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International An ti -Militarist Congress, Hague, 1921

Bericht über den Internationalen Anti-Militaristischen Kongress im Haag, 1921

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BERICHT

ÜBER DEN

INTERNATIONALEN

ANTI-MILIT ARKTISCHEN

KONGRESS

IM HAAG 1921

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HERAUSGEGEBEN VOM INTERNATIONALEN ANTI* MILITARISTISCHEN BUREAU GEGEN KRIEG UND REAKTION

IM HAAG (HOLLAND). SEKRETÄR JOS. GIESEN, HEERENWEG 14 BRECHT (HOLLAND)

DEUTSCHE AUSGABE IM VERLAG FRI TER, BERLIN O 34,

KOPERNIKUSjSTRAS.

DEMONSTRATIVER TEIL

Empfang.

Am Sonnabend, den 26. März 1921, um 4 Uhr nachmittags, kamen Abgeord* nete, Kongreßmitglieder und Gäste in dem mit frischem Grün und roten Fahnen geschmückten großen Saal des Volkshauses (Volksgebouw) im Haag zusammen.

Nachdem Erfrischungen umhergereicht worden waren, betrat N. J. C. Schermerhorn (aus Nieuwe Niedorp, Holland) die Tribüne, um die Erschienenen im Namen des Holländischen Landesverbandes des Internationalen AntüMilU taristischen Vereins) (I.A.M.V.) zu begrüßen. Er verlas ein Telegramm vom Hauptvorstand der Bauarbeiterföderation und richtete nacheinander im Fran« zösischen, Englischen und Deutschen eine Ansprache an die Gäste aus anderen Ländern. Wir kommen hier zusammen, sagte er, nicht um ein Fest zu feiern, sondern um zu arbeiten, damit die Völker zu neuem antimilitaristischen Kampf erwachen.

Henri Huchet (aus Paris) begrüßte den Kongreß im Namen der französi- sehen Kameraden. Er hat mit dem Bürgerlichen Pazifismus' gebrochen. Sein Platz ist nicht auf dem Kongreß jener Bewegung in Paris, sondern hier auf dem Kongreß der antikapitalistischen Antimilitaristen.

G. W. Meyer (aus Bremen) hatte in britischer Gefangenschaft die eng» lischen Dienstverweigerer kennengelernt. Er ist für ihre Grundsätze gewonnen und überträgt deren Ausführung jetzt nach Deutschland. Er brachte den hollän« dischen Dienstverweigerern seine Anerkennung dar.

B. Lansink jr. (aus Amsterdam), Vorsitzender des Niederländischen Ar* beitersekretariats, begrüßte den Kongreß im Namen der holländischen syndi* kaustischen Bewegung.

Eröffnung.

Des Abends um etwa 8 Uhr eröffnete B. de Ligt (aus Katwijk aan Zee, Holland) die Sitzung. Im Jahre 1904, führte er aus, wurde auf Anregung von F. Domela Nieuwenhuis der I.A.M.V. gegründet unter der Losung: „Keinen Mann und keinen Pfennig für den Militarismus". Von Anfang an betrachtete man die militärische Frage als eine gesellschaftliche und erweckte in erster Linie die Arbeiter, besonder» die Gewerkschaften, zum Kampfe gegen den Militarist mus, den man als notwendige Begleiterscheinung des Kapitalismus erkannte. In anderen Ländern mißglückte vorläufig der I.A.M.V. Ucberall erschlaffte der antimilitaristische Kampf. Man glaubte an eine Periode friedlicher gesellschaft* licher Entwicklung. Die internationale Sozialdemokratie paßte sich den bür* gerlichen Verhältnissen an. Sie bildete ein selbstgenügsames Proletariat heran, »ir Zeit, da die Bourgeoisie immer unersättlicher wurde. In den Jahren 1891 und 1893 verleugnete sie bewußt ihren antimilitaristischen Standpunkt von 1868. Domela Nieuwenhuis, der diesen Standpunkt aufrechterhielt, hatte infolgedessen fortwährend Konflikte mit sozialdemokratischen Führern (Adler, Aveling,. Liebknecht sr., Plechanow, Vaillant usw.). Ebenso folgten maanche Ans archisten der Entwicklung des Kapitalismus zum Imperialismus. In den alten Anschauungen lebend, wurden sie zu dem neuen gesellschaftlichen Kampfe un* fähig. Im Jahre 1914 scharten sich manche ihrer Vertreter an die Seite des kleinbürgerlichen Frankreichs, des imperialistischen Englands und des zaristi« sehen Rußlands. In allen Ländern jedoch blieben Ausnahmen: Malatesta, Do* mela Nieuwenhuis, Rosa Luxemburg, Liebknecht, Mehring, Pierre Ramus, Sa? vigny usw. Und dann wirkte in Europa der Geist Tolstois nach, für den die gesellschaftliche und also auch die militärische Frage zu allererst eine persön* liehe Frage war. Besonders durch ihn wurde man sich dessen bewußt, daß der Mensch die Umstände, in deren Mitte er selbst steht, zu überwinden hat,.

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Erst wenn er in Wechselwirkung damit der entscheidende Faktor geworden ist, wird sowohl zufolge Marx und Bakunin wie zufolge Tostoi die wahrhafte Menschheitsgeschichte begonnen sein. Infolge natürlicher und politischswirt* schaftlicher Umstände war in England eine alte Ueberlieferung des Urchristen* tums in Quäkern und andern lebendig geblieben. Diese und die neuere Ueber« Jieferung des individualistischen Liberalismus ermöglichten dort eine mächtige Dienstverweigerungsbewegung. Uebrigens hielten überall starke Persönlich« keiten an ihrem revolutionären Grundsatz fest. Nach und nach erwachte so überall im Proletariat eine Empörung, die jedoch nur in kapitalistisch später entwickelten Ländern zum Ausbruch kommen konnte. Von diesen behauptete sich allein Rußland gegen den weißen Terror.

Wir kommen jetzt zusammen: 1. um gegen den Imperialismus zu demon« strieren; 2. um über die Gründung eines I.A.M.*Bureaus zu beraten; 3. um grundsätzliche und praktische Fragen des I.A.M.V. zu besprechen.

In allererster Linie vereinigen wir uns gegen die Bourgeoisie. Möge das Proletariat sich nicht mehr länger in ihrem Dienste zerfleischen! Man suche durch gesellschaftliche und sittliche Umwälzung jedem drohenden Weltkrieg zuvorzukommen!

Durch Paßverweigerung hat die holländische Obrigkeit den linken Flügel des Kongresses stutzen wollen. Wir halten jedoch international Fühlung, und den holländischen linken Flügel kann die Regierung doch nicht treffen.

Als antikapitalistische Antimilitaristen haben wir vor allen Dingen den Russen zu helfen. In Politik, Strategie und Diplomatie haben sie viele Erfolge errungen. Aber wirtschaftlich sind sie noch schwach, und auch moralisch noch nicht allzu stark. Gewiß, es beginnt ein neuer Geist zu erwachen was Kro« potkin bezeugt aber Krieg, Terror und Parteidiktatur können keinem Volke zu wirtschaftlicher Selbständigkeit und kultureller Freiheit verhelfen, sondern es nur verwildern. Doch wir hier im Westen sind die Hauptursache ihrer revo* lutionären Entkräftung. Vernichten wir hier Krieg, Terror und Kapitalismus, dann wird Rußland sich von selbst erholen.

Redner bedauerte, daß nur Angehörige der weißen Rasse an diesem Kon« greß teilnehmen. Wir grüßen die farbigen Mitkämpfer und erwarten, daß sie die antikapitalistische, antimilitaristische Weltbewegung mit neuem Schwung verstärken.

Diese Rede wurde in Deutscher Sprache gehalten und von Teil zu Teil ins Französische übersetzt. Jos. Giesert (aus Utrecht) übersetzte sie ins Englische.

Danach faßte De Ligt die Hauptsachen seiner Rede im Holländischen zu* sammen und betonte, daß die holländische Regierung durch Paßverweigerung an Leute wie Björklund und Pierre Ramus ihren mörderischen Charakter offen« barte. (Begeisterter Beifall.) Auf seine Bitte erhob sich die Versammlung von den Plätzen zu Ehren des Andenkens an F. Domela Nieuwenhuis, der während seines ganzen Lebens zur Vorbereitung dieses Kongresses beigetragen hatte und einer der wenigen war. die gleichsam in weißem Gewand durch die bedrängende Finsternis gingen. Ihm haben wir zu folgen. Redner erklärte, daß man bei« nahe mathematisch sicher beweisen kann, daß ein neuer Weltkrieg sich nähert, wenn das Proletariat sich nicht dem Kapitalismus und Militarismus entzieht. Es ist eine Bourgeoislüge, von „gelber Gefahr" zu sprechen; es gibt nur eine Gefahr: die weiße Weltgefahr, den Imperialismus. Mit den farbigen Mitkämpfern bilden wir ein Ganzes. Auch jetzt kämpfen wir mit ihnen weiter.

Berichte und Botschaften an den Kongreß.

Schermerhorn las eine Botschaft von den bulgarischen Tolstoianischen Anti* militaristen vor, deren Verfasser Yanko Todorow ebenfalls durch Paßschwierig« keiten verhindert war. Sie widersetzen sich jedem Kriege, sei er Angriffs« oder Verteidigungskrieg, sowohl in revolutionären wie in kontrarevolutionären Zeiten. Tausende Fälle von Dienstverweigerung kündigen das Nahen des Tages an, wo der Krieg überhaupt aufgehoben sein wird.

Wilfred Wellock (aus London) erstattete Bericht über die englische anti* militaristische Bewegung, die in den 10 000 Dienstverweigerern ihren Kernpunkt fand. Dies ist die sittliche Grundlage, worauf eine neue Weltordnung gebaut werden soll. Und diese ist notwendig; der Bourgeois«Pazifismus ist unhaltbar.

Antimilitarismus ist Antikapitalismus. Die englische antirailitaristische Tätige keit steht im Begriff, sich in der Bewegung „Keinen Krieg mehr" (No More War Movement) durchzusetzen.

Frietz Lieb (aus Zürich) sprach im Namen der Schweizer Jugend. Im Zu- sammenhang mit den Dienstverweigerungen während des Krieges erwähnte er Jules Humbert Droz, der ebenfalls wegen Paßschwierigkeiten nicht auf diesem Kongreß anwesend war. Besonders die Jugend wehrt sich» in der Schweiz kräftig.

Marcel Sauvage (aus Paris) sprach Worte der Versöhnung zu Franzosen und Deutschen. Als der Krieg ausbrach, blieben unter Sozialisten und Christen fast allein eine Gruppe Anarchisten ihrem Grundsatz treu. Sie hatten sich um Sebastian Faure geschart. Die Zeitung „Le Libertaire" bekämpft kräftig Krieg und Militarismus. Bei einem Aufstand im Heere 1907 trieben Maschinen* gewehre die Soldaten auseinander. Unvergänglich ist der Ruhm der französi* sehen Matrosen, die auf dem Schwarzen Meer sich weigerten, gegen die russi* sehen Revolutionäre zu kämpfen. In Frankreich gibt es folgende antimilitaristi* sehe und pazifistische Gruppen: 1. Bürgerliche, worunter der Frauenbund für den Frieden; 2. sozialistische: Bourgeois*Sozialisten, Bolschewisten, syndika* listische Jugend; 3. anarchistische: individualistisch und kommunistisch Gesinnte;, 4. religiöse: Christen, Okkultisten, Theosophen.

R. Morgan French (aus San Francisco, Kalifornien) war schon einmal mit einer Abordnung amerikanischer Frauen nach Europa gekommen, um hier die Männer zur Einstellung des Kampfes zu bewegen. Als stolze Amerikanerin hegte sie volles Vertrauen auf Wilson. Nun aber erwartet sie nicht mehr das Min* deste weder von ihm, noch von den Frauen, noch von Amerika. Einst das Land der Freiheit, ist es jetzt so entartet, daß sogar verbannte und verjagte Revo» lutionäre dort keine Ruhe mehr finden. Rednerin bekommt durch diesen Kons greß wieder Hoffnung. Laßt uns nun die Bewunderung für ihn auch mit der Tat bestätigen!

Weißer Terror in Ungarn.

Stefan Villyamy, der Ungarn vertreten sollte und dem es ebenfalls unmög* lieh war, zu kommen, sandte folgenden Bericht über den weißen Terror in Ungarn:

Der weiße Terror besteht hauptsächlich in individuellen Tätigkeiten. Genau wie mittelalterliche Raubritter kaufen vermögende Leute Offiziere und Mann« schaften auf, um plündernd mit ihnen durchs Land zu ziehen. Erst wurde alles, was nur etwas mit Revolution zu tun gehabt hatte, ermordet. Danach wurde unter denen, die sich nicht gerade für weißen Terror erklärten, ein Blutbad an* gerichtet. Auch das Elend trieb viele als Henker in Horthys Dienst. Die sogenannte „nationale Armee" ist jedoch ebensowenig zuverlässig wie seiner* zeit die Offiziere des gewesenen habsburgischen Heeres für die Roten. Es ist die fixe Idee des weißen Terrors, die Zeit des Mittelalters wieder heraufzubc* schwören: Die bürgerlichen Freiheiten aufgehoben, die Macht der Kirche wieder* hergestellt. Die Geißelstrafe ist wieder eingeführt worden und die schärfste Zensur. Hierdurch sind die heutigen Herrscher mit dem früheren Fürsten* hause wohl oder übel innig verbunden. Keine Naturwissenschaft, keine moderne Kunst, keine Literatur darf mehr bestehen. Die anarchistischen und antimilu taristdschen Gruppen hatten an der roten Diktatur nicht teilgenommen. Dennoch nahmen die Terroristen alle Mitglieder anarchistischer und antimilitaristischcr Gruppen gefangen und suchten sie durch unerhörte Folterungen zum Bestätigen willkürlicher Beschuldigungen zu zwingen. Wer von ihnen noch mit dem Leben davongekommen ist, kann man überhaupt nicht wissen. Furchtbar ist der weiße Terror in seiner Spionage und Sabotage. Durch unaufhörliche Lügenartikel in den Zeitungen betrügt man das Volk. Weiße Bürokraten nisten sich auf den Büros der Arbeiter ein, um dort als kleine Tyrannen zu herrschen. In gleicher Weise hatten sie sogar auf die Sowjetherrschaft großen Einfluß ausgeübt. Die Massenhinrichtungen, Gefangennahmen und Internierungen sind bekannt. Man fragt sich: Wie ist das alles möglich? Ganz einfach! Das ungarische Volk erwartet Heil immer von andern, nie von sich selbst. So ist es jetzt wieder Horthys Traum, sich als Söldner an die Entente zu verkaufen, um die Bol* schewisten zu bekriegen, wie die Ungarn für die Habsburger gegen die Türken

Söldner waren. Kurzum, dieser weiße Terror zeigt deutlich den abenteuer* liehen Charakter des Staates überhaupt: Er ist nichts anderes als eine Räuber* Unternehmung. Was sich jetzt in Ungarn auswütet, ist die letzte Phase eines tausendjährigen militärischen Machtmißbrauches, der sich in Raserei für sein baldiges Ende rächt. Was gewesen ist, wird dadurch nicht ungeschehen ge* macht. Was kommen muß, kann weißer Terror nicht verhindern.

Bericht über die antimilitaristische Bewegung in Oesterreich. Von Pierre Ramus.

Trotzdem Oesterreich infolge seiner politischen Neuordnung sein altes Militärsystem glücklich losgeworden ist, ist der Militarismus dennoch nicht tot, sondern, sowohl im Rahmen des durch die Entente gestatteten Ausmaßes, wie auch außerhalb desselben, als Söldnerarmee fortbestehend. Daß dies der Fall, daran sind vor allen Dingen die Sozialdemokratie wie die „Kommunisten" schuld, die den Fortbestand eines Müitärsystems begünstigen, weil sie darin einen „Schutz der Republik" zu sehen vermeinen, zumindest einen Wall gegenüber der Reaktion, dadurch, daß sie darnach getrachtet haben, ihre Parteianhänger zu veranlassen, in die neue Armeeform einzutreten.

Leider haben die bisherigen Erfahrungen nur bewiesen, daß die neue Söldner* armee ganz dasselbe gefügige Werkzeug in den Händen der herrschenden Macht* haber ist, wie es das alte Militärsystem für die früheren Herrschaftselemente gewesen ist.

Der Fortbestand eines Militärsystems hat auch den Fortbestand der Rüstungs* und Munitionsindustrie bewirkt. Diese schafft und erzeugt in Oesterreich un* ausgesetzt und mit Hochdruck für das Ausland und besonders die Gegenrevo* tion, so daß Oesterreich das Exportland für Waffen und Munition par exel* lence für die Gegenrevolution geworden ist.

Um so mehr ist dies der Fall, als die Arbeiterbewegung keine wirklich ent* schiedene Stellung dagegen einnimmt. Anstatt die gesamte Einstellung der Rüstungss und Munitionsindustrie zu bewirken, wurde diese Propaganda nicht unterstützt, weil, wie Friedrich Adler sagte, dadurch Tausende Arbeiter arbeits* los werden würden. Man begnügte sich mit der sogenannten Unterbindung des Transports. Vom Arbeiterrat wurde ein entsprechendes Komitee eingesetzt, das aber nur in ganz vereinzelten Fällen Erfolg zu verzeichnen hatte. In der über* wiegenden Mehrheit von Fällen gelang der Transport auf dem Wege des Schleich* handeis, der Bestechung, was schon dadurch bewiesen wird, daß der Arbeits* betrieb in der Munitionsindustrie nicht vom Unternehmertum eingestellt wurde. Solches wäre gewiß geschehen, wenn die Unterbindung des Transportes wirklich wirksam und durchgreifend gewesen wäre.

Um in die österreichische Söldnerarmee der sogenannten „Wehrmacht" auf* genommen zu werden, muß der Eintretende einen Eid schwören, ein Gelöbnis, das ihn zur absoluten Befolgung der Disziplin verpflichtet, bei sonstiger schwerer Bestrafung. Es ist interessant, daß diese ganze Militärordnung größtenteils und unter der Regierungsperiode des sozialdemokratischen Staatssekretärs für Heer* wesen, Dr. Julius Deutsch, ausgearbeitet wurde und zur gesetzlichen Annahme gelangte. Während die Hinterbliebenen und Invaliden des Weltkrieges mit ge* radezu lächerlichen, erbarmungswürdigen Pensionen abgefertigt worden sind, wird den Angehörigen der neuen Söldnerarmee ein ziemlich gutes Einkommen und Existenzniveau geboten, nur um ihren bedingungslosen Gehorsam im In* teresse der Aufrechterhaltung des bestehenden kapitalistischen Systems ge* sichert zu haben. Und obwohl es für das österreichische Volk ganz gleich* gültig ist, ob Westungarn als Geschenk des St. Germainer Friedensvertrages zu Oesterreich kommt oder nicht, wird diese Frage dennoch einmütig von allen politischen Parteien als eine „wichtige" erklärt, und ihretwegen in diesem Fail unter dem Schutz der Entente gewaltig mit dem Säbel geklirrt. Auch ist es sicher, daß, wenn es wegen Westungarn zu einer kriegerischen Auseinander* setzung käme, alle politischen Parteien einmütig vorgingen, zur „Befreiung" von Westungarn würden sie Westungarn lieber verwüstet und verheert als bei Ungarn geblieben sehenl

Gegen alle die vorgenannten Strömungen, Zustände und politischen Situa* tionen machen als erklärte antimilitaristische Elemente nur drei Organisationen

Front und wenden sich gegen jene in ihrer Totalität. Es ist dies der Bund herrschaftsloser Sozialisten, der unter den Arbeitern propagiert, der Bund der geistig Tätigen, dessen Propaganda sich vornehmlich und fast nur auf die Ins tellektuellen erstreckt und der Versöhnungsbund, der vom christlich*religiösen Standpunkt aus wirkt. Außer diesen Gruppen ist keine Organisation vor* handen, die wirklich antimilitaristisch aufträte oder sich betätigte. Als public zistisches Organ des österreichischen Antimilitarismus erscheint regelmäßig nur „Erkenntnis und Befreiung", Wochenschrift des herrschaftslosen Sozialismus, in Wien. In allen, sehr häufigen und bei allen in* und ausländischen Anlässen ein* berufenen Versammlungen wird der prinzipielle und absolute Antimilitarismus in den Vordergrund gerückt. Die antimilitaristische Bewegung in Oesterreich trägt den Stempel des Antipatriotismus, des Antinationalismus und der Verweigerung des Waffen* und Militärdienstes in jeder Form und unter allen Staatsformen aus* geprägt an sich.

Eingelaufene Briefe und Mitteilungen.

Sonntag morgen erstattete Giesen Bericht über die Kongreßteilnehmer und teilte mit, daß mehrere Abgeordnete, zusammen ungefähr 25, infolge Paß* Schwierigkeiten und dgl. nicht anwesend sein konnten. Von folgenden Personen und Organisationen waren Briefe eingelaufen: Ausschuß für anarchistische Be* Ziehungen in Barcelona, Mondo*Paco (Weltfrieden) in Wien, Kinema*Kreuzzug in New York, Magnus Schwantje in Berlin, Dänischer Landesverband des Internationalen Frauenbundes für Frieden und Freiheit, Stefan Villyamy in Ungarn, Freie Arbeiter*Union (Syndikalisten) Deutschlands, Ortsgruppe der Syn* dikalisten in Wiesbaden, Friedensbund von Kindern in Kopenhagen, Maurice Wullens (Redakteur von „Les Humbles") in Paris, Louis Bertoni im Namen der Schweizer Anarchisten und revolutionären Syndikalisten, Bund der geistig Tätigen (Franz Kobler) in Wien, Räte syndikalistischer Arbeiter (C. L. Raim* bault) in Paris, Arbeiter*Ido*Klub in Kopenhagen, Exekutiv*Ausschuß des Inter* nationalen Frauenbundes für Frieden und Freiheit in Genf, Oertliches Arbeits* Sekretariat in Amsterdam, Niederländische Federation von Arbeiter*Esperan= tisten. Freier Jugendverband der Niederlande, Friedensverein in Manchester. L. J. Bott (Catholic Friends) in England, Nicht*Kombattantenverein in London, und andere.

Dienstverweigerungsmanifest von Frauen. Ein von Alice Park (in Palo Alto, Kalifornien) eingesandtes Dienstver* weigerungsmanifest wird vorgelesen. Zufolge eines Beschlusses des Frauenkon* gresses 1919, keinen Krieg mehr auf irgendwelche Weise zu unterstützen, son* dem ihr! nötigenfalls durch internationalen Frauenstreik unmöglich zu machen, ruft man darin die Frauen und Mütter aller Länder auf, durch ihre Unterschrift zu erklären, daß sie allen organisierten Mord als menschenunwürdig betrachten und an keinerlei unmittelbarer oder mittelbarer Kriegsarbeit teilnehmen werden.

Biologische Bedeutung des Krieges.

Der Vorsitz wurde Dr. Helene Stöcker (aus Berlin) übertragen.

Prof. G. F. Nicolai (aus Berlin) führte über die biologische Bedeutung des Krieges folgendes aus: Es hat keinen Zweck, den Krieg einfach zu verneinen. Beim Ausbruch des Weltkrieges scheiterte sowohl die Internationale der So* zialdemokratie wie auch die der Wissenschaft der Sozialdemokratie wie auch die der Wissenschaft und Religion. Moralgebote verfehlen ihre Wirkung, so lange sie noch nicht tief in der menschlichen Natur verankert sind. Um den Krieg mit Erfolg zu bekämpfen, muß man ihn erst biologisch verstehen, das heißt, ihn aus der Natur der Kriegführenden erklären. Weiß man einmal, unter welchen Bedingungen Kriege notwendig entstehen, dann kann man sie leicht überwinden, indem man diese Bedingungen aufhebt. Einst waren Kriege der Menschheit nützlich. Jetzt sind sie es nur für eine kleine wertlose Minderheit und sind deshalb für die Allgemeinheit schädlich. Die Trennung der Menschen in Rassen und Völker erscheint uns jetzt als zufällige widernatürliche Folge des früheren Mangels an zweckmäßigen Umgangsmitteln. Nationale Selbständigkeit hat heutzutage nur noch traditionellen und kulturellen Wert; vom Gesichts* punkte der Lebensentwicklung hat sie keinen Wert mehr. Naturwissenschaft*

lieh kann man beweisen, daß das menschliche Geschlecht eins ist, und daß es nur eine menschliche Rasse gibt. Gelingt es nun, der Menschheit diese These ins Herz zu prägen, dann ist hiermit die naturwissenschaftliche Grundlage ge* schaffen, um mit Beibehaltung der Kulturwerte der einzelnen Völker einen Bund freier Nationen zu bilden, worin die Menschheit, befreit von den fort« währenden Hindernissen der gegenseitigen Vernichtungskriege, mit beispielloser Energie ihren lebensfördernden Kampf aufnehmen kann gegen alles, was kein Menschenantlitz trägt (Tiere, Krankheiten und Naturkräfte) und kommende Geschlechter ungeahntem Glück entgegenführen wird. Entweder muß der Gedanke, der diese Zusammenkunft beseelt, Tatsache werden, oder das alte Europa wird untergehen.

Bericht des Niederländischen Landesverbandes. Im Namen des holländischen Landesverbandes des I.A.M.V. bedauerte M. de Boer (aus Amsterdam), daß der Charakter des Vereins seit 1904 noch so wenig international war, hoffte aber, daß man von nun an von einem Inter; nationalen Antimilitaristischen Verein sprechen könne. Der holländische Landesverband des I.A.M.V. zählt 80 Ortsgruppen und einige tausend Mitglieder und hat seit Jahren eine rege Tätigkeit entfaltet. Zehntausende Flugschriften und Broschüren wurden verbreitet. Das Organ „De Wapens Neder" (Die Waffen nieder) erscheint monatlich in einer Auflage von ungefähr 18 000 Exemplaren. Redner betonte die Bedeutung des von 1200 Personen unterzeich; neten Dienstverweigerungsmanifestes. 600 Mann verweigerten den Militär* dienst; 65 000 Gulden wurden als Unterstützung an die Familien der Bedürf* tigen unter ihnen ausbezahlt. Der I.A.M.V. hat immer in allgemeinen revolu; tionären Aktionen mitgewirkt und unterstützte die Bewegung, welche die in? dischen Kolonien von Holland abzulösen sucht. Wenn jetzt in der hollän; dischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei der Antimiltarismus stärker wird, so ist dies nicht zum mindesten dem mittelbaren Einfluß des Vereins zu verdanken.

Telegramme von und an Frau F. Domela Nieuwenhuis.

Sonntag mittag eröffnete De Ligt die Versammlung mit der Mitteilung, daß von Frau F. Domela Nieuwenhuis ein Telegramm eingelaufen war, worin sie ihre Sympathie und Kameradschaft bezeugte. Der Kongreß beschloß hierauf, mit einem Grußtelegramm zu antworten.

Die sittlichen Folgen des Krieges.

Der Vorsitz wurde nun Ernest H. Fletcher (aus Bilthoven, Holland) über; tragen.

Wilfred Wellock (aus London) spricht über die sittlichen Folgen des Krieges. Es ist ein großer Unterschied zwischen den primitiven Völkern, die mit Stolz die Schädel und Ohren ihrer erschlagenen Feinde zeigen, und dem jetzigen Menschen, der sich dessen schämt, was er im Kriege geleistet hat. Dies zeigt das Wachsen des sittlichen Bewußtseins. Einst wurde alles von der Frage nach Nahrung und Lebensgewißheit beherrscht. Besonders unter ungünstigen Natur; umständen fühlten Stämme und Völker sich verpflichtet, einander in wildem Kampf ums Dasein gewalttätig zu massakrieren. Noch ganz von der Natur umgeben, lebte man nach den Grundsätzen dieser Natur. Der Krieg war not; wendig und wurde als sittlich empfunden. Die Einheit des Blutes, den Zu; sammenhang miteinander erlebte m^p religiös in seinen Göttern. Der eigene Gott war lanqe Zeit der gute Gott, in dessen Namen man freimütig Fremde tötete. Infolge der Entwicklung von Technik und Verkehr nahm die Pro; duktion zu und wuchs die menschliche Persönlichkeit. Dies äußerte sich u. a. in religiösen Konflikten. Auch hatte man wegen seines Gottesdienstes ums Dasein gekämpft (Religionskriege) und das organisierte Menschentöten als eine sittliche Notwendigkeit erfahren. Gleich wie mit wissenschaftlicher Entwick; lung die Naturbeherrschung zunimmt, wächst mit religiöser Entwicklung die Ver; träglichkeit. Man lernt einsehen, daß der Mensch ein geistiges Wesen ist und betrachtet schließlich Töten als die größte Sünde. Unter dem Kapitalismus wird diese Anschauung jedoch nicht anerkannt: eine kleine Gruppe von Großkapita;

listen beherrscht die Produktion so, daß die große Masse nicht mehr ihre Bedurft nisse befriedigen kann. Im imperialistischen Kriege werden die Menschen gegen* einander aufgepeitscht und die sogenannten Feinde als Barbaren hingestellt. Der entstehende sittliche Streit wird unterdrückt. Dies ist die tiefste Ursache der heutigen Entsittlichung: Man denke an die Zustände in Irland, Indien, Mesopo* tamien, Arabien usw.; man denke an die Demoralisation in England selbst und in allen kapitalistischen Ländern: Gewinnsucht, Unsittlichkeit und Geschlechts« krankheiten wüten; es gibt keine Achtung vor dem Leben mehr. Während England und Amerika zum Kriege rüsten, kommt das ganze Gesellschaftswesen unter die Herrschaft einer immer kleineren Anzahl Menschen. Es erscheint nicht wenig Zivilisation nötig, um gute Sklaven heranzubilden. Der Empörung der Indier zollte Redner Beifall. Was Rußland betrifft, werden wir erst ein Recht haben, es zu kritisieren, wenn wir hier mehr und besseres leisten. Mit Vernunft und Geist haben wir einen neuen Weg zu bahnen. Berufen wir uns auf Gewalt und niedrige Instinkte, so werden wir selbst niedrig. Jedoch kann man sich auch auf das Höchste berufen. Mit dem Geiste fühlen wir uns stärker als mit den Muskeln. Neue Erziehung ist erforderlich, kräftige Propaganda, starke Organi* sation, um zu verhindern, daß die Menschheit in Barbarei zurückfällt. Unser Gegner ist sehr mächtig, aber wir glauben an neue psychologische Möglichkeiten.

Krieg und Militarismus.

Marius Hanoi (aus Paris), der infolge Krankheit am Kommen verhindert war, hatte seine Rede über Krieg und Militarismus niedergeschrieben, damit sie auf dem Kongreß von Henri Delecourt vorgelesen werden sollte. Ohne Paß unterwegs nach dem Haag, wurde diesem in Antwerpen die Weiterreise unmög- lich. Trotzdem gelang es ihm, uns Hanots Rede durch einen der Kameraden überbringen zu lassen. Wir entnehmen daraus folgendes:

/. Militarismus vor dem Kriege. Es liegt im Interesse der kleinen Gruppe von Herrschern und Regierern, den Krieg lebendig zu erhalten und den Völker; haß zu schüren. Doch werden nach einigen Jahrhunderten die Haßgefühle der Franzosen und Deutschen den Menschen lächerlich erscheinen. Man wird be- greifen, daß man, anstatt sich gegen Mitmenschen zu wenden, lieber Elend, Un* wissenheit, Krankheiten und Unfälle als Feinde bekämpfen sollte (Charles Richet). Seit 1871 wurde in Frankreich der Vergeltungsgedanke in Hinsicht auf Deutsch* land systematisch genährt, u. a. von Deroulede und Barres. Man nahm den drei» jährigen Dienstzwang an, wie sehr er auch Deutschland reizen mußte; man ver* bündete sich mit dem autokratischen Rußland. Die auf Frieden hinzielende Politik von Caillaux (Agadir*Frage) wurde zur Seite gestoßen und gegen An* schauungen im Geiste Millerands eingetauscht. In Frankreich wütete wüster Chauvinismus und für die Kolonien schien „Krieg" dasselbe wie „Zivilisation" zu bedeuten. Dies alles förderte den Militarismus. Im übrigen wurden die Heere auch gegen den Feind im eigenen Lande angewendet. Wie früher Fürst, Priester und Kriegsmann, entscheiden jetzt Industrieller, Kaufmann und Kriegs* gewinnler.

//. Militarismus während des Krieges. Im August 1914 zogen auch die Franzosen in den Krieg, irregeleitet von den offiziellen Sozialisten, von den Lei* tern der Confederation Generale du Travail, voa der bürgerlichen und sozial* demokratischen Presse. Endlich drang es jedoch zu ihnen durch, daß nicht Deutschland, sondern alle kapitalistischen Länder für den Krieg verantwortlich waren. Zweimal schlugen die Herrscher ein Friedensangebot ab. Seitdem war es klar, daß die Soldaten nicht ihr Vaterland, sondern den Kapitalismus vertei* digten. Welchen Nutzen zog das französische Volk aus der Landesverteidigung?

Verwüstete Städte und Dörfer 3 720

Gänzlich zerstörte Häuser 310 209

Verwüstete Fabriken 11 506

Teilweise zerstörte Häuser ....... 313 675

Obdachlose Personen 2 712 000

Zerstörte Brücken und Viadukte .... 4 785

Verlorengegangenes Vieh 20 000 000

Französische Tote 1500 000

Französische Verstümmelte 274 000

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///. Militarismus nach dem Kriege. Man behauptete, daß Frankreich für die Vernichtung des Militarismus und für die Freiheit kämpfte. Der Genfer Friedensvertrag lehrt jedoch etwas anderes. Keine der moralischen Verpflich* tungen, die man während des Krieges übernommen hatte, erfüllte man. Säbel und Kommisstiefci regieren. Man unternimmt militärische Expeditionen nach Ruß* land, Mesopotamien, Cilicien, Syrien, Polen und Marokko. Frankreich steht hinter Denikin, Koltschak, Wrangel und Pilsudski. Der Rhein wird besetzt, das Ruhr* becken bedroht. Militärischer Dienstzwang von 18 Monaten bis zu 3 Jahren wird eingeführt, die Freiheit des Denkens unterdrückt! Nur die Revolution kann uns retten. Antikapitalistischer Antimilitarismus muß auf alle mögliche Weise propagiert werden, besonders im Zusammenwirken mit deutschen Kameraden. Laßt uns unaufhörlich kämpfen und uns nicht als besiegt ergeben.

Militarismus und Klassenkampf.

Da Henriette Roland Holst - van der Schalk (aus Zundert, Holland) verhindert war, bat man ihren Parteigenossen, den Kommunisten J. Brommert jr. (aus Enschede, Holland), ihre Thesen vorzutragen. Dieser erklärte sich hierzu bereit und ebenfalls geneigt, diesbezügliche Fragen und Bemerkungen zu beant* worten.

Henriette Roland Holst führte aus, daß in der jetzigen gesellschaftlichen Phase der Militarismus gebraucht wird: 1. um die Interessengegensätze der Herrscher auszukämpfen und unterdrückte Völker auszubeuten; 2. um das Proletariat in eignen und anderen Ländern unterdrückt zu halten; 3. um Länder, wo das Proletariat mit der Erfüllung seiner historischen Aufgabe einen An« fang macht, möglichst zu vernichten. Dies muß als ein zusammenhängendes Ganzes bekämpft werden. Der Charakter dieses Kampfes hat sich nach den augenblicklichen Umständen zu richten. Besonders Sabotage, Arbeits* und Dienstverweigerung erfüllen darin eine bedeutende Rolle. Hierzu muß fort« fahrend und international antimilitaristische Propaganda geführt werden. Man wende sich nicht nur an die Soldaten, sondern schon an die Jugend, besonders auf dem Lande. Man verstehe unter Militarismus nicht nur Milizheere, sondern auch die Organisation von Bürgerwehren, Polizei, Grenzwache usw. Diese sind jedoch für die antimilitaristische Propaganda so gut wie unzugänglich. In revolutionären Uebergangszeiten werden sie im Dienst der herrschenden Klassen stehen. Diese werden außerdem Eingeborene, Kolonialtruppen usw. gegen das Proletariat anwenden. Dieses hat daher in erster Linie von der Bourgeoisie und ihren Trabanten Entwaffnung zu fordern. Jedoch kann diese Entwaff* nung nur durchgeführt werden, wenn das Proletariat bewaffnet ist. Nach dieser Auffassung sind rote Heere antimilitaristische Einrichtungen, Werkzeuge zur Befreiung arbeitender Massen. Die hier und da und endlich überall ent* stehenden roten Heere werden schließlich das internationale rote Heer der Revolutionäre bilden. Für Imperalisten ist Gewalt erstes Hilfsmittel. Die tierische Grausamkeit der bürgerlichen Klasse kann und will das Proletariat in seiner revolutionären Vorstellung nicht zum Beispiel nehmen. Im allgemeinen handhabt das Proletariat die Gewalt mit Widerwillen. Seine wichtigsten Mittel sind Propaganda und Ueberzeugung. Wenn auch proletarische Revolution ohne Gewalt unmöglich ist, so ist es doch unsere Pflicht, Gewalt und Blutvergießen möglichst zu beschränken.

Bei dem hierauf folgenden ausführlichen Gedankenaustausch erklärte Brommert, daß seiner Meinung nach die Gewalt nur ein sehr bedeutender NebenfaktoT ist. Hauptsache ist die Geisteskraft des revolutionären Proleta* riats. Im äußersten Notfalle muß seiner Meinung nach das Proletariat seine Zuflucht zu allen Mitteln nehmen. Es handelt sich nicht darum, ob ein Mittel gut oder schlecht ist, sondern nur, ob es zweckmäßig ist. Redner meint, daß in kommunistischen Gemeinschaften, die Gewaltmittel für ihre Aufrechterhaltung und Organisation anwenden, auch für die sogenannten Absolutisten Raum ist. Sie könnten sich nämlich mit dem wirtschaftlichen Aufbau der neuen Gesell* schaft beschäftigen. Unter gewissen Umständen wäre es jedoch, wie Brommert meinte, sehr gut möglich, daß auch gegen sie mit Gewalt vorgegangen wird. Es gibt kein höheres Ziel als das allgemeine Glück der Menschheit, und hier« für müssen unbedenklich alle nötigen Mittel gebraucht werden,

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Zusammenwirken mit den unterdrückten farbigen Rassen.

Hiernach sollte Dr. Armin T. Wegner sprechen, der aber auch wieder durch Paßschwierigkeiten verhindert war, wie sich im letzten Augenblick heraus* stellte. Seinen uns zugesandten Thesen entnehmen wir folgendes:

Der Antimilitarismus hat das Ziel, die Völker von den Leiden des Krieges und von kapitalistischer Unterdrückung zu befreien. Militarismus und Kapita* lismus (Gewalt und Habsucht) sind die beiden wesentlichen Kennzeichen der Zivilisation des modernen Europas. Jedoch sind diese fürchterlichen Trieb* federn bei keiner Gelegenheit so ungeschminkt zum Ausdruck gekommen, wie in der Stellung Europas gegenüber den orientalischen Völkern. Darum kann der Kampf für die Aufhebung ihrer Herrschaft nur dann zu segensreichem Ende führen, wenn er in engster Verbindung mit den kolonisierten Völkern aus* gefochten wird. 1. Die Länder des Orients mit ihren großen wirtschaftlichen und Kunstschätzen bieten der kapitalistischen Habsucht die stärkste Ver* lockung. Darum hat Europa immer versucht, sich mit rücksichtsloser Ge* walt dieser Länder zu bemächtigen. Die meisten Kriege der letzten Jahr? hunderte sind Handels* oder Kolonialkriege gewesen, die im Besitz orientalischer Länder ihren Ursprung fanden, oder Kriege zur Eroberung solcher Länder oder auch Kriege, die Länder des Okzidents wegen ihrer Kolonien führten (eng* lischer Krieg in Indien, Frankreichs Krieg in Afrika, spanisch* holländische Kolonialkriege usw.). 2. Da die unterworfenen Völker des Orients sich jedes* mal aus ihrer unnatürlichen wirtschaftlichen und politischen Unterdrückung zu befreien suchen, führt dies wieder zu neuen Kriegen, Aufständen und Revolu* tionen (Indien, Aegypten, Deutsch*Südwestafrika, China usw.). 3. Europa hat durch die mechanisierenden, geisttötenden Mittel seiner Wirtschaftspolitik und Frondienste schon viele Völker des Orients zu gleichen Maßregeln gezwungen und mit denselben Gewaltideen vergiftet. Hierzu bieten das beste Beispiel die Japaner, die man schon aus diesem Grunde die Preußen des Orients genannt hat Diesen Prozeß nun, die Militarisierung des Orients, gilt es aufzuhalten. Der Kampf gegen den Militarismus kann nur dann erfolgreich sein, wenn er in allen Ländern zugleich geführt wird. Hierzu gehören vor allem auch die Länder des Südens und des Ostens, denn der größte Teil der Erdoberfläche liegt im Orient. Allein 900 Millionen Menschen wohnen in Asien. 5. In ihren orientali* sehen Kolonien besitzen die europäischen Mächte große Menschenvorräte, die sie gewissenlos ohne Erbarmen zu Heeresbildung und Krieg verwenden, ohne sich selbst dabei in Gefahr zu begeben. Die Engländer gebrauchen so die Indier, die Franzosen die Afrikaner. Darum gilt es, die Eingeborenen zu dem Bewußtsein zu bringen, daß sie mißbraucht werden, damit sie sich in eignem Interesse bei neuer Pressung dem Kriegsdienste für die Ziele Europas wider* setzen. 6. Die kapitalistischen Staaten des Okzidents bilden einen geschlossenen Ring von Weltunternehmern, kraft dessen sie die immer mehr verarmten Völker des Orients als Fabrikstagelöhner rastlos arbeiten lassen. Diesen Kordon muß man durch Zusammenschluß aller besitzlosen Völker des Orients zersprengen. 7. Der Orient ist die Wiege des Friedensdienstes und aller friedliebenden Religionen (Taoismus, Buddhismus, Christentum, Bahaismus). Es ist deshalb anzunehmen, daß der Friedensgedanke auch heute in den orientalischen Völkern starke Unterstützung finden wird (Tagore). Wenn es noch ein Mittel gibt, um die unerhörte Mechanisierung der Welt aufzuhalten und den Unter* gang des Okzidents zu verhindern, so ist dies vielleicht allein noch in dem unerschöpflichen Brunnquell der orientalischen Seele zu suchen.

Das Los der grundsätzlichen Dienstverweigerer in Rußland.

Am Sonntag abend las K. Boeke (aus Bilthoven, Holland) den Bericht von Wladimir Tschertkoff (in Helsingfors) vor, der wegen Paßschwierigkeiten nicht anwesend sein konnte. Tschertkoff betont die große Bedeutung der Propaganda Tolstois für die Dienstverweigerung. Die Zahl der Dienstverweigerer ist unmög* lieh anzugeben. Es sind 837 Fälle von Dienstverweigerung aus absolutistischen Gründen bekanntgeworden, die zwischen 1914 und 1916 vorkamen. Die diesen Leuten auferlegten Strafen waren außergewöhnlich schwer. Unter der vor* läufigen Regierung Kerenskis wurde allen gefangenen Dienstverweigerern Amnestie verliehen. Als die Sowjetrepublik gerade errichtet worden war, ent*

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ließ man alle Dienstverweigerer. Doch das wurde bald anders. In manchen Bezirken warfen die örtlichen Militärbehörden sie ins Gefängnis, in andern wurden sie zur Arbeit gezwungen, die an Stelle des Militärdienstes trat. Wieder anderwärts wurden sie als Verräter des Sozialismus betrachtet und als Fahnen< flüchtige hingerichtet. Im Herbst 1918 traten verschiedene religiöse Gruppen und Sekten, wie Baptisten, Mennoniten, Adventisten und der Moskauer Toi« stoianische Verein für wirkliche Freiheit zu einem Kongreß zusammen und wandten sich mit einer Eingabe um Gewissensfreiheit auch betreffs des Kriegs« dienstes an die Sowrjetregierung. Die Antwort hierauf war das Dekret des Rates der Volkskommissare vom 4. Januar 1919: 1. Personen, die aus religiösen Gründen den Dienst verweigern, können sich beim Volksgericht melden mit der Bitte, während ihrer Dienstperiode selbstvertretende Arbeit zu leisten, zum Beispiel im Dienste des Roten Kreuzes, in den Hospitälern gegen ansteckende Krankheiten usw., nach eigner Wahl. 2. Zur Beurteilung jedes Falles erbittet das Volksgericht ein Gutachten vom Moskauer Vereinigten Rat Religiöser Ge« meinschaften und Gruppen. Dieser hat glaubhaft zu machen, daß der Be= treffende aufrichtig und ehrlich handelt und eine religiöse Anschauung vertritt, die keinen Militärdienst erlaubt. 3. Ausnahmsweise hat dieser Rat das Recht, nach einstimmigem Beschluß den Vorstand des Allrussischen Zentralen Exekutiv« Ausschusses zu ersuchen, gewisse respektable Persönlichkeiten gewisser religiöser Anschauungen ohne irgendwelche stellvertretende Arbeit vollständig vom Militärdienste zu entheben. Dieses Dekret wrurde jedoch bei weitem nicht überall ausgeführt. In mehreren Bezirken, zum Beispiel Wladimir, Smolensk. Samara und anderen, verfolgte man die Dienstverweigerer weiter und warf sie ins Gefängnis. Hörte der Vereinigte Rat von einem solchen Falle, so wendete man sich sofort an die Behörden. Diese griffen ein, und das Urteil wurde, wenn möglich, widerrufen. Viele haben dem ihr Leben zu verdanken. Oefters kümmerten sich jedoch die Ortsbehörden nicht um die Schritte der Zentral« gewalt. So wurden zum Beispiel in Smolensk 7 grundsätzliche Dienstver« •seigerer erschossen. Einmal sandten Behörden einen Dienstverweigerer zu Koltschaks Heer, damit er dessen Zucht untergrabe. Weiter wiesen manche Dienst« verweigere- die Vermittlung des Rates zurück, weil sie meinten, nur mit eignen Geisteswaffen kämpfen zu müssen. Einige Mitglieder des Vereinigten Rates, darunter auch Tschertkoffs Vater, halten ihre Tätigkeit mehr und mehr für unmöglich. Sie «lauben weder imstande zu sein, noch das Recht zu haben, über anderer Leute Ueberzeugung und Gewissen zu urteilen. Tscherkoffs Brief endigte mit einem Auszug aus einem Brief, den ein grundsätzlicher Dienst« Verweigerer vor dem Augenblick seiner Erschießung geschrieben hatte.

Antimilitarismus, Frauen und Erziehung.

Der Vorsitz wurde nun dem Kameraden Fritz Lieb faus Zürich) übertragen. Dr. Helene Stöcker (aus Berlin) begrüßte den Kongreß als Mitglied des Haupt« Vorstandes des Deutschen Bundes der Kriegsdienstgegner und als Vertreterin des Internationalen Frauenbundes für Frieden und Freiheit. Die Frau, fuhr sie fort, die durch den Weltkrieg aufs greulichste beleidigt worden ist. hat ganz besonders die Aufgabe, eine Weltanschauung und eine Gesellschaftsordnung zu bekämpfen, die Krieg und blutige Gewalt verherrlicht. Ein Teil der Frauen ist sich dieser hohen Aufgabe bewußt. Neben der männlichen Xeigung nach Herrschaft ist es notwendig, im öffentlichen Leben auf die wreihliche N'eigung nach Milde ("die natürlich nicht nur an d^s weibliche Geschlecht gebunden ist) /u ihrem Rechte kommen zu lassen. Es liegt im Wesen der Frau als Geberin des Lebens, daß sie alle Mittel verteidigt, die dem Leben, der Kultur und dem Frieden dienen, und daß sie sich allen Bestrebungen widersetzt, die in «ewalt« ti'tiger Richtung führen und damit Tod und Verderben verewigen. Als Hüterin des Lebens muß sie vor dem Kriege als einer Gefahr für das Menschengeschlecht warnen und Lebenserhaltung und Achtung vor dem Leben als Grundsätze der Weiblichkeit und Mutterschaft zum Siege führen. Schon der Jugend muß klar« gemacht werden, daß Krieg überhaupt, rieht nur der sogenannte Eroberungs* krieg, das große Verbrechen ist. wofür schließlich alle diejenigen mitveranrwort« lieh zu machen sind, die an das sittliche Recht der Xotwehr glauben. Solange die ganze Welt den Verteidigungskrieg als gerechtfertigt betrachtet, hat man kein Recht, diejenigen als Verbrecher zu behandeln, die dieser Auffassung

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gemäß ihre Pflicht taten, aber zufällig zu den besiegten Völkern gehören. Klare Erkenntnis des verhängnisvollen Selbstbetruges, daß mörderische Notwehr er« laubt wäre, muß bereits in den empfänglichen Boden der Kinderseele gepflanzt werden. Die Lehre vom Heere als einem Notwehrmittel muß man eben so gründlich abschwören wie die Eroberungsgeliiste. Dies muß allen inkonsequenten Pazifisten, allen Sozialdemokraten und bürgerlichen Friedensfreunden bei» gebracht werden. Schon Nietzsche sagte, daß ein Volk endlich lernen sollte, freiwillig das eigene Schwert zu zerbrechen. Hätte es das Vorurteil des Vcr* teidigungskrieges nicht gegeben, dann wäre der Weltkrieg nie ausgebrochen oder hätte wenigstens nicht solchen Umfang angenommen. In Zukunft muß jedem Menschen von der Jugend an beigebracht werden, daß niemand an der teuf« lischen Barbarei des Krieges, einerlei unter welchem Vorwand, teilnehmen darf. Besonders die Frau hat einzusehen, daß das unantastbare Recht jedes Menschen, der geboren wurde, das Leben selbst ist. Das Christentum hat uns den Wert der menschlichen Persönlichkeit gelehrt. Hieraus ergibt sich, daß nicht allein der Kapitalismus, sondern auch die falsche Erziehung bekämpft werden muß. als hätte der Staat das Recht, frei über Leben und Tod seiner Bürger zu ver* fügen. Weder die Sozialisten der Zweiten Internationale, noch die der Mos* kauer, haben dies genügend in sich aufgenommen. Wenn man schon die wirt* schaftliche Ausbeutung des Lebens brandmarkt, wieviel mehr dann die fürchter* lichste Ausbeutungsform, die mittels des Krieges das Leben selbst raubt. Das so wenige dies erst einsehen, kommt hauptsächlich von falscher Erziehung. Die Anerkennung der Heiligkeit menschlichen Lebens kann «Hein die Grundlage einer neuen Gesellschaft bilden. Notwendig ist es, freie Bahn zu schaffen für einen Geist von Liebe, Erkenntnis und gegenseitiger Hilfsbereitschaft.

Lichtbilder.

Danach zeigte der frühere Offizier G. W. Meyer (aus Bremen) eine Reihe Lichtbilder, die den verstümmelnden und lebenzerstörenden Charakter des Krieges mit erschütternder Deutlichkeit demonstrierten. „Vergeßt nicht", riet er auf Englisch, Esperanto und Französisch den Anwesenden zu, „daß es Menschen sind wie wir, Väter und Söhne!"

Militarismus, Kommunismus und Antimilitarismus.

Nun folgte Vorlesung der ausführlichen Rede von Pierre Ramus (Rudolf Großmann aus Wien), der wegen Paßschwierigkeiten dem offiziellen Teil des Kongresses nicht beiwohnen konnte, jedoch im Haag anwesend war. Seiner Meinung nach war der Zweck gesellschaftlicher Bewaffnung durch irgendwelchen Häuptling, Fürst, Präsident oder Sowjetdiktator nie die Sicherung gesellschaft* liehen Interesses, sondern diente stets zur Aufrechterhaltung der Machtstellung derjenigen, die für das autoritätsgläubige Volk das Interesse der Gemeinschaft verkörperten. Wußte eine neue Gruppe durch bewaffnete Minderheiten die alten Herrscher zur Seite zu werfen, dann entartete sie bald zu neuen Machthabern, Und das Volk, das durch Kirche und Schule und öffentliche Meinung und sitt* liehe Theorien bearbeitet worden war, erkannte die neue Macht als Staat an. Welche Form dieser Militarismus auch immer annimmt, ob Volksmiliz, Wehr* pflicht, Söldnerheere, er kann nie die Grundlage gemeinschaftlichen Interesses sein und stellt sich immer als Mittel der Herrschaft, Gewalt und Ausbeutung heraus, was im Weltkrieg klar zutage trat. Jeder Staat, auch der einer prole* tarischen Sowjetdiktatur, hat Militär nötig und muß daher denselben Grundsatz eiserner Disziplin und Gewalt anwenden, wie die imperialistischen Staaten. Der Zusammenbruch Rußlands, Oesterreich*Ungarns und Deutschlands bewies, daß der Militarismus die Grundlage von Staat und Volksausbeutung ist. Leider lebte der Gedanke eines positiven und aktiven Antimilitarismus so gut wie nicht im Proletariat, und seine Leiter, ganz unter dem Einfluß der Theorien von 1793, schufen einen neuen Militarismus und befestigten so die Staatsmacht. Dennoch hat der Weltkrieg den Kapitalismus angetastet und seinen Zusammenbruch in Möglichkeit gestellt. Wenn nun das Proletariat nur einsehen würde, daß jeder Krieg allein dem Interesse von Kapital, Besitz und Regierung dienen kann. Einziger Ausweg ist Anrimilitarisierung der Gesellschaft. Der Militarismus ist die Waffe des Staates, die sich dem Lebensgrundsatze des eigenen Volkes und

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der ganzen Menschheit entgegenstellt. Er ermöglicht dem Staate die Beschützung des Eigentumsmonopols, entzieht der Gesellschaft einen großen Teil der Pro* duktionskräfte und vergeudet menschüche Arbeit zur Waffen» und Munitions* fabrikation. In diesem Lichte gesehen, ist der Militarismus der Kern der sozialen Frage. Antimilitarisierung der Gesellschaft bedeutet Vorbereitung und Ueber* gang zur Aufhebung aller gesellschaftlichen Monopole, d. h. zum Kommunismus, der ebenso wirtschaftlich wie zweckmäßig ist. Antimilitarismus ist die Grund* läge zum Kommunismus, und Aufhebung des Monopols bedeutet Entfernung aller Herrschaft. Das wesentliche Ziel von allem Antimilitarismus ist kommu* nistische Anarchie. Aktiver und passiver Antimilitarismus ist jetzt der einzige Ausweg. Der Antimilitarist widmet sich diesem, abgesehen davon, ob die Gesellschaft sein Ziel schon jetzt erreichen kann. Er verweigert Eid und Militär- dienst und ist unbedingter Antipatriot. Alle Probleme der Diplomatie, alle Kolonial? und Wirtschaftsfragen sind nur im Geiste des antimilitaristischen Korn* munismus zu lösen. Es ist die Kulturaufgabe des Antimilitaristen, der Mensch* heit vorbildlich zu beweisen, daß die Sache der Freiheit und des Rechts nie auf mörderische Weise aufrechterhalten werden kann. Hieraus ergibt sich Verzicht* leistung auf alle Verteidigung, einschließlich der eines sogenannten kommunisti* sehen Staates. Geschieht dieser Verzicht nicht, so gerät das Volk nicht allein in Abhängigkeit von allerlei wirtschaftlichen und politischen Machthabern, sondern wird auch von einem Geiste des neuen Militarismus vergiftet. Die Verherr* lichung des roten Heeres bringt das Proletariat in den Wahn, daß auch Mili* tarismus und Krieg Befreiungsmittel für den Klassenkampf seien. Während der Glaube an besiegende Kraft von Waffengewalt, Militarismus und Krieg schon lange widerlegt ist, wird er künstlich im Proletariat lebendig erhalten. Infolgedessen werden alle ethischen und kulturellen proletarischen Interessen auf das mili* taristische Niveau hinabgedrückt. Die marxistische Auffassung betreffs der Bewaffnung des Proletariats muß daher verwirrend wirken und einen grundsätz* lieh reaktionären Geist erwecken. Das Proletariat überhaupt ist keine gleich* geartete Masse; es hat nur wenige revolutionäre Kerne: allgemeine Bewaffnung des Proletariats bedeutet deshalb, daß kulturell rückständige Massen befähigt werden, sich revolutionären Minderheiten entgegenzustellen. Bewaffnung einer Elitegruppe aus dem Proletariat führt zu willkürlicher Diktatur von Söldnern oder Parteimachthabern, deren Zuverlässigkeit nicht verbürgt ist. Uebrigens läßt man unter der Losung, das Proletariat bewaffnen zu wollen, die stets zu* nehmende und stets mehr verschlingende Waffen* und Munitionserzeugung der Bourgeoisie fortdauern. Unverfrorenheit, strategische Kenntnis und militärische Erfahrung sind nun einmal an der Seite der Reaktion. Man blicke nur nach Mitteleuropa. Dort steht jetzt das revolutionäre Proletariat fast unbewaffnet einer stark bewaffneten Reaktion gegenüber, die die große Masse des rück* ständigen Volkes in seinem Dienst hat. Der anarchistische Kommunismus fordert, daß der Militarismus als Machtzentrale des Staates und Hüter aller Monopole durch Dienstverweigerung und revolutionär*wirtschaftlichen Kampf so bald wie möglich aufgehoben werde. Eine neue Jugend* und Volkserziehung ist erforderlich. Während einer Revolution ist es die Aufgabe der anarcho* kommunistischen Antimilitaristen, die vollständige Aufhebung aller Militär* Organisationen zu fordern. Sie erfüllen damit die Aufgabe der Revolution selbst: Aufhebung von Autorität und Kapitalismus: Entfernung von allem, was ver* hindert, daß aus der Erde sich freie Kräfte in harmonischem Zusammenspiel ent* wickeln. Bestände eine in solchem Geiste lebende anarcho*kommunistische Ge* meinschaft, so würde sie wahrscheinlich militärisch angegriffen. Sie hätte dann die Aufgabe, der Menschheit zu zeigen, daß man sich noch auf andere Weise verteidigen kann. Erstens durch Vernichtung des Spukgedankens „Feind". Findet ein Einfall statt, so wird diesem nicht militärisch widerstanden. Je mehr dann der sogenannte Feind durchdringt und sich über das Land verbreitet, desto mehr er seine militärische Macht, die naturgemäß zentralistisch ist, verliert. Zweifellos würde solche Kampfweise auch Opfer kosten. Wie unendlich groß Ist jedoch die Anzahl der Opfer, die die verwüstende Gewalt des jesuitischen Militarismus fordert! Ohne Opfer, ohne zähen, unaufhörlichen Kampf wird die Menschheit nie zur Befreiung gelangen. Es handelt sich nur darum, was hier wirklich zweckmäßig ist. Schließlich befindet sich das Proletariat auf dem Gebiete der Gewalt unter den ungünstigsten Umständen. Dies ist das Sonder*

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gebiet der Bourgeoisie. Auf antimilitaristischem sozialwirtschaftlichem Gebiet ist es gerade umgekehrt: hier ist die Bourgeoisie vollständig vom Proletariat ab- hängig. Sie kann die Industrie nicht militarisieren, wenn das bewußtgewordenc Volk es nicht will. Von diesem Gesichtspunkte aus enthält der Antimilitarismus die wesentlichen Methoden der sozialen Revolution in sich. Er ergibt sich als die Revolution in Permanenz: die fortwährende Umwälzung.

Telegramme.

Am Montag eröffnete J. van Langen (aus Kopenhagen) die Sitzung und er» teilte Jos. Giesen das Wort zur Vorlesung eingelaufener Telegramme. Aus MeL bourne, Australien: „Die Australische Friedenskonferenz sendet brüderliche Grüße". Aus Wien: „Solidarischen Gruß von den konsequenten Antimili* taristen Rudolf Hacker, Konrad Hofer, Ignaz Holzreyter, Ernst Hübl, Robert Hynek, Ernst Kerpen, Anton Kulich, Karl F. Kocmata, Moritz Likier, Otto Lustig, J. Magerer, Ben Mandl, Josef Mottitscha, Johan Podany." Aus Amster* dam, vom Niederländischen Verein Unabhängiger Typographen: „Unsere besten Wünsche für das Wohlgelingen dieses Kongresses".

Protest gegen Paßverweigerimg usw.

Da sich endgültig herausgestellt hatte, daß auch Armin T. Wegner, der über Antimilitarismus, Kolonien und Orient sprechen, und Rudolf Rocker, der Milü tarismus und Kapitalismus behandeln sollte, wegen Paßschwierigkeiten nicht an* wesend sein konnten, schlug Jos. Giesen dem Kongreß folgende Protestresolution vor, die unter großer Begeisterung angenommen wurde:

„Der Internationale Antimilitaristische Kongreß im Haag 1921 protestiert gegen den offenen und geheimen Widerstand der Regierungen, Behörden und Polizeiorgane, die u. a. folgenden Personen Pässe verweigerten: R. Großmann (Pierre Ramus), C. J. Björklund, Armin T. Wegner, Jules Humbert Droz, Rudolf Rocker und anderen Änarcho*Sozialisten, radikalen Pazifisten, Antimilitaristen der Dritten Internationale und Syndikalisten. Der Kongreß freut sich jedoch über die Tatsache, daß hierdurch der revolutionärsantimilitaristische Charakter des Kongresses dargetan ist, und daß sich hieraus deutlich die Notwendigkeit schärfster antimilitaristischer Aktion ergibt für die Völker, die das Neue und das Gute wollen.

Antimilitarismus und Gewerkschaftsbewegung.

Zur Vorlesung gelangt nun die Rede von C. J. Björklund (aus Stockholm), der den offiziellen Sitzungen des Kongresses nicht beiwohnen, sondern nur seinen Vortrag über Antimilitarismus und Gewerkschaftsbewegung soeben dem Kon* greß*Sekretär überreichen konnte. Im Namen der Neu«Sozialistischen Partei dankte Björklund für die Einladung zum Reden und führte aus, daß der mili- tärische Apparat noch immer den herrschenden Klassen und Parteien dient, um mit roher Gewalt Arbeiter, die sich befreien wollen, zu unterdrücken. Darum haben besonders die Gewerkschaften als Arbeiterorganisationen eine praktische iintimilitaristische Aufgabe. Sie haben den Kampf der direkten Aktion zu führen. Das heißt nicht Mord und Totschlag oder unmoralische Politik, sondern eine Aktion höchster kultureller und sittlicher Werte, sich ergebend aus der Forderung von Frieden und Gerechtigkeit. Ueberall wird das Militär gegen die Arbeiter verwendet. So sandte König Oskar II. im Jahre 1879 tausend Soldaten mit 50 000 scharfen Patronen und 6 Geschützen gegen streikende Arbeiter in SundsvaJ. Aehnliche Maßregeln nahmen die schwedischen Herrscher in den Jahren 1890. 1891, 1892, 1898, ^1900, 1903, 1906, 1908, 1909 während des Generalstreiks, 1917 gegen die Hungerdemonstrationen, 1921. Dasselbe sieht man in allen Ländern, besonders in Frankreich und Spanien, aber auch in angeblich demokratischen Ländern, wie Schweiz und Norwegen. Als man jedoch 1903 in Norwegen einen Walfischfängeraufruhr blutig niederschlagen wollte, weigerten sich die Soldaten zu schießen und trat einer von ihnen aus den Reihen auf den Hauptmann zu mit den Worten: „Es ist Ihre Sache zu befehlen, aber unsere Sache, zu gehorchen oder nicht". Sogar im „freien" Amerika ermordet man Hunderte Arbeiter, ebenso wie in Deutschland, Rußland usw. Die Arbeiterorganisationen haben sich daher mit der militärischen Frage zu befassen. Je eher man den Militarismus

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angreift, desto besser, sonst kommt man mit seinen iMaßnahmen zu spät, und es fließt unnötigerweise Arbeiterblut. Dies gilt auch für kommende Revolutionen. In Schweden wird dies von den Gewerkschaftlern eingesehen, obwohl noch lange nicht praktisch verwertet. Dennoch haben bereits die Elektriker und Typo* graphen beschlossen, alle Arbeit für den Militarismus zu boykottieren. Be* sonders muß direkte Aktion geführt werden: sofort weigere man sich, Waffen* zeug und Heeresbedarf herzustellen, Kasernen zu bauen usw., Waffen, Munition und Soldaten zu transportieren; denn dadurch ignoriert man die ganze militärische Mordmaschine. Gegen den Krieg selbst wende man Generalstreik an. Da ein Teil der Arbeiter sich immer wieder als Soldaten gegen das Proletariat hergibt, ist es nötig, zu sorgen, daß das Verhältnis zwischen Arbeitern und Soldaten das möglichst beste sei. Neue Erkenntnis und neue Gesinnung muß in ihnen er« weckt werden. Militärischer Gehorsam muß als schwerstes Verbrechen dar« gestellt werden. Die Gewerkschaft muß durch Versammlungen, festliche Zu* sammenkünfte, Flugblätter usw. mit den Militärkameraden in fortwährender Fühlung bleiben. Ejn neuer Wille muß sich weigern, tote Gewehre, Kanonen usw. zu handhaben. Die Gewerkschaften müssen alle Aktionen gegen das Militärs System unaufhaltsam unterstützen. Boykott, Blockade und Generalstreik müssen den Krieg brechen. Die Gewerkschaften sollen auch allen persönlichen Wider« stand gegen das Militärsystem unterstützen und die Dienstverweigerung fördern. Nach dem Elend des Weltkrieges dringt bei den Arbeitern das Bewußtsein durch, daß gesellschaftliche Massenaktion dem Kriege und Militarismus ein Ende machen muß. Der Beschluß der Ersten Internationale von 1868 und die Auffassung von Domela Nieuwenhuis 1891 und 1893 wirken fort, ebenso was Keir Hardie und Vaillant 1910 zu Kopenhagen vorschlugen. Die Amsterdamer Gewerkschafts« Internationale beginnt dies anzuerkennen. Es ist unsere Aufgabe, zu sorgen, daß die Methode der direkten Aktion überall angenommen und praktisch an« gewendet wird.

Praxis des Antimilitarismus.

Albert de Jong (aus dem Haag) behandelte dieses Thema etwa folgenderweise: Der Kern des Militarismus ist ein System von roher Gewalt und Disziplin zur Ausübung wirtschaftlicher Unterdrückung. In einer Gemeinschaft sozial gleich* berechtigter Individuen wäre ein militärisches System undenkbar. Es bildet jedoch einen wesentlichen und unentbehrlichen Bestandteil der heutigen Gesell* schaft. Und diese kennzeichnet sich nicht allein durch Kriegselend, sondern, als fortwährender Krieg aller gegen alle (Klassen* und Konkurrenzkampf), erfordert sie auch in sogenannter Friedenszeit tausend und aber tausend Opfer der Armut. Es gibt auch Schlachtfelder wirtschaftlichen Elends (Tuberkulose, Wohnungsnot). Redner gibt dem Tod auf dem Schlachtfelde den Vorzug gegen* über dem Leben in Sorge, Elend und Krankheit, das tausende Proletarierkinder führen. Obendrein wird die Industrie immer mehr militarisiert und das Pro* duktionsvermögen zur Herstellung von Mord* und Heeresmaterial angewendet. Es besteht eine fortwährende Wechselwirkung zwischen Kapitalismus und Mili* tarismus. Da der Militarismus den Hauptpfeiler der Klassengesellschaft darstellt, bildet der Antimilitarismus einen notwendigen Bestandteil des proletarischen Klassenkampfes. In erster Linie hat darum die Arbeiterklasse die Pflicht, gegen Krieg und Militarismus zu kämpfen, 1. weil ihr direktes Interesse dies erfordert, 2. weil sie in sich die Macht trägt, nicht allein um in einem gegebenen Augen* blick durch Generalstreik und Massendienstverweigerung den Militarismus zu stürzen, sondern auch, um eine Gesellschaft zu errichten, worin für rohe Gewalt kein Raum mehr ist. Man darf nicht, wie der alte Liebknecht, die Bourgeoisie allein für den Krieg verantwortlich machen. Denn für sie ist der Krieg eine Selbstverständlichkeit; sie muß Krieg führen infolge des jetzigen Wirtschafts* Systems, infolge ihres Interesses usw. Für das Proletariat gilt dies alles nicht. Eine besondere antimilitaristische Weltbewegung ist erforderlich, um diese Er* kenntnis bei den Arbeitern wachzurufen und außerdem, um Propaganda zu machen in dem Teil der Bevölkerung, der außerhalb der Gewerkschaftsbewegung steht. Zwanzig Jahrhunderte Christentum haben bewiesen, daß man mit Ver* Weisung auf das Gute und Erhabene allein nichts erreicht. Wir haben vorläufig vom Interesse der Arbeiter auszugehen. Der Kapitalismus ist bankerott; sein Verfall nimmt immer mehr zu; immer mehr Lohnsklaven erwachen zu Menschen,

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was zu einem sieh immer mehr verschärfenden Klassenkampf Veranlassung gibt. Dieser Klassenkampf muß zur Revolution führen und hat auch in manchen Gegen« den schon dahin geführt. Ueberdies droht neuer Weltkrieg. Es handelt sich also um Krieg oder Revolution. Sache der Arbeiter ist es, zu sorgen, daß vor etwaigem neuen Weltkrieg die Revolution kommt, um auf diese Weise die Menschheit vor den Schrecken des neuen Krieges zu behüten, um die Revolution möglichst zu internationalisieren, und um die Revolution auf ein möglichst hohes Niveau zu stellen: ihre Resultate dürfen nicht durch die Entartung des Prole« tariats verdorben werden, und der Aufbau der neuen Gesellschaft darf nicht durch erneute Erschöpfung der Vorräte, Lahmlegung der Produktion usw. ver« hindert werden. Bei eventueller Revolution wird das Heer in drei Teile zerfallen: diejenigen, die nicht weiterkämpfen, weil sie es bisher nur gezwungen taten, die« jenigen, die sich auf die Seite der Revolution stellen und diejenigen, die die Partei der reaktionären Gewalt ergreifen. Die Antimilitarismen haben den Militarismus und die Heeresdisziplin derart zu untergraben, daß die beiden ersten Teile möglichst groß und der dritte möglichst klein werden. Es geht für Anti« militaristen nicht an, gegenüber der Gewalt der Bourgeoisie revolutionäre Gewalt zu propagieren, wenn man auch überzeugt ist, daß eine eventuelle Revolution nicht ohne Gewalt vor sich gehen wird. Der autoritäre Kommunismus möge Propaganda für das rote Heer machen, weil er seiner Art gemäß den Militarismus nicht entbehren kann. Wir Anarchisten propagieren diese Kampfmittel nicht. Wir sehen zwei Gruppen von Menschen vor uns: eine kleine Gruppe, die Inter« esse am Militarismus hat, und eine große Gruppe, die wir vom Gegenteil über« zeugen müssen. Gegenüber der Einführung des Berufssoldatensystems sind kräftige Propaganda und Anwendung sofortiger Einstellung «militärischer Pro« duktion die einzigen Mittel, um die öffentliche Meinung zu erobern und die Arbeiterklasse zu Generalstreik und Massendienstverweigerung im Kriegsfalle zu erziehen. Empfehlenswert ist weiter zweckmäßige Sabotage. Keine Tat untergräbt den Autoritätsgedanken so sehr wie persönliche Dienstverweigerung In Rußland hat die Revolution sich in militärischer Richtung entwickelt, was eine Anzahl Revolutionäre außerhalb Rußlands bewegt, ihre Kraft nicht in anti« militaristischem, sondern in rot«militaristischem Kampfe zu suchen. Man ver« gesse nie, daß die Entwicklung in Rußland zum Teil eine Folge des Verhaltens des westeuropäischen Proletariats ist. Ebensowenig lasse man außer acht, daß die Kommunisten der Dritten Internationale alte Sozialdemokraten sind, und ein großer Teil von ihnen verantwortlich zu machen ist für die fatalen Folgen von parlamentarischer Politik und Parteisozialismus. Jedenfalls haben hier alle Re« volutionäre sich gegen die Entente zu wenden; sie machte die Rheingegend zu einer Operationsbasis für ein gewaltiges Heer, das auch gegen Rußland und gegen in Mitteleuropa entstehende Revolutionen angewendet werden könnte. Hieraus ergibt sich jedoch für Redner keine Annahme der Parteidiktatur der autoritären Kommunisten. Wenn ein autoritärer Kommunist sagt: das Prole? tariat entscheidet über dies oder jenes, so entscheidet er, der Kommunist, der Diktator, darüber. Aber wenn ein freiheitlicher Kommunist sagt: Ich entscheide darüber, dann entscheidet das Proletariat. Das Volk hat sein Los in die eigene Hand zu nehmen. Als Arbeiter in erster Linie, und nicht als Soldaten, haben die Proletarier in sich die Macht, den Kapitalismus zu brechen. Erforderlich ist Zusammenwirken aller revolutionären Antimilitaristen, die in enger Fühlung mit der Gewerkschaftsbewegung eine energisch handelnde Bewegung zu bilden haben, die an allen Punkten den Militarismus in seinem Wesen angreift, die anti* militaristischen Aktionen in der ganzen Welt sich 'konzentrieren läßt und sie überall bekanntmacht, und auf diese Weise die Revolution beschleunigt, den Krieg vereitelt und dem Proletariat in Rußland und anderwärts seine Selbst« bestimmung verbürgt.

Antimilitarismus und Gewerkschaftsbewegung.

B. Lansink ;'.-., Vorsitzender des Niederländischen Arbeitersekretariats in Amsterdam, führte hierüber etwa folgendes aus: Das Wesen des Militarismus ist nicht allein in Kaserne und Heer, sondern auch in allen Organen der kapita« listischen Gesellschaft festzustellen, auch im Produktionssystem. Das ganze Wirtschaftsleben ist davon durchzogen. Es ist unrichtig, die Mißstände des Kapitalismus allein den Kapitalisten zuzuschreiben. Der Unterschied zwischen

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Kapitalist und Arbeiter besteht oft nur darin, daß ersterer Kapital besitzt und letzterer es entbehrt, wohingegen beider Gesinnung genau dieselbe ist. Wir müssen daher auch persönlich Sozialisten werden. Der Geist des Kapitalismus und der des Militarismus sind im Wesen eins; nur äußert sich im Heere stärker als in der Fabrik die Tatsache, daß ein Mensch über den anderen herrscht und die Untergebenen für eigene Taten nicht verantwortlich sind. Antimilitaristische Propaganda genügt deswegen nicht, wenn sie ausschließlich gegen den in Heer und Flotte verkörperten militaristischen Apparat gerichtet wird. Militarismus ist sogar im heutigen Unterrichtswesen anzutreffen. Das Wesen des Militarismus besteht nicht darin, daß man etwas Unangenehmes tun muß, sondern daß man Dinge tun muß, die dem eigenen menschlichen Wesen zuwider sind, und daß man in einen Automat verwandelt wird. In einer wirklich sozialistischen Gesellschaft kann so etwas nicht bestehen. Kapitalismus und Militarismus sind eins und müssen bekämpft werden durch sozialistische Erziehung der Arbeiterklasse, die in jetziger Zeit am Militarismus ebenso schuldig ist wie die Bourgeoisie. Es handelt sich also darum, die wirtschaftliche Organisation der Arbeit in den anti* militaristischen Kampf hineinzuziehen und zugleich jeden einzelnen Arbeiter individuell zum Sozialisten heranzubilden. Die Arbeiter sollen keine schwarze oder rote Geistlichkeit für sich denken lassen, sondern selbst denken. Sie müssen zu der Einsicht kommen, daß sie nur die Güter herstellen dürfen, die der materiellen und geistigen Erhebung der menschlichen Gemeinschaft nützlich oder dienstbar scheinen. Diese Erkenntnis bricht sich Bahn, was auch hervor* geht aus der Resolution der Metallarbeiter in Deutschland, die sich für Ver* •Weigerung der Herstellung von Kriegsmaterial aussprachen. Die Gewerkschafts* bewegung hat auch einen neuen Geist unter dem Volk wachzurufen. Dies kann nicht mit Gewehren geschehen; hiermit vernichtet man die Arbeiterhirne nur, ohne sie revolutionieren zu können. Von diesem Gesichtspunkte aus lese man: „Die revolutionäre Massenaktion" von Henriette Roland Holst. Der Sozialismus ist nicht allein ein Kampf um etwas mehr materielle Güter, sondern ein Kampf zur Umwälzung der Geister. Das ausschlaggebende Moment in diesem Kampfe muß die direkte Aktion sein, während man seine weiteren Maßnahmen dem Ver* halten der gegnerischen Partei anzupassen hat. Da die kapitalistische Klasse in revolutionären Perioden nicht davor zurückschrecken wird, die Befreiungs* versuche des Proletariats möglichst gewalttätig niederzuschlagen, meint Redner, daß die Gewerkschaftsbewegung die Gewalt als Kampfmittel nicht ganz ver* werfen kann, doch betont hiergegen, daß revolutionäre, wirtschaftliche, direkte Aktion den Ausschlag geben muß, und zwar gegen den Geist, der sowohl Kapi* talismus als Militarismus beseelt, und für eine neue, menschenwürdige Gesellschaft.

Große Volksversammlung.

Am Montag mittag fand mit glänzendem Erfolg eine Versammlung unter freiem Himmel statt, die vom Vorsitzenden des I.A.M.V., Landesverband Nieder* lande, M. de Boer (aus Amsterdam), eröffnet wurde.

Gruß an gefangene Kameraden. Auf Antrag von Rocrda wurde folgende Resolution gefaßt:

„Der Internationale Anti*Militaristische Kongreß grüßt die tausende Käme* raden in Gefangenschaft wegen Widerstandsleistung und Dienstverweigerung, überhaupt wegen ihres Mutes zur ausdauernden Arbeit an der Verwirklichung einer Gesellschaft, die des Namens einer Menschengesellschaft würdig ist."

Brief aus Spanien.

Marcel Sauvage las den Brief vor, den das Spanische Komitee für Anar* chistische Beziehungen an den Internationalen AntkMilitaristischen Kongreß ge« richtet hatte.

Die spanischen Kameraden hatten beabsichtigt, Abgeordnete zum Kongreß zu senden; der erste, der hierzu ausersehen war, wurde von der spanischen Polizei ermordet, der zweite ins Gefängnis geworfen; der dritte sah sich außer* stände, die streng bewachten Pyrenäen zu überschreiten.

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Nach brüderlichem Gruß an den Kongreß erzählen die spanischen Kame= raden, wie schwer ihre Aufgabe ist im Kampfe um eine Welt der Freiheit. Keine Tyrannei der Vergangenheit oder Gegenwart, noch die spanische Inquisition zur Zeit Torquemadas, noch das Auftreten Albas in Flandern, noch die Strenge des Zarenregimes, übertrifft die wüste Grausamkeit des jetzigen spanischen Terrors. In Spanien herrscht eine in sogenannten „juntas de defensa" (Ver* teidigungsräten) organisierte militärische Gruppe, die sogar der Regierung ihren Willen aufzwingt. Ihre politischen Diener, wie Dato, errichteten eine eiserne Diktatur, hoben alle konstitutionellen Bürgschaften auf. verletzten alle Gesetze und eröffneten eine höllische Jagd auf alle vorwärtsstrebenden Elemente, be* sonders auf die revolutionären Syndikalisten. Allein in Barcelona wurden in zehn Tagen ungefähr tausend Revolutionäre verhaftet. Als die Gefängnisse überfüllt waren, ketteten die Behörden jedesmal 15, 20 oder 30 Kameraden an* einander und jagten sie mit berittenen Gendarmen wochen* und monatelang über die Landstraßen Spaniens, von einem Gefängnis zum andern, täglich 30 bis 40 Kilometer weit. Die Leiden dieser Kameraden waren gering, verglichen mit dem, was andere auszuhalten hatten. Man prügelte sie mit Stöcken, Säbeln und Gewehrkolben, man zerriß ihre Geschlechtsteile, so daß viele vor Elend umkamen. Manche wurden gezwungen, auf ein unbeschriebenes Blatt Papier ihre Unterschriften zu setzen, worüber dann die Machthaber eine Erklärung schrieben, wonach dde Unterzeichner sich der greulichsten Dinge zu be* schuldigen schienen. Hierauf erfolgte dann Verurteilung zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe oder Erschießung. Trotzdem ging die revolutionäre Bewegung, weiter. Dann bildete die Regierung Banden aus Räubern un'd Kupplern, die ohne irgendwelchen Prozeß ungestraft revolutionäre Syndikalisten töteten, während: man ständig verhaftete Kameraden ermordete, unter dem Vorwand, daß sie zu flüchten versuchten. Heldenmütig halten unsere Geistesfreunde dagegen stand. Infolgedessen brechen im Heere Aufstände aus und sind Offiziere durch ihre Soldaten hingerichtet worden. Aus diesem Gesichtspunkte ist auch die Hin* richtung Datos zu verstehen. Die internationale Bourgeoispresse und auch ein großer Teil der Presse der reformistischen Sozialdemokraten gibt von all diesem eine falsche Darstellung. Darum bitten wir euren Kongreß, unsere Stimme weiterzutragen und diese Tatsachen ins Weltall hinauszurufen. Wir Anarchisten kämpfen Schulter an Schulter mit unseren syndikalistischen Kameraden. Vier der unsrigen haben den Trauerzug der Toten eröffnet. Erstaunt und betrübt sehen wir die Gleichgültigkeit, womit die Arbeiterorganisationen und die intellektuellen Gruppen die Barbareien, die der spanische Staat täglich verviel* fältigt, ruhig mit ansehen. Diese mangelnde internationale Solidarität bildet einen bedauernswürdigen Kontrast zu der straffen Einheit aller Regierungen* aller Bourgeoisien und aller reaktionären Mächte. Trotz allem nehmen wir voll* ständig an dem Kongreß teil und sind wir bereit, mit euch für einen praktischen Kampf gegen den Militarismus zusammenzuwirken. Unserer Meinung nach muß dae erste und zweckmäßigste Aufgabe sein, sofort alle Quellen, woraus der Militarismus sich ernährt, zu verstopfen, und vor allen Dingen unsere Pro* paganda zu steigern, um die Vorurteile des Patriotismus aus dem Gehirn des Volkes auszurotten.

Resolution gegen den spanischen Terror.

Auf Antrag der französischen Kameraden beschloß die Volksversammlung, an den spanischen Ministerpräsident sofort einen Brief folgenden Inhalts zu richten:

„Der Internationale AntkMilitaristische Kongreß im Haag vom 26. bis 31. März 1921 ist aufs schmerzlichste getroffen von der niederträchtigen kapi* talistischsreaktionären Inquisition, die nun Spanien bluten läßt und deren Opfer unsere Brüder, Arbeiter und Bauern dieser Halbinsel sind. Er richtet sich an die spanische Regierung, besonders an König Alfons und den Präsidenten des spani* sehen Ministerrates, um seine tiefste Entrüstung darüber auszudrücken. Mit Entsetzen und revolutionärem Zorn haben die internationalen Abgeordneten von den vielfältigen Ermordungen gehört. Der Kongreß hat beschlossen, diesen Protest zu bestätigen, indem er mit Unterstützung der Arbeitermassen in allen Ländern die spanischen Erzeugnisse boykottiert."

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Unter begeisterter Teilnahme der Anwesenden führten nach De Boer, Roorda und Sauvage das Wort: Stöcker, Wellock, Wichers (von der Femi* nistischen Partei in den Niederlanden), Wastiaux, Lieb, Nicolai, Cordes, der Esperantist Eyers, der Idist IJzerdraat, French und Giesen.

Antimilitarismus und Christentum.

Am Montag abend erteilte Schermerhorn das Wort an Pfarrer Henri Huchet aus Paris, der erklärte, keiner politischen Partei anzugehören, sondern die Frei* heit im Geiste Christi zu lieben. Er wies darauf hin, wie in geradem Gegen* satz zu den pazifistischen Ueberlieferungen des Urchristentums die offiziellen Vertreter der katholischen und protestantischen Kirchen jetzt Krieg und Mili* Zarismus verherrlichen. Schon zur Zeit Konstantins hatte die Kirche mit dem Staat eine Vernunftehe geschlossen. Während ursprünglich der Christ, wenn er getauft wurde, mit dem ganzen Körper ins Wasser getaucht wurde als Symbol gänzlicher Erneuerung, hielt er in späterer Zeit während der Taufe den einen Arm, womit er die Waffe führen sollte, vorsichtig über die lebenerneuernde Flut. Eine abscheuliche Entartung bewirkte, daß infolge der zäsaristischen Neigungen der Kirche der Geist der offiziellen Christen immer mehr jesuitisch und militaristisch wurde. Schließlich verehrten die Gläubigen einen Christus, der wie in einem Flugzeug in den Wolken schwebte. Jedoch der Geist Christi muß auf Erden kommen. Mit dem Evangelium der Freiheit und des Friedens sollte praktisch Ernst gemacht werden. Nicht in der Kirche, sondern hier können die Gläubigen finden, was sie brauchen und was Christus uns lehrt.

Antimilitarismus und Freidenkertum.

Danach sprach B. Reyndorp aus dem Haag über Antimilitarismus und Frei* denkertum. Die konsequenten Freidenker, führte er aus, die nicht nur gegen -geistige und moralische Ueberherrschung kämpfen, sondern auch nach Ver* wirklichung von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit streben, müssen not- wendigerweise auch Antimilitaristen sein. Obschon der Weltkrieg vielen die Augen geöffnet hat für die Tatsache, daß die Raub*, Mord« und Herrschsucht der Machthaber von Geistlichen als „von Gott gewollt" verteidigt wird, und sie mit Abscheu dagegen erfüllt hat, vereinigen die Klerikalen sich jetzt wieder aufs neue international als eine geschlossene schwarze Macht, die die lebens* feindlichen Zwangs« und Wahnvorstellungen, Aberglaube, Unwissenheit, Milita* rismus und Ausbeutung aufs neue fördert und verstärkt. Gegen diese bar« barische Verschwörung müssen die Freidenker sich international zusammen* schließen. Jede gesellschaftliche Einrichtung ist gleichsam die Verkörperung bestimmter Gedanken und Gefühle, und mit Recht hat daher Keir Hardie auch den Militarismus „einen Geisteszustand" genannt. Dessen Träger sind die Antipoden des vernünftigen Menschen, dessen Kräfte die Freidenker als An* hänger der Evolutionslehre zu freier und völliger Entwicklung bringen und auf diese Weise an der edelsten Kulturauslese mitwirken wollen. Der Militarismus Avirkt jedoch, wie Haeckel einmal schrieb, doch später verschwieg, aselektiv, und führt die Rasse zur Entartung. Die körperlich und geistig am besten entwickelten Personen entzieht er periodisch der produktiven Arbeit, vergeudet sie in der Kriegszeit millionenhaft und überläßt dann den Schwachen und Ent* arteten die Fortpflanzung der Rasse. Allzuviele Freidenker waren lange Zeit in demselben Wahn befangen wie die Reformisten und die meisten mo* dernen Soziologen, die meinten, der Gewaltstaat würde sich durch demokratische Reformen langsam zu einer vernunftgemäßen Gesellschaft entwickeln, bis es im Jahre 1914 plötzlich schien, als sei der Urstaat aus den Zeiten der Bar* bared wieder auferstanden. Treffend sagt Müller*Lyer, daß solch ein Staat sich nur durch seinen Umfang von einer gewöhnlichen Räuberbande unterscheidet, aber dieselben Grundsätze und dieselbe Taktik verfolgt. Für die konsequenten Freidenker, die schon vor dem Weltkriege freiheitliche Revolutionäre und So* zialisten waren, war alles, was da geschah, eine empirische Betätigung der Wahrheit ihrer Ueberzeugung, daß wahrhafter. Friede erst durch den Friedens* willen und die Friedenstat der Völker, d. h. dar arbeitenden und denkenden Massen selbst, kommen kann. Die besten Freidenker, sagte Redner, waren daher auch immer zugleich Antimilitaristen und Revolutionäre. Die An*

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erkennung der Einheit des freien Gedankens und des Antimilitarismus ergibt sich deutlich aus der Weise, wie Schermerhorn auf dem Kongreß des Nieder* ländischen Freidenkervereins .,De Dageraad" (Der Tagesanbruch) 1915 den Zu? sammenhang zwischen beiden darstellte. Auf Anregung des Redners faßte der „Dageraad"*Kongreß von 1916 einen Beschluß, der ebenso, wie der 1905 zu Paris gefaßte Beschluß von Domela Nieuwenhuis, auf den unbedingten Gegen* satz zwischen freiem Gedanken und Militarismus hinwies, und der mit der Er* klärung endigte, daß der Niederländische Freidenkerverein für die Folge den Kampf gegen den Militarismus aufnehmen werde und sich dabei der intcllektu* eilen Mittel bedienen wird, die ihm als philosophischen und ethischen Verein zur Verfügung stehen. Obwohl man nicht so konsequent war wie die Freidenker in Paris, die erklärten, daß nur die Formel „Keinen Mann und keinen Pfennig für den Müitarismus" das Uebel an der Wurzel angreift, war es doch ein Schritt vorwärts zum rechten Ziel. Antimilitarismus und Freidenkertum bleiben natürliche Verbündete, denn dies ist die erste Bedingung für die Verwirklichung des Ideals, das Antimilitaristen und Freidenker beide verfolgen: der freie Mensch in freier Gesellschaft.

Nachdem Boeke noch den militaristischen Charakter des kirchlichen, be* sonders des katholischen Glaubens, betont hatte; Neel Kist ihre Freude über die Anwesenheit vieler Frauen und Mütter auf diesem Kongreß ausgedrückt und zum Kampfe gegen den in Krieg und Frieden entsittlichenden Kapitalismus aufgefordert hatte, hielt Schermerhorn eine Schlußrede. Er erklärte sich dank* bar für die aufgeweckte Stimmung, die den demonstrativen Teil des Kongresses ausgezeichnet hatte, und bezeugte allen, die zu dem Gelingen, der sehr zahlreich besuchten Versammlungen beigetragen hatten, seinen herzlichsten Dank.

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ORGANISATORISCHER TEIL

I.

INTERNATIONALES ANTI = MILITARISTISCHES BUREAU

Vertretene Organisationen.

Folgende Organisationen waren vertreten: Internationaler Frauenbund für Frieden und Freiheit und die Friedensvereine der Frauen in den Vereinigten Staaten Amerikas durch Rose Morgan French; I. A. M. V. Landesverband Belgien durch Adamas und Les Gerard; Landesorganisation Konsequenter Anti* Militaristen Dänemarks (I. A. M. V. Landeisverband Dänemark) durch J. van Langen; Anarchistische Jugend Rheinlands und Westfalens durch F. Cordes; Bund der Kriegsdienstgegner (Deutschland) durch G. W. Meyer und Dr. Helene Stöcker; Bund „Neues Vaterland", Deutscher Friedensverein (Ortsgruppe Berlin) und Internationaler Frauenbund für Frieden (Deutscher Landesverband) durch Dr. Helene Stöcker; Nie*mehr*Krieg*Bewegung (No More War Movement) durch Wilfred Wellock; Anarchistische Konföderation von Paris durch L. Haussard; Christliche Friedensbewegung Frankreichs durch Pfarrer H. Huchef; Schriftstellergewerkschaft Frankreichs durch Marcel Sauvage; Anarchistische Gruppen Nordfrankreichs, Syndikalistische Jugend und Bund der Dienst- verweigerer (I. A. M. V. Landesverband Frankreich) durch L. Wastiaux; I.A.M.V. Landesverband Niederlande durch J. Hooyberg und L. Bot jr.; Nieder* ländisches Arbeiter*Sekretariat durch ß. Lansink jr.; Bund herrschaftsloser So« zialisten in Oesterreich durch Pierre Ramus, Neusozialistische Partei Schwedens durch C. J. Björklund; Kommunistische Jugend der Schweiz durch Fritz Lieb; Internationale Absolutisten durch C. Boeke, H. P. Eyers und Ernest Fletcher.

Ferner Landes* und Ortsorganisationen aus den Niederlanden, wie: Bund Religiöser Anarcho * Kommunisten (Freie Kommunisten), Freie Sozialisten, SoziakAnarchisten, Freidenkerverein „De Dageraad", Feministische Partei, Gut* templer, Sozialistische Partei, Revolutionäre Frauenverbände, Metallarbeiter, Putzfrauen, Stukkateure, Schneider, Gemeindearbeiter usw.

Nicht anwesend.

Wegen Paßschwierigkeiten konnten unter anderen nicht anwesend sein: Janko Todorov (Bulgarische Tolstoianer): H. Delecourt (I.A.M.V. Landes* verband Frankreich); Wladimir T scher tkoff (Russische Religiöse freie Gemein* Schäften); Jul. Humbert Droz (Welsch = Schweizer Sozialistische Jugend); J. Moyses (Wiener Versöhnungsbund); Jean Simon (Schweizer Christliche Sozialisten).

Marius Hanoi, Schriftführer des französischen I. A.M. V., kürzlich nach zehn Monaten Untersuchungshaft von gerichtlicher Verfolgung enthoben, konnte wegen Krankheit nicht kommen.

Die Abgeordneten der Anarchistischen Konfederation in Spanien konnten infolge des in ihrem Lande wütenden Terrors nicht anwesend sein.

Bis zuletzt hoffte man vergeblich auf das Kommen von Dr. Armin T. Wegner. der über „Antimilitarismus, Kolonien und Orient" reden sollte, und von Rudolf Rocker, der „Militarismus und Kapitalismus" behandeln und die deutschen Syndikalisten vertreten sollte. Auch diese schienen durch Paßschwierigkeiten verhindert zu sein.

Einige deutsche Arbeiter*Abgeordnete wurden am Tage vor dem Kongreß in Bilthoven bei Utrecht, Holland, verhaftet, bis nach Ostern gefangen gehalten und dann über die Grenze transportiert.

Linn A. E. Gabe sollte die Mexikanische Kommunistische Partei und das Komitee für freien Handel mit Rußland auf dem Kongreß vertreten. In seiner Monatsschrift „Gates International Monthly" schrieb er im März 1921, daß er verhindert ist, an dem Kongreß teilzunehmen und darum einen auf dem Kongreß vorzulesenden Bericht über die Lage in Mexiko eingesandt hat. Diesen Bericht hat der Schriftführer jedoch bisher nicht empfangen.

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Ohne Paß anwesend.

Trotz aller Regierungsmaßnahmen gelang es unter anderen den Kameraden Adamas und Lea Gerard aus Belgien, Haussard aus Frankreich, Pierre Ramus aus Oesterreich, Björklund aus Schweden, während des Kongresses im Haag anwesend zu sein.

Polizei.

Der Kongreß wurde von holländischen und ausländischen Polizeispionen umschwärmt. Dank der ausgezeichneten Hilfe mehrerer holländischer Käme? raden waren sie jedoch nicht imstande, dem Kongreß auch nur im geringsten zu schaden. Alles verlief dem Charakter und den Absichten der internationalen Zusammenkunft entsprechend. Alle paßlosen Kameraden sind wieder wohl* beharten nach Hause gekommen.

Erste geheime Sitzung.

Am Freitag, den 25. März, waren Pierre Ramus und Lea Gerard bereits im Haag. Bald kamen auch andere Paßlose. De Ligt, De Jong, Eckhard, Giesen und Schermerhorn hielten mit ihnen von Anfang an fortwährend Fühlung. Infolgedessen waren sie von dem Verlauf des offiziellen Teiles des Kongresses völlig unterrichtet. Auch wurden nachts vorläufige Besprechungen abgehalten. Während am Montag nachmittag die große Volksversammlung die Aufmerksam* keit der Polizei in Anspruch nahm, fand die erste geheime Sitzung statt. An* wesend waren Adamas, Lea Gerard, Van Langen, Haussard, Ramus, Björklund, Eckhard, De Jong, De Ligt, Schermerhorn und einige andere Kameraden. In erster Linie wurde die Errichtung eines internationalen antimilitaristischen Bureaus erwogen. Augenscheinlich war man sich darüber einig, daß nicht nur Bestehen und Entwicklung eines eigentlichen internationalen antimilitaristischen Vereins erwünscht war, sondern daß die ganze internationale antikapita* listische und antimilitaristische Bewegung sich in einem Bureau konzentrieren müsse, woran auch nicht rein antimilitaristische Vereine und andere aus* gesprochen revolutionär * antimilitaristische Organisationen als der I.A.M.V. teilnehmen könnten. Dieses Bureau würde ein praktisches Ziel haben: den Kampf gegen Krieg, Terror und gegen Intervention in Ländern, die dabei sind, sich revolutionär zu befreien. Es könnte genannt werden: Internationales Anti* Militaristisches Bureau gegen Krieg und Reaktion. Besonders die Belgier, Franzosen und Holländer forderten, daß auch der Charakter dieses Bureaus aus* gesprochen antikapiltalistisch sei. Weiter wurden von französischer und hol* ländischer Seite verschiedene antimilitaristische Kampfmittel angedeutet, wovon noch später die Rede sein wird.

Zweite geheime Sitzung.

Am Dienstag morgen hatten sich versammelt: French. Adamas, Gerard, Van Langen, Meyer, Nicolai, Stöcker, Haussard, Huchet, Sauvage, Wastiaux, Eyers, Fletcher, Ramus, Björklund, Boeke, De Boon, Eckhardt, De Jong, De Ligt. Harinck, Schermerhorn und einige andere. Form und Aufgabe des Bureaus wurden näher besprochen. Von belgischer, französischer, deutscher und hol* ländischer Seite wurde wiederum Nachdruck darauf gelegt, daß ein zu errich* tendes I.A.M.B. ausgesprochen antikapitalistisch sein müßte. Die Tätigkeit des Bureaus sollte von revolutionär*sozialistischen Organisationen und Gruppen ge* tragen sein.

Eröffnung des organisatorischen Teils.

Am Dienstag mittag eröffnete Schermerhorn den organisatorischen Teil des Kongresses, der für das Publikum zugänglich war. Er sprach die Erwartung aus, daß auch der zweite Teil dieser Zusammenkunft im Zeichen gegenseitiger Wertschätzung und Kameradschaft stehen möge.

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Weitere eingelaufene Briefe.

Giesen teilte <ien Inhalt eines Schreibens mit, worin der Vorstand der Anarchistischen Konföderation Nordspaniens dem Kongreß seine Sympathie bezeugt und erklärt, zu ständigem Zusammenwirken bereit zu sein. Ferner übermittelte er Grüße vom Freireligiösen Bund der Ueberkonfessionellen aus Oesterreich und vom örtlichen Arbeitersekretariat in Groningen, Holland.

Bericht des Schriftführers.

Ais Schriftführer des vorläufigen I. A. M. B. erstattete Jos. Giesen folgen* den Bericht: Nach dem Weltkriege knüpften wir mit 22 Ländern in 5 Erdteilen Verbindungen an. Mehrmals blieben diese lose (wie mit Argentinien und Aegypten) oder waren sie schwer aufrecht zu erhalten (wie mit Spanien und Rußland). Schon inniger wurden die Beziehungen zu Australien, Neu* Seeland, Mexiko, Bulgarien und Finnland. In Europa geht es gut. Neue Landesverbände des I. A. M. V. entstanden in Belgien, Dänemark und Frank* reich. Das vorläufige I. A. M. B., das auf den im August 1920 im Haag ab* gehaltenen geheimen Konferenzen von belgischen, dänischen, deutschen und französischen Kameraden ernannt worden war, versandte Manifeste, die von den Kameraden international veröffentlicht wurden. Von den vielen Blättern, die uns unterstützten, verdient „Erkenntnis und Befreiung" von Pierre Ramus be* sondere Erwähnung. Wir stehen in Verbindung mit 1. rein antimilitaristischen Organisationen (z. B. die Landesverbände des I. A. M. V., Vereine ehemaliger Kriegsteilnehmer, Nie*mehr*Krieg*Bewegung); 2. Gewerkschaften (Nieder* ländisches Arbeitersekretariat, Syndikalisten in Dänemark, Deutschland und Frankreich, französische syndikalistische Jugend usw.); 3. Frauen* und Jugend* vereinen (Frauenbund für Frieden und Freiheit, mit Sitz in Genf, Holländische Feministische Partei, verschiedene revolutionärssozialistische Frauenorganisa* tionen, Freie Jugend in Deutschland, Oesterreich, Schweiz usw.); 4. politisch*wirt* schaftlichen Organisationen weiterer Tendenz (Bund herrschaftsloser Sozialisten in Oesterreich; Sozialistische Partei, freikommunistische und anarchistische Organisationen und Gruppen in den Niederlanden; Anarcho*Sozialisten in Schweden usw.); 5. besonderen Vereinen (Vegetariervereine, humanitäre Or* ganisationen, Freidenkergruppen usw.). Redner hofft, daß dieser Kongreß dazu beitragen werde, alle diese und ähnliche Organisationen zu gesteigerter, ge* meinsamer Tätigkeit zu bringen.

Revolutionärer Antimilitarismus in Frankreich.

An Stelle des Schriftführers des I. A. M. V. Landesverband Frankreich, Marius Hanoi, der infolge Krankheit verhindert ist zu kommen, verliest Luden Wastiaux (aus Roubaix) einen von /. Gir ardin aufgestellten Bericht über Frank* reich. Die Syndikalistische Jugend wurde im Jahre 1904 errichtet. Trotz Ver* folgungen, Gefängnisstrafen usw. entfaltete sie rege Tätigkeit. Man gründete einen Verständigungsausschuß, um die antimilitaristische Arbeit der Jugend* liehen zu zentralisieren. Durch Versammlungen, Flugblätter, Broschüren und Demonstrationen verbreitete man seine Grundsätze. Als der Krieg ausbrach, blieb man seinem Antimilitarismus treu. Die Herausgabe des „Cri des Jeunes" (Ruf der Jugendlichen) verbot die französische Obrigkeit. Da ließ man ihn in Portugal drucken und verbreitete ihn im geheimen. 1916 und 1917 wurden Kerngruppen von Kameraden gebildet, die bis ins Heer hinein Worte des Friedens propagierten. Zahlreiche Flugschriften wurden unter den Truppen ver* breitet. Mehrere Kameraden gerieten wegen antimilitaristischer und pazifisti* scher Propaganda ins Gefängnis. Durch Vermittlung des „Ausschusses zur Wiederaufnahme internationaler Beziehungen" erklärte man sich mit den Kien* thaler und Zimmerwalder Konferenzen einverstanden. Im Jahre 1919 enthüllte man den Arbeitern in zahlreichen Volksversammlungen das verhängnisvolle Verhalten ihrer Leiter. Gemeinschaftlich mit der anarchistischen Jugend er* richtete man einen antimilitaristischen Aktionsausschuß. Gegen Ende 1919 gründete man auf Anregung der Kameraden Leon Prouvost und Bonvallet und nach Beratung mit dem „Verständigungsausschuß" einen französischen Landes* verband des I.A.M.V., genannt „Ligue des Refractaires" (Bund der Dienst* Verweigerer). Nur die anarchistische Jugend und einige ehemalige Kriegsteil*

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nehmer nahmen das Programm an. Die großen sozialistischen Organisationen; ließen den Aufruf unbeantwortet. Infolge der Haltung der Regierung propagiert man jetzt im geheimen. Die Syndikalistische Jugend steht auf anderem Stand? punkt als der Bund ehemaliger Kriegsteilnehmer und die sogenannten kommu* nistischen Jugendorganisationen, die die Leute nicht zur Dienstverweigerung veranlassen, sondern zum Eintritt in das kapitalistische Heer, um auf diese Weise durch Propagieren und Exerzieren ein rotes Heer vorzubereiten.

Wastiaux verlas ferner verschiedene antimilitaristische Flugschriften des französischen Landesverbandes des I. A. M. V., der Syndikalistischen Jugend usw.

Auf Wunsch Schermerhorns berichtete Wastiaux hierauf noch einiges über die Tätigkeit der nordfranzösischen Gruppe der anarchistischen Kommunisten, woran er selbst teilgenommen hatte. Sie hielt mit den revolutionären Syndikat listen enge Fühlung. Unermüdlich wirkte im Kohlenbecken des Bezirks Pas de Calais Kamerad Broutchoux, der im Jahre 1907 den anarchistischen und anti; militaristischen Kongreß in Holland besucht hatte. Man untergrub den rnili* tärischen Geist der Soldaten, die gegen streikende Arbeiter nach den Zechen* gebieten gesandt wurden. Im Norden erschienen die antimilitaristischen Organe „Le Combat" und „Le Cri du Peuple". Man brachte den unmoralischen Charakter des Heeres ans Tageslicht, ebenso die Greuel, die in den Militär* gefängnissen in Französisch*Afrika getrieben wurden. Dies erregte hohe& Interesse bei der Bevölkerung, wovon viele infolge ihrer Gemütsstimmung mit den militärischen Strafmaßregeln Bekanntschaft gemacht hatten. Die Käme? raden, die derart in revolutionärssyndikalistischem Sinne wirkten, wurden vom Parlament aus von den offiziellen Sozialisten angegriffen. Im Jahre 1914 er? schien „La Defense Sociale". Da kam das große Verbrechen des Weltkrieges. 60 Haftbefehle wurden für Nordfrankreich erlassen. Die meisten Kameraden entkamen. 11 Widerspenstige wurden gefangen noch Paris gebracht. „Le Combat" wurde wegen kriegsgegnerischer Artikel verfolgt. Dagegen begann die offizielle sozialistische Presse eine Kampagne, wonach Deutschland ein zu vernichtendes Karthago war. Die deutsche miiltärische Besetzung vom 9. Oktober 1914 bis zum 19. November 1918 rechtfertigte in keiner Hinsicht den Haß, den die Arbeiterbevölkerung Nordfrankreichs der deutschen Nation entgegen- bringen könnte. Tausende deutsche Soldaten zogen durch Roubaix und waren dort einquartiert. Ihr einfaches und korrektes Betragen unterschied sich günstig von der Anmaßung der Offiziere und Polizeibeamten, die die Bevölkerung terrorisierten. Auch während der deutschen Besetzung suchten die Anti* militaristen gegen den Strom zu schwimmen. 1915 begannen einige Käme* radinnen eine pazifistische Propaganda; sie wurden beschuldigt, im deutschen Spionagedienst zu stehen, und ihr Vorhaben mißglückte. Am 18. März 1916 gab es in Roubaix einen Hungeraufruhr. Brave französische Bürger, biedere Händler und deutsche Kommandanten waren sich darüber einig, daß die Brot* losen gestraft werden mußten, weil sie versucht hatten, sich den Vorrats* schrank der Kriegsgewinnler anzueignen. Im Mai, Juni und Juli 1918 beriefen die nordfranzösischen Kameraden geheime antimilitaristische Versammlungen ein und verteilten Flugschriften. Ueber die Fronten hinweg war man bestrebt, den Pazifisten der ganzen Welt seine Sympathie zu offenbaren. Man ver* breitete Broschüren von Domela Nieuwenhuis, Kropotkin und Malatesta. Seit dem Waffenstillstand führt man einen energischen Kampf gegen die milita* ristische Geisteskrankheit des siegenden Frankreichs. Dabei muß man sieb, fortwährend den angeblich sozialistischen Führern entgegenstellen.

Die dänischen Nahrungsverweigerer.

J. van Langen, Abgeordneter der dänischen konsequenten Dienstverweigerer (Landesverband Dänemark des I.A.M.V.) erzählt, wie diese verhältnismäßig kleine Gruppe großen moralischen Einfluß ausübt. Man verweigert den Militärdienst und kämpft sich danach durch Nahrungsverweigerung aus dem Gefängnis frei. Auch weigerte man sich, dafür an die Stelle tretenden bürgere liehen Dienst zu verrichten, da man dies als Streikbrecherarbeit betrachtete. Der sozialdemokratische Minister Stauning wendete auf die grundsätzlichen Dienst? Verweigerer unerbittlich das harte Gesetz an, obwohl er sich Antimilitarist nannte. In Hinsicht auf die militärische Frage stehen die dänischen Svndika*

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listen auf verschiedenen Standpunkten. Immerhin muß der antimilitaristische Kampf hauptsächlich mit wirtschaftlichen Mitteln geführt werden. Ein Teil der früheren grundsätzlichen Dienstverwcigerer ist jetzt auch für Eintritt in das kapitalistische Heer, um auf diese Weise ein rotes Heer vorzubereiten. Redner hält es für einen falschen Weg, daß Revolutionäre sich derart dem Militärzwang und den Militärvorschriften unterwerfen wollen. Möge Erfahrung sie eines besseren belehren und in die Reihen der Kämpfer zurückführen! Wenn man auch meint, zu gewissen Zeiten Gewalt anwenden zu müssen, so mache man doch Unterschiede. In kleinen Ländern wie Dänemark, Schweden, Norwegen, Holland, Belgien kann die Revolution nicht aufkommen; das geschieht anderswo. Und dann werden die kleineren Länder in den großen Strom mit* gerissen. Darum ist das Bilden sogenannter roter Heere in derartigen Ländern sowieso vorläufig vollständig überflüssig. Kommt die Revolution, so haben dde Arbeiter zu wissen, wro sie stehen müssen. Je mehr sie sich ihrer Wirtschaft? liehen Bedeutung bewußt werden, desto kräftiger wird ihr revolutionärer Kampf sein.

Wirken des Niederländischen I.A.M.V.

Ueber die Tätigkeit des I.A.M.V. seit 1904 teilt Hooyberg noch verschiedene Einzelheiten mit. Bei jeder Truppenaushebung verteilte man Flugblätter und Broschüren. Gegen den Plan zur Vergrößerung der holländischen Flotte wurde grundsätzlich Stellung genommen. Mehrmals eiferte man gegen Anwerbung für das Kolonialheer, so, indem man auf den Werbeplakaten den Kopf eines abge? bildeten Soldaten mit einem Totenkopf überklebte. Ueberall in Holland wurden zu Weihnachten besondere Friedensversammlungen einberufen. Hunderttausende gummierte Etiketten wurden verbreitet, die verschiedene Mottos trugen; so zur Zeit der Eröffnung des Haager Friedenspalastes: „Den Krieg humanisieren, heißt den Teufel humanisieren." Oefters geriet man mit der Justiz in Konflikt. Domela Nieuwenhuis, Schermerhorn und andere warnten vor dem drohenden Weltkrieg. 1914 setzte man die antimilitaristische Tätigkeit wirksam fort. Auch organi? sierte man eine Dienstverweigerungsbewegung gegen den militärischen Uebungs? zwang. Viele Mitglieder des I.A.M.V. beteiligten sich an der bereits von De Boer erwähnten Dienstverwreigerungsbe\vegung. Im Mai 1917 entschloß man sich, die Munitionsherstellung besonders zu bekämpfen, und stellte man Arbeitsvers Weigerung im Dienste des Militarismus auf eine Linie mit grundsätzlicher Dienst; Verweigerung. Im Dezember 1917 beschloß man, auch Verweigerer des Zivil? kriegsdienstes als Militärdienstverweigerer zu betrachten. Der I.A.M.V. wuchs von 500 zu 3000 Mitgliedern an. Jedes Jahr verbreitet man zu Tausenden einen Soldatenalmanach. Bei inländischen Unruhen hält man die Soldaten vom Schießen auf das Volk zurück. Der I.A.M.V. wirkte auch kräftig in allgemeinen revolu? tionären Aktionen und suchte dann vor allen Dingen Fühlung mit der Gewerk? Schaftsbewegung.

Mittelbar übte der Verein auch Einfluß auf noch nicht politisch verseuchte Mitglieder der sozialdemokratischen Arbeiterpartei aus, die soeben einen kleinen Schritt in unserer Richtung wagte. Seit 1917 arbeitete der I.A.M.V. für den jetzt stattfindenden Kongreß.

Antimilitarismus in Belgien.

Da die anwesenden belgischen Kameraden offiziell als abwesend gelten, er? stattet De Jong, der öfters für den I.A.M.V. Belgien bereist hatte, an ihrer Stelle Bericht. Belgien ist das Schlachtfeld Europas. Leider kann keiner der belgischen Kameraden hier bezeugen, was man durchgemacht hat. Was uns an Belgien aufs fällt, ist der Kampf zwischen Flamen und Wallonen; das ist mehr als ein Sprachen* kämpf. Man kann die Flamen mit den Iren vergleichen. Die sozialistische Be? wegung in Belgien ist von opportunistischer Art. Die flämischen früheren Kriegs? teilnehmer sind Antimilitaristen, weil sie einsehen, daß sie im Dienste eines Imperialismus gebraucht werden, der sich schließlich als der französische Im? perialismus herausstellt. Man ist des Krieges überdrüssig, doch ist die Erkennt? nis so gering, daß man, anstatt völlige Entwaffnung und Wehrpflichtabschaffung TKi fordern, für einen halbjährigen Dienst eintritt. Erfreulicherweise wirkt jetzt der I.A.M.V. für „keinen Mann und keinen Pfennig". Sein Schriftführer Hermann

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van de Reeck wurde bei einer revolutionären Bewegung von einem stumpfsinnigen Diener der Obrigkeit getötet. Inzwischen unterstützten auch andere Kämpfer, wie Stroobants, Leo Gerard, de Swert und Adamas unsere Bewegung. Es gibt ^etzt Ortsgruppen in Brüssel, Antwerpen, Löwen, Ostende, Ninove, Mecheln und Diest. Wallonische und flämische Revolutionäre wirken darin einträchtig zusammen. Als Schermerhorn in Belgien umherzog, um unsere Ideen zu ver» künden, erfuhr er eine schändliche Beleidigung von dem sozialdemokratischen Minister Vandervelde. Unter aller Kritik ist das Verhalten der uns feindlichen Presse.

Antrag über ein internationales antimilitaristisches Bureau.

Schermerhorn erteilte De Jong das Wort. Dieser weist in seinen Mitteilungen über zu behandelnde Punkte darauf hin, daß das Bureau das Bestehen zweier Körperschaften erforderlich erachtet: 1. eine internationale Organisation anti* militaristischer Vereine im Sinne des I.A.M.V., 2. ein Bureau, wozu auch die* jenigen antimilitaristisch gesinnten Vereine beitreten können, die noch allerlei andere Ziele verfolgen (zum Beispiel syndikalistische, politisch*wirtschaftliche, humanitäre Organisationen, Frauen* und Jugendbewegung). Dieses letztere richtete sich dann besonders gegen drohenden Krieg, weißen Terror und Intervention gegenüber dem revolutionär auftretenden Proletariat.

Stellung zu den Absolutisten.

Ferner teilte Redner mit, daß in Bilthoven (Holland) bereits vor diesem Kongreß eine Gruppe Absolutisten zusammengetreten ist, die beschlossen hat, sich nicht separat zu organisieren, wenn der I.A.M.V. ihre Anschauungen teilt. Es ist gewiß, daß der I.A.M.V. als solcher sich nicht auf absolut gewaltlosen Standpunkt stellen wird. Hieraus ergibt sich für die Absolutisten das Recht, sich auf Grund einer eigenen Prinzipienerklärung zu organisieren. Entschließt man sich jedoch jetzt zur Errichtung eines IA.M.*Bureaus, so hoffen wir, daß sie dazu beitreten und mit uns zusammenwirken im Kampf gegen drohenden Weltkrieg usw. Hierzu können übrigens alle Revolutionäre zusammenwirken, von den Anhängern der Dritten Internationale an bis zu Quäkern und Tolstoianern.

Dritte geheime Sitzung.

Vom Dienstag, den 29. März, abends 8 Uhr, bis Mittwoch, den 30. März, morgens um 5 Uhr, waren folgende Kongreßteilnehmer versammelt: French, Adamas, Gerard, Van Langen, Meyer, Nicolai, Stöcker, Eyers, Fletcher, Wellock, Haussard, Sauvage, Wastiaux, Ramus, Björklund, Lieb, Boeke, de Boon, Bot, Eckhard, Giesen, J. Harinck, T. Harinck, Hooyberg, De Jong, Kaastra, De L/gf„ Schermerhorn und einige andere.

Antimilitaristische Kampfmittel.

Von französischer Seite hob man hervor, daß ein I.A.M.B. von durchaus praktischer Arbeit erforderlich ist. Man bemühe sich, Desertationsbureaus zu er* richten; man gebe politische Dokumente heraus, die die herrschende Klasse ent* larven; man erwäge die Sabotage als Kampfmittel; man führe Pressekampagnen; man veranlasse Boykott von Gewerkschaften, deren Mitglieder Kriegsarbeit leisten; man mache besonders unter den Frauen Propaganda; durch Flugblätter rege man persönliche Dienstverweigerung an; man wende sich direkt schriftlich an die imperialistischen Regierungen; man nehme eine Weltsprache an.

Art des Bureaus.

Sodann prüfte man, welche Form das Internationale Anti*Militaristische Bureau annehmen sollte, und ob auch dieses einen ausgesprochen antikapitalistischen Charakter brauchte. Von österreichischer und absolutistischer Seite hielt man letzteres nicht für unbedingt erforderlich. Von belgischer, deutscher, hollän* discher und schweizerischer Seite bestand man ganz entschieden darauf, daß das Bureau sowohl theoretisch wie praktisch Kapitalismus und Militarismus im Zusam* menhang bekämpfen sollte. Besonders in Deutschland hat es sich ja gezeigt,

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■daß antimilitaristische Vereine ohne ausgesprochen antikapitalistischen Charak« ter immer wieder verbürgerlichten und manchmal in Händen neuer Kriegsmächte zu willenlosen Werkzeugen wurden. Es wäre erwünscht, daß der antipatriotische Charakter des Bureaus auch für jedermann direkt augenscheinlich würde. Von österreichischer Seite bemerkte man, daß doch Quäker und andere religiöse Sek* ten, wovon viele Mitglieder keine Antikapitalisten sind, durch persönliche Dienst« Verweigerung in der Kriegszeit einen wirksamen Kampf gegen den Krieg führten. Es wäre unrichtig, solchen Gruppen das Zusammenwirken mit dem Bureau unmög« lieh zu machen. Im allgemeinen stimmte man schließlich mit der Auffassung überein, daß die Tätigkeit des I.A.M.B. einen ausgesprochen antikapitalistischen Charakter besitzen sollte.

Zweifellos, so erklärte man von holländischer Seite, haben verschiedene Quäker und andere Religiöse einen bewundernswerten Kampf gegen den Krieg geführt, doch man vergesse nie, daß Quäker und andere weniger oder mehr ketzerische Gruppen tüchtig am Aufbau des Kapitalismus mitgeholfen haben und, obwohl sie in manchen Hinsichten humanitäre Taten verrichteten, doch gleichzeitig den Kapitalismus durch Handel und Gewerbe, meistens ohne Pro« test, aufrecht erhielten. Erfreulicherweise gibt es jetzt unter den Quäkern schon viele, die weiter sehen und verstehen, daß der sogenannte Friede ein fortwährender Wirtschaftskrieg, ein mörderischer Klassenkampf ist, und daß sich dann in kritischen x\ugenblicken der sogenannte Krieg als dessen typischer Ausbruch darstellt. Wir leben jetzt in einer Periode, wo der Mensch nicht den Wirt« Schaftsprozeß vernünftig beherrscht, sondern wo die Dinge^ den Menschen beherrschen, wo der Tod das Leben, die Quantität die Qualität ver« schlingt. Wie verdienstvoll der nicht geradezu antikapitalistisch ge* sinnte Antimilitarismus der Tat an sich auch sein möge: wenn seine Anhän« ger den Kapitalismus nicht anrühren oder ihn sogar praktisch und grundsätzlich fördern, stehen sie kulturgeschichtlich weit zurück gegenüber revolutionären Antikapitalisten, die sich, wenn auch in gewalttätigster Weise, im Kampfe für eine neue Gesellschaft praktisch und grundsätzlich dem Kapitalismus entgegen« stellen. Wenn man zwischen weniger oder mehr bürgerlich betontem Antimilitarismus und dem revolutionären Proletariat zu wählen hätte, so verdiente letzteres bei weitem den Vorzug, denn das revolutionäre Proletariat überhaupt vertritt eine neue Zukunft, wohingegen im bürger« liehen Antimilitarismus nur noch ein Rest der edelsten Kräfte aus der Vergangenheit lebt. Von der radikalen antikapitalistischen Gesinnung der an« wesenden Absolutisten sind wir jedoch alle überzeugt. Darum ist es zu erwar« ten, daß man einander finden wird. Um andererseits jedoch zu verhüten, daß der antikapitalistische Antimilitarismus des Bureaus auch nur einen Schein von Aehnlichkeit mit dem Sozialpatriotismus zeigt, der sich jetzt auch solcher Aus« drücke bedient und um die einseitig negative Fassung der entworfenen Prinzipien« erklärung zu überwinden, wird vorgeschlagen, nicht von „antikapitalistischem Antimilitarismus", sondern von „revolutionärem Antimilitarismus" zu sprechen. Darin ist dann zugleich auch der absolut antikapitalistische Charakter des I.A.M.B. ausgedrückt. Als Grundlage für das Bureau wurde schließlich folgende Formel für annehmbar erklärt: „Das Internationale Anti«Militaristische Bureau •gegen Krieg und Reaktion, zusammengesetzt aus revolutionär«antimilitaristischen Organisationen, hat den Zweck, den Militarismus international zu bekämpfen, um die Unterdrückung der Arbeiterklasse und den Krieg unmöglich zu machen."

Antimilitarismus für die ganze Menschheit.

Am Mittwoch, den 30. März, mittags, eröffnet De Ligt die Versammlung mit der Mitteilung, daß der Kongreßausschuß einen Brief von einem sehr zuverlässi« gen orientalischen Gesinnungsfreund erhalten hatte, woraus zu ersehen war, daß in Holland verweilende farbige Mitmenschen aus Presseberichten über den Kon« greß den Eindruck erhalten hatten, daß „international" für uns soviel wie „weiß" bedeutete. Warum, fragte man, wurden nicht einmal die Thesen von Wegner vorgelesen? Man weiß doch, wie sehr die orientalischen Völker unterdrückt werden. Will man dem Kongreß nicht den Charakter eines okzidentalischen Kongresses geben, dann hat man seine Aufmerksamkeit auch nach dem Orient zu richten. Hiergegen bemerkte De Ligt, daß er sich bereits in seiner Eröff«

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nungsrede an die farbigen Rassen gewendet hatte, was man in „Nieuwe Rotters damsche Courant", „Nieuws van den Dag" und anderen Zeitungen sehr deutlich erwähnt findet. Redner wiederholte den Schluß seiner Eröffnungsrede. Ferner hat der Kongreßausschuß versucht, Wegner als Redner nach dem Haag zu be« kommen. Weder Wegner selbst, noch der vorbereitende Ausschuß hatten erwar« tet, daß die holländische Regierung ihn im letzten Augenblick ausschließen würde. Augenscheinlich wünscht sie die Kolonialfrage auf dem Kongreß nicht behandelt zu sehen. Um Wegner dennoch sprechen zu lassen, und um die Ab* sichten des Kongresses in klares Licht zu rücken, zitiert Redner Wegners „Bot« schaft an Asien" („Die Tat", 1920), worin der Verfasser an die besten Kräfte in den orientalischen Völkern appelliert, um die Welt vom okzidentalischen Ver« derben zu erretten; er schildert darin das Kolonialsystem und das Elend, das sich daraus für alle farbigen Völker ergibt, und er betont, daß wir Abendländer, die wir den Ursprung unserer Zivilisation und Kultur dem Morgenland verdanken, dies den Asiaten mit unserem abscheulichen Ausbeutungssystem vergelten. Jedoch „die Sonne, die im Westen in Blut untergeht, wird einst hell im Osten wieder aufgehen". De Ligt weist ferner darauf hin, daß der Niederländische Landesverband des I.A.M.V. sich jahrelang bemüht hat, mit Indien in Verbin« düng zu kommen. Dies ist jedoch nicht gelungen. So hat J. Harinck mit Soewardi Berührung gesucht, als es noch nicht feststand, welche politische Rieh« tung dieser einschlagen würde. Auch dies mißglückte. Redner selbst hat u. a. von Sneevliet Adressen erhalten. Hierdurch und noch auf andere Weise hat Giesen versucht, Fühlung mit dem Orient zu bekommen, ebenfalls ohne Erfolg. Im Orient lebt ein begreifliches Mißtrauen. Vielleicht hat man unsere Briefe für von der Polizei herrührend angesehen. Im allgemeinen erwarten wir von den farbigen Völkern in revolutionärer Hinsicht viel, weil sie sich nicht wie Europäer und Amerikaner allmählich dem sich immer ungünstiger entwickelnden Kapitalismus anpassen konnten, sondern von diesem in seiner höchsten Entwick« lungsform, als Imperialismus, plötzlich aufs heftigste angegriffen werden. Die Urinstinkte unserer farbigen Mitmenschen empören sieh gegen unsere Dekadenz; der kommunistische Gedanke bricht sich bei ihnen Bahn. Eigentlich ist die Rassenfrage auch eine Klassenfrage. Alle Revolutionäre der ganzen Erde haben sich vereint dem Weltimperialismus entgegenzustellen. Der Kongreßausschuß freut sich daher, mitteilen zu können, daß es ihm vor kurzem gelungen ist, in angemessener Weise mit der orientalischen revolutionären Bewegung in Beziehung zu treten, wovon man noch Näheres erfahren wird.

Bericht Norwegen.

H. C. Eckhard (aus Hilversum, Holland) verliest einen von den Norwegischen Neusozialisten W. Anderssen, Trygve, Aahervik und Nills Higgland in Kristiania eingelaufenen Bericht: „In Norwegen gibt es ebenso wie anderwärts zwei Rieh« tungen unter den Antimilitaristen: 1. Man meint in der Kaserne das Heer zer* setzen zu können! 2. man ist für sofortige Dienstverweigerung. Viele verweigern den Militärdienst aus religiösen, christlichen Gründen; sie werden leicht bestraft. Andere, die zum Beispiel auf Grund „menschlicher" Gefühle den Dienst ver« weigern, werden fürchterlich verfolgt. Erster Dienstverweigerer in Norwegen war der bekannte Anarchist Kristoffel Haussteen (1880). Sein Wort war: „Nie« man kann mich zwingen, gegen meine Ueberzeugung zu handeln." Er erfuhr Hohn und Verfolgung, aber auch Nacheiferung. Ihm folgte der revolutionäre Sozialist Karl Nummedal, dann der Sohn eines Obersten, Einar Li. Als Journalist wußte dieser die Dienstverweigerungsfrage aktuell zu machen, und als Sozial« demokrat weigerte er sich, was ihm neun Monate Gefängnisstrafe einbrachte. Dies geschah im Jahre 1906, und 1907 folgten sieben Dienstverweigerer, 1908 vier, 1910 sechs, 1911 neun, 1912 vier, 1913 sieben, 1914 acht, 1915 sechs, 1916 zwölf, 1917 dreiundzwanzig. 1918 begann die Dienstverweigerung zu einer Massen« bewegung anzuwachsen, besonders in NordsNorwegen, wo die Rekruten beschlossen, militärischen Aufrufen nicht mehr Folge zu leisten. Dies ging so weit, daß selbst die Regierung sich entschloß, die Aushebung acht Monate aufzuschieben. Nach der Revolution in Rußland brachen die Sozial« demokraten den Widerstand, indem sie vorschlugen, im Heere Agitation gegen das Heer zu führen. Durch diese Haltung wurde die Dienstverweigerungs« bewegung zersplittert. Doch die Solidarität dauerte fort. Als zum Beispiel die

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Polizei in Sulitjelma einen Dienstverweigerer holen sollte, brach sofort General* streik aus, und die Polizei mußte ohne den Dienstverweigerer abziehen. Darauf sandte die Regierung ein Kriegsschiff mit Unteroffizieren und Kadetten, die elf Dienstverweigerer des Nachts aus ihren Häusern holten; andere Dienstverweigerer entwichen in die Berge. Am 28. Mai 1918 verweigerten neun Rekruten zugleich den Dienst auf dem Exerzierplatz Gimlemsen, in Harstadt fünf. Von vielen Ort* schaffen fand sich kein einziger Rekrut ein, Hunderte weigerten sich. In Trondhjem drohten die Gewerkschaften mit Streik, als sich dort ein Dienst* Verweigerer im Gefängnis befand. Im Jahre 1919 waren allein in Lynge 25 Dienst* verWeigerungsfälle anhängig. Der Staatsanwalt teilte mit, daß es im Jahre 1920 nicht weniger als 137 Dienstverweigerer aus religiösen Gefühlen gab, welche Anzahl man ruhig verdoppeln kann, wenn man die sozialistischen Dienstverwei* gerer mitrechnet. Auch die schriftliche Propaganda geht hier gut. Für die Ver* teilung eines Flugblattes „Soldaten, laßt euch nicht länger drillen!" bekam Johansen zwei Monate Gefängnisstrafe. Vier andere Kameraden wurden bei einem Neudruck dieses Flugblattes zu je sechs Monaten verurteilt. Bei einem dritten Druck von 10 000 Exemplaren konnte die Polizei niemand fangen. Eine vierte Auflage von 30 000 Stück folgte. Zwei Blätter „Revolt" und „Alarm", machen fortwährend antimilitaristische Propaganda. Viele öffentliche Versamm* lungen pflegen gut zu gelingen, trotz aller Gefängnisstrafen.

Nachricht von Frau Roland Holst.

Giesen las eine Postkarte vor, worin Frau Roland Holst bedauerte, daß sie aus Gesundheitsrücksichten absagen mußte. Gerne hätte * sie im Kreise der Geistesgenossen verweilt. Sie hofft, daß der Kongreß der antimilitaristischen Bewegung neuen Schwung verleihen wird.

Telegramm an Kaspers.

Eckhard schlägt in erster Linie vor, dem Kameraden Kaspers, Redakteur des Blattes „De Arbeider", der stets kampfbereit für den antikapitalistischen Antimilitarismus auf seinem Posten steht und krankheitshalber nicht anwesend sein kann, zu seinem Jubiläum ein Sympathietelegramm zu senden. In diesem Sinne wurde beschlossen.

Finanzen.

Sodann spricht Eckhard über die Finanzen, die die Grundlage aller Arbeit sein müssen. Darum erbittet er für diesen sachlichen Teil alle Aufmerksam* keit. Wir haben freudig gearbeitet, um den Kongreß vorzubereiten, aber die Finanzen war eine Qual. Oftmals wußten wir weder aus noch ein. Zuweilen mußte sogar ein scharf abgefaßter Brief an manche Ortsgruppen des I.A.M.V. gerichtet werden. Man hatte nun einmal A gesagt und konnte dabei nicht stehen bleiben. Der J.A.M.V. hat schließlich an Pflichtbeiträgen, wenn auch mit äußerster Anstrengung, 2675,55 Gulden zusammengebracht. Die übrigen 7150,90 Gulden kamen von anderen Seiten. Will ein I.A.M.*Bureau Erfolg haben, dann muß das Geld dafür auch von mehreren Organisationen aufgebracht werden. Nächstes Jahr sind 10 310 Gulden erforderlich; dies kann der J.A.M.V. nicht allein er* schwingen, ebensowenig alle holländischen Organisationen, die etwa beitreten werden, zusammen. Die anderen Länder, die bisher zusammen nur 44,75 Gulden beigesteuert haben, müssen mithelfen. Berücksichtigen wir, daß die Niederlande in den drei dem Kongreß vorausgegangenen Jahren von Arbeitslosigkeit, Streiks und Aussperrungen heimgesucht wurden, und daß große Summen für die Dienstverweigerungsbewegung verwendet wurden, dann können wir dankbar sein. Auch freut es uns besonders, daß die holländischen Syndikalisten tatkräftig helfen; denn allein die organisierten Kopf* und Handarbeiter können ja den Krieg unmöglich machen. Redner sagt den Kameraden Schermerhorn, De Jong und Giesen besonderen Dank für ihre wirksame und uneigennützige Hilfe; auch Akkermann erwähnt er hierbei. Jedoch: der Kassenabschluß zeigt einen Bestand von 867,83 Gulden; aber wir haben 1 500 Gulden von der Unterstützungskasse der Dienstverweigerer geliehen. Es ist die Pflicht eines jeden, der diesen Kongreß ge* fordert hat, mit zu sorgen, daß diese Schuld beglichen wird.

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Zum Schluß richtet Eckhard die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf das Budget des eventuellen I.A.M.*Bureaus. Alles ist so nüchtern wie möglich an> gelegt. Man brauchte aber nicht jedes Jahr einen Kongreß einzuberufen; das könnte zum Beispiel ein Jahr ums andere geschehen, was 1750 Gulden Ersparnis ausmachen würde. Redner dankt dem Kameraden H. Fransberger für seine sach* verständige Hilfe betreffs der Rechnungsablage. Er teilt weiter mit, daß das Budget des I.A.M.B. später behandelt werden soll, und zwar von den Vertretern der Organisationen, die zusammen das endgültige I.A.M.B. errichten werden.

Hierauf wurde der Bericht des Kassierers gutgeheißen.

Gründung des I.A.M.B.

De Jong sagt, daß der Plan zur Errichtung des I.A.M.B. nach Beratung mit den holländischen Syndikalisten und dem Landesausschuß des I.A.M.V. ent* standen ist. Er wiederholt die drei Zwecke des Bureaus und betont nochmals, daß es besonders die Aufgabe der Arbeiterklasse ist, den Krieg durch allgemeine Dienstverweigerung und allgemeinen Arbeitsstreik zu verhüten. Die Arbeiter* klasse ist für diese Aufgabe noch nicht reif. Sie hat sich jedoch zu ihrer Mission heranzuarbeiten, und dazu braucht sie unter anderem eine aus* gesprochene internationale antimilitaristische Bewegung, die fortwährend auf die allgemeine Arbeiterbewegung einwirkt und Dienstverweigerung, Einstellung aller Kriegsproduktion und andere wirtschaftliche Kampfmittel propagiert. Die Arbeiterklasse hat die Macht, aber die revolutionäre Idee belebt sie noch zu wenig. Macht und Idee sollten zusammenkommen. Dazu hat auch die anti* militaristische Bewegung mitzuwirken, nicht in einseitig theoretischer Weise, sondern durch Aufstellung praktischer Ziele. Die von uns angegebene Aufgabe erlaubt Bewegungseinheit und Zusammenwirkung für alle revolutionären Organi* sationen: syndikalistische, anarchistische, freiheitliche, Gruppen der Dritten Internationale, Frauen* und Jugendbewegungen usw. Dazu war folgender Ent* wurf abgefaßt: „Das Internationale Anti*Militaristische Bureau, zusammengesetzt aus Organisationen antikapitalistischer Tendenz, hat die Aufgabe, den Militaris* mus international zu bekämpfen, um die Unterdrückung der Arbeiterklasse und den Krieg unmöglich zu machen. Es ist bestrebt, in den Arbeitern das Bewußt* sein ihrer entscheidenden wirtschaftlichen Macht zu verstärken und propagiert allgemeinen Streik und allgemeine Dienstverweigerung. Es agitiert für sofortige Einstellung aller Kriegsproduktion. Es wirkt darauf hin, die Heere und Flotten unzuverlässig zu machen und erweist der persönlichen Dienstverweigerung seine Anerkennung. Es widersetzt sich jedem Versuch, ein Proletariat, das das kapita* listische Joch abgeschüttelt hat, wiederum zu unterwerfen."

Wastiaux spricht als Ueberzeugung der französischen Kameraden aus, daß die Prinzipienerklärung des I.A.M.B. absolut antikapitalistischer, aber auch zu* gleich, wenn möglich, positiv revolutionärer Art sein soll.

Frau Stöcker empfiehlt, bei der Aufstellung des Zwecks des Bureaus, der Natur dieser Organisation gemäß, den Kampf gegen den Krieg überhaupt in erste Reihe zu stellen und darum zu lesen: „um den Krieg und die Unterdrückung der Arbeiterklasse unmöglich zu machen". Anstatt „antikapitalistisch antimilita* ristisch" will sie auch sagen: „revolutionär*antimilitaristisch".

Hooyberg erklärt, daß man hinsichtlich der Grundlage schon mit den an* wesenden Vertretern anderer Länder Besprechungen gehabt hat. Dies und das soeben Gesagte veranlassen ihn, jetzt die Abstimmung über folgende Formel zu beantragen:

„Das Internationale Anti*Militaristische Bureau gegen Krieg und Reaktion,

zusammengesetzt aus revolutionär*antimilitaristischen Organisationen, hat den

Zweck, den Militarismus zu bekämpfen, um den Krieg und die Unterdrückung

der Arbeiterklasse unmöglich zu machen."

Boeke fragt an, was unter „revolutionär*antimilitaristisch" zu verstehen ist,

und ob sich aus den Worten „revolutionär*antimilitaristisch" ergibt, daß man die

rote Gewalt verwirft.

Wellock wünscht die Sache vom englischen Gesichtspunkt aus zu betrachten. In England liegen die Verhältnisse ganz anders. Man kennt jetzt wieder keinen Dienstzwang mehr, und niemand wird dort den Antimilitarismus mit der Haltung

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der Dritten Internationale in Zusammenhang bringen. Redner selbst vertritt die Nie-MehrsKriegsBewegung, und keiner seiner englischen Gesinnungsfreunde könnte daran denken, sich in dieser Aktion zum Beispiel mit Gewaltskommunisten zu vertragen. Doch hält er die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen, in loser Be= ziehung mit dem I.A.M.B. zusammenzuwirken. Am liebsten läse er: ,,. . . um durch friedliche Mittel (paeifie means) die Gesellschaft von dem Krieg und die Arbeiterklasse von der Unterdrückung zu befreien".

Im Namen des Schweizer Kameraden Fritz Lieb, der schon abreisen mußte, teilt der Vorsitzende mit, daß er zu den Gruppen der äußersten Linken in der Dritten Internationale gehört. Auch ihm ist die Bezeichnung „antikapitalistisch* antimilitaristisch" nicht genügend; er will das erste Wort durch „revolutionär" ersetzen. Er meint, daß die Linke der Dritten Internationale sehr bestimmt imstande sein wird, mit Anarchisten und Syndikalisten gegen Krieg, Terror und Intervention zusammenzuwirken und hofft, daß der Kongreß sich aufs äußerste anstrengen 'wird, damit dies ermöglicht bleibt.

F. Cordes (aus Dortmund) spricht im Namen der anarchistischen Jugend Rheinlands und Westfalens, die gegen jeden militaristischen Massenmord ist und die sich keinesfalls der Aktion dieses Büros anschließen kann, wenn ihr keine freie Beitragsregelung gestattet wird. Er meint, daß jede wirklich revolutionäre Bewegung Unterstützung verdient. Ob jemand ein Gewehr auf die Schulter nimmt, muß er mit sich selbst ausmachen; aber man hat kein Recht, andere in dieser Hinsicht zu zwingen. Redner hat in der deutschen revolutionären Be* wegung viele gesehen, die grundsätzlich kämpften, aber auch andere, denen es nur ums Plündern zu tun war, oder die weglaufen wollten, als sie nicht zeitig ihr Essen empfingen. Es fehlt oft an Idealismus und Hingebung. Redner weiß aus Erfahrung, daß die Anwendung von Mordgewalt keine große Kunst ist. Es ist jedoch für revolutionäre Bewegungen immerhin gefährlich, sich fortwährend auf systematische Propaganda und Organisation von Gewalt zu verlegen. Der Dienst erfordert Kadavergehorsam, und dafür gibt Redner sich nicht her. Man muß neue revolutionäre Begeisterung hervorrufen. Redner liest Flugblätter vor, worin die deutschen revolutionären Antimilitaristen sich an das Volk wenden.

Fletcher ist als Antimilitarist und Antikapitalist der Meinung, daß nicht allein die sogenannte arbeitende Klasse vom jetzigen Gesellschaftssystem und vom Kriege befreit werden muß, sondern auch Körper und Geist der Bürger.

In der Abendsitzung erklärt De Jong im Namen des Kongreßausschusses, die Anträge Wastiaux, Stöcker und Hooyberg anzunehmen. Auf die Frage von Boekc: „Was ist revolutionär?" antwortet er, daß Revolution nicht mit Gewalt identisch ist. Revolutionär ist „umwälzungsgesinnt". An Stelle der kapitalistischen Welt. wo des Gewinnes halber produziert wird und die Kapitalisten die Produktion be- herrschen, wollen wir eine sozialistische, wo der Bedürfnisse halber produziert wird und die Erzeuger die Produktion beherrschen. Wenn auch jetzt und wahr* scheinlich auch in Zukunft bei Revolutionen meistens Gewalt angewendet wird, bleibt dies doch Nebensache. Uebrigens haben sich auf allerlei Gebieten schon Revolutionen gewaltlos vollzogen. Finden infolge unserer Propaganda für all? gemeine Dienstverweigerung, allgemeinen Streik usw. gewalttätige Zusammen? stoße statt, so fällt die Verantwortlichkeit dafür zu allererst auf die Vertreter der alten Gewalt, auf die Bourgeoisie, und keinesfalls auf diejenigen, die als Revo- lution die grundsätzliche Aenderung des Gesellschaftssystems propagieren. In* sofern die Absolutisten Antimilitaristen sind und auch in ihrer Weise nach einer Gemeinschaft ohne Klassengegensätze und Ausbeutung streben, haben sie, wie Redner meint, keinen Grund, sich gegen das Wort „revolutionär" zu sträuben. Den roten Militarismus verteidigt das Bureau als solches in keiner Hinsicht; es verteidigt nicht einmal die Gewalt, und noch weniger macht es Propaganda dafür. Ebensowenig ist es jedoch die Aufgabe des I.A.M.B., besonders gegen rote Heere usw. zu agitieren. Wenn wir auch nicht mit der Dritten Internationale lieb= äugeln, so haben wir doch als Bureau eine bestimmte Aufgabe, die sich direkt gegen die jetzigen imperialistischen Machthaber richtet. Was England betrifft, ist dort seit 1914 der Militarismus nicht weniger vorherrschend als anderwärts, wozu sich dann noch der Marinismus hinzugesellt. Die englische antimilitaristische Bewegung hat nur Sinn, wenn sie sich tatsächlich auch antikapitalistisch, revo* lutionär äußert. Wenn Wellock für friedliche Mittel ist und Jan Rink (aus Soest. Holland) durch Zwischenruf fragt, was man unter „friedlichen Mitteln" versteht,

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so sagt De Jong: Das Bureau gibt selbst friedliche Mittel an: persönliche Dienst« Verweigerung, allgemeine Dienstverweigerung, sofortige Einstellung aller Kriegs* Produktion, das Pflegen einer antimilitaristischen Stimmung in Heer und Marine und als das entscheidende Mittel: den allgemeinen Streik. Alle diese Mittel sind friedlich. Schließlich ist wirtschaftlicher Streik das große revolutionäre Mittel gegen den Krieg.

P. Eidering (aus Rotterdam) und Boeke fragen, inwieweit bereits ein I.A.M.B. besteht. De Jong antwortet darauf, daß in erster Linie der holländische I.A.M.V. im Jahre 1917 eine Kommission zur Vorbereitung des Kongresses ernannte. Diese wurde im Laufe der Zeit einigermaßen abgeändert. Im August 1920 berief sie eine internationale Vorkonferenz nach dem Haag ein, wo die anwesenden Käme; raden ein Bureau errichteten, das die Aufgabe hatte: 1. den jetzigen Kongreß weiter vorzubereiten (und in diesem Sinne blieb man also Vorbereitungskommission); 2. als Konzentrationspunkt internationalen antimilitaristischen Kampfes zu wirken, aber dann hauptsächlich als Mittelpunkt der belgischen, dänischen, fran* zösischen, holländischen und eventuell anderer Landesverbände des I.A.M.V. Jetzt ist es jedoch beabsichtigt, daß der I.A.M.V. als Internationale für sich organisiert ist (hierüber wird er dieser Tage noch beraten); doch daneben ein ge* räumigeres Organisationsganzes mit engerem Ziel gegründet wird. Das jetzige Bureau hat daher einen durchaus vorläufigen Charakter.

Wellock erkennt an, daß man schließlich in England unter demselben Impe« rialismus lebt wie anderwärts; aber infolge einer anderen Geschichte betrachtet man dort die Dinge anders. Was ihn selbst betrifft, so ist er revolutionär. Der absolute Pazifist ist der Revolutionär im höchsten Grade und kämpft mit neuen Kräften, woran viele noch nicht einmal glauben. Er vertritt eine Bewegung, die in ganz anderer Weise als die Dritte Internationale eine neue Welt errichten will. Dennoch verurteilt er die Dritte Internationale nicht sondern bewundert er manche ihrer Vertreter. Wer jedoch den Militarismus als Mittel gebraucht, wird selbst davon befallen. Dies ist eine wesentliche Gefahr, die man auch schon unter den Kommunisten beobachten kann. Mit allgemeinem Streik möge etwas zu erreichen sein; doch will Redner diesen an sich nicht verkündigen; für ihn handelt es sich zuerst um eine neue Stimmung im Volke, wodurch man dann die heutigen Mißstände, wie Krieg und dergleichen nicht mehr will. „Pazifistische Mittel" drückt etwas Positives aus. Ruft dieser Ausdruck bei anderen Mißverständnis hervor, so ist es am besten, hier die Prinzipienerklärung nach eigener Auffassung zu formulieren, wonach die Absolutisten beurteilen werden, ob und inwiefern sie mit dem Bureau zusammenwirken können.

Hooyberg führt aus, daß wir weder unsere revolutionäre Zielstellung noch das Mittel des Generalstreiks aufgeben dürfen. Wer damit nicht einverstanden ist, könnte vielleicht in loser Beziehung mitwirken.

Auf eine Frage von Eldeving erklärt De Jong, daß der Kongreßausschuß den Abänderungsantrag „friedliche Mittel" nicht annehmen kann. Unsere Mittel sind grundsätzlich friedlich; setzen wir jedoch dieses Wort hinzu, so würde dieses das Mißverständnis hervorrufen, als wenn das Bureau als solches nur Absolutisten verträte. Uebrigens wiederholt er, daß wir nicht nur keine Gewalt propagieren, sondern auch nicht einmal verteidigen. Ferner stehen nun einmal die meisten hier vertretenen Organisationen nicht auf dem Standpunkt, daß sie das Anwenden oder Verwerfen der Gewalt als Prüfstein betrachten, so z. B. der I.A.M.V. Wir verbinden uns hier föderativ zu einem ausgesprochenen Zweck, der so genau b&= schrieben werden muß, daß man ohne irgendwelches Mißverständnis sofort positiv weiß, was wir wollen.

Snyders (aus Amsterdam) sagt, daß er die Föderation von SoziaLAnarchisten vertritt, die sich gegen Krieg, Militarismus und Gewalt richtet. Wird uns jedoch die Gewalt von anderen aufgezwungen, so entscheidet seiner Meinung nach die Lage, worin er sich befindet, über seine Kampfmittel. Ergibt sich denn etwa hier* aus, daß man die systematische Gewaltsanwendung fortwährend propagieren muß. wie dies in kommunistischen Kreisen geschieht? Nein! Wären wir in einer Lage wie in Rußland, dann würde Redner zur Verteidigung der Revolution sich der Gewalt bedienen.

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Frau Blom (aus Nieuwe Niedrop, Holland) wünscht einen Unterschied zu machen zwischen dem kapitalistischen Militarismus und den gewalttätigen Kampf* methoden der Dritten Internationale. Sie meint, daß von Menschenhänden her= gestellte Waffen die schlechtest denkbaren Mittel sind für irgendwelchen Kampf. Sie hat wenig Sympathie für Propaganda zugunsten des roten Heeres, erkennt aber die große historische und moralische Bedeutung eines aus Arbeitern be* stehenden Heeres im Kampfe gegen ein auch aus Arbeitern bestehendes, aber von der Bourgeoisie gebrauchtes Heer. Sie hofft, daß auch die Absolutisten solche revolutionären Kämpfer schätzen werden. Wer Menschen dazu anregt, bewaffnet für eine neue Gesellschaft zu kämpfen, leistet ein großes Werk. Wer das „Du sollst nicht töten" in sich aufnimmt und anwenden kann, leistet vielleicht ein noch größeres Werk. Rednerin hofft, da das Bureau auch Anhängern der Dritten Internationale Gelegenheit zum Zusammenwirken gibt, daß diese auch als auf= richtige Revolutionäre gewürdigt werden.

Frau C. Kolthek'T immer (aus dem Haag) fragt, ob es auch Sache des Bureaus ist, gegen die Propaganda, die zum Beispiel die Holländische Kommunistische Partei auf dem Lande für das rote Heer macht, zu agitieren.

De Jong antwortete, daß dies von der Aufgabe des Bureaus ausgeschlossen ist. Man kann dies mittels anderer Vereine tun oder nötigenfalls durch eine besonders zu diesem Zwecke zu gründende Organisation. Dies ist jetzt nicht an der Tages* Ordnung. Der Frau Blom antwortet er, daß wir uns mit Gewissensprüfung nicht einlassen, sondern alle, die sich mit unserem Ziel einverstanden erklären, gerne als Mitkämpfer anerkennen. Wohl müssen wir davon überzeugt sein, daß wir es mit ehrlichen Kameraden zu tun haben, aber das wird die Praxis lehren.

Prinzipienerklärung des l.A.M.B.

Schließlich wurde die Formulierung WastiauxsStöcker^Hooyberg einstimmig angenommen und lautet die Prinzipienerklärung des I.A.M.B. folgendermaßen:

„Das Internationale Anti*Militaristische Büro gegen Krieg und Reaktion, zusammengesetzt aus revolutionär?antimilitaristischen Organisationen, hat die Aufgabe, den Militarismus international zu bekämpfen, um den Krieg und die Unterdrückung der Arbeiterklasse unmöglich zu machen."

Inzwischen hatte der Kommunist Brommert folgende schriftliche Frage gestellt: „Gilt die jetzt angenommene Prinzipienerklärung für immer, und wenn nicht, gibt es dann die Freiheit, im Rahmen des Bureaus Propaganda zu machen, um eine Abänderung für den nächsten Kongreß vorzubereiten?"

De Ligt antwortet, daß in dieser Hinsicht zwei Methoden möglich sind. Man kann, wie der Kommunist Lieb, den Inhalt der jetzigen Prinzipienerklärung an* nehmen, sich darum dem Bureau anschließen und dann mit uns zusammenwirken. Solche Kameraden empfangen wir gerne. Sie stärken in der revolutionären Be= wegung das, wofür wir überhaupt kämpfen. Es ist jedoch erforderlich, daß man dann aufrichtig mit der gemeinsam festgestellten Grundlage des Bureaus einver* standen ist. Ist man dies dagegen nicht, und tritt man dennoch dem Bureau bei in der Absicht, die Grundlage möglichst bald zu ändern, so ist dies nicht aufrichtig und etwas ganz anderes, als wenn man zuerst zusammen von einer bestimmten Formel ausginge und im Laufe der Zeit entdeckte, daß sie Aenderung erfordert. Das Institut l.A.M.B. ist auf internationale Praxis gegen den imperialistischen Militarismus gerichtet. Alle, die die Prinzipienerklärung unterschreiben können, mögen sich darin vereinigen. Aber kann man sie nicht unterschreiben, so sei man charaktervoll genug, ihm fernzubleiben.

Brommert erbittet das Wort in persönlicher Sache. In der von ihm ge* stellten Frage steht keinerlei Unaufrichtigkeit. Im allgemeinen ist er mit Zweck und Mitteln einverstanden; aber er könnte mit der vorgefaßten Absicht beitreten, die Bewegung besonders seinem eigenen Ziel entsprechend zu machen.

De Ligt antwortet, daß in Brommerts Auffassung etwas Aufrichtiges und etwas Unaufrichtiges ist. Vor ersterem hat er Respekt. Man kann von einer aufrichtigen Unaufrichtigkeit sprechen. Brommert und die Seinen erkennen an, r1aß ihre Praxis in der Richtung dos Jesuitismus gebt. Menschen, die mit den

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besten Absichten selche Wege verfolgen, pflegen eine Rechtschaffenheit wie der Großinquisitor, den Dostojewski in treffender Weise dargestellt hat. Man hat kein Recht, dem Bureau beizutreten, wenn man in diesem Augenblick nicht uns zweideutig mit der soeben als Ausdruck der allgemeinen Auffassung festgestellten Formel einverstanden ist.

Vierte geheime Sitzung.

Von Mittwoch abends 11 Uhr bis Donnerstag morgens 6X> Uhr waren in ge= heimer Sitzung versammelt: French, Adamas, Gerard, Van Langen, Stöcker. Fletcher, Wellock, Haussard, Sauvage, Wastiaux, Ramus, Björklund, Eckhard, Giesen, De Jong, Kaastra, De Ligt, Schermerhorn und einige andere.

Antimilitarisiische Kampfmittel.

Die in der dritten geheimen Sitzung von den Franzosen angegebenen Kampf» mittel werden im Prinzip angenommen. Ferner hält man für erforderlich: Er* wecken von Erkenntnis betreffs des kapitalistischen Systems und der Zusammen* hänge zwischen Kapitalismus und Krieg; Revolutionieren der Gesinnung; Kampf für eine gänzlich andere Erziehung, wie Ferrer und Domela Nieuwenhuis sie pro* pagierten; Aktion für Gewissensfreiheit auch hinsichtlich des Kriegsdienstes; Vers breitung von Flugschriften, die zu Taten anregen; Propaganda gegen Eintritt in Bürgerwehr, freiwilligen Landsturm, Kolonialheere usw.; wirtschaftlichen Boykott; allgemeinen Streik. Man wird hiervon möglichst anzuwenden suchen, was die Umstände erfordern und die Kräfte gestatten.

Finanzen.

Eckhard legt nochmals dar, daß die holländische Bewegung auf die Dauer unmöglich allein in der Lage sein kann, das gesamte Wirken des Bureaus finanziell zu tragen. Er erbittet die Mitwirkung aller Gruppen und Kameraden der anderen Länder, die sich anschließen und die Arbeit unterstützen wollen. Das Bureau arbeitet so sparsam wie möglich; jedoch unsere Verwaltungskräfte müssen bezahlt werden können, und Kosten von Drucksachen und Porti sind sehr hoch.

Seine Worte finden allgemeine Zustimmung, und verschiedene ausländische Kameraden versprechen, zu tun, was sie können. Nicht allein wird es nötig sein, daß die zutretenden Organisationen in bestimmter Weise regelmäßig beitragen, sondern manche meinen, daß man auch durch Einberufen besonderer Versamm* lungen, Kollekten usw. das Einkommen des Bureaus steigern kann. Man beauftragt Eckhard, in angemessener Weise eine finanzielle Grundlage festzustellen, unter Berücksichtigung der Valuta der verschiedenen Länder usw. Allgemein pflichtet man der Ansicht des Kassierers bei, daß in Erwartung regelmäßiger Beitrags* ablieferungen eine einmalige Beitragserhebung zur Deckung der Gründungskosten unvermeidlich ist.

Kontakt mit dem Orient.

Ferner wurden in dieser Versammlung Maßregeln ergriffen zugunsten eines Zusammenwirkens zwischen Antimilitaristen des Orients und des Okzidents. Man beschloß, in der Aufstellung des Zwecks des Bureaus die Einheit der allgemein* menschlichen Aktion zum Ausdruck zu bringen, indem man seinen Kampf auch gegen die militärische Unterdrückung und wirtschaftliche Ausbeutung der farbi= gen Rassen richtete.

Zweck des I.A.M.B.

Am Donnerstag, den 31. März, mittags, eröffnet De Ligt die öffentliche Kon* greßversammlung und stellt die Aufgabendefinition des I.A.M.B. zur Diskussion. Im Entwurf ist sie aufgesetzt wie folgt:

„Es ist bestrebt, in den Arbeitern das Bewußtsein ihrer entscheidenden wirtschaftlichen Macht zu verstärken und propagiert allgemeinen Streik und allgemeine Dienstverweigerung.

Es agitiert für sofortige Einstellung aller Kriegsproduktion. Es wirkt darauf hin, die Heere unzuverlässig zu machen und erweist der persönlichen Dienstverweigerung seine Anerkennung.

Es widersetzt sich jedem Versuch, ein Proletariat, das das kapitalistische Joch abgeschüttelt hat, wiederum zu unterwerfen."

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Kampfmittel.

Scherrrierhorn bedauert, daß in dieser Erklärung nicht auch die Sabotage ais Kampfmittel genannt wird, nicht im Sinne der Vernichtung menschlichen Lebens, sondern im Sinne einfacher Zerstörung von Kriegsmitteln: Unbrauchbarmachung von Telephon, Telegraph, Eisenbahnmaterial usw. Wenn nun einmal viele nicht den Mut haben, offen und unbedingt mit dem Militarismus zu brechen, so haben doch auch sie das Recht, nach ihren Kräften möglichst zweckmäßig zu kämpfen. Und außerdem kann der einzelne, der Held, viel leisten: der Maschinist kann seine Maschine unbrauchbar machen usw.

Kaastra weist darauf hin, daß den Soldaten im Manöver gelehrt wird, die Schlösser von den Gewehren ihrer Gegenpartei abzunehmen. In dieser Hinsicht können wir nicht zu viel von unseren Gegnern lernen.

Giesen erkennt den Wert und die Bedeutung der Sabotage an. Jedoch hält er sie besonders in wirtschaftlicher Hinsicht für ein schwaches Mittel. So ist es zum Beispiel in Munitionsfabriken geradezu unmöglich, schlechte Munition her* zustellen, da hier die Arbeitskontrolle sehr scharf ist, oft das Taylorsystem an« gewendet wird usw. Als eins der Kampfmittel haben wir die Sabotage anzu* nehmen, und sie kann außergewöhnlichen Wert besitzen zur Zerrüttung des Verkehrs. Wenn man nur nicht zu viel Gewicht darauf legt und demzufolge nötigere direkte Aktion unterläßt. Wenn man den Blick zu sehr auf die Sabotage richtete, wäre es möglich, daß man sich nur zu leicht dem militaristischen Pro* duktionssystems ergäbe und infolgedessen in kritischen Augenblicken nicht im* stände wäre, sich dem Willen der Imperialisten zu entziehen.

De Ligt bemerkt, daß es erwünscht ist, jetzt nicht ausführlich über einzelne Kampfmittel zu sprechen. Es handelt sich hier um eine möglichst allgemein ge* haltene Aufgabendefinition. Wird diese als Grundlage vom Kongreß gutgeheißen, so wird im Zusammenhang damit die gesamte Taktik ausgearbeitet. In kleinem Kreise hat man ja schon über die Kampfmittel Gedanken ausgetauscht. Alle an? gegebenen Mittel sollen bekannt gemacht werden, und man wird sie den Um« ständen und Kräften gemäß anwenden.

Wastiaux teilt nun öffentlich mit, welche Kampfmittel die französische Abs Ordnung vor allen Dingen für erforderlich hält. Er wünscht ferner, daß das Büro an die verschiedenen Regierungen Noten richten soll, um Revision der Prozesse gegen Dienstverweigerer zu fordern.

De Ligt fragt, ob die Versammlung es gutheißt, daß allen Angaben von Kampfmitteln, die eventuell zugetretene Gruppen machen, der allgemeinen Ten* denz des Bureaus entsprechend, nach Möglichkeit Rechnung getragen wird.

Der Kongreß ist damit einverstanden.

Kampf gegen militärische Unterdrückung und wirtschaftliche Ausbeutung

der farbigen Völker.

Gemäß den in dieser Nacht abgehaltenen Besprechungen fragt De Ligt, ob die Anwesenden dem Vorschlag beistimmen, daß man der Prinzipienerklärung einen Absatz hinzufügt, worin als vierte Aufgabe des I.A.M.B. angegeben wird: Kampf gegen militärische Unterdrückung und wirtschaftliche Ausbeutung der farbigen Rassen.

Der Kongreß ist damit einverstanden und nimmt definitiv folgendes an als:

Prinzipienerklärung und Aufgabendefinition des Internationalen AntU Militaristischen Bureaus gegen Krieg und Reaktion.

Das Internationale AntuMilitaristische Bureau gegen Krieg und Reaktion, zu- sammengesetzt aus revolutionär:antimilitaristischen Organisationen, hat den Zweck, den Militarismus international zu bekämpfen, um den Krieg und die Unterdrückung der Arbeiterklasse unmöglich zu machen.

Es ist bestrebt, in den Arbeitern das Bewußtsein ihrer entscheidenden wirt= schaftlichen Macht zu verstärken.

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Es propagiert die sofortige Einstellung aller Kriegsproduktion.

Es fördert die Desorganisierung der Heere und Flotten und erweist dem jenigen, die persönlich den Militärdienst verweigern, seine Anerkennung.

Es widersetzt sich jedem Versuch, ein Proletariat, das das kapitalistische Joch abgeschüttelt hat, mittels Intervention wieder zu unterwerfen.

Es wendet sich gegen jede militärische Unterdrückung und wirtschaftliche Ausbeutung der farbigen Rassen und erstrebt größtmögliche Einigkeit unter dem revolutionären Proletariat von Nord und Süd, Ost und West.

Organisation des I.A.M.B.

Auf der Tagesordnung ist nun folgender Antrag: „Das Internationale Anti*Militaristische Bureau wird zusammengesetzt aus Organisationen, die in revolutionär*antimilitaristischem Geiste miteinander tätig zu sein wünschen. Die dem Bureau beigetretenen Organisationen jedes ein^ zelnen Landes verbinden sich zu einem zusammenwirkenden Körper. Diese Landesgruppen ernennen mindestens je einen Abgeordneten für das Inter* nationale AntisMilitaristische Bureau. Die Gesamtheit der Abgeordneten, als I.A.M.B. versammelt, bezeichnet ein Land, wo der Exekutivausschuß des I.A.M.B. seinen Sitz haben soll. Der Exekutivausschuß wird gebildet von Mit* gliedern verschiedener angeschlossener Organisationen, von denen eine be= stimmte Anzahl auf Antrag des Internationalen Anti^Militaristischen Vereins ernannt wird."

Der Kongreß nimmt dies einstimmig an. Das I.A.M.B. wird seinen Sitz in Holland haben.

Finanzen.

Eckhard betont nachdrücklich, daß aus der Praxis nichts werden kann, wenn man einseitig an das Ideal denkt. Vom Standpunkt des Kassierers aus haben die Finanzen die Grundlage zu bilden. Allzuoft hat man dies in der sozialistischen Be- wegung vergessen. Vorläufig brauchen wir jährlich ungefähr 10 000 Gulden. Was jeder bezahlen muß, hängt von der Sympathie ab, die man antrifft, und von den Organisationen, die sich anmelden, und von deren Mitgliederzahl. Von der Unterstützungskasse der Dienstverweigerer haben wir 1500 Gulden geliehen. Dies ist eine Ehrenschuld. Redner schlägt vor, daß alle sich anmeldenden Organa sationen einen bestimmten Betrag pro Mitglied bezahlen.

De Ligt teilt mit, daß die Kameraden aus anderen Ländern bereits über diese Sache unterrichtet sind und im großen und ganzen hiermit einverstanden sind. Er begrüßt Lansink, den Vorsitzenden des Niederländischen Arbeiter*Sekretariats, der soeben zurückgekehrt ist. Da der Plan zu dem I.A.M.B. im Einvernehmen mit den Vertretern des N.A.S. aufgestellt ist und jetzt allgemeinen Beifall findet, und da bereits verschiedene ausländische Organisationen ihre Mitwirkung in Aussicht gestellt haben, erwartet Redner, daß auch das N.A.S. dem Bureau beitreten wird, und zwar nicht in der Weise, daß Vorstände oder Leiter hier Beschlüsse fassen, sondern er ist davon überzeugt, daß im Lande eines Domela Nieuwenhuis die revolutionären Arbeiter selbst kundtun werden, daß sie mit uns zusammenwirken wollen. Er wünscht, daß die Holländer derart arbeiten, daß sie die Ausländer begeistern.

Eckhard führt aus, daß man von kleinen Gruppen in Holland 25 Cent pro Mitglied erbitten könnte. Für größere Organisationen könnte in gegenseitigem Ein* vernehmen ein verhältnismäßig kleinerer Betrag festgestellt werden.

Lansink ist hiermit einverstanden.

Der Kongreß nimmt diese Entwürfe einstimmig an.

PropagandamitteL

Boeke erklärt es für erwünscht, den Auffassungen des französischen Landes; Verbandes des I.A.M.V. entsprechend 1. eine antimilitaristische Zeitschrift in Französisch, Deutsch, Englisch und seinetwegen auch am liebsten in einer Welt? hilfssprache herauszugeben; 2. internationale Bulletins herauszugeben; 3. ge*

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meinschaftliche internationale Demonstrationen an demselben Tage zu veran« stalten; 4. große Volksversammlungen mit ausländischen Rednern abzuhalten; 5. internationale Pressekampagnen über bestimmte Tatsachen sowohl in sich interessierenden wie in eigenen Organen zu führen.

Der Kongreß stimmt diesen Vorschlägen im Prinzip bei. Von den Finanzen wird es abhängen, wieviel man hiervon praktisch ausführen kann.

Welthilfssprache.

Schermerhorn stellt fest, daß dieser Kongreß uns wieder aufs neue gelehrt hat, daß eine Welthilfssprache für Revolutionäre erforderlich ist. Je mehr Länder und Völker unsere Bewegung umfaßt, desto unentbehrlicher wird sie sich zeigen. Kr beantragt deshalb folgende Resolution, die einstimmig angenommen wird:

„Der Internationale AntisMilitaristische Kongreß, der die Schwierigkeiten, die sich aus der Sprachenverschiedenheit und »Vielheit ergeben, erfahren hat, nimmt die Weltsprache für alle internationale Beziehungen der Antimilita* risten an;

betrachtet hierbei als die Weltsprache die Dialekte Esperanto und Ido, die beide auf dem gemeinsamen Grundsatze der größten Internationalität ge<= gründet und dadurch jeder für sich den Anhängern des andern verständlich sind;

ermutigt die Antimilitaristen aller Länder, einen dieser Dialekte zu er* lernen und öffnet damit die Tür zu weiterer Entwicklung, und freier Ver* einheitlichung der Weltsprache."

Abschied Schermerhorns.

Schermerhorn muß den Kongreß wegen anderweitiger Tätigkeit verlassen. Diese wunderbare Zusammenkunft hat tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Er hat ein starkes Gefühl von Einheit und Kameradschaft erlebt. Er wird den Geist dieses Kongresses mit in seine Arbeit hinübernehmen und hofft, daß bald alle wieder ins Leben hinausgehen werden, um für das Ideal zu kämpfen und zu leiden und, wenn's sein muß, zu fallen.

Telegramm an die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über Eugene Debs und andere. Dem Wunsch der belgischen und französischen Kameraden entsprechend, schlägt Giesen vor, folgendes Telegramm an die Regierung der Vereinigten Staaten Amerikas zu senden, was begeistert angenommen wird:

„Der Internationale AntisMilitaristische Kongreß im Haag sendet seine besten Grüße an Eugene Debs und hofft, daß Amerika bald wieder sein besseres Selbst zeigen wird durch Freilassung von Debs und anderen Käme* raden aus allen Gefängnissen der Vereinigten Staaten."

Telegramm zugunsten der französischen Gefangenen. Ebenfalls auf Wunsch jener Kameraden schlägt .Giesen vor, folgendes Tele* gramm an die französische Regierung zu senden, was wiederum begeistert an* genommen wird:

„Der Internationale Anti=Militaristische Kongreß im Haag bezeugt allen Opfern des Militarismus seine Sympathie, protestiert gegen die Gefangen* haltung von Armand, Badina, Cottin, Azarty, der Matrosen des Schwarzen Meeres, der Aufständischen von 1917, der Deserteure und Ununterworfenen und entschließt sich, für ihre Freilassung zu wirken."

Entschließung Haussard.

Auf Antrag der französischen Kameraden, von denen Haussard vor seiner

Reise nach Holland nochmals den Bericht des AntisMilitaristischen Kongresses

von 1907 in sich aufgenommen hatte, wird eine Entschließung angenommen im

Sinne der Amsterdamer Erklärung der französischen Anarchisten im Jahre 1907:

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„Der Internationale Anti*Militaristische Kongreß, kämpfend für vollständige Befreiung der Menschheit und gänzliche Freiheit der Persönlichkeit, erklärt sich als Feind aller bewaffneten Gewalt in Händen des Staates: Heer, Gendarmerie, Polizei, Bürgerwehr, Justiz usw.

Er ermuntert die Kameraden, und überhaupt alle nach Freiheit Strebenden, den Militarismus zu bekämpfen zur radikalen Vernichtung aller Unter* drückungsinstrumente, und zwar nach Maßgabe ihrer Veranlagung und ihrer Umstände mit allen Mitteln, wie persönlicher Aufstand, individuelle oder ge* meinschaftliche Dienstverweigerung, aktiver und passiver Ungehorsam usw.

Er spricht die Erwartung aus, daß alle betroffenen Völker jede Kriegs* erklärung mit Revolution beantworten werden und erklärt, überzeugt zu sein, daß in dieser Hinsicht die revolutionären Antimilitaristen das Beispiel zu geben haben."

Abschied Wellocks.

Nachdem Boeke, De Jong, Lansink, Wastiaux und Wellock noch diskutiert haben, auf welche Weise Organisationen dem Bureau beitreten können, und man zu dem Schlüsse gekommen ist, daß die angenommene Prinzipienerklärung und Organisationsmethode Anarchisten, Syndikalisten, Kommunisten der Dritten Internationale und Absolutisten in die Lage setzt, in loyaler Weise zusammen* zuwirken, erklärt Wellock, daß es ihn gerührt hat, wie hier gekämpft wird, um aus Idealen Wirklichkeit zu machen. Er wird in England tun, was er kann, um das I.A.M.B. bekannt zu machen und die Organisationen, die sich ihrer Art nach dafür eignen, zu kräftiger Mitwirkung zu veranlassen.

Der 1. August als Tag der Antimilitaristen.

De Jong schlägt vor, jedes Jahr am 1. August, dem Datum des Anfangs des Westkrieges, überall große internationale Volksversammlungen mit Rednern aus andern Ländern zu veranstalten.

Man beschließt, daß der 1. August gleichsam der antimilitaristische 1. Mai werden soll.

Standpunkt hinsichtlich reaktionärer Freiwilligenheere und dergl.

Anläßlich des Antrages des Landesverbandes Dänemark des I.A.M.V. be* treffend Freiwilligenheere und entsprechend den Ausführungen von Frau Roland Holst, macht De Jong den Kongreß darauf aufmerksam, daß ein besonderer Kampf zu führen ist gegen Gendarmerie, Polizeitruppen, Bürgerwehr usw., deren sich die reaktionären Regierungen immer mehr bedienen, je nachdem das söge* nannte nationale Volksheer für sie unzuverlässig wird. Er bittet alle Geistes* freunde aus allen Ländern, dem Bureau möglichst viele Berichte darüber einzu* senden, damit es diese international verarbeiten kann.

Absolutisten.

Boeke teilt mit, daß eine Gruppe Absolutisten beschlossen hat, wenn der I.A.M.V. sich nicht auf absolutistischen Standpunkt stellt, sich auf Grund folgender Formel selbständig zu organisieren:

„Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit: wir sind daher fest ent* schlössen, keinerlei Krieg zu unterstützen und für die Beseitigung aller Kriegs* Ursachen zu kämpfen."

De Jong antwortet, daß der I.A.M.V. als solcher gegen den Militarismus kämpft, ohne sich darum gegen alle Gewaltanwendung oder gegen revolutio* nären Selbstbefreiungskrieg zu wenden. Wohl kämpfen auch Absolutisten inner* halb des I.A.M.V. mit. Für ihr eigenes besonderes Ziel haben sie ohne Zweifel Recht auf eine eigene besondere Organisation. Er erwartet, daß also die Ab* solutisten bald ihren Verein für sich haben werden. Er erkennt es an, daß sie gezeigt haben, keine unnötige Zersplitterung zu wollen. Er hofft, daß ihre Organisation mit dem IA.M.B. und dem I.A.M.V. in jeder Hinsicht kräftig und kameradschaftlich zusammenwirken wird.

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Dank an die Kameraden.

De Ligt erweist der Niederländischen Arbeiterbewegung Dank, daß sie uns instand gesetzt hat, während der letzten 2XA Jahre international überall bekannt zu machen, was die revolutionären Antimilitaristen wollen. Was 1904, 1907, 1914 und 1917 nur wenig näher rückte, beginnt nun Wirklichkeit zu werden. Er dankt den Kameraden aus anderen Ländern für ihre Anwesenheit, hauptsächlich den Kameraden ohne Paß, die keine Mühe gescheut haben und von denen sogar einer sich im Kohlenraum eines Schiffes verborgen hatte (Beifall). Er dankt den Dol« metschern für ihre anstrengende Arbeit und den Haager Kameraden, die sehr viel Zeit und Mühe aufgewendet haben, damit alles gut von statten ging, und hofft, daß die Arbeit von allen wirksam und beständig fortschreiten wird.

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ORGANISATORISCHER TEIL

n

INTERNATIONALER ANTI- MILITARISTISCHER VEREIN

Internationaler Anti-Militaristischer Verein (I.A.M.V.).

Am Donnerstag, den 31. März, abends, und den ganzen darauffolgenden Frei* tag, den 1. April, waren versammelt: Adamas und Gerard (Landesverband Bei« gien des I.A.M.V.), Wastiaux (Landesverband Frankreich des I.A.M.V.), Van Langen (Landesverband Dänemark des I.A.M.V.), Stöcker (Bund der Kriegsdienst* gegner, Deutschland) und der vorläufige Vorstand des Internationalen Anti* Militaristischen Bureaus.

Anläßlich der vom vorläufigen I.A.M.B. im Auftrage der geheimen Vor« konferenz im August 1920 vorgeschlagenen Prinzipienerklärung hatte der Landes* verband Belgien Folgende abgeänderte Fassung eingereicht:

Belgischer Antrag betreffs Prinzipienerklärung l.A.M.V.

„Indem wir unter Militarismus das Erstreben und Anwenden der von jeder Staatsmacht unter Gebrauch von Zwang organisierten Waffengewalt verstehen, erkennen wir als Antimilitaristen alle an, die sich grundsätzlich hiergegen wenden und ihm sowohl individuell wie in Massen möglichst Abbruch zu tun wünschen.

Indem der l.A.M.V. konstatiert, daß der Militarismus als eine notwendige Begleiterscheinung aller Staatsmacht (hauptsächlich als Imperialismus) in Erschei* nung tritt, und daß das jetzige Gesellschaftssystem kraft seines Raubgrundsatzes zu organisiertem Massenmord führt und führen muß, erklärt er, daß der Anti* militarismus antikapitalistisch ist und daß sein Kampf auf Vernichtung jeder Staatsmacht gerichtet ist.

Jeder, der einen grundsätzlichen staatsgegnerischen Kampf gegen den Mili* tarismus (Dienstzwang) führen will, ist in unseren Reihen willkommen."

Frau Stöcker erklärte, daß die Möglichkeit bestand, daß die deutschen Kriegs* dienstgegner sich dem Büro auf Grund folgender Prinzipienerklärung anschließen würden:

Deutscher Antrag betreffs Prinzipienerklärung l.A.M.V.

„Unter Militarismus verstehen wir die Gesinnung, die organisierte Menschen* tötung als erlaubtes Mittel für politische oder gesellschaftliche Ziele betrachtet. Als Antimilitaristen erkennen wir darum alle an, für die die Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens als höchstes Gesetz menschlicher Ge* meinschaft gilt. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich für sie die Pflicht, alles zu tun, um sich sowohl persönlich wie in Massen der Barbarei organisierter Massentötunß zu widersetzen, sowie sich zu weigern, an der Vorbereitung von Kriegstaten teil* zunehmen. Der einzelne hat auch gegenüber Beschlüssen des Volksganzen nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, die Teilnahme an Handlungen zu verweigern, die das Gewissen für unsittlich erkennt, und für die Erkenntnis der Unsittlichkeit davon in der Gesellschaft zu wirken.

In immer weiteren Kreisen von Männern und Frauen aller Länder dies Pflicht* gefühl und dies Bewußtsein der Verantwortlichkeit des einzelnen zu erwecken, erscheint uns als Hauptaufgabe der internationalen Antimilitaristen. Denn dies ist nicht nur eine wirksame Unterstützung aller Bemühungen, den Völkerfrieden durch Verbesserung der Völkerorganisationen zu sichern, Sondern auch die Bedin* gung für ihren bleibenden Erfolg.

Der I.A.M.V. stellt fest, daß der Militarismus eine notwendige Begleiterschei* nung des internationalen Kapitalismus ist, ein System zur Ausbeutung der wirr*

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schaftlich Schwächeren, das zu Gewalttätigkeit als letztem Zwangsmittel reizt» während der Kapitalismus durch seine angreifende Haltung gegenüber dem nach Verwirklichung schreitenden Kommunismus diesen letzteren zu bewaffneter Ver* teidigung und Annahme des militärischen Systems führt. Darum hält der I.A.M.V. es auch für eine unvermeidliche Konsequenz dieser Erkenntnis, daß der Anti* militarismus auch Antikapitalismus in sich schließt.

Da die ungerechte Verteilung des Eigentums in ihrem Ursprung auf die gewalttätige Besitzergreifung einzelner von der allen gemeinsamen Erde zurück* geführt werden muß, und da diese gewalttätige Besitzergreifung nur durch ge* waltsame Verteidigung aufrechterhalten werden kann (d. h. da die bewaffnete Gewalt sowohl Ursache wie Folge des Kapitalismus ist), muß diese unrechtmäßige Verteilung im selben Augenblick verschwinden, wo mit der Abschaffung der Gewalt auch die Voraussetzung dazu wegfällt Die Abschaffung des Militarismus würde darum auch die Abschaffung des Kapitalismus mit sich ziehen.

Wenn nun auch Militarismus und Kapitalismus in mancher Hinsicht parallele Erscheinungen sind, so sind sie doch nicht vollkommen gleich. Die Geschichte beweist, daß der Militarismus ein Geisteszustand von Völkern ist, der unter ver* schiedenen wirtschaftlichen Formen möglich ist. Auch in weiten Kreisen von Gegnern des Kapitalismus fehlt noch die Erkennung der Heiligkeit des mensch» liehen Lebens als Grundsatz jeder höheren Kultur. Ihr Gesichtspunkt ist wesent* lieh auf wirtschaftliche Reformen (Sozialdemokraten) oder revolutionäre Umwäl* zungen (Bolschewiki) gerichtet. Sie sehen in der organisierten Menschentötung ein Mittel, das unter gewissen Umständen durch das Ziel geheiligt ist und sind daher mindestens gemäßigte Militaristen.

Der I.A. MV. stellt daher fest, daß es neben dem Kapitalismus vor allen Dingen eine falsche Staatsideologie und Gesellschaftswissenschaft gibt, woraus Militarismus emporwuchert Diese Ideologie vergißt, daß der Staat, die Gesell* schaft um des Menschen willen und nicht die Menschen um des Staates willen bestehen. Sie macht den einzelnen zum Sklaven des Staates und schreckt nicht davor zurück, ihm das ursprünglichste seiner Menschenrechte: das Recht auf das Bestehen selbst, abzusprechen. Um den Militarismus zu überwinden, ist also die Erkennung des Eigenwertes der menschüchen Persönlichkeit, der menschlichen Seele, unumgängliche Bedingung. Der Staat, die Gesellschaft, muß bewußt und ausdrücklich dem Dienst des menschlichen Lebens untergeordnet werden. Erst dann wird es gelingen, den Militarismus, das Prinzip der Staatsallmacht, die Ver* sklavung seiner Untertanen unter seine Zwecke, zu überwinden. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich die völlige Abweisung des halben, inkonsequenten bürgere liehen Pazifismus, sowie des Sozialpatriotismus, die sich beide bemühen, die Recht* fertigung des Kriegführens unter dem Deckmantel des Erlaubtseins des Verteidi* gungskrieges aufrechtzuerhalten. In Wirklichkeit tragen sie dadurch, wenn auch unabsichtlich, zum Instandhalten des latenten Kriegszustandes auf der Welt mehr bei als das öffentliche Bekennen, daß man einen Eroberungskrieg bezweckt, zu tun vermochte. Ebenso ergibt sich daraus die Abweisung der bolschewistischen Methoden, die das Ideal der klassenlosen Gesellschaft durch militaristische Mittel näherzubringen meinten. Jeder, der, ob er Anarchist, christlicher Sozialist, Kom* munist, Pazifist, Anrimilitarist oder sonst wie heißt, einen grundsätzlichen Kampf gegen den Militarismus und gegen alle Methoden der Ueberwältigung durch Staat und Gesellschaft oder Wirtschaftsordnung, allgemeinen Dienstzwang und rotes Heer führt, ist in unseren Reihen herzlich willkommen.

Aufgabe: 1. Die Mitglieder des I.A.M.V. stellen sich zur Aufgabe: ihren Mit* menschen den dummen, unsittlichen und barbarischen Charakter des Militarismus» den Zusammenhang von Kapitalismus, einer falschen Staatsideologie und Gesell* Schaftswissenschaft mit dem Militarismus klarzumachen und sie zum Kampf da* gegen anzuregen; 2. alle diejenigen, die für eine menschenwürdige Gesellschaft kämpfen, worin die Heiligkeit des menschlichen Lebens selbstverständliche Be* dingung geworden ist und worin auch Herstellung und Verteilung vernünftig geordnet sein werden, darauf aufmerksam zu machen, daß sie, wenn sie sich direkt oder indirekt dem Militarismus zur Verfügung stellen, mit ihrem Körper, ihrer Seele und ihrem Geist selbst das Material liefern für die systematische Ent* menschlichung, die die notwendige Voraussetzung des jetzigen Gesellschafts* Systems ist.

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Der I.A.M.V. betont die Notwendigkeit antimilitaristischer Aktionen der wirtschaftlichen Kampforganisationen der Arbeiter, neben bewußter Uebernahme persönlicher Verantwortlichkeit durch den einzelnen für die Entwicklung der Gesellschaft. Nur durch die Zusammenwirkung allgemeiner Militärdienstverwei* gerung eines jeden und der allgemeinen Arbeitsverweigerung als Ausdruck des Gemeinschaftswillens kann die Macht des Militarismus und seiner Begleiterschei* nungen gebrochen werden.

Die konsequenten Antimilitaristen wollen gründlich mit dem Grundsatz brechen, daß Gewalt nur mit Gewalt überwunden werden kann. Sie wollen der rohen barbarischen Form der blutigen Gewalt die höhere Form des sittlichen Mutes und der geistigen Waffen, im Notfalle auch passiven Widerstand entgegen* setzen. Sie wollen die Ziele des organisatorischen Pazifismus: durch Völker« bund, Schiedsgerichte und internationale Organisationen den dauerhaften Frieden näher zu bringen, mit ihrer Arbeit ergänzen. Denn sie sind überzeugt, daß alle Bemühungen, eine fruchtbare Organisation der Völker der Erde zu bilden, miß« lingen werden, solange nicht der einzelne die moralische Notwendigkeit erkennt, jede Teilnahme an organisierter Menschentötung zu verweigern, unter welchen mittelheiligenden Vorwänden (Vaterlandsverteidigung, Klassenkampf, Notwehr) man auch suchen möge, sie annehmbar zu machen."

Prinzip und Aufgabe des I.A.M.V.

Nach ausführlichen Besprechungen kam man überein, folgenden, einiger* maßen abgeänderten Wortlaut des Entwurfs der Vorkonferenz als vorläufige Grundlage für den I.A.M.V. anzunehmen:

Prinzip:

Indem wir unter Militarismus das Erstreben und Anwenden von Gewalt und Menschenmord, die von Staaten oder nach Staatsmacht strebenden Gruppen organisiert sind, verstehen, erkennen wir als Antimilitaristen alle an, die sich diesem System grundsätzlich entgegenstellen und ihm sowohl individuell wie in Massen möglichst Abbruch zu tun wünschen.

Indem der I.A.M.V. konstatiert, daß der Militarismus eine notwendige Begleit: erscheinung des Kapitalismus und hauptsächlich der imperialistischen Phase des letzteren ist und daß das jetzige Gesellschaftssystem kraft seines Raubgrundsatzes zu organisiertem Massenmord führt und führen muß (während der Kapitalismus durch seine agressive Haltung gegenüber dem sich verwirklichenden Kommunist mus diesen zu bewaffneter Verteidigung und Annahme des militaristischen Systems reizt), hält der I.A.M.V. es für erforderlich, daß der Antimilitarismus Antikapitalismus in sich schließt.

Der I.A.M.V. stellt fest, daß besonders der Glaube an den Staat bekämpft werden muß, der durch den Militarismus den Menschen zum Sklaven macht und sogar das Recht auf das Leben angreift.

Hieraus ergibt sich die absolute Abweisung sowohl von Bourgeoi&Pazifismus wie von SoziaUPatriotismus.

Jeder, der (sei es als Anarchist, als christlicher Sozialist, als Kommunist oder als was auch) einen prinzipiell antikapitalistischen Kampf gegen den Militarismus führen will, ist in unseren Reihen willkommen.

Aufgabe:

Die Mitglieder des I.A.M.V. machen es sich zur Aufgabe:

ihren Mitmenschen den unvernünftigen und unsittlichen Charakter des MilU

tarismus klarzumachen, den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Militarist

mus aufzudecken und zum Kampf dagegen anzuregen.

46

alle diejenigen, die für eine menschenwürdige Gesellschaft kämpfen, worin Produktion und Verteilung vernünftig geordnet sind, darauf aufmerksam zu machen, daß sie, indem sie sich direkt oder indirekt dem Kapitalismus zum Dienst stellen, mit ihrem Körper, ihrer Seele und ihrem Geiste das Material liefern für die systematische Entmenschlichung, die die notwendige Voraussetzung des jetzU gen Wirtschaftssystems bildet.

Besonders betonen sie die Notwendigkeit einer antimilitaristischen Aktion der Gewerkschaften, damit durch Zusammenwirkung von Generalstreik und MassemDienstverweigerung die Macht der herrschenden Klassen möglichst bald gebrochen werde.

Losung:

Als Ausdruck der allgemein anerkannten Auffassung, daß Militärdie»sts Verweigerung mit Verweigerung sämtlicher Kriegsproduktion verknüpft werden muß, beschloß man, die Losung des I.A.M.V.: „Keinen Mann, keinen Pfennig *ür den Militarismus", abzuändern, so daß sie nunmehr lautet:

TEMEN PFENNIG, KEINE ARBEIT, KEINEN MANN FÜR DEN MILITARISMUS!

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Wir empfehlen den Lesern dieser Broschüre:

Bakunin, Michael: Gesammelte Werke, Band I. Barwich, Franz: Die Irrlehre und Wissenschaf tslosigkeit

[des Marxismus.

Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Bergfeld, Dr. Ludwig: Werde sehend, liebe Schwester. Kater, Fritz: Die Entwicklung der deutschen Gewerkschafts*

[bewegung. Dr. Krasser: Marseillaise des Christentums und Ceterum

[censeo. Kropotkin, Peter: Landwirtschaft, Industrie und Handwerk.

Die Eroberung des Brotes.

Syndikalismus und Anarchismus.

Die Entwicklung der anarchistischen Ideen.

Gesetz und Autorität. Mackay, J. H.: Sturm.

Malatesta, Errico: Unter Landarbeitern, ein Zwiegespräch. Nettlau, Dr. Max: Verantwortlichkeit und Solidarität im

[Klassenkampf. Nieuwenhuis, F. Domela: Francisco Ferrer. Oerter, Fritz: Die freie Liebe.

Was wollen die Syndikalisten? Peter, Karl: Zersetzung des Weltkapitalismus.

Reitzel, Robert: Des „Armen Teufels" ges. Werke, in Heften. Roche, Karl: Einheitslohn und Arbeitersolidarität. Rocker, Rudolf: Der Bankerott des russ. Staatskommunismus.

Keine Kriegswaffen mehr.

Rüssel, Bertrand: Kunst, Wissenschaft und der Sozialismus. Souchy, Augustin: Wie lebt der Arbeiter und Bauer in

[Rußland. Tobler, Dr. Max: Der revolutionäre Syndikalismus. Tolstoi, Leo: Rede gegen den Krieg.

Aufruf an die Menschheit.

Wegner, Armin, T.: Der Ankläger. Aufrufe zur Revolution. Wehle, Gerhard F.: Christentum, Krieg und die Zukunft. WitkopsRocker, Milly : Was will der Syndikalist. Frauenbund?

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48

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1931 1921 158

International Anti-Militarist

Congress, Hague, 1921

Bericht über den Internationalen

Anti-Militaristischen Kongress im Haag, 1921

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