fehlt BEa; den ist schon an und für sich unpassend, die beiden andern lesarten gleich richtig; Chrestiens sagt 4335 si U fönt voie; demnach haben wir BEa zu folgen; dnen und den konnten leicht durch die Schreiber eingeschoben werden. 8083. 4 ist nach A geschrieben mim tete daz weter nie sd we ichnwoltes kän gellten e; dagegen lautet 8084 in Dcdf ecÄn wold es liden immerme {nimmerme D), in Bb dazn woldick iemer liden e, in a daz rvolde ick lidin e; die lesart von A ergibt sich schon aus dem zusammenhange als falsch, da von der zukunft, nicht von der Vergangenheit die rede sein muss; vollends zurückge- wiesen wird sie durch Chrest. 6754 mialz volsisse tote ma vie vanz et orages endurer ; unter den verschiedenen lesarten stimmt die von Bb am nächsten dazu: iemer entspricht tote ma vie, e dem mialz; dennoch würde es unmethodisch sein etwa diese mit der notwendigen beseitigung der halben negation in den text aufzunehmen, da sie nur durch zwei nahe verwante hss. gestützt ist, die viele willkürliche änderungen gemein haben; die Übereinstimmung von Dcdf wiegt dagegen schwer, und wir würden ihnen ohne das französische vielleicht unbedenklich folgen; nun aber ist das auch durch A und a überlieferte e in den text zu bringen und daher zu schreiben ickn rvolde ez

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lidenjmmer e; die Verwandlung in immerme lag so nahe, dass darin leicht mehrere hss. zufällig zusammentreffen konnten.

An mehreren stellen hat Lachmann der offenbar verderb- ten lesart von A durch conjektur nachzuhelfen gesucht, statt dem klar verständlichen der übrigen hss. zu folgen. Es beruht dies verfahren auf der durch unsere bisherige Untersuchung wol hinlänglich widerlegten Voraussetzung, dass A sich aller eigenen zutat enthalten habe und nur aus versehen oder in folge einer beschädigung der vorläge fehle. Ein beispiel dieser art von conjekturen in z. 5032 haben wir schon oben besprochen. 191 macht Lachmann aus dem unsinnigen ^2; zo^ in A dazz iu gegea das richtige daz iu daz Badrf {das tu D, das an uch c). 1814 haben BDEabcdf, so viele hss. wie möglich, überein- stimmend den tdi sol mir got senden, wogegen nichts zu erin- nern ist; aber A hat got sal mir ^^dot '^den senden; das ausge- lassene den ist sofort nachgeholt und durch ein Umstellungs- zeichen die Wortfolge in Ordnung gebracht, wie so häufig in hss., wir haben dann weiter eine der in A häufigen Umstel- lungen; so muss jeder unbefangene die sache ansehen, aber iiach Lachmann darf man dem Schreiber so etwas nicht zu- trauen, er muss sorgsam seine vorläge abgeschrieben haben, und deshalb muss er dot in der vorläge übergeschrieben gefun- den haben, es muss ein späterer zusatz, die Wortstellung in A das ursprüngliche sein; wahrhaftig, es gehört ein starker glaube dazu um dergleichen wahrscheinlich zu finden! die widerho- lung von iöi könnte höchstens dem neuhochdeutschen geschul- ten Sprachgefühle anstössig sein, nicht dem mittelhochdeutschen? das dergleichen nicht im geringsten scheut. 2131 haben alle hss. (auch f) s6 volge minem rate, nur A volget, worin man wei- ter nichts zu sehen hat als den höflichen plural; Lachmann macht daraus volg et; ebenso ist 7378 wir haben et hergestellt aus wir haben er (doch wol vom Schreiber gefasst = e); auch die übrigen hss. sollen ei genugsam andeuten, welche andeu- tung doch bloss darin bestehen kann, dass die von gemein- samen willkürlichen änderungen vollen hss. Bb rvu einschieben. Dass bloss die Schreiber das et im Iwein so wenig gelassen haben, ist doch nur eine Voraussetzung; warum soll es Hart- mann so oft gebraucht haben, auch an stellen, wie diesen, wo es gar keinen zweck hat? es ist Überhaupt an allen stellen

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flÄNDSCHßlFTENVERHÄELTNIS DES IWEIN. 306

zweifelhaft, ob et mit recht in den text gesetzt igt, da es ent- weder in B allein oder nur noch einer andern hs. über- liefert ist; der ausfalL war natürlich leicht, aber es war doch zur zeit der entstehung der hss. noch nicht ganz ungebräuch- lich geworden, dass es so allgemein hätte ausfallen sollen; eben so gut konnte es zur ausflillung der Senkung eingeschoben sein; 1396 haben AEacd owcÄ, nur B et] dies wurde in der ersten aufläge aufgenommen, in der zweiten aber dafllr auch gesetzt, unzweifelhaft mit recht; man sieht also daraus, dass B eine verliebe für et hat und es auch an den übrigen stellen eingesetzt haben kann, weshalb es um so mislicher ist, wo es in B fehlt, es durch conjektur hineinzubringen. 3715 sehreibt Lachmann nach e nach nager A, nach BDb, nach gar d, nach alle Ea; inwiefern sollen die lesarten deutlich daraufführen? weil einige hss. einen beliebigen zusatz machen, der mit e gar nichts zu tun hat? 4194 ist aus ih lohtin gemacht ich liepl in\ was das richtige ist, können wir erst an einer späteren stelle entscheiden. 4429 daz iu daz niemen kan gesogen (BDEacdf) 'so dass euch das niemand beschreiben kann' ist unanstössig; es ist dazu nicht nötig, dass s6 in der vorhergehenden zeile steht,- welches im mhd. viel leichter als im nhd. ergänzt wer- den kann; nun fehlt in A das zweite daz] diese auslassung soll das richtigere sein, und nachdem so erst künstlich eine gar nicht vorhandene Schwierigkeit geschaffen ist, wird ein alter fehler vermutet und statt daz u geschrieben danne iu und kurzer in der vorhergehenden zeile als comparativ ge- fasst; ich verstehe übrigens nicht, wie bei dieser conjektur das fehlen von daz vorgezogen wird; wenn es da steht, so wäre der sinn, ^die Verwandlung ging schneller vor sich als es je- mand schildern kann', und das wäre sehr hübsch; ohne daz kann es nur heissen In kürzerer zeit als irgend jemand an- geben kann' d. h. 4n so kurzer zeit, dass es zur bezeichnung der kürze an einem sprachlichen ausdruck fehlt'. 6611 geben wider BDadf etwas klar verständliches und passendes unz {die Tvile af) ^ niht ubernmnden sint; eine leichte ebenso verständliche änderung hat b, unübernmnden für niht ijib.\ A hat unvirwnden, sicher weiter nichts als die änderung eines mittel- oder niederdeutschen Schreibers, welcher das in Ober- deutschland übliche compositum mit dem ihm gewöhnlichen

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche 1. 21

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306 PAUL

gleichbedeutenden vertauschte; verwinden'^ überwinden ist im mhd, wb. III 681^ 20 ff. reichlich aus mitteldeutschen quellen belegt, das part. unvertvunden aus dem Passional; dagegen Lachmann machte daraus - unernmnden (vgl. Ben. z. dieser stelle), was wenig passend ist, da von einem freiwilligen zu- rücktreten der riesen überhaupt nicht die rede sein kann, und da diese zeile der früheren 6604 entge'gengesetzt wird der in beiden gsigie an; das mag Lachmann selbst gefühlt haben und versucht in der anmerkung mit zuhülfenahme einer stelle aus Nithart eine neue conjektur underwunnen, alles überflüssige Verschwendung von Scharfsinn, wozu er doch wol nur dadurch getrieben ist, dass er nach seinem principe durchaus das in Aa überlieferte die mie gegen das unz der übrigen retten wollte und in folge davon in niht überwunden metrische Schwie- rigkeiten fand. 6880 ist aus nie weder A enweder gemacht gegen weder DEabdf {deweder B), ebenso 7081 aus nie wider. 7787 haben BDb niht enloste, adf niht erloste, A ine ne loste; ine ist pron., welches hier eingeschoben werden muste, weil in der vorhergehenden zeile das pron. in als praeposition ver- standen wurde; aber Lachmann conjiciert aus ine ne niene, welches überhaupt zu häufig aus A aufgenommen ist^ deren dialakt eine verliebe dafür hat.

Wir haben bis jetzt nur die beschaffenheit der hs. A flir sich geprüft ohne rücksicht auf das Verhältnis zu den übrigen. Unser resultat war, dass sie eine menge Verderbnisse enthält, welche wahrscheinlich zum grösten teil erst dem letzten Schreiber angehören. -Die vorläge kann sehr gut gewesen sein; sie ent- hielt jedenfalls nicht so viele überlegte besserungs versuche wie B und D. Aber eine andere frage ist es, ob ihr eine solche bedeutung beizumessen sei, wie sie ihr Lachmann selbst noch in ihrer auf uns gekommenen entstellung zuerkennen will. Es wäre dazu ein notwendiges erfordemis, dass sämmtliche übri- gen hss. aus einer gemeinsamen quelle stammten, von der A unabhängig wäre; denn sonst könnte höchstens, wenn sie von einander abweichen, der vorläge von A ein vorzug gebühren, nicht aber, wenn sie übereinstimmen. Diese gemeinsame ab- stammung kann nur durch allen gemeinsame fehler erwiesen werden, die von A nicht geteilt werden. Dass solche nicht vorhanden sind, muss als erwiesen betrachtet werden, sobald

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 307

man die richtigkeit unserer bisherigen einwürfe gegen Lach- manns kritik zugibt. Aber selbst diese unerwiesene gemein- same grundlage vorausgesetzt lässt sich keine ratio finden, durch welche das princip Lachmanns gerechtfertigt würde A immer da zu folgen, wo irgend eine andere hs. mit ihr über- einstimmt, gegen die Übereinstimmung der übrigen. Nennen wir die urhandschrift x, aus der auf der einen seite vielleicht durch mehrere Zwischenglieder hindurch A, auf der andern die gemeinsame quelle der übrigen fliesst, die wir y nennen wollen, nehmen wir dann z. b. an, dass, wenn A mit a übereinstimmt, diese Übereinstimmung die ursprünglichkeit der lesart beweist, so kann dieser beweis nur darauf beruhen, dass wir die erhaltung der lesart von y in a voraussetzen; dann müssen die übrigen geändert haben; stimmen sie in der änderung überein, so bleibt uns die wähl zwischen zwei ansichten: ent- weder die, Übereinstimmung ist zufällig, das ist bei der anzahl der hss. in hohem grade unwahrscheinlich; oder es liegt zwischen den übereinstimmenden hss. und y eine dritte gemein- same, quelle z. Halten wir nun weiter auch die Übereinstim- mung von A und b für einen beweis der ursprünglichkeit, so kommen wir auf ein gleiches dilemma u. s. f. Natürlich kann die Zweiteilung von y in z und eine der erhaltenen hss. höch- stens in einer einzigen weise stattgefunden haben, y kann nicht gleichzeitig in z und a und in z und b, z und c etc. geteilt sein. Daher bleibt nichts anderes übrig, als mindestens bei weitem die meisten, wo nicht alle Übereinstimmungen der übrigen hss., die der Übereinstimmung von A und einer andern gegenüberstehen, für zufällig zu erklären, und das sind mehrere hundert. Es ist einleuchtend, dass wir auf diese weise eine viel grössere unwahrscheinlichkeit ansetzen, als wenn wir annehmen, dass eine unter den vielen hss. in einer änderung zufällig mit A zusammengetroffen ist. Wenn aber das zusam- mentreffen zufällig ist, so beweist es gar nichts. Es hat daher das zusammenstimmen von A mit einer beliebigen andern hs. gegen die Übereinstimmung aller übrigen keinen grösseren wert als A für sich.

Die unhaltbarkeit von Lachmanns princip wird noch viel sicherer festgestellt werden, wenn wir, aus dem bisherigen rein negativen abweisen heraustretend, eine positive feststellung des

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handschriftenverhältnisses versuchen. Mit einigem zagen gehe ich daran. Denn das material, das mir dazu zu geböte stand, ist für die endgültige entscheidung aller einzelheiten durchaus ungenügend. Lachmanns auswahl der Varianten setzt die rich- tigkeit seines principes voraus und ist unter dieser Voraus- setzung sicher genügend, aber nicht überall zur sicheren her- stellung des textes, wenn nicht mehr der vorrang einer einzel- nen hs., sondern das zusammenstimmen nicht verwanter mass- gebend ist, noch weniger zu einer allseitigen bestimmung der verwantschaftlichen beziehungen unter den einzelnen hss., zumal da dieselben so sehr verwickelt sind. Die noch gar nicht benutz- ten hss. können leicht darüber noch interessante aufschlüsse geben und an manchen «teilen zur feststellung des ursprünglichen textes beitragen. Zu einer vollkommenen neuen ausgäbe würde eine neue vergleichung aller hss. erfordert. Da aber eine solche wahrscheinlich noch lange auf sich warten lassen wird, so mag diese vorläufige Untersuchung wenigstens dazu dienen die, wie es scheint, ziemlich allgemeine ansieht von der Voll- kommenheit des schon geleisteten zu erschüttern, die bedeu- tendsten und schädlichsten Irrtümer zu beseitigen, das ver- wantschaftsverhältnis in den gröbsten zügen zu entwerfen und dadurch das jetzt noch wenig geftthlte verlangen nach etwas vollkommenerem zu erwecken.

Eine reinliche sonderung in scharf von einander getrennte gruppen lässt sich selten unter den hss. eines mittelhochdeut- schen gedichtes vollkommen durchführen. Selbst wo dieselbe verhältnismässig leicht ist, z. b. im Tristan und noch mehr im Parzival kommt übergreifen aus der einen gruppe in die andere häufig genug vor. Im Iwein bieten sich besondere Schwierigkeiten dar. Dennoch würde es nicht gerechtfertigt sein, wollte man von vornherein an der ei reichung irgend wel- ches resultates verzweifeln. Es handelt sich vor allem darum zu entscheiden zwischen bloss zufälligen Übereinstimmungen und solchen, die aus einer gemeinsamen quelle geflossen sind, wobei man in sehr vielen fällen nicht bis zur zweifellosigkeit gelangen wird. Eine menge leichter auslassungen, zusätze, Umstellungen, vertauschungen ähnlicher Wörter lagen den Schrei- bern so nahe, dass es nichts auffallendes hat, wenn unter zehnen zwei oder drei oder selbst mehrere auf die selbe än-

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HANDSCHKIt'TENVERHAELTNIS DES IWEIN. 309

derung gerieten. Dass es unerlässlieh ist eine menge solcher zufälligen Übereinstimmungen zuzugeben, wird alsbald klar, wenn wir versuchen uns die verschiedenen möglichkeiten von verwantschaft und nichtverwantschaft der einzelnen hss. vorzu- führen. Ein beispiel davon haben wir oben gesehen. Es er- gibt sich daraus die regel, dass alle Übereinstimmungen, die leicht zufallig sein können, für sich nicht die Zusammenge- hörigkeit entscheiden, sondern nur, wenn daneben bedeutendere und eigentümlichere ab weichungen gemein sind, zur Verstär- kung des beweises dienen können, wenn sie sich in verhält- nismässig grosser anzahl finden. Ferner kann es natürlich immer zufall sein, wenn das richtige in verschiedenen hss. er- halten ist: nur die gemeinsamen fehler entscheiden. Diese aus inneren gründen mit Sicherheit zu erkennen ist nun freilich an den meisten stellen unmöglich, man muss sich an die we- nigen ganz klaren fälle halten. Aber auch mit berücksich- tigung aller dieser momente wird man nicht immer zum ziele kommen. Man wird nicht ganz selten hie und da Überein- stimmungen auch in sehr charakteristischen abweichungen fin- den zwischen hss., die im übrigen sich bestimmt von einan- der scheiden und zu anderen stellen. Es ftlhrt uns das zu der Überzeugung, die ja auch an und für sich nichts unwahrschein- liches hat, dass mitunter von einem Schreiber mehrere hss. be- nutzt sind. Dies kann etwa so geschehen sein, dass der erste teil aus der einen, der zweite teil aus einer andern hs. abge- schrieben ist; dafür gibt es beispiele genug. Oder es kann abwechselnd bald aus der einen, bald aus der andern abge- schrieben sein, wofür ein sehr charakteristisches beispiel die Blankenheim-Grootesche hs. des Tristan (B) gibt. Endlich aber können auch zwei hss. gleichzeitig nebeneinander benutzt und mit einer gewissen kritik eine mischung daraus herge- stellt sein. Im letzteren falle, zumal wxnn die Überlieferung erst wider durch viele Zwischenglieder hindurchgegangen ist, wird es leicht unmöglich werden, etwas über das Verhältnis einer hs. zu ermitteln und kritische grundsätze für ihre be- nutzung aufzustellen. Eine durchgängige gleichmässige be- nutzung zweier hss. wird indessen kaum vorgekommen seiny da sie eine mühsame Sorgfalt voraussetzt, wie sie den Schrei- bern im allgemeinen nicht zuzutrauen ist Eine hs. wird

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doch wol immer die hauptquelle gebildet haben, und nur an einzelnen stelleji eine hs. dazu verglichen sein. Am ehesten wird sich vielleicht, wo flir den anfang und schluss zwei ver- schiedene quellen zu gründe gelegt sind, ein Übergang heraus- stellen, in welchem ein hin- und herschwanken zwischen beiden stattfindet. Diese Überlegungen werden bei der handschriften- frage deslwein ihre anwendung finden.

Wir werden am sichersten zu werke gehen, wenn wir den ersten kleineren teil des gedichtes vorläufig ausser acht lassen, um irgend einen bestimmten grenzpunkt anzugeben, bis zu z. 3200. Etwa von da an ist das Verhältnis ziemlich durchsich- tig, nur dass es zum schluss wider etwas getrübt wird. Zu- nächst wollen wir das, was Lachmann über nähere verwant- schaft von hss. sagt, einer prüfung unterziehen. Nach ihm setzen B und b eine gemeinschaftliche quelle voraus, in der das gedieht schon stark verändert war, und sind E und a nah unter sich verwant. Von diesen beiden Sätzen ist der erstere flir den zweiten teil des gedichtes etwa von dem be- zeichneten punkte an vollkommen richtig mit ausnähme etwa der letzten tausend zeilen, flir die er etwas zu beschränken sein wird. Zu der gruppe Bb gehören auch die in der Germ. III veröffentlichten fragmente F und G. Ihre gemeinsamen abweichungen tragen zum grösten teil den Charakter überleg- ter änderungen, die in der absieht zu bessern gemacht sind. Die anzahl derselben ist so gross, dass es überflüssig wäre dieselben einzeln aufzuzählen. Ich will aber zur übersieht über das Verhältnis je von hundert zu hundert die anzahl der grösseren und kleinen gemeinsamen abweichungen angeben, welche Bb mit keiner andern hs. oder nur mit F oder G teilen. Es sind 6 von 3200—3300, 11 von da bis 3400, 8 bis 3500, 11 bis 3600, 9 bis 3700, 11 bis 3800, 10 bis 3900, 8 bis 4O00, 7 bis 4100, 12 bis 4200, 12 bis 4300, 16 bis 4400, 4 bis 4500 6 bis 4600, 2 bis 4632 (4633—4790 fehlen in B), 8 von 4791 —5900, 2 bis 5000, 7 bis 5100, 9 bis 5200, 11 bis 5300, 5 bis 5400, 6 bis 5500, 7 bis 5600, 5 bis 5700, 3 bis 5800, 10 bis 5900, 4 bis 6000, 6 bis 6100, 1 bis 6200, 5 bis 6300, 4 bis 6400, 5 bis 6500, 4 bis 6600, 1 bis 6700, 3 bis 6766 (6767 —6818 fehlen in B), 2 von 6819 bis 6900, 4 bis 7000, 3 bis 7100, 2 bis 7200, 2 bis 7300, 4 bis 7400, 2 bis 7500, 2 bis

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 311

7600, 2 bis 7700, 1 bis 7800, 1 (ganz unbedeutende) bis 7900, 1 bis 8000, 2 (kaum in ansehlag zu bringende) bis 8100, keine ^ bis 8166.

Eine auswahl der bedeutendsten Varianten hebe ich beson- ders hervor, aus denen hervorgeht, dass es sich hier nicht um blossen zufall handelt: 3292 darinne wander sicher sin BbG = datie wänder doch ruht sicher sin; 3294 un stuont innen da für BbG = da siwmi im der iöre ßr; (bei 3298 stimmt auch f zu BbG, eben so schon 3275. 6) 3299 emer ich mich BbG ge- rne ich; 3311 schiebt B hangende, bG da hangen ein; 3320 iet der tore im daz erchant BbG = erzeicte der tore zehant; 3338 chezzel BbG =pfeff'er; 3345 wonfe BbG = (weite; (bei 3362 endet G) 3377 von einer schult = daz was des schult; 3419 der rede =^ des trostes; 3479. 80 sind daz und ww;2 vertauscht; 3486 ist vor 3485 gestellt und dann hinzugefügt si het si (esb) an in gestrichen, daz diu suhl wcere entwichen; 3522 het mit manheit pris=han vil manegen herten pris; 3536 -missesagich niht so ist ez war = dazn ist allez niht war; 3546 er oeffet sich ^= er hat mich geffet; 3557 swarz^^ruch; 3570 sier = binich; 3577 wie stet ez sus imbe min lehn = ist mir ge träumet min lehn; 3578 mir =^ mich her und danach 3579 einen (den h) lip sus unge- tanen =sd rehte ungetanen; 3645 alsu^ fuorte si in dan = vuorte si in mit ir dan; 3709 der edel her (riter Bj^=unde mm her ; 3863. 4 sluoch in harte schiere un half dem edeln tiere = s. i. h, s, tot u. h. dem lewen üz der ndt; 3872 ane aller- slahte grimme = hie liez er sine g, ; 3894 er lüte = do gruozter in ADA, er (und Q>) gruzt in Eac; 3924 daz ers enweste (recht West bj niht = wandern versach sichs niht; 3970 nach eren mut B, mut und ere b = dehein (fehlt Ea) ere; 4144 vbersprach = tet; 4235 wil ich hie Ugen = durch ir willen lige; 4325. 6 daz ichs getorste hiten. so wcere daz = so getorste ich sin Uten: ditz ist; 4347 ist weiz got eingeschoben; 4350 ir laster un ir schade = ir ere unde ir vrume; 4352 ob daz also mohte wesn = und (fehlt DEaf) möht ez also sin gewesen; 4570 sus hin = alsus; 4900 harte = da wider; 5002. 3 als er ouch hat getan, er hat sich=swaz ir im leides habt getan, und hat sich ouch; 5340 ^m^ was der trost=der trdst was; 5848 mir sande in unser herre got=dd sante mir in got; 5878 hiezzen sie fragen =^ rietin ir adf {rite sie A Lachm.) ; 5905 desn chan ich iu niht gesagen =

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312 PAUL

des enwolter mr nihi sagen] 6369. 70 rvere aber keine (wcere dehein so scelech B) man der in gesigie beiden an = unde geslgte ab dehein man iemer disen beiden an; 6466 gewizzen = r%cheit; 6476. aJs mmi lieben gast sol^^als ein wirt den gast sol; 6819 als ich tu wil=da^z tvil ich iu; 7058 sunden = gesehenden {ge- sunden EH) (mgen.

Man ersieht aus diesen Zusammenstellungen, dass die an- zahl der gemeinsamen abweichungen nicht durchgängig gleich- massig verteilt ist. Es kann natürlich blosser zufall sein, wenn deren gerade in einem einzelnen hundert sehr wenige, in ei- nem andern sehr viele sich finden. Aber doch kann es nicht zufällig sein, dass sowol ihre anzahl, als ihre bedeutsamkeit im anfange des bezeichneten abschnittes (oder genauer von 3275 an) am grösten sind und allmählig gegen das ende hin so. zusammenschrumpfen, dass^ man kaum einen abstand von den zerstreuten bertihrungen zwischen zwei beliebigen anderen hss. merkt und sich fragen muss, ob die wenigen unbedeuten- den Übereinstimmungen nicht auf zufall beruhen, so wie dies nach den sonstigen analogieen auch von einem teile der vor- hergehenden zu vermuten ist. Es wäre also danach möglich, dass eine von den beiden hss., wo nicht alle beide am Schlüsse einer andern quelle gefolgt wären, oder wenigstens eine solche daneben benutzt hätten. Anderseits aber kann es sein, dass das abnehmen der gemeinsamen abweichungen seinen grund nur darin hat, dass die änderungslust des Überarbeiters all- mählich erlahmte. Neben den fällen, in welchen die beiden hss. flir sieh stehen, sind nun aber auch diejenigen in betracht zu ziehen, in welchen sie mit einer (oder wenigen) andern zu- sammenstimmen, und deren sind nicht wenige. Wo die ab- weichungen leicht sind und nicht andere entscheidende gründe für einen genealogischen Zusammenhang mit der betreffenden hs. zeugen, spricht alle Wahrscheinlichkeit daflir, dass die Über- einstimmung von B mit b, vielleicht wenige fälle ausgenommen, aus der gemeinschaftlichen quelle herrührt, ihre Übereinstim- mung mit der andern zufällig ist. Die sache ist dann um kein haar anders, als wenn nur zwei nicht verwante hss. zu- fällig zusammentreffen. Da die verwantschaft von B mit b schon hinlänglich gesichert ist, können wir es uns ersparen die fälle des zufälligen Zusammentreffens mit anderen hss.,

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HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 313

die doch nicht volle Beweiskraft haben, hier aufzuzählen. Auf solche fälle, bei denen es in. frage kommt, ob eine weitere verwantschaft von Bb mit der übereinstimmenden hs. anzu- nehmen ist, kommen wir später zurück. Ausser den Überein- stimmungen von Bb sind aber auch die abweichungen in er- wägung zu ziehen. Gegen die Zusammengehörigkeit können letztere natürlich nur dann sprechen, wenn die lesart einer jeden von beiden zu der anderer hss. stimmt. Dies kommt ziemlich häufig vor, aber fast durchgängig nur bei gering- fligigen differenzen, die gegen die schlagenden Übereinstim- mungen nicht in anschlag gebracht werden können und uns nur lehren, welchen Spielraum wir in diesen dingen dem Zu- fall einräumen müssen. Nur gegen das ende, wo die Überein- stimmungen abnehmen, gewinnen auch die abweichungen an Wichtigkeit. Darüber später. Das Verhältnis von G wird aus den angeführten stellen deutlich. Es kommen dazu noch einige kleinere Übereinstimmungen. Sämmtliche bedeuten- dere abweichungen teilt G mit Bb, nur in geringfügigen stehen letztere für sich. Gemeinsame lesarten von BbF sind folgende: 5204 und ^ st; 5217 dm^sinen; 5223 balde = dräte\ 5227 gehörte = gesach vil Ea, ersach vil Dd. Dazu kommen die weiteren Übereinstimmungen von BbFD. F scheint sogar in einem näheren Verhältnis zu B, als b ^u stehen; vgl. die ge- meinsamen lesarten 4965 geschamen = scharrten; 4995 als = sd; 5197 herzeliebe = herzenliebe ; 5212 geturre umbe uns = umbuns getUrre; 5228 trat auch {trat &)=gestunt DEd, stünde auch b. Bei weitem nicht so zahlreich noch so bedeutend sind die Übereinstimmungen zwischen E und a, und ihr gegenseitiges Verhältnis ist viel weniger durchsichtig. Es erschwert die Unter- suchung, dass oft nur von einer von beiden die Varianten ange- geben sind. Zuvörderst müssen wir constatieren, dass, wie schon Pfeiffer bemerkt hat, in einem viel engeren Verhältnis als a das fragment H zu E steht, welches z. 6934 7198 und 7455 7702 enthalt. Das beweisen namentlich gemeinsame lücken: 6967. 8 und 7025. 6 fehlen nur EH, 7019—22 fehlt E, allerdings auch c, 7019 21 fehlt H, 7012—20 auch a. Man füge dazu die Varianten, die sie mit keiner andern hs., auch nicht mit a teilen: 6952 auch si = si auch; 7002 e niht = niht; 7040 vrou==diu; 74 und fehlt in EH; 75 er ist zesllfen = ir

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3,14 PAUL

ros diu Ue/en; '7260 ein loup=^an lobe ;'727d auch sich = sich auch; 7602 niene^=niht ne, niht, ihU Die Übereinstimmungen würden sich wahrscheinlich vermehren lassen, wenn überall die abweichungen von E angegeben wären. Dazu kommen denn die Übereinstimmungen mit andern zusammen. Dagegen können di« paar Varianten nicht in anschlag kommen die H mit Bb teilt, 6944 manheit = vrümekheit und 7112 da hin = hin, um so weniger/ da an beiden stellen nicht ersichtlich ist, wie Bliest. Ich gebe nun ein Verzeichnis der gemeinsamen abwei- chungen von Ea (H), die sie mit keiner anderen hs. teilen, welches natürlich wegen mangelnder angäbe der Varianten nicht vollständig sein kann.' Die etwas bedeutendem sind durch ge- sperrten druck hervorgehoben: 3292 fehlt doch; 3306 des = diu] 3372^1 gedaht ditz istl^ij sy gedachte ez istsi,=^nu duhter */Dcdf, nujach efe^ ABbLachm.; 3407 ich =^ und ich; 3408 fehlt daz; 3432 also = als BDb; 3436 bei der = der selben (zersel- ben BD;; 3523 mit=^ze ABd, an BD-, 9667 ze = in; 3583 fehlt der; 3611 er = unde; 3612 5/ tet=dd tete si; 3619 Ä^r nffera, ritter E = herre BDd; 3644 er saz = sm saz er; 3645 sl vurt in = vuorie Sl in; 3650 fehlt daz; 3715 ist alle eingeschoben; 3768 fehlt da (doch); 3804 mit = von; 3835 fehlt rvan; 3881 er = und; 3894 er gruzt in = do {nu Dd) gruozter in ADd, und gruzt in c, er lute Bb; 3895 do volget er [ym sl] ==und volgt im; 3901 er schant ez = nu schant erz; 3923 nu = do; 3970 ere = dehein ere Dcdf; 3985 daz laster = daz;- 4011 chlage hie = groze clage (chlage alsus Bb>; 4015 in der werldr=ie; 4027 niht armer = neheine armer ne A, also (so D) armu BDbd; 4042 mich des = mich (mlchs B); 4052 fehlt und; 4062 mich wundert = ouch wundert mich; 4067 ez ist niht = ouch ist ez niht; 4095 ich weiz = und weiz daz; 4117 min vrowe = d nü; 4125 niwan schüfe =^scufe niewan {niewan fehlt Bb); 4126 fehlt 5WÄ (so, also); 4154 ein teil = gewesen; 41^Z lenger = lan- ger; 4202 ich swur (gesw^r E^ des = des swüer ich; 4227 er le- dig et = er l(eset; 4336 fehlt ob Ad, als BDbf; 4338 fehlt wan; 4344 schade = dehein schade (zeschaden Bh); 4350 vrum uT% ir ere = ere unde ir vrume; 4374 do sach er = und sach; 4413 truobe vreude= trügevreude; 4419 listig tu vreude == listvreiide; 4445 ich sage iu (wir sagen uch hj = sd sage ich tu; 4483 der = er; 4575 gescheidel = scheidet; 4581 fehlt des {mit Bh)] 4664

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 315

gereit === bereit 4703 enet^^henet; 4909 iht^=niht; 4968 swaz ouch si im = swaz si im auch {auch Dd, Joh Ab, fehlt BF); 4986 mir ouch = auch mir Ad, mir BDFb; 5227 gesach (das richtige und darum nicht beweisend) = ^^acÄ Dd, gehorte BFb; 5231 fehlt vil; 5348 den = ir b Lachm., in Ad, fehlt BDf ; 6396 be- stunt nu a, nu besinnt E = bestunden [da d, nie DJ, bestuont ein (ny h) Bb; 5405 nu = ^ (ms B, do D); 5773 do als = als; 5902 nu=^vrowe nu Ab Lachm., frouwe BCDd; (von 5951 6147 ist keine Variante aus E angemerkt) 6168 vil wol = wol; 6194 was iedoch E, und es was doch ir a = ir [ne] was iedoch; 6297 mit = in Ab, bi Dd, fehlt f; 6375 ein = dehein; 6460 wol = lihte; 6493 bei ein = zuo ein; 6549 Wirtschaft un=^alsd groze; 6602 ym doch a, im ouch E = idoh Ab, doch B, ouchD; 6702 in ouch ^ in; 6727 die ringe = den heim; 6750 fehlt harte; 6760 er^i^ ouch = gie; 6769 m e er/o^/e (das richtige) = in erloste df Lachm., ine irloste A, in e loste Db; 6793 vil gar = gar; 6833 immer gar (das richtige) = «/»wer D, ymmer mer d, harte gar B, t;// gar b, Äar/e ^^ne A Lachm.; 6914 benamen = alle; 6954. 5 wolde umgestellt in EHa; 6960 nu=^ir nu df, nu hie BDb; 7070 wirt EHsi = wart; 7161—70 fehlen EHa; 7238 immer sit = harte (also Bdj lange ztt (7413—7522 feh- len a); 7729 da versperret = da in versperret Acf L., versperret Db, in geslozzen B.

Wegen der geringfügigkeit der abweichungen , mit denen Ea allein stehen, wird es sich empfehlen, auch diejenigen hin- zuzufügen, die sie noch mit einer andern hs. teilen. Diese Über- einstimmungen verlangen die selbe auflfassung, die wir für die Übereinstimmung von Bb mit einer andern hs. aufgestellt haben. Wenn aber ihnen gegenüber die übrigen hss. nicht zusammen- stimmen, sondern von einander abweichen, so ist es möglich orter selbst wahrscheinlich, dass die Übereinstimmungen von Ea oder Bb mit einer andern hs. sich aus erhaltung des ursprüng- lichen erklären, weshalb sie dann zum nachweise einer gemein- samen quelle von Ea (Bb)wenig beitragen können.

Ziemlich häufig sind die Übereinstimmungen von Eab gegen B trotz der engen verwantschaft letzterer mit b: 3674 fehlt kein; 3694 ergan (aber auch A virgan) ^= vertan BDcdf; 3848 er = wntf ADcd, tfocÄ B; 3911 leit=legt(e); 3931 fehlt ^do; 3952 fehlt und; 4030 chlagen = clage ; 4081 ouch = Joch ABd^ fehlt

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316 PAUL

D; 4317 ein also werden Ea; ürvren werden b, = einen alsd vor- dem; 5355. 6 fehlen; 5461 doch = noch; 64b6 niht = niemm; 6468 g ew innen =^ haben (gehaben B^; 5488 fehlt dan; 6172 stuont er vi! fstunt er Dj = sumder in B, sumier A, saumpt er sich cdf; 6425 er begund=sus (nu, da) begunder; 6569 mit] vrouden^^vol D, wol B, vil wol A, da d, enuolln f; 6768 het 1 imz^^hetes im; 6928 gar ^^ schiere B, bi namenD, fehlt d; 6942 , disiu EHab = diu; 6978 fehlt rfaz; 7242 wan in het diu muede Cd. m. h, hj = diu müede het iwBdf. Umgekehrt stimmt B mit Ea gegen b; 3602 zoch^=vuorte ADbd; 3871 gebcerden = ge- boerde; 3880 swar==^swa ADbdf; 3899 er = und; 4884 xme = innen cd, in Db, ane A; 4511 suochet = suochtet; 4523 fehlt wnJ Acd; 4813 allen = alle; 4821 ^ horte = wn<? Äorf^ Adf, nu (do h) horte er Db; 5112 in triuwen = entriuwen; 5309 un = sx; 5350 «;arm (auch f) = sin Adb, ^/n^ D; 7066 der = s/in; 7240 rföz rfö = rf^z ADb, daz die d, ^az doch f ; 7245 fehlt ^/e ADbd. Mit A stimmt Ea: 3915 alle Lachm. = zaller; 3945 7 daz swert em dur den halsberh brah = daz swert im üz der \ scheide schöz; des güete was also groz deiz im durch den häts- perc brach (eine offenbare auslassung, wahrscheinlich durch I überspringen einer zeile in einer ohne absetzung der verse ge- schriebenen vorläge entstanden, und von der art, wie sie inA häufig ist; die Übereinstimmung ist wol nur zufall, wie dennb an derselben stelle eine notwendig davon unabhängige auslas- sung von etwas anderm umfange hat: das schwert yme vsz der scheiden brach; dennoch hält es Lachm. in seiner verliebe för A noch für möglich, diese lesart zu verteidigen); 3948 groze L. = starke; 3992 des bin ich alles {aller a) worden gast L. = dem b, i. allem w, g,; 4012 gehorte L, = erhörte D, höret d, horte wol Bb; 4218 sit L. = sit daz BDbdf; 4432 als L, = do Bdb, und d; 4948 daz L. (richtig) = ^//z df; den BDb; 5455, 7173, 7842 haben AEa L. en (ne), welches den übrigen fehlt; 5642 genieten h.^ nieten BDbd; 5688 fehlt her; 6405 so L., fehlt BDbdf; 6504 ^i> L. (richtig) = fw; 6711 vcehten fvuhtenj L.= gevcehten BDdf; 6749 ein vil L. = eine BDbd; 6844 bi im L. (richtig) = &/ mBb, fehlt Dd; 7311 rf^r ^/ L. (richtig) = ^i rft r D, das {nu c) sy dir bc; 7339 note A? L., not a, not niht E = ungeme BDdf; nit gerne b; 7576 uns AEHa L. = ^m^ beiden BDd, wis zwaienc, uns hieb] 8069 hRltetL, = behalte et J Db/', behabt d.

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 317

Mit d stimmen Ea: 3951 sm= der; 4012 gesach = sack 4177 den (wol richtig) = m ADL., disen Bb; 4202 fehlt tvol; b\2^brmne==brunnen; 5297 ruften (vielleicht richtig) = m/iwi ABL., sprachen Db; 5676 irz = ez; 6291 dabei in (wahrschein- lich richtig) = bi in ADcfL., under in da Bb; 6297 fehlt wem; 6815 fehlt ir; 6886 fehlt hete sich; 7699 schaden == schänden. Mit c: 7019—22 fehlen Ec, 7019—31 auch H, 7019—20 auch a; 7146 und enwart nach gelte niht gesant EKsiG ==^ und wart vergolten da ze hant; 7661 des wol L. (richtig) = des Db, wol A. Mit f: 3978 stcete L. (richtig) = owcä steete BDb, steter ed, fehlt A, 5500 lebens = lebendes A, libes BDbd; 6304 un M=ne A, fehlt BDbd.

lieber die combinationen DEa, AdEa, BbEa haben wir später zu handeln; sie gehören nur zum teil in eine reihe mit den übrigen. Ein näheres Verhältnis einer einzelnen hs. zu Ea lässt sich schwerlich aus den angeführten Übereinstimmungen ableiten; b^ mit der die Übereinstimmungen am bedeutendsten sind, gehört auf das entschiedenste zu B, und man könnte da- her höchstens vermuten, dass der Schreiber hie und da eine andere quelle daneben benutzt hätte. Ueberblicken wir die ganze masse der Übereinstimmungen zwischen E und a, so ge- nügen sie wol um zur ansetzung einer gemeinsamen vorläge zu berechtigen. In derselben kann aber das gedieht noch nicht ßo überarbeitet gewesen sein wie in der von Bb, vielmehr tra- gen ihre ab weichungen fast^sämmtlich den Charakter der zwei- ten unter den drei oben von mir unterschiedenen arten von fehlem. Gegen den schluss nehmen die Übereinstimmungen auf- fallend ab; auch im anfange unseres abschnittes sind sie äusserst geringfügig, was sehr zu beachten ist.

Die differenzen zwischen E und a sind allerdings auch zahlreich^ zahlreicher als die fälle, in denen sie zusammen den übrigen bss. gegenüber stehen; aber das beweist nur, dass die grössere masse der textveränderungen in beiden erst durch die letzten Schreiber und die etwa zwischen ihnen und der gemein- samen quelle liegenden mittelglieder entstanden ist Nur die- jenigen falle können gegen die Zusammengehörigkeit in an- schlag gebracht werden, in denen E und a abweichend von einandei* zu verschiedenen andern hss. stimmen. Auch diese sind häufig genug, aber fast sämmtlich sehr leichter art, so

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318 PAUL

dass sie auf zufall beruhen können. Am häufigsten sind die combinationen AdE, worüber später, und Bab, letztere immer mit sehr unwesentlichen abweichungen: 3283.3481. 3751.4194. 4397. 5293. 5566. 5654. 5691. 5716. 5723. 5796. 5902. 5985. 6378. 6434. ab steht allein: 3408. 3428. 3528. 3540. 5052. 5621. 5714. 5967. 6226. Das Verhältnis von a zu A wird uns später beschäftigen.

Ungefähr derselbe grad der verwantschaft wie zwischen £ und a besteht nun auch zwischen A und d. Ich beguine wider mit der aufzählung der gemeinsamen lesarten, mit wel- chen die letzteren allen tlbrigen gegentlberstehen: 3497 angel '^angen; 3498 un L, = sd; 3472 nie ne A, nie d niene L. = nihtj- 3479 sie daz L. = siz; 3591 nu L. = fehlt; 3610 so L. = als; 3684 beider nu tvol L.=^fvol beider; 3731 die L. = fehlt BDb (da die Varianten von E und a fehlen, so lässt sich die stelle nicht zum beweise verwenden) ; 3740 maniges L. = mani- gem BDc, mannes Ea; 3772 da L. = do Df, nu BEab; 3812 un L. = fehlt; 3906 diz L. = daz; 3924 sih = sis D, sich ez Ea,^ des c; 3952 was im L. == im was; 4034 sam L. = als; 4071 auch L. = fehlt; 4101 ne truw A, entra/w df^.^=getru; 4126 sus L. ==5oBDf, alsohCj fehlt Ea; 4163 suochendeL. = suochen; 4187 alze L. = ze; 4202 wan L. = fehlt; 4213 fehlt ez; 4282 un = fehlt; 4336 ob L. = daz BDbf, fehlt Ea; 4352 unde L. = fehlt; 4362 L. = und in cf, m BDab; 4433 her (und dj vra- gete L. == do fragter; 4439 waren L. = wäret; 4604 wizze L. = wizzet; 4625 un rief h.=un; 4643 sin = den; 4653 tatge- vouger h. == ungevuge ; 4659 daz = fehlt] 4677 werer L.===w{er er da; 4910 ste L. = geste; 4948 em (im) L. =- fehlt; 4986 oh mir L, = mir ouch Ea, mir BDFb; 4987 w" sweder L. = swederz BDFb; welchiz a; 5048 da gar = gar Eb, fehlt BDa; 5180 hie uf sie AL., hie über sy d = uber si hie Bb, über ^i Da; 5188 sie L.=^sich; 5264 moget L, = mugt ir; 5304 lan h. = gela9i bf, Verlan BDEa; 5328 sine L. = die; 5347 einer AL., airdger d = eines; 5348 in = den Ea, ir bL., fehlt BDf; 5350 sin immer h.=^sint D, man sin b, waren %e BEf, warn a; 5385 vor L. = von; 5407 rfm = fehlt; 5467 me AL., m^e d = fehlt; 5510 do L. «= fehlt; 5555 sie L. = ^e *i7 BDb, si ouch E, ^i daz f ; 5556 5?> L. = si im] 5578 da = dar; 5674 a/^ew L. = altem B, e/Z^m Pb, elter f, ^w^^^^ a; 5826 habih L. = Äan /cÄ BDbf; 5903 da

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 319

dL., dar A = fehlt; 5926 strazen = straze; 6960 oh L.^hie B, fehlt CDa; 5979 ih L. = ich danne; 6005 ir daz wol mi L. ir tvol daz (fehlt f) an af, wol an ir BDb; 6035 gewiset L. == hewisel; 6051 daz L. = fehlt; 6074 gar L. = ml gar; 6102 nu L. == fehlt; 6108 diz = daz; 6114 wn</ icä dL., ih K^un BDbf; 6133 niene L. = /im ^; 6139 m ne redent siez L. = si ne re- dent ez BDbf, ich enreddiz a; 6165 sah L. = ersach; 6166 der = er; 6168 zware = [vil Ea/ n^o/ BDEab; 6182 was = wart; 6218 «"^ mosten L. = musten si D, ^i mt^^e BE, ^/e must gar (oft Q,) bc, miiste sy gar a; 6255 daz L. == rfo; 6321 die = fehlt; 6378 han=^ haben BDbf, lidensi'^ 6507 mute {{sihch) ^= gemüete ; 6686 heten = heten ouch; 6696 ian^ AL., ia d = iocÄ a, fehlt BDbf; 6723 wart L. = was; 6870. 1 da = dar; 7183 decheiner (falsch) = tfeÄ^in^; 7207 volle = vol; 7265 heter L.^^het erz BDb; 7561 gewert = erwert ; 7761 v/r dienez h. ^==^ gedien ez; 7858 ingesinde h.=^gesinde; 7996 swenniz L.=^swenne.

Ich lasse zunächst die ziemlich zahlreichen Übereinstim- mungen von Ad mit f folgen, bei denen ich jedoch nicht dafür stehen kann, dass sie vollständig beigebracht sind: 3808 beduhte L. = duhte; 3850 doh L. = da D, do E, auch a, ww Bb; 3056 lebefnjde L. = lebendich; 4095 iz oh L., awcÄ df=rf<iz; 4312 zware L. = deiswar BEab; 4334 w" L. = «;aw Bb, fehlt DEa; 4359 sah L. = ersach; 4377 von L.==an; 4459 L. = fehlt; 4581 des = mit Bb, fehlt Ea; 4674 hienc L. = gehiench DEb, hehinck ace; 4821 w* Äör^a L. = er Äor^e BEa, nu (do h) horte er Db; 5259 fehlt L. ir a, ir wol Bb, ir doch DE; 5637 e/em L. = ir; 5925 L. = fehlt; 5981 gar L. = alle Bb, fehlt Da; 6512 vil L. = verre DEb, fehlt a; 6769 fehlt L. e; 6792 m AL., im df= fehlt; 7338 in duhte = un duhte in BEa(Db); 7424 forchte h. = geforht BDb; 7864 habe L. = han; 7990 vir die- net = gedient.

Mit E stimmt Ad gegen a: 3640 ouch L. = fehlt BDab; 3737 brah = zebrach; 3822 im L. = m BDa, fehlt b; 4055 des lj. = dis Dab, disses B; 4090 starke L. = groze; 4124 sie ne L. = si; 4146 fehlt wand; 4232 «r L. = fehlt; 4334 danne L. = dannoch; 4563 ie = fehlt; 4675 un L.== fehlt; 5050 sah = er- sach; 5121 swes L. = swaz BDf, des b, da* a; 5452 also lihte von = a/*ö von Ba, «/* imchtmder D; 5927 ane *aÄ L. = ersach. Von den Übereinstimmungen mit a fttbre ich hier nur die

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an, bei denen aus den Varianten zu ersehen ist, dass £ anders hat: 4070 min (falsch) = mir; 5379 fehlt L. im gegen BDbEfc Wigal. Mit B stimmen Ad 3225 weder L. = weder uffeLj uf DEGbf; 3676 starker AL., so storch d, so starche nie ^ = also sere DEabf; 6615 nu ist u L. = m ist DEab; mit b 3523 ze L. = önBD, mf/Ea; 4376 gezemen = zoemeti; 6088 rföL.= nu BDaf; 6922 fehlt in (im BLJ; 7661 seihe L. = seihen; mit e 3292 doh L. = noch D, fehlt EaBGb; 5660 oh L. = rf«i Bb, einen a, wol D, fehlt f ; mit H 7637 von L. = vor BDabf ; mit cf 4878 an dem L. = daran BDEab. Eine grössere Sicher- heit wird die annähme der verwantschaft von Ad durch die bald zu besprechende combination AdD erhalten.

Wenn auf diese weise Bb, Ea, Ad je in ein näheres ver- wantschaftsverhältnis gerückt sind, das andere hss. ausschliesst, 80 bleibt schon flir D keine von den durchgängig von Lach- mann benutzten hss. übrig, die zu ihr näher als zu allen übri- gen stehen könnte. D ist also für so selbständig anzusehen wie eine von den drei combinationen. Die Varianten von c sind sehr unvollständig angegeben, doch lässt sich daraus wol so viel schliessen, dass sie zu keiner einzelnen unter den übrigen in einem durchgängigen verwantschaftsverhältnis steht, was ihr bei schwanken der hss. einen eigentümlichen wert gibt Das- selbe gilt von f , soweit ich nach den verglichenen stellen ur- teilen kann. Einzelne, mitunter auch etwas auffallendere be- rührungen hat sie mit verschiedenen hss., die meisten mit c und d; die mit Ad sind oben aufgezählt Mit A allein hat sie nicht mehr Übereinstimmungen als alle übrigen. Es kann nicht als eine bestätigung der richtigkeit von Lachmanns verfahren angesehen werden, wQ»n hie und da eine aus A aufgenommene lesart von f geteilt wird, um so weniger, da dies mitunter auch mit solchen lesarten der fall ist, die von Lachmann zurückge- stellt sind. Bei weitem in den meisten fällen, wo Lachmann irgend welche einseitige bevorzugung geübt hat, legt f seine stimme dagegen in die wagschale.

Zur vergleichung des grades der verwantschaft von Bb, Ea und Ad können folgende Zahlenverhältnisse dienen. Die an- zahl der von keiner andern hs. geteilten gemeinsamen lesarten von Bb beträgt 267, der von Ea 87, wozu allerdings bei vollstän- diger vergleichung von E nocli einige hinzukommen würden, der

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von Ad 87. Dies Verhältnis zeigt ebenso wie die grössere be. deutsamkeit der ab weichungen in Bb, wie viel stärkere Ver- änderungen die vorläge von Bb erlitten hatte als die von Ea oder Ad. Dass aber die fast durchgängig auf sehr geringfü- gige abweichungen sich erstreckenden Übereinstimmungen von E mit a und A mit d doch über diejenigen hinausragen, die wir sicher blossem zufalle zuschreiben müssen, lehrt die ver- gleichung der fälle, in denen A mit einer andern einzelnen hs. zusammentrifft. Am öftesten zu A stimmt b, die sich doch sonst so entschieden zu B stellt, an 46 stellen 3245. 3754. 3837. 4176. 4205. 6.4207.4333. 4365. 6.4391. 4441. 4477. 4490. 4512. 4535. 4564. 4641. 4760. 4824. 6103. 5142. 5328. 5632. 5682. 5811. 5902. 6297. 6396. 6468. 6516. 6519. 6602. 6606. 6666. 6718. 6742, 6778. 6849. 6910. 7155. 7318. 7392. 7682. 7722. 7954. 8137; die stärkste abweichung darunter ist wol 6396 sprechet =^ seht , dass aber auch diese sehr leicht zufällig sein kann, ersieht man aus der anmerkung Lachmanns. Mit D stimmt A an 42 stellen 3215. 3257. 3408. 3557. 3675. 3697. 3760. 3870. 4177. 4244. 4327 (in zwei abweichungen). 4365. 4413. 4645. 4652. 4749. 4907. 5119. 5632. 5670. 5737. 5747. 5762. 5769. 6291. 6347. 6431. 6450. .6655. 6739. 6747. 6785. 6826. 7181. 7290. 7326. 7457. 7469. 7579. 7663. 8106. Mit E stimmt A an 30 stellen 3669. 3769. 3937. 4279. 4444. 4662. 4753. 5299. 5592. 5621. 5762. 5824. 6239. 6376. 6403. 6474. 6650. 6720. 6725. 6851. 6902. 7225. 7546. 7553. 7707. 7874. 7910. 8081. 8090. 8105, darunter an 11 stellen nur in der setzung von ne fenj, Seltener sind die Übereinstimmungen mit B 3484. 3614. 5920. 6319. 6499. 6560. 6754. 6766. 6820. 7194. 7308. 8039. 8164, im ganzen 13 stellen. Uebereinstimmungen mit c habe ich 8 gezählt (3422. 3536. 3683. 4688. 6352. 7267. 7449. 7889.), mit d 5 (3710. 5288. 5374. 6608. 7806). Dass gerade b und D in so vielen kleinigkeiten mit A stimmen, wäh- rend sie doch in keinem verwantschaftsverhältnis dazu stehen können, hatte seinen grund wol darin, dass sie überhaupt be- sonders viel ändern. Es ist klar, je mehr abweichungen vom ursprünglichen, je mehr zufällige Übereinstimmungen in abwei- chungen sind möglich, und die beweiskraft, welche der anzahl der übereinstimmenden änderungen zweier hss. beigelegt wird, ist nach dem Verhältnis zu der anzahl ihrer änderungen über-

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche, l, 22

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haupt zu bemessen. Freilich ist wider daran zu erinnern, dass diese Zusammenstellungen sich auf ein unvollständiges material stutzen, und dass durch jede bereieherung desselben die sache sich etwas anders stellt Aber im grossen und ganzen werden sich doch die Verhältnisse nicht sehr anders herausstellen. Wir können danach auch Über den kritischen wert urteilen, welchen die drei gruppen Ad, Ea und Bb für sich abgesehen von der Verbindung mit andern in anspruch nehmen können. Es erhellt^ dass darin Ad und Ea weit über ßb stehen. Ad vielleicht noch etwas üb,er Ea. Bb steht wider über D, welche noch mehr willkürliche änderungen enthält. Trotzdem wird D wegen seiner selbständigjs^eit in einer combination, zumal bei stärkeren ab- weichungen, mehr geltung haben als ßine einzelne unter den andern sechs.

Es ist nun weiter zu untersuchen, ob die vier uns mit eini- ger Vollständigkeit bekannten handschriftengruppen (respect einzelhandschrift) Ad, Ea, Bb, D alle unabhängig von einander auf jäie urhandschrift zurückzuführen sind, oder ob wider zwi- schen einzelnen unter ihnen ein näheres durch gemeinsame fehler zu begründendes verwantschaftsverhältnis besteht Ein solches wäre einmal so möglich, dass drei aus einer gemein- samen vorläge stammten und die vierte ihnen gegenüber selb- ständig wäre. Wir haben alle fälle, in welchen Ad, Ea, Bbje allein den andern gegenüberstehen, aufgezählt und nirgends veranlassung gefunden die lesart der einzelnen der der uiehr- zahl vorzuziehen. Die andere möglichkeit wäre, dass zw^ eine gemeinsame quelle hätten; dabei könnten dann, die andern beiden unabhängig von einander sein, so dass von c und fand den sonstigen hss. abgesehen eine ursprüngliche dreiteilnng stattgefunden hätte, oder sie könnten gleichfalls mit einander verwant sein, und wäre dann eine anfängliche Zweiteilung an- zunehmen. Es könnten sich auf solche weise gegenüberstehen AdEa und BbD, AdBb und EaD, AdD und EaBb. Diese drei denkbaren fälle kommen alle wirklich vor. Daraus geht die notwendigkeit hervor mindestens einen teil davon auf rechnung des Zufalles zu bringen. Diesem aber nicht alles zuzuschreiben berechtigt uns wider die Verschiedenheit in der anzahl und der "stärke der abwejchungen der sich gegenüberstehenden hss. Bei weiten am seltensten stehen Adßb gegen EaD, häufiger

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AdD gegen EaBb, noeh viel häufiger AdEa gegen BbD, und lets^teres mehrfach der art, dass an zufall nicht zu denken ist. Eine Zusammenstellung der einzelnen fälle wird darüber keinen zweifei lassen, dass wir wenigstens die meisten Übereinstimmun- gen von BbD gegen AdEa auf ein verwantschaftsverhältnis zu- rückzuführen haben. Dabei wird es]| vor allem darauf ankom- men, wo möglich, zu ermitteln, ob wir BDb oder AdEa oder beide je aus einer quelle abzuleiten haben. Es lassen sich nun AdEa und BbD nicht immer so einfach einander gegenüber- stellen. Einmal hindert der mangelhafte kritische apparat da- ran, indem oft von E, mitunter auch von anderen hss. die Va- rianten nicht angegeben sind, oder, indem man, wenn nur die abweichungen von BbD im Variantenverzeichnis angegeben ist^ nicht weiss, ob E an dieser stelle benutzt ist und also mit dem texte stimmt. Femer aber ist öfter eine lücke in einer hs. oder es weichen auch AdEa oder .BbD von einander ab. Im letz- teren falle lassen sich häufig die verschiedenen lesarten durch gegenseitige vergleichung auf zwei zurückführen; wo dies nicht möglich ist, da bleibt es zweifelhaft, ob eine ursprüngliche Zweiteilung bestand oder nicht Ausserdem ist noch das Ver- hältnis von c und f zu berücksichtigen. In den meisten fällen, in denen mir ihre lesart bekannt ist, stimmen sie zu AdEa, seltener zu BbD.

Der text von AdEa steht deutlich dem von BbD (FG) ge- genüber: 3303 hie AEad = wM BbDG;. 3578 mich her = mich D, mir Bb; 3651 harte = ml; 3700 sch(enest = heste\ 4897 rvan == fehlt; 4904 ouch = hie; 4986 ouch mir Ad, mir auch Ea ==mir BbFD; 5056 michel=ungefuege; 5178 rief (rufle Ead; ww<? = fehlt; 6185 «r^e/er = fehlt; 6616 liget = geligt. Auch 6 stimmt zu AdEa: 3284 er lie/'= do (nu h) lief er, c oder f stimmen zu AdEa: 3407 undih Acd, ich Ea = ww BbD; 3848 hedähte sich Adac, verdahte sich E = dacht D, gedachte b, gedähter B; 4015 ie Adel, in der werld Ea = «e getcete; 4070 heiient AdEaf=W^en/ (4172 haben beitende AbE, bitende BDd; 4292 alle AdEac = fehlt; 4334 ouch AdEaf= fehlt; 4508 ge- sach AdEtSit = ersach ; 4602 ne sol Aj ^o/ Eaf, fvild==enlazze ich B, laz ich Db; 4818 dar nach AdEac = fehlt; 4998 daz AEa, ditz Ai=den; 5427 neheinnen der A, deheiner der E, keyne daz a, die ere die d, der srväre chain dew f (diese ver-

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schiedenheiten führen deutlich zurück auf deheinen der, was Laehmanu in den text gesetzt hat) = deheinen (den D) schaden der BbD; 5445 die iuncvrowe = frou BbDfL.*) 5927 die hure AdECc, daz htcss, = die selben burchBD, dasselbe 'hm h ; 6150 sult käEidd=welt; 6162 nach Adef, nach allen Si = here nach b, herre mit BD] 6165 unz AdEaf=a/Ä; 6170 ezn hilf et iuch aber niht AiEi2L{= ez chuomt aber tu zestatenniht; 6258 ir muget AdEaf=^w mäht. Dagegen stimmt c oder f zu BbD: 3776 da vienc er in vor^=un gevienc (vie DJ in davor BbD, un ving in ritflh dauor f; 4101 den zwein==in zfvein BbDc; beidiu = beidiu wol BbDf; f>^Z^lebendic = lebendeWüDi] 6094 si == un BbDf; 6194 ir ne (ir d, un E^ was iedoch dehei- niu AdE, und ez was doch yr deheines. = ir deheiniu was doch BbDf. Dazu füge ich diejenigen stellen, an denen aus den Va- rianten nicht zu ersehen ist, ob E benutzt ist und zu Ada stimmt; in der regel ist wol anzunehmen, dass es der fall ist: 3276 äne = un ane BbGD; 3359 lief nu = louffet nuBGh,lufet D; 3575 mme = dem; 3648 man = si; 3974 ere = eren; 3974 alsö = als; ^0?^ß unde= beidiu; iOM ein=wol ein; A2bAdoch = fehlt; 4310 also = als; 4584 daz = fehlt; 5867 ertaget = getagt; 5978 disen=^den.

Hierzu kommen zahlreiche stellen, an denen E nicht benutzt ist, weshalb man in einer sehr mislichen Unsicherheit bleibt; die sonstigen analogieen machen es natürlich immer wahrscheinlich, dassE zu a stimmt, wozu noch der umstand kommt, dass c und f in der regel zu Ada stimmen. Die lesarten von c und f sind mir nicht bekannt oder ganz abweichend an folgenden stellen: 4571 ouch Aad = noch BbD ; 4970 sold er Ad, sol erssi = muoz er BFbD; 5123 fraget er ad, vraget A = frager BbDL.; 5741 teilte = geteilt; 6035 ^^^=fehlt; 61 10 touc=diut B, bedutD, beduteth] 6441 alter herre = altherre L. f oder c stimmen zu Ada: 3869 an Adaf = uf; 4060 zware MsÄ=deiswar; ebenso 4339; 4265 si Adf, to ^t/ a = si do; 4502 verdienet Adaf = gedient; 5083 si im Adac == si Bb, si alle D; 5288 hoher haissen d (L.), uf hör heizen Af, hinbaz heissin sl = heizzen hoher ; 5954 künde Adsif = mohte BGj mohten Db; 5967 unz daz si in Adac = wwz si den riter; 5977 ihne

*) Wo es nicht besonders bemerkt ist, folgt Lachmann der lesart von A.

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 325

dahte e A, ich gedacht ee df, ich gedachte a = ^ gedaht ich; 6005 ir daz (fehlt f) wol an Adf, ir rvol daz an Si = wol an ir; 6007 der verte Adacf=c?em wege; 6017 diu bete nist (ist itjniht Adf j dise redde ist nyt B, = ia ne ist diu bet niht;&Obb so käs,, sus f== fehlt; &OSb stuont Adsi,{= lac; 6103 ir wceret anderswa baz Adaf=ir moht wol (fehlt B) riten furbaz; 6130 st Adaf=wn; 6248 muoz Adaf=^ö/; 6693 der Adaf= dirre; 7956 vrorve AAb,c{ = /routve Lunet BD, Lünet fraürv b. Dagegen stimmt f gegen Ada zu BbD : 3348 wart geflch = ge- Tich wart BGbDf ; 4949 von = vor BFbDf; ebenso 6209; 5487 mA, nach d, nohe sl = nahen BhDf; 5519 verdien ich = gedien ich BbDf ; 5610 und = nu BbDf ; 6696 iane vehtet u A, ia vich- tet d, ioch enfichtet auch SL = iu ne vihtet BbDf. An einer stelle stehen sich e und f gegenüber: 3642 ich Adaf=Mn BbDc. An den bisher angeführten stellen lässt sich nicht bestimmt entscheiden, ob AdEa oder BbD der vorzug gebühre, wenn sich auch öfter manches zu gunsten der ersteren anführen lässt. Aber bestimmt falsch ist die lesart BbD in folgenden fällen. 5983 alrerst get mir angest zuo, wie er wider mich ge- tuo ; hier haben BbD sinnlos min fttr mir in Aad (b bei Lach- mann ist druckfehler für d). 6087 da körnen si in geriten ki2i=dar in si bei diu (beyde samethj riten BhD] cf. Chre- stiens 5204 ce chastel vienent aprismant, 5522 danne ich an tu gesehen hän AdEai{= danne iu noch hie (fehlt D) schinet an BbD; hier ist offenbar geändert mit benutzung von 5476 (als iu noch hie schinet an) um den reim hdn: man zu vermeiden; hän im reime auf kurzes a ist im Erec, im 1. btichl. und in den liedem nachgewiesen; es an einigen stellen durch conjek- tur entfernen zu wollen, während man es doch nicht ganz, be- seitigen kann, ist ein nicht zu rechtfertigendes, verfahren; wie mislich es ist so vieles dem Iwein abzusprechen, was man in den übrigen werken zugibt, ergibt sich auch an anderen stellen. 7672 üf iuwer fiwerm H^ gebot AdEHa = m Aiwerm gebot; der reim des dat. gebot auf den acc. got würde bei Hartmann nicht zulässig sein. Hierher werden wir auch 4194 zu stellen, haben. Hier haben Eadf ich geloubet im, A ih lobtin, BbD er hepte {behagete D, wol sicher erst aus liepte verändert); die Übereinstimmung von Eadf zeigt zur genüge, dass ih lobtin nur ©ine willkürliche Veränderung eines unverstandenen ausdruckes

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ist (es soll doch wol bedeuten 'ich verlobte mich mit ihm'); dasselbe wird von der lesart von BbD gelten, wiewol sie einen leidlichen sinn gibt; ich gelouhte im hat hier offenbar eine seltenere, bisher in den Wörterbüchern nicht nachgewiesene bedeutmig 'sich nachgiebig, freundlich gegen jemand beweisen'; man vergleiche dazu Parz 10, 22 ist got (m siner helfe blint, oder ist er dran hetoübet, daz er mir niht gelouhet (dass er mein gebet nicht erhört); Trist. 4528 Rüal der tugende erkande der geloubete Tristande und sach die jugent an im an : so ent- weich aber Tristan den fügenden an Rüale {gelouben und ent- wichen sind hier offenbar synonyma); Iwein 4395 der wirf het selbe vil gestriten und ofte üf den Hp geriten, und geloupte dem gaste deste baz; wand er allez M im saz unz daz er entwäpent wart. Dagegen scheint an einer stelle das französische für BbD zu sprechen. 5950 schreibt Lachmann und wart mir an- ders niht genant, wan daz ein lewe mit im ist nach AGEadf; BbD haben ist mir anders niht erchant {ist hat auch C); man vergleiche dazu Chrest. 4892 je quier ce que je ne vi onqiies, mien esciant, ne ne quenui, mes un lyon a avoec lui. Es ist indessen nicht zu läugnen, dass an und fttr sich die lesart von AdEa gewählter scheint und auch den sinn des französischen vollkommen widergibt, und da hier gerade C und f dazu stim- men, möchte man fast glauben, dass die wörtlichere Überein- stimmung von BbD auf zufall beruhe. Einen solchen zufall anzunehmen können wir auch kaum umhin an mehreren an- deren stellen. 35 ein also schoene hdchzit haben Bbcd, nur D hat riche; vgl. Chrest. 4 tint cort si riche come rois; das riche scheint indessen von Hartmann durch die vorher- gehende zeile ausgedrückt zu sein: nach richer gewonheit (so Bd, deren lesart dadurch bestätigt wird). 95 von deheiner (kleiner afLj siner vrümekheit ABDdraf; dagegen niht von s. V. bc; vgl. Chrest. 60 non de s*annor, me^ de sa honte. 1765 haben alle hss. ausser A (auch Lachmann) noch oder vriio; A schreibt hinehte fftr noch; das scheint geändert, weil dem Schreiber noch in der bedeutung 'noch heute' nicht geläufig war; aber Chrest. 1571 enuit ou demain stimmt näher zu A. 1152 haben Dacdf da sach er zuo im (zu ym ein h) gän; dagegen A zou eme uz, B uz un in; vgl. Chrest. 971 s*an issi une da- meiselle. 6476 haben statt als ein wirt den gast sol Bb als man

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lieben gqist sol, welches Chrest. 5405 näher steht: com an doit faire a son boen aste.

Unser resultat ist also, dass Bb und D sieher aus einer gemeinsamen vorläge abgeschrieben sind, welche schon manche nicht unwesentliche absichtliche änderungen enthielt Dass dasselbe für Ad nnd Ea anzunehmen sei, dafür spricht nur die eine zweifelhafte stelle 4950. Doch hindert uns diese es mit entschiedenheit zu läugnen, und die frage wird einst- weilen noch oflFen bleiben. Wenn wir dieser stelle beweiskraft beilegen, so müssen wir auch f dieser gruppe zuzählen. So- viel können wir als ausgemacht ansehen, dass der combination AdEa ein höherer wert zukommt als der BbD, und dass es sicherer ist in allen zweifelhaften fällen ersterer zu folgen. Hiermit haben wir wol gefunden, was der bevorzugung von A durch Lachmann richtiges zu gründe liegt. Seine ansieht da- rüber hat sich wesentlich gebildet durch die vergleichung mit B und demnächst mit D, indem er den wert der übrigen hss. unterschätzt hat. Uebereinstimmung von BbD mit f oder c würde für den fall, dass Ad und Ea nicht aus einer gemein- samen vorläge geflossen sind, kaum in betracht kommen, da dieselbe viel leichter auf zufall beruhen kann, als die Überein- stimmung der noch wenig vom ursprünglichen abweichenden Ad und Ea. Auch wenn Ad, Ea und cf gleichmässig aus einer quelle abgeleitet wären, würde die grössere Wahrschein- lichkeit dafür sprechen, dass Übereinstimmungen von Bb D mit f oder c auf zufall beruhten. Anders wäre es, wenn c und f von der gemeinsamen quelle von AdEa unabhängig wären, wofür wir aber bis jetzt keinen anhält haben. Es erhellt aus diesen erwägungen, dass eine vollständige vergleichung von c und f, sowie der übrigen von Lachmann noch gar nicht be- nutzten hss. möglicherweise noch manches zur entscheidung der frage beitragen kann.

Mit den bisherigen aufzählungen sind nun die fälle noch nicht erschöpft, in denen sich einmal die vorlagen von AdEa und von BbD einander gegenüberstanden. Es kommt dazu noch eine ganze reihe solcher stellen, bei denen dies nicht ganz sicher, zum teil aber sehr wahrscheinlich ist. So zunächst diejenigen, an denen in einer hs. eine lücke ist, oder die Va- rianten von einer oder mehreren hss. nicht angegeben werden :

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3312 an AE2iQ = bi BbD; 3925 an AdE = m BbDcf; 4392 deheine not AäEe =^dehein c Hummer D, chuomber Bb; 5555 d Ad, si auch E, si daz {=si sit BbD; 6148 hie AdE = rfa BbDf; 6229 gesehen kA¥X=- ersehn BbD; 4022 aber Eadf (lüeke in A) = fehlt BbD; 6960 Eadf=nw Ä/e BbD (lücke in A); 7068 so Ead (lücke in k) = srvenne BbD (L.); 7025 und ad (falsch) = nocÄ BbDf (L.); 6076 wV Adcf= fehlt; 3731 rfi^ Ad = fehlt BbD; 5871 dar k, da d (71. 72 fehlen a) = afo BbDc; 6114 und ich d (L.), ih k==un BbDf; 7265 het er Ad = het erz BbD; 7269 also M = als BbD; 7424 vorhte Adf= geforht B\iD\ 6375 2>m^r Aa = m>mör BbD; 7277 heten si AE (75—78 fehlen d, 59—90 fehlen ^)^w(ßreda BbD, war gerne da f; 3436 ^^r selben cd (L.), rf^ ^^/«;^ A, bei der Ea = zerselben BD; 3740 maneges Ad^ mannes Ea = manigen BDc; 5931 Ada = 51^ BDC; 6019 gesendet käsi = gesant BD; 4686 m AdE = 5m Dbf; 4686 ez Adf=wwrf Db; 4704 dem = dem selben Db; die drei letzten stellen fallen in die erste grosse Itteke von B. Dazu füge ich die stellen, an denen BbD so unter einander abweichen, dass es nicht ganz sicher ist, ob die abweichungen auf eine gemeinsame lesart zurückzufahren sind: 3444 wan Ed, wen k^ = niuwan BD, nur b; 3608 s6 wol . AdEa = D, niht ^o B, niht b; 5374 ginc AdEacf=Äw/? sich Db, nefB\ 6200 aber AdE, erber d==ouch Bb, fehlt D; 6348 geschehen kiB,f= gesehn BD, begangen b; 8098 gesachkAQ>== ersach Db, sach B. Anderwärts stehen BbD übereinstim- mend verschiedenen nicht unmittelbar auf eine zurückzuführen- den lesarten der übrigen gegenüber. Wo nur eine von den andern so abweicht, ist es wahrscheinlich, dass diese das ur- sprünglichere erhalten haben, so 3410 lang d, läge A, also lange a, fehlt Ef=ww lange BD, nu b; 3936 so AEaf, fehlt d = w7 BbD; 3978 stcete Eaf (L.), steter cd, fehlt k = auch stcete BbD; 4432 als AEa, und A = do BbDf; 4954 vil AdE, gar a = fehlt BFbD; 7338 also Ead, fehlt A = als BbD. An mehreren stellen erweist sich die lesart von BbD durch die vergleichung mit den verschiedenen abweichungen als das ursprüngliche; diese können für unsem zweck wenig in betracht kommen; so 3327 im daz BbD {JL) = daz ad, iz im A; 3715 nach l&\iD = nager k (nach i LJ, nach gar d, nach alle Ea; 4023 si sprach 'herre, daz hie clagf BbD (L.) = sy sprach dy hy clagit a, daz da hie

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 329

so sere chlagt E, die sich so ser hat verklaget d (Ittcke in A); 5032 im in dem BbDf = im deme A, in dem Ea fime LJ; 5379 im daz BbD = m^ ahe das c Wigal. 5112, von im daz Ef, daz Ada (L.); 6139 si ne (fehlt f) redent ez BbDf=ia ne redent siez Ad (L.), ich enreddiz a; 6374 so BbD = also af, ze A (L.), alzeE] 7872 mBbD {L.) = ufven ougen A, auch a, fehlt c. An andern stellen stehen mehrere lesarten neben einander, die glei- ches anrecht auf berücksichtigung haben wie die von BbD : 3706 do BbD = oÄAf (L.), doch d, nw a; 3768 doch mD = tou A (L.), da d, vil c, fehlt Ea; 5674 altem B, eitern Db, elter f = alten Ad, swester a; 7968 iu BbD = öÄ A (L.), fehlt acd. An einer stelle erweist sich eine der BbD gegenüberstehenden les- arten durch vergleichung des französischen textes als das rich- tige: 3752 haben ho f seh fhiderve ho f seh in der zweiten ausgäbe ist ein versehen) BbD, hiderve hovisc AE (L. 2 ausgäbe), hübsch biderb cd (L. 1 ausg.); das letzte ist richtig cf. Chrest 3186 h cortois, li preuz, li buens.

Es bleiben noch diejenigen falle zu berücksichtigen, in denen von den hss. AdEa eine mit BbD übereinkommt, gegen die Übereinstimmung der drei andern. Dabei muss notwendig der Zufall im spiele sein, und es sind dann zwei möglichkeiten. Entweder trifft, wenn z. b. d mit BbD stimmt, A zufällig mit einer änderung in Ea zusammen und d hat die lesart der vor- läge von Ad erhalten, welche dann wider wegen der Überein- stimmung mit BbD ursprünglich sein muss, oder die Überein- stimmung von A mit Ea geht schon auf ihre vorlagen zurück, und d hat zufällig ebenso geändert wie Bb D. Die fälle dieser art sind früher aufgezählt. Die letztere erklärung der Über- einstimmung gewinnt an Wahrscheinlichkeit, sobald c oder f mit gegen BbD zeugen, so 3285 niwe rate AdE, newreute f fniuweriute Lj = niuwez geriute BGbDa; 3615 ^ AdE, si nu i = sich BGbf; 4523 geUchet sich AdEcf = gelichet BbDa; 4589 vil AdEf= fehlt BbDa; 4887 si beide AäEd= ir beider BhDsi', 5018 Sterke AäEf= kraft BbDa; 5049 vor Ed (L.), vorn Af== fehlt BbDa; b2SA gevieng ich AdEf^^^ gewunne (gewinne B) ich BbDa; 5538 ungemüete AdEc = gemuete BDa; 6244 n«^^/ AdEf=rf^^/BbDa; 6725 im AE, in df= fehlt BbDa; 7593 daz AEHdf= fehlt BbDa; 5954 nie des AC, des nye df = des niht BbDa; 3721 Adaf = fehlt BbDE; 4209 tete AEaf

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= getet BbDd; 4299 vorhten AEn^f = vorhten des BbDd; 5500 lebendes A, lebens Eaf (L.) = libes BbDd ; 6685 bestan = gestan BbDd; 8073 gewan AEaf = m> gewan BbDd; 6484 harte Eadc = fehlt BbDA (L.).

Viel unwahrscheinlicher ist es, dass eine lesart, die D mit B oder mit b gemein hat, während b oder B zu den übrigen stimmen, aus der gemeinsamen vorläge von Bb D erhalten und die dritte hs. nur durch zufällige änderung mit den übrigen zusammengetroffen sein sollte. Man müste dann in den meisten, wenn nicht in allen fällen eine rückkehr zum ursprünglichen annehmen. Auch ist anderseits ein zuffilliges zusammentreffen von D mit B oder b um so weniger auffallend, je mehr än- derungen sich alle drei erlauben. Ich mache noch darauf auf- merksam, dass D und b mehrere ziemlich starke abweichungen teilen, während B zu den übrigen stimmt, die man fast be- denken tragen muss auf rechnung des zufalls zu setzen. Da- hin gehören 3477 also gar b, gar D =^ allenthalben ; 4812 «;ere == dühte d; 5162 nu kam der sie do trost b, do chom der si da loste D = daz si niemen löste; 5288 sprachen = riefen ; 5317 mit listen b, mit guten listen D = darnach; 5582 wan der (er D) was bDf=^k herre was; 6069 70 fehlen (auch c); 6095—8 fehlen; %\2^ enbern-=- geraten; 6177— 82 fehlen; %\^Z iamerlich = armecliche; 4289 mit solhen siten = mit unsiten; leichtere gemeinsame abweichungen finden sich noch 3286. 3293. 3576. 3859. 3951. 4293. 4364. 4508. 4821. 5030. 5034. 5040. 5156. 5374. 5497. 6210. 6232. 7334. 7767. Geringer an zahl und bedeutung sind die Übereinstimmungen von BD gegen AdEab; die gewichtigsten darunter sind 3584 niuwen^=vrische7i; 6066 willen = frumen ; 6200 lobesam = äne schäm; leichtere sind 3523. 3531. 3574. 3584. 3586. 3649. 3818. 4255. 5233. 5962. 6162. 6720. 6718. 7902.

Zur richtigen Würdigung der beweiskraft der fälle, in denen Ad£a mit BbD streiten, sind diejenigen zu vergleichen, in denen sich AdD und EaBb oder AdBb und EaD gegenüber- stehen. Fänden sich dieselben ungefähr in gleichem masse, so würde unsere ansieht von einem verwantschaftsverhältnisse zwischen Bb und D hinfällig. Zeigt sich aber, dass sie an zahl geringer und die abweichungen alle naheliegend sind, so sind wir berechtigt die Übereinstimmungen dem zufall zuzu

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 331

schreiben und können nur vermuten, dass auch ein teil der Übereinstimmungen in geringfftgigen dingen zwischen Bb und D auf rechnung desselben zu bringen ist, ohne dass darum das zusammentreffen in wesentlicheren punkten, welches häufig genug ist, seine beweiskraft verlöre. In allen diesen fällen macht die wähl der richtigen lesart besondere Schwierigkeit. Wenn einmal dabei die annähme des zufälligen Zusammen- treffens in einer änderung nicht zu umgehen ist, so kann das- selbe ebenso auf der seite von AdD oder AdBb, wie auf der von BbEa oder EaD sein, und es gibt kein entscheidendes äusseres kriterium für den Vorzug der einen oder der andern, wo nicht etwa das zeugnis von c oder f hinzutritt^ welches aber auch, wie sich herausstellen wird, nicht absolut massgebend sein kann. Ziemlich häufig stehen sich AdD und BbEa einander gegenüber, aber nirgends so, dass die zurückftihrung der Über- einstimmungen auf Zufall besondere Schwierigkeiten darböte. Lachmann folgt fast durchgängig AdD. Aber einen stichhal- tigen grund fttr diese bevorzugung gibt es nicht. Wenn Ea an wert ein wenig hinter Ad zurücksteht, so steht D noch mehr hinter Bb zurück. Ich führe zunächst diejenigen stellen auf, an denen sich mit einiger bestimmtheit eine entscheidung aus inneren gründen treffen lässt. Zu gunsten von AdD ßlllt dieselbe aus: 3770 kerte si AdDc = si chert dar E, dy hart wider a, diu cherte rehte Bb (auslassung einer partikel, worauf dann Umstellung von verbum und subjekt notwendig wird, ist besonders häufig Ea allein eigen; ausserdem kommt hier das zeugnis von c in betracht und der umstand, dass Bb und Ea doch wider etwas von einander abweichen); 3894 do (nu Dd) gruozter in AdD = er (und cj gruzt in Eac er lute Bb und darauf 3895 und volgetim kAD = do volget er [ym a] Ea, er cherte B, svs lieff er b (auch hier erwecken schon die diflferenzen zwischen Ea und Bb namentlich in 3895 den verdacht, dass sie es sind, die geändert haben, während ander- seits für sie die Übereinstimmung mit c spricht; man sieht, die abweichungen beruhen auf dem zweifei, wer der grüezende ist, Iwein oder der löwe; die entscheidung gibt das französische; bei Holland 3432 lesen wir lors le semont et si Vescrie, ami com um brachez feist; das scheint für EacBb zu sprechen; aber es liegt hier ein offenbarer fehler in der hs. vor: schon der

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ausdruck semondre würde nicht gut auf ein tier passen; ferner könnte nicht fortgefahren werden et II lyons maintenant mist, wenn der löwe schon vorher Subjekt gewesen wäre, vielmehr geht daraus hervor, dass ein Wechsel des Subjektes statt hat; endlich sind auch im vorhergehenden bei Chrestiens und Hart- mann deutlich die mittel angegeben, wodurch der löwe seinem herm die Witterung des wildes anzeigt, wozu Hartmann aus- drücklich bemerkt dazu kunderm anders niht gesagen, so dass also ein geschrei noch dazu ausdrücklich ausgeschlossen ist; demnach ist zu lesen ausi com un brächet feist; dadurch wird die lesart von AdD und Beneckes erklärung bestätigt, während Sechs conjektur do gruozte er als ein suochhunt zurückgewiesen wird); 4101 oh ne truwih A, doch entrarv ich es d, mch getru ichs D = ich (ichn Ea) getru es BEab (vgl. das zu 3770 bemerkte); 5056 unz A (L.), und Ddf= fehlt Bb Ea (eine einseitige bevorzugung von A widerspricht unsem kritischen grundsätzen; die Übereinstimmung von Ddf macht es sicher, dass auch unz auf ein und der vorläge zurückzufahren ist; und kann natürlich sehr gut fehlen, aber dafür, dass es richtig ist, spricht zunächst das zeugnis von f; femer entstehen Über- einstimmungen in auslassungen ja überhaupt viel leichter als in Zusätzen, hier aber scheint und weggelassen weil man seine beziehung nicht recht verstand; es ist zu verbinden als lanc so.», und (so) daz] diese etwas ungewöhnliche fügung hat dann auch die änderung in A veranlasst. 5597 kumber unde sine not AdD == sinen kumber u, BEa {alle b) s. n. (es war nach der bei Hartmann nicht seltenen weise das pron. nur zum zweiten subst. gesetzt; das streben nach ausgleichung veran- lasste die änderung); 4305 er sprach ^nü müz in got bewam AdDcf ; fttr in haben iuch BbEa (in ist auf gesellen zu beziehen (es ist die auf den speciellen fall passende Wendung mit der gewöhnlichen abschiedsphrase vertauscht).

Hingegen scheinen BbEa den vorzug zu verdienen : 3279 hungers not BbEa = hunger not AdDGr (vgl. 3306 diu {des Ea) hungers not BDE6abd = ^/e hunger not A). —3771. 2 schreibt Lachmann da er zuo dem hülse vloch, da was der burcberc so hdch; 3772 haben Ad da, Df dOy BEab nu; da gibt einen leid- lichen sinn, aber doch, so begreiflich es wäre, dass der berg nur an ©iner stelle so steil gewesen wäre, so sonderbar ist es,

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HANDSCHRIFTFNVEEHAELTNIS DES IWEIN. 333

dass er nur an einer stelle so hoch gewesen wäre, da doch die bürg auf einer einigermassen gleichmässigen höhe liegen muste; ferner kann da nur stehen wenn es auch in der vor- hergehenden zeile steht, wo es nur A hat gegen do BD hat auch 3794 da für do) ; mit dem zweiten do ist nattlrlich nichts anzufangen; wird das richtige sein, das auch 1302 und 3468 im nachsatze auf do im Vordersätze folgt; do ist dafür in begreiflicher gedankenlosigkeit geschrieben. 4342 flf. schreibeja Bb Eaf so tveiz min vrouwe danne wol, so si bevindet wer ich bin, daz ich den lip und deti sin vor leide verlorn hän; AdD verwandeln den nebensatz so si bevindet in einen haupt- satz: A schreibt so bevindet sie, d so bevindet sy dann wol, D macht aus 4242. 3 mit ändernder Umstellung so bevindet ez min frouwe wol. und weiz denne wer ich bin, wodurch die sinn- lose Verderbnis in Ad wider verständlich gemacht wird; Lach- mann an der Überlieferung in Ad als der ächtesien festhaltend, sucht ihr durch conjektur nachzuhelfen, indem er bevindet siz schreibt; aber abgesehen davon, dass sich auf diese weise gar nicht erklärt, wie das von allen hss. einstimmig tiberlieferte s6 in den text kommt, so entsteht durch diese änderung nur eine lächerliche tautologie: meine frau weiss, wer ich bin, wenn sie es erfährt, die andere in der anmerkung vorgeschlagene änderung so weiz ez rdn vrouwe danne wol: so bevindet d schliesst sich wenigstens eng an die Überlieferung an, aber wie soll man es fUr möglich halten, dass ein zweiter nachsatz sich an den ersten, der schon ganz dasselbe besagt, anschliesst in einer weise, als ob dieser gar nicht dastände? wenn man übrigens durchaus den sinn haben wollte, welchen Lachmanns text bietet, so könnte man zu demselben viel leichter von Bb Ea aus gelangen, wenn man, wie auch in der anmerkung in klammer beigefügt wird, sd siz bevindet schriebe, was sich auch von Ad eigentlich nicht so weit entfernt als bevindet siz^ so dass also, selbst wenn man eine solche änderung für erlaubt und notwendig hielte, damit die autorität von AdD gegen Bb Ea nicht gerettet würde;- aber wozu alles das? die lesart von BbEa soll deshalb zu verwerfen sein, weil dabei die haupt- sache, dass Laudine ihn nach seinem tode erkennen soll, in den Zwischensatz komme; ist das die hauptsache, oder viel- mehr, dass sie wissen soll, dass er leben und verstand um

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ihretwillen verloren hat, woneben der umstand, dass sie ihn nicht bei seinem leben, sondern nach seinem tode erkennen soll, nur mittel zum zweck ist? wir haben in s6 bevindet d nur die Umstellung halbaufmerksamer Schreiber, die die vorher- gehende zeile nicht berücksichtigten; es kommt noch dazu, dass und in 4244, welches diese Umstellung und die conjekturen Lachmanns fordern, nur in AD, nicht in d steht 6490 nein ez AdD = ia BEab, ia es f; Chrestiens hat 4598 oil, voir, dame; wenn Lachmann trotzdem nein verteidigen will, so liegt dies doch nur daran, dass er den zu spät aus Chre- stiens erkannten irrtum seiner kritik sich nicht eingestehen will, weil er mit seiner auflfassung des kritischen wertes der hss. in Widerspruch steht; denn ob Chrestiens von tacoison et le forfetj Hartmann von dem kumber spricht, das kommt flir den Zusammenhang auf eins heraus, und da im übrigen beide an dieser stelle, namentlich in der frage der Lunete so genau stimmen, so darf man nicht annehmen, wozu man auch gar keine veranlassung hat, dass Hartmann hier den sinn gerade- zu umgekehrt hat. 5560 so getriuwe und so getvcere AdD; das erste so fehlt BbEac wol mit reht; es scheint in der ab- sieht gleich mässigkeit herzustellen hinzugesetzt. 6218. 9 schreibt Lachmann si muosen verwischen Wirtschaft und ere; die hss. haben sie mosten Ad, musten si D = si muose BE, sie must gar {oft c) bc, muste sy gar a; der sing, scheint angemes- sener, weil Wirtschaft und ere doch einen begriff bilden; bei dem plural aber entsteht der verdacht, dass er aus mis- yerständnis eingesetzt ist, in dem man d flir das Subjekt nahm. 6895 saz der künic Artus AdD; BbEa haben da hinter saz, welches kaum zu entbehren ist Wir sehen also bestätigt, was wir von vornherein vorauszusetzen uns flir berechtigt hielten, dass sich änderungen so wol auf der seite von AdD, als auf der von BbEa finden. Wenn dieselben so auf beide combinationen verteilt werden, so hat die annähme eines zu- fälligen Zusammentreffens um so weniger unwahrscheinliches, weil dann auf jede einzelne durchschnittlich nur die hälfte der fälle kommt, in denen sie sich gegenüber stehen.

An den folgenden stellen lässt sich nichts entscheidendes zu gunsten der einen oder der andern partei sagen: 3290 der Pdf (L.), dor A^un BGbEa; 3496 und AdD = fehlt BbEa,

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN- 335

ebenso 3520; 3666; 3572 der =^ min (gegen die widerholung rdn troum ist nichts einzuwenden); 3626 als ez^=als; 3664 ez ist (was ALJ wunder AdDf = ein fun EJ wunder ist (was a^; 3733 erkoverten KAY^q =^ hechoverten (letzteres konnte als weniger gebräuchlich dem gewöhnlichen gewichen sein; es ist nur noch belegt bei Herbort 8869);*3798 dä=da wol E, wol a, da vil wol Bb; 3830 clägelich und doch grimme ^^ doch fehlt BbEa Wigal. 2042; 3925 i;i7 = fehlt; 4011 gröze clage = clage alsus Bb, chlage hie Ea; 4051 so ^=^ also; 4116 und AdDf= fehlt; 4146 ich=^wandich; 4183 urien=frien BE, freyen c, farien a (ähnlich 1200. 2111); 4230 sol = muoz; 4268 dt daz = sit; 4487 die wil er = un wil si; 5247 der^swer (fehlt b); 5326 wanc^^ wider wanc (letzteres wol richtiger, da wanc mehr ein ausweichen nach der seite als direkte umkehr bezeichnet); 5498 gnäde = hulde; 6582 dem = im E, ir Bba. Hierzu fiige ich einige stellen^ an denen eine hs. fehlt oder ihre Variante nicht angegeben ist: 4754 dannoch hin komen mac AdD == ir (der h) ze helfe k. m, Eb (wie 4798; B fehlt, a nicht angegeben), darauf 4755 dar AdD == der Eab; 5272 missercete Ad, valsche rete D == missetmte BEc; 6460 wir leben AdDf = leben wir BbE; 4138 do = des B, daz ab; 5899 er AdDf=^r ÄeeBbaC; hier- her werden auch noch einige andere stellen gehören, an denen die Variante von Bab angegeben ist und man ni6ht sicher weiss, ob E benutzt ist. In den fällen, in welchen der Übereinstim- mung von AdD zwei oder mehr verschiedene lesarten in Bb und Ea gegenüberstehen, wird es kaum zweifelhaft sein, dass AdD das richtige erhalten haben, so 3838 AdD (sicher das richtige) = daz Bb, da ac; 3923 dd = nu Ea, eines tages Bb; 4125 schüefe niwan=>niwan schüfe Ea, schuoffe B, geschuff b; 4154 gewesen ioiiM B, mit der rede b, ein teil Ea; 4483 er hat ir noch = noch hat er ir b, un hat ir noch B, der hat er [noch E/ Ea. Umgekehrt wird man BbEa zu folgen haben, wenn Ad und D auseinandergehen, so 3556 als ich BbEa {L,)=also bin ih A, als mich Dcd; 3684 wol beider BbEaf = beider nu wol Ad (L.), n^ol D; 3951 er (der a, un EbJ wände er BhEiB, = wände er Dd (b ist druckfehler) (L.), dazer A (D und d ändern in ver- schiedener weise die vorhergehende zeile so, dass der lewe nicht mehr Subjekt bleibt, die auslassung von er muste die notwendige folge davon sein; das asyndeton steht hier auf eben

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336

PAUL

so schwachen fUssen wie an der einzigen parallelstelle bei Hart- mann 3620 si reit dar, gehabt tm bi nach d, während BDEacdf imd nach dar haben).

Viel seltener ist es, dass AdBb und EaD sich einander gegenüberstehen. Hier ist von vonherein, da Ea etwas mehr als Ad, und D noch mehr als Bb ändern die grössere Wahr- scheinlichkeit dafür, dass AdBb das richtige bewahrt haben, ohne dass man indessen eine garantie dafür hätte. 4111 der eine ist B, der eine A, der ist d, der ist einer h{=ez (daz D) ist der DEa; 4228 sol = 7vil; 4568 mit einem munde Ad Bbf WigaL = »i. gemeinem m, DEac; 6965. ^ jugent : tugent ^^tugentijugent; 6850 den so bd (L.), den B, so A = vil; an zwei stellen fehlt A: 6955 mit (an B) dem andern an dem tage Bbd (L.) = an dem selben tage DEHa; 6981 was Bbd= i^^ DEa (L); ß fehlt: 6297. 8 wan da rvonte in armuot bescheiden wille unde guot AiM = armi^te : guete DEa (letzteres wol vorzuziehen). Ver- schiedene lesarten stehen der tlbereinstimmung von DEa gegeih über: 4334 un Adf (L.) wan Bb = fehlt; 5847 et B (L.) oh A, doch d = fehlt DEaf; 6774 daz A (L.) do bd (lücke in B) = un. Bei einer vollständigen kenntnis des handschriftlichen materials werden sich diese stellen wol noch etwas vermehren lassen. Für eine sichere her&tellung> des textes in allen den fällen, in welchen AdD und BbEa oder AdBb und DEa einan- der gegenüberstehen, können wider die noch nicht benutzten hss. gute dienste leisten. Schliesslich mache ich noch einmal darauf aufmerksam, dass diese combinationen als nicht un- wesentliche Zeugnisse für die nähere verwantschaft von A mit d und E mit a benutzt werden können.

Ich denke also, dass es gelungen ist ftlr den von uns be- zeichneten abschnitt mit leidlicher bestimmtheit das abstam- mungsverhältnis der hss. zu ermitteln, welches sich etwa in folgender figur darstellen würde, in der die griechischen buch- staben die nur erschlossenen mittelglieder bezeichnen:

I A

I I d E

f J>.

B

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HANBSCflßll^TENVERHAELTNlS DES IWEIN. ^ 337

Dazu ist zu bemerken, dass das mittelglied ß zweifelhaft ist, dass ferner zwischen c und f einerseits und ß anderseits mög- licherweise ein gemeinsames Zwischenglied anzusetzen ist Nur gegen ende beginnen die Verhältnisse unklar zu werden; auch Übereinstimmungen von BbD finden sich hier nur wenige.

Wir wenden uns jetzt zu dem ersten teile des Iwein und sehen zunächst zu, ob und wie weit es möglich ist auf diesen die ftlr den zweiten teil gefundenen resultate zu übertragen. Zunächst statt der späterhin so zahlreichen und charakteri- stischen Übereinstimmungen zwischen B und b haben wir hier eine ganz winzige anzahl, die uns nicht veranlassen würde an etwas anderes als zufall zu denken, wenn wir auch berück- sichtigen, dass in den ersten 606 versen die Variante aus b öfters fehlt. Die lesarten, welche Bb allein gemein haben, smd folgende: 203 dSist B, dest h = daz ist; 596 dSisfvar = zwäre; 700 rfa = fehlt; 968 michel^grdz; 1061 fehlt ri/; 1149 cUsen = solchen ; 1343 niht en=^niht Eacd, iht D, ne ne A] 1794 gevolget (L.) = voigete A, der volgete Dacdf; 1860 fehlt der wcere AdD, dar wieder c, des a; 1980 fehlt dehein\ 2050 in = im; 2135 des manen schin==der man sein A, der nume schin Eäd, daz monschein D; 2167 fehlt vil; 2222 sach (L.) = gesah Aa, ansach AdEf; ^2420 un^^si; 2659 et (L.) = ez a, er d, fehlt AdE; 2672 fehlt wol; 2691 zimt^gezimet; 2717 iunchfrouwe = maget; 2967 em = dr ; 2980 &uch mir == mir otwh Ead, mir AD (L.); 3069 un lagen da = lägen si; 3131 gar = fvoL An mehreren stellen fehlen so viele hss. oder die an- gäbe ihrer Varianten, oder die andern hss. weichen so sehr Von einander ab, dass Bb recht wol allein das richtige erhalten haben können und zum teil sicher erhalten haben: 701 w/= an Ad (L.), mder a (an mich fehlt D); 1304 da vor '^ vor des Acd (L.), allez vor a; 1678 giengen^=^gienge ADc (L»), die gierigen Ead; 2919 gerou = rou AE (L.); 3121 vm erst Bbf= von ersten AD(L.), von den ersten D, alreste Eal Aus diesen Zusammenstellungen ergibt sich klar, dass das Verhältnis hier ein ganz anderes ist als im zweiten teile. Die erste charak- teristische gemeinsame abweichung von Bb ist 3169 un- lohlich = unbillich, Soll man sich den unterschied da- durch erklären, dass der Schreiber der vorläge von Bb sich

Beitrüge asnr geschiohte der deatsohen spräche. I. 23

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im anfang genau an sein original gehalten und erst von 3169 an begonnen hätte willkürliche änderungen zu machen? Das wäre wenig glaublich. Eher schon liesse sich denken, dass die vorläge von Bb von zwei verschiedenen Schreibern ge- schrieben wäre, von denen der zweite kurz vor 3169 einge- setzt hätte. Aber immerhin wären dann die Übereinstimmungen doch auffallend gering, wie schon der vergleich mit Ad und Ea lehrt*), deren vorlagen wir gewis im vergleich zu andern auch alten mittelhochdeutschen hss. vorzüglich nennen müssen, und überhaupt gehen sie kaum über das durchschnittliche mass der Übereinstimmungen zwischen zwei beliebigen andern nicht verwanten hss. hinaus. Auch mit einer oder zwei andern hss. zu- sammen teilen Bb nicht viele ab weichungen; nur mit E haben sie einige aufifiallendere gemein, worüber, so wie über die ihnen mit D gemeinsamen alsbald weiter unten zu handeln sein wird. Man wird sich kaum der Vermutung erwehiiön können, dass eiAe von beiden oder beide hier einer andern quelle folgen.

Aehnlich steht es mit Ea. E beginnt erst mit 1331. Mit folgenden ab weichungen stehen Ea allein, die sich kaum ver- mehren lassen werden, da E in dieser partie sehr vollständig benutzt scheint: 1599 an gesah E, gesach a = aber sah A, me ersach Bcdf, ersach Db; 1770 hinne^^ hinnen; 1828 fehlt itm«; 2223 m:^ fehlt; 2617 fehlt nu Ab, her BDdf; 2704 unsippigm ^^unsippiu. Die einzige beachtenswerte ist 1879 mags ouz ubelem E(L.), mag sy von ubelime a = mah sus ubil ABcdf, wo aber auch die Verderbnis nahe lag. Fast in demselben Verhältnis gering ist die zahl der Varianten, welche Ea mit einer andern hs. teilen, so 5 mit A 1626. 1974. 2254. 2818. 2880; 3 mit B 1768. 2510 (richtig). 2877; 3 mit D 1678. 2550. 2933; 5 mit b 1332. 1721. 2860. 2988. 3162. Auf der andern Seite sind die fälle, in denen in zwei verschiedenen combi-

*) Ich bemerke dazu, dass zur bestimmung des grades der Wahr- scheinlichkeit, welche die annähme der verwantschaft zweier hss. hat, oder zur vergleichung der stärke der verwantschaft innerhalb verschie- dene handschriftengruppen , nicht unmittelbar die zahlen der gemain- samen abweichungen zu vergleichen sind, sondern dass davon zuvor die durchschnittliche zahl der zufälligen sich zwischen nicht verwanten hss. findenden Übereinstimmungen abgezogen werden muss, wodurch das geo- metriJSTCke Verhältnis sich unter umständen bedeutend verändert.

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 339

nationen E und a sich gegenüberstehen, sehr häufig. Nach 3200 ist die erste gemeinsame abweichung, mit der Ea allein stehen 3292, die zweite 3372; erst von 3407 werden die fälle häufiger und sind in der nächstfolgenden partie überhaupt am häufigsten. Alle diese Verhältnisse sprechen stark dagegen^ dass auch von anfang an E und a aus derselben quelle geflos- sen sind. Besonders zu bemerken ist noch, dass E ein paar auflfallende berührungen mit Bb hat, die viel erheblicher sind als die mit a: 1367 benamen = zwäre ADad; 1602 si weste in aber (aber in E^ so stcete BE, were aber ist so stete b = swes sin aber s6 (also acd^ stät Aacd, swer aber solhen sin hat D; 1584 allez ubel=^wol (fehlt A) allez bar (das Aj ADd, alliz rvol a (in b eine lücke). Die beiden ersten stellen könnten eher eine verwantschaft von B und b begründen, als die ab- weichungen, mit denen sie allein stehen. Kleinere abweichungen haben BbE noch gemein: 1398 hie ^ oh A(L.), fehlt Dadf; 1542 fehlt zuo; 1681 da = daz; 1712 ledech dazuo (dar uoz Ej = dar zuo ledic; 1839 un ABEh = oder Dacdf; 1839 t;// fehlt; 1955 nu Adaf, und d= fehlt BbE; 2180 geriet = riet Dadf; 2205 der BbEc= fehlt; 2512 erzeiget = zeiget; 2558 ienen{L, richtig) = me?t d, in dort A, yngegin ym a. Wir sehen die Übereinstimmungen von E mit Bb sind sogar noch etwas häu- figer als die mit a. Eine bemerkenswerte Übereinstimmung von E mit Bb ist noch in dem zweiten teile 3989 erbe (L.) = ere ADadf. Eine bestimmte erklärung der Übereinstimmungen von BbE zu geben kann man kaum wagen.

Dagegen gehen die Übereinstimmungen zwischen A und d ziemlich gleichmässig durch. A und d stehen allein: 135 mohter auch (h.) = moht ouch ir BDfr, da soldestu auch a; \1^ zo (L.) =^gar Sij fehlt Bcfr; 266 ih {L.) = ich da; 267 wart (L.) = was; 271 groz {L,) «= grozze ; 347 ne duot (A), tut A^^getuot; 360 so (L.) = fehlt; 393 ^az = fehlt; 508 habent = hant BDc- 508 mirs d(L.), mirz A = mir si; 535 ih aber {L.)==aber ich; 538 na A(L.), nahend A. = verre; 604 höret {L.)=gehosret; 640 sTvart A(L.), schwarzes d==sw(eres BbfD, stürm a; 643 von (L.) in BDb, an a; 670 wan = wan daz; 736 wandih (L.) = ob ich; 792 fehlt mir; 854 ew habet es {L.)=habt ez iu; 921 irbitet {h,)^Utet (arbeitet \)); 932 alsd (L.) = als; 1004 fehlt sich; 1087 daz {L,)==daz er BD, der b; 1188 doh (L.)

2;r

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= fehlt; 1300 ir neret ene {h,)=nert in ein; 1337 ^ar = fehlt; 1386 oh (L.) = fehlt; 1509 ir aber {L,)==aber ir BDcf; 1548 fehlt (L.) umbe; 1611 fehlt (L.) mir; 1680 fehlt (L.) deiz und tcete; 1703 dou muosterz doh Ad (L,)==doch muoste erzD, daz muose er doch (fehlt ac) Bacf; 1771 daz^=diz; 1811 salih = sol sich (L.); 1839 kürzerem d(L.), kurzer k = kurzem; 2208 öÄ = fehlt; 2217. 8 also (als sy A) vroliche fbilliche dj dou bar de (geparet d) sie geliche = do gebarte sigeUche. durch ir {So gar a, harte DJ gemHche (gcemeliche E, gemellich bc, ge- meynecliche a, zornichleiche D) BDEabc, do gepart $i dem ge- leich mit trübtm gepärde ernstleich f. (Wie es klar ist, dass in Daf geändert ist, weil man an gemelüche anstoss nahm, ebenso klar ist es, dass wir in Ad eine änderung aus gleichem gründe vor uns haben; die Umstellung war notwendig um überhaupt einigen verstand hineinzubringen; die verderbung des Sinnes liegt dennoch auf der band); 2300 niene L. = niht (nu gJ; 2430 mane A, man d = mannes Bbd (L.) di man D die manne E] 2341 w^e min A, wie nun d=^owe min (L.); 2431 t^w = fehlt (L.); 2510 un = nu BEa(L.); 2554 enget (L.) = engeis; 2816 ö^^r (L.) = wn;. 2857 riterscaft {L,)=^riterschefte; 2868 da ne {L.)=da; 2880 kohinginne == kunegin BDc(L.); 2898 gebringen (Ij,) = bringen; 2983 entruwen = {Qh\t\ 3050 treip =r vertreip (L.); 3079 iz = im (L.) (in); 3121 von ersten {L) = von erst Bbf, von den ersten Dj alresteHtSi] 3166 do (L.) = fehlt; 3187 (L.) = ouch BD, fehlt abc. Die zahl und be- deutung der gemeinsamen abweichungen ist der ansieht, dass A und d aus einer quelle geflossen sind, noch etwas gtlnstiger als im zweiten teile.

Während also A und d ihr gegenseitiges Verhältnis durch das ganze gedieht hindurch gleichmässig bewahren und dem- nach von vom bis hinten aus einer gemeinsamen vorläge ab- geschrieben zu sein scheinen, sind wir genötigt bei BbEa, respect. deren nächsten vorlagen einen Wechsel in dieser be- ziehung anzunehmen. Dabei lassen sich verschiedene möglieh- keiten denken. Es können entweder sowohl B als b ihre vor- lagen gewechselt haben, oder nur je die eine von beiden, so dass die andere in dem vorderen teile dieselbe vorläge reprä- sentierte, wie beide zusammen in dem hinteren. Welche von den verschiedenen möglichkeiten wirklich vorliegt, das zu ent-

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scheiden wäre nun die wichtigste aufgäbe, an deren endgül- tiger lösung wir allerdings werden verzweifeln müssen.

Die beziehungen von E zu Bb scheinen dafür zu sprechen, dass E im anfang einer andern quelle folgt, während dann a dieselbe wie späterhin benutzt haben könnte. Aber es fehlt doch viel daran, dass wir das mit Sicherheit daraus folgern könnten. Die übereinstmmungen sind nicht durchgreifend ge- nug, und vor allem steht entgegen, dass eine verwantschaft von B und b in diesem teile so unwahrscheinlich ist, die doch vorausgesetzt würde, wenn die Übereinstimmungen von BbE durch die ableitung aus einer gemeinsamen vorläge erklärt werden sollten. Die frage ist von Wichtigkeit zur bestimmung des wertes der combination Ada. Fälle in denen AdEa sich BDb gegenüberstellten finden sich, soweit das aus den Varian- ten zu ersehen ist, nicht vor 3303, dagegen mehrere solche, in denen Ada den übrigen nebst E gegenüberstehen: 1451 bescorven = schoiiwen BDEbc; 1453 michele = grozze BDEbcf; 1468 unsalichiz = unscelech BDEbc; 1935 5/^ = fehlt BDEbf (richtig; des enisi niht 'das ist nicht der falF; flir die andere Wendung ist mir kein analoges beispiel bekannt; um den sinn, den dieselbe haben soll, auszudrücken,' würde doch wol ein- fach gesagt sein si enist)\ 2330 e des niht ensüle (nicht sol d, ntch solde 2iJ = desn (des DE, daz h) sol (mach D) niht geschehen BDEb (hier ist wol sicher mit recht die lesart von A in den text gesetzt; bei Chrestiens ist Iwein sofort be- reit zu gehen, aber freilich nachdem ihm Lunete gleich ohne weiteres das leben von selten ihrer herrin zugesichert hat); 2305 guot==muot BDEbcf (es ist leichter begreiflich, dass letzteres aus erstcrem geändert wäre, als umgekehrt; auch scheint der gegensatz 2312 ich mac Verliesen wol min laut auf guot hinzuweisen, so dass dann das vorhergehende ahte läge, Verhältnis' bedeutet); 2352 aber Aadf= fehlt BDEbc; 2363 hahe = han BDEb; 2429 guoten Aadc = fehlt BDEb. Nach diesen stellen und danach, wie sonst in dieser partie a zu E steht, ist es nicht wahrscheinlich, dass E, wo keine Variante davon angegeben ist, zu a stimmt. Die lesarten in 2230 und 2305 sind der ansieht günstige dass a derselben quelle wie später folgt und E einer anderen mit BDb näher verwanten, wodurch na- türlich nicht ausgeschlossen würde, dass a mitunter auch durch

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Zufall in einer falschen lesart zu Ad stimmen könnte. Was aber diese ansieht wider zweifelhaft macht, ist, dass 2305 auch cf, die im zweiten teile so überwiegend sich zu AdEa stellen, hier zu BDb stimmen, und das ist auch an den meisten übrigen stellen der fall, wo die Variante von E fehlt, und in dem teile, der in E nicht vorliegt, so 99 undsy d(L.),- un Asi = si BDcr; 119 von = vor Bbcf, vur D; 135 mohter oh Ad, soldestu auch ai> = moht ouch ir BDrf; Mb un = noch BDbc; 413 gerou -— rowBDc(L.); 9Slienemd(L)j ienenA, gern a= ^m^mBDbf, demQ] cund f teilen sich 3166 /r^ Aac, ir es d = ir sin BDbf. c oder f stimmen zu Aad: 860 ungevuoge Asidc = un/uoge BbDr; 1232 zewette = enrvette BDb; 2128 daz Acd, daz er ^==der BDb. Die lesarten von c und f sind mir unbekannt: 269 den = einen BDb (d ist druckfehler flir D) (bei Chrest. tot le jor)] 898 ime = dem] 658 der^ez den; 2424 diu hurt unt tiu jugent = gehurt un iugent. An mehreren stellen stehen der Übereinstim- mung von BbD verschiedene lesarten der andern gegenüber: 1172 ner {L.) = ffenere A, ernere cd, dernere a; 2299 harte (L.) = vast d, vil A, gar a; 2733 mans dem =^ man is em A (L.), m^n ims f, man i?n des ad.

Nach allem lässt sich wol behaupten, dass die combination Aad im ersten teile nicht ganz den wert beanspruchen kann wie AdEa im zweiten. Ihre geltung wird noch mehr erschüt- tert, wenn wir die Übereinstimmungen zwischen A und a gegen d ins äuge fassen. Deren sind nicht wenige und darunter mehrere der art, dass man sie schwerlich aus blossem zufall erklären kann. Lachniann ist ihnen meistens gefolgt, wiewol kein entscheidender grund dafür, wol aber öfter dagegen spricht. Ab- zuziehen haben wir davon zunächst rein dialektische, die darauf beruhen, dass a von einem mitteldeutschen Schreiber geschrieben ist. Dahin gehören formen wie eime (L.) = einem ; morne (L.) = morgen 2123. 2150 (und danach 6346 von Lachmann gegen alle hss. geschrieben ; im reime gebraucht Hartmann nur morgeji)] manlich (L.) 63 = mwnecUch BdD (steht überwiegend in mittel- deutschen werken); hecken ^2^ = hecke; owest (L.) 3058 = ougest (sonst nur aus mitteldeutschen quellen belegt); mos 5570 = mies; wirken 6191. 6d81 = würken; ferner vertausclmngen des genus: so werden gewalt und Ust immer als feminina ge- braucht, Ion und harnasch als neutra, auch mcere 2327 als fe-

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mininum; verdagen wird 861 und gnüegen 4792 mit dem dat coDstruieii; gegen den acc. der übrigen, spotten 1066 mit dem acc statt des gen. Sehr häufig haben Aa allein dicke gegen ofte der andern worin ihnen Lachmann mit unrecht folgt.

Hiervon abgesehen stimmt A mit a: 73 uffa (L.), uffe A = umbe BDbcd; 95 von = un von Bf, und doch von D, und bc; 99 un = und sy d, ^/BDcr; 105 ein ^= eine B, a//m bcdr, fehlt Db; 121 fehlt des Bdc, es r; 155. 6 un wir daz wizen vil woL daz A, und das wissin wir alle wol daz a=ww wcere daz weiz got (henamen x) vil wol. wan BDdr, das auch weiss got war wol wan b, das waiss auch got zwar wol wan c (153 8 fehlen f) (die lesart von BDdr braucht uns nicht ganz dunkel zu sein; sie bedeutet Wd das würde sich so gehören, das wäre ganz in der Ordnung'; vgl. z. b. Freid. 95, 11 hwrt iht dinges me dar zuo, daz ist wol daz man daz tuo und andere im mhd, wb. citierte stellen; die von A, aus der die von a abgeleitet ist, kann nichts anderes sein, als eine flache änderung eines Schreibers, der an dem ausdrucke anstoss nahm; Laehmann muss erst un in wan ändern um sie verständig zu machen); 162 und het irs ein teil nider geleit = u, h. i. e. t, verdagt BDbcdfr (der reim ist geseit, gesagt; die änderung scheint da- durch veranlasst zu sein, dass einem Schreiber nur die form geseit geläufig war und auf der andern seite nur verdagt, nicht das seltene verdeit)] 163 gezame^=z(eme BDcd (L.); 424 ais a(L.), also A = sam BDcdrf; 435 vor wassen = verwalken BDcdf(L.); 493.4 ifehlen; 606 also=sd (L.); 615 da = derneB, der Dd (besser), es b; 660 stount=bestuont BDc, gestunt bd; 665 was=wasdaBQdLi] 696^0= fehlt BDbdr (ist zur herstellung der gleichmässigkeit hinzugesetzt); 722 oder mir den lip lan a (L.), undenlifdarumbelanA = ode (fehlt b) ez muoz mir (euch b, uns r) an den lip gan BDbdfr (empfängt der henr des brun- nens keine busse vom Kalogreant, wenn dieser sein leben lässt? einen sinn könnte die lesart von a nur so haben, dass Kalo- greant aufgefordert würde entweder freiwillig ersatz zu leisten, oder im Weigerungsfälle des todes gewärtig zu sein; dem widerspricht aber die ganze Situation, wonach es als selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass beide zusammen kämpfen; die andere lesart ist klar: 'es sei denn, dass es mir an das leben geht, so müsst ihr mir btissen*; etwas ähnliches

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ist auch im franz. angedeutet 495 mes se je puis, sire vasaxj sor vos retomera eist max)] 797 künde =chan BDbdfr; 836 fehlt auch BDbdf; 1008 gereift bereit BDcdf; '1024 die = den BDcdf (es lag viel näher den sing, in den pl. zu verwandeln als umgekehrt); 1119 lach = gelach BDbdf; 1124 slachdor= slegetor (L.); 1168 kurzir=dirre BDdf, der d; WM des = daz] 1207 gevinden = vinden BDd, befinden bc] 1251 an=in BDbd (L.); 1359 were gewnt A, wer vur rvunt a {wcere rvunth) ^^wuorde rvunt BEd, si rvunt Db; 1369 5im^= fehlt BDEbcdf; 1500 dumbe (tobende B.J gedanken= tumben gedanch BDEcdf; 1610 eia^ia BDEbcd, ach f; 1632 also = als BDbdc; 1660 soIde = rvoldeBI)EGäy rvil f; 1663 gezeme = z€emeB'E\^cdi\ 1735 anders rva^= anders Bbd, niht anders E, fehlt cf; 1763 etlichen dingen == etlichem dinge (L.); 1778 nahe =^ nahen da BDd (L), da wöÄ^Ebc; 1946 der fehlt BDEbcd; 2091 zen eren A(L.), rvol czu eren 2i = ze herrenBDbd] 2222 gesah=sach Bb (L), ansach DEdf; 2292 is niht ^ niht E, nihtes BDbdf; 2357 her ^=ez (L.); 2386 dur = al durch Ebcd, enmitten durch BD] 2426 fehlt owe BDEbcdf; 2462 und rvy er a (L.), rvi her A = un BDEbcdf; 2524. 5 a/^ö = a/^ BDEbd; 2798 also = so Bbd; 2852 srver ^ der BDbdf; 2900 rvandels=rvandel BDbcdf (letz- teres ist richtig; vgl. Parz. 56, 27 des engerte se keinen rvandel niht)] 2995 vrou=- min frou Bbd, ze frourven D; 3035 fehlt e BDbd; 3109 also = als (L.); 3157 unze A (L.), biz 2L = unz daz Bcdf; daz Db; 3182. 3190 von dirre=^/ur dise BDbdf.— Auch weiterhin folgen noch gemeinsame abweichungen, wenn auch an zahl und bedeutung geringer: 3286m*^ = mÄ^ BDGbd; 3528 ^contf = fehlt BDbcd; 3539 des = der DEbdf, die B (L); 3804 fehlt = ^w^r BDEcdf (L.); 3813 iz doh = es nu c, ez DEdf, selten (lutzel h) ez Bb; 4006 mih (L. falsch, worüber später) = m/r; 4197 daz sich min vrourve min (sin SiJ unäer- rvant = daz sichs (sich h) min v. u. (L.); 4265 von = vor BDbdf, 4316 stundiz = stuende BDbd; 4325 u rvol A (L.), u^h sin a= sin DEdf; 4340 uh = ouch BDEbd (L.); 4394 uf den lip vil (sere ^)=^ofte uf den lip; 4518 ir het=^ir BDcdf, da het ir E; 4561 vromecheit = milticheit BDbcdf (letzteres dem Zu- sammenhang angemessener); 4730 mir (fehlt a) ^o umb m = im {nu d, fehlt De) so umb mich (uns DJ DEbdcf; 4907 die = si Bf, sich DEbd (ich kann nicht finden, dass in Lachmanns

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. , 345

herstellung 'alles geschickt und ebenmässig geordnet ist'; es wäre doch sonderbar, dass bei der aufzählung derer, die der hülfe Iweins wert sind, Gaweins schwerer tibergangen, und dann ganz im gegensatze dazu gesagt würde, dass ihre kinder ihm um ihretwillen leid getan hätten, von denen ihfa doch wenigstens die tochter ebenso bekannt ist und mindestens den- selben anspruch auf mitleid hat; und warum sollten anderseits nur die kinder, nicht die mutter ihm um Gaweins willen leid getan haben? Und zu seinem keineswegs befriedigenden texte gelangt Lachmann erst durch eine unberechtigte bevorzugung von a, indem er mit ihr 4905 schreibt kern Gaweins smester kint, wäh- rend ABDEbdf w^ ir kint haben; als grund dieses den regeln einer methodischen benutzung der hss. widerstreitenden Verfahrens gibt er an, dass, Venu der relative satz nur auf die kinder geht, bei drei gliedern gar nicht gut von Gaweins Schwester nichts besonderes gesagt wird'; dieser grund ist einleuchtend, aber die Schlussfolge ist umzukehren: weil nach den hss. eine dreifache gliederung vorliegt, ist es unpassend, dass nur das mittlere ohne einen relativen zusatz steht; deshalb ist der re- lativsatz auf die beiden letzten glieder zu beziehen; daraus folgt dann weiter, dass die selben unmöglich und sich seihen richtig ist; Lachmanns einwand gegen diese durch die autorität der hss. wol begründete lesart ist nicht stichhaltig; dass 4932 gesagt wird, dass die söhne des wirtes, als sie in ihrem kläg- lichen zustande von den riesen herbeigeführt werden, Iweins mitleid erregen, macht es wol noch nicht unmöglich, dass auch hier schon gesagt wird, dass sie ihm um ihrer selbst willen zu herzen gehen; aber was hindert denn kint für den sing, auf die tochter allein bezogen zu nehmen oder wenigstens voraus- zusetzen, dass an sie in dem relativsatze vorzugsweise unter den kindern gedacht ist?); 5019 wafen^= gew(]efenWDhA\ 5089 hehalim = heherten D, hestoeten BEbcd (bestceten hat hier nicht die bedeutung 'versichern', sondern ^stcete sein lassen' = be- halten; diese bedeutung finde ich im mhd. wb. nicht angemerkt aber an drei darin angeführten stellen scheint sie sicher anzu- nehmen: behalten und bestceten Münch. str. 287; femer Reinh. s. 393 und Heinr. und Kun. 1084; der etwas ungewöhnliche gebrauch scheint bei den Schreibern von AaD anstoss erregt zu haben); 5288 gan=^stm BDbdf; 5357 er-=got BDbdf; 5537

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w = fehlt BDbdf; 5686 er = fehlt BDbdf; 5885 ^«> = fehlt BCDEbd (L.); 5937 in=^si BDbdf und 5938 im = in BDbdf; 6069 si = ir Bd; 6095 hat = hetBedt; 6095 wol = hie wo/Bcdf; 6268 in = den BDbdfj 6311 undih^un BDbcdf; 6330 dur sine = von €iner BDbdf; 6346 gesehin = sehn BDbdf; 6375 iemir = niemer BDb; 6491 er = si BDbdf (nur sie, nicht er kann das schönste gras aussuchen, da sie in führt); 6647 diz = daz BDbf; des d; 6673 da solte = solde da Bf, scholde DEb; 6728 anders = ander (schon in Beneckes anmerkung ist der Vorzug des letzteren ausgesprochen); 6730 dem -==^ den BDbdf (das er- stere ist von Lachmann in der zweiten ausgäbe in den text gesetzt; danach wäre das objekt zu vristen der abhängige satz 6732. 3; der sinn könnte dann nur sein nach allem, was wir bis jetzt über den gebrauch von vristen wissen, ^dem ritter schob es seine manheit und sein verstand auf, dass er so lange vor ihnen unerschlagen ausdauerte', was natürlich sinnlos wäre; man darf sich nicht berufen auf 1165 daz st iuch niht hänt erslagen, daz vristet niuwan daz clagen; denn hier ist die ne- gation nur nach dem allgemeinen mittelhochdeutschen gebrauche pleonastisch hinzugefügt); 7108 ieweder = ieslicher BHf, iglicher Dbd; 7372 rvanders (rvan deiz Lj = wand er zu D, wand er E, wander Bb, daz da d, daz doch f; 7649 disen = den BDHbf, die d; 7690 fehlt = her BDHbcdf; 7709 un = von der BDbd (von LJ; 7836 fehlt nu BDbdf; 7839 fehlt = m BDbdf; 7856 siet = gesiht BDb, ersiht f; 7898 begundet = woldet BDbdf; 7907 «;//= fehlt BDbd; 7936 fehlt = da BDbd; 7956 iunevrom = ia frauwe c, ach fraw f, fraw d, frouwe Lunet BD, UiMt fraüw b; 8010 Uehe = fehlt BDEbd, trawt f; 8096 hat = habe; 8116 ih=-ichs BDbdf

Dass die Übereinstimmungen zwischen A und a gegen alle übrigen hss. nicht auf erhaltung des ursprünglichen zurückzu- führen sind, ist an denjenigen fallen, in denen sich eine be- stimmte entscheidung treiFen liess, zu zeigen versucht. Ein übelstand ist, dass so oft die Variante von E fehlt, deren ver- halten in allen diesen fällen sicher zu wissen wünschenswert wäre. Es fragt sich nun, wie wir die vielen Übereinstimmungen von a und A mit dem näheren Verhältnis von d zu A verei- nigen sollen. Sie aus blossem zufalle zu erklären möchte für den zweiten teil angehen, wiewol sie auch hier etwas sehr zahl-

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HANDSCHRIFTFNVERHAELTNIS DES IWEIN. 347

reich sind, nicht aber durchgängig für den ersten. Es wird kaum eine andere annähme übrig bleiben, als dass a (oder ihre vorläge) zwei verschiedene quellen benutzt hat, von denen die eihe besonders in dem vorderen teile zugezogene mit A noch näher verwant war als d, während die andere, welche ihre eigentliche grundlage gebildet hat, auch von anfang an dieselbe gewesen sein mag wie die, aus der E geflossen ist. Ist diese hypothese richtig, so verliert dadurch die combination Ada an wert, und es wird ein um so dringenderes bedürfnis tiberall die lesarten von Ecf so wie der übrigen gar nicht benutzten hss. zu kennen.

In ähnlicher weise zeigen B und b im anfange nähere be- ziehungen zu zwei andern hss. Wenn diese nicht auf zufall beruhen, so wird es von vornherein wahrscheinlicher sein, dass B und b hier nicht der selben quelle wie im zweiten teile fol- gen, als dass die hier mit ihnen verwanten hss. eine andere vorläge als späterhin repräsentieren. Denn wir sahen uns schon früher zu der annähme genötigt, dass wenigstens eine von beiden, B oder b, einen Wechsel in dieser beziehung hat eintreten lassen. Betrachten wir die Varianten in den ersten 40 Zeilen, welche inA (auch in a und f) fehlen, so finden wir eine ganz deutliche gruppierung der hss., welche von den Ver- hältnissen, wie^wir sie im zweiten teile erkannt haben, gänzlich ^ abweichen. Die fünf benutzten hss. teilen sich in drei gruppen, Bd, bc und D. r schwankt zwischen Bd und D. Ich stelle die- jenigen stellen zusammen, in denen sich Bd den beiden andern gruppen gegenüberstellt, die dann zum teil wider untereinander abweichen, so aber, dass mit einer ausnähme jede der andern näher steht als Bd (Lachmann folgt immer Bd) ; 6 der Bdr = der ie Dbc; 12 des haberit die Bd = des iehent ime der bc, des selben gehellt die D, des gichet jm die r; 14 sie iehent Bd = und wenne b, und wen c, sprechen Dr; 15 den Bd = e/a5Dr, diss bc; 21 der BAx = so Dbc; 22 un ez B (L.), und der es d = daz er Dbcr; 28 er was genant Bdr, er ist genant Wiener hs. = er was geheizenJ), gehaissen was er bc; 34 richer Bd = rittere \)G = siner D; 38 boeser Bd ^==swacher Dbc; 39 vil swachem B (L.), viel schwachm^^^^ d = harte bösem bc, liehtem D. bc stehen noch flir sich: 19 verhert= erwert BdD, eyitwert r; 26 noch=i fehlt BdD. D steht mit vielen abweichungen allein,

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Die verwantsehaft von b und c setzt sich nun auch weiter fort. Wir können aus den Varianten wahrscheinlich nur einen teil der Übereinstimmungen erkennen, da oft nur eine von beiden benutzt ist und ihre lesarten überhaupt unvollständig angegeben sind: 45 fehlt = den (das zweite) ABD, der dr; 69. 70 haben bc (L.) in umgekehrter reihenfolge wie BDadfr (sie fehlen in A); 74 leiten ^= legte (legt, leit) ABDad; 80 au€k = ensamt B, zusamen d, sament r, mit einander a, fehlt AD (L.); 95 und = un von Bf, und doch von D, vo7i Aa (L.); 95 nicht von = de- heiner BDdrA, kleiner af (L.); 150 nuwen hass zu den frimen abc (L.); = nw^ zu den frummen hass d, haz niewen zou dm vroumen A, daz du haz ze den fruomen B; 208 ummer smecke bc = w&^/ si swecher D, stinke ABD, stincket a; 318 clagen ich = chlage ich DAaf, clagt ich Bd ; 453 der Abc = di Dadr, den B; 455 in vier = starke ABDd, sterig a; 640 wan = als ABDadf; 1207 befinden = ge vinden Aa, vinden BdDf 5 1400 nu c, aber nu h = oh A (L.), fehlt BDEad; die letzte bedeutsame gemein- schaftliche abweich ung ist, dass 1557 92 fehlen. Daneben finden sich auch schon vorher einige bedeutendere abweichun- gen, die sie mit andern hss. teilen, so 458 sein zen c, di cende D == ^ ABabdr; 790 als ich in dem (fehlt b) laster wart gesehen (ersehen hj ab = also indeme lästere da hi ane wart gesien A, in dem laster un (als dfj ich wart (was Dcd^ gesehn BDcdf; 800 das hette ich uch veriehen b, ich het ez uch auch allez vergehen a = des hörte^it ir mich ouch jehen. Weiterhin finden sich nur vereinzelte kleine Übereinstimmungen zwischen b und c, im zweiten teil gehören sie, wie wir gesehen haben ganz verschiedenen gruppen an. Folgt b im anfang der selben quelle, welcher c durchgängig folgt, so sind wir berechtigt auf die Übereinstimmung dieser beiden mit D grosses gewicht zu legen, was nicht der fall sein würde, wenn hier umgekehrt c derselben quelle wie b im zweiten teile folgte.

Auch Bd, denen sich öfter auch r anschliesst, stehen in den ersten 1000 versen nicht selten allein selbst gegen A: 56 da {L.)==daz A, syt abcf, swie D; 235. 395 ofte Bdr = dicke ADac; 259 da von ist ez war = daz ist war ADslC] 284 siner = der 318 clagt ich = clage ich Aabcd; 361 nie (L,) = nirgen a, niht Dacf; 380 niene (Jj,) = niht ne A, m'Ä^Dac; 421 im aber = aber im AD (L,)] 616 gesanch = sanc ; 639 daz = der ADb.])]

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HANDSCHßlFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 349

646 hie Bdr=e?a ADab; 674 un==und ez Aab, und wider D* 701 sam (L,) = alsam D, so A, als abr; 708 wider druf=dä wider üf; 740 ouch = fehlt ADab ; 783 riet Bdr = geriet Aabc, do riete D; 786 nie = niht; 842 hier an Bdr = rfaran Abc, fehlt ü; 873. 916 «;ä5w = fehlt ADabc; 972 da ^ den ADb; 991 rfaz = tf^;e Aab, der De. Weiterhin werden die tlbereinstimmungen seltener: ihre zahl ist im durchschnitt nicht halb so gross, und sie beschränken sich auf kleinigkeiten. Nur gegen das ende werden sie wider häufiger, was damit im einklange steht, dass die Übereinstimmungen zwischen B undb sich vermindern, und es wird sich daher verlohnen sie von 7000 an aufzufahren: 7023 doch {L.) = ez DEHab (lücke in A); 7097 mw = fehlt ADEHab; 7169 gulten = vergulten; 7176 vaste = starke ADEHb; 7223 wan = nie wan ADb; 7229 so = vil ADEb; 1230 meilen = meliert kj malen g, male Eb, mal D; 7238 also = harte; 7253 fehlt = öfe^r; 7287 ir swester = der jungem; 7478 da ne zwifel ich niht an.= ichn zwwel niht daran ADEHb; 7512 si = si si ADEH, sie vil c, 7559 fehlt = wand ADEHb; 7579 im =- aber AEHab, fehlt D; 7661 also = alsus; 7709 sus = ADEa, do b; 7801 ouch = doch ADab; 8107 schulde = sünde ; 8121—32 sind nur in Bda erhalten; eine auffallende Übereinstimmung zwischen BdD ist noch 7232. 3 wände (und A) si in kurzen stunden, vil wunden enpftengen ]iDd = wände si vil wunden in kurzer stunt enpfiengen AEb.

Unter den Übereinstimmungen, welche Bd in den ersten 1000 versen mit einer anderen hs. teilen, sind uns die mit A von besonderem Interesse. Lachmann folgt mit einer ausnähme Überall unbedenklich ABd. Aber es wird nicht zu erweisen sein, dass die übrigen hss., zumal a eingeschlossen, aus einer gemeinsamen vorläge stammen, während schon die berührungen von A mit d einerseits und B mit d anderseits dafür sprechen^ dass auch die zwischen ABd ihren grund in der benutzungder selben quelle haben. Folgende stellen kommen in betracht: 43 da ABd = fehlt Dbc; 45 den AB, der dr = fehlt (das erste) Dbc (das richtige hat hier wol D erhalten: in liebte hof und den Hp, während die andern auszugleichen suchten, ABdr, in- dem sie den artikel auch zum ersten subst. hinzusetzen, bc, in- dem sie ihn auch beim zweiten fortliessen); 56 da Bd (L.), daz A = syt abcf, swie D {daz ist wol auf da zurückzuftthren

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oder umgekehrt; mit ersterem ist gar nichts anzufangen, aber schwerlich ist das letztere richtig; eine räumliche beziehung passt hier gar nicht her, es handelt sich nur um die zeit; stt, welches eine genügende handschriftliche gewähr hat und aus dem auch swie mit grösserer wahr89heinlichkeit abgeleitet wird als aus da, gibt den vom zusammenhange geforderten sinn; es ist dann aber auch 58 dor statt da zu schreiben, denn es muss der gegensatz zu in 55 sein; von denhss. unterscheidet wol nur B zwischen dd und da; D hat do, A doh, fso); 111 un ABd= er Daher; 111 heruoft mBd(L.), berief enk = strafte in Dabe; 260 is sin A, ez sint B, es sind d = des sint Der, daz ist a; 296 als Bd (L.), also A = daz Dac (das erstere vorzuziehen) j 415 anders niht Bd, niht anders k=niht Dabc (L.); 428 als Bd(L.), aUo A = fehlt Dabcrf; 575 also Ad, als B = fehlt Dac; 678 rvan Bd, wand A = fehlt Dacr (es ist nicht bloss entbehr- lich, sondern lästig) 99.8 niemer k&dL = nyrgin a, niht Dbcf Wi- gal. (Lachmann schreibt nime; aber ein einfaches ^nicht' ist dem 'nicht länger' hier vorzuziehen). Weiterhin kommen Über- einstimmungen zwischen ABd nur ganz vereinzelt vor. Ich hebe noch eine hervor, die wir aber auch wol dem zufalle zuschrei- ben mtlssen: 2868 si ABd (L.) = DEbcf. Lachmann erklärt däne gezieh rf niemer zuo durch *dabei berufe er sich nicht auf sie', ohne dass er diese bedeutung von einfachem ziehen nach- weisen könnte. Aber dieser sinn passt auch gar nicht her. Weshalb soll er sie nicht zum zeugen gegen seine ankläger an- rufen? weil ihr zeugnis nichts wert ist, oder weil sie nicht das erwünschte zeugnis ablegen wird? letzteres wäre nach dem folgenden ivan ir ist von herzen leit sin unwirdeetQ, zu erwarten. Sie wtlrde demnach nicht bezeugen, dass er es in der absieht täte sich ihr gefällig zu erweisen^ und man würde daraus schliessen, dass er es aus trägheit täte. Auf solche weise wäre da gezieh rf niemer zuo zu begründen. Aber der grund, der hier angegeben wird, lässt auf einen ganz andern sinn schliessen: ihr geschieht kein gefalle damit; in welcher absieht er es tut, bleibt dabei unberücksichtigt. Man muss daher vorher den fiinn erwarten: das denke er nicht. Diesen kann haben däge- zieh sich niemer zuo. Sich ziehen ze bedeutet in der rechts- sprache ^anspruch worauf machen* vgl. mhd. wb. III, 925^ 46. Aehnlich ist wol auch zu fassen Iw. 7309 ziux^h dich mit guotm

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HANDSCHRIFTENVEBHAELTNIS DES IWEIN. 351

heile ze rdnem erbeteile 'nimm mein erbteil in besitz', nicht räumlich 'begib dich zu ihm hin'. Danach werden wir hier übersetzen können: dass er ihr damit einen gefallen tue, da- rauf mache er keinen anspruch, das lasse er sich nicht ein- fallen. Die Schreiber scheinen si als Subjekt verstanden zu haben, wie denn auch D und b um ein Subjekt zu bekommen niemer in niemen ändern.

Wir können also wol mit Sicherheit behaupten, dass Über- einstimmungen zwischen ABd, wenn die übrigen hss. dagegen zusammenstimmen, nicht auf erhaltung des ursprünglichen, son- dern auf änderung einer gemeinsamen vorläge zurückzuführen sind. Ja an einer stelle scheinen sogar, wenn wir die Über- einstimmung des französischen für massgebend halten, bc (D?) allein gegen ABdaf das richtige erhalten zu haben: 208 stinke ABdf, stincket SL = ummer smecke bc, übel si swecher D (letz- teres ist wol eine entstellung aus der lesart von bc); man ver- gleiche dazu ehrest. 116 toz jorz doit puir li furnier s. Da B zu d in einem näheren Verhältnisse steht als zu A, mit der sie überhaupt im ganzen Iwein verhältnismässig wenige beiden allein '"eigentümliche lesarten teilt, so müssen wir auch die Ver- bindung ABd aus der verwantschaft von B mit d erklären, wozu dann A erst in einem entfernteren Verhältnisse steht. Die Schwierigkeit ist wider, damit den umstand zu vereinigen, dass auf der andern seite so- häu^g A mit d gegen die übrigen mit einschluss von B stimmt Wir sind genötigt für B wie für a eine doppelte quelle anzunehmen. Die eine, welche zugleich quelle für d gewesen und ihrerseits wider aus der selben quelle wie A geflossen ist, scheint flir den anfang ausschliesslich be- nutzt zu sein (135 findet sich die erste Übereinstimmung von Ad gegen B); dann scheint eine andere quelle zu hülfe genom- men zu sein, gegen welche die erstere etwa von 1000 an ganz fallen gelassen ist. Ich wage es nicht zu entscheiden, ob dies schon die selbe ist, die dem zweiten teile zu gründe liegt, eben so wenig, ob am schluss wider die erste quelle hinzugezogen ist das Verhältnis von a und B zu den neben ihren hauptvor- lagen benutzten quellen würde folgende figur veranschaulichen:

'SI— I

d

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352 PAUL

Wir fassen nun noch einmal die falle ins äuge, in denen innerhalb der ersten 40 zeilen sich Bd und Dbc einander ge- genüberstellen. Wir haben gesehen, dass die Voraussetzung, auf welcher die bevorzugung der ersteren durch Lachmann be- ruht, dass A immer zu ihnen gestimmt haben würde, nicht zu- trifft, da späterhin A mehr als doppelt so oft abweicht, als übereinstimmt. Wir haben femer gesehen, dass auch ABd nicht der Vorzug gebührt, den ihnen Lachmann zu teil werden lässt; weiter, dass die Übereinstimmung von r mit Bd nichts für die richtigkeit beweist. Auf der andern seite kann man allerdings auch von Dbc nicht ganz sicher sein, dass sie keine gemein- samen fehler enthalten. In 14 und 39 lassen die abweichungen von bc und D keine sichere entscheidung zu und machen es etwas zweifelhaft, ob sie in 12 und 38 gegen Bd recht haben. Aber mit gutem gründe können wir die lesarten vonBd*) in 21 und 22 und die darauf gebaute künstliche Interpunktion Lach- manns im folgenden verwerfen. Ich kann in seiner auf Bd ge- stützten herstellung durchaus nicht die Geisterhafte gewandt- heit* des dichters erkennen. Die einschachtelung geht über das mass des natürlichen und erträglichen hinaus. Anderes aber ist noch schlimmer. Es scheint mir unmöglich ez in 22 auf mcere in 30 zu beziehen. Das bedenken gegen den plural cm den buochen wird durch Lachmanns bemerkung nicht geho- ben; dass Hartmann die erzählun^ vom raube det königin an- ders woher als aus dem Chev. au lion genommen habe, ist doch nur eine Voraussetzung; sie kann auch auf eigener erfin- dung beruhen, und das stück ist so unbedeutend,, dass er da- rum nicht von mehreren quellen würde gesprochen haben; des- halb ist auch dem Schreiber von d der plural anstössig gewesen. Ferner aber, dass er die quelle oder die quellen zu seinem jetzt beabsichtigten werke las, davon kann doch nicht erst die folge gewesen sein, dass er sich überhaupt mit dichten abge- geben hat; denn anders als allgemein kann man doch z. 25 unmöglich fassen. Ebenso allgemein sind dann die beiden fol- genden Zeilen. Die specielle beziehung auf den Iwein kommt erst in 30. Einigermassen erträglich wäre noch die lesartvon

*) Allerdings stimmen mit Bd auch die wenigen zeilen aus dem Iwein, die am Schlüsse in die Kölner hs. des Wigalois eingetragen sind cf. Pfeiffers ausgäbe IX.

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HADNSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 353

r ein ritter^ der geler et was daz er; sie gäbe den selben sinn wie Dbc, nur dass die klammer bliebe. Da aber die Überein- stimmung von r mit Dbc nichts besagt, so werden wir bei Dbc bleiben, wonach alles einfach und klar ist: ein ritter war so gelehrt, dass er in den büchem lesen konnte, so dass er, wenn er gerade nichts besseres zu tun hatte, sich auch mit dem dichten beschäftigte; 26. 27 und 28. 29 sind dann selbständige hauptsätze.

Als grund weshalb Lachmann die lesart von Dbc ver- wirft, gibt er an, dass dann 21. 22 wörtlich zu den anfangs- zeilen des armen Heinrich stimmen wtlrden. Auch an andern stellen hat er es ausgesprochen, dass Hartmann, wo er eine zeile widerhole, dies, und zwar absichtlich, mit einiger Verän- derung zu tun pflege, und aus dieser behauptung hat er einen grundsatz ftir die textkritik abgeleitet, welcher nicht selten bei ihm zur anwendung kommt Es wird sich daher lohnen die- selbe einer genaueren prtifung zu unterziehen. Meiner Über- zeugung nacü lässt sich die bevorzugung der abweichenden lesarten weder aus einem vernünftigen gi-unde noch aus den vorliegen- den tatsachen rechtfertigen. Es ist doch wol klar, dass diese widerholungen von einzelnen Mlen abgesehen vom dichter nicht mit bewuster absieht gemacht sind. Es stellten sich vielmehr zum ausdruck derselben gedanken, wie in der natürlichen rede eines jeden menschen und wie bei allen, namentlich den mittel- hochdeutschen dichtem, unwillkürlich dieselben werte ein, und wenn sich Hartmann auch bewust gewesen ist, dass er das- selbe schon einmal gesagt hatte, so wird er nicht erst ängst- lich nachgesehen haben, ob er ja ein wort verändert hat. Aus rücksicht auf seine zuhörer oder leser brauchte er das nicht zu tun; die werden widerholungen an weit auseinanderliegen- den stellen oder in verschiedenen werken selten gemerkt haben. Es hing einerseits vom zufalle ab, ob ihm genau die- selben oder etwas veränderte werte in 3ie feder kamen, an- derseits bedingte die gleiche oder verschiedene Situation die gleichheit oder Verschiedenheit in den werten. Demgemäss werden wir unbekümmert um die widerholung an jeder ein- zelnen stelle nach den sonst für die textkritik gültigen grund- sätzen zu verfahren haben.

Eine Zusammenstellung der widerholten zeilen wird unsere

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche I. 24

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»64 PAUL

ansieht bestätigen. Ich führe zunächst auch diejenigen auf, in denen die Verschiedenheiten sicher oder wahrscheinlich vom dichter berühren. Dieselben sind wichtig für unsem zweck, indem sich daraus ergibt, dass in den seltensten fällen die ab- weichungen derart sind, dass sie vom dichter nur zur Vermei- dung wörtlicher widerholung gemacht sein könnten, dass sie vielmehr wegen der Verschiedenheit der Situation oder auch um des verses willen notwendig sind. Iw. 42 s6 manec guot riter aisd (Ä, als BDcd) = lw. 2453 also (AEd, als BDab) ^ dö] Iw. 141 dem dehein ere geschiht = lw. 2489 sweme = lyf. 2777 deme doch; Iw. 528 daz tvil ich dir bescheiden &ö2: = Er. 9563 iu; Iw. 677 ichn begüzze in nimer mi = lll mSre; Iw. 1013 sus was in zuo einander ger = Greg. 1947 wart in zm einander ger A, ziw einander wart in ger E6; Iw. 1216 er ist benamen Ämw^ = Iw. 1367 zwäre (ADad, benamen BEb); Iw. 1543 diu im ze (Aab, zem BDEdf, richtig) tdde was gehaz= Iw. 1613 diu mir zem (zu hj tdde ist gehaz; Iw. 1990 daz hän ich gar durch guot getän=>l. büchl. 583 ohne gar, welches übrigens leicht in der hs. ausgefallen sein kann; Iw. 2330 stvie Gelten mp mannes bite == Er. 5889 daz ich wip = Greg. 708 daz dehein mp; Iw. 3460 und zdch ein pfert an der Äaw^ = 3602 vuorte ADbd, zbch BEa (wegen der besseren handschriftlichen gewähr ist miorte voföuziehen, aber keineswegs erfordert der sinn, wie Lachmann behauptet, den conj.); 3493 daz insach und er d mÄ^ = Er. 166 er si und d in; Iw. 3636 und gedieaez (ich virdieniz A, gedierUe ichs d, und diene ez DJ immer als ich sol=71Ql ich verdienez (Ad, gedien ez BDab) [iemer alle ausser A] als ich sol (eine Verschiedenheit besteht in und und ich; aber diese genügte Lachmann nicht; deshalb muste iem&r ohne sonstigen grund bloss nach A entfernt werden und mit Ad ver geschrieben werden); Iw. 3643 geruot nach iuwer arbeit = Er. 3528 und geruot; Iw. 3769 gein einer dner veste^Ei. 7118 üf eine sine; IW. 4329 daz zwene (ADb, zwene möwBad) sint eines her = Iw. 5350 daz (wan k) zwen sint immer (Ad, sint D, man sin &, warn ie BEf, warn a) eines her = 6636 wan zwene sint (DE, sint iemir A, man sint b, waren ie Ba) eines her; Iw. 4877. 8 ich weiz wol, swederz ich kiuse {kiese ADad), daz ich an dem (Acdf, daran BDEab) verliuse (Verliese ADadj = Er. 3158. 9 wan swederz ich mir kiese, daz ich doch Verliese;

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HANDSCHßlPTENVERHAELTNiS DES IWEIN. 365

Iw. 4501. 2 hob ich den (dism D^ lästerlichen spät verdienet (Aad^ gedient BDb) iender umbe got=2i. H. 383 Ich hän disen schemeHchen spät vil wol gedienet umbe got; 4508 heidiu ge- hörte (erhörte Db^ unde gesach (ersach BDb^ = 4739 heidiu gehörte (AD, erhörte Babdf) un4e gesach (Ab, ersach BDad) (an der zweiten stelle ist er zu schreiben; Lachmann geht hier zu gunsten der hs. A von seinem principe ab, indem er be- merkt, in der praep. ge oder er könne kein fühlbarer unter- schied liegen; dass sieht doch gerade aus, als hätte Hartmann die absieht gehabt mit seinen etwas abweichenden wider- holungen eine bestimmte ästhetische Wirkung zu erzielen); 6919. 20 daz er die altem bcete daz siz durch got tcete ArDEc, daz erz durch got tcete. un (daz er d) die altem bcete Babd = 7325. 26 daz erz durch got tcete unde ir swester (D, ir suester drumbe A, die altem Babdf) bcete, daz er die altem bcete. daz si durch got tcete E (die Verschiedenheit ist hier wol ursprünglich und erst von den Schreibern, wie dies noch mehrmals sicher der fall ist, völlige gleichheit mit der ähnlichen stelle hergestellt; aber bloss nach AD ir swester gegen Babdf einzusetzen haben wir keine Ursache); Iw. 7070 der wart mit sige sigelös^^% büchl. 111 ich; Iw. 7546 dm ich wol [iemer BD abdf, fehlt AEH. Lach.] heizen mac = lw. 8119 daz ich wol iemer heizen mac; der zweite unterschied der verse, den Lachmann ansetzt, ist gegen die autorität der hss.; Er. 16 er was ze hamasche wo} = Greg. 1553 ich bin; Er. 754 sprach ein gemeiner munt^^SL. R 1466 (do Bj sprach; Er. 857 und gab ze beiden henden = Er. 9233 handen; Er. 1766 wand ich sage iu rehte wie 9=^ Er. 2363 unde sage; Er. 1829 daz was allez getan = ^x. 4004 w. schiere g.; Er. 3763 wie ez (nahend sy hs.^ mmem her- zen /ram=6reg.. 3330 nähenz sinem; Greg. 335 7 daz e ir trüren wcere, si was äne swcere, daz was ir bestiu vröude hie = 2. büchl. 117 7 daz e min trüren wcere, ich was äne swcere, daz wcer min bestiu froude nä; Greg. 623 nA bin ich gescheiden da zwischen (enzwischen E^ von in beiden '^ 2. büchL 221 also b, i. g. enzwischen; Greg. 1147. 8 man duli ez vil .unlange vrist Jane weiz nieman wer er ist = ih. 1159. 60 dultet ez unL weiz hie; Greg, 3400 2 wir haben daz von Sme geböte y swer umb den andern bite, da lasse er sich selben mite = a* H. 26 28 man seit, er si sin selbes böte und erlasse

24*

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356 PAUL

sich da mite, stver für des andern schulde hite; Er. 8291 mit ir wcetliche = a. H. 314 an ir (mit schöner B^; Er. 9530 da missetcete ich an mir michels harter danne an ir = 2. büchl. 269 sd m, i, a, m. vil mere, 1. büchl. 712 ßr sorgen hän ich keinen /i5^ = Iied. 11, 18 /wr trüren hän ich einen list; 2 büchl. 360 des vreude an guoten mben stät = \ied. (Bech) I, 3, 1 swes.

Oefters, wo einige zeilen hintereinander widerholt sind, isteine oder mehrere abweichend, die andere oder mehrere andere wört- lich widerholt ; Iw. 364 6 ouch enwart da niht vergezzen tvirn he- ten alles des die kraft daz man da heizet Wirtschaft = Er. 8361 3 wart si heten {die fehlt in der hs., ist aber unentbehrlich) ; Iw. 369. 70 dd wir mit vreuden gäzen und da (Bb, dar Aacd) nach ge- säzen = EY. 4614. 5 als sie des äbents gäzen; Iw. 686. 7 alsus het ich besezzen daz ander pardüse = Er. 9541. 2 wir haben hiehj Iw. 4753 6 daz ich umbe den (Ac, fehlt DEabd) mitten tac dan- noch hin (ADd, ir ze helfe Eb) komen mac dar (ADdf, der Eab) ich mich (AEdf, mich e Da, es ee b) gelobet hän, sd wil ich in (DEabde, fehlt A) durch iuch bestän =lw. 4797—4800 daz ich urribe mitten tac ir ze helfe (Abcd, ze helfe Ea, dannoch dar D, dahin wol b) der (dar DJ etc. (den ist 4753 gegen die bessere autorität eingesetzt; in 4756 mit A wegzulassen wagt Lach- mann nicht; dagegen müht er sich wider ab eine andere mög- lichkeit fftr die Verschiedenheit dieser zeile von 4800 zu finden); Er. 3638. 9 iuwern gnaden si genigen und des (ditz hs.^ mit hui- den fhulde hs.> verzigen = Greg. 1557. 8 herre iuwern; Er. 1430. 1 mit ganzem gebeine ^e grdz noch ze kleine = Er. 7355. 6 mit dürrem; Greg. 2327. 8 ir vröuden sunne wart bedaht mit tötvinsterre naht == 2. büchl. 17 19 miner freuden sunne diu ist leider bedaht etc.; ein lied ist zum grösten teile im 2. büchl. widerholt, respect. umgekehrt: die erste Strophe lied. 16, 3 13 ist gleich 2. büchl. 123—136, in der zweiten ist lied. 16, 18— 24 = 2. büchl. 147 152; schon die Veränderung des versmasses macht abweichungen notwendig, auch die einfligung in den ge- dankenzusammenhang; doch haben z. 123. 132. 133. 136 noch ganz genaue entsprechungen in dem liede.

Diese letzten stellen leiten uns nun hinüber zu deigenigen fällen, in denen eine zeile auch ohne die Verbindung mit einer andern etwas abweichenden unläugbar genau widerholt wird. Es sind eine ziemliche anzahl, in denen entweder gar keine

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HANDSCHKIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 357

Varianten vorhanden oder die vorhandenen auch von Laeh- mann richtig zurückgestellt sind: Iw. Slb ez schinet rvol, wizze krist =^lw, 3127 (an diser fr ist a, welches Lachmann nach seiner anmerkung nicht übel lust hat für richtig zn halten); Iw. 1154 hete (ne hete A, und het a, het By hette bd) .rf sich niht verclagt = Iw, 4764; hier schreibt Lachmann enhete (en E, ne A, und ae, fehlt bd), aber wir sehen, dass die hss. sich ganz eben so verhalten wie 1154, nur dass hier E hinzuge- kommen und e statt B eingetreten ist; es hat also jedenfalls keinen sinn an beiden stellen verschieden zu schreiben und diese art von Verschiedenheit kann überhaupt gar nicht in be- tracht kommen. Iw. 11 82 z^^nYa«;'« in daz lant=EY. 5680, etwas abweichend Er. 2228 : in ir laut (Irlant hs., daz lant Müller) ; Iw. 1326 der lichte tac wart ir ein naÄ^ = Er. 8827; Iw. 2418 da wären 'gf offen gyiuoge = 9i, H. 1512; Iw. 2732 swer gerne vrü- mecRchen tuot = lw. 3077 (frumkeit a. *kann wol richtig sein; sonst wird der 2732« vers hier ganz wiederholt' Lachm.); Iw. 3315 und vleget {hat BbG) got vil sere = ET. 8638; 4007 miner vrouwen äw/^^= 4217 = 5469 (da gegen das völlige gleich- lauten dieser zeilen nichts einzuwenden ist, so sucht Lachmann für 4007 eine Verschiedenheit des sinnes; diese wird dadurch erreicht, dass er in die vorhergehende zeile mich aus Aa gegen mir BDbdf und dann eine sehr gezwungene erklärung annimmt, von der er selbst fühlt, dass sie unnatürlich ist; mich ist eine einfache Verderbnis, die in A 'vielleicht aus dem niederdeut- schen zu erklären ist); Iw. 4251 ichn läze iuch niht under wegen = Er. 3272 (ich für ichn begründet keinen unterschied); Iw. 4323 iwer leben ist nützer danne dez (daz hss.^ min = a. H. 926 (dan daz Haupt, dme daz B^, deane BV; Iw. 6263 db sprach der ritter mit dem leun=^\h, 6257^6109; Iw. 7126 d6 ^ zesamne träten = 'Er, 9138; Iw. 7887 siner vrouwen minne = 7932 (7784 von siner)] Er. 709 der llp ze ihte ma^re = EY. 6679; Er. 766 zesamne liezens strichen = Ey. 2608; Er. 1005 tvol ze huoze gesät == Er, 1246; Er. 1537 diu frovwe mit der kröne = Er, 5707; Er. 3004 und gedähte (dähte Haupt) m ma- negeji enden = Er, 8400; Er. 4745 mit lachendem muote = Er. 9367 = Greg. 2774. 3617 = ib. 2643 (und mit)] Er. 5045 ir habt niht wol an mir getan = Er, 5067; Greg. 1442 üf ein lan- gez ptmeiz = ih. 1946; a. H.. 225 diu vollen erbcere = ih. 447.

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358 PAUL

Aus diesen Zusammenstellungen ergibt sich, wie grundlos die behauptung ist, dass Hartmann die wörtliche widerholung einer ganzen zeile grundsätzlich gemieden habe. Wie können wir dieser theorie zu liebe alle sonstigen kritischen grundsätze ignorieren? Das ist aber von Lachmann an folgenden stellen geschehen: Iw. 3066 ze Karidöl in sime hüs=lw. 32; hier haben Dbcd dnem, B dn; Lachmann setzt letzteres in den text, indem er bemerkt, dass der dat. zu geleit nicht gut zu passen schiene; allein es braucht nicht der ort angegeben zu werden, in welchen das fest gelegt wurde, wir können übersetzen: 'Artus hatte in seinem hause ein fest auf pfingsten angesetzt.' 1297 in winkeln und under benken=lSlb] da hier keine hand- schriftliche Variante vorliegt, die sich aufnehmen Hesse, so wird ein unterschied hineinconjiciert und an der zweiten stelle und gegen alle hss. gestrichen; der dabei angeführte metrische grund beruht wider auf einer unhaltbaren theorie. Greg. 2991 mit al- tmiosn und mit gehete; ebenso lautet der vers Iw. 1410 in BD Eab (auch Gute frau 2593); dagegen schieben hinter mit ein vollem cd, vollen A, welches erstere Lachmann aufnimmt und gegen alle hss. das zweite mit streicht. Iw..l613 diu im zem (zu h) töde was gehaz ==ih. 1543 ze (Aab, zem BDEdf). Iw 2449 zuo dem bfunnen mit her = Iw. 1841 zem (ze dem E, zuo dem BDA^ brunnen komen (Ab, in der vorhergehenden zeile BDEacdf) mit her; wenn komen in der vorhergehenden zeile steht, wird der rythmus nur gebessert, da man sonst hebung und Senkung auf den artikel legen muss: der künic Artus wiL Iw 2095 der mxnen herren hat erslagen = 20SS nach BDEabdf; nur A hat dazer fttr der; danach schreibt Lachmann, wie in ähnlichen fällen mit unrecht der, eine form, deren existenz überhaupt sehr zweifelhaft ist.*) Greg. 2004 von stner gehülfigen (A, hei fliehen

*) Wo in den hss. überliefertes der von Lachmann oder andern als daz er gefasst ist, ist überall das relativpronomen anzunehmen; es be- ruht die annähme von dir hauptsächlich auf der verkennung des dem mhd. mit dem afranz. gemeinsamen eigentümlichen gebrauches des re- lativpronomens in fällen, in denen wir im nhd. allerdings ^dass er, dass sie* etc. zu setzen pflegen. Dass für daz er vom verse eine einsilbige form verlangt wird, beweist noch nicht, dass diese dSr gelautet hat; wir werden einfach, wenn wir die kürzung durch die schriffc bezeichnen wollen, dazr zu schreiben haben. Die unerwiesene form dir dürfte da- her aus unsem ausgaben und Wörterbüchern zu entfernen sein.

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HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 359

E) hmt^ Iw. 3804 von [dner BDEcdf, fehlt Aa Lachm.] gehüh figer (A, hulfiger Da, gehulfigen Bd, Mßchen E, helffigen c) hant; nach der besten autorität ist an beiden stellen von Aner gehulfigen hant zu schreiben, Iw. 5294 lehn vüere in durch deheinen strit =ß70& üf (d, durch ABDabf). Iw. 6258 ir mugt mir harte vil gedreun = Iw. 5264 ir mugei (A, mugt mir BDEah) harte v. g. Iw. 5298 em teste dnen lewen Äm = Iw. 6712 in, conjektur gegen alle hss., die hin haben; die richtigkeit der Überlieferung bestätigt Chrest. 5554 vostre lyeon oster de ci, während es 5533 heisst le vos covient en tel leu metre = lyr. 6697 der leu enwerde in getan, Iw. 5406 hie der lewe, dort der »ia'/i = Iw. 6786 beide (A, hie Dacdf) der lewe untter (dort der Dacf, und da der A.) man. Greg. 1673 niervan ir houhetstat=^ ib. 745 diu (E, ir A, ein F). Greg. 3090 mit vreuden äne sn;€ere=2ßA2 ditz schelten (A, mit vreuden EG). Hier ist über- all die autorität der Überlieferung wider in ihr recht einzusetzen. Demnach darf uns dieser grundsatz Lachmanns auch bei der beurteilung von z. 21. 2 des Iwein nicht im geringsten beein- flussen. Ich mache noch darauf aufmerksam, dass mit der an- nähme der von mir vorgeschlagenen lesart der grund wegfallt, welcher von Lachmann als entscheidend für die abfassung des Iwein nach dem armen Heinrich beigebracht wird.

Wenn es uns so auch nicht gelungen ist und selbst mit einem reicheren materiale kaum je vollständig gelingen wird, alle einzelnen fragen über das handschriftenverhältnis bis zur zweifellosigkeit zu lösen, so halte ich mich doch nach der oben geführten Untersuchung für berechtigt, eine anzahl regeln für das kritische verfahren aufzustellen, welche bei weitem in den meisten fällen eine bestimmte entscheidung geben, und wonach Lachmanns text wesentlich zu modificieren sein wird. Jede einseitige bevorzugung einer einzelnen hs. ist zu verwerfen. Auch die Übereinstimmung von zweien gegen die der übrigen hat keinen wert; denn entweder beruht sie auf einem ver- wantschaftsverhältnis der beiden oder auf zufälligem zusammen- treffen in einer änderung, welches für zwei anzunehmen eine viel geringere Schwierigkeit ist als fllr alle übrigen. Erst, wenn auf beiden selten mehr als zwei zeugen stehen (abge- sehen von den stellen, an denen mehrere hss. lückenhaft oder ihre abweichungen nicht angegeben sind), oder wenn sich die

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360 PAUL

hss. in mehr als zwei hauptparteien teilen, fängt eigentlich die Schwierigkeit der entscheidung an. Hier kommt es darauf an die verwantschaftsverhältnisse der hss. zu berücksichtigen und nach ihrer grösseren oder geringeren Selbständigkeit den wert ihres Zeugnisses zu bemessen. Nach unserer obigen darlegung des handschriftenverhältnisses ergeben sich die grundsätze, nach denen zu verfahren ist, von selbst. Eine frage bleibt uns nocl übrig : sind vielleicht alle uns erhaltenen hss. aus einer gemein- samen quelle geflossen, welche bereits eine anzahl Verderbnisse enthielt, wie dies Lachmann voraussetzt? Eine solche annähme ist immer mislich, wo eine grosse menge zum teil alter hss. vorliegt, und muss auf das strengste bewiesen werden. Den nachweis aber ist Lachmann schuldig geblieben. Wo er eine alte Verderbnis ansetzt, geschieht dies seinen metrischen hy- pothesen zu liebe, oder um den vorzug von A zu retten, oder aus Vorliebe für eine lesart, ohne dass die Unrichtigkeit der entgegenstehenden erwiesen würde. Ich komme unten auf alle diese stellen zu sprechen.

Es wird zweckmässig sein, wenn ich nach der reihenfolge des gedichtes eine Übersicht gebe über alle die Veränderungen, welche mit Sicherheit oder gröster Wahrscheinlichkeit in dem texte des Iwein anzubringen sind. Ich füge dazu begründungen, soweit es noch nötig ist. Wo dies schon früher geschehen ist, wird auf die betreffende seite verwiesen. Ist nichts bemerkt, so liegt die begründung in der handschriftlichen autorität. Icli gehe dabei von Lachmanns zweiter ausgäbe aus. Ihr text steht jedesmal vor dem gleichheitsstrich , hinter demselben meme lesart. L^ bezeichnet die erste aufläge. Wo nichts dj|.rtiber bemerkt ist, stimmt diese und Bech zur zweiten ausgäbe. '

6 der Bdr = ^^ ie Dbc. 21 der = so und 22 unde ez^ daz er cf s. 352; hinter 25 ist dann ein punkt zu setzen, die klammer von 26 29 zu streichen. 32 sin = sinem cf. s. 358. 45 den hof= hof cf. s. 349. 56 dä=sU cf. s. 349. 58 ^a== dd cf. s. 350. 63 mänlich A2i = männeclichBDdL^ cf. s. 342- 69. 70 stehen in dieser reihenfolge nur in den beiden verwan- ten hss. bc; sie sind wider mit der ersten ausgäbe in umge- kehrter reihenfolge zu stellen nach BDadrf (A fehlt). 71 dise A = dise retten BDabcdrfL^; wir haben hier nur eine der häu-

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 361

figen auslassungen in A, die nur durch die unrechtmässige auf- nähme der Umstellung von bc einen sinn erhält; Lachmanns behauptung, dass reiten ein zusatz sei, welcher notwendig ge- wesen, nachdem die von ihm hergestellte natürliche anordnung zerstört gewesen wäre, widerlegt sich schon dadurch, dass es auch in bc steht, die doch seine anordnung haben. 72 van grdzer Aaf = von Bbd (sagten von crj : grozer und sagten scheinen zur Verlängerung des verses hinzugefligt. 73 üf Aa = v»ifc BDbcd. 92 dez (des A, daz I)cL^) = der Badfr. 95 von Aa =^und von Bf (und doch von D, und nicht von bc^. 95 kleiner Sii=deheiner BDdrA (nicht hcj cf. s. 326; wenn auch nicht fttr die lesart von bc, so doch gewis für die negation über- haupt dürfen wir das Zeugnis des französischen in anspruch nehmen.

102 kein = keiner cf. s. 298. 05 ein ^ alein cf. s. 298. 06 engegen ir Aac = engegen ir ü/ Bdr Bech (üf DfJ ; hier lässt schon die handschriftliche autorität keinen zweifei: üf ist in Aac ausgelassen wie engegen in Df ; wie man aber, nach- dem man auch den französischen text kennt, an der richtigkeit von üf zweifeln kann, verstehe ich nicht. 11 und ABd = er Daher (gewis besser). 11 beruoft ABA = strafte Dabc. 14 bekant ADsL==erkant Bbcdfr. 19 von Aad = t;or Bbcf (vur D). 21 bedankt A (duncket b.J = danket des (es r) Bcr (beduncket des d). nach 23 wird besser ein punkt und nach 25 ein kolon gesetzt; so in 24. 5 bezieht sich auf das folgende. 28 kein = keiner. 34 säzen ADf=gesäzen Bacdr. 35 ir ouch Ad (tu auch SiJ = ouch ir Bdfr. 36 da AD = des Bacdr. 39 selbem B = selben Abf (selber acd^. 43 ingesinde A = gesinde BDabcdf L\ nach 46 ist ein kolon, nach 47 statt des punktes ein komma zu setzen; denn Kalogreant will doch dem Keii nicht die be- ruhigende Versicherung geben, dass ihm nichts zu leide ge- schehen wird, vielmehr will er ihm in recht beleidigender weise die Verachtung seiner Schmähungen zu erkennen geben. 155. 6 wand wir daz wizzen vil wol daz = und wcere daz weiz got vil wol: wan cf. s. 343. 58 dinen (den slJ eren Aa = ^ne ere BDcr (dlne erenhäj. 61 Joch A = zu streichen mit drf (dafür dach B, al Dac). 61 geseii Asi = gesagt BDcdf. 62 m- der geleit == verdagt cf. s. 343. 79 ze Ad = zu streichen mit Bcfr (dafür gar a), 91 dazz = daz iu daz cf. S. 304.

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962 PAUL

203 verlorn Aa = verlorniu BDbdf. 08 stinke = immer smecke? cf. s. 351. 11 und Acd = noch BDar. 14 schelten AD '^^ gescheiten Bacd. 34 sin bcese Af=sin bceser Dac (sine boBsen BdJ. 51 manec A = maneger Babcdr (manich man B) cf. S.298. ß6 ich Ad = ich da BDacf. 67 der wart = der was Bacfr (fehlt D) cf, Chrest. 180 molt i ot voie /elenesse. 81 engegen A = gegen BDadcr. Die zeilen 97. 8 sind, trotzdem widerholt darauf aufmerksam gemacht ist, dass sie durch das französische gesichert sind, in die neueste ausgäbe und auch von Bech nicht wider aufgenommen und nicht einmal eine be- merkung dar-über gemacht; sie stehen auch in f wan mir leicht vntz an mein tod ward chain' herberg so not; sie sind zu lesen wan mir wirt Hht unz an minen tot der herberg nimmer me sS not; den artikel mit Pfeiffer (Germ. 4, 195) zu streichen sind wir nicht berechtigt.

309 diu hiez = die hiezen alle hss. (ABDabcdr, paten f) L^; der Übergang in den plural hat nichts anstössiges; dieän- derung ist nur einer metrischen Voraussetzung zu liebe gemacht; aber auch die zu Gregor 230 gemachte conjektur ist unhalt- bar cf. meine ausgäbe. 47 entuot A (tut Aj = getiiot BDacr. 60 s6 Ad = zu streichen mit BDacfr. 68 willigen Asif==den willigen BDcd. 93 daz Ad = zu streichen mit BDacfr.

424 als a (also A) = sam BDcdfr, 28 als Bd (also A) = zu streichen mit Dabcfr. 37 wol aL = was wol ABDbcdfL*; es ist durchaus unpassend dasselbe aus dem vorhergehenden tu ergänzen. 49 vlach = und vlach alle hss. (ABDacdfr) L^ Bech. 54 der Ahe = diu Dadr Bech (den Bj] man kann bedenthalp nicht als objekt zu bevangen fassen; der gen. erklärt sich ein- fach aus einer gedankenlosigkeit der Schreiber, die wangen von bedenthalp abhängig machten ohne sich um den weitern Zu- sammenhang zu kümmern.

504 der = der cf. zu 2128. 38 nähen Ad = verre BDabc. 48 nie selhes niht A = selhes nie niht Bc (nie niht solhes D, sol- ches nye mer ad^. 65 noch A = ouch Dacdf (doh AJ.

615 da A3i = der BDd. 29 hangen Ai= hangend BDad. 40. swarz Ad = swmrez BDbf (stmm slJ. - 43 von Ad = in BDb (an slJ, 48 in (an A, fehlt D) allenthalben AD = in (an aj allen enden Babdr. 57 daz ^=^ daz weter cf. s. 294. 60 daz ^r ADc = der da Babdf. 60 stuont Aa = bestuont BDc

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 363

(gestunt bd/ 65 was Aa = was da Bcdf. 69 wcere Acf = mcer doch Dabd (wcere ouch Bj. 70 wan Ad = wart daz BDabr. 78 wart ist zu streichen cf. s. 350. 85 al A =gar Dbcd (fehlt B, mt/r a). 96 sd Aa = zu streichen mit BDbdr.

721 mir Aab==zu streichen mit BDcdfr; ob im folgenden ze buoze stän oder huoze bestän zu schreiben ist, lässt sich schwer entscheiden. 22 ode mir den Hp län = odr ez muoz mir an den Up gän cf. s. 343. 36 wand Ad = ob BDabf ; es ist dann ein komma nach werte und ein punkt nach nerte zu setzen: er erwiderte mir weiter nichts, als dass ich mich weh- ren sollte, wenn ich mein leben erhalten wollte. 44 an Aac = Ä/' BDbdr. 49 dd ADa = doch Bbdf. 51 wolde ane Ab (ane rvolde Dj = het an Badr. 67 gesaz K = saz BDbf (ging sltJ,

77 ichz Aa = ichn Bcdfr. 77 niht gende A = gende niht Bfr (nicht a. geende cd>. 78 ABd (?) = zu streichen mit Dabrf.

78 ich Aac*==2cÄ iu BDbd. Die interpunktion in z. 76 8 ist nicht zu ertragen: 76. 7 kann nicht nachsatz sein; dieser be- ginnt vielmehr erst mit 78, und 76. 7 bilden einen erläutern- den Zwischensatz, der also in klammern zu schliessen ist. 79 schuttez ^= schütte in Dbcdr (B). 87 da A = zu streichen mit Dabdf (von im Bj, 90 als in dem lastr ich wart gesehen con- jektur (also indeme laster da hi ane wart gesien A, als ich in dem laHer wart gesehen ab^ = m dem laster ^nd (als df) ich wart (was T>cäjgesehe7i BDcdf; die letztere lesart ist zu fest be- glaubigt, als dass man eine andere zu gründe legen könnte; man könnte höchstens zweifelhaft sein, ob als oder und das ursprünglichere ist; dass wid sonst nicht bei Hartmann als Stellvertreter des relativpronomens vorkommt, beweist noch nicht, dass er es nicht an dieser einzigen stelle gebraucht haben könnte, da es bei andeien gleichzeitigen dichtem voll- kommen gesichert, aber immer nicht häufig ist; wie bedenklich diese von Lachmann so oft angewendete art des beweises ist, hat schon Pfeiflfer bemerkt. 92 minen Ad = mir den Dabr (mir minen BtJ. 97 niene A = niht BDabdf. 97 künde Aa = kan BDbdfr.

802 er = der alle liss. L^; es ist ;2;^//(? zu kürzen. 02 sage Aci=sage ouch BDbfr. 04 ze A = die BDabcdf L^. 12 ers Ab = er Badr. 36 7?2ir Aa = mir ouch Bbdf (ouch mir DJ. 40 bceste A\)i=^ aller hceste Dbd cf, Chrest 616 tot le pis que

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364 PAUL

ele set 45 vil = ze vil alle hss., auch f L*. 47 ichn mac Af (ich enkan }>) = nun magich BDacd L K 62 erz mir Aa = er mirz BDbdc. 73 und in conjektur (un aisin A, und es cj = unz ez Dab fwan unz ez Bd, wan in klammer LV; darauf ist dann wider mit L ^ " ein punkt nach 72, ein komma nach 73 zu setzen; nach der lesart der zweiten ausgäbe wäre not- wendig als gegensatz zu ergänzen, 'aber der fängt den streit an, welchem der andere den ersten schlag nicht verträgt', wäh- rend es doch sonnenklar ist, dass der dichter meint 'der be- ginnt den streit, welcher den ersten schlag sich nicht gefallen lässt\ 81 was erwachet A = erwachte BDabd. 89zt^Ab = mit Bacdfr fbi DJ] sie waren aufgestanden cf, 85.

905 riterHchen a = ritterlich und ABDdf L^ Bech. (rit- terlichen und hj, 11 sprach Ab = gedähte BDacdfr. 13 mir Wirt A = mim werde BDabd L^ Bech. 17 des = des strites alle hss. (ABDabcdfr) L^ Bech; letzteres erträgt der vers sehr wohl, denn an einem doppelten auftakte wie alsd kann nie- mand begründeten anstoss nehmen; die widerholuhg ist durch- aus dem sprachgebrauche angemessener als die ergänzimg. 21 erbttet Ad (arbeitet ßj = bitet BDacf Bech. 22 enstrttet A2^c = stritet BDbd. 48 künde D (schone kan hj = künde gewin- nen und Badf L ^ Bech {gewinnen und c, kan in der vorher- gehenden zeile); der auftakt künde ist nicht zu schwer, da in den praeteritis die abwerfung des e häufig ist. 57 ^n AD = den Bbcd (daz a^. 64 Aac = hin na BDbdf. 81 Jeneme Ad (gern SiJ = einem BDbf (dem gJ? 82 vor Abf = von BDad 84 vil ab (vol k) = zu streichen mit BDd. 98 nime (nimer LU = nicht cf. s. 350.

1004 verstuont Ad = verstuont sich BDab Bech. Nach 12 wird besser ein punkt und das kolon nach 13 gesetzt: so sehr verlangten sie nach dem zusammenstoss, dass etc. 18 beide Aa = zu streichen mit BDbd. 22 solt AD = und solde Babcd. 24 die Aa = den BDcdf. 29 harte AD (vaste äj == zu streichen mit Babcf. 37 wart Ab = wart da BDdf. 4S und AiQ=unzBDfL^ (biz SibJ: dann ist mitL^ hinter 46 ein punkt zu setzen und in 47 die klammer zu streichen; stünde und, so würde Hartmann nicht 6in ding, sondern zwei dinge sagen.

1100 enmeit Adf = vermeit BDabc. 13 ez Ac == md

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h:ä.ndschriftenverhaeltnis des IWEIN. 365

BDacdf. 19 lac Aa = gelac BDbdf. 39 da vor AB vor des Dbdf (vor aj. 50 niht über lanc A fuber unlancke h) = des {daz B) was niht lanc BDd (nicht lanck slJ. 51 zuo im üz A (uz un in 1&) = zuo im Dacdf (zu ym ein b^; vergleiche indessen s. 326. 68 kürzer Aa = dirre BDbf (der A). 83 do Ab= da Baed (einzig richtig). 83 sprach Ab = gesprach BDd (besprach slcJ. 88 doch Ad = zu streichen mit BDabf. 91 ich wcere ir grüeze westlich wert conjektur = ichn wcere ir gruozes (gruoze A Bech) niht s8 wol (nicht wol a, do nicht b, niht De, vw-f, niht s6 BechJ wert ABDabcd L^ Bech. Durch eine ganz gewaltsame änderung schafft Lachmann einen sinn, der sich weder mit dem voraufgehenden noch mit dem folgen- den verträgt; besteht die unhövescheit der Lunete bloss darin, dass sie erwartet gegrüsst zu werden, und kann ihr diese er- wartung bei den rittern, die ihr dieselbe ich weiss nicht woran ansehen, schaden? Die richtige erklärung von 91. 2 hat Be- necke gegeben und dieselbe wird zum überfluss noch bestätigt durch ehrest 1004 flf. espoir si ne ful pas si sage, si cortoise, ne de tel estre, come pucele deust estre. Wie man an einem so einfachen gedanken anstoss nehmen kann, würde unbegreif- lich sein. Aber der gedanke ist es eben nicht, an dem Lach- mann zuerst angestossen hat, sondern das metrum. Um seine metrischen principien zu retten hat er hier wie an andern stellen durch alle möglichen Spitzfindigkeiten sich und andere zu überreden gesucht, dass auch der sinn eine änderung ver- lange. Am metrum hat auch Bech anstoss genommen und deshalb wol gestrichen, welches aber durch die autorität von ABad gesichert ist und eher ausfallen als zugesetzt werden konnte. Weniger durch die Überlieferung gesichert ist so, aber nicht gut zu entbehren. Bechs Vermutung borwert hat gar kei- nen anhält, und ich weiss nicht, was damit genützt ist. Eine Schwierigkeit ist allerdings vorhanden in z. 90. Nämlich üf geleit bedeutet in den sonst bekannten stellen immer 'ausge- dacht, ersonnen', nicht 'vermutet', wie es hier der fall sein müste. Diese Schwierigkeit aber wird durch Lachmanns ände- rung nicht beseitigt. Wir werden doch wol die letztere bedeu- tung zugeben müssen, da Beneckes erklärung sich durch nichts stützen lässt. Sie scheint auch durch das französische bestä- tigt zu werden. Zwar espoir könnte schon durch ich weiz 88

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366 PAUL .

übersetzt sein; aber gerade das alsd het ich üf geleit ent- spricht doch zu genau dem espoir si,

1206 und conjektur = die ml Dadc funz Bf L^, bisz b>; dergleichen Schwankungen sind so gewöhnlich und so erklär- lich, dass man sie nicht aus einer ungewöhnlichen verlorenen lesart abzuleiten braucht. 07 gevinden Aa == vinden BDd (be- finden bc^. 35 an Ad = in Babdf cf. Chrest. 1028 mes ii co- vient que Ven Vanpoint si qu'el point soit la pierre enclose. 37 leides Acdf = arges BDab cf. 1405. 38 iuch AD = iuch für- namens (hynamen ab, fürwar cd, sicher i) Babcdf. 38 ensihi A = siht BDabcdf. 51 ende B = enden Dabd Bech ('wohl vorzuziehen' L.). 77 sehenden conjektur = gesehenden BDbd (semge a>.

1300 enteret in Ad = nert (gener et slJ in ein BDabcf. 03 diu AD = diu guote Bacd und demnach wird, was nach der handschriftlichen autorität nicht zu entscheiden ist, vorher statt vriundin ADd zu setzen sein vriunt Bac; über vriunt von frauen gebraucht cf. mhd. wb. III, 412*. 10 öz A = vürder Dbdf (von ir a, fehlt B^ L^. 12 ezn Db == wan ezn ABacd hK 33 tmd AEd = zu streichen mit Babc. 43 riene (ne ne AJ = niht Eacd (niht en Bb, iht D Bech. 54 rf BE = ir ADabdf. 60 andersiunt A == aw der stunt die übrigen, auch f. . 65 gesach A (ersach DJ == rehte ersach BEabcdf. 66 rief Abc = ruofte BEa (roufte sich D, seu/fte f). 76 under ,= und under cf. s. 358. 86 ouch Ad = zu streichen mit BDEabcf. 88 niene A (nie B; = niht DEabd. 97 ^/az AD= JizBEabdf.

1400 ouch A = zu streichen mit BDEad (nu c, aber nu hj. 10 vollem almuosn unde = almuosn und mit cf. s. 358. 18 der herre A = her (der herrc Bcd> Iwein BDEabcd Pfei- ffer Germ. 4, 194. 20 manegem ADbf == vil manegem BEaed. 25 dähte A = gedähte BDEabcdf Bech. 46 diu not enwas A (des not die was ej ouch enwas diu not BDEabd Bech. 47 tUene AE = niht en BDab (nit gJ. 51 beschouwen Aad = schouwen (?) BDEbc. 53 michel Aad = gröze BDEbcf. 68 unsceligez Aad = unscelec (?) BDEbc. 75 ie ADcf = hie (?) BEabd. 78 ge- sach AE = ersach BDacdf (sach hj. 84 wider Ab = nider BDEadf. 87 geriet Abd = riet BDEac.

1500 tumbe gedanke (gedanken AsiJ = tumben gedatic BDEcdf. 09 ir ab Ad == aber ir BDcf (ir hj. 22 däht er =

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I HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 367

i geddht er alle. 24 ze hove A :=» zu streichen mit allen ttbri- I gen (auch f) L^ 27 niht AD = ze hove Bad (ze hove niht Ecf scheint fast nach der autorität der hss. das richtige zu sein, und man mttste sich dann mit dem metrum abfinden). 42 siner BEb = ze siner ADacdf. 43 ze ==«= zem cf. s. 358. 48 der A fir dj = umbe ir BEacf fum die DJ, 48 wunde (nnmd dj = wunden ABDEacf. 50 dan ADb = dan diu BEacdf (das pronomen ist unentbehrlich). 57 Minne A »= diu mme BEadf (frou mnne Dj cf. s. 294. 59 stai AD = arme stat Bad; es muss nach dem folgenden vorausgesetzt werden, dass ein herabsetzendes epitheton auch schon hier gestanden hat cf. ehrest 1383 que preuz faitj quant de malves leusere- trcUL &0 da es d (dar es si A, dar si DJ ^= da ir BEad; man würde die minne nicht bitten sich zu zerteilen, sondern an einen ort hinzukommen; diesem sinne entspricht die lesart von B wie die von D, während A eine unmögliche mischung zweier eonstruktionen enthält. 78 diche Aa = ofte BDEdf. 84 alswä conjektur = wol attez Dd fallez wol a, allez ABE^. 86 gene- sen AE = geniezen BDadf (vielleicht des geniezen nach Da, d hat sys nu gj\ darauf ist ein kolon statt des punktes hinter län zu setzen, denn es folgt, wovon die minne vorteil haben soll. 87 si em^elte hie A = si hat erweit (fehlt DEaf) DEadf (dazs ir nu weit Bj. 99 ab ersach faber sach A Bech) = eine ersach Bcdf L^ f ersach Db, an gesah E, gesach a^; der sinn der stelle ist: als Iwein sah, dass die frau, trotzdem sie allein war, doch ebenso klagte wie vor den leuten und da- durch ihre treue und die aufrichtigkeit ihres Schmerzes er- kannte.

1606 alsd Ab = sd BDEacd 10 eiä Aa = ja BDEbcd (ach i). 11 ^^ Ad = ffit mir BDEabc. 25 wirt AEa = und Wirt BDbcdf. 28 rf ADabf = si ir BEcd (?) 34 ich AEf = ich BDabd. 39 triut conjektur = trüwe ABEc L^ Bech (getruwe aDd, kan bf). 45 ze wandet BE = ir ze wandet Dadf (zu wandet ir h). 57 Minne conjektur = diu minne BDEcdfL^ (fraw mynne a. myn frauwe m, b^; inwiefern hier die Varianten deutlich Miwae als das echte zeigen sollen, ver- mag ich nicht einzusehen; können nicht zwei junge hss. diu in frouwe geändert haben ? 55 dazn ist A = daz ist BEb (diss ist a, die ist d^ ez chumt D). 59 unbescheiden conjektur = unbeschei-

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368 PAUL

denHchen BDEcf (unbesceindenliche A, unheschaidenlich d, wnhe- scheidenliche L\ iemerlichin a^; auf die frage Lachmanns ^wie unverständig ist denn die minne bisher verfahren?' hat schon Benecke die vollständig befriedigende antwort gegeben, näm- lich so, dass sie nur den Iwein mit liebe entzündet anstatt das auch der Laudine oder keinem von beiden zu tun; es könnte sich höchstens vielleicht fragen, ob man hier nicht ge- gen die überwiegende autorität der hss. das schliessende n weg- zulassen berechtigt wäre. 60 solde Aa = tvolde BDEcd (wü f;. 78 gienge ADc = gierigen BEabd 81 Für daz Acdf wird da BEb (Sit D, so slJ und darauf ein komma nach 83 zu setzen sein; jedenfalls ist daz nicht erträglich; outve wird zwar nicht bloss als klageruf^ sondern auch zum ausdruck der Sehnsucht und bewunderung gebraucht, aber outve daz heisst niemals etwas anderes als 'wehe darüber dass', und Iwein kann es doch nicht bejammern, dass die frau in ihrer betrübnis noch so wonniglich ist ; man vergl. nun Chrest .1490 Bon ne fast ce mervoille fine a esgarder, s'ele fust liee, quant ele est or si bele iriee; diesem sinne entspricht genau sit, welches aber nur von D gewährt wird; es scheint, dass wir dem da bereits die neuhochdeutsche bedeutung = mhd sit zuerkennen müssen: kaum anders lässt sich befriedigend erklären Trist 21. 22 er unde lop diu schephent list, da list ze lobe geschaffen ist 'ehre und lob bringen kunst hervor, da die kunst dazu geschaffen ist gelobt zu werden'; vielleicht lässt sich so auch Iw. 56 da verteidigen; möglich dass bei genauem aufmerken sich noch mehr dergleichen stellen finden.

1720 Iierze = herze sticont und darauf ist stuont in 21 zu streichen; so haben alle hss. und L^ i\ dd an A (da an () = an BEab (das an c, des an dj. 35 alsrvä conjektur (an- ders Tvä Ab.J == anders Bbd (niht anders E, fehlt cf.). 44 lie- bren conjektur = Hebern tac ADEdL^ (sy sprach af, fehlt Bbc); weshalb soll hier tac 'elend widerholt' sein? es ist vielmehr unnatürlich bloss liebem zu widerholen; dass in mehreren hss. die widerholung ganz fehlt, gibt uns doch nicht die geringste veranlassung die halbe widerholung fftr richtig zu halten; den wahren grund zur änderung hat Lachmann verschwiegen: es soll sagt nicht in der Senkung stehen, und er schreibt deshalb, was erst nach auslassung von tac möglich wird, sagent, 71

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 360

daz AA = diz BDEab. 92 ir A = ir diu BDcdL^. cf. s. 294. 94 gevolget W^ = der (daz slJ volgeie DacdfL^ {volgete A).

1814 got sol mir den = dentdt sol mir got L^ cf. & 304. 24 wellet D (willet k) = weit BEdf. 24 brunnen D = den brunnen Eabf oder iuwern brunnen ABd(?). 39 kurzerme (kürzerem d, kurzer Aj = kurzem Dac (vil churzem BEb). 40 wil Ab *= kamen wil BDEacdf Bech. 41 ze E = zuo BDAL^ 41 kamen Ab = zu streichen hier mit BDEacdf Bech cf. s. 358. 46 ir Ad==ir gar BEabcdf. 48 an einen man AE (an nyemen dj = an ir einen BDabf. 52 tar Af = getar BDabd. 55 erkam ADf=öz erkam BEabcd. 1871 manec A = maneger BDabdf LI Bech. 72 dach Aaf = BDEbd. 76 dicke Aab = o/Ve BDEDf. 79 macs üz übelem E (mag sy van ubelime slJ'^ mac sus übel ABcdf L^ (m<ich die übel DJ. 79 muote (mueie Ej = gemuete ABDacd cf. 2007. 2051. 80 bekgren wal h^wal be- keren ABacdfL^ (wal bringen E, lihte nimmer bringen DE). 80. 81 guote A=giiete BL^ (die Schreibung von A beweist natürlich nichts). 82 muate d = gemüete ABEacL^.

1920 weere A = wcere danne DEabdf. 35 si Aad = zu streichen mit BDEbf. 38 schilte h = ze schilte ABDEacdfL* Bech. 38 sper A = ze sper BDEabcdfL* Bech. 40 sage Acf = hän BDEad Bech. 43 iun conjektur (m iu BEd) = in Dabf ALI Bech. 46 der Aa = zu streichen BDEbcd. 67 geztu- ges A (habe gezuges ab, hab getzeugn i) = erziuges BDE (be- zeug es dj. 67 iu A = nw BDad (wal E, fehlt bc). 74 zir AEa = ir zua BDcdf 80 doch Ab = aber Baedf (ab ir Ej.

2005 versuachten AD == verstwchte BEabcd; letzteres ist besser und wird notwendig, wenn im folgenden sich geschrie- ben wird. 06 si Acd=^ sich BDEbd. 08 muote ADdf^= ge- muete BEabc (?); demgemäss würde natürlich 07 güete zu setzen sein. 23 erkenne Da = erkenne ABEbdfL^ Bech. 43 rehte Aab = ze rehte BDcdf. 51 muate ADa ^=gemilete BEbcdf und danach 52 gilete cf. 1879. 53 machte im unschult conjektur = machte in (oder machtnj unschuldec nach allen hss. L^ Bech. Hinter 85 ist das fragezeichen zu streichen/ 86. 87 in klammem zu schliessen und 88 der statt der zu setzen cf. zu 2128. 89 burt k=^geburt die übrigen L^ Bech. 90 ander Aad = ander die BDE (ander disz c, so reich h), 96 daz AEb = daz von im BDcdf (da von ichi &J.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I, 25

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370 PAUL

2107 er heizet, vrouwe A (vrowe er heizet DE, sy sprach er h. aj = er heizet her Bbcf cf. Chrest. 1815 'comant a nmiV 'mes sire Fvains*. 09 AE (so slJ = deiswär y^B oder bloss deiswär Db (zwar cd), 11 künec = küneges alle hss. L^. 15 weisiü aber AD = weist aber du BEbf (weist aber du aber d, weist du a). 23 hiute Adf = zu streichen mit BDEab. 23 morne Aa = morgen Bt)Ebdf cf. s. 342. 23 geseJie AD = sehe BEabdf. 28 dazz conjektur = daz Acd (der BDb, der L^, d^z er a); das schwanken zwischen daz und der beruht darauf, dass die Schreiber das relativum entweder auf niht oder auf man bezogen; irgend ein zwingender grund in dazz zu ändern besteht nicht; daz steht eben wie so häufig nach einem so im regierenden satze, wo wir jetzt ^dass es' gebrauchen, welchen ziemlich gewöhnlichen, auch dem altfranzösischen eigenen ge- brauch des relativums Lachmann ganz verkannt zu haben scheint, da er immer an solchen stellen dazz oder der setzt Es hängt dies mit seiner allgemeinen neigung zusammen aus zwei verschiedenen lesarten durch combination eine dritte zu construieren, auch wenn die eine nur von einer einzigen schlech- ten hs. gewährt wird und wenn sie sich sehr leicht aus der andern erklären lässt. Mir scheint dies eine unberechtigte Übertragung der metho^e der elassischen philologie auf die mittelhochdeutsche textkritik. Denn dies verfahren setzt vor- aus^ dass eine hauptveranlassung zu ändörungen der Schreiber das misverständnis der Schreibung ihrer vorläge gewesen sei. Diese Voraussetzung ist für die lateinischen und griechischen hsß. begründet, weil diese mit mangelhafter kenntnis der spräche aus originalen voller abkürzungen abgeschrieben sind. Dagegen in den mittelhochdeutschen hss. kommen fast gar keine abkürzungen vor; die spräche war den Schreibern als ihre muttersprache vollkommen geläufig und änderte sich nicht in dem grade, dass nicht etwa oberdeutsche Schreiber aus dem ende des dreizehnten jahrh. einen oberdeutschen dichter aus dem anfang desselben vollkommen verstanden haben sollten ausser bei wirklichen Schwierigkeiten des gedankens. Die än- derungen entsprangen daher zum bei weiten kleinsten teil aus misverständnis, sondern weit überwiegend aus willkür der Schreiber, denen es keine Schwierigkeit machte sich in ihrer muttersprache frei zu bewegen cf. s. 299. 3.1 volg et (volget

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 371

A) = volge die übrigen, auch f cf. s. 304. 38 häts (hat dn ABd) = habe sin DEcf (hdbez ab). 50 morne Aa = morgen BDEbcd. 56 enwirt Ac = und enrvirt die übrigen. 60 vürht ez ADb = ßrhte deiz Bacdf. 66 uz Ac = üf BDEbd; diu rede ist üf ir rvege gar bedeutet; die rede (dass ihr einen mann zur Verteidigung des brunnens wählen woUt) liegt ganz auf ihrem wege, kommt ihnen sehr gelegen. 80 geriet BEb = riet Dadf. 86 da niender AEd = doch da Tuender (doch niender BD, doch da nicht ac). 99 in BE = im ADbd.

2208 ouch Ad = zu streichen mit BDEab. 9 sd AD = also Eabdf. (als Bj. 15 genc Ab = (und dj genc BDEacdf. 17. 18 also gemeRche (vroelic/ieh^), do gebär ie si geHche = dd ge- barte si geHche durch ir gemeHche Bech cf. s. 340. 61 schos- nez Aaf = schosne BDEbd. 63 danc Acf «= sinen danc BDad. 92 's niht Aa (niht EJ = nihtes BDbdf.

2300 niene Ad (nu cj = niht BDEab. 05 guot Aad = muot BDEbcf (?). 07 niht Aaf (nirgent cj = zu streichen mit BDEbd. 14 ich ADb = ich e Bcdf (ich ye SiJ; e ist nicht gut zu entbehren : das land muss ich lieber mit einem manne, der es beschützt, versehen, ehe ich es verliere. 15 eim (eime Aa) = einem BDbd. 21 ff. ist die Interpunktion der ersten aufläge wider herzustellen; Bech hat mit recht die grosse klammer von 22 32 gestrichen; aber sein komma nach 21 und kolon nach 23 sind gewis keine Verbesserungen. 26 vrem- den AEb = vremder BDad (geste f). 69 diu ^=^ deUe alle hss. L^ Bech. 73 gesähen Abc = sähen BDEad. 75 s€ehen A = gescehen BDabdf. 94 dehein (nie kein L^ = nie dehein dinc cf. s. 298.

2406 inner zehen = in vierzehen alle hss. nur E in Z7velf\ Chrestiens hat nacli Holland 2085 einpois que la quinzaine,past, 12 burt*= geburt alle hss. L^ Bech. 12 und A = und sin BDabd; der vers ist zu lesen des Httrs gburt und sin vrümek- heit, 24 burt A = geburt die übrigen L^ Bech. 40 vollecH- eher b (volUcher k) = s6 vollecHchiu BDEd (so sulche SiJ. 62 wie er sluoc und wie er stach Aa = ouwe wie er sluoc und stach. 66 zwäre Ad{=^deiswär BDEa (fehlt b). 71 da ABb = daz DEadf

2501 der = der alle hss. IJ cf. zu 2128. 17 Ab = her BDdf (fehlt Ea). 26 sit AEc = sit daz BDabdf. 30 Äo»-

25*

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372 PAUL

gm Aab = hangend BDEdf. 31 vol des Aac = vollez BDEbd 38 daz es (sin i) alle die verdröz Aaf = daz alle die da v. BDEbd, 72 niht conjektur = anders niht ABEbfL^ Bech (nicht anders d, anders und dann keynen Da). 78 unire a = ere ABDEbcdL^; gedenken üf wird gerade wie raten üf im schlim- men sinne gebraucht werden kjonnen: etwas gegen jemand oder gegen etwas im schilde flikren; der eigentliche bestim- mungsgrund für Lachmann die änderung von a aufzunehmen war wol die absieht 4 hebungen herzustellen. 79 was ADa = wart Bbcdf.

2604 heizet ADa = herre heizet Bbcdf. 08 gewinne ius = gewinnes tu alle hss. L^. 48 und sins AEd == und des BDah. 55 dazn A = dane BDcdL^ 67 69 ist mit den hss., L^ und Bech zu schreiben: unsers werden gastes, zwäre du hästes iemer Ion wider mich. Um einer willkürlich angenommenen reim- regel willen, die auch 2112 gebrochen ist (denn die dort an- gebrachte entschuldigung ist doch höchst sonderbarer art), wird zunächst eine conjektur gemacht, welche besteht in der ein- schiebung eines mtissigen flickwortes und der annähme eines unerhörten enjambements, für welches eine analogie nirgends anders hergeholt werden konnte als aus einem Ulrich von Türheim, und zwar eine analogie, die wegen der ganz andern 6lT ie angenommenen bedeutung nicht einmal passt. Dann, weil das so conjicierte wider einer willkürlich angesetzten versregel widerspricht, wird darin eine neue conjektur ge- macht. Und schliesslich wird dann behauptet, dass der sinn die änderungen gefordert habe. Aber dieser angeblich ver- langte sinn ist doch nur dem dichter willkürlich untergescho- ben. Es ist auch nicht einmal der versuch gemacht nachzu- weisen, dass das überlieferte nicht dem zusammenhange ange- messen sei, ein versuch, der freilich nicht gelingen konnte. Ausserdem, dass du hast Ion wider mich heissen könnte *du hast lohn für mich' möchte doch wol erst durch parallelstellen zu belegen sein.

2704 selleschaß == geselleschaß alle hss. L^ Bech. 19 von ADa = ÄÖ Bbd (in so cf); die praepositionen sind wol späte- rer Zusatz; ich weiss allerdings kein beispiel von nem mit dem gen., aber emem ist im mhd. wb. nachgewiesen. 39 niht Aabdf = iht BDE; letzteres ist wie gewöhnlich in den jünge-

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 373

ren hss. durch ersteres ersetzt. 93 also Aa = s6 Bbd (fehlt D). 98 et = zu streichen mit den hss. L^ Bech.

2807 vil AEd = zu streichen mit BDabf. 07 manec = ma- neger die hss. L^. 16 ode Ad = und BDEabf. 18 rf AEa = sin BDcd. 52 swer Aa = der BDbdf. 52 ^z D = ere ABEabdfLi Bech. 53 cUu = deste die hss. L^ Bech. 53 dicker Aa = öfter BDbdfLi. 57 riterschaft Ad = ritterschefte BDab Bech. 68 däne Ad = da BDEbcf. 68 ^ = sich cf. s. 350. 72 dicke Ab = ofte BDadf. 73 manec A = manegiu BDEcd. 76 ^ a^ des A (er des SiJ = abferj ers BDcdfL^. 80 ein ADE = ein richez Bacdf. 95 diu kint Aac == kint BDd. 98 gebringen Ad == brin- gen BDacf.

2900 ich Aab = ic?is BDd fich sein cf). dann wandeis Aa = wandet BDbcdf cf. s. 344. 06 michel AEb = michets BDacd. 17 ^r ADf = er st BEabcd. 20 er ADb = er si Bacdf. 38 enkumt ir [uns h] wider niht Ab = ir enkumt uns (denne SiJ wider BDEacd. 39 ^z A == ez uns DbcdL^ funs daz B, uns D). 41 nach BE = nach den Dbcf (na der Aad). 79 sagt ez Aaf = mgt irz Bb (seitez ir Dd. 80 wand ez Adf = ez BDEab. 80 mir AD == mir ouch Ead, auch mir Bb. 83 entriuwen Ad (E hat es vorher) = zu streichen mit BDabf.

3015 ruorte Af = geruorte BDbd (berurie slJ. 17 dicke Aa = o/te BDbdf. 20 torst Aaf = getorste BDbcd. 23 ^/az gesach AB = gesach Dabcdf. 33 ^^//m A = gesellen die tibri- gen LI Bech. 56 ^z Abc = sm BDadf. 57 ez ein A = daz BDabd = ^<?az daz E, ^fcÄ rfaz f); dann gevienc Adf = an gevienc ab (an vienc BD); es war wol an in der vorläge von Ad ausgefallen, und A suchte dann wider einen sinn herzu- stellen. 58 ouwest = ougest cf. s. 342. 71 die besten ADf = dne besten Bbd (dy synen a). 76 dicke Aa = ofte BDbd (fehlt E). 84 er dähte A = er gedähte Badf (in duht DEb). 96 «<^ä^ Aa (nahnte D) = nähten Bbdf (?) und dann bossiu mit BD. 98 dicke Aa = ofte BDcdf.

3129 6?«z rf sich = wm? flfaz y? sich BDEbcdL^ (und sich af, die sih A); es ist kein grund von der tlberlieferung abzu- weichen; man lese des verses wegen grechen. 38 schome A (geburt Db) == ir schome Bacdf. 38 richeit ADb = ir richeit Bacdf. 50 schult AD = schulde Babd. 54 daz Aab = der BDdf; das relativum, wenn es sich auf mehrere substantiva

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374 PAUL

bezieht, pflegt nach dem letzten construiert zu werden, und Ungemach gebraucht Hartmann als masc. 57 unz A (Uz a) = unz daz Bcdf (daz Db). 62 wol Eab (vol A) = ze wol BDcdf. 66 Ad = zu streichen mit BDabcf, 79 ein vol con- jektur = ein wol ABdL^ (wol ein Ef, ein so a, ein b, dehein D) cf. meine anm. zu Greg. 895. 82 von dirre Aa = /ur dise BDbdf ; ebenso 90.

3215 beide AD=vil (so a) gar die (all f) BGabdf. 19 hörte A = gehörte BBGabcdfL* Bech. 25. 26 über diese stelle handelt Pfeiffer Germ. 3, 338 flf. ; er rtlgt mit recht die Ver- mischung zweier ganz verschiedenen lesarten durch Lachmann; nach der beobachtung der handschriftlichen autorität wtirde man hier auf nichts anderes kommen als er ahte üf man noch üf wip, niuwan üf sin selbes Hp (so hat auch f ) ; aber Pfeiffer hat schlagend dargetan, dass der Zusammenhang verlangt er hazte weder man noch wip, niuwan sin selbes Hp; unbekannt war ihm, dass diese lesart durch das französische bestätigt wird, cf. ehrest. 2790 ne het tant rien com lui meisme; wir sehen uns demnach geujotigt hier ein ganz eignes spiel des Zufalls anzunehmen, wodurch fast alle hss. in gleicher weise verderbt wurden; zu beachten ist übrigens, dass nicht bloss hazte (hate) in Ba bewahrt ist, sondern auch in dem hatt ez von a eine spur davon und in d trotz der änderung in ahte die ursprüngliche construktion. 29 Aac = BDGbd. 79 hungemöt = hungers not cf. s. 332. 86 nie Aa ==» niht BGdDb. 87 wan A = niuwan BDEL^ Bech (nuwert a, nur bf, nu d). eineriy einigen Asibf = einigen BDEdL^ Bech; cf. dessen anm. 98 und Ad = so BDGabf.

3300 verdähter AEh =bedähter BDGacdf. 21 der töre AGa = die tören BDEbd (toren f ). 33 ditz ie A (es ie b) = ie ditz DEdL^ (ie daz BGa), 47 unz A (biz a) = unz daz BDGbdf. 61 unz Aaf = unz daz BDGbd Bech. 65 a (nach B) = nähen ADEbcdfL^ Bech. 72 kann die aus ABb aufge- nommene lesart nicht richtig sein; man müste erst nachweisen, dass jehen einfach 'erzählen, berichten' bedeuten und einen indirekten fragesatz nach sich haben könnte. Ohne anstoss dagegen und besser beglaubigt ist die lesart von Dcdf: nu duht er si ein gevellich (sittig f, siecher c, scMckerlich d) man, welcher sich auch die von E näher anschliesst: si gedaht ditz

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HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 375

ist ein schihUch man und die von a : sy gedachte ez ist der man. Es ist dann der fragesatz abhängig zu machen von daz was ein gengez mcere. Fraglich bleibt, wie das epitheton zu man ursprünglich gelautet hat. Am nächsten stimmen E und d zu- sammen, an die sich auch c und f näher anschliessen als an D. Diese hss. scheinen fast auf schickelich zu führen, welches ich aber im mhd. nicht nachzuweisen vermag.

3408 daz Abf = vrouwe daz BDd Bech (vrowe Ea). 08 ir AD = zu streichen mit BEadf Bech. 10 ob vor lange mit BDbL^ Bech einzusetzen ist, bleibt sehr zweifelhaft. 12 schiere überwunden hat == der wirt iu buoz unde rät L^ Bech cf. s. 302. 13 ober wirdet (ober wirt A, wirt er dez liebes D) = ob er von uns (iu B) wirt BEcdfL^ (wirt er von uns ab); inwiefern der Zusatz von uns 'den einfachen ausdruck des gefühls' stört ist nair nicht fassbar cf. s. 294. 22 tuon ABb(c?) = getuon DEad. 22 vil guoten Ac = wol DEad (vil schiere Bb, snelle. f). 72 rdene A (nie d) = niht BDEab. 73. 74 sind wider in den text einzusetzen: unz si in allenthalben bestreich; da zuo ^ vil stille sweich; über die zahlentheorie , welche flir Lachmann bei der ausstossung gegen alle hss. massgebend war, brauche ich wol kein wort mehr zu verlieren; der zweite hauptgrund, -der ihn bestimmte und der hier gar nicht erwähnt wird (cf Benecke zu 4431), die anstössigkeit des reimes sweich: bestreich ist ebenfalls hinfällig, cf meine abhandlung 'Gab es eine mittel- hochdeutsche Schriftsprache?' s. 26 fi. und diese beitrage s. 182. Die kurze vorausnähme dessen, was im folgenden ausführlich beschrieben wird, darf uns keinen anstoss erregen; sie findet sich ebenso im franz. Es heisst 2985 et prant Voignement, sil en oint, tant com en la boiste an ot point; et tant sa garison covoite, que de foindre par tot esploite. Darauf fährt Ohrestiens mit tautologieen fort: si le met trestot en despanse; que ne li chant de la desfance sa dame, ne ne l'en sovient; plus en i met, qu^il ne covient, molt bien, ce li est vis, femploie. Hieraus konn- ten bei Hartmann 75. 76 entsteheff: statt der erwähnung des Verbotes, welche erst 82 kommt, dient hier das epitheton edel. Die form der widerholung bei Hartmann ist offenbar eine ab- sichtliche, rhetorische, fast in Gottfrieds weise. Der zeile 2988 bei Chr. entspricht deutlich Hartmanns unz si in allenthalben be- streich. Es wird dann erst wie bei Hartmann das bestreichen

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376 PAUL

der einzelnen glieder geschildert. Dass die Jungfrau dazu ge- schwiegen hat, wird bei Chrestiens nicht erwähnt; aber schon vorher 71. 72 hat Hartmann selbständig hinzugefügt, dass sie leise hinzugeschlichen sei, damit Iwein ihrer nicht gewahr würde. 84 esn dühtes (esn duhte si BL^, des ne duhte si A) == sine dühtes DEacdf.

3512 imme = immer alle hss. (auch f) L^ Bech; der satz wird von Bech mit recht als ein selbständiger Wunschsatz ge- fasst; Lachmanns bemerkung, dass das klagende rväfen nicht zu dem Wunschsätze passe, kann uns nicht beirren; denn wer zwingt uns wäfen unmittelbar damit zu verbinden, wobei der wünsch ja wider zur bedingung gemacht würde; Iwein stösst einen klageruf über seinen zustand ^aus und lässt darauf einen wünsch folgen; was ist daran unangemessenes? übrigens ist es im gründe doch auch nichts anderes, wenn ouwe vor einen Wunschsatz tritt; dasselbe hat dann nicht eine ganz andere bedeutung als sonst, sondern es ist ein klageruf über den ge- genwärtigen zustand, in welchem der wünsch noch nicht er- füllt ist 13 man Acd = zu streichen mit BDab. 13 mir mn troum hat A {min troum hat mir D) = mir hat min troum BEabcdf. 14 rtchez A {richliches D) = ritterltchez Bcdf {ringes b, nmn- nechlichez Ea). 28 schoene Aa = zu streichen mit BDhcd {w^de f). 28 hat L^ unde in eckiger klammer nach vrowea ohne Variante; danach müste man annehmen, dass dies in allen hss. steht (D hat es); aber in den folgenden auflagen fehlt es, ohne dass eine Variante angegeben wird; wenn es, wie wahrscheinlich, in den hss. steht, ist es beizubehalten. 39 die B = der DEbdf {des Aa). 57 ich ein gebäre AD== ein gebüre ich BEbd. 58 fv{er ABb = und rvcere DEadf. 68 als {als A, nis sy a) = als ez BDEbdfL^ Bech; wir haben hier natürlich in A weiter nichts als wider eine einfache auslas- sung, aber nicht die erhaltung des ursprünglichen. 76 i»in herze Adf = daz herze BDEab. 90 nu sints auch A {sy sint ab) = sin {sins Ec) ouch min BDEcdfL^ Bech. 91 tvaz Ad = waz BDEb.

3610 sd Ad = als BDEabcf. 11 rie/'=ruofte DEabcdf (A fehlt). 13 ist vor kunt nait allen hss. weere einzusetzen. 14 rief AB = ruofte DEabcdf, 20 gehabt d = unde habt {ge- habt D) BDEacdf Bech ; das asyndeton ist nicht zu ertragen,

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 377

37 ist mit allen hss. und L^ vorn ^ sprach einzusetzen; dar- aus dass er (rf) sprach fehlen kann und oft fehlt, folgt noch nicht, dass man es überall entfernen muss, auch wenn es wie hier und sehr häufig durch die beste autorität gesichert ist; es ist allerdings ein billiges vergnügen, welches man sich jetzt gern nach Lachmanns Vorgang zu machen pflegt, es überall zu streichen, wo es das metrum irgend erlaubt 49 spise unde bade conjektur = von spise und von bade ABDbdfL^ (spise und von bade Bech, ganz willkürlich und gewis ohne alle analogie); woher weiss Lachmann, dass die Schreiber in der widerauf- nahme der praeposition strenger sind als die dichter? er kann keinen andern anhaltspunkt dafür haben als die beobachtung, dass durch die widerauftiahme seine metrischen regeln verletzt werden; aber daraus kann nur eben gefolgert werden, dass diese regeln für die dichter nicht existieren; denn die wider- holung der präposition ist geradezu gesetz, cf. Benecke zu 6861. 59 bereite Ab = beredete DEcd {dy gut b). 64 was Aa == ist BDEbdf. 66 m = da ADbdf. 69 an AE {uf D)=unz (biz a) an Babdf. 75 starker A (so starche BdL^ Bech) = also sere DEabf (Bech stellt nie mit B um; das scheint mir nicht nur unnötig, sondern auch unangemessen; daz mich nie dehein val sd starke gemuote bedeutet 'es kam niemals ein fall vor, der mich so schmerzte'; dagegen daz mich dehein val sd starke nie g. würde bedeuten 'kein fall quälte mich während der zeit, dass er mich betraf, jemals so sehr\ was natürlich ver- kehrt sein würde. 75 enmuote A (mute D) = gemuote Babdf 84 beider nH rvol Ad = wol beider BEabf (wol D). 97 rvart AD = wart also BEabd (wart als f). 99 daz Aa = den BDbdf

3700 ors A = ros Babd. 04 sach man A = dd sähen st BDbdfL^ (sahen si E?, sehin a). 05 Aliern B (aliere A) = Aliers Dabdf 10 der Af = zu streichen mit BDEbd; dann muss na- türlich das komma vorher wegfallen. 15 nach e = nach (nach gar dU) cf s. 305. 25 dicke Aa = ofte BDbdf 37 brach AEd = zebrach BDabd. 41 unstatlichen A = unsteteHchen BE Bech (unstetL a, unstatichl, D, unstetigL bd). 52 biderbe ho- vesch = hövesch biderbe L^ cf. s. 329. 60 ungencedeclichen con- jektur = genendeßtichen Bb Bech (gencedechlichen Ed, endelich a, behendiglichen c, wnder liehe AL*); genendeclichen scheint nicht allgemein üblich gewesen zu sein, die enstellung von ge-

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nendic in gencedic haben auch im Gregor 1079 C und E; a und c weisen hier mehr auf genendeclichen als auf gemedeclichen hin; für un- ist gar kein anhält. 71 dä=^ dd L^ und 72 da = cf. s. 332-3. 96 dicke und A = ofte und BEbdfLi; die parallelstelle aus dem Rolandslied beweist nichts für einen oberdeutschen dichter.

3801 ander Aa = andern DEcd (fehlt B) cf. s. 342. 04 von = von stner Bech cf. s. 359. 08 bedühie Adf = dAhte BDEac. 09 in ir AEa = ir BDbcd. 12 und Ad = zu streichen mit BDEabf. 13 doch Aa = zu streichen mit BDEbodf. 15. 16 würben - verdürben AEb = würbe -verdürbe BacdL^ Bech (werve- verderbe!))] 17 hezen AE (Jant h) = Heze BacdL^ Bech Qaze D); 18 müezen E (müszen }:)) = müese Bech (müste 2icAy muoz BDLi); der Übergang der Schreiber aus dem singular in den plural begreift sich leichter als der umgekehrte. 32 von AEb = under BDadf. 37 sach Ab = ersach DEacdf {gesach B). 45 al A = also Ead {als D, vil B, hart b, vnmassn f). 57 hüe- ter AE = hüete BDbdL^ Bech (hüte man sl). 61 dahter A = wägte erz DEadf (tet er BbL^ Bech; dies ist natürlich nur eine der vielen änderungen der vorläge von Bb). 71 mit der A = W2rBDEabdf. 80 swar = swä cf. Greg. 3042. 94 do A = DdL^; im übrigen ist Lachmanns text beizubehalten cf. s. 331.

3906 dlz Ad = daz BDEabf. 08 wceher AD (weger b) = bezzer BEacd (vielleicht wceger); wceher kann nicht richtig sein, denn wcehe bedeutet 'von stattlichem äussern', daher aller- dings 'kunstvoir, aber nicht 'künstlich zubereitet' im gegen- satz zum rohen zustande. Es hat nun auch wenigstens der Schreiber von A nichts anderes gemeint als wceger y welches hier einen vollkommen passenden sinn geben würde und mög- licherweise als nicht sehr geläufiger ausdruck durch die Schrei- ber mit dem synonymen bezzer vertauscht ist. wehe ist eine mittel-, auch wol niederdeutsche nebenform von wcege, Sie findet sich unzweifelhaft an 9 stellen bei Herbort von Fritz- lar, die in^ mhd. wb. III 459^ unter wcehe gestellt sind. Man vergleiche nur zu einer stelle wie Tristan 5391 mit alse un- stützen mceren, daz si als wcege wceren verswigen alse vür bräht die stellen bei Herbort 11821 So ist ez also wehe Hie in grozzer nehe Als langer' gespert; 5916 Daz ist also wehe Daz ich es

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 379

vch bereite Als ich langer heite; 12129 So ist ez also wehe Daz ich dir sage minS mvt Als vrunt frunte tvt Als ich ez dir lenger hele] 13417 Ez ist also we in zit Als lafiger gebit (für gebeitet); 14599 Doch was ez also wehe Daz man balde sehe Waz man tvn mochte Als man ez vor zochte; 18050 Des duhte mich also wehe Daz ich sie sehe Uie die häde liefen Als wir beide sliefen ; vgl. noch 2100. 3649. 9486 im mhd. wb. Hierher gehört fer- ner Jerosch. 139.d si santin, als si dühte wehe, zurucke widir heim ir pfert und wol auch ib. 96. b eine wehe stat si da ir- weltin und 127.c doch was er vor den andern wehst und dem kunge nehst, denn an andern stellen 37.b lU.b steht wegst in demselben sinne und ist überhaupt auch sonst gebräuchlich cf. mhd. wb. III 648^ 35. Ferner zwei stellen aus Köpkes passional, die im mhd. wb. mit fragezeichen unter woehe ge- stellt sind: 581,3 die ir leben heten ir reinekeit ergeben und bliben dem vil wehe (geneigt, ergeben) und 513, 16 müste von in ditz enpfän als wehe als betwungen (eben so gut geneigt, freiwillig, als gezwungen). Hiemach erklärt sich vielleicht auch Frauenlop Ettm. 61, 10 swem diu manheit wwhet , der schämt sich zegeHcher tat ; wcehet könnte = wceget sein von einem sonst nicht nachgewiesenen, aber sehr wol denkbaren verbum wcegen, welches wie das starke wegen bedeuten würde ' sich günstig beweisen '. Was die lautliche erklärung der form wehe betrifft, so scheint es mir am wahrscheinlichsten, dass in der ausspräche g gar nicht in h übergegangen ist ; denn dafür fehlen alle analogieen. Ich möchte vielmehr das h nur als eine Schreibung für den weichen gutturalen reibelaut auffassen, die sich daraus erklärt, dass im mitteldeutschen in vielen fällen das alte h nach langem vokal in denselben übergieng, welches dann entweder g {sägen, geschägen) oder nach dem hochdeutschen lautwerte h geschrieben wurde; so mag man sieh gewöhnt haben das h als tönenden reibelaut auszusprechen und es daher auch zur bezeichnung desselben angewendet ha- ben, wo er nicht aus h entstanden ist, gerade wie umgekehrt häufig g im auslaute für altes h geschrieben wird. 15 alle zit AEa == zaller zit BDbdf. 27 im e conjektur = im ADEafL^ (im da Bbd); notwendig ist e weder für vers noch gedanken; dass CS in der folgenden zeile in einigen hss, steht, gibt uns nicht die geringste berechtigung es in diese zu einem ganss

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380 PAUL.

andern verbum zu setzen. 37 *o AE = also abcdf L^ {als BD). 44 vür conjektur = vo/^/e^ BDEdL^ Bech (wol A); cf. Bechs anmerkung. 48 und A = und im BDEacdf. 48 groze AEa = starke Bbdf (fehlt D). 50 wände Db = er (der a, un Eb) wände BEab (dazer A) cf. s. 335. 52 was im Ad = im was BDEa (ime ward b). 56 lebende Adf = lehendic DEab (lebendiger ß). 3970 deheine A = d'^Ä^m er^ DcdfL^ Bech ^^re Ea, nach eren muot B). Nach 84 ist wol ein komma; nach 88 ein punkt zu setzen: die betrübiiis dartiber, dass. 89 erbe = ere cf. s. 339. 92 des AEa = dem BDbd {den f ) und alles AE {aller a) = allem BD (a/m f, leyder h, fehlt D).

4006 mich = /»«> Bech cf. s. 357. Nach 23 ist ein komma zu setzen mit L^ Bech. 25 7 lies daz dehein sache von ma- negem ungemache also armiu möhte leben cf. s. 302. 3. 34 sam Ad = als DEabf {also B). 55 des AEd {daz f ) = dis Dab {disses B, diss'Bech); dises ist entschieden angemessener. ß2ie mere conjektur = iemer mere AEcfL^ oder vielleicht iemer sere d {sSre BD, vil sere b, also sere a). 66 lebende ABb (?) = lebenr dig Dacd {lebendigen E). 67 öwcä me^^ ^z conjektur = ouch istz {ist ez BDdfL^, nist iz k, ist b) niht ABDbdfL^ {ez[en a/ ist niht Ea). 71 wir ouch Ad = wjr BDEabf. 84 em dulte ABf (rf^r gedulte A = er (oder ^rn) wäi?^^ dulten DEab. 84 ^rre conjektur = zu streichen mit Ea {die ADL^, ir b, von in B, dannoch df); die verschiedenartigkeit der einschiebungen be- weist, dass im originale nichts stand, und ^ es ist auch nichts nötig. 90 starke AEd = groze BDabf. 95 ez ouch A '{auch df ) = daz BDEab.

4101 entrüw Ad = getrüwe BDEabc. 07 der Adf = daz ir Dab Bech {daz B). 15 iht k = des BDdf L^ (fehlt a). 26 daz ez Aac = daz BDbd, 63 suochende Ad = suochen BDEabf. 76 von Ad = üz BDEadf, 87 und alze Ad = und ze BDEab. 97 das es in sichs ist gewis nicht persönlich zu fassen, son- dern auf den folgenden satz und gap im zu beziehen.

4202 wan des Ad = des BDEabf. 05 bestcetet {bestceten B, besteten kan b) = bestatet DEacdf {bestanden ne mohte A; also nicht bloss in einigen hss. steht bestatet, wie Bech angibt; ein zweifei, was hier richtig ist, kann gar nicht bestehen, da be- stceten nur von den beiden engverwanten und, wie man sieht, nach ihrer gewohnheit auch hier willktlrlich ändernden hss.

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HANDSCHRIFTEN VERHAELTNIS DES IWEIN. 381

ßb gewährt wird. 06 hoh&en {holdem A) = höherem {hoherniBDEbf^ hoherme aL^ Bech, solchem hohen d). 13 bin Ad = bi7iz BDEab. 18 Sit AEa(?) = Sit daz BDbdf. 29 doch dm kämpf gesehen A = den kämpf [doch E, auch AJ sehen BDEabd. 39 wizzen = Tüizze L^ cf. s. 302. 40 erstirbe Ba = ersterbe ADb4f. 40 bevindet siz {[so] bevindet si L*) = äö si bevindet und dann 41 und daz ich = daz ich den cf. s. 333. 47 e ist conjektur = ez ist DEadfL^ {daz ist A, ouch ist B Bech, und ist auch b). 52 et E {oh A, ye f) = zu streichen mit BDabd. 52 unbewant A fungewant E) = übele bewant BDabdL^ 62 A {un Bb) = do DEadf. 62 wartz im ouch (wart is im oh A, wart im ouch Bech) = wart ez {es iL\ des D) im DadfL* {wart im E, wart im wol Bb). 63 er Abd = erz BEf {ez Da). 65 von Aa = vor BDbdf. 78 dn AD = sinen Babd. 79 herre AE = vriunt her BabdL* Bech. 93 was d {was denn E, was germmmen a) = was daz B {daz was f, geschach daz, diz was gescen A). 95 Gäwein = Gäwein was BDabf.

4304 seilen = gesellen alle L^ Bech. 06 hinnen Ab = von hinnen BDEadf. 12 zwäre Adf = deiswär BEab. 15 stüendez Aa = s tuende BDbd. 16 zg A = a/z^ BDabdf. 25 ^ör^^^ A = getorste BDEabdL^ Bech. 25 iuch wol A {uch sin aL^) = dn DEad. 27 m AD = einer BEabdf cf. s. 298. 33 sd Ab = als BDad (a&o E). 34 slüegen ouch danne A = dannoch {danne Ed) ^/ü^^m */ ouch (fehlt BDb) BDEabdf. 46 bewcerm {bewerin a) = bewam ABDEbdfL^; es ist absolut unnötig eine einzige späte hs. allen übrigen vorzuziehen, da bewarn einen guten sinn gibt : ich werde es verhüten, nämlich dass wir beide sterben. 52 und Ad = zu streichen mit BDEabf. 59 sach Adf = ersach BDEab. 62 und Ad = in BDab oder und in cf.- 74 engegen AE = gegen BDabdf. 77 von Adf = an BDEab. 79 wol ADf = BEabd. 94 üf dm Hp vil {sere a) Aa = ofte {diche BbLi) üf den Hp BDEbdL^ {auff den leib f). 95 vil diu A = deste BDEabf {der d).

4413 ein niht AD = enwiht BEabdf. 21 ist niht vor des mit allen hss. ABDEabdf und L* Bech wider herzustellen; sollte hier ein gegensatz zu listvreude bezeichent werden, so hätte auch vorher ein fragesatz stehen müssen (etwa welhiu listvreude ist), so dass eine doppelfrage entstanden wäre. 25 heten Aac = hele BDEd. 26 sigten == g es igten alle hss. L*

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382 PAUL

Bech cf. 8* 296. 29 danne tu iemeii conjektur = daz tu daz niemen L^ Bech cf. s. 305. 30 ein D = in ein ABacd cf. s. 377. 31 der man e Joch conjektur = der man phlach DdL^^ vielleicht der W4X71 da phlach {der mmi dou plah A, der man e da pflac B, diu da^ geschah Ebc, die ganze zeile: Do daz selbe geschah a); es ist unnötig noch etwas gegen Lachmanns conjektur zu be- merken, da er selber nur sehr schwaches zutrauen zu dersel- ben hat und sie überhaupt jedes haltes entbehrt; es ist klar dass pflach das tlrsprüngliche war, welches von den Schreibern geändert wurde, weil sie anstoss an dem reime nahmen; cf. zu 3473. 33 er vrägte Ad = do vrägter BDEabcf. 39 wären Ad = wäret BDEaf. 45 sag ich iu conjektur = sd sag ich in ABDcdfL^ Bech {ich sage iu Ea, wir sagen uch b; die conjek- tur Lachmanns wird zum überfluss durch den. französischen text widerlegt; der wirt erwidert auf die frage Iweins, ob er nicht die gute haben wollte, ihm ihr seltsames benehmen zu erklären, 3831 oil sHl vos vient a pleisir. 59 und mir Adf = mir BDEab. 62 gerechen niene AB = niht gerechen DEabdf. 78 sint ABb = worden sint DEacdf; warum soll letztere lesart in der voraufgehenden zeile hat ich erfordern? wenn hat ich da stünde, würde worden nicht wol zu entbehren sein; dass Mn ich da steht, macht das blosse sint möglich, aber darum nicht worden sint unmöglich; warum soll nicht gesagt werden können: ich habe sechs kinder, die alle ritter geworden sind, den ritterschlag empfangen haben? dass man überhaupt nach strenger logik das praeteritum erwarten sollte, ist eine andere Sache. 90 got welle {enwelle Bech) daz ichz nicht gelebe {ih ruht ne lebe A, ich es icht gelebe b Bech) Ab = got enwelle {tvelle Dd) niht daz ichz gelebe {lebe DE) BDEacd {got enwelle daz ick daz g, f). 93 ist das komma zu streichen und hinter 94 zu setzen wie in der ersten ^uflage (bei Bech ist es wol nur aus versehen auch hinter 93 stehen geblieben) und dann vor 95 sd mit den hss. ABDabdf (nur E hat Er welle ir) und L^ Bech wider herzustellen; es ist schwer zu begreifen, wie mit sclhem ungeverte mit dem folgenden sollte verknüpift werden; kann man überhaupt sagen: er will mit übelem benehmen die Verheiratung mit ihr unterlassen? und worauf sollte sich dann selhem beziehen, wenn nicht auf das vorher geschilderte? bei der anknüpfung an beherten ist alles einfach und natürlich;

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HANDSCHRIFTEKVERHAELTNIS DES IWEIN- 383

einen grund dagegen gibt Lachmann nicht an, natürlich ist es bloss metrisches bedenken; dasselbe bestimmt auch Bech ze wibe mit D wegzulassen, welches doch unentbehrlich fftr die klarheit des gedankens ist. 97 hat Bech ze tvibe aus Dab ge- gen ABdf eingesetzt; das französische spricht dagegen: 3864 OS plus vix garcons , . . la Uverra por lor deporz.

4512 si Ah = er BDd {ez a); ein auf mehrere Substantive sich beziehendes pron. pflegt nach dem letzten construiert zu werden. 18 ir het Aa = het ir BDEcdf. 36 unde = vür in unde cf. s. 294. 44 swaz Aacf = srves BDEbd. 46 beteRches A = beteUchen BDabdf ; beides kommt für den sinn auf eins heraus; deshalb muss nicht beteliches stehen. 61 vrümekheit Aa = miltekeii BDbcdf. 64 ^n Ab = si BDEadf. 77 sprichet A = gesprichei BEabf. ^\ des Adf = zu streichen mit BEab.

4600 in allen A {den allen D) = allen den BEacdf 14 rvizze Ad = wizzet BDEabf. 20 vor A {da vor Ba) = vor des DEbdfL^ 25 und rief Ad = unde BDabcf. 38 ezn müez im {iz ne muzeme A [wie es statt B sicher heissen muss], ez milesse im d) = ez nmoz im DEabf. 40 und ez Ade = ez DEabf. 41 wol Abf = harte wöl DEac {gar wol e). 45 sunder Ad = un- der Ebcdf {über b). 52 daz Ad = ditz Eabdef. 53 ungevüe- ger Ad = ungevüege DEabef. 59 daz siht Ad = siht DEabdf. 62 ichz mich AE = ich michz Dabdf. 64 gereit Ea = bereit Dbdef (fehlt A). 74 hienc Adf = gehienc DEb {behinck ace). 75 und wan AEd = wan Dabef. 77 er Ad = er da DEabf. 92 daz AEf=/r Dabd. 94 daz da A.^ daz DEabdf. 94 mäntich Ad = männeclich DEabf. 95 üfme conjektur = üf ei- nem EbdfL^ {eime) Bech {üf dem Da).

4729 in Ae = sin DEabdf. 30 mir A = im Ebf {nu d, fehlt Dae). 30 in Aa = mich Ebdef {uns D). 36 hin A {in d) = da hin DEabf. 40 erbarmt ez = erbarmt ditz DEab. 49 kume vruo AD = kumt so vruo Eabdf ; sd ist kaum zu entbeh- ren und wird durch das französische bestätigt, cf. 3938 se li jaians et vostre fil venoient demain a tele ore; vgl. übrigens auch Iw. 4795. 73 geruochets b = geruochet sin ADEade. 75. 76 sind wider aus den hss. DEabcdef in den text einzusetzen: dd ich im mine klage iete, do gelobt er äne bete; dass sie in A fehlen, beweist natürlich gar nichts; dass sie in B nicht ge- standen haben, ist nur Vermutung, da eben so gut zwei belie-

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384 PAUL

bige andere zeilen ausgefallen sein können, wenn über- haupt keine abweichung von der Zeilenzahl 26 vorkam; der Wechsel im tempus wird nicht unerlaubt sein. 95 vruo ac = uns vruo Ef oder bloss uns BDbd.

4830 enkumet A = kumt BDEabcd. 45 im do AE = imz d {ez im do DL^, im daz Bb Bech, ez acf). 64 dicke Aa = ofte BDEbd. 65 under A = und her die übrigen und Bech. 70 dahie A = gedähie die übrigen und L^ Bech. 70 darf f = bedarf die übrigen und L^, 76 darf= bedarf alle hss. (auch f) L^ Bech. 79 81 als bedingungssatz zu fassen berechtigt uns die von Lachmann angefahrte parallelstelle ez wcere warm oder kalt nicht; dergleichen stellen lassen sich in menge an- fahren, jedoch der sinn ist dann immer ^gleich viel, ob das eine oder das andere der fall ist*, aber nicht ^wenn eine von den bedingungen einträte*, wie es hier verlangt würde. Bech stellt mit D um: möht ich; aber das heisst den knoten zer- hauen statt ihn zu lösen. Mit Benecke die zeilen als einen selbständigen hauptsatz zu fassen geht nicht an; dazu müste der von ihm ergänzte Vordersatz wirklich dastehen. Es bleibt also doch vielleicht nichts anderes übrig, als sie mit Bb vom vorhergehenden satze abhängig zu machen; mit diesen hss. darum ichn zu schreiben ist nicht notwendig. Allerdings, wäre es möglich nach wirklich zutreffenden analogieen sie als bedingungssatz mit dem folgenden zu verbinden, so würde das vorzuziehen sein.

4905 kmt = unde ir kini Bech und 07 die = sich d Bech cf. s. 344. 5. 09 nihtes A = niht des BD {des nicht d, des iht E, daz nicht f, daz icht a, nicht b). 10 ste Ad = geste BDEabf. 24 tvarc (werch d) = getwerc BDEaf {twerh A, zwerg b, twerc Bech) und der Ad = daz BDabf Bech; dass wäre durch das der in Ad genug bezeichnet wird, ist nicht richtig, denn twerc ist im mittel- und niederdeutschen masc; es kann daher höch- stens das Zeugnis von d dafür in anspruch genommen wer- den. 48 im Ad = zu streichen mit BDEabf. 59 seilen = ge- sellen alle hsB. L^ Bech. 66 burt b = geburt ABFL^ Bech. 70 solder Ad = sol er {sol ers a) oder muoz er BDFb. 87 und sweder Ad = swederz BDFb {welchiz a).

5006 enweder Ab (deweder B) = weder DEad. 19 wäfen Aa {zu waffn f ) = gewcefen BDbd. 22 ist es vielleicht nicht

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIK. 385

nötig das siangm aller liss. in stmige zu ändern, da der dich- ter sich der schwachen neben der starlcen form bedieut haben könnte- 24 er AE = er also Dabdf, {er als B L^ Bech). 32 hne = im in dem L^ {in dem Bech) cf. s, 295. 37 ab {aber A) = 7ioch BdL^ {nach, dann dem slage f, fehlt Eb). 50 sach AEd = ersach BDabf. 56 unz = und cf. s. 332. 58 tvancte diu Bb = wante die AcdL^ {ivantgegn dem lewen diD^ errvante dieT^j daz dg grosse a); die autorität von Bb hat natürlich gar kei- nen wert; und wie wenig passt der sinn, der doch kein ande- rer sein könnte, als ^in folge der erschiitterung durch den an- griff des löwen schwankte die rute hin und her'; das folgende und do er nach dem lewen sluoc setzt aber voraus, dass vor- her geschildert ist, dass er anstalten zum schlage gemacht hat; es ist klar: entweder hat Hartmann ruote zugleich stark und schwach gebraucht wie stange cf. zu 5022 und poiHe cf. 1267. 1704, oder wenn man dies nicht für möglich hält und sich berechtigt glaubt bei den beiden letzteren gegen, alle oder gegen alle aus?scr einer die schwache form in die starke zu ändern, warum nicht auch bei ruote? 69 gerochen Aa= er- rochen DEbdf. 71 da vor E ist schwerlich richtig; abgesehen davon, dass es nicht besser beglaubigt ist als die verschiede- nen lesarten der übrigen hss. {da engegen b, die wnde ginc A, rehte B, an dg stat a, durch in f, da viel er vor d; letzteres kommt allerdings E einigermassen nahe, ist aber doch zu ab- weichend, als dass mit einiger Sicherheit behauptet werden könnte, dass beide auf eine gemeinsame lesart zurückzuführen seien), so passt es nicht zu durch in gestochen; ebenso will- kürlich ist es mit L^ die lesart von A, mit Bech die von B aufzunehmen, wiewol letztere von selten des sinnes untadel- haft ist; die abweich ungen der hss. zeigen uns wol, dass in ihrer quelle nichts anderes stand als da daz herze lit. 89 be- halten Aa = bestatten BEbcd cf. s. 345. 99 beide = vil gar cf. s. 302.

5103 mich Ah = ?nich des BDEadf Bech. 07 hern D {min hern A) = den herren BabdfL^ Bech. 07 Gäweinen= Gäwein BDabdf Bech {gaweine A). 15 iuriu {iuweriu B, iweriu Bech) = in7ver ADabdf. 19 herre da hAi=herre BEa (heren der ADLi). 21 iu ADb = in hie BEadf. 33 ist Aa = daz ist BDbdf. 37 striten AE = ersMten BDabcdf. 60 und hete sichs

Beiträge ztir geschichte der deutschen spräche 1. 26

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386 PAUL

Itbes conjektur = wan si hete sich des libes ADEadL^ {wan des llhes hei si sich Bb Bech); die einwände Lachmanns gegen das überlieferte sind unbegründet-, an den conjunktiv wirdwol kein,leser denken; der gegensatz tritt schärfer hervor, wenn des llhes vorangestellt wird, aber notwendig ist diese Stellung durchaus nicht und wir haben daher in Bb eine willkürliche besserung anzunehmen; weshalb übrigens, w^enn man hete als conjunktiv fasst, etwas anderes über die Stellung gelten soll, da doch der gegensatz ganz derselbe bleibt, vermag ich nicht einzusehen; und eben so wenig wird der gegensatz aufgeho- ben, wenn man wan in und ändert; denn sobald der gegensatz nicht mehr empfunden wird, ist der ganze gedankenzusammen- hang zerstört. 80 hie üf s% k = hie über st dL^ Bech {über si hie Bb, über si Da. 87 den wec = wec cf. s. 303. 88 si Ad = sich BDEabf.

5208 sßilen DE = gespilen ABFbd {gespil a). 12 tum AE = getürre Dbdf. 16 spile E = gespile ABDFabd. 59 seht Adf = seht ir a {s. ir rvol Bb, s, ir doch DE) ; der indicativ ist angemessener. 64 muget Ad = ?migt mir BDEab Bech. 88 gänk2i = stän BDbdf.

5304 lan AD {gelan bf) = verlän BDEa. 27 das kolon hinter sper ist wol nur druckfehler. 28 sine Ad = die BDEbf. 31 muot in d {müet in B, gemoet in Ec) = muote im A Bech {gegent im Db, vdszt in a); ich weiss nicht, warum Lachmann trotz der richtigen erklärung in schreibt, welches doch nur durch misverständnis veranlasst ist. 47. 48 scheint Lachmanns herstellung allerdings durch den französischen text bestätigt zu werden cf. 4493 que de ses cos valt li uns seus des lor ioz a messure deus, wenn wir den fall nicht etwa unter die a 326. angeführten zu rechnen haben; doch ist auch der sinn an und für sich so am besten, und die Verderbnis ist sehr begreiflich; wir wären hier also einmal genötigt von der bessern hand- schriftlichen autorität abzugehen; aber, wenn uns das auch lehrt, dass der zufall öfter gegen alle berechnung sein spiel treibt, so ist das noch kein grund darum die berechnung über- haupt bei Seite zu setzen, die uns jedenfalls einen hohen grad von Wahrscheinlichkeit gewährt, und uns ohne zwingenden grund der Willkür zu überlassen. 51 vrouwen = juncfrotm dXlt hss. (auch f ) L^ Haupt (zum Erec s. 413) Bech. 52 dazz con-

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HÄNDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 387

jektur {daz AafL* Becli) = daz er BDbd. 57 nu ist er A (er ist a) = nu ist got BDbdf. 74 shien Af = den BDEabd. 79 dez {daz Aad Becli) = im daz BDb {von im daz Ef, ime abe das e und Wigal.). S5 vor Ad = von BDEa. 96 bestuonden Ad {bestunden nie D) = bestuont a {nu bestunt E, bestunt ein B, bestunt ny b).

5401 sin = slner helfe alle liss. (auch f) Becli. 27 ist von Beeil mit unrecht sehaden aus den auf gemeinsamer quelle beruhenden hss. BbD aufgenommen. 52 al conjektur = also ABEad {als D); also bedeutet ^demgemäss, weil ihn niemand erkante'; Lachmann wendet ein, dass dadurch der gedanke nicht sonderlich gehoben würde; wird er es vielleicht mehr durch eine mtissigc Verstärkung von ilhte'^ nur das versmass ist doch der wirkliche grund zur änderung; dasselbe hat L* und Bech veranlasst von nur mit D zu streichen. 67 ?iiemer me Ad = niemer BDEabf. 80 niemer = er spraeh hiiemer alle hss. L^ cf. 8. 377. 89 an A {äne L' Bech = wan B {wenfi i) niwan E, newr a, dan Dabd). 90 7iein ez = Ja cf. s. 334. 90 vrouwe AB = zu streichen mit DEabd.

5510 do sprach Ad = sprach BDab. 21 im = si sprach 'im alle hss. cf. s. 377. 22 kan = hän L^ {han Bech) cf. s. 325. 37 ruochc tu Aa = tnioche BDbdf. 51 Lünete A = vrou Lünete BDabdf Becli. 56 si Ad = si im BDEabf. 60 so getriuwe = getriuwe cf. s. 334. 82 sin herze = sin herre was ABEadL^ Bech {wan er was Db). 92 engegen AE = gegen BabdfLi Bech {zu D).

5621 do AE = hie BDdL^ {sus ab). 32 beide D {beide sin AL^) = stnen BEabdf. 32 sin Ab = daz BDEadf. 33 der = der ABDEbdf Bech. 33 lebendige = lebendic AEadL* {le- bende BDbf Bech). 37 dem Adf = ir BDEab. 40 diz A {daz a) = disen BDbdf. 41 daz Aa = den Bdf (fehlt Db). 52 zwäre Ad = deiswär BEaf (fehlt Db). 63 gemarhte AB = marhte Dabd. 70 greif AD = begreif Eadf {ergreif Bb). 86 genädet er Ad = genädet BDbdf.

5703 harte AEd = vil BDabf. 23 niemen AEf = niemer dL* oder niht Bab (fehlt D); niemen ist unpassend, denn es handelt sieh hier nur um die Schwester; es scheint siu» niemer verderbt zu sein. 33 mnes A = mtnen BDEabdf. 37 wan AD = wan do f {und da d) oder bloss do BEa {do aber b). 44

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388 PAUL

vierzec ABaf = vierzehen DEbd cf. Clirest. 4795 au moins jus- qu*a XII II jorz, , 47 er AD = der Babf. 48 sis A=st BEad (si ir Db). 54 joch c = ir noch BDadL ' {dan noh A). 62 ^i AD = si der BEadf {sie ir b). 62 mi;a^^ AE = vant BDabdf. 69 geverte AD = gewerp BEabc {gervs f, arbeit b). 5805 vil Ab = ö/äö adf {als BD). 11 öwtrÄ Ab ^ öwcä 5* Badf {si D). 47 ^/ B = zu streichen mit DEaf {oh A, doch d); die zusätze in A und d setzen nicht voraus*, das et in ihrer vorläge stand, machen es vielmehr wahrscheinlich, dass nichts da stand. 71 ^^ d {dar k^ welche aber ganz abweicht) = als BDbc; da könnte es nur heissen, wenn nach der tnäze gar nicht da stünde; es ist aus misverständnis der richtigeu beziehung entstanden. 78 rite si.A == rieten ir adf {wisten si D, hiezzen si fragen Bb); nach dem Vordersätze von A U7ide rite st vürbazy würde man als naclisatz erwarten: so würde sie Lunete treffen, die ihr auskunft geben könnte ; dieser nach- satz kommt aber nicht, sondern statt dessen folgt zunächst rvolt st tvizzen mcerej was bei einer vernünftigen gedankenord- nung notwendig vor rite st vürbaz hätte stehen müssen, und dann wird gesagt, dass ihr Lunete auskunft geben könnte, aber nicht, dass sie dieselbe, wenn sie auf ihrem wege vorwärts ritte, treffen würde; das wird weder ausdrücklich gesagt, noch so verstanden; denn erst im folgenden geben die leute an, wo Lunete zu finden sei in der kappein hie bt und fordern die Jungfrau anf dahin zu reiten; es wird nicht gesagt, dass die kapelle auf ihrem wege liege; dagegen bei der lesart von adf, die bei den abweichungen der übrigen die beste beglau- bigung hat, ist alles klar; der sinn von 77. 78 ist ^die sagten ihr das (nämlich . dass er den truchsessen und seine brüder besiegt hätte 73. 74) und gaben ihr dann ferner rat*; darauf sollte nach strenger logik folgen *wie sie erfahren könnte, wohin er sich gewendet hätte'; statt dessen wird mit dnem leichten, durchaus tadellosen anakoluth fortgefahren. Diese er- klärung wird auch durch das französische bestätigt, wenn dasselbe hier auch nicht sehr wörtlich stimmt; es heisst 4936 et eil dienty qu^il tor avoieixt veuz JII. Chevaliers conquerre: Hartmann sagt bloss die sagten ir dazy weil er den Inhalt ihrer erzählung schon vorher in einem nebensatze angegeben hat; darauf fragt die Jungfrau die leute um weitere auskunft,

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HANDSCHßlFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 389

und sie antworten, dass niemand ausser Lunete ihr dieselbe zu erteilen im stände sei, welche in das münster gegangen sei; während deni kommt Lunete schon aus dem münster heraus, das also in unmittelbarer nähe gedacht wird, etwas abweichend von Hartmann.

5903 d(t d {dar A) = zu streichen mit BCDEaf {so b). 20 alsus BA = also CDbdf. 21 «/ A = alUu BCDabdf. 25 und diu Adf = diu BCDab. 37 in Aa = si BDbdf und 38 im Aa = in BDbdf; dem in z. 36 bezieht sich nicht auf rvirt^ son- dern auf gesinde, worauf dann nach gewöhnlicher mittelhoch- deutscher weise der plural des pron. bezogen wird; der wirt geht der Jungfrau erst später entgegen und empfängt sie, sie kann ihn nicht schon vorher gefragt haben. 50 vielleicht und ist mir anders niht erkant cf. s. 326. 54 nie des AC == des niht BDab {des nye df). 57 e = hie alle hss. L^ Bech. 60 ouch Ad = zu streichen mit CD^ {hie B). 77 dähte A=gedähte BDabdf. 79 ich Ad = ich danne BDabf. 96 eneben A = neben BDabd.

6008 ouch er B {er ouch d) = er Dab. 35 gennset Ad =' bennset BDab. 46 mit A = zuo ab {ze BD, hey df ) ; zuo {ze) hat die beste autorität für sich ; für den gebrauch von ze = bi lässt sich am nächsten vergleichen Trist. 6421 so nemel ir un- ser da ziu war. 51 sit daz = sit BDabf. 74 gar Ad = vilgar Bab {vil wol D). 88 do Abd = nu BDaf. 89 al = alle alle hss. L K 95 hat Aa = het Bcd {hiet f ). 95 wol Aa = hie wol Bcdf.

6102 wer Ad = wer BDabf. 04 gotes AD\) = der {des a) gotes Badf. 08 diz Ad =-= daz Babf {z D). 14 und ich d {ih A) = unde BDbf. 33 niene zürnt = nu enzümet niht BDab Bech. 39 Jane redent siz Ad == sine redent ez BDbf {ich enreddiz a). 65 sach Ad = ersach BDabf. 66 der Ad = er BDabf. 68 zware Ad = wol BDb {vil wol Ea). 72 sintern B = sümt er sich cdf {sumter AL^, siunt er DEab); B steht mit der transitiven wendung ganz allein und verdient schon des- halb keine berücksichtigung; das intransitivum oder reflexi- vum wird gesichert durch Chrest. 5178 haste de venir amont; es würden sich die Verschiedenheiten der Überliefe- rung am besten erklären, wenn ursprünglich sich nicht da ge- standen hätte, aber allerdings scheint das intransitive sümen nur mitteldeutsch. 82 was Ad = wart BEacf.

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390 PAUL

6215 wären AEh = was BDadf. 17 vleisch mitten Ab = daz vleisch zuo den BDad 18 tnuosen = muose cf. s. 234. 50 e D = hie BabdfL^. 52 e Ad = hie Bab (fehlt D). 55 daz Ad = do BDabf. 55 her ADf=dä her ßbd (hy her a). 59 graezer Aa = ein grwzer BDbd. 60 so lige ich {ih ne lige A) = so gelige ich BDabdfL^ ; eine sonderbare benutzung der hs. A: während zugestanden wird, dass sie hier willkürlich än- dert, soll sie doch in der weglapsung der präposition gegen alle andern, welche das ächte sonst richtig bewahren, recht haben, während doch von Laclimann ausdrücklich bemerkt ist, dass A stets nach der negation die vorsilbe ge weglässt. 67 armwip {arm wip E) = armiu {arme ADa, armen bdf, fehlt B) wtp L^; eine noch schlechtere gewälir als hier hat armwip 7317, vfo keinarm^ wip, alle übrigen ei7i armez my; haben; eben so wenig kommt in betracht, was Bech anführt, dass im Gregor 268 die vaticanisclie hs. arm wibe hat; das ist nur eine ab- ktirzung für armen, wie sie auch sonst in dieser hs. vorkommt; armwip ist also nirgends belegt, und wenn es vorkäme, so würde es nach analogie von armman (welches freilich auch hie und da ohne berechtigung eingeschmuggelt wird) nur bedeuten können *ein weib aus niedrigem stände', aber nicht ^elendes, unglückliches weib', welclie bedeutung an den betreifenden stellen erfordert wird. 68 in Asi==den BDbdf. 89 wart Aaf =^en?vilrde B {wurde Dbd) und demgemäss ein komma nach unervo'ret Bech. 91 daz AD = zu streichen mit BEabdf {und c). 91 U in ADcf = da U in Ead {under in da Bb).

6307 diu {die f) = disiu BDEabdL^ {diz A); dass hier ein- mal eine » conjektur Lachmanns sich in f findet, bestätigt die- selbe natürlicn noch nicht ; wenn man eine elision in disiu nicht zugeben will, so braucht man nur doppelten auftakt anzuneh- men. 11 und ich Aa = und BDbcf. 14 hie an iu Af {wol an erv d) = an iu hie Bb {uch ane a, uch hie in schäme D). 20 Imri = gehurt alle hss. L^ Bech. 30 durch dne Aa = von slner BDbdf. 37 morne a = morgen ABDdf. 46 rnorne = fnorgen ABDbdfLi {leider ä). 46 gesehen Aa = sehen BDbdf. 47 den jamer A {der jamer D) = swaz jämers Eabdf {daz iamers B); die auslassung des relativpronomens bei Hartmann bedarf bes- sere gewähr. 52 der was Ac = was BDabdf. 74 ze A {alze E) r= so BDbL' {also af). 75 iemer Aa = niemer BDb. 76

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 391

müge AE = wac Bacf {macht b); ,man kann hier allerdings noch etwas zweifelhaft sein, weil d fehlt und die Veränderung der lesart von AE sich leichter begreift als die umgekehrte, und weil endlich auch das iemer in a noch auf die lesart von AE hinzuweisen scheint. 96 sprechet Ab = sehet BDad.

6403 vil AE = zu streichen mit Bbcdf (so a). 16 iun ist mindestens sehr zweifelhaft: Aa haben ti, B m m, D m ouch, b sy uch; wir haben also für die Stellung iu in gar keine ge- währ und in kann auch in Aa eben so gut vor iu ausgefallen sein. 38 e A = vor des BDabf Bech {darvor d). 68 diiz Ab ^daz Bad {dez D). 91 er Aa=*J BDbdf Bech cf. s. 346. 97 ich wcene statt des tiberlieferten er sprach aus der nach- ahmung Ottokars einzusetzen berechtigt uns nichts, da dieser natürlich seinem zusammenhange gemäss ändern muste; es kann daher nur als eine conjektur ohne jeden anhält ange- sehen werden; si sprach kann, da es nur in D überliefert ist, keinen anspnich auf autorität machen; daher schwebt auch der von Bech aufgenommene verschlag Lachmanns sl sprach daz tiian an kinde niemer rvwne vinde ganz in der luft, so an- sprechend er sein mag; doch weist wol rehter site darauf hin, dass hier nicht bloss auf ihr sprechen bezug genommen sein kann; es fragt sich erst noch, ob man nicht hei der Überliefe- rung bleiben kann; er sprach kann wol gefasst werden; 'er sprach bei sich*; für die anomalie in der consecutio temporum lassen sich vielleicht noch parallelen beibringen,

6504 siner A = stn selbes BDEbdfL^ {yn selber a); sin sei- hes ist zu gut bezeugt, als dass es zurückgesetzt werden konnte, und hilft dazu er sprach in z. 3597 zu bestätigen ; wir können nicht umgekehrt eine vorher gemachte conjektur dazu benutzen um hier über eine lesart gegen die bessere autorität zu ent- scheiden; wir würden übrigens rein nach der autorität der hss. in dieser zeile statt st AEa im nach BDbdf zu setzen ha- ben; da aber der Zusammenhang unbedingt das erstere ver- langt, so haben wir anzunehmen, dass hier durch einen zufall df auf die selbe änderung gekommen sind wie die vorläge von BDb. 12 vil Adh ==verre DEb (fehlt a). 20 wol gliche (vil wol B; ausserdem haben AbL^ wol in der vorhergehenden zeile hinter si) = gelichd ADEabd. 43 im A = in BEabdf. 44 mi Ad = daz BEabf {ir d). 55 dähter = gedähter alle hss. (auch

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392 PAUL

f ) LI Bech. 60 ze AB = so Dabdf. 69 vol D (enuolln f) = wol BL/ (vil wol A, da d, w^Y frouden Eab. 75 /<?;wer ist durch coBJektur eingesetzt und ist ein lästiges flickwort; der A^rs scheint allerdings zu kurz für 4 heb un gen, aber nicht wegen Lachmanns metrischer, regel, sondern weil die form selheme für Hartmann unwahrscheinlich ist; dieselbe ist übrigens nur in A überliefert^ BDf haben die schwache form selheriy b selhe^ . a seiher; es gäbe verschiedene leichte mittel 4 hebungen her- zustellen, aber ich wage es weder von der echten Überliefe- rung abzugehen, noch ein bestimmtes urteil über die natur dieses verses zu fällen. S3 diu ginc A = gienc DEadf. 96 daz in AE = daz in nach (noch Dab) Dabdf L^ (den ez nach B). 97 dickest Aa = oftest BDbdf.

6604 sigte k = gesigte BDabdfL^ Bech cf. s. 296; Beclis Umstellung gesigte beiden stützt sich nur auf Bb und ist darum unzulässig. 06 tmd Ab = zu streichen mit BDadf. 08 habe M=hän die übrigen L^ Bech. 11 die wH st unenvunden sint = um si niht übernnmden sint cf. s. 305. 19 dicke Aa = ofte BDEbdf. ^?^ üzer k=üz der BDabf (ilber d). 45 ist wer nach diu mit den hss. (nur bf haben dafür got) L* Becli wi- der in den text einzusetzen; der vers ist mit doppeltem auf- takt sehr wol zu lesen; die auslassung scheint ganz unmög- lich; in der von Lachmann angezogenen stelle aus dem a. Heinrich ist detn entweder auf ein frier human IIb oder auf sin hof 780 zu beziehen. 47 diiz Aa = daz BDbf (des d). 64 ein A = einer BDabdL^. 70 nieman = itn (ims Ebdf ) jiiemer ABDEabdfL^ Bech; wider ein fall, in dem Lachmann, nach- dem ihm ein metrisches bedenken gekommen ist, auch nach einem inneren gründe gegen die Überlieferung gesucht hat, der aber durchaus nicht stichhaltig ist ; denn so gut wie er bis 5S zurück auf im. (Iwein) bezogen werden kann, gerade so gut kann im bis 60 zurück auf im bezogen w^erden ; man darf frei- lich dem leser das auffinden der beziehung nicht dadurch er- schweren, dass man einen absatz bei 63 macht. 72 ez imXh = ez BDadf. 86 hete^z Ad = heten auch BDab. 98 ir tms mit im (ew d) Ad = er uns mit iu BDbL^ Becli (oder uns mit im f ) ; man müste zu völliger Sicherheit allerdings die lesarteii von Ea kennen.

6705 üf A = durch ABDabf cf. s. 359. 11 vwhtai AEa

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HANDSCHRIFTFNVERHAELTNIS DES IWEIN. 393

= gevwhten BDdf. 12 in = hin alle hss. L^ cf. s. 359. 20 der stnt AE = wan der sfrtl BDabdf L^ 20 der was A = was Eabdf LI (ist BD). 23 der wart A (der ward im dL^) = der was im DEab (den Helen si B). 28 anders Aa = ander BDbdf Beclu 30 dem Aa = den BDbdf L^ Bech cf. s. 346. 39 ge- hörte AD = erhörte Babdf. 39 gesach Ab = ersach BDadL^. 42 daz Ab = da Badf. 47 6?^r AD {er a) = zu streichen mit Bbdf. 54 geleit AB = leit Dadf (er/^^Y Eb). 60 der ABb = sin DEad. 64 seile = geselle alle hss. L^ Bech; Bech lässt hier 7iiht weg, welches schon L^ in klammer setzt; diese weg- lassung bedürfte denn doch wol erst der rechtfertigung. 66 dräte den lewen A {den Ihm drate B) = den lewen Dabdf. 67 haben Ade = hän DEab. 69 in df = in e DEabL^ Bech (ine A) ; e ist wegen des gegensatzcs in der folgenden zeile not- wendig. 72 so A (als f) = zu streichen mit Dab (iin Ed). 78 da Ab = swä DEadef. 85 in A = in cdf (heidenthalben Da). 86 beide der lewe untter = hie der lewe, do?^t der cf. s. 359. 92 in = zu streichen und 93 sin = ir cf. s. 302.

6802 sprach er A = er sprach DEabdfL*. 20 nu in AB = in DEabcdf; ob dann bloss dise^i mit AB, oder eine zahl dahinter, und welche (doch mehr als sieben müssen es sein cf. 6845) ursprünglich dagestanden hat, lässt sich schwer entscheiden; man wird aus den Zeitbestimmungen Hartmanns überhaupt nicht klug: der kämpf wird über sechs wachen an- gesetzt 5756; die jüngere Schwester reitet verre durch diu lant (5761), bis sie von der irrevart krank wird (5766), worüber doch jedenfalls nicht bloss ein paar tage verstrichen sein kön- nen; darauf wird die tochter ihres wirtes ausgesendet, welche allen einen iac (blll) reitet, bis sie des abends zu der bürg kommt, wo Iwein den riesen besiegt hat; am andern tage er- reicht sie Iwein (5967), und nun sollen es noch sehstehalbe Wochen bis zum kämpfe sein (6027), ein unläugbarer Wider- spruch, da danach die irrevart nur ein oder zwei tage ge- dauert haben könnte; und jetzt ist seitdem erst wider ein tag verflossen; es scheint, dass Hartmann für die heilung Iweins nach dem kämpfe mit den beiden riesen zeit gewinnen wollte, wozu 7 tage verbraucht werden (6845), während Chrestiens ihn sofort aufbrechen lässt (5763 tantost mes sire Yvains s'an tarne qui el chastel plus ne sejorne), femer für das geleit, das

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er den befreiten frauen gibt (6857), welches gleichfalls bei Chrestiens fehlt, wo vielmehr die frauen ihn mit dem stadt- volke ein stiick begleiten; daher hat er durch die sehstehalbe Wochen den anschein zu erregen gesucht, als sei der bei' wei- tem grössere teil der gestellten frist noch übrig, während er doch nach der vorangehenden darstellung schon verflossen sein muss. 26 ich AD =ich danne adf {denn da hy da B). 27 wurde Asib=wcere BDdf. 31 ie iuch h (e u A) = iuch ie BDadf. 32. 33 Ir, welches nur in A vor harte steht, ist vor iuch zu setzen mit BDbdL^ (nach üch a). 33 harte AB (herre f, vil b) = immer DEad). 33 gerne A = gar BEabfL* Bech {mer d, fohlt D). 49 daz Ab = diu BDEadf; sie reiten doch nicht beide auf einem pferde. 51 ir AE = den BDbdL^ 78 lange BD = langer {lenger) Eabdf (in A fehlt die zeile). 80 enweder (nie weder A, deweder BL^) = weder DEabdf. 90 al- sus AEf = also BDad. 95 saz = saz da cf. s. 334.

6905 niemen da hekant = da (fehlt E, doch a) nieman er- kant BDEabdLi Bech. 30 dazz {daz ^zAEb) = daz DadfLi Bech ; daz ez verstehe ich nicht. 39 ditz Db {dich H) = ditz BEaf Bech {euch das d; Hb haben nu in z. 41). 56 immer Dd = tiure BDHb {wil a). 82 d'ors {diu ors DEH Bech) = diu ros BabdfL*.

7023 doch Bd = ez DEHab. 44 ist Hb = was BEdL». 53 ou^h D = doch BHb {hie d; fehlt a). 7058 dies wäre viel-' leicht die einzige stelle, an welcher man eine von Lachmaun gegen alle hss. gemachte conjektur notwendig finden könnte; indessen gevriunt von herzen und mit gesehenden ougen Mint sind doch keine gegensätze, wie sie nach Lachmanns herstel- lung sein müsten; der gegensatz zu Mint liegt vielmehr in -ge- sehenden, der gedanke ist in sich abgeschlossen und kann kei- nen vorhergehenden gegensatz gebrauchen; ein voraufgehendes ^dass sie zwar herzensfreunde sind' verlangt als gegensatz ^aber sich doch fltr feinde ansehen, als feinde behandeln'; be- steht aber nicht ein gegensatz in der art, dass mit gesehenden ougen blint der eigentliche hauptgedanke ist, dagegen gevritmt von herzen nach strenger logik die form des nebensatzes tra- gen sollte, so ist durch Lachmanns weglassung von machet si die wirkliche Schwierigkeit, welche das tiberlieferte bietet, nicht weggeräumt; diese besteht darin, dass anscheinend ihre freund-

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 395

Schaft als eine folge des unterbindens ihrer herzen dargestellt wird; sollte man den gedanken vielleicht so fassen können: die unkünde verhinderte durch das underbinden, dass ihre freundschaft zur geltung kam ? 66 der BEa = sin Dbdf ; dar- auf ist wünsch mit der minuskel zu schreiben wie L^; Bech erklärt 'das höchste und beste flucht ihm, d. h. wendet ihm den rücken, wird ihm nicht zu teil'; das wäre ein ganz vager allgemeiner gedanke; etwas viel bestimmteres in den Zusam- menhang vortrefflich passendes gibt Beneckes erklärung, an der er mit recht gegen J. Grimm und, wie es nach der ma- juskel im text scheint, auch gegen Lachmann festgehalten hat: 'das was er wlinscht, wird ihm zum fluche'; dann aber ist sin statt der, wo nicht notwendig, so doch gewis viel deutli- cher; der kann erst von den Schreibern eingesetzt sein, denen die im mittelhochdeutschen so gebräuchliche personification von rvmisch geläufig sein muste; gerade wie hier, ist auch im 2. btichl. 113 7nir hat der wumch gefluochet mit Benecke zu er- klären gegen Haupt und Bech; denn der satz bildet mit den acht vorhergehenden Sätzen nur Variationen desselben grund- gedankens: ich hm von liehe michel leit: mich ermct mtnrichcit: daz mir ze scelden ist geschehest, des miioz ich ze unscclden jehen etc.; es wird niclit zu kühn sein hier gegen die eine späte hs. min zu vermuten. 66 so Ba = also DEHbdf. 68 swenne BDb = so Ead. 69 stveder ir cd = srveder BDEHabf ; ir ist nicht notwendig. 81 enweder {nie wider A, deweder BL^) = weder DEHabd.

7103 in hundert stücke Aab = ze hundert stücken BDHd {ze chlain stukchn f). 04 mänlich AE = manneclich BDHabfL^ 04 da A, nach mamieclich D == zu streichen mit BEHabf. 08 ietweder Aa = iesllcher BHf oder ieglicher Dbd ; es ist nicht nachweisbar , dass schon zu Hartmanns zeit ietweder = nhd. jeder gebraucht worden ist; wenn Lachmann auf die anmer- kung zu 4936 verweist, so ist dort eben von Benecke gezeigt, dass an den beiden andern stellen, in denen ietweder sich schein- bar auf mehr als zwei bezieht, es doch auf ein paarverhält- nis geht; vielleicht nahm ieweder im nieder- und mitteldeut- schen früher als im hochdeutschen die neuhochdeutsche bedeu- tuDg an. 20 von diu A = da von Df oder vielleicht da von so BEHa {durch das b). 45 unde A = und äne BDEHabdf. 55

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396 PAUL

's Ab = sin BDad. 55 dicke Aaf = o/lte BDbdL*. 74 verlege- ner AEH = verlegen BDabdL ^ Bech. 81 alsus Ad = also BHbdf.

7212 der Hbe conjektur = mit dem Übe ABDbcL^ {mit ir übe Edf, mit libe Bech); das emjambement, wie es Lachmann annimmt, ist unerträglich; die praecision des gegensatzes lei- det darunter, wenn zu arbeit ein genetiv hinzutritt, dem kein entsprechender zu ere gegenübersteht; übrigens, wenn mit dem Übe ein müssiger zusatz sein. soll, warum ist es der libe weni- ger? die weglassung des artikels ist sprachwidrig. 39 vol X = rvol DEbf (fehlt Bad) cf. meine anm. zu Gregor 805. 63 ir A (der B) = zu streichen mit DEbd. 67 ir Ac = ez BDEh (fehlt d) cf. 7169. 71 nie A = zu streichen mit BEDb Bech und dann möhte in z. 70; mit Bech hau gejehen nach BE zu schreiben, sind wir wol nicht berechtigt, da die übrigen hss. häti nicht haben. 89 A = zu streichen mit BDbcd. 90 sis D {s sie A) = si BEbdf. 90 me Ab = mere E (wr BDdf).

7308 wmren AB = 7V(Bre DEabd. 17 arm rvip {arm^ tvip A) == armez rvip BDEabfL^ cf. zu 6267. 26 ir swester AD = die altern Babdf cf. s. 355. 70 verkünde = verkufite BaL^ {nint- kwidete A, erkante cd, bekant b, behande D ; Lachmanns Schrei- bung und erkläi-ung ist gegen alle hss., der daraus gewonnene gedanke, von dem man nicht recht weiss, was er an dieser stelle soll, wird erst überhaupt einigermassen möglich durch eine zweite conjektur in z. 72; es ist an dem in Ba überlie- ferten festzuhalten, worauf auch die lesarten der übrigen hss. hinweisen, verkunte aber niclit in dem sinne 'gab sich nicht kund' zu nehmen, denn das würde mit dem folgenden in di- rektem Widerspruche stehen,- sondern 'gab sich kund'; die stelle scheint zu beruhen auf Chrest. 6216 mes eincois que del champ s'an voisenty se seront bien antracointie, 72 tvan deiz = wand ez Bb (wander z AaL^, wand er zu D, wand er E, daz da d, daz doch f ; die Überlieferung würde am meisten für wand erz sprechen; aber ich wüste nichts damit anzufangen; es wird wol erlaubt sein hier von dem der autorität nach wahrscheinlicheren zu gunsten des sinnes abzuweichen; das er kam den Schreibern wol in die feder, weil ihnen die bei- behaltung des selben Subjektes das natürliche war.

7411 ein df (mir ein c, der A) = aber ein BDEa. 12 den

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 397

A = danne BEcdL^ (fehlt a). 24 ir e {ir B Bech, e AU) = mir Dbd (man nach nye f). 49 /{ü?ne Ac = vil käme BDdf. 56. 57 iu ist gegen A mit BDEHbdf vor aller zu stellen. 57 al = a//^r alle hss. 57 wol gan AD == gan BEHbdf. 69 einan- der = under einander BEHb Bech (tvidereinander df, zo einan- der ADL*); dass Hartmann sonst tragen in ähnlichen Verbin- dungen mit dem dat. construiert, spricht gegen zuo in AD, aber nicht gegen under; denn letzteres konnte natürlich nur bei einem Wechselverhältnisse angewendet werden, welches an den andern stellen nicht vorliegt. 76 gegangen AHb = er- gangen BDEdf. 88 dehein A == dewedere DHd {iwedW f, letrve- der BbL^ Bech); das positive ,/^/«^^^^r , welches nur das sehr zweifelhafte zeugnis von Bb für sich hat, verträgt sich nicht mit dem folgenden dehein. 95 zeicten EH (zeichenten H) = er- zeicten BDbdf.

7500 ouch Bh= Joch AEH (fehlt D). 21 wahren (weren A) = wären BDEHbd (waz f); die Übereinstimmung der hss. zwingt uns den indic. als richtig anzuerkennen; der bedin- gungssatz ist gewissermassen nachträglich hinzugefügt, nach- dem der regierende satz schon als unbedingt hingestellt war; vergleichen lässt sich hiermit z. 1153 eine ritterliche magt, hete st sich niht verciagt und 4762 nu gesach er nie kindes Itp schö- ner dan diu selbe magt, hete st sich niht verciagt. 23 ist ei con- jektur Lachmanns, die hss. haben: er Edf, her A, es b, do BDa; letzteres ist von Bech aufgenommen; indessen die bes- sere autorität führt uns auf er, woraus sich auch die änderung in do viel leichter erklärt, als die umgekehrte von dd in er, da an dd kein Schreiber anstoss genommen haben würde; ob aber dies er schon verderbt ist, würde doch noch zu erwägen sein; es bleiben allerdings wol nur zwei möglichkeiten des Verständnisses: entweder nimmt er das Subjekt min her Twein voraus, oder der sprechende ist Gawein und mtn her Jwein gehört zur rede; indessen ist letztere annähme etwas bedenk- lich, weil nach der langen erzählung, welche auf die letzte rede Iweins folgt (7484 7522), unter er nicht gut gleich Ga- wein verstanden werden kann, und weil dann der Wechsel in der rede, welcher 7527 eintreten würde, nicht angedeutet wäre, was doch in der regel nur bei raschem Wechsel der sprechen- den unterbleibt ; ob die erstere annähme möglich ist, wage ich

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398 PAUL

nicht zu entscheiden. 46 wol = iemer tvol L^ cf. s. 355. 53 äo KE, = ouch BDbdfLi {imd a). 61 seihe k\)A = selbm BDHf. 61 gewert Ad = erwert BDHabf: ^sio hat sich so verteidigt'; mit dieser lesart wird völlig reiner reim hergestellt; dieselbe erfordert selhe^i, während die andere lesart seihe verlangt. 67 seile = geselle ABEHabdL^ Bech. 67 haben für nein BE die übrigen AHabd min\ danach scheint nein ein besserungsversuch und min das ursprtingliclie ; das wird noch bestätigt durch 8122; diese nur in Bad erhaltene zeile lautet in B her Iwein lieber herre mtn, dagegen in ad lyher man (traut mein d) her ymjn\ die Übereinstimmung von ad hat siclier einen höliern kritischen w^ert als B; wir w^erjlen natürlich nicht annehmen, dass der Schwabe Hartmann das l als diphthong sprach, son- dern es scheint eine auf die wälschen eigennamen beschränkte reimfreiheit zu sein. 70 werden wir statt des kommas ein ausrufungszeichen zu setzen haben ; denn es ist ungehörig, dass des prlses einmal durch den voraufgehenden satz erläutert wer- den soll und dann auch durch den folgenden, während bei der von mir vorgeschlagenen interpunktion erst die antithese von 71 72 scharf hervortritt, welche genau der von 69 und 70 entspricht. 79 sprach Ad = antwurt BEHabdf 94 vrägteti AEd = vrägte BDHbf Bech; schwerlich kann im praedieat plur. - und sing, neben einander stehen ; der plur. ist als eine ändeiiing der Schreiber anzusehen, welche des reimes halber auf riet nicht ausgedehnt wurde.

7600 der A = zu streichen niit BDEHb {do adf). 02 niene EH {niht ne A) = niht bdL^ oder wahrscheinlicher iU BDa Bech (xjemad f ). 37 von AHd = vor BDabf. 52 ez auch mir wol A = sich ouch mir EHf {sich mir buch B, sich wol D, sich rechte a, mir zu eren b); intransitives vüegen ist vorwie- gend mitteldeutsch. 63 der kilnic Artus AD = Artus der künic BHbdf {der kwiig a). 82 unde Ab = und doch BEHa (fehlt D); die Symmetrie mit der folgenden zeile verlangt doch. 96 ze Aa = her ze BDHdf(bc). 92 einvaltem {einvalten A) == ein- valtigem DEHbdf {eynen willigen a).

7702 irr {ir ir AL^) = ir BDHab; es ist nicht nötig einen nebensatz zu haben, auf welchen sus in z. 7700 zu beziehen ist ; dies bedeutet einfach ' sonst, andernfalls, wenn ihr es nicht zu einer rechtlichen entscheidung kommen lasst*; folgte ein

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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 399

bedingungssatZ; so würde sus nur störend sein. 09 von = von der BDbdf (im AaL^ Bech); wiewol Laclimann zugibt, dass und falsch ist, so sollen dennoch Aa die vorläge getreu be- wahrt haben; und soll eine alte Verderbnis der alten gemein- samen quelle sein und vo7i der nur eine geschickte besserung; wenn man zu solchen mittein häufig seine Zuflucht nimmt, so kann man von jeder beliebigen hs. 1>eweisen, dass sie den ur- text am getreuesten bewahre ; tlbrigens ist der notwendig, denn es handelt sich um die eine bestimmte drohung des Artus. 61 verdfenez Ad = gediene ez BDab. 61 ez A = ez iemer alte übrigen, auch f. 85 hat f urche übereinstimmend mit verhe Bc; es ist schwer zu entscheiden, ob dieses oder verre ADbd richtig ist. 87 niene {ine ne A) = niht en BDb oder niht er- adf cf. s. 306.

7802 ir getete A {im iete D, im iet denn a) = im {ir d) getuo Bd Bech (ir ihn c, ir getrurv b), und dann Ol ein komma statt des punktes mit L^ Bech; dass der satz negativ sein muss, folgt von allem übrigen abgesehen, schon aus der setzung der Vorsilbe ge, die in einem positiven liauptsatze nicht stehen könnte. 06 des. Af = es abd {sin BD). 36 swenner Aa = swenner 7i& BDbdf. 39 geschiht Aa = geschihi iu BDbdf. 50 in rvol A {wol B) = iu Dabdf. 54 unt f andern = mit andern AEaL^ Bech {mit den aridem B, mit in D, mit den bdf), rich- tiger vielleicht noch mit den andern, wobei mit den in eine silbe zusammengezogen werden müste. 57 wer iu A {der uch den D) = wen iuwer Bbdf ; letzteres soll nach Lachmann eine besserung sein, die auf dem misverständnis von rät in z. 7849 beruht; das kann ich nur so verstehen, dass die Schreiber rät dort nicht coUektiv, sondern fälschlich abstrakt verstanden und daher auch hier sich eine änderung erlaubt hätten, in welcher rät eben so abstrakt als Überlegung der Laudine gefasst wäre; aber was hindert uns denn rät in der lesart von Bbdf coUek- tiv zu fassen? ich tibersetze *wen euer versammelter rat unter euren untergebenen finden mag, der diese bürde (die Verteidi- gung des brunnens) übernehmen kann'; so ist alles klar, aber nicht bei der lesart von A; denn es handelt sich nicht darum einen plan über die art und weise der abhülfe zu machen; darüber ist man im klaren: es handelt sich nur darum eine person ausfindig zu machen, welche nicht zu raten hat, wie

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400 PAUL

in der lesart von A vorausgesetzt wird, sondern nnr zu han- deln, den kämpf gegen den gewittermacher zu bestehen. 58 Ingesinde Ad = geslnde BDabf. ' 00 der A = daz er UEab (fehlt Dcd, der L^ auch 59); der Wechsel in der construktlou, welcher recht wol möglich ist, scheint zur änderung in A und zur auslassung in Dcd anlass gegeben zu haben. 04 habe Adf = hän BDab. 71 der {der A) = daz er BDEabf cf. zu 2128. 74 rnochte AE = geruochie BDabdf.. 94 enpfäh et (unifahei A) = enpfäch BDabdf cf. s. 304. 98 hegimdet Aa = mJdet BDbdf.

7930 niht Aa = da niht BDbd. 54 also bi Ab {also hy a, hie bi D) = so {also E) 7iähen bi cf. Chrest. 0067 sipres; dann ist daz ich zu verschleifen. 50 juncvrouwe Aa = vrouwe d {ia fraurve c, ach frarv f, frouwe Lunet BD, Lünet fraürv ' b). 56 daz ist A {ez ist Da, es ist nicht c) = ist ez {diz B, daz b) {ist es nicht d, ich furcht ez sey f); letzteres ist entschieden ange- messener: wollt ihr euch bloss über mich lustig machen, oder habt ihr mich wirklich gesucht? 00 brechen ir == brechen danne {den b) ir Bb {brechen den Db, dan breken ern AafL^); Bech schreibt den ir, den als artikel gefasst; aber der artikel mit dem gen. des persönlichen prou. müste bei Hartniann erst sicher belegt sein, ehe er wie hier und auf noch unsicherer grundlage an andern stellen conjiciert würde. 74 döne A {do d) = dochn BD {doch abf ). 90 verdienet Adf = gedienet BDab. 90 ist und mit allen hss. und L* wider einzusetzen cf. Chrest 6094 com celi qui autrui avoir anprumte et puis si le repaie.

8010 liebe vrou Aa = vrouwe BDEbd {trawt fraw t). 51 bervise et {bewiset A) = bervise BDabdf L^ cf. s. 304. 66 eriein == in ein alle hss. Bech. 69 haltet AEa = behaltet BDbf (he- habt d). 69 gewärheit A = wärheit alle übrigen, auch fL'. 84 hän gellten e = Hden iemer e cf. s. 303. 96 er mich A = er die übrigen. 96 hat Aa = habe BDbd.

8105 ständigen AE = schuldigen BDabdf L^. 06 stväre {groz D) er schulde AD = stvare schulde er BEabdf ; Becks conjektur ist unnötig. 16 ich Aa = ichs BDbdf. 16 miner A = mit BDEabdf; es ist dann gewärheit zu schreiben cf. Bechs anmerkung; gewärheit gibt es nicht, es ist überhaupt eine un- mögliche bildung cf. zu 8069. 22 her Iwein^ lieber herre mn B = lieber man {traut fnein d) her Iwein ad (?) cf. zu 7567.

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hAndschriftfnverhaeltnis des IWEm. 401

37 gesach Ab «=» sach BDEa {hesach d). 65 m gesogen DadL^ (m niht gesogen Bb Bech; iu in dieser zeile ist durch Bb schlecht bezeugt; da man es aber doch nicht gern entbehren wird, so werden wir berechtigt sein, statt des ouch ich aus AB in zeile 64 das eben so gut bezeugte ich iuch aus Dd {ich oüch b, ich a) aufzunehmen, welches durch das iu von Bb in z. 65 eine weitere stütze erhält.

Ich füge eine aufzählung derjenigen stellen bei, an wel- chen Lachmann von der ttberlieferung sämmtlicher hss. abge- wichen ist, damit man sich leicht durch vergleichung derselben überzeugen kann, ob und wieweit solche abweichungen über- haupt berechtigt sind: 155. 309. 449. 802. 845. 872. 1206. 1376. 1410. 1522. 1639. 1720. 1735. 1744. 2053. 2608. 2667. 2798. 2853. 3613. 3760. 3927. 3944. 4062. 4067. 4084. 4247. 4413. 4431. 4445. 4495. 5022. 5160. 5351. 5401. 5427. 5480. 5521. 5582. 5957. 6307. 6497. 6519. 6575. 6645. 6645. 6670. 6712. 7058. 7212. 7370. 7469. 7996.

LEIPZIG. H. PAUL.

Beitr^e zur geschichte der deutschen spräche, t. 27

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DIE ALTHOCHDEUTSCHE UEBERSETZÜNG DER BENEDIKTINERREGEL.

Das Studium der althochdeutschen spräche und literatur bedarf im einzelnen noch sehr der ausftthrung und Vollendung.

Was zunächst die grammatik betrifft, so gründet sich das grosse Grimmsche Sammelwerk vielfach auf schlechte texte und auch die überaus schätzenswerten arbeiten Weinholds sind wie es ja bei einem so umfassenden stoflf nicht anders mög- lich ist von mannigfachen Irrtümern im einzelnen nicht frei; wir werden dies im folgenden zu bemerken öfters gelegenheit haben. Die irrtümer sind dann zum teil in die kleineren schul- und lehrbücher der ahd. grammatik übergegangen. Sie zu be- seitigen gibt es nur ein mittel, nämlich das, jedes ahd. denk- mal auf seinen dialekt und seine Orthographie hin genau durch- zuarbeiten. Wenn dies geschehen sein wird, so wird manches falsche berichtigt, manches unklare aufgehellt, manches neue gefunden sein. Was uns daher zum weiteren ausbau der ahd. grammatijt vor allem not tut, ist eine anzal monographien, die den dialekt jedes einzelnen Schriftwerkes, zunächst natürlich der grösseren und wichtigeren, bis ins kleitie genau darstellen.

Ebenso herscht in literarhistorischer beziehung über viele erzeugnisse der ahd. kirchlichen literatur noch mannigfaches dunkel; die kleineren homiletischen und katechetischen denk- mäler sind in den ^denkmälem' von Scherer zwar auch lite- rarhistorisch besprochen; allein manches ist mit zu grosser Sicherheit hingestellt worden. Die glossen harren einer genauen bearbeitung durch Steinmeyer, die hoffentlich nicht mehr allzu- lange auf sich warten lässt. Vieles, z. b. die schritten Notkers, ruht noch ganz.

Das denkmal, mit welchem wir uns im folgenden beschäf- tigen wollen, ist bisher weder grammatisch noch literarhisto-

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BENEpIKTIKERREGEL. 403

riseli eingehend behandelt worden: Die dem Kero xugeschrie- bene Übersetzung der regula Set. Benedicti im Set. Galler co- dex 916, gedruckt zuerst bei Schilter, dann bei Hattemer. Dieses denkmal soll der nachfolgende aufsatz zuerst gramma- tisch, dann literarhistorisch untersuchen; er zerfällt demge- mäss in 3 teile:

1) dialekt und Orthographie des denkmals.

2) das Verhältnis der deutschen Übersetzung zum lateinischen text

3) entstehung und zeit des denkmals.

Der erste teil wird der ausführlichste werden ; denn einer- seits wird es notwendig sein, in ihm einzelne grammatische fragen zu erörtern, andrerseits muss durch ihn festgestellt wer- den, ob zwischen einzelnen partien des denkmals orthographisch- dialektisdie unterschiede stattfinden oder nicht. Dazu sind aber statistische aufstellungen erforderlich. Ich habe mich bemüht, in diesen letzteren eine gröstmögliche genauigkeit zu errei- chen; etwaige kleine fehler im einzelnen dürften bei der masse des matierials entschuldigung finden. Die handschrift selbst zu kollationieren war mir nicht vergönnt; meine angaben beruhen daher auf dem Hattemerschen texte, fftr dessen etwaige fehler ich nicht verantwortlich gemacht werden kann. Ich eitlere nach Seiten der Hattemerschen ausgäbe; eine 1 hinter der zahl der Seite bezeichnet die obere, eine 2 die untere hälfte derselben; also z. b. 30,1 bedeutet s..30 bis kelitij 30,2 von ze dih an; die grenze zwischen 1 und 2 ergibt sich allerdings nicht immer auf den ersten blick, doch wird diese einrichtung zur erleich- terung des nachschlagens dienlich sein.

I. Dialekt und Orthographie.

1. Konsonanten.

A) Gutturale, g k.

Im anlaute ist das ursprüngliche g nur in wenig fällen stehen geblieben, garatvidu und gnada 32,^, gaugron 100,2. 1^5,2, gangar aro 10b,x, geswason 10 A^grozzii 107,^, ganuctsamerulb. Fer- ner einigemale wo ursprünglich anlautendes g durch präfixe oder composition zu inlautendem geworden ist eo-goweri 57. pi-gunnan 68. ana-gat 1% i7i''gangantemu Sb, in-ganc \10j2' fci-gangan lll,i in- ga-ganganer 115,i. ke-gangan 116,2. inke-gankaner 117,2. un-gi- laubig 78. ki-geban 106,2- K'^-ga- 45,i und 122,2 (3 mal). Hier

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404 SEILER .

geht dem ^ überall vokal oäer n vorher; doch ist auch in die- sem falle k das gewönliche, also in-kangan, ke-kangan, pi-km- nan u. s, w. Bis auf diese unbedeutenden ausnahmen ist die Verschiebung von ^ zu ^ im anlaute durchgedrungen. Doch ist k nicht das einzige zeichen, was im anlaute steht; es wech- selt mit c. Das Verhältnis beider ist folgendes.. Nur k haben alle diejenigen Wörter, in denen auf k e oder i folgt (mit ein- ziger ausname \on cemRhho 30,i) weil man sonst dieses c von dem flir z geschriebenen nicht hätte unterscheiden können. Vor a findet sich c und k. Bei den häufig vorkommenden Wörtern kagan, kangan und karawan überwiegt bei weitem k {cagan findet sich nie, cangan nur in umbicangen 100,2, umbi- canc 111,1, caratvan nur 100,i und ke-caratvan 119,2); auch das präfix ka- hat durchgängig k^ nur 83,i steht cameinsaman und 75,1 carmhtsamera. Bei den seltener vorkommenden Wörtern schwankt der gebrauch; doch überwiegt hier im allgemeinen c. cauma mit ableitüngen und Zusammensetzungen findet sich 5 mal (89,1 zweimal, 91,2 zweimal und 92,2), kauma nur ein- mal 84; cast steht 3 mal (35,2. 115,2. 116,i); kost 2 mal (106,i. 116,i); cataling steht 106,2, kataling 113,2. Nur c haben carto 56,2. oor^ 94,2. oalm 88. Vor o und u steht nur c. cold 35,i. picurte und curtilom 73. comman 33,2 ^^^ 56,i. rehtcuUchontem

60.1. Ebenso steht in den beiden unzähligemale vorkommen- den Wörtern cot und cuai nur c, nie k*), auch in allen ablei- tüngen und Zusammensetzungen; endlich auch in dem 45 mal vorkommenden eo-co-rvelih, sowie in eo-co-weri 70 und eo-co- rvemu 108,2. Es scheint demnach, als habe das k vor den hellen vokaleii eine andere ausspräche gehabt als vor den dunkeln ; das a steht zwischen beiden in der mitte ; daher hier das schwanken. Es kann doch z. b. unmöglich zufall sein, dass das ursprüngliche präfix ga- einerseits nur ke und Äi, andrer- seits nur CO' geschrieben wird und dass sich sowol ka als ca findet Vor r und / steht nur c: kecremiter .31,i. picrdban

42.2. crimmii 38,i. kecrüffant 46,2 (dafür einmal unregelmässig ch: kechriffe 87,2) ahcrunte 51,2. clatamuatan 47,2- claulicho 116,i.

•) Von cot hat dies schon Jakob Grimm bemerkt gr. 1*180. Der dort angegebene grund, dass c älter sei und dass man in dem heiligen namen die neuerang des k nicht sobald wagte, ist dem oben angegebenen ge- setze gegenüber hinfällig.

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BENEDIKTINERREGEL.

405

In fremdwörtern steht c: canticun 61,2. ^wr* 67,i (aus la- teinischem curstis Graflf IV, 497) cucalun 107,i (aus cucuUa). Doch findet* auch hier vor a schwanken statt: kalizmn 107,, (aus caliga Graflf IV, 391) caUziun 108,2.

Im in laut steht sowol g als k. Steinmeyer hat in einem aufsatze in Haupts Zeitschrift 16, s. 131 fL bemerkt, dass die Verschiebung zu k im ersten teile, d. h. bis zu seite 54 (incl.) viel seltener sei, als im zweiten. Folgende beide tabellen geben das genaue Verhältnis: a) Zwischen vokalen stellt sich die sache so:

(bis Seite 64 incl.) (nacli seite 54.)

Ableitungssilbe -ig-

Ableitnngss. -ag- (slafag manag etc.)

wizago

tag-

weg- (via) ..........

auga

liugan

swtgan (tacere)

tragan (ferre)

perag- porag- (cavere abscondere)

zog- in den ordinalz

egt (disciplina)

magan

kagan

eigan (proprins, habere)

sag^7i forasago

sorag-

sügan

dig\

piogan widarnngo pereg- ....

stiagü

trägt (piger)

chlagon

digit

kelegit

kehugit

keaugit

kehneigi -git

18 3 7

15

9 1 5 3 2

1 3 1 9 2 1 6 1 1 5 2 1

36 1 5

37

17 3

1

1

1 2 1

5

11

1

1 2

104

22

101

56

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406

SEILER

Diese tabelle stimmt zu der Steinmeyerschen bemerkung um so mehr, da auf die 101 ^ in der zweiten hälfte allein 37 auf ableitungen und flexionen von tag fallen, wo überhaupt nur 2 mal k steht. Lässt man dieses wort ganz weg, so erhält man in der ersten hälfte 89 g und 21 ä, |n der zweiten 64 g und 55 k, b) Nach liquiden und nasalen :

(bis Seite 64). (yon selte 66 an).

k "V

fang (accipere) . folgin .....

zunga

antlengan . . . langSr . . . . jungSr .... pringan . . singan .... alongir .... ringiro .... morgan .... kangan .... porgen .... dwingan ....

engil

enger

pergan ....

pirkic

hengit -gida . . sprengit .... erholgan abulki . ableitungssilbe -ing-

10

9

.2

2 2 3

8 2 1 3 16 1

34

3 I

64

39

Nicht mitgezählt ist in dieser tabelle die femininalablei- tungssilbe -unga, die immer g hat; nur das wort scauuunka findet sich merkwürdigerweise 3 mal mit k und nur einmal (91,2) mit g, Die zahl der g hat sich laut obiger tabelle in der zweiten hälfte der ersten gegenüber noch nicht verdoppelt, die der k verdreizehnfacht. Die Verschiebung des 0 zvl k im inlaut ist also in der zweiten hälfte des denkmals vilmehr

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BENEDIKTINEKREGEL. 407

durehgedruDgen als in der ersten und zwar ist sie am häufig- sten in dem absehnitt s. 58 79 und s. 96 116.

Für k findet sich die Schreibung c im inlaut nur in zwein- zicozstin 68,i, emezzico 78,^, heiHcorin 120,i und tracan 110,2.

Im konsonantenumlaut*) ist g nur selten stehen ge- blieben; die gewönliche Umwandlung ist gj= ck^ bisweilen cc. licken steht 6 mal (/iccan nur 97,i, liehe 101,i ist Schreibfehler) ; leckan steht 3 mal {leccän 2% und 112); auckan steht 7 mal {augan ist stehen geblieben 32,2. 69,2. 84,i.); hneickan steht 1 mal (52); diekan ftteht 1 mal (119,2); rveekan steht 1 mal (48)**); kemmckan steht 1 mal (107,i) (kenuagmi 108,i); huckan steht 4 mal (die kehucke == memor nicht mitgerechnet). Das g ist also stehen geblieben nur nach unmittelbar voraufgehen- dem diphthong (langer vokal kommt nicht vor) und auch hier ist ck vil gewönlicher.

Bei den schw. vv. der i klasse werden die endungen des praeter, und prtcp. praeter, häufig ohne das ableitungs i ange- hängt; daÄn ist zu bemerken, dass sich g stets zu c wandelt Wir haben also neben kehukit (110,i) pihuctigery kehuetic, pi- hitctt, farhoc'ton (spreverunt) 37,i, neben kehneigit kehneictemu 56,2; ausserdem noch erflauctpr perterritus 29,^. Unmittelbar vor t findet sich in der ganzen benediktinerregel überhaupt nur c, nie k.

Im auslaut ist ursprüngliches g stets zu e (nie k) ge- worden. Beispiele: zuakmic 79. (dat. dagegen umbicange lll,i- 45,1 ) lerne 'Sam 34,2. sane 67,i (dat. sänge 68,2) tole wee mae sorc'haß arnunc (118,i. 120,i) ^cawwwc (107,i) /rezmc (122,2) ^^d stets die adjektivische ableitungssilbe -ic z. b. einic 83,i. k eh.

Im anlaut ist ch allgemein durchgedrungen, emiati

*) Der kürze wegen bediene ich mich des von Mtillenhoff und Sche- rer in anwendung gebrachten ausdrucke.

••) Es sind 2 verschiedene verba zu unterscheiden. Got. vagjan ahd. weck an movere und got. vakjan ahd. wecchan excitare. In unse- rem denkmal begegnen beide, a) rveekan in rveckentiu moventia 48,2- Diese form stellt Graff 1, 675 ohne grund zur wurzel got. vak ahd. wach. b) wecchan in foraerwechan promovere 117,2: Hier haben wir die be- deutung a) und die form b). Der unterschied beider verba wurde also nicht streng festgehalten. Beides, form und bedeutung von b) haben wir dagegen in erwechenUru excitante 31,i und sint erwehchit suscitantur I23,i.

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408 SEILER

58 und clohhot lOO^i sind Bchreibungenauigkeiten^ da sich sonst stets chnuat (4 mal) und chlohkon (2 mal) findet Die nicht eingebürgerten fremdwörter lassen c stehen (vgl. oben), die eingebürgerten haben ch; chiricha 62,i. 87,2. 96,i. chliric?w cle- ricorum 115,2, chamfan oft, chuhchina coquina 88. fmf-chusttm pentecoste 91,2. Neben dem gewönliehen chrisi erseheint 2 mal (29 und 30) crist, Die Schreibung hc für ch findet sich im anlaut nur einmal: hcreftio 57. Besonders betrachtet wer- den müssen die mit qu anlautenden werter. Die gewönliche Schreibart für diese ist qhu und etwas seltener qhuu. Bis s. 54 kommen nur diese beiden formen vor. Voi\ s. 55 an aber treten, wie schon Steinmeyer a.a.O. bemerkt hat, auch andere Schreibweisen ein.. Gleich auf s. 56,2 findet sich quad ohne h und ebenso quemanero 110,2. Sehr häufig wird femer von s. 55 ab ch für qh geschrieben, chu ist besonders häufig von 60 62, wo es 10 mal vorkommt (hier steht nur 2 mal qhu) ; femer er- scheint chu noch einmal auf s. 112. chv steht 59,2 2 mal, 106,1 und 112,1*). chuu 87,t. 106,i. Schreibungen mit ch finden sich also im ganzen IS mal und zwar erst von s. 55 an. Doch erscheinen auch von hier an noch 22 qhu, 4 qhuu und 2 qu.

Im inlaut ist die Verschiebung ebenfalls vollständig durch- gedrungen. Es kommen vor die Schreibarten: cä, hh, hchy cch und h. ch steht durch das ganze denkmal sehr häufig nach den harten vokalen a, o, w (37 mal) und nach liquiden und nasalen (23 mal); nach weichen vokalen {e i) steht es erst von s. 55 an und zwar in michll (60,2. 117,i) zeichan (82,i 2 mal 84,1. 68. 100,i 2 mal. 100,2. 105,2. .112,i). smecharem 101,2. kirechida 60,i. piswichaner 114,i, und ausserdem 49 mal in der ableitungssilbe -Äcä-, im ganzen also 63 mal Dieses ch nach weichen vokalen erscheint nur in folgenden 4 alh-'^ schnitten: s. 58—79. s. 82—84. s. 88—90. s. 96—116. in die- sen ziemlich häufig; dann noch einmal s. 57 und 2 mal s. 117. Vor s. 55 kommt es nach e oder i nicht ein einziges mal vor. Vor konsonanten steht ch nur 3 mal in den cass. obll. von

*) Lkchmann (specim. ling. franc.) liest auch 57 pichveme, Hattemer hat picheme, wol mit unrecht, denn blosses ch kommt nie für qhu vor (in chortar und choman steckt das v im o).

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BBN^DIKTINEBREGEL. 409

achar, wo a ausgefallen ist, achre, achro und acknm (56,2. 91,2) nnd in pidachta operui 54,2- hh ist die häufigste Schreibweise und begegnet sowol nach weichen als nach har- ten vokalen durch das ganze hindurch wenig ttber 200 mal; es steht aber nie unmittelbar vor oder nach konsonanten. Hier ergibt sich also kein unterschied zwischen der ersten und letzten hälfte. Dagegen findet sich hch in der ersten hälfte nur 3 mal und zwar nur in dem worte ruahcha (36. 37,i. 39,1); von Seite 55 ab steht es 83 mal und zwar erscheint es ebenfalls meistenteils, aber nicht ausschliesslich, in jenen 4 eben genannten abschnitten. Es hat seine stelle sowol nach harten als nach weichen vokalen, aber nie unmittelbar neben konso- nanten. — Das blosse h ist die seltenste Schreibweise. Nach weichen vokalen steht es 32 mal durch das ganze denkmal hindurch; davon fallen die meisten, nämlich 26 auf die ablei- tungssilbe -föcA-. Nach harten vokalen steht es nur 3 mal und zwar nur in der zweiten hälfte, nämlich keprauhoter 55,^. mahan 59 ,|. 116,2. Beliebt ist h unmittelbar vor t] denn man war hier bereits diejenigen h zu schreiben gewohnt, die einem got h entsprechen, in Wörtern wie naht farahta] diese müssen im ahd. einen ähnlichen klang gehabt haben, wie die aus k verschobenen ch*). So schrieb man denn kesuahtos 53 von stuichan, kistraht 96,^ 2 mal von strechan, wahta st. fem. von fvechan, trahtan aus tractare 41,i. ch erscheint hier nur in pidachta von dechan 54,2 und für ch in ungenauer Schreibung c in kestactem von stechan 56,2. cch findet sich nur in cloc- Chol 124.

Der konsonantenumlaut wird gewönlich durch ch = kj ausgedrückt: wechan 31,i. 117,2. erqhuichan 42,2. secho rixae nom. plur. von sekja (GraflF VI, 76) 123,i. Einmal findet sich cch, nämlich decchan 98,i. Tritt (im praeter, und pari praet.) i unmittelbar an die wurzel, so wird, wie eben erwähnt, aus ch h.

Die fremdwörter mit inlautendem k gehen teils auf die

*) Es beweist dies ohne zweifei, dass der unterschied des hh vom h (ss got. h) kein anderer war, als dass ersteres als doppelkonsonant eben auch doppelt articuliert wurde. Vor t mnste sich die doppelkon- sonanz vereinfachen und die beiden laute fielen in der ausspräche, und demgemäss auch in der Schreibung, zusammen. W. B.

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410 SEILER

Verschiebung ein, teils nicht. Ersteres ist der fall bei dem etymologisch allerdings noch nicht ganz sicher geßtellten chiri- cha 62,1, woftir auch chirihha 87,2 und chirihcha 96,i, bei tur nihha aus tunica 54,i, bei chuhchina 88, chliricho 115,^; trahtan aus tractare 41,i ; letzteres in cucala 107,i. cantico 61,2. ' iechir 59,2 und in dem aus lectio entstandenen lectia {lecza, lectza^ leczia)y iferner in dicton aus dictare 38;i.. irähton ist also schon ein völlig deutsches wort geworden, dicion noch nicht.

Im auslaut ist das gewönlichste ä. werah 55,i. lOl,^. 102,2. i?tt«Ä 30,1 . 59,2- 82,2. «««ä 47,2. p^foÄ 48,2. ruah-licha lll,i, femer stets die ableitungssilbe . -Rh ; nach konsonanten tranh 102,2. umbincirh 70,^ (wol aus circulus). ch steht in wer ach 30,1. 31,2. 40. 52,1, iiach konss. in scalch 38,^. Für ch ist einfaches c geschriben in wercLc-man 57 und kidanc 32,2*), hc in werahc 101,2. h.

Im anlaut Vor vokalen wird es bis s. 54 regelmässig behandelt Von s. 55 ab treten einige Unregelmässigkeiten ein. Es fehlt einmal wo es stehen sollte: orren oboedire 114,1 und steht 6 mal, wo es fehlen solte: huhilan 55,i. hachu- Stirn kehaucken 57. heru 61,2. herist 67,2 heikinin 112,2.

Wir kommen nun zu der wichtigen frage: wie steht es mit h vor den 4 konsonanten n, /, r, w'i Wenn sich zwischen einzelnen teilen unseres denkmals in dieser beziehung scharf abgegrenzte unterschiede finden, so wird man dies nicht als einen blossen zufall ansehen können, sondern auf verschiedene Verfasser oder Schreiber schliessen müssen. Ehe ich zur Un- tersuchung selbst komme, noch eine Vorbemerkung. In 3 Wör- tern scheint es nämlich nicht ganz sicher zu stehen, ob sie an- lautendes h haben oder nicht. Das ist erstens zualuustrenteem attonitis 31,i; über dieses wort kann mit Sicherheit nichts ent- schieden werden (vgl. Graflf II, 293). Zweitens lioian got liu- dan as. liodan\ davon kommt in unserem denkmal das praeter, vor: framerhlot propagavit 30,i, also mit h. Graflf II, 198 führt aus den glossen noch 2 mal die form arhlutun an; sonst hat das wort auch im ahd. kein h. Das dritte wort ist Ifppaai

•) Der annähme, dass in kidanc am Schlüsse wirklich ten. gesprochen sei, widerspricht tranh 102,2 und die cass. obll., die stets ch haben ke- dancha kedanchum.

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BENEDIKTINEREEGEL. 41 1

parcere got. bleib frni dvTiXafißdvsö^ai Luc. 1, 54 an, hÜflsL Im ahd. kommt es nie mit h vor (GraflflV, 1110). Sehen wir aber die stellen an, in denen es erscheint, so ergibt sich, dass es hauptsächlich bei Otfried und Notker vorkommt, und bei diesen ist k vor konsonanten überhaupt schon abgefallen. Ausserdem steht es in den glossen, die GraflF mit Ib und Rd bezeichnet und das sind genau dieselben, die für arlutun arhJutun setzten ; es scheint in ihnen mithin zwischen / und hl überhaupt Ver- wirrung eingetreten zu sein. Endlieh findet sieh das wort noch einigemale in unserem denkmale, nämlich 52,2. ö9>2- 72. 89. Die 3 letzten stellen fallen aber in abteilungen, wo, wie wir gleich sehen werden, das h vor konsonanten schon über- haupt abgefallen ist; die erste 52,2 steht allerdings in einem teile, wo h sonst stehen geblieben ist, aber auch in diesem ab- schnitte findet sich gerade vor / das h abgefallen, lancha 32,i. ebanlozzo consors 29,2- Also keine einzige von den stellen, wo Uppan vorkommt, beweist mit Sicherheit, dass es im ahd. ursprünglich ohne h war; das wort kann recht gut hlippan ge- lautet haben, nur ist es uns zufällig in dieser gestalt nicht mehr überliefert

Nun zur sache selbst. In beziehung auf anlautendes h vor conss. sind in unserem denkmal folgende Unterabteilungen zu machen:

1) vpn anfang an s. 57. Hier findet sich 5 mal hlauffan (29,1. 2. 31,2. 32,1. 47,2) 14 mal hwer hwaz {2%, 30,2 2 mal. 31,1. 2 4 mal. 32,i. 32,2 2 mal. 35,i. 36,2. 47,i) 4 mal hreini (30,1. 42,2. 44,2 u^d heinan für hreinan 57) hlosen (30,i) 3 nial hneigan (30,i. 41,2. ^6,2) hrvasllhho (30,i) 7 mal hwerban und hwaraban (30,i. 31,2. 34,i. 38,i. 45,i. 51,2- 52,2) 3 mal anählinm (36,2. 44,1. 46,2) hrirva (33,2) 2 mal odhmla (40.i. 43,i) 2 mal hlahtar (44,i. 56,i) 3 mal hleitara (49,2. 50,i 2 mal) hrucki (53,2) edeshrvelih (52,2) hrvialihhi (39,2) hrvenne (37,2) hwanta (37,2) 3 mal hweo (39,2. 48,i. 50,2) hlutreister (56,i) hwanan (41,1) 5 mal hrvelih (42,i. 2. 48,2. ^%^' 53,i) 2 mal eocohwelth (50,2. 56,2), also 63 mal anlautendes h vor conss. Ausnah- men : Die vom stamme hwa abgeleiteten pronomina, wenn sie präfixe bekommen, lassen fast stets auch in den folgenden abteilungen das h fallen; daher findet sich in ableitung 1 18 mal eocowelih, 2 mal eddeswenne, 2 mal eddeswelih, 2 mal

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412 SEILER

eddeswer, ferner eogoweri, so war so, sowetih. Sonst fehlt h nur sehr selten und zwar nur vor /, nämlich in Idhtar (56,i 2 mal) ebanlozzon 29,2* lonchom 32,| und yilleicht in HppaniivxA zualtmstrenteenL

In dieser abteilung ist also das stehen bleiben von ä bei v^eitem das gewönlichste.

2) Seite 58—79. Hier ist das feien von ä die regel. Es findet sich 3 mal tvila (58,i, 65,2. öö>2) fvecmichili (60,2) odowila (62,|. 69,2) eddeswer (62,i) lauf an (63,i) werban (64,i. 79) rei- nan (64,^) eocowelih (69,i 79 2 mal) welih (69,2) wenne und eocoweri (70) weo und 2 mal lutar (71) erlozzan (76) sowelih (76. 78) wassira acrior (78), also 25 mal fehlt ä. Es steht nur 1 mal; in hwassi sagacitas 77.

3) Seite 80 87. Hier pflegt h wider gesetzt zu werden. 2 mal odhwila (80,2. 87,2), 2 mal hreini (84,2) 1 mal hwarban (87^) und vom pronominalstamme hwa hwelih (80,2) so hwelih so (82,i) so hwer so (86,2). Doch ist zu bemerken, dassvon pag. 84 der handschrift d. i. auf s. 82 bei Hattemer bis zum beginne des XXXV. kapitels auf s. 84 sich bloss eocowelih u. so welih findet und zwar jedesmal ohne h. Diesen abschnitt können wir also auch als einen bezeichnen dem das h fehlt; ein sicheres kriterium ist nicht vorhanden.

4) Im folgenden müssen wir jede seite einzeln ansehen. Es erscheint s. 88 enti weliches so, eddeswaz 2 mal, wanm unde; s. 89 kommt kein hierher gehöriges wort vor; s. 90 er- scheint nur eocowelih und das gibt kein kriterium ab, da es auch in den partien, die sonst h haben, fast stets ohne h steht (es hat h nur 50,2. 56,2. 120,i); s. 91 weo\ s, 92 nur eocowelih S. 88 I^eginnt also entschieden eine neue abteilung, die das h abwirft; wie weit diese aber reicht, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, da im folgenden zu wenige und zu unsichere uzegnisse vorkommen. Mit Sicherheit lässt sich eine neue abteilung aufstellen von

5) S. 93—95. 3 mal hlauffan (93,i. 2. 94,2); eddeshwer 93,i. hriwdn 94,i. hwelih 95. Nur einmal kakanlaufit 94,i.

6) S. 96—116. Das h fehlt stets. 2 mal odwila 99,2. 100,2. laufan 100,i. ruam 102,2. ^tor 102,i. n>o,rhan 108,i. wealihnissi 107,1. 1)^6 pronomina vom stamme hwa 22 mal ohne h.

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BENEDIKTINERREGEL. 413

Ausnahme allein hwaz 99^^. Auf s. 117 komt kein hierher gehöriges wort vor.

7) S. 118 125. Das h ist überall erhalten, kihworvanissa 118,1, 3 mal hrverban (118,2- 125,2 2 mal), hlutar 119,i, hweizzi 122, hreini 2 mal (120,2. 121,i), hwelih und sokwelih 3 mal (119,1. 120,2. 123,2), so hfvarso 119,2. hwaz 121,i; selbst ein- mal eocohfvelih 120,|, Ausnahme nur ein eocoweUh 121,i.

Im in- und auslaute entspricht es ganz dem got. h. In einem falle ist h bewahrt, wo sonst im ahd. stets g einge- treten ist, nämlich in dem verbum frohen und ableitungen. frahemees 32,2. intfraheiomes 34,i. antfrahida .%%^ und 55,2. Von diesem verbum führt Graflf III, 815 nur noch ein beispiel mit h aus den glossen an; sonst hat es stets g. Das wort ist allerdings etymologisch nicht durchsichtig; h ist aber jedesfalls ursprünglicher als g (got. fraih-na). Im praeter, und partic. praet starker verba wird h der wurzel, wie im ahd. überhaupt zu g: kislagan 54,i. Dies g ist weiter zu ^ verschoben in far- cikan 79. Verdoppelt ist ursprüngliches h in sehhantem 56,^ und in dem öfter vorkommenden nohhein^ vorausgesetzt, dass die ableitung von nah (got nih) und ein richtig ist Diese Verdoppelung lässt auf eine schärfere, dem ch sich nähernde ausspräche schliessen, ebenso wie die Schreibung nachies 98,2 für nahies. Ausgefallen ist dagegen h in forakisüt 116,2 (2 mal) und in eowit 83,i. 89,2. 114,2, wofar gewönlich eowiht. Die Wurzel nah hat ursprttoglich h (got ganohs gandhjan)\ sie hat im ahd. aber schon früh ein g erhalten und dies ist wider vilfach zu k verschoben, besonders im auslaut und kon- sonantenunüaut So finden wir kenuackan 107,i. kenuakit 96,2. 107,2* kanuage 108,i. Folgt aber auf diese wurzel unmittelbar t, so erhält sich das alte h: kinuhtlicho 105,2. kanuhtsam 47. 62,1. 75,1. S&n* 34,1.2. ^'^7%] dafür steht nun 2 mal kanuhctsam 96,1. 2 ^^^ 4 mal kamcctsam 75,i. 77 (2 mal) 96,2; also auch hier c flir ch resp. h.

Ich stelle am Schlüsse der "Übersicht wegen alle die fälle zusammen, wo c tHr ch geschrieben ist: a) anlaut cnucUi 58. clohhot 100,1. Umgekehrt steht ch für c in kechriffe 87,2. b) inlaut kistact 56,2. kanuctsam 4 mal. c) auslaut werac^man 57. kidanc 32,2* Da in allen diesen oder ganz analogen wor-

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414 SEILES _

ten die sehreibung mit ch die gewönliche ist, so wird man nicht zweifeln, dass diese c nur ungenauigkeiten der Schreiber sind, nicht etwa wirkliche tenues.

hc steht für ch: a) anlaut: hcreftio 57. b) inlaut: ke- nuhctsam (2 mal), c) auslaut: rverahc 101,2.

j

j (i geschrieben) findet sich im anlaut nur vor den harten

vokalen (a, o, u): jär, joh, junc. Vor e und i ist es in pala- tal gesprochenes^ verwandelt: gehan confiteri, pigiht confessio. In dem werte giu jam ist dieses g dem vokalisierten y vorge- schlagen. — Im inlaut erscheint J nur in ableitungssilben, bei subst. adj. und schw. v. Hierüber bei jedem einzeln.

B) Dentale. d t

Die Verschiebung ist im anlaut stets eingetreten. Schreib- ungenauigkeit th fftr t ist thruhtinlihhemu 101,i. Die fremd- wörter dagegen sind nicht verschoben worden, diubil 32,2. 34,2. disco (13 mal) dicion 2%. 38,i.

Auch im inlaut ist die Verschiebung nach vokalen stets durchgedrungen (mit einziger ausnähme von {ahto^do 55,2), z. b. haubite 69,2, ^ach liquiden und nasalen meistenteils. Merk- würdig ist, dass die beiden adverbia eonaldre und necmaldre mit alleiniger ausnähme von 121,2 stets d zeigen, während die cass. obll. von altar immer t haben (ausgenommen nur cUdre 89,2). Sonst zeigt sich d noch 1 mal in standan 50,i (sonst stets stantan), 2 mal im partic. praes. hör endo 31,i und far- suvmando 80,2, in fiordo 53. 59.i. 60,i (nach f, s, t und n ist die endung der Ordinalzahlen dagegen -to : zwelifto sehsto dritte niunto). Abgesehen von dieseü geringen spuren findet sich bei den dentalen nichts von der neigung der liquiden und nasalen, folgende tenuis zur media zu erweichen. Wir haben also wolta 31,1. wüntrum 49,^. sunta pintan stantan aUres kerta u. s. w. Auch das fremdwort expendere ist zu spenton (68,1. 75) spen- tari (120,2) verschoben.

Besonders betrachtet werden muss die partikel indi. Sie erscheint in dreifacher form : indi, inti und enti^ und zwar ver- teil^ sich diese auf die einzelnen partien des denkmals in folgender weise:

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BENEDIKTINEEEEGEL.

415

inrfj

inii

enti

1) 28—54

etwa 130 mal

1 (36,0

2) 55 57

1

6

3) 58—79

1

1

4) 79—82

8

4

5) ,82—84

6) 84—87

7) 88—90

1

8) 90—95

3

1

9) 96—116

1

10) 117—125

2

2

leh habe in dieser tabelle absichtlich wider diejenigen 4 abschnitte hervorgehoben, die wir schon einige male kennen gelernt haben; hier haben sie nichts eigentümliches; die Par- tikel kommt gerade in ihnen selten vor.

Im konsonantenumlaut wird dj immer zu tt pittan arabeittan leittan ndttan wättan. Nur ein einziges mal 100,i steht otrbeiian (als 3. pl. conj.) mit einem t.

Im aus laut ist d stets zu t verschoben, z. b. äöw&Ä 65,i. chnuat 28 u. s. w. fimt aus pondus 89,i. t z.

Im änlaut ist die Verschiebung allgemein; in den beiden fremdwörtem tunihha und tempron (54,i. 58. 92,i) ist dagegen t stehen geblieben. Für z wird oft c geschrieben, merkwür- digerweise in dem werte dt immer, obwol es 50 inal vor- kommt. S^Mftst noch in eilen 92,2 (zilen 44,2 ^^^ l^lji) ^^'^«^ '^^ {zihan 80,^) und in dem fremdwort cella 35,2.

Im in laute wird ::: zwischen vokalen gewönlich doppelt geßohrieben; dock finden sich auch genug beispile, wo nur ein z steht, »owol beim harten als auch beim weichen. In der

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416 SEILES

ersten hälfte des denkmals (bis s. 54) wird durchaus nur z oder zz geschriben, von s. 55 an kommen auch andere Schreibwei- sen vor. Für das harte z oder zz findet sich zc in kasezdda 68,2. ^c ^^ lutcimuate 99,2. ^^ iii nutzt 114,i und einfaches c in scurciu 107,2. Weiches z wird durch sz ausgedrückt in /ri- wiszida 72. wiszun 98,i. Umgekehrt steht in der letzten hälfte bisweilen z oder z^ für s: ztveinzicozsim 68,i. zu2:^a 108,i. waz- /ran 107,2. df^z^ 114,2* Noch auffallender ist diese konfusion zwischen s und dem weichen z

im aus laut. Auch hier ist in der ersten hälfte alles in Ordnung; in der zweiten steht oft s für z, nämlich in der en- dung des ntr. sing, der starken adjektiydeklination: 60,2. ^2- 71 (2 mal). 77 (2 mal). 89. 90,2. 96,2- 98,2. Iö0,i. 102,2 (2 mal). 107,2. 108,2. 109,2. 113,1. 114,1.2. 115,i; hier steht überall -as für -öz. Umgekehrt erscheint z für * in kasezamez 61,i. dez 75,1. nmaz 69. edezlichera 115,i.

th— d.

Anlaut. In der eirsten hälfte findet sich nie th, in der zweiten öfter. Von s. 55 an nämlich ist die wurzel got piu ahd. dio deo, also Wörter wie deondn, deornuati, deoheity 12 mal mit thy 19 mal mit d geschrieben. . Alle anderen ursprünglich mit th anlautenden Wörter zeigen durch das ganze hindurch nur d.

Im inlaut ist die Verschiebung nicht nur völlig durchge- drungen, sondern auch bisweilen eine stufe weiter gegangen, indem das aus th entstandene d weiter zu t verschoben ist Dies ist nicht allein der fall bei denjenigen -starken verben, die im ahd. gewönlich im praeter, und prtc. praeter, d in t wandeln (so z. b. ghtmtumes, keqhuetan, keliti 30,i. kelitan 44,i. snitan 108,2), Bondem auch beji solchen, wo dem d liquida oder nasal vorhergeht, wird im praeter, und prtc. praeter, gern d in t gewandelt Es findet sich im praes. nur findcm. (got ftnr pan) und werdan (got vairpan), im praeter, dagegen 4 mal /w«/ö» (38,1. 6%i« 108,f 116,i), daneben auch 4 mal fimdan (37,1. 93,1. 100,2. 101,1) ttJid von werdan hat der plur. praet, und das parte, nur t: wurtun 49,i. wortan 51,2. ^%2' ^3,i. 55,f, aber stets werdan wirdit. Das got verbum faipan heisst stets faldan (es kommt im ganzen 6 mal vor); ebenso zwifalda

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BENEDIKTINERREGEL. 417

37,1; doch steht einmal t: sibunfdlta 65,2. Neben dem 4 mal vorkommenden errvirdi steht 61,i eruurti reverentia.

Im auslaute ist das aus th verschobene d gewönlich stehen geblieben. Die im mhd. allgemeine regel, dass auslau- tende media zur tenuis wird, zeigt in unserem denkmale nur erst schwache anfange. Das gewönliche ist ward A%. mimd 37,1. leid-sam 51,2- cold 35,i. qhuad (kommt 7 8 mal vor) aband 92,1. aband-muas 89,i. 91,2- 92,i. 2. Die Verhärtung zu t er- scheint nur in elnfalt-lih 37,i. 115,2. (ibant-Uh äbant-loh 69,i. 63^2* 68,2. ahant'Cauma 89,i. iuU 63,i, tult-Uh 112^2« s.

Der Wechsel zwischen s und z ist schon beim z besprochen.

Der rotacismus steht auf derselben stufe, wie im ahd. überhaupt z. b. was wärun; ganesan kiosan friosan etc. kommen nicht vor; lesan hat im praes. stets s (70. 90,2. 101,2 etc.), im praeter, kommt es nicht vor; im partic. praeter, hat es 12 mal r: kaleran und nur einmal s: kalesan (59,2). ^

Ueber den Wechsel von sk und sc gilt folgende regel : vor a, 0, u und vor konss. steht sc, vor e und i sk] es ist dies dieselbe regel wie die über k und c\ nur gehört a hier ganz entschieden zu 0 und u. Beispiele : scal, sculun, scolan (oft), scalch (31,1. 38,1.), scaf scawon (oft), scamelum (61,i). scuttan (44,1. lll^i)« disco, discono, discun, discoom (oft), aber diskin (46,2. 48,2). chuscan (121,i) himiliscun (49.2), 8,ber rumiskiii (63,2) mannaskiu (87) chuskeer (80) horski {11), scammar (51,2) scam- licho (71), aber skemlicho (88) skemmi (60,i) skemmisto (58). fleiskes, fleiske, hiwiskes (36,2) miskeiiti («^8,2) skirmeen (41,2) */r^rw (48,2) skinarij skeidan, skerran, zwiske , driske, feoriske, rvunske (36,i). scrihan, kescrift, scrannom (59,2).

Ausnahmen von dieser regel kommen bis s. 54 gar nicht vor; von s. 55 an habe ich folgende gefunden : a) sk steht fttr sc 6 mal nach a, 1 mal nach 0: waskan (102,i. 108,,. 107,2) skammer (60,i) kinozskaffi (95) skawon (121,2) fleisko (86). b) sc für sk nur: ^c^rw (102). sceidan (118,2). sceff antin (66,1). lantsceffi (t07,i). kinozsceffi (75,,). Die Schreibung seh findet sich nur 1 mal: unchuschida (102,,).

Ob in sarf (29. 79) ein c ausgefallen ist, oder ob die forni ohne c die ursprüngliche ist, vermag ich nicht zu entscheiden und verweise auf Grafif VI, 278.

Beiträge znr geschichte der deutschen spräche. I. 2S

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418 SEILER

C) Labiale, b p.

Anlaut. Nur in folgenden fallen ist anlautendes b un- verschoben geblieben: 1) bibun tremore 98,2 s^^ht einzeln. 2) dem bidarbi 84^t und fora sibifaldan provolvatur 96,i (aber 3 Zeilen weiter forapivalde). Hier geht beidemale dem b ein auf vokal auslautendes wort voran, das an sich nur schwach betont ist und sich dem folgenden eng anschliesst. sibifaldan ist sogar in [ein wort geschrieben. Die media erklärt sich hier also daraus, dass der konsonant als inlautender behandelt wird. Noch deutlicher zeigt sich dies in den fällen, die ich unter 3) zusammenfasse, nämlich diejenigen, wo durch Zusam- mensetzung oder vorangestellte präfixe das b aus einem an- lautenden zum inlautenden wird. Hier müssen widerum zwei Unterabteilungen von einander gesondert werden:

a) Wörter, in denen der ton noch auf der mit b anlau- tenden Wurzelsilbe haftet, kabit 66,2. kebetan 87,2 neben dem viel häufigeren kapet und kepetan. chinnibdhho 54,i. furi- bürti 90,2 (aber farpöran 90,i), erbdldee 11 5,^ (aber gewönlich erpalden),

b) Wörter, in denen der ton auf dem präfix ruht, üribi- derbe 52,2- umbiderber 100,2. ünbilinnanlih 45,i. ünbiwamter 51,2 (diese unbi- stehen den oben angeführten ungi- ganz gleich, Sehr häufig pibot, nie pipot, aber stets kepdt. inbiz oder im- biz und inbizzan 9 mal. ämbaht dmbahti dmbahtan (got. and- bahis). In diesen .Wörtern ist das präfix so eng mit der Wurzel verschmolzen, dass man die Zusammensetzung kaum noch fühlte; in ambaht z. b. hat man es sicher damals nicht mehr empfunden, dass das wort eigentlich ein kompositum ist So wurde der ursprüngliche wurzelanlaut zum inlaut und demge- mäss blieb die ursprüngliche media. Von der engen Verbin- dung zwischen präfix und Wurzelsilbe zeugt auch die, wie die gegebenen beispiele beweisen, hier so häufig (in ambaht immer, ausgenommen 93,2) eintretende angleichung des n an das fol- gende 6.

Ueberblicken wir alle diese fälle von anlautendem b, so sehen wir, dass nr. 1) 2) und 3*) nur in der zweiten hälfte des denkmals vorkommen (ausgenommen nur chinnibähho 54,i);

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BENEDIKTINERREGEL. 419

nr. 3^) zieht sich durch dag ganze, ist also ein allgemeineres gesetz.

Im in laut ist regel, dass die media b gewahrt wird, so- wol zwischen vokalen, z. b. dband, siburty haben, Vibes, ibu, ubil, truabalj haubit u. s. w. als auch, wenn konsonanten un- mittelbar danebenstehen, z. b. salba IS, piderban, sterban^ un- subro 82,1 u- w. Verschiebung zu p ist sehr selten. Ab- gesehen vom konsonantenumlaut erscheint sie nur 7 mal: (hau)pit 99,2. ^^^,2 (sonst stets haubit) erhapener 55,2*) (sonst erhaban)] oparar 0 116,2 (sonst stets oba obana ubar)] upptgi 99,£. 48,2 upigi 100,2 (1 ^^ ubige 101,2) gehört wol zu dem- selben stamme wie oft«**). Da nun die dentalmedia immer und die gutturalmedia wenigstens 120 mal zur tenuis verscho- ben ist, so ist das fast ausnahmslose beharren der labialmedia jedesfalls eine aufifallende erscheinung. BetreflFs der erklärung verweise ich auf Weinhold: ^allemannische grammatik* s. 119, wonach got. b nicht reine media ist, sondern dem altsäehsi- schen b, v und griechischer tenuis entspricht. Zu dieser er- klärung stimmt, dass einigemale die alte labialspirans v er- halten ist und in denselben Wörtern mit b wechselt. Weinhold führt aus dem gesammten allemannischen dialekt s. 126 bei- spiele davon an. In unserem denkmal finden sich folgende: rua;va 30,2. 40,2 neben ruaba 69,i. 2. kehwerave 34,^ und kihwor- vanissa 118 neben hweraban 52,2 ^^^ htverban 79, 125. Hier- her gehört auch die partikel avur, die stets die spirans zeigt. Einmal ist dieses v sogar zu f verschärft worden, nämlich diufa 42,2 st. fem. (got. piubi st. n). Vgl. übrigens über die ganze frage den aufsatz von Paul in diesen beitr. p. 147 S,

Im konsonantenumlaut erscheint einfaches b = bj in /i- banto 69,1. libanti 89. erlauben 83,i. 106,i. 111,2- 116,2} bb in libbe 72, bp in erlaubpan 35,^, kelaubpamees 51,2, truabpe 91,2. 118, pp in Uppanti 52,2, erlauppe 119,i, also alle nuancierungen:

*) erhapener verhält sich zu heffan wie farcikan (79) zu zthan.

**) Hiernach ist Steinmeyer in Zachers Zeitschrift für deutsche Phi- lologie IV, s. 88 zu berichtigen, Die von Weinhold s. 115 aus K. an- geführten foi-men : hapuh, epani, epur sind nicht aus Kero, sondern aus dem vocabularius Set, Galli. Dieselbe Verwechslung begegnet Wein- hold öfter,

28*

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420 SEILER

pp, bpj bb, b*) Blosses b tritt ein, wenn die endung des Präteritums ohne ableitungs i an die verbalwurzel gehängt wird, z, b. erlaupta 111,2.

Im auslaut ist wie im inlaut b die regel, z. b. Hb, kib^ lob, kescribj erhuab, selb-suana 41. p erscheint nur 5 mal: lip^ 102,1. selp'WilUn 30,i. selp-suana 123,i. kap 122,i. kes- crip 92,2.

p-f.

Hier ist zunächst zu bemerken, dass weder im an-, noch im in-, noch im auslaute je die Schreibung ph oder pf vor- kommt, sondern nur / oder (im inlaut) ff.

Im anlaut steht j? schon im got. selten und meist nur in fremdwörtem, In unserem denkmal kommt aus p ver- schobenes / nur in den beiden fremdwörtern funt aus pondtis 89,1 ^i^d farra aus parochia 120,2 vor.

Im inlaut ist die Verschiebung unterlassen nur in dem fremdwort iempron 58. 92,i. 91,2. 102,i. Sonst steht / oder ff". Drei fälle sind zu unterscheiden: 1) Nach kurzen vokalen findet sich nur ff; so häufig in den cass. oblL des zur bildung abstrakter feminina verwanten -scaff: -scaffiy -sceffij -scaf- fim (35, 75. 95. .107,i. u. s. w.); ferner slaffii desidia 30,i. slaffer acediosus 100,2. offan 44,^. 74. 94,i. 98,^ zweimal; im konsonantenumlaut sceffantin 66,i. —7 2) Nach langen vokalen ist das Verhältnis zwischen f und ff folgendes, ff ist das ge- wönliche. Es erscheint im dat. pl. von scäf, scäffum 36,2. 37,i. 40,2. wäffanSO,^. cnffanA&,2. 87,2. riffer SO^. rtffi 124. Schwan- ken zwischen / und ff findet statt in der wurzel suf (an. si/p); davon kommt vor das intrans. j?2>Ä/5^^ ^ demergit 51,2 ^ßd das trans. pisaufit si absorbeatur 77; ferner in wurzel släf (got slep): släffe 31,i und 102,2. släffagan 43,2. släffit 94,2, aber slä- fal mit einem / 73; endlich in dem verbum hlauffan. Hier steht ffi 29,1. 31,2. 32,i. 47,2. 93,i.2. 94,2; /* 29,2. 63,i. 94,i. 100,2- Dabei ist zu bemerken, dass wo ff steht, immer zu- gleich das anlautende h erhalten ist, während wo / steht, das h fehlt Davon bildet die einzige ausnähme kehlaufan 29,2, wo zwar h aber nur ein / steht. Hieraus geht hervor, dass

*) Hierher dürfte wol auch das oben angeführte üppig zu ziehen Bein. W. B.

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BENEDIKTINEREEGEL. 421

die Schreibung mit ff die altertümlichere ist Das wort chaufan (got. kaupon) ist das einzige, in dem sich nur /, nie ff findet: 107,i. 109,2- Alle die einfachen / nach langem vo- kal fallen mithin in die zweite hälfte des denkmfjils, ausge- nommen ist auch hier nur jenes kehlaufati, das sich damit sicher als ein schreiberversehen fftr kehlauffan erweist, 3) Nach konsonanten ist / das gewönliche: helfan, limfan^ chamfan, sarfes u. s. w. ^ steht nur 2 mal helffa 105 und chamffan 34.

Im konsonantenumlaut stehen nur die beiden verba scef- fan 66,1 ^^d chamfan (einmal chamffan).

Im auslaut steht immer einfaches /*; es kommt aber nur selten vor, z, b. scaf 53,2. aweraf 55. swelf 107,i.

Zu bemerken ist noch , das aus p verschobenes f nie v geschrieben wird.

f.

Dagegen hat das nicht verschobene , also dem got / ent- sprechende /die neigung, in v überzugehen. Das geschieht zwar nie im eigentlichen anlaut, wol aber einigemale, wenn das anlautende f durch präfixe zum inlautenden wird (vgl. ft). ervullan 29,i. 44,2. invaldan 50,2- forapivaldan 96,i. ervirrit 108,2. kivangan 68,i. Doch ist in fullan, faldan, fähan, auch wenn präfixe da vortreten, / bei weitem das gewönliohere; andere Wörter wi^ folgen faran haben nie v. Im wirklichen inlaut steht V 2 md in zrvival 40,2. 70 (sonst zwifal) und in ovan (= got auhns)\ endlich 3 mal in erhevit 49,i. 56,i. 100,2. heffan hat in allen formen, wo / auf das / folgte ff, also inf. heffan Qiafjan) 96,2. 57,1. 38g. conj. heffe {hafjai) 75. 121,^ ; wo i auf das f folgte, hat es V' hevit (haftp); im praeter, endlich und prtc. praeter, hat es b: erkmb 49,i. erhaban 49,i. 2- 83,2. 109,2, einmal erhor pener (s. oben),

w.

Für w finden sich die Schreibarten uu, im (z. b. unkivuo- nin 108,i), uv (z. b. uvilu 58,i.) und w, uu und w sind die ge- wönlichen ausdrucksweisen, die beiden anderen sind seltener; am allerhäufigstca ist uu. 3 w für w stehen in uuuaskan diluere 102,i und vielleicht in duuuidaro 62,i, wofür gewönlich duuidaro] doch kann hier die ausspräche auch duwidaro ge- wesen sein. Die laut^ruppe rvu wird nicht anders bezeich-

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422 , SEILER

net als das einfache m, also gewönlieh ebenfalls durch uu: nur Chan, euu (= Snm), uurum, antuurti etc., vvnilmt (= tvunmr lust) 35,1, vurzhaftor 39,i.

Besonders zu besprechen sind die diphthonge au und iu mit folgendem yokale. Müssen wir fttr unser denkmal die aus- spräche aw, irv oder mit nochmaligem vokalvorschlag auw, htw annehmen? 1) Für die ausspräche arv iw sprechen 3 formen: hrivoes 42,i. imh 47,2 ^^^ scauoen 86,i, weil hier bloss ein v (resp, w) gesetzt ist und dies unmöglich fttr uw stehen kann; auch niuun (gen. sg. fem.) 30,i und 60,^ wird man nicht nm- tvttn sprechen können, weil dann wenigstens 3 u stehen müß- ten. 2) Gar keinen anhaltspünkt geben formen wie dreuui 38,1, kidewite digesti 58. keunfreuuit 30,i. 99,2. keunfrauue 80,^. bmih 31,1. euuih 31,2. nivvi 110,2. pHvves 35,i und das verbum scauudn 51,i. 121,2; in diesen Wörtern kann man uu sowol fttr w als fttr uw nehmen, scauuunka dagegen (105,2. 107,i) lässt schon auf die ausspräche auw schliessen, weil das blosse wu nur durch 2 u bezeichnet wird. 3) Entschieden fttr Axt aus- spräche auwy iuw beweisen niuvvii 34,2. itniuuuiu 86,2. nhiuuiu 121,1. nivvviu 107,0 und das verbum scauuuduj wo es mit 3 u geschrieben ist, nämlich 4 mal: 101,2. 108,2 (zweimal; das eine- mal hat Hattemer die sinnlose lesart piscauunche. öraff VI, 555 und Schilter geben die richtige piscauuuohe) 12C,i.

Aus diesem tatbestande folgt, dass sich die iussprache damals noch nicht bestimmt entschieden hatte; sie schwankte noch zwischen aw und auw, zwischen iw und iuw.

Die neigung des w, nebenstehenden vokal zu verdumpfen, zeigt sich in drowa 77, aber drawen 38,2.

Uebersicht über den stand der lautvers3hiebung bei Kero: dieselbe erscheint als ziemlich durchgedrungen, so dass sich der dialekt dieses denkmals demjenigen nähart, denn Jac. Grimm strengalthochdeutsch genannt hat. Im anlaut sind nur einige th, b und g stehen geblieben. Im inlaiit ist t, th, p, k stets verschoben, fast immer auch d\ es haftet eine grössere anzahl g und beinahe ohne ausnähme b. Im auslaut ist alles verschoben, widerum nur mit ausnähme von b. Die Spi- ranten f und h bleiben wie in allen ahd. denkmälern, mit we- nigen ausnahmen in der flexion des st. v., stehen.

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BENEDIKTINERREGEL. 423

lieber die I i q u i d e n und nasalen ist nichts zu bemerken.

X steht nur einigemale für das gewönliche hs in sex und sexto, wahrscheinlich durch das lateinische veranlasst

Consonantische assimilation. a) vorwärts schrei- tende. Der zweite konsonant assimiliert sich dem ersten. Ausser den häufigen assimilationen eines ableitungsy, die bei der flexionslehre im einzelnen zur besprechung kommen wer- den, kommt diese assimilation nur vor in stimma, nemman, frammert (aus framwert), b) rückwärts schreitende. Der erste konsonant assimiliert sich dem zweiten. Hiervon kommt nur ein fall vor; nämlich n wird vor m und b häufig zu m; vor w nur in ummahtim 89 und keummuazon 9% (sonst stets uwmah- tic, unmezzigi u. s. w.). Vor b : imbiz und imbizzan 7 mal (da- neben 2 mal inbiz, inbizzan), ansaht stets (nur einmal 93,2 «n- bahtes). Die negierende vorsatzsilbe un bleibt vor b unverän- dert, z. b. unbiUnnanlih, unbiwamter, unbiderbi; nur einmal steht umbiderber 100,2- In simblum ist die angleichung stets einge- treten, mit ausnähme von sinbulum 56,2. Vgl. s. 418.

Die uneigentliche, d. h. nicht auf assimilation oder kon- traktion zurückgehende konsonantenverdoppelung. Die ^, zz, hh s. oben. Es sei gleich von vornherein be- merkt, dass in unserem denkmal nicht nur nach kurzen, son- dern auch nach langen vokalen und diphthongen doppelkonso- nanz gesetzt wird. Beispiele davon werden wir in der flexions- lehre noch genug bekommen. Die spätere regel, dass, wo auf einen langen vokal durch assimilation oder kontraktion dop- pelkonsonanz zu stehen kommt, entweder der vokal gekürzt oder nur einfache konsonanz geschrieben wird, befolgt Kero noch nicht.

Wir finden nun uneigentliche konsonantenverdoppelung 1) nach vokalen; nach kurzen in kespannan 122,2 {kespanan 55,2. 116;2 «• s. w.). zehanning 72 {zehaningari 117,2. 123,2.) chuettan 106,^ (sonst kiqhueian)] nach langen in zaummum fu- nibus 75 und Hbbes 73 (sonst immer libes, Übe), 2) nach oder vor konss. Hattemer spricht hierüber in der einleit. s. 22 und erklärt es als eine folge der Silbentrennung, die häufig durch aufsteigende buchstaben des lat. textes veranlasst wird, afltroro 65,1. kemnissa 71. fleiscco 90,i. rvidaretiragan (Schilter liest wi- daretragan; ebenso Graff V, 497) 77. durufttigön 105,^. 107,i. 108,2

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424 SEILER

(sonst durufügbn) rehttunga lll,i. rehtteru 113,2.*) Diese beispiele fallen nur in die abschnitte 58—79. 88—90. 96—116. Im auslaut wird nie uneigentliche doppelkonsonanz ge- schrieben, sondern vielmehr ursprüngliche vereinfacht: scammer 60,2. scammas 71, aber scam-ficho 71. skem-licho 88.

2. Vokale.

Ich gebe im. folgenden eine vergleichung der vokale un- seres denkmals mit dem gewönlichen ahd. vokalstande.

Ueber a, o, u ist nichts zu sagen.

Für e steht 2 mal ae, kachuaetan 61,i. rverchae 73; in zua-aerfultiu 45,i ist die ^oppelschreibung des a auf dieselbe weise entstanden, wie die uneigentliche Verdoppelung der konss.

Für i steht einigemale e, ohne dass ursprüngliches a der folgenden silbe diese Wandlung bewirkt hätte, also ganz un- organisch.**) Fast durchgängig ist dies der fall in dei\ bei- den Wörtern eoweht und neoweht'^ in ihnen steht 25 mal -wehty 5 mal wiht, 4 mal wit, letztere beide nur in den 4 schon öfter hervorgehobenen abschnitten, ganz besonders aber in 82 84, der 5 mal wiht oder witj weht dagegen nie hat. Es fand in diesem weht also ein schwanken der ausspräche zwischen e und i statt. Einmal s. 55,] erscheint auch die Schreibung neo- wiehtiy wo man schwerlich an eine wirkliche brechung des i in /^denken kann; der . Schreiber setzte vielmehr, da er nicht bestimmt wüste, ob er i oder e schreiben sollte, beide buch- staben neben einander. Näheres darüber unten bei der redu- plikation. Wirkliche brechung des i in ia haben wir dage- gegen in dem nicht seltenen stiagil gradus. Zu dem unor- ganischen e für i könnte man auch seh für sih s. 102,2 rech- nen. Da aber sonst durch das ganze denkmal stets sih ge- schrieben ist, so wird man nicht annehmen, dass das e in die- ser stelle auf wirklicher ausspräche beruhe. Es bietet sich vielmehr eine' andere viel wahrscheinlichere erklärung. An

*) In lüttriy lüttras 71 ist das tt durch das nachfolgende r hervorge- rufen wie in bittar» Daneben findet sich aber auch mit einem t lutri 102„. und hlutremu 119,t.

**) S. 31 steht euuih, unmittelbar hinter iuuih. Das ist wol nicht e für i, sondern eu für im.

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BENEDIKTINERBEGEL. 425

einigen stellen ist nämlich statt des entsprechenden deutschen Wortes dasselbe lateinische, was schon im texte steht, als glos- sierung übergeschrieben, bisweilen etwas modificiert. So steht

8. 96,. ''^P^ 8. 98, «ff»°/*«7^ B. 31„ ^«••'*"' 8. 32 ' capite, ' patefaciant, ''^ veram,

dera gnada sua, . ^ ibu ni erlauben,

pietate sua, '* ibi non licere.

Dasselbe verfahren erscheint nun auch an unserer stelle.

Sie lautet:

1.x 1. X ' De^* Schreiber hat hier mit der richtigen subtrahat se. °

deutschen glossieruug angefangen, ist aber schon bei der zwei- ten silbe des untar in das darunterstehende lat tra gekommen und hat nun ruhig die lateinischen buchstaben noch einmal darüber geschrieben; daher in seh das e für i.

e erscheint gebrochen in mias 87. 92 (meas 89) und Mar 30. 48; ferner in der später zu besprechenden reduplication.

Von den diphthongen zeigen sich die gemeinahd. ou und uo ohne alle ausnähme in den altertümlicheren formen (m und wa; die beiden ia, die Weinhold s. 60 aus Kero flir ica anführt {tridbit und priadrd) beruhen auf einem irrtum; sie kommen bei Kero nicht vor. Als abschwächung des wa zu ue kann man die form ze tuenne betrachten; indes wurde hier das wol kaum noch als diphthong angesehen; man be- trachtete vielmehr -anne als endung und schwächte diese nach analogie der übrigen gerundialen Infinitive zu -enney vgl. un- ten. In den formen tue 86,i und ttceet 31,2 ist e nicht Schwä- chung des diphthongs, sondern konjunktivenduflg. Das alte ai ist nur 4 mal geschrieben {zaickannan und aikanemu s. 82. zaichanunga 84. zaichan 100); sonst steht überall ei dafttr. tu ist, abgesehen von den brechungen, erhalten, eu steht da- für vielleicht in ^uih 31 (vgl. oben) und in chneum genibus 85. Letztere form erklärt Weinhold s. 38 so, dass das e lang sei und für tu stehe; das ist ganz unwahrscheinlich, da e fttr tu sich überhaupt nur sehr selten nnd bei Kero nie findet Vielmehr ist entweder der vokal der endung -um durch den vorangehenden diphtong oder der zweite vokal des diphtongs durch den endungsvokal verschlungen.

Uneigentliche diphthonge sind wie in allen ahd. dialekten

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426 SEILER

in fiant^ friunt durch zusammenziehung entstanden, ebenso in fior (6 mal; daflir 9 mal feor), Für das aus ursprünglicher lautgruppe aiv hervorgegangene eo (z. b. hwioy eo und neo in eoweht Sonaldre) steht ea in tveamihhiU 60,2- wealihnissi 107,i, ia in hwiaUhhi 39,2-

Vokalische assimilation.

A. Halbe assimilation, Sie wird durch a oder i be- wirkt, welche den vokal der vorhergehenden silbe halb zu sich hinüberziehen.

1) Halbe assimilation durch a, seit J. Grimm brechüng genannt.*) Ihr unterliegt nur i, u und der diphthong tu. Im allgemeinen folgt sie in unserem denkmal denselben ge- setzen wie im gewönliclien ahd., d. li. sie tritt ein bei ur- sprünglichem a der folgenden silbe, wird aber verhindert durch folgendes i oder u, sowie durch mm und nn. Von dieser regel kommen folgende abweichungen vor: i ist nicht gebrochen in Urnen (29. 34 55 etc.), wo die doppelkonsonanz schützte und in rihtunga 87,i, wofür sonst immer rehtunga. Als zu weit ge- gangene brechüng kann man eoweht und neoweht bezeichnen. u ist nicht gebrochen in ubana 91, was jedoch wol nur Schreibfehler ist flir das sonst allein vorkommende obana (58. 59. 60. 61 etc.). timere, metuere heisst gewönlich forahtan] zweimal kommt vor furihtan (43. 101) und zweimal furahtan (31. 40); das a war hier nicht scharf ausgesprochener vokal, sondern unbestimmter zwischenlant, der auch durch i gegeben werden konnte und die brechüng nicht notwendig erzeugte. Zu weit gegangene brechüng ist farhocton spreverunt 37,i von huckan. Einen merkwürdigen Wechsel zwischen u und 0 in ein und demselben werte haben wir in ortfroma st. f. auctoritas 87,i und ort/rumu gen. sg. davon 60,i. Wollten wir hier die erhaltung des alten u annehmen, so würden wir ein vokalspiel statuieren, wie es zwar in an. Substantiven sehr gewönlich, in ahd. aber unerhört ist, wo die brechüng stets entweder in allen kasus eintritt, oder in allen fehlt. Es ist

*) Man wird wol nicht umhin können jetzt der zuerst von Curtias aufgestellten ansieht beizupflichten, dass die ahd. e und o den got, t und u gegenüber den älteren stand darstellen. W. B.

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BENEDIKTINERREGEL. 427

wol eine sekundäre assimilation aus artfromuj wenn nicht ein einfacher Schreibfehler.

Die brechung cles diph. va ist gewönlich eo (wol zu unter- scheiden von dem aus aiv hervorgegangenen eo)j seltener zu io. So ist die got Wurzel piu immer deo geworden (deondn, deoheit, deomuaii u. s. w.), nur einmal dio in diomuate 38,2. Es findet sich nur leoht, fleozariy farleosan, 4 mal fleohan neben einmaligem fliohan 29,,, zweimal erscheint kepeotan (36. 105) und ebenso oft kepiotan (46. 119). iu bleibt dagegen unge- brochen in formen wie fliuhis 48. farliusit 79. kepiutit 52. 98. tiuri und tiuran (glorificare) liuti, miumi und in der Verbindung iuw (s. oben unter rv)\ sodann im fremdwort diubil 32. 34. Unregelmässjgerweise stehen geblieben ist iu in liugan 35. 97. und diufa st. f. furtum 42,2.

Es folgt eine tabellarische Übersicht über die entstehung der schwierigeren diphthonge. Die der reduplicationssilbe sind davon noch ausgeschlossen: ^

iu \) = got. iw; 2) durch kontraktion in firiunt

io 1) brechung von m; 2) durch kontraktion in fior.

ia 1) aus eo in hwialihhi) 2) durch kontraktion in fiant. 3) brechung von i in stiagil\ 4) von e in hiar mias.

eo l) So aus got. aiv. 2) eo brechung von io. 3) durch kon- traktion in feor,

ea i) = eo m weamihhiR. 2) brechung von e in meas.

^ 1) für iu in chneum und euuih, 2) umlaut von au in dreuui keunfreuue. 2) Halbe assimilation durch «*, seit Jac. Grimm umlaut genannt. In unserem denkmal wird durch den umlaut noch kein anderer laut afficiert als kurzes «*), das wenn in der folgen- den silbe i oder j steht oder ursprünglich gestanden hat, in der BCgel zu e umlautet; doch ist es auch in vielen fällen rein erhalten. Beispiele des umlautes: kerta 39. 78. secha rixa 123,i. ekiso 105,1. pl^iir 92,2. ^ri&o aus arhjo 34,,. ervisiun ovilibus 35,,. megi 39,,. unsemfla acc. sg. fem. von unsemfü 39,2. redia r edihaft u. s. w. Besondere bemerkungen;

Der umlaut wirkt fftr gewönlich nur auf Stammsilben, sel-

*) seUh für soVik 97,i ist nach Weinhold s. 19 nicht »Is umlaut an* zusehen.

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428 SEILER

ten auf ableitungs- oder auf solche silben, die durch einschub eines hilfsvokals zwischen liquida und muta entstanden sind. Derartige silben verfallen vielmehr der ganzen assimilation und schlitzen sogar oft die vorausgehende Stammsilbe vor dem Umlaut. Diess tritt zu tage bei den auf 4 ausgehenden femi- ninis; es heisst heilanti 37,i. managt 31,5. untarworfam 41,2. ubarazzali 89. fartragani 90,2- faram 107,i. inthdbani 119,i. Ebenso bei den schw. vv. der i klasse: serazzan 43,i. nidarran 48,2. leisannan 11. zeichannan 82,i. 84. 85. starachan 53,2- ka- gcmnan 106,i. 119,2. karawan und hwaraban oft. Es heisst fer- ner arandi asper lll;i, aber herti lll,i. Auch zusammen- gesetzte vrörter, die im zweiten teile kurzes a haben, nehmen den umlaut häufig nicht an; so namahafti 119,i. warhafd 43,i. weralii dat. von weratt 35,i. Die mit scaf zusammengesetzten feminina wie lantscaf fiantscaf haben 4 mal -scaffi und -scaf- fim (35,2. 107,1. 115,2. 95) 3 mal -skeffi und -skeffim (75,i. 107,i. 123,i). ' Ausnahmen von dieser regel sind urereban 30,2. htverebi 31,2 und viele partic. praes., die auf -enti ausgehen; doch sind in diesen letzteren die ^vielleicht als Schwächung anzusehen; dafür sprechen wenigstens participialadverbia wie horendo 31,2.

Die femininale ableitungssilbe -erf- wirkt keinen umlaut: kihdl- tida, kiwaltidaj /arstantida, unsamftida, antfrahida. Ausnahme nur antfenkida 83,2 neben dreimaligem antfankida (38,i. 75. 105), aber m(Mpirechida 60,i und kihenkida 116,2, weil diese von den schw. vv. recchdn und henkan abgeleitet sind. Die zur bildung von adj. verwante silbe Hh wirkt keinen umlaut: htvasRh, nahtlik, radalihj sparaRh 92,^. Eine ausnähme bildet nur skemlkho 88 (scamHcho dagegen 71). Adjektiva auf -ig- mit a im stamme kommen nur 3 vor. Davon hat das eine den umlaut, die andern bei- den nicht: unchreftic 84,2. unchreftigi 87,i. 90,i, aber unmahtic 42,2. 80,2. 101,2 und antfangic 47,2. Dl© ß*- fem. der \ dekL haben in den cas. obUq. gewönlich den umlaut, also stetig en- sti, henteo, lenti (51,i) etc. Ausnahmen: ausser den oben er- wähnten auf -scaf noch kispansteo 78; ferner äbansti 123,^. ün- mahti und ünmahtim S%. 101,2; in diesen Wörtern wurde der umlaut dadurch verhindert, dass der hochton auf der ersten silbe liegt; sie kommen dadurch in die gleiche läge wie rve- ralti, warhafti (vgl. die erste bemerkung). Die feminina auf

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BENEDIKTINEBREGEL. 429

4 haben teils den umlaut^ teils nicht: mendt, ekij seti, skemnA^ aber slaffi, hwassi und dann widerum ünmahti und UdarU, Gleiches schwanken herscht bei den komparationsbildungen auf -/r und -ist: lengiro 69,i. skemmist 58,2, ^ber starchiro star(a)chisto 30,2. 35,2. 69,i, wo allerdings der zwischen r und ch gehörte, einmal auch geschriebene zwischenlaut den um- laut verhindert haben mag, armiro 114,|. tvassiro 78. Ab- weichend vom gewönlichen ahd. wirken auch die gen. und dat. der schw. msc. umlaut; forasegin nemin 33,i (zweimal). 36,,. 2- 112,1. 119,1- Ausnahmen nur antin für anadin 124. ewai^in und erhaftin erklären sich aus der ersten bemerkung. Die schw. vv. der i klasse lauten, wenn sie a in der Stamm- silbe haben, fast immer um: kesezzan, zellan, leckan , henkan, antlengan^ mendan, sentan, nemman, furihertan, erwechan u. s. w. Einige ausnahmen {starachan etc.) haben wir in bemerkung 1 erklärt; dazu kommt noch keunfrauue 80,2. drauuen 38,2 (ß®" ben gew. freuuan^ dreuuan)j wo man vielleicht schon au hörje, chamfan 28. 30,2- 34,i (neben chemfan lll,i, 116,2) und kihalsit 42,2. 53,1.

Weinhold führt s. 24 unter den alemannischen beispielen, dass für den umlaut des a statt e auch i eintrete, als erstes eins aus Kero an, nämlich miniscun s. 42,2. Von diesem worte steht in der handschrift aber nur der endbuchstabe n (vgl. die Übersicht der abkürzungen und zeichen bei Hattemer s. 425); alles übrige stammt aus Hattemers köpfe. Statt dessen findet sich in der handschrift die form mannaskiu 87. Abgesehen von dem häufig gebrauchten inti (aus anii, enti) kann a nur in ableitungssilben zu i werden; dann haben wir aber keine halbe, sondern

B. Ganze assimilation. Sie afficiert nie hochbetonte d. i. Stammsilben. In Wörtern wie erhapener, pi/olahenem, eike- netn kann das e der vorletzten silbe sowol durch Schwächung als durch assimilation entstanden sein.

Assimilation nach vorwärts ist selten. Wir haben sie in obanoontikt culmen 49,2 aus obanantiki (GraflF I, 80); hier er- streckt sie sich über 2 silben; ferner in missituan 39,i. 48,i etc. missität 54,2. missilih 5 mal, daneben einmal missaJüh 101,|. Als assimilation nach vorwärts wird man auch die häufige Verbindung eoco- (in eocowelih eocower etc.) ansehen müs-

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430 SEILER

8611; weil sonst in unserem denkmal das präfix ga- nie co lautet*)

Die assimilation nach rückwärts geht von o und noch häufiger von i* aus und wirkt gewönlich nur auf a, \%i aber auch hier nicht zu einem durchgreifenden gesetze geworden, wie etwa die brechung; vielmehr gehen nicht assimilierte for- men neben assimilierten her.

a) f assimiliert vorausgehendes a. swigilü 4S;i. 8S. smgdl^ 48,1. 55,2. 93,1. keleisimt 46,2. 52,2. keleisanil 77. uniiri 53,1. w*«'^* m»i- untari 54,i. pilidi 38,2- pHadi 55,2. 75,i, 115,i. 119,1, catilinga parentes 113,2. catalinga 106,2. emiztUgon fttr emazzigdn 91,2. florint für farlorant perditio 123,i. Ein- mal ist auch die endung des part. praes. -anti zu -mti assimi- liert: mezzinti 40,|. eikinin 112,2. eikint 50,2; doch findet sich in diesem werte auch i, wenn in der flexionssilbe ein anderer vokal folgt, eikinan 44,2. eikinera 115,i. Sonst' steht gewönlich eikan- oder eiken-,

b) 0 assimiliert vorausgehendes a: nur eigono acc. pl. fem. 38,1. if'Zordsti 55,i (aber innardro 55,i. opardro 116,2) ^^^ viel- leicht stozzonto trepide 47,i, wenn es von siozzan her kommt (so Weinhold s. 11). Graff leitet es indes wol mit recht von stozzdn ab VI, 735. Sonst ist immer a rein erhalten, also offandn 98,i. widardn 95. ebano 102,i. leisanonti 53,_ u, s. w.

In allen diesen fällen ist der assimilierte laut a. Dass auch andere vokale assimiliert werden, ist äusserst selten. Ich finde nur sitilih 94,i f^r situlih 111,2. sibun- ahto- niunzogösto fttr 'zugdsto 62,2. ^^jv kann man auch zur brechung rechnen.

Yokaleinschub zwischen konsonanten. Diese dem ahd. eigentümliche erscheinung ist in unserem denkmal sehr stark ausgebildet. Von den beiden konss. ist der eine stets liquida und zwar in den meisten fällen r. Der eingeschobene vokal ist in der regel a, bisweilen i (ßtrihtan 43,1. löl?i« ^^0 34,1). e wird manchmal durch vorangehendes e hervorgerufen: perege 32,2. nrerebe 30,2. kihwerebi 51,2; ^ tritt oft ein, wenn in der vorhergehenden oder folgenden silbe

*) Vielleicht gehört hierher auch rosomon aeruginem 121^i. Graff II, 548.

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BENEDIKTINERREGEL. 43 1

ein u (oder auch tv) steht: timruht, nnirum, duruft, duruh, sinbu- hm 56,2, kecaruwe 119,2. Was nun den umfang der erschei- nung betrifft, so sind 2 fälle zu unterscheiden.

1) Wenn die beiden konsonanten nur einer silbe angehö- ren, also dieselbe schliessen, so unterbleibt der vokaleinschub fast nie. Es heisst also nur werah (46,2. 52. 100,i. 101,2. 102,i) und werahrman (31,2. 55,i. 57); dagegen wechselt rverache, tve- rachum mit wer che, werchum] ferner steht aweraf (55,2), aber stets werfan; parac (37,^) aber oft keporkan\ es findet sich hur fordhta, duruft, duruh, wurum, tvuruhti (dat.). Von dieser regel kommen nur 2 ausnahmen vor: sorchaß 121,i {sorachaft 43,2) und durftigdn 105,^ {duruftigön sehr oft), beide in der letzten hälfte, die überhaupt, wie wir gleich sehen werden, dem vokaleinschub weniger günstig ist,

2) Wenn der zweite konsonant eine neue silbe beginnt, so schwankt der gebrauch. Einige Wörter schieben auch hier durch das ganze denkmal hindurch einen vokal ein, nämlich pifelahan 39,2. 40,^.2. 43,2. 77. 81,2. 93,i. 118,i. 123,2- 125 und karawan 28. 30,2. 40,2. 52,2. kecaruwe il9,2*). perege 32,2. so- raga 40,^. faram 107,i. tvaramem 107,i kommen nur einmal vor. Bei anderen fehlt durch das ganze denkmal der vokal- einschub, nämlich bei wurchan 32^2- 45,2. ^9,2 und werchdn 33,i. 99,1. 100. kimarchot 67,^ und kiporkan 113,i kommen nur einmal vor. Bemerkenswert ist, dass der starke konsonant ch, der schon an und flir sich auch nach voraufgehenden kon- sonanten leicht aussprechbar ist, den vokaleinschub nicht be- günstigt — denn auch werche und starche ist gewönlicher als rverache, starache während dagegen die schwächeren Spi- ranten ä und w {pifelahan^ karawan) sich gern durch einen eingeschobenen vokal stützen lassen. Noch andere Wörter schwanken und zwar herscht bei ihnen in der ersten hälfte des denkmals d. i. bis s. 54 der einschub vor, in der zweiten unterbleibt er lieber. Folgende wie ich hoffe vollständige ta- belle wird dies beweisen:

*) Daher ist wol auch kekarvvit 112,2 als kekaruwit aufzulösen.

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432

S£ILER

Bis 8. 54.

mit einsehub aräbeit 50,2. 43,i. 53^2. 3 arame 42,2. 1

rverache

hwaraban 30,1.31,2.51,2* 3 hwerahan 34,i. 52,2. 2

starache 35,2.53,2- 2

porakhi 40,2.49,1. 51,2.(2). 4 keporkan 54,2. 1

16

obn^

2 35,1. 38,2. 1 38,1.

1 30,2.

2 52,1.2.

Von s. 55 an mit einschab 'ohne

121.

56,2. 98,2. 2

457.89,2.101,2.100,,. 3 80,2.105,1.114,1.

3 73. 93,2. 94,2.

4 64,1.87,2.118,1.2. 379.125.(2). 269,1.121,2.

3 62,1.116,2.117,1. 2113,1.114,1.

3

24

Eine besondere art der vokaleinschiebung findet in der im ahd. so häufigen nominalendung -ar statt. Doch gibt es auch werter mit ursprünglichem -ar, wie andar (got. anpar)\ der vokal aber wird bei ihnen ebenso wie der eingeschobene be- handelt, weshalb ich beide arten im folgenden zusammen fasse.

Regel ist, dass wenn das r die silbe schliesst, also im auslaut oder in Zusammensetzungen, die volle endung -ar steht: unsar, andar j altar, wuachar , polstar, hlahiar, silbar , chortar, lastar-Uh, winiar-dt, meistar-tuam. Ausgenommen hiervon sind nur after, fater 30,i. 80,i. 119,i und pruader 37,2. 54,1. 100,1. {fnuater und swester kommen nicht vor).

Wenn dagegen das r eine neue silbe beginnt, wenn also flexions- oder ableitungssilben daran treten, so kann dreierlei eintreten: 1) das a bleibt auch hier unverändert stehen. Dies geschieht aber nur selten, andarer 63,i. 99. choriare 77. ^w- mares 62,^. 90,2. fvintares &2,i, pruadar(um) 109,i*) endlich m- narorun 55,i und oparorun 116,2. 2) a wird zu e geschwächt und 3) dies geschwächte e fällt ganz aus, wenn der voraus- gehende konsonant sich mit r leicht verbinden lässt. Liquida und Spirans lässt sich mit unmittelbar folgendem r unbequem aussprechen; daher heisst es ohne ausnähme unseres, unsere, iuueres, iuuerem, sumeres (91,2. 107,i), nicht unsres, sumres. Muta dagegen verbindet sich mit r zu einer sehr bequemen konsonantengruppe und demgemäss ist das e zwischen t, d, b. ch und r fast stets ausgefallen. Es heisst also regelmässig andres y andre, andra, andrum u. s. w. meistres, meisirä (41,2)."

*) faiare 70 ist wol nur verschrieben aus fatera.

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BENEDIKTINEßREGEL. 433

achre 56,2- Cichro 91,2. ^vuntrum A%. hlahire 44,i. hlutremu, lu- tras , lutri 119;i. 71. 102^i. chortres 40.i. finstri 31,2. unsubro 82,1. altrum, aldre 87,i. 89,2 (ui^d i^ ^öw-, neonaldre) wintre 107,1. Doch ist das e auch zuweilen erhalten, namentlich zwischen dentalis und r, z. b. anderes 63,i. 79. 122,i. lalitere 56,1 (zweimal) «//^r^ 113,2 ^^d regelmässig in /ö/^r und prua- der, z. b. fateres 30,,. 38,2. ^'^^i ^^c- pruadero 41,,. Die fe- minina auf -ara synkopieren in den cass. obl. das a in der re- gel; so heisst es stets dslrün, ostrom, hleiira gen. sing, 50,i. zuntrun 93,2. I^i nom. sing, ist das letzte a abgefallen in hleitar 49,,. 50,,, aber nicht in chamara 105,2. Von Zusammen- setzungen findet sich hleitarpaum 50,,. Bei zimhirrono 48,i ist unsicher, ob wir durch das ursprünglich folgende ableitungsy assimiliertes -ar- oder, wie Weinhold s. 221 will, gleich von vornherein -/r- als suffix anzusetzen haben.

Verdoppelung der langen vokale.

Lango vokale sind in unserem denkmal vielfach doppelt geschrieben, sowol in stamm- als auch in flexionssilben. Am häufigsten erscheint ee, weil es viele flexionssilben mit e gibt. In Stammsilben finden wir es in eerhafl 30,i. see ecce 32,i. leerran 34,2 ^^c. mecr 37,i etc. seer 31,2 etc.; in ableitungs- und flexionssilben ist es namentlich in der adjektivischen deklina- tion häufig, wo der nom. sing, sehr oft, der dat. plur, in der regel -eer und -eem geschrieben wird; der nom. plur. kommt nur 2 mal mit doppele vor: 60,, und 61,2. Ferner haben die schw. vv. der dritten konjugation sehr oft ee f^x e\ auch die endung -mh wird häufig -mees geschiieben. Endlich hat der conj. praes. in der 2 sing, und im plur. oft -ees , -eet, een, z. b. nikangees 52,,. kenemmeet 32,,. hoorreen 41,2. Dass die 1 plur. nicht mit ee vorkommt, ist zufall. Zu diesen konjunkti- ven mit ee darf man die von schw. vv. der dritten konjug. nicht hinzurechnen, wie z. b. keameem, mereamur 29,2. ^^^^^ studeat 44,,. piporgee caveat 116,2, weil sie miiM = kearnem, zile, piporge, sondeni = keameem, zilee, piporgee sind.

00 in Stammsilben: hoorran 31,i etc. oora 31,2 etc. loon 45,t etc. kipoot 50,2. nootian 54,i. oostra 91,2. erloossan 39,2 u. s. w. In flexions- und ableitungssilben steht oo oft bei den schw. w. zweiter klasse, im dat. plur. der schw. deklin. und

Beiträge zur geschichte der dentschcn spräche. I. 29

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434 SEILER

der. st femin., zweimal auch in der 2 sing, praet. der schw. vv. 'toos = 'tos 53,2, einmal im compar. tragoor 86,2.

ü erscheint in cüt Z\,^. liih 31,2- fliiz ^^^i. slin 46,2, criiffan 46,2. iillan 50,2. P^^ ^%i^ ^rii 59,2. riif/ii 124. in emiic 41,2, der 2. plur. conj. praeter, eigiit 31,2 und churiit 31,i, wenn man die erklärung als 2 plur. conj. praeter, von chiosan gelten lässt, und oft in den femin. auf A, die den got. auf -ei entsprechen.

aa in kaat 32,2. saar 39,,. zaala 39,1. ketaan 41,i. aabulki

43.1. ddhtunga 43,,. slaafac 43,2. cu^tumHh 43,2. Iddzzmi 46. aawo

49.2. danaan 34,2 uzzaan 41,2, in ableitungs- und flexionssilben nicht

WM ist am seltensten: pisuufß 51,2. farsimmmando 80,2. zualumtrenteem 31,i und 4 mal im gen. und dat sing, der schw. fem. cheluun 35,2. mnnuun 45,i. pezzisiuun 81,i. cotchun- duun 81.

In allen diesen fällen steht der doppelvokal für eine ent- schiedene länge. Man hat behauptet, dass bei Kero auch kurze vokale doppelt geschrieben werden. Das kommt aber nur ein einziges mal vor, obonoontiki (Graflf I, 80. Wcinhold s. 12 und 44); mit unrecht nimmt Weinhold dasselbe von platoon 33,2 an, wie wir unten sehen werden. Es bleiben nun bloss noch die beiden infin. hoorreen oboedire und sklrmeen defendere, beide 41,2. Graflf führt VI, 546 skirmeen ohne weitere erklärung an; zu hoorreen macht er IV, 1003 folgende bemerkung: ^jhoorreen wäre als 3 plur. conj. anzusehen, wenn man nicht neben horjan auch hdren bei Kero annehmen müste." Dafür beruft er sich auf die form hoorres s. 31,2. Allein wir sehen ganz davon ab, dass schon das doppelte r in beiden formen der annnahmo eines verbums hören zuwiderläuft —. die letztere stelle beweist gar nichts. Sie lautet;

daz ihn du hoorres aniuurtt ih qhuuidit dir cot

Quod si tu audiens respondeas: ego, dicit tibi deus. Der Übersetzer hat die etwas verwickelte konstruktion nicht verstanden, audiens als ob es audias liiesse zu si gezogen und respondeas als auflForderung gefasst hoorres ist ganz regel- mässiger* conjunct. von horran. Ein verbum hören bei Kero anzunehmen liegt also gar kein grund vor und für die 3 plur. conj. praes. wird man hoorreen 41,2 ^^^h nicht halten können, da gar nicht abzusehen ist, wie die ganz einfache stelle:

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BENEDIKTINEKREGEL. 435

discoom kerisit hoorreen . " , . x.. j

,. . , .X 1- j. zu einem solchen misverstandn«

discipulos convenit oboedire

hätte anlass geben können, hoorreen ist also der inf. Höchst

unwahrscheinlich ist es aber, dass es der geschwächte inf.

hoorren ist, wie erfüllen 44,2. erlauben 106,| (s. unten), dass

also ee flir das geschwächte tonlose e steht. Vielmehr ist ee

entweder von dem Schreiber der handschrift. oder erst von den

neueren herausgebern verlesen aus cc = a. Vgl. das facsimile

des ersten a in zlkarawenne und M. S. D.^ s. 458; femer unten

über unseer, hoorreen und skirmeen ist also nichts weiter

als hoorran und skirman.

Es bleibt nun noch übrig zu prüfen, ob diese erscheinung sich durch das ganze denkmal gleichmässig hindurchzieht oder nur in einzeli]ien teilen erscheint. Da ergibt sich denn folgendes ;

Die erste abteilung 28 54 hat die Verdoppelung unge- mein häufig; allerdings nicht durchgehend; denn die formen mit einfachem vokal kommen überall neben denen mit dop- peltem vor.

S. 55 78 dagegen schreibt mit ganz wenigen ausnahmen einfachen vokal. Die ausnahmen sind drii 59,2. ^f'^^ ^7« smahlihhii 55,,. horskii 78 und andree s. 60,i und 61,2 (sonst findet sich im ganzen denkmal der nom. plur. eines adjekti- vums nicht mit ee geschrieben).

S. 79 82 ( cap. XXXIL schluss) ist die Verdoppelung wider häufig; sie findet sich 22 mal.

S. 82 (cap. XXXIÜ) —84 (cap. XXXIV schluss) fehlt sie durchaus, obwol dazu mannigfache gclegcnheit wäre.

S. 84 (cap. XXXV) —86 erscheint sie wider 14 mal.

Von s. 87 an tritt uns ein anderes i)rincip entgegen. Von da ab findet sich nämlich nur noch einmal ee (88)*) oo (91) aa (92) und ii {ruf fit 124); dagegen wird fast immer das % in den femininis, die den got. auf -ei entsprechen, jdoppelt ge- schrieben; so auf s. 87. 88. 89. 90. 91. 93. 94. 102. 107. 108. 110. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120. 121. 123. 124; sonst fehlt die Verdoppelung durchgängig; einen sprachlichen

*) Auch in trahtohee ll6,i, aber an einer stelle, wo es sonst nie steht.

29*

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436 SEILER

grund dafür weiss ich nicht anzugeben, das faktum aber ist wichtig.

3. Deklination. a-Dcklinatiou. I. Masciilina und ncutra.

Sing. nom. wie gewönlich.

Gen. -es. ' Dat. -e. Die alte cndung -a ist erhalten in taga 40,2, wenn es kein Schreibfehler ist*). Zweimal erscheint der dat. un- flektiert; in demu selbin anakin in ipso initio 39,i. leoht luce 92,1.**)

Acc. wie nom. Die endung -an in iruhtinan und cot an 28. 32,2. 38,1. 44,1 etc. Instrum. kommt nur in wenigen worten vor. Endung -u (-m): mezzu 38,2. 69,2. 113,2. antwurtu 47,,. muatu 47,2 (zweimal), wol auch itnmuulu 86,2 {Ja stamm).

Plur. nom. und acc. gewönlich -a. Schwächung zu e in wehharre 85 (2 mal) ahme 110,i. Im acc. 2 mal -0 für -a: domo spinas 64***) und zehaningarro decanos 123,i. Woher in farstantantUhhe muatu intelligibiles animos 39,i das -u kommt, weiss ich nicht ganz bestimmt anzugeben. Ich bin aber geneigt, es für einen Schreibfehler für muata zu halten. Das merovingische a ist dem ii ja sehr ähnlich. Vgl. Watten- bach, lateinische paläographie. Hattemer in Höfers Zeitschrift III, s. 70 erklärt einfach, dass für a öfter u stehe; diese er- klärung ist keine. Frauer im lehrbuch der ahd. spräche und literatur^ 280 meint, muatu sei entweder acc. plur. ntr. für muat (geht nicht wegen des im masc. dabei stehenden adj.) oder instrum. „die verständigen an geist" ; viel zu gut und selbständig für Kero. Die ntr. haben den nom. und acc. plur. gewönlich wie den sing. Die bildungssilbe -ir erscheint nur einmal in pilohhir 45,2 und zu er geschwächt in chinder 30,2, aussesdem noch einmal im dat. pletirun 92,2.

•) ze antlazza ad indutias 33,2 ist nicht dat. sing., sondern acc. plur.

**x T ^^ht dictontemu , , , . . . ^. ,

^ justitia dictante ^*°^ ^^^ Übersetzer justitia für den nom.

gehalten haben.

••*) domo erklärt Dietrich (historia dccHnationis theodiscae primariac

B. 18) als abschwächung aus dornu «= got; paurnuns»

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liKNEDlKTlNERREGEL. 43 7

Gen. -0 {piboio, mu7Ücho, chindo, fleisko^ lobo, mtiaso, etvario, chliricho etc.); dafttr -a in kidancha cogitationum 34,2- 50,2, wenn nicht ein tibersetzungs- oder Schreibfehler vorliegt.

Dat. -um (oft -fi abgekürzt); zu -un geschwächt in ewisiun

35.1. pruadrun 59,2. fairun 60,i. lohun 62,2. tagxin 68,3. catalin- gu7i 106,2. {tverach)u7i 109,2 und pletirun 92,2.

Bei den ja ßtämmen verschwindet das j in den cas. obl. in der regel spurlos. Doch kann es sich auf 2 arten erhalten.

1) Es assimiliert sich dem vorangehenden konsonanten. Dies ist namentlich der fall bei den Substantiven auf -an*. Die cas. obl. von diesen zeigen in der regel rr mit ausnähme des dat. plur., der merkwürdiger weise immer einfaches r hat. Ich zähle die vorkommenden formen auf :

Dat. sing, puarre 34^^. swmarre 42,i.

Nom. plur. wehharre 85 (zweimal) listarra 109,2.

Gen. plur. lihhisarro 34,2 swihharro 35,2 zehaningarro 123,2. Aber listaro 109,2. gangar aro 105,^.

Dat. plur. wehharum 88. Uhhisarum 35,2 gangar arum 109,i. zehaningarum 117,2. lerarum 46,i. 60,i.

Auch das fremdwort altari aus lat. altare schliesst sich diesen substantivis an; es hat im gen. altarres 80,2«

Sonst findet sich die assimilation noch einigemale bei vor- ausgehendem ^- so in dem st. n. keräti; hiervon heisst der dat. sg. keralte 41. 120,2, der gen. kerattes 42,2. (dagegen mit einfaohem t: kerate Alji und 120,i); femer in petivm = badjam.

2) Das ableitungsy wird vokalisiert und verdrängt den flexionsvokal. Dies findet nur bei neutr. und zwar nur im dat. plur. statt: ketvätim für kervätum 82,^. rvidarmuatim von st. n. widarmuaü 54,i (daneben aber auch tvidarmuatum 53,i. isar- nazzasum 82,i).

II. Feminina.

Sing. nom. -a: lira, ruahcha, rihhida eic. Gen. Die alte endung findet sich bei Kero nicht mehr. Die form suano

56.2, die Weinhold s. 418 als gen. ansieht, ist dat.*) Eine verdumpfung dieses -d, nämlich -u, kommt einigemale vor: drinissu 59,2. ori/rumu 60,i. rehtungu 42,^ 87,i samanungu 84,2. leru 120,1. Ob auch kiridu 102,2, wie Weinhold meint, gen. ist, ist nicht ganz sicher; es kann auch fälschlich von mit ab-

*) Weinhold führt es selbst gleich darauf als dat. an.

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438 SEILER

hängig gemachter dat. sein. Die gewönliche endung de» gen. ist -a wie im nom. z. B. helfa 29,i. kilauba 29,2 etva 30,i. sela 40,2. slahta 53,2. ^^t/a 123,i.

Dat. gewönliche endung ist -u: lern 29,2, tiuridu 31, j. auhhimgu 40,i. sprahhu 48,2 etc., daneben aber nicht selten -a z. b. /r/nWa 43,2. (inireitida 66,2. uharfleozida 115,2. uharfluaüda 86,1 . (wol abschwächung aus -w; vgl. Dietrich bist, declin. s. 25) nur 3mal: mano 56,2. fninno (aber in -t^ konugiert) 57,i. ^ro 59,2-

Acc. gewönliche endung -a. Einmal geschwächt zu -e: helfe 125; zweimal -w, wenn hier kein fehler vorliegt; rehtungu 93,1. eru 105,i.

Plur. nom. gewönlich -a öfÄa 33,2. racÄa 46,2- sela 91,2- Zweimal -0 secho und pisprahho 123,i. Weinhold s. 419 führt noch selo s. 40 an; das ist aber acc.

Gen. die alte endung -0 lässt sich nur an einer stelle be- legen: unsamftido ditÜGulUiium 110,2 (GraffVI, 227)*); sonst ist die endung der schw. deklinati(»n eingedrungen -ono z. b. do- Iwigono 29,2. kiridono 35,i suanono 108,2 etc.

Dat. 'öm (oft 'Oom geschrieben); dafür 3mal -on 66,0. 69,2. 100,3. einmal -un: wahtun 58,i. Man kann auch manimgum 33,2 hierher zie*hen. Das kommt aber wahrscheinlich nicht von einem fem. manunga, sondeni von einem masc. manunc her; vgl. amunc und samanunc 120,^. scatvunc 107,i.

Acc. -a: sunta 39,i. sela 39,2. santa 66,2 etc.; 3 mal -o; cello 35,2. -^^^ö 40,1 2-

Das ableitungs-y hat sibh bei diesen femininis nie er- halten; in der regel fällt es aus, ohne spuren zu hinterlassen z. b. sunta minna; es zeigt sich wenn die Stammsilbe a hat noch im umlaut desselben: secha rixa 123,i. kerta 39,2- ?ieila 29,1 ; 111 dem letzten werte ist es zugleich assimiliert, ebenso wie in dem fremdworte milla 54,i.

/-Deklination. Der sing, flektiert bei den masc. wie in der a deklin. Von instrumentalen sind erhalten das ebenfalls in die a-deklin. übergetretene kasiu lOO.j, dann aber die rein gebliebenen fora

*) Vgl. Dietrich bist. decl. s. 7, anin. 14.

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BENEDIKTINERKEGEL. 439

heitio ex persona 53^2 (ä^«^ ist nämlich bei Kero auch msc 113^2* 120,2) und eddeslihchemu fristeo aliqua scrupulositate 90,i. cfr. Weinhold s. 426.*)

Bei den feniin. hat der nom. und acc. sing, keine endung, der gen. und dat. -i mit umlaut der Stammsilbe, wenn diese kurzes a enthält: ensti 28. steti 44,i etc. Zu e geschwächt ist dieses / in kitvonaheite 57. 63,i. In folgenden fällen steht auch der gen. und dat. ohne flexionsendung: deoheit gen. 41,2. dat. 50,1. 98,2. rveroU gen. 43,i. kemonaheit 57. ieilnumft dat. 74. cht gen. 80,2, vielleicht anst 33,i und 47,2.

Instrum. kommen nur 2 vor und auch diese nicht ganz sicher. Erstens untar rehteru eidswerüu sub jurejurando 113,2. Graflf VI, 895 nimmt zwar ein st. n. eidswert an und scheint davon eidswerüu herzuleiten; das wort zeigt aber sonst nur femininformen nach der i dekl.; also wird man auch eidswerüu als eine solche anzusehen haben. Zweitens mezhafüu. Dies wort ist die Übersetzung von modesüä (abl.) 73. moderaie 73. mensurate 81,i. 99,2- mensurata 107,2 (Graflf II, 897). An letzter stelle ist es oflfenbar ntr. plur. eines adj. mezhaft; die andern scheinen instrum. eines st. f. der i dekl^mezhaft, gen. mezhafti zu sein.**)

Im plur. gehen msc. und fem. gleich. Ueber den umlaut s. oben.

Nom. und acc. -i kesü winti 33,2. lantsceffi steti etc. Un- flektiert erscheint der nom. und acc. plur. in kitaat 43,2 ^^^

*) Dietrich s. 17 nimmt heiteo und fristeo als dat. d. w-deklination msc. gener. Eine dativendung -eo gibt es aber ebensowenig wie -m.

**) Die erklärung dieser beiden tormen als instrum. von st. f. der i-dekl. hat zuerst aufgestellt Weinhold s. 428. Ihr widerspricht nur das, dass von femininis der a-deklin. kein instrum. vorkommt. Dietrich s. 19 erklärt beide als dative von starken femininis der w-deklin. Allein erstens i^t swart und haß als starkes fem. der w-deklin. absolut nicht nachweisbar, sondern nur der t-deklin. und zweitens ist eine dativ- endung -iu eine blosse annähme, die sich nicht beweisen lässt. Da nun auch übersetzungs- und Schreibfehler mit im spiele sein können, so wird sich über eidsrvertiu und mezhafüu ebenso wenig wie über heiteo und fristeo je ein sicheres urteil fällen lassen. Dietrich gibt indes selbst auf s. 21. die möglichkeit zu, dass die instriunentalendung -u einst auch den femininis zugekommen sei.

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440 SEILEK

pncah feinoralia 108,i, wo das danebenstehende dea zeigt, dass es fem. ist, nicht wie Graflf III, 277 meint ntr.

Gen. die ursprüngliche endung ist -io z. b. achmtio*) 2%. tatio 32,1. hcreftio 57. Gewönlich steht dafür -eo: Uuteo 31,2. kesteo 80,2. 83,2. heiieo 38,i. klspansieo 78. arheit^o 101,2. ^^^^^o 107,1. taieo 108,2.

Dat. endung -im: zdharim 44,1. ^^'^«'^ ßlji- kiwonäheitim 69,2. tatim 36,1. kesihtim 32,2. ^w/^/^ 64,2 u. s. w. Der dat. plur. citiim 38,2. 66,1. 68,2 kommt nicht von dem st. f., sondern von dem st. n. dt her (vgl. Graflf y, 633 ff). Uebrigens ist dtim viel häufiger.

w-Deklination. Sie ist für gewönlich in die beiden anderen deklinatio- nen übergegangen und zwar der sing, des msc. in die a-dekl. fuazzes 107,i. fuazze 46,i, der plur. der msc. und das ganze fem. in die /-deklination : fuazzio 50,2. feorfuazzeo 90,i. hmieo 50,2. l'^ißeo 107,1. "^ww^ vocat. 31,2. siüm 39,2. ^^n- ^cnü dat. sing. 31,2. ßeste der wirklichen z/-dekl. sind: acc. fridu 31,2. 43,1. göD« frldoo 32,1 (= got. -aus), instrum. in fridiu 83,2. ^^ fridiu 118,2. ^ii'^y^ 86. Weinhold rechnet auch fridu 45,i als

instrum. Allein es ist wol acc: die stelle lautet: . '

' m pace

,. Im lateinischen text ist päce nur versclirieben für

redire. ^

pacem (so Holsten); es ist nach dem sinne', nicht nach den

Worten tibersetzt, was bisweilen, wenn auch nicht gerade häufig

vorkommt, dat. plur. fuazzum 32,i. 96,i. 112,2. kantum (femiii.)

46,1. 48,2. 93,2. Ein ntr. kommt nicht vor.

N-stämme (schwache deklination).

Da hier in der deklination der substantiva und adjektiva kein unterschied stattfindet, so behandele ich beide gleich zu- sammen.

Masculina. Sing. nom. -0: poio, disco, hreinisto. erista 45,2 ist Schreibfehler.

*) Von diesem werte kommt ächustedn vitiare 11 6,1 her; das % des Stammes ist hier, wie im gen. plur. gewöhnlich, ebenfalls zu e gebrochen.

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BENEDIKTINERREGEL. 441

Gen. und dat. -m gewönlich mit umlaut der Stammsilbe (vgl. oben s. 429). antwurtan 49,2 ^^^ Schreibfehler.

Acc. 'un. Daneben tritt im ersten teile ( s. 54) und ausserdem s. 121,1; also in partien, die auch das anlautende h und die Verdoppelung der langen vokale wahren, nicht selten die endung -on auf: 43,2. 44,2 (2 mal) 47,2. 51,2 (2 mal) 52,2.

54.1. 121,1. Dies -on ist die mittelstufe zwischen ursprüngli- chem und got. -an und dem späteren -un, nicht etwa ab- schwäcliung aus diesem.

Plur. nom. und acc. Der erste teil des denkmals unter- scheidet scharf zwischen nom. und acc. Er bildet den acc. stets auf 'on: 31,i. 39,^. 45,^. den nom. auf -un^) In der zwei- ten hälfte (von 55 an) kommt der acc. gleichfalls nur auf-ö/i vor: 82,2. 123,i; es ersclieincn aber einige -ort auch im nom.:

59.2. 61 {fordroron) 64,2- 100,2 neben dem gewönlichen -im. Auch hier werden wir -on als verdumpfung aus ursprüngli- chem -an (got. -ans) anzusehen haben, neben der sich die wei- tere verdumpfung -un erst später einstellte. Der Verfasser oder Schreiber der ersten hälfte, dessen Orthographie überhaupt korrekter ist, befolgte auch hier eine bestimmte regel, die in der zweiten hälfte dadurch .durchbrochen wird, dass on auch im nom. gebraucht wird. Wie diejenigen partien der zweiten hälfte, die, wie wir einigemale gesehen haben, vielfach zu 1 stimmen (79—82. 84—87. 90—95. 117—125) sich in diesem punkte stellen, kann aus mangel an beispielen nicht gesagt werden.

Gen. 'Ono: 28. 36,2. 42,i. 50,2. ^^%i etc.

Dat. 'dm (oft -oom)] 4 mal 07i: salmon 65,^. geswason 104. selbon 92,i. UO.i.

Masculina mit dem ableitungs/ gibt es überhaupt nur sehr wenige und das j ist in der regel spurlos ausgefallen ; so in allen parte, praes. In eribo 34,^ hat es umlaut hinterlassen ; in willo (got. viljd) und urriutto exstirpator 80,2 ist es assimi- liert, in willeono 50,2, ausserdem noch als e erhalten.

IL Neutra.

Von Substantiven kommen nur vor: aiiga, herza, ora.

*) ebanlozzon 29,2 ist kein gegenbeweis; es kann ebenso gut der acc. sein als der nom. (lat. consortes).

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442 SEILER

Sing. nom. und äcc. -a. gen. und dat. wie msc.

Plur. nom. und acc. Zweimal erscheint die altertümliche dem got. -ona entsprechende enduug -on, nämlich ooron 31,2 und camemamon 83,i. Ob dieses -on noch lang oder schon kurz ist, können wir nicht wissen. Das daraus durch ver- dumpfung entstandene -ufi, was die gewönliche form ist, ist jedesfalls kurz, gen, -ono. dat. -dm; dafür -on in selbon (44,i. 82,t. 110,,. 121,2.

Ganz Singular sind die beiden formen herza irveriu (acc. pl.) 31,1 und auga oculi (nom. pl.) 52,i. Gr. I2 629 gibt nur an, dass in ihnen der nom. plur. und sing, gleich sei. Wein- hold s. 444 erklärt sie durch ausstoss des themasuffixes -an oder 'on-j also herz{ön)a, Dass dies suffix ursprünglich vor- handen und dann erst ausgestossen sei, möchte ich bezweifeln. Wahrscheinlich standen die formen ohne suflfix ursprünglich neben denen mit suffix, traten aber später bis auf wenige reste ganz gegen sie zurück.

III. Feminina.

Sing. nom. -«. Die übrigen cas. -ün (auch -umi geschrie- ben vgl. oben); dafür steht einigemale (101,i. 102,i. 2) der Schreibfehler -umi Auch hier hat sich einmal das alte -on er- halten: fona eriston citi 99,^.

Plur. nom. und acc. -wn. gen. -ono. dat. -dm, wofür ein- mal 'On 60,2.

Die feminina mit ableitungs-y bewahren dies fast immer; so rediun und rorriun calamum 121,i, wo durch das j auch noch Verdoppelung der vorangehenden liqnida herbeigeführt ist, wie in willeono 50,2- cotchundiun 71, aber cotchundufi 60,i. Von fremdwörtern gehören hierher calizia caliga 107,i. 108,2 und lectia (lecziüy leccia, leczea, lectza, lecza).

Die den got. auf -ei gen. -eins entsprechenden feminina haben bei Kero in allen cas. des sing, und im nom. und acc. plur. % (ii); im gen. plur. kommen sie nicht vor; im dat. plur. haben sie -im: iurim 96,i. antreitim 118,2. rvealihnissim 107,i. Danach ist auch gebildet der dat. fona fimfchustim a pentecoste 91,2. -in steht in ano murmnlodin ah^qne murmurationibus 91,1. Eine accusativform, wie Graflf II, 860 meint, kann dies nicht sein, weil der acc. immer auf -i ausgeht.

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BENEDIKTINERREGEL. 443

Andere consonantische stamme.

1) Von den verwantschaftsnamen auf -tar kommen bei Kero nur folgende formen vor:

nom. und voc. sing, fater 30,i. gen. fateres 102,2- dat. /a- tere 34,i. dat. plur. {faie)run 60,i. acc. plur. fatare 70,i. wahr- scheinlich verschrieben für fatera.

pruader 10i,i, gen. pruader 37,2. nom. plur. {priiade)r 58,2 und pruadra 32,i. gen. pruadro 40,2 und pruadero 41. dat. pruadrum 58,i. 81,2 (pruadr)un 59,2- pruadarum 10%. acc. pruader 54,^.

2) fiant. Hiervon kommt nur der acc. plur. fiant 43,i und fimta 45,1 VOJ*«

Von friunt nur der voc. 114,2.

3) naht. gen. iiaht 60,i. 7iah{t) 58,i*) dat. naht 58,i. 91,2. acc. naht 69,i. plur. gen. waÄ/o 60,2 und waÄ^ 69,2 (septi no- ctium für Septem noctium) dat. {nah)tum 65,|.

4) man 31,2. gen. mannes 45,i. acc. jnannan in ncomannayi 44,2. man in werachman 31,2. 55,i. 57,2**). Plur. gen. wanno 51,1. 52,1. 55,2. dat. mannum 47,i. 51,i. 2. 88. acc. {md)n 54,i.

Adjektivische deklination. Die gewönliche regel, dass die adjektiva, adjektivischen pronomina und participia, wenn sie attributiv stehen, flektiert, wenn sie prädikativ stehen, nicht flektiert werden, ist bei Kero, wo überhaupt von deutscher syntax noch keine rede sein kann, nur in sehr beschränktem masse zur ausftthrung gekommen. Attributive und doch unflektiei-te adjektiva sind z. b.: eocotveUh kernii 36,2. lucki urchundii acc. sing. 42,2. ewic ze tvizze 31,i. eocowelih antrahcha 108,2. samft inganc 110,2. herösto solih 110,2. Prädikative und doch flektierte: der wirdiger ist 36,i. leidsame Tvortane sint 51,2; ähnlich 40,2. 43,2. 54,2. 55,i. 57,i. 75,2. öO,i. 101,2. 117,2. 123,1 etc. Wenn adjektivische pronomina als Subjekt gebraucht werden, so stehen sie oft unflektiert, z. b.: eocowelih 49,i, einic 41,2. hwelih 52,2. 53,i, aber auch flektiert, z. b. einer eocoweliher 90,i. 102,2. niheiner 41,2.

*) Hattcmcr ergänzt an dieser stelle fälschlich nahti. Als adv. steht tiahtes noctu 45,i. 52. 98,2*

*•) Lachmann specim. ling. franc. liest hier weracmannan statt we- racman (si)nan.

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444 SEILER

Im folgenden behandele ich mit den adjektiven zugleich diejenigen pronomina, die genau ebenso flektiert werden.

Sing. uom. msc. -er {-eer). Von /H steht '38,i der re- gelmässige nom. frier neben friger^ wo das i ein palatales g hinter sich erzeugt hat. In umeer 50,i ist -ar- nicht weg- gefallen, noch weniger steht es für unser, sondern ee ist cc = a vgl. s. 435. fem. -iu. ntr. -azinös).

Gen. msc. und ntr. -es. In neoweht srvarre 29,i ist s am Schlüsse durch einen Schreibfehler ausgefallen. fem. 6e- wönlieh -era; -eru nur in sineru 109,2 ui^d {sine)ru lll,i.

Dat. msc. und ntr. Die ältere dem got. -amma näher stehende endung -amu findet sich noch in zwei beispielen: wn- gaherzamu 45,^. chundamu 116,2*). Sonst steht stets -emu, Im fem. kommen 2 endungen neben einander vor: -era und eru\ letztere ist die gewönlichere, erstere findet sich aber auch über 30 mal. Danach ist zu berichtigen Weinhold s. 472. Für -eru steht 2 mal -ero: kisaztero 69,i. In alonger 69,2 ist der endvokal durch einen lapsus calami weggefallen.

Acc. msc. -an, fem. ■^. ntr. -az.

Vocat. ist unflektiert: faterlih 36,i.

Instrum. nur im msc. und ntr. endung -w. Die stellen, wo er vorkommt, sind folgende: einu mezzu 38,2- mit cuatu muatu 47,2- eocowelichu mezzu 69,2. ^6» ^o tvelichu mezzu 76. 113,2. nohheinu mezzu 87,^. 106,i. 2- mihhilu min multo minus 91,1, mihhilu mer multo magis 117,i. mit sinu kipete cum ejus oratiöne 102,2 (hier also der instrum. des adj. mit dem dat. des substant. verbunden), fora allu 40,i. 81,i. 100,2 und er allu ante omnia 91,^. Zu -0 geschwächt ist die endung in mit ubilo muatu cum malo animo. Weinhold s. 472 führt auch lu- zilo mer 58,i als instrum. an, wahrscheinlich durch* die schon eben citierten stellen 91,i. 117,^ dazu bewogen; allein da im lat. text das adverb. modice steht, so ist auch luzilo sicherlich adverb, und nicht instrum.

Plur. nom. und acc. msc. -e (2 mal -ee). An 3 stellen steht dafür -a: lefsa dina labia tua 31,2. durah einluzza per singulos 107,1. und desa 118,2. Fem. -0. Ntr. -iu. Unklar

*) In kichvetamu 59,2 und duruhchuetamu 61,2 ist dagegen bloss die Silbe -ne- durch ein versehen weggefallen.

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BENEDIKTINEEREGEL. 445

sind die beiden stellen: andro reliqua 69,i und ooriin hormdo aures audiendi 31,2*, hier scheint für -m geradezu -0 zu stehen, doch wird man wol misverständnisse des lat. annehmen müs- sen. Zu letzter stelle s. unten*).

Gen. Durch alle 3 genera -ero. Verdumpfung zu -eru in allem 35,2- mnrmolo7iteru 47,2. "<^^ i^ cotchundera 78 und al- tera scnum 87, wo die lesart aber nicht ganz siclicr steht.

Dat. Durcli alle 3 genera 'em{eem). -en: unmahtike^i 101. rumen 115,0. unhorsamen 37,i.

Das ablcitungsy wird bei den adjcct. ebenso behandelt wie bei den substant., d. h. es fällt in den flektierten kasus für gewönlieh ganz weg oder hintcrliisst nur noch eine spur im Umlaut {herlem 37,i. unsemfta 39,2); nur die konsonanten r und t lieben es, das folgende j sich zu assimilieren, swäri hat, wo es flektiert ist, überall rr: swarriu 84,i. swarrera 85. 29,i.

93.1. ^öji- 122,1, aber natürlich swarisUm 108,i ; ebenso drätter

91.2. 121;2; ^uch bei n kommt die assimilation vor in hrein- nan castum 121,i.

Uebcr die bildung des adverbs ist gar nichts, über die komparation wenig zu sagen. Der komparativ wird durch -/Vö oder -dro, der Superlativ durch -isto oder -dsto^gc- bildct. . Die adverbia -6r und -ist oder -ost (aber nicht -//•). Wann -iro, -isto oder -uro -osto eintritt, darüber lässt sich keine regel gel)en; aucli findet zwischen den einzelnen partien des deukmals hierin kein unterschied statt. Zwischen / und o schwanken heriro, meriro und imrlro. -ero für -iro steht in kenuhisfimera 86,1. jungasiln 63,2 i^t Schreibfehler für jnngisün,

4. Pronomina.

Das ungeschleclitige persönliche pronomen geht im allgemeinen ganz regelmässig. Ueber seh 102,2 und euuih 31,2 s. oben. Noch ist zu bemerken, dass die unterschiede zwischen den dativen um iu und den accusativen unsih iuuih nicht ganz streng festgehalten werden. Es steht unsih als dat. 33,2. um als acc. 29,i. 31,i. iu als acc. 46,i.

Vom geschlechtigen persönlichen pronomen kommen nur

*) Dietrich s. 6 erklärt dieses -o als verdumpfung aus dem got -«.

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446 SEILER

folgende formen vor : nom; er dat. imw (imo 77) iru. acc. inan. plur. nom. msc. sie 37,i. gen. iro. dat. im,

Demonstrativa. 1. der, Ueber dieses pronomen hat den tatbestand scheinbar genau, aber vielfach unrichtig angegeben Hattemer in Höfers Zeitschrift fttr die Wissen- schaft der spräche III, s. 66 73. Die Scheidung, die er dort stets zwischen demonstrativem, relativem und artikclge- brauch des pronomens macht, ist ganz unnütz.

Sing. nom. msc. der, fem. nur diu, Hattemer gibt daneben die form dea als 2 mal vorkommend an. Dies ist falsch. Die beiden stellen sind: dea achust 82,2 und 108,2; hoc Vitium kann der form nach sowol nom. als acc. sein. Der Übersetzer fasste es als acc. Dass das nicht wunderbar ist, wird der IL hauptteil zeigen. ntr. daz, gen. msc. und ntr. des (dez 75,i). fem. gewönlich dera. Dafür oft die abkürzung dr; diese löst Hattemer stets durch der auf und sucht dies a. a. o. zu rechtfertigen; von seinen gründen ist keiner stichhaltig. Die form der kommt nie vor und es ist überall dera zu lesen. Für dera liest Hattemer 66,2. 84,i. 88. dem, ob mit recht, ist die frage ; vgl. die einleitung Hattemers s. 23 über die ähnlichkeit der buchstaben a und u. 102,2 kann dera von mit abhängiger dat. sein. Das einzige sichere bei- spiel von dem für dera ist dem sineru listi 109,2? weil hier deru mit v geschrieben ist. Einmal dero 89,|. dat. msc. und ntr. demu. fem. deru etwa 26 mal, dera 21 mal; die abkürzung dr, die sowol de7^a als de7'u bedeuten kann , et>va 10 mal. Die angaben bei Hattemer sind nicht richtig. Zwei- mal def^o 41,2. ö8?2- ^cc. msc. den, ntr. daz (das), fem. 5 mal dia, 7 mal dea und ausserdem noch in den beiden oben erwähnten stellen 82^2- 108,2, 2 mal die 46,2. 112,i.

Instrum. von Hattemer gar nicht erwähnt. Er findet sich nur im msc. und ntr. und zwar nur in folgenden Verbindungen : er diu ex hoc 79, exinde 84,i. fora diu deinde 59,2. 96?i- ^fl^^ diu postea 79. 95. post quem 62,2 (zweimal), widar diue di- verso 120,2 undjy/t?m ideo quoniam oft. Einmal dsifVir pidio 79.

Plur. nom. und acc. msc. dea 22 mal, die 11 mal, dio 118,2, ^i^ 33,1*). fem. dea habe ich 5 mal gefunden, deo 2 mal

*) Hattemer gibt ausdrücklich an , die form dia komme im plur. nicht vor und doch findet sie sich an jener stelle.

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BENEDIKTINERKEGEL.

447

(Hattemer gibt 6 und 3 an). Die beiden dei s. 108 schreibt Hattemer mit recht dem neutrum zu. ntr. Die form diu kommt nur 2 mal vor: diu selhun 33,i. diu meistun 41,i. (Hattemer hat die erste stelle Übersehen); sonst stets dei. Die form deo s. 60,1, die Weinhold s. 462 als ntr. bezeichnet, ist fomin. gen. in allen geschlechtern dero, dat. durch alle geschlech- ter gleich und zwar diem 14 mal, dem 17 mal (Hattemer giebt 11 und 12 an).

Da der acc. sing, fem., der nom. plur. msc. und der dat plur. je 2 verschiedene formen haben und dieselben durch das ganze denkmal ziemlich häufig sind, so haben wir an ihnen möglicherweise wider ein kriterium für verschiedene Schreiber und Verfasser. Legen wir die abteilungen zu gründe, die sich uns nun schon öfter herausgestellt haben, so stellt sich die Sache so:

acc.

sing. fem.

nom.

plur.

dat. plur.

dia

dea die

die

dea

diem dem

28 54

3

1

9

1

9

55 57

1

58—78

3

10

4 6

79 82

1

82 84

84 87

88 90

90 95

96 116

117 125

1

4 1

1(94). 1(108,,)

1(88)

8 2

2 1 6 2

2. deser, Sing. nom. msc. deser {deseer 53,i). fem. 4 formen: 1) deisu 45,2. ^^%i- Weinhold s. 56 meint, ei stehe hier schlechtweg für e. Es ist wol vielmehr eine deklination beider teile, aus denen das wort zusammengesetzt ist, anzu- nehmen. 2) desiu 69,2. '7^?i' ^) ^'^^^ l^^i» 4) disu 105,2- 107,1. ntr. kommt nicht vor. gen. desses 32,2. dat. msc. desemu 29. 38. 59. 83. fem/ deseru 22. 54. dr ru(7) 111,2. acc. msc. desan. fem. desa, ntr. fehlt. instr. desu mezzu 78. Wahrscheinlich ist auch after disu 63,2 i^^ch analogie von «/- ter diu als instrum. zu fassen, ob wol es auch acc, plur. ntr. sein kann.

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448

' SEILER

Plur. nom. und acc. msc. dese llO^j. desa 118,2. fe^a. fehlt, ntr. 1) deisu 31,2. 45,2- 52. 2) desiu 29,,. 33.2. 36,i. 40,i. 49,i. 3) desu 30,1. gen. desero 35,2- Scliilter liest an dieser stelle derero. Danach Graflf V, 76 ebenfalls dererb. Diese falsche lesart schleppt sich dann selbst bis in Weinholds alem. gr. s. 467, der sich hier begnügt hat, aus GrafiF zu cxceqiicreu. dat. desem {deseem 80,2).

Hier lässt sich kein kriterium für verschiedene Verfasser aufstellen, da die formen nicht häufig genug sind. Das fragepronomen hwer.

Es kommen davon folgende formen vor: nom. hwer, hrvaz {was 96,2). dat. hwemu 31,2. instr. wiu in za wiu ad quod 114,2. Dieses wiu ist niclit zusammenzubringen mit dem durch Zu- sammensetzung entstandenen hweo, hwea (got. hvaiva) vgl. s. 426. Weinhold s. 294. Graff IV, 1193.

5. Formen der präfixe. 1) Am häufigsten ist das präfix ga-. Die wenigen fälle, wo dies präfix sein g bewahrt, sind schon s. 403 aufgezählt. Für die mit k beginnenden formen: ke, ki, ka, die durch das denkmal hindurch verschieden verteilt sind, können wir die tabelle benutzen, die Steinmeyer im 16. bände der Hauptschen Zeitschrift pag. 131. aufgestellt hat. Derselbe hat auch die formen der präposition ze, zi, za in eine tabelle gebracht, die so ziemlich zu jener stimmt Wir setzen beide tabellen neben- einander:

ke

ki

ka

ze

zi

za

28 57

218

54

3

stets

58 79

11

71

43

6

6

27

79 82

23

4

2

82 84

1

7

4

2

84 87

23

1

1

1

88 90

3

5

2

1

1

90 95

35

3

8

96 116

34

76

43

11

3

6

117 125

68

27

1

13

2) ar nur 40. 72. 74. 78. 82,2. 109,2. 111,,. lOS,,. ur nie bei verben, sondern in den subst urchundi 42,2. urlauM 48.

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BENEDIKTINERREGEL. 449

urchust 109,2. urriutio 80,2. urchundo 114,i und dem adject urtriwer 121,2. Sonst stets er. S) pi gewönlich; selten Z>/, einmal pe- 29,i. 4) Das dem lat. dis entsprechende präfix lautet ze 40,i (zweimal) 51,2. zi 63,i. 68,i. 69,i. 2. 83. za 69,2. 5) /ar gewönlich; fir nur in firlazanne 109,i. Blosses f in florini 123,i. 6) ant bleibt, wenn es den hochton trägt, d.i. vor nominibus und davon abgeleiteten verben: antwurti, ant" läz, antrdhha, antfrahida, antfangida, antfanclih, antlengan und einmal in anpintan; obwol hier der ton auf der zweiten silbo ruht 65,2. Vor verben und davon abgeleiteten nominibus steht int z. b. inthaben, inthabard, intdecchan, intwaidn, intlühhan, int- ßhan, seltener ent: 32,2. 36,i. 79. 84,i. 111,2. 113,i. In aw^ und int fällt bisweilen das t weg: anlengan 33,2. inpintan 37,^.

6. Konjugation. Starkes verbum.

Die ablautreihen unterscheiden sich nicht von den gewön- lichen althochdeutschen; es ist daher unnötig sie hier aufzu- fuhren. Auch die Veränderungen der vokale und konsonanten sind regelmässig. Es findet sich z. b. keliti (2 sing, praet von Udan) kasotan, kaslagan, kasnitan, kaleran; von pliurvan heisst das part praet. mit ausfall des w kapluan 97,^. üeber farci- kan und erhapan siehe oben s. 413 und 419.

Die formen der reduplicierenden verba schwanken bei Kero. Ich stelle sämmtliche präterita, die vorkommen, zu- sammen:

1) Verba mit a im stamme: fial 33,2. piheialt 57,i. entftanc 36,1. ^^n* ^%* keanc 49,i. farliazzi 54,2. forleazzi 83,i.

2) Verba mit ei im stamme: hiaz 45,i.

Von verbis mit d im stamme kommt leider kein beleg vor.

Also 7 mal ia, 2 mal ea, 1 mal eia. Wie sind nun diese formen und namentlich piheialt zu erklären? Die Weinholdsche erklärung ist folgende s. 328 ff.: piheialt ist die älteste form*) und entspricht dem got haihald genau; nur dass der anlau- tende stammconsonant ausgefallen ist. Aus eia wird ea, ebenso aus aio io, aus aiai ee und demnächst e. Die uneigentlichen diphthonge ea und So seien dann als brechung von iu eu an-

*) Zuerst hat sie als solche bezeichnet Grimm, gr. P, 862.

Beitrüge snr geschiobte der deatschen aprache. I. 30

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450 SEILER

gesehen und allmählich ganz auf den weg dieser brechung ge- drängt worden*); so habe sich neben ea, eo erst ia, io, dann ie eingestellt. Weinhold nipimt also bei den verbis mit a und 0 im stamme einen unmittelbaren tibergang von ea und eo zu ia und io an, bei denen mit ei im stamme erst eine Verdichtung zu e und dann eine brechung dieses e zu ea ia, Die formen der w. redupl. mit stammhaftem a zeigen aber, dass diese mittelstufe des e auch bei ihnen anzunehmen ist. Früher als Malt, fial, giang, sUaf erscheinen die formen : hili^ fei, geng, slefun^*). Hierdurch wird die Weinholdsche ansieht also dahin modificiert, dass die reihenfolge der formen nun diese ist:

1) aia

2) eia

3) Kontraktion e

4) Brechung ea ia,

Ist es nun glaublich, dass ein und dasselbe denkmal ne- ben den gewönlichen aus dem e gebrochenen foimen einmal die uralte dem e vorangegangene form behalten habe? Kaum; zwischen eia und ea muss ein zu bedeutender Zeitraum gele- gen haben, als dass beide von demselben oder doch von gleich- zeitigen Verfassern gebraucht sein könnten. Dazu kommt noch, dass die mittelstufe e in unserem denkmal gänzlich fehlt. Es ist zwar schade, dass die altertümliche form piheialt, die als solche selbst in die Hejnesche laut- und flexionslehre gedrun- gen ist (s. 154), auf diese weise .verloren gegeben werden soll. Allein wenn man die Sachlage nüchtern erwägt, so wird man zugeben müssen, dass sie nicht wol eine der kontraktion vor- angegangene form sein kann. Viel näher liegt die einfache erklärung, die schon Scherer D.^ 458 aufgestellt hat, dass der Schreiber nicht gewust hat, ob er e oder i setzen sollte, weil er einen mittellaut hörte und deswegen beides neben ein- ander gesetzt hat. Dass dieser mittellaut zwischen ea und ia bei den brechungen des e gehört wurde, zeigt das nebenein- ander vorkommen der formen mit ea und Ia nicht nur tn den

*) Dass dies möglich ist, zeigt hvaiva, hrvia, hrvia oben s. 426. **) Vgl. Graflf unter den betr. werten und Jacobi, beitrage zur deutschen grammatik s. 61.

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BENEDIKTINERREGEL. 451

präteritis der vv. reduplic, sondern auch in meas und mias (vgl. R. 425). Dass ferner 2 vokale neben einander gesetzt wer- den, um einen zwischen beiden schwankenden laut zu bezeich- nen, dafür hatten "wir schon oben (s. 424) als beispiel neowiehti s. 55,1. ^^^ zwar steht dieses beispiel in derselben abteilung des denkmals wie piheialt, nämlich s. 55 57. Dazu kommt noch ein drittes beispiel aus eben dieser abteilung unmittelbar neben piheialt: anao. Das wort heisst gewönlich ano, einige- male auch ana (46,2. 80,2. 117,2); der vokal der letzten silbe schwankte also offenbar zwischen a und o. Demnach hatte der Schreiber dieser abteilung die eigenheit, einen mischvokal durch zwei nebeneinandergesetzte vokale auszudrtlcken. Drei beispiele davon finden sich auf 2^2 sciten.

Das resultat ist, dass piheialt entweder als pihealt oder als pihiali zu lesen ist, dass es um nichts altertümlicher ist, als keanc und fianc und endlich, dass wir mit belegbaren for- men noch immer nicht über das lange kontrahierte e hinaus- kommen.

Eine andere ansieht über die entstehung der zusammen- gezogenen reduplicierten praeterita im ahd. entwickelt Scherer ('zur geschieh te der deutschen spräche' s. 11 ff. und in der ' Zeit- schrift für österreichische gymnasien* 1873^ heft 4, s. 295 flf.). Nach ihm ist nämlich im got. haihald das ai nicht diphthong, sondern S, also haihald = hihald ahd. hehalt. Daraus wird dann hehlt und mit ausfall des die Wurzel anlautenden kon- sonanten und ersatzdehnung helt (weiter dann healt , Mali). Ist diese theorie, welche sich auf einige ags. formen Qieht, leolc, reord u. s. w.) gründet, richtig, so ist natürlich eine form pi- heialt von selbst unmöglich. Ob sie richtig ist oder nicht, dar- über wage ich hier nicht zu entscheiden. Keinesfalls darf man die form piheialt länger als beweis für die diphthongische natur des ai der reduplikationssilbe anführen.

Flexionsendungen. . Die schwachen verba der ersten klasse haben im allge- meinen dieselben endungen, wie die starken; das wenige, wo- rin sie abweichen, ist weiter unten bemerkt worden.

Praes. ind. 1. -ii. 2. fehlt. 3. -it. Einmal zu -et ge- schwächt: kelidet 78, was jedoch vielleicht durch das unmittel-

3Q*

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452 SEILER

bar folgende kelide veranlasst ist Plur. 1. -ames. 2. -at nur imperativisch (40,i, 54,2 ©^c.). 3. -mit.

Conj. 1. -e. 2. -Ss.\ es ist wol nach analogie des plur. lang anzusetzen, obwol es nie mit ee geschrieben vorkommt 3. -e. Vielleicht isfr das -e in der 1. und 3. person lang; dar- auf kann wenigstens die form trahtohee tractet 116,i führen*). Plur. 1. -emees, qhuememees 35,2; sonst ist -es abgefallen; es bleibt nur -em: teilnemem 29,2. 2. -et (eet). 3. Sn (een). Dreimal -an: furichueman proveniant 87,i. arbeitan laborent 100,1. lesan legant 100,2. D^. unmittelbar daneben sehen, int- fahen, umbicangen u. s. w. steht, so ist das -an Schreibfehler**).

Imperat 2. sing, ohne flexion. Plur. 1. -ames. Da diese form in den grammatiken gewönlich gar nicht angeführt wird, so könnte man zweifeln, ob sie existiert. Ich zähle da- her alle fälle auf: piitames rogemus 28. erstantames exsurgamue 31. hoorrames audiamus 31. kangames pergamus 32. kesezza- mees 35. tuamees 48,i. kelaubpamees 51,2- kasehames 66,2. kehen- kames 90. MüUennoflf sprachproben * s. IV. führt noch einige andere beispiele an; die sind falsch: der conj. ist in ihnen von einer konjunktion (ut licet dum) abhängig und im deut- schen ist der ind. für den conj. gesetzt, was nicht selten vor- kommt. 2. -at

Praeter. 2 sing. -i. Plur. 1. -umes qhatumes 61,,. 64,2. 94,2. 106,,. (pirumes 29,^. 34^2 ö^^O' ^ "^^ entfiangut 36,^. na- mut 11. 3. 'Un qhamm 33,2- eigun 1.08,i. 118,2. Conj._nur 3 sg. '%. 2 pl. At (iit) 31,2. 3. -m (wol in) eigin 38,i. 91,2. H V

Ueber inf. und parte, praes. siehe unten bei den schw. w. 1. klasse.

Parte, praet -an; es wird stark und schwach flektiert. Schwächung zu -en in erhqpener 55. pifolahenem 11.

•) Wie Weinhold s. 369 den offenbaren imperat. erktvarabi averte 51,1 für die 3 sing. conj. mit Wandlung des e zu i halten kann, ist mir unerklärlich.

**) Ich würde dieselbe erklärung anwenden, die wir schon oben bei skirmeen hoorreen hatten, nämlich dass ursprünglich ee stand und dass dieses von dem Schreiber als cc = a gelesen sei, wenn in diesem ab- schnitt die Verdoppelung des e überhaupt vorkäme.

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BENEDIKTINERREGEL. 453

Schwaches verbum. I. klasse, mit j gebildet. Zuerst fragt es sich, wie sich dies ableitungsy mit dem auslaut des Stammes verbindet.

1) Ist dieser Stammesauslaut eine muta,'so tritt in Ver- bindung mit dem j der sogenannte konsonantenumlaut, über den ich oben bei den einzelnen muten gehandelt habe^ ein, also z. b. got gj wird ck, kj = eck oder ch, dj = tt, bj == bp oder bb, pj = ff etc. 2) Ist der stammauslaut doppelkonso- nanz; so fällt das ableitungsy spurlos aus, abgesehen von et- waigem umlaut eines a im stamme, also chundan, fullan, fu- rihertan, mendan, ehern fan, starfajchan, karfajwan. Ebenso nach schliessendem w des Stammes: keun/rawen und keunfre- wen; drawen und dretven, 3) Schliesst liquida oder s den stamm, so tritt in den bei weiten meisten fällen assimilation des j an den schliessenden konsonanten ein und zwar ohne rücksicht darauf, ob die vorhergehende silbe langen oder kur- zen vokal hat (vgl. s. 423). Wenn aber in der flexionssilbe i folgt, also in der 2. und 3. sg. praes. und im imperat., so wird dieses als ableitungse angesehen und der vorhergehende kon- sonant bleibt einfach; also hörran aber höris, hörit, pisrverran aber piswert. Beispiele: illan 50,2. kezellan 30,2. sellan 31,i. wellan 35,2. farsümman 80,2. chennan 40,2. 63,2. wännan 45,i. 29,1 etc. hreinnan 42,2. kagannan 106,i. 119,2. zeichannan 82,|, suannan 55,i. 118,2. hörran (sehr oft) lerran 36,i. 48,2. nidarran 48,2. pisrverran 38,2. zimberren (3 pl. conj.) 88, skerran 121,,. chnmsan 44,^. wissan 41,,. Ausnahmen kommen nur fol- gende vor: abandnmasen coenent 91,2. wänan 53,2. 56,2. hörendo 31,2. reinen (3 pl. conj.) 64,i. leru 31,2. wxsan 11. \0%, Eine ausnähme nach der anderen seite hin ist die wirkliche erhal- tung des ableitungs/ Sie findet sich nur in einem verbum, aber an 2 stellen; piwerie prohibeat 55,2*) und mit einschub eines palatalen g piwerigem (lies -gen) prohibeant 120,2.

*) Hattemer sinnlos pitverte. Richtig Graff I, 927. Lachmann spe- cimina 1. f. Auch mein freund, H. Dr. Löschhorn, der auf meine bit- te so gütig gewesen ist, die stelle bei seiner durchreise durch St. Gallen anzusehen, versichert, dass piwerie dastünde, nur habe das t oben einen kleinen querstrich.

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454 SEILER

Ueber die flexionsendungen des praes. ist wenig zu sagen. Die 1 plur. ind. tritt nur 2 mal ungeschwächt als -ames auf: kalaubames 99,i. 70, 3 mal geschwächt oder assimiliert zu -emes: nidarremes 48,2- rvannemes 29,i. forakisuannemes 123,i. In der 2. sing, imperat. tritt das i der ableitung hervor: dretvi, pisweri, refsi 38,2. erhrvarabi 51,^

Bildung des Präteritums und part. prät.

Das prät. wird in allen schw. vv. durch Zusammensetzung mit der wurzel dha gebildet. Die flexion ist diese:

Sing. 1. -ta. 2. -tds {-toos) 53,2. 54,i. 55,2- 3. -ta. Soweit stimmt die flexion mit dem gewönlichen ahd. Der plur. flektiert aber im gemeinahd. -tumSs, -tut, -tun, in unserem denkmal kommen nur die formen -tomes und -ton vor. Ich führe sie zunächst sämmtlich an: intfrahetomes und kehortomes 34,1. kisaztomes 66,2. 123,2. lirnetomes 114,i. platoon 33,2- /ö^r- hocton 37,1. Urneton 34,2. fardoleton 100,^. suanton 118,2. wolton 31,1. Wiö sind nun diese formen auf -tomes {-tot) -ton zu er- klären? Es stehen sich hier zwei ansichten gegenüber. Die eine ist die von Weinhold s. 373 vorgetragene: das 0 sei weiter nichts als „Öffnung" (brechung) für u, also jünger als das gemeinahd. u in diesen formen. Die doppelschreibung des 0 in platoon 33,2 beweise nichts für die länge desselben , wie obonoontiki 49,2 zeige, ebensowenig die circumflexe bei Notker. Die andere ansieht hat Jak, Grimm in Pfeiffers Germania III, r47 ff. aufgestellt. Sie ist kurz diese : die -tomes, -tot, -ton der älteren alemannischen quellen sind lang; sie sind wesentlich verBchieden von den -tumes, -tut, -tun des gemeinahd. und zwar altertümlicher; denn sie sind entstanden durch zusammen- ziehung des got. -dedum, -dedup, -dedun, während das gemeinahd. die silbe de ganz ausgestossen habe. Diese Grimmische ansieht ist mit ausnähme des allerletzten entschieden richtig und zwar aus folgenden gründen:

1) Kero hat als pluralendungen des präter. der starken vv. immer -umes, -ut, -un (s. die oben gegebenen stellen), der schwachen verba immer -omes, (-ot) -on. Es ist undenkbar, dass beim st. v. nie, beim schw. v. stets die brechung des u z\i 0 eingetreten sei. 2) Notker hat im plur. prät, der st vv, stets -en, -e(n)t, -en, der schw. stets -on, -o(n)tj -on

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BENEDIKTINERREGEL. 455

(oft sogar mit circumflex versehen). Es ist undenkbar, dass die u der starken vv. stets, die der schw. vv., die doch schon lange zwo verdtlnnt waren, nie zu tonlosem e ge- schwächt seien. 3) Es sind Zeugnisse für die länge des o vorhanden: plaioon bei Kero, die circumflexe bei Notker.*)

Das sind die äusseren gründe, die, wie mir scheint, die Grimm'sche ansieht schon evident als die richtige erweisen. Dazu kommen noch innere grtlnde, die uns zugleich über die entstehung des ahd. schw. präter. einige aufklärung geben.

Nehmen wir als beispiel got nasjan ahd. nerran. Die ge- wönliche grammatik nimmt an, oder da sie sich nicht be- stimmt darüber ausspricht scheint wenigstens anzunehmen, dass aus nasidedumj nasidedup, nasidedun das ahd. nerltumesy neritut, neritun einfach durch ausstossung der silbe dS hervor- gegangen seL Das ist an sich schon sehr unwahrscheinlich; denn die silbe de war doch sicher viel höhßr betont als die flexionssilben -dum, -dup, -dun; wie hätte sie ihnen weichen sollen? Man muss von vornherein annehmen, dass de vielmehr die flexionssilben verdräAgte. Es entspricht nun freilich dem got. S in der regel ahd. ä; aber es ist deswegen doch nicht unmöglich, dass ihm in diesem falle d entspricht 6 und e sind beides doch nur trübungen des reinen ä und dass in der tat in den präteriten der schw. vv, ahd. 8 dem got. e entspricht, beweist die 2 sg.; neritös ist auf keine andere weise zu erklären als aus nasides; es stimmt buchstabe für buchstabe und 6 = e. Im plur. wurde nun, wie das ja bei den reduplicierenden verben überall der gang gewesen sein muss, der anfangskonsonant der zweiten silbe ausgestossen und das d verschlang dann das folgende schwachbetonte u; also:

got.: nasides, nasidedum, nasidedup, nasidedun,

ahd.: neritös, neritötum-es, neritötut, neritotun,

neritd(u)m-es nerit6(u)t nerit6{u)n,**)

Das war der gang im alemannischen dialekte. Man kann

•) Dasselbe weist neuerdings nach Begemann, 'das schwache praet. in den german. sprachen' BerUn 1873, s. 177 ff. W. B.

**) Möglich auch, dass in diesen silben ursprünglich ä stand, was sich erst nach ausfall des zwischen stehenden d mit dem folgenden u zu d verschmolz. Indes die zweite sing, macht die annähme unnötig.

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nun nicht annehmen, dass die übrigen deutschen dialekte die silbe de ausgestoBsen haben; denn das wäre ein so tiefer und wesentlicher unterschied zwischen den dialekten der deutschen spräche wie er sonst nirgends vorkommt und ganz unbegreif- lich wäre. Das gemeinahd. u ist also nicht das u der letzten flexionssilbe: dum, dup, dun, sondern eine spätere Schwächung und verdumpfung des älteren d, wie z. b. auch aus aicsdna drun wurde. Der alemannische dialekt und spe- ciell unser denkmal hat sich von dieser verdumpfung frei er- halten und die alten formen gewahrt.

Der conj. prät kommt nicht vor. Das partic. prät. hat die endung -tSr und wird adjektivisch dekliniert.

Wie werden nun diese präteritalsuffixe an die stamme der schw. w. erster klasse angehängt? Es handelt sich dabei lediglich um das verhalten des ableitungS;/ und es sind zwei Hassen hier scharf von einander zu trennen.

1) Die verba mit kurzer Stammsilbe; hier bleibt das i stehen z. b. kecremiter 31,i. kidenit 71. intspenitaz 41,i kescutitaz 44,1. 121,1. kezeliiem 52 und kizelita 33,i. kastrewitiu 73. kidewite 58,1. formulita 121. chnusita 33,i etc.

2) Die verba mit langer Stammsilbe oder mit zwei- silbigem stamm. Hier geht wider ein bestimmtes und durch- gängig beobachtetes gesetz durch das ganze denkmal, nämlich : das ableitungs i steht nur im partic. prät. und zwar nur, wenn dasselbe unflektiert ist, d.h., wenn das / des Suffixes das wort schliesst Folgt dagegen hinter dem t noch ein vokal also im präter. und im partic. präter., wenn es flektiert ist so fehlt jenes i ohne ausnähme. Ich mache dies zunächst an einigen beispielen deutlich. Fälle der ersten art, nämlich un- flektierte participia präter. sind: kecasiluamit 35,2. keflehit 123,i. pihdlsit 53,1. kekaumit 84. pihefiit 99,2. kerihtit 39,2. keresUt 32,2. kerefsit 95. 101,i. kerehhit 81,i. keswarit 89,2. Fälle der zweiten art, also präterita und flektierte partic. : erchertiu 89,2. erflaucter 29. erlaupta 111,2. kanidartan 112,i. k^uazter 40,2. kesciiahte 32,1. kervihter 30,i. 65,2. 80,2. kezeihhanüu , -temu, -ta 45,i. 93,i. 105,2. suanton 118,2. Besonders auschaulich sind nebeneinander- stellungen, wie diese:

kelerit 51,2. kilerie 34,i. kelertan 121,i,

duruhfulUt 96,2. kefultemu 94,i. erßdtiu 45,i.

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kehorit wirdiL 100,i. hdria 45,i. 46,1- kihörtaz 93,2.

kenemmit 36,i. 119,i. kinamtem 60,i.

piheftit 99,2. pihafter 46. 84,i.

kesezzit sehr oft. kesazter, sazta sehr oft.

kerihtit 39,2. kerihtaz 106,2.

Ärera/MY 95. 101,i. kerafster 78. 97,i.

ersuahhit 53,2. kesuahtoos 53,2.

ziteilit 63,1. piteilte 45,^.

kistrehchit 112,2 kestrahter 96,^.

Aus diesem ganz streng durchgeführten gesetz folgt, dass die form kirihüda direxit 11 6,^ nicht präter. von r/Ä^a« ist; das mtiste kirihta heissen (ausserdem wäre -<to flir -ta unerhört); es ist vielmehr irrttimlicherweise das substantivum gesetzt

Besondere bemerkungen: 1) Doppelkonsonanz wird vor dem unmittelbar folgenden i vereinfacht: erfullU aber kefultemuy kesezzit aber kesazter, kenemmit aber kinamtem, huckan aber farhocton. 2) Wenn eine konsonantenverbindung, deren letzter consonant t ist, den verbalstamm schliesst, so wird dieses t vor dem t des sufßxes nicht geschrieben, picurte cincti von cur tan 32,i. 73. pihafter von he f tan 46. kekakanrvartan von kakanwertan 52,^. santa misit von sentan 47,i. Wenn ein- faches t den stamm schliesst, so bleibt es gewönlich stehen; keleitta 32,2. anäleittos 53,2. kepreittemu 29,2. forakipreitter 123,2- ausgefallen ist es in ketheomualemu von deomuatan 109,2» 3) In den fällen zweiter art, d. h. wo das ableitungse fehlt, tritt der sogenannte rückumlaut ein, d. h. statt des umgelauteten e steht wider a, Beispiele: Jcesazter, kestacler, kestrahter, kinam- tem, pidachta, karafster, pihafter, santa, unbirvamter von rvem- mmi 51,2. 4) Die beiden formen karata 45,^ und ,kekarater 50,2 nitisten eigentlich Ararw^a, /r^/rarw;-/^r lauten; Ad^xm karatvta, kekarawter mit eingeschobenem a, endlich ist das w ausgefallen. Inf. und partic. praes. Wir behandeln hier die st. vv. zugleich mit den schw. I. kl. zusammen. Bei beiden endigt sich der inf. auf -an, Einigemale ist dies zu -en geschwächt : er/M//^40,2. 70,1. 98,2. ^r/awi>m 106,1. oorren 1 lS,i. qhueden 119,i. Der inf. wird auch dekliniert. Der gen. kommt nur zweimal vor: anaplasannes inspirationis 71 und abasnidannes abscisionis 78. Der dat. ist dagegen ungemein häufig, aber nur in Ver- bindung mit der präposition ze (gewönlich gerundium genannt).

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Seine regelmässige endung ist -anne; doch sind hierbei 3 Un- regelmässigkeiten zu beachten:

1) statt -anne steht -enne; beides erscheint oft unmittelbar neben einander z. b. karatvmne 28. aber gleich darauf zecham- fanne; ze rihtenne und ze rihtanne s. 40. Die st. v^^ haben nur -arme, die schw. Smal -enne, 13mal -anne. Von tuan steht 7mal tuenne, 8mal iuanne. Scherer D* 484 erklärt dieses -enne als umgelautet aus ursprünglichem -anja ; ungelöst bleibt dabei die frage, warum dies -enne dann nicht ebensogut bei dqn st. vv. eintritt.*)

2) Für nn steht einfaches n. Dies findet auch bei den schw. vv. IL und IIL klasse statt. Es zeigt sich erst in der 2. hälfte (von s. 55 an) und zwar besonders häufig auf den selten 58 71, nämlich 9mal (daneben ISmal nn); nachher nur noch zweimal: 101,2 und 116,2.

3) Nach dem n tritt ein d ein. Weinhold s. 348 notiert dieses als erst im 14. Jahrhundert vorkommend. Es steht aber schon in unserem denkmal ze chundande 98,2.

•Das partic. praes. kann stark und schwach flektiert wer- den; im unflektierten zustande ist seine endung -i, z. b. suah- hanti 52,i. keaückenti ^Sy^, Schwächung zu -^ in theononte 55,j und qhuedante 96,i. Vom partic. praes. wird auch ein adv. gebildet auf -to : zeohanto 63,i. 94,i. lihanto 69,i. Merk- würdigerweise zeigt das t in diesen formen die -neigung sich zu d zu erweichen {hör endo 31,2. farsümmando 80,2); was sonst nie beim pari praes. vorkommt. S. darüber unten s. 470.

Die regelmässige endung ist -anti; sehr oft steht daflir, sei es durch umlaut oder durch Schwächung -enti. Ein unter- schied zwischen st. und schw. vv. findet hier nicht statt, wol aber zwischen der 1. und 2. hälfte des denkmals. In der er- sten steht nämlich 39 mal -an^i, 33 mal renti, in der zweiten (von s. 55 an) etwa 41 mal -anti und nur 5 mal -enti (79. 92,2- 108,1. 118,1. 122). Von tuan heisst das parte, stets tuanti, Einmal kommt -inti vor : mezzinti 40,i (s. oben s. 430). Vom

*) Die erklärung dürfte wol die sein, dass bei den schwachen verben das vorhergehende j das a in e verwandelt; in den slavi- schen sprachen gejit z. b. ohne ausnähme ursprüngliches jo in je über. W. B.

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partic. praes. abgeleitete substantiva oder adjektiva zeigen stets 'ant' z. b. heilantt 37,i. anastantantlih 30,2. zefarantfih 40,i. unerlaubantlih 35,2.

II. klasse. Ableitungsvokal o (oo).

Die 1 sing, praes. kommt nur einmal vor und zwar ist das ursprüngliche m der eudung schon zu n geschwächt: ke- lihhison 33,2. D^r conj. hat die vollen endungen: 2 sg. -oes. 3. -oe, 3. plur. -oen. In der 3 sing, wird, um die scharfe trennung beider vokale zu bezeichnen, zwischen o und e an folgenden stellen ein h eingeschoben : duruftigohe 88. trahtohee lW,i. piscauuohe 120,^ (über die lesart s. oben s. 422). Die 1. plur. imperat. liegt vielleicht vor in auhchömes augeamus 102,2, wenn dies nicht ein Übersetzungsfehler und einfach der ind. ist.

III. klasse. Ableitungsvokal e (ee).

Hier ist nur sehr wenig zu bemerken. Die 1 sing, hat das -m der endung bewahrt: limem 55,2. Vom conj. kommt nur die 3. sing, und die 1. und 3. plur. vor; sie sind stets mit ee geschrieben: -ee, -eem, -een, d. h. ee, eem, een. Ableitungs- und flexionsvokal sind also noch nicht zusammengeflossen. In der 1 plur. conj. ist das -es schon abgefallen: keameem

Das verbum haben schwankt zwischen der L und III. klasse. Es hat in der 3. sg. hebit 28. 52,2. 90,,. 112,2, im praeter, ki- hebita 33,i. . In den übrigen formen, die vorkommen, (es ist nur der inf. imperat. conj. und die beiden partic.) zeigt es e und auch die 3 sg. zeigt einmal habet 105,2. Zusammenge- zogene formen existieren noch nicht.

Anomalien der conjugation.

Vom verbum „sein" kommen folgende formen vor: pist, ist, pirumes, sint , si (sü 36), sm (sün 46). was, warum, wesan.

tuan, 1 sing, hat das -m gewahrt: tuam 121,2. plur. tica- mes, tuat, tuant. Im conj. wird das a des diphthongs vom flexionsvokal verdrängt: 3 sg. tue, 2 plur. tuet (-eet). Im- per. tua, tuat. inf. tuan, prtc. tuanti, praeter, teia, tati, teta, 3 pl. tatun. prtc. praet. kitän (kitaan). kituan 40,2 i^^ bloss ein Schreibfehler für kitaan oder der herausgeber Hattemer hat

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nicht richtig gelesen, da a und u in der handschrift einander ungemein ähnlich sehen. S. Hattemer einleitung s. 23.

kankan, üeber den Wechsel von c, k und g s. oben. Die nicht zusammengezogenen formen sind die regelmässigen: ind. kankanU con]. .kankes, kanken, vai\i&r2iX, kankames. Die prtc. kankanter, kekankan sehr häufig. Von kontrahierten for- men kommen vor: 3 sg. ana-gat 72. kekat 120,2. 3pl. anakaant 82,1. kant 123,i. prtc. praes. kanti 56,2*). uzkanti 9%. Praet. keanc 49,i.

Bei stantan {d und t s. oben) sind die kontrahierten for- men noch seltener. Es kommen nur vor: 3 sg. stat 114,2. 3 plur. stant 92,2. inf. stan 94,^. 114,2. ^^ erstane 58,i. Sonst geht das verbum gfinz regelmässig. praeter. 2 sing, far- stuanti 61,i.

Von pringan lautet das parte, praeter, nicht kepräht wie im gemeinahd., sondern stets keprungan. Das praeter, kommt nicht vor.

Verba präteritopräsentia. scal, 3, pl. sculun, 3. sg. conj. sculi, inf. scolan, mac, conj. 3 sg. megi, inf. mag an, partic. makanti, 3 plur. eigun 108,i. 118,2. Das ist die einzige indikativi- sche form, die sich von diesem verbum findet. Ihr entspricht im conj. eigin 38,^. 91,2. 119,2. Für die übrigen formen scheint der conj. den ind. verdrängt zu haben: eigi habet 31,2. eigüt habetis 31,2.

Tveiz, 2 sg. weist, 3 pl. rviszun 98,^. conj. sing. rvizzL 3 pl. wizzin 46,,. praeter, wissa 55,i. inf. wizzan, partic. wizzantL prtc. praet. kervizzan 55,i.

rvillu 34,1. 2 sg. will 31,2. 3- ^^li 31,2. 99,2. 101,i. 1 plur. wellemes 29,i. 49,2. 94,i. wellant 36,i. 3 conj. welle 42,2. 118,i- prtic. wellenti 47,i. praeter. 3 pl. wolton 31,^.

Ursprünglich ist das verbum konjunktivisch gebildet. Die 3. sing, hat auch eine reine konjunktivische form; die 1. ist indikativisch, die 2. sieht aus wie der ind. eines präteriti, kon- junktivisch müste sie wiHs lauten. Der plur. und der conj.

*) Hattemer liest hier kankanti, indem er die zweite silbe ohne grnnd einschiebt.

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sind gebildet wie von einem st. v. Die 1 plur. kann aus wel- lames geschwächt sein (s. oben s. 454), aber es kann auch eine konjunktivische form sein: wellemes,

n. Yerhältnis der dentschen ttbersetznng znm lateinischen text.

Wenn wir die deutsche Übersetzung rein äusserlich neben den lateinischen text halten, so gewahren wir sogleich, dass nicht alles gleichmässig übersetzt ist. Bis s. 57 ist beinahe jedes wort übersetzt worden; nur eigennamen wie Eli oder oft widerkehrende ausdrücke wie abbas, humilitatis gradus est etc. fehlen; auch das folgende kapitel lässt nur wenige werte aus. Dann aber wird die Übersetzung lückenhafter und bald so dürftig, dass sie zu einer glossierung einzelner werte her- absinkt. Auf s. 103 steht gar kein, auf s. 104 nur 6in deut- sches wort. Nur 2 kapitel, die für die möncho von besonde- rer Wichtigkeit sein mochten, sind fast vollständig durchüber- setzt, d.i. das 31. „von dem kellermeister des klosters" und das 49. „von der beobachtung der fasten". Die selten 118 122 zeigen wider etwas mehr deutsches; von s. 123 an nimmt die zahl der deutschen werte reissend ab; auf s. 125 hören sie ganz auf. In der letzten hälfte wird es ferner beliebter, nur die endung des wertes zu schreiben 5 diese abkürzungsme- thode ist aber auch schon im anfang nicht selten.

Es sind nun zwei fragen zu beantworten:

1) Wie weit hat der Übersetzer seine lateinische vorläge verstanden ?

2) In welcher weise hat er die deutsche spräche gehand- habt, wie gross ist seine Übersetzungskunst?

1. Auf die erste frage lässt sich die bestimmte antwort geben, dass der deutsche Übersetzer äusserst wenig von der lateinischen spräche gewust und seinen text an sehr vielen stellen durchaus nicht verstanden hat.

Ein hinlänglicher beweis dafür ist schon, dass der latei- nische text an vielen stellen völlig korrupt und sinnlos ist und det Übersetzer doch wort fllr wort getreulich ins deutsche über- tragen hat. Einige beispiele mögen genügen. Gleich auf s. 28 steht im texte: rogemus dominum, ut gratiae suae adi- beat nobis adjutorium om' tr'e völlig sinnlos für jubeat nobis

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adjutorium ministrare. Nichts destoweniger wird ruhig über- setzt: daz dera ensti sinera zuatue urVs helfa und. nun ist om' tr'e als omnis terrae aufgelöst und durch eocowelihera erda übersetzt. S. 29,2 steht sinnlos; ab ipsius notitiam magiste- rio discentes für ab ipsius nunquam magisterio discedentes. Der Übersetzer schreibt wörtlich: fona sin selbes chundidu mei" startuam lirnejite ; er macht also ausserdem noch notitiam von ab abhängig, weiss mithin nicht, dass die präposition a den abl. re- giert. — Aehnlich steht 48,2 ^ talia eloquia os aperire fiir ad, aber übersetzt wird die stelle durch fona soUhheru sprdhhu, also a regiert den acc! 43,i. perierit für perjuret; deutsch far- tverde. 50,i steht sinnlos vita, quae humiliat corde ut a domino erigatur in caelum (für quae humiliato corde a domino erigi- tur), deutsch: Hb der deomuatit herzin daz fona truhtine si errihtlt ze himile, 58,2: sie temperetur ut vigiliarum agenda

parvissimo intervallo mox matutini subsequantur (für

sie temperetur hora vigiliarum agenda, ut, parvissimo intervallo

custodito, mox matutini subsequantur) und dieser

unsinnige text ist wort für wort übersetzt 65,2: completurii quo tempore (für completuriique) ; deutsch aber folnissi dem citu 64,1 per mit dem abl., 67,i post. c. abl., 69,i qui in numero supra scriptus fortiores inveniuntur für scripto. Hier sah der Übersetzer ein, dass scriptus keinen bezug hat ; er zog es also frischweg zu fortiores und übersetzt kascribani. 72 steht die unform parceat für pai-tiatur; der Übersetzer hält sie für den conj. von parcere und schreibt libbe. 76,i simi- lis vindictae für similem vindictam ; der Übersetzer setzt natür- lich auch den gen. 90,2. i^^c subrepta sacietas für ne sub- repat satietas; übersetzt ist die stelle so, dass subrepta «,1s abl. aufgefasst ist. 97,2 ^^^ ^8,i steht majori subjaceat emen- datione aninae veniam ; peccati causi si fuerit latens u. s. w. lür majori subjaceat emendationi. Animae vero si causa fuerit latens u. s. w. Das unsinnige animae veniam ist durch ein ebenso unsinniges selom antlaz widergegeben. Diese beispiele Hessen sich leicht vermehren; Hat der Verfasser aber eine so grosse anzahl YöUig sinnloser stellen übersetzt, so sieht man daraus^ dass es ihm bei anfertigung der Übersetzung überhaupt einerlei war, ob er den text verstand oder nicht Er begnügte sich damit, ihn mechanisch wort für wort zu

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BENEDIKTINEEEEGEL. 463

ttbertragen. Ein zweiter beweis, dass er den lateinischen text nicht verstanden hat^ sind die zahllosen Übersetzungsfehler. Nicht nur, dass ungeheuer oft ohne allen grund der sing, für den plur., der conj. für den ind., das präs. für das präter. und umgekehrt gesetzt ist; es stehen sehr oft falsche casus, ohne dass &ich eine ursaclie dafür finden lässt. Z. b. simpli- cioribus factis einfaltlihhero taiim 37,2. voluntatem propriam rvilldm eiganSm 46,2- nostram voluntatem ünsereem rvillan 51,2. Der abl. aeterna clausura durch den nom. plur. ewigiu piloh 48,2**) vigilias wahtotio 69,2. Namentlich wenn im lat. eine form verschiedene casus ausdrückt, hat der Übersetzer oft falsche gewählt, z. b. der abl. una septimana integra durch eina (acc.) rvehcha alonkiu (nom.) 70,i. Ebenso ist 89,2 der abl. remota crapula durch den nom. übersetzt. Bei in causa gravis utilitatis ist gravis als nom. zu causa gezogen, hoc-sacrum Volumen den-wiko puah 30,^ ; hier ist wiho puah der nom. statt des acc. lieber hoc vitium dea dehnst 82,2. 108,2. vgl. oben s. 446.

Widerum an anderen stellen sind die lateinischen worte falsch auf einander bezogen. Am schlagendsten ist hierfür 34,2: monachorum quattuor esse genera manifestum est = municho fioreo rvesan chunni chiind ist , wo quattuor als gen. plur. auf monachorum bezogen ist. Ebenso ist 60,2 a duo- decim psalmorum quantitate = fona zwelifin salmono weomichili das Zahlwort duodecim von a abhängig gemacht. 40,2 su8. auf fratrum bezogen, als stünde suorum da. 55,2 ist com- munis auf regula bezogen und da dieses fälschlich für den abl. gehalten wurde, ebenfalls durch den dat. übersetzt. 30,1 wird admonitionem in 2 worte getrennt und durch ze manungu übersetzt statt durch zuamanunga. Ebenso delibera- tione 111,2 durch fona frihalse, als stünde de libcrtate da. 36,1 Abbas qui praeesse dignus est monasterio. Hier ist monasterio für einen von digfius abhängigen abl. gehalten worden und demgemäss deutsch der gen. gesetzt : wirdiger ist munistres. 59,1 Post hunc (cantent) psalmum nonagesimum quartum = after desemu salmin niuzogostin feordin als ob die worte psalmum nonages. qu. noch, von post abhängig wären.

*) Vielleicht ist ewigiu mit auf das vorhergehende wort bezogen.

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Endlich sind einzelne worte in ihrer beedutung mißver- standen und falsch übersetzt worden. Auch hier genüge eine kleine blumeniese. uterque ist durch joh pedi oder indi pede übersetzt 30,i. 36,2- Richtig nur 99,i. Der pater Benedictus wird 30,1 zu einem kewihter fater, 30,2 parendum est ist verwechselt mit parandum est und durch zekarawenne über- setzt. — 33,2 vö^ti impigerunt (für impegerunt) in domum. Der Übersetzer wüste nicht was impigerunt heisst; da kommt ihm der gedanke, dass es vielleicht von impius herkommt nnd er übersetzt erloso tatun. 40,^ verum etiam; v^rum ist flir das ntr. des adj. verus angesehen und durch war übersetzt. 53,2 quibus libet = diem lustim, als stünde quibus libidini- bus da.. 69,2 ist parciendo (von partiri) mit parcendo ver- wechselt und durch libanto übersetzt. 86,^ hat der Übersetzer nicht gewust, was revera heisst; er bringt es mit reverentia zusammen und übersetzt forahtun, 111,2 l^i*®* ®r morosus (von mora = diutinus) von mos ab und übersetzt situlih. Gleich darauf bringt er deliberatio mit libertas zusammen.

Die komposita sind fast durchgängig so übersetzt, dass jeder teil einzeln widergegeben wird, wodurch worte entstehen, die es in der deutschen spräche nie gegeben hat. Man kann es doch unmöglich eine wirklich deutsche Übersetzung oder ein wirkliches Verständnis des lateinischen nennen, wenn oboe- divit durch kaganhörta 46,i subsequuntur durch untiri sin ke- folget 53,2, perseverantes durch duruhrvonente ausgedrückt wird. Und derartige fälle kommen nahezu auf jeder seite vor: sub- trahere = uniarzeohan 61,i. residere = (warsizzan 61,,. persol- vere == duruhanpintan 65,2. adm-inistrare = zuaambahtan 105,2. adjuvare = zuahelfan 35,2. procurare = forakauman 84,i. pro- movere = foraerwechan 117,2 u. s. w. Das hilfsverbum ist sini etc. tritt bei diesen Wörtern fast immer zwischen präpo- sition und verbum, also : Z7m si kiwartet attendatur 69,2. ö^wö ist kamahchot injungitur. in sint kekangan ingrediuntur.

Damit nun niemand die lateinischen kenntnisse des deut- schen Übersetzers trotz alledem noch überschätze, erwähne ich noch folgendes faktum: äie| deponentia sind durch das ganze denkmal als passiva aufgefasst und demgemäss übersetzt worden! Beispiele kann man auf jeder seite finden; ich führe nur einige wenige an: hospitantur = sint kecastluamit 35,2.

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BENEDIKTINERREGEL. 465

pätiatur = si kedolet 40,i. imitantur = sint keläsinit 46,2. ^oiJ^- sequitur =^ist kefolgit 47,2. professi sunt == kegehane sint 4(>,i. loqui = kesprohhan rvesan 93,i. sortiatur = si erlozzan 76. me- r^KiMr =^ si keamet .%\,i. causentur = ^tn /r/cÄ/a^o/ 106,i. me- morentur = ^m kehukit 110,i. adulantur = «n^ keflShit 123,i. tgredi = uzkekangan rvesan 111,2. tnugi ^^ kepruhchit tvesan 117,1. obliviscatur = si erkezzm 117. periclitari = kefreisöt tve- san 123,1. Nur an wenigen stellen sind die deponentia rich- tig als activa tibersetzt; ich zähle sie alle auf: mereamur = kearneem 29,2. loquantur = sprehhen 31,2. persequere (imperat.) = kefolge 31,2. speculantur = scawönt .52. operentur = wer- choen 100,2. dignatus est kerverdonter ist 30,2; ebenso digna- bitur 57,2- utatur = si pruhhanii 78. consolatus es = ketröstan- ter pist 85 *). Wenn aber ein Inf. act. fiir den inf. eines de- ponens gesetzt wird, wie 31,^. 48,2. 1^1,2? so ist das kein be- weis, dass der Übersetzer das deponens richtig als solches aufgefasst habe. Denn auch für den inf. pass. aktiver verba steht in der deutschen Übersetzung nicht selten der inf. act. Der deutsche inf. act. muss mithin neben der aktiven auch passive bedeutung geliabt haben. Beispiele : vocari = wissan 41,1. taceri = swigen 48,i. videri = sehan 50,2. renuntiari = ke- chundan 50,2. sociari = kemahhon 94,2. amputari abasnidan 107,2.

Summa: Die grammatischen kenntnisse des deutschen Übersetzers sind ganz schwach; nicht einmal die formenlehre hat er inne und von syntax hat er gar keine ahnung. Dem- gemäss ist auch das .Verständnis des lateinischen textes bei ihm,* wenn überhaupt eins vorhanden gewesen ist, jedesfalls äusserst gering und kaum zu rechnen.

2. In welcher weise ist die deutsche spräche in unserem denkmal gehandhabt, bis zu welchem grade der Selbständig- keit ist sie gelangt?

Die Übersetzung ist eine interlinearversion. üeber jedes lateinische woi*t ist genau das entsprechende deutsche geschrie- ben. Die der deutschen spräche fehlenden formen und bildun- gen des lat. müssen durch andere ersetzt werden. Der abl.

*) Falsch ist dieses partic. praes. in tvänenti pirumis existimati Bumus 53,j.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche I. 31 .

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466 SEILER

wird stets durch den -dat. ausgedrückt, die beiden fut. act. durch den ind. praes., das praes. und fut pass.* durch Um- schreibung mit dem hilfsverbum wesan (der inf. praes. pass. auch durch den inf. act), das impfet, prfct und plsqmpfet. pass. wird 49,2 durch ward und wurtun, sonst durch wesan ge- geben. — Dass eine solche Übersetzung, zumal wenn so viele fehler und Unrichtigkeiten hinzukommen, keinen lesbaren text gibt, bedarf keiner bemerkung.

Indes sind doch einige punkte vorhanden, in denen der Übersetzer von seiner lateinischen vorläge abweicht. Diese müssen jetzt näher ins äuge gefasst werden.

1) Wenn das zur Übersetzung eines lat substantivums dienende deutsche wort ein anderes genus hat als das latei- nische, so folgen die dabeistehenden adj., partic. oder prono- mina in der regel dem deutschen Substantiv. Zunächst ist dies der fall, wenn das substant. und sein attribut unmittelbar

watt sifiati neben einander stehen. Es heist also z. b. 43,2.

spem suam '

Hb ewigan .^ ^^^ ^^ ^a ubileru edo dbaheru

vitam aetemam '^* via quae '^' malo vel pravo

, . 44,1 ; aber auch, wenn beide durch dazwischentretende eloquio '^ ' '

. . . j , siniu . . . chinder «^ libe . . .

Worte getrennt werden, z. b. £,. 30,2. .^

^ ' suos . . . filios ' vitam . . .

der . . . keharater ist «^ tod ... kisazter ist -^ chin-

quae . . . praeparata est ^'^' mors . . . posita est '^* ma-

nibahhon . . . andran xillam . . . aliam

54,1.

Ausnahmen. Einigemale ist aber so mechanisch tibersetzt, dass das attribut statt in das genus des deutschen in das des

lat Substantivs gesetzt ist: 45,2-. , ^ x

' haec sunt instrumenta . . .

dei denne sint . . . zuaaer/ultiu indi . . . avarkezeihhaniiu

quae cum fuerint . . . adimpieta et ... reconsignata.

39,1 : X * * * ' wo allerdings zwischen beiden wör-

' peccata . . . . ea, °

tern ein bedeutender Zwischenraum liegt. 83,i :

^ '^ omnia ne-

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BENEDIKTINERREGEL. 467

äurufti ^o . äesemu ackusti ^ desa kescrip^) , , cessaria. '^* huic vitio '^* hanc scripturara.

stelle 29,2: dictontemu**) des rehtes rediun =^ dictante aequi- tatis ratione entspricht das msc. dictontemu weder dem deut- schen noch dem lateinischen genus; das msc. ist dadurch ver- anlasst, dass im lat. die form dictante ebensogut msc. als fem. sein kann; die tibersetzung ist ganz mechanisch.

.^ forakeqhuüetaniu des meisires kipot duruhtaniudis- '^' praedicta magistri jussio et perfecta dis-

Icifi weTCLcfi

. ,. . Hier kann der Übersetzer opera fiir den plur.

cipuli opera ^ ^

von opus gehalten und demgemäss auch kipoi als plur. behan- delt haben; jedoch ist die annähme einer einfachen mechani- schen tibersetzung auch hier das wahrscheinlichste; forakeqhuüe- taniu ist fem., kipot ntr.

2) Präpositionen, die im deutschen einen anderen cas. re- gieren als im lateinischen, folgen zumeist dem deutschen ge- brauch, aßer c. dat. = post secundum juxta c. acc, ano c. ai c. = sine, uzzana c. dat. = extra, mit c. acc. = cum, mit c. dat. = apud, pi c. acc. = pro, ze c. dat. = ad, er und fora c. dat. oder instr. = ante, uniar c. dat. inter. Doch sind ausnah- men nicht gerade selten; die präposition nimmt dann dem deutschen gebrauch entgegen den casus zu sich, den die la- teinische regiert.

ano steht 3 mal mit dem dat statt mit dem acc: ,

absque

einikeru arbeiti ana einikemu Hhhisode ^. ano mur-

ullo labore '^' sine aliquo tyfo '^' absque mur-

mulodin q,

mulationibus '^*

ze c. acc. statt c. dat.:

ze antlazza ze furistantantlihhaz Mltar

ad inducias '*^' ad intelligibilem aetatem ''^"

Namentlich in der Verbindung mit personalpronominibus

sind derartige falsche konstruktionen der präpositionen häufig : ze dih = ad te 30,2. ^^ «'^ö^ ad eum 30,i. 86,2.

*) kescrip kommt nur als ntr. vor.

**) Im texte steht dafür verschrieben dictetemu\ das richtige 38,i.

31*

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468 SEILER

fora und fwui haben nur den dat; es steht aber der acc. in fora dih = ante te 52,i. fona sih a se 33,i. 43,2. 54^2«

in regiert zwar den dat und acc; es steht aber in sih = in se 33,1 (zweimal) und 43,2, stellen wo notwendig der dat. stehen müste.

after regiert sonst nur den dat.; 37,2 steht aber dfter dih = post te, allerdings in der bedeutung „nach hinten hin", die sonst nicht Yorkommt.

Diese Verbindungen: ze dih, fora dih, fona sih, in sih könnte man vielleicht so erklären wollen, dass es völlig feste adverbiale redensarten geworden seien, in denen die bedeutung des casus gar nicht mehr gefühlt wurde. Allein wann sollte das geschehen sein? Es lässt sich nicht nachweisen, dass ze fora fona im deutschen je den acc. regiert haben. Nimmt man die vorher angefahrten fälle hinzu, durch die klar bewiesen wird, dass auch bei den präpositionen die mechanische Über- setzung vorkommt, so wird man nicht zweifeln, dass diese auch hier zu statuieren ist Der Übersetzer übersetzte ad mit ze und eum durch inan, ante mit fora und te mit dih; in 'a se' und In se' hielt er se flir den acc. die formen des acc. und abL sind ja gleich und schrieb demgemäss sih. Dass sih der dat. sein solle, ist unmöglich.

An 3 stellen ist aus der deutschen konstruktion plötzlich

i«A i. uu Afx ^^ ^^^^ erhabani dia

in die latemiBche übergegangen: 49„. ^^ .^^it^^ionem iUam

himiliscun ^ in Übe ewigan ^^ citi andrem

caelestem '^* in vitam aetemam '^* ad horam secundam

^, . Die Präposition ze ist hier nicht ausdrücklich über

ad gesetzt, hat aber dem Übersetzer vorgeschwebt; daher zu- erst der dat, während folla in den lat acc. übergeht

3) Wenn ein deutsches verbum oder adject einen anderen casus regiert als das entsprechende lateinische, so ist wider- um eine wirkliche und eine mechanische Übersetzung möglich.

a) Der deutsche gebrauch wird dem lateinischen gegen- über festgehalten.

prühhan regiert den gen., uti den abl. 42,1.^7*^ ^ ^^.,f* ° ' '^ tttatur consiho

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BENEDIKTINERREGEL. 469

folgen regiert den dat., sequi den acc. 41,2.

dero meistrun sin kefolgei rehtungu , . , niheiner eikanes magistr^m sequantur regulam '^' nuUus proprii

si kafolget herzin willin . - nohheineru ist kefolgei anst

ßequatur cordis voluntatem '^' nuUam consequitur gratiam.

teilneman c. gen. = participare c. dat (GraflF V, 404) 29,2. dolungono christes teilnemem passionibuB christi partieipemuB.

pitan c. gen. = exspectare c. acc. (GraflF III, 62) 102,2. dr tvikun ostrun pite sanctam pascha exspectet.

kerisit und kelimfit c. dat. = eonvenit oder condecet c. acc. . - discom kerisit imu . . . kelimfit .^ meistre

'^* discipulos eonvenit, ipsum . . . condecet ^^' magistrum kerisit diskin kelimfit

condecet, discipulum eonvenit

piwerran c. dat. = lat prohibere c. acc. (So auch Tat.

4A \ o4 piiveri zungun dineru ^ , , , i i. j 14,2) 31,2. V.*!. !• X. öS folgt aber gleich der

^^ ' prohibe linguam tuam; ° ®

indi lefsa dina ^. fona diem imu piwerit

et labia tua '^' a quibus eum prohibuerit.

drawan c. dat = arguere c. acc. 38,2.

. ,. ,. VI ofi wirdiger munistres

wtrdic c. gen. = dignuB c. abl. 36,i. ,. ^^ . .

° ^ '^ dignuB monaBteno

. - c rvirdiger solihhera era , i. j j .

119,2. j. ^ ,. , kann auch der dat Bern.

' dignus tau honore

b) Die deutsche konstruktion weicht der lat 62,i. ^ ^

kerisit loh ^. inqn folgen ^ kefolge den .^

decet laus '^' eum sequi '^' persequere eam '^'

ftuahhonte sih nalles rvidar fluahan ^ . -t ^ A

maledicentes se non remaledicere. ^ /*««/»-

kon nur den dat GraflF III, 759. Aehnlich 54,i ; . ,

' '* qui male-

sprehhantesihwelaqhuedant ^^ hulfi mih , ^.

dicentes se benedicunt ' * adjuvabas me '^'

keholfaner

adjutus.

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470 SEILER

Ob leisannan c. acc. = imitari ein latiniBmus ist, lässt sich

nicht entscheiden, da das wort nur bei Kero vorkommt.

Ein Übergang der deutschen in die lat. konstruktion findet

X XX IT o saztos arbeit in hrucki unser emu _ , .

statt 53,0: . X •!_ 1 X. . j X »wo hrucki

' posuisti tribulatiojies m dorso nostro

acc, umeremu dat. ist.

4) Auch bei der Übersetzung des lat. gerundiums und ge- rundivums kommen bisweilen freiheiten vor. Für gewönlich werden sämmtliche casus des ger. und gerundiv. durch ze mit dem dat. des inf. widergegeben. Auch Verbindungen wie ad loquendum 55,2 ^^ faciendo 46,^ werden durch ze sprehkanne ze tuenne übersetzt. Hiervon kommen nun einzelne abwei- chungen vor. Als fehlerhaft wird man es ansehen müssen, wenn metuendus durch forahtanier 35,2, habitandi durch des puentin 34,i gegeben wird; ebenso ist die Übersetzung des ge- rundiv. durch das partic. praeter, wie z. b. suscipiendus int- fafikaner, damnandum kanidartan 112,i, farmulitan conterendum 121,1 entschieden falsch. Richtig dagegen ist tremendus foraht- lih 36,2, sowie ascendendos ufstiganteem 50,^, eine freie Über- setzung, die aber sehr schön in den sinn passt, wie man leicht sieht, wenn man die stelle aufmerksam liest; das gleiche gilt von lippanti parcendo 52,2. Zur Übersetzung des abl. ger. fin- det sich überhaupt öfter das partic. praes., und namentlich das ^dverbium davon; libanto partiendo 69,i. untarzeohanto subtra- hendo 63,j. 94,i. farmanento spernendo 80, für den acc. ger. in farsümmando neglegendum 80,2, für den gen. in hör endo audiendi 31,2. Wie das adverb des prtic. praes. zu dieser be- deutung kommt, weiss ich nicht zu erklären; wahrscheinlich wirkten die lateinischen endungen mit ein; darauf könnte auch das d in horendo farsümmando deuten ; vgl. oben s. 425.

Auch abgesehen von diesen vier punkten habe ich hin und wider noch versuche zu einer gewissen Selbständigkeit in der Übersetzung gefunden. So wird z. b. nocturnus durch den gen. dera naht übersetzt 60,i, diurnus durch das adverbium tagaUhhin 67,2, rara loquendi concedatur licentia durch das adverb. seltkaluaffo (nicht seltkaluafflu, wie es bei ganz wörtlicher Übersetzung heissen müste) 48,i. Der abl. abs. ist auf- gelöst worden 32,i: succinctis lumbis et calciatis pedibus per- gamus = picurte (also nom. plur. auf das subject bezogen)

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BENEDIKTINERREGEL. 471

lanchom indi kescuahte fuazzum kangames. Oefker kommt es vor, dass, wo im lat.ein neutrales wort, das eine quantität bezeichnet, mit dem neutr. eines adjektivums verbunden ist, dieses adjektivum im deutschen in den gen. gesetzt ist Es

sind folgende steUen: *"!" "^^.Z, 28. "f^lT"*' ^'"'^^ 2 V) ° minus possibile nihil grave ' ^

so hfvazso cuates ^^ andres was ^^ neoweht . . . tiuro-

quidquid bonum '^* aliud quid '^' nihil ... ca-

rin .^

45,0. rms '^

Hierher gehören auch 3 vom Übersetzer falsch verstandene

, daz piderborin .. edeswaz eikenes willin . ,^_ stellen: , ^ .... 41,i. ,. ., . , . ^ 102,2.

quod utilius ' aliquid propria voluntate '

ibu hwaz luzziles hedrvunganor framkange «q . i x x

si quid paulolum restrictius processerit '*' stelle ist paulolum fälschlich von quid abhängig gemacht.

Summa: Die deutsche spräche ist in unserem denkmal noch durchaus unselbständig; sie kriecht dem lateinischen me- chanisch nach; nur die allerersten und noch ganz dürftigen spuren einer freieren bewegung zeigen sich.

III. Verfasser und zeit des denkmals.

Wir haben in dem ersten hauptteile zwischen verschiedenen partien des denkmals in orthographischer hinsieht ziemlich be- deutende unterschiede festgestellt. Daher drängt sich natür- licherweise die frage auf: stammen diese unterschiede davon her, dass das denkmal von verschiedenen Verfassern verfasst oder nur davon, dass es von verschiedenen Schreibern ge- schrieben ist? Es ist also zunächst zu untersuchen, ob unser denkmal original oder abschrift ist.

1) Es kommen in der deutschen Übersetzung eine grosse zahl Schreibfehler vor, die sich nicht wol durch etwas anderes erklären lassen als durch die annähme, dass auch das deutsche aus einem anderen exemplär in unsere handschrift abgeschrie- ben ist. Wir haben schon im grammatischen teile eine ganze reihe derselben teils konstatiert teils vermutet. Einige andere

•) Auch das unmittelbar folgende swarre ist genetiv; das schlie- ssende s ist durch einen Schreibfehler ausgefallen.

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472 SEILER

führe ich hier noch als beispiele an. Buchstaben sind ausge- lassen worden z. b. 29,^ muazzo für miiazzot^ swarre für swarres, 57,2 heinan für hreinan, 65,i hdbit für haubit, 69,3 ecowelichera für eocoTveUchera, 93,2 kehlaffan für kehlauffan, 95 teilnufü für ^^«7- wwm/K« (GraflFII, 1078), 106,i kaspohchan für kasprohchan, 113,i ^n7 für /m^ u. s. w. Buchstäbenverwechselungen liegen vor z. b. 36,1 kehunkan für kehuckan^ 38,^ waw für wac, 39,i p?Arer- n^m für pikinneen, 35,2 kenemmin für kmemmit, 84,2 piheftim für piheftit, 45,^ und 108,2 ^ö<^^ und /^/o^ für /oon und ^Y/on, 39,2 wertum für wortum und kehivinge für kedwinge, 107,^ smahlichot. für smahUchor, 113,^ wähhufe für watfmse u. s. w. Noch andere versehen sind z. b. 41,2 selbsauna für selhmana, 43,i tragran für tragan, 55,2 kemeinsanum für kemeinsamun , lO^i anolkiu für älonkiu, 47,^ ^^^ e^ für ^e^ ^^r, 96,^ armeinsamont für armein- samot, 112,1 kapetataner für kapetaner, 114,^ erwarto für ewarto, 123,1 ubarmuateo für ubarniuatoe und forahtero für forähtantero. Diese versehen sind so zahlreich (die beispiele Hessen sich leicht vermehren) und zum teil von der art wie z. b. die Verwechselungen zwischen n und c, n und r, w und <, ä und tf , dass man sie nicht fttr lapsus calami des Verfassers halten kann.

2) Auch das s. 425 besprochene überschreiben des la- teinischen über das lateinische erklärt sich nur daraus, dass ein abschreiber beim lesen seiner vorläge aus dem deutschen ins lateinische kam.

3) Ein ganz unwiderleglicher beweis ist der, dass an einigen stellen die Übersetzung nicht zu dem in der hand- schrift vorliegenden texte stimmt, sondern zu einem weniger korrumpierten, wie ihn die ausgaben (Holsten und zuletzt Bran- des) bieten. Diese stellen sind folgende*):

«^ chortar hirtes

'* gregi pastonae (pastoris), ^^ pirumes kisceidan

'^ discernimus (discernimur).

. . erkehanter ist

'^ redditus (redditurus) est.

*) Den lateinischen text der handschrift setze ich darunter und daneben in klammem den vulgärtext der ausgaben.

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Ferner 62„ ""^7 , 117,^

BENEDIKTINERREGEL. 473

In diesen 3 stellen könnte man das abweichen vom vor- liegenden und das übereinstimmen mit dem texte der ausgaben dadurch zu erklären versuchen, dass man sagt: der Übersetzer sah ein, dass der lateinische text sinnlos ist, machte sich gleich in gedanken aber ohne den lateinischen text zu korrigieren die richtige konjektur und übersetzte nach dieser.

Diese annähme ist schon an sich höchst unwahrscheinlich; denn bei der ungeheuren schwäche des Übersetzers im latei- nischen lässt sich nicht glauben, dass er im stände war, rich- tige konjekturalkritik zu üben. Sie lässt sich aber ausserdem auf die folgenden stellen nicht anwenden und verliert da-

, , ,, j, ..,. das andar .^^ denne

durch allen wert: 115,« ,. .-,/,. ^ 123,i . ,j . ' aliquid (alias). qui (dum).

duruh . . - ana

pro (per), '^ propter (praeter) Hier liegt der gang der sache klar vor äugen. In dem unserer handschrift vorliegenden original stand per und praeter, beides abgekürzt und darüber die richtige deutsche Übersetzung duruh und ana; der abschreiber des lateinischen löste nun die abkürzungen falsch auf und schrieb pro und propter, der des deutschen setzte natürlich sein duruh und ana darüber. End- lich sind bisweilen Wörter übersetzt, die im vulgärtexte stehen, die aber in unserer handschrift überhaupt fehlen. ^^ daz in pezzirä framkangen '^ ut melius proficiscant. Holsten (Rom 1661) und Martine (Paris 1690) lesen ut in melius proficiant.

115,1 ^. Hier steht in den ausgaben pro vor

' reverentia. ® ^

reverentia.

... aoar si keleran .. , i x, a\

111,1 , i. die ausgaben relegatur.*)

Aus diesen drei gründen glaube ich es als ziemlich sicher hinstellen zu können, dass wir nicht die Originalübersetzung selbst, sondern nur eine abschrift derselben vor uns haben.

' •) Offenbar ist auch b. 54,i ^^fi^^^^ tunihhu ^^^ ^.^^^ ^^^^^

auferenti tunicam texte tibersetzt worden, der ablata tunica hatte, doch steht hier in den ausgaben ebenfalls auferenti.

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474 SEILER

DaB verloren gegangeiie original hat im lateinischen texte die grossen korruptelen unserer handschrift schon enthalten , da die Übersetzung bis auf die wenigen eben angefahrten stellen danach gemacht ist. Zuerst wurde nun der latei- nische text, dann die deutsche Übersetzung in unsere hand- schrift übertragen; dann kamen im lateinischen noch 2 ver- schiedene arten von nachkorrekturen hinzu : 1), solche, wo die deutsche Übersetzung zur korrektur stimmt. So ist z. b. aus umilitate s. 55 vilitate korrigiert, im deutschen heisst es smah- Hhht, Die fehler, die durch korrekturen dieser art verbessert werden, sind durch dafe abschreiben aus dem originale ent- standen und die korrekturen können nach dem originale vor- genommen sein. 2) Solche, wo die Übersetzung zu dem ver- derblen ursprünglichen texte stimmt; so findet sich z. b. s. 29 zu itinere die randglosse initio; deutsch sinde. Die fehler, die durcli randglossen und korrekturen dieser art verbessert werden, befanden sich schon im original, und die Verbesserungen sind nach einem anderen besseren texte ujid später gemacht wor- den. Sie sind übrigens selten.

Ehe wir nun weiter gehen, muss noch eine frage beant- wortet sein, nämlich die, wie viel Schreiber sich an der ab- schrift des originales beteiligt haben. Ich habe die handschrift nicht selbst gesehen, muss mich also damit begnügen, die ur- teile anderer darüber zuöammenzifstellen. betreff des latei- nischen textes ist nirgends die ansieht ausgesprochen, dass er von mehreren geschrieben sei; er stammt also sicher nur von einer band. Aber in betrßflf der deutschen Übersetzung gehen die ansichten ziemlich auseinander. Die älteren. Schilter und Graflf, geben nichts- von verschiedenen bänden an. Der erste, der sie erwähnt, ist Lachmann; in den specimina linguae Francicae setzt er vor to ,, . ibu eocoweliheru (Hattem. s. 55 oben) die werte: „hinc alia manus" und „über das Hildebrands- lied" s. 155 sagt er: „(Jass bei Kero s. 49^ ruam steht, ist von keiner bedeutung, weil die 4. band, die überhaupt wenig genau ist, auch lütn ohne h schreibt." Hier statuiert er also mindestens 4 bände. Hattemer schweigt über diesen punkt gänzlich. Sievers (vgl. Steinmeyer in Haupts Zeitschrift 16, s. 131 ff.) gibt an, die ganze handschrift sei nur von einer band geschrieben. Ich habe meinen freund, herm Dr. Lösch-

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BENEDIKTINERßEGEL. 475

hörn, der einige tage in St. Gallen verweilen wollte, gebeten, mir auch über diesen punkt auskunft zu geben, und ihm dabei die stellen angegeben, wo öteinmeyer a. a. o. abteilungen macht. Er schreibt mir nun darüber folgendes: „Als ich band- Schrift 916 verlangte, fing pater bibliothekar schon an zu lachen, fragte, ob ich auch verschiedene bände aufsuchen wollte! er berichtete, dass vor kurzem Bartsch hier gewesen sei und die handschrift durchgesehen habe. Sein resultat wäre gewesen, dass ein und dieselbe band das ganze denkmal glossiert habe. Später sei E. Steinmeyer gekommen und habe ich glaube 4 bände unterschieden, die abwechselnd widerkehrten. Doch sei er nicht im stände gewesen, die hypothese durchzuführen und habe sie aufgegeben. Die Sache ist unendlich schwierig. Denn gesetzt, es waren mehrere bände tätig, so waren es doch nicht nur gleichzeitige, sondern alle stammten aus derselben schule und hatten ihre kunst von gleichen lehrern gelernt Selbständige charakteristische indi- viduelle schriftzüge gelangten um so weniger aufs pergament, als die herstellung langsam und bedächtig, gleichsam zug für zug nach der Schablone geschah. Solchen eindruck macht be- sonders, die feste und klare schrift des ersten glossators, die bis s. 54 unten*) reicht und später widerkehrt. Ich stimme Lachmann bei, wenn er mit s. 55 eine neue band beginnen lässt; nicht nur, dass von da ab die dinte bedeutend dunkler ist, als bisher; auch die züge sind weniger fest und korrekt, sondern oft kritzlich. Mit gleicher gewisheit vermag ich das eintreten einer andern band an keiner der anderen von dir notierten stellen zu behaupten; möglich scheint es mir nur noch s. 96, während ich es für s. 58. 79 (cap. XXX). 82. 84. (cap. XXXV). 87 (cap. XXXVIII). 90 (cap. XL) und 117 geradezu läugnen möchte. Jede fixierung des Sachverhaltes an einer solchen stelle wird, wie schon gesagt, dadurch erschwert, dass die buchstaben die Vorschrift schulmässig korrekt nach- ahmen."

Ich gestehe, dass es mir nicht möglich ist, bei einer sol- chen , differenz der urteile mir eine bestimmte ansieht zu bilden.

*) Ich setze der bequemlichkeit wegen für die selten der handschrift die bei Hattemer ein.

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Das scheint jedoch aus allem hervorzugehen, dass, wenn irgendwo eine andere hand beginnt , dies nur auf s. 55 ge- schieht; ob es aber wirklich der fall ist, .das ist doch sehr zweifelhaft

Die frage also, von wie viel Schreibern die abschrift an- gefertigt sei; muss zunächst unentschieden bleiben. Es handelt sich nun darum, von wie viel Verfassern das original stammt Dass es von einem einzigen verfertigt ist, ist unmöglich; denn wir haben in teil I wesentliche und zum teil regelmässig widerkehrende unterschiede zwischen der Orthographie der einzelnen abschnitte kennen gelernt. Dieser sich von einander abhebender abschnitte sind im ganzen 10:

1) 28—54. 2) 55—57. 3) 58—79. 4) 79 (cap. 30) —82. 5) 82*)— 84. 6) 84 (cap. 35) —87. 7) 88—90. 8) 90 (cap. 40) —95. 9) 96—116. 10) 117—125.

Von diesen 10 abschnitten stimmen einige auffallend unter sich überein im gegensatz zu andern.

1. 2. 4. 6. 8. 10 stimmen **) a) in den formen des präfix ga .

b) sie bewahren anlautendes h vor konsonanten.

3. 5, 7. 9 stimmen

a) in den formen des präfix ga .

b) sie lassen h vor konss. fallen.

c) sie setzen ch nach weichen vokalen.

d) sie lieben die Schreibung hch,

e) sie stimmen in den formen des demonstrativ-pronomens der, diu, daz (in 5 kommen allerdings keine vor).

Ausserdem haben diese stücke einige orthographische frei- heiten, die in den anderen mangeln:

a) sie vertauschen z und s, 3. 7. 9.

b) th in 3. 7. 9.

*) Die grenze ist hier mit dem beginn der p. 84 der handschrift, d. h. mit dem Worte kizeichanne zu ziehen^ nicht mit dem beginn des cap. 33 ; denn wir finden den diphth. ai and hch schon in dem kleinen stücke von kizeichanne cap. 33. Allerdings bekommen wir dann einen doppelt geschriebenen langen vokal (anakaani) mit in abschnitt 5 hinein T der eigentlich nicht hineingehört.

**) Ich verweise hier ein für allemal auf den I. teil des aufsatzes, wo man jeden einzelnen nachweis leicht sno loco finden kann«

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BENEDIKTINERREGEL. 477

c) chu fttr qhu in 3 und 9.

d) einfaches f nach vokalen in 3 und 9.

e) unorganisches h vor vokalen in 3 und 9.

f) die Verdoppelung von konss. neben anderen konss. nur in 3. 7. 9.

g) die Verschiebung von inlautendem g zxx k ist beson- ders häufig in 3 und 9.

Hieraus kann man nun den schluss ziehen,^) dass 1. 2. 4. 6. 8. 10 von einem, 3. 5. 7. 9 von einem anderen Verfasser stammen.

Nun weichen aber die stücke 2. 4. 6. 8. 10 in vielen punkten wider von 1 ab: hch findet sich in 2. 6. 10 ih für ^ in 2. 4 chu fttr qhu in 2. 6 ch nach weichen vokalen in 2. 10 z und s vertauscht in 8 h unorganisch vor vokalen in 2; in 1 gilt ferner über den Wechsel von sc und sk eine feste regel; diese ist in 6. 8. 10 vielfach durch- brochen. — Diese graphischen unterschiede kann man nun dem umstände zuschreiben, dass 2. 4. 6. 8. 10 von einem an- deren abgeschrieben seiei]L als 1**). Dann würden wir also 2 Verfasser des Originals haben, von denen der eine 1. 2, 4. 6. 8. 10, der andere 3. 5. 7. 9 verfasst hätte, und 2 Schreiber unserer handschrift, von denen der eine nur 1, der andere 2 10 geschrieben hätte.

Gegen diese aufia.ssung streitet aber anderes; es finden sich nämlich zwischen stücken, die nach ihr demselben Ver- fasser angehören, diflferenzen, die zu wesentlich sind, als dass man sie bloss auf rechnung verschiedener abschreiber schieben könnte. Diese diflferenzen sind folgende:

a) Die doppelschreibung der langen vokale herscht in 1. 4. 6, in 2 fehlt sie und 8 und 10 haben hierin ein ganz eigen- tümliches princip mit 7 und 9 gemeinsam.

b) In der form der partikel indi unterscheiden sich 2 und 10 wesentlich von 1 (1 hat indi, 2 enii, 10 enii und inü).

c) Die formen des demonstrativpronomens der , diu, daz

*) Steninieyer hat diess a. a. o. auf grund der wichtigsten von den angegebenen kriterien gethan.

•*) Auch diesen schluss hat Steinmeyer a. a. o. gezogen.

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478 SEILER

sind in 10 (zum teil auch in 8) anders als die in 1 ; 10 stimmt auch hierin zu 3. 7. 9.

d) In 2 ist es üblich, zur bezeichnung eines misehvokäls zweie neben einander zu setzen; in allen übrigen stücken kommt das nicht vor.

e) 1 liebt den vokaleinschub zwischen muta und liquida, 8 und 10 entschieden nicht 8 und 10 stimmen hierin zu 3. 5. 7. 9.

f) Als endnng des part. wechselt in 1 -anü und -enti ziemlich gleichmässig; in 2. 4. 6. 8. 10 herrscht -anü auf das allerentschiedenste. Das stimmt zu 3. 5. 7. 9.

g) Die Übersetzung ist in 1. 2 und 4 ziemlich vollständig, in 6. 8. 10 sehr lückenhaft, wie auch in 3. 5. 7. 9.

Nun kann man allerdings ein machtwort sprechen und auch alle diese differenzen nur für eigentümlichkeiten der ab- schreiber erklären, aber bei den unter a, b, f, g aufgeführten wird wol jeder anstand nehmen, dies zu tun. Dann kann man mit gleichem rechte auch die unterschiede im gebrauche des h vor konss. und der formen k€, ki, ka niir auf die Schrei- ber schieben und für die entstehung des Originals hört jedes kriterium auf. Demnach glaube ich entschieden aussprechen zu können, dass 2. 6. 8. 10 von anderen Verfassern stammen als 1 ; 4 kann möglicherweise mit 1 von demselben herrühren, es finden sich wenigstens keine aufiTallenden differenzen; aber das ist auch nur eine möglichkeit, durchaus keine gewisheit Wenn nun aber was mir, wie gesagt, sicher erscheint 2 von einem anderen Verfasser ist als 1, so würden wir, wenn wir mit s. 55 eine neue band beginnen lassen, den höchst seltenen zufall haben, dass genau an derselben stelle, wo im original ein neuer Verfasser begonnen hat, in der abschrift ein neuer Schreiber angefangen habe. Möglich allerdings, aber doch unwahrscheinlich ! Ich glaube daher, dass mit s. 55 keine neue band beginnt, und die urteile derer, die die handschrift gesehen haben, sind hierin so geteilt, die ganze sache ist so unsicher, dass die eben angestellte erwägung hierin wol den ausschlag geben kann.

Die übrigen stücke 3. 5. 7. 9 haben nicht so positive Über- einstimmungen, dass man sie deswegen notwendig einem und demselben Verfasser beilegen müste; die Orthographie ist in

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BENEDIETINERREGEL. 479

ihnen willkürlicher und regelloser als in abschnitt 1. Ausser- dem finden sich auch zwischen ihnen folgende gewichtige diflferenzen :

a) Der diphthong.ai steht nur in 5 und einmal in 9, in 3 und 7 fehlt er ganz.

b) In 5 steht nur eowiht und eowit; in 3. 7. 9 überwiegt eorveht,

c) Die formen des prafixes ga- stimmen zwar in allen 4 abschnitten, aber die der präposition za ist in 9 entschieden anders als in 3, wie es scheint auch in 5 und 7; doch sind hier der belege zu wenig.

d) 3 hat ziemlich oft im dat. des inf. nur ein n, 9 nur ein enziges mal; in 5 und 7 kommt die form gar nicht vor.

Uebersehen wir das ganze noch einmal, so ergibt sich, dass jene 10 teile in unserem denkmal entschieden von ein- ander zu sondern sind; jeder hat eine mehr oder weniger eigentümliche Orthographie. Möglich ist, dass dieser oder jener von demselben Verfasser herrührt wie ein andrer; im allgemeinen aber sind die Verfasser verschiedene leute.*) Alle aber sind gleichzeitig, gehören derselben schule an und be- sassen den gleichen bildungsgrad. Denn die art der Über- setzung ist durch das ganze denkmal dieselbe; in allen teilen verrät sich eine gleichgrosse Unkenntnis des lateinischen. Da- raus folgt, dass das denkmal ein produkt der St. Gallischen klosterschule ist. Im ersten teil ist die Orthographie am ge- regeltsten und die Übersetzung am vollständigsten. Daher ist der Verfasser desselben wol der Vorsteher der schule, während die übrigen abschnitte von den am meisten gereiften, wol scho» erwachsenen , schülern angefertigt wurden. Einige derselben waren fleissiger, andere machten sich die sache stellenweise bequemer; sie Hessen vieles unübersetzt und kürzten vieles ab. Ein ähnliches zusammenarbeiten der ganzen schule unter lei- tung des lehrers haben wir ja auch aus späterer zeit, nämlich in den werken Notkers. Wackernagel literaturgeschichte s. 81 :

♦) Vielleicht zerfällt dieser und jener von den 10 abschnitten wider in mehrere die von verschiedenen Verfassern stammen. So kann man z. b. teil 9 wegen der grossen lüeke in der mitte in zwei zerteilen und von teil 3 s. 60—62 wegen des auf diesen selten so auffallend häufigen chu für qhu aussondern.

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480 SEILER

„Man wird demnach die zweierlei berichte dahin vereinigen müssen, dass Notker den fleiss der anderen geweckt und ge- leitet, und dass er als haupt an der spitze dieser übersetzer- schule gestanden habe.^

In welche zeit haben wir nun unser denkmal zu setzen? Scherer (M. S. D^ s. 459) setzt die entstehung unserer Über- setzung nach dem jähre 802 an. Aber die gründe, die er da- für anfahrt, scheinen mir keineswegs zwingend. Er führt die althochdeutschen interlinearversionen und glossen wo' möglieh stets auf ein von Karl d. Grossen gegebenes kapitulare zurück. Nun sei im jähre 802 den mönchen eingeschärft worden, die regel verstehen zu lernen und danach zu leben; folglich könne die Übersetzung der regel nicht vor dem jähre 802 ab- gefasst sein. Aber wo bekam denn Karl der Grosse die an- regung, derartige kapitulare zu erlassen, her, wenn nicht von der geistlichkeit? Erst muste sich doch in den grösseren und besseren klöstern das bedürfnis fühlbar machen, die regel bes- ser zu verstehen, ehe dies bedürfnis zu Karls obren kam und das kapitulare hervorrief. Ferner behauptet Scherer a. a. 0., die beiden katechetischen stücke, die D.^ no. 57 gedruckt sind und die er aus ähnlichen gründen ins jähr 789 oder kurz nachher setzt, seien in der spräche altertümlicher als die be- nediktinerregel; den näheren nach weis gibt er nicht; er kann sich dabei aber nur auf 6 flir tm stützen, das sich in erstoont und sonen findet Allein die St. Gallischen Urkunden um das jähr 789*) haben ohne ausnähme schon lui: Uadalmar Btutd- heri Btiadolt Puazo (Wai-tmann s. 110 flf.), bisweilen auch wo; ^oto (s. 115) Ruocchero (s. 117). Ja, wenn wir höher hinauf- gehen, so finden wir schon in der Urkunde s. 2, die um das jähr 700 fällt, Huadoni und Boadberlo, imd in den folgenden, die etwa von 720 750 reichen, Ruodolf (s. 5) Muatdanc (s. 8) Hroatger (s. 13) Tuoto (s. 20) Puopo (s. 22) Fruochmolfi (s. 23); d ist daneben ganz vereinzelt Daraus folgt, dass oa ua und uo schon in der ersten hälfte des 8. Jahrhunderts in St Gallen fast allgemein herschend war. Lang o für %ui ist also kein kriterium ftlr Verschiedenheit des alters, sondern des dialekts.

*) Die beste und vollständigste Sammlung der St. Gallischen urkon- den, nach der ich stets citiert habe, ist H. Wartmann: Urkundenbuch der abtei St. Gallen. I. band. Zürich 1863. U. band 1866.

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BENEDIKTINERßEGEL. 48l

Wenn der Schreiber jener beiden katechetischen denkmäler 6 für ua schrieb, so ist das wol ein einmischen seines heimischen dialekts; die mönche kamen ja aus den verftchiedensten ge- genden zusammen. Umgekehrt finden sich in jenem pater- noster und credo entschieden jüngere formen; sonen würde in der spräche der benediktinerregel siumnan lauten; inphangan lautet in ihr intfangan. . ^

Es lässt sich also weder erweisen^ dass die benediktiner- regel erst nach 802, noch dass das vaterunser und glaubens- bekenntnis erst nach 789 verfasst ist, noch auch, dass letztere beide älter sind als jene.

Wenn wir nach einem kriterium für die abfassungszeit suchen, so werden wir uns zunächst an die eigennamen in den Urkunden wenden. Hieraus lassen sich aber keine sicheren resultate gewinnen. Der lautstand der eigennamen stimmt etwa vom jähre 745 an im allgemeinen mit demjenigen der benediktinerregel. (Bis zum jähre 741 , Urkunde s. 7 und 8, ist der diphthong eu^ der in der bened. nicht vorkommt, für eo iu noch gewönlich). Aber auch bis tief in das 9. jahrhun- dei*t zeigen die eigennamen der Urkunden im wesentlichen noch keine jüngeren formen. Sie sind überhaupt ein unsiche- res kriterium. Denn erstens pflegen sich in ihnen alte laut- ständ^ länger zu erhalten; Hugo und Otto sind ja noch heut- zutage althochdeutsch; und zweitens erscheinen sie vielfach latini- siert; so Audomarus in einer Urkunde vom jähre 754, während schon im jähre 744 Otmarus vorkommt; Rodolfus für Hruadolf u. s. w. Auch das latein der Urkunden ist von 745 an bis in das 9. jahrh. hinein ziemlich dasselbe. Bestimmte formu- lare lagen überall zu gründe, die in allen Urkunden, mehr oder weniger variiert, angewant wurden und sich forterbten. Ver- stösse gegen die regeln des klassischen lateins sind dabei nicht selten. Auch hieraus lässt sich keine Zeitbestimmung entneh- men. — Dagegen finden wir am ende des 8. Jahrhunderts in St. Gallen schon ein grösseres geschichtswerk zusammenhän- gend lateinisch geschrieben, die sogenannte vita Set. Galli (ge- druckt Mon. Germ. II); diese ist sicher später als das jähr 771 verfasst*). Das latein ist nun zwar in dieser schritt sehr

*) Wattenbach, geschichtsquellen des mittelalters. 3. aufläge, s. 94.

Beiträge zur geschiohte der dentschen spräche. L 32

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482 SEILER

barbarisch; es wimmelt von groben fehlem und teutonismen; es zeugt aber doch jedesfalls von weit mehr Verständnis der lateinischen spräche, als in der Übersetzung der benediktiner- regel zu tage tritt. Diese ist daher höchst wahrscheinlich noch früher anzusetzen.

Weiter können wir durch die kritik nicht kommen. Nun ist uns aber über Verfasser und zeit des denkmals noch eini- ges überliefert*). Es wird nämlich von schriftsteilem des 17. Jahrhunderts ein mönch, namens Kero, als der Verfasser unse- rer Übersetzung genannt und seine zeit um das jähr 760 an- gegeben. So von Stipplin: ,,scripsit circa annum 760.^' Gold- ast rerum alamannicarum scriptores II, 10: „florait sub Pipino et S. Othmaro abbate'^**). Ebenso Jodokus Metzler. Das Zeugnis Goldasts ist deswegen von Wichtigkeit, weil er nach- weislich eine ganze zahl von Urkunden und handschriften aus St. Gallen besessen hat, die jetzt verloren sind. Vgl. Wart- mann : ürkundenbuch s. VII und XIV. Noch wichtiger ist das Zeugnis des Pater Pius Kolb. Dieser lebte von 1712 1762, war bibliothekar des klosters St. Gallen und verfasste als sol- cher ein genaues Verzeichnis sämmtlicher im kloster befindli- chen handschriften, woran er historische und kritische bemer- kungen über jede einzelne knüpfte. Dies werk wurde 1755 fertig; es umfasst 2 foliöbände und ist zur zeit noch unge- druckt***) Teil I, s. 367 berichtet er: 'Kero monachus Set Galli tempore St. Othmari flomit circa annum dom. 760, ut antiquissimus quidam catalogus testatur'. Dieser Kero sei zu jener zeit einer der gelehrtesten im kloster gewesen und habe es daher unternommen, die regel des heil. Benedikt und eini- ges andere ins deutsche zu übersetzen, *ut rudioribus et linguae latinae minus peritis monasticam vitam professuris succurre-

*) Hattemer stellt alles in der einleitung zusammen, **) Was Hattemer s. 19 über Goldast sagt, ist mir nnverständlich geblieben. Die sache ist ganz einfach. Goldast hat die Übersetzung der benediktinerregel abgedrukt, aber so, dass er die lateinischen worte alphabetisch geordnet und die betreffenden deutschen immer daneben gesetzt hat Sonst ist es genau dieselbe Übersetzung, wie die, die ¥rir noch haben.

*•*) Weidmann: Geschichte der bibliothek von St Gallen (1841) s. 229. 230. 233.

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BENEDIKTINERREGEL. 483

ret, quo facilius legem nossent, secundum quam militarent'. In welchem jähr er gestorben sei, habe er nicht entdecken können. Die quelle aller dieser angaben war also ein alter katalog, der aber schon zu Ild. von Arx zeit verloren war*). Welche glaubwürdigkeit dieser quelle beizumessen ist, können wir daher natürlicherweise jetzt nicht mehr wissen. Wir ha- ben aber gar keinen grund, diese angaben so ohne weiteres über bord zu werfen; man pflegt vielmehr einem bestimmten, sich ajif alte quellen berufenden zeugnis so lange zu glauben, bis es erwiesen ist, dass es falsch ist Das ist aber hier durchaus nicht der fall. Als zeit des Kero wird etwa das jähr 760 bezeichnet. Das kann sehr wol die abfassungszeit unseres denkmals gewesen sein. Die eigennamen, die in den Urkunden jener zeit vorkamen, zeigen keinen älteren lautstand und die kenntnis des lateinischen ist wie wir sattsam ge- zeigt haben für jene zeit keineswegs zu gross. Will man mit Scherer die Übersetzung absolut auf ein praktisches be- dürfnis, d. i. auf einen äusseren anlass zurückführen, so haben wir um 760 einen noch viel dringenderen als im jähre 802. Denn abt Otmar, der von 720 759 oder, nach Perz mon. Germ. II, s. 35, 760 dem kloster vorstand, führte statt der regel des heil. Columban die des heil. Benedikt im kloster Set. Gallen ein**). Da war ein wirklicher anlass vorhanden, diese nun eingeführte regel dem allgemeinen Verständnis zu- gänglicher zu machen. Der einzige grund (vgl. MSD.* s. 459), den man hatte, die überlieferten angaben einfach als nicht vorhanden zu betrachten, war der, dass man erkannte, die Übersetzung stamme von verschiedenen Verfassern und es wurde doch nur der eine Kero als solcher bezeichnet. Allein auch Notker bezeichnet sogar sich selbst als den alleinigen

*) Arx vermuthet, es sei eine von denjenigen handschriften gewesen, die im jähre 1768 beim brande des klosters des heil. Blasius unter- gegangen sind.

**) Vgl. I. von Arx; Geschichte des kantons St Gallen I, s. 176. Der text der regel,. den er sich schicken liess, war doch wol weniger korrumpiert als der in unserer handschrift. Er nahm aber jenen als cimelium des klosters in besonderes gewahrsam und Hess davon zum allgemeineü gebrauche eine abschrift nehmen. Diese wurde deutsch glossiert und eine abschrift von dieser ist unsere handschrift. So scheint mir der gang der sache gewesen zu sein.

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484 SEILEB

Verfasser aller unter seinem namen gehender Übersetzungen, und doch hat Wackernagel am oben angegebenen orte über-' zeugend nachgewiesen, dass er nur der leiter und das haupt einer übersetzerschule gewesen ist und dass sein eigenes wort Uranstuli* als transferri feci zu nehmen ist. Wir können also auch für jene ältere zeit eine solche tibersetzerschule anneh- men, an deren spitze einer namens Kero gestanden hat. Die arbeiten, die unter seiner leitung und durch seine schüler ent- standen waren, übertrug man dann später auf ihn selbst.

Diesem Kero werden von Stipplin und Kolb noch ver- schiedene andere Übersetzungen und glossarien zugeschrieben; von erhaltenen werken noch die sogenannten keronischen glos- sen und das schon oben erwähnte paternoster und credo (MSD num. 57). Das heisst weiter nichts als dass diese stücke aus derselben schule hervorgegangen sind. Sie zeigen vielfach eine andere Orthographie als die benediktinerregel und sind wider unter sich verschieden, sind aber den sprachformen nach der benediktinerregel entschieden gleichartig. Eine rege- lung der Orthographie wurde damals also noch nicht wie zu Notkers zeit erstrebt und das kann man auch gar nicht erwarten, da die mönche damals noch übergenug mit dem Verständnis des lateinischen zu tun hatten. Dazu kommt, dass auch die glossae Keronis (Hattemer s. 134) und wahr- scheinlich auch die beiden katechetischen stücke (vgl. Scherer anm. zu no. 57 zeile 1 unsar) uns nur in abschriften und als solche natürlich mannigfach verändert vorliegen.

Das ist jedenfalls sicher, dass man in späterer zeit im kloster St. Gallen wüste oder glaubte, dass jene älteren ar- beiten in deutscher spräche um 760 entstanden seien. Es ist gar kein grund vorhanden, diese zeit für zu früh zu halten und ebenso wenig, den Kero für eine rein mythische pexson zu erklären, wenn wir auch durchaus nicht wissen, wie viel er an jedem einzelnen und ob er an allen der ihm zugeschrie- benen werke anteil gehabt hat.

üebrigens sei noch das erwähnt, dass der bibliotheks- katalog aus der zweiten hälfte des 9. Jahrhunderts (gedruckt von Weidmann im anhang der „geschichte der bibl. von St Gallen") von all diesen deutschen Übersetzungen und glossarien aus jener zeit nichts weiss. Die handschriften, in denen sie

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BENEDIKTraERREGEL. 485

enthalten sind, werden nicht mit aufgeführt Man achtete also im 9. Jahrhundert bei fortgeschrittener bildung jene ersten ge- ringen anfange flir nichts und hatte sie entweder schon ganz vergessen oder hielt sie doch wenigstens nicht fftr wert, mit im katalog verzeichnet zu werden. Man kann dadurch auf die Vermutung kommen, dass jener antiquissimus catalogus, auf den sich Stipplin, Kolb, Goldast stützen, älter sei als der des 9. Jahrhunderts; um so mehr würde seine glaub Würdigkeit gewinnen !

HALLE, im october 1873. F. SEILER.

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KLEINE BEITRAGE ZUR DEUTSCHEN GRAMMATIK.

I. Znr altangelsächsischen declination.

Seit Jacob Grimm vor mehr als fünfzig jähren seine paradigmen für die angelsächsische declination aufgestellt hat, ist es bei' den grammatikern üblich gewesen die eigentlichen declinationsformen der weiblichen ä- und ^-stämme bis auf wenige reste für ausgestorben zu halten. Die hauptmasse der zu beiden classen gehörigen Wörter habe eine aus elementen beider declinationen gemischte declinationsweise erhalten, die, obschon der hauptsache nach sich an die flexion der a-stämme anschliessend, doch gewöhnlich bei der f-declination besprochen zu werden pflegt. Auch M. Heyne ist noch in der zweiten ausgäbe seiner kurzen laut- und flexionslehre von dieser anord- nung nicht abgegangen. Trotzdem ist dieselbe wenigstens für die altern angelsächsischen Sprachdenkmäler durchaus als fehlerhaft zu verwerfen, wie die unten dargelegten resultate einer Untersuchung zeigen werden, die ich behufs sicherstellung der ags. declinationsformen für meine demnächst erscheinenden paradigmen zur deutschen grammatik anzustellen gezwungen war. Dass diese Untersuchung aus verschiedenen gründen sieh auf das in den 4 bänden von Grein s ags. bibliothek gebotene material beschränken muste, bedarf besonderer nachsieht. Doch, hoflfe ich, wird dieser mangel nicht so schwer empfunden werden, da ja doch die poetische spräche den weitaus grösten teil der einfachen feminina uns erhalten hat, und die hier ge- gebenen nachweise vollauf genügen werden um neu hinzu- tretendes material leicht und sicher an gehöriger stelle einzu- ordnen. Wer nachsammeln will kann namentlich für die hier

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ZUR ALTAGS. DECLINATION. 487

unbelegt gebliebenen nominatiyformcn mancherlei belege aus der prosa leicht ergänzen; mir kam es nur auf sicherstellung der regel an und daftir werden die belege aus der poesie ge- nügend erscheinen.

Es sei mir gestattet der besseren Übersicht halber die re- Bultate meiner Untersuchung einfach dogmatisch darzulegen. Eine ausführlichere beweisführung wird niemand verlangen der gewohnt ist grammatisches material offenen auges und unbe- fangenen blickes zu würdigen.

Es ist der zweck dieser Untersuchung eine Scheidung der ä' und i-declination der feminina zu geben, und diese wird geboten durch den aecusativ des Singulars, der bei allen ä-stämmen auf -e ausgeht, bei allen f-stäm- men keine endung hat; in zweiter linie kommen auch der nominativ singularis und der genetiv pluralis in betracht.

I. a-stämme.

1. Alle kurzsilbigen a-stämme flectieren folgendermassen : gifu, (-0) gife, -a

gife gifa, -ena

gife gifum

gife gife, -a.

Diese stamme haben also das got. -a in nom. sing, ebenso in -tt gewandelt wie die kurzsilbigen neutra (z. b. fatUj im gegen- satz zu langsilbigen wie ward). Selten nur findet sich die nebenform -0 belegt. Ein solcher nominativ entscheidet im allgemeinen (doch mit berücksichtigung des unten s. 500 ff. ge- sagten) die frage, welcher declination das betreffende wort zu- zuweisen ist

Hierher gehören folgende Wörter:*) cearu B. 1303 etc. got kara, faru Ex. 12, 11 = ahd. fara.

llfoearo Andr, 1430. wsegfaru Ex. 298.

mddcearu Guthl 166. wolcenfaru Dan, 379.

sorgcearu Guthl, 939. * -fracu.

cwalu P$, Th. 29, 8 = altn. kvöl. fremu Boeth, 14, 1 etc.?

gaestcwalu Guthl 651. * frigu?

daru? * gadu? gäd?

dena Imc. 3, 5. gifu B. 1884 etc. = got. giba.

*) Ich führe alle bei Grein wirklich belegten nominativformen an. Die im nom. nicht belegten Wörter sind mit * bezeichnet

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SIEVERS

hyhtgifu Reiml. 21. Bweordgifu B, 2884. wötJgiefu Rats. 32, 18.

* gleomu? gripu Sal 46.

hweoöu Ps. 106, 28, vgl altn, hvitJa Grein»

* laöu. freöndlaöu B, 1192.

lagu gl Prud, 407.

* latu.

wordlatu Andr. 1524. lufu Gen. 1906 etc. freöndlufu Gen. 1834. sorglufu Beor 16. treöwlufu Crist 538.

* naru ^ akd. nara?

noBU fFr. pZ. 43 etc. := «Ärf. nasa.

* wälnotu := lat. nöta. racu Crist 1460 ^^e?.

streämracu Gen. 1355. sacu Ä 1857 etc. = ahd. sahha. sceamu Ps. 70, 12 = «Ärf. scama.

* Bcearu = ahd. -Bcara. hearmscearu Gen. 432.

Bcolu Crist 1535 etc. geneätßcolu Jul 684.

* slagu = ahd. -slaga. gold8iDit5u, vgl ahd. Bmida.

wräÖstudu Beda Sm. 544, 17 etc.

* BwaÖu.

dolhBwa?5u Wr. gl 85.

swätswat5u B. 2946. andswaru 5. 2860. talu Cod. dipl 929 = ahd. zala.

* tragu?

* trodu = ahd. trota.

* l?egu.

beör)7egu ^nrfr. 1535. sincj^ego B. 2884.

* l^elu.

buruh}?elu Finsb. 30.

* rynej>ragu. ]7racu JE'a?. 326.

ädl}?racu fi^w^ÄZ. 981. flän)7racu fi^wfM 1117. holmJ?racu Andr. 467. nihtwaco 5^^^/". 7 = ahd. naht- uuahha.

* waru. eoröwaru j

helwam > Hymn. 7, 95.

heofonwaruj wra?5u Guthl 1337. wracu G^^w. 1042 = got. vraka.

nydwracu B. 193.

särwracu Ph. 54.

synwracu Crist 1540.

* stapu?

Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass die von Grein angesetzten nominative trod (so auch Heyne im glossar zum Beowulf) und wälnot in trodu und wälnotu zu ändern sind; ebenso ist für nosu und scdlu wie gewöhnlich geschrieben wird, nosu und scolu zu setzen; ersteres passt aufs beste zu ahd. nasa; scola ist nicht lat. schola, neuengl. school, sondern ein echt germanisches wort = alts. scola \mA bedeutet immer schaar? häufe ; zu der einzigen stelle, an der die bedeutung schule an- zunehmen ist, Boeth. 3, 1 on minre scöle wird wol der nom. scdl anzusetzen sein. Dagegen ist hrif Grein gloss. II, 104 nicht in hrifu zu ändern, sondern das wort ist wie ahd. href in Übereinstimmung mit den im ags. belegten formen zeigt ein neutrum. Ob die von Grein als feminina angesetzten gleomu, leobu, ricu, reotu tlberhaupt wirklich feminina sind,

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ZUR ALTAGS. DECLINATION. 489

kann ich bei meinen htilfsmitteln jetzt nicht entscheiden. Ueber den nom. sing, ylfeiu s. unten s. 501.

Im gen. und dat. sing, herscht hierein bei allen femini- nis die endung -e; spätere quellen haben dafür öfter im dativ, selten im genetiv -a. Diese casus bedürfen also keiner wei- teren erörterung.

Dagegen belege ich den accusativ sing, wider voll- ständig, da gerade er zur Scheidung der &- und e-stämme dient: ceare(care), hreöst-, mcel-, möd-, üht-ceare, deäb-, feorh-, hearm-, swylt-cwale, äeäbdene, fare , earg-, gär-, hägl-, stredm-, wolcen-fare , freme, un/reme, frige pl.?, gade, gife, eädgiefe, gripe, wordlabe, -labe, eäldor-, feorh-lcge, lufe, aldor-, feorh- nere, nose, raoe, streämräce, sace {säce), sceame {scame, scome), ärscame, folc-, hearm-, land-sceare, scole, slage, goldsmit5e, stäpe pl. ?, swa'be {swäbe), andsrvare, trode, prace, ecg-, flän-, holm-, wäpeii-, rvigg-präce, biirh-, eorb-ware?, 7vrat5e, rvrace {wräce), gyrn-, nib-, nyd-, syn- , torn-rvräce. Ganz vereinzelt stehn hierneben die formen burgwaru Andr. 1096 und lufu Hymn. 7, 30, letzteres mit dem ebenfalls anomalen acc. sib für sihhe verbunden; vgl. unten s. 493 über den acc. der «?<i-stämme.

Was den genetiv pluralis anlangt, so finde ich für diesen belegt die formen gifa ß. 1930. Gen. 890, eädgiefa Jul. 563; wällnota Sal. 161, scoma Crist 1274, teala Reiml. 42, zusammen also 6 mal die unerweiterte form; daneben aber carena Crist 962, fremena Gen. 439 etc., gifena {giefena, gyfena, geofond) Gen. 209 etc., wuldorgeofona Graft 24, zusammen 22 mal die erweiterte form. Grein setzt zwar für gifena, fre- mena die nominative gifen, freme an. Da aber nur die formen des gen. pluralis für diese nominativform, alle andern casus aber flir gifu, freniu sprechen, so werden wir mit mehr recht die fraglichen genetive zu den letztgenannten nominativen stellen müssen. Dagegen darf man die genetive lufena, sago- na nicht ohne weiteres hierher stellen, da neben lufu und sagu wirklich auch liife und sägen bestehen. Dafür dass sagona Gen. 535 zu sagu, nicht zu sägen, gehörte, spräche allenfalls der vocal der Stammsilbe. Auch säcca B. 2029 gehört nicht hierher (zu sacu), vielmehr zu den y^-stämmen.

Die übrigen pluralcasus bedürfen für unsern zweck keiner besonderen besprechung.

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490

SIEVERS

2. Die langßilbigen Ä-stämme flectieren folgendermassen :

är dre, -a

dre ära, (-ena)

dre drum

dre dre, -a.

Sie unterscheiden sich also von den kurzsilbigen nur im nom. sing., der hier die endung -u entbehrt, s. oben unter 1. Hierher gehören:

* äht = ahd, ahta.

seht, oht B. 2957. Gen. 84 eic, =

ahd. ähta. aet {Seel 127), meist masc, = ahd,

äz, vgh altn. 4ta. är rüder Gn, ex. 188 := aUn, är. är ehre. Ph. 663 = ahd. 6ra.

* -bäd = mhd. beite. baer B. 3105 == ahd. bära.

beere Run. 18 = ahd. birka (jä-

* -beorg, vgl ahd. bein-berga u. s. w.

* bot = ahd. buozza. eaeg Älfr. gr. 9, 28?

* -eist = ahd. kista (^k-stamm?)

* elüs = ahd. klüsa. dun Ps. C. 132 ^r<;.

eare Dan. 752 ^^<;. = «Ärf. arka.

* ein = got. aleina.

* eortJ?

* feoht = ahd. fehta.

* feorm.

* flän (auch masc. wie altn. fleinn, und flä swf.).

* sundflit, vgl ahd. flizza. fl6r Sat 39 etc., auch masc.

folm Ps. 79, 15 ntr. = ahd. folma,

au(7A masc. for ÄÄ^5. 20, 8 etc. = ahd. fuora. freöd Andr. 1156? geöc ^»rfr. 1587 etc. = got. iiuksk? gl6f ^. 2085 ^^<;.

* gräp = ahd. greiflfa. eorögräp Buine 6. hildegräp B. 1446 etc.

grin />5. 123, 7.

gü?5 Ä 1123 ^^^. = ahd. gundia O'ä-^^amm, rfocA vgl z.b. Gunda- hari).

häm Andr. 531 etc. = a/^w. hrönn Grein.

* healf = ahd. halba.

heall Ä 487 etc. = ahd. halla.

medoheal B. 484 e^^. help Crw^ 859 etc. = ahd. helfa. heorr Al/r. gr. 9, 3 etc., auch masc. heord MörtÄ. 8, 32 = ahd. herta. hlÖtJ Andr. 42.

* hös = got. hansa.

* earmhread?

hre6w Crist 1675 etc. = ahd. hri- una.

* hrung = got. hrugga.

* hüÖ, vgl ahd. herihunda.

* hwealf?

hwll B. 146 etc. = got. hveila.

* ig = ahd. -auna.

lad Andr. 423 etc. = ahd. leita.

fromläd Gen. 2098. läf B. 454 ^f<?. = got. läiba.

endeläf ^. 2813.

weäläf Metr. 1, 22.

* lann = ahd. lanna.

lär ^ic. 268 etc. = ahd. l^ra.

* laest = ahd. leista?

* leäf. *

lind^. 2341=aÄrf.linta (js^stamm?) maßt) Byrhtn. 195 etc. iprstamm?) maeg Gen. 895 e^<?.

wynmaeg Guthl 1319. meare C^». 1719 etc. = ahd. marka.

* med = ahd. miata.

* meld = ahd. melda.

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ZUR altags. declination.

491

meor?5 Andr. 275, vgl goU mizdö.

* mil = ahd, mtla.

* näm = ahd, näma.

* nöt5 == ahd, nanda*).

* päd = got päida. herepäd B. 2474.

räd Run. 5 == ahd. reita.

brimräd Ändr. 1589.

sweglräd Reimt 29. rast, rest Crist 1656 etc. = got

rasta {vgL ahd, resti).

bedrest Wr. gt 21. reord Gen. 1635 d/e?. v^Z. got

razda. rod 67m/ 1065 etc, = ahd. ruota. rün Ex. 525 = ^o/. rüna. 83b1 Gen. 1186, «m^jä m«^<;.

heähsael Ps. 101, 11. scand Ps. 70, 12 = aÄ<]?. scanta. sceiit5 Wr. gl 34 ^/c. = ahd. sceita.

* scrind?

snaed Sat 401 ^^(7. = ahd. sneita.

snear Reimt 25 =: ahd. snarha**).

söl Ps. 120, 6?

süm Leges Aethelr. V, 15.

sorg Gen. 2179 etc. = aī?. sorga.

borgsorg Reimt 63.

inwitsorh J5. 1736.

mödsorg Gen. 755. sprsec i>öm 8 etc. =^ «Ä^. sprähha. stefn Gen. 1494 ^/c. nz got stibna.

)7Uiiorrädstefn Ps. 76, 14. steör Giitht 481 = ahd. stiura (jä-

stamm).

Femer fallen hierher von

ädl Seef. 70.

serädl Gn. ex. 31.

* eaxl = ahd. ahsala.

naedl Wr. gt 11 = ahd. nädala.

* swingel.

täfel Wr. gt 39 etc.

* stig = ahd. sttga. st6w B. 1372 etc.

friöstöw Metr. 21, 16.

* ßtrael = ahd. sträla; auch masc. und sti'aele swf.

strsBt B. 320 ^/tf. = ahd. sti'äza.

* streön.

stund Andr. 1212 etc. = ahd, stunta.

* tael = ahd. zäla.

* teäg = ahd. taug.

* teoh = mhd. zeche (vgl teohhian). tre6w Gen. 2118 etc. = ahd. triuua. J?earf Gen. 278 etc. = ahd. darba.

nydj?earf Ps. Th. 9, 20 etc. J?e6d ^. 643 etc. ^o/. }?iuda.

* J?eöd discipUna? }>räg 6;w/Ä/. 1324 etc.

treöw}?räg /J^em/. 57. wodj^räg Met 25, 41.

* wäÖ = ahd. uueida.

* waeg = ahd. uuäga.

waer Crist 583 etc. = ahd. uuara***J. womb Ph. 307 etc. = ahd. uuamba. weard Dan. 235 = ahd. uuarta.

* wearn = altn. vorn.

* wis = ahd. uuisa. wöt5 Guiht 234.

wraed, wraetJ Cn. ^a:. 153 ^/c., vg\ ahd. fahsreita licium G raff IV, 481.

* wraesn?

wroht B. 2913 etc, auch masc.

* wull r= ahd. uuoUa.

wund B. 2711 ^/c. == «Ärf. uunta.

(eigentlich) mehrsilbigen:

* tigel.

wädl Boeth. 26, 2; wetJel Ph. 612.

* wefel.

wrixl Gen. 1990 etc. {auch masc.) candel B. 1572 ^rc. lat candela. dägcondel Rats. 88, 26.

*) So ist ohne zweifei der nom. des nur einmal bei Graff II, 1093 im dat. sg. nande aus Boeth. belegten Wortes anzusetzen. **) Also für * snearh, daher im nom. sg. nicht *^ snearu. **♦) Vgl. K. Müllenhoff, Zs. f d. a. XVI, 148 ff.

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492 SIEVERS

friöcandel Gen, 2539. )?ignen Wr. gl 17.

heofoncandel ßx. 115 etc* * wyrgen.

merecondel Metr. 13, 57. * sedr = ahd. ädra.

wedercandel Andr, 372 etc, * feÖer = ahd, fedara.

woruldcandel B. 1965. * feter.

wyncondel Guthl 1186. * lifer = ahd. lebara.

wästiH? s, unten. * weolor, auch masc.

byden fFr. gl 34. ceaster Ps. 121, 3.

firen B. 915 etc. = ahd. firina. . fröfor Gen. 1475 etc. = ahd. fluo-

* lygen = ahd. lugina. bara, auch ntr.

* gyren. wöcor Gen. 1312.

* reoden. öfost B. 256 etc.

bertJen Sal 321 ^^(;. geogutJ El 1265 e^c. = «Ärf. ju-

sorgbyrtJen Andr. 1534. junt (i-stamm).

byrgen />5. TÄ. 48, 9. ides B. 620 ^^<;. = ahd. itis (i- gyden Metr. 26, 53 = aÄrf. gu- stamm; vielleicht ist ags. ides

tinna. eigentlich jsk- stamm, vgl Idisia-

* -ra^den. visus). )?eöwen ^wef. 74.

Falsch angesetzt sind danach bei Grein die nominative scrindu, stgu, stigu, tälu, wäbu {seolhwabu Andr. 1716 ist rich- tig in seolhpabu geändert) und präg (tälu und präg sind schon bezüglich der vokale unformen).

Die langsilbigen stamme auf -vä vokalisieren ihr w inoi nom. sing, zu -u, vgl. sinu Andr. 1244 etc. = ahd. smawa, sceadu Kreuz 54 etc. ; ausser diesen gehören hierher noch die im nom. nicht belegten (zum teil sind es plur. tant.) headu = ahd. hötij fratu, gearu, geatu, nearu, rcesu'ij searu.

Endlich fallen hierher die substantiva auf -nis und -ung, für die ich wegen ihrer häufigkeit keine beispiele anführe. Ueber die den ahd. auf -ida entsprechenden Substantive s. unten s. 500 flf.

Für den accusativ sing, finde ich folgende formen be- legt: cete, äre, un-, worold-äre, nydhäde, einher ge^ heafodbeorge^ böte, ecege, mereeieste, düne, earee, eaxle, eine, feorme, sundßte, fldre, folme, headufolme, före, freöde, geöee, geogobe, gräpe, grme, güt5e, healle , gifhealle, healfe, nortShealfe, helpe, heorde, herehlobe, hreörve, hübe, herehübe, hrvile, earfobhwile, lade, brim-, lagu-, mere-läde, läfe, ege-, rveä-^ yb-, yrfe-läfe, läre, leäfe, jinde, mearce, leödmearce, mede, nobe, brim-, hron-, streäm-, srvan-, wig-räde, raste, {reste), cefen-, bedd-, fiel- , land-, niht-.

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ZUR ALTAGS. DECLINATION. 493

sele-, wäl-räste {-reste), reorde, rode, rüne, headu-, hete-, hyge-, inwit', leobu-, rväl-^ne*), sceonde, snere, sorge , bealo-, cear-, gnorn-j hyge-, inwld-, möd-, nearu-, pegn-sorge, sproece, cefen-, cerend-, edrvit-, frum-, heie-sproece, stefne, steöre, stige, stowe, et5el-j wräC'Stdrve, streäle, sircete, farot5-, lagu-j mere-, rancsirmie, Sirene, stunde, orleg-, tvinter-stunde, tcele, teohhe, treöwe, hedh-, wine-treöive, pearfe, fyren-, nearo-pearfe, rverpedde, präge, ear- fdiSpräge, rväbe, woere, freoborvcere , wamhe, wearde, ccg-, ftod-, heafod'wearde, wearne, mse, wöbe, wrcede, inwitwräsne?, wrohte, wunde, feorhwimde gen.?; ferner täfle, dägcondelle , firene, gy- renej inrvitgyrene, reodae? , mägen', syn-hyr^enne, folc-, freönd-, gaful-, mceg-j treöw-, wig-, 7vorold-rcedenne, pinenne, grundwyr- genne, ceastre, frbfre^ hUdefrofre, wdcre, idese.

Neben dieser stattlichen schaar von formen auf -e kom- men erst vereinzelte spuren einer verktlrzten form ohne en- dung vor. Neben searwe Ap. 18. El. 1109 beaduwe Wald. 1, 26 stehn heregeatu Byrhtn. 48 und nearo , -u B. 2350. Andr. 414; doch könnte nearu auch wol für nearwu, d. h. ahd. "^narawx stehen, folm Rats. 40, 10 kann wegen alts. folmos auch masc. sein, desgleichen ist weard von F. Dietrich, Zs. f. d. a. XI, 415 auch als masc. nachgewiesen, help Dan. 236. Sat. 582. Ps. 68, 17 weist neben dem gen. helpys Ps. 101, 2 etwa auf ein neutrales help hin, ebenso f?^öfor B. 698 neben frbfres Hymn.

6, 1. (doch vgl., auch unten s. 500). Dann bleiben nur noch aht Andr. 410. 608. El. 473 (das trotz ahd. ahta vielleicht ein /-stamm ist und langes ö? hat; man sollte sonst vielmehr * ^aÄ^ erwarten), ceaster Gen. 1057, das für ceastre verschrieben sein k^inn, hlöt5 Andr. 994 (Andr. 42 ist ä/öÖ nominativ, das wort ist mir etymologisch nicht klar), peödmearc Ex. 158, fyrstmearc Dan. 560, meld Dan. 648, wynrod Sal. 235, wearn Ps. 54, 12, unrceden Gen. 982, endlich andetnes Ps. 121, 4, beorhtnys Hymn.

7, 31. Wieviel von diesen formen den betr. denkmälern ur- sprünglich zukommt, wie viel der späten Überlieferung, lässt sich natürlich nicht entscheiden.

Im genetiv pluralis herscht bei weitem die einfache enduiig -a vor: cera (ära), folma, geöca, güba, healfa, hreöwa.

*) Die angeführten formen der composita von rün und überhaupt manche der hier angegebenen abstracten Substantive können auch acc. pl. sein.

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494

SIEVERS

ÄÄ&a, däg-, langung-, sige-hmla, lära, meda, meorda, mila, reorda, röda, sorga, gnorn-, hyge-, torn-sorga, sprceca, stiga, stöwa, sircela masc. ?, merestroeta, stimda, teohha, peöda, gum-, sige-, rver- pedda, rvcega, msa, woba, wunda. Namentlich bei den mehr-, silbigen gilt nur diese endung: firena, folc-, hell-firena, cedra, fröfra, ceastrcu, idesa, frätwa, fyrdgeatewa, hildegeattva. Diesen gegenüber ist die endung -ena nur belegt in äi^ena, lärena Qärna), sorgna, sinsorgtia. Bei den beiden letzten setzt Grein ohne grund die nominative sorgen und sinsorgen an. Zu ärena findet sich zwar ein schwaches äre Ps. 98, 3. Ex. 245 belegt, aber die häufigkeit der form des gen. pl. (16 mal) zeigt uns dass sie erst den libergang des Wortes zur schwachen decli- nation angebahnt hat.

3. Die /(ä-stämme sind im ags. durch die assimilation des j sämmtlich langsilbig geworden. Sie haben in allen ca- sus Umlaut, und die mit ursprünglich einfachem consonanten nach kurzem Stammvokal verdoppeln diesen consonanten im inlaut. Im gen. pl. kommt die eiidung -ena nie vor. Sonst flectieren diese stamme wie die langsilbigen a- stamme. Ihr paradigma ist also:

hen(n)

benne, -a

benne

benna

benne

benmim

benne

benne, -a.

Hierher gehören:

* ben got banja.

gyrd Ps. Th. 22, 5 ahd. gerta.

* bend = got. bandi, auch masc.

haeÖ Ex. 118 = got. hai]?!.

* bielblys.

hael Ps. Th. 36, 38.

* brör.

hei Sat. 193 = ahd. hella.

* bricg = ahd, brucca.

hen Rats. 43, 8 etc. = ahd. henna.

* crybb == ahd. crippea.

hild B. 452 etc. = ahd. hUtia.

cyll = ahd. kiuUa.

* bind =r ahd. hinta.

eax = got aqizi (könnte auch

hlim.

i-stamm sein wie ahd, accus).

hfÖ Metr. 21, 11 etc.

egl B. 987.

nyt = ahd. nuzza Qra/f II, 1123.

* eng. .

rift Ps. Stev. 103, 6, vgl ahl. pein-

* fit = aUs. fittea (Zs. f, d, «. XVI,

refta.

141 yf.)

cneöris Jud. 324.

gleng Run. 7; i-stamm?

* säcc =r= ahd. secca, vgl. sacu und

* grtu (auch ntr., kann auch ä-

got. sakjö.

oder i-stamm sein).

scell Metr. 20, 174.

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ZUR ALTAGS. DECLINATION. 495

* Bcen{ii). brimwylf B, 1506.

* secg. wyn Gen, 1862 = aUs, uunnia. sib, sibb Crist 581 etc, ^= got Bihj&, ßöelwyn B. 2885.

fritJusibb B. 2017. yt5 Ex, 282 = alts. üthia.

* Bt^, vgl steör. bliss Crwf 530 etc, = aUs, blidsea. syll Wr, gl 61 = got sulja.*) * liss.

syn El, 414 etc, = alts, Bundia. milts B, 2921 etc,

well fVr, gl 54 = ahd, uuella. llget P^. 134, 7, aw^Ä n^w/r.

* wrät.

Für den acc sing, ist die endung -e belegt durch bcel- blyse**), bricge, cylle, ecge, egle, enge, fttte, gr^ne, gyrde, hcele, helle, hilde, hybe, nytte, sund-, sundor-nytte , ryfie, cnedrisse, säcce, sibbe, brobor-, cneöw-sibbe , stpre, synne, wynne, hord-, yft-, symbel'Wynne , blisse, lisse, miltse. Neben diesen regel- mässigen formen beginnt schon die gekürzte form ohne -e in nicht geringem umfange einzudringen, vielleicht unter dem einfluss der /-stamme, denen mit den y^J-stänmien der durch- gehende umlaut gemeinsam ist. Ich finde bei Grein solche accusative belegt durch hell Gen. 331, sib Hymn. 7, 30, sibb ß. 2600. Ps. 127, 7, wyn Sat. 43. Höll. 74 etc. (8 mal, also auf- fallend oft), Sbelfvynn ß. 2493, mdrhceb Ps. 82, 10; dagegen möchte ich hcel El. 1003, Ps.105,24; 113,2 für neutral halten.

Der genetiv plur. hat, wie bemerkt, ausnahmslos die endung -a; benna, wälbenna, ecga, hilda, circnytta, cnedrissa, säcca, synna, fyrnsynna, wella, wrätta, wynna, hyht-, ledd-. Vif- rvynna, ^ba, är-, sealt-pba, blissa, tvoruldblissa, lissa. IL Die «-stamme.

Alle i-stämme haben durchgehenden umlaut, im acc. sing, wie im nom. sing, keine endung, im gen. pl. nur -a. Sonst weichen sie nicht mehr von den ä-stämmen ab. Ihr paradigma ist demnach

bin bSne, -a

bSne bena

' ' * Waram Heyne im glossar zum Ulfilas nach dem allein belegten dat. pl. sulßm schwach suljd ansetzt, weiss ich nicht.

**) Grein schreibt unrichtig bcelbk/s. Da der umlaut auf einen ja- stamm hinweist (derselbe müste auch bei dem von Grein vermutungs- weise angesetzten neutrum baslblys angenommen werden, da es neutrale t-stämme im germanischen bekanntlich nicht gibt), so müste bei kur- zem stanunvokal das s im acc. verdoppelt werden.

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496

SIEVERS

bene ben

Es gehören hierher:

seht Rats. 70, l eic. = ahd. eht. ben Ps. 118, 170 = altn. boen. benc B. 492 = ahd. baue, medubenc B. 776.

* blsed = bled? wuldorblsed Jud. 156.

* bled = ahd. bluot.

* brygd? vgl. ahd. gabruht Grajf III, 270.

gebyrd Crist 38 etc. = goi. ga- baür}?s.

eäggebyrd Ph. 301. mundbyrd Ar. 130.

* byht = /?///*. bygÖ, nÄrf. bucht? bysen GutU. 146, v^/. ^o/. ana-

busns. cwen B. 62 etc. = ^ö^. qens. dryhtcwgn B. 2035. folccwßn i?. 641. güÖcw^n El. 254 ^fc. l7eödcwen El. 1156.

* andcwis ? (riur acc. sing. Guthl. 999). gecynd Ps. 387 <?^<;. = «äö?. gakunt. cyst B. 673 ^^^. ;== rtÄ<]?. kust, meist

masc. dsed G^^i. 594 etc. = got. deds. dryht Rats. 60, 11 = ahd. truht. gedryht B. 431 ^f(7. = got. ga-

draühts.

hygedriht Reiml. 21.

magodriht ^. 67.

sibgedriht Ex. 214 ^^<;.

wilgedryht Pä. 342.

* duguÖ = ahd. tugunt. äÖelduguÖ Crist 1012.

* gedyrst = ahd. gaturst.

* eornest = ahd. ernust. ggt = got, ansts, auch masc.

* fylst = ahd. fiilleist.

fyrd Ex. 54 etc. = ahd. fart.

* fyst = ahd. füst.

* gift =1 ahd. gift.

benum bene, -a

gl6d B. 2652 = «Äöf. gluot.

* gnym, jk-stamm ?

gräft W7\ gl. 47 = ahd. graft, «mcä

haes Geti. 124.

* haest = got. haifsts.

hläst Gen. \blb=ahd. blast, auch

masc. hlyst Dan. 178 etc. = alts. hlust. hretJ Ex. 316, ^m. .^ hyd Wr. gl. 44 = ahd. hüt.

* hygd = ahd. huct.

gehygd Cr/^^ 1039 = ahd. gahuct,

auch ntr. misgehyd Ändr. 773. oferhygd Gen. 29 etc. tohyht Run. 4 etc.^ nicht masc.

* hyrst = ahd. hrusti j>Z. ^aw/.

* leöd, meist pl. Ie6de = ahd. liutl. list 6^?^. ex, 189 = «Ä<]?. list, ämcä

masc.

* lynd, jh-stamm? gelynd JP^. 62, 5.

lyft ^o:. 430 etc. = «Ärf. luft, auch masc.

* mäst = ahd. mhd. mast meaht, miht Crist 1078 ^^^. = ^o^.

mahts. meolc Sal. 57 ^r<7. = got. miluks. gemynd Crist 1038 etc. = got. ga-

inunds, nicht neutr.

modgemynd El 840. nyd, nM, Jud, Hl etc. = got

nau)7s.

)?reänyd ^/. 704. serist Men. 58, v^/. aÄ<]?. urrist, auch

masc.

* -sceaft = ahd, -scaft. aersceaft Ruine 16. gesceaft Gen. 131 ^^<7. ealdorgesceaft Rats. 40, 23. handgesceaft £^^n; 455.

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ralt.

wraesn, * wräsn = ahd. reisan ntr,

(inwitwräsne Andr, 63 ist acc.

ZÜE ALTAGS. DECLINATION. 497

landgesceaft Dan. 390. * )?ryÖ = altn, }?rüÖr {also nicht

woruldgesceaft Gen, 110. )7ry?5, l7ryt5u).

scyld Crist 97 etc. = aUs. sculd. ge)7yld Ps. 70, 4 aÄJ. gadult

gesihö Crist 50 = ahd. gasiht. * waed = ahd. uuai , awcÄ /i^w^r.

* -slyht = ahd. -slaht (aueh 7ieutr.y wsede.

vgl den gen. sing, moröorslehtes ^en Gen. 49 etc. = got. vßns.

^i' ^^^^- * geweald? = ahd. giuualt.

sped Gen. 3 etc. = alts. spöd. ^^^ Ärf/^. 29, 13^^c. = e/ö/. vaihts,

herespM B. 64. ^^,^ ^^^^^;

sigorsped Andr. 911 e^^. ^j^^ ^^^^ 21 etc. = got. viBts. suht Gen. 472 == ^or. saühts (auf- ^twist Äwn. 7.

faOend ist der mangel des um^ ^^,^|^ ^^^^ ^^^4 ^^^ ^ ^^^ ^^g_

* ädswyrd.

* gyn = got. siuns. ansyn i>^. 82, 12 ^/^. i y. ^ j ^ a wäfersyn />.. 68, 11 etc., neutr.l ^K^J'^'^J^f '^' ""'^ ,,

ttd Gen. 132 = alts. üd. ^^.^^ ^^^- ff ^'^' = «^^- ^^'*- benöd Men. 75. ^^^^^^^^ if' 285.

fulwihtttd ;»/^n. 11. ^^^y^^ ^^- ^^^-

* beaht gewyrht Reiml. 70 = aZ^js. giuurht. ge}?eaht i>^. 88, 6 = alts. githäht, wyrt ^z. 83 etc. = got. vaürts.

auch neutr. ys* ^w<]?r. 1588 etc. «= a/^5. üst.

Von den entscheidenden formen des acc. sing, sind fol- gende belegt: ceht, goldceht, hen, gehyrd, ende-, mund-, ste/h- hyrd, hysen, crveyi, sigecwen, gecynd, dced, rveädced, gedryht, folc-, sihge-, willge-dryht , est, fyrd, handgift, hces, hest, hlyst, hreb adj.?, sigehreÖ adj.?, hyd, gehygd, gcest-, in-gehygd? , oferhygd, list, lyft, uplyfty mäst, meaht {mihi), meolc, gemynd, fyrn-, möd-, up-gemynd, n^d, Haft-, oht-, peöw-, pred-nyd, cerist, /rum-, meo- lud-, geö-, rvon-sceaft, gesceaft, fort5', meotud-gesceaft , scyld, godscyld, gesihb, hondshjht, sped, freotSo-, freönd-, mägen-, sige-, tuddor-, wlg-sped, aiisyn, üd, an-, äßen-, cefen-, eästor-, lerictoi-, morgen-, üht-tid, peaht, gepeaht, rcedgepeaht, gepyld, wen, ge- weald, ceht-, hand-geweald, wiht, wist, and-, ät-, mid-, neä-, an-, som-wist*), woruld, cer-, gewin-, wundor-woruld, wyrd, for-, wun- dor-wyrd, fymgewyrht.

Neben diesen sicheren formen finden sich bei Grein eine reihe von accusativen auf -e im glossar angeführt; von diesen sind zunächst auszuscheiden hysene, mänscilde, uncyste, uplyfte, wcdde, wiste, somwiste, woruldspede , die Grein selbst nur als

*) ptnne neäwest Hymn. 4, 49 ist gewis verschrieben für ßne.

Beiträge znr geschichte der dentschen spräche. I. 33

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498 SIEVERS

'acc' oder zum teil auch fragend als 'acc. pl/ ansetzt; alle diese sind, wie jeder sich beim nachschlagen der stellen über- zeugen kann, sicher plurale. Für solche halte ich ferner: fyrde Gen. 408. Ex. 62. 254. Hymn. 7, 47 (es sind die einzelnen sclifiaren gemeint, in der bedeutung 'fahrt' heisst es stets /|^rJ) und gesihbe Gen. 617. Guthl. 788. Kr. 96 (es ist von Visionen die rede, für ^visus' gilt nur gesihb). Ferner finden sich die formen ceriste Ph. 495. 572, edsceafte Dan. 112, eomeste Crist 1101, gebyrde Crist 76, mundhyrde Gen. 2709, higeprybe Gen. 2238 {hildeprybe Rats. 20, 4, möchte ich lieber als dat. fassen), gemynde Ps. 102, 17, immihte Ps.*106, 17; auch bei diesem ist immerhin die möglichkeit zu bedenken, dass pluralformen vorliegen, wie sie bei abstractis im ahd. so häufig und auch im ags. nicht unbekannt sind (vgl. z. b. hwonan his cyme sin- don Guthl. 1196 u. dgl.), doch will ich hierauf kein gewicht legen. Entschiedener nehme ich dagegen pluralformen an bei syne, ansyne, da hier -die form auf -e massenhaft, 14 mal, ne- ben der ohne endung (7 mal) auftritt, während die übrigen formen auf -e durchaus vereinzelt sind. Endlich sind geogut^ und ides, obwol ahd. jugunt und itis entsprechend, nicht hier- her zu stellen, da sie durchgängig zur flexion der a- stamme übergetreten sind, s. oben s. 492. Dann bleiben völlig sicher überlieferte acc. sing, auf -e von i - stammen nur bryde Gen. 2638, B. 2956, Metra 9, 30, cwene Gn. ex. 82, rvihte Rats. 68, 1. Es beginnt also bereits in den poetischen denkmälern allmäh- licli eine ausgleichung zwischen ä- und i- stammen, aber erst in sehr beschränktem umfang, wie die vergleichung der fol- genden verhältniszahlen lehrt, bei denen rücksichtlich der sel- teneren formen alles mit eingerechnet ist, was nach meiner meinung einigermassen mit Wahrscheinlichkeit als acc. sing, angesehen werden kann:

endung -e

ohne endung

kurzsilbige. ... 180

a- Stämme < langsilbige . . . 645

14

[yä- Stämme. . . 130

14

zusammen 955

28

/-Stämme 14

625

Dabei ist noch zu beachten, dass unter den 28 gekürzten

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ZUR ALTAGS. DECLINATION. 499

formen der <J-decliiiation 12 mal die acc. äht und wynn stehen, die oben schon als auflfallende anomalien bezeichnet sind ; dann bleiben nur 16 vereinzelte kürzungen bei den ä-stämmen be- stehen; diese können sehr wol erst durch die spätere Überlie- ferung in unsere texte hineingebracht sein, ebenso wie die längeren formen bei den e- stammen, denn nirgends erheben metrische gründe einspräche gegen die zufügung oder Strei- chung eines -e ausser bei gehyrde Crist 76. Für das ältere angelsächsisch besteht also durchaus noch eine genaue Schei- dung der ä- und ^'-stamme durch den acc. sing., und erst spät ist dieser unterschied allmählich verwischt worden.

Für den genetiv pluralis liegen vor die formen cehta, mäbmcehta, brigda, gearohrygäa , crvena, gecynda, dceda, healu-, eilen-, firen-, god-, gü-, mägen-, mis-, yfel-dceda, drihta, heofon-, woruld'duguba , fylsta, fyrda, gifta, gleda, gnyrna, gehygda^ oferhygda, hyrsta, leöda, mihta, gemynda, rmda, frum-, rvoruld- sceafta, gesceafta, heäh-, Üf-, moel-, woruld-gesceafta , scylda, frumscylda, speda, mgspeda, tida, pryt5a, rvceda, cehtgewealda, rvena, wista, wyrda, leödrvyrhta, gewyrhta, wyrda^ ysta.

III. Die w-stämme.

Zur w-declination gehören nur noch die Wörter dura und in einigen casus hand; eingedrungen sind schon formen der ä' und der consonantischen declination. Belegt sind in der poesie ;

sing. nom. duru, helleduru, hand, gen. handa,

dat. dum, dura, hlindura, handa, hand. acc. duru, hlinduru, hand, plur. nom. handa. gen. handa. dat. durum, handum. ' acc. duru, handa.

IV. Consonantische oder mischstämme.

Diese unterscheiden sich von den früher besprochenen fe- mininis dadurch, dass sie im ganzen Singular und im nom. acc. pl. keine endung haben, aber im dat. sing, und nom. acc. pl. (zum teil auch im gen. sing.) wenn möglich umlaut bekom- men. Nebenbei aber drängen sich auch formen aus der ä-de-

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500 SIEVERS

clination und sonstige abweichungen ein.. Ich stelle auch hier wider nur zusammen, was in der poesie belegt ist, um für diese wenigstens das gesammte maferial zu geben, obschon gerade hier die prosa die reichlichste nachlese geben wird. Es gehören hierher die werter * hdc, burh, turf, mägb, gät, niht, äohtor, mödor, sweostor.

Der acc. sing, ist wie bei den e- stammen gleich dem nominativ: hurh, ealdor-, freobo-, freö-, gold-, heäh-, Med-, hord-, mcßg-, scüd-, weder-, mn-biirh, turf, et5elturf, mägeb, heals- mägeb, niht, emniht, dohtor, mddor, sweostor.

Gen. sing, byrig, winbyrig, mägb, mddor, sweostor.

Dat. sing, bec, byrig, heäh-, leöd-, meodo-, sceld-, wtn-by- rig, tyrf, efSeltyrf, mag eh , niht, eästorniht, dehter, meder, sweostor.

Nom. acc. pl. bec, cerendbec, byrig, heä-, leöd-, rand-, stän-byrig, gcet, mägb, niht, sweostor.

Abweichend hiervon sind belegt für den gen. sing, bürge, mceg-, wm-burge, nihie nebst nihtes , em-, sin-nihtes (wonach sich auch mihtes Ps. 70, 18 gerichtet hat, vgl auch helpys und fröfres oben s. 493), flir den dat. Bing. mcegburge,^nihte, e/en-, ge-, syn-nihte, döhtor Sat. 439, flir den acc. sing, nihte Metr. 29, 36, emnihte Men. 49, vielleicht auch mcegburge Ex. 360, das ich aber lieber als acc. pl. fassen möchte, endlich für nom. acc. pl. döhtra und döhtru.

Diess sind die hauptzüge der angelsächsischen 'starken- feminindeclination. Besprechung erfordern aber ausserdem noch einige bisher nicht besprochene Schwankungen ganzer Wortklassen und eine reihe einzelner zweifelhafter Wörter.

1. Bekannt ist, dass im gotischen die verbalsubstantiva auf -ns im plural zwischen der ä- und 2-declination schwan- ken. Im angelsächsischen hat sich dies schwanken auch auf den Singular ausgedehnt, d. h. für den acc. sing, findet sich neben -en auch -ene als endung: brimnesen El. 1004, lufen Dan. 73 (ß. 2886?) und landsöcne Gen; 1665. 1699, pigene Hom. 2, 280, pecme Rats. 46, 2.

2. Die angelsächsischen feminina auf -&, -t5u = got. -ipa haben sich mit den auf -u = got. -ei vermischt. Letztere haben bekanntlich im ganzen singular eigentlich die endung -u, -o; wenn daneben aber schon für die casus obliqui -e vor-

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ZUR ALTAGS. DECLINATION. 501

kommen (gen. fylle, wistfylle, geögubmyrwe ^ ylde, dat. hyrhte, calde, edwende, fylle, wälfylle, strenge, pystre, wlence, ylde, acc. iengey wibermede, menge, strenge), so fiihre ich diese an zahl hinter den formen auf -w sehr zurückstehenden -e auf eine ein Wirkung eben der feminina auf -Öu zurück, bei denen -be regelrecht steht: gen, fcehbe, mcegbe, mirlhbe, eormenstrynde, dat. heht5e, cybbe, /cehbe, gedöe, geohbe, mcegbe, mcertSe, myrgbe, stt^be, gesibt^e, strengte, tybe?, rvergbe, yrhtie, meteledsfe, acc. äbyligde?, cybbe, oncytitie, ealdcyöbe, fashtSe, heht5e, hlywt^e, mcegbe, mwrbe, mirhtie, myrbe, strengte, wergt^e, yrmbe, cerleste, hy gekäste, meteleäste. Ohne die annähme dieser einwirkung, die man nur etwa durch die annähme einer vokalschwächung ersetzen könnte, bliebe es unerklärlich, warum der nom. sing, niemals die endung -e zeigt (wlence Sal. 82 in B neben tvelm A kann nicht ins gewicht fallen). Die Vermischung der bei- den klassen scheint nur dadurch herbeigeflihrt zu sein, dass der nom. sing, allein ursprünglich wie bei den kurzsilbigen so auch bei den mehrsilbigen auf -ipa das -u behielt, wie denn auch bei den neutris formen wie tunglu, cealfru im nom. plur. denen wie fatu, nicht wie rvord entsprechen; vgl dazu den nom. sing, elfetu 61. Aqu. 5. Später wäre dann nach ausfall des 'i der endung -ipa, der die betreffenden werte um die be- stimmende silbe verkürzte , wie bei den einsilbigen fe- mininis mit langer Stammsilbe, das -w im nom. fortgefallen. So haben wir cent^u, syncaldu, fcehbo, mcert^o, strengbu, heäh- strengbu, wergbu, wärbo , yrmbu, woruld-yrrnbo und daneben cybb*), oncybb, fcegb, hleöwb, hynb, mcegb, myrgb, gescelb, re- celest. Dem nominativ assimilierte sich zunächst der accusa- tiv, bei dem sich daher auch die formen auf -w verhältnis- mässig am häufigsten finden : cybbu, ealdcybbu, uncybbu, fcehbu, gehbu, strengbu, mägenstrengbu, wergbu, ermbu, yrhbo, gesynio **). Auch die gekürzten formen des nom. erscheinen wider im acc.

*) Auch wo bloss cyti geschrieben ist darf man dies nicht mit Grein zu ahd. cundi stellen; es ist cundida, wie die casus ohliqui beweisen. Dasselbe gilt von *lcetitf(u), das = ahd. leidida ist, nicht wie Grein will = leida,

**) gesynto ist ahd. gasuntida, wie gescenta gen. pl. zu ahd. giscen- tida gehört; t für dti wie in fint^ gylt, Stent = findet, gildeti, stende^, vgl. M. Heyne zum Beow. 1225.

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502 SIEVEßS

in gedb, mcegti, hleotS f= hleorvb, hlywbj, und dies widerholt sich dann auch bei den femininis auf -u = got. -ei, vgl. nom. yld, eld, acc. äßeryldj druncen (= ahd. irunkanx). Schliess- lich folgen genetiv und dativ nach (gen. fceh^o, mänfceht5u, hynbo, rvärgbo, yrmbu, gesynto, dat. gehbu, hedhbu, hynbu, strengten). Eine chronologische Untersuchung mtiste über diese frage entscheidenden aufschluss geben; eine solche lässt sich aber gerade an der band der poetischen denkmäler aus leicht ersichtlichen gründen nicht führen.

3. Verschiedene Unregelmässigkeiten zeigen die auf einen langen vokal ausgehenden feminina. Zu diesen gehören nicht (B leben Az. 165 und freö frau Gen. 457; denn ce ist offenbar got. äivs almv, also masc. und nicht mit Grein zu got. aha oder gar zu cet5m zu stellen, und freö ist neutrunl wie alts. fri.

Von den übrigbleibenden ^-stammen ist zu bemerken, dass sie im ganzen sing, durch contraction der endung mit dem vokal der Stammsilbe indeclinabel werden ; gen. ce, eä, heähsce*), preä, dat. ce, sce, preä, cwealmpreä, acc. ce, eä, sce, preä, so auch nom. pl. sce Ps. 65, 5, preä, und entsprechend dat. pl. eäm, preäm, peödpreäm, cläm neben nom. pl. öläwe, brüfwja, dat. preäum, brüwum. Der nom. sing, cläwu neben cleö Ps. 68, 32 steht wol für "^cläii, d.h. *cläw, obwol sonst nach lan- gem vokal auslautendes rv der vokalisierung nicht zu unter- liegen pflegt.

Zu den mischstämmen gehören cü, fbrüj, (sonderbar der nom. sügu Wr. gl. 22 etc.); und brü bilden den gen. pl. cüna, brüna, den nom. acc. pl. eye Ps. Stev. 67, 31 neben brüa, oferbrüfwja. Der dat. sing, cüe Rats. 16, 4 ist. erst durch conjectur Greins gewonnen.

4. Eine reihe von Wörtern ist von Grein als weiblich be- zeichnet worden, die diesem geschlechte entweder sicher nicht angehören oder ihm doch mindestens nicht durch entscheidende formen zugewiesen werden. Zweifelhaft sind mir hierunter bi7in, blinn, hals, hrisil, Icel, salig, scräd, swyld, über deren ge- schlecht ich nichts zu sagen weiss. Mit Sicherheit dagegen sind meiner ansieht nach als neutra zu betrachten cevisce = got äiviski ntr., ceder nach heän ceder = cedros Ps. Th.

*) sce ist gewöhnlich masculinum.

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ZUR ALTAGS. DECLINA TION. 503

28, 5, leäf laub (wol nur druckfehler wegen des vorhergehen- den leäf erlaubnis, s. Greins glossar zum Beovv. s. v.), wolcen- gehnäst (desgl., bei gehnäst selbst und den übrigen compositis ist bei Grein das geschlecht richtig angegeben), rvel == altn. vel ntr., femerliin ntr. oder masc. nedd, erwiesen durch den instr. neöde sine Gen. 854 und den öfter vorkommenden acc. sing, nedd, statt dessen man, wenn das wort fem. wäre, entweder "^ neöde oder "^nyd erwarten mliste. Masculina sind frumslcep (das einfache slcep ist bei Grein richtig als masc. an- gesetzt), ellenwod = mhd. wuot, m., altn. ötSr (unser fem. wut ist z. t. aus ahd. wuoti, mhd. wüete erwachsen), mund schütz = altn. mundr (das ahd. munt müste im ags. mynd ergeben), und auch wol durchgängig wästm, das Grein als m. f. n. be- zeichnet. Auf ein ntr. weist gar nichts hin, auf ein fem. nur die nomm. pl. wästme, eorb-, frumrwästme, die ebensogut nomm. pl. eines männlichen e-stammes sein können wie hyre, rvine, ylfe, Dene u. dgl.; auch hlöstm wird man hierher stellen dür- fen, wahrscheinlich auch den acc. pl. heäfodgimme Andr. 31 im reime 2i\jS heorogrimme ; mn^i lautet der pl. regelmässig gim- mos, und gimme ist vielleicht mit anklang an lat. gemme nur dem reime zu liebe gebildet worden, /rymö hat schon J. Grimm gr. III, 241 nach dem pl. frym^as als masc. zu ahd. bildungen wie leitid gestellt; die ags. formen nötigen durchaus nicht zur annähme eines femininums. Dass sceat5ena Gen. 549 zum masc. sceat5a, nicht zu einem sonst unbelegten fem. *scea- ben gehört, ist ebenfalls nur anzumerken.

5. Auch ein umgekehrtes verfahren zeigt sich bei einigen Wörtern; töhyht, gemynd, gewyrht (vgl acc. sg. änfealde ge- wyrht Crist 1578), fracotiu (vgl. dat. sg. fräcet5o Matth. c. 22, 6) sind feminina. Von gewyrhl und gehygd nebst dessen com- positis finden sich allerdings auch neutrale nom. pl. gewyrhtu, gehygdo, oferhygdo, auch ein neutraler instr. sg. ealle ingehygde Ps. 118, 145. Neben dem durchaus weiblichen gemynd steht das eigentümlich schwankende weort^mynd, das durch die ne- benformen weortimynt5 und weorbmynt auf eine grundform -mundiba oder ^-mundibi ntr. hinzuweisen scheint (s. s. 501 **). gräft und preä sind nur masc. und fem., nicht auch ntr. ; preä wird wol nur wegen, des nom. acc. pl. preä als ntr. angesetzt Sein, dieser grund kommt aber nach der bemerkung unter no.

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504 SIEVERS

3 in Wegfall, imiab scheint nur in der verderbten stelle Ps. 108, 18 fem. zu sein, sonst ist es masc. Schwankendes ge- schlecht haben im übrigen, wie schon oben einzeln bemerkt ist, flän, fldr, folm, heorr, scelj sircel, wröht, frbfor, hend, Hgef, cyst, est, hläst, list, lyft, slyht, gepeaht, wiht, wrcesn(J). Aehn- lich wechselt das fem. fribo, freoito (=ahd. ^ fridxf) mit dem masc. fri^y und cefstu mit oefest, dessen geschlecht zweifelhaft bleibt, mfman flectiert zwar durchaus masculinisch, fängt aber an weiblich gebraucht zu werden.

Schliesslich bemerke ich noch, dass man nicht mit Grein sunnu f. als nebenform zu sunne ansetzen darf, es muss heissen sunna swm.; sunnu Sat. 352 ist nach dem vorausgehenden hu verschrieben (vgl. z. b. I. Harczyk bei Haupt XVII, 78); dass Metra 28, 34 siö sunna stehe ist ein Irrtum Greins im glossar II, 496, der text hat siö sunne.

II. Die reduplicierten präterita.

Scherer ist meines wissens unter den Deutschen der erste gewesen, der uns den Schlüssel zum Verständnis der redupli- cierten präterita gegeben hat, indem er nachwies, dass die re- duplicationssilbe der gotischen präterita nicht den diphthong äi, sondern die ^brechung' ai = e eüthält und dass formen wie altn. ags. alts. het, ahd. hez, heaz u. s. w. Sin^haihäit durch die noch im ags. vorliegende mittelstufe heht hindurch ebenso ent- standen sind wie göt. gebum aus einem vorauszusetzenden *gagbum für * gagäbum*).

Diese beiden resultate halte ich flir so sicher bewiesen, dass es mir überflüssig erscheint, nochmals gegen die auch neuerdings immer wider (z. b. von Grein, Das goth. Verbum in sprach vergl. Hinsicht, Cassel 1872, s. 13 f.) vorgetragene ältere ansieht ein wort zu verlieren, deren Vertreter sich nicht einmal die mühe geben, allgemein gültigen lautgesetzen und

*) Zuerst in der anmerkung zu den Denkmälern LVIl, 9, s. 458 der ersten aufl., 1864, dann GDS a. 11 ff. und namentlich Zeitschrift für die Österreich. Gymnasien XXIV (1873), 295—300; mitletzteremaufsatz haben wir es hier besonders zu tun.

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DIE REDÜPLICIERTEN PRAETERITA. 505

dem factiseh vorliegenden sprachmaterial gerecht zu werden. Meine absieht ist es hier nur einige von Scherer nicht berührte punkte zu besprechen und meine im einzelnen von Scherer hie und da abweichende auflfassung darzulegen.

Es kann und wird wol in keiner weise bezweifelt wer- den, dass der vokal der reduplicierten präterita der auf 6inen consonanten ausgehenden wurzeln mit innerem ä oder al im präsens im altn., ags., alts. und ursprünglich auch im ahd. ein langes e war (alts. släpan slep, hetan het u. s. w.). Dass die- selbe quantität auch bei den wurzeln vorhanden gewesen sei die auf mehrere consonanten ausgehen, ist zwar ebenfalls eine heutzutage, wie es scheint, noch allgemein gültige annähme, doch ist sie eigentlich nirgends ausdrücklich verteidigt, und sie entbehrt in der tat meiner Überzeugung nach fast in ih- rem ganzen umfange der berechtigung.

Ich beginne, um den beweis für diese behauptung zu er- bringen, mit dem altnordischen, da flir dieses das richtige Sachverhältnis schon längst aufgeklärt ist. Texte, Wörterbü- cher, grammatiken, auch noch die von Wimmer, bieten zwar überall nur langen vokal, fekk, gekk, fengum, feil, Mit u. s. w. Aber schon im jähre 1860 hat Konrad Gislason in den An- naler for nordisk Oldkyndighed og Historie s. 327 330 durch die vergleichung der reime alter dichtungen und der modernen ausspräche (die doch auch nicht zu gering angeschlagen wer- den darf) gezeigt, dass allen diesen formen kurzes e ge- bühre; ich entlehne ihm deshalb hier nur zur veranschauli- chung folgende beispiele:

^ekk ülfr i ben ^rekka (Sn. E. I, 478 AM.)

sjor iekk af staÖ ekki (Sn. E. II, 202 AM.)

A>i^lands enn vier iengMm (Sighvatr Skäld.)

Brjän iell ok helt v^//i (Nj. 279.) und die bemerkung, dass vor ng dies kurze e bisweilen zu i wird, z. b. in

hrm^skyrturfram gm^u (HallfreÖr VandrseÖaskäld, s. Forn- sögur, Leipzig 1860, s. 208). Auch dieser Übergang beweist Ischlagend für die kürze des e.*)

*) Gislason hat übrigens a. a. o. schon vor Scherer bemerkt, dass der got. reduplicationssiibe ai gebühre, ohne indess die weiterentwicke- ung der prätt richtig zu erkennen.

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506 SIEVERS

Ebenso lässt sich die kürze des präteritumvokals auch für das altsächsische leicht nachweisen, und zwar, da der Monacensis des Heliand natürlich keine anhaltspunkte gewäh- ren kann, an der hand des Cottonianus*), den ich trotz der gegenteiligen ausflihrungen M. Heyne* s, in seiner Kleinen altsächs. und altniederfränk. Grammatik, Paderborn 1873, fort- fahren muss* flir ein echt altsächsisches, wenn auch einem grenzdialekt entstammendes denkmal zu halten. Diese hs. ver- wandelt bekanntlich die durch ersatzdehnung aus i, e entstandenen e in ie, z. b. in hier, mieda für her, meda. So finden sich denn auch regelrecht die präterita andried, andriedun, andriedej an- driedin; liet, lietun, lietin, cdieti, farliet, farlieti, farlietun, far- lieti aonj., /arlietin, teilet; riedun, giriedi; Met, hietun, hieti, hie- tin, gihiety gihietun, zusammen an 153 stellen, nur 19 mal un- terbleibt die diphthongierung in andre din 3943. 5820; lei 1986. 5395, letun 4440, letin 3849, farlet 514; giredi 2988. 3563; hit 579. 595. 728. 729. 2781. 4618. 5954, heton 4238, gihet 3414, gihetun 568; das entspricht völlig dem sonstigen Ver- hältnis zwischen ie und e in fällen wie hier und her.. Aber durchaus das umgekehrte ergibt sich bei den präteritis der wurzeln auf zwei consonanten. Hier heisst es/e//, ßllun, ant- feil, bifel, bifellun; uuell; held, heldmi, hiheld; giuueld, gitiuei- dun; f engin, antfeng, antfengun, bifeng, bifengi, farfeng, farfen- gun, farf engin, gif engt, gifengin; geng , gengun, fulgengun, fulgengi, im ganzen 130 mal neben 24 ie in hieldin 130; giuuiel- don 344; antfleng 288. 446. 477. 1241. 2269, antfiengun 953. 3675, bifieng 40. 393; gieng 102. 107. 198. 231. 477. 536. 1061. 1075. 1127. 1150. 3735. 4021, gimgin 1181. Von diesen letz- tern stehen aber 20 zwischen v. 1 1250, also im anfang, der auch sonst mancherlei auffallendes bietet, wie z. b. das später- hin verschwindende suithuo für suitho u. dgl. Auf die ea. 4700 verse von da bis zum schluss kommen nur 4 ie auf 113 e. Wir haben es darnach offenbar hier mit dem beginne eines assimilationsprozesses zu tun, der im ahd. am weitesten durch- geführt ist. Ursprünglich aber galt gewiss in der zuletzt an- geführten klasse von präteritis kurzes e.

*) Ich citiere nach Heyne's erster ausgäbe , bemerke aber zugleich ausdrücklich, dass meine angaben auf emev neuen collation der hs. be- ruhen.

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DIE REDUPLICIERTEN PRAETERITA. 507

Im althochdeutschen habe ich nur noch sehr geringe spuren dieses Verhältnisses in den ältesten fränkischen denk- mälern, dpn Fragmenta theotisca und dem Isidor aufzufinden vermocht. In den ersteren stehen auf der einen seite heaz 19,

21. 22, 28; /orleaz 22, 25; forreat 21, 27; scead 36, 20; ar- scheut 36, 29, denen sich feal 6, 7, fealun 6, 2 anschliessen ; man vgl. auch hear 4, 11. 5, 6. 10. 18, 13. 28, 7. 31, 10. 33, 1. 4 neben her 31, 18. 25. Auf der andern finden wir fengin 19, 23, antfengun 22, 12, kafenc 30, 3, kaferigun 13, 14, kafmi- gin 13, 3, infenc 31, 9, uuidarfenc 36, 6; genc 1, 5. 21. 5, 30. 6, 8. 21, 5. 23, 10. 33, 2. 6. 7. 36, 10, kern 21, 20. 22, 3, gen- gun 6, 15. 10, 16. 18, 15, kmgun 18, 16. 21, 13. 21; arhem

22, 3, allerdings auch felun 6, 6, forlez 10, 8, slefun 18, 6, die mit den angeführten her zu vergleichen sind; aber doch kein einziges ea auf 26 ^, während in der ersten klasse nur 3 e den 8 ^a gegenüberstehen. Zu beachten ist bei fcUlan die aufgebung der gemination des / und der damit verbundene übertritt zur ersten klasse.

Im Isidor heisst es noch antfenc 15, a, 20. 16, b, 7, Ufenc 10, a, 7, chifenc 3, a, 17, infenc 12, a, 15 gegenüber firleazssi 17, b, 17 nebst 12maligem hear und 16maligem tf^a (nom. acc. pl., aus de diphthongiert, nicht von einem stamm tja abgelei- tet); freilich findet sich auch ein firleizssi 15, a, 23. In den übrigen ahd. Sprachdenkmälern ist, wofern nicht noch hie und da in ältester zeit e und ea, ia überhaupt promiscuc schwan- ken, der diphthong ia, ie conscquent durchgeführt, und die ge- mination wurzelauslautender doppelconsonanten vereinfacht worden.

Bezüglich des angelsächsischen endlich hat Scherer in seinem neuesten aufsatz allerhand Schwierigkeiten der er- klärung zusammengestellt und sie zum teil mit glück hinweg- geräumt. Nur glaube ich, dass sich die sache noch einfacher klar machen lässt, sobald man wie im altn., alts. und ahd. kürze des vokals in den bereits contrahierten formen annimmt.

Es bilden die verba fön, hon die präterita feng, heng ; spannan das prät. spenn, speonn; healdan, rvealdan, feallan, weallan die präterita heold, weold, feoll, rveoll^ dazu die plurale spe(o)7inon^ feollon^ weollon mit beibehaltung der gemination, die entschieden für kürze spricht. Im englischen sind davon

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508 SIEVERS

nur feil und held tibriggeblieben mit kurzem e gegenüber heat d. h. h%t = ags. heöt zu heätan\ es wäre kaum gerechtfertigt hier neuere kürzungen vorzunehmen, da doch wenigstens a und i vor Id verlängert zu werden pflegen. Jedesfalls aber lässt sich aus dem ags. selbst kein direkter beweis für die länge des e in feng, heng, spenn finden. Den übrigen präte- ritis pflegt man diphthongisches beizulegen, heöld, feöll u. s. w., oder soll, wie man fast vermuten möchte (s. Holtzmann, Altd. Gramm. I, 206) das hier nur eine dehnung des ' ge- brochenen' eo bezeichnen, parallel der dehnung in formen wie heil Eine form Übertragung nach dem muster der verba mit dunklem innerem vokal wie hreöp, n>eöp hat Scherer mit recht geleugnet; wir werden uns entschliessen müssen, eine rein lautliche erklärung zu finden, und auch dazu hat Scherer den weg gezeigt, nur wird seine auflfassung in einigen punkten zu modificieren sein.

Ich gehe davon aus, dass feng, heng, spenn ein e enthal- ten und behaupte, dass heoldj feoll u. s. f. die durch das / her- vorgerufenen 'brechungen' dieses e zeigen. Diese behauptung steht freilich zunächst im direktesten Widerspruch mit der von J. Grimm gr. P, 239 f., P, 372 f. nachgewiesenen tatsache, dass vor // und Id^ überhaupt vor der Verbindung /+cod8., in der regel die brechung unterbleibt. Diese Schwierigkeit mag es hauptsächlich gewesen sein, die vor der annähme einer * brechung* eo in diesen präteritis immer hat zurückschrecken lassen. Der Widerspruch aber lässt sich bei genauerer betrach- tung wol lösen.

Mit Scherer und mit einigen modificationen mit Holtzmann (Altd. Gramm. I, 189 f.) bin ich darin einverstanden, dass ich eo als eine Veränderung eines e betrachte, hervorgebracht durch einen dahinter stehenden consonanten mit dunkelem timbre, in der stärksten potenz w- timbre (Holtzmanns bezeichnung u- umlaut ist im gründe nichts anderes), also z. b. i nach slawi- scher ausspräche im gegensatz zu dem helleren /. Ein jeder consonant aber bekommt das dunkle timbre (ebenso wie mu- tatis mutandis das e-timbre, die mouillierung) dadurch, dass er silbenanlautend vor einen dunkeln vokal tritt; es heisst also feo-ia neben fe-ia = got. fl-tu, teo-Han = alts. ti-ion u. s. w. Im Silbenauslaut aber pflegen sich wenigstens im ags.

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DIE EEDÜPLICIERTEN PRAETERITA. 509

die coBSonanten rücksichtlich ihres timbres nach dem vorher- gehenden vokal zu richten; das deutlichste zeugnis dafür ist dass auslautendes k nach / palatal wird, vgl. altengl. ich = ags. ic, altengl. srvich, neuengl. such = ags. swylc aus mlüc u. dgl. So heisst es denn entsprechend ags. rvel = got. vaila, nicht ^wei, ^weot, und ebenso snell, spell, so gut wie snel-les, speHes, swel-lan, rv'el-lan, sei-dan, hel-pan u. s. w. Formen wie die dative sneHum, spel-lum können gegen das tlbergewicht der übrigen casus keine Veränderung des e durchsetzen; wol aber sind scheinbare ausnahmen wie seoifer, meoic durch got. si'ht'hr, mi'hi'ks gerechtfertigt.

In den verbis feallan^ healdan u. s. w. ist nun, wie Scherer a. a. 0. s. 300 richtig erkannt hat, das / als i aufzufassen; es ergeben sich darnach aus den formen ^ß-fai, ^M-hald (das störende ea lasse ich der Übersichtlichkeit wegen fallen ; zudem ist es zweifelhaft, ob es zur zeit des bestehens der uncontra- hierten formen schon vorhanden war) durch allmähliche zu- sammenrftckung */e;-/, *he-td, und diese musten dann regel- recht zu feoi, heoid werden. Uebrigens muss ja doch auch Scherer den Übergang des e in eo vor/+cons. in leolc zugeben, und das steht ja auch ganz unserer auflfassung entsprechend für *re'iäc.

Auch bezüglich der form speonn neben spenn lässt sich diese erklärung aufrecht erhalten. Im allgemeinen lag bei folgendem n keine nötigung zur brechung vor, da das n in Worten wie spannan oflFenbar ein nicht so entschiedenes dunk- les timbre gehabt hat wie das / in healdan u. s. w. Es käme darauf an zu untersuchen, ob etwa speonn sich vorzüglich in solchen dialekten findet, die mit verliebe das a vor nasalen zu o verdumpfen. Eigentümlich und sehr auffallend ist, wie be- reits Scherer bemerkte, die form geong zu gangan, welche durchaus die üblichere ist. Scherers deutung vermag ich in. des nicht mit entschiedenheit zuzustimmen, ob wol ich bis jetzt keinen andern ausweg sehe.

Zum Schlüsse noch einige bemerkungen über die präterita der verba mit dunkelem innerem vokal. Diese haben bekannt- lich einen anderen entwickelungsgang eingeschlagen, indem durch einbusse des wurzelanlautenden consonanten, aber er- haltung des wurzelvokals und Verschmelzung desselben mit

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510 SIEVERS

dem vokal der reduplicationssilbe ein Präteritum mit dem diphthongen eo entstand. Den grund dieser verschiedenen behandlungsweise hat widerum Scherer richtig bestimmt, wenn er s. 298 sagt: * Zwischen dem reduplicationsvokal e und dem ai oder ei der wurzel (a ist schon vorher besprochen) herscht kein grosser unterschied der klangfarbe: ei konnte wegfallen, ohne dass der verlust eines charakteristischen tones sich dem ohr stark bemerklich machte. Dagegen e und jene dumpfe- ren klänge stehen so weit von einander ab, dass die Vernach- lässigung eines u oder o der controle des obres schwerlich entgangen wäre\ Dass es sich in der tat so verhält, dafür scheint mir noch folgendes zu sprechen. Die ags. präterita swedfj sweöp zu srväfan, srväpan^ statt deren man eigentlich srvef, swep erwarten sollte (denn an ein ^gebrochenes* eo ist natürlich hier nicht zu denkiön) erklärt Scherer s. 299, wenn auch zweifelnd, durch formübertragung von säwan seöw = got. säian saisö, altn. (nicht söa) sgra*) ; den ausgangspunkt dazu habe wol das gleichlautende ä des präsens geboten. Aber für einfacher und natürlicher möchte ich die annähme halten, dass ^sTve-sTvaif oder ^stve-swäf durch die mittelstufen "^swe-swef, ^^w^^-^w/ hindurch ohne äussere beeinflussung zu sweöf wurde. Die vocalisierung des rv tm u war bei dem allmählichen schwinden des wurzelhaften ai oder ä fast unausbleiblich. Genau ebenso ist der entwickelungsgang natürlich bei sweöp.

Eine ausnähme von der regel, die für das Präteritum der verba mit dunkelem innerem vokal den diphthongen eo for- dert, ist das altn. biet zu blöta neben hjd^ hjö, jök^ jös, hljöp {spjö?). Eigentlich wären auch die präterita der sogenannten ablautend-reduplicierenden verba in diese kategorie einzureihen, insofern man nach got. lailot u. s. f. im ags., alts., altn. nicht let, sondern ^leot, ^Ijöt erwarten sollte. Denn mit Scherer s. 299 das 6 des got. laildt u. s. w. für einen verhältnismässig späten und specifisch gotischen laut zu halten, dafür ist mei- nes Wissens kein zwingender grund vorhanden. Im gegenteil glaube ich, dass man in diesem d gerade einen gemeingerma- nischen laut wird erkennen müssen, sobald man das Verhält- nis der got. i und o zu einander genauer erwägt Ich glaube

*) Q in Vertretung des altn. durchstrichenen o.

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DIE REDUPLICIERTEN PRAETERltA. 511

in dieser beziehung einstweilen folgende grundsätze aussprechen zu dürfen, deren beweis ich mir auf eine spätere zteit vorbe- halte. Das indogerm. ä ist in gemeingermanischer periode regelmässig zu o geworden, ausser wo es durch mouillierung des folgenden consonanten vor der trübung bewahrt wurde, d. h. also in den stammen , die das suflfix i oder ja unmittel- bar an die Wurzelsilbe antreten lassen. Das so geschützte ä wird im got. zu e; nur säiarij väian, läian lassen das erhaltene ä mit dem ableitenden i, j zu dem diphthongen ai zusammen- fliessen (vgl. darüber Th. Jacobi, Beiträge zur deutschen Gram- matik s. IS ff. und meine bcuierkungen in den Verhandlungen der Leipziger Philologeiiversammlung 1872, s. 192). Alle übri- gen got. e sind durcli ersatzlehnung entstanden (und zwar entsprechen den aus a entstandenen in den übrigen germ. sprachen 4, den aus i, e entstandenen im allgemeinen e, im ahd. ia u. s. w.). Zur letzteren gruppe gehören . unsere redu- plicierenden verba. Got. Uta, reda^ fleka^ slepa u. s. w. lassen sich leicht auf die grundformen *lanta, ^^randa, ^flankOj *slampa zurückführen, s. J. Schmidt, zur geschichte des indog. vocalis- mus s. 36. 44 f. Von diesen scheint aber nur slepa = skr. rämhate, lämbate wurzelhaften nasal zu haben; daher das Prä- teritum saislep aus '^se-slampa. Die übrigen haben statt der nasalierung im Präteritum ursprünglich ä, germ. ö, also lailöt, faiflok, auch saisö , valvb u. s. w., analog wie in hbf zu hafja und noch genauer wie in stop zu standa.

Wenn nun die übrigen germanischen sprachen ausser dem got. in ihren reduplicierten präteritis hiervon keine spuren mehr aufweisen als das ags. seörv und etwa das altn. sgra = got. salso, so verhält es sich damit nicht anders als wie wenn z, b. das ahd. dem präsens standa das prät. stuont assimiliert oder das alts. ags. das präsensbildende n von fregnan auf das prät und part. prät. übertragen.*) Altn., alts., ags. let führe ich also auf ein jüngeres dem präsens angeglichenes *!e-Iät zurück.

Zu der jüngsten formenschicht gehören endlich präterita

*) Man vergleiche bezüglich dieser allen germanischen sprachen in hohem grade eigenen tendenz der gleichmachung früher verschiedener tempusstämme insbesondere die musterhaften ausführungen von J. Schmidt a. a. o. 49 ff.

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512 SIEVERS

wie gret, biet u. s. w. Das sind reine analogiebildungen, wie die formation der got. präterita gaigrbt, falflok dartut. Damit erklärt sich auch die anomalie des altn. biet Im altn. näm- lich findet sich die zweite art der präterita, mit dem diphthon- gen, nur bei den verbis, welche den gesammten wurzelanlaut leicht reduplicieren und nachher im inlaut eben so leicht auf- geben konnten, d. L nur da, wo eine von rein lautlichen mo- tiven abhängige direkte weiterentwickelung stattfinden konnte. In blota aber, das abgesehen von rda rgra, gröa grgra das einzige verbum mit innerem d im altn. ist, muste, nachdem einmal das nach analogie der got. galgrot, falflok vorangehende *be-bl6t sich nicht mehr halten konnte, eine neubildung ein- treten, und diese schuf die spräche nach dem muster der zahl- reicheren präterita mit e, e.

JENA. , E. SIEVERS.

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UEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL IN DER DEUTSCHEN VERBALFLEXION.

Unter grammatischem Wechsel versteht man in der deut- schen, speciell ahd. und mhd. grammatik die erscheinung, dass im plur. und. im part. perf. starker ablautender verba ein an- derer stammauslautender consonant erscheint, als in den übri- gen . formen des verbums. Die ahd. grammatik lehrt uns, dass stammauslautendes d in jenen formen zu t^ h zu g wird, also midan, aber mitum, mitan ; Udan - Utum, litan"'^ snidan - snitum, sni- tan ; siodan - sutum, sotan ; quedan - quätum, quetan ; werdan - wurtum, wortan ; ziohan - zugum, zogan; zihan - zigum; dihan - digum ; slahan - sluogum; dtvahan - dwuogum] gitvahan - giwuogum\ lahan - luogum. Eine dritte Wortklasse schliesst sich diesen an: die Wörter auf s, welche dasselbe in eben den formen zu r wan- deln ; risan - rirum, riran; kiosan - kurum, kor an ; (far)liosan - /w- rum,loran; friosan- frurum, froran, tvesan-rvärun (aber part. wesari) und lesan part. geleran, Dass diese an der gleichen stelle eintretenden lautveränderungen auch eine gemeinschaft- liche erklärung finden müssen, ist selbstverständlich. Aus dem vorliegenden hochdeutschen lautstande ist diese aber kaum zu geben, denn die laute tf, ä, s scheinen gar keinen vereinigungs- punkt zu haben; man sieht nicht ein, weshalb nicht z. b. auch das t in ritan in den betr. formen eine andere gestalt an- nimmt. ,So hat man sich denn damit begnügt, die tatsache eben als solche aufzuflihren*), ohne einen inneren Zusammen- hang der einzelnen erscheinungen nachzuweisen. Ein solcher aber lässt sich nur herstellen, wenn man die von Paul (diese

*) Vgl. Holtzmann, altdeutsche gr. s. 346.

Beiträge zur geschiohte der deatsohen spräche. I. 34

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514 BRAUNE

beitr. s. 147 ff,) vorgetragene theorie der lautverschiebung an- nimmt, insbesondere die ansieht, dass die mediae im germa- nischen aus tönenden Spiranten hervorzugehen pflegen, dass also das hochdeutsche d aus der spirans (nicht aspirate) th entstanden sei*). Für die richtigkeit dieser theorie bilden die erscheinungen des grammatischen wechseis ein beweismoment, welches Paul a. a. o. nicht genügend betont hat.

Wir beginnen mit den 5- stammen, welche uns am deut- lichsten die art der. lautbewegung zu zeigen vermögen. Das s ist ein harter oder tonloser spirant, und zwar der einzige, welchen das germanische als solchen aus dem indogermani- schen übernommen hat. Schon im gotischen war derselbe in zahlreichen fällen erweicht oder tönend geworden. Das goti- sche tönende z aber geht im hochdeutsciien, wie in den tibri-

•) Dass es ganz unnötig ist zur erklärung dieses Übergangs me- dienaffricaten zu construieren , hat Paul dargetan. Zu den von ihm auf s. 1 82 aufgeführten beispielen des Übergangs von j in ^ sei hier das bemerkenswerte factum hinzugefügt, dass noch im 17. jahrh. im Meiss- nischen, wo heutzutage der verschlusslaut regel, im anlaute der spirant herschte. Es geht dies hervor aus der stelle des Caspar Scioppius, welche Pfeiffer Germ. XI, 320 ff. hat abdrucken lassen. Daselbst wird als Meissnisch angeführt: Jott jeh euch ein jutes naues Gar, Das von Paul auf s. 177 betreffs des ags. gesagte ist dahin zu berichtigen^ dass im altags. ein g überhaupt nicht, sondern nur ^ existiert. Deutsche herausgeber setzen allerdings stülschweigend g dafür ein. Deswegen durfte correcterweise nicht von einem im nags. * neuerfundenen zeichen ^' gesprochen werden. Das zeichen g ist das älteste, es bleibt im nags., daneben beginnen daselbst die g, besonders vor dunkeln vocalen, auf- zutreten. Die erklärung bietet sich von selbst, dass im altags. auch im anlaut nur spirant herschte (man erwäge die ganz regelmässigen allitera- tionen des g und j z. b. Beow. 2427. giogode : gütf oder v. 13. geon^ in geardum, pone god sende -^ die Schreibung ge {gi) die sich vorzugs- weise für urspr. j, aber auch an andern stellen findet , könnte vielleicht palatalen Spiranten bezeichnen im gegensatz zum einfachen g vor dun- keln vocalen, was dann gutturaler spirant wäre). Als nun im neuags. vor dunkeln vocalen g in den verschlusslaut überging, entlehnte man das zeichen g, das man vielleicht aus dem romanischen als zeichen für gutturalen tönenden verschlusslaut kennen lernte, das alte g aber blieb in seiner altags. geltung (auch für urspr. j) bestehen. Die sache be- dürfte wol noch einer eingehenden philologischen Untersuchung. Auch Koch (gr. I, s. 106 u. s. 132) lässt sich durch die deutsche transscrip- tion des altags. verleiten zu sagen, im nags. trete statt g die erweichung g ein. Vgl. auch Wülcker oben s. 234.

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ÜEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 515

gen germ. sprachen in r über und umgekehrt: alle im germa- nischen aus s entstandenen r erfordern als Zwischenstufe tö- nendes s (2), da r ein tönender laut ist. Als das wesentliche des in den verbis kiosan, rtsan etc. vorliegenden lautwechsels ist also der Vorgang anzusehen, dass der tonlose ßpirant s im plur. perf. und pari perf. tönend wurde. Dass dieses tönende s dann in r überging, war nur die . folge der erweichung.

Im gotischen tritt an dieser stelle keine erweichung ein, es heisst stets vesun^ nie vezun etc. Auch im altnord. ist das s vorhersehend. Zwar geht r in vera ganz durch, aber bei den andern hierher gehörigen Wörtern sind die formen mit s teils allein, teils überwiegend im gebrauch. Dagegen ist in den sogenannten westgermanischen sprachen die erweichung des s das regelmässige, vgl. ags. ceösan, curon; freösarij fru- ron, wesan wceron u. a. so wie die alts. wärun, kurun^ far- loran.

Durch die germanische lautverschiebung kamen zu dem alten tonlosen Spiranten s noch drei neue hinzu: h (spr. == hd. ch) aus k, p (spr. = engl, th) aus t und f (labiolabial aus p. Diese neuen Spiranten zeigen nun im westgermani- schen, eben so wie das alte s, die neigung sich in den betref- fenden stellen der verbalflexion zu erweichen, aus dem tonlo- sen Spiranten h wurde der tönende (7 bei Brücke), welcher im allgemeinen durch das zeichen des lateinischen alfabets g widergegeben wurde. Wir haben demnach im alts. (und ebenso ags., jedoch wird hier stets g geschrieben) slögun {slahan), ihud- gun {thuahän), tugun (tiohan); hlögun (hlahhan) ,-" Sigs, pigon (pi- hart), tigon {ühan) altfränk. sägon (sehan), ebenso md. sägen und geschägen {geschehen). In Niederdeutschland hat man hier

wie überhaupt in allen fällen des inlautenden g noch heute durchweg den weichen Spiranten {gezogen nach nord- deutscher ausspräche des hochdeutschen); in Oberdeutschland dagegen war die weiche spirans durch weitergehende lautbe- wegung zum verschlusslaut g geworden, und wir haben hier nun allerdings in 'slahan - sluogun^ giwahan - girvuogun, drvahan - dwuogun etc. einen Wechsel zwischen der spirans (späterem blossen hauchlaut) h und dem verschlusslaut g (c), der sich aber eben nur aus der vorhergehenden tönend -spirantischen natur des g erklärt, indem sich urdeutsch slbyun zu slahan =

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516 BRAUNE

tväzun*) zu wesan verhält und verschlusslaut g, resp. r, nur weitere Veränderungen dieses erweichten Spiranten sind. Für das ahd. ist noch zu bemerken, dass bei den verbis auf -ahan das g (c) auch in die 1. 3 pers. sing. perf. gedrungen ist, der es •eigentlich nicht angehört: sluog, dwtcog, ginmog ; aber regelmässig zöh v. ziuhan^ deh von dihan, seh von sihan. Wie beim s, findet sich auch beim ä im got. in diesem falle keine spur der erweichung, es heisst stets slöhun, taühun, taihun; im nordischen dagegen tritt ebenfalls in diesen per- fectformen der tönende spirant auf, während in den übrigen formen der tonlose spirant schon zum blossen hauch geworden und abgefallen ist, also slä - slögun, sleginn ; hlaeja - hldgun; pvä

- pvdgun.

Das indog. t wurdß im germanischen zur tonlosen Spi- rans p. Schon im gemeingermanischen wurde diese in vielen fällen inlautend zur tönenden spirans Ö erweicht, z. b. fa^ar, mdbar, adj. frot^a- (vgl. lit prötas einsieht) = mhd. friiot und viele andere. So erscheinen dieselben noch im altnordi- schen und gotischen (denn das inlautende d ist im letzteren höchstwahrscheinlich Ö zu sprechen); diese durch erweichung aus p entstandenen inlautenden ö fielen so mit den aus indog. aspirata dh entstandenen vollständig zusammen. In den west- germanischen sprachen wurden diese beiden Ö in einer frühen zeit zur media d verschoben. Hierdurch erklärt sich nun der Wechsel des d und t im ahd. tverdan, quedan etc. Im urger- manischen lauteten dieselben werpan - worpun, rvorpans ; quepari

- quäpun, quepans. Im gotischen, wo eben nirgends die den gram- matischen Wechsel bedingenden erweichungen eintreten, haben sie noch die unveränderte german. tonlose spirans: vairpan - vaür- pun ; quipan - quäpun. Die erweichung tritt nur im westgerma- nischen ein**). Es wurde in vorhistorischer zeit werpan-wur- Öun, rvorban; quepan - quätfun, queöan. Auch dieser Vorgang ist ganz gleich dem in tvesan - rväzun. Der neue spirant p wird eben ganz wie der alte s behandelt. So wie letzterer im got schon vielfach zu z erweicht, die zahl der got. z aber im west-

. •) z hier im gotischen sinne = roman. slav. z. •*) Abgesehen natürlich vom nordischen, wo alle inlautenden p zu tf erweicht wurden, weshalb ein Wechsel dort unmöglich war.

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UEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 517

germ. durch die z dieser perfectformen vermehrt worden war, 80 traten auch noch zu den. gemeingermanisch -gotischen er- weichungen des p im westgerm. die Ö der perfecta hinzu. Zu der zeit, als nun im westgerm. die inlautenden Ö sich zu d verschoben und aus dem oben angeführten beispielen schon gotischer erweichung ags. fäder, modor , fr od wurde, da ging auch wurbun, qudbun in wurdun, quädun über und so heisst es denn ags. weorban - wurdon, cweban - cwaedon, seobari-sudon, miban - midqn, Itdan-lidon, vnban-vridon ; wobei noch zu bemerken ist, dass das tonlose p der präsensformen, wie überhaupt alle noch übrigen inlautenden p, im ags. zu Ö erweicht worden ist, natürlich erst nach dem übergange der früheren & in d, da es andernfalls zugleich mit diesen in d hätte übergehen müssen.

Auch in der voralthochdeutschen zeit (d. h. vor eintritt der speciell hochdeutschen lautwandlungen) muss es im ober- deutschen (wie im ags.) werthan-Tvurdnn,wordan\ quethan- quä- dun, quedan geheissen haben. Im oberdeutschen wurde nun d zu t verschoben und es ergab sich werthan - wurtun,ivortan\ quedhan - qudtun, quetan. So ist das Verhältnis in den ältesten oberdeutschen quellen. In den gl. K. haben wir die präesens- formen qhuidit , quethanni, chuuethandi , aber das part. perf. kikhuuetan. Nachdem dann auch die schon länger vorher tönend gewordene spirans th in d übergegangen war, ergaben sich nunmehr als endgültige hochd. formen: quedan- quätun, quetan ; werdan - wurtun, fidan - litun, rmdan - mitun, snidan - snitun, siodan-sutun,

Waren die erweichungen des s und h in den betr. verbal- formen allen westgermanischen sprachen gemeinsam, so ist der factische bestand in der dentalreihe etwas anders. Die erscheinung erstreckt sich in derselben merkwürdigerweise bloss auf das althochdeutsche und angelsächsische: im altnie- derfränkischen der psalmen, im altsächsischen des Heliand und im altfriesischen finden wir sie nicht. In den psalmen sind belegt von werthan: 3. pl. p. uurthun (4 mal), Gonj.uurthi (68, 21); von lithan: 1. pl. p. Uthon (65, 12), farlithon (gl. Lips. 280); von quelhan\ 3. pl. p. qiiäthan (4 mal). Nach analogie des angelsächsischen und hochdeutschen sollte man in diesen formen d erwarten. Ebenso im Heliand; daselbst sind belegt

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518 BRAUNE

formen des perf. bez. part. p. von tithan, sntthan, mithan, que- than, werthan. Diese zeigen immer th oder &, wenigstens im Cotton., der Monacensis bietet daflir oft d, wie er überhaupt fiir alle inlautenden & häufig schon das spätere d zeigt. Es kann also eine form des Monac. uurdi keinen grammatischen Wechsel beweisen, indem eben so gut der inf. uuerdan vor- kommt*). Die übrigen schon gemeingermanischen er weichun- gen des p in fatiar, mobar, /roöa- etc. sind regelrecht im alts und altndrfr. zu d geworden und erleiden keinerlei Vermi- schung mit dum (nunmehr durchweg erweichten) inlautenden th, &. Diese letzteren gingen im mittelniederdeutschen und mittelniederländischen ebenfalls in d über, wodurch dann die zwei laute zusammenfielen. Hätte also auch das altnieder- deutsche einen grammat. Wechsel bei den dentalen gekannt, so würde er dadurch vernichtet worden sein.

Im altfriesischen ist belegt von snitha das part. esnithin, gesnithin; von wertha pl. p. wurthoriy conj. wurthe , part. wiir- ihm. Daneben kommen, sowol im praesens als in diesen per- fectformen, schon häufig die jüngeren d statt th vor, ein gram- matischer Wechsel aber lässt sich nicht erkennen.

Mitteldeutschland scheint sich in dem nichtvorhandensein des grammatischen wechseis bei den dentalen zum niederd. zu stellen. Die Leidener hs. des Williram, welche noch den alten Spiranten th in an- und inlaut bewahrt, flectiert tverthan (20, 2 etc.), warth (24, 13), 3 pl. p. wurthan (24, 17. 36, 16. 43, 11), part. worthan (11, 27 und noch 5 mal); quitho (65, 26), quath (48, 19), plur. quäthan (72, 8). Dem entsprechend hat die Breslauer hs. in den betr. formen immer d, nur einmal (36, 10) wurien, Der Tatian, welcher ebenfalls aus dem mittle- ren Deutschland stammt, zeigt nicht, wie nach seinem sonsti- gen dentalstande zu erwarten wäre, rvurtun, quätun, sondern stets nur tvurdun, quädun. Ja gerade bei diesen formen ist der sonst seltene inlautende spirant belegt: einmal wurthun und zweimal quälhun; es geht daraus zweifellos hervor, dass im dialekt des Tatian an diesen stellen bis vor kurzem die Spirans herschte. Das particip dagegen folgt der hochdeut-

*) Holtzmann schreibt in seiner altd. gramm. s. 171 falschlich auch dem alts. grammatischen Wechsel zwischen th und d zu.

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UEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 519

sehen regel, es heisst giquetan, girvortan. Dazu noch die zwei participia bimitan, Usnitan, zu denen wir sonach die perfecta midun, snidun ansetzen müssen. Isidor hingegen, welcher das d nicht zu t verschob, zeigt dennoch den Wechsel durch- aus. Er schreibt ausnahmslos wurdun, nmrdi, fchi-Jwordan; part. p. quhedan (5 mal). In den praesensformen und sing, perf. ist dh das liberwiegende, doch tritt daneben auch schon häufig das spätere d auf, so z. b. haben wir 3 mal nebenein- anderstehend uuardh uuordan und 3 mal uuard uuordan. Nach dem vollständigen umsatz des dh in d muste also im dialekt des Isidor der grammat. Wechsel der dentalen verloren gehen. Auch Otfrid zeigt im allgemeinen den grammatischen Wechsel wie im oberdeutschen, jedoch mit einzelnen abweichungen der verschiedenen hss., sämmtliches hierhergehörige findet sich bei Kelle Otfr. II, s. 27 fi". Bemerkenswert ist nur noch, dass sich bei Otfrid auch findan der zahl der Wörter zugesellt, welche grammat. Wechsel zeigen; in Oberdeutschland ist dies nur spu- renweise der fall.

Wenn wir gesehen haben, dass das niederdeutsche den grammatischen Wechsel bei den dentalen nicht hat, so muss dies gegenüber der Übereinstimmung des ags. und ahd. be- fremden. Es lässt sich allerdings vermuten, dass auch im nie- derdeutschen die erweichung des /> in den betr. formen einge- treten, aber im laufe der zeit durch die analogie der übrigen formen wider verwischt worden sei, doch kann man eben nicht über die Vermutung hinauskommen*). Freilich spricht das eintreten der gleichen erweichung bei s und h sehr für die- selbe. Ueberhaupt aber muss man das wol beachten, dass dieser ganze lautwandel nicht auf einem streng durchgeführten lautgesetz, sondern nur auf einer sehr ausgeprägten lautnei- gung beruht. Zumal beim s zeigen sich durchgehende aus- nahmen, besonders ahd. farwesan, welches nie r annimmt, ne- san und lesan entziehen sich teilweise dem lautwandel, ebenso wesan im partic.

•) Paul macht mich darauf aufmerksam, dass im alts. (Monac.) wol im praesens fithan (finden) vorkommt, nie dagegen im perf. und partic. andere formen als fundun, fundan. Das ist eine weitere stütze obiger Vermutung.

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520 BRAUNE

In enger beziehung zum grammatischen Wechsel steht noch eine andere erscheinung. Die erweichung der harten Spiran- ten s, h, p tritt nÄmlich im westgerm. (abweichend vom goti- schen) ausser in den perfectformen der starken verba auch in den von diesen abgeleiteten verbis ein. Vom gotischen nismi, nesum lautet das causat. nasjan, im hd. aber finden sich nä- rum, nerjan, welche die erweichung nezum, nazjan voraus- setzen. In gleicher weise entsprechen sich got. reisan, risum, raisjan = ^hd. risan, rirum, rerjan; got lais, *.lisum, laisjan == ahd. lerjan und Urnen; got. driusan, drusum, drausjan^= ags. dreösan, druron, dreärjan, as. driosan, causat. ahd. fror- Jan (Grflf. 5, 545); got. kiusan, ahd. kiosan, abgel. koron\ ahd. friosan und frörjan, jesan und jerjan. Ferner abgeleitete verba, die keine entsprechenden primitiven zur seite ha- ben: got. vasjan, hausjan = ahd. werjan, horjan. Eine aus- nähme bildet lausjan = ahd. lösjan, Die gleiche erschei- nung zeigt sich nun auch beim />. Im got. würde zu leipan^ lipum das causat. *laipjan gehören. Daraus im westgerm. zunächst lipan, caus. laibjan und dann nach Verschiebung des t5 in d: Üpan, lidum, laidjan; dem entsprechend im ags. Uban, lidon (daneben libon), caus. laedan und ahd. lithan (daraus ß- dan), litum, causat. leitjany leittan. Auch die niederdeutschen sprachen, welche bei den starken verben auf p keinen gram- mat. Wechsel zeigen, stimmen hier genau zum ags. und ahd. Es heisst alts. liban, aber ledian, altndfränk. Üthan, aber leidan afiries. leda. Ebenso hat der Leidener Williram Uthan (pati), aber leidan (69, 17) und der Breslauer leiian. Ein weiteres beispiel ist ahd. quethan (später quedan) und quetjan; ags. cvebmi und cviddjan, alts. quedan und queddian,*) Aehnliches findet sich nun auch bei den stammen auf h, z. b. zeigon zu zihan, got, würde das verbum wol *taihdn lauten; ahd. vrägen vom stamme fr ah- in got. fraihnan ; auch ahd. ruogjan = got. vroh- Jan lässt sich hierher ziehen, doch gebricht es an so schla- genden beispielen wie bei den s- und /»-stammen.

Ausser s, h, p haben wir aber im urgermanischen noch einen harten Spiranten: das aus indog. p hervorgegangene /*.

*) Dass die erweichung in den abgeleiteten verben auch im nieder- deutschen eingetreten ist, dürfte ebenfalls fdr das ehemalige Vorhanden- sein derselben auch in der verbalflexion des niederdeutschen sprechen.

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UEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 621

Dieses ist inlautend schon im gotischen zahlreich tönender Spirant (geschr. b) geworden. Als tonloser besteht es in ein- facher Stellung nach vokalen nur in hafjan, hiufan, hUfan, si- fan, ufar, afar, Ibfa, Im nord., ags. und niederdeutschen ist das aus indogermanischem p entstandene inlautende / durch- aus tönender spirant {v) geworden und mit dem schon beste- henden weichen Spiranten, welcher aus indog. aspirata hh her- vorgegangen war, vollständig* zusammengefallen. Denn die Schreibung f für diese beiden weichen Spiranten im altags. und altn. muss man mit Paul zweifelsohne fttr mangelhafte lautbezeichnung halten. Wir können sonach an dem labialen Spiranten in diesen sprachen keine erscheinungen des gram- mat. wechseis erwarten..

Etwas anders ist das Verhältnis im hach deutschen. Hier erhielten sich etliche inlautende tonlose /; bei weitem die meisten aber wurden (wie im niederd. alle) zu v erweicht und fielen so mit dem schon bestehenden v (= indog. hJi) zu- sammen. Durch einen speciell oberdeutschen verschiebungs- act wurden diese beiden v zum verschlusslaut {b oder p ge- schrieben). Das oberdeutsche ist die einzige germanische spräche, in welcher indog. hh inlautend zum verschlusslaut wurde: in allen andern blieb es tönender spirant. Ferner gilt es sich klar zu machen, dass das lautverschiebungsschema des />, wie es seit Grimm aufgestellt wird (idg. p = got. f = hochd. /) nur für den anlaut zutreffend ist. Für den inlaut ist es nach der überzahl der fälle als /?=/*= & anzusetzen.*) Es wird nicht überflüssig sein, wenn ich hier nach den lexi- calischen arbeiten von Fick im 'vergleichenden Wörterbuch' (W.) und in der 'ehemaligen Spracheinheit der Indogermanen Europas', Göttingen 1873 (S.) diejenigen indog. werte oder wurzeln mit inlautendem p zusammenstelle, welche im ahd. eine entsprechung haben. Nicht mit aufgezählt werden die fälle, in welchen indog. inlautendes p im german. unverscho- ben bleibt und erst im hochd. verschoben Wird, was nicht ganz

*) Richtig betont schon Weinhold (al. gr. § 154) die entstehung der hd. inlautenden h aus niederd. i?, er unterlässt es aber auf den zusam- menfall des inlautenden indog: p und hh hinzuweisen und scheint sogar in dem irrtume befangen zu sein, dass alle diese h auf indog. 'p ('griech. tenuis') zurückgingen.

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selten ist z. b. küpa, as. höp, hochd. häufe (W. 46. 512); kalp (W. 39); Sharp (W. 205); arpa (W. 341). Ferner tibergehe ich eine anzahl vergleichungen, die mir nicht richtig oder doch unsicher scheinen, z. b. ahd. kerhan zu grap (W. 358), wo mir die trennung von yga^co und grahan ungerechtfertigt erscheint; ahd. kliohan zu glup (W. 358): hier muss doch wol indog. hh angesetzt werden. Auch die zurückführung von salhön auf sarp (W. 196) halte ich nicht für unzweifelhaft. Ausgeführte vcFgleichungen zu geben wäre öberflttssig, ich entledige mich derselben durch den hin weis auf Fick:

1) apa got. af, ahd. aba, ab (W. 9). 2) ap, germ. af- (in got aba, ags. äfhan, afor validus) ahd. uoban (W. 10). 3) üp in scr. upara, got. ufar, ahd. ubar, obaro (W. 25). 4) kup (in lit. kup- stas hügel) mhd. hübel (vgl. W. 45), 5) dap (teilen) ahd. zebar (W. 92). 6) lip, in ahd. be-liban (W. 169. 394. 540). 7) rup (brechen) ags. reöfan, an. rjüfa, ahd. roup, roubön (W. 173). 8) vip (zittern), an. veifa, ahd. weibön (W. 190). 9) scr. saptan, ahd. sibun (W. 194). 10) skaupa (bttschel), ags. sceaf, ahd. scoub (W. 208). 11) stap an. stafr, ahd. stab (W.212). 12) stup, ahd. stobaron (W. 214). 13) svap (schlafen), an sofa, ahd. ant-sebjan (W. 219). 14) apina, ahd. eban (W. 340). 15) apra, ags. eofur, ahd. ebur (W. 340. 509). 16) kapat, got. haubi)?, ahd. houbet (W. 340). 17) karp, ags. hearfest, ahd.. herbest (W. 348). 18) tarp, ahd. derb (W. 364). 19) räpä, ahd. ruoba nhd. rUbe (W. 388, S. 358). 20) skap, ahd. scaban (W. 405). 21) skalpa (wölbung)

ahd. walbßn (W. 408). 22) klaipa, got. hlaifs, ahd. leib (W. 515). 23) lapa (blatt), ahd. loub (W. 539, S. 363). 24) rip, an. rifa, ahd. rtban (S. 359).

Von Wörtern, die im ahd. unveränderliches f haben, lassen sich indogermanischem /?= germ./ nur folgende sicher vergleichen:

25) kapa, an. höfr, ahd. huof (W. 32). 26) karp (lat. corpus), ags. hrif, ahd. href (W. 38). - 27) napa, ags. nefa, ahd. nefo (W. 109). 28) rap (bedecken), ahd. rafo (W. 388). 29) apalas (kraft), ahd. afalön (S. 297); vgl. jedoch dazu no. 1. Nhd. kiefer und steif zu gapra (W. 58) und stipra (W. 410) sind im ahd. nicht nach- gewiesen.*)

Neben erhaltenem / findet sich auch b in folgenden ety- mologisch klaren stammen:

30) kap (in gi\ x^noq), ahd. hof und huoba (W. 347). 31) skarp, got

*) Hierher gehören auch strenggenommen noch hochd. wolf und -Uf (in elf zwölf), welche indogerman. tenuis, aber nicht einem />, sondern k entsprechen. Im got. ist f in -Uf bekanntlich erweicht.

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ÜEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 523

hvairban, ahd. hwerfan, daneben und später werban, hwarbön, warba (W. 407). 32) aap ahd. ensebida, insuop , dazu angesetztes prae- sens intseffan (W. 402. S. 373). 33) kap (lat capio), got. hafjan, ahd. heffan, abgeleitet haben.

Von 33 fällen also nur in 5 kann ahd. inlautendem / ein germ. / = indog. verglichen werden. Für andere fehlen sichere vergleichungen. Ein indog. p kann man z. b. voraus- setzen flir das /.in ahd. durfan, welches im got. abweichend vom hd. erweicht ist, auch ahd. findet sich die erweichung im abgeleiteten darben, sowie in bidarbi, Aehnlich ahd. hiufan, hiuban = got. hiufan. Doch würden natürlich mit der zu- nähme der vergleichungen auch die ahd. b = indog. p in glei- chem masse steigen.

Bei den starken verben unter no. 6. 20. 24. würden wir grammat. Wechsel erwarten können, wenn nicht die erweichung des f im hd. schon früh auch das praesens ergriffen hätte. Auch bei hwerfan, hwerban ist ein grammatischer Wechsel nicht zu constatieren, das wort scheint durch alle formen entweder f oder b zu haben (z. b. chiuurfi, chiuuoruan Is.). Später trat dann in den meisten oberdeutschen gegenden bei diesem und ähnlichen werten durchweg b ein, am längsten und zum teil bis auf den heutigen tag*) erhielt sich f in bairischen dialec- ten; so haben wir in der Vorauer hs. regelmässig wervm, wer- fen u. a. Grammatischer Wechsel zeigt sich aber bei heffan.. Die durchaus regelmässige flexion im ahd. ist heffayi {hefan, hevan), huob, huobum, gihaban (erst bei Notk. findet sich auch das partic. mit v: erhaven). Hierzukommt no^ih: intseffan ; das praesens ist zwar nicht belegt, darf aber mit Sicherheit so an- gesetzt werden. Davon perf. svab, suabun, conj. suabi bei Ot- ' frid, in anderen ahd. quellen kommt das wort nicht vor. In diesen beiden werten ging also die erweichung des / und die daraus folgende hochd. Wandlung in b nur im perf. vor sich; dass auch der sing, b zeigt statt des zu erwartenden f, ver- gleicht sich dem oben besprochenen sluog, sluoc. Hefen, heven blieb in einzelnen oberd. dialekten noch lange bestehen; in den meisten aber war schon zur mhd. zeit das b unzwei- felhaft durch die analogie des perf. auch in das praesens

•) Vgl. hierüber Weinholi, bair. gr. 132c, 133% 134,

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gedrungen; ebenso ist in der mhd. periode; nur enisehm als praesens gebräuchlich. Wie die andern erscheinungen des grammatischen wechseis, so teilt das got. auch diese nicht, es zeigt den harten Spiranten im ganzen verbüm hafjan, hof, ho- fum, hafans. Im abgeleiteteten verbum haban hat es dagegen schon erweichung.

Durch die den westgermanischen sprachen gemeinsame erweichung der harten Spiranten s, h, p, f an gewissen stellen des verbums ist also die schon von Paul betonte gleiche be- handlung der drei neuen harten Spiranten mit dem alten s des weiteren sichergestellt*). Wir können daher ganz unzweifelhaft den lautwandel der indog. tenues dahin bestimmen, dass diesel- ^ ben im urgermanischen zunächst zu h, p, f und daraus inlau- tend in vielen fällen zu /^ &^ r wurden, welche letzteren in den altniederdeutschen sprachen vorliegen, nur dass das ä in denselben bereits zu d weitergegangen ist. Dieses d geht nun im hochdeutschen in t tiber, jene 7 und v aber in die ver- schlusslaute g und h. Wir haben sonach als einen speciell hochdeutschen verschiebungsact die Verwandlung der inlauten- den Spiranten 7, t; in die verschlusslaute g, b zu bezeichnen. Nun besteht aber die masse der hochd. inlautenden g und b nur zur einen hälfte aus solchen, welche durch erweichung aus urgerm. harten Spiranten und indog. tenuis hervorgegangen sein müssen, die andere hälfte entspricht der indog. aspirata gh und bh. Seit Grimm hielt man dafür, dass diese durchaus im germ. zu g und b verschoben seien. In allen übrigen germ. sprachen treten uns nun dafür inlautend die tönenden Spiran- ten 7 und V entgegen und zwar am unleugbarsten durch die Schreibung bezeichnet der labiale spirant v. Nehmen wir die- sen also als beispiel, so ist gewis die von Paul gegebene er- klärung die natürlichere, dass indog. bh inlautend in den vor- liegenden germ. sprachen nur bis zur tönenden spirans ver-

•) Betreffs der allen germ. sprachen gemeinsamen erweichungen sei hier nur nochmals an die neigung erinnert, der zufolge dieselben in wortbildungs - und flexionssuffixeu einzutreten pflegen {s zu z z. b. im comparativsuffix iza, in blidaizos, hwazuh und dem entsprechend in den übrigen sprachen .r; /> zu got. d (phonet. = Ö) ungemein häufig, z. b. im partic. (nasi-)da- aus indog. tas ; A zu ^ in dem adjectivsuffix -ga- = gr. -x6- z. b. mahteigs). ^

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schoben, als solche mit der aus tonloser erweichten (idg. te- nuis enssprechenden) tönenden spirans v zusammengefallen und nun allein im hochdeutschen in den verschlusslaut über- gegangen sei, was um so wahrscheinlicher ist, da für die eine hälfte der hd. inlautenden b eine andere erklärung gar nicht möglich ist. Es ist daher anzunehmen, dass nicht bloss in entsprechung des indog. p, sondern auch des indog. bh die niederdeutsche stufe v älter als die hochdeutsche b ist.

Wir können den beweis noch wesentlich verstärken durch einen weiteren vergleich mit dem niederdeutschen. Die ge- wöhnliche regel lautet bekanntlich, dass sich im niederdeut- schen (ags.) die alte media b nur im anlaute, sowie im inlaute nach m und in der gemination bb erhalten habe, in allen übri- gen fällen sei sie in v, f übergegangen. Paul hat dies dahin umgekehrt, dass nur im anlaut, nach m und in Verdoppelung das ursprünglichere v in den niederdeutschen sprachen in b übergegangen sei. Dasselbe Verhältnis finden wir nun " im hochdeutschen reflectiert. Dass im althochdeutschen anlauten- des p inlautendem b gegenüber bei weitem das überwiegende ist, hat Weinhold richtig durch die vergleichung des nieder- deutschen erklärt, wo anlautendes b inlautendem v gegenüber- steht*). Nicht minder aber erklärt sich der umstand, dass auch in solchen denkmälern, welche inlautend nur b zeigen, dennoch in Verdoppelung pp zu stehen pflegt, daraus, dass auch hier niederdeutsche gemination bb gegenüber dem ein- fachen V (b) weitergeführt ist. So haben wir ahd. luppi (ve- nenum) = got. lubja-, ags. unlybbe; sippi, sippa (Is. sipbea) alts. sV)bia, fries. sibbe; stuppi, got. stubjm; insrveppan, ags. srvebban] rippi, altfries. rib, gen. ribbis, ags. ribb; weppi, alts. godU'Tvebbi; uppi, uppic, welches zu dem in oben und über ver- tretenen stamme üb- gehört.

Die gemination vor nachfolgendem J, aus der die obigen beispiele hervorgegangen sind, ist eine eigentümlichkeit der westgerm. sprachen; das gotische kennt sie nicht, eben so we- nig das nordische: sifjar, rif, gut5vefr etc. stehen daselbst den obigen beispielen gegenüber. Zur erklärung des pp im hochdeut-

*) Vgl. auch Paul, s. 172.

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sehen gibt es nur den weg, dass, wie im niederdeutschen, so auch in der voralthochdeutschen periode im oberdeutschen der geminierte spirant w zuerst in den verschlusslaut bb überge- gangen, dadurch dem in der einfachen Stellung noch verhar- renden V um eine stufe vorausgekommen ist und diesen vor- sprung auch nach der Verschiebung des einfachen v durch ebenfalls weitere Verschiebung behauptet hat Kurz: der laut- stand im oberdeutschen muss in bezug auf b und v einmal genau derselbe gewesen sein, wie er uns im alts. und ags. vorliegt Dass sich im althochdeutschen mb nicht wesentlich von den übrigen inlautenden b abhebt, hat seinen grund in der doppelconsonanz: das tönende m konnte ^ festhalten; dass aber auch im oberdeutschen nach m das v früher verschluss- laut wurde, kann nicht zweifelhaft sein. Zu erwähnen ist noch, dass nach langen vocalen, wo in den altniederd. spra- chen keine schärfung des v eintritt (z. b. gilövian beichte , ags. gel^fan) auch im hochdeutschen im allgemeinen die entspre- chende erscheinung fehlt (vgl. Holtzmann s. 303); ausnahms- weise tritt sie auf bei K., der sonst inlautend immer b schreibt; z. b. Hppanti, libbe, erlauppe, erlaubpan, auch in der Exhort A: galauppenne.

Die gleiche erscheinung haben wir auch bei den guttura- len. Die ahd. beispiele findet man zusammengestellt bei Holtz- mann s. 272 unter gg. Auch im mhd., bez. nhd. heisst es noch ämcke von weg, rücke, brücke, henken zu hangen, klenken zu klingen u. a.. Dadurch und durch die analogen Verhältnisse der labialen wird wahrscheinlich gemacht, dass ursprünglich alle inlautenden g Spiranten waren, dass aber in der gemina- tion der verschlusslaut eher eintrat (wie dies für das ags. durch die Schreibung c^ sicher gestellt wird), und dass auch nach eintritt der hochdeutschen lautwandlungen die gemination des urspr. Spiranten 7 den so gewonnenen vorsprung behauptete.

Die gegenprobe für die richtigkeit dieser Schlüsse bietet uns nun die dentalreihe. Hier wissen wir sicher, dass schon im westgermanischen die urgermanischen inlautenden Ö zum ver- schlusslaut d geworden waren (z. b. in mödar, f^aw=nhd. reiten). Die gemination durch y, welche die Spiranten in verschluss- laute zu verwandeln geneigt war, konnte hier also diese Wir- kung nicht ausüben und wir finden daher hier im hochdeut-

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ALTSLOV. FREISINGER DENKMAELER. 527

sehen keinen vorsprung der Verschiebung; es heisst mhd. bette, dritte, ebenso wie muoterj riten.

Ich hoflfe, durch die vorstehenden bemerkungen einige wei- tere beweise für die richtigkeit der von Paul aufgestellten lautverschiebungstheorie beigebracht zu haben, insofern sich unter annähme derselben einzelne erscheinungen erklären Hessen, die nach der theorie Grimms keine befriedigende erklärung finden konnten.

LEIPZIG, nov. 1873. W. BRAUNE.

DIE ALTSLO VENISCHEN FREISINGER

DENKMAELER IN IHREM VERHAELTNISSE

ZUR ALTHOCHDEUTSCHEN

ORTHOGRAPHIE.

Die Münchner bibliothek besitzt eine Miscellanhs. aus Frei- sing (cod. Fris. 226), worin sich 3 kirchliche formein in alt- slovenischer spräche befinden. Herausgegeben sind dieselben mehrmals, am besten von Kopitar (Glagolita Clozianus, Wien 1836 p. XXXIII flf.): 'Specimen dialecti Carantanicae^ sec. X. ' Für die slavische Sprachwissenschaft sind diese denkmäler von hoher Wichtigkeit, indem sie zeigen, dass schon in so früher zeit (2. hälfte des 10. Jahrhunderts) das altslovenische die keime des heutigen slovenisch in sich trägt und von der alt- bulgarischen kirchensprache deutlich geschieden war. Sie ha- ben auch noch eine andere bedeutung. Ohne zweifei in Frei- sing geschrieben*), sind sie nicht im griechisch -cyrillischen, sondern im lateinischen aiphabet abgefasst, welches allerdings zur aufzeichnung slavischer tejte äusserst ungenügend war. Als ich zum ersten male unter Leskiens anleitung diese denk- mäler las, machte dieser auf verschiedene absonderlichkeiten der Orthographie aufmerksam und vermutete, dass dieselben aus dem deutschen ihre erklärung finden möchten**). Die

*) Kopitar vermutet, die hs. sei geschrieben vom bischof Abraham von Freising (957 994), der ein Slovene aus Kämthen war. **) Aehnlich auch schon Kopitar p. XLII.

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richtigkeit dieser Vermutung war mir sofort klar; es liegt ja auch so nahe, dass der oder die Verfasser, mit der damals für das ahd. üblichen Orthographie vertraut, deutsche lautj>s>!zeich- nungen auf das slavische anzuwenden suchten. Wenn nun auch durch diese denkmäler gerade keine neuen gesichtspunkte fllr die ahd, lautlehre gewonnen werden, so bestätigen sie doch bereits anderweitig erschlossenes und es schien mir deshalb wol der mühe wert, diese punkte einmal in kürze zu bespre- chen. Zunächst veranlasst, dies schon jetzt zu tun wurde ich durch eine benutzung dieser denkmäler zu einer beweisfüh- rung, die bloss durch die oberflächlichste bekanntschaft mit denselben erklärlich ist. Scherer sagt nämlich in seiner in der zeitschr. für östr. gymn. 1873 s. 282 ff. veröffeiitlichten re- cension von Hahns ahd. grammatik auf s. 291: „Auch was der unterschied zwischen s und z bedeute und wie sich letz- teres zum s verhalte, wird nicht gesagt. Darüber kann man denn freilich auch bei andern leuten oft die wunderlichsten Vorstellungen treffen. Hat doch neulich jemand*) behauptet,' sb neben sp und sg neben sk beweise, dass b und p tenues seien, denn das tonlose s werde niemals tönend**). Umge- kehrt, das s ist im ahd. so sehr tönend, dass es selbst in den alten gruppen sp, sk, st (denn auch hierfür kommt sd***) vor) die tenuis sich assimiliert und in dem Sprachgefühl gewisser

•) Scherer scheint es für seine pflicht zu halten, Lachmann und Müilenhoff in der weise zu folgen, wie dieselben einen unbeque- men gegner gelegentlich ohne namensnennung mit einer verächtlichen Seitenbemerkung abfertigen. Gemeint ist hier Paul, Gab es eine mhd. Schriftsprache s. 25.

'**) Um dem misverständnisse , dem Seh. verfallen ist, zu steuern, sei hier bemerkt, dass an jener stelle die bemerkung, s werde niemals tönend, dem zusammenhange nach nur auf die Verbindungen sp, sk be- zogen werden kann. Dass s überhaupt nicht tönend werde, wird nie- mand behaupten, aber für die Verbindungen sp, st, sk ist Scherer wol bis jetzt noch die beispiele mit tönendem s (resp. s) aus deutschen dia- lecten schuldig geblieben und darf deshalb niemand für wunderlich hal- ten, der seine ansieht darüber nicht teilt.

***) z. b. kidursdlihho gl. K. 178. Danü ist aber gewis auch nach Scherers ansieht in urisemfdi, ehdic gl. K. 164, unrehcd 174, zuhdid 176, rehd und unrehd Is. XIII, b. 4. 5 das / und h so sehr tönend, dass es das t zur media gemacht hat.

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ALTSLOV. FEEISINGER DENKMAELER. 629

Schreiber zur media gemacht hat Wenn $ nicht tönend war, wie in aller weit konnte es denn von z unterschieden wer- den^ Oder hatte das z vielleicht noch eine spur des t in sich, sprach man watssar; obgleich nicht opffan, obgleich nicht brekchan? Und wann verschwand ein solches t? Und woher rühi-t die gelegentliche Vermischung von z und s im auslaut? Wenn jemand d;e altkarantanischen Monumenta Frisingensia genauer darauf hin unt.ersuchen wollte, in denen slavisch durch lateinische schritt wiedergegeben ist, so würde er, glaube ich, finden, dass in der regel z dem tonlosen, s dem tönenden laut entspricht."

Scherer hat die meines erachtens unbegründete ansieht aufgestellt, dass im ahd. s stets tönend sei und sich nur da- durch vom z unterscheide; später sei dann s tonlos geworden und mit z zusammengefallen. Den von Paul (diese beitn s. 168 anm.) dagegen beigebrachten gründen füge ich noch die graphische erwägung hinzu, dass im spätmhd. nicht etwa, wie man nach Scherers annähme erwarten müste, dass s durch z verdrängt wird, sondern umgekehrt, z geht zumeist in s über; z war? also bei diesem vorgange der laut, welcher* seine ur- sprüngliche beschafifenheit aufgab, es wäre de^ach in conse- quenz von Scherers auflfässung tönend geworden, was zu be- haupten wol niemandem einfallen dürfte. Es wird sich aller- dings nicht leicht ausmachen lassen, ob nicht im ahd. schon einige inlautende s tönend geworden seien, jedenfalls aber machte man in der Schreibung gerade wie noch heute keinen unterschied zwischen tönenden und tonlosen dentalen Spiranten. Das wird auf das schlagendste durch die Freis. denkmäler illustriert. Das slavische hat vier Spiranten der dentalreihe, s und z als eigentlich dentale, s und z als cacu- minale Spiranten, die nach tönender oder nicht tönender be- schafifenheit streng geschieden sind. Die Verfasser der Freis. denkmäler bezeichnen unter gänzlicher nichtachtung des Stimmtons beide dentale Spiranten durch z, beide cacuminale durch s. Andere bezeichnungen sind nur ausnähme. Das, tönende sl. z kommt 43 mal vor, es wird in 40 fällen dnrch z, einmal durch zz (II, 110), einmal durch sz (II, 22), einmal durch s (III, 70) widergegeben. Slav. s findet sich in I 72 mal und wird 70 mal durch z, 2 mal durch s ausge-

Beiträge zur getchichte der deatschen tpraohe I. 35

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drückt. In III ist die zahl der s 70 (64 mal z, 6 mal s). In

II dagegen, welches offenbar von einem andern Verfasser, als I und in herrührt, sind von den 93 s nur 59 durch z, 2 durch sz, 3 durch zs, 2 durch zc , 3 durch zz bezeichnet; in den übrigen 24 fällen steht s, von diesen lassen sich nur 5 den ausnahmsweisen s der beiden andern stücke vergleichen, 19 stehen in der Verbindung st, in welcher dieser Schreiber s meist durch s, nicht durch z bezeichnet. Es kann demnach die re- gelmässige lautbezeichnung keinem zweifei unterliegen, wonach also z. b. altbulg. visemU zulodeJemU (1, 28) vzem zlodeiemge^GiiYieben wird. s dagegen bezeichnet die beiden cacuminalen Spiranten. Slav. s (unser seh) kommt 38 mal vor und wird 31 mal duich einfaches s, 6 mal durch ss (davon 5 fälle in II) und einmal durch z (II 58) widergegeben. Slav. i (franz. ;) findet sich 101 mal, und ist 97 mal s geschrieben, 4 mal z (II 53. 97.

III 41. 75). Es wird also z. b. I 23 das altbulg. i mmisiichu jeze jesnvt sUtvorilU geschrieben: i minsih ese iezem ztvoril.

Wir können aus diesen Verhältnissen mit Sicherheit schlie- ssen 1) dass der unterschied zwischen s und z in der ahd. zeit sicher nicht auf tönender oder tonloser beschaflfenheit be- ruhte und 2) dass dieser unterschied ein unterschied der arti- culationsstelle war. Dass dagegen das ahd. s genau die ca- cuminale articulation unseres heutigen seh gehabt habe, darf man nicht daraus schliessen wollen, sondern nur, dass die ar- ticulationsstelle des ahd. z mehr nach vom an den zahnen, die des s etwas weiter nach oben und so den slav. cacumi- nalen lauten verhältnismässig am nächsten lag,- weshalb aus ermangelung eines andern sein zeichen zur bezeichnung dieser laute verwant wurde. Zugleich wird hierdurch bestätigt, dass die im 10. jahrh. und noch früher im ahd. schon auftretende Schreibung seh eben nur den doppellaut s+ch bezeichnet, da andernfalls der Freisinger Schreiber gewis diese Schreibung, adoptiert haben würde, wie dies auch die slav. sprachen tun, die in späterer zeit mit deutscher Orthographie schrieben.

Das slavische hat aber auch zwei hierhergehörige aflfri- caten; die cacuminale c (tsch) und die dentale e {ts = nhd. z). Die dentale e kommt in unsern denkmälern 15 mal vor. Hier standen zwei zeichen zur Verfügung, c vor e und i und z in seiner andern geltung im ahd. Beide Schreibweisen wer-

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ALTSLO V. , FREISINGER DENKMAELER. 53 1

den angewant und zwar 4 mal c vor e und i (I, 4. IL 17. 28. 35) während c vor a, o, ü wie im ahd. mit k als bezeichnung der gutturalen tenuis wechselt; 11 mal wird z geschrieben, vor dunkeln vocalen stets, aber auch vor hellen. Gerade der umstand, dass der Schreiber z in seiner doppelten ahd. an- Wendung, als dentale aflfricata und dentalen Spiranten kennt, dtirfte hauptsächlich mit einen beweis fiir die zulässigkeit der vergleichung dieser denkmäler mit der ahd. Schreibung bilden. z in beiderlei geltung haben wir in werten wie zridze III. 64. (= abulg. sriä/ice herz); zinzi IL 83. 109 (= abulg. syrüici filioli), das letztere wort auch zinci geschrieben IL 28.

Grosse Schwierigkeiten machte die afFricata c^ hierfür gab es im deutschen kein einigermassen entsprechendes zeichen; der laut kommt im ganzen 36 mal vor. Am meisten schwankt II, wo sich die 20 c so verteilen: 7 5, 6 z, 2 cc, 2 ts, 1 tz, \ CS, 1 mal nebeneinanderstehendes cz durch zc (26). In I und III stehen 9 ^, 2 es, d c, 1 z, 1 eh. Man sieht, am häu- figsten (16 mal) wurde das zeichen der homogenen spirans (s) angewendet, daneben aber auch das zeichen der andern afFri- cata z oder c (10 mal) und consonantenverbindungen, in deren wähl man aber sehr schwankte.

Wir wissen genau, dass zur ahd. zeit h im anlaut schon den blossen hauch bezeichnete (es steht sogar oft fälschlich vor vokalisch anlautenden werten); im auslaut aber war es gutturale spirans (z. b. sprah), während im inlaute früher hh, später (also zur zeit unserer denkmäler) ch gesetzt wurde. Diese ahd. geltung des h setzen die freis. denkmäler voraus. Das slav. x ist an allen stellen des wortes tonloser gutturaler Spirant, es wird im auslaut fast stets durch h widergegeben, z. b. I. 8. uzeh nioih greh (omnium meorum peccatorum); sel- ten kommt ch im auslaut vor, welches im inlaut regel ist. Im anlaut, wo eben ahd. h nicht zu brauchen war, steht aus- nahmslos cÄ (z. b. choku = ab. chostq volo).

Ferner in fibereinstimmung mit der ahd. bezeichnung ist die des slav. v. Bekanntlich ist ja die indogermanische aus- spräche desselben halbvokalisch, d. h. es beginnt mit u und geht in v über, wie noch heute das engl. w. Diesen laut be- zeichnete man im ahd. passend durch doppeltes m. In unsern denkmälern nun wird ganz regelmässig v im anlaut vor und

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im inlaut zwischen vocalen durch uu, {uv, vu) gegeben, z. b. I. 31. vueru (= ab. verq, fidem) und sivuot (= ab. zivotU vita). So findet es sich in I 34 mal und nur 4 mal einfaches u {v)*). In dieser Stellung hatte das v also sicher noch halbvocalische geltung. Einfaches u steht jedoch stets im auslaut, z. b. grechou (würde buchstäblich ins altbulg. übertragen grechovü heissen statt des daselbst gewöhnlichen grSchU peccatorum). Im auslaut kanü sich der halbvocal nicht halten, deshalb ist im sloven., wie im ahd. seu etc., der spirantische teil abge- fallen und einfaches u zurückgeblieben; in andern slav. spra- chen, z. b. im russ. schwand der vocalische teil und es ent- stand reiner spirant, der sich sogar zu / verhärtete. Durch den ausfall im ab. noch vorhandener schwacher vocale ist v in den slaw. sprachen zahlreich vor consonanten zu stehen ge- kommen (die alte Verbindung t;+con8. ist im vergleich damit selten); in diesem falle steht stets einfaches w (18 mal in I) z. b. vzovues I, 32 (= ab. vUzovesi vocabis). Die vocal-conso- nantische ausspräche war vor consonanten weit mehr gefähr- det, als vor vocalen; in den germanischen sprachen hat das m vor consonanten im allgemeinen die neigung zu schwinden, in den slav. sprachen wird es reiner labialer spirant und bleibt daher. Aus der Schreibung unserer denkmäler geht also hervor, dass das w vor cons. im damaligen slo venisch sich nach dieser seite hin von dem vor vocalen differenziert hatte. Endlich steht einfaches u auch nach consonanten (17 mal in I und einmal uu), z. b. zuetemu (dat. von ab. sv^tU sanctus), tuoril (part. perf. von ab. tvorifi facere). Auch diese eigentümlichkeit finden wir im ahd. und altsächs. wider (für das ahd. vgl. z. b. die mit stv tw anlautenden werte bei GraflF). In der bezeichnung 'des andern vocal-consonanten j diflFe- riert II merkwürdig von I und III. In letzteren wird es im anlaut und inlautend zwischen vocalen ausnahmslos durch i dargestellt, wogegen in II anlautend 16 mal g, 4 mal i, in- lautend zwischen vocalen 9 mal g, 11 mal i steht, also z. b. gezm (66) == ab. jesmi^ hosige (10) = ab. hozij^. Das beweist erstens, dass im slo venischen j damals schon anfing seinen

*) Da in der bezeichnung des v alle 3 stücke übereinstimmen, gebe ich die zahlen nur aus I.

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ALTSLOV. FREISINGER DENKMAELER. 533

vocalischen teil aufzugeben und zum blossen tönenden palata- len Spiranten zu werden und zweitens, dass im ahd. g ausser verschiedenen anderen bedeutungen auch flir diesen Spiranten in gebrauch war, was wir allerdings schon vorher aus formen wie herige, gihu u. a. schliessen konnten. ^

Nach consonanten ist in den slav. sprachen bekanntlich das Schicksal des j das, dass es seinen vokalischen teil ganz aufgibt und als spirant sich eng an den vorhergehenden con- sonanten anschliesst, ihn mouilliert, bez. mit ihm im verfolg in einen dritten laut übergeht. Wir können hier nicht diese die slav. grammatik näher angehenden fragen erörtern, es ist jedoch wahrscheinlihh, dass die Verbindungen cons,+y schon in unseren denkmälem derartig enge waren; als sicher lässt sich das von nj behaupten, in welcher Verbindung in I allein j durch g widergegeben wird: pongese (I, 12) = ab. ponjeze, pomngu (I, 13 zweimal) = ab. pomnjc^ In III steht 2 mal flir nj ein geschwänztes n (29. 35), gewöhnliches n (III, 41); ni (64); in 11 steht blosses n 4 mal, ng 2 mal (23. 104). Auf die mouillierung durch den hellen vocal e lässt schliessen die Schreibung zcepasgenige (IL 39) =^ab. süpasenije (salus). Es erhellt, dass die deutschen Schreiber bemüht waren die mouillierung zu bezeichnen; sollten sie, wenn im ahd. damals consonantenmouillierung vorhanden gewesen wäre, nicht auch danach gesti-ebt haben?

Noch ein punkt endlich kommt fllr die ahd. lautlehre in betracht: der Schreiber von II (nicht auch der von III, wie Kopitar p. XLII irrtümlich behauptet) setzt statt des slav. p oft b; und zwar sind von den 54 vorhandenen fällen der la- bialtenuis 36 durch p, 18 durch b bezeichnet. Es ist wol zu beachten, dass 17 von diesen im anlaute stehen, z. b. na- boiachu 46 (imperf. von ab. poiti, tränken), während 38 pigem (= ab. pijemü, von derselben wurzel) geschrieben ist. 103 bac (= ab. pakü), öfter in der praepos. po, z. b. botomu (17. 35), während potomu 109 u. ö. Die form briplisaze 58 (=ab.j9n- blizctsf) ist doppelt merkwürdig, indem hier ausnahmsweise, auch das anlautende b mit p vertauscht ist. Der einzige fall, wo inlautendes p durch b gegeben wird, ist gozbod 89 (ab. gospodi dominus), während sonst, z. b. 61 gozpodi geschrieben ist. Die slavischen tenues sind bekanntlich als solche scharf

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534 BRAUNE

ausgeprägt, es hat demnach der Schreiber von II b im an- laut und nach s für tauglich befunden, die tenuis zu vertre- ten. Genau dasselbe finden wir im ahd., und wir werden nun, wenn hier und da sbrah statt sprah u. dgl. vorkommt, nicht mehr mit Scherer glauben, dass das tönende laute seien. Es bestätigt sich im gegenteil hier die von Paul an dem von Scherer citierten orte aufgestellte ansieht.

LEIPZIG. W. BRAUNE.

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ZUM LEBEN HARTMANNS VON AUE.

Es ist bekannt, wie das eine der kreuzlieder Hartmanns (MSF. s. 218. Bechs ausgäbe II, 3) von Bech für unecht er- klärt ist. In seiner neuen aufläge der werke Hartmanns hat derselbe zwar einen teil der früher geäusserten bedenken zu gunsten einer andern erklärung aufgegeben. Trotzdem bleibt ihm das Lied sehr verdächtig erstens, weil darin Franken als aufenthaltsort des dichters genannt wird, und zweitens, weil die hier gegebene Zeitbestimmung in Widerspruch steht mit der von ihm aufgestellten ansieht, dass Hartmann den kreuzzug von 1190 mitgemacht habe. Bech hat es allerdings in hohem grade wahrscheinlich gemacht, dass im Erec auf den über- standenen kreuzzug angespielt wird. Fällt aber der kreuzzug vor den Erec, so kann es nach den sonstigen chronologischen Verhältnissen kein anderer gewesen sein als der von 1190. Dazu kommt, dass auch das erste büchlein, das seinem gan- zen Charakter nach in die früheste zeit des dichters fällt, we- gen der deutlichen anspielung in v. 358 gleichfalls später als der kreuzzug angesetzt werden muss. Dagegen hat Lachmann (Iw.- 526. anm.) behauptet, dass Hartmann den kreuzzug von 1197 mitgemacht habe, und stützt sich dabei eben auf den schluss der zweiten zeile unseres liedes. Sehen wir uns die stelle einmal näher an. Es heisst da:

ez ist geminnet, der sich durch die minne eilenden muoz.

nu seht wies mich üz miner zungen ziuhet über mer.

und lebte min her Salatin und al sin her,

dienbrsehten mich von Franken niemer einen vuoz.

In diesen zeilen fällt zunächst auf, dass Hartmann dem Sala- din das praedicat mm her beilegt, welches doch immer auf ein re-

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536 PAUL

spectvolles persönliches Verhältnis hinweist. Denn ein solches liegt auch vor, wenn der erzählende dichter so seine helden benennt; es mischt sich dann die persönliche teilname des dichters in die erzählung. Doch wollte man sich auch das gefallen lassen, wie kann der dichter sagen 'und wenn auch Saladins ganzes heer noch lebte*. Ist etwa das beer einmal plötzlich verstorben zugleich mit seinem führer? Es muss heissen:

und lebt min herre, Salattn und al stn her dienbraehten mich von Franken niemer einen vuoz.

'Wenn mein herr noch lebte, so würden mich Saladin und sein ganzes heer keinen fuss von Franken bringen.* Hartmann beklagt in dem andern kreuzliede MSF. 209, 25 den tod sei- nes herren, der seine beste freude dahin genommen hat, wes- halb ihm der abschied leicht wird ; er will gern die hälfte des Verdienstes, das er sich durch seine fahrt vor gott erwirbt, der seele seines herren zu gute kommen lassen (210, 31). Es ist daher wol nicht zu viel behauptet, dass er wesentlich durch den tod seines herren bestimmt ist das kreuz zu nehmen. Das stimmt zu der gegebenen erklärung. Ist dieselbe richtig, so ist das lied bei Saladins lebzeiten gedichtet, und da dann we- gen der ganz speciellen anspielung auf ein anderswoher be- kanntes persönliches Verhältnis an der ächtheit nicht mehr ge- zweifelt werden kann, so folgt gerade aus diesem liede mit evidenz, dass Hartmann an dem kreuzzuge ,von 1190 teil ge- nommen hat, so dass dann nichts mehr hinderif die anspie- lungen im Erec mit Bech anzuerkennen. Es ist ja schon an und flir sich viel wahrscheinlicher, dass sich Hartmann wie Friedrich von Hausen, Albrecht von Johansdorf und Keimar dem grossen, ganz Deutschland, Frankreich und England er- regenden zuge von 1190 angeschlossen hat, als dass er dem unbedeutenden von 1197 gefolgt sein sollte. Auf eine allge- meine begeisterung deutet er, wenn er MSF. 210, 5 es für die pflicht eines jeden ritters erklärt die fahrt mitzumachen, was für die bedeutend abgekühlte Stimmung 1197 nicht mehr an- gebracht scheint.

Es kann nun allerdings auffallen, wie hier plötzlich die erwähnung des herren hineinschneit, ohne dass vorher oder nachher durch irgendwelche andeutung eine rllcksicht auf den-

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ZUM LEBEN HARTMANNS VON AUE. 537

selben angezeigt ist. Dies führt uns auf die frage, wie die minne in diesem liede zu verstehen sei. Dass nicht die minne im eigentlichen, gewöhnlichen sinne des wertes gemeint sein kann, hat Wilmanns in Haupts zeitschr. 14, 144 flf. gezeigt. Wenn man auch vielleicht allen seinen einwänden nicht bei- stimmen kann, so ist doch die letzte Strophe beweisend. Der dichter stellt sich ausdrücklich den minnesingern überhaupt und seine minne ihrer minne entgegen. Es ist klar, dass er eine eigene art von .minne meint, etwas, was ^r nur durch eine Übertragung als minne bezeichent Wilmanns nimmt da- her an in Übereinstimmung mit Bartsch (und dem hat sich auch Bech in der neuen aufläge angeschlossen), dass die got- tesminne gemeint sei. Sehen wir zu, wie sich mit dieser an- nähme die frühere erklärung der citierten stelle vereinigt. Hartmann würde danach sagen: 'nur die gottesminne, die re- ligiöse begeisterung zieht mich aus meiner nation fort über das meer: wenn sie es nicht täte, so würden mich Saladin und sein ganzes heer, falls sie noch lebten, nicht aus Franken bringen. Diese gegenüberstellung könnte nur so einen sinn haben, wenn der dichter gemeint hätte, dass Saladin und sein heer auf ihn keine anziehungskraft üben würden^ dass ihn etwa nicht verlangen würde die herrlichkeit Saladins und die seltsamen gestalten seines heeres zu sehen. So hat es auch wirklich Wilmanns verstanden; denn er sagt s. 146 oben: ^sie zieht ihn über meer, nicht die pracht Saladins, nicht die aus- sieht auf rühm und abenteuer*; diese letztere aussieht fügt er aber selber hinzu, sie lässt sich nicht aus der erwähnung des heeres herausinterpretieren. Indessen, wer im begriff war einen kreuzzug zu machen, konnte doch bei Saladin und sei- nem beere nicht an das prächtige und seltsame Schauspiel denken, welches ihm der anblick derselben etwa gewähren würde (übrigens eine dürftige belohnung für so viel mühe und arbeit, die wol niemand angelockt haben würde), sondern an den kämpf mit denselben. Meiner Überzeugung nach kann der sinn nur der sein: möchten auch Saladin und sein heer das heilige land.noch so sehr bedrängen, das würde mich nicht bestim- men gegen sie zu ziehen. Dann aber besteht kein gegensat? mehr zwischen der minne und dem Saladin als motiv zum kreuzzuge. Treibt den dichter die religiöse begeistemng , so

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538 PAUL

bestimmt ihn auch die ^bedrängung des heiligen landes durch Saladin, und umgekehrt, bestimmt ihn die letztere nicht, so ist es auch nicht religiöse begeisterung, was ihn treibt. Wir ha- ben also einen weiteren beweis gegen die alte erklärung.

Nun freilich auch bei meiner erklärung kann minne nicht als gottesminne aufgefasst werden. Denn wenn Hartmanns entschluss das kreuz zu nehmen vom tode seines herren ab- hing, so war es nicht bloss das feuer christlicher begeisterung, was ihn erregte. Uns wird nun aber die. möglichkeit geboten zu einer noch andern auflfassung der minne^ Es ist die treue hingebung Hartmanns an seinen herren, für dessen Seelenheil er die fahrt unternimmt. Minne kann auch von der freund- schaft zwischen männem gebraucht werden (cf. mhd. wb. 11^ 119^), Der dichter gebraucht das wort absichtlich doppelsin- nig, um damit nach seiner art zu spielen in etwas spitzfindi- gen antithesen. Es erklärt sich eben aus dieser gesuchten Zweideutigkeit, dass nicht deutlich angegeben wird, was unter des dichters minne zu verstehen ist. Die letzten zeilen der zweiten Strophe geben uns allein den Schlüssel dazu.

Franken als aufenthaltsort müssen wir uns, wenn die ächtheit deg liedes nicht mehr bestritten werden kann, gefallen lassen. Aber daraus folgt nicht, dass es sein geburtsland war. Unter miner zungen versteht er jedenfalls nicht Franken, son- dern ganz Deutschland; denn es gibt eine allgemeine Husche zunge, und' es würde lächerlich gewesen sein, wenn jemand etwa bei einer Übersiedelung aus Franken nach Schwaben hätte sagen Wollen, dass er sich aus seiner spräche, aus sei- ner nationalität entfernt hätte. Hartmanns verwante brauch- ten nicht in Franken angesessen zu sein, weil er ihnen in Franken ein lebewol zuruft. Denn gerade so gut wie etwa heute jemand, der nach Amerika auswandert, sich seinen freunden und verwanten empfiehlt, wenn sie auch vielleicht 20, 30 meilen von ihm entfernt wohnen, eben so gut konnte Hartmann beim antritt einer so weiten reise von seinen freun- den absciiied nehmen, für die er zwar schon abwesend, aber doch jederzeit leicht erreichbar war. Die entgegenstehenden gründe für die schwäbische heimat Hartmani^, die ich hier nicht zu widerholen brauche, sind zu entscheidend, als dass irgend ein einwand dagegen aufkommen könnte. Ich will

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ZUM LEBEN HARTMANNS VON AUE. 539

nur noch, was das sprachliche betrifft, darauf aufmerksam machen, dass die reime im Iwein p flach: geschach, bestreich: sw£ich, soviel wir bis jetzt wissen in Ostfranken unmöglich sind (an Stidfranken wird niemand, wer den unterschied der spräche kennt, denken) , wol aber in Schwaben, wie in Bayern. Wir haben auch keinen grund daran zu zweifeln, dass Ober- nau bei Rotenburg die heimat des dichters ist (cf. Germ. 16, 162), wenn nicht noch ein anderes Aue in Schwaben nach- weisbar ist, in dem eine freiherrschaft bestand. Das ist ein notwendiges erfordernis für die heimat des dichters, nur muss man ihn nicht mit dem- freiherrn von Ow a. a. o. dem frei- herrlichen geschlechte, sondern den ministerialen desselben zu- weisen. Wenn Hartmann a. Heinr. 5 -von sich sagt dieyistman was er ze Ourve, so kann das nicht heissen 'er war ein mi- nisteriale und wohnte in Aue', sondern 'er stand im dienst- verhältnis zu Aue^ zu den herren von Aue \ Dazu kommt die kaum anzuzweifelnde hypothese Haupts über den armen Hein- rich (einleitung s. XI). Kurz alles stimmt zu Obemau. Dass Hartmann trotzdem in Franken einen längeren aufenthalt ge- habt hat, kann nicht unmöglich und nicht einmal unwahr- scheinlich genannt werden. Dass wir den grund davon nicht wissen und sonst kein zeugnis dafür haben, kann nicht ein beweis dagegen sein. Denn wir wissen von Hartraanns äusse- rem leben überhaupt . fast nichts, als was er uns in seinen kreuzliedem mitteilt. Unsere stelle gentigt um diesen aufent- halt authentisch zu bezeugen.

LEIPZIG, im december 1873. H. PAUL.

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BERICHTIGUNGEN.

S. 44 z. 13 V. u. lies hochdeutschen statt norddeutschen, S. 155 z. 2 V. u. lies lukarnastapa statt lukarnarstada. S. 208 z. 8 V. o. lies ze statt se, S. 264 z. 10 V. u. ist der beleg bb. Mos. 24/24 zu streichen.

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