Teer enter Seitnbsemsstisnest j 12 a FR Bw FL AN r j 2 & Br, A or et PR, N) ie (ve rn el \ Pa r.& x hp N} REST EROS.R.,, i a ’ “ + Monatsberichte /; A iv Var AR, der Königlichen Preuis. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1856. Mit 11 Tafeln. men Be Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 1856. In Commission in Ferd, Dümmler’s Verlags-Buchhandlung. sig 8 N) zb Si Eneen! 2 Ay - [ron .; 2 s r —— "ads ar usb 504 Fi SPRRERNE Et Meere A BIITen ai tee: e He Ko} be all, E „aBet ı# Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Januar 1856. Vorsitzender Sekretar: Hr. Böckh. 7. Jan. Sitzung der physikalisch-mathema- tischen Klasse. Hr. Steiner las über eine besondere Curve drit- ter Klasse (und vierten Grades), welche merkwür- dige Eigenschaften hat und sich bei verschiedenen geometrischen Betrachtungen einstellt. Die Curve tritt schon beim geradlinigen Dreieck ein. Fället man aus jedem Punkte in der dem Dreieck umschriebenen Kreislinie auf die Seiten Perpen- dikel, so liegen die je drei Fufspunkte allemal inirgend einer Geraden G, und die Enveloppe aller dieser Geraden ist eine Curve dritter Klasse, G?, und vierten Grades, welche die im Unendlichen liegende Gerade, G., zur ideellen Doppeltangente hat; ferner hat sie drei Rückkehrpunkte und die drei Rückkehrtangenten schneiden sich in einem und demselben Punkt. Die Curve berührt namentlich auch die Seiten des Dreiecks, so wie dessen drei Höhen, d.h. die aus den Ecken auf die Gegenseiten gefällten Lothe. Sei a5 c das gegebene Dreieck; ö der Mittelpunkt des ihm umschriebenen Kreises ö?; ferner aa, 5b, cc seine drei Höhen und @ der gemeinsame Schnittpunkt derselben; seien [1856.] : 1 f” 2° Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse ferner «, £, y die Mitten der Seiten und m der Mittelpunkt des durch diese Mitten und zugleich auch durch die Fufs- punkte a, b, c der Höhen gehenden Kreises »n?; endlich sei r der Radius dieses Kreises, derselbe ist halb so grofs als der Radius des Kreises 8°. Dader Punkt 2 in der Mitte zwi- schen ö und d liegt, so ist d der äulsere Ähnlichkeitspunkt bei- der Kreise. Wird von den über den Seiten des Drei- ecks liegenden Bogen des Kreises m?, aa, £b, yo von den Mitten der Seiten aus, mittels der Punkte u, v, w, je ein Drittel abgeschnitten, so dals Bogen au=ten, fv=+Lb, ye=+yt, so theilen diese Punkte die ganze Kreislinie in drei gleiche Theile, so dals sie die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks uvw sind. Ist » ein beliebiger Punkt in der Kreislinie ö° und G die ihm zugehörige Fufspunkten-Linie, so hat der aus dem Höhenschnitt d nach p gezogene Strahl dp seine Mitte, etwa a, allemal in G und zugleich auch im Kreise m?; dieser Kreis werde von G zum zweiten Mal in s geschnitten; der Punkt # wird Mittelpunkt und s Scheitel der Fufspunkten-Linie G genannt. Im Kreise ö? sei p, der Gegenpunkt von p, so steht dessen Fulspunkten-Linie G, jedesmal auf G senkrecht, und zwar haben beide den Scheitel s gemein und ihre Mittelpunkte » und », sind gleicher- *, und die Durchmesser pp, weise Gegenpunkte im Kreise m und au, sind parallel. Demnach sind die Fulspunkten- Linien, oder die Tangenten der Curve G’, paar- weise zu einander rechtwinklig, auf jeder steht eine — aber nur eine einzige— bestimmte andere rechtwinklig, und der Ortder Scheitel saller dieser rechten Winkel ist die Kreislinie m?. Diese Eigen- schaft hat also die Curve mit den Kegelschnitten gemein. Solche rechtwinklige Tangenten-Paare sind namentlich auch die Seiten und zugehörigen Höhen des gegebenen Dreiecks. Jede zwei zu einander rechtwinklige Fulspunkten-Linien heilsen schlechtkin ein Paar. Jede Fulspunkten-Linie G, (=G) wird von jedem Paar in zwei solchen Punkten geschnitten, welche vom 7. Januar 1856. 3 gleich weit von ihrem Mittelpunkte u, abstehen; eine Folge davon ist: dals G, von der Curve G’ in demjenigen Punktez, berührt wird, welcher vonihrem Mittelpunkt eben so weit absteht, als ihr Scheitel 55, also %gta = W252. Es folgen ferner nachstehende interes- sante Eigenschaften. Die Gerade, welche durch die Berührungspunkte z:, irgend eines Paars GG, geht, ist stetsauch eine Fulspunkten-Linie G,, und dieje- nige, die mit ihr ein Paar bildet, geht jedesmal durch den Scheitel jenes Paars; zudem hat die Be- rührungs-Sehne 27, constante Länge, nämlich sie ist dem vierfachen Radius des Kreises m? gleich, zz, =4r. Oder umgekehrt: die Gurve G? schneidet jede ihrer Tangenten G, in zwei solchen Punkten z und z,, deren Abstand von einander constant, und zwar dem Durchmesser des Kreises ö°, oder dem doppelten Durchmesser des Kreises m? gleichist; und die Tan- genten in solchen zwei Schnittpunkten sind je ein PaarGG,. Die in denSchnitten 47, und in demBe- rührungspunktz, jeder Tangente G, auf die Curve G? errichteten drei Normalen treffen sich allemal in irgendeinem Punktegundder Ortdieses Punktes ist einKreis [»]’, der mit dem Kreise m? concentrisch ist, und einen dreimal so grofsen Radius hat, als dieser. Die Curve G’ berührt den Kreis m? in den oben genannten drei Punkten wv,w und hat diesel- ben zu Scheiteln. In diesen Punkten bilden die zu- gehörigen Tangenten, etwa U, P,W, unddie Kreis- durchmesser U,, /,, W, mit einander Paare; jene sinddie einzigen dreiFufspunkten-Linien, bei wel- chen der Scheitel (s), Mittelpunkt (») und Berüh- Tungspunkt (£) vereint sind, die anderen haben die Punkte v,v, » zu Scheiteln, deren Gegenpunkte 4,0,,@, (im Kreise m’) zu Mittelpunkten, und um dieLänge des Durchmessers über diese hinaus ihre Berührungspunkte u,,v,,w,;. Diese letztern Punkte sind die drei Rückkehrpunkte der Curve G? und U,,#,, WW, sind die Rückkehrtangenten, die also 1® 4 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse alle drei durch den Mittelpunkt m des Kreises ge- hen, gleich lang sind, nämlich mu, =mv, =mw, =3r, und mit einander gleiche Winkel (=120°) bilden, so dals die drei Rückkehrpunkte u,, v;,, w; im oben genannten Kreise [m]? liegen und die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks sind, das m zum Schwer- punkt hat; auch sind die drei Rückkehrtangenten zugleich Normalen der Curve in ihren Scheiteln wv,w und es ist ug =v,y =ww,=A4r. Der reelle Theil der Curve G? besteht nur aus einem regelmälsigen Cur- vendreieck u, v5; w,, das innerhalb des geradlinigen Dreiecks ? umschlielst; seine drei u, v5; w, liegt, aber den Kreis m gleichen Seiten u,wv;, vzuw,, wzvu, sind nach Innen con- vex und berühren den Kreis mit ihren Mitten (Schei- teln) wv,®; die Länge jeder Seite ist = öfr, somit der ganze Umfang =16r; der Inhalt des Curven- dreiecksist=3rr?, also gerade dreimal so grols, als die Kreisfläche m?, so dals jeder der drei gleichen, zwischen dem Kreise und der Curve liegenden Ar- belen, =Zzr? ist. Jede Tangente der Curve G? be- rührt je einen ihrer drei Zweige und schneidet die beiden andern; ein Paar GG,, d.h. die Schenkel eines ihr umschriebenen rechten Winkels berühren im- mer verschiedene Zweige. Sind GG, und ZH, irgend zwei Paare, wird G von H und H, beziehlich ina,,d, und @, von denselben in 6,, c, geschnitten, so sind die Geraden a, c,, d, d, allemal ein drittes Paar, etwa II,, d. h. sie sind auch zu einander rechtwinklige Fulspunkten- Linien oder Tangenten der Curve G°’. Ein eben solches Trip- pel von drei Paaren GG,, HH,, IT, mit einem Quadrupel von vier Schnittpunkten a, d,c, d bilden auch die Seiten und zuge- hörigen Höhen des gegebenen Dreiecks; beiderseits hat man ein vollständiges Viereck (a,d,c,d, oder abed), dessen drei Paar Gegenseiten zu einander senkrecht sind, oder vier solche Punkte, von denen jeder der Höhenschnitt des durch die drei übri- gen bestimmten Dreiecks ist. Bei allen diesen Vierecken ist die Summe der Quadrate der Gegenseiten con- stant, und zwar =416r?; also ad? +bc? = ac? + bu? vom 7 Januar 1856. 5 = ab? +cd? = t6r?. Alle Quadrupel aded, deren vier Punkte sämmtlich reel sind, liegen innerhalb des Curvendreiecks G°; und umgekehrt, durch jeden inner- halb dieses Dreiecks liegenden Punkt da ist ein reel- les Quadrupel bestimmt, denn es gehen immer drei reelle ‘ Tangenten G,, #,, 7, durch denselben, und die zu diesen senk- rechten Tangenten G, H, ZT, sind ihre Gegenseiten in einem vollständigen Viereck aded. Liegt hingegen der gege- gebene Punkt d aulserhalb des Curvendreiecks 6°, so geht nur eine reelle Tangente, etwa G, durch ihn, und alsdann ist von den andern drei Punkten nur einer, etwa a, reell, der gleichfalls inG und auf der andern Seite aufserhalb der Curve liegt; die conjugirte Tangente G, ist auch reell und enthält die zwei imaginären Punkte5 undc; die beiden an- dern Paare ZH, und 7, sind imaginär. Die den vier Dreiecken abc, abd, acd, bed umschriebenen Kreise, deren Mittelpunkte beziehlich ö, ,, £ß, & heissen sollen, sind gleich, und bei allen Quadrupeln von gleicher Gröfse, nämlich der Radius eines jeden ist dem Durchmesser des Kreises m? gleich, also = ?r. Das Viereck «ßyö ist dem Viereck aded gleich und liegt so, dafs die vier Geraden a«, b£, cy, dö alle durch den Mittelpunkt m gehen und durch ihn ge- hälftet werden; daher haben umgekehrt die denvier Dreiecken «ßy, «ßd, ayd, Cydö umschriebenen Kreise ihre Mittelpunkte in d, c, 5, a, und ihre Radien sind ebenfalls=?r; undferner sind die Gegenseiten 2) und £y,«@y und £ö, «® und yö zu einander rechtwink- lig,oderbilden drei Paare ©$,, 89,,33,, deren Schei- telim nämlichen Kreise m? liegen, und deren-Enve- loppe eine der vorigen, G?, gleiche Curve ©? ist, aberum den Mittelpunkt m um 180° herumbewegt, so dals sie den Kreis in den oben erwähnten Punk- ten u,,v,,®, berührt. Alle reellen Quadrupel aßyd liegen innerhalb des Curvendreiecks ©’. Enthält das Quadrupel aded zwei imaginare Punkte dund c, so sind die den Dreiecken ade und add umschriebenen 6 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Kreise ß? und y?, so wie ihre Mittelpunkte ß und yimaginär, wogegen die den Dreiecken ade und bed ?2 sammt ihren Mit- umschriebenen Kreise ö? und « telpunkten ö und a reell bleiben, diese letztern je- doch jetzt aulserhalb des Curvendreiecks Ö? liegen. Durch jedes Quadrupel abcd geht ein Büschel gleichseitige Hyperbeln, B(4°?); die verschiedenen Paare Asymptoten derselben bestehen aus den gesammten vorgenannten Paaren GG, und sind somit Tangenten der nämlichen Curve G?’. Oder in Bezug auf das Dreieck abc kann man sa- gen: jede Fulspunkten-Linie G sei Asymptote einer ibm umschriebenen gleichseitigen Hyperbel ZA°, welche nothwendig auch durch den Höhenschnitt d geht und den Scheitel s von G zum Mittelpunkt hat. In Betracht aller Quadrupel adcd hat man auf diese Weise eine Schaar-Schaar gleichseitige Hyperbeln, $S(4*). Denkt man sich in Bezug auf jedes Paar GG, alle Hyperbeln, welche das- selbe zu Asymptoten haben, so hat man die nämliche SS(H?). Jezwei dieser Hyperbeln schneiden sich in irgend ei- nem Quadrupel, also nur innerhalb des Gurvendrei- ecks G’, wofern ihre Schnittpunkte alle vier reell sind; berühren sich dieselben, indem etwa a und d sich vereinen, soberübrensiezugleichauch die Ge- radead=G in deren Mittelpunktyu, und alsdann lie- gen die beiden andern Schnitte 5 unde in der Curve G? selbst und sind die Berührungspunkte eines Paars HH,, dessen Scheitel in jenem Punkte u liegt. Jezwei Quadrupelliegenin einer und dersel- ben Hyperbel 4°, oder insbesondere in einem und demselben Paar GG,. Die Rechtecke unter den je zwei Per- pendikeln, welche aus den einzelnen Punkten irgend eines Qua- drupels auf ein beliebiges Paar GG, gefället werden, haben jedesmal unter sich gleichen Inhalt. Sind in einer Ebene zwei rechte Winkel GG, und HH, gegeben, und sollen zwei Hyperbeln die Schenkel derselben be- ziehlich zu Asymptoten haben und einander berüh- ren, so ist der Ort ihres Berührungspunktes a ein bestimmter Kreis m?, welcher durchdie Scheitel der vom T. Januar 1856. 7 Winkel und durch die Mitten der Strecken geht, welche auf den Schenkeln jedes Winkels durch die Schenkel des andern begrenzt werden. Das System Paare GG, kann insbesondere auch wie folgt 2 bestimmt werden. Wird in der Kreislinie »n irgend ein Punkt . p und nebstdem eine beliebige Gerade Q angenommen, und wer- den sodann aus jedem Punkte s des Kreises zwei unbegrenzte Gerade P und @ beziehlich durch p und parallel Q gezogen und die von denselben gebildeten Nebenwinkel mittels zweier Geraden G und G, gehälftet, so sind alle diese Geraden- Paare GG, ein dem obigen gleiches System, so dals sie eine gleiche Curve G’ umbüllen. In dem Kreise m? ziehe man eine fortlaufende Reihe Seh- nen unter folgender Bedingung. Aus dem Anfangspunkt s ziehe man die erste Sehne ss, willkürlich; sodann aus s, die zweite Sehne s,s,; senkrecht auf den durch s gehenden Durchmesser; ferner aus s; die dritte Sehne s,s; senkrecht zu dem durch s, gehenden Durchmesser, und so durch jeden neuen Punkt dieje- nige Sehne, welche zu dem durch den vorhergehenden Punkt gezogenen Durchmesser senkrecht ist, so entsteht — wenn nicht zufällig der über der ersten Sehne liegende Bogen mit dem Kreisumfange commensurabel ist — eine unbegrenzte Reihe von Sehnen, welche sämmtlich eine der obigen gleiche Curve G? berühren. Wird auf jede Sehne in ihrem zweiten End- punkte eine Senkrechte errichtet, so berühren auch diese Senk- rechten alle die nämliche Curve und bilden mit den respectiven Seliınen die obigen Paare GG,. Ist dagegen der Bogen über der ersten Sehne mit dem Kreisumfange commensurabel, ver- hält er sich zu diesem, wie n:m, wo n und m ganze und re- lative Primzahlen sind, so schlielst sich die Reihe Sehnen jedesmal, so dals ein geschlossenes Polygon ent- steht; jedoch kehrt die Reihe nicht immer in den Anfangs- punkt s zurück, sondern sie kann auch in s4, s3,.... zurückkeh- ren, je nachdem die Zahl m beschaffen ist. Ferner sind in die- sem Falle die Endpunkte s, s,, s23,.... der Sehnen immer Ecken eines regelmälsigen mEcks, und die Sehnen selbst sind Seiten verschiedener Ordnung desselben (oder Seiten und Diagonalen.. Das Sehnen-Polygon nimmt nur dann 8 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse alle Ecken des mEcks in Anspruch und ist selbst ein mE.ck, wenn m eine Potenz der Zahl 3 ist; seine Sei- ten sindalsdann zu drei unddrei einander gleich, und zwar sind sie Seiten des regelmälsigen vollstän- digen mEcks von allen denjenigen Ordnungen, wel- che nicht durch 3 theilbar sind. Nämlich bei einem regelmälsigen vollständigen (24 + 1)Eck hat man (nach Gröfse) Seiten von 1ster, ?ter, 3ter, ... bis („—t)ter Ordnung zu un- terscheiden. — Hierbei berühren alle Sehnen gleicher- weise eine Curve G°’, so dals das Sehnen-Polygon dieser Curve um- und zugleich dem Kreise einge- schrieben ist. Es folgen daraus noch mehrere specielle Sätze, die hier übergangen werden. In Bezug auf das Obige ist die Curve G?, unter andern, auch noch wie folgt bestimmt. Denkt man sich rücksichtlich irgend eines der oben beschriebenen Quadrupel adcd die Schaar Kegelschnilte, welche durch einen der vier Punkte, etwa durch d, gehen und dem durch die drei übrigen bestimmten Dreieck abe eingeschrieben sind, ferner in jedem Kegelschnitt den durch den Punkt @ gehenden Durchmesser dd, und in dessen anderem Endpunkte 4, die Tangente G des Kegelschnitts, so ist die Enveloppe aller dieser Tangenten die dort be- trachtete Curve G°, und zwar für alle unzähligen Quadrupel stets die nämliche Curve. Auf diese Eigen- schaft wurde der Verfasser durch seinen Freund, den Professor Schläfli in Bern, aufmerksam gemacht. — Die Curve G? wird ferner auch durch rollende Bewegung erzeugt. Analogerweise gelangt man zu etwas allgemeineren Sätzen, wobei der obige Kreis m? durch einen beliebigen Kegelschnitt vertreten wird, und wobei die Gegenseiten der vollständigen Vierecke aded nicht mehr zu einander rechtwinklig sind. Fol- gendes Beispiel möge bier genügen. Sind ms und ma zwei beliebige Halbmesser einer gegebenen Ellipse m? und bewegen sich dieselben gleichzeitig um den Mittelpunkt m nach entgegen- gesetzten Richtungen so, dalsder vom Halbmesser msbeschriebene Sektor in jedem Momentdoppelt so grofs ist, als der vom andern, mp, beschriebene . vom 7. Januar 1856. 9 Sektor, so ist die Enveloppe der durch die End- punkte der Halbmesser gehenden Geraden, su=G, eineCurvedritter Klasse@’und vierten Grades, wel- che die Gerade G,„ zur ideellen Doppeltangente hat, und deren reeller Theil nur aus einem krummlini- ‘gen Dreieck u, v,w, besteht, welches die Ellipse umschliefst und sie mit seinen drei Seiten (Bogen) in drei solchenPunkten sv, » berührt, welche die Ecken eines derEllipse eingeschriebenen grölsten Dreieckssind; dieEcken jenes Dreiecks u, v; w, sind Rückkehrpunkte der CurveG°’,dieRückkehrtangen- tengehenalle dreidurchdenMittelpunktderEllipse und respective durch die genannten Berührungs- punkteu,v, w; biszu diesenPunktengenommen sind sie gerade doppelt so grols, als die aufihnenlie- genden Durchmesser der Ellipse. Der Inhalt des Curvendreiecks ist dreimalsogrofs, als die Fläche der Ellipse, und jeder der drei Arbelen zwischen beiden Curven ist zwei Drittheilen der Ellipsen- Fläche gleich. Herr Heinr. Rose berichtete über eine Arbeit des Herrn Dr. R. Weber, das Verhalten des Schwefelquecksil- bers zu den Verbindungen der alkalischen Metalle betreffend. Wenn man aus der Lösung eines Quecksilbersalzes ver- mittelst Schwefelammonium Schwefelquecksilber fällt, hierbei einen Überschuls des Fällungsmittels anwendet, und darauf eine Lösung von Kali- oder Natronhydrat zusetzt, so löst sich der Niederschlag auf und man erhält eine farblose Lösung. Wird diese Lösung eingedampft, so findet eine starke Entwickelung von Ammoniak statt, es bildet sich bei einem gewissen Concentrationsgrade eine Krystallhaut und nach dem Erkalten der Flüssigkeit haben sich Krystalle ausgeschieden, die aus Chlorkalium oder Chlornatrium bestehen, wenn man zur Fäl- lung des Schwefelquecksilbers eine Quecksilberchloridlösung an- gewandt hat. Werden diese Krystalle von der Mutterlauge getrennt und wird letztere dann noch weiter durch Eindampfen 10 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse concentrirt, so zeigt sich aufs Neue eine Krystallhaut und nach dem Erkalten hat sich ein dichtes Haufwerk von lan- gen haarförmigen seidenglänzenden Nadeln gebildet. Wird die Mutterlauge durch Abtröpfeln auf einen mit einem Glasstab ver- schlossenen Trichter getrennt, und werden die Krystallnadeln darauf, um sie zu trocknen, zwischen Fliefspapier geprelst, so wird dieses von der Mutterlauge intensiv schwarz gefärbt. Durch wiederholtes Pressen zwischen neuem Papier erhält man endlich das Salz im trocknen Zustande und von rein weilser Farbe. Das auf diese Weise erhaltene Salz reagirt stark alka- lisch; mit Wasser in Berührung gebracht zersetzt es sich so- gleich, es scheidet sich schwarzes Schwefelquecksilber ab, und die davon getrennte Flüssigkeit enthält aufser Schwefelkalium noch freies Alkali. Das trockne Salz in einem Reagircylinder erhitzt giebt zuerst eine grolse Menge Wasser ab, beim stärkeren Erhitzen schmilzt es zu einer rothen Flüssigkeit und an den kälteren Theilen des Glases setzen sich Quecksilberkugeln an; es subli- mirt aber dabei kein Zinnober. Das zwischen Papier getrocknete Salz enthält noch eine geringe Menge von C:hlorkalium und Chlorammonium; um diese zu entfernen muls man das Salz noch einmal in Kalıby- drat lösen, und die Lösung zur Krystallisation eindampfen. Nachdem man die Mutterlauge hat abtröpfeln lassen und das Salz wiederum durch Pressen zwischen Flielspapier getrocknet hat, bis dasselbe nicht mehr benetzt wird, muls das Salz sorg- fältig vor dem Einfluls der Feuchtigkeit der atmosphärischen Luft geschützt werden, denn es zieht mit aufserordentlicher Begierde Wasser aus der Luft an, zerflielst und zersetzt sich dabei unter Abscheidung von schwarzem Schwefelquecksilber. Das durch Unikrystallisation erhaltene Kalisalz besteht aus: At. HgS = 46,28 Proc. 1 KSun=iı24,18 he 1 KO,—! ,ößemd + HO0 = 2,01 - 6 100 00 vom 7. Januar 1856. 11 Das vermittelst Natronhydrat dargestellte und gereinigte Salz besteht aus At. HgS = 47,70 Proc. 1 Na S = 16,8 - 1 NO = 7,37 - - HO = 238855 - 8 100 00 Das Schwefelquecksilber bildet also mit dem einfach Schwefel- kalium und dem einfach Schwefelnatrium ein Schwefelsalz, das aber sowohl in der Lösung als auch in fester Gestalt nur bei Gegenwart von freiem Alkali bestehen kann. Versucht man dem Salze das freie Alkali zu entziehen, so zersetzt es sich augenblicklich in schwarzes Schwefelquecksilber, das sich abscheidet und in Schwefelkalium das in der Lösung bleibt. Die Menge des freien Alkalis steht in keinem bestimmten Verhältnisse zum Schwefelsalze. Das Salz kann nur durch Pressen zwischen Papier im trocknen Zustande erhalten wer- den, und hierbei ist die Menge des freien Alkalis die dem Salze entzogen wird veränderlich, es ist aber nicht möglich auf diese Weise alles freie Alkali fortzunehmen. Setzt man das Pressen zwischen Papier sehr lange Zeit fort, so tritt end- lich hierbei schon eine Zerseizung des Salzes ein, indem schwarzes Schwefelquecksilber sich abscheidet. Das weilse, in Nadeln krystallisirte Schwefelsalz, löst sich in einer sehr geringen Menge Kalihydrat auf, die Lösung kann dann mit Wasser verdünnt werden ohne eine Verände- rung zu erleiden. Vermehrt man aber die Menge des hinzu- gesetzten Wassers, so wirkt dieses zu verdünnend auf das vor- handene freie Alkali, ohne welches das Schwefelsalz nicht existiren kann, und die Flüssigkeit färbt sich schwarz durch Ab- scheidung von Schwefelquecksilber. Ganz in derselben Weise ist auch die Wirkung des Alkohols. Hat man das Salz in einer geringen Menge Kalihydrat gelöst und die Lösung mit wenigem Wasser verdünnt, so zeigt sie folgende Erscheinungen: Schwefelwasserstoffwasser oder Schwefelammonium geben sogleich einen Niederschlag von Schwefelquecksilber. Setzt man etwas gepulverten Schwe- 12 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse fel zur Lösung und erwärmt gelinde, so findet eine Ausschei- dung von Schwefelquecksilber statt. Es wird hierbei das freie Alkali in Schwefelkalium verwandelt, und sowie dasselbe im Überschufs vorhanden ist, tritt die Zersetzung des Schwefel- salzes unter Abscheidung von schwarzem Schwefelquecksilber ein. Die Lösung des Schwelfelsalzes kann ferner mit den Lö- sungen aller neutralen alkalischen Salze versetzt werden, ohne eine Veränderung zu erleiden; bringt man aber diese in einem sehr grolsen Überschusse hinzu, so wirken sie als Verdünnungs- mittel auf das freie Alkali, und die Zersetzung findet dann statt. Versetzt man aber die concentrirte Lösung des Schwe- felsalzes mit einer Lösung von Borax, von zweifach koblen- saurem Alkali oder mit der Lösung des gewöhnlich phosphor- zes Schwefelquecksilber abgeschieden. Das Schwefelsalz kann auch noch auf andere Weise als die oben angegebene dargestellt werden. Fällt man aus einer Quecksilberchloridlösung durch einen Strom von Schwefelwas- serstoffgas Schwefelquecksilber, trennt dieses von der sauren Flüssigkeit, wäscht es hierauf mit Wasser, übergielst es mit einer Lösung von Kali- oder Natronhydrat und leitet dann einen Strom von Schwefelwasserstoffgas hindurch, indem man durch öfteres Umrühren das Schwefelquecksilber in Suspension erhält, so löst sich dieses in kurzer Zeit vollständig auf. So wie die Lösung erfolgt ist, darf man das Schwefelwasserstoff- gas nicht länger hindurchstreichen lassen, denn sobald das freie Alkali anfängt von dem Schwefelwasserstoffgase gesätligt zu werden, scheidet sich die ganze Menge des aufgelöst gewese- nen Schwefelquecksilbers wieder ab. Es ist dies einer der deutlichsten Beweise, dafs das Schwefelsalz ohne Gegenwart von freiem Alkali nicht existiren kann. Dampft man die Lö- sung ein, so erhält man das in weilsen Nadeln krystallisirte Salz. Es bildet sich ferner noch, wenn man Zinnober oder schwarzes Schwefelquecksilber in einem Porzellantiegel mit un- gefähr einem dem im Schwefelquecksilber enthaltenen gleichen Aequivalent Schwefel mengt und darauf mit einem Überschufs von festem Kalihydrat bis zum Schmelzen erhitzt. Nach dem Erkalten erhält man durch Behandlung der Masse mit Wasser vom 7. Januar 1856. 13 eine vollkommen klare Auflösung, die gleichfalls zur Krystalli- sation eingedampft werden kann. ‚Es sind also nur die einfachen Schwefelverbindungen des Kaliums und Natriums die bei Gegenwart von freiem Alkali in Stande sind mit dem Schwefelquecksilber ein Schwefelsalz zu bilden. Brunner!) hat bereits vor 26 Jahren die Bildung des- selben Salzes bei der Bereitung des Zinnobers auf nassem Wege wahrgenommen, wenn derselbe nach Kirchhoff’s Vor- schrift aus 300 Theilen Quecksilber, 68 Schwefel und 160 Kali dargestellt wird. Brunner giebt an, dals bei diesem Verhältnils die Menge des Alkalis zu grols sei und Veran- lassung zur Bildung dieses Schwefelsalzes gebe. Die erhaltene Ausbeute des Zinnobers falle dabei nur sehr gering aus, weil eine bedeutende Menge von Schwefelquecksilber durch das ge- bildete einfach Schwefelkalium in Lösung erhalten werde, Nach Brunner besteht das Salz nur aus KS + HgS +5H. Er hat versucht diese Verbindung auf andere Weise noch dar- zustellen, indem er Zinnober mit unterschwelligsaurem Kali und Schwefelkalium behandelte; es ist ihm aber nicht gelun- gen sie auf diesem Wege zu erhalten. Hr. Encke bielt einen Vortrag über eine Kritik der Floratafeln. h Herr Direktor Hansen in Gotha hat sich sub in dem Berichte über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen i Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig (Mathematisch- Physikal. Klasse 1855. I. p. 48 ff.) eine verwerfende Kritik mei- ner Störungsformeln, welche den Tafeln der Flora von Brünnow zum Grunde liegen, einrücken zu lassen. Er spricht dort von Rechnungsfehlern. In der Meinung solche seien möglich, sah 1 ich meine Rechnungen nach und zeigte das Resultat, dafs ich keine gefunden, der Gesellschaft an. Diese meine Antwort (ebendaselbst p. 66— 70) ward vor dem Abdrucke dem Herrn *) Pogg-. Ann. B. 15, S. 593, 14 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Direktor Hansen mitgetheilt und veranlafste ihn zu einer Re- plik (ebendas. p. 71—79), in welcher theils die Anschuldigun- gen noch vermehrt, theils (wie Herr Direktor Hansen meinte) theoretisch nachgewiesen wurde, dals ich einen theoretischen Fehler gemacht habe. Bei sofortiger Prüfung fand ich, dafs alle Behauptungen von Fehlern der Tafeln und Formeln, durchaus alle irrig seien und von einem praktischen und theoretischen Fehler des Herrn Direktor Hansen herrührten. Ich halte es für meine Pflicht der Akademie, welche den Ta- feln die Ehre erwiesen hat sie zum Drucke zu befördern, so- wohl die drei Hauptbeschuldigungen als auch kurze Beweise aus denen die Männer vom Fache ersehen können, dafs meine Widerlegnngen richtig sind, mitzutheilen. Alles was ich sonst noch im Einzelnen bemerken zu müssen glaubte, ist aulserdem noch in meiner zweiten Antwort, die ich morgen (den 8. Jan.) der Leipziger Gesellschaft einsenden werde, enthalten. I. Herr Direktor Hansen findet in den Gliedern, in wel- ehen 2 mit den Cosinus-Werthen bei der Länge und den Sinus-Werthen bei dem Radvect. aulserhalb der trigonometri- schen Funktionen multiplizirt ist, sehr starke Unterschiede zwi- schen seinen Störungsrechnungen und denen von Brünnow. Die Form der Hansenschen Störungen ist, dals er die mittlere Anomalie M durch seinen Störungswerth ndz corrigirt, und an den mit der corrigirten mittleren Anomalie berechne- ten hyperbolischen log des Radvect die Störungsgröflse » an- bringt. Aulserdem gehen seine Reihen nach der excentrischen Anomalie & fort. Die Form der Brünnowschen ist, dafs dv, und (rör) als die Störungswerthe der wahren Anomalie v, und der Verbesse- rung von Zr” aufgeführt werden. Es finden folglich die Glei- chungen statt, wenn man die Hansenschen Werthe auf die von Brünnow reduciren will: v ndz — = dv A 1.Ar? ndz ud rw=r°ar. Die hier nöthigen Elemente zur Berechnung der Reihenent- vom 7. Januar 1856. 15 wickelung nach M sind bei dem Systeme, mit welchem meine Störungen berechnet sind: e = 0,1565408 lg a = 0,3427484 mittl. jährl. Bew. x» = 39671101 = 1,9233093. Die Hansenschen Werthe sind: ndz = — 36/289 : — 7,9722 2 cos e wo = — 3,9861 : sin e + 0,3121 2cos2e Reducire ich sie durch die obigen Gleichungen auf dv und r?dr, so finde ich nach Hansen Brünnow vv = — 36/914: &v = — 36/700 : — 19,372 :cosM — 19,218 2cosM — 3,769:cos 2M — 3,738 2c0s2M — 0,761 2c0os3M — 0,7562cos3M — 0,157 2c0s4M — 0,155 2c0os4M r'ör = — 46,950 : sin M rör = — 46,577 tsinM — 3,6562 sin 2M — 3,627 2sin2M — 0,4262sin3M — 0,423 2sin3M — 0,0602sin4M — 0,0582sin4M Es findet gar kein hier in Betracht kommender Unterschied zwischen beiden statt. Herr Direktor Hansen hat, weil er seinen Werth — 36/289 2 mit # verbinden konnte, da es Secunden der mittleren Anoma- lie sind, auch geglaubt — 36,700 bei Brünnow ebenso ver- wenden zu können, dabei aber übersehen, dals dieses Secunden der wahren Anomalie sind. Der Unterschied der aus dieser Verwechselung der wahren und mittleren Anomalie bei Hrn. Dir. Hansen entstanden ist, ist daher so auszudrücken: Es sind die periodischen Glieder der Mittelpunktsgleichung für ein AM = 36,289 z. In der That ergiebt sich die völlige Über- einstimmung dieser Glieder mit den angeblichen Fehlern. Die Bebauptung des Hrn. Dir. Hansen ist voll- ständig irrig. II. Herr Dir. Hansen findet, dafs meine Formeln die Sae- eulargleichung des Perihels bei Saturn, wenn man dessen Stö- 16 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse rungen durch Jupiter untersucht, — 92/0 geben würden, wäh- rend er sie + 19/10 und Laplace sie + 19/30 gefunden hat. Ich kann unmöglich alle Planeten berechnen, die Herr Direktor Hansen mir aufführt. Aber da er aus seinen Störun- gen gelegentlich die Saeculargleichungen der Flora in mittle- rer Länge, Perihel und Excentricität aufführt und dafür findet (p- 45, 78, 50). — 36.289 Er DH AH — 0,280 so habe ich aus denBrünnowschen Werthen diese berechnet u. finde = 50.10 + 24787 — 0,30 Die Behauptung des Hrn. Dir. Hansen, dals meine Formeln die Saecularstörungen falsch geben, ist vollständig irrig. III. Herr Direktor Hansen will mir theoretisch beweisen, dals der, wie oben nachgewiesen, gar nicht vorhandene Unter- schied daher entstanden ist, dals ich bei einem Integrale nicht die Constante (g bei Laplace) bestimmt habe und spricht von besonderer Auflösung! Obgleich ich ihn nur auf seine Preisschrift: Untersuchun- gen über die gegenseitigen Störungen des Jupiters und Saturns p. 21 einfach zu verweisen brauchte, wo er dieselbe Gröfse (sie wird hier ce genannt, wie Herr Direktor Hansen in seinem jetzigen Aufsatze Leipzig. Bericht p. 75. es selbst angiebt) ganz richtig eine überzählige Constante nennt, deren Beschaffenheit durchaus nicht durch das innere Wesen der Aufgabe bestimmt wird und die daher jeden beliebigen Werth, die Null nicht ausgenommen, annehmen kann, so will ich hier doch die ein- fache Sache kurz auseinander setzen. Wenn man irgend eine elliptische mittlere Bewegung % bei den Störungsrechnungen zum Grunde legt und damit die Störungsrechnungen ausführt, so erhält man die aus den Stö- rungen folgende Correktion der wahren Länge Z und des Ra- dius Vectors r in der Form öl= at + period Gl. or = B + period Gl. Es wird deshalb, wenn man die elliptische Länge mit 7°, den elliptischen Rad. Vect. mit r° bezeichnet, der Werth der vom 7. Januar 1856. 17 wahren gestörten Länge Z und des wahren gestörten Rad. Vect. r in der Form erscheinen. = +91=1° + at + period. Gl. r=r’+ 2 + period. Gl. In diesen hier als period. Gl. bezeichneten. Gröfsen sind theils wirkliche periodische Störungsglieder mit constanten Coefficienten, theils solche periodische Störungsglieder, deren Coeffhicient mit 2 multiplizirt ist, theils wirkliche constante nicht periodische Glieder begriffen, die aber alle hier zusammenge- falst werden können. Die Gröfsen « und £ ändern sich zwar mit dem ange- wandten #, aber so wenig, dafs der kleine Unterschied hier vernachläfsigt werden kann, wenn die angewandten u selbst nur wenig verschieden sind. Sie können für wenig verschie- dene « als unverändert betrachtet werden. Aufserdem hängt ß mit « so zusammen, dafs man unter denselben Voraussetzun- gen und den Vernachlässigungen, die Laplace wegen der Klein- heit von « sich erlaubt, B= Aa annehmen kann, wo 4 ein unveränderlicher Coeffhcient ist. Endlich hat die Gröfse 2° die Form ? = ut + period. Gl. wo u dasselbe » sein mufs was man bei dem elliptischen Orte gebraucht hat. Es wird deshalb die gestörte wahre Länge, wenn man von einem bestimmten ausgegangen ist, die Form haben: (1) = u + at + period. Gl. r=r’ +- Ac+ period. Gl. und diese ursprünglich hervorgehende Form ist in Brün- nows Tafeln beibehalten. Hat man nun zwei der Zeit nach verschiedene Werthe von der wahren Länge als gegeben vor sich I= u + at + period. Gl. "= ut + at + period. Gl. so giebt die Differenz !—-l=u(—t!)+aelt! — t) + period. Gl. Wenn in dieser Gleichung ?’—r sehr grols ist, so kann man in ihr die period. Gl., eigentlich die Differenz der period. Gl. [1856.] 2 18 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse zweier Zeiten, vernachlässigen, weil die rein constanten ö Gröfsen in denselben aus der Differenz ganz verschwinden, und die period Gl. zu einer bestimmten Zeit immer nur höchstens ein bestimmtes Maximum erreichen können, also auch ihre Differenz bei zwei verschiedenen Zeiten. Dann wird die Gleichung DIE. !=-lzut!— )+re(l!— 0) } =(uteo)(— ı) | oder wenn man setzt n=u—t « Y=lzen(— 0) Hieraus folgt, dafs durch den Betrag der Störungen die wirkliche mittlere Bewegung, oder die der Zeit proportionale Veränderung des Winkels, eine andere ist als die anfangs vor- ausgesetzte elliptische. Die erstere n nennt man die mittlere Bewegung aus der Beobachtung, die andere die elliptische. ..n. Laplace fand bei seinen Berechnungen für die alten Plane- ten die mittlere Bewegung aus der Beobachtung vor ..n. Schon im Ptolemäischen Systeme ist diese Grölse mit verhält- | nilsmälsig grolser Genauigkeit enthalten. Bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts war sie so genau ermittelt, schon vor der Berechnung der Störungen durch Laplace, dals dieser nichts oder ganz unbedeutend darin änderte. Er legte folglich diese mittlere Bewegung n seinem elliplischen Orte zum Grunde, aber er mulste eine kleine Veränderung damit vornehmen. Hätte er nämlich geradezu u? gesetzt, so würde er für das daraus erhaltene Z° und den damit berechneten Rad. Vect. r° zuletzt wieder erhalten haben. !=nt + at + period. Gl. r=r? + Ac+ period. Gl. also die mittlere Bewegung aus der Beobachtung =n + ü gegen die Voraussetzung, dafs sie wirklich 2 sein sollte. Er setzte folglich beim Anfang der Rechnung (2) n=n—a berechnete mit dieser Grölse sein 2° und r° und erhielt vom 7. Januar 1856. 19 (3) I=(n—a)t + at + period. Gl. =znt+ period. Gl. r=r?’ + Ac« + period. Gl. Wenn er auf diese Weise für Z die Form wieder erlangt hatte, die er haben wollte, so war es ihm unbequem bei 7 die mittlere Bewegung n zu haben und doch bei r in r° zu der Berechnung dieses letzteren eine mittlere Bewegung n—« an- wenden zu müssen. Er zog es deshalb vor einen Rad. vector anzuwenden, der ebenfalls mit 2 berechnet würde, möge die- ser mit n berechnete Radius vector r’ heilsen, so wird also für r die Form zu nehmen sein r=r + (r?—r) + 4da+ period. Gl. Erlaubt man sich, wie Laplace thut, statt des Unterschiedes der Radienvectoren mit n— « und n berechnet, d.h. statt r® — r’, den Unterschied der halben grofsen Axen, die zun—« und n gehören, zu nehmen, so wird r=r + (a —a) + Ac + period. Gl. Da nun aber a? 7 (n—-o)=k wo %k die Quadratwurzel aus der Sonnenmasse, also constant ist, so wird, wenn man annimmt 3 Zen=k a der Unterschied von a° — a’ eine Funktion von dem Unter- schiede der mittleren Bewegungen n— « und n, also von «, und man kann hier bei der Kleinheit der Gröflsen & und a’— a’ wieder annehmen (4) a” — a’ = Ba wo B constant ist. Es wird daher, wenn man mit der mittle- ren Bewegung aus der Beobachtung n das r’ berechnet, die _endliche Form erhalten (5) = nt + period. Gl. r=r' + (B+A4) «+ period. Gl. Dieses ist die Form von Laplace. Vergleicht man nun die ursprüngliche Form (6) I=ut + at + period. Gl. r= 1? +Ac + period. Gl. damit, wo r° mit der elliptischen Bewegung 1 berechnet ist, PR 20 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. so sieht man, dafs sie völlig übereinstimmen, weil nach (2) und (4) n=nu+Ht« r rt =ua’ — ad = Ba Man kann also beide anwenden, da sie ganz identisch sind. Unglücklicherweise für Herrn Dir. Hansen bat Laplace den Übergang der einen Form zur andern nicht auf diesem weit- läufigen Wege, sondern so gemacht: Von welcher ursprüng- lichen elliptischen mittleren Bewegung man auch ausgehen mag, immer wird die aus der Beobachtung erhaltene um die Störungsgröfse « gröfser sein. Man nehme deshalb an, da das aus der Beobachtung erhaltene n hier das Datum der Erfah- rung ist, dals man von der elliptischen Bewegung n — g aus- gegangen sei, wo g eine nachher zu bestimmende Grölse ist, führe die Rechnung damit durch und erhält nach (1) damit = (n—g)?t + «t + period. Gl. Setzt man nun die unbestimmte Gröfse am Schlusse der Rechnung g=.“ so hat man die verlangte Form, welche den Beobachtungen entspricht Ji=nt+ period. Gl. Die Einführung der Bedingung nun, dafs die Rechnung mit n — g durchgeführt werde, hat Laplace so gemacht, dals er dem Integral, wodurch sowohl in der Ellipse, als bei den Störungen eigentlich die mittlere Bewegung bestimmt wird, diese willkührliche Gröfse als Constante hinzugefügt hat, und zwar so, dals sie mit den Störungen verschwinde, daher auch Laplace mit ihr den Faktor m’, Malse des störenden Pla- neten, verbindet und sie m’g nennt. Er erreicht dadurch, dafs für die elliptische Bewegung das Integral auch mit dieser Con- stanle seinen richtigen Werth erhält, weil m’g wegen m’ = o auch o wird, wie es bei der elliptischen Bewegung sein muls. Hat man aber diese Form bei der Länge angewandt, so muls man sie auch bei dem Radvect. anwenden und muls die- selbe Correktion wie das obige B« bei ihm anwenden. | | | | vom 7. Januar 1856. 21 Ob man nun sagt, man wolle mit n—g rechnen und nach- her g so bestimmen, dals g = « wird, oder ob man gleich sagt, man fängt mit n—a«=% die Rechnung an, ist ganz vollkommen dasselbe und wird nur dadurch bedingt, ob man aus der Erfahrung n gegeben hat, wie Laplace bei den alten Planeten, oder % wie wir bei den kleinen erst seit Kurzem ent- deckten Planeten, aus den osculirenden Elementen. Es ist des- halb die Form (5) von Laplace ganz identisch mit der Form (1), die den Brünnowschen Tafeln zum. Grunde liegt. Dieses gilt für die Störungen der ersten Ordnung; für die zweite Ordnung steigt man auf durch den Taylorschen Lehr- satz, indem man die gestörten Grölsen an die Stelle der er- sten elliptischen setzt. Hier wird die Laplacesche Form den Vorzug haben, wenn sie ursprünglich gleich die Rechnung mit n angefangen hat und die Verbesserung als Funktion von g erst am Ende angebracht, dafs das Increment, was bei dem Taylor- schen Satze anzuwenden ist, die Form von nur period. Gl. bei öv hat, während die Brünnowsche ein Increment at + pe- riod. Gl. anwenden mufs. Ja, die Laplacesche Form hat schon durch die Anwendung von n den Theil der Glieder der zwei- ten Ordnung, welcher von «at abhängt, mit eingeschlossen. Aber dieses kommt bier gar nicht in Betracht, da ausdrücklich bemerkt ist, dals ich nur die Glieder der ersten Ordnung ge- ben wollte, ich namentlich (Monatsbericht 1853 pg. 313) die Saeculargleichungen ausgeschlossen habe, und zwar aus dem Grunde, weil ich die einfache Form der Störungen erster Ord- nung beibehalten wollte, um für die Anwendung alles bis jetzt noch Unwichtigere zu vermeiden und sie dadurch zu erleichtern. Es ist wirklich lächerlich bei Planeten, die seit höchstens 10 Jah- ren entdeckt sind, immer von Störungen höherer Ordnung zu spre- _ chen, während bei den alten, seit Jahrtausenden bekannten, _ diese nur zum allerkleinsten Theile berücksichtigt sind, ja bei ihnen nicht einmal die Störungen erster Ordnung vollständig. _ Wenn man nun vollends sieht, dafs ein Mann wie Hansen, der seit dreilsig Jahren mit den Störungen sich beschäftigt, sich in diese einfache Sache (ich will annehmen in Zeiten der gröfsten Aufregung, an welcher ich aber nicht schuld bin) jetzt wieder 22 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse nicht finden kann, nachdem er sie vor 25 Jahren richtig er- kännt hat, so bin ich, glaube ich, vollkommen gerechtfertigt, die- sen für jetzt noch unwesentlichen Punkt vermieden zu haben. Aufserdem habe ich es mir vorbehalten, die Saecularglei- chungen noch erst einzuführen, weil ich zur Vermeidung eini- ger andern Schwierigkeiten, die nothwendig bei den Polar- Coordinaten r und v sich zeigen, die Störungen für recht- winklichte Coordinaten zu berechnen versuchen will. Die Behauptung des Herrn Direktor Hansen, dafs meine Formeln einen theoretischen Fehler enthielten, ist vollständig irrig. Hr. Braun theilte die Resultate der Untersuchungen des Hrn. Dr. Caspary über das Wachsthum des Blatts der Victoria regia mit. Untersuchungen über die tägliche Periode des Wachsthums des Blatts der Victoria regia, in den beiden verflossenen Jahren im Königl. bot. Garten zu Schöne- berg angestellt, haben mir folgende Resultate gegeben, die ich mit Berücksichtigung der wenigen Untersuchungen, welche über die Periode des täglichen Wachsthums anderer Pflanzen gemacht sind, zusammenstelle, um das Allgemeine so viel als möglich hervorzuheben. 4) Nachdem das Blatt sich auf dem Wasser ausgebreitet hat, findet keine Zellbildung mehr statt und da es erst von der Zeit seiner Ausbreitung an untersucht ist, so beziehen sich die über sein Wachsthum gemachten Beobachtungen auf einen Fall, in welchem Zellausdehnung ohne Zell- vermehrung statt findet. In den früheren Arbeiten ist zwischen Wachsthum, d.h. Volumenszunahme ohne Zellvermehrung und unter Zellver- mehrung nicht unterschieden worden. Der Unterschied hat nur für den einzelnen Fall Bedeutung, nicht aber für die Frage nach der Periode des Wachsthums im Allgemeinen, da Wachsthum stets durch Zellausdehnung verursachz wird und Zellbildung ohne Zellausdehnung kein Wachsthum bewirkt. vom 7. Januar 1856. 23 2) Das System der Athmung, der dünne, chlorophyllhaltige Theil der Blattscheibe, ist zur Zeit der Ausbreitung des Blatts auf der Oberfläche des Wassers beträchtlichan Wachsthum dem System der Saftleitung, den gefälsführenden Rippen, vorausgeeilt; der Unterschied gleicht sich aber vom bezeichneten Zeitpunkt an all- mälig aus und das chlorophylihaltige Parenchym wächst weniger als die Rippen; das Wachsthum beider verhält sich, wie 1: 2,2. 4) Das Blatt wächst Tag und Nacht ohne Unterbrechung fort, jedoch nicht regelmälsig. Auf sehr starkes Wachsthum folgt oft geringes und auf geringes oft starkes. Eine solche Ungleichheit des Wachsthums in gleichen Zeiträumen ist bei allen andern untersuchten Pflanzen auch be- merkt worden. 4) Trotz der Unregelmälsigkeit des Wachsthums läfst sich eine tägliche Periode, besonders im Mittel, erkennen. Das Wachsthum ist kurz nach Mittag zwischen 12 und 1 Uhr am stärksten, erreicht am Nachmittag ein Minimum, steigt wieder in der Nacht, erreicht einen zweiten geringeren Hö- benpunkt kurz uach Mitternacht zwischen 12 und 1 Uhr, sinkt dann zu einem zweiten Minimum des Morgens hinab und steigt wieder gegen Mittag. Die Tagesperiode hat daher 2 _ Maxima, eingrolsesbei Tageundeinkleines bei Nacht und 2 Minima, von denen das eine auf den Morgen, das andere (das kleine) auf den Nachmittag fällt. Da bisher keine Pflanze ununterbrochen Tag und Nacht stündlich beobachtet wurde, so ist die tägliche Periode bei andern Pflanzen ganz unbekannt, oder doch fraglich, wie bei dem Blüthenstiel von Cactus grandiflorus, dessen Wachs- thum Mulder beobachtete; dasselbe schien in der Nacht meist stille zu stehen. Dals das Wachsthum bei Tage stärker sei als in der Nacht, ist meist beobachtet worden. Nur beim Blatt von Urania speciosa fand Mulder und beim Blüthen- schaft von Agave americana in einzelnen wärmeren Nächten des Juni und Juli und zu heilser, trockner Zeit im August de Vriese, dals das Wachsthum bei Nacht gröfser war, als das bei Tage. Dafs das Wachsthum, wie bei der Victoria, b von Morgen gegen Mittag hin ununterbrochen zunahm, dann 24 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse aber wieder abnahm, nachdem es gegen Mittag sein Maximum erreicht hatte, beobachteten Mulder beim Blüthenstiel von Cactus grandiflorus und de Vriese ausnahmsweise an einzelnen Tagen, die aber wahrscheinlich gerade die normalen waren, bei 4gave americana. 5) Das Blatt der Victoria wächst nach den drei Richtun- gen der Spitze, des Grundausschnitts und Seitenrandes nach demselben Gesetz, jedoch der Spitzentheil am stärksten, schwächer der Seitentheil, am schwächsten der Grundtheil. Der Grundtheil wächst in den ersten 3 Tagen im Mittel 5,13 mm., der Seitentheil 5,06mm., der Grundtheil 3,54mm. in einer Stunde. 6) Das Wachsthum ist am Tage der Ausbreitung des Blatts am stärksten, im Mittel 4,8mm. in der Stunde für den Radius, nimmt aber in den folgenden Tagen je mehr und mehr ab. Ganz abweichend davon fanden E. Meyer, Meyen und Münter an Weizen-, Gersten- und Haferpflanzen, Mulder bei Urania speciosa und ausnahmsweise bei Caczus grandiflorus, de Vriese bei Agave americana ein oder zwei Minima des Wachsthums zur Tageszeit. Ohne stündliche, Tag und Nacht fortgesetzte Beobachtung des Wachsthums und gleichzeitiger der Wärme, der Feuchtig- keit, des Luftdrucks, des Wetters ist die Ermittelung der Wachsthumsperiode und ihrer Bedingungen unmöglich. 7) Was die Wachsthumsgröfsen anbetrifft, so wächst das Blatt im Maximum im Längendurchmesser (zwischen dem Ausschnitt der Spitze und dem des Grundes) in einer Stunde 22 bis 25mm. (9,176 — 11,699 preufs. duod. Linien) und im Breitendurchmesser 26—27mm. (11,929—12,387 preufs. duod. Linien). Der Längendurchmesser des Blatts wuchs im Maxi- mum in 24 Stunden 308,3mm. (11,787 preuls. duod. Zoll) und der Breitendurchmesser in 24 Stunden 367mm. (14,031 preuls. duod. Zoll). Die Fläche nahm nach den Berechnungen meines Freundes Dr. Borchardt in einer Stunde zu um 4—5 proc., in 24 Stunden um 75—123 proc., oder in Maalsen in einer Stunde um 0,2556 bis 0,2872 preuls. Quadratfuls und in 24 Tre T7 TAT vom 7. Januar 1856. 25 Stunden um 4,1720 bis 5,0832 preufs. Quadratfufs. Eine ganze Pflanze bildet in 214—255 Wochen 613,6226 bis 727,5817 preuls. Quadratfuls oder 4,2612—5,0014 Quadratru- then Blattfläche. 8) Die Verdunstung hatte für das Wachsthum des Blatts der Victoria, die im Gewächshause beobachtet wurde, dessen Luft dem Sättigungspunkt meist sehr nahe war, keine nach- weisbare Bedeutung. Wenn das Blatt gar nicht verdunsten konnte, in einer ganz gesättigten Luft, wuchs es ungestört. Der Einfluls der Verdunstung aufs Wachsthum zeigte sich besonders in der zur Mittagszeit bei warmem, trocknem Wetter von de Vriese beobachteten, ausnahmsweisen Ver- kürzung des Schafts der 4gave americana. Alle von E. Meyer, Meyen, Mulder, de Vriese beobachteten pe- riodischen Verminderungen des Wachsthums bei Tage sind wahrscheinlich durch Verdunstungsverhältnisse veranlafst und es ist zu untersuchen, ob sie in einer dem Sättigungs- punkt nahen Atmosphäre auch statt finden. 9) Die tägliche Periode der relativen Feuchtigkeit, von der man mittelbar durch ihre Wirkung auf die Verdunstung eine Bedeutung fürs Wachsthum das Blatts vermuthen könnte, ist ohne nachweisbaren Einfluls auf die tägliche Periode des- selben. Dagegen ist das überwiegende, nächtliche Wachsthum des Blattes der Urania speciosa, welches Mulder beobachtete, und des Schaftes der Agave americana in den heilsen, dürren Ta- gen des August, welches de Vriese wahrnahm, höchst wahr- scheinlich der gröleren relativen Feuchtigkeit zur Nachtzeitund der in Folge derselben verminderten Verdunstung zuzuschreiben. 10) Die tägliche Periode des Drucks der trocknen Luft und des Dunstdruckes, von denen ebenfalls a priori. durch ihren Einfluls auf die Verdunstung eine Einwirkung auf die Periode des Wachsthums des Blattes anzunehmen ist, sind ohne nachweisbare Bedeutung für dieselbe. 41) Die tägliche Periode des Lichts hat keinen nachweis- baren Einfluls auf die Periode des Wachsthums des Blattes; denn durch künstliche Veränderung der täglichen Periode der Wärme kann es bewirkt werden, dafs das Blatt bei Tage zur 236 Gesammtsitzung Mittagszeit, wenn das Licht am stärksten ist, am wenigsten wächst und dafs das Maximum des Wachsthums auf jede belie- bige Stunde der Nacht, zur Zeit gänzlicher Finsternils, fällt. Das Licht bewirkt keine Ausdehnung der Zellen, sondern Stoff- wechsel in ihnen. 12) Das grofse Maximum der Tagesperiode des Wachsthums desBlattes hängt vom Maximum derPe- riode der Wärme, hauptsächlich der des Wassers ab. DurchHeizung kann es bewirkt werden, dafs das Blatt zu jeder beliebigen Tages- und Nachtstunde am stärksten wächst. Die Wärme bewirkt die Ausdehnung der Zellen unmittelbar, nicht mittelbar durch Erzeugung von Verdunstung. Dals die Wärme unter allen Agentien den meisten Einfluls auf das Wachsthum der Pflanzen hat, ist im Allgemeinen auch von allen früheren Beobachtern bemerkt. 13) Die Erhebung des Wachsthums bei Nacht kann jedoch weder aus der Periode der Wärme noch der eines andern Agens abgeleitet werden und seine Ursache ist im Leben der Pflanze selbst zu suchen. Darauf wurden Beobachtungen von Herrn Wöhler in Göttingen über das krystallisirte Silicium aus einem Briefe an Herrn Magnus von diesem mitgetheilt. 10. Januar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Müller las über Fische, welche Töne von sich geben, und über die Entstehung dieser Töne. Hr. Encke legte vor, was er für den Monatsbericht in Bezug auf den Angriff des Hrn. Dir. Hansen in Gotha gegen die Richtigkeit der Floratafeln und der dabei angewandten For- meln bestimmt hatte (s. den Bericht über die Klassensitzung vom 7. d. M). Er fügte hinzu, welchen Antrag er defshalb bei der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig gemacht. vom 10. Januar 1856. 97 In Hrn. v. Humboldt’s Auftrag gab Hr. Ebrenberg aus einem Briefe des Hrn. Dr. Schacht aus Funchal vom 1. November v. J. die Nachricht, dals Hr. Dr. Schacht sich dort einer guten Gesundheit erf[reue. An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Comptes rendus des seances de l! Academie des sciences, Tome 41, no. 16— 25. Paris 1855. 4. Athenaeum francais, no. 6. 8. 13. 17. 22. 26. 30. 35. 39. 45. 48. 49. 50. et Bulletin archeologique, no. 1—12. Paris 1855. 4. Atti dell’ Accademia pontificia de’ nuovi Lincei. Anno VI. Roma 1855. 4. Transactions of the Linnean Society of London. Vol. XXI, Part. 4. Lon- don 1855. 4. Proceedings of the Linnean Society, no. 59—66. London 1855. 8. Transactions of the Royal Irish Academy. Vol. XX11, Part.6. Dublin 1855, 4. Proceedings of the Royal Irish Academy. Vol. VI, Part. 2. Dublin 1855. 8, Notices of the meelings of the Royal Institution of Great Britain. Part. V. London 1855. 8. Journal of Ihe Asiatic Society of Bengal. no. 249. Calcutta 1855, 8, Revue archeologique. 12me annee, Livr. 9. Paris 1855. 8. Annales de chimie et de physique. Tome 45, Novembre, Paris 1855. 8, Crelle, Journal für Mathematik. 51. Band, Heft 2. Berlin 1855. 4. _ Rivista periodica dei lavori della I. R. Accademia di scienze di Padova. Vol. 1 e3., Padoyva 1851—52. 1854—55. 8. Memoirs of the Literary and Philosophical Society of Manchester. Second Series. Vol. 1-5. 7—12. Manchester 1805—1855. 8, Va erhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. 2. Heft. Ba- | sel 1855. 8. Nachrichten von der Universität Göttingen. no. 17. 18. Göttingen 1855. 8. Schriften des historischen Vereins für Inneröstreich. 1. Heft. Gratz 1848. 8. Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark. Heft 1—5. Gratz .4850—1854. 8. (Mit Schreiben des Directors Ludwig, Abt zu Stein, vom 9. Mai 1855.) Jahresbericht der Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde, 1853—1855. 8. Correspondenzblatt des nalurforschenden Vereins zu Riga. 8. Jahrgang. Riga 1855. 8. Würtembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. 12. Jahrgang. Heft 1. Stuttgart 1856. 8. 28 Gesammtsitzung Verhandlungen der physikalisch-medicinischen Gesellschaft zu Würzburg 6. Band, Heft 2. Würzburg 1855. 8. Annalen der Königlichen Sternwarte bei München. Bd.23. München 18535. 8. Jessen, Über die Lebensdauer der Gewächse. Breslau 1855. 4. Panofka, Phocus und Antiope. Berlin 1855. 4. Plotini Znneades, edd. Fr. Creuzer et G. H. Moser. Parisiis 1855. gr. 8. Emm. de Rouge, Notice sommaire des monumens egyptiens erposes dans le musce du Louvre. Paris 1855. 8. A. Comte, Appel aux conservateurs. Paris 1855. 8. R. Knabl, der angebliche Götter-Dualismus an den Votivsteinen zu Videm und Aquiläja. Gratz 1855. 8. Lartigue, Observalions sur les orages dans les montagnes des Pyrenees. (Comptes rendus, 3. Dec. 1855.) 4. (Mit Schreiben des Verfassers, Paris 18. Dez. 1855.) A. R. Rangabe, Antiquites helleniques. Vol. II. Athenes 1855. 4. Aufserdem wurden vorgelegt: Ein Schreiben der Accademia Pontificia de’ nuovi Lincei zu Rom vom 4. Dec. v. J. über den Empfang unserer Monatsbe- richte vom Januar 1853 bis Juni 1855 und der physikalischen Abhandlungen vom Jahre 1853 und 1854. Ein Schreiben des Kaiserl. Französischen bevollmächtigten Ministers am Königl. Hofe Hrn. Marquis de Moustier vom 97. v. M. und ein damit übersandtes Schreiben des Kaiserlich Französischen Hrn. Ministers des öffentlichen Unterrichts und der Culte vom 11. v. M. durch welches der Akademie ein Exemplar der von Hrn. L&on de Renier redigirten Sammlung der Römischen Inschriften des Landes von Algier zur Verfü- gung gestellt wird. Die Akademie beschlols eine Danksagung für das Geschenk an die beiden Hrn. Minister. Ein Erwiederungsschreiben des Hrn. Ed. Sabine d.d. Westminster den 19. Dec. vor. J. auf seine Ernennung zum Ehrenmitgliede der Akademie. Ein Schreiben Sr. Excellenz des Königl. Hrn. Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten vom 22. December vor. J. wodurch die Akademie in Kennt- nils gesetzt wird, dafs Se. Majestät der König geruht haben, die Wahlen der Herren Kummer und Borchardt zu ordent- 2 vom 17. Januar 1856. 29 lichen Mitgliedern, und des Hrn. Temminck zu Leyden zum Ehrenmitgliede der Akademie durch Allerhöchsten Erlals vom 10. Dec. vor. J. allergnädigst zu bestätigen. 17. Jan. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. H. Rose las über die heteromorphen Zustände der kohlensauren Kalkerde. Hr. Magnus trug vor: Untersuchungen über die Einwir- kung der Schwefelsäure auf die Nitrile und Amide, von G. B. Buckton und A. W. Hofmann. Die Nachweisung der Identität der Nitrile und Alkohol- eyanide hat die Chemiker vielfach veranlafst, eine Brücke auf- zusuchen, zwischen den Nitrilen und den gewöhnlichen Alko- holderivaten, aus welchen sich die Alkohole regeneriren lassen. Unsere in diesem Sinue unternommenen Versuche haben, wie die unserer Vorgänger, das vorgesteckte Ziel nicht erreicht; allein sie haben uns mit einer Reaction bekannt gemacht, wel- che ihrer Allgemeinheit halber und der scharf charakterisirten Körper wegen, deren Bildung sie veranlalst, der Beachtung der Chemiker nicht unwürdig erscheint. Das Acetonitril kann sowohl in Folge der Leichtigkeit sei- ner Darstellung als auch wegen des Interesses, welches die Fa- milie, der es angehört, beansprucht, als Prototyp der Nitrile gelten. In der That ist das Acetonitril die Substanz gewesen die uns besonders beschäftigt hat. » Mischt man das Acetonitril mit seinem gleichen Volum & rauchender Schwefelsäure, so giebt sich alsbald durch starke Wärme-Entwickelung eine lebhafte Reaction zu erkennen. Wird die Säure in kleinen Portionen zugesetzt, und die Mischung nach jedem Zusatz sorgfältig abgekühlt, so färbt sie sich kaum und giebt beim Verdünnen mit Wasser und Sättigen mit koh- lensaurem Baryt ein krystallinisches Salz, von der Zusammen- setzung und den Eigenschaften des schwefelessigsauren Barium (Sulfacetate de Barium) 30 Gesammtsitzung - C, (Hz Ba;) 0,250, welches von Melsens durch die Einwirkung der wasserfreien Schwefelsäure auf Essigsäurehydrat erbalten wurde. Wird andererseits das Acetonitril mit der rauchenden Schwefelsäure rasch gemischt, oder erhitzt man die Mischung, so zeigt die reichliche Kohlensäure-Entwickelung eine tiefer- greifende Zersetzung an. Der harzartige Rückstand mit Was- ser und kohlensaurem Baryt gekocht, liefert ein prachtvolles Salz, welches im trockenen Zustande CHI BEE) 480, enthält. Aus Wasser krystallisirt es mit 3 Atomen Krystall- Wasser; es bedarf einer ziemlich hohen Temperatur (170°), um diese 4 Atome Krystallwasser auszutreiben. Das Salz ist bemerkenswerth stabil, erst über 200° hinaus fängt es an sich zu zersetzen. Bei starker Erhitzung liefert es Wasser, schwef- ligsauren Baryt, schweflige Säure, Schwefel und Kobhlenoxyd. Es kann Stunden lang mit concentrirter Salpetersäure im Sie- den erhalten werden, ohne die geringste Zersetzung zu erleiden. Wir haben auch die Ammonium- und die Silberverbin- dungen, welche dem Bariumsalz entsprechen, analysirt. Erstere krystallisirt leicht in farblosen, schiefen Prismen, welche oft Zoll lang erhalten werden, und sich bei 190° nicht verändern. Dieses Salz hat die Formel (©; [Hz (NH,).] 4850 ;. Das Silbersalz erhält man leicht durch Digestion der freien Säure mit Silberoxyd. Es bildet grolse Krystalle, leicht lös- lich in Wasser, unlöslich in Alkohol. Ihre Zusammensetzung ist: C, (H, Ay2) 480; Die Säure, auf die gewöhnliche Weise durch Behandlung des Blei- oder Silbersalzes mit Schwefelwasserstoffsäure erhal- ten, krystallisirt in äufserst löslichen, zerflielslichen Nadeln, welche den Geschmack der Weinsäure besitzen. In Ermang- lung eines besseren Namens nennen wir diese Säure vorläufig Methyltetraschwefelsäure, denn ohne über die wahrscheinliche Constitution dieser Verbindung für den Augenblick die entfern- teste Andeutung zu wagen, läfst sie sich immerhin ihrer Zu- sammensetznng nach als durch die Vereinigung von Sumpfgas mit 4 Aegq. wasserfreier Schwefelsäure entstanden denken. vom 17. Januar 1856. st In der Einwirkung der Schwefelsäure auf das Acetonitril lassen sich mithin zwei bestimmt verschiedene Phasen unter- scheiden. In der ersten verbindet sich die regenerirte Essig- säure mit zwei Aequivalenten wasserfreier Schwefelsäure zu Schwefel-Essigsäure; in der zweiten Phase erleidet die Essig- säure eine weitergehende Veränderung; ihren Traditionen ge- treu, spaltet sie sich in Kohlensäure und Sumpfgas, welches letz- tere mit 4 Aegq. wasserfreier Schwefelsäure in Verbindung bleibt. Folgende Gleichungen veranschaulichen diese Umsetzung: C,H,N + 2HO +3HS0, =C,H,0,250, + NH, SO, ln u Aceto- Schwelfelessig- nitril säure C,H,N + 5HSO, = C,H,4S0, + NH,SO,+2(0, ar mm rn Acetonitril Methyltetra- schwefelsäure Die Einwirkung der Säuren und Basen auf die Essigsäure bietet demnach eine bemerkenswerthe Analogie. Die Umbil- dung des Essigsäuremoleculs ist in der That dieselbe unter dem Einfluls beider Agentien; allein während in dem letzteren Falle die Kohlensäure fixirt und das Sumpfgas entwickelt wird, ver- anlalst die Säure das Freiwerden der Kohlensäure und die Bin- dung des Sumpfgases. Die Erzeugung der Methyltetraschwefelsäure erinnert an die interessante Verbindung, das Carbylsulphil, welches Mag- mus vor mehreren Jahren durch die Vereinigung des ölbilden- “den Gases mit wasserfreier Schwefelsäure erhalten hat. Es braucht indessen nur eines Blickes auf die Zusammensetzung und die Eigenschaften beider Körper, um ihre Verschiedenheit alsbald zu erkennen. Das Acetamid unterscheidet sich von dem Acetonitril nur durch einen Mehrgehalt von 2 Aeq. Wasser. In der That er- Je idet es unter dem Einflusse der rauchenden Schwefelsäure eine ganz analoge Zersetzung. Da es sich noch leichter dar- ‚stellen lälst, als das Nitril, so eignet es sich ganz besonders zur Gewinnung grofser Quantitäten von Methyltetrasulphaten.. Man erhält in der Regel sogleich das Ammoniaksalz krystallisirt. 32 Gesammtsitzung Melsens in seiner Untersuchung der Schwefelessigsäure scheint die Existenz der Methyltetraschwefelsäure anticipirt zu ha- ben. In der Mutterlauge des schwefelessigsauren Silbers erhielt er einmal Krystalle, welche genau die Zusammensetzung unse- res Silbersalzes zeigten. - Noch ist zu bemerken, dals die Methyltetraschwefelsäure möglicherweise mit einer sehr interessanten Säure identisch ist, welche bisher, wir möchten fast sagen heimathlos, in den Lehr- büchern der Chemie einherirrt. Es ist dies die von Liebig entdeckte Methionsäure, welche durch die Einwirkung der was- serfreien Schwefelsäure auf den Ethyläther entsteht. Nach den bisher angestellten Analysen enthält das Bariumsalz CH, Ba 8; 05; verdoppelt man diesen Ausdruck, so lälst sich die Formel: et Bi 5,0 tee ER mit der Zusammensetzung unserer krystallisirten Bariumverbin- dung vereinigen. Auch die Beschreibung der Eigenschaften beider Körper stimmt ziemlich. Bestätigt sich unsere Vermuthung, so wäre für die Methion- säure plötzlich eine klare Stellung in dem System der organi- schen Verbindungen gewonnen. Wir wollen diese Frage durch ein vergleichendes Studium beider Säuren zu lösen suchen und das Ergebnils unserer Versuche der Akademie in einer weite- ren Notiz mittheilen. Hr. Dove las über das barometrische Maximum am 49. December 1854. Hr. Pinder trug den von Herrn Professor Theodor Mommsen in Breslau erstatteten Jahresbericht über die vom 4. November 1854 bis dahin 1855 für das Corpus Inscri- ptionum Latinarum ausgeführten Arbeiten, nebst den Spe- eialberichten der Herren Henzen und de Rossi in Rom, im Auszuge vor. Dieses Arbeitsjahr ist für die zur Herausgabe der lateini- schen Inschriftensammlung erforderlichen Vorarbeiten ungemein förderlich gewesen, und es ist während desselben eine feste Grundlage gewonnen worden, welche für die Herausgeber ein vom 17. Januar 1856. 33 gleichmäfsiges Vorgehen in den verschiedenen Richtungen ihrer Thätigkeit möglich macht. Die Verificirung, Ergänzung und geographische Anordnung der aufgelösten oder aufzulösenden grolsen Sammlungen war die fundamentale, jede weitere Thätigkeit bedingende Vorarbeit, und hauptsächlich ihretwe- gen fand in diesem Jahre eine längere Zusammenkunft der beiden deutschen Herausgeber in Breslau Statt. Diese Vor- arbeit ist jetzt beendigt. Von. den verzettelt vorgefunde- nen Sammlungen (Gruter, Reinesius, Fabretti, Gudius, Mu- ratori, Donati) sind die Zettel jetzt controlirt und verificirt, namentlich auch die sehr zahlreichen Zusätze der zweiten Ausgabe des Gruter auf die aus Exemplaren der ersten Ausgabe herrüh- renden Zettel nachgetragen worden. Die noch fehlenden gröfse- ren Sammlungen (Apian, Malvasia Marm. Fels., Donius, Spon) wurden entweder hinein collationirt oder copirt; was gleichfalls‘ mit einigen anderen Hauptquellen Gruters, namentlich mit Ma- nutius Orthographia, den Schriften des Panvinius und Fonteius de gente Caesia geschah; wogegen die Sammlungen von Ma- zochi, Smetius und Maffei sich bequemer in die topographisch geordneten Zettel eintragen lassen. Die ganze also bereinigte Zettelmasse, so wie Hrn. Mommsens frübere Privatsammlungen, wurden sodann zusammengeworfen, in gröfsere, hauptsächlich geographisch abgezweigte Massen auseinander gesondert, und nach dieser Auflösung zu mehrerer Sicherheit noch einmal veri- ficirt. Es wurden ekänfg 149 Haupt-Abtheilungen zusammen- gestellt, welche bereits zum grölsten Theil noch weiter nach den einzelnen Stadtdistrieten geordnet worden sind. Die Ab- theilungen Roma, Latium, Picenum, die allein wohl die gröfsere Hälfte der ganzen Masse ausmachen, sind nach Rom gesendet worden, als Material für die Arbeiten der Herren Henzen und de Rossi. Die Abtheilung „locorum incertorum” wurde nach Ermessen unter die Herausgeber vertheilt, und so weit es nöthig schien dafür gesorgt dals jedem der Herausgeber ein Exemplar dieser zweifelhaften Inschriften blieb. Die übrigen Abtheilun- gen blieben in den Händen des Hrn. Mommsen. — Es ist nun für jeden einzelnen Abschnitt der Sammlung das in den bisheri- gen grölseren Sammlungen zerstreute und nur mühselig und un- genügend zu vereinigende Material bequem und sicher zusam- [1856.] 3 34 Gesammtsitzung mengebracht und damit für jede Einzelsammlung eine schätzbare Grundlage gewonnen. Überdies findet sich der inschriftliche Inhalt einer Menge kleinerer und mehr localer Schriften bereits ebenfalls in dieses Zettelmaterial hineingearbeitet, namentlich durch Hrn. Mommsens ältere, demselben einverleibte Sammlung. Diese Resultate wurden nach den vorbereitenden Arbeiten des Hrn. Mommsen namentlich durch ein dreimonatliches Zusammen- sein der beiden deutschen Herausgeber erreicht. Über die Revision der im Original vorhandenen In- schriften genügt es auf die Specialberichte der Herren Hen- zen und de Rossi (Anlagen A. B.) zu verweisen. Die Steine der grofsen über 2700 Stück zählenden vaticanischen Sammlung welche Hr. Henzen, — die der vaticanischen Bibliothek und eines Theils der vaticanischen Magazine so wie der Villen Albani und “Altieri und anderer kleinerer römischen Sammlungen, welche Hr. de Rossi copirt hat, haben für die städtisch-römische Sammlung eine unvergleichliche Grundlage geliefert. Auch für die Inschrif- ten von Latium ist bereits der gesammte Strich von Frascati und Palestrina bis Anagni und Alatri von Hrn. de Rossi bereist, und die dortigen Steine sind copirt worden. Die Zahl der nach den Originalen copirten Inschriften, die am Schlufs des vorigen Berichtjahres nur etwa 1900 betrug, beläuft sich jetzt auf etwa 5000. Was die Benutzung des handschriftlichen Materials betrifft, so ist unter andern das wichtige, der hiesigen Königl. Bibliothek gehörige Manuscript des Pighius im Wesentlichen ausgenutzt worden. Hinsichtlich der oberitalischen Handschrif- ten haben die Ermittelungen des Hrn. de Rossi auf seiner schon im Jahre 1853 speciell der Inschriftencodices wegen angestellten Reise, worüber ein ausführlicher Bericht zu den Sammlungen für das Corpus Inser. Lat. gebracht worden ist, für weitere An- ordnungen den nöthigen Anhalt gegeben. Der Specialbericht des Hrn. de Rossi (Anlage 2) ergiebt das Nähere über die in Florenz und Venedig ausgeführten Arbeiten dieser Art. — Über die Ausnutzung der Ligorischen Handschriften in Turin be- richtet Hr. Henzen ausführlich (Anlage 4). Es ist seinem un- ermüdeten Fleilse gelungen mit diesen Folianten fertig zu wer- den, und aufser den schon in Breslau als aus dem Turiner Ma- vom 17. Januar 1856. 35 nuscript geflossen zusammengestellten Massen noch gegen 3000 ändere ligorische Inschriften zu gewinnen, von denen wohl ein grolser Theil ungedruckt sein wird. Leider ist selbst mit die- sem bedauerlichen Zuwachs neuer Falsa der Falsarius selber noch nicht völlig beseitigt; unzweifelhaft giebt es eine zwie- fache Recension der ligorischen Sammlung, und wenn das Turi- ner Exemplar gleichsam die Ausgabe letzter Hand ist, so bleibt den weit verbreiteten Fälschungen der älteren Recension immer noch nachzuspüren. — Die Resultate der römischen Arbeiten liegen in den Specialberichten vor. Der marinische Apparat ist, bis auf die Correspondenz, ausgenutzt; wozu dann noch die Scheden von Giovenazzi, Lupaechini u. A. kommen. In den Händen des Hrn. Mommsen sind die Abschriften desjenigen handschriftlichen Materials, das auf transalpinische Inschriften sich bezieht und in dem Vatican aufbewahrt wird, herrührend theils aus den Scheden des Metellus, Augustinus und Manutius, theils aus einer im cod. Vat. Reg. 949 enthaltenen spanischen Reisebeschreibung, theils aus Scaligers Gruterexemplar, theils aus den ehemals barberinischen jetzt vaticanischen Inschriftenpapieren, theils endlich aus den marinischen Colleetaneen. Hinsichtlich der Ausmutzung der Speciallitteratur haben sich die Herausgeber über eine solche Art, der Durchsicht geei- nigt, bei welcher die beiden Sectionen sich gegenseitig in die Hand arbeiten, und das bei ihren Durchsichten für die andere Section sich ergebende Material ausgezogen und dieser zugestellt wird. In ähnlicher Weise wird auch zwischen den Arbeiten für das Corpus Inscriptionum Graecarum und für die lateinische Sammlung die möglichste Gemeinschaftlichkeit Statt finden. RL. Aus dem Berichte des Herrn Henzen in Rom. Nachdem im Laufe des Sommers 1854 die Steine des Ca- pitolinischen Museums abgeschrieben waren, blieb für den "Winter 185; als nächste und wichtigste, aber auch schwierigste Aufgabe das Vaticanische Museum mit der Galleria lapida- ria übrig, welche zusammen über 2700 Steine enthalten, gröfsten- theils äulserst beschwerlich zu copiren, da sie hoch hinauf die "Wände bedecken, die Arbeit also meistens auf hoher Leiter ver- 3» 36 Gesammtsitzung richtet werden mufs, dabei nicht selten durch die rothe Bema- lung der Buchstaben schlimm entstellt und nur vermittelst des Fingers lesbar. Die Erlaubnifs zur Ausführung dieser Arbeit wurde bei zuvorkommendster Bereitwilligkeit sowohl Sr. Eminenz des Cardinals Antonelli, als auch des Präfeceten der Vaticana, Msg. di San Marzano, und des Museumsdireetors Comm. de’ Fabbris von mir erreicht, nachdem Hr. de Rossi so freundlich gewesen, alle ihm für das Museum zugestandenen Freiheiten auf mich übertragen zu lassen. Diese Arbeit wurde dadurch ungemein gefördert, dafs mir bei derselben die Benutzung des in der Vaticana aufbewahrten Marinischen Apparates vergönnt war. Diese reichhaltigen, vielleicht 4—5000 Inschriften umfassenden Papiere, grolsentheils von Marini selbst geschrieben, waren gleich zu Anfange des Winters unter Hrn. de Rossi’s Leitung von zwei Copisten in Angriff genommen. Indem ich die sämmtlichen Marinischen In- schriften alphabetisch ordnete, konnte ich nach Anleitung eines im Jahre 1847 gemeinsam mit Hrn. Mommsen angefertigten sta- ı tistischen Katalogs aus ihnen stets die eben nöthigen auswählen. Auf diese Art mag für etwa 1200 der Vaticanischen Steine die blofse Collationirung genügt haben. Es braucht kaum bemerkt zu werden, wie wichtig, auch abgesehen von der blofsen Er- leichterung, die Bestätigung der eignen Lesart durch Marini’s Autorität ist. Für die Abtheilungen der Kaiser, der Sacra, der grolsen Magistrate, des Kriegswesens benutzte ich aulserdem die Abschriften Borghesi’s, die mir von demselben schon vor Jahren mitgetheilt waren. Nach meiner Abreise nach Deutschland hat Hr. de Rossi meine Arbeit dadurch vervollständigt, dals er die Steine der Va- ticanischen Bibliothek hinzugefügt hat, eben so eine nicht unbedeutende Anzahl von Inschriften, welche neuerdings aus den Magazinen an die Stelle von in’s christliche Museum versetzten Monumenten gekommen sind. Zugleich hat derselbe bereits an- gefangen, die Steine des Lateranensischen Museums und die grolse Masse derer, welche aus den Magazinen nach dem Lateran transportirt sind, um dort unter seiner Leitung in den Hallen des Hofes eingemauert zu werden, für das C. I. L. zu copiren, eine Arbeit, welche mit gröfserer Raschheit beendigt vom 17. Januar 1856. 37 werden wird, sobald in der Vaticana die Scheden Amati’s ex- cerpirt worden sind, deren Wichtigkeit für die neueren Ent- deckungen denen Marini’s für die älteren gleich kommt. Aufser- dem hat derselbe während des Sommers die Villa Albanı und eine Reihe unbedeutender Villen, Vignen und Paläste absolvirt, so dals wir wohl hoffen können in kurzer Zeit mit den noch vorhandenen Steinen Roms fertig zu werden; wiewohl eine Schwierigkeit darin liegt, dafs es sich meistens nicht mehr um grolse Massen, sondern um einzelne, in dem weiten Rom zerstreute und oft versteckte Monumente handelt, denen zu Gefallen nicht selten weite Wege gemacht werden müssen, die nicht immer zum Ziele führen. Die grölste noch rückständige Sammlung in Rom enthält die Vigna Codini bei Porta S. Sebastiano, deren eines Colum- barium in Jahn’s Specimen edirt wurde. Ein zweites, wichtige- res erschien uns bisher sehr schwer zugänglich; allein durch die Güte Hrn. P. E. Visconti’s erhielt ich bereits im vorigen Win- ter die Mittheilung der für ihn gemachten Abschriften und das Versprechen der Erlaubnils, sie und alle sonstigen Monumente der Vigna collationiren zu dürfen. — Die Steine der Villa Pamfili und mancher anderen Paläste und Villen, in früheren Jahren copirt, wurden einstweilen in die Form unserer Scheden übertragen, um einer neuen Collation unterworfen zu werden. Aber auch für Rom’s nächste Umgebungen ist bereits in diesem Sommer durch Hrn. de Rossi Manches geschehen, indem derselbe die Zeit der Villeggiatur zu mehreren Excursionen be- nutzt hat, auf denen er die Steine des Albaner Gebirgs von Tusculum bis Genzano, namentlich auch die des Casino Cava- eeppi in Albano, dann diejenigen des reichen Praeneste, ferner die von Anagni und Alatri gesammelt hat. Vor allen hat Prae- neste ihm reiche Ausbeute gewährt, sowohl an neuen, als an wieder aufgefundenen alten Steinen. Auf meiner Reise nach Deutschland benutzte ich den kur- zen Aufenthalt zu Civita castellana, Terni, Assisi, um daselbst die vorhandenen Steine abzuschreiben, oder, wo dies früher ge- schehen, wie an letzterem Orte, zu collationiren. Die Galerie zu Florenz war schon vor 5 Jahren von mir abgeschrieben worden. 38 Gesammtsitzung Hinsichtlich der Details der bibliothekarischen Arbei- ten erlaube ich mir auf Hrn. de Rossi’s beigeschlossenen Be- | richt zu verweisen. Es geht schon aus Obigem hervor, dals dieselben ganz besonders auf den Marinischen Apparat gerichtet waren, dessen Wichtigkeit durch die selten fehlende Angabe der Provenienz, so wie früherer Publicationen, erhöht wird. Die ihn betreffenden Arbeiten sind fast beendet, es bleibt noch eine Sammlung von 3000 an Marini gerichteten Briefen zu excer- piren. — In Florenz ward auf meine Anordnung eine sehr ge- naue Copie des berühmten Fra Giocondo der Magliabecechiana an- | gefertigt; in Venedig der den Petrus Sabinus enthaltende Codex der Marciana abgeschrieben. Hr. de Rossi hat den Vaticani- schen Codex des P. Sabinus bereits mit ihm vergleichen lassen und bei theilweise gröfserer Mangelhaftigkeit andre Theile ge- funden, die dem Vaticanischen Codex fehlen. Über die Ausbeu- tung der Turiner Manuscripte des Ligorio lege ich einen be- sonderen Bericht bei. Rom, 9. November 1855. W, Henzen. Manuscripte des Pirro Ligorio in Turin. Nach geschehener Ordnung des Gesammtmaterials, so weit es aus gedruckten Werken vorlag, war es vor Allem nöthig, die falschen Monumente gründlich zu beseitigen. Es war darauf schon bei jener ersten vorläufigen Arbeit Rücksicht genommen, indem alle Inschriften, welche nur aus Scheden stammen, oder direct auf Ligorio zurückgeführt werden, sofort ausgesondert wurden. In- dels, um in durchgreifender Weise verfahren zu können und mit Sicherheit alle Ligoriana zu beseitigen, die bekanntlich auch ohne den Namen ihres Urhebers in Masse über die epigraphische Lit- teratur verbreitet sind, war es nothwendig, die Ligorianischen Handschriften selbst in Angriff zu nehmen; nur so konnten wir hoffen, mit Bestiimmtheit allen seinen Fälschungen auf den Grund zu kommen. Die Hauptmasse dieser Handschriften befindet sich bekanntlich im Königl. archivio di corte zu Turin, und so war es natürlich, dals mir die undankbare und höchst langweilige Aufgabe zu Theil ward, auf der Rückreise nach Rom daselbst vom 17. Januar 1856. 39 anzuhalten. Ich fand die bereitwilligste, zuvorkommendste Auf- nahme Seitens der Vorsteher des Archivs. Indefs stellte es sich bald heraus, dals die Arbeit weit langwieriger sei, als wir uns vorgestellt hatten, wie ich denn in der That trotz der Unter- stützung eines Schreibers mehr als einen Monat darauf verwen- den mulste. Wir hatten darauf gerechnet, an den von Prof. Mommsen nach dem Wolfenbütteler Apparat revidirten und nach den Nummern des Manuscripts geordneten Ligorischen In- schriften des Gudius bereits den wesentlichsten Theil des Inhalts der Turiner Bände in Händen zu haben; allein sehr bald mufste ich inne werden, dals dieselben kaum die Hälfte des letzteren ausmachen, so dafs ich nach einem ungefähren Überschlag min- destens zwischen 2500 bis 3000 Inschriften habe müssen ab- schreiben oder abschreiben lassen, obwohl ich die ganz echten, deren Originale mir bekannt, und denen Ligorio keine Zusätze angeheftet, einfach notirte. Die Arbeit ward noch mühsamer dadurch, dafs die Ordnung der Gudischen Nummern keineswegs mit derjenigen der Turiner Manuscripte stimmt. Letztere sind in ihrem Haupttheile, von dem gleich weiter die Rede sein wird, mit geringen Abweichungen alphabetisch geordnet, was bei den Gudischen Papieren nur in den Auszügen der ersten Bände der Fall zu sein scheint. Es müssen diese Auszüge in Unordnung gerathen und später auf’s Gerathewohl zusammengefalst, gebun- den und numerirt sein, wodurch nicht ausgeschlossen ist, dafs immer noch grofse Massen von einem bestimmten Buchstaben zu- gehörigen Inschriften zusammenblieben. In den späteren Bänden scheint dann Gudius die Lust mehr und mehr verloren zu haben: so hat er vom 15. Bande, der Rom enthält und mithin ungemein reich ist, äulserst wenig, und den 16. Band hat er ganz ausge- lassen. Mit dem 18. Bande hören seine Auszüge ganz auf, was seinen guten Grund darin hat, dals das eigentliche Ligorische _ Hauptwerk selber hier abschliefst. Was nun letzteres betrifft, so umfasst dasselbe 18 Folio- ” bände und zerfällt in 23 Bücher, indem jedem Buchstaben des _ Alphabets ein Buch gewidmet ist. Der ausführliche Titel zu An- fange des ersten Buches, der später mehr oder weniger abgekürzt wird, lautet: Z/ Zibro prirno delle antichita di Pyrrho Ligorio _ patritio Neapolitano et cittadino Romano, nel quale se contiene NE EEE SE 40 Gesammisitzung di tutte le cose piü illustre tanto delle cittä, come de castelli, vici et ville, et luoghi, come ancora de monti, de mari, seni, isole, stagni, fontane et fiumi, et degli huornini et delle varie nationi, } et particolarmente di quei che per virlü sono sltati nominalti heroi ö dei da gentili, et degli nostri episcopi dei luoghi et de santi di mernoria degni; tutti col dritto nome compilati et brevemente di- chiarati et tutie dedicate all’ illustrissimo nome dell’ allezza del signor duca Alfonso secondo e serenissimo principe di Ferrara, di Mutina Lepida, di Regio et cetera. Das erste Buch, dem reich- haltigen Buchstaben 4 gewidmet, umfasst 3 Bände, C 2 Bände, P ebenfalls, wogegen dann mehrere kleinere Buchstaben in Einem Bande vereinigt sind. Die Inschriften sind eines Theils unter der Rubrik der Städte, denen sie angehören oder angehören sollen, zusammengestellt, und namentlich wird unter Rom eine sehr grolse Menge aufgeführt, die daselbst theils nach Materien (wie die me- dici, die Beamten der Bibliotheken u. s. w.), grölseren Theils aber nach der Localität geordnet ist, der sie Ligorio, mit Recht oder Unrecht, zuschreibt. Es braucht nicht bemerkt zu werden, dals unter diesen Inschriften sehr viel echte sich befinden, wie denn mit unglaublicher Naivetät oder Unverschämtheit gar nicht selten die echte und die interpolirte oder nachgebildete falsche Inschrift auf derselben Seite zusammengestellt sind. So folgt unmittelbar auf die bekannte Hadrianische Basis der vie? Roms eine nachge- bildete, dem Vespasian gewidmete (Gud. 87, 10), deren Seiten- flächen die curatores und denuntiatores des vicus Mamurii, dann viele fadr. tignar., fabr. ferr. und fabr. nur. enthalten; die ech- ten Inschriften des Fabius Cilo, des Memmius Vitrasius Orfitus u. a. haben untergeschobne Brüder erhalten, wobei von Ligorius besonders der von ihm offenbar für einen Volksnamen genom- mene Genitiv Populonii gern benutzt ist. Um noch ein Beispiel seiner Fälschungsweise zu erwähnen, erinnere ich an die bekannte Inschrift der magistri fontis des Capitolinischen Museums, welche unter Hinzufügung der Zahlen I und II aufgeführt werden. Li- gorio lälst mit Rücksicht auf diese am Abbange des Coelius ge- gen die piscina publica zu sehr bedeutende Reste der faszi der magistri fontis Lolliani auffinden, welche, so wie ihre ministri nach den CGonsulaten geordnet und mit Zahlen versehen sind, die. von I bis VIII steigen, und zwar so, dafs bald ganze Reihen mit vom 17. Januar 1856. 41 derselben Zahl aufgeführt werden, bald innerhalb der Reihen die Zahlen wechseln. Wie er dabei Falsches mit Echtem mischt, und wie wenig namentlich auch seinen topographischen und Aus- grabungsnotizen zu trauen ist, davon giebt folgender Fall ein passendes Beispiel. Indem er die bekannte Inschrift des ordo cor- poratorum qui pecuniam ad ampliandum templum contulerunt, abschreibt, erzählt er, wie dieselbe zur Zeit des Papstes Julius II. bei Erbauung des Palastes di S. Apostolo gefunden sei. Ligorio mulste natürlich auch wissen, welcher Tempel es gewesen, zu dessen Erweiterung jene corporati beigetragen; er läfst daher an demselben Orte, aufser einem Paar auf die Venus überhaupt be- züglichen Steinen, die bei Gud. 39, 6 abgedruckte Inschrift der Venus placida auffinden, wodurch Alles auf’s Schönste erklärt wird. Abgesehen von diesen, unter den Rubriken der Städte zu- sammengefalsten Inschriften, deren, wenn man Rom ausnimmt, verhältnilsmälsig wenige sind, ist nun aber die grolse Masse nach wirklichen oder fingirten Familien- oder Beinamen geordnet, und zwar ist es dabei Ligorio’s Haupibestreben, das Familiengrab oder die Villa eines solchen Mannes nachzuweisen, meistens an einer der grolsen, von Rom auslaufenden Heerstralsen; woher es kommt, dafs die Ligorianischen Steine so sehr häufig in via Appia, La- tina u.s.w. angeführt werden. Oftmals mochten wirklich exi- stirende Grab- oder Villenreste den Anlafs geben, öfter Alles reine Erfindung sein. Dafs die letztere grofse Unkenntnils ver- räth, ist bekannt; doch ist zu bemerken, dals die gedruckten In- schriften Ligorio’s bereits corrigirt sind, wie denn z. B. der letz- tere mit offenbarer Verkennung des Charakters des Wortes fast nie meritae, sondern auch bei Frauen mit wenigen Ausnahmen immer merito schreibt. Die Götterinschriften als solche sind sel- ten zusammengestellt, sondern meistens, wo sie nicht, wie bei Rom, topographisch geordnet sind, nach dem Namen des Dedi- canten angeführt. Sehr auffallend und schwer zu begreifen ist, dals Ligorio es wagen konnte, bei einer grofsen Mehrzahl seiner Erfindungen nicht blofs die Provenienz, sondern selbst den Auf- » bewahrungsert bestimmt anzugeben, und zwar meistens nicht ir- gend eine abgelegne Vigne, sondern z. B. die Gärten oder die Bibliothek des Cardinals von Carpi, die Häuser Maffei und Mattei, die Gärten des Fabiano de’ Monti u.s.w. Die meisten Bronke- 42 Gesammtsitzung täfelchen, gewöhnlich mit silbernen Buchstaben, für die Ligorio grolse Prädilection zeigt, sollen im Besitz des Dichters Molza aus Modena sein, u.s.w. Was aber die Namen selbst angeht, so sind Ligorio’s onomatologische Ungethüme zu bekannt, als dafs Beispiele anzuführen nöthig wäre. Doch kann ich mich nicht enthalten, zur Verdeutlichung des Verfahrens, das ihn Wahres und Falsches vermischen und darauf wieder seine Fälschungen bauen läfst, wenigstens eines Falles Erwähnung zu thun, der eine bekanntere Localıtät betrifft. Im 7. Bande unter dem Worte Dryopio schreibt er: Dryopio € nome di luogo che fu gia nella via Appia a 3 miglia discosto dalla citta chiamato dal sepulchro di Nonnio Dryopo de la Nonnia fameglia romana, dove egli havea la sua possessione, u.$. w., wozu dann die Inschrift Gud. 21, 6 eitirt wird, obwohl dieselbe einen L. Annius, nicht einen Non- nius, Dryopus nennt. Es ist wohl klar, dals Ligorio hier das be- kannte Triopeum des Herodes Atticus im Sinne hatte, aber in der Erinnerung daraus ein Driopium oder Dryopium machte, dem zu Liebe dann wieder eine Inschrift verfertigt wurde. Aufser diesem Hauptwerke nun, in welchem aber, wie der oben angeführte Titel genugsam andeutet, die Inschriften nur als Hülfsmittel dienen, keineswegs selbst Zweck sind, besitzt das Tu- riner Archiv noch folgende andre Werke desselben Verfassers: Band 19: 46ro XAIIII di P.L. ecc., nel quale si contiene delle piü chiare fameglie romane la particolar dichiaratione delle cose fatte et applicate ai soggetti sculpiti nelle loro medaglie. Das Buch enthält ziemlich viele Inschriften von derselben Gattung mit den früheren, doch in geringerer Anzahl, als der Titel erwarten läfst; dagegen sind die Abbildungen von Münzen ungemein zahl- reich und vortreffiich dem Anscheine nach gezeichnet; über ihre Echtheit mögen Andre entscheiden. Band 20: Zibro 0 vero trattato dell’ antichita di P.L. ece., nel quale si dichiarano alcune famose ville, et particolarmente della antiea citta di Tibure et di aleuni monumenti. Eine grofse Anzahl von Inschriften aus Tibur und der Umgegend, so wie von den dort mündenden Strafsen, ist beigegeben, wie überall Echtes mit Falschem gemischt. Band 21 und 22 enthalten die Bücher XXVII bis XXXVI (deren letztem jedoch die Zahlbezeichnung fehlt), betreffend die | | \ vom 17. Januar 1855. 43 Kaisermünzen von Caesar bis auf Anastasius herab, wiederum mit sehr geschickt gezeichneten Münzabbildungen; Inschriften sehr selten. — Folgen sodann in Band 23: 4dro XLIIII dell’ effigie d’alcuni antichi heroi et huomini illustri, di philosofi, d’oratori, gran capitani et de li primi inventori dell’ arti che giovano ai mortali, mit den Abbildungen der Büsten und Hermen derselben, deren jede den betreffenden Namen als Inschrift zeigt. Es schien nicht nöthig, diese Auf- schriften zu notiren, da nicht einmal die Absicht der Täuschung entschieden bervortrit. Wo dagegen ein Künstlername hinzu- tritt, wurde die Inschrift notirt. — Hieran schlielsen sich in dem- selben Bande Z4öro XLY di quelli che hanno visso longo tempo, fra re’, philosophi, oratori, poeti et capitani, et soldati et d’ altra conditione di diverse nationi, und libro XLPT, nel quale sono com- pllati gli auttori antichi che hanno philosophato et scritto delle historie de’ termpi passati, et dell’ arti che giovano alla humana vita, namentlich das letzte wiederum ziemlich reich mit Inschriften ausgestattet. Band 24: Ziöro XLVII, nel quale si tratta del significato del dracone, dedicato al Sg. Francesco Lottino Foiterrano. Asc.; eben so liöro XLVTIII, nel quale si ragiona del significato del dracone ecc., und i/ terzo trattalo della natura del gallo et del basalisco, scritto da P. L. al medesimo, der wohl das Buch XLVIIII bilden soll; das Ganze übrigens ein dünner Band ohne Inschriften, Um so umfangreicher ist Band 25: veierum notarum locupletissima explicatione (sic), quae in antiquis nummis alque monumenlis occurrunt, ‚bezeich- net als Jider L, und Band 26: Ziöro LI delle antichita, ove si tratta de magistrati _ romani raccolli per P. L. ecc. dedicato all’ illustre et eccellente Signor Msg. reod. Benedetto Manzoli episcopo di Regio Lepido. In letzterem Bande sind die Inschriften sehr zahlreich, grofsen "Theils jedoch nur Wiederholungen aus früheren Büchern, nament- lich Römischer, meistens sine loco angeführt. Band 27: enthält Notizen über eine sehr grofse Anzabl Grie- ehischer, Asiatischer und Grofsgriechischer Städte mit vielen an den Rand gezeichneten Münzen, meistens der Kaiserzeit, dagegen f ‚keine Inschriften. Die Nummer des Buches fehlt. ü 44 Gesammtsitzung Band 28: Zbri o trattato de diversi terremoti raccolti da di- versi auttori per P. L., mentre la citta di Ferrara & stata per- cossa et ha tremato per un simile accidente del moto de la terra. Band 29: zrattato di P.L. di alcune cose appartenenti alla nobiltä delle antiche urli et massimamente de la pittura, de la scoltura et dell’ architettura, et del bene et del male che s’ ac- quistano coloro, i quali errano nell arte, et di quelli che non sono de la professione che parlann troppo per parere dotti di quei che non sanno, et detrattando altrui se istessi deturpano,. Band 30: Zeichnungen Ligorio’s, theils eigene Compositio- nen, theils nach Antiken und anderen Kunstwerken. Natürlich enthalten die drei letzten Bände nichts Inschriftliches. Hinsichtlich des Äufseren dieser Manuscripte bemerke ich, dafs sie mit fester, sehr deutlicher Hand sehr regelmälsig geschrie- ben sind, die Inschriften mit Majuskeln und mit Beibehaltung der Zeilenabtheilung, die nur selten vernachlässigt wird. Aufser den zahlreichen Münzabbildungen der letzten Bände sind Zeichnungen selten, und immer nur architektonische Auf- und Grundrisse. Häufig sind Lücken gelassen von halben und ganzen Seiten, oft von meh- reren Blättern, so dafs es scheint, der Verfasser habe sich Zusätze vorbehalten. Dafls ich den nichtepigraphischen Artikeln, den lan- gen Abhandlungen über Tugenden und Laster, oder Schönheit, über geographische oder historische Gegenstände, Schiffswesen und ähnliche Dinge, welche die Hauptmasse jener antiquarischen Encyklopädie bilden, keine Aufmerksamkeit zugewandt, wird man mir nicht verdenken, da es sich ja für uns nur um Ligorio als Epigraphiker handelt. — Die Paginen sind, wenige Bände ausge- nommen, nicht numerirt. Es mufs jetzt fernerer Untersuchung vorbehalten bleiben, zu ermitteln, in wie weit durch Ausbeutung der Turiner Manuscripte Ligorio überhaupt beseitigt ist. Aufser den hier aufbewahrten Werken existiren noch andre, welche ohne Zweifel auch Inschrif- ten enthalten, die den hiesigen fremd sind. Ich erinnere an die zahlreichen monströsen Göttergestalten, welche bei Muratori, Boissard, Montfaucon auf Ligorio’s Autorität gegeben werden; aufserdem finde ich auch irgendwo in den hiesigen Handschriften ein Buch über die Namen der Gräber bei den Alten citirt, das hier nicht vorhanden ist. Die Römische Sammlung von Ligo- vom 17. Januar 1856. 45 rischen Werken ist nur eine Abschrift des hiesigen Hauptwerkes, welche man der Königin Christine von Schweden verstattete. Aber in Neapel befinden sich 10 Bände Ligorischen Machwerks, nämlich, nach einer hiesigen Notiz: Vol. 1. libri I. II. III. delle medaglie de’ Greci. „» 2. .. VIIII. di alcune varietä di vestimenti di re e di magistrali romani, di prwati e di altre usanze di di- versi popoli. » 3: 1.X. di alcune cose sacre ed immagini, ornamenti delli dii dei gentili, et delle loro origini, et di chi prima le moströ al mondo simbolicamente adorarli et riverirh. »„ 4 XIX. di pesi et delle misure varie di diverse nazioni, et di vasi et navi appartenenti all’ uso umano. » 9 LAXX. del significato ed immagini delle medaglie fatte sotto dei re et nella repubblica romana, et solto li im- peratori ecc. » 6. KXXU-XXVPI. de danari stampati sotto de Cesari e degli imperatori Augusli. Vol. 7. 1. XXXUI- XXXVIl. delle iserizioni di statue tanto di dei, come di eroi et altri homini illustri con altre cose diverse secondo le occasioni delle dedicazioni fatte da di- verse condizioni d’ homini. “ 8. LXXAXIX. di alcuni epitafi delle antiche memorie di se- polecri. » 9. LXXXX. di alcune immagini di fiumi et di fonti, et par- ticolarmente dei nomi d’ essi, et di loghi et altre cose di memoria degne presso diverse nazioni. „» 10. 2. XLVIIN. di diversi costumi delle genti usati in sep- pellire i morti. Ein Vergleich mit dem über die Turiner Mss. Mitgetheilten _ genügt, zu zeigen, dals es sich hier um eine ganz verschiedene Serie Ligorischer Werke handelt, in die jedoch Theile der an- re übergegangen sein mögen, wie z. B. die numismatischen. _ Aulserdem wird es nöthig sein, in Florenz und Paris nachzufor- schen; in letzterer Stadt sollen zwei Bände gleicher Art vor- handen sein. Turin, 26. October 1855. W. Henzen. 46 Gesammtsilzung B:; Relazione dei lavori fatti dal sottoseritto per il Corpus Inscriptionum Latinarum dal Noye. 1854 a tutto Ottobre 1855. Nella relazione precedente fü indieato lo scopo principale al quale furono diretti i primi lavori intrapresi nei codici epi- grafici della Vaticana, quello cioe di fornire al pit presto i documenti necessarii a chi dovra occuparsi nell epigrafia delle provineie oltramontane ed oltramarine. Qhuesto scopo & stato quasi interamente raggiunto per i lavori continwati dal No- vembre al Maggio, epoca della partenza del Sig’. D’. Henzen da Roma alla volta della Germania. Furono consegnati al suddetto signore dal sottoseritto gli estratti di quasi tutti i codici epigra- fiei vaticani contenenti iscriziom oeltramontane; ed in questa parte rimangono forse soltanto a fare alcuni estratti nel codice 5237 di Aldo Manuzio. Le quali traserizioni e confronti erano giä in gran parte preparate fin dal Novembre 1854, e perciö ne fü dato minuto conto nella precedente relazione. Il prineipalissimo fra i lavori compiuti in quest’ anno & stato I’ esame generale e lo spoglio di tutte le schede epigra- fiche di Gaetano Marini; impresa importantissima, ma anche assai difficile ad eseguire, perche disperse quelle schede in oltre a cento grossi volumi delle carte sia autografe sia possedute da quel sommo archeologo, non ancora definitivamente ordinate e numerate nella Vaticana. Le copie d’ iscrizioni rinvenute in queste schede, fatte dal Marin medesimo o communicategli dagli amici, superano facilmente le quattro mila, le quali sono state tutte dal sottoscritto tolte ad esame, e fatte trascrivere per in- tero almeno in due terze parti, delle rimanenti dove & stato op- portuno trascritte le indicazioni topografiche, od altre utili av- vertenze. Cosi quest’ immenso apparato epigrafico necessario alla compilazione del nostro Corpus, segnatamente per le iscri- zioni di Roma e d’ Htalia, & stato tutto e in breve tempo esau- rito per la cortese liberalita dei Superiori della Biblioteca Vati- cana, i quali hanno concesso al sottoscritto le facolta pit larghe ed ogni commoditä di usare a suo pieno arbitrio di quelle schede; senza la quale libertä, nello stato in che presentemente vom 17. Januar 1856. 47 giaceiono le carte del Marini sarebbe stato vano lo sperare di poterne compire in breve tempo l’ esame. Resta pero ad esami- nare e spogliare tutta la corrispondenza epistolare, che ebbe quel sommo con i maggiori letterati dell’ etä sua, composta di quasi tre mila lettere contenenti molte notizie epigrafiche; le quali let- tere ha giä il sottoseritto ordinate per uso della Biblioteca Va- ticana, e ne ha giä fatto un primo esame che servira di base allo spuglio suddetto. Sono inoltre comprese fra le carte del Marini non poche schede epigrafiche di autori pit antichi da lui raccolte e possedute; fra queste sono state gia esaminate, e per quanto era necessario trascritte le schede di Monsig!. Reggi che fü prefetto della Vaticana (fascicolo in foglio di circa 40 pa- gine), e rimangono sopra tutto a traseriversi o collazionarsi le schede del Suarez, dell’ Olstenio, dell’ Ughelli, e di altri, giä Barberine ora Mariniano-Vaticane, trascritte fino ad ora soltanto nella parte che riguarda i monumenti oltramontani. Il grande lavoro compiuto in quest’ apparato ha giovato mirabilmente ad abbreviare e perfezionare quello che si dovea fare sui marmi originali esistenti in Roma. Le copie trascritte dalle carte del Marini sono state in molta parte dal Sigr. Dr. Henzen collazionate coi marmi del Museo Vaticano, e dal setto- scritto con quelli che sono sparsi in moltissimi palazzi ville e chiese di Roma. Viceversa gli esemplari fatti sui marmi origi- nali delle iscrizioni tutte del museo Capitolino, della VillaAlbana, e della raccolta del Monastero di S. Paolo sono stati collazio- nmati cogli autografi del Marini; il quale quasi controllo ha mi- rabilmente giovato a far conoscere molti luoghi dubbü o difh- _ eili, che richiedevano una seconda revisione de’ monumenti is- tess. Dopo ciö tutta la parte traseritta dell’ apparato mariniano * stata posta a confronto coll’ intera massa delle iscrizioni giä da noi trascritte sulle lapidi originali di Roma, e cosi sono state _ eliminate le numerose inevitabili ripetizioni di copie d’ una iscri- zione medesima, e riunite in una sola scheda le notizie varie rac- . eolte da schede diverse, ed infine segnate le varianti dei variüi esemplari. Oltre le schede autografe del Marini sono state esaminate e gliate quelle anche del Giovenazzi e del Lupacchini, prezio- ime soprattutto per l’ epigrafia napoletana, e se ne & fatto 48 Gesammisitzung un fascicolo di emendazioni ed appendici alle iscrizioni napole- tane del chiarissimo collega Mommsen. In fine giunta in Roma da Venezia l’ intera copia del codice di Pietro Sabino che il sottoscritto ivi scopri nella Marciana nel 1853 fü posta mano a confrontarla coll’ esemplare Vaticano Ottoboniano No 2015. Il quale bench® in molta parte assai meno perfetto del codice veneto & stato perö trovato contenere moltissime iserizioni che in quello mancano, e queste sono gia state tutte trascritte e@ compiuta la collazione de’ due esemplari. Dalla Magliabecchiana di Firenze ha ricovuto il sottoscritto la copia intera di Fra Giocondo, e ne ha tosto tentato il con- fronto coll’ esemplare giä Borgiano oggi di Propaganda; ma ri- . conosciuta la necessitä di far questa collazione non sul Borgiano, che ® corrottissimo, ma sull’ esemplare conservato in Verona nella Capitolare, ha dismesso l’ impresa, attendendo che I’ Accademia vogli provvedere al necessario esame del manoscritto veronese, Si ommettono per brevita parecchi lavori di non molta mole fatti in codici e schede varıe, come a cagion d’ esempio lo spoglio del codice vaticano 6438 di Giacomo Grimaldi, quello delle schede autografe del Galletti possedute dal sottoscerittio ed altri di simile natura; ma non debbe ommettersi la copia fatta di tutte le schede trasmesse al sottoscritto medesimo dall’ Ate- neo di Brescia, contenenti la silloge di tutte le iscrizioni bre_ sciane in numero di circa 900. Questi sono ı lavori fatti eseguire da abili amanuensi nei manoscritti, e per quanto spetta ai codici e schede della Vati- cana tutti gia collazionati ed emendati dal sottoscritto. Sui marmi originali oltre le iserizioni dei musei Capitolino e Vati- cano con immensa fatica trascritte dal chiarissimo collega Sig!. D' Henzen ha il sottosceritto copiate quelle della villa Albani, della villa Altieri, e di moltissime altre ville e luoghi sia della cittä sia del suburbano di Roma, ha inoltre pienamente esaurito la ricca epigrafia dei paesi tutti che sono da Palestrina infino ad Anagni, finalmente ha ottenuto dalla provvida cura dei superiori che l’ immenso numero delle iscrizioni de’ Magazzini vaticani, le quali da pochi anni in quä giacevano accumulate in modo che era impossibile il trascriverle e lo studiarne e riunirne i fram- menti, siano state trasferite al museo Lateranense, e disposte in vom 17. Januar 1856. 49 sale, dove potranno commodamente essere esaminate e trascritte; esame € trascrizione gia cominciata. Da ultimo tutte le schede d’ ogni genere preparate da am- bedue i colleghi residenti in Roma tanto nel corrente quanto nello scorso anno sono state dal sottoscritto, durante l’ assenza del Sig‘. D'. Henzen, rivedute e dove faceva d’ uopo emendate ed annotate, ed infine coll’ ajuto d’un amanuense provvisoria- mente classificate nel modo che si. & stimato piü utile allo stato presente dell’ impresa. Il loro numero ammonta a quasi otto mila, delle quali circa cinque mila trascritte dai marmi originali. Roma, 8. Novembre 1855. Giovanni Battista de Rossi. An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Silliman, The American Journal of science and arts. Vol.20. no. 60. New Haven 1855. 8. Bulletin de la societe geologique de France. 'Tome XII, feuilles 33—43. Paris 1855. 8. Athenaeum frangais. Annee V,no. 2. Paris 1856. 4. JolyetLeymerie, Memoire sur les Nummulites. (Toulouse 1855.) 8. Nova Acta regiae societatis scientiarum Upsaliensis. Seriei III. vol. 1. Upsaliae 1855. 4. Sebastian Englerth, Dr Gall’s Weinveredlung und die Ansicht der Chemiker darüber. Würzburg 1855. 8. ————, Deutscher Weinbau und Weinhandel. Würzburg 1849. 8. (Mit Begleitschreiben des Verfassers d. d. Randersacker bei Würz- 3. burg 5. Januar 1856.) ZA, Mühry, Die geographischen Verhältnisse der Krankheiten. 1. Theil. Leipzig 1856. 8. (Mit Begleitschreiben des Verfassers d. d. Göt- tingen 6. Jan. 1856.) Th. Mommsen, Die Stadtrechte der lat. Gemeinden Salpensa und Ma- laca. Nachtrag. Leipzig 1855. 8. Tabellen und amtliche Nachrichten über den preufsischen Staat für das Jahr 1852. Herausgegeben von dem Statistischen Büreau zu Berlin. Berlin 1855. folio. (Mit Begleitschreiben des Hrn. Geh. O.R. R. Dieterici vom 15. Jan. 1856.) - [1856.] A 50 Öffentliche Sitzung vom 24. Januar 1856. Aufserdem wurden unter anderem vorgelegt: Ein Schreiben des Hrn. Senonär in Wien v. 30. Dec. 1855 in Betreff des Bianconi’schen Repertoriums. Ein Schreiben des Hrn. Gust. Crusell von St. Peters- burg 10. Dec. 1855 in Betreff seiner Pyrokaustik, nebst einer i dazu gehörigen handschriftlichen Abhandlung. , Ein Schreiben des Hrn. Will. Hooker von Kew Green 48. Dec. 1855 betr. seine Ernennung zum Ehrenmitgliede der Akademie. 94. Januar. Öffentliche Sitzung zur Feier des Jahrestages Friedrichs II. Hr. Ehrenberg hielt als Vorsitzender die Festrede, welche als Beilage abgedruckt ist. Hierauf gab derselbe den Statuten gemäls die Personalveränderungen an, welche seit der letzten Sitzung am gleichen Festtage in der Akademie stattgefunden haben. Hr. Müller hielt alsdann einen längeren Vortrag über die Fische, welche Töne von sich geben, und über die Entstehung dieser Töne. ı 31. Januar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Steiner las über die Flächen dritten Grades. Die höheren algebraischen Flächen sind rücksichtlich ihrer charakteristischen geometrischen Eigenschaften noch wenig er- forscht. Aus den langjährigen „Untersuchungen über diesen Gegenstand wird ein Theil derjenigen Resultate mitgetheilt,, die sich auf die Flächen dritten Grades beziehen. Es ist daraus zu sehen, dafs diese Flächen fortan fast eben so leicht und einläfslich zu behandeln sind, als bisher die Flächen zwei- ten Grades. Von den schönen Eigenschaften der erstern mö- gen hier, in gedrängter Kürze, nachstehende angeführt werden. Zuerst werden mehrere verschiedene Erzeugungsarten der‘ Flächen dritten Grades gezeigt, aus welchen die wesentlichsten‘\ Eigenschaften dieser Flächen unmittelbar hervortreten, und wo-- von folgende die beachtenswerthesten sind. Gesammtsitzung vom 31. Januar 1856. 51 I. Durch die 9 Geraden, g, in welchen die Flä- chen zweier beliebigen gegebenen Trieder einander gegenseitig schneiden und durch irgend einen ge- gebenen Punkt, P, ist eine Fläche dritteu Grads, f’, bestimmt. Nämlich jede durch den Punkt gelegte Ebene schneidet die 9 Graden in 9 Punkten, welche mit jenem zu- sammen irgend eine Curve dritten Grads bestimmen, und der Ort aller dieser Curven ist die. genannte Fläche, — Unter den 9 Geraden g giebt es sechsmal drei solche, welche einan- der nicht schneiden, und welche also ein Hyperboloid bestim- men; jedes dieser 6 Hyperboloide schneidet die Fläche f? noch in drei neuen Geraden, so dals also dieselbe 27 Ge- rade enthält. Rücksichtlich der zwei Schaaren Gerade, die jedes Hyperboloid enthält, gehören die je drei bestimmenden Geraden zur einen und die drei neuen Geraden zur andern Schaar, diese drei schneiden also jene, aber einander nicht. II. Werden ein gegebener Flächenbüschel zwei- ten Grads, B(f?), und ein gegebener Ebenenbüschel, B(E), projectivisch auf einander bezogen, so erzeu- gen sie irgend eine Fläche dritten Grads, f’, welche durch die Grundcurve, R*,') desersten, so wie durch die Axe, g, des andern Büschels geht; d.h. alle Kegel- schnitte, C?, in welchen die einzelnen Flächen zweiten Grads, f’, von den ihnen entsprechenden Ebenen, E, geschnitten wer- den, ?) liegen in einer Fläche dritten Grads, Dabei giebt es fünf Ebenen E, welche die ihnenentsprechenden Flächen f? berühren, so dals der zugehörige Kegel- sehnitt C? in zwei Gerade, g, zerfällt, u. s. w. "1 — *) Das heifst, die Raumcurve Aten Grads, die der gemeinsame Schnitt aller Flächen des Z(f?) ist. _ *) Die projectivische Beziehung der gegebenen Büschel geschieht un- ern anderm dadurch, dafs man in irgend einem Punkte ? der Curve R* an € Glieder des Flächenbüschels Z(f*) Berührungsebenen Z, legt, die ei- nen Ebenenbüschel A(Z,) bilden, diesen sodann mit dem gegebenen Ebe- enbüschel 3(E), durch willkürliche Annahme von drei Paar sich entspre- öhender Ebenen, Z und Z,, projeetivisch bezieht und nachher an Stelle je- er Ebene Z, diejenige Fläche f? nimmt, welche sie berührt. 4 . 52 Gesammtsitzung III. Ist ein Flächenbüschel zweiten Grads, B(f’), gegeben, so ist diePampolare jedes beliebigen Pols, P, in Bezug auf denselben irgend eine Fläche drit- ten Grads f?, welche stets durch die Grundcurve R* des Büschels und auch durch den Pol geht. Das heilst, der aus dem Pol P jeder Fläche, f?, des gegebenen Büschels umschriebene Kegel berührt sie längs eines Kegelschnitts C? und alle diese Kegelschnitte liegen in einer Fläche dritten Grads f’; die Ebenen der Kegelschnitte, als Polarebenen des R Pols in Bezug auf die respectiven Flächen des Büschels, gehen sämmtlich durch eine bestimmte Gerade, g, welche auch in der 3 Fläche f? liegt. Der gegebene Flächenbüschel enthält insbe- sondere vier Kegel, wie Poncelet zuerst gezeigt hat, für jeden derselben zerfällt der genannte Kegelschnitt C? in zwei Ge- rade, g,, die sich im Scheitel des Kegels kreuzen nnd mit je- ner Geraden g ein Dreieck bilden; auch bei derjenigen Fläche des Büschels, welche durch den Pol P geht und daher daselbst von ihrer Polarebene berührt wird, zerfällt der Kegelschnitt N C? in zwei Gerade, g5, die sich im Pol kreuzen und gleich- falls mit jener Geraden g ein Dreieck bilden; dies sind zusammen bereits 11 in der Fläche f? liegende Gerade. Durch jede der beiden zuletzt genannten Geraden g, lassen sich vier solche Ebenen legen, welche die Grundcurve R* des Büschels berühren, und jede dieser Ebenen schneidet die Fläche f? in zwei neuen Geraden, die sich im Berührungs- punkt (der Ebene mit der Curve) kreuzen, was mit jenen zu- sammen 27 in der Fläehe f? liegende Gerade ausmacht. IV. Sind irgend drei Flächen zweiten Grads ge- geben, so schneiden sich die drei Polarebenen jedes Pols P in Bezug auf dieselben, im Allgemeinen, in je einem andern Punkte ?P,; bewegt sich der Pol P in einer beliebigen gegebenen Ebene, so be- schreibt der Punkt ?P, irgend eine Fläche dritten Grads. Oder: Denkt man sich alle Flächen zweiten Grads, welche durch beliebig gegebene sieben Punkte gehen, so liegen die irgend einer gegebe- nen Ebene in Bezug auf dieselben entsprechenden Pole sämmtlich in einer Fläche dritten Grads. Die vom 31. Januar 1856. 53 vielen weitern interessanten Umstände, welche dabei noch stattfinden, müssen hier übergangen werden. Aus diesen Entstehungsarten — und weiterhin durch Hülfe einiger Polaritäts-Sätze — ergeben sich nachstehende merkwür- dige Haupteigenschaften der Flächen dritten Grads. „Eine allgemeine Fläche dritten Grads f? ent- hält 27 gerade Linien g (reelle oder imaginäre); jede derselben wird von 10 der übrigen geschnitten, und zwar von fünfPaaren die einander selbst schnei- den, so dals sie mit jener fünf Dreiecke bilden. Alle 27 Geraden g schneiden sonach einander zu zweien in 135 Punkten Ö und bilden im Ganzen 45 Dreiecke A. Die fünf Paar Schnittpunkte, Öö, in je- der Geraden, g, gehören zu einem Involutions- Punktensystem; ist dasselbe hyperbolisch, so ent- hält es zwei Asymptotenpunkte (Doppelpunkte) =. Die Seiten jedes Dreiecks A enthalten entweder 1° alle drei hyperbolisches, oder 2° nur eine hyper- bolisches und zwei elliptisches Punkten-System.” Oder umfassender: Es giebt 27 verschiedene Systeme von solchen Ebenen, E, welche die Fläche f? in Kegelschnitten, C?, schneiden, und zwar bestehen dieselben aus 27 Ebenenbüscheln, B(E), welche die 27 Geraden g re- spective zu Axen haben; und umgekehrt, jede Ebene, | welche die Fläche f’ in einem Kegelschnitte schnei- | det, schneidet dieselbenothwendignoch in einer der 27 Geraden und gehört zu einem der Ebenenbüschel. Die Schaar Kegelschnitte, C?,die den Ebenen eines und desselben Ebenenbüschels angehören, schneiden dessenAxe,g,in demgenanntenPunkten-System; jede Ebene ist als eine die Fläche f’ doppelt berührende anzusehen, und die Schnitte ihres Kegelschnitts mit derAxeals die Berührungspunkte; unter den Kegel- schnitten giebt es insbesondere zwei, C;, welche die Axe berühren, und zwar inden genannten Asympto- tenpunkten m; ferner giebt es fünf Kegelschnitte, die in je zwei Gerade g zerfallen, so dals die zuge- 54 Gesammtsitzung hörige Ebene die Fläche f? in drei Punkten be- rührt, nämlich in den Ecken des in ihr liegenden Dreiecks A. Die Ebenen der 45 Dreiecke A sind die ein- zigen, welche die Fläche f? in drei Punkten berühren. ] Es giebt ferner 45 Systeme von solchen Flächen zweiten Grads, f?, welche die Fläche dritten Gradsf’ injedreiKegelschnitten C? schneiden; jedem Dreieck A entspricht ein solches System, nämlich jede drei Ebenen, diebeziehlich durch dessen drei Seiten ge- hen, enthalten drei solche Kegelschnitte C?, durch welche allemal irgend eine Fläche zweiten Grads geht; und umgekehrt: Hat eine Fläche zweiten Grads /” mit der Fläche dritten Graäs f? irgend drei Ke- gelschnitte gemein, so gehen die Ebenen derselben jedesmal durch die drei Seiten eines der 45 Drei- ecke A; oder geht eine Fläche f? durch zwei in der Fläche fliegende Kegelschnitte, so schneiden sich beide Flächen allemal noch in irgend einem dritten Kegelschnitt und die Ebenen der drei Kegelschnitte gehen durch die drei Seiten eines und desselben Dreiecks A. Die Seiten jedes Dreiecks A werden von den vorgenannten besondern Kegelschnitten C5 in ihren Asympto- ten-Punkten = berührt; die drei Paar oder sechs Asymp- toten-Punkte liegen zu drei und drei in vier Ge- raden, Z, und durch die je drei zugehörigen Kegel- schnitte C5 geht ein Kegel zweiten Grads, fo, wel- cher die Ebene des Dreiecks längs der zugehörigen Geraden / berührt, und die Scheitel aller vier Ke- gelliegen in einer neuen Geraden. Aufserdem ent- hält das dem Dreieck entsprechende Flächensystem zweiten Grads, f?, noch unendlich viele Kegel; ihre Scheitel lie- gen sämmtlich in einer Fläche vierten Grads. Die drei Kegelschnitte C?, durch welche je eine Fläche zweiten Grads f? geht, können insbesondere auch aus drei Paar Geraden g bestehen, wobei dann die Fläche ein einfaches Hyper- boloid, AR?, ist. Nimmt man von den 27 Geraden g ir- gend drei, welche einander nicht schneiden, so be- stimmen sie ein solches Hyperboloid, denn dasselb vom 31. Januar 1856. 55 schneidet die Fläche f?’ allemal noch in drei andern Geraden g, welche jene drei treffen, aber einander nicht. „Es giebt im Ganzen 360 solche Hyperbo- loide A?; jedes der 45 Systeme Flächen zweiten Grads enthält 48 derselben, und jedes Hyperboloid kommt in 8 verschiedenen Systemen vor.” Wählt man von den 45 Dreiecken A zwei solche, welche keine Gerade g gemein haben, deren Ebenen sich also in einer andern Geraden, etwa k, schneiden, die ihre Kante heilst, so treffen sich die Seiten beider Dreiecke paarweise auf dieser Kante, in drei Punkten ö. Bezeichnet man die Dreiecke durch A und B, ihre Seiten (die Gerade g sind) beziehlich durch @,@,,a; und 5,2,,d;, so schneiden sich etwa die Paare a und &, a, und ,, a, und 2, auf der Kante A, und sodann sind diese Paare Seiten von drei andern Dreiecken A: adc, a,d,c,, @pbac, oder A,,B,,C,, deren dritte Seiten c,c,,ca, für sich, die Seiten eines sechsten Dreiecks A oder C sind. Die Ebe- nen der Dreiecke 4, B,C bilden ein Trieder, 7, auf dessen drei Kanten %& ihre Seiten einander paarweise schneiden, und ebenso bilden die Ebenen der Dreiecke 4,,2,,C, ein Trieder, 7,, auf dessen Kanten ihre Seiten einander treffen; jene Dreiecke, wie diese, haben die nämlichen 9 Geraden g, oder ma,a; bb,b, cc,c, zu Seiten, und die Flächen beider Trieder schneiden einander gegenseitig in denselben (wie oben I.). Zwei solche Trieder heilsen conjugirte Trieder. „Die Ebenen der 45 Dreiecke A bilden auf diese Weise im Ganzen 240 Trieder, oder 120 Paare con- jugirte Trieder 7 und 7,.” Diese Paare ordnen sich zu drei und drei in 40 Gruppen, wovon jede Gruppe alle 27 Geraden g enthält. j „Jedes Dreieck A kommt in 16 verschiedenen Triedern vor, so dafs also 16 Trieder-Scheitel in seine Ebene fallen; diese 16 Scheitel liegen alle- mal in einer Curve vierten Grads, welche die Seiten des Dreiecks zu Doppeltangenten hat, und zwar dieselben in ihren Asymptotenpunkten = berührt.” G Die 240 Trieder haben zusammen 720 verschiedene Kanten k; also liegen die 135 Schnittpunkte ö der 27 Geraden & ‘ 56 Gesammitsitzung g zu drei und drei in 720 Geraden %, welche sich zu drei und drei in 240 neuen Punkten 7 (Scheiteln der Trieder) treffen. Durch jeden Schnittpunkt ö gehen je 16 Gerade k, wovon jede noch durch zwei andere Schnittpunkte, etwa Ö, und d, (statt ö), geht; nimmt man in jeder derselben einen vierten Punkt, A, so, dals 88, Aö, harmonisch sind, so liegen die 16 Punkte A zweimal zu vier und vier in vier Geraden, und diese 8 Geraden sammt den zwei Geraden g, deren Schnitt jener erste Punkt ö ist, liegen in einem Hyperboloid. Wird durch irgend einen in der Fläche f? liegenden Ke- gelschnitt C? eine beliebige Fläche zweiten Grads, f?, gelegt, so schneidet sie jene Fläche, im Allgemeinen, noch in einer Raumcurve vierten Grads, AR*, durch wel- che allemal unzählige andere Flächen zweiten Grads gehen, oder ein Flächenbüschel zweiten Grads geht; unter diesen Flächen befinden sich 5 solche, welche die gegebene Fläche f? in je einem Punkte berühren, und die Berührungsebenen in diesen fünf Punkten sammt der Ebene jenes Kegel- schnitts C”gehen durch eine und dieselbe Gerade g zudem enthält jede der 5 Berührungsebenen noch zwei andere Gerade g, die sich im Berührungspunkt kreuzen, so dals also jede ein Dreieck A enthält. — Legt man durch irgend zwei einander nicht schneidende Ge- rade g ein beliebiges Hyperboloid, so schneidet dasselbe die Fläche f? aufserdem noch in einer solchen KRaumcurve vierten Grads, At, durch welche keine andere Fläche zweiten Grads geht; diese Curve ist also wesentlich verschieden von der vorigen R*, welche als der Schnitt irgend zweier Flächen zweiten Grads anzusehen ist, und welche man bisher für die einzige Raumcurve vierten Grades hielt. Die beiden Curven unterscheiden sich namentlich noch in folgenden Eigenschaften. „Die Tan- gentenfläche der Curve AR (d.h. die Fläche, in wel- cher alle ihre Tangenten liegen) ist vom 6te Grad und von der 6 Klasse; wogegen die Tangenten- fläche der Curve R* vom 8 Grad und von der 12!“ vom 31. Januar 1856. 57 Klasse ist.” Ferner: „Von den zwei Schaareu Ge- rade, welche in dem durch die Curve RA}; gehenden einzigen Hyperboloid liegen, schneidet jede Ge- rade der einen Schaar die Curve in drei und jede Gerade der andern Schaar nur in einem Punkt; wo- gegen bei jedem Hyperboloid, welches durch die Curve R* geht, jede Gerade aus der einen oder an- dern Schaar dieselbe in zwei Punkten trifft.” „Somit giebt es zwei wesentlich verschiedene Arten von Raumcurven vierten Grads, R* und R}.” Wird der gegebenen Fläche dritten Grads, f?, aus irgend einem Punkte oder Pol ?P ein Kegel umschrieben, so ist der- selbe vom 6!" Grad und berührt die Fläche längs einer Raum- eurve 6'°%* Grads, durch die jedesmal irgend eine Fläche zweiten Grads, f?, geht, welche die erste Polare des Pols ? in Be- zug auf die gegebene Fläche f? heilst. Es giebt unendlich viele solche besondere Pole, deren erste Polare je ein Kegel zweiten Grades, fo, ist, und es findet das Gesetz statt: „dals wenn P, der Scheitel dieses Kegels ist, dann auch seine erste Polare gleichfalls ein Kegel ist, und dals der Scheitel desselben in jenem ersten Pol ? liegt.” Solche zwei Punkte P und P, heilsen reciproke Pole in Bezug auf die Fläche f°. „Der gemeinsame Ort aller reciproken Pole ist eine bestimmte Fläche vierten Grads, P*”, welche die Kernfläche der gegebenen Fläche dritten Grads f? ge- nannt wird. „Die Kernfläche ?? geht namentlich auch durch die Scheitel der obigen 240 Trieder, und zwar sind die Scheitel jedes der 120 Paar conjugirten Trieder T und 7, auch ein Paar reciproke Pole.” Dabei fin- det noch der nähere Umstand statt, dals der Polarkegel f; des Scheitels 7 dem conjugirten Trieder 7, um- schrieben ist, d.h. durch dessen drei Kanten %k geht, und ebenso auch umgekehrt. „Ferner sind auch die zwei Asymptotenpunkte x in jeder der 27 Geraden g ein Paar reciproke Pole ? 58 Gesammtsitzung und ?P,, und zwar wird die Gerade in denselben von E von der Kernfläche P* berührt.” — „Es giebt im Ganzen 10 solche spezielle Pole P, oder P,, deren Polarkegel fy in zwei Ebenen, F und F,, zerfällt, (so dals auch der aus dem Pol der Fläche f? umschriebene Kegel in zwei Kegel dritten Grads und ebenso die Berührungscurve in zwei ebene Curven dritten Grads zerfällt); dabei ist dann der reciproke Pol, ?,, nicht mehr absolut bestimmt, sondern er liegt längs der Schnittlinie oder Kante, pı, der beiden Ebenen überall, so dals für jeden in dieser Kante liegenden Punkt ?, die erste Polare ein Kegel fJ ist, und dals die Scheitel aller dieser Kegel in jenem Pol ?, vereinigt sind.” „Den 10 Po- len P, entsprechen demnach 10 reciproke Gerade p,. „Die 10 Pole sind Knotenpunkte der Kernfläche P* und die 10 Geraden liegen ganz in derselben.” Die gegenseitige Lage dieser Pole und Geraden ist der Art, dafs in jeder Kante p, je drei der 10 Pole liegen, und dafs auch durch jeden Pol ?, je drei der 10 Kanten gehen. Oder genauer: „Die 10 Pole P, und die 10 Ge- raden p, sind die Ecken und Kanten eines vollstän- digen Pentaeders, d.h. es giebt 5 bestimmte Ebenen, Eo, die sich paarweise in den 10 Geraden und zu je drei in den 10 Polen schneiden, und wobei die Schnittlinie je zweier Ebenen und der Schnittpunkt der jedesmaligen drei andern reciprok sind.” Die Kernfläche ?* wird hiernach von jeder der 5 Ebenen E, in je vier Geraden p, geschnitten. Die durch jede Kante >, gehenden, vorgenannten zwei Ebenen F und F, sind zu den zugehörigen zwei Ebenen E, zugeordnet harmonisch. Die zehn Ebenenpaare F und F, haben auch noch interessante gegenseitige Beziehungen un- ter sich. Es giebt nun ferner auch noch solche Pole P, deren Po- larkegel f5 insbesondere Cylinder sind. „Der Ort dieser Pole ist eine auf der Kernfläche liegende Raumcurve 6ten Grads, R°, welche durch die 10 Knotenpunkte 2, ” 1» j A | H i f | es vom 31. Januar 1856. 59 derselben geht” (da deren Polaren, Fund F,, auch als Cy- linder anzusehen sind). „Die Axe, a, jedes Cylinders schneidet die Curve R°® in drei Punkten, und durch jeden Punkt der Curve gehen je drei Axen.” „Der gemeinschaftliche Ort aller Cylinder-Axen a ist eine (geradlinige) Fläche 8 Grads, a°, welche die Curve R® zur dreifachen Linie hat, und in welcher namentlich auch die 10 Kanten p, des vorgenannten Pentaeders liegen.” Mehrere merkwürdige weitere Eigen- schaften dieser Fläche können hier nicht entwickelt werden. Die Kernfläche P* schneidet die gegebene Fläche f? längs einer Raumcurve 12! Grads, R'?, welche für die letztere Fläche sehr charakteristisch ist. Zunächst geht diese Curve durch die 54 Asymptotenpunkte # der 27 Geraden g und berührt sie in denselben, so dals sie also jede Gerade zur Doppeltangente hat. „Sodann scheidet die Curve R’?auf der Fläche f? diejenigen Regionen von einander ab, wo das Krüm- mungsmals positiv und wo dasselbe negativ ist; längs der Curve selbst ist dasselbe Null.” Ferner ist die Curve R'* der Ort aller derjeni- gen Punkte auf der Fläche f’, in welchen die zuge- hörige Berührungsebene die Fläche mit Rückkehr- punkt schneidet, d.h. in einer solchen Curve dritten Grads C? schneidet, welche den Punkt zum Rückkehr- punkt hat, so dals also die Rückkehrtangente, z, der Curve ©? die Fläche f? im selben Punkte osculirt oder dreipunktig berührt. „Der Ort aller dieser Rückkehrtangenten z ist eineabwickelbare Fläche 30% Grads, z°°, welche die Fläche f’ längs der Curve R'? osculirt und die 27 Ge- radeng zu Doppellinien hat, so dalsalso die Schnitt- curve beider Flächen, z?°’ und f?, die vom 90sten Grad sein muls, aus der dreifachen Curve R'? und aus den doppelt zu zählenden 27 Geraden g besteht.” U. s. w. Eine beliebige Ebene, E, schneidet die gegebene Fläche f’ in einer Curve dritten Grads; die der Fläche längs dieser Curve umschriebene abwickelbare Fläche, #, 60 Gesammtsitzung ist vom 12ten Grad und von der 6t Klasse, und ihre Rückkehrlinie (arr£te de rebroussement) ist vom 18!" Grad. Die zweite Polare irgend eines Pols Pin Bezug auf die gege- bene Fläche f? ist eine Ebene, etwa e. „Bewegt sich der Pol P in jener festen Ebene E, so ist die Enveloppe 3? und seiner Polarebene e eine Fläche dritten Grads e nur vierter Klasse '), welche vier Knotenpunkte, Q,, hat, und jener abwickelbaren Fläche & eingeschrie- ben ist; auch ist die Fläche e’ allemal der Kernfläche P* eingeschrieben und berührt dieselbe längs einer Raumcurve bi" Grads R®, in welcher namentlich auch die 4 Knotenpunkte @, sich befinden, so dals also letztere jedesmal in der Kernfläche 2? liegen.” Die Fläche e? heifst die zweite Polare der Ebene E in Bezug auf die gegebene Fläche f?. Dieselbe hat (vor andern Flächen gleichen Grades) die merkwürdige besondere Eigenschaft: dals der aus irgend einem in ihr liegenden Punkte ihr umschriebene Kegel (der für andere Punkte vom 6'“ Grad ist) in zwei Kegel zweiten Grads und in die zugehörige Berührungsebene zerfällt; letztere be- rührt beide Kegel, und diese gehen stets beide durch die vier Knotenpunkte @,. Versetzt man die Ebene E ins Unendliche, so ist ihre zweite Polare e?’ die Enveloppe aller Durchmesser-Ebenen der gegebe- nen Fläche f?; dieselbe behält alle angegebenen Eigenschaften, sie ist den Flächen P? und & einge- schrieben, etc., die letztere, &, ist in diesem Falle eine Art asymptotischer Fläche der gegebenen Fläche f°. Bewegt sich der Pol Pin irgend einer festen Geraden D, so ist die Enveloppe seiner Polarebene e ein Kegel zweiten Grads, etwa d?, welcher die zweite Polare der Geraden D in Bezug auf die gegebene Fläche f? heilst. „Es giebtim Ganzen 100 solche besondere Gerade D,deren zweite Polare sich auf eine Gerade d redu- %) Eine allgemeine Fläche dritten Grads ist von der zwölften Klasse; im obigen Fall wird die Klasse durch jeden Knotenpunkt um 2 erniedrigt, eben so, wie nach Poncelet’s Satz, bei den ebenen Curven die Klasse durch jeden Doppelpunkt um 2 verringert wird. vom 31. Januar 1856. 61 eirt, d.h. wobei jener Kegel d? sich auf seine Axe d reducirt, so dals alle Polarebenen e einen Büschel um dieselbe bilden.” Den 100 Geraden D entsprechen je- doch zusammen nur 25 Gerade d, indem jede der letztern je vier von jenen entspricht. Die 25 Geraden @ bestehen aus den 10 Kanten p, des obigen Pentaeders und aus den 15 Diagonalen desselben. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Archiv für Kunde östreichischer Geschichts- Quellen. XIV, 2. XV, 1. Wien 1855. 8. Fontes rerum austriacarum. Abtheilung I, Band 1. Abtheilung II, Band 8. 9. Wien 1855. 8. Monumenta habsburgica. Abtheilung I, Band 2. Wien 1855. 8. Notizenblatt. Ster Jahrgang, no. 13—24. Wien 1855. 8. Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Mathem. naturwiss. Klasse XVI, 2. XVII, 1. 2.3. Philos. historische Klasse XVI, 2. XVII, 1. 2. Wien 1855. 8. L’Institut. me Section, no, 1144—1147. IIme Section, no. 238. Paris 1855. 4. Athenaeum frangais. Annee V,no.3.4. Paris 1856. 4. Ephemeris Archaeologica, no. 40. Athen 1855. 4. Mittelst Rescripts des vorgeordneten Ministeriums vom 17. Januar 1856. _ Annales des mines. Tome VI. Livr. 2. Paris 1855. 8. Mittelst Re- scripts des vorgeordneten Ministeriums vom 18. Januar 1856. Annales de chimie et de physique. Tome 45. Decembre. Paris 1855. 8. Walzund Winckler, Neues Jahrbuch der Pharmacie. Band 4. Heft 3. 4. Speyer 1855. 8. Neues Lausitzisches Magazin. Band 32. Heft 4. Görlitz 1855. 8. Gemeinnützige Wochenschrift. 5. Jahrgang, no. 53. Würzburg 1855. 8. Mit Circular des Kreiscomites des landw. Vereins für Unterfranken vom 15. Januar 1856. Berichte der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. no. 1—5. Gielsen 1848—1855. 8. Mit Schreiben des Hın. Braun vom 25. Januar 1856. Aroux, La Comedie de Dante. Tome 1.2. Paris 1856. 8. Mit Schrei- ben des Hrn. Verfassers, Paris 9. Dec. 1855. DelaRive, Traite d’electricite. Tome II. Paris 1856. 8. _ Foerstemann, Altdeutsches Namenbuch. Band 1, Lieferung 9. und Band 1 compl. Nordhausen 1856. 4. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers, Nordhausen 25. Januar 1856. 62 Gesammtsitzung vom 31. Jan. 1856. Marignac, Recherches sur les formes cristallines de quelques composes chimiques. Geneve 1855. 4. Plantamour, Aesume meteorologique de lannde 1854 pour Geneve et le Grand Saint-Bernard. Geneve 1855. 8. A. de Longperier, Notices sur les monumens antiques de Ü’Asie. Paris 1855. 78. Brugsch, Nowelles recherches sur la division de lannee des anciens Egyptiens. Berlin 1856. 8. Schacht, Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Gewächse. Theil 4. Berlin 1856. 8. Mit Schreiben des Buchhändlers Hrn. Müller vom 25. Januar 1856. Casopis ceskeho Museum. 1852, 4. 1853. 1854. 1855. Prag 1852—1855. 8. Verhandlungen der Gesellschaft des Museums des Königreichs Böhmen in den Jahren 1851—1853. Prag 1855. 8. Hr. Ehrenberg legte das an ihn gerichtete Erwiede- } rungsschreiben des Hrn. Bar. v. Liebig vom 12. d. M. auf seine Ernennung zum auswärtigen Mitgliede der Akademie vor. Hr. Böckh zeigte an, dafs die bei der Untersuchung des h Uranios betheiligten Mitglieder der Akademie in den letzten 6 Tagen die Unächtheit desselben mit Sicherheit festgestellt ; hätten. Hr. Pertz übergab sein hierauf bezügliches Gutach- ten vom 30. d. M. sogleich zu den Acten. Das Übrige wurde vorbehalten. (Dieser Vorbehalt fand besonders darum statt, weil Hr. Lepsius gewünscht hatte, dals sein Bericht an die Akademie über die bereits am 27. d. M. von ihm entschieden erkannte Fälschung vertagt würde, bis er von seiner zur wei- teren Verfolgung der Sache unternommenen Reise nach Leip- zig zurückgekehrt wäre.) e gegeneie ne re Beilage. Einleitungsrede zur Feier des 4. Januar 1856 von Herrn Ehrenb erg. Alle Frische der Erhebung des Preussischen Staates als gei- stiger Macht ist hervorgetreten seit der Zeit König Friedrichs. und den im gleichen Sinne waltenden Staatsformen seiner Nach- folger. Die Akademie der Wissenschaften feiert durch diese öf- fentliche Sitzung, diesmal gerade am 24. Januar, dem Geburts- tage des grofsen Königs selbst, das Andenken an den segensvol- len Einfluls, welchen dieser Monarch sowohl auf die höchsten wissenschaftlichen Kräfte des Preussischen Staates als auf das ge- sammte Preulsenland auszuüben berufen war und sie feiert es mit den heilsen Gefühlen aufrichtigster Dankbarbeit. König Friedrich II. war nicht der Stifter dieser Akademie der Wissenschaften, welche bekanntlich schon ein halbes Jahr- hundert vorher durch den edlen und hohen Sinn der Herrscher- familie, speciell durch den Einflufs der geistvollen Königin Sophie Charlotte, der genialen Gemahlin Königs Friedrichs I, nach Leib- nitzens Entwurf ins Leben getreten war, aber sehr bald nach dem Tode der Königin in kläglichen Verfall gerieth und darin völlig verkam. Das Verdienst König Friedrichs II. um die Aka- demie besteht darin, dals er den Zweck dieser Stiftung als seiner Königlichen Theilnahme vollständig würdig und für den Staat, den er zu regieren anfıng, ersprieslich erkannte und erklärte, dafs er dieselbe aus der Verkommenheit zog, ihr neue zweckmälsige und zeitgemäfse Einrichtungen und gediegene Kräfte zuführte, . dals er ihre Thätigkeit für reine Wissenschaft dadurch zur ‚Berechtigung und Anerkennung brachte, dafs er selbstthätig in gr Sinne sich an ihr betheiligte. Dieser Ihn selbst und Al- 64 Beilage. les was um ihn war über das gewöhnliche, theils nur formelle, | theils schlaffe Leben erhebende Sinn und Eifer des Königs, wel- cher grundsätzlich den Geist und edlen Sinn über die Form und die Erscheinung stellte, blieb nicht ohne Wirkung auf die übrigen Verhältnisse des gesammten Landes mit Einschluls der j Armee. Wie ein elektrischer Strom durchflog das neue Le- ben das mitten in den Drangsalen des Kriegs opfermuthig ge- bliebene Preufsenvolk so, dafs der König im Jahre 1745 nach dem gewaltigen Siege bei Hohenfriedberg, nicht von der begei- | sterten siegesfreudigen Armee, vielmehr von den bürgerlichen Behörden im heimischen schwerbelasteten Lande zum erstenmale mit dem Namen Friedrich der Grolse begrülst wurde, ein Name, welcher nach mehr als hundert Jahren nicht erloschen ist und dessen hohe Bedeutung, innere Kraft und Berechtigung vor einigen Jahren an dieser Stelle bezeichnet worden ist '). Aber nicht blofs der Name Friedrich der Grolfse lebt im Munde des Volkes und in den Jahrbüchern der Geschichte aller gebildeten Nationen, sondern auch der Name, welchen er ' im Jahre 1750 scherzweise sich in seinen Briefen an den Gra- fen Algarotti und an Voltaire selbst gegeben, der des Philoso- phen von Sanssouci, hat Wurzel für alle Zeiten geschlagen. War auch Friedrich II. kein schulgerechter Philosoph, so ist ihm doch noch in den neuesten Zeiten, wo sein erloschener persön- licher Einfluls keinen Grund zur Schmeichelei mehr bietet, die Anerkennung geblieben und von philosophisch gebildeten Ken- nern Seiner Schriften sogar an dieser Stelle erneuert worden, dals nämlich ein so vielseitig in den philosophischen Systemen bewanderter, in sich klarer und diese Klarheit in das Leben ge- waltig und glücklich einführender Denker in den Reihen der Philosophen zu stehen gar wohl berechtigt erscheine ?). In voller Anerkennung des hohen Verdienstes Ihres Ahn- ‚herrn haben König Friedrich Wilhelm IH. und des jetzt regie- renden Königs Majestät durch grolsartig monumentale Werke der 1) Vergl. die Festrede von 1851 in den Monatsberichten. ?) Vergl. die Festrede von 1854 in den Monatsberichten. Beilage. 65 Kunst und Wissenschaft die hohe Verehrung und den Dank aus- rochen, welche die Königliche Familie und das Vaterland dem weltberühmten Ahnherrn zollen. In anmuthigster, die künf- tigen Geschlechter anschaulich belehrender und begeisternder Ge- ‚staltung ist die Reiterstatue des grolsen Königs aus Rauchs ‚Künstlerhand hervorgegangen und die Herausgabe der Bewunde- ‚rung erregenden eigenen Schriften des Königs geht jetzt ihrer Vollendung entgegen. Sie ist seit ich vor vier Jahren an dieser Stelle den 18. vollendeten Band anzeigte bis zum 27. Bande gediehen. Zwar fehlt es nicht an von Regenten, ungeachtet der sie bin- denden Zerstreuungen und Regierungs-Sorgen, verfalsten Poesien, Tagebüchern und Geschichtsbüchern, auch nicht an Vorschriften und Ermahnungen für ihre Söhne und Nachfolger. Schon alt- orientalische Könige, römische und byzantinische Kaiser hatten \Proverbia, Commentaria und wie es heilst Breviaria, Latercula und Tabularia Caesarum, Exhortationes und Praecepta hinterlas- sen, von denen die meisten verloren, einige erhalten sind. Kai- ser Karl V., König Philipp I. von Spanien und König Jacob I. von England hatten ihren Söhnen, wie man sagt selbstverfalste, Instructionen hinterlassen, doch pflegten solche Schriften einseitig dynastisch abgefalst zu sein, nach Art der Testamente, welche als schriftstellerische Arbeiten und als geistige Denkmäler nicht je bezeichnen sind. Auch der Perserkönig Kjekjawus, angeb- [tel aus dem 12ten Jahrhundert, welcher für seinen Sohn Ghi- lan Schach das in verschiedenen Sprachen gedruckte Königliche \Buch des Kabus schrieb, hat für die orientalischen Verhältnisse zwar gute, für unsere Verhältnisse aber nur triviale Lebensre- \gela hinterlassen, welche weit hinter den Salomonischen Sprü- chen zurückstehen. | Wie ganz anders sind die Schriften Friedrichs des Grofsen! I ist nicht blols ein dynastisches Testament, das sind nicht an . ns E- auch sind es nicht blofs Sentenzen und Sitten- prüche, das ist ein schriftlicher Thaten-Kranz, wie ihn so weit die Geschichte reicht kein geborner Regent in so vielen Mo- | E1856.] 5 66 Beilage. dulationen dargelegt hat. Es ist das reichste Geistesleben eines höchstbegabten legitimen Herrschers und Feldherrn,, verfalst, nicht als voreilige Ausführung einer Theorie, auch nicht erst in der Erschlaffung des nach seiner That gern moralisirenden Al- ters, sondern in der Vorbereitung zur bevorstehenden oder mitten in der frischen That. Von den zartesten Spielen der poetischen Phantasie und der Musik bis zu den schwierigsten Vorlagen transcendentaler Philosophie; von den rückhaltslosen Ergielsungen freundschaftlicher, humoristischer und geselliger stets frischer Mittheilung, bis zu den besonnen klaren geschichtlichen For- schungen, Ermittelungen und Übersichten; von den Kleinlichkei- ten der Theaterwelt bis zu den ernstesten Auseinandersetzungen der Stellung eines Königs, nicht als des Rücksichtslosesten, son- dern als des Edelsten im Staate und seiner Pflichten. Freilich ist ein solcher schriftstellerischer 'Thatenkranz ein um so preis- würdigeres Werk, je erfolgreicher die Thaten waren und wohl kann die Akademie der Wissenschaften bald diese bald jene Seite derselben am Gedächtnilstage des Erweckers des Vaterlandes, ih- res Schutzherrn und Wiederherstellers, den neuen Geschlechtern vor Augen führen. Damit ist keineswegs gesagt, dals die Akademie der Wissen- schaften alle Lebensansichten des grolsen Ahnherrn unseres Kö- nigshauses und die Spitzen seiner Privat-Erkenntnils loben und vertreten möge, obschon zuweilen hat Gelegenheit genommen werden können, den von unrichtigen Gesichtspunkten ausgehen- den Tadel über 'den König, welcher bald seiner theologischen bald seiner politischen Rücksichtslosigkeit, bald auch seiner An- sichten des Privatlebens halber laut geworden, zu berichtigen, so weit sie eben einer Berichtigung zugänglich sind. Der Eindruck der ganzen Erscheinung des Königs in seinem Leben, Wirken und Denken ist, trotz alles, auch des bittersten, selbst des be- gründeten Tadels der Partheien, ein grolsartiger und edler ge- blieben, so dals mit Recht an dieser Stelle es schon ausgespro- chen werden konnte: es überkomme den Redner zum Lobe und zur Vertheidigung des Königs, wegen Schwäche der Anklagen, das Gefühl, als sei eine Vertheidigung gar nicht nöthig'). 1) Vergl. die Festrede von 1849 in den Monatsberichten, auch 1855. Beilage. 67 Wenn es auch nicht nöthig erscheint auf den schon oft wi- derlegten, aber immer neu mit eben so schwachen Gründen und Scheingründen wiederkehrenden, meist auf die streng philoso- phische Richtung sich beziehenden Tadel einzugehen, und wenn ein Redner an dieser Stelle sich nicht berechtigt fühlen kann, über die Schwächen eines im Grolsen edlen Fürsten zu richten, so mag es doch erlaubt sein, einige Blicke auf die Formen und Zustände der Zeit zu wenden, welche für ein Urtheil mafsge- bend erscheinen. Es ist eine gewöhnliche nicht eben löbliche Sitte der jetzi- gen Zeit, dals man, ungeachtet allgemeinerer logischer Ausbil- dung, nicht demgemäls auf logische d. i. philosophische Erwägung der sittlich edelsten Gründe des Handelns eingeht, nach der Art, welche König Friedrich II. zwar, wie alles Menschliche un- vollkommen ist, nicht selbst immer übte, aber als Ehrenziel mit sichtbarem Fleifls sich klar zu machen suchte und anstrebte, und wozu er eben das Mitwirken einer Akademie der Wissenschaften für ersprielslich hielt. Vielmehr zieht man in unserer Zeit es vor, sich in Partheien zu trennen, welche den Verstand der Ein- zelnen leiten, zügeln, vertreten und paralysiren, welche mit fer- tiger Redekunst und deren oft trügerischen aber eindringlichen Schlufsformen und Abstimmungen, gleich den rohen physischen Kräften im Kriege, systematisch kämpfen. Da fällt denn der Sieg bald auf die Seite des Wahren, Guten und Gedeihlichen, bald auf die Seite des Unwahren, Schlechten und Verderblichen, je nach dem Kriegsglück, der List und Abspannung der Kämpfer. Entschieden wird durch solche Kampfart das Gute selten geför- dert und doch würde man unserer Zeit unrecht thun, wenn man nicht mitten in dem verwerflichsten und widerlichsten Partheien- wesen das Wachsen der grolsen Keime der bessern Zukunft in voller Kraft anerkennen wollte. Mit Riesenschritten wachsen die Erkenntnisse der Menschen! Freilich ist das Wort des alt-orien- talischen Weisen, dafs Alles eitel, auch das Wissen des Menschen eitel sei, ein weises und wahres Wort, nur ist es aus der Kind- heit des Wissens. Auch der weiseste einzelne Mensch wird hie und da auf Irrthum und Unrecht befunden, wird geistig über- wachsen und ist leiblich vergänglich. Friedrich I. hat dies nicht 5* 68 Beilage. verkannt. Gerade dadurch unterscheidet er sich von den gleich- stehenden Vorgängern, dals er den Austritt der Menschen seiner Zeit aus dem Kindesalter des Einzelwissens und ihren Eintritt in das Mannes-Alter des Gesammtwissens schon gefühlt und be- griffen hat und dafs er die Gesammt-Erkenntnils, zu welcher das Menschengeschlecht sich historisch entwickelt, nicht für eitel, sondern für heilig, für einen Plan des grolsen Welten-Ordners und der Weltentwicklung angesehen, dafs er sie mit der ganzen Kraft eines Herrschers festhielt und zu befördern strebte. Offen- bar liegt, mehr als je, auch heut ein vielseitig rege gewordenes grolses nachdrückliches Streben zur allgemeinen, guten, unaufhalt- samen Entwicklung vor uns, welches, nur durch Erregtheit, Un- klarheit und Egoismus vieler der Betheiligten und durch rasche- res Schwanken im Fortrücken, dauernd jene Unruhe hervorbringt, welche die Gemüther drückt. Im Gebiete der Wissenschaften liegt eine grolse Quelle der Meinungsverschiedenheiten,, der Zerwürfnisse und des Irrthums nur in Nebenverhältnissen. Die Verwaltungen der verschiedenen Länder verlangen von Männern, welche sich zu Staatsämtern heranbilden, und darin erhalten wollen, dafs sie durch Druck- schriften womöglich jährlich ihre fortdauernde Befähigung bezeu- gen. Die übergrofse Zahl der Bewerber bedingt fort und fort eine übergrolse Zahl von Druckschriften, welche nicht das Er- zeugnils des inneren Dranges der Mittheilung reif gewordener Früchte des Fleilses, vielmehr die künstlich erweckte Kraftäusse- rung dialektischer Fähigkeiten sind. Die Preisrichter haben sehr selten Zeit und Lust, auch keine Verpflichtung, in die Einzelhei- ten einzugehen. Sie prüfen die Übersicht und Klarheit der Sprache und wägen das Buch dann nach dem Gewicht. Über die innere Berechtigung der dialektisch künstlichen Schrift bleibt jeder Fernstehende im Zweifel. Nach einer Reihe von Jahren erscheinen dann von Zeit zu Zeit wohlbegründete Klagen über die unabsehbar wachsende Büchermasse und die Unzuver- läfsigkeit der Schriftsteller, veranlasst durch — die Verwaltungen der Länder. Druckerei und Buchhandel gedeihen und viele Schriftsteller verdienen sich Geld, wenn die sparsam aber mannichfach hervor- Beilage, 69 tretenden neuen Erkenntnisse der geistvoll Ernsten ihrer Zeit rasch mit Anmerkungen versehen und in Volks- und Schulbüchern in verschiedenen Formen und immer neuen Auflagen mitgetheilt werden. Über jeden kleinen Zweig aller einzelnen Wissen- schaften kann nach Ablauf eines Jahres immer eine gröfsere oder kleinere Summe gesammelter neuer Betrachtungen mit einigen Folgerungen daraus zugefügt werden. Wer seinem neuen Sam- melbuche, Handbuche oder Systeme keine neue Form giebt, gilt sofort als Abschreiber, als schwer getadelter Plagiarius, daher muls das unvermeidliche Plagiat versteckt werden, das alte Buch wird durchweg im wörtlichen Ausdruck ein neues mit veränder- tem Autor. Solche nothwendig veränderte Nüancirungen der Darstellung, nicht aus wissenschaftlichen, sondern aus Klugheits- gründen, verfälschen nothwendig auch das wissenschaftliche Pro- | blem, dessen richtigster Ausdruck ein einfachster, überall gleicher des ursprünglichen Autors sein sollte, bis neue Erkenntnisse ihn sachlich modificiren. Andererseits bedingen die unberechtigt an- | ders nüancirten Darstellungen ganze Büchermassen als Vertheidi- gungen und Zurechtweisungen. Ferner strebt jede Nation mit besonderer Sprache, auch ohne diese, ehrenhalber nach einer besonderenLitteratur. Übersetzungen ‚ der klassischen Schriften sind nicht ehrenvoll genug. Es wird ‚ allmälig jeder Gegenstand von einem Innländer abgehandelt und das Ausländische auf das Innländische gedeutet, was um so unan- gemessener ist, je verschiedener und unvergleichbarer häufig die Zustände und Thatsachen sind. Frankreich und England haben das Deutsche schon in Französisches und Englisches und unter sich hat jedes wieder sich in das andere, beide sind in Deutsches verwandelt. Nord-Amerika mit einfach englischer Sprache hat bereits mehr als angefangen eine neue eigene Litteratur in allen Zweigen, als ob alles neu zu schaffen sei, sehr oft ohne Kenntnilsnahme von dem Vorhandenen, zu begründen. Dieser grolse vielleicht nicht mehr austilgbare Übelstand ist durch Ver- nachlässigung der durch die Geschichte berechtigten lateinischen Gelehrtensprache und Verlassen derselben von den Philologen selbst zu solchem Umfang erwachsen, während eine, keine Eifer- 70 Beilage. sucht zulassende, todte Sprache nur Eine einzelne Litteratur für: alle Völker anbahnte. Die neue Zeit fügt aus Fanatismus noch eine confessionelle- Litteratur hinzu, römisch-katholische und griechisch-katholische, lutherisch-protestantische und anglikanisch-protestantische Wissen- schaften u. s. w. sind, letztere zumal, schon reichlich ausgestreut und der Fortgang solcher Zustände ist hie und da durch testamenta- rische Fonds einseitig fanatischer Vermächtnilsstifter verbürgt,: welche, bei schwacher Wissenschaftlichkeit, entblölst vom Ver- trauen auf die in immer grölseren Kreisen durch die Generatio- nen fortschreitende Wissenschaft und auf die geschichtliche Ent- wickelung der menschlichen immer vielseitigeren Gotteserkennt- nils, daher geängstigt sind. Alle diese Zustände der Litteratur sind freilich der Tendenz des grossen Königs fern und widerstrebend, denn ein entschie- denes hohes Vertrauen auf die Wissenschaft der Generationen tritt bei ihm mächtig hervor. Hätte König Friedrich II. blofs Bücher geschrieben, um lit- terarisch genannt zu sein, oder um irgend eine Meinung dialek- tisch zu vertheidigen, so könnte an dieser Stelle, vor der Aka- demie der Wissenschaften und gleichsam in ihrem Namen, seinen Schriften ohne besondere Auswahl ein grofses Lob zu ertheilen bedenklich werden und als Schmeichelei erscheinen. Dadurch aber, dafs es mit Fleifs und Anstrengung gepflegte Blüthen eines wohlgereiften, reichen, von einer edlen Idee erwärmten Geistes sind, dadurch, dafs dieselben in den meisten Einzelheiten Erwecker, Begleiter, Regulatoren und Resultate von tief und bildend in die europäischen Staaten und die Geisteswelt eingreifenden Thaten sind, sind dieselben berechtigt und gehören nicht in den Haufen der künstlichen Producte der Eitelkeit, weder der individuellen noch der National-Eitelkeit, der Verwaltungen, des Buchhandels und des Fanatismus. Darum sind sie auch würdig der grolsen Theilnahme der Königlichen Nachkommen wie des gesammten Landes. DI CD as a re EZ j Bir,“ AR in a Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuls. Akademie der- Wissenschaften zu Berlin im Monat Februar 1856. Vorsitzender Sekretar: Hr. Böckh. 4. Febr. Sitzung der physikalisch-mathema- tischen Klasse. Hr. Braun las über die Panicum-Arten mit ge- falteten Blättern. Hr. Klotzsch hielt einen Vortrag über die Stellung der Gattung Ouvirandra in dem natürlichen System. Ouvirandra fenestralis Thouars, eine ihrer skeletartigen Blätter wegen, die des Parenchyms entbehren, ausgezeichnete Pflanze, wie wir dies sonst nur durch das Verfahren der Ma- ceration kennen, an den Ufern flüssender Gewässer auf der _ost-afrikanischen Insel Madagascar zu Hause, ist im vergange- nen Jahre durch den Missionar William Ellis in England le- I eingeführt, im December desselben Jahres bereits im Garten von Kew bei London zur Blüthe gelangt und von Sir z William Hooker in Curtis’s Botanical Magazine (Januarheft von 1856 auf Tafel 4894 abgebildet). Von diesem merkwür- F digen Gewächse, dessen stärkemehlreicher Wurzelstock von den Eingebornen Madagascars geröstet gegessen wird, sagt Sir W. Hooker, dafs es sich so leicht cultiviren lasse, dals ‚man es gleich der Yallisneria spiralis in Glasgefälsen mit etwas lehmhaltiger Erde und Regenwasser, in jedem Zimmerfenster [1856.] 6 72 ‚Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse werde ziehen können. Dieser Umstand bietel dem Pflanzen- Physiologen, wenn er sich bestätigen sollte, die frohe Aus- sicht auf die Erlangung einer Pflanze, deren Blatt- Funktionen % abweichend von denen aller übrigen Gewächse, geeignet zu sein scheint, interessante Untersuchungen hervorzurufen. Ich für mein Theil begnüge mich vorläufig damit, einige” Worte über die Stellung zu sagen, welche die Gattung Ouvi- randra, nebst einer ihr sehr nahestehenden, nämlich: Apono- geton im natürlichen Systeme einnimmt. Beide Gattungen haben das leidige Geschick erfahren, in den verschiedensten Pflanzenfamilien herumgewandert zu sein, bis sie zuletzt von Planchon') im Jahre 1844 zur Constituirung einer besondern Familie benutzt wurden. Nicht des Belags, sondern der Ursache wegen, sehe ich mich genöthigt, auf das Geschichtliche der Wanderungen die- ser beiden Gattungen näher, wenn auch in aller Kürze einzu- gehen, um wiederholt daran zu erinnern, dals die Aufstellung des wahrhaft natürlichen Pflanzensystems, abhängig ist von der genauen Erkenntnils, Würdigung und Werthschätzung sämmt- licher Organe, welche unter sorgsamer Berücksichtigung ihrer Entwicklung den Grad der Verwandtschaften sowohl, wie die Feststellung der Begrenzungrn allein bedingen. Durch Ernst Meyer?) verleitet, wird 4ponogeiton von Bartling,”) Endlicher,*) Lindley°) und von Bunge°) zur Klasse der Piperinen und zur Ordnung der Saurureen, mithin zu den dicotylen Gewächsen gebracht; Ouvirandra hingegen zur Klasse der Helobien und zur Ordnung der Alismaceen, nach Decaisne’) zu den Najadeen, also zu den monocotylen Gewächsen gerechnet. 1) Observations sur le genre Aponogeton et sur ses aflinites naturelles; (Annales des sciences naturelles. Troisieme Serie vol. I, p. 107. ?) de Houttuynia atque Saurureis. Regiomonti 1827, p. 16. ?) Ordines naturales plantarum. Gottingae 1830, p. 84. 4) Genera plantarum secundum Ordines plantarum. Vindobonae 1836 p. 267, n. 1827. 5) Natural System of Botany. London 1836, p. 185. 6) Anleitung zum Studium der Botanik, Leipzig 1844, p. 577. ”) de Lessert, Icones selectae plantarum, v. III, p. 62. vom 4. Februar 1856. 73 Pakenham Edgeworth in Hookers London Journal of Bo- tany, Ster Band p. 402, in einer vorzüglichen Abhandlung, „on Aponogeton and the allied genera” war der erste, der auf die nahe Verwandtschaft dieser beiden genannten Gattun- gen hinwies und dieselben als monocotyle Gewächse consta- tirte, ohne sich mit der näheren Unterbringung im System zu befassen. Adolphe Brongniart „Enumeration des genres de plantes.’’ Paris 1850 p. 26 und p. 78 aber derjenige, welcher die An- und Abwesenheit des Perisperms im Samen der Spitz- keimer genauer würdigte und in seiner 2° Serie die Aperis- permees in zwei. natürliche Klassen, den Örchidaceen und Fluvialen trennt. Zu der letzteren Klasse gehören die Hy- drocharideen, Butomeen, Alismaceen, Najadeen, Aponogetoneen und Lemnaceen. Hr. Poggendorff trug eine Mittheilung des Hrn. Prof. Wöhler zu Göttingen vor über die Darstellung des Siliciums in krystallisirtem Zustande. 7. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Meineke las die Fortsetzung seiner Abhandlung über die Geschichte des Dithyrambus. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Prestel, Tabellarischer Grundrifs der Experimentalphysik. Emden 1856. folio. ‚ Die Temperatur von Emden. ib. 1855. 4. ‚ Das Faporimeter oder die Psychrometer-Skale. Emden 1855. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verfassers d. d Emden 283. Januar 1856. Athenaeum francais. 5”® Annee, no. 5. Paris 1856. 4. Revue archeologique. 12 me Annee, Livr. 10. Paris 1856. 8. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preu/sischen Rheinlande 12ter Jahrgang, 3. u. 4. Heft. Bonn 1855. 8. 5 6* 74 Gesammtsitzungen vom 7. u. 14. Febr. 1856. P. Sabau, Discurso leido en la solemne inauguration de los estudios de la universitad central. Madrid 1854. 8. (2 Exempl.) Heliand oder das Lied vom Leben Jesu, herausgegeben von J. R. Köne. Münster 1855. 8. Im Namen des Hrn. Herausgebers überreicht durch Hın v. Olfers. Hr. Temminck in Leiden hatte unter d. 25. vor. Mon. ein Erwiederungsschreiben auf seine Ernennung zum Ehren- mitgliede der Akademie eingesandt, welches heute vorgelegt wurde. Eu rk en Hr. Lepsius hielt einen Vortrag über den falschen Pa- limpsest des Griechen Simonides, welcher der Akademie von N het Cüs Hrn. Wilhelm Dindorf angeboten und von ihr anfangs zum Ankauf befürwortet worden war. Er erörterte in Überein- stimmung mit der von ihm in den Zeitungen (Vossische Zei- tung vom 8. Febr.; Deutsche Allg. Z. 10. Febr.; Allg. Augsb. Z.11. Febr.) veröffentlichten Erklärung die innern und äufsern, die wissenschaftlichen und technischen Gründe, welche zur Entdeckung des Betrugs, und unter Mitwirkung der K. Preulsi- ' schen und K. Sächischen Polizei zur Verhaftung des Betrügers in Leipzig geführt haben. Den Vortrag gab er zu den Akten der Akademie. Der Vorsitzende übergab zugleich ein mittelst Schreibens des Hrn. Tischendorf in Leipzig vom 5. d. M. zur Vorlegung in der Akademie ihm zugestelltes Exemplar des Dresdner Journals von demselben Tage, enthaltend einen Auf- satz des Hrn. Einsenders über jene Fälschung, auf welchen Hr. Lepsius in seiner oben angeführten Erklärung bereits Rücksicht genommen hatte. 14. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Dirksen las eine Abhandlung, welche betitelt ist: „Der Rechtsgelehrte und Taktiker Paternus, ein Zeitgenosse der Antonine.” vom 14. Februar 1856. 75 Hierauf las Hr. G. Rose über den dichten Borazit von Stasfurt. Im Jahre 1846 wurden aus dem Bohrloche von Stasfurt') als man in einer Tiefe von 797 Fuls zu einem schon sehr mit Steinsalz gemengten Anhydrit, der das Liegende eines 147 Fuls mächtigen, festen, steinsalzfreien Anhydrits bildete, ge- kommen war, grölsere und kleinere Stücke einer Substanz herausgezogen, die im Ganzen Ähnlichkeit mit einem weilsen dichten Kalkstein hatte, aber von Karsten für wasserfreie bor- saure Talkerde erkannt wurde. Nach der Analyse, die er in der Sitzung vom 7. Jan. 1847 der Akademie mittheilte,?) ent- hielt dieselbe EN re u Ed 20, WER 3 1 VO, a re, 2 kohlensaures Eisenoxydul mit Spuren von kohlens. Manganoxydul und von Eisenoxydhydrat 1,03 100,00 Karsten fand ferner ihr specifisches Gewicht zu 2,9134 und ihre Härte zwischen 4 und 5. In verdünnter Salz-, Sal- peter- und Schwefelsäure löste sie sich leicht, und in concen- trirter Flulssäure ohne alle Entwickelung von Wärme auf. Der krystallisirte Borazit von Lüneburg, wenn man an- nimmt, dafs er eine Verbindung von 3 Atomen Talkerde und 4 Atomen Borsäure (Mg? B‘) ist, besteht aus: Talkerde 30,76 Borsäure 69,20 er hat nach Rammelsberg ein specifisches ‚Gewicht 2,955. Diese Zahlen weichen so wenig von den von Karsten gefun- denen ab, dafs letzterer hierdurch sich bewogen fand, das Mi- neral von Stasfurt auch für Borazit und also für eine dichte _ Abänderung desselben zu halten. Später fand Prof. Karsten (der Sohn),’) dafs wenn man fein zerriebene Theilchen des Minerals von Stasfurt auf einer _ Metallplatte über der Spirituslampe erwärmt, sich allerhand ‘) Stasfurt liegt an der Bode, 5 Meilen südlich von Magdeburg. ?) Monatsberichte der Akad. von 1847 S. 19. %) Poggendorffs Ann. 1847 B. 71, S. 243. 76 Gesammtsilzung Bewegungen bemerklich machen, die Theilchen sich von ein- | “ ander schieben und zusammenballen, sich anziehen und ab- stolsen, und sich völlig auf dieselbe Weise wie gepulverte Borazitkrystalle verbalten; er sah daher darin noch einen Grund mehr, das Mineral von Stasfurt für Borazit zu halten. Dafür erklärt sich endlich auch Volger in seiner neuern Schrift über den Borazit,') indem er noch die Schwierigkeit, die für die Identitätsannahme des Stasfurter Minerals mit dem Borazit in der bei weiten leichtern Auflöslichkeit des erstern in Chlor- wasserstoffsäure liegen könnte, durch die Annahme zu heben sucht, dafs sie durch die grolse Feinheit seiner krystallinischen Theilchen hervorgebracht sei. Die Meinung, dafs das Stasfur- ter Mineral Borazit sei, fand nirgends Widerspruch. Indessen lassen sich doch gegen diese Meinung recht wiehtige Einwendungen machen. Schabt man von dem leicht zerreiblichen Stasfurter Mineral mit dem Messer einige kleine Theile ab, und betrachtet sie unter dem Mikroscop, so er- scheinen dieselben keinesweges structurlos, und ohne das ge- ringste krystallinische Gefüge, wie Prof. Karsten bei Beschrei- bung seiner electrischen Versuche erwähnt, sondern als ein Aggregat von lauter prismatischen Krystallen von verschiede- ner Gröfse, die bei 360maliger Vergrölserung eine scheinbare Grölse 'eines Körpers von 1 bis 3 Linien in deutlicher Seh- weite haben. Endkrystallisation ist bei ihnen nicht wahrzuneh- men; indessen haben doch Krystalle, welche zum regulären Krystallisationssystem gehören, ein solches Ansehen nie, die kleinen Krystalle, von Stasfurt können daher nicht zum regu- lären Systeme gehören. Hierzu kommen noch die andern Unterschiede. Die bor- saure Talkerde von Stasfurt löst sich zerrieben in concentrirter Chlorwasserstoffsäure bei Erwärmung mit der Spirituslampe fast augenblicklich auf,?) und aus der erkalteten Auflösung scheidet sich nach einiger Zeit Borsäure-Hydrat als ein weilser krystallinischer Niederschlag aus, bei welchem man die Form ‘) Versuch einer Monographie des Borazits, Hannover 1856, S. 84. ?) Nach einer spätern Mittheilung von Hrn. Rammelsberg ist sie sogar schon etwas in reinem Wasser löslich. vom 14. Februar 1856. 77 _ der einzelnen Krystalle (die sechsseitigen Tafeln) bei schwacher (95maliger) Vergrölserung sehr gut erkennen kann. Sehr fein zerriebener durchsichtiger Borazit von Lüneburg löste sich in derselben Chlorwasserstoffsäure viel längere Zeit gekocht, gar nicht auf, es schied sich beim Erkalten der Auflösung keine Borsäure aus, und die Chlorwasserstoffsäure enthielt auch keine Talkerde. Vor dem Löthrohr schmilzt das Mineral vou Stasfurt viel leichter als der durchsichtige Borazit. Man kann von erste- rem ein kleines Stück auf der Kohle zur Kugel schmelzen, was mit dem Borazit nicht angeht; man mufs bei diesem einen starken Luftstrom anwenden, und daher das Stück mit der Platinzange halten, wobei man es dann an den Rändern zum Schmelzen bringt. Sonst sind die Erscheinungen dieselben. Beim Erkalten der geschmolzenen Kugel treten aus der Ober- fläche eine Menge kleiner Blasen hervor, und die Oberfläche bedeckt sich mit feinen prismatischen Krystallen, die unter der Lupe ganz deutlich sind. Im Kolben vor dem Löthrohr erhitzt, geben sowohl das Stasfurter Mineral als der Borazit einen geringen weilsen Sublimat, was sich beim Borazit nirgends erwähnt findet. Er besteht wohl offenbar nur aus Borsäure, und erscheint unter dem Mikroskop bei 90maliger Vergrölserung aus kleinen qua- dratischen Tafeln bestehend. Zuweilen decrepitirt das Stas- furter Mineral und giebt dann im Kolben erhitzt, viel Wasser, in diesem Fall ist ihm aber eine wasserhaltige Chlorverbin- dung, die auch in gröfsern Massen mit ihm zusammen vor- kommt, in geringer Menge beigemengt. Das specifische Gewicht des Stasfurter Minerals, welches mach der Angabe von Karsten 2,9134 beträgt, ist zwar nicht viel von dem des Borazits 2,955, indessen doch immer etwas verschieden. Hiernach erscheint doch das Stasfurter Mineral durch so wesentliche Eigenschaften von dem Borazite geschieden, dafs man es für ein besonderes Mineral anzusehen und demnach mit einem besondern Namen zu bezeichnen hat. Der Verf. schlägt dazu nach seinem Fundorte den Namen Stasfurtit vor. Bestätigt sich die gleiche Zusammensetzung, die es nach der 78 Gesammtsitzung Analyse von Karsten mit dem Borazit hat, so wäre es mit die- sem heteromorph, und man könnte vielleicht auf diese Weise eine Erscheinung beim Borazite erklären, die bisher etwas sehr Räthselhaftes hatte, dafs er nämlich häufig undurchsichtig ist, und dann aus fasrigen Theilen zusammengesetzt erscheint, die auf den Krystallfllächen, und namentlich den Dodeka@der- und den Hexaäderflächen senkrecht stehen. Man könnte nun anneh- men, dals diese Krystalle Pseudomorphosen nach Stasfurtit wären, dessen fasrige Individuen auf den Krystallflächen senkrecht ste- hen, wie diels öfter bei Pseudomorphosen vorkommt, wie z.B. bei dem geschmolzenen Zucker, wenn er undurchsichtig ge- worden ist, oder bei den Pseudomorphosen von Göthit nach Eisenkies.') Volger der in seinem angeführten Werke die Borazite mit fasriger Structur ausführlich bespricht, erklärt dieselben auch für Pseudomorphosen, ist aber der Meinung, dals die fasrigen Individuen ein neues Mineral von verschiedener Zusammen- stellung mit dem Borazite sind, das er Parasit nennt. Indessen ist doch der Unterschied in der Zusammensetzung der undurch- sichtigen Borazite mit fasriger Structur und der durchsichtigen unveränderten nach den Analysen sowohl von Rammelsberg als von Weber zu gering, um die erstern, wenn man auch berücksichtigt, dals sie gewöhnlich nur zum Theil umgeändert sind, für ein in der Zusammensetzung von dem durchsichtigen Boraziten verschiedenes Mineral zu halten. Sind aber die Borazite mit fasriger Structur als in eine heteromorphe Substanz und zwar in Stasfurtit verändert anzu- sehen, so müssen sie in diesem Falle in Chlorwasserstoffsäure leicht auflöslich und vor dem Löthrohr auf der Kohle schmelz- bar sein. Das letztere ist augenscheinlich der Fall, das erstere bewährte sich durch den Versuch aber nur zum Theil, denn als der Verf. einige fasrige Borazitkrystalle fein zerrieben in einem Reagenzglase mit derselben Chlorwasserstoffsäure, mit welcher er die durchsichtigen Krystalle behandelt hatte, kochte, schien sich erst nichts aufzulösen, als er aber das Rea- genzglas nach einiger Zeit betrachtete, fand er, dafs sich nun. ‘) Vergl. Poggendorffs Ann. B. 28, S. 577. vom 14. Februar 1856. 79 auf der unaufgelöst gebliebenen Masse doch eine nicht unbe- deutende Menge Borsäurehydrat abgesetzt hatte; es war also doch ein Theil der fäsrigen Krystalle durch die Chlorwasser- stoffsäure zersetzt worden. Es ist möglich, und sogar wahr- scheinlich, dafs der Grund weshalb sich nicht alles aufgelöst hatte, darin lag, dafs die angewandten Borazitkrystalle nur zum Theil in Stasfurtit umgeändert waren, indessen bedarf die Sache doch noch weiterer Untersuchung. In dem grolsen Schachte, welchen man jetzt in Stasfurt abteuft, ist man nun schon bis zu dem Stasfurtit gekommen. Hr. Apotheker Tuchen in Stasfurt hat meinem Bruder schon mehrere Stücke desselben, sowie auch Proben von den übri- gen ihn begleitenden merkwürdigen Mineralien gesandt. Mein Bruder wird die Analyse des Stasfurtits wiederholen und dar- über entscheiden, ob er dieselbe Zusammensetzung habe, als der Borazit. Vielleicht wird man nun noch Stücke von Stas- furt antreffen, in welchen derselbe deutlicher krystallisirt ist, so dals man etwas genaueres über seine Krystallform wird be- stimmen können. Hr. H. Rose trug folgende an ihn eingesandte Mittheilung vor: Über eine neue Classe von Alkoholen, von Aug. Cahours und A. W. Hofmann. Die Wissenschaft verdankt Prof. Redtenbacher die Kennt- nils eines höchst bemerkenswerthen Körpers, der sich in be- trächtlicher Menge bei der trockenen Destillation des Glycerins erzeugt und welchen derselbe unter dem Namen Acrolein be- schrieben hat. Diese Substanz besitzt alle Charactere eines wahren Aldehyds und steht in ihren Eigenschaften und ihrer " Zusammensetzung namentlich dem eigenthümlichen Aldehyd sehr nahe; unter dem Einfluls von Oxydationsmitteln und besonders des Silberoxyds geht sie in eine Säure — Acrylsäure — über, welche zu dem Acrolein in derselben Beziehung steht, wie die Essigsäure zum Aldehyd. In einigem Zusammenhang mit die- en Forschungen stehen die schönen Versuche von Will und von Wertheim über die ätherischen Öle des schwarzen Senfs und des Knoblauchs, Versuche, welche, obwohl scheinbar einem \ 80 Gesammtsitzung ganz verschiedenen Felde zugewendet, nichtsdestoweniger auf eine unzweideutige Beziehung dieser Öle zu den Körpern der Acrylreihe hinwiesen. Diese Beziehung ist durch die neuesten Untersuchungen von Berthelot und de Luca in ein klares Licht getreten. Beim Studium der Einwirkung des Jodphosphors auf Glycerin erhielten diese Chemiker eine Jodverbindung — das Jodpropylen, welche dem Chlor- und Brompropylen entspricht, welches schon vor einigen Jahren einerseits von Cahours und andererseits von Reynolds und Hofmann aus den gasförmigen Producten dargestellt wurde, welche sich durch die Einwirkung der Wärme auf den Amylalkohol und auf die Valersäure und ihre Homologen bilden. Berthelot und de Luca haben ferner gezeigt, dafs sich bei der Einwirkung des Jodpropylens auf | Schwefelcyankalium ein Körper bildet, welcher in allen seinen | Eigenschaften mit dem Öle identisch ist, das sich bei der De- stillation des schwarzen Senfs mit Wasser bildet; dieser schöne Versuch zeigt unwiderleglich, dafs das Senföl der Propylen- reihe angehört, eine Ansicht, welche schon früher von Capitain Reynolds in seinen Untersuchungen über die Propylenverbin- dungen ausgesprochen, aber experimentell noch nicht bethätigt worden war. Nehmen wir nun die Existenz eines Kohlen- wasserstoffmoleculs C,H, an, welches in seinen Eigenschaften dem Aethyl ähnelt, so gelangen wir zu folgender Reihe C,H, Cl Propylenchlorid C,H, Cl Aethylchlorid C,H, Br Propylenbromid C,H, Br Aethylbromid C,H, J Propyleniodid C,H,J Aethyliodid C, H, Sätherisch. Knoblauchöl C,H, S Aethylsulphid C,H,C,NS, äther. Senföl C,H, C,NS,Aethylsulphocyan. C,H,O, Acrolein C,H,O, Aldehyd CG,H,O, Acrylsäure C,H,O, Essigsänre Es blieb nunmehr nur noch übrig, diesem Gebäude den Schlufsstein einzusetzen; mit anderen Worten, es war der Al- kohel aufzufinden, der den Mittelpunkt der genannten Körper bildet, wie der Weinalkohol der Mittelpunkt der zahllosen Aetherverbindungen ist, welche die letzten Jahre ins Dasein gerufen haben. Aus diesem Alkohol mülsten sich alsdann eine Reihe von Verbindungen erzeugen lassen, in ihrer Zusammen- setzung und in ihren Eigenschaften den Abkömmlingen des vom 14. Februar 1856. 8 Weinalkohols entsprechend. Nach vielen vergeblichen Ver- suchen ist es uns gelungen, den Alkohol und den Aether dieser Reihe, für welche wir den Namen Acrylreihe beibehalten wol- len, darzustellen. Um zu diesem Ziel zu gelangen, haben wir eine Reihe von Silbersalzen der Einwirkung des Jodpropylens — Acryl- iodids — unterworfen. Es sind im Ganzen nur wenige Silber- salze, welche sich für diese Umbildung eignen; von allen hat uns das Silberoxalat die erwünschtesten Resultate geliefert. Dieses Salz wird von dem Acryljodid äulserst heftig angegriffen ; nach mehrstündiger Digestion ist die Einwirkung vollendet. Das Acryloxalat, welches sich hiebei bildet, kann leicht von dem Jodsilber getrennt werden. Mit Wasser gewaschen, über Chlorcalcium getrocknet und von Neuem destillirt, stellt dieser Körper eine klare farblose Flüssigkeit dar, die schwerer als Wasser ist und bei 207° siedet. Nach unsrer Analyse ent- hält er: G; H, 0, = G, (C; H,) 0, Mit Ammoniak behandelt, liefert das Acryloxalat Oxamid und den Alkohol, welcher der Gegenstand unsrer Bemühungen war. Der Acrylalkohol ist eine durchsichtige farblose Flüssig- keit von eigenthümlichem stechenden Geruch, der seinem Na- men Ehre macht. Dieser Geruch erinnert einigermalsen an Senföl und gehört in höherem oder niederem Grade fast sämmt- lichen Gliedern der Acıylreihe an. Die Analyse des Acrylalkohols führte zur Formel: C,H, 0, =4 Vol. Dampf. Die neue Verbindung ist dem Aceton und dem Propyl- aldehyd isomer; unterscheidet sich aber in ihren Eigenschaften vollkommen von diesen beiden Substanzen. Der Acrylalkohol brennt mit einer Flamme, welche stärker leuchtet, als die des gewöhnlichen Alkohols. Er mischt sich in allen Verhälsnifsen mit Wasser. Mit Kalium oder Natrium behandelt, entwickelt er Wasserstoff und verwandelt sich in eine durchsichtige gall- artige Masse, welche dem Kaliumalkohol entspricht. Diese Kaliumverbindung wird von dem Acryljodid mit Hef- tigkeit angegriffen; es bildet sich ein Niederschlag von Jod- kalium, während auf Zusatz von Wasser eine leichte Flüssig- 82 Gesammisitzung keit auf die Oberfläche steigt, welche dem gewöhnlichen Aether entspricht; ihre Bildung wird durch die Gleichung } G;(H,K)0,+C,H, J=KJ+C,:H,0 0; veranschaulicht. ' Läfst man auf den neuen Kaliumalkohol Aethyljodid, oder auf den Aethylkaliumalkohol Acryljodid, einwirken, so erzeugt sich eine aromatische Verbindung, welche offenbar ein Aether- mischling der Aethyl- und Acrylreihe ist. Wird der Acrylalkohol mit Ghlor- Brom- oder Jodphosphor destillirt, so erhält man Acrylchlorid, Acrylbromid oder Acryl- jodid mit grolser Leichtigkeit. Der Acrylalkohol löst sich ohne Schwärzung in concen- trirter Schwefelsäure. Die Flüssigkeit, mit Wasser vermischt und mit kohlensaurem Baryt neutralisirt, liefert ein krystal- lisirtes Salz: C,H,BaS, O0, =BaSO,,(C, H,)SO, Es ist diels das Sulphovinat der Reihe. Wird der Acrylalkohol andrerseits mit concentrirter Schwe- felsäure erhitzt, so tritt eine höchst lebhafte Reaction ein, in- dem sich die Flüssigkeit unter Entwicklung von schwelfliger Säure vollständig verkohlt. Wasserfreie Phosphorsäure wirkt auf den Alkohol mit ge- ringerer Heftigkeit; es entwickelt sich ein farbloses Gas, wel- ches mit stark leuchtender Flamme verbrennt. Die Analyse dieses Gases ist noch zu machen. Acrylalkohol wird von allen Oxydationsmitteln aufs leb- hafteste angegriffen. Eine Mischung von Schwefelsäure und Kaliumbichromat reagirt mit furchtbarer Heftigkeit; die Pro- ducte der Reaction sind: Acrolein und Acrylsäure. Dieselbe Umbildung wird durch Platinschwamm vermittelt. Auf Zusatz von Schwefelkohlenstoff zu einer Lösung von Kali in Acrylalkohol erstarrt die Flüssigkeit alsbald zu einer prachtvollen Masse gelber verfilzter Nadeln, welche dem xan- thogensauren Kali entsprechen. Mit Hülfe des Alkohols selbst, seiner Schwefelweinsäure oder seines Jodids lassen sich sämmtliche Glieder der Acryl- säure mit grolser Leichtigkeit erhalten. vom 14. Februar 1856. 83 Wir wollen noch folgende Verbindungen anführen, welche wir bereits dargestellt oder mehr oder weniger vollständig studirt haben. Das Acryloxamethan oder Acryloxamat bildet sich leicht, wenn man alkoholische Ammoniaklösung zu Acrylalkohol setzt, bis sich ein permanenter Niederschlag erzeugt. Aus der fil- trirten Lösung schiefsen bei freiwilliger Verdampfung präch- tige Krystalle des Oxaminsäure-Aethers an. Das Acrylcarbonat ist eine aromatische Flüssigkeit, leich- ter als Wasser. Es bildet sich, wie die kohlensauren Aether im Allgemeinen, durch Einwirkung des Natriums auf das Oxalat. Beim Kochen einer alkoholischen Lösung dieser Verbindung mit Baryt schlägt sich Barytcarbonat nieder, während der Al- kohol regenerirt wird. Das Acryl-Benzoat wird leicht durch die Einwirkung von Benzoylchlorid auf Acryl-Alkohol erhalten. Diese Flüssigkeit, welche schwerer ist als Wasser, siedet bei 220° und besitzt einen Geruch, der an den des benzo&äsauren Aethers erinnert. Das Acryl-Benzoat enthält nach unsrer Analyse C.H,.0,=C,, [H; (C; H,)] 0, Derselbe Körper erzeugt sich auch durch Wechselwirkung von Acryljodid und Silberbenzoat. Das essigsaure Acryl durch Einwirkung von Acryljodid auf Silberacetat erhalten ist eine Flüssigkeit leichter als Was- ser; es besitzt einen dem des essigsauren Aethers ähnlichen Geruch. Es siedet bei 100° und enthält: C,H 0,=C, (H; C,H,)0O, Silbercyanat wird vom Jodacryl mit aufserordentlicher Hef- tigkeit angegriffen. Die während der Reaction freiwerdende Wärme ist hinreichend, die neue Verbindung vollständig über- zutreiben. Das Acrylcyanat siedet bei 82°; es besitzt einen unglaublich stechenden Geruch; sein Dampf reizt unwider- stehlich zu Thränen. Es enthält: 6;H,;, NO,=G, C,H,, NO; Gelinde mit Ammoniak erwärmt, löst sich dieser Körper und liefert beim Abdampfen der Flüssigkeit schöne Krystall- nadeln von Acrylharnstoff. G; H;,N,0,=(G, (H;, C, H,)N,;,0; 84 Gesammitsitzung welcher dem Thiosinnamin, der langbekannten geschwefelten Harnstoffverbindung entspricht. { GH NS,;,=C, (H,,C,H;,)N, S Anilin liefert mit Acryleyanat eine Verbindung, welche ebenfalls sehr schön krystallisirt. Bei der Behandlung mit Wasser erstarrt das Acrylcyänat langsam zu einer festen krystallinischen Masse, welche die Zu- sammensetzung und die Eigenschaften des Sinapolins oder des Diacrylharnstoffs besitzt. Dieser Körper enthält C,.H.N,0,;,=6G, [H;, (C, H,).] N; 0, und seine Bildung wird durch folgende Gleichung veran-| schaulicht. j 2C,;,H,NO,+2H0O=C,,H,;N; 0,-+2C0O, mn m u? Acrylcyanat Sinapolin. Das Acrylcyanat wird von einer concentrirten Kalilösung‘ heftig angegriffen; es bildet sich eine feste Materie, welche auf die Oberfläche der Flüssigkeit steigt und nichts anders ai dasselbe Sinapolin ist; gleichzeitig geht eine alkoholische Flüs- sigkeit in die Vorlage über, welche ein Gemenge von ver- schiedenen flüchtigen Basen ist, aus dem wir bis jetzt Methylamin, Propylamin, und Acrylamin abgeschieden haben. Letzteres sie- det zwischen 180 und 190°; alle Versuche ein leidlich erystal- Be lisirtes Platinsalz zu erhalten, sind bis jetzt gescheitert. Die in den vorliegenden Zeilen flüchtig skizzirten Ver- suche weisen unzweideutig auf eine neue Reihe von Alkoholen! hin, deren 3! Glied der Acrylalkobol ist. Wie der gewöhnliche Alkohol liefert der neue Alkohol eine Unzahl von Abkömmlingen, welche in jeder Beziehung; der Aethylderivation entsprechen. In der folgenden Tabelle haben wir die Glieder der Acryl- reihe, soweit sie bekannt sind, mit den entsprechenden Aethyl- verbindungen zusammengestellt: Acrylreihe: Aethylreihe: C, H, OÖ, Alkohol 1078 H, O, Be C,H, 0 oder Aether } C,.H,002 C;H,,0; C,H, Cl Chlorid C,H, Cl vom 14. Februar 1856. 85 Acrylreihe: Aethylreihe: + H; Br Bromid C,H, Br H,S oder { C,H,S oder Es Sulphid le uji8.} i C,H,08; C,(K,C,H,)S, 0, Xanthogensaures Kali GC, (K,C,H,)S; O, ©, (C,H,)NS, Sulphocyanid Gel BR) NS, C,(C,H,)NO, Oxyceyanid od. Cyanat C, (C,H,) NO, C,(H,,C,H,)N, S,; Geschwefelter Acryl-Harnstoff ? C,(H; C;,H,)N,; O, Acryl-Harnstoff, Aethyl-Harnstoff, Thiosinnamin C, (H,,C,H,)N, © C,[B; (C, H,),] N; O, Diacryl-Haro- stoff, Diäthyl-Harnstoff, Sinapolin C,[H,(C,H,),]N,O, C,;,(C, H,)O, oder C,;,(C,H,)O, oder 2.(C,H,).0, } res BEHCHE SO" } GH,.(C,H,)O, Oxamat GB. WC, 9,0: G,H,(C,H;,)O, Acetat C,H; (C,H,)O, C,,„H,(C,H,)0O, Benzoat C,,H,(C,H,)O, C,H,SO,,HSO, Schwefelweinsäure C, H, SO,, HSO, (C;H,)H, N Acrylamin, Aethylamin (C, H,)H, N C,H,O, Acrylaldehyd, Aethylaldehyd Acrolein (C,H,) O, =.H,0, Acrylsäure, Essigsäure C,H,O, C,H, _Kohlenwasserstoff, Propylen, Aceton C,H, Der Acrylalkohol, dessen Geschichte wir oben zu geben versucht und dessen Studium uns noch weiter beschäftigt, ist, wie gesagt, das dritte Glied einer Alkoholreihe, welche der Reihe der gewöhnlichen Alkohole von derFormel Cn,Hn,+,0, nd deren Prototype der Weinalkohol ist, parallel läuft. ‘Die aus dem Alkohol entstehende Säure, die Acrylsäure, gehört eichfalls einer homologen Säurenreihe an, welche zu der Reihe fetter Säuren in derselben Beziehung stehen, wie die uen zu den alten Alkoholen. Bereits sind mehrere Glieder ser Reihe bekannt. Das Acryleyanid, welches man durch nwirkung von Acryljodid auf Cyansilber erhält, das wir uns indessen noch nicht in einem für die Analyse geeigneten Zu- 86 Gesammtsitzung vom 14. Februar 1856. stande haben verschaffen können, muls offenbar unter dem Ein- flufs der Alkalien eine der Acrylsäure homologe Säure liefern, ebenso wie das Propylcyanid in Butylsäure übergeht. Wir schliefsen diese Notiz mit einer Tabelle beider ho- mologen Gruppen. Gruppe der Alkohole: Gruppe der Säuren: N mn /\__ jsmnmmamm | i C,H,0, €C,H,O, Methyl- C,O, Koblens.C, H, a alkohol sensäure C,H,0, C,H,O, Aethyl- C,A,0, C,H, O, Essigsäure ? alkohol C,H, O;AcrylalkoholC,H;0, C,H, O, Acryls. C,H; O ‚Pro Propylalkohol pionsäurä C;,H;,0,; C, H,o O0, Butyl- C,H, O, C,H, O, Butyl-’ alkohol säure C,oH,o0z C,oH,z0:Amyl- C,.H;,0, C,.H,.0,Valer- alkohol sure C,.H,20; C,.H,,0; Cu- C,.zH,.0, C,.H,.0, Ca-' proylalkohol pronsäure C,,H,.0,;, C,,H,s0; C,,‚H,.0, C,,H,,0, Oe- nanthylsäure C,.H,;03 C,sH,50.Capryl- C,,H,,0, C,,H,,s0, Ca alkohol prylsäure C;;H;35 0; C36H55 OÖ; C,;H;, O, Oels. C,; Hz; 04 Stearinsäure. Diese Tabelle zeigt noch viele Lücken, die der Fortschritt der Wissenschaft nicht fehlen wird auszufüllen. Wir haben uns durch den Versuch überzeugt, dafs das Amylenbromid un- ter dem Einfluls der Reagentien mehrere Umbildungen er ı leidet, welche denen der Acrylreihe analog sind. Selbst die, Abkömmlinge des ölbildenden Gases scheinen unter gewilsen! Umständen ähnliche Resultate zu liefern. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Boncompagni, Delle versioni fatle da Platone Tiburtino. Boma 1851. 4, ‚ Della vita e delle opere di Gherardo Cremonese. Roma 1851. 4. "Mir Begleitschreiben des apostolischen Nuntius, Me Antonio de Luca, München, 13. Jan. 1856. Sitzung der philos.-histor. Klasse vom 18. Februar 1856. 87 Comptes rendus de !’Academie des sciences. Tome 41, no. 26. 27. Tome 42, no. 1—3. Paris 1856. 4. Pendola, Sulla educazione dei sordo-muti in Italia. Siena 1855, 8. The quarterly Journal of the Geological Society. Vol. XI. Part 4, London 1855. 8. Berichte der Gesellschaft für Beförderung der Naturwissenschaften in Frei- burg im Breisgau. Heft 1. Freiburg 1855. 8. Mit Begleitschrei- ben des Hrn. Braun vom 9. Februar 1856, Göttinger Nachrichten, no. 1. Göttingen 1356. 8. Athenaeum frangais. 5m annee, no. 6. Paris 1856. 4. Karl Hoffmann, Zine Ercursion nach dem Volcan de Cartago in Cen- tral-Amerika. London 1856. 4. Überreicht durch Hrn. Klotzsch. Auf den Vorschlag der philosophisch-historischen Klasse der Akademie wurden die Herren Villerm& in Paris, Casp. Zeuls in Bamberg und John O’Donovan in Dublin zu cor- | respondirenden Mitgliedern der Akademie für die genannte Klasse gewählt. Zum Vortrag kam ein Schreiben der Acad&mie des Sciences zu Paris vom 11. Januar d. J. über den Empfang unserer Ab- handlungen vom Jahre 1854 und der Tafeln der Flora. 18. Febr. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Trendelenburg las über Herbarts Metaphysik und neueAuffassungen derselben. Zweiter Artikel. Eine Entgegnung. Wenn die philosophischen Disciplinen gleich Gliedern in der Metaphysik ihr Haupt haben, oder wenn nach einem andern Bilde in der Metaphysik die Principien ihre die Disciplinen nährenden und befestigenden Wurzeln treiben: so ist der Streit um die Metaphysik eines Systems ein Streit um seinen Bestand. Ohne eine Metaphysik giebt es philosophische Apho- rismen oder einzelne Ansätze zum Philosophiren, aber kein System; jene bleiben ohne sie zerstreut, diese blind. In solchem Zusammenhang richtete Aristoteles sein scharfes Urtheil gegen Plato’s Ideenlehre und Kant begann seine Reform mit der Frage, "wie Metaphysik möglich sei, und mit Hegels widerlegter Dia- [1856.] 2 88 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse lektik, welche auf logischem Wege die Metaphysik erzeugen will, löst sich der Bann seiner Lehre. In diesem Sinn ist die über Herbarts Metaphysik eröffnete Frage für die Richtungen unserer heutigen deutschen Philosophie von Bedeutung, welche, im Gegensatz gegen die constructiven oder dialektischen Sy- steme Schellings oder Hegels, den strengern Schritten Herbarts folgen. Dabei wächst die metaphysische Untersuchung an Inter- esse, inwiefern sie allgemeinere Fragen in sich schlielst, welche weiter greifen, als die individuelle Fassung des einzelnen Systems. 4 In Herbarts Metaphysik ist der Widerspruch, welcher sich R\ in den Begriffen der Erfahrung findet, und die Aufgabe, ihn wegzuschaffen, der Antrieb aller Gedanken. Indem sich das j Gegebene selbst verbürgt, leidet es zugleich an Widersprüchen, welche es undenkbar machen. Das Gegebene der Erfahrung mus angenommen und kann doch nicht gedacht werden. „Es ist schon in der Einleitung der Philosophie”, wie Herbart bemerkt (Metaphysik $. 173), „die allernothwendigste Vorübung des Anfängers, die Widersprüche zu erkennen, welche beim Re- flectiren auf die Formen der Erfahrung gefunden werden”. So ist z. B. nach Herbart der Begriff des Grundes ein Wider- ‚ spruch. Denn die Folge liegt im Grunde und geht doch aus dem Grunde hervor. Die Folge darf von dem Grunde nicht abspringen und soll sich doch als ein Neues absetzen. Die Materie des Grundes soll sich in die neue Materie der Folge verwandeln. Die Folge ist also mit dem Grunde identisch; denn sie ist in ihm enthalten; und ebenso nicht identisch; denn sie löst sich von ihm ab. Inwiefern die Folge mit dem Grunde identisch und zugleich nicht identisch ist, ist der Be- griff des Grundes und der Folge ein Widerspruch. (Meta- physik $. 183). „Die Schärfe dieser Behauptung abstumpfen”, sagt Herbart, „‚heilst dem Grunde seine Kraft benehmen”. Der Widerspruch, der eben an dem Begriff des Grundes und der Folge deutlich wurde, thut sich ebenso in der Veränderung oder in der Bewegung, welche die anschaulichste Form der Veränderung ist, in dem Ding mit mehreren Merkmalen, in dem Begriff des Ichs kund, wie Herbart öfter ausführt, und auch dadurch bestätigt, dals diese Begriffe mit dem richtigen Be- griffe des Seins, welchen er entwirft, in Widerstreit stehen. vom 18. Februar 1856. 89 „Die gegebenen Widersprüche”, sagt er, „stellen uns Ob- jecte der Erkenntnils dar, deren Realität die allergrölste Zahl der Menschen nie bezweifelt, während ein dunkles Gefühl der Undenkbarkeit die Philosophen aller Zeiten stets mehr oder weniger warnte, dem Schein zu folgen”. Daher sind jene ‚Begriffe der Erfahrang Gegenstand der Bearbeitung für die Metaphysik, um den Widerspruch, den sie in sich tragen, auf- zudecken und wegzuschaffen. Der Widerspruch stachelt und treibt den metaphysischen Gedanken, ‚weil man das Gegebene nicht wegwerfen kann’ ($. 184) und weil ein solcher undenk- barer Widerspruch allenthalben da ist, so soll die Metaphysik ‚die Erfahrung begreiflich machen. Im Gegensatz gegen diese Auffassung suchte der frühere Vortrag ') darzuthun. 1. Die von Herbart in den allgemeinen Erfahrungsbegriffen bezeichneten Widersprüche sind keine Wi- dersprüche. 2. Wären sie wirklich Widersprüche, so wären sie in seiner Metaphysik nicht gelöst. 3. Wären sie Wider- sprüche und wären sie gelöst, so blieben andere und grössere ungelöst. In dem Nachweis dieser Sätze wurde sowohl die Aufgabe als die Lösung der herbartischen Metaphysik, sowohl die Grund- lage als auch der Anspruch bestritten, als ob sie die Grund- begriffe der Erfahrung vollständig umfasse. Gegen diesen Nachweis sind inzwischen zwei Gegen- schriften erschienen. Professor Mor. Wilh. Drobisch in Leipzig schrieb in der Zeitschrift für Philosophie und philo- sophische Kritik (XXV. 2. 1854 u. XXVI. 1. 1855) „syn- echologische Untersuchungen”, indem er in diesen Aufsätzen theils die Betrachtungen Herbarts vertheidigte oder berichtigte und ergänzte, theils die entgegenstehenden Auffassungen der „logischen Untersuchungen” und des oben bezeichneten Vor- trags bestritt. In derselben Zeitschrift (XXVII. 1. XXVII. 2. 1855) gab Prof. Strümpell in Dorpat zwei Artikel, über- schrieben: ‚einige Worte über Herbarts Metaphysik in Rück- 1) Monatsberichte. Nov. 1853 S. 654 ff. Wieder abgedruckt in dem 2. Bande der „historischen Beiträge zur Philosophie”. Berlin 1855.8.313 ff. 7 © 90 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse sicht auf die Beurtheilung derselben durch Herrn Professor Trendelenburg”. Beide Verfasser haben die Vertheidigung Herbarts durch einzelne Angriffe auf die in den „logischen Untersuchungen” begründete Anschauungsweise unterstützt. Wir lassen diese Angriffe an diesem Orte gewähren, und beschränken uns, wie früher, auf eine objective Kritik Herbarts, überzeugt, dafs das Bedürfnils aller Wissenschaften nach Metaphysik, wenn es von Herbart unbefriedigt scheiden muls, von selbst entgegengesetzte Versuche unbefangener ins Auge fassen wird. Um uns mit der Widerlegung unserer Einwürfe ausein- ander zu setzen, nehmen wir den alten Faden wieder auf und halten uns an der einfachen Gliederung der obigen drei Sätze. Dafs die Formen der Erfahrung von den Wider- sprüchen frei sind, welche Herbart darin behauptet, wurde auf doppeltem Wege dargethan, theils inwiefern Herbart die Widersprüche nur nach einem falschen Grundbegriff, dem von ihm aufgestellten Begriff des Seins, herausbringt, theils inwie- fern er mit der Mehrzahl der Philosophen das Princip der Identität und des Widerspruchs falsch anwendet. Der erste Nachweis richtete sich gegen Herbart eigenthümlich, der zweite hatte zugleich eine weitere Bedeutung. Es ergab sich auf die- sem Wege, dafs nicht die Begriffe der Erfahrung sich in sich widersprechen, sondern vielmehr theils die erdachte Norm, welche Herbart an sie anlegt, theils die von Herbart gemachte Anwendung eines an sich zwar richtigen, aber dem Inhalt der Grundbegriffe fremden Princips. Der Widerspruch fällt hier- nach in Herbarts inadaequate Betrachtungsweise der Erfahrungs- begriffe, aber nicht in die Begriffe selbst; jene ist schuld und diese sind es nicht. Herbart meint die in den Begriffen der Erfahrung unver- meidlichen Widersprüche und seine Dialektik sucht diese aus ihrer Verborgenheit hervorzuziehen. Daher genügt es nicht, wenn Herbarts Vertreter auf Widersprüche verweisen, welche nicht mehr bedeuten, als Schwierigkeiten überhaupt. Es stehen nämlich bei allen Schwierigkeiten, welche wir fin- den, die Mittel unsers beschränkten Denkens mit dem Gegen- stand, der gedacht werden soll, in Widerspruch. Aber von vom 18. Februar 1856. 91 \ einem solchen in dieser oder jener Auffassung liegenden Wider- spruch, von einem solchen subjectiven Widerspruch handelt Herbart nicht, sondern es geht sein Gedankengang dahin, dafs ‚die Erfahrungsbegriffe an und für sich an einem innern Wider- spruch leiden, welchen nicht die Erfahrung als solche, son- dern nur die metaphysische Speculation wegschaffen kann. Die eigenthümlichen Betrachtungen Herbarts haben darin ihren | Wenn nun Strümpell (XXVII. 1. S. 6 ff.) anführt, dafs die heutige Physik, Chemie und Physiologie aus sich selbst die widersprechenden Vorstellungsarten corrigirt, dals der ‚„‚wissen- schaftliche Empirismus” sich längst „auf einfacherem Wege” von Wahrheiten überzeugt habe, welche Herbart als ein wich- tiges Resultat seiner methodischen Behandlung ankündigte (S.11), wenn Herbart nur von den „logischen durch Fichte einge- führten Formalitäten” verleitet sein soll, in dem Begriff des Ich Widersprüche und darum ein metaphysisches Problem zu sehen (S. 12), wenn es einer Aufdeckung derselben gar nicht "bedarf (S. 15), wenn in dem was doch Herbart mühsam ge- funden und klar dargestellt hat, auf einen weitläuftigen Auf- "wand formell dialektischer Wendungen (S. 11) und auf „Fes- seln der Schulsprache” (S. 12) hingedeutct wird, wenn in selben Sinne die Methode der Beziehungen, welche Her- 'bart für die Aufgaben seiner Metaphysik erfand und welche Drobisch sogar in seine Logik aufnahm (2. Aufl. 1851 $. 138), \ geschränkt und fast auf Null gebracht wird, indem der Begriff eine Anknüpfungsstelle ist und „‚der Verlauf und Entwick- lungsgang des wirklichen Geschehens ganz unabhängig von demselben fortgeht und aus sich allein erkannt und begriffen erden kann” (S. 31): so ist dieser Abfall von Herbarts Me- physik zuverlässig nicht gegen uns gerichtet. Die Erfahrung, che sich aus sich gebessert hat, wird nun des Apparates zu 4 Correctiv, der Metaphysik Herbarts, gern entbehren. Es ist daher in Strümpells, nicht in Herbarts Sinne folgerichtig XXVII. 2. S. 182), an eine Rettung der herbartischen Meta- hysik zu denken, wenn es in den Erfahrungsbegriffen auch 92 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse keine Widersprüche gäbe. „Die Aufgabe, welche Herbart der Metaphysik stellt, würde, meint er, dieselbe bleiben, auch wenn in keinem einzigen der hergebrachten empirischen Begriffe ein Widerspruch nachzuweisen wäre”, falls, was sich zeigen lasse, die meisten solcher Begriffe ‚eben nichts erklären und nichts begreiflich machen”. Wir sehen davon ab, dafs Herbart nicht von hergebrachten, sondern schlecht und recht von Er- fahrungsbegriffen redet; wir sehen davon ab, dafs es sich nicht um erklärende Begriffe im Sinn der Naturwissenschaften, son- dern um das logische Wesen ihrer allgemeinen Formen han- del. Wir überlassen es der Schule Herbarts zu beurtheilen, wie viel von Herbarts Metaphysik stehen bleibt, wenn der ganze Zweck, um dessen willen die Metaphysik da ist, nämlich die Wesgschaffung der Widersprüche, wegfällt. In Herbart geht alles von diesem Punkte aus und zu diesem Punkte hin. Strüm- pells Zugeständnils macht einen Streit um Herbarts Meta- physik unnöthig. Wenn die Erfahrung ihre Begriffe aus sich berichtigt, und wenn es der Erfahrung nicht nothwendig ist, sich in Widersprüche zu verwickeln, — was streiten wir uns denn um die Widersprüche, um deren willen Herbart eine Wissenschaft gründet und um diese Wissenschaft selbst? Gegen einen solchen Vertheidiger bedarf es nicht mehr des Nachweises, dals der Begriff des Seienden, der von Her- bart zum Malsstab des Widerspruchs genommen ist, unrichtig oder die Anwendung des Princips der Identität ungehörig sei. Während hiernach Strümpell die Basis der Metaphysik, welche er verfechten will, im Stich läfst, steht Drobisch für sie ein. In demselben Sinne, wie wir Herbart auffalsten, behauptet er, dafs die Erfahrungsbegriffe widersprechend seien, weil sie theils mit dem Sein als absoluter Position in Confliet gerathen, theils durch ihre innere Natur das Princip der Iden- tität verletzen. In erster Beziehung verweist Drobisch auf eine frühere Erörterung (Zeitschrift XIV. S. 90). Aber wir finden dort nichts, was unserer Nachweisung entgegenträte. Denn diese ging dahin '), dals aus der absoluten Position, welche nach *) Monatsberichte. 1853. S. 661 ff. Historische Beiträge zur Philo- sophie $. 321 ff. vom 18. Februar 1856. 93 Herbart das Sein ist, aus der Anerkennung des nicht Aufzu- hebenden, nichts über die Beschaffenheit des Seienden, und überhaupt aus der formalen Bestimmung der Nothwendigkeit nichts über das Reale folge. Wenn Herbart aus der absoluten Setzung ableitet, dafs dieser Begriff von dem Seienden Nega- tion und Relation und darum Gröfsenbestimmungen ausschlielse und für dasselbe Einfachheit fordere: so wird umgekehrt von uns behauptet, dals zwischen der Erklärung des Seins als ab- soluter Position und der daraus gezogenen Folge eines be- ziehungslosen und nur durch Bejahung bestimmten, eines der Gröfse entzogenen und nur einfachen Seins gar kein Zu- sammenhang bestehe. Sehen wir zunächst auf die Auffassung der Vertheidiger. Strümpell hat für die Absolutheit der Setzung den Ursprung ihrer Erkenntnifs, ‚‚die Anerkennung des nicht Aufzuhebenden”, die Verneinung der Verneinung, verlassen, „„obwol Herbart sich dieser logischen Fassung bediene, um den Begriff selbst her- vorspringen zu lassen”, und liest auf seine Weise aus dem Zusammenhang eine richtigere Ableitung, als Herbart giebt, heraus (XXVII. 1. S. 19). Die absolute Setzung sei nicht gleich der Verneinung des contradictorischen Gegentheils, son- dern die Marke dafür, dals man „‚die objectiven Naturen der Qua- litäten” beachte (also sogar im Pluralis, um das Einfache und Gröfsenlose herauszubringen?); es sei „‚die absolute Setzung eines Solchen, welches eben durch seine Beschaffenheit uns nöthige, es absolut zu setzen”. Drobisch hinwieder behauptet das Gegentheil (Zeitschrift XIV. S. 90): diese Nöthigung sei keine solche Nothwendigkeit des Denkens, die von der Be- ‚schaffenheit des Gedachten ausgehe. Der Widerspruch- zwi- ‚schen Herbarts Vertretern bricht auch an diesem Punkt zu Tage. Nachdem Drobisch an der von ihm angezogenen Stelle, ‚an welcher er eine genügende Erklärung will gegeben haben, die absolute Position von dem blos willkührlichen Denken des Seienden unterschieden hat, fährt er fort: „„Dafs nun das ab- ‚solut zu Setzende, die Qualität des Seienden nur einfach, affır- mativ und quantitätslos zu denken ist, folgt aus dem Begriff der absoluten d. h. schlechthin beziehungslosen Position leicht und in aller Strenge”. Wir sehen indessen unsers Theils we- 94 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse der die Leichtigkeit noch die Strenge der Folgerung ein. Denn die absolute Position d. h. die für uns unbedingte und nur in- sofern beziehungslose Position ist nicht Setzung eines Bezie- hungslosen, eines solchen, welches, um gar keine Beziehungen in sich zu haben, Verneinungen und Grölse ausschliefsen soll. Von welcher Art das sei, was nicht aufgehoben werden kann, das lälst sich aus dem nackten Begriff: es kann nicht aufge- hoben werden, keineswegs erschlielsen. Gehen wir nun auf Herbart zurück. In der Metaphysik (II. $. 205.) sagt er: „Auf den ersten Blick führt der Begriff des Seins leicht zu der Meinung, als ob er gar nichts über die Qualität bestimme’”’ — was unsere Meinung auch auf den zwei- ten und dritten Blick bleibt, wenn der Begriff des Seins, wie bei Herbart, nicht anderswoher stammt, als aus dem abstracten Begriff der Nothwendigkeit, aus der Unmöglichkeit aufzuheben. Herbart fährt indessen fort. „Unmittelbar klar ist zuvörderst, dafs, wenn wir die absolute Position festhalten wollen, wir uns vor ibren Gegentheilen, den Negationen und Rela- tionen, hüten müsseu. Dafs nun diese auf dem Boden der Erfahrung überall, gleich Fulsangeln, versteckt liegen, weils jeder, dem die Analyse der gemeinen Erfahrungsbegriffe einiger- malsen geläufig ist”. Herbart zeigt dann weiter ($. 207.), dafs in dem Sein als einem Mehrfachen das Eine ohne das Andere ungenügend und das Eine von dem Andern abhängig sein würde und daher, um den Fehler der Negation und Relation zu vermeiden, die Qualität des Seienden als schlechthin ein- fach gesetzt werden müsse. In dieser Stelle ist die ganze Schlufskette mit ihrem Gewicht an dem Einen festen Punkt der absoluten Position befestigt; aber dieser Punkt weicht und was daran gehängt ist, reilst ab. Denn man bemerkt leicht, dals der Begriff der absoluten Position nur durch eine Am- phibolie so grolse Dinge trägt. Absolute Position heilst nach der Ableitung: wir müssen setzen; das contradictorische Ge- gentheil ist aufzuheben. Nach dem, was daraus hergeholt wird, bedeutet indessen die absolute Position nicht diese Nöthigung, das Bejahte nicht zu verneinen, sondern vielmehr die Position eines in sich selbst Bejahten; die absolute Position bedeutet nicht mehr die Position ‚ohne den Vorbehalt einer Zurück- vom 18. Februar 1856. 95 nahme” und insofern das Gegentheil einer relativen, sondern sie bedeutet die Position eines in sich selbst Beziehungslosen und darum Einfachen. So erhellt es von Neuem, dafs bei Herbart der Begriff der absoluten Position, deutlich in seinem Ursprung, aber zweideutig in allem Gefolgerten, mehr will, als er kann. Ein schielender Begriff ist nicht geeignet der Metaphysik den geraden Weg zu zeigen. Schon mehr als einmal hat der abstracte Begriff der Noth- wendigkeit den speculativen Gedanken in die Irre geführt. Spinoza legte den Begriff des Nothwendigen seiner Betrachtung zum Grunde und leitet aus Gott als dem nothwendigen Wesen (euius natura implicat contradictionem ut non existat) in wei- term Zusammenhang ab, dals er alles Sein sei und aulser ihm kein Sein'). Herbart hingegen folgert aus demselben Begriff, dem Nothwendigen, das gesetzt werden muls, die absolute Po- sition, die Position des verneinungslosen, beziehungslosen, grölselosen, einfachen Seins. Diese Zusammenstellung mag warnen; denn was entfernt sich sonst mehr von einander als Spinoza und Herbart? Schon gegen Spinoza muls es geltend gemacht werden, dafs aus dem formalen Begriff des Noth- wendigen weder das reale Prädicat alles Seins noch des voll- kommensten Wesens folge. Wenn Drobisch als consequenter Vertreter der formalen Logik auf den formalen Begriff der Nothwendigkeit als den letzten besteht (S. 184), so darf er aus demselben um so we- niger die reale Erkenntnils ziehen, dals das Seiende einfach sei und weder Verneinungen noch Grölse kenne. Es ist die Streitfrage über den Begriff der Nothwendigkeit von einer solchen Bedeutung, dals sie über den Bestand -oder den Fall jedes einzelnen Systems weit hinausgeht. Denn die Nothwendigkeit steht im Mittelpunkt aller Logik und Meta- physik. Die Nothwendigkeit ist das Ziel alles Erkennens und die Wissenschaft wird in demselben Maflse aus Kenntnissen Wissenschaft, als sie Nothwendigkeit in sich trägt. Wenn man die Logik als Theorie der Wissenschaft und daher im Zu- *) Historische Beiträge zur Philosophie. 1855. IL S.49f£. Vgl. Spinoza epist. 39. 40. 41. 96 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse sammenhang mit den zur Nothwendigkeit erhobenen Wissen- schaften auffalst, so kann man die Grundfrage der Logik so stel- len: wie bringt das Denken Nothwendigkeit hervor? Es fragt sich, ob zur Beantwortung derselben der formale Begriff der | Nothwendigkeit, der Unmöglichkeit des contradictorischen Ge- gentheils, genüge. Drobisch behauptet es (S. 185), aber die Sache selbst widerspricht. Allerdings giebt es keine doppelte Nothwendig- keit, eine formale und eine reale. Vielmehr geht die formale in letzter Quelle in die reale zurück, wie überhaupt das Lo- gische seine Wurzeln in das Metaphysische hineintreibt. Wenn die Nothwendigkeit lediglich als Unmöglichheit des contradictorischen Gegentheils erklärt wird, so zeigt sich leicht, dafs diese Erklärung, wenn sie ausgeführt werden soll, schon ein Nothwendiges voraussetzt, aus welchem die Unmöglichkeit erhelle; denn Unmöglichkeit ist Nothwendigkeit einer Ver- neinung und nicht die blofse Verneinung eines Möglichen. Soll A im Sinne der Definition nothwendig sein, so mufs Nicht-A unmöglich sein d. h. verneint werden. Was hätte die Kraft und das Recht es zu verneinen, es sei denn, dals es selbst nothwendig wäre? WVenn noch kein Nothwendiges ge- geben ist oder vorausgesetzt wird, so ist mit dem Nothwen- digen als der Unmöglichkeit des Gegentheils nichts anzufangen. Die indirecten Beweise des Euklides, welche die Unmöglichkeit eines Gegentheils darstellen, bringen den Einspruch zur An- schauung, welchen Grundsätze oder bewiesene Sätze, also eine erkannte Nothwendigkeit, gegen die Annahme des Gegentheils richten. Nur wo schon Nothwendiges feststeht, kann sich an- deres so darauf stützen, dals sein Gegentheil von diesem Punkte aus als unmöglich eingesehen wird. Drobisch, welcher die Unmöglichkeit des contradictorischen Gegentheils als den eigent- lichen und ursprünglichen Begriff des Nothwendigen aufrecht‘ hält, sagt dagegen (S. 186 vgl. Drobisch Logik 1851 $. 58.): die Erkenntnils der Nothwendigkeit sei überall die Erkenntnifs der Unabänderlichkeit zufolge der Einsicht, dafs jede Aenderung gleich bedeutend mit der Aufhebung des durch seinen Be- griff gegebenen Wesens desjenigen sein würde, an dem die Aenderung versucht wird” Wenn man diese Erklärung vom 18. Februar 1856. 97 der Nothwendigkeit zergliedert, so springt die darin stillschwei- gend vorausgesetzte Nothwendigkeit von selbst heraus. Denn das durch den Begriff gegebene Wesen ist das Nothwendige, mit welchem das Gegentheil einer andern nothwendigen Er- kenntnils in Widerspruch treten würde. Der Begriff stellt an sich schon das Bildungsgesetz der Sache dar, ein durch das darin enthaltene Nothwendige gegen den Wechsel beharrendes Wesen. Aber die Erkenntnifs der Nothwendigkeit soll überall die Anerkennung der Unabänderlichkeit sein. Es wird nicht geleugnet, dafs dieser negative Ausdruck dem Nothwendigen angehöre; allein es fragt sich, ob ursprünglich als das Erzeu- gende oder als ein Eigenthümliches aus dem Ursprung fol- gend. Woher stammt denn, mufs man fragen, die Anerken- nung eines ersten Unabänderlichen? Das Unabänderliche steht wie ein Fremdes dem erkennenden Geiste gegenüber und doch ist die Anerkennung sein eigen; er übt sie und wenn er sie nicht übte, so widerspräche er seiner eigenen Natur und zugleich der Natur der Sache. Die Anerkennung kann daher nur aus Principien entspringen, welche dem Geist und den Dingen, dem Subjectiven und Objectiven gemeinsam sind. Auf einen solchen Ursprung werden z. B. die Grund- sätze der Geometrie, das ihr erste Nothwendige, zurückgehen müssen. Wenn es bei dem formalen Begriff sein Bewenden haben soll, so begreift sich kaum, wie der reale Inhalt, von aulsen kommend, sich in diese Form füge und ihr nicht viel- mehr als fremd widerstehe. Eine solche Vereinigung der Prin- eipien in den Gedanken und der Principien in den Dingen greift weiter als die Logik und hat darum selbst eine ethische Bedeutung, weil dieser Begriff der realen Nothwendigkeit eine Bedingung zur realen Freiheit in sich enthält. Denn wenn die Principien des uns Nothwendigen und des den Dingen Noth- wendigen zusammengehen, so wird es dem Menschen möglich, die Nothwendigkeit der Dinge als seine eigene Vernunft zu erkennen und in der Unterordnung unter jene seine Freiheit zu vollziehen. Wenn biernach die formale Erklärung der Nothwendigkeit, Unmöglichkeit des contradictorischen Gegentheils, auf die Ele- mente zurückgeführt wird, welche sie voraussetzt: so vertieft 98 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse sie sich von selbst in eine reale Untersuchung und es ist die- ser Punkt einer der Örter, an welchen die formale Logik ihrer Ungenüge überführt und zum Bewulstsein eines ihr innewoh- nenden metaphysischen Bedürfnisses gebracht werden kann. Aber der Grundbegriff der herbartischen Metaphysik, das Sein aus dem formalen Begriff der Nothwendigkeit abgeleitet, kann, selbst wenn er richtig abgeleitet wäre, dies Bedürfnils nicht befriedigen. So weit wir wenigstens Quellen der Aner- kennung in der Wissenschaft, seien es die mathematischen oder ethischen Principien, aus welchen Noihwendigkeit flielst, vor uns haben: so weit weisen sie anderswohin, als auf ein aller Beziehungen und aller Gröfse entkleidetes einfaches Seiendes. Es ist ein Kunststück der Speculation, wenn man nach diesem gemachten Mafsstab Widersprüche milst und Widersprüche löst. Sind die Widersprüche nur Widersprüche für einen falschen Kanon, so werden es keine sein, und sind die Lösungen nur Lösungen nach eben demselben, so sind die Widersprüche, wenn sie da waren, ungelöst. Es ist nicht dieses Ortes, eine genügendere metaphysische Betrachtung zu versuchen, da dies anderweitig geschehen ist und es sich zunächst um Herbarts Metaphysik und keines andern handelt. Hiernach sind die Erfahrungsbegriffe an und für sich von den Widersprüchen frei, welche ihnen durch das Seiende als absolute Position aufgeheftet werden. Andere Widersprüche sollen indessen tiefer sitzen; denn die allgemeinen Erfahrungsbegriffe sollen an und für sich, gleichsam sich selbst feindlich, dem Princip der Identität wider- sprechen, das freilich einst Aristoteles das sicherste von allen nannte. So widerspricht z. B. der Begriff des Grundes und der Folge darin sich selbst, dafs die Folge, wie gezeigt wurde, mit dem Grunde identisch und nicht identisch ist, die Bewe- gung darin, dafs das Bewegte zngleich an einem und demselben Orte ist und auch nicht ist. A kann nicht zugleich und in der- selben Beziehung A und nicht A sein. A ist A und nicht nicht A. Niemand leugnet das Princip des Widerspruchs. Aber wir behaupten Grenzen seiner Anwendung, welche man bis dahin ı vom 18. Februar 1856. 99 übersehen hat; und jene Widersprüche verschwinden, wenn man diese strengen Grenzen einhält. Das Princip der Identität erscheint beim Aristoteles, wel- ‚cher es zuerst mit dem Bewulstsein der für die Logik princi- piellen Bedeutung ausspricht, in einer doppelten Fassung, einmal, indem es die Übereinstimmung des Behauptenden mit sich selbst, und dann indem es eine Übereinstimmung des Dinges mit sich fordert‘). In der ersten lautet es so: es ist unmög- lich, dafs dasselbige zugleich bejahet und verneint werde, in der zweiten: es ist unmöglich, dals demselbigen in derselbigen Hinsicht dasselbige zugleich zukomme und nicht zukomme. Wie ‚die Logik der Wissenschaft aus der Dialektik des Streitge- \sprächs entstanden ist, so hat jene erste Fassung noch die offenbare Richtung in sich, den Streitenden zu überführen, ihn aus seinen eigenen Behauptungen, seinen Bejahungen und Ver- neinungen zu widerlegeu und im Dilemma des Widerspruchs zu entwaffnen. Indessen hat diese Übereinstimmung des Re- denden mit sich selbst einen tiefern Grund. Seine Behauptung macht Anspruch auf Wahrheit und die Wahrheit soll mit sich selbst übereinstimmeu; das Wahre wird als das Nothwendige (gedacht, was jede Zumuthung der Verneinung abwehrt. Wer ‚sich selbst widerspricht, macht die Nothwendigkeit seiner Be- "hauptungen, deren Anerkennung er fordert, unmöglich. In der ‚zweiten Fassung, der scheinbar rein sachlichen, liegt dieselbe Noihwendigkei, welche, wie gezeigt wurde, in eine Gemein- haft des Denkens mit der Sache zurückgeht, dem Ausdruck er wenigstens der richtigen Anwendung zum Grunde. Was einem Dinge in einer Hinsicht zukommt, dessen Verneinung on ihm nicht in derselben Hinsicht zukommen. Das Ding ‚in den Begriff erhoben, wenn davon die Rede ist, ob ihm eine N sage zukomme oder nicht; und wenn nicht schon die Noth- digkeit einer Aussage vorliegt, so entsteht in dem Versuch, elbe Aussage in derselben Hinsicht zu bejahen und zu ver- inen, nur ein Schwanken, nur ein Zweifel, welche von beiden issagen, die bejahende oder verneinende, solle gesetzt werden, ı *) Vgl. elementa log. Aristot. ed. IV. 1852. zu $. 9. und logische ‚Untersuchungen. I. S. 19 £. 100 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse aber es kommt nichts heraus; und selbst der Zweifel stütz | sich auf die Voraussetzung, dafs beide nothwendig sein wollen. Wo Aristoteles (in der Metaphysik IV., 3—7) das Prineip der Identität erörtert und den Widerspruch scharf hervorhebt, der dann entstehen würde, wenn man es verlielse oder aufgäbe: da sucht er zu zeigen, dafs die Erkenntnifs ohne dies Princip mit ihren tiefsten Ansprüchen zerfallen und sich entzweien würde. Es gäbe, sagt er, ohne dies Princip nichts Festes und Gewisses für die Erkenntnils; es gäbe kein begrenztes Allge- meines, ohne welches das Denken aufhört; es würde die Wahr- heit zu etwas, was davon flöge; es gäbe keine Einheit, worauf doch das Denken hingeht. Indessen alle diese Bestimmungen, das Feste und Bleibende, das Allgemeine und Eine sind vom Nothwendigen gehalten und getragen; sie flielsen von diesem Ursprung aus und gehen in diesen Ursprung zurück, so dals alle Gründe und Folgerungen, mit welchen Aristoteles den das Princip Leugnenden überführt, nicht neben einander stehen, wie Aristoteles sie neben einander stellt, sondern bei tieferer Untersuchung von dem Einen Grunde und der Einen Folgerung abhängen, welche Aristoteles als eine einzelne unter vielen auf- führt, wenn er sagt (IV. 6. p. 1010 b 28): „es würde kein Nothwendiges geben, denn das Nothwendige kann sich nicht anders und anders verhalten; folglich wenn es etwas Noth- wendiges giebt, so wird es sich nicht so.und auch nicht so verhalten.” Man mufs nach Obigem weiter gehen. Es muls nicht blos das Nothwendige als mit sich identisch, sondern auch die Forderung der Identität als Ausflufs des Nothwendigen oder des Anspruchs auf Nothwendigkeit anerkannt werden. Es zeigt sich dies in der wissenschaftlichen Anwendung des Princips der Identität. Mit dem ersten Theil seiner Formel: „a ist a und a ist nicht nicht-a”, lälst sich nichts anfangen; denn „a ist a’ dreht sich nur um sich selbst herum; aber der zweite Theil „a ist nicht nicht-a”; „es läfst sich nicht dasselbe in derselben Hinsicht bejahen und verneinen”, ist ergiebiger. In dem in- directen Beweise dient er um das Unmögliche des contradie- torischen Gegentheils dadurch darzuthun, dals das erkannte Nothwendige sich gegen die Consequenz des angenommenen vom 18. Februar 1856. 101 Gegentheils geltend macht. Hier ist das Princip als ein Glied thätig, um das Nothwendige darzuthun, und zwar ein neues Nothwendiges auf dem Grunde des alten, das die andringende Zumuthung jener Annahme anders zu sein, als es ist, zurück- weist. In der Dialektik, wie sie Aristoteles bestimmte und übte, handelt es sich darum, die Vorstellungen, welche ge- meinhin über einen Gegenstand gelten, in ihre Folgen hinaus- zutreiben ; und die Widersprüche, welche sich in diesem Verfahren ergeben, sind ein Anzeichen, dals die Nothwendigkeit fehlt, welche doch die Behauptungen ansprachen. Die Begriffe, welche nothwendig sein wollen, geben auf diesem Wege ihre Blöfse kund, weil ihre Folgen in einem Widerspruch mit ihrem Wesen oder mit einem andern Nothwendigen steben. Diese Dialektik macht daher kritisch, indem die Widersprüche, welche sie aufzeigt, eine Vorstellung entweder aufzugeben oder bald zu erweitern bald einzuschränken nöthigen. Wenn die Naturwissenschaft den beobachteten Thatsachen, welche die nothwendigen Folgen eines zunächst unbekannten Grundes sind, den erdachten Grund gegenüber stellt: so verlangt sie, dafs der gedachte Grund, der, wie jeder Grund, nothwendig sein will, jene beobachteten Thatsachen als Folgen entwerfe und in seinen Folgen decke. Der Grund mit seiner bypotbetischen Nothwendigkeit mufs sich in der Entwicklung mit der Noth- wendigkeit der Thatsachen, welche seine Folgen sein sollen, vergleichen und messen. Der Widerspruch, der sich dabei ergeben kann und, falls er Bestand hat, den Grund zurückzu- nehmen zwingt, entnimmt auch in dieser Anwendung seine zwingende Kraft von dem in den Thatsachen vorausgesetzten Nothwendigen, welches mit sich identisch beharrt. In allen diesen Fällen lälst der Widerspruch das Falsche erkennen, in- dem das Nothwendige sich selbst behauptet. Das Wahre will nothwendig, das Nothwendige mit sich identisch sein und daher ist, was einem Nothwendigen wider- spricht, nicht wahr. Es ist diese Übereinstimmung mit sich selbst nur der formale Charakter des Wahren, welcher über den Inhalt des Wahren nichts aussagt. Daher mag auch das Unwahre z. B. das Mährchen und selbst die Lüge, um sich den Schein des Wahren zu geben, dahin streben, mit sich 102 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse selbst übereinzustimmen; aber es wird durch den Widerspruch mit anderm Nothwendigen in seiner Natur erkannt. Das Wahre, ist mit sich identisch, aber nicht alles mit sich Identische ist wahr. Das Princip der Identität ist hiernach die Selbsterhaltung des Nothwendigen; es hat erst da Sinn, wo Nothwendiges erkannt ist oder vorausgesetzt wird, und hat vor ihm keine Anwendung. Wird ein erstes Nothwendiges gesetzt z. B. die Axiome und Postulate im Euklides, so duldet das Princip der Identität, die Selbstbehauptung des Nothwendigen, keinen auf- strebenden Begriff, welcher ihm widerstritte. Aber was das erste Nothwendige sei, welchen Inhalt es habe, das liegt vor dem Bereich seiner Sphäre. So wenig also als der formale Begriff des Nothwendigen, die Unmöglichkeit des Gegentheils, das erste Nothwendige erreicht, weil er es vielmehr voraus- setzt und hinter sich hat: so wenig das Princip der Identität, das selbst ein Theil jenes Begriffes ist, inwiefern es im in- directen Beweis mitwirkt. Gesetzt nun, dals es letzte Begriffe der Erfahrung gäbe, welche ein solches erstes Nothwendiges sind, ein Ursprüngliches, welches in den Erscheinungen noch durch- wirkt, ein Ursprüngliches, woraus das übrige Nothwendige als ein Abgeleitetes herflielst: so kann für sie das Princip der Identität, so lange es nicht übergreift und keine unbewiesene Norm unterschiebt, kein Mafs des Möglichen oder Unmöglichen abgeben. Wenn daher z. B. die Causalität, die Bewegung — und beide hangen vielleicht auf das Engste zusammen — das erste Nothwendige sind: so ist zwar ihre Natur zu unter- suchen und darzulegen, aber das Princip der Identität, welches erst mit dem anerkannten Nothwendigen seine Herrschaft be- ginnt, darf sich in sie nicht eindrängen, um sie zu entzweien. Strümpell hat diesen zweiten entscheidenden Punkt, den Werth des Prineips der Identität in seiner Anwendung, gar nicht beachtet. Drobisch hingegen verweist auf seine Logik, in welcher jedoch das Princip der Identität unbegrenzt gilt und die Frage über den Ursprung und die Grenzen seiner An- wendung so wenig aufgeworfen wird, als in der bisherigen Logik überhaupt. vom 18. Februar 1856. 103 Es erhellt von Neuem, dals alles darauf ankommt, was das erste Nothmendige ist, das Ursprüngliche, was aus sich ein- leuchtet; es erhellt von Nenem, dafs der reale Begriff des Nothwendigen die erste Frage der Metaphysik sei; denn er setzt den formalen Begriff — die Unmöglichkeit des Gegen- theils — sammt dem Princip der Identität erst in Bewegung. Wer, wie Herbart thut, mit dem formalen Begriff beginnt und daraus den realen fassen will, stellt die Genesis auf den Kopf und verfehlt dadurch das Ziel. In diesem Fehler liegt das Ver- ı gebliche des Unternehmens. Es werden Widersprüche gemacht, die nicht da sind, Widersprüche, welche nur nach einem falschenKa- non (dem künstlichen Begriff des Seins) oder der falschen Anwen- dung eines richtigen Princips (des Gesetzes der Identität) zum Vorschein kommen, und welche, wie weiter zu beweisen steht, so lange diese beiden Malsstäbe angelegt und festgehalten wer- den,trotz aller metaphysischen Arbeit Herbarts nicht verschwinden. Dies führt auf die zweite Thesis. Nach dem im Obigen gegen die Einwürfe behaupteten und bestätigten Satze: die von Herbart in den allgemeinen Erfahrungsbegriffen bezeichneten Widersprüche sind keine Widersprüche, folgt der zweite: wären sie wirklich Widersprüche, so wären sie in seiner Metaphysik nicht gelöst'). Es wurde diese Behauptung an Herbarts Begriff vom wirklichen Geschehen nachgewiesen. Die Realen bleiben sich gleich, sagt Herbart seiner Auffassung des Seienden gemäls, und erhalten sich selbst und doch erscheint die Veränderung. Jedes Wesen ist an sich von einfacher Qualität; aber die vie- len Qualitäten lassen sich vielfach vergleichen, jede mit allen übrigen. In dem Verhältnisse der Qualitäten zu einander tritt dadurch eine Negation hervor. Das wirkliche Geschehen ist nun nichts anders als ein Bestehen wider die Negation; die affrmative Selbsterhaltung ist darin eine Negation der Negation. Indem die entgegengesetzten Qualitäten, wie positive und ne- gative Grölsen, wie + und —, zusammentreffen, erhält jede ihr Wesen dadurch, dafs sie sich einander aufheben. Das *) Monatsberichte. Noybr. 1853 S. 670 ff. Historische Beiträge zur Philosophie. 1855. II. S. 334 ff. [1856] 8 104 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Seiende bleibt also sich gleich, obwol dem fremden Zuschauer Veränderung erscheint. Wenn A=«+£ mtC=p-— PB zusammen ist, so entsteht A +C=« + p. Esist ein Neues für den Beobachter, der, die einfachen Qualitäten nicht kennend, in die verschiedeneu Relationen von A und C verwickelt ist. Aber das Seiende selbst ist dem Gesetze der Identität gemäls sich selbst gleich geblieben. Hiegegen wurde gezeigt, dals diese ganze Erklärung, be- stimmt den Widerspruch aus der Veränderung wegzuschaffen, die Veränderung in der Form der Bewegung in sich enthält ' und dafs also der Widerspruch, wenn er einer ist, sitzen bleibt, wo er sitzt. Es wurde gezeigt, dals abgesehen von der Theorie der Realen, welche nicht zugegeben werden kann, die Analogie der positiven und negativen Gröfse auf Bewegung im Raum und auf Zeit im Ursprung der Zahl führe, und vorzüglich, dals der Begriff des Zusammen, in welchem jedes der Realen wider die Negation besteht, ohne die Bewegung, welche aus dem Nicht- zusammen das Zusammen schafft, nicht zu denken sei. Sehen wir wiederum zunächst, wie sich in diesem Punkt, in welchem sich Herbarts Metaphysik durch sich selbst wider- legt, die beiden Vertheidiger unter einander verhalten. Auch hier ist der Unterschied charakteristischh Drobisch erkennt stillschweigend an, dals die Streitpunkte richtig gestellt sind, und als philosophischer Mathematiker führt er die Frage aus dem allgemeinen Gebiete des Geschehens in den Begriff des Stetigen über, wo es sich in verwandter Weise um das Zu- sammen und um die Bewegung handelt. Strümpell dagegen rührt an sorgfältig von Herbart überlegten Begriffen. So nennt er den anschaulich gewählten, die ganze Erklärung des Ge- schehens beherrschenden Begriff der Selbsterhaltung eine un- glückliche Wahl des Ausdrucks; er behauptet ferner, dals der Vergleieh mit den positiven und negativen Gröfsen, welcher doch das sich identisch erhaltende Wesen mit der dem Beob- achter erscheinenden Veränderung allein vermittelt, gar kein Ernst sei, und er scheint sich z. B. nicht zu erinnern, dals Herbart sogar noch in der praktischen Philosophie (S. 138 ff.) (so sehr ist es ihm mit dem Vergleiche Ernst) die Idee der vom 18. Februar 1856. 105 Billigkeit unter dieselbe Analogie falst. Strümpell hält endlich den Begriff des wirklichen Geschehens für so ungenügend, dafs die Entstehung „eines primitiven Ereignisses” nicht ohne den Rest eines dunkeln Punktes daraus könne abgeleitet werden (XXVIE 2. S. 188). Hiernach hat auch an dieser Stelle die befreundete Schule Herbarts viel mit ihm auszumächen, aber der Gegner wenig oder nichts. Drobisch synechologische Untersuchungen sind in man- eher Beziehung belehrend. Aber es liegt vieles darin aufser- halb der Streitfrage. Wenn wir unsers Theils den Standpunkt von Herbarts Metaphysik anfechten, so müssen wir es der Schule Herbarts überlassen, wie weit sie die Lücke, welche in Herbarts Synechologie liegen soll und die Ausfüllurig derselben anerkenne, welche im Geiste Herbarts versucht wird (XXVI. 1: $, 22), indem zu dem Zweck, um für die Stetigkeit der Be- wegung und der Zeit in gleicher Weise einen Erklärungsgrund zu finden, wie für die Stetigkeit des Raums, dem intelligibeln Raume Herbarts eine intelligible Bewegung und eine intelli- gible Zeit znr Seite gesetzt werden, welche bei ihm nicht vor- kommen. Wir übergehen kleinere Differenzen zwischen Drobisch and Herbart, welche wir hervorheben könnten und behalten allein die Frage im Auge, welche uns beschäftigt, ob Herbart Bach den Ergebnissen dieser Untersuchung die Widersprüche sofern man die Lösung nach demselben Mafsstab milst, nach welchem er die Widersprüche herausfand. Wir stellten dies in Abrede — und Drobisch muls am Ende dasselbe zugestehen. Wenn er auch den Widerspruch, der gleich „einem düstern Verhängnils, dem sich unser denkendes Erkennen nicht ent- ziehen kann” (XXV1. 1. S. 25), ungelöst zurückbleibt, an einem andern Punkte, nämlich im Begriff des Stetigen und nicht un- mittelbar im Begriff der Bewegung, einräumt: im Grunde ist diese Vertheidigung eine Verstärkung des Angriffs und sie wirft auf das Vergebliche in den Prämissen und in den Consequenzen der herbartischen Metaphysik, sie wirft vorwärts und rückwärts ein um so helleres Licht, als wir es dem Vertreter selbst ver- danken. Überdies würde es sich zeigen lassen, dafs der auf- gestellte Widerspruch im Begriff des Stetigen und im Begriff ‚ wirklich löste, welche er in den Erfahrungsbegriffen behauptete, i 106 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse der Bewegung an sich einer und derselbe ist. Wenn wir, wie Drobisch thut, den Begriff des Stetigen als den ersten nehmen, so fassen wir das als ein schon Gegebenes, als ein insofern Fertiges, in der Ruhe auf, was die constructive Bewegung erst hervorbringt und im Werden erzeugt. „Alle Veränderung wird von Herbart”, heilst es (S. 18), „auf einen durch Be- wegung vermittelten Wechsel des Zusammenseins der Realen zurückgeführt”. Wenn wir nicht irren, so hat hierin der Ver- theidiger für die Stellung, welche er behauptet, schon zu viel zugestanden; denn in der Bewegung hat Herbart immer das anschaulichste Beispiel des in den Erfahrungsbegriffen steckenden Widerspruchs gesehen. Das Zusammen und Nicht-zusammen der Realen wurde überhaupt erdacht, um der Bewegung los zu werden, und einer unserer Einwände richtete sich wesentlich dahin, dafs sowol in der Vorstellung als im Wirklichen der Wechsel des Zusammen und Nicht-zusammen nur durch den Ueber- gang der Bewegung möglich werde, und dafs daher in der vorgeschlagenen Entfernung des Widerspruchs, in dem die Veränderung ersetzenden Begriff, dem Wechsel des Zusammen und Nicht-zusammen der Realen, die Bewegung zwar versteckt werde, aber als Widerspruch hängen bleibe. ,‚Nur das Stetige in der Bewegung”, heilst es weiter (S. 18), ‚ist das, was an ihrem Begriff noch als Problem übrig bleibt. Dieses bezieht sich aber hier nicht mehr blos auf räumliche, sondern zugleich auf zeitliche Verhältnisse. In der erstern Hinsicht ist die Be- wegung der stetige Übergang von einem Orte zu einem an- dern. Sie ist nicht blos Versetzung aus dem ersten Ort in einen beliebig nahe liegenden zweiten, sondern es soll auch nie an einem zwischenliegenden dritten Ort fehlen, in dem das Bewegte zuvor sei, ehe es aus dem ersten in den zweiten kommt. Damit geräth man nun entweder in eine unendliche Reihe von Versetzungen, von Sprüngen, deren keiner klein genug ist, um für den ersten gelten zu können, der bekannte zenonische Einwurf gegen die Möglichkeit der Bewegung; oder man denkt sich den Anfang der Bewegung als eine unendlich kleine Versetzung des Bewegten, wo dann der Widerspruch im Unendlichkleinen liegt, und zu der.kleinsten endlichen Ortsveränderung eine unendliche Zahl solcher Versetzungen, vorn 18. Februar 1856. 107 für doppelt, dreifach, viermal so grolse eine doppelt, dreifach, vierfach unendliche Zahl von Versetzungen nöthig ist u. s. fi” In diesen Worten wird der zurückgebliebene Widerspruch deutlich anerkannt und derselbe Widerspruch bleibt in dem noch angefügten Versuch (S. 19), „den Ort des Übergangs als einen solchen aufzufassen, der mit dem nächst vorhergehenden und nächst folgenden etwas Gemeinschaftliches hat”. Zu wel- chem Ende das Bewegte als ein zwar „einfacher, aber theil- barer (!) metaphysischer Punkt” gefalst wird, ‚‚denn der Stell- vertreter des einfachen Realen sei der metaphysische Punkt”. Sind nun zwei solche Punkte unvollkommen zusammen, so stellt der zweite den Ort des Übergangs von dem ersten zu einem dritten dar, der mit dem zweiten ebenfalls unvollkommen zusammen ist, aber ganz aulserhalb des ersten liegt. Die Ver- setzung des Bewegten aus dem ersten Ort in den mit diesem verketteten zweiten, aus diesem in den wieder mit ihm ver- ketteten dritten u. s. f. wäre dann die Bewegung. Man kann diese Versetzungen nicht Sprünge nennen, denn es fehlt der leere Zwischenraum, der übersprungen würde, wenn gleich noch unzählig viele Zwischenlagen denkbar sind. Eine solche Versetzung mülste nun als das Element der Bewegung an- gesehen werden, und der Bruchtheil des Aneinander, der die Lage zweier solcher verketteten Orte ausdrückt, bestimmt die Grölse der Geschwindigkeit der Bewegung”. Wir wollen in dieser letzten Auffassung des Stetigen kein Gewicht darauf legen, dals zunächst die Wörter der Sprache allenthalben die Bewegung, wenn das Stetige erklärt werden soll, in der Erklärung wiederum kund geben. Die Wörter: Versetzung des Bewegten, Verkettung der Örter tragen die Anschauung der Bewegung in sich und selbst die „Sprünge”, die das Gegentheil der stetigen Bewegung aus- drücken sollen, sind, der Anschauung zurückgegeben, stetige Bewegungen, welche nur durch einen Umweg das directe Con- tinuum vermeiden und dadurch für dieses eine Unterbrechung darstellen. Es ist diese Wahrnehmung nur ein psychologi- sches Anzeichen, dals die constructive Bewegung dem mensch- lichen Geiste eine selbst in dem Begriff ihres Gegentheils unumgängliche und darum allgemeine und ursprüngliche Be- dingung ist. Indessen bietet der Begriff der Sache dieselbe 108 Sitzung der philosophisch-hisiorischen Klasse Schwierigkeit. Ein metaphysischer Punkt, der als einfach, aber doch als theilbar gedacht werden soil, seizt schon das Stetige und da alles Theilen nur durch Bewegung zu Stande kommt, die Bewegung voraus und das unvollkommne Aneinander ist gar nicht denkbar, wenn das Aneinander, in welchem der strenge Zusammenhang des sich einander Berührenden gedacht wird, nicht zugleich als aufser einander bestimmt wird. Das unvoll- kommene Aneinander ist nur dadurch unvollkommen, dals es aus einander gerückt und das in der Berührung Begriffene von einander bewegt ist. Das Stetige, das erklärt werden soll, wird der Erklärer nicht los, wie er selbst einräumt. „Das Stetige ist nicht völlig beseitigt oder aus einem Nichtstetigen abgeleitet, sondern es ist ihm nur ein engerer Spielraum an- gewiesen, innerhalb dessen es, wenn auch latent, immer noch vorhanden bleibt”. Aber genau genommen, wird er die Be- wegung nicht los, welche selbst das Stetige erzeugt. In der That kommt Drobisch im Endergebnils, indem er die herbartische Metaphysik durch einen Begriff ergänzt, der Be- wegung nahe. ,‚Der Begriff des Übergangs”, sagt er ($. 32), „von einem äulsern und innern Zustand des Realen zu einem andern ist nichts anders als der Begriff der reinen oder ab- soluten Veränderung. Die durch die Erfahrung gegebene, die empirische Veränderung ist nur insoweit eine Thatsache, als zwei für idenlisch geltende Gegenstände doch nicht völlig identisch erscheinen”. „Die einfachste Annahme ist immer- hin die, welche dem Begriffe der Veränderung wirklich zum Grunde liegt, dals nämlich ein und dasselbe Object der ge- meinsame "Träger der suecessiven Erscheinungen und deren Ver- schiedenheit die Folge von verschiedenen Relationen sei, in welche das Object kommen kann. Dieser Wechsel der Rela- tionen führt aber in letzter Instanz auf die stetige Verände- rung, die entweder Ortsveränderung, Bewegung ist, oder in adäquater Weise durch diese anschaulich werden kann. Wir nennen daher diese der empirischen zum Grunde liegende Ver- änderung reine, oder auch absolute, weil die empirische sie zur letzten Voraussetzung hat, sich als relative auf sie bezieht”. Dieser Begriff wird nun dahin bestimmt (S, 33), dafs er eine „nothwendige Veraussetzung ist, ohne welche es un- vom 18. Februar 1856. 109 möglich sein würde, zu einer vollständigen Zusammenfassung des Gegebenen zu gelangen”, ein „als Bedingung der Erreichbarkeit eines gewollten Zweckes” „gültiger Begriff”. „Sein in- nerer Widerspruch läfst sich nicht beseitigen; denn jeder Versuch dieser Art entzieht dem Begriff seine Reinheit, endigt mit einer Halbheit, durch welche immer wieder die strenge Forderung der stetigen, reinen absoluten Veränderung als nothwendige Ergänzung hindurchbricht”. Drobisch hat ausdrücklich erklärt (S. 36), dals dieser Begriff der reinen Veränderung, welcher nun für die Metaphysik als die zweite nothwendige Grenzbestimmung zu der ersten und ursprünglichen des reinen Seins biuzugethan wird, nicht das Princip der constructiven Bewegung sei, welches, in den „logi- schen Untersuchungen” bebauptet und ausgeführt, zuerst den Streit gegen Herbarts Synechologie und die Grundbegriffe der herbarti- schen Metaphysik erregte (Logische Untersuchungen I. S. 137 ff.). Ohne Frage bleibt ein merklicher Unterschied bestehen. Aber der unbelangene Leser, der Zuschauer der streitenden Parteien, wird vielleicht gern bemerken, dals selten in metaphysischen Fragen der "bestrittene Standpunkt dem Bestreitenden so nahe gerückt und da- durch eine künftige Verständigung so angenähert wurde. Über den Unterschied möge der Leser entscheiden. Das neue Herbart ergänzende Princip ist der Begriff der reinen Veränderung als ein „Grenzbegriff”, den das Denken zum Zwecke der Herstel- lung eines vollständigen Gedankenzusammenhangs des Gegebenen bilden und trotz seines Widerspruchs festhalten muls”; denn „‚der Widerspruch ist das Kennzeichen der Grenze des Denkens”. Wir können uns dagegen eine „reine Veränderung”, welche nur ein leeres Abstractum ist, gar nicht denken, es sei denn dals wir die eonstructive Bewegung unterschieben. Die reine Veränderung besagt nichts; zumal Herbarts reines Sein keine Qualität hat, welche sich verändern kann. Die constructive Bewegung hin- ‚gegen hat darin ihre grofse Bedeutung, dafs sie, wie z.B. in der Erzeugung geometrischer Gestalten, vom Denken geübt wird und ‚als der Ursprung des Bildes das Denken in die Anschauung führt. ‘Sie hat darin ihre ausgedehnte Macht und ihre Bewährung, dals sie psychologisch die Voraussetzung aller sinnlichen Wahrnehmung ist, indem sie mitten im leidenden Eindruck das geistig Thätige, die 110 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Formen der Aufsenwelt dem Geiste als Bilder aneignet. Sie hat endlich die wichtige Bestimmung, den Begriff des Geistes, ins- _ besondere den Zweck, welcher der Bewegung die Richtung giebt, zu entwerfen und seine Verwirklichung möglich zu machen. Selbst. geistig, wie nachgewiesen wurde, ist sie das thätige Mittelglied zwischen der geistigen und sinnlichen, der idealen und realen Welt. Läfst sich dasselbe von der nun für Herbart gefundenen Ergänzung sagen, von der „reinen Veränderung”? Die reine Ver- änderung, aus den empirischen Wahrnehmungen herausgezogen, erzeugt als reine Veränderung kein Bild; es läfst sich mit ihr nichts anfangen, so wenig als mit dem andern Grenzbegriff, dem reinen Sein. Die Zergliederung hat auf sie geführt, aber, wenn wir nicht irren, so ist die reine Veränderung, wie das, was man nur durch zergliedernde Anatomie findet, todt, und kein thätiges Element. Es wird darauf ein Gewicht gelegt, dals dieser Grenzbegriff der reinen Veränderung dem Denken als solchem und nicht dem Realen angehört. „Wir müssen mit Herbart”, sagt Drobisch (S. 35), „den ganzen Apparat des zusammenfassenden Denkens dem Realen gegenüber als objectiven Schein bezeiehnen; aher es ist kein Schein, mit dem sich das Reale umgiebt, der von diesem ausgeht, und hinter dem wir etwas dem Schein als solchem entsprechendes Reales zu suchen hätten; vielmehr ist es ein Schein, den das den- kende Subject setzt, producirt, und mit dem dieses das Reale um- giebt, um zu seinem Zweck, dem der vollständigen Zusammen- fassung des Gegebenen zu gelangen”. Das Princip der constructiven Bewegung will mehr. So weit die Bedeutung der Formen reicht, sei es im Geiste, sei es in den Dingen, so weit reicht seine Be- deutung, indem es im Geiste für die Dinge Formen vorbildet und für den Geist aus den Dingen Formen nachbildet. Ohne eine solche vermittelnde Thätigkeit, als welche wir, bis eine andere, eine tiefere und herrschendere, nachgewieten ist, die Bewegung ansprechen, käme auch das „zusammenfassende Denken”, für wel- ches die „reine Veränderung” gefordert ist, nimmer zu Stande. Wenn das zusammenfassende Denken nichts hat, was es mit den Dingen theilt, und mithin nichts, wodurch es in die Dinge ein- dringt, nichts, wodurch es die Formen der Dinge in sich auf- nimmt, und durch das Princip der reinen Veränderung hat es nichts von diesem Allen: so arbeitet das zusammenfassende Denken vom 18. Februar 1856. 111 nicht viel anders als die leere Hand, die, zusammenfassend, nur die entweichende Luft zusammenfalst; aber nicht wie die Hand, mit welcher Aristoteles den Verstand verglich, damit, gleich wie die Hand das Werkzeug der Werkzeuge d.h. das alle Werkzeuge verwendende Werkzeug ist, der Verstand die Form der Formen d.h. die alle sinnliche Formen verwendende und beherrschende Form sei. Aus der erzeugenden Bewegung gehen mathematische Gesetze hervor, welchen sich, wo sie angewandt werden, die ge- gebenen Dinge fügen und welche daher ihrer Quelle einen andern Werth geben, als objectiver Schein zu heilsen. Nebenbei erhellt aus dem Gesagten, wie unrichtig die Auf- fassung ist, dals in den „logischen Untersuchungen” das Denken der Anschauung als einer höhern Erkenntnilsquelle untergeordnet wird (S. 36); denn das Umgekehrte liegt zu Tage. In der con- structiven Bewegung, dem Principe der Anschauung, ist die Rich- tung des Denkens, welche in das sinnlich Viele geht, bezeichnet worden; aber es ist dabei immer hervorgehoben, dafs sie sich der andern Richtung des Denkens, welche, auf die Einheit gehend, im Zwecke, dem Grunde des Idealen, am tiefsten gefalst ist, unter- ordne, ja es ist gezeigt, wie sie sich ihm füge und fügen könne. Sollte endlich der Vorwurf ernstlich gemeint sein, dafs in der eonstructiven Bewegung das Denken nur einem blinden Factum unterworfen werde? oder sollte wirklich, die aus den empirischen Veränderuugen leicht herausgezogene reine Veränderung, specu- lativer sein, als das von Neuem des Empirismus geziehene Princip der constructiven Bewegung? So hat sich denn in der neuen Untersuchung von Drobisch bestätigt, was im zweiten Satz behauptet wurde. Der von Her- bart aufgestellte Widerspruch, wenn anders ein Widerspruch, ist in der metaphysischen Behandlung nicht weggeschafft wor- den. Die reine Veränderung, welche für den ergänzenden zwei- ten Grenzbegriff erklärt wird, behält ihn an sich und in sich. Es ist indessen diese Ergänzung, wenn wir sie mit der strengen gegen den Widerspruch gerichteten Absieht der herbartischen Metaphysik messen, vielmehr eine Entzweiung. Und will Dro- bisch bei diesem von ihm in der reinen Veränderung anerkannten Widerspruch noch von der „vollen Wahrheit des mit sich selbst einstimmigen Denkens” reden (S. 36): so mufs er entweder 112 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse das Auge gegen den Widerspruch zumachen oder er muls einen Schritt weiter thun und, eingehend in unsern ersten Satz, nach- zuweisen suchen, dals es kein Widerspruch ist. Endlich wurde von uns in einem dritten Satz behauptet, wä- ren die von Herbart bezeichneten Widersprüche wirklich Widersprüche und wären sie gelöst, so blieben andere und grölsere ungelöst; und der Beweis wurde an dem Begriff des Zweckes geführt, welcher bei seiner eigenthümlichen aus der künftigen Wirkung die Ursache bestim- menden Natur selbst dann nicht begriffen wäre, wenn die in der Causalität gefundenen Widersprüche durch den Begriff des wirk- lichen Geschehens sich hätten wegschaffen lassen. Es wurde nach- gewiesen, dafs der innere Zweck, der Positives wolle und das positive Wesen des Organischen wirke, aus Herbarts wirklichem Geschehen, welches nur wider die Negation bestehe und nur gegen die äulsere Relation sich selbst erhalte, nicht verstanden werden’ könne. In demselben Mafse als Herbart in einigen Stellen seiner Schriften der Betrachtung der innern Zweckmälsigkeit im Bereiche der Erfahrung eine besondere Bedeutung zugesprochen, und dar- auf selbst den Glauben an die Vorsehung gebauet hat, in demselben Malse ferner als der Begriff des Organischen, der in dem real gewordenen innern Zwecke wurzelt, die ideale 'Thatsache der Natur ist, in demselben Mafse als er selbst dem Ethischen, wenn man es tiefer gründet, als in ästhetischen Ideen, als in der Analogie von Consonanzen und harmonischen Verhältnissen, zur nothwen- digen Grundlage dient: in demselben Malse ist dieser Mangel empfindlich. Es ist charakteristisch, wie sich beide Vertreter Herbarts zu diesem Einwurf verhalten. Drobisch, der zunächst in seinen synechologischen Untersuchungen einem andern Gedankenzuge folgt, erinnert, wenn es sich darum handle, die teleologische Be- trachtung durchzuführen, an die Grenzen unsers Wissens und Könnens. Strümpell glaubt sie dagegen mit den herbartischen Principien begreifen zu können (XXVM. 2. S. 164. S. 167), und zwar dergestalt, dafs „der aus unsern dürftigen” (mechanischen) „Praemissen gefolgerte Weltursprung nicht genüge und sich die Gesammtheit der Bedingungen in dem Gedanken zusammen- ’ vom 48. Februar 1856. 113 schlielse: die Welt, wie sie ist und fortbesteht, ist eine That Got- tes” (S. 191). Wenn wir nicht irren, so bleibt in diesem Gegensatz Dro- bisch der Meinung Herbaris treu. Denn Herbart sagt in der Metaphysik (11. S. VIL. vgl. S. 106) ohne Rückhalt: „Die Teleo- logie beruht auf unmittelbar gegebene Formen der Erfahrung. Können wir dieseFormen nicht ebenso bestimmt, wie die übrigen, als wissenschaftliche Principien bearbeiten und benutzen: so müs- sen wir deshalb unsere menschliche Beschränktheit bedauern”. „Die Zweckmälsigkeit der Organismen bleibt immerfort das unbe- rührte Geheimnils, wozu uns der Schlüssel nicht auf dem Wege des Wissens kann gegeben werden”. Strümpell indessen kommt dem Gegner entgegen, indem er zwar um Widersprüche, welche auf dem Gebiete des Zweckes zu lösen wären, wenig bekümmert ist, aber die Metaphysik, welche in Herbarts Schriften vorliegt, für ein blolses „Bruchstück” er- klärt (XX VII 2. S. 164) und zur Ergänzung des Zweckbegriffs Anstalt macht. Wir lassen uns an dem Zugeständnisse genügen, welches darin liegt, dafs Herbarts geschlossenes und schon früh (1808) in den „‚Hauptpunkten der Metaphysik” nicht anders angelegtes Werk nur ein Bruchstück sein soll, müssen indessen, wie die Abschwä- ehungen am Anfang, so die Ergänzungen am Schluls auf sich be- ruhen lassen, da wir es nur mit dem ursprünglichen und nicht mit dem verquiekten, mit dem unversehrten und nicht mit dem vorn verkürzten und hinten ergänzten Herbart zu thun haben. Uns bleibt es zweifelhaft, ob die Ergänzungen in Herbarts Geiste ent- worfen sind, was die Schule entscheiden möge, und noch zweifel- hafter, ob die der Welt einwohnende logische Systematik ausreichen werde, die Teleologie zu begründen. Auch Erscheinungen, mit welchen der Zweck nichts zu thun hat, z. B. die Krystalle, mathe- matische Figuren u. s. w. lassen sich einem System unterwerfen. 'Strümpells Betrachtungen sind uns nach dieser Seite nicht ver- ständlich genug, Wir vergleichen z. B. in seiner „Geschichte der griechischen Philosophie” (1854) die Teleologie des Aristoteles (S.271 vgl. S. 268). Da hat zwar Aristoteles grolsartige Ver- dienste, aber es ist doch nichts mit ihm; denn Aristoteles, der Scholastiker vor der Scholastik, ist nicht Herbart. „Aristoteles 114 Sitzung der philos.-histor. Klasse vom 18. Februar 1856. nimmt den Begriff der Zweckursache zu unbestimmt und allgemein, ganz davon abgesehen, dals der Zweck im objectiven Sinne gar nicht Ursache ist und sein kann (?), sondern nur accessorisch (!) in das Verhältnils zwischen Ursache und Wirkung eintritt”. Aller- dings ist diese Ansicht eine starke Abweichung von den Begriffen aller Zeiten, wenn der Zweck, der sonst allgemein causa finalis heilst, keine Causalität sein soll, und es ist ein Abfall von dem Ziele, wenn der Zweck nur accessorisch in das Verhältnils zwischen Ursache und Wirkung eintritt. Es kommt doch vielmehr darauf an, den Zweck in einem letzten bestimmenden Gedanken und in ihm als causal zu finden, damit aus diesem Ursprung das Ideale im Realen hervorgehe. Eine Metaphysik, welche die Erfahrung begreiflich machen will, und doch das Ideale im Realen, worin die Erfahrung über sich selbst hinaus und auf ein Unbegriffenes hinweist, unberührt läfst, wird ihrer eigenen Aufgabe nicht genügen. Weder die Er- kenntnifs des Organischen noch die Erkenntnils des Ästhetischen und Ethischen hat in Herbarts Metaphysik ihre Wurzeln. Der Zwiespalt, welchen nun in der Auffassung ihre eigenen Anhänger zeigen, und die Ergänzungen, welche sie und zwar an verschiedenen Stellen, jeder an andern, für nöthig erklären, die Zugeständnisse, welche sie nicht bergen, und die wesentliehste Ab- weichung in Grundgedanken, sind schwerlich geeignet, die Zweifel des Gegners zu heben oder das Ansehen dieser Metaphysik in den Augen Dritter zu befestigen. Wenn über die Wissenschaft, welche den Widerspruch aus den Erfahrungsbegriffen wegzu- schaffen bestimmt ist, ein solcher Widerspruch zwischen zweien Vertretern ausgebrochen ist: so darf erwartet werden, dals die Schule ihre Methode der Beziehungen zunächst auf diesen Punkt richte und den Widerspruch ausgleiche. Bis dahin mag die bis- herige Erörterung der Streitfrage genügen. Wenn wir mit Leibniz wenig vom Widerlegen, aber viel vom Darlegen halten sollen, so sei zum Schluls der Wunsch gestattet, , dafs der Leser in der Widerlegung die Darlegung nicht vermisse und in dieser Beziehung die Begriffsbestimmung der Nothwendig-. keit und die Begrenzung des Princips der Identität beachten wolle. Gesammtsitzung vom 21. Februar 1856. 115 Herr Trendelenburg gab hierauf der Klasse noch die Nachricht, dafs sicherm Vernehmen nach zu Amsterdam in dem Waisenhaus der frühern Collegianten (Rhynsburger), welches jetzt der Gemeinde der Taufgesinnten gehört, edirte und unedirte Briefe Spinoza’s, so wie eine holländische Handschrift von Spinoza’s Ethik, aufgefunden seien. Ferner wurde ein Brief des Hrn. Geel zu Leiden vom 4. Febr. d. J. betr. ein zugleich damit übersandtes Exemplar der Inschriften- sammlung von Pighius, vorgetragen. 21. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Böckh trug folgende Abhandlung des Hrn. Dr. v. Vel- sen zu Athen über das athenische Psephisma für Phormion und Karphinas vor: Hr. Pittakis hat in der Athener ehyusgis doymıoroyızy Heft 33 n. 1309 ein auf zwei Akarnaner Phormion und Karphinas bezüg- liches Psephisma herausgegeben, welches nach dieser Abschrift von Meier in der commentatio epigraphica II. p. 98 sqq. und von Ran- gabe in den Antiquites Helleniques II. n. 2280 behandelt worden ist. Das Material ist Pentelischer Marmor; die Platte milst bei 54 Cm. Höhe 45 Cm. Breite und 9 Cm, Dicke. Sie ist nach An- gabe des Hrn. Pittakis von ihm am 5 December 1852 westlich von den Propyläen (das heilst doch wohl: westlich von der zu ihnen führenden Treppe) gefunden worden und soll als Schwelle eines Hauses gedient haben. Eines dieser Daten mufs irrthümlich sein; denn damals umfaflsten die Arbeiten des Hrn. Beul& den ganzen Raum zwischen der Treppe und den westlichen Bastionen. Der Stein ist jetzt im Museum bei der sogenannten Stoa des Hadrian aufgestellt. Der obere und untere Theil sind verstümmelt, doch so dals unten nichts als das Namensverzeichnils der Akarnaner fehlt; die rechte und linke Seite sind dagegen, wie auch schon Hr. Pit- takis bemerkt hat, in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten. Die Schrift ist, wo sie unverletzt geblieben, tief und deutlich, großsen- theils aber stark beschädigt und nur mit Mühe lesbar; ich glaube jetzt nach ungefähr 30 Mal, bei verschiedener Beleuchtung wieder- ‚holter Revision für die Richtigkeit des als erhalten Angegebenen 116 Gesammtsitzung ., einstehen zu können. Eine sichere Ergänzung vieler Stellen wird. jetzt erst möglich, zumal sich hat feststellen lassen, dafs die Zeilen erony4dov geordnet sind und eine jede, nur mit Ausnahme von Z. 16, 23, 35 und 37, At Charaktere zählt. Keine Zeile ist in ihrer vollen Breite auf uns gekommen; der Schlufs ist meist unversehrt geblieben, die Anfänge lassen sich höchstens von der zweiten Stelle (Z. 13 und 19) an verfolgen. Ich gebe in der beigefügten Tafel den nen in Minusceln. 10. 15. 20 Grundtext, soweit ich ihn zu erkennen vermochte nebst mei- durch Klammern bezeichneten Ergänzungen, sowie das Ganze‘ ’Emı Xaıpwv]dov agy,o[vros Em Seen nn ns 100g E. de ns]e[gvrelses, 1 ®..... Zye]en[ue]rever, OaayrAl[ıwvos ....ı [77] roUraVeias. ra]v mgoEdgun e]rebr[p][gev ’Eoxievs‘ edogev [a] [Oruw . . .[semros “. "unnn. Eüg Eimev, megi wv 08 Alzagvälves Aeyovsfı So- erat Jwv zaı Kasbivas 0: [v!:To' &[Sövrles, dsdoy,Saı [r& dnu]w ereidy Poguiuv #0 Kaof pi ]vas ovrsc margo| Ie- v ir]oı 700 dyuou 700 "ASyvalov dıaburdrrovsw [r4- v eu]vorev, Yu or meoyovor aurois mugedorcv meös [Fr6- v Ö]auov v ’Adyvaiwv zo vor Bon Yravr[es w]er& S[v- ven ]zws Fuvaarerdrrovro uert Adyvaio[v 26] rı 6 [s- r]oarnyos mageyye[?r]aoı, Emawercı auro[üs age |r7s [E- vera] zu: oredavärcı Erarsgov aurav Yeush oreh[d- vo]e . [E]reıöy ö8 Boo[u uva rov Bopminvos Zar Kas[p]v[e manno]v eroınsaro 'ASyvalov 5 Öfuos 6 "Adyvarwv »[e- ı rJofüs] &xeivov [exyoJvovs zer ro Inpıoue, zu F cä [?Jor- o1]Js Zyzvelr]o, avayleı, o]rasar &v drgomore * ei[ver] Bop- rJavfı ze] Kappilve] zer Fors Eryovos aurwv zugie- v rn)» [dwgeı]av, yv [Edwz]ev 5 87fu]os Bogen: TU Fanmu- ı «]ö[r ]Jo[v 2 El Se]e [8: alöroö[s] purA[v]zar Sruov zer Po«- reiav, 45 av BolvAswrar] zivaı * Emamwercı de ar Toüs ara ]ofvs "Ara ]o[vaves r]Jous BoySyravras werd Dopnin- vos z]efı Ka]opfva zer] ewefr] «ufr]eis Eus av zartrSwr: v Eyarysw wv av] ofizı]av Bovawwrai oizoösw ’ASyuy- ww &rsAssıw 12r0r]z[ 2 Jov ze] dıdovar auroüs örzee| s zo TUyy,avsw ir Jofv a[eg ASywaio[v] za res eirdopes € 2 aA ’ x , x more av] ylıylrlavre: n]ere "ASyvaroy einigem zer vom 21. Februar 1856. 147 emmersicte] [e]ülrwv nv Lovrfav] auV deı Boursvous- 30. av »]eı ro[v]s oroe|r]nyo[vs] or afv] de oroaryyWaı, Orws av un adızav]reı. [evaysa]V[e]: [8]: #082 #0 Iapısue Zu or- nn] S[eon]e Fofv yocım |ere[e] r[#]s Rovrns zur orara ev &]z20m0[Re]ı, avey[oal ]eı de »[e]: 7« övouare rav "Azap- vevjuv eis ryv aürfav rn ]Anv Üroyaaıbavree TS mOAsı- & s n]s "Arapvavfies wv ic E]e[er]ros Esrıv * eis de riv dve- yec p[r ]v ras arn[Ans dolvar] rov ramiav To Önmov ro yoaumerei] r|As Bovrns rle[:z#]ovr« [S]eaxuas Ex Tüv zar- [« Unpisuere dvenıszontvu] r[& dr ]u[w.] Bogutuve Kagpivar ö öz[«Jo[s] 6 Ö7Wos Über die Zeit der Abfassung dieser Urkunde hat Meier a. a. O. ausführlich gehandelt; er setzt sie, wennschon er nicht ausschlieflst, dals sie auf uns unbekannte Thatsachen Be- ug nehmen könne, in Ol. 114, 1, wo die Athener bei der unde von Alexanders Tode, im Thargelion dieses Jahres, im Verein mit andern Städten und Stämmen, unter denen äuch die gesammten Ätoler (Diod. 18, 11) und zu ihrem Bunde ge- hörige Akarnaner (Paus. 1, 25, 4) genannt werden, ihre Frei- heit wiederzuerlangen suchten. Rangab& dagegen vermuthet, dals sie aus der Zeit des Antigonos stamme und mit den Be- gebenheiten des Chremonideischen Krieges in Verbindung zu setzen sei. Schon Meier hat mit Recht in dem darauf bezüg- lichen Katalog der Athenischen Bundesgenossen (2b. «oy,n. 1) die Akarnaner vermilst. Wir bemerken zunächst, dals die Einleitungsformel die spätere mit ö dev Emeinpıgev ist, für die sich der älteste Be- lag aus dem Archontat des Lysistratos, Ol. 102,4 (C.1.n.85 e) beibringen läfst, während die früher gebräuchliche auch neben dieser bis auf Molon, Ol. 104, 3 (&$. n. 412 und 1388')), Kal- limachos, Ol. 107, 4 (Rang. Ant. Hell. II. n. 397°?) und The- - *) Beiläufig bemerke ich, dafs mit n. 1388 das kleine Fragment ‚A011 = 1971 zu verbinden ist. _?) Pittakis anc. Ath. p.501 hat ETINIKOMAXOY. Herr Rangabe, ler diese jetzt nicht mehr wiederzufindende Inschrift nicht aus jenem Ab- druck, sondern aus dem Manuscript des Hrn. Pittakis entlehnt, hat da ENIKAMMAXOY gelesen, welches er in &ml Karrıuaxov emendirt. Jeden- falls ist letzteres wahrscheinlicher, als &ml Nixouaxov. 118 Gesammtsitzung mistokles, Ol. 108, 2 (&#. n. 300) herabgeht. Dagegen läfst es die durchgängige Anwendung des OY°’) und EI*) nicht rathsam erscheinen, über Ol. 107 hinaufzusteigen. Die andere Grenze bezeichnet das Fehlen der 2zzXyri« und der aunmgoedsor, | sowie die Erwähnung des Yoaumarsüs sus Rourgs. Was das erste Argument anbetrifft, so könnte jene Weglassung unwe- sentlich scheinen, da in manchen Urkunden die eine oder die andere sonst übliche Angabe unterblieben ist, wie die des Schreibers der Prytanie in 2p. n. 41 und 1077, oder des Tags des Monates und der Prytanie in &&. n. 158, 1043, 1303, 1452, anderer Unregelmälsigkeiten (2$. n. 404, 1364) nicht zu ge- denken. Doch dürfte sich aus den nachstehenden Daten in dieser Hinsicht eine gewisse Gruppirung ergeben. ’ExzAyri« fehlt in den Psephismen unter Agathokles, Ol. 105, 4 (c#. n. 1630), Kallistratos, Ol. 106, 2 (C. I. n. 90), Phrynichos, Ol. 110, 4 (eb. n. 1043, 1303 und 1305), Kephisophon, Ol. 112, 4 (&$. n. 2041), Niketes, Ol. 112, 1 oder Hegesias ’), 01.114, 1 (&$.n. 1963), Kephisodoros, Ol. 114, 2 (&. n. 404), sowie in den vor Ol. 115, 3 fallenden Inschriften C. I. n. 96 und &$. n. 32°). Das Jahr von n. 1428 der :$. aoy, lälst ®) S. Franz. Elem. epigr. Gr. p. 149. *) $. Franz. a.a. O. p. 150. E für El findet sich noch unter Phry- nichos, Ol. 110, 4, s. Rang. n. 413, 3. °) Die vollständigste Breite nach rechts findet sich in Z. 7, wo der Stein E.AO/ „also &@döun, nicht &xrn (Pitt.) oder öväry (Ra.), hat. Bis zu der unversehrt gebliebenen rechten Seitenfläche ist noch Raum für ein Zeichen. Ergänzt man diese Stelle, so bleiben 6 für den Namen des Ar- chon. Unter Berücksichtigung der Orthographie könnte nur an Archias gedacht werden. Aber Ol. 108, 3 war ein Schaltjahr, während in dieser Inschrift der 7te Tag der Sten Prytanie auf den 19ten Elaphebolion fällt. Es sind also 7 Stellen für den Archon zu reserviren. ’EAzivov ist unwahr- scheinlich, die Wahl zwischen N:ixyrov und ‘'Hyysiouv schwer zu treffen. 6) Dort kommt der ypaunarsis xara mpuraveiay vor, aber noch nicht die suurpeeögo.. Diese Urkunde scheint also nach dem, was in Anm. 11 und 12 gezeigt werden wird, zwischen Ol. 110, 4. und 115, 2 zu fallen. Die Schreibweise MPYTANEAI in Z. 15 berechtigt uns jedoch, die Ab- fassungszeit mehr der ersteren Grenze zu nähern. vom 21. Februar 1856. 119 Jieh nicht feststellen’). Der Zusatz 22zAyri«, erhalten oder loch sicher ergänzt, begegnet uns zuerst unter Aristophon°), 1.112, 3 (<$. n. 1407), dann unter Kephisodoros°), Ol. 114, 2 &p. n. 419), Philokles, Ol. 114, 3 (&$. n. 371 und Vischer, pigr. u. arch. Beitr. a. Gr. S. 63) und in allen späteren Be- chlüssen '°), mit alleiniger Ausnahme von C. J. n. 96. Fünf ecrete, nämlich ©$. n. 27, 83, 265, 378, 1609, in denen die Brgdedgcı noch fehlen, gehören vor Ol. 115, 2, ohne dals ich etwas Genaueres ermitteln lielse. Eine strenge Grenze st sich mithin nicht ziehen; Angabe und Weglassung der PAnric kreuzen sich, ja das Jahr des Kephisodoros bietet Bei- es. Dennoch steht im Grofsen und Ganzen fest, dals der Zu- atz der 2z=%40i« ein relativ späterer und spätestens von Ol. 115 n üblich geworden ist. ”) Dürfte vor Ol. 111 fallen, sofern in Z. 12, 13 richtig ergänzt ird: PP[OZAFATENAYTONTPOZTONAHM]JON, s. Anm. 4. *) Der Stein hat OPNN”, was nur”’Agıorop@vros gewesen sein kann. 32te (34te?) Tag der 9ten Prytanie fällt hier auf den 14ten Tharge- on. Es war also ein Schaltjahr. Das einzige noch übrig bleibende Snbirobärros palst nicht, da nach 26. 941=2041 (Rangabe n. 419 ergänzt \ier unrichtig Kupivo[d4peu], Pittakis Knpiro[öfreu]) die im xal 16 des Pya- \epsion dieses Jahres der 11te Tag der Aten Prytanie ist, was nur in einem zemeinjahr zutrifft. ?) Bei Pittakis unvollständig, Rangabe n. 483 hat in Z. 18 richtig OAQ, was im} Kroı]ooöw[pov ist. 4°) Die Inschrift 2$. äpx. n. 1411 (Ra. o. 2309 und mit mehreren Tarianten n. 429) scheint in das Jahr des Neächmus, Ol. 115, 1, zu ge- hör Was ich nämlich auf dem Stein zu erkennen vermochte, ist jovarx. Nach der gewöhnlichen Berechnung ist dieses ein Gemein- hr, und doch kann Z. 4, 5 nur folgendermalsen gelesen werden: \MMATJEYENTOZIAE2[NOZYZTEPOYT — ETPA]JAIEMIAEKAEK[THIKAITPIAK OzZTHI] ras offenbar auf ein Schaltjahr hindeutet. — ’E$. dpx. n. 953 setzt Ran- se (n. 395) allein wegen der Erwähnung der Phocenser (Z. 12) in 107, 1. Dieses Argument ist durchaus unzureichend. Da das Ende e "Zeilen nach rechts hin bestimmt ist, so bleiben für den Namen des Ar- in 11 Stellen; dieses und das Fehlen der ouurpoedrc: sind die einzigen aten. | T1ss6.] 9 120 Gesammtsitzung Die Fummodeögoı lassen sich sicher erst aus Ol. 115, 21n nachweisen; sie finden sich auch in sämmtlichen späteren Pse- phismen, während sie unter Kephisodoros und Philokles (s. oben) noch nicht genannt werden. Endlich haben wir in Z. 32 un- serer Inschrift den ygaunareus rs Rovrns, der sich nicht über das Archontat des Philokles hinab verfolgen lälst. Bald da u scheint die Bezeichnung ygauuareüs zura mouraveiev, welcht bisweilen auch schon früher'?) gebraucht worden ist, jene gänzlich verdrängt zu haben. So finden wir sie durchweg it den nächsten bestimmbaren Urkunden, bald nach Pherekles Ol. 119, 1 (Meier comm. ep. I. p. 17), unter Euktemon, Ol 120, 2 (&p. n. 1372) und in einigen jüngeren, die bei Böckh Staatsh. d. Ath. I. S. 256 b zusammengestellt sind '?). | Wir haben somit die vorliegende Inschrift zwischen Ol. und 115, 2 anzusetzen. Es wäre jetzt noch der Name Archon zu ermitteln. Für denselben bleiben, die volle Breite von 41 Stellen für die erste Zeile vorausgesetzt, 9 übrig. Was sich von ihm erhalten hat, der rechte Schenkel eines A mi dem von etwa der Mitte der unteren Hälfte desselben aus gehenden horizontalen Strich, dann eine rundliche, auf O deu. 11) S, Corp. In. n. 96. Schömann setzt diese Urkunde in Ol. 114,3 also unter Philokles; doch finden Wir in beiden | aus diesem ‚dohte auf un Anm. 10, scheinen sie auch schon vorzukommen. 12) Über den Gebrauch dieser Bezeichnung vor Ol. 114, 3 s. Böc n St. d. Ath. 1. S. 258. Wir haben sie schon unter Phrynichos, Ol, 110, graphie n. 27 nicht bezeichneten) Aötom stand, und n. 32. 13) Vor Pherekles dürfte &$. n. 357=1455 gehören. Dieses Decrel hat, wie Rangabe richtig bemerkt hat, Bezug auf das unter Philokles abge: | falste (n. 371); möglicherweise standen auch beide auf demselben Stein Den bisherigen Herausgebern ist es entgangen, dals sich am oberen Rand der Platte (£$. n. 357), durch einen Zwischenraum von dem Übrigen ge trennt, der Schluls eines anderen Decretes erkennen lälst: NLılX \..POJ orjüras &v [üx]pofrorsı? vom 21. Februar 1856. 121 ende Vertiefung und der untere Theil eines Y, führen auf inen Genitiv auf «ov oder, da kein hierzu passender Name ich beibringen läfst, auf öov oder Aov. Das Natürlichste ist edenfalls 4 für A zu nehmen, findet sich dafür ja auch ein vollständiges A, wie in 2d. &g%. n. 1630, 2 AITHIAOZ und „19, 1 MTAPEJAOZAN'*). Für A kommt freilich auch A vor, ie in &p. n. 1612, 2 ...O®IAOZ, doch konnte das in Frage stehende Zeichen eher aus A als aus A corrumpirt werden. Von den beiden allein in Betracht kommenden Namen, Chä- rondas '°), Ol. 110, 3 und Pythodelos'°), Ol. 111, 1 ent- scheiden wir uns also für den ersteren. Unsere Inschrift ist ein Volksbeschluls zu Ehren der Akar- maner Phormion und Karphinas, zweier Brüder oder Vettern, die, eingedenk des von ihren Vorfahren den Athenern bewie- senen Wohlwollens, durch ihren Anhang die Athenischen Streit- kräfte bereitwillig unterstützten und nun dafür belobt und mit goldenen Kränzen und der Erneuerung des ihrem Grofsvater Phormion ertheilt gewesenen Bürgerrechtes für sich und ihre Nachkommen belohnt werden. Demnächst wird ihnen auch ge- stattet, sich Phyle, Demos und Phratrie selbst zu wählen. Auch die übrigen Akarnaner, die jenen beiden Führern gefolgt wa- ren, werden belobt; man gewährt ihnen aufserdem bis zur Rückkehr in die Heimath das Besitzrecht von Häusern, Be- freiung vom Schutzgelde — der Passus über ihre Rechtsver- hältnisse ist nicht sicher herzustellen — und rücksichtlich der Vermögenssteuer Gleichstellung mit den Bürgern. Sie werden dem Schutze des Rathes und der Feldherrn empfohlen und ihre Namen sollen, mit Angabe der Vaterstädte, unter dem Ehren- decrete des Phormion und Karphinas verzeichnet werden. Auf welches Ereignils mag nun ferner diese gemeinschaft- liche Operation Athenischer und Akarnanischer Streitkräfte Be- 1%) Die &$ru. px. hat beide Male A, Rang. n. 393 A, n. 834 A. 1°) Dieses ist die richtige Form des Namens, wie sie sich in C. I n. 251, &6. n. 110, 10 und in den Seeurkunden, s. S. 19, findet. 1°) So nennen ihn die Seeurkunden (s. S. 19) und ziemlich deutlich auch &$. äpx. n. 114, C 11, woselbst aber diese Form von den griechischen Herausgebern verkannt worden ist. g* a 122 Gesammisitzung zug haben? Man denkt zunächst an einen Kriegszug der Athener nach Akarnanien; doch wir kennen um jene Zeit nur das Unternehmen des Jahres Ol. 109, 2, von dem Demosthenes, der selbst zur Leitung der bezüglichen Verhandlungen als Ab- gesandter dorthin gegangen war, in der Rede gegen Olym- piodoros $. 24, 26 und Äschines gegen Kies. 8. 97, 256 spre- chen, und dieser Annahme würde das vu. ER RR: in Z. 11, das sich nicht auf eine Reihe von Jahren zurückbeziehen läfst, entgegenstehen. Es ist aber nicht nöthig einen Zug nach. Akarnanien vorauszusetzen; der Anschlufs des Phormion und Kar- phinas an die Athener kann auch anderwärts statt gefunden haben. Im Metageitnion Ol. 110, 3, mithin 9 bis 10 Monate vor Abfassung unserer Inschrift, war die Schlacht bei Chäronea geschlagen worden, s. Plut. v. Cam. c. 19. Vielleicht focht hier jene Schaar Akarnaner an der Seite der Athener und wäh- rend die Namen anderer Stämme, die den Athenern Beistand leisteten, überliefert sind, ist möglicherweise wegen der ge-' ringen numerischen Stärke der Akarnaner das Gedächtnifs dieser Genossenschaft nicht auf uns gekommen. Obgleich anfänglich‘ die Gefahr durch die plötzliche Besetzung Elateas äufserst nahe erschien, so trat doch durch die Verhandlungen Philipps mit Theben und, als diese für ihn nicht den erwünschten Erfolg‘ gehabt hatten, durch das Heranziehen von Verstärkungen (Diod. 16, 85) ein Verzug ein, der auch den Euböern, Megarern und Korinthern (Strab. 9 p. 414; Luc. Dem. enc. $. 38) die Mög- lichkeit gewährte, sich an dem Kampfe für Griechenlands Frei- heit zu betheiligen. Auch Akarnanische Streiter konnten recht- zeitig auf der Wahlstatt vor Chäronea eintreffen; nur 3 bis 4 Tagemärsche waren dazu erforderlich. Im Folgenden glaube ich unter Hinweisung auf den Meier- schen Abdruck der Anführung der vielfach abweichenden Lese- arten der ähnusgis aoymıoAoyızy überhoben sein zu können. Z. 1. Weder Name noch Zahl der Prytanie lassen sich mit! Sicherheit herstellen. Bei Erwähnung des Thargelion (Z. 3) kann natürlich nur an die 9te oder 10te Prytanie gedacht wer- den; mit äv@rys würde nur “IrroSwvridos, mit dszarys nur Tlevdtovidos oder "Azasevridos die Lücke füllen. Aber mehr lälst sich nicht bestimmen, da es ungewils bleibt, welcher Tag der vom 21. Februar 1856. 123 "ten Prytanie auf den iten Thargelion fällt; es sind hiefür verschiedene Daten aus den Jahren des Aristophon und des Philokles vorhanden, die wie das des Chärondas Schaltjahre aren. So war in dem ersteren der ite Thargelion der 19te (21te?) Tag (s. &p. @. n. 1407) und in dem zweiten der te Tag der I9ten Prytanie (s. Stunden eine fast unausgesetzt mit jeder Systole eintretende Zuckung des stromprüfenden Schenkels und in mehreren Fällen beobachteten wir die- selbe -—1 Stunde lang. 148 4) 5) 6) 6. März. Gesammtsitzung der Akademie. men phosen. Gesammtsitzung Diese Versuche gelingen sowohl mit dem ganzen Herzen als nach abgeschnittener Spitze desselben. In allen Fällen wird die secundäre Zuckung etwas vor dem Eintreten der Systole d. h. vor der sichtbaren Con- traction der Kammer beobachtet und kann mithin dieser Versuch zur Bestätigung des von Helmholtz vor kur- H zem bewiesenen Satzes gelten, dals die negative Schwan- A kung des Muskelstromes in die Zeit fällt, welche der Contraction vorangeht. ($. Monatsb. der K. Berliner Akad. 1854 p. 329.) Hie und da sieht man an dem stromprüfenden Schenkel nach der die Systole anzeigenden Zuckung eine zweite schwächere, die mit der Diastole zusammenfällt.e. In Einem Falle war diese zweite diastolische Zuckung mit besonderer Deutlichkeit zu sehen und hing offenbar von der Diastole ab, indem sie jedesmal ausblieb, wenn der Nerv nach der systolischen Zuckung des Schenkels rasch Ä von dem Herzen abgehoben wurde. Sollte diese diasto- lische secundäre Zuckung auch bei ferneren Versuchen sich bestätigen, so wäre man wohl berechtigt anzunehmen, dafs dieselbe das Resultat der Rückkehr des Herzstromes zu seiner ihm während der Ruhe zukommenden Gröfse ist, also in ähnlicher Weise als eine Folge der mit der Erschlaffung des Herzmuskels eintretenden positiven Schwankung des Muskelstromes erscheint, wie die erste systolische |Zuckung von der mit der Herzcontraction eintretenden negativen Stromesschwankung abhängt. Hr. Rammelsberg las über die chemische Zusam- setzung des Leucits und seiner Pseudomor- Unter den Mineralien, welche in mehrfacher Beziehung grolses Interesse darbieten, nimmt der Leucit unstreitig einen vorzüglichen Platz ein. Von einfacher feldspathähnlicher Zu- sammensetzung, wird er in der Geschichte der Mineralchemie vom 6. März 1856. 149 unvergelslich bleiben, da Klaproth in ihm zuerst (im J. 1796) das Kali als einen Bestandtheil der Mineralien auffand, und den noch heute gültigen Namen für dasselbe in Vorschlag brachte. Oft schen sind die geologischen Verhältnisse des Leucits der Gegenstand lebhafter Discussion gewesen. Sein Vorkommen beschränkt sich auf gewisse, durch ihn charakterisirte ältere und neuere Laven und zwar vorzüglich in jenem vulkanischen Ge- biet Mittelitaliens, welches vom Vesuv nördlich über Rom hin- aus bis zur toskanischen Grenze reicht. Unter allen Vulkanen ist, so viel man weils, der Vesuv der einzige, dessen Laven Leucit enthalten. Minder hervortretend erscheint er in den vulkanischen Gesteinen der Westseite des Laacher Sees und des Kaiserstuhls im Breisgau. Die chemische Zusammensetzung des Leucits liels sich schon aus den wenigen früheren Analysen Klaproths und Ar- fvedsons deutlich erkennen, denn sie ist nicht weniger einfach und constant, wie seine geometrischen und physikalischen Kennzeichen es sind. Während Kali und Thonerde genau das- selbe Verhältnis wie im gewöhnlichen Feldspath (Orihoklas) beobachten, ist die Menge der Kieselsäure abweichend von der in den Feldspatharten, und stimmt nur mit derjenigen im An- desin überein, einem Feldspath südamerikanischer Gesteine, dessen Selbstständigkeit noch nicht sicher erwiesen ist. Indem ich mich mit einer vergleichenden Untersuchung der verwitterten Leucite beschäftigte, d. h. derjenigen, welche nach ihrer Bildung durch das unmerklich fortschreitende und doch ewig thätige Spiel der chemischen Kräfte in ihrer ur- sprünglichen Mischung verändert sind, dabei aber ihre Form vollkommen behalten haben, schien es nothwendig, diese ur- sprüngliche Zusammensetzung von neuem in Betracht zu ziehen. Eine Reihe von Versuchen bestätigte einerseits die längst an- genommene Formel, andererseits die zuerst von Awdejew ge- machte Beobachtung, dals eine kleine Menge Natron, + bis $ eines Procents, dem Leucit eigen ist. Es ist mir nicht möglich gewesen, grölsere Natrongehalte, wie sie von G. Bi- schof und Abich angegeben werden, in irgend einem un- zersetzten Leucit aufzufinden. [1856] 11 150 Gesammtsitzung Das spec. Gewicht des Leucits kann nach meinen Beob- achtungen genau mit 2,48 bezeichnet werden. Während selbst die älteren vesuvischen Laven den Leueit noch unverändert zeigen, ist dies häufig nicht mehr der Fall in jenen Aggregaten vulkanischer Gesteinsbruchstücke und Trümmer, welche man mit dem Namen Tuff zu bezeichnen h pflegt, den mechanisch zerstörten Überresten alter eruptiver Massen, welche durch die Gewalt des Wassers fortgeführt und in Gestalt von Bänken oder Schichten an vielen Punkten ab- gesetzt sind. Die in ihnen vorkommenden Leucite sind oft nur von geringer Gröfse, und zeigen nicht mehr die Härte, Dichtigkeit und scharfe Form der in fester Lava eingewach- senen Krystalle. Auch die im Gebiete des Laacher Sees und des Kaiserstuhls vorkommenden Leucitgesteine enthalten nur sehr kleine, von der Zersetzung bereits ergriffene Leucite. Für ihre chemische Untersuchung ist das Material sehr schwer im reinen Zustande zu erlangen. Nirgends aber läfst sich die Veränderung der Leueitsub- stanz in einem grofsartigeren Malsstabe verfolgen, als an den Laven der Rocea Monfina. Dieser in vorhistorischen Zei- ten schon erloschene Vulkan, welcher an Masse den Vesuv weit übertrifft, blieb den Naturforschern unbekannt, bis Sc. Breis- lak im J. 1793 ihn gleichsam entdeckte und beschrieb. Er erhebt sich nordwestlich von Neapel, unweit der Stralse nach Rom, über der Stadt Sessa, und ist in neuerer Zeit von Abich untersucht und abgebildet worden. Ein mächtiger Lavastrom der Rocca Monfina ist durch die atmosphärischen Einflüsse im Laufe mehrerer Jahrtausende in Verwitterung übergegangen, deren Produkte für das Studium der Gesteinsveränderungen von grofser Bedeutung sind. In einer grauen Grundmasse erblickt man hie und da noch Reste von schwarzem Augit, meistens aber eine thonige Masse, in welche er sich verwandelt hat. Etwas glasiger Feldspath und rothbrauner Glimmer begleiten ihn. In dieser Grundmasse liegen zahlreiche und oft sehr grolse Leucitkrystalle, zum Theil von mehreren Zollen im Durchmesser, von gut erkennbarer Form, freilich nicht von der Schärfe frischer Krystalle. vom 6. März 1856. 151 Darf man nach dem urtheilen, was die Sammlungen der Besucher der Rocca Monfina aufzuweisen haben, so kommen hier zwei Arten veränderter Leucite vor, zwei verschiedene ' Stadien des Verwitterungsprocesses bezeichnend. Die eine Art, welche die Krystallform schärfer bewahrt ' hat, ist an der Oberfläche mit einer grauen Rinde überzogen, besteht im Innern aus einer gelblichen schwach durchschei- nenden wachsglänzenden Masse, hie und da mit schwarzen augitischen Einschlüssen, welche viel weicher als frische Leu- eitmasse ist, und ein spec. Gewicht von nur 1,82 besitzt. Meine Analysen, welche mit denen von G. Bischof überein- stimmen, geben das Resultat, dafs diese Leucite im Ganzen ihre ursprüngliche Zusammensetzung bewahrt haben, die Menge des Alkalis ein wenig vermindert ist, dafs also die Verwitte- zung sich noch in ihrem ersten Stadium befindet, mehr me- chanisch als chemisch verändernd gewirkt hat, und der weiteren Metamorphose gleichsam zur Einleitung dient, indem sie die Substanz lockerer und zugänglicher machte. Die zweite Art von Leucit stellt viel undeutlichere, weilse, | zerreibliche Krystalle dar, die man. für Kaolinsubstanz halten ‚könnte. Ihre Masse enthält viele graue durchscheinende Kör- ner von gröfserer Härte, unter dem Mikroskop rundlich er- scheinend, ohne Spur von bestimmter Form. Diese Körner lassen sich durch Schlämmen von der übrigen weichen Masse nur sehr unvollständig trennen. Für beide habe ich bei der Analyse gleiche Zusammensetzung gefunden, welche insofern / merkwürdig ist, als der procentische Gehalt an Kieselsäure und , "Thonerde wie in dem gewöhnlichen Leucit ist, das Alkali aber vorherrschend aus Natron besteht, und etwa 10 pCt. Wasser | überdies wesentlich sind. ö Wenn man annehmen darf, dals diese Art aus der ersten | entstanden ist, so muls man glauben, dafs natronhaltige Ge- wässer wirksam waren, dafs jedoch das Kali bei weitem nicht ' durch sein Äquivalent an Natron ersetzt wurde, dals, bei Gleich- \ bleiben des Thonerdegehalts, auch Kieselsäure fortgeführt wurde, “und nur das Ganze, welches offenbar ein Gemenge ist, die "Bisilikatmischung beibehalten hat. Er ae 152 Gesammtisitzung Durch das Auftreten bestimmter Verbindungen von un- gleich gröfserem Interesse sind gewisse Leucitkrystalle aus einer älteren Vesuvlava, deren Masse nach Scacchi in gla- sigen Feldspath verwandelt ist, eine Beobachtung, welche Blum bestätigt hat. Die graue Lava, in welcher sie liegen, enthält aulserdem grölsere Krystalle von glasigem Feldspath, welche denen aus dem Trachyt des Siebengebirges ganz ähn- lich sind. Das Innere des Leucits hat ein fremdartiges An- sehen; es ist eine grünlichweilse krystallinische Masse, welche sich leicht zerreibt und meistentheils den Krystall nicht voll- kommen erfüllt, sondern seine Mitte leer lälst, so dafs der Anblick an eine Pseudomorphose unwillkürlich erinnert. Das chemische Verhalten dieser Masse unterscheidet sie sogleich vom Leucit, denn, obwohl wasserfrei, wird sie von Säuren nur theilweise zersetzt. Die Analysen, welche ich da- von gemacht habe, beweisen, dals die Zusammensetzung des zersetzbaren und des unzersetzbaren Theils eine durchaus ver- schiedene ist. Jener entspricht sehr gut dem Nephelin, dieser dem glasigenFeldspath, beide in dem Verhältnils von 40 und 60 pCt. Nun hat Hr.G. Rose später auf meine Bitte die in der K. Mineraliensammlung befindlichen Exemplare die- ser seltenen Leucitkrystalle mineralogisch untersucht, und nach gefälliger zur Benutzung gestatteter Mittheilung gefunden, dals ihre Masse ein Gemenge von zum Theil deutlich krystallisirtem Nephelin und glasigen Feldspath ist, worin ein wenig Augit und Titanit vorkommt. Es ist demnach die chemische Unter- suchung im vollkommenen Einklang mit der mineralogischen, und wiederum ein Beweis, dafs die Behandlung eines Silikat- gemisches mit Säuren allerdings zu einem sicheren Schlufs auf die Natur der Gemengtheile führen kann, woran man in neuerer Zeit öfter zu zweifeln scheint, obwohl ich selbst früher bei den Meteorsteinen von Klein-Wenden, Juvenas und Stannern die Brauchbarkeit dieser Methode erwiesen habe. Nephelin und glasiger Feldspath, beide qualitativ gleich zusammengesetzt, unterscheiden sich durch die Natur der Al- kalien, welche im ersteren hauptsächlich in Natron, im letzteren hauptsächlich in Kali bestehen. Gleichwie im Leucit verhält sich in ihnen der Sauerstoff der Alkalien und der Thonerde vom 6. März 1856. 153 wie 1:3, aber der Feldspath enthält 2% mal soviel Säure als der Nephelin. Wäre die Masse unserer Leucitkrystalle nur als Ganzes untersucht worden, und läge das Resultat der mineralogischen Untersuchung nicht vor, so würde sie, da das Sauersioffver- hältnifs =1:3:8 ist, als ein Leucit erscheinen, welcher gegen 2 At. Natron 3 At. Kali enthält. Dies kommt nur daher, weil ein Gemenge von 4 At. Nephelin und 7 At. Feldspath (Or- thoklas) genau die Zusammensetzung eines Kali-Natron-Leucits repräsentirt. Da das spec. Gew. jener beiden dasselbe ist, so findet es sich auch an dieser Pseudomorphose, in welcher man eine Spaltung des Leucits in Nephelin und glasigen Feldspath erblicken kann, und nur die Frage bleibt, ob der primitive Leueit das Natron schon enthielt, oder ob es erst später gegen ' Kali ausgetauscht wurde. Wäre es streng bewiesen, dafs Abichs natronreicher ‚‚gla- siger Leucit”, von dem eine einzige Analyse vorliegt, ein wirk- licher Leucit, und nicht ein ähnliches Gemenge war, so stände die Existenz des Natron-Leucits aulser Zweifel. Allein es ist ‚ mir, wie schon bemerkt, kein unveränderter Leucit vorge- ‘ kommen, welcher Natron wesentlich enthält. Aufserdem las Hr. Rammelsberg „über dieKrystall- ‚ form und die chemische Zusammensetzung des Va- nadinbleierzes”. Bei dem seltenen Vorkommen der Vanadinverbindungen ‚ ist es bisher nicht möglich gewesen, ihre Krystallform mit der- \ jenigen anderer Körper zu vergleichen. Am Berge Obir bei Windisch-Kappel in Kärntben hat sich in neuerer Zeit krystallisirtes Vanadinbleierz gefunden, und der Custos des naturhistorischen Landesmuseums in Klagenfurt, , Hr. Canaval, welcher dasselbe beschrieben und qualitativ ge- prüft hat, setzte mich kürzlich durch Mittheilung von Material in den Stand, das Erz krystallographisch und chemisch zu ) untersuchen. Nach meinen Beobachtungen sind die Krystalle sechsglie- drige Combinationen eines Prismas mit drei Dihexaedern, von 154 Gesammtsitzung denen das vorherrschende, welches die sechsflächige auf die Prismenflächen aufgesetzte Zuspitzung der Krystalle bildet, als Grundform anzusehen ist. Die beiden anderen sind alsdann das zweifach schärfere und das erste stumpfere dieses letzteren. Meine Messungen ergaben für den Endkantenwinkel der Grund- form den Werth von 142° 30. Da nun nach den Messungen des Hrn. G. Rose derselbe Winkel beim Mimetesit (arsenik- saurem Bleioxyd) = 142° 7’, beim Pyromorphit (phosphors. Bleioxyd) = 142° 15’ und beim Apatit (phosphors. Kalk) = 142° 20’ beträgt, so ist das vanadinsaure Bleioxyd mit dem phos- phorsauren und arseniksauren Bleioxyd, so wie mit dem phos- phorsauren Kalk isomorph. Auch die chemische Analyse des Erzes bestätigt die Ana- logie in der Zusammensetzung aller dieser Mineralien. Das Vanadinbleierz enthält 2,23 pCt. Chlor und 0,85 pCt. Phosphor- säure; es ist eine Verbindung von 1 At. Chlorblei mit 3 At. drittel vanadinsaurem Bleioxyd, von welcher Verbindung etwa 15 At. mit einem At. der entsprechenden phosphorsauren (Py- romorphit) isomorph gemischt sind. Allein die Vanadinsäure enthält 3, die Phosphor- und Ar- seniksäure enthalten 5 At. Sauerstoff, und die Versuche von Berzelius, welche zur Constitution der Vanadinsäure geführt haben, gestatten nicht für jetzt eine Änderung in der Anzahl der Sauerstoffatome der Vanadinsäure vorzunehmen. Es gehört demnach diese Isomorphie zu der nicht mehr kleinen Zahl der Beispiele, bei welchen die Übereinstimmung der Form nicht mit vollkommen ähnlicher Constitution der betreffenden Ver- bindungen verknüpft ist. Hr. H. Rose las folgende Mittheilung des Hrn. Dr. A. W. Hofmann über das Bromtitan. Eine Vergleichung der Siedepunkte correspondirender Chlor- und Bromverbindungen führte Prof. Kopp zu der inter- essanten Beobachtung, dafs mit jedem Äquivalent Brom, wel- ches sich einem Äquivalent Chlor substituirt der Siedepunkt im Durchschnitt um 32° C steigt. vom 6. März 1856. 155 Siedepunkt. Differenz. Äthylchlorid C,H, Cl 11°C nibromid C,H, Br ee Dichlorinirtes Äthylen C,H,Cl, 67°C } 66=2x33 Dibrominirtes Athylen C,H, Br, 133,6° G vy Phosphorterchlorid PCI, 78° = Phosphorterbromid P Br, 175° } ae re Wenn diese Differenz für alle Chlor- und Bromverbin- dungen eine constante ist, so erhellt, dafs sich sehr wichtige Folgerungen in Beziehung auf die atomistische Constitution dieser Körper aus der Bestimmung ihrer Siedepunkte ziehen lassen. Prof. Kopp hat in der That diese Beobachtung mit glück- lichem Erfolg zur Feststellung des Äquivalents des Siliciums benutzt, über welches solche Unsicherheit herrschte, dals nicht weniger als 3 Formeln für die Kieselsäure vorgeschlagen wurden: SıO SiO, SiO, Die Siedepunktsdifferenz des Chlorids (59°C) und des Bromids (153° C) also 9 = 3 x 314, führte Kopp zu den Formeln. SiCl, und SiBr; als Ausdruck für die atomistische Constitution dieser Verbin- dungen, wonach sich das Äquivalent des Silicium zu 21,3 ergiebt. Um jedoch die allgemeine Geltung von Kopps Beobach- tungen zu prüfen, war es nöthig, die Siedepunkte correspon- dirender Chlor- und Bromverbindungen, welche Abweichungen darboten, nochmals mit Sorgfalt zu bestimmen, und die Uater- suchung auf eine gröfstmögliche Anzahl neuer Verbindungen auszudehnen. Hr. Francis Baldwin Duppa hat sich, auf meinen Vor- schlag hin, mit der Untersuchung des Gegenstandes beschäftigt und bereits einige werthvolle Resultate erhalten, welche Sie vielleicht der Akademie mittheilen wollen. Die Bromverbindung des Titans war bis jetzt unbekannt. Hr. Duppa erhielt diesen Körper, indem er einen Strom von Brom über eine innige Mengung von reiner Titansäure und 156 Gesammtsitzung Kohle leitete. Bei hellrother Glühhitze tritt eine heftige Reac- tion ein und liefert eine braune Flüssigkeit, welche in der Vorlage zu einer krystallinischen Masse erstarrt. Mit Über- schuls von Quecksilber destillirt, wodurch alles freie Brom ent- fernt wird, stellt sich das Bromtitan als eine bernsteingelbe Masse von prachtvoll krystallinischer Structur dar. Dieser Kör- per zieht mit der grölsten Begierde Feuchtigkeit an und ver- wandelt sich in Titansäure und Bromwasserstoffsäure. Das Bromtitan hat ein specifisches Gewicht von 2,6; es schmilzt bei 39°C. Sein Siedepunkt wurde von Hrn. Duppa mit einer beträchtlichen Quantität des Körpers, von dessen Reinheit er sich durch die Analyse überzeugt hatte, untersucht und bei 230° C gefunden. Der des Chlortitans, wie er von Dumas beobachtet und von Hrn. Duppa bestätigt wurde, ist 135° C. Die Differenz 230 — 135 = 95=3x314 ist ganz dieselbe, wie die, welche die Siedepunkte des Chlorids und Bromids des Kiesels darbieten. Diese Beobachtung liefert eine weitere Begründung für die Analogie zwischen Silicium und Titan, indem sie unzwei- deutig auf die Formeln Ti Cl, und TiBr; hindeutet, als Ausdruck für die atomistische Constitution dieser Verbindungen. Die Titansäure, welche bisher allgemein als ein Binoxyd Ti O, angesehen wurde, erhielte alsdann die Formel TiıO; in völliger Übereinstimmung mit derjenigen, welche fast all- gemein für die Kieselsäure angenommen wird. Das Äquivalent des Titans würde alsdann von 24,29, der gegenwärtig adoptirten Zahl, auf 36,39 erhöht werden müssen. Das Titanprotoxyd würde in diesem Falle zum Sesquioxyd werden, und die Verbindung, die bisher unter dem Namen Sesquioxyd bekannt war, als ein Zwischenoxyd, als eine Ver- bindung des Sesquioxyds mit dem Teroxyd d. h. als Bititanat des Titansesquioxyds betrachtet werden müssen. vom 6. März 1856. 157 Formeln der Titanverbindungen: alte: neue: Ti = 24,29. Tı = 36,39. TiıO erstes Oxyd Ti, 0; Ti,0; zweites Oxyd Tı,0,=Ti1;0;,,2)TıO; TiO, Säure Ti O, Tı Cl, Chlorid Ti Cl, Ti Br, Bromid TiBr; Weitere Untersuchungen über die Titanreihe müssen ent- scheiden, ob die vorgeschlagene Änderung des Titanäquivalents welche auf die Beobachtung der Siedepunktdifferenz allein im- merhin gewagt erscheinen muls, in der That einen einfachern Ausdruck für die Verbindungsverhältnisse dieses merkwürdigen Elements gewährt. An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Revue archeologique. A12me annee, Livr. 11. Paris 1856. 8. Athenaeum frangais. 5 me annee, no. 8.9. Paris 1856. 4. A, Meyer, Eine neue einfache Methode, das specifische Gewicht fester und flüssiger Körper zu bestimmen. Petersburg 1855. 8. Mit Be- gleitschreiben des Hrn. Verfassers, d. d. Petersburg 12. Dez. 1855. Memoires de la societe imperiale des sciences de Lille. Annee 1844, 1850, 1851. 1852. 1853. 1854. Lille 1845—1855. 8. Societe philomatique de Paris. Extraits des proces-verbaur des seances pendant 1848—1854. Paris 1854. 8. A. Comarmond, Description du Musee lapidaire de la ville de Lyon. Lyon 1846—1854. 4. Description de l’ecrin d’une Dame romaine. -Paris 1344. 4. Description du Sarcophage decouvert a Saınt-Irenee. Lyon 1847. 4 Antiquites de Lyon. Lyon 1840. 8. Mit Schreiben des Herrn Verfassers, Lyon 28. October 1854. Memoires de lAcademie des inscriptions de Paris. Vol.16,1. 19, 1.2. 20,2. Paris 1850-1854. 4. Notices et extraits des manusecrits de la biblio- theque nationale. Tom. XVII, 2. Paris 1851. A4. 158 Gesammtsitzung Memoires presentespar divers savans a l’Academie des inscriptions. 1. Serie, Tome 2.3.4. II. Serie, Tome 3. Paris 1852—1854. 4, Memoires de T Academie des sciences. Tome 22, 23. 24. Paris 1850 1854. 4. Savans etrangers. Tome 11. 12. 13. Paris 1851—1852. 4. e Memoires de l’ Academie des sciences morales et politiques. Tome 6-9. Paris 1850—1855. 4. Ludwig Radlkofer, Die Befruchtung der Phanerogamen. Leipzig 1856. 4. Von Hrn. Braun überreicht, W.Weitling, Der bewegende Urstoff in seinen kosmoelectro-magnetische, Wirkungen. New-York 1856. 8. 13. März. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Magnus trug den ersten Theil seiner „elektroly- tischen Untersuchungen” vor: i Es ist bekannt dafs die Salzlösungen dem von Faraday, aufgestellten Gesetze der äquivalenten Zersetzung durch den galvanischen Strom nicht folgen, da dieselben, wie Daniell') gefunden hat, so zersetzt werden, dafs sich neben einem Äquivalent Säure und Basis noch ein Äquivalent Wasserstoff und Sauerstoff abscheidet. 3 Wenn man nämlich aufser der Salzlösung noch ein Vol- tameter mit verdünnter Schwefelsäure in denselben Strom ein- schaltet, so entwickeln sich aus beiden, der Salzlösung und dem Voltameter gleiche Mengen von Gas, aulserdem aber wird das Salz zersetzt und es scheidet sich zunächst der positiven Elec- irode ein Äquivalent freier Säure, und zunächst der negativen ein Äquivalent freier Basis ab. Die Zerselzung der Salzlösung ist also doppelt so grols als die im Voltameter. Um diese auffallende Erscheinung zu erklären oder um sie in Übereinstimmung mit dem Faradayschen Geseiz zu bringen, sah sich Daniell genöthigt das schwefelsaure Natron zu be- trachten, nicht, wie es allgemein geschieht, als bestehend aus ') Philos. Transactions for 1839 p. 89 u. 97. — Pogg. Annal. Ergz. Ba. I. 565 u. 580. vom 13. März 1856. 159 bis und Säure, sondern als aus Natrium mit einer Verbindung von Ein Atom Schwefel und 4 Atomen Sauerstoff zusammen- ‚gesetzt. Er hat diese Verbindung mit dem Namen Oxysulpbion belegt, und ist der Ansicht dals alle Sauerstoffsalze ähnlich usammengesetzt seien, so dals man das schwefelsaure Kupfer- oxyd als bestehend aus Kupfer und Oxysulphion, das salpeter- saure Kali aus Kalium und Oxynitrion u.s. f. betrachten müsse. Eine Ansicht, welche er später in einer mit Prof. Miller') in London gemeinsam veröffentlichten, umfassenderen Arbeit zu bestätigen gesucht hat. Wiewohl diese Ansicht mit der von H. Davy über die Zusammensetzung der Salze zuerst aufgestellten übereinstimmt, und sich auch vom rein chemischen Standpunkte manches für dieselbe sagen lälst, wie dies namentlich von Berzelius im dritten Bande seines Lehrbuchs geschehen ist, so lassen sich doch, wie gleichfalls von Berzelius an derselben Stelle aus- einandergesetzt wird, noch weit mehr Gründe gegen dieselbe Ivorbringen, unter denen einer der haupisächlichsten sein möchte, dals es bisher nicht hat gelingen wollen, weder das Oxy- sulphion, noch irgend eine der analogen Verbindungen dar- zustellen. Fast Alle die sich nach Daniell und Milier mit der Zersetzung der Salze durch den galvanischen Strom beschäftigt | haben, sahen sich genöthigt die Daniellsche Erklärung als richtig anzuerkennen. So namentlich Hr. Prof. Buff?) in sei- ner Abhandlung über das elektrolytische Gesetz, ferner Hr, De la Rive in dem vor Kurzem erschienenen zweiten Theil ‚seines Trait& d’Electricit@®) und auch Hr. E. Becquerel‘) ‚in seiner Abhandlung Des Lois qui president ä la de£- composition €Electrochimique des corps. Nur Hr. ‚Hittorf?’) geht in seiner Untersuchung über die Wande- rung der Jonen von einer andern Erklärung aus, die in- 1) Philos. Transact. for 1844. p. 1. Pogg. Annal. LXIV. 18. %) Annal. der Chem. u. Pharmac. LXXXV. 1. 2) 2.313, *) Annal. de Chim. et de Phys. III. Ser. Tome XI. 259. °) Pogg. Annal. LXXXIX. 177. 160 Gesammisitzung defs die vorhandenen Schwierigkeiten nicht zu beseitigen scheint. Der Verf. hat zunächst die Versuche Daniells wieder holt. Er hat im allgemeinen dieselben Resultate erhalten, doch \ schied sich nicht immer für ein Äquivalent Sauerstoff ein volles’ Äquivalent freier Säure und Basis aus, sondern diese letz- | teren betrugen nur zwischen 60 und 80 pCt. von dem Äqui- valent des Sauerstoffs. Derselbe ist alsdann zur Erklärung die- ser anscheinend doppelten Zersetzung übergegangen und hat gezeigt, dafs man für dieselbe der Annahme Daniells nich@ bedarf. Vielmehr glaubt er aus seinen Versuchen schliefsen zu müssen, dals um einen einfachen Körper aus einer Ferbindundil zu scheiden, stets dieselbe Kraft erforderlich ist, derselbe mag mit nur einem einfachen Körper zu einer binären oder mit meh- k reren einfachen Körpern zu einer salzartigen Verbindung ver- einigt sein. Mit Hülfe dieses Satzes ist es nicht schwer nachzuweisen, dals das Faradaysche Gesetz der äquivalenten Zersetzung nicht nur für binäre, sondern auch für salzartige und alle an- dere unorganische een ae anwendbar ist. Daniell fand sich, wie aus seiner Replik ') auf die Ein- wände hervorgeht, keolchhi Dr. Hare gegen ihn erhoben hatte, zur Annahme seiner 'Theorie besonders genöthigt, weil er auf keine andere Weise zu erklären vermochte, wie es zugehe, dafs derselbe Strom, welcher das Metall zur negativen Electrode, also in der einen Bichtnng fortführt, den Sauerstoff und die Säure, also zwei Körper in entgegengesetzter Richtung fort- zuschaffen vermag. Allein eine Fortschaffung, in dem Sinne wie sie Daniell aufgefalst zu haben scheint, findet nicht statt, und es lälst sich zeigen, dals wenigstens in gewissen Fällen. für ein Äquivalent Metall oder Wasserstoff, der an der nega- tiven Electrode frei wird, ein Äquivalent Sauerstoff und ein Äquivalent Säure an der positiven Electrode frei werden muls. Um diese Fälle bestimmter bezeichnen zu können, hat der Verf. sich zunächst mit den Bedingungen beschäftigt, unter denen die Ausscheidung einer Substanz durch den Strom aus J 1) Phil. Mag. for 1843. XXI. 461. vom 13. März 1856. 161 inem Electrolyten statifindet in dem mehrere ausscheidbare ubstanzen vorhanden sind. Er ist hierbei zu dem Resultate elangt, dals die Ausscheidung abhängt; 4) von der Dichte des Stroms, 2) von dem Verhältnils in welchem die verschiedenen Sub- stanzen sich in der Flüssigkeit vorfinden, 3) von der Beschaffenheit der Electroden, 4) von der grölseren oder geringeren Leichtigkeit mit wel- cher die eine oder die andere Substanz innerhalb der Flüssigkeit von Schicht zu Schicht fortgeführt werden kann, so wie von den Hindernissen welche durch po- röse Scheidewände oder sonst auf irgend eine Art dieser Fortführung entgegenstehen. Hr. H. Rose gab eine Mittheilung des Hrn. Heintz über das Verhalten des Chloroforms zu andern Kör- ern, namentlich zum Ammoniak. Die von Hrn. Heintz eingesandte Abhandlung über diesen Gegenstand enthält fol- gende Ergebnisse: 4) Natrium kann in einem zugeschmolzenen Rohre mit Chloroform bis zu 200° C. erhitzt werden, ehne darauf zer- seizend einzuwirken. 2) Ameisensaures Bleioxyd wirkt auf Chloroform bei einer Temperatur, bei der es bei Abwesenheit des letzteren noch nicht zersetzt wird, nicht ein. 3) Bei einer Temperatur von 190° C. zerlegt sich das ameisensaure Bleioxyd beim Ausschluls von Sauerstoff in Blei, Kohlensäure und Wasserstoff nach der Formel CHO’+Pb 0 = 2C0°’+H-+-Pb. 4) Unter dem Einfluls von trocknem Ammoniakgase zer- legt sich der Dampf des Chloroforms erst bei einer Tempe- ratur, die der Rothgluht nahe liegt. Es entsteht Chlorammonium und Cyanammonium. Wird aber die Temperatur zu hoch ge- steigert, so setzt sich eine braune Substanz im Glasrohr ab, die olıne Zweifel Paracyan ist, das aus dem Cyanammonium sich gebildet hat. 162 Gesammtsitzung 5) Wird die wässerige Auflösung des Ammoniaks längere Zeit hindurch mit Chloroform bis gegen 150° C. erhitzt, so bildet sich kein Cyanammonium, sondern nur ameisensaures | Ammoniumoxyd neben Chlorammonium. # 6) Setzt man die Lösung des Ammoniaks in wasserfreie nl Alkohol mit Chloroform gemischt längere Zeit einer Tempe- ratur von 180° bis 190° C. aus, so kann sich neben vielem Cyanammonium auch etwas ameisensaures Ammoniumoxyd bil } den. Zuweilen ist aber weder das eine noch das andere zu entdecken. Dann hat sich eine gröfsere Menge einer braunen} Substanz gebildet, die Kohlenstoff und Stickstoff in grofser Menge enthält, und ohne Zweifel im Wesentlichen aus Para- cyan besteht. i 7) Aufserdem entsteht hierbei eine grölsere oder kleinere Menge von Äthylamin, deren Bildung jedoch allein durch die‘ Gegenwart des Alkohols und des Ammoniaks bedingt, und. gänzlich unabhängig von der des Chloroforms ist. $ Hr. Curtius machte der Akademie Mittheilung über di > Ausgrabung der Schlangensäule auf dem Hippodrom zu Constantinopel. Er konnte nach den vorläufigen Nachrichten, welche dar- über im Journal de Constantinople vom 24. Januar enthalten und die sodann durch einen Brief des Dr. O. Blau bestätigt waren, eine sorgfältige Untersuchung, welche Hr. Dr. Otto Frick in Constantinopel jenem archäologischen Funde zuge- wandt hat, vorlegen. Der Bericht des Hrn. Dr. Frick, d mit Begleitschreiben vom 24. Februar, am Tage der Sitzung, eingetroffen war, lautet also: 4 Die Sage, dafs jene bekannte Schlangensäule auf dem At meidan in Constantinopel, eines der drei Denkmäler, welche als einzige noch übrige Erinnerung die Stätte des alten Hippo- dromos zieren, mit dem von Herodot erwähnten Weihgeschenke der Griechen nach der Schlacht von Plataeae identisch sei, diese Sage scheint sich zu bestätigen. Ein französischer In- genieur ist auf den glücklichen Einfall gekommen, die libera zz a. u Be a De u vom 13. März 1856. 163 potestas, welche die „Franschis’” bei Gelegenheit des Kriegs in ;o manchen Dingen sich verschafft haben, auch einmal zu Nutz nd Frommen der Alterthumswissenschaft auszubeuten. Er hat Has Erdreich rings um den Säulenstumpf aufgraben lassen und ladurch eine Inschrift blolsgelegt, welche zu einem der inter- sssantesten Funde auf dem Gebiete der Epigraphik gehören lürfte. Die Entzifferung dieser Reliquie denkwürdigster Zeiten scheint dem Finder zu mühsam gewesen zu sein. Ich habe eder in den ersten Tagen, nachdem mir die Kunde von jener Ausgrabung zugekommen, noch bei meinen folgenden Besuchen bemerkt, dals man jene Entdeckung nutzbar zu machen, d.h. die aus dem Grünspan und dem daran haftendem Erdreiche hie und da hervorragenden Spuren von Buchstaben in eine lesbare nschrift zu verwandeln gesucht habe. Ja der auf die Sache bezügliche Artikel im Journal de Constantinople, offenbar der Feder jenes Alterthumsfreundes entflossen, begnügt sich mit der einfachen Mittheilung der Ausgrabung und behauptet die nmöglichkeit, von der Inschrift, welche die Säule vielleicht edeckt habe, etwas anderes zu erkennen, als die Reste zweier amen, welche allerdings offen genug zu Tage liegen, die der Ambrakioten und Tenier. Es ist mir gelungen die ganze Inschrift, d. h. 28 Namen zu entziffern, und ich habe versucht, soweit das an der Thraci- schen Küste bei dürftigen Hülfsmitteln möglich war, sie durch einige Erörterungen näher zu beleuchten. Die Säule ist ein ehernes Spiralgewinde von dem Durch- messer vielleicht eines Fulses, und der Höhe von früher unge- fähr 10, jetzt ec. 16 Fuls.. Vierzehn Gewinde sind, Dauk der |Bemühung des Franzosen, ausgegraben und in einer Tiefe von mehr als 6 Fufs unter dem Platze ist man auf das Postament sestolsen. So tief also, oder vielmehr noch tiefer liegt die |Fläche des ehemaligen Hippodrom, sicher das Grab werthvoller Kunstschätze! — Das Postament ist ein viereckiger Würfel von Granit, kunstlos behauen, jedenfalls noch mehrere Fufs tief vergraben. Man sieht jetzt nur die obere Platte, in wel- ‚cher die Säule vermittelst eines in ihrer Mitte befindlichen — ru 164 Gesammtsitzung sehr schadhaften Stils befestigt ist. Oben ist die Säule ver- stümmelt; sie lief in 3 Schlangenköpfe aus, deren einen Mu- hamed II. selbst bei der Einnahme der Stadt heruntergeschlagen haben soll, und der — oder ein anderer — noch heute in der Waffensammlung aufbewahrt wird, welche jetzt in der ehe- maligen Kirche der heil. Irene nächst der kaiserlichen Pforte aufgestellt ist. Dieser Schlangenkopf ist einer Mittheilung des Hrn. Dr. Blau zufolge oben mit einem Kamme versehen, dessen Abplattung seine Bestimmung, einen Gegenstand zu tragen, deutlich bekundet. Vollkommen also passen auf das Ganze die Worte Herodots: IX, 81. 5 roimous 6 Aalseos 6 Emı ToU rgızapyvou odıog ToÜ NaAHEoU Emeoteus., und des Pausanias: X, 13,5. Xpuroüv Toimode Spazovrı Emızeimevov Yalzı. Die beiden untersten etwas schmalen Gewinde sind un- beschrieben. Dann folgt bis zum 12ten incl. von unten her ge- rechnet eine Reihe von Namen, auf der 3ten und i4ten stehen zwei, auf den anderen immer drei, auf der 4ten und Tten) Windung vier Namen. Sie sind je weiter nach unten, weil kürzere Zeit hindurch und in geringerem Malse dem Einfluls der Luft und Witterung ausgesetzt, desto besser erhalten. Die der oberen Windungen waren nur mit der gröfsten An- strengung und nach mühsamer Reinigung, oft nur mit Hülfe der Stelle des Pausanias — von welcher nachher — zu ent- ziffern, auf den einzelnen Gewinden die mittleren und oberen natürlich wieder leichter, als die unteren an den Rand hinge- drängten. Die Nachlässigkeit der Schrift, indem die Buch- staben oft von verschiedener Grölse sind — nicht allein das häufig in kleinerer Gestalt sich findende O — und selten in’ gleichem Abstande von einander, zuweilen sogar kaum auf gleicher Linie stehen, erschwerie die Lesung in hohem Grade, In den Formen der Namen ist der Dorismus vorwiegend, wie Alywaraı, Toogavıcı, Mvzaveis, Marc, Fareior, der älteren Schreibweise gehört das Digamma an in Farsio und Favaz- rogısis (vgl. Franz Elem. Epigr. p. 42), die Form des y als C. Die Form des V für x (Franz p. 25) des X für & (p. 45), vom 13. März 1856. 165 des R für o (p. 46 u. 111). Über den frühen Gebrauch des £ bei den Doriern vgl. Franz p. 47. Gleichwohl ist die Schreibart nicht frei von Unregel- mälsigkeiten und Schwankungen, namentlich bei dem Diphthong &, der unter den 9 auf zıs auslaufenden Namen zweimal voll ausgeschrieben ist. Hierher gehören auch die Formen des A und 0. Die Namen sind nun, laut beigelegter Copie, folgende: (12tes Gewinde) ....... Maxıcı Eerale nee Tevıo: KogwSıo: TC (6tes Gew.) Ne£ıoı (11tes Gew.) 3(:)zvov[:ıcı]* Eaergıes Ayıwaraı Karzıdes (10tes Gew.) Meyazes (ötes Gew.) Zrugsıs Emödavgıcı Farsıo * Eox,onevio: * Ilorsdsaraı * (tes Gew.) Prusaoı[o]ı* (4tes Gew.) Asvzadıoı Toaavı[or] Favazrogısıs * | Eauioves KuSvior | Zupvior (8tes Gew.) TiguvSior | Iiaraıss (3tes Gew.) Aurgazıoraı | Oeomıes Asmosaraı (Ttes Gew.) Muzavss* Keıo: Die angezeichneten Formen bedürfen einer Bemerkung. Ob $:xvovıo: oder wie auf den alten Münzen, (cf. Curtius Pelop. II, 583) Se#vovıo: zu lesen sei, konnte nicht ent- chieden werden. Die Schreibart Egyousvos bestätigt diese ariante für das arkadische Orchomenos, auf welche Cur- ius Pelop. I, 228 schon aus dem EP einer von ihm gefun- denen Kupfermünze schlofs. 5 [1856.] 12 166 Gesammtsitzung Das auffallende Brısrasıoı ist doch zu deutlich erhalteı als dafs man daran ändern, und etwa PAsıasıoı vermuth dürfte, was durch eine Inschrift bei Rofs Reisen und Reise- routen etc. S. 42 und durch Münzen bezeugt wird. | [Durch Toaogavıoı bestätigt sich die Lesart Teogyviaı. Bi Corp. Inser. Gr. n. 106, welche sich auch in neugefundenen In- schriften das Peiraieus wiederholt; vgl. Gerhards Archäol, Anzeiger 1855 S. 84*.] N Muzave?s neben Muzyvaioı und ’Avazrogıeis neben "Avazropidı findet sich bei Steph. Byz. p. 460 ed Meinl 6 morirns Muxyvaios za Muxyveus, und p- 9%: 70 EIvızov Avon. TogLos za ’Avazrogısus. Fareto: mit dem Digamma is! auch auf Münzen häufig, cf. Eckhel DN. II, 266 und die In- schrift beiBoeekh im Corp. Inser. Gr. I n. 11. Das = in Iors- dsaraı ist nicht zu verkennen, obwohl ich nicht im Stande bin, dieselbe Form anderswo nachzuweisen. Über "Aumoazıureı statt "Außgazıöraı siehe Steph. Byz p. 85 ed. Mein. J Vergleichen wir nun unsere Inschrift mit den Berichten der Alten über das erwähnte Weihgeschenk, so giebt sie auf der einen Seite eine höchst interessante Bestätigung derselben, befindet sich auf der anderen aber auch in manchem Wider- spruch mit ihnen und nöthigt uns, dieselben theilweise anders zu verstehen, als bisher, theilweise zu berichtigen. Herodot erzählt uns, wie die Griechen nach der Schlach bei Plataeae noch auf der Wahlstatt die erbeuteten Schätze zusammengetragen, und ein Zehntel davon für den delphischen Gott abgesondert hätten (IX, 81), Em 4 ö Teimous 6 Yalrzos AvereSn, 6 Emı Foü FgızagnvoU Odıos ToÜ yarzzou EmerreuWs ayyırra 700 Bund, ein anderes Zehntel sei für den olympischen Gott bestimmt worden, von dem sie eine 10 Ellen lange eherne Statue des Zeus aufgestellt hätten, ein drittes Zehntel für den isthmischen Gott, das zu einer 7 Ellen hohen ehernen Statue des Poseidon verwandt worden sei. Jenes erste Weihgeschenk, aber dieses allein, erwähn fast mit denselben Worten auch Diodor ÄlI, 33: i Ö’’EAAyves dr Tv Aachuguv derdryv EEehomevor zure ’ m ’ ö \ a» Ian > , THEUETEV YIVTOoUv FOIMOOR RU AVERTNARV EIS Asrdous. vom 13. März 1856. 167 Pausanias spricht von eben demselben bei Aufzählung ler delphischen Weihgeschenke X, 13, 5: zv zouwws d2 EIerav Eoryou 700 Mares oi "EAAyves Keusouv Formodc Igazovrı mizeinsvov YarzU. Aber er kennt auch jene Statue des Zeus (V, 23, 1) ayanı Aus - - aveSerav "ErrYvwv, Orc: Miaradrıv EmayE- Favro Evarria Magdoviou TE zo Mydwrv, nd theilt uns sogar die Namen jener (vermeintlichen) Kampf- zenossen mit, welche er am Fulsgestell eingegraben fand. Er as sie in folgender Ordnung: Aazsdcaıpovio: Mvuzyvaroı ’ASyvetoı X7oı KogiwSıor MıAycıoı Sırzuwvıoı "Außgazıuraı Alyıyrar Tyvıoı Meyagsis Asmpedra Eridavgoı Negıoı Teysaraı Kusvio: "Ogyxorevioı Irugeis " Pruamıcı "Hretcı Toaılyvio: Nordauareı “Eapıoveis "Avazrogıoı TiguvSioı Xarzıdeis IMearaısıs Halten wir nun diese Namenreihe mit derjenigen unserer Insehrift zusammen, so finden wir erstens auf der Säule sämmtliche Völker wieder, mit Ausnahme der Lacedaemo- nier, Athener, Tegeaten, Chier und Milesier, und ıden zweitens 12 derselben bis zu den Mykenäern auf jeiden in ganz gleicher Folge aufgeführt, falls wir nämlich die [Degeaten des Pausanias und die Thespier unserer Inschrift überschlagen. Ja, lesen wir weiter, so folgten auf der Statue des Jupiter dem Text des Pausanias nach die X?o: und Mıry- zıoı, — folgen auf der Schlangensäule, so gewils wir unseren Augen trauen dürfen, die Ke?o: und MaA:o:. (Melier). Ohne 12° = 168 Gesammtsitzung Zweifel werden schon die Erklärer des Pausanias — ich habe nur den Text in den Händen — der ganzen Inschrift eine allge- meinere Deutung gegeben haben, als sie Pausanias annimmt. Denn weder Chier und Milesier, noch die anderen Insel- völker mit Ausnahme des mit dem Festlande auf eine Linie gestellten Euböa, können an der Landschlacht von Plataeae- Antheil genommen haben. Man könnte an Mykale denken, wo — aber erst hier — jene Völker zu den Griechen übergehen. (Diodor. XI, 3, Herod. VIII, 46 — Diod. XI, 36, Her. 18.0 | 103, 106 ff.) Aber ich denke die weitere Betrachtung un-. serer Inschrift wird bestätigen, was man schon jetzt anzu- nehmen geneigt sein wird, es gebe unsere Inschrift auch für den Pausanias die richtige Lesart, mag er selbst nun, oder spätere Abschreiber sich des Irrthums schuldig gemacht haben. [Keio: z&: MyArcı haben auch die neueren Ausgaben.] Aber auch in den darauf folgenden Namen finden wir we- nigstens eine gewisse Gleichheit der Anordnung je nach de Landschaften; einmal auch wiederum wenigstens drei Namen in derselben Folge (Xrugeis, ’HAsior, Horidarkrer). Füge ich end- lich hinzu, dals der Raum auf der ersten beschriebenen Win- dung, welche am unteren Rande den Namen Kog!vS:o: trägt, über derselben deutliche Spuren einer früheren, jetzt voll- ständig verwitterten Inschrift zeigt, ohne dals es jedoch mög- lich ist, aus dem Gewirre durcheinanderlaufenden Gekritzels‘ bestimmte Schriftzüge zu erkennen, so wird man gern zugeben, dafs dort jene beiden ersten von Pausanias aufgeführten Namen der Lakedaemonier und Athener gestanden haben werden, und dafs wir mithin in unserer Inschrift auch jene der Ju- piters-Statue enthalten finden. d Es fehlt mithin nur der Name der Tegeaten. Lassen wir ihn vorerst noch bei Seite und fassen wir eine andere für unsere Inschrift sehr wichtige Stelle ins Auge, den Katalog der Völker, welche nach Herodot in der Schlacht von Plataeae mitkämpften. (Herod. IX, 28.) Er nennt uns der Schlacht- stellung nach geordnet folgende: vom 13. März 1856. 169 edrınovicı TigvvSror Alyıwyraı eysaraı Brrarıc Meyageis ogivQ10ı "Egmioveis Iearaısıs Horıdauareı Egerpieis ’Adyvaoı Opy,onevioı Zirupeis Ferner nachträglich 1zuwvi0r Karzıdsis (cap. 30) Osrrieis Eridaygıo: "Aumpezıören und als verspätet ein- garyvioı Asvzadıoı treffend (cap. 77) emge@ren "Avazrogıoı Mavrıveis und vayvaioı Iarsts ’HAeioı Mit dem Pausanias verglichen, fehlen hier die Insel- ölker, deren Erwähnung dort befremden mufste, (die Keer, elier [oder Chier und Milesier], die Tenier, Naxier und ythnier) sind aber mehr hier genannt, als dort, die Ere- rier, Leucadier, Paleer, Thespier und Mantineer. it der Schlangensäule verglichen, hat diese von den im ausanias nicht erwähnten die Eretrier, Leucadier und nd Thespier, läfst nun aber auch nicht mehr die Tegea- en, sondern aulserdem die Mantineer und Paleer ver- issen. Endlich zeigt uns diese doppelte Vergleichung un- ere Inschrift um einen Namen reicher, der weder vom ausanias noch vom Herodot erwähnt war, den derSiph- ier. Wenn nun schon der ganze Katalog des Herodot darauf inweist, dafs unsere Inschrift unmöglich allein auf die Mit- ämpfer von Plataeae bezogen werden könne, so zeigt dieser etzte Name der Siphnier, dafs sie zunächst sich auch auf alamis beziehen müsse. Wir finden ihre Namen nur in dem erzeichnils der Streiter von Salamis (Herod. VIII, 46). Zie- en wir aber die Schlacht von Salamis mit in den Kreis un- rer Betrachtung, so stolsen wir sofort theils auf bestimmte eugnisse, theils auf Andeutungen anderer Art, aus denen eutlich herxorgeht, dafs wir es mit einer Siegestrophäe für en ganzen 2ten Perserkrieg zu thun haben. Ein bestimmtes Zeugnils ist jene Stelle Herodots (VIII, ), in welcher er uns von einem der Völker den Grund an- ebt, weshalb wir seinen Namen auf unserer Säule lesen, den 470 Gesammisitzung \ Teniern. Anfangs auf Seiten der Perser (VIII, 82) hätten sie sich um die Sache der Freiheit dadurch ein grolses Ver- dienst erworben, dafs sie am Abend vor der salaminischen Schlacht übergebend — denn auf jenes eine übergehende Schiff belief sich wohl überhaupt ihr Contingent, gleich dem der Kythnier und Siphnier — die Bestätigung der Nachricht des Aristides brachten, dals die persische Flotte, die Hellenen um- zingelt habe; dia Ö& roüro ro Eoyov, fährt er fort, Zveygapnrau Tyvıoı Ev Asrhboisw Es Tov Taimoda Ev rain: röv Daoßagov HareRoüae Ein bestimmtes Zeugnils ist ferner die Stelle des Demosthe- nes in Neaeram p. 1378, wo der delphische Dreifuls ausdrück- lich ein gemeinsames Weihgeschenk der vereinigten Griechen für Plataeae und Salamis genannt wird. — Aber für Salamis und Plataeae allein? Schon war ja — der besonderen Ga- ben der einzelnen Völker nicht zu gedenken (Herod. VIII, 122, Pans. X, 9, 1. — 11, 4. — 15, 1. — 16, 2. — 18, 1. —)— für den ersten dieser Siege ein gemeinsames Weihgeschenk nach Delphi gesendet worden, eine Statue von 12 Ellen Höhe, mit einem Schiffschnabel in der Hand (Her. VIII, 121) und ein Apollo (Pans. X, 14, 3 ars !aywv rav dv Tais veusw Emi ze "Aorenımıw zo Ev Zara). Wozu noch ein neues nachträg- lich nach der Schlacht von Plataeae? Es scheint kaum zwei- felhaft, dafs der Name der Sieger von Salamis und Plataeae, den Haupt-Wahlstätten im zweiten Perserkriege, die Theil- nahme an dem Befreiungswerke überhaupt bezeichnet. — Für Thermopylae oder die Besetzung des Isthmus konnte kein Weih- geschenk dargebracht werden, kaum auch für Artemisium. So bleiben nur Salamis, Plataeae und Mykale. Nun stelle man die in diesen drei Schlachten aufgeführten Streitkräfte der grie- chischen Staaten zusammen. Denn wenn die volle Gültigkeit dieser Zahlenangaben auch nicht ohne Grund bezweifelt wor- den ist (cf. Niebuhr Vorträge über Ethnogr. I, 72.), so sind die Zahlverhältnisse doch im Allgemeinen als richtig an- zunehmen. Man wird seben, Salamis und Plataeae ergänzen sichz wo einem Volke der eine dieser Namen fehlt, tritt der andere für ihn ein. Was aber Mykale betrifft, so können unmöglie die drei Namen der Korinthier, Sikyonier und Troize- vom 13. März 1856. 171 nier, welche mit den Lacedaemoniern und Athenern allein namentlich von Herodot genannt werden, die ganze dort versammelte Macht der Hellenen bezeichnen. Sie werden nur ausdrücklich hervorgehoben (cf. IX, 105, 6), nicht wie sonst vor den Berichten gemeinsamer Unternehmungen in vollstän- digem Verzeichnisse aufgezählt. Vielmehr haben wir uns die ganze Flotte thätig zu denken, welche auch bei Salamis stritt. Und so erscheinen uns dann manche der auf dem Ruhmes- denkmal verzeichneten Völker, besonders unter den Inselbe- wohnern dieser Ehre würdiger, deren Antheil an dem allge- meinen Befreiungswerke sonst etwas dürftig wäre. Dieser Annahme, unser Weihgeschenk gelte dem ganzen zweiten Perserkriege, steht von den Stellen, welche die Sache behandeln, im Grunde auch nur die des Pausanias entgegen V, 23.1. (aveSesav de Erryvav Orc Mareıkoıw Znaygravro Evan- ie Magdoviov re zur Myöwv) deren Widerspruch mit den dar- auf folgenden Namen wir indessen schon im Obigen berührt haben. Zudem behandelt sie im Grunde doch nur die Statue des Zeus in Olympia, über eben welche er sich an einem an- deren Orte schon weit weniger bestimmt ausdrückt, VI, 10, 2: u FToü Ars ou ame vis Rays is WDaraisw avarsFvros Urs 'ErA?yvwv., und die er an einer dritten ganz allgemein ein Geschenk der Griechen nennt, welche gegen den Perser- könig gekämpft hätten. X, 14. Erryves de 0i Zvavrie BacırRdws moreuf- Fuvrss avedsrav nv Aia 26 "ORvuriav Yarzoüv. Alle unsere Säule betreffenden Stellen zwingen in kei- ner Weise zu einer so engen Interpretation, sondern sprechen im Gegentheil für unsere Ansicht. So liegt in den Stellen desHerodot, Pausanias undDiodor nur, dals Platäensische Beute darauf verwandt sei: Her. IX, 81. ounpogysavres ra Yoyuarae zu Ösrarnv dm . ns 6 Feimous 6 Agursaos Avery, 6 Emı #72. Paus. X, 13, 5. Zu zouws Öt &Iesav amd Eoyov roü Ie- N zauerw 0 "EAryves Aovsoüv Formodc ATA: Diodor XI, 33, ei ÖErrwes ix TE Aubuguv derery H EEeAonevor HUTETREURTEV Keusouv Falmodc za avedyzav x eis Asdıbovs. 172 Gesammtsitzung Die übrigen gedenken Plataeaes nicht einmal, und spre- chen nur ganz allgemein von einer Erstlingsgabe der Hellenen, welche die Barbaren vernichtet hätten. So Herod. an de angeführten Stelle über die Tenier: VII, 82. Zveygapyrav “| rov Toimod« Ev Toisı ToV Bagßagov #areAoüsıw; vor allem aber Thucydides: I, 132. ömı z0v rgımoda rov Zv AsAhois ov aveIesav oi "ErAyveg «ro rov MyÖwv argoIiviov..... Emtyoalav övounsri Tas To. Asıs, oreı Euyaatsroüseı Tov Baoßagov Errysav 70 dva9yua (und damit übereinstimmend Cornelius Nepos Paus. 9, 2). | Aber scheint nicht gerade diese letzte Stelle des Thucy- dides allein auf Plataeae hinzuweisen? Pausanias, berichtet er, habe eigenmächtig auf den Dreifuls, den die Griechen von den Medern her als Weihgeschenk in Delphi aufstellten, eine Inschrift setzen lassen, welche ihm allein den Ruhm, die Meder vernichtet zu haben, zuschrieb. Diese Inschrift hätten die La cedämonier damals sogleich von dem Dreifuls hinwegmeifseln lassen, und die Namen aller der Städte darauf geschrieben, welche an der Besiegung der Perser theilnehmend das Weih- geschenk aufgestellt hätten. Dasselbe fast mit denselben Wor- ten berichtet Cornelius nur mit der Modification, welche eine; Deutung der Stelle des Thucydides in sich schlielst, dafs nur die Namen jener Staaten darauf geschrieben, die getilgten Verse‘ nicht durch andere ersetzt worden seien (exsculpserunt neque aliud scripserunt, quam nomina earum civitatum, quarum auxilio Persae erant victi). Aus dem Äufseren der Säule ist nichts Sicheres darüber festzustellen. Der Raum oberhalb des ersten erhaltenen Namens KopivS:o:, sowie auf der nächst höheren Windung ist mit Rissen und Einschnitten bedeckt. Der letzte trägt auch deutliche Spuren einer Art von Ab- schleifung, indem der Rücken der Windung merklich abge | plattet erscheint. Aber Spuren einer erneuten Inschrift nach- zuweisen, ist ebenso unmöglich, wie das Gegentheil festzustellen, dals sie nicht beschrieben gewesen sei. — Dennoch macht schon Nipperdey zum Cornelius darauf aufmerksam, dals, wäre wirklich das Epigramm des Pausanias durch ein anderes ersetzt worden, Thucydides diesen Umstand nicht würde un- erwähnt gelassen haben, — dals somit Cornel eine richtige, vom 13. März 1856. 173 Diodor hingegen eine irrige Nachricht zu geben scheine, wenn er, ohne eines anderen Umstandes zu gedenken, ein an- deres Epigramm allgemeinen Inhalts als Aufschrift jenes Drei- fulses anführt. — Was nun gewinnen wir für unsere Unter- suchung daraus? Einmal könnte selbst das verworfene Epigramm des Diodor, wenn wir es nur als den Ausdruck der Volks- meinung betrachten, als Zeugnils für unsere Behauptung ge- braueht werden '), und dann dürfte gerade die Erzählung des Thucydides Licht und Aufschlufs über den Grund der Unbe- stimmtheit geben, mit welcher die Widmung bald auf den Sieg bei Plataeae, bald auf die Vernichtung der Perser bezogen wird. Es scheint nämlich, dafs dieser Dreifuls Anfangs jene engere Bestimmung als Weihgeschenk für Plataeae gehabt, dann aber zugleich mit der Vernichtung des ersten Epigramms jene weitere allgemeine erhalten habe, Ruhmes-Denkmal für | den zweiten Perserkrieg zu sein, wodurch der Gegensatz zu den selbstischen Gelüsten des Pausanias einen schärferen Aus- druck erhalten hätte. Es fragt sich jetzt, findet bei dieser Auffassung die Aus- lassung der Namen eine genügende Erklärung, welche in dem ‚ mitgetheilten Verzeichnifs des Herodot, nicht aber in unserer \ Inschrift standen, der Paleer, Mantineer und Tegeaten? und sind zweitens, abgesehen von diesen, uns nicht sonst | noch Namen von Staaten aufbehalten als Theilnehmer an den \ Siegen von Salamis, Plataeae und Mykale, auf welche es allein bier ankommt, deren Abwesenheit auf unserer Säule Bedenken erregen mülste? Beantworten wir uns die letzte Frage zuerst, und halten | wir mit dem Herodot und Diodor in der Hand Heerschau über ‚ die Streitkräfte in den genannten Schlachten — (Artemisium Herod. VIII, 1 u. 82 — Salamis VII, 43—48. Mykale IX, 102, Diodor XI, 36), so treffen wir allerdings noch auf die Namen der Krotoniaten, Seriphier, Lemnier, der OpuntischenLocrer und Phokier, finden aber auch Gründe, welche erklären, warum sie auf unserer Inschrift fehlen konnten. 1) Diod.XI, 33. 'ErAddos e’puxöpou awräpes Tovd' dveInna, douAoaums Oruyerds puodueror möAıas. 174 Gesammtsitzung Die Krotoniaten als Kolonisten, und einzige Vertreter der Kolonien mit Einem Schiff, in der Einen Schlacht bei Salamis würden, so edelmüthig ihre Hülfsleistung auch war, an und für sich kaum Anspruch auf eine solche Ehre haben machen können. Nun aber ersehen wir überdies aus einer Stelle des Pausanias, dals diese Hülleleistung nur eine Privat- unternehmung des Phayllus, nicht Beschluls des Staates war. (Herod. VIII, 47, Pans. X, 9. 1.) Die Seriphier stellten (Her. VIII, 46, 48) einen Fünf- zigruderer bei Salamis; aber es scheinen nur die ionischen Ansiedler gewesen zu sein, welche neben der ersten Bevöl- kerung auf der Insel wohnten (cf. Hoffmann Griechenland und die Griechen II, 1424.) Lemnos gehört nicht zu jenen Inseln, deren Bewohner dem Barbaren Erde und Wasser zu verweigern wagten (Herod. VIII, 47) und ‘seine Betheiligung an den Perser- kriegen erstreckt sich nur auf das Überlaufen Eines Schif- fes bei Artemisium und dessen T'heilnahme an der Schlacht bei Salamis (cap. 82). Auch war sie in den Besitz der Perser gekommen. Die opuntischen Locrer endlich halten zwar anfangs Erde und Wasser gegeben, waren aber auf die Nach- richt von dem Zuge des Leonidas anderen Sinnes geworden, (Diodor XI, 4) und mit ihrer ganzen Macht (Herod. VIII, 203), welche Paus. (X, 20) auf 6000 abschätzt, zu den Griechen gestolsen. Bei Artemisium eilten sie mit 7 Pontekonteren zu Hülfe (Herod. VIII, 1.), müssen aber dann dem Zuge des Kriegs gefolgt sein, wie aus Herod. VIII, 66 (verglichen mit Vi, 232 u. IX, 31) hervorgeht, wo kein Unterschied mehr zwischen den drei Stämmen gemacht wird, sondern die Locrer im Allgemeinen im Persischen Heere genannt werden. Und was für uns die Hauptsache ist, bei Salamis werden sie nicht, bei Plataeae an der Seite der Thebaner aufgeführt. (IX, 31.) Die Phokier endlich sehen wir zwar mit 1000 Mann an den Thermopylen vertreten (Herod. VH, 203, 207, Paus. X, 20.), obwohl auch erst nach einer Aufforderung (£rizAyro.); aber. ihr Motiv war nicht sowohl Hingebung an das Allgemeine als Hals und Feindschaft gegen die 'Thessalier (VIII, 30) (ovx Zur- 7, N N‘ N & d1lov, — zur arA0 [av older — zur de To Ey,Dos FO Ocssaruv.) vom 13. März 1856. 175 Wenn sie daher auch in der Folge nur gezwungen den Per- sern dienen (VIII, 30 ff., IX, 17 ff.) und ein Theil von ihnen bei Plataeae sogar in den Reihen der Griechen kämpft (IX, 31. Pans. X, 16), so konnten sie doch eben um dieser Vergangen- heit willen und wegen der öffentlichen Meinung auch über die nachherigen Thaten nicht unter den Befreiern Griechenlands genannt werden. Ähnliche Gründe lassen sich auch von der ersten Klasse der fehlenden Namen (Paleer, Mantineer, Tegeaten) für die Paleer und Mantineer anführen. 200 kephallenische Paleer kämpfen bei Plataeae. Aber es ist die einzige Waffenthat, an der sie im Perserkriege An- theil haben (IX, 28, 31) und zugleich die älteste Erwähnung der Insel in historischer Zeit. Wenn nun auch die Stadt der Paleer die mächtigste derselben war, so war doch die ganze Insel in jener Zeit zu unbedeutend, als dals das Übergehen jener That sehr Wunder nehmen könnte. Auch die Inschrift des Pausanias gedenkt ihrer nicht. Von den Mantineern ist zwar nichts berichtet, was ihre Bereitwilligkeit, der hellenischen Sache zu dienen, zweifelhaft erscheinen lassen könnte. Sie stellen ein verhältnilsmälsig sehr bedeutendes Contingent für die Thermopylen (500 Mann, Co- rinth nur 400, Herod. VII, 202, Paus. X, 20), sie sind sicher unter den Arcadiern, welche den Isthmus mit besetzen (Herod. VII, 72), sie zürnen sich selbst und bestrafen ihre Führer, als sie sich bei Plataeae verspäten (IX, 77), aber sie haben eben das Unglück, an keinem der grolsen Kämpfe wirklichen Antheil genommen zu haben, auf welche es hier ankommt. Denn wollen wir auch zugeben, dals der Kampf bei den Ther- _ mopylen denen, welche mit dem Leonidas ausharrten, den Spartanern, Thespiern, und nach Paus. X, 20, anch den Mycenäern mit in Anrechnung gebracht werden mochte, beim Antheil am allgemeinen Befreiungswerke, so schwerlich doch denen, welche nach dem Ausdruck Herodots „unmuthig waren, und nicht gewillt, ihr Leben einzusetzen”, — vor allem wenn sie in den Hauptschlachten fehlten. Schwierig hingegen ist es, die Auslassung der Tegeaten genügend zu erklären. Können ihnen auch die Hülfsleistung 176 Gesammtsitzung bei den Thermopylen, wohin sie 500 Mann sandten, und die Besetzung des Isthmus (’Agz«öes m «vres Herod. VII, 72) dem früher Gesagten nach keine Stelle auf unserer Inschrift sichern, so verschafft ihnen vollen Anspruch darauf ihre That bei Pla- taeae, wo sie mit 5000 Kriegern, darunter 1500 Hopliten (IX, 28 u. fl.) an der Seite der Spartaner auftreten, ein Platz, der | ihnen runs sivere zur gerne (IX, 28) angewiesen war, nach- dem sie auf das alte Ehrenrecht, den linken Flügel halten zu dürfen, zu Gunsten der Athener hatten verzichten müssen (He- rod. IX, 26 ff., Plut. Aristid. 12, Vgl. Hermann Staats- Al- terth. $. 34, 9), Wenn sie mit Athen um einen solchen Vor- zug überhaupt hatten streiten können, wenn ihre Bravour in der Schlacht mit den Ausschlag giebt (IX, 61) — sie sind die ersten auch, welche in das Lager stürmen, cp. 70 — wenn ihnen als den dritten nächst den Lacedämoniern und Athenern der Preis der agırrei« zuerkannt wird (71), so sollten sie keinen Platz auf dem Siegesdenkmal gefunden haben, wo wir Staaten von weit geringeren, nur vor Plataeae erworbenen Verdiensten finden, wie z. B. die Tirynthier? — Auch auf der Statue des Pausanias standen sie. Hatlen sie auf unserer Inschrift viel- leicht die Stelle, welche ihrem Verdienste nach der Schlacht zuerkannt war, nächst den Lacedämoniern und Athenern die dritte? und ist ihr Name mit diesen ebenfalls dem Zahn der Zeit zum Raube geworden? Sicheres läfst sich auch hierüber aus der Säule selbst ebenso wenig entnehmen, wie über jene Epigramme. Der Raum würde aber dieser Vermuthung nicht widersprechen; auch nicht der Umstand, dafs jede Windung meistens nur 3 Namen enthält; denn auf der 4ten und 7ten lesen wir deren 4; wohl aber die Stelle, welche sie bei Pau- sanias einnehmen, nämlich neben ihren Stammesgenossen den Orchomeniern, und die sonstige Übereinstimmung der Reihen- folge auf beiden Denkmälern. — Wir wagen nicht zu ent- scheiden. Werfen wir jetzt noch einen Blick auf die Ordnung, in welcher unsere Namen aufgeführt sind, und beachten wir in der obigen Zusammenstellung die numerischen Verhältnisse der jedesmal gestellten Contingente, so scheint es auf den ersten Blick, als sei man in der Anordnung nicht blols einem geo- vom 13. März 1856. 177 graphischen Eintheilungsgrunde gefolgt, sondern habe auch auf die Verdienste und Würdigkeit Rücksicht genommen. Sicher- lich wenigstens im Anfang. Es eröffnen die Reihe diejenigen ' Staaten, welche an allen drei Hauptschlachten theilnahmen, — dann diejenigen, welche bei Plataeae allein, endlich diejenigen, welche bei Salamis (und Mycale?) allein fochten. Doch zeigen mancherlei Abweichungen, besonders im letzten Theil der In- schrift, dals dies Princip nicht konsequent durchgeführt ist. Den Lacedaemoniern, den damaligen Hegemonen, ge- bührt der erste Platz. Die Corinther am dritten zu sehen, entspricht seiner damaligen Machtstellung (Plut. Aristid. 20, C. F. Hermann St. Alterth.34, 11). Ja man wird nicht Unrecht haben, wenn man in diesen Range ihres Namens ein Zeugnils dafür erkennt, dafs der Vorwurf des zweideutigen Verhaltens in der Schlacht von Salamis entweder nicht sowohl sie selbst, als ihren Führer Adimantus trifft, oder ihnen ungerechter Weise von den Athenern gemacht ist, wie ja Herodot schon anzunehmen ge- neigt ist (VIII, 94. rovrous nv romUry barıs Eyaı üme ’AIy- veiwv' oU euro auroi Ye KogivIıor ÖmoAoyeovcı, KAM Ev maurası abeus wurous ris veunayins vonigoucı yaverIar Mrprupei de acbı zur Hana "Errcs). Die Leistungen der Aigineten und Megarer würden sich ausgleichen; allein der bei Salamis davongetragene Preis (VII, 93) sichert jenen vor den Megarern den Vorrang. Die Epidaurier scheinen der geographischen Ordnung entgegen, den OÖrchomeniern vorangesetzt zu sein, weil sie was jene nicht, auch bei Salamis mitgestritten hatten. In ganz bestimmter nach den Leistungen sich richtender Ordnung folgen dann die Troizenier, Hermioner und Tirynthier. Man würde dann den Namen der Mykenäer erwarten, "deren Macht mit der von Tiryns vereint ins Feld rückte. Das I) Übergewicht aber, welches wir in den gestellten Contingenten auf Seiten der Plataeaer und Thespier sehen, scheint ihre obere "Stelle bestimmt zu haben. Da alle jene später argivischen "Orte damals noch unabhängig waren (Curtius Pelop. II, 388. “und 402; O. Müller Dorier I, 83 ff. 56) — und unsere In- 178 Gesammisitzung schrift scheint es zu bestätigen, wodurch die von €. F. Her- mann (St. A. $18, 15) gegen O. Müller angeregte Frage erledigt würde — so ist ein Abweichen von der geographi- schen Ordnung um so weniger auffallend. Die Platäer gehen den Thespiern voran, trotzdem sie nur 4 der Macht der letzteren stellen, aus demselben Grunde, aus welchem ihnen gestaltet worden war, ein Tropäon auf der Wahlstatt aufzurichten, nämlich die Stätte des Kampfes und die Opfer der Stadt zu ehren (Plut. Aristid. XX, Thucyd. III, 57). Auffallen mufs es, die Thespier von Pansanias nicht ge- nannt zu sehen, da ihre Betheiligung an der Schlacht von Pla- taeae von Herodot (IX, 30) ebenso, wie von Diodor (XI, 32) bezeugt wird, und ihr Heldenmuth an den Thermopylen (H. VII, 222, Diod. XI, 9, Paus. X, 20) ihnen allein schon Anspruch auf einen solchen Ehrenplatz geben mulste. Unter den Cycladen stehen die Ceer oben an; sie hatten von diesen Inseln nicht nur die meisten Schiffe gestellt, son- dern auch allein in der Schlacht bei Artemisium gekämpft (VII, 1). Der besonderen Veranlassung, welcher die Tenier ihren Platz dankten, ist schon oben gedacht worden. Die Na- xier finden wir aufgezeichnet, obwohl auch ihre 4 Schiffe im Grunde nur Überläufer waren, und ihre Hülfe nieht sowohl der Bereitwilligkeit des Staates, als dem Eifer des Trierarchen Democritus zuzuschreiben war. Es ist anzunehmen, dals die Schlacht bei Mycale sie in vortheilhafterem Lichte gezeigt hat. Befremdend ist die Erwähnung der Eleer; nicht gerade, dals sie an dieser Stelle aufgeführt sind, — das Verzeichnils wendet sich mit ihnen zu den westlichenStaaten — als dals sie überhaupt erwähnt sind. Wir treffen sie nämlich weder bei’ Artemisium, noch bei Mycale; sie werden zwar bei der Besetzung des Isthmus genannt (VIII, 72), doch weder hier, noch in Plataeae, wo sie mit den Mantineern sich ver- späten, wurde ihnen Gelegenheit zu Waffenthaten (1X, 77). Und doch nannte sie auch die Inschrift des Pausanias.. Haben‘ wir sie uns in der Seeschlacht von Mycale um so thätiger zu denken? denn wenngleich ohne Beruf zur Seefahrt, waren sie doch nicht von aller Seemacht entblölst. (cf. Diodor.XIV, 34.) vom 13. März 1856. 179 Von nun an ist eine bestimmte Absicht in der Anordnung nieht mehr zu erkennen, weder in geographischer, noch son- stiger Hinsicht. Das Contingent der Siphnier ist das winzigste, eine Pentekontere. Von Pausanias werden sie nicht erwähnt. Viel- leicht war darauf, dafs wir sie bei uns finden, die nähere Be- ziehung von Einfluls, in welcher sie zu Delphi standen, wel- ches aus ihren Goldgruben den Zehnten empfing, und sogar ein Schatzhaus dieses Inselvolkes aufzuweisen hatte (Pausan. X, 11. 2.) Wenn wir endlich die Lepreaten an dieser Stelle von den Eleern abgesondert treffen, so ist das weder ein Widerspruch noch auffallend. Die Lepreaten waren nicht nur nicht Eleer, sondern sogar beständige Feinde derselben. Sie waren Mi- nyer und von allen Minyerstädten die einzigen Theilnehmer an den Perserkriegen. | Hr. Curtius begleitete die voranstehende Abhandlung des Hrn. Dr. Otto Frick mit einigen Bemerkungen. Bei aller Anerkennung der wichtigen und dankenswerihen Ent- deckung glaubte er dennocl die Identität des aufgegrabenen Schlangenfulses mit dem delphischen Weibgeschenke nicht un- bedingt annehmen zu dürfen. Bedenklich macht die durchaus ungriechische Form der gewundenen Säule, die Flüchtigkeit der eingeritzten Schriftzüge, so wie die Inconsequenz der Schreibart. Es läfst sich sehr wohl denken, dals Constantinus den goldenen Dreifuls nach Byzanz bringen liels ohne die Ba- sis, auf der die Inschrift stand, dafs man ihn daselbst auf einem neuen, in byzantinischem Geschmacke gearbeiteten Postamente aufstellte und auf demselben die Inschrift der ursprünglichen Basis nachahmte. Ein weiteres Urtheil üher diesen Gegen- "\stand mufs genauerer Untersuchung vorbehalten bleiben. Hr. Dr. Frick hat, wie er nachträglich mittheilt, in der erwähnten Waffensammlung der Irenenkirche den Drachen- kopf gesehen; es ist ein Bruchstück, das den weitgeöffneten "Rachen eines solchen Thieres darstellt, hohl gearbeitet und zwischen den Augen von solcher Breite, dafs die Fülse eines 180 Gesammtsitzung grolsen Dreifulses sehr wohl dazwischen Platz finden konnten s Zwischen den gewölbten Augenbrauen erkennt man eine an- sehnliche Vertiefung. Inschrift der Schlangensäule auf dem Atmeidan in Constantinopel. —— | | (| | (12tes Gewinde) KOR[IN®IO[I] (11tes Gewinde.) ZI] KVON[IOI AICINATAI (10tes Gewinde.) MECAREXZ EMTIDAVRIOI ERVOMENIOI (9tes Gewinde) OAIEIAZI[O]I TROZIANI[{OI] ERMIONES (stes Gewinde.) TIRVN®IOI MAATAIEZ BEZTIEZ - (Ttes Gewinde.) MVKANEZ KEIOI MAANIOI TENIOI (6tes Gewinde.) NAXIOI ERETRIEXZ VAAKIDEZ vom 13. März 1856. 181 (Stes Gewinde.) ZTVREIZ . FAAEIOI MOTEDEATAI — (Ates Gewinde.) AEVKADIOI FANAKTOoRIEIZ ZIONIOI (tes Gewinde) AMMTRAKIOTAI AEMREATAI (2tes Gewinde.) (1stes Gewinde.) An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, philos.-philol. Klasse. Band 8, Abth. 3. München 1855. 4. Gelehrte Anzeigen, Band 41. München 1855. 4. Fr. v. Thiersch, Festrede. München 1855, 4. v. Hermann, Gliederung der Bevölkerung des Königreichs Bayern. München 1855. 4. Comptes rendus de !’Academie des sciences. Tome 42, nc. 4—8. Paris 1856. 4. 5 Flourens, Eloge historique du Baron Leopold de Buch. Paris 1856. 4. L’Institut. Ime Section, no. 1148—1156. Ilme Section, no, 239— 242. Paris 1856. 4. Alhenaeum frangais. 5me annee, no. 10. Paris 1856. 4. Blume, Museum botanicum Lugduno-Batavum. Tom. II, no. 10. Lugd. Bat. 1856. 8. Silliman, The American Journal of science and arts. Vol. 21, no. 61. New Haven 1856. 8. Bulletin de la societe de geographie. Quatrieme Serie, tome 10. Paris 1855. 8. Memoires de la societe imperiale des sciences naturelles de Cherbourg. Tome II. Cherbourg 1854, 8. [1856.] 13 182 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Dana, Address before the American association for the advancement o science. Cambridge 1855. 8. Murchison and Morris, On the palaeozoie and their associated roc of the Thüringer Wald and the Harz. (London 1855.) 8. Murchison, On the occurrence of numerous fragments of fir-wood ü the islands of the arctie Archipelago. (London 1855.) 8. Ferner wurden drei Verfügungen Sr. Exc. des vorgeordä neten Hrn. Ministers vom 7. d. M. vorgelegt, wodurch die Bewilligungen a) von 120 RtkIrn. an Hrn. Prof. Dr. Weber für zehn Exemplare des 8. Heftes seiner Ausgabe des weilsen. Yajurveda, b)von 400 Rthlirn. an Hrn. Dr. Wöpcke zur wei- tern Unterstützung der Herausgabe der Arabischen Übersetzung des Griechischen Commentars des Valens zum 10. Buche des Euklid, c) von 200 Rthlirn. zur Unterstützung der Herausgabe‘ der Grammatik und des Wörterbuches der Herero-Sprache von Hrn. Hugo Hahn, genehmigt worden. Hr. Ehrenberg trug ein Schreiben des Hrn. Asa Gray in Cambridge vom 24. Jan. d. J. als Erwiederung auf dessen Ernennung zum corresp. Mitgliede der Akademie vor. 31. März. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Lepsius las „Über die Götter der vier Ele- mente bei den Ägyptern.” Hr. Pinder las „über einige antike Gewichte.” Vor anderen bisher bekannt gewordenen griechischen Ge- wichten, welche meist Kleinasien und Syrien angehören (s. A.de Longpe£rier in Annali dell’ Inst. archeol. XIX, p. 333), zeichnet sich das nachstehende Minengewicht von Blei sowohl durch seine Herkunft aus Griechenland selbst, als durch sein 4 vom 31. März 1856. 183 vorzügliches Alter aus. Es trägt neben dem Typus eines Del- ins die rückläußfge Aufschrift AMUM (ww). Es wiegt 643 ramme. Von den beiden in Griechenland vornehmlich verbreiteten wichtarten, dem äginäischen und dem attischen Gewichte, hört diese Mine dem letzteren an. Es ist eine attische Han- lelsmine, uv& Zurogızy, welche 138 solonische Drachmen wog, noch ein Übergewicht (Son) hatte, das um Olymp. 155 12 Drachmen festgesetzt ward, so dals also um die Mitte les zweiten Jahrhunderts vor Chr. ein solches vollständiges nengewicht 150 Drachmen wiegen sollte. Das vorliegende, velches einer weit früheren Zeit angehört, wiegt in seinem zigen Zustande um fast 3 Drachmen weniger, nämlich 47,273 Drachmen, wenn man die Drachme zu ihrem vollen wicht von 4,366 Grammen rechnet'). Dagegen wurde an jüngeren aus Athen stammenden swuvatov Eiamogızov ein lärkeres Übergewicht nachgewiesen (s. Beiträge zur älteren Münzkunde I. Taf. IV, no. 1). Ein in der Rheingegend ge- *) Dieses Bleigewicht ist von Hrn. Dr. C. Gustay Schmidt in Göt- gen, welcher die Gefälligkeit gehabt hatte es zur Untersuchung und Publi- tion mitzutheilen, dem Königl. Museum gütig überlassen worden. & 13 . 184 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse fundenes und für das Königl. Museum erworbenes römisches Zweipfundgewicht von Blei mit der Aufschrift II soll ebenfalls eigentlich 150 Drachmen enthalten, und wiegt genau wie obige Mine 643 Gramme. Ein eben daher stammendes bleiernes Drei- unzengewicht des Königl. Museums mit dem Zeichen des Qua- drans „°, wiegt 84,855 Gramme. Hiezu stimmt ein hiesiges rundes Serpentingewicht mit der öfter vorkommenden eingeritzten Auf- schrift EX- AV: Q: IVNI- RVS- PR-V (ex auctoritate Quinti Iuni Rustici praefecti urbi, vom J. 345 nach Chr.) und mi 2 vertieften Punkten, d. i. 2 Unzen, welches 56,735 Gramme wiegt. Ein rundes Erzgewicht des Königl. Museums, mit der in Silber eingelegten Aufschrift $A, eine Unze, wiegt 26,03 Gramme, ein anderes ohne Silber 28,37 Gramme. Ein jüngst erworbenes viereckiges Exagium von Erz au byzantinischer Zeit N wiegt 53,45 Gramme. Die eingegrabene Aufschrift ist = IE unciae duae, und SOL XII, solidi duodecim. Es sind zwe Unzen oder ein Sechstel des Pfundes, in welchem 72 golden Solidi enthalten waren. Ein kleineres Exagium von Erz hat die vertiefte Aufschrift NT, d. i. vonswere ra oder dre Solidi, und wiegt 12,345 Gramme. Es ist 7 des Pfundes ode 27 vom 31. März 1856. 185 eine halbe Unze. Gruter (p- 222, no. 14) giebt die Auf- schrift eines solchen Exagium HT an, was die Erklärung AlMovyzov veranlalst hat; auch H *S auf einem andern Stück ist ohne Zweifel NG, vouisuere EE, also 1 Unze, zu lesen, wie man aus ähnlichen Exagien des Kircherschen Museums in Fio- relli’s Annali I, p. 208 ersehen kann. Zwei kleinere Exagien bei Gruter (p. 222, no. 18. 19) mit den Aufschriften N und XI geben das Gewicht eines Solidus (vousue) und eines hal- ben Solidus (12 zegarıe) an. Dieselbe Erklärung, 12 zegarıe, gilt auch für ein Exagium des halben Solidus mit der Auf- schrift IB, welche bisher anders gedeutet wurde (bei Fiorelli I Pp- 206 no. 36). Die obigen Notizen über acht neuerdings für das Königl. Museum erworbene Gewichte schliefsen sich an die Angaben ‚an, welche sich über die von früherer Zeit her in dieser Sammlung aufbewahrten Gewichte in Hrn. Böckhs metro- logischen Untersuchungen p. 169 ff. befinden. Bericht über die ur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen er Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat April 1856. Vorsitzender Sekretar: Hr. Böckh. . April. Gesammitsitzung der Akademie. Hr. Dove las „über das Klima des Preulsischen aates”. Hr. J. Grimm trug aus einem Schreiben des Hrn. Casp. euss in Bamberg aus Kronach vom 16. März vor: dals er iunmehr an die Kelticität der Marcellischen Formeln glaubt d sein in der Grammatica celtica darüber ausgesprochenes rdammungsurtheil streicht. 3 An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: "Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte. 28. Lieferung. Ber- | in 1856. A. \ "Crelle, Journal für Mathematik. Band 51. Heft 3. 4. Berl. 1856. A. Athenaeum frangais, no. 11. 12. 13. 14. Paris 1856. A4. Bulletin de l’academie imperiale de medecine. Tome XX. Paris 1855. 8. Annales de chimie et de physique. Tome 46, Fevrier. Paris 1856. 8. A Weber, The white Yajurveda. Part II. no. 8. Part III. no. 1. Ber- \ lin 1855—56. 4. '\ [1856.] 14 188 Gesammtsitzung A. Weber, Mälavikä und Agnimitra. Ein Drama des Kälidäsa. Ber lin 1856. 8. Über den semitischen Ursprung des indischen Alphabae (Berlin 1855.) 8. Mit Schreiben des Verfassers, Berlin 22. März 1856. e Göttinger Nachrichten, no. 3. Göttingen 1856. 8. 4 Jahrbuch der Geologischen Reichsanstalt. 6. Jahrgang, no. 3. wi ie 1856. 4. Philosophical Transactions of the Royal Society. Vol. 145, 2. and Pro- ceedings, Vol. VII, no. 15—17. Vol. VII, no. 18. London 1855 — 1856. 4.et 8. a Bulletin de la societe des sciences naturelles de Neuchatel. Tome \ Neuchatel 1855. 8. J. A. Kool, Apergu historique au sujet de la societe pour secourir les noyes. Amsterdam 1855. 8. A. de Luynes, Memoire sur le sarcophage et Tinscription funeraire d’Es- munazar. Paris 1856. 4. Ch. Lenormant, Leitres sur les plus anciens monuments numismatiques de la serie merovingienne. Paris 1848—1854. 8. Frangois Lenormant, Zssai sur le classement de monnaies des f des Lagides. Blois 1855. 8. E.vonEichwald, Naturhistorische Bemerkungen, als Beitrag zur E gleichenden Geognosie. Moskau und Stuttgart 1851. 4. 4 “Annales academici, 1851—1852. Lugd. Bat. 1855. 4. ii Comptes rendus de l’Academie des sciences. Tome 42, no. 9. 10. 14, Paris 1856. 4. N R. Brück, Electricit€ ou Magnetisme du globe terrestre. Deuxie me partie. Vol. 1. Bruxelles 1855. 8. The Quarterly Journal of the chemical Society. Vol. VII, no. 3.4. Lon-| don 13855—1856. 8. Revue archeologique. 12 me annee, Livr. 12. Paris 1856. 8. L’Institut. 1. Section, no. 1157. Paris 1856. 4. Wesselowsky, Tabellen über die mittlere Temperatur des russischen Reichs. (Petersburg 1855.) 8. Du climat de la Russie. (Petersburg 1855.) 8. Anghera, Quadratura del cerchio. Malta 1854. 8. | Equazioni geometriche. s.l, eta. 8. Mit Schreiben des Ver fassers, d d. Malta 26. Febr. 1856. ri latine. Paris 1855. 8. Mit Schreiben des Hrn. Dr. Jakob Wei ; d. d. Frankfurt a. M. 15, Febr. 1856, vom 3. April 1856. 189 Quarterly Journal of the geological Society. Vol. XI, Part 1. London 1856. 8. Aulserdem wurden vorgelegt: Ein Schreiben des vorgeordneten Hrn. Ministers vom 1. d. M. wodurch die Akademie in Kenntnils gesetzt wird, dals Se. Majestät der König durch allerh. Erlafs vom 19. März d. J. die Wahl des Hrn. Fürsten von Salm-Horstmar zum Ehrenmitgliede der Akademie allergnädigst zu bestätigen ge- ruht haben. Ein Schreiben des Hrn. Handelsministers vom 17. v. M. an Hrn. Encke, betr. zwei Mustermalse und ein Normalgewicht, welche der Akademie von dem Foreign Office zu London zum Geschenk gemacht worden, und welche die Akademie im Ein- verständnils mit dem Hrn. Minister bei der Königl. Aichungs- commission deponirt hat. Ein Schreiben des Hrn. James Dana zu New-Haven vom 10. März d. J. als Erwiederung auf seine Ernennung zum cor- resp. Mitgliede der Akademie und auf Übersendung eines Exem- plars der akademischen Denkmünze auf Leibniz, so wie mehrerer Abhandlungen der Hrn. Müller, Ehrenberg, Peters und Lichtenstein; desgl. die Schreiben der Hrn, Villerm£& zu Paris vom 16. März, Zeu[s in Bamberg vom Monat März, und O’Donovan zu Dublin vom 23. März als Erwiederung auf ihre Ernennung zu corresp. Mitgliedern. Die Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen übersendet mittelst Schreibens vom 23. März ein silbernes und ein bronzenes Exemplar der zum Gedächtnis des verstorbenen Gauls geprägten Denkmünze. Ferner wurden Schreiben der allgemeinen geschichtfor- schenden Gesellschaft der Schweiz zu Bern vom 20. Jan. und der Freiburger Gesellschaft zur Beförderung der Naturwissen- schaften vom 11. März in Betreff des Austausches der Gesell- schaftschriften vorgelegt. Am Schluls der Sitzung richtete Hr. Curtius einige Worte an die Akademie als Anerkennung der ihm bewiesenen collegialischen Freundschaft; worauf der Vorsitzende kurz er- wiederte. 14*® 190 Gesammtsitzung 10. April. Gesammitsitzung der Akademie. £ Hr. Gerhard las den ersten Theil einer Abhandlung“ „über die Hesiodische Theogonie” Der Inhalt dieser Abhandlung beruht im Wesentlichen” auf den nachstehenden Sätzen. 1. Unser Text der Theogonie ist aus Bruchstücken ver- schiedenen Inhalts und Alters zusammengesetzt; die Episode über Hekate, das Proömion und andere Abschnitte mehr treten beweisfähig hiefür ein. 2. Die Episode über Hekate, die früher (Berichte der Königl. Akad. 1851, 12. Mai) als Gonglomerat zweier Hymnen sich zu erklären schien, wird ohne andere kritische Künste lediglich durch Abtheilung ihres Inhalts in eine Wechselrede zweier Personen verständlich. 3. In gleicher Weise wird auch das Proömion jeder an- deren kritischen Willkür überhoben, wenn man, mit Hülfe einer einzigen leichten Umstellung, seine einzelnen Abschnitte | als Wechselgesänge zu fassen sich entschlielst. 4. Bei geschärfter Betrachtung dieses den Musen gewid- meten Wechselgesangs stellen überdies die zusammengereihten ersten Hälften desselben als ein selbständiger hesiodischer Hym- nus (vielleicht der aus Chalkis berühmte, "Egy. 657) sich dar, während die anderen Hälften zugleich mit dem Schlufs als Zu- that des Diaskeuasten sich bekunden. In gleicher Weise geben auch die ersten Hälften des Hekatehymnus als ein selbständiges, obwohl spätes, Gedicht sich kund, das ein vermuthlich attischer Dichter mit den ihm jetzt eingeflochtenen Antiphonen versah. 5. Sonstige Zuthaten jenes Diaskeuasten zum Texte der Theogonie sind nicht nur in den Übergängen des Schlufs- abschnitts, sondern auch in manchen episodischen Ausführungen von späterer Färbung wahrzunehmen, nach deren Ausschei- dung die altepischen Bestandtheile des ganzen Gedichts sich erst würdigen lassen. 6. Aus der Zeit des Pisistratos, welcher Schömann, auf sprachliche und sachliche Anzeichen später Entstehung ge- stützt, die ganze von ihm als einheitlich betrachtete Theogonie beizulegen geneigt ist, mag wenigstens jene Diaskeuastenarbeit vom 10. April 1856. 191 herrühren, die im Hekatehymnus attischen Sprachgebrauch ver- räth, aber auch im Götterkatalog das Proömions, in der Aus- führung über das Phorkysgeschlecht, im Verzeichnils der Flüsse, ‚in den gedachten Übergängen und mannigfach sonst die alt- epischen Bestandtheile unserer Theogonie verdunkelt. 7. Hiebei liegt die Vermuthung nahe, dals Onomakritos, dessen bekannte mystische Richtung mit dem Inhalt jener Inter- polationen wohl stimmt, dieselbe unserm Hesiod in ähnlicher Weise eingefügt habe, wie er auch dem für Pisistratos von ihm und seinen Genossen geordneten Homer bekannie Stellen einfügte. 8. Die ungleiche Beschaffenheit unserer Theogonie macht es wahrscheinlich, dafs sie durch Verbindung älterer und neuerer Dichtungen von der Hand des gedachten Diaskeuasten zu einem theogonischen Cyclus gedieh, während das hesiodische Landbau- ‚ gedieht durch ähnliche lose Verbindung alter und neuer Bruch- / stücke ein gleich bunt gemischtes Gedichtbuch für die Bezüge ı des Menschenlebens ward. 9, Jene zur Zeit des Pisistratos den hesiodischen und | verwandten Bruchstücken gegebene Fassung lälst grofsentheils deutlich in ihre verschiedene Bestandtheile, in ähnlicher Weise \ sich zerlegen wie solches auch für die ’Esy« versucht worden ist; doch wird bei kritischer Feststellung unseres Textes der | Theogonie nur die Herstellung jener dem Diaskeuasten ver- - 10. Von dieser dem Diaskeuasten verdankten Fassung der Theogonie sind deren Interpolationen auszuscheiden. Dieses | ist um so leichter, da Einschaltungen des Krates (Theog. 143) und ' anderer Alexandriner nicht in unsern Text gelangten; alle Inter- | polationen desselben scheinen von einer einzigen Überarbeitung | jener ersten Recension, vielleicht durch Kerkops, herzurühren, dessen Name geeigneter als alle bisher vorgeschlagnen die vielbe- | sprochene vierte Stelle im litterarischen Rath des Pisistratos klammerte Verse treten hiedurch in ihre ursprüngliche Gel- tung als Marginalien einer einzigen alten Überarbeitung zurück; ' einer Nachweisung der ersten Recension unsres Textes würden 192 Gesammisilzung x sie an untergeordneter Stelle beizufügen, dann aber auch die wesentlichste Bedingung zur Herstellung dieses in seinen ein- zelnen Abschnitten sehr wohl erhaltenen Textes, ohne Annahme sonstiger Interpolationen oder Lücken, erfüllt sein. 12. Zur Empfehlung der hier aufgestellten Ansichten ge- reicht der durchgängige Anschlufs derselben an den hand- schriftlich gegebenen Text; ein Umstand, welcher den bisher für Hesiod aufgebotenen kritischen Künsten nirgend zu stat- ten kam. Hr. Müller las eine Abhandlung des Hrn. Dr. A. Schnei- der „über Bewegungen an den Saamenkörperchen der Nematoden”. Der weibliche Geschlechtsapparat von Angiostoma limacis besteht aus zwei an dem einen Ende geschlossenen Röhren. Jede dieser Röhren beginnt mit ihrem blinden Ende in der’ Mitte desjenigen Körpertheils, welcher den Darmkanal enthält. Die eine erstreckt sich bis in die Nähe des Ösophagus, die‘ andre bis nahe zur Afteröffnung. Beide biegen dann um und vereinigen sich ihrem Anfange gegenüber, um in der gemein- samen Geschlechtsöffnung nach aufsen zu münden. An jeder dieser Röhren kann man 5 Abtheilungen unterscheiden. Die erste Abtheilung, der Keimstock, welcher die unreifen Eier enthält, reicht bis zur Mitte des ersten Röhrenzweiges. Die Wandung ist eine structurlose Haut. Die zweite Abtheilung, der Dotterstock, ist etwas länger. Die Eier liegen darin ohne Unterbrechung einzeln hinter einander. Die Wandung des- selben ist mit kernhaltigen 6eckigen Epithelialzellen ausgekleidet. Die Zellen sind regelmälsig in Reihen geordnet. In der dritten Abtheilung der Tuba verengert sich die Röhre ein wenig. Die Anordnung des Epitheliums ist unverändert. Man übersieht auf die Breite der Röhre zwei Längsreihen von Zellen und in jeder Reihe 6—B Zellen. Die Zellen selbst aber sind mächtig entwickelt, so dafs sie nach Innen das Lu- men der Röhre ganz erfüllen und nach Aufsen wulstartig her- vortreten. Meist ist an dieser Stelle die Röhre stark zusammen- vom 10. April 1856. 193 gekrümmt. Die vierte Abtheilung des Uterus ist bedeutend weiter als die vorigen. Auch hier sind die 6eckigen Epithe- lialzellen vorhanden. Kurz vor der Geschlechtsöffnung ist diese Abtheilung zusammengeschnürt und mündet in die fünfte ge- meinschaftliche Abtheilung, die Vagina. Dieselbe ist ein häu- tiger mit Muskelfasern besetzter Sack, welcher sich nach der Geschlechtsöffnung hin trichterförmig verengert und dort aus- mündet, Aus dem Dotterstocke schlüpfen die Eier durch die Tuba mehr oder weniger schnell hindurch. Es sammeln sich mehrere in dem Uterus, hier wird das CGhorion deutlicher, die Fur- ‚chung tritt ein. Die Eier treten dann in die Vagina und wer- den von da nach Aulsen entleert. Es ist nicht der Zweck dieser Mittheilung auf das Ge- schlechtssystem der Nematoden und die Differenzen über die Benennung der Theile desselben einzugehen, daher mögen die aufgestellten Bezeichnungen nur als vorläufige angesehen werden. Nach diesen Bemerkungen komme ich zu dem eigentlichen Zwecke dieser Untersuchung. Man findet den Uterus, aufser mit Eiern, mit den bekannten kugelförmigen Saamenkörperchen ganz erfüllt. Es zeigte sich aber bald, dafs an dieser Stelle nicht die erste Berührung zwischen Saamen und Eiern statt- fand, Denn obgleich es den Anschein hat, als ob die Tuben sich nur dem Drucke der vom Dotterstocke vordringenden Eier öffnen, so bemerkt man doch bald, dals einige Saamenkörper- chen in die Tuben eindringen und unter vielfachem Drehen und Winden sich nach dem Dotterstocke zu bewegen. Befand sich ein Ei auf dem Wege durch die Tuba, so sammelten sich oft mehrere Saamenkörperchen hinter demselben an, indem sie sichtbar eins nach dem andern zwischen Ei und Röhrenwand durchkrochen. Ein Eindringen der Saamenkörperchen in die Eier, wie man es wohl bei so inniger Berührung vermuthen könnte , war trotz aller Mühe nicht zu entdecken. Ebenso wenig konnte ich Produkte einer solchen oder nur ähnlichen vor- und rückschreitenden Metamorphose der Saamenkörperchen auffinden, wie sie für mehrere Nematoden aufgestellt sind. Bei der grolsen Durchsichtigkeit des ganzen Thieres hätten dergleichen der Beobachtung schwerlich entgehen können. 194 Gesammtsitzung i Soviel jedoch war klar, dafs die bis dahin allgemein für unbeweglich gehaltenen Saamenkörperchen eine eigene Bewe- gung hatten. Denn es ist ja wohl undenkbar, dafs eine etwaige peristaltische Bewegung der "Tuben Eier und Saamenkörper gleichzeitig nach entgegengesetzter Richtung bewegen könnte, In der That fanden sich nun auch im Uterus unter den übri- gen starren, einige, welche zwischen den Eiern amöbenartig herumkrochen. Dies veranlafste mich das Verhalten der Saa- menkörperchen auch aufserhalb des Uterus in verschiedenen Medien zu untersuchen. Im Brunnenwasser blieben sie meist starr und platzten nach kurzer Zeit. Nur bei einer gewissen Varietät des An- giostoma, zeigten sich auch Bewegungen im reinen Wasser. ') Man sah Fortsätze heraustreten und verschwinden. Bald aber mit einer plötzlichen Bewegung ist das Bläschen verschwunden und ein körniger Körper bleibt übrig, der an einer Seite ein Flöckchen trägt, mit welchem es sogleich fest am Glase haftet. Öffnet man ein Weibchen in Hühnereiweils, so zeigen die Saamenkörperchen beider Varietäten bald die lebhaftesten Bewegungen. Zuerst zeigen sich einzelne Streifen über das Bläschen weg, welche deutlich als Wellen verlaufen. Dann beginnt der Rand sich zu kräuseln, einzelne Erhebungen tau- chen auf und verschwinden, um an derselben Stelle von Neuem zu erscheinen. Die helle Masse tritt bald an dieser, bald an jener Seite des Kerns stärker auf, wobei der Kern förmlich herumgeschleudert wird. Nach einiger Zeit entsteht eine solche verwickelte Gestalt, die man nicht füglich weiter beschreiben kann. Bei diesen Beobachtungen wurde ein Deckgläschen an- ') Bereits Will (siehe Wiegmanns Archiv 1847 S. 174 ete.), dem wir Beiträge zur Naturgeschichte und Anatomie dieses Thieres verdanken, hat bemerkt, dafs von Angiostoma limacis zwei Varietäten vorkommen, Die eine mit langausgezogener Schwanzspitze, die andere mit einem kup- pelförmigen in eine kurze Spitze auslaufendem Schwanz. Ohne auf die Details dieses Unterschiedes einzugehen, bemerke ich, dafs die erste Va- rietät Tuben hat mit glatter Aulsenwand, die zweite mit den oben beschrie- benen Wülsten. Bei der ersten Varietät sind die Saamenkörperchen klei- ner (etwa % des Durchmessers) als bei der zweiten. Diese zeigen auch die Bewegungen im reinen Wasser. von 410. April 1856. 195 ‚gewandt. Das am Rande vertrocknende Eiweils bildete einen natürlichen Kitt, der vor schneller Verdunstung schützt. So ‚wurden die Bewegungen einmal 10 Stunden lang erhalten und man wird unter günstigen Bedingungen dieselben noch länger erhalten. Vorzüglich deutlich waren die Bewegungen in Kochsalz- ‚lösungen von sehr verschiedener Goncentration. Die Bewe- gungen unterschieden sich durch gröfsere Lebhaftigkeit und eigenthümliche Form von der in Eiweils beobachteten. Es er- heben sich auf dem Bläschen eine Anzahl verhältnifsmälsig hoher und starker Höcker, die in bestimmter Richtung (in der der Längsaxe, wenn eine solche vorhanden) wellenartig fort- schreiten, so dals man einen rauschenden Strom zu sehen glaubt. Durch diese Bewegungen werden die Körperchen oft lebhaft hin- und hergeschleudert, eine Ortsveränderung in bestimmter Richtung trat jedoch nicht hervor. Bei stärker werdender Con- iraction werden die Körper kleiner, die Bewegungen lang- samer. Schlielslich entsteht eine homogene fettartig kontu- rirte Kugel. Durch Verdünnung nimmt dieselbe ihre vorige Gestalt wieder an und beginnt die Bewegungen von Neuem. Ähnlich jedoch minder lebhaft sind die Bewegungen in Zucker- lösungen. Kalizusatz, welchen Kölliker so anregend auf die Bewegung der Saamenfäden fand, konnte ich nicht anwen- | den, da schon schwach alkalische Lösungen die Körperchen zerstörten. Dals diese Saamenkörper auch aus dem Hoden stamm- ten, habe ich mich durch wiederholte Beobachtung des Copu- lationsaktes vollständig überzeugt. Im Hoden selbst erlangen die Saamenelemente keine weitere Ausbildung, als bis zu kör- nigen Körperchen. Aber schon in der Vagina erhalten sie die Gestalt von hellen Bläschen mit einem körnigen an der Ober- Näche anliegenden Kerne. Hrn. Geh. R. Müller hatte ich das Glück, von den Be- wegungen in Eiweils zu überzeugen, und auf seine Ermun- terung untersuchte ich nun, ob diese Bewegungen den Saamen- körperchen der Nematoden überhaupt zukämen. Es ist vorher zu bemerken, dals die aus dem Ausführungs- gange des Hoden entnommenen Saamenkörper bei keinem der von mir beobachteten Nematoden eine Bewegungsfähigkeit be- 196 Gesammtsitzung salsen. Dies stimmt auch mit der Ansicht anderer Beobachter, dafs die Saamenelemente erst im weiblichen Geschlechtssehlauche noch weiterer Entwicklung unterworfen sind, wohl überein. So fand Reichert (Reichert, Beitrag zur Entwickelungs- geschichte der Saamenkörperchen bei den Nematoden, Müllers Archiv 1847) bei Ascaris acuminata unter 100 männlichen In- dividuen nur 2, die solche ausgebildeten Saamenkörperchen enthielten, wie sie um diese Zeit in dem sogenannten Uterus der Weibchen vollauf zu sehen waren. Meifsner glaubt allerdings (Meilsner, Beobachtungen über das Eindringen der Saamenelemente in den Dotter I. Siebold und Köllikers Zeitschrift für w. Z. Bd. VI) bei Ascaris mystax im letz- ten Theile des Hodens bläschenartige Kugeln mit körnigem Kerne — seine Keimzellen — gesehen zu haben. Allein schon Bischoff hat dieser Ansicht vielfach widersprochen. (Siehe Bischoff, Über Ei- und Saamenbildung und Be- ‘fruchtung bei Ascaris mystax. Siebold und Köllikers Zeitschrift für w. Z. Bd. VL) Derselbe fand als letztes Glied der Saamenentwicklung im Hoden körnige Körper und erklärt die Keimzellen Meifsner’s für Kunstprodukte, durch die Präparation in Wasser veranlalst. Ich habe diese Ansicht Bischoffs nur bestätigen können. Es ist jedoch nicht un- wahrscheinlich, dafs der Vorgang, durch welchen sich in der Vagina das körnige Körperchen in die sogenannte Keimzelle verwandelt, dem Vorgange bei Entstehung dieser Kunstprodukte ähnlich ist. Es gilt das Folgende nur von im Uterus gefun- denen Saamenkörpern. Es wurden untersucht Ascarıs acuminata, Cucullanus ele- gans, Hedruris androphora, Strongylus auricularis. Als Flüssig- keit wurde immer Kochsalzlösung angewandt. Angiostoma limacis enthielt im Uterus nur die zellenähnlichen For- men, welche dem Ruhezustande entsprechen. Bei diesen findet man aber sogleich alle die eigenthümlichen Gestalten, welche wir oben als Folge der Bewegungen in Kochsalz- lösung und Eiweils kennen lernten. Die Bewegungen wur- den auch hier wieder gefunden und bei jedem längere Zeit beobachtet. Meistens ist eine 400fache Vergrölserung erfor- derlich, um sich von dem Verschwinden und Auftreten der | vom 40. April 1856. 197 | Fortsätze genügend zu überzeugen. In allen den angeführten ‚ Nematoden fanden sich die Saamenkörperchen häufig in stäb- ‚ chen- oder cylinderartige Gebilde mit fettartigen Conturen verwandelt. Eine Fettmetamorphose hatte jedoch nicht statt- ' gefunden, denn unter dem Auge des Beobachters änderten sie ihre Gestalt vielfach und kehrten unter Andern wieder in die Bläschenform zurück. Besondere Erwähnung verdienen die Saamenkörper von Strongylus auricularis. In dem Ausführungsgange des Hodens und in den beiden blasigen Erweiterungen, in welche die Va- gina führt, finden sich bei diesem Nematoden eigenthümlich spindelförmige Körper. Dieselben sind von Bagge (Bagge, dissertatio de evolutione strongyli auricularis etc.) und später von Reichert beschrieben worden. Reichert (l. c.) hält dieselben für gleichwerthig mit den zellenähnlichen Saamen- körpern anderer Nematoden und vergleicht sie mit den von ihm beschriebenen der Ascaris acuminata. Allein schon Bagge hat darauf aufmerksam gemacht, dals im Uterus noch andere zellenähnliche mit einem länglichen Kerne versehene Gebilde vorkommen, die er jedoch nicht zu deuten wagt. In der That entsprechen auch die spindelförmigen Körper nur der letzten Stufe der Entwicklung, welche die Saamenkörper im Hoden | erreichen. Sie besitzen eine Bewegungsfähigkeit noch nicht. Aus dem a Körper entsteht nach und nach das Bläschen, in dem die helle Substanz an dem breiten Ende stär- ker auftritt. Doch macht die helle Substanz schon dann die amöbenartigen Bewegungen, wenn die fein ausgezogene Spitze am entgegengesetzten Ende noch deutlich zu erkennen ist. Bei Ascaris megalocephala gelang es nicht an den für Saa- menkörperchen anzusprechen den Gebilden im Uterus irgend eine Gestaltveränderung wahrzunehmen. M) Pi) ma Hr. Ehrenberg machte eine Mittheilung „über die Meeresorganismen in 16200 Fuls Tiefe”. In den Jahren 1853 und 1854 habe ich der Akademie Nach- wicht gegeben über in 12000 Fufs Meerestiefe noch vor- 198 Gesammtsitzung handene höchst zahlreiche oft mit weichen Thierleibern er: füllte Polythalamien, Polygastern und Polycystinen, welche sogar in Masse überwiegend den Meeresschlamm bilden, und im März vorigen Jahres habe ich aus neuen Materialien der- gleichen frische Lebensformen aus 12900 Fuls Tiefe zu ver- zeichnen Gelegenheit gehabt. In jetziger Zeit wachsen die Er- fahrungswissenschaften rasch. In diesen Tagen ist mir von Hrn. Prof. Bailey in Westpoint, New-York, eine bereits ge- druckte Nachricht zugegangen, dafs nun auch schon aus 16200 F. Tiefe ein überaus reiches Meeresleben hervorgehoben wor- den ist. r Der amerikanische See-Officier Lieut. Brooke, welcher den neuen Senkapparat erfunden hat, mit welchem jetzt der- gleichen Grunduntersuchungen leicht gelingen, hat neuerlich im Kamtschatkischen Meere innerhalb der Kurilischen Inselgruppe mit seinem Senkapparate den Meeresboden in 2700 Fathoms‘ = 16200 Fufs erreicht und Proben davon in die Höhe ge- bracht. Prof. Bailey hat 3 Proben dieses Tiefgrundes unter- sucht und beabsichtigt die darin enthaltenen Formen speciell abzubilden und zu erläutern. Bis jetzt hat er nur eine allge- meine noch nicht ausgegebene Anzeige der Verhältnisse in Sil- limans Journal drucken lassen. Die wichtigeren factischen Resultate dieser neuesten Erfah. rungen stehen nicht nur in keinem Widerspruche mit den vor 3 Jahren von mir vorgetragenen, sondern befestigen dieselben auf immer breiterer Basis. Die Unterschiede meiner Darstellung und der wenig spä- teren des Hrn. Prof. Bailey im Anfange des Jahres 1854 beruhten darin, dafs ich in allen Proben der grolsen Meeres- tiefe doppelt lichtbrechenden unorganischen Sand zwischen den. vorherrschenden organischen Resten und Formen anzeigte, wodurch der reiche Polythalamienschlamm der grolsen Tiefe überall, nach meiner Ansicht, einem Mergel, nicht aber einer Kreidebildung ähnlich erschien. Hr. Prof. Bailey hingegen hatte damals zu erkennen geglaubt, wie es schon von Forbes und vielen Geologen ähnlich angesehen worden war, dafs der sandlose, kalkige, tiefe Meeresgrund die alte Kreide- bildung fortsetze. Die der Kreide überall fremde Mischung vom 10. April 1856. 199 der Polythalamienmasse mit vielen Kiesel-Polygastern und Po- yeystinen war meinerseits ein anderer Grund, warum eine Vergleichung des jetzigen tiefen Meeresgrundes mit der Kreide- bildung nicht angenommen werden könne. Überdiels hatte ich 1854 Beweisgründe ermittelt und festgestellt, dals die Formen- assen des tiefen Meeresgrundes mit lebensfähigen Leibern er- üllt seien. Man vergleiche die Monatsberichte der Akademie 854 S. 191 und die Mikrogeologie Taf. XXXV. B. Die Resultate, welche Hr. Prof. Bailey von den neuesten noch tiefern Grundproben des Meeres anzeigt, sind nun in den wesentlichen Punkten der Mischung nicht mehr abweichend von den meinigen, obschon noch gewisse wichtige Abwei- chungen der Ansicht über die 'Thatsachen von ihm geäulsert werden, über die ich mir erlaube einige Bemerkungen zu ma- chen, um zu verhüten, dafs nicht der physikalische Gesichts- punkt den physiologischen beeinträchtige. Hr. Bailey hat folgende Resultate angezeigt: 4. Alle 3 neueste Proben des Tiefgrundes enthalten einige unorganische Theilchen, die aber mit zunehmender Tiefe sieh verringern und welche als Trümmertheilchen von Quarz, Hornblende, Feldspath und Glimmer erscheinen. = 2. In den beiden tiefsten Grundproben ist am wenigsten Unorganisches, das Organische (welches überall gleich ist) ist vorherrschend. 8. Alle Proben sind reich an Kieselschalen von Diato- meen, die bewundernswürdig gut erhalten sind, häufig mit dop- pelten Schalen und Überresten der weichen Theile im Innern. = 4. Unter den Diatomeen sind mehrere grolse und schöne Coscinodisci, Rhizosolenien, Syndendrium, Chaetoceros, ein be- sonders schöner Asteromphalus (Brookei). 5. In der Mischung sind viele Spongolithen und schöne Bolyeystinen: Cernutella clathrata, Eucyrtidium, Halicalyptra, Perichlamidium, Stylodictya u. s. w. » 6. Es fand sich keine einzige Polythbalamie, auch kein % Eragment. 7. Diese Ablagerungen mikroskopischer Organismen glei- ‚chen an Reichthum, Ausdehnung und in den hohen Breitegraden des Vorkommens denen der Südpol-Ablagerungen, welche Ehren- 200 Gesammtsitzung berg nachgewiesen, was auch die übereinstimmenden Fer n der Asteromphbalus und Chaetoceros ergeben. Doch sind diese) Genera auch im Golf von Mexico und längs des Golfstroms I nun beobachtet. Bi 8. Die gute Erhaltung der Organismen dieser Tiefe und der weiche Inhalt mehrerer derselben zeigen an, dafs sie nod ganz neuerlich lebend gewesen. Hr. Bailey fügt hinzu: aber es folgt daraus nicht, dals sie lebend aus der Tiefe gehoben worden. Er glaubt, dals, weil mehrere dieser Formen para- sitisch auf den Algen der Küsten leben, ein Theil durch oce - nische Strömungen, durch Treibeis, durch Thiere, denen sie zur Nahrung dienten, oder durch andere Verhältnisse in ihre jetzige Lagerung gekommen. Es sei wahrscheinlich, dafs alle nur im flacheren Wasser gelebt und von da weggeführt seien Es sei nicht überraschend, dafs so kleine Formen, welche schwimmen und durch Gase schwimmend erhalten werden, in allen Gegenden des Oceans gefunden werden. Diese obigen neuen Mittheilungen des Hrn. Prof. Bailey sind besonders in 2 Punkten als Bestätigungen meiner 18 vorgetragenen Ansichten wichtig: 4. Dafs die Vorstellung, in den grölseren Meerestiefer entwickle sich noch fort und fort die Kreideformation, un richtig ist. 2 2. Dafs die mikroskopischen Formen auch der imm grölseren Meerestiefen keineswegs nur Trümmer durch Druck zermalmter zelliger Wesen sind, dals es vielmehr wohlerha tene Zellenformen mit weichem Inhalte sind, welche auch beim raschen Wechsel des Wasserdruckes beim Heraufziehen nicht@ unkenntlich, nicht verändert werden. y Was die Frage anlangt, ob diese wohlerhaltenen Forme mit ihrem weichen Inhalte in der Meerestiefe wirklich leben und sich vermehren, so lälst sie sich auf dem von Hrn. Prof. Bailey eingeschlagenen theoretischen Wege wohl nicht er- ledigen. Er selbst bestätigt das Gegentheil von dem was er vermuthet. Wären alle Schalen zerbrochen und einige Frag- mente mit Schleim erfüllt, so wäre die Frage über die Lebens- fähigkeit ziemlich erledigt. Ebenso wäre es der Fall, wenn vom 10. April 1856. 201 alle Schalen, obschon oft wohl erhalten, doch stets ohne wei- chen Inhalt und leer wären. Beides ist nicht der Fall. Mit Hypothesen lälst es sich nicht weiter entscheiden, aber ein guter Beobachter, welcher Gelegenheit hat mit Senkapparaten sich frisches Material zu heben und der es unter günstigen Ver- hältoissen frisch beobachten kann, wird früher oder später die 1854 als wahrscheinlich erwiesene Belebung würdigen. Die gute Erhaltung der Formen, der weiche Inhalt (nun ‚auch nachBailey) als lebensfähige Körper und die Eigenthümlich- keitderFormenmischung und Formengestaltung erlauben mir nicht den aus 16200 Fufs Tiefe gehobenen formenreichen Meeres- grund für todt zu halten. ” Hr. Dr. Nöllner aus Hamburg zeigte einen Theil seiner ausgezeichneten Sammlung künstlicher Krystalle vor. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: J.L.G.Guyon, Histoire chronologique des epidemies du nord del’ Afrique. Alger 1855. 8. _ Leonhard Spengel, Ahetores graeci. Vol. III. Lipsiae 1856. 8. Memorie della Reale Accademia delle scienze di Torino. Serie II. Tomo 15. Torino 1855. 4. Llnstitut. 1. Section, no. 1158—1159. 2. Section, no. 243. Paris _ 1856. 4. L’Athenaeum frangais, no. 15. Paris 1856. 4. © Wachrichten von der Universität Göttingen, no, 4. Göttingen 1856. 8. Carmen Nicolai Hussoviani de statura, feritate ac venatione Bisonlis. (Cracoviae 1523.) Petropoli 1855. 4. Mit Begleitschreiben des Hrn. Baron Modest von Korff, d.d. Petersburg 26. Febr. 1856. Mme. R. d’Elmonte, Philosophie religieuse. Pensees sur lordre moral. Paris 1856. 8. Paulus Cassel, Aus der Hagia Sophia. Eıfurt 1856. 8. 202 Sitzung der physikalisch-mmathematischen Klasse 14. April. Sitzung der physikalisch-mathema tischen Klasse. Hr. H. Rose las „über das borsaure Äthyloxyd”. Man kann den flüchtigen Boräther, 3 Ae + B, den Ebel mann und Bouquet entdeckt haben, auf eine leichtere Weis darstellen, als die ist, welche von den Entdeckern angegeben worden ist. Man erhält ihn durch vorsichtige Destillation eines Gemenges von schwefelweinsaurem Kali mit einem Überschufs von entwässerten Borax. Wendet man indessen bei der Bereitun nicht ganz trockne Materialien an, so dafs der Äther wasser haltig wird, so scheidet sich mit der Zeit aus ihm Borsäure 72 j Hr. Rammelsberg las „Bemerkungen über die gleiche Zusammensetzung des Leucophans und re linophans, so wie über einige neue Verbindungen aus dem Salzlager von Stalsfurth”. Der Leucophan ist ein seltenes Mineral aus dem nor- wegischen Zirkonsyenit, von Esmark aufgefunden, und dann vonA. Erdmann chemisch untersucht, wonach es eine neue und ungewöhnliche Zusammensetzung hat, indem es eine Verbind dung von kieselsaurer Beryllerde und Kalkerde mit Fluor-- natrium ist. Ein aus derselben Gegend stammendes gelbes und anfangs für Wöhlerit gehaltenes Mineral ist neuerlich von Scheerer auf Grund einer Analyse von Richter als Melinophan be- zeichnet worden. Indem Scheerer es mit dem Leucophan vergleicht, kommt er zu dem Schluls, beide möchten analoge Verbindungen, die Beryllerde des Leucophans aber im Melino- phan durch Thonerde ersetzt, auch eine kleinere Menge Fluor- natrium in letzterem enthalten sein. Vergleichende Analysen beider Mineralien haben mich überzeugt, dafs A. Erdmanns Resultat in Betreff des Leuco- phans genau ist, dals aber Richters Angaben für den Meli- nophan ungenau sind. Beide enthalten vorherrschend Beryli- erde, neben wenig Thonerde, und wenn in den relativen Mengen der Säure, des Kalks, Natrons und Fluors sich Diffe- vom 14. April 1856. 203 renzen finden, so sind dieselben doch nicht so grols, dafs sie das Resultat der Berechnung trüben könnten, wonach die Zu- sammensetzung beider dieselbe ist. Wie bei allen fluorhaltigen Silikaten, kann man die Con- stitution der Verbindung auf zweierlei Weise sich vorstellen. Fluor und Natrium sind nämlich in dem Verhältnifs je eines Atoms vorhanden, und das Doppelsilikat ist so zusammengesetzt, dals der Sauerstoff von Kalkerde, Beryllerde und Kieselsäure =1:1:3 ist. Der Leucophan und Melinophan sind demnach aus 1 At. Fluornatrium, 1 At. zweidrittel kieselsaurem Kalk und 4 At. drittel kieselsaurer Beryllerde zusammengesetzt, = NaFl+ (Ga? Si? + Bes). Denkt man sich aber das Fluor in gleicher Funktion wie den Sauerstoff, so sind diese Mineralien als Verbindungen von 2 At. halbkieselsaurem Kalk und Natron mit 1 At. drittel kie- selsaurer Beryllerde, 2 (Ca, Na)? Si + Be Si, anzusehen, mit denen die analog constituirten Fluorverbindungen sich in iso- morpher Mischung befinden. In den oberen Teufen des Steinsalzlagers von Stalsfurih hat sich neben Stalsfurthit, Carnallit, Anhydrit u. s. w. ein neues höchst zerflielsliches gelbes Salz gefunden, welches eine feste Verbindung von 1 At. Chlorcalcium, 2 At. Chlormagne- /sium und 12 At. Wasser ist, und für das ich den Namen Tach- | hydrit vorschlage. Es besitzt deutliche Spaltbarkeit und scheint im Anhydrit eingelagert zu sein, enthält aber keine Spur Schwefelsäure. In seiner Nähe findet sich gleichzeitig weilse durchscheinende, feinkörnige schwefelsaure Talkerde mit At. Wasser, gemengt mit einigen Procenten Chlornatrium, und also vom gewöhnlichen Bittersalz verschieden. En. Hr. Kummer las folgenden Aufsatz des Hrn. Kronecker bierselbst „über die algebraisch auflösbaren Glei- | chungen”. In einem in dem Monatsberichte der hiesigen Akademie vom Juni 1853 abgedruckten Aufsatze habe ich die allgemeine Form der Wurzeln von irreductibeln auflösbaren Gleichungen angegeben, für den Fall, dafs der Grad derselben eine Prim- [1856] 15 204 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse zahl ist. An diesen Aufsatz und die darin enthaltenen Resul- tate anknüpfend, will ich hier einige Bemerkungen mittheilen, a zu denen ich durch weitere Beschäftigung mit dem dort be- handelten Gegenstande geführt worden bin. Ich werde hierbei der Kürze halber auch die an jenem Orte gewählten Bezeich- nungen beibehalten, ohne dieselben erst nochmals zu definiren. Wenn man die in dem erwähnten Aufsatze eingeführten ganz beliebigen Grölsen A, B, C,... reell annimmt, so ergiebt die entwickelte Form der Wurzeln ein sehr bemerkenswerthes, die Realität derselben betreffendes Resultat, welches sich für den speziellen Fall, wo es sich nur um ganzzahlige Gleichungen handelt, einfach so aussprechen läfst: „Wenn eine irreductible Gleichung mit ganzzahligen Coäfficienten auflösbar und der Grad derselben eine un- grade Primzahl ist, so sind entweder alle ihre Wurzeln oder nur eine reell.” ö Für den allgemeinen Fall aber, wo die Coäffhicienten der Gleichung irgend welche reelle Gröfsen sind, muls man, um die Genauigkeit zu bewahren, das bezügliche Resultat in der folgenden etwas umständlicheren WVeise ausdrücken: „Wenn eine Gleichung — deren Grad eine ungrade Primzahl 1 ist, deren Coefficienten rationale Functionen irgend welcher reeller Grölsen A, B, C,..., also selbst reell sind und welche endlich nicht in Faetoren niederen Grades zerlegt werden kann, so dals deren Coefficienten | wiederum rationale Functionen von 4, B, C,... wären — durch eine explicite algebraische Function jener Gröfsen A, B, C,... erfüllt wird, so sind entweder alle ihre Wurzeln, oder nur eine derselben reell.” Um Mifsverständnissen vorzubeugen, füge ich hinzu, dafs ich unter ‚‚rationalen Functionen von A, B, C, ...” hier wie in meinem früheren Aufsatze immer nur solche verstehe, in denen die Coäffkicienten der verschiedenen Potenzen jener Gröfsen rationale oder, wenn man will, ganze Zahlen sind. Ich bemerke ferner, dals die angegebene Eigenschaft der irreductibein auflösbaren Gleichungen uten Grades nicht blofs aus der allgemeinen Form ihrer Wurzeln hervorgeht, sondern auch aus dem schon von Galois herrührenden Satze ‚‚dafs jede vom 14. April 1856. 205 Wurzel einer solchen Gleichung sich als rationale Function von irgend zwei andern darstellen lälst”. Wenn nämlich diese Function nur reelle Coäfficienten enthält, so folgt hieraus un- mittelbar, dafs alle Wurzeln reell sein müssen, sobald nur zwei derselben reell sind. Doch sind in den leider unyoll- endet gebliebenen Abhandlungen des genannten genialen Ma- thematikers die als rational betrachteten Grölsen und die be- kannten Irrationalitäten (wie „Wurzeln der Einheit”) noch nicht streng genug von einander gesondert und es fehlt des- halb auch jenem Satze bei Galois die genauere Fassung, welche nothwendig ist, um die für die obige Schlufsfolgerung erforderlichen Bedingungen daraus zu ersehen. Die neuen und einfacheren Methoden aber, welche ich zur Herleitung der Eigenschaften auflösbarer Gleichungen anwende und nächstens vollständig veröffentlichen werde, ergeben das Galois’sche Resultat in der bestimmten Form, dafs die rationale Function, wermittelst deren eine Wurzel durch zwei andere ausgedrückt wird, als Coefficienten der verschiedenen Potenzen der beiden Wurzeln nur rationale Functionen der Gröfsen A, B, C,... mit ganzzahligen Coäfficienten, also — wenn A, B,C,... reell sind — nur reelle Gröfsen enthält. Wenn man von jetzt ab nur Gleichungen betrachtet, de- ren Coäfhicienten rationale Functionen irgend welcher bekannter reeller Grölsen 4, B, C, ... sind, und wenn man diejenigen irreductibel nennt, welche nicht in Factoren niederen Grades mit eben solchen Coefficienten zerfällt werden können, wenn man endlich unter auflösbaren Gleichungen solche versteht, deren Wurzeln sich als explicite algebraische Functionen von A, B, €, ... darstellen lassen — so kann man nach dem oben Gesagten die irreductibeln auflösbaren Gleichungen aten Gra- des in Bezug auf die Realität ihrer Wurzeln in zwei Classen eintheilen, von welchen ich diejenige immer als die erste be- zeichnen werde, welche die Gleichungen mit einer einzigen reellen Wurzel enthält, und diejenige als die zweite, welche die Gleichungen mit lauter reellen Wurzeln umfalst. Von den charakteristischen Eigenschaften dieser beiden Classen hebe ich zuvörderst die hervor, dafs, wenn » die Form 4n +3 hat, die Determinante der Gleichung, d. h. das Quadrat des Pro- 2 1 eg 206 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse dukts der +.% (»— 1) Wurzeldifferenzen für die erste Glasse negativ, für die zweite aber positiv ist. Es geht diefs einfach daraus hervor, dafs die Determinante einer Gleichung mit reel- len Co&fficienten überhaupt positiv oder negativ ist, je nach- dem die Anzahl der Paare von imaginären Wurzeln grade oder ungrade ist. Hieraus folgt auch, dafs, wenn % die Form 4n +1 hat, nur solche irreductible Gleichungen „ten Grades auf- lösbar sein können, deren Determinante positiv ist. Die beiden Classen irreductibler auflösbarer Gleichungen, deren Gradirgend eine ungrade Primzahl u ist, unterscheiden sich ferner dadurch, dafs die Wurzeln der Hilfsgleichung (#«—1)sten Grades, welche ich in der Formel III meines mehr- erwähnten Aufsatzes mit r,, rz, ... bezeichnet habe, für die erste Classe sämmtlich reell, für die zweite sämmtlich imaginär sind'). Es ist nach dieser Bemerkung leicht zu sehen, dafs die Auflösung der zur ersten Classe gehörigen Gleichungen nichts erfordert als 1) eine Abelsche Gleichung (#— 1)sten ' Grades aufzulösen und 2) aus einer einzigen alsdann bekannten reellen Gröfse die zte Wurzel zu ziehen. Für die zweite Classe da- gegen hat man 1) ebenfalls eine Abelsche Gleichung (» — 1)sten Grades aufzulösen, 2) einen alsdann gegebenen Kreisbogen in ı# gleiche Theile zu theilen. Es ist diefs, wie man sieht, die Verallgemeinerung des sogenannten irreductibeln Falles bei den Gleichungen dritten Grades. Ferner liegt darin eine gewisse Analogie mit der von Gauls (disqu. arithm. pag. 651) ange- gebenen Eigenschaft der Kreistheilungsgleichungen, welche Abel in dem memoire XI des ersten Bandes der gesammelten ‘) In dem oben angeführten Aufsatze ist diejenige Wurzel einer ge- wissen Abelschen Gleichung, mit Hilfe deren die auflösbare Gleichung wten Grades selbst eine Abelsche wird, ebenfalls mit r, bezeichnet, ob- gleich dieselbe durchaus nicht mit einer der in der Formel III vorkom- menden Grölsen r;, T2, ... identisch ist. Man hat deshalb für jene zu Unrecht mit r, bezeichnete Wurzel ein neues Zeichen v, einzuführen und erhält darnach die an jener Stelle gegebenen Gleichungen in folgender Form: nl, u ball)... ml Die Grölse u, hängt übrigens sehr einfach von r, ab, ist aber stets imaginär sobald r, reell ist und umgekehrt. vom 14. April 1856. 207 Werke pag. 128 auf die dort behandelten Gleichungen ausge- dehnt hat. Man kann aber auch andrerseits diese Bemerkung Abel’s auf das obige Resultat anwenden und dasselbe hier- nach in folgender Weise ausdrücken: „Die Auflösung einer irreductibeln auflösbaren Gleichung „ten Grades erfordert nichts als 1) die Peripherie des Kreises in (a— 1) gleiche Theile zu theilen, 2) aus einer alsdann gegebenen reellen Gröfse die Quadrat- wurzel zu ziehen, 3) einen alsdann gegebenen Kreisbogen in («— 1) gleiche Theile zu theilen und 4) wenn die Gleichung der ersten Classe angehört — aus einer nun- mehr bekannten reellen Gröfse die ute Wurzel zu zie- hen, oder — wenn die Gleichung zur zweiten Classe gehört — einen Kreisbogen in gleiche Theile zu thei- len, welcher in Folge der vorhergegangenen Operationen construirt werden kann.” Die interessanteste Anwendung der vorstehenden Bemer- kungen erhält man für den speziellen Fall, wo die Gröfsen 4, B,C,... sämmtlich gleich Null sind, d. h. wo es sich nur um Gleichungen mit ganzzahligen Co&fhcienten handelt und wo auch die oben entwickelte allgemeinere Bedeutung der Worte ‚„Irreductibilität und Auflösbarkeit” sich auf den ge- wöhnlichen Sinn dieser Ausdrücke für ganzzahlige Gleichungen reducirt. Da nämlich in diesem Falle — wie ich bereits in meinem früheren Aufsatze erwähnt habe — jede Abelsche Glei- chung eine Kreistheilungsgleichung ist, so folgt für die ganz- zahligen irreduclibeln auflösbaren Gleichungen wten Grades, dals die Auflösung derselben nichts erfordert als: 1) die ganze Peripherie des Kreises in eine gewisse Anzahl gleicher Theile zu theilen und 2) aus einer alsdann gegebenen reellen Gröfse die ste Wurzel zu ziehen oder einen alsdann gegebenen Kreis- bogen in 1 gleiche Theile zu theilen, je nachdem die Gleichung der ersten oder zweiten Classe angehört. Wenn man ferner unter einer ganzen complexen Zahl f(g) wie gewöhnlich eine aus Wurzeln der Gleichung ge” =1 zusammengesetzte ganze complexe Zahl versteht, so ergiebt sich schon aus meinem frü- heren Aufsatze, dals jede Wurzel einer ganzzahligen irreduc- tibeln auflösbaren Gleichung ten Grades sich als ganze ratio- 208 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse r näle Function einer Grölse Vfe) mit ganzen oder gebrochenen complexen Coefficienten darstellen läfst. Aber auch dieses Er- gebnils wird seiner eigentlichen Natur nach klarer, sobald man 5 dabei die beiden Classen von auflösbaren Gleichungen unter- scheidet und es darnach folgendermaalsen ausdrückt: „Jede Wurzel einer ganzzahligen irreduetibeln auflös- baren Gleichung uten Grades ist, wenn diese zur ersten Classe gehört, ganze rationale Function einer Grölse w, die einer reinen Gleichung ® * =f(e) genügt — wenn | die Gleichung aber zur zweiten ÜClasse gehört, so ist jede Wurzel derselben ganze rationale Function einer Grölse sin v, wo v durch eine Gleichung snuv=d (e) bestimmt wird.” Es ist aber hierbei zu bemerken, dals in den erwähnten ganzen rationalen Functionen wiederum aus mten Wurzeln der Einheit gebildete ganze oder gebrochene complexe Zahlen als Coäfücienten zuzulassen sind; ferner müssen die complexen Zah- len f(g) und & (eg) reell sein und der absolute Werth der letz- teren darf die Einheit nicht übersteigen; endlich dürfen die complexen Zahlen f(5) und & (g) nicht vollständige „te Po- tenzen von complexen aus mten Wurzeln der Einheit gebil- deten Zahlen sein. — Man sieht nunmehr, dafs in gewissem Sinne — nämlich, wenn man das Gebiet der complexen Zahlen zum Gebiete des (im gewöhnlichen Sinne des Wortes) Ratio- nalen hinzunimmt — die ganzzahligen auflösbaren Gleichungen der ersten Classe im Wesentlichen nichts Anderes als reine Gleichungen, die der zweiten Olasse im Wesentlichen nichts Anderes als Kreisbogentheilungs-Gleichungen sind. Die vorstehenden Bemerkungen gewähren allerdings schon eine klare Einsicht in die Natur der Wurzeln ganzzahliger auf- lösbarer Gleichungen „ten Grades, aber sie haben den Mangel, dals sie ebenso wenig wie das mehrerwähnte Resultat über die Abelschen Gleichungen umgekehrt gelten. Um diefs deut- licher auszudrücken, muls ich an die obige auf beide Classen zugleich sich beziehende Bemerkung anknüpfen, wonach die Wurzel jeder ganzzahligen auflösbaren Gleichung unten Grades u sich als ganze rationale Function von Vf) mit complexen vom 14. April 1856. 209 Coöfficienten darstellen lälst. Es ist nämlich klar, dals umge- kehrt nicht jede solche Function eine Gleichung uten Grades mit ganzzahligen Co£fficienten erfüllt. Denn die symmetrischen Verbindungen der , verschiedenen Werthe, welche eine solche A Function durch Veränderung des Werthes von Vf) annimmt, werden offenbar im Allgemeinen noch die Wurzel der Einheit ge enthalten. Ich werde aber im Folgenden die Bedingungen aufzeigen, unter denen diels nicht der Fall ist, d. h. ich werde einen aus Wurzeln der Einheit zusammengesetzten Ausdruck aufstellen, welcher alle Wurzeln ganzzahliger irreductibler auflösbarer Gleichungen uten Grades und nur solche in sich enthält. Da zu diesem Zwecke vorerst die allgemeinste Dar- stellung der Wurzeln ganzzahliger Abelscher Gleichungen in der Form von ganzen oder gebrochenen complexen Zahlen ge- geben werden mufs, so wird hiermit zugleich die in dem frü- heren Aufsatze offen gebliebene Frage erledigt, welche Eigen- schaften eine rationale Function von Wurzeln der Einheit haben muls, wenn sie Wurzel einer ganzzahligen Abelschen Gleichung sein soll.” Es seien n und m irgend welche ganze Zahlen und es gebe die Zerlegung der letzteren in ihre Primfactoren: m—?" Er ne .... wo a, entweder gleich Null oder gröfser als Eins sein soll; ferner sei d, der grölste gemeinsame Factor von 2 und n, wenn a, =2 ist, aber der grölste gemeinsame Factor von 20402 und n, wenn a, grölser als 2 ist; ferner sei ö, der ‚—1 srölste gemeinsame Factor von pı «(p,—1) und n, ebenso &' 5 f ö, der von are g—1) und n, u. s. w.; endlich sei für jedes ö eine zugehörige Zahl @ durch die Gleichung definirt: Öö-d=n. Wenn nun g eine primitive mte Wurzel der Ein- heit bedeutet, so ist $.* die Wurzel einer Abelschen Glei- chung nten Grades, sobald man die Summation auf alle die- jenigen positiven Zahlen k erstreckt, welche relative Primzahlen zu m und kleiner als m» sind und welche der Congruenz- bedingung: T. 5..4,.Indk-++25,.d, .ind, k+b,.d,.ind,;k-+....=0, modn 210 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse genügen. In dieser Congruenz bedeuten d,, d,, dg,... ganz beliebige positive Zahlen, die kleiner als n sind; ferner wer- den die Zeichen ind, %, ind,;%k, ... wie gewöhnlich durch die Congruenzen: gedık —z mod, p,**, Puch =%, mod, p"}, 2. bestimmt, wo $,, 82, -. . Tesp. primitive Wurzeln von rl P2", ».. sind; endlich soll das Zeichen Ind % durch die Con- gruenz: Ga Ind k erklärt werden, wenn a,=2 ist; wenn aber a, grölser als 2 ist, so soll erstens für diejenigen Zahlen %, welche von der Form 4v-+1 sind, das Zeichen Ind % die durch die Gongruenz: Am k, mod 2”° =k, mod4 definirte Bedeutung haben und es soll zweitens für die Zahlen k von der Form 4v-+3 das Zeichen Ind %X entweder dadurch bestimmt werden, dafs Ind«=Ind(m—x%) oder dadurch dals wenn k<” ist, Ind A=Ind (= -*) und wenn k>— ist, 3 - - 5 . Ind k=Ind (- _ r) angenommen wird. Es ist hierbei zu bemerken, dafs wenn a,>2 also m durch 8 theilbar und b : 3 # > k=3, mod4ist, die Zahlen m —k, = —k, ——k sämmtlich von der Form 4v-+1 sind, für welche Zahlen das Zeichen Ind% be- reits definirt ist. Setzt man nun 30*=w(g) und bezeichnet mit F(w(£)) irgend eine ganze rationale Function von w(g), deren Coäfh- cienten gewöhnliche rationale Zahlen sind, so ist auch diese stets die Wurzel einer ganzzahligen Abelschen Gleichung nten Grades und zwar ist diels die allgemeinste Form der Wur- zeln einer solchen Gleichung d. h. wenn man den Zeichen m, @> bo» di, d2» -.., @(g) und den in F(»e)) enthaltenen Co&f- ficienten alle gestatieten Werihe und dem Zeichen Ind% für den Fall, dafs »» durch 8 theilbar ist, die beiden zugelassenen Bedeutungen nach einander beilegt, so giebt der Ausdruck F(s(e)) die Wurzeln aller Gleichungen nten Grades, deren vom 14. April 1856. 211 Coöfficienten ganze Zahlen sind und deren Wurzeln z,, z,,....z durch Gleichungen: Bette) N.z,—0 (ze) ss... Nez, =0lz,) mit einander verbunden sind, in welchen N eine ganze Zahl und d(z) eine ganze ganzzahlige Function von z bedeutet. Die zahlentheoretischen Bestimmungen, welche bei Erklä- rung der in diesem Resultate enthaltenen Zeichen nöthig wa- ren, sind offenbar so einfach, als es*tdie Natur zusammenge- setzter Moduln, die hier eine Rolle spielen, überhaupt zuläfst. Zudem sind diese Bestimmungen auch in andern Beziehungen von Interesse, wie ich hier mit wenigen Worten andeuten werde. Zuvörderst bilden nämlich die Zahlen %, wie sie durch die Congruenz I. definirt worden sind, eine Gruppe von der Be- schaffenheit, dafs das Produkt von je zwei in derselben ent- haltenen Zahlen wiederum einer Zahl k nach dem Modul m con- gruent ist. Es giebt ferner unter den zu m relativen Prim- zahlen immer Zahlen 7, die so beschaffen sind, dals, wenn die rte Potenz die niedrigste ist für welche % einem % congruent wird, die Zahlen: Bol Tue) 2 aa take oder vielmehr deren kleinste Reste nach dem Modul m ge- nommen sämmtliche Zahlen die relative Primzahlen zu m und kleiner als m sind und zwar jede nur einmal darstellen. Diese beiden Eigenschaften der mit % bezeichneten Zahlen sind zu- gleich so charakteristisch für dieselben, dafs sie als deren De- ‚ finition gelten könnten; sie zeigen ferner, dals jene Zahlen | wesentliche und wichtige Eigenschaften mit den Potenzresten | einer Primzahl gemein haben; und wenn für m eine ungrade Primzahl p,, für n ein 'Theiler von (»,—1) angenommen und endlich 54,=1 gesetzt wird, ergeben auch alle durch die Con- | gruenzbedingung I. definirten Zahlen k grade sämmtliche nte Potenzreste der Zahl m. Wie die durch % bezeichneten Zah- len eine Verallgemeinerung der Eigenschaften der Potenzreste enthalten, welche analog ist der Verallgemeinerung des Legendre- schen Zeichens für quadratische Reste, geht ferner aus folgen- dem speziellen Falle hervor. Wenn nämlich p, +p3....=P und 212 Sitzung der physikalisch- mathematischen Klasse n=2 gesetzt wird und wenn man nach einander der Zahl m die drei Werthe P,4P,sP und im letzteren Falle dem Zei- chen Ind % in der Congruenz I. die beiden zuläfsigen Bedeu- tungen beilegt, so ergeben die Zahlen k für diese vier Fälle diejenigen vier Gruppen von Zahlen, welche in der berühmten Abhandlung des Hrn. Dirichlet bei der Anzahl der quadrati- ih schen Formen vorkommen und in den vier dort unterschiedenen Fällen (Crelle’s Journal, Band 21. pag. 151) immer mit a bezeichnet sind. & Nach diesen Bemerkungen dürfte es auch klar sein, in welcher Weise die aus mten Wurzeln der Einheit gebildeten Ausdrücke w(g) eine Verallgemeinerung der Gaufsischen Pe- rioden enthalten; und es ist hierbei namentlich interessant, dals diese Verallgemeinerung durchaus verschieden ist von der- jenigen, welche Hr. Kummer in seinen noch ungedruckten Untersuchungen über die aus zusammengesetzten Wurzeln der Einheit gebildeten complexen Zahlen gebraucht hat. Bevor ich nun zur Darstellung der Wurzeln aller ganz- zahligen auflösbaren Gleichungen uten Grades übergehe, muls ich noch die Bedingungen entwickeln, unter denen der oben definirte Ausdruck ® (og) die Wurzel einer irreductibeln Abelschen Gleichung nten Grades wird. Man hat hierzu er- stens die Zahl m so zu wählen, dafs darin jede in derselben enthaltene ungrade Primzahl höchstens zu einer um eins hö- heren Potenz und die Primzahl 2 höchstens zu einer um zwei höheren Potenz erhoben vorkommt als in der Zahl n. Sobald nämlich diese Bedingung nicht erfüllt ist, wird w(g) gleich Null. Man hat zweitens m so zu wählen, dafs n in derjenigen kleinsten Zahl £ aufgeht, für welche jede Zahl % die mit m keinen gemeinsamen Theiler hat die Congruenz # = 1, mod m erfüllt. Alsdann haben nämlich die in der Congruenz I. vor- kommenden Zahlen @ keinen allen gemeinsamen Factor und es sind nun drittens auch die Zahlen 5 so zu bestimmen, dafs die Produkte 59.40, d1-dı, d2.da, ... nicht sämmtlich durch einen und denselben Divisor von rn theilbar werden. Wenn diesen drei Bedingungen genügt ist, so existiren stets Zahlen %, welche relative Primzahlen zu m sind und der Congruenz: U. 2d,.d0.Ind.R+5,.d, .ind,.k+b3.d,.ind,..k+....=1,modn vom 14. April 1856. 213 genügen, und der Ausdruck w(g) ist alsdann Wurzel einer ir- reductibeln ganzzahligen Abelschen Gleichung nten Grades, welche aulserdem die (na—1) conjugirten unter einander ver- schiedenen Ausdrücke: 2 n—1 a(e"), al" 5: en &(e" ) als Wurzeln enthält. Um nunmehr die allgemeinste Form der Wurzeln von ganzzahligen irreductibeln auflösbaren Gleichungen „ten Gra- des aufzustellen, hat man für n irgend einen Theiler von (u—1) und alsdann die Zahlen m und % so wie den Ausdruck « (£) nach den so eben gemachten Bestimmungen anzunehmen. Es ist ferner irgend eine ganze ganzzahlige Function von = (g), welche ich mit f(w(g)) oder einfacher mit f (g) bezeichnen will, so zu wählen, dals das er ce 2 II) 1 für irgend eine bestimmte zum Re n 2 den Modul m gehörende Zahl ce nicht zu einer vollständigen uten Potenz einer aus mten Wurzeln der Einheit gebildeten complexen Zahl wird. Endlich hat man einen Ausdruck: In Tal OEL TRORELGOE TI FEORL LEONE n u ERORE Zoe zu bilden, in welchem N eine ganze Zahl und #(e), $, (e), ®2 (0), »... irgend welche ganze ganzzahlige Functionen von #(g) bedeuten und in welchem durch 97 (2) der Kürze halber eine ste Wurzel aus dem Produkte III. bezeichnet ist. — Wenn man sich ea in dem Ausdruck IV. für od nach und nach die Grölsen 9 Rych IR gb" gesetzt denkt, so stellt die Summe der Anch entstehenden 2 Ausdrücke die allge- meinste Form der Wurzeln ganzzahliger irreductibler auflös- barer Gleichungen «ten Grades dar. Doch hat man hierbei den Werth der in dieser Summe vorkommenden uten Wur- zeln aus den Ausdrücken, welche dem mit III. bezeichneten conjugirt sind, durch folgende Gleichung zu bestimmen: Beer) er fle 3° Ari u md 214 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse wo die ganze Zahl e durch die Gleichung ce —i=e.n er- klärt ist. Das hier aufgestellte Eniiesiliah läfst sich auch in fol- gender übersichtlichen Weise ausdrücken: 7 „Wenn man durch F(x,y) irgend eine ganze ganzzah- lige Function von x und y, durch N irgend eine ganze Zahl und durch n irgend einen Theiler von (a—1) be- zeichnet, wenn ferner die Zeichen A, w(g), W (eg) die | oben angegebene Bedeutung haben, so ist der Aus- druck: vn 2 Fee), wc) stets die Wurzel einer ganzzahligen irreductibeln Glei- chung „ten Grades und andrerseits lälst sich auch die Wurzel einer jeden ganzzahligen irreductibeln auflös- baren Gleichung auten Grades auf diese Form V. bringen.” Die nur durch die verschiedenen Werthe der Wurzelgrölse VW (g) sich unterscheidenden # Ausdrücke gehören einer und derselben Gleichung „ten Grades als Wurzeln an; und diese Gleichung gehört zur ersten oder zweiten Classe, je nachdem die in W/(g) vorkommende complexe Zahl f(g) reell oder ima- ginär ist. Von speziellen Fällen will ich zuvörderst den einfachsten anführen, für welchen n=1, »(g) gleich Null oder gleich — 1 wird, f(g) deshalb nur eine ganze Zahl g ist, der Ausdruck V. sich demnach auf Er =) reducirt und also die Wurzeln der einfachsten Art von auflösbaren Gleichungen „ten Grades er- giebt. Aufserdem dürfte es noch der Erwähnung werth sein, unter welchen Bedingungen der Ausdruck V. die Wurzeln Abelscher Gleichungen uten Grades darstelle. Zu diesem > tige 1 Behufe ist nämliihn= eu -, m=p,=w,db,=1,undce= e= mod. # zu setzen, wodurch alsdann ® (e) =. wird. Es ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerth, dals es in der angegebenen Weise gelungen ist, die Wurzeln aller ganzzahligen irreductibeln auflösbaren Gleichungen — deren Grad eine Primzahl ist — auf eine so überaus einfache Form vom 14. April 1856. 215 zu bringen; eine Form, die grade insofern sehr übersichtlich ist, als sie die Natur der aus allen jenen Gleichungen hervor- gehenden Irrationalitäten zur deutlichen Erscheinung bringt. Diese Deutlichkeit und Einfachheit ist, wie man sieht, dadurch erlangt worden, dafs bekannte irrationale Gröfsen — nämlich die Wurzeln der Einheit — zur Darstellung benutzt und die vorkommenden Wurzelausdrücke so weit als möglich durch dieselben ersetzt worden sind. Schon das hierbei angewendete in meinem früheren Aufsatze mitgetheilte Resultat über die ganzzahligen Abelschen Gleichungen war ein Beispiel dafür, dafs man nicht immer darauf zu sehen hat, die höheren Irra- tionalitäten in irgend welcher Weise auf niedere zurückzu- führen, wie es bei Auflösung von Gleichungen geschieht, sondern dals es für die Einsicht in die Natur der Gleichungen ebenso von erheblichem Nutzen sein kann, die Wurzeln der- selben durch solche auszudrücken, die Gleichungen von hö- heren Graden angehören. Übrigens wird man bei andern algebraischen Untersuchungen ebenfalls darauf geführt, die zu- erst vorwaltende Rücksicht auf die Höhe des Grades aufzu- geben und wesentlichere Eigenschaften der Gleichungen als Merkmale für grölsere oder geringere Einfachheit gelten zu lassen. — Wichtiger noch ist die Einfachheit des obigen Resultats insofern, als sich die Zusammenfassung der ganzzah- ligen irreductibeln auflösbaren Gleichungen von Primzahlgraden dadurch wirklich als naturgemäls erweist, Denn alle aus die- sen Gleichungen hervorgehenden Irrationalitäten werden in jenem Resultate mittelst gewisser einfacher Bestimmungen in eine Kategorie vereinigt. Doch darf dabei nicht unerwähnt bleiben, dafs diese Zusammenfassung nicht von so allgemeinem und weitgehendem Interesse ist, als jene Gruppirung von irra- tionalen Gröfsen, welche ich in meinem früheren Aufsatze an- gedeutet habe und welche sich aus den verschiedenen Arten Abelscher Gleichungen ergiebt. 216 Gesammtsitzung vom 17. April 1856. 17. April. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Schott las „über die Sprache von Siam und ihr Verhältnils zu den übrigen sogenannten ein- silbigen Sprachen.” Hr. Pinder machte folgende Mittheilung „über einen unedirten Goldmedaillon des Kaisers Gonstans L, des Sohnes Constantins des Grolsen.” Dieser Medaillon von ungewöhnlicher Gröfse (13% der Mionnet’schen Scala), an welchem sich früher ein goldener Henkel befunden hat, wiegt 41 Gramme, also ein Achtel des “römischen Pfundes, so viel als 9 Solidi. Die Vorderseite, mit der Aufschrift FL(avius) IVL(iu) CONSTANS PIVS FELIX AVG(ustus), trägt das rechtshin gewendete Brustbild des Kai- sers mit dem Paludamentum und mit dem Perlendiadem ge-' schmückt; die rechte Hand nebst einem Theil des Armes ist vor der Brust sichtbar, die linke Hand erhebt eine Weltkugel mit einer darauf stehenden dem Kaiser zugewandten Victoria, die in der Rechten einen Kranz, in der Linken einen Palm- zweig hält. Die Rückseite, mit der sonst nicht gebräuchlichen Aufschrift VICTORIA AVGVSTI NOSTRI, zeigt den rechts- hin schreitenden und. zurückblickenden Kaiser mit Helm und Panzer :und mit fliegendem Kriegermantel; in der Linken hält er Lanze und Schild, von dessen Mitte ein Löwenkopf her- vorragt, mit der Rechten falst er den Kopf eines bärtigen Ge- fangenen, dessen Hände auf dem Rücken gefesselt sind; vor dem Kaiser ist eine ebenfalls rechtshin gewendete und zurück- schauende weibliche Figur (eine besiegte Provinz) auf das rechte Knie gesunken und erhebt flehend beide Hände. Der Kaiser ist im Vergleich zu diesen beiden Figuren colossal ge- bildet. Er wird von einer hinter ihm schwebenden kleinen Victoria, welche in der Linken einen Palmzweig hält, mit der Rechten bekränzt. Im Abschnitt befinden sich zwischen den Buchstaben A Q, welche die Prägstadt Aquileia bezeichnen, als Tropäen Köcher, Helm, Harnisch und Lanze. Beide Seiten haben einen Perlenrand. Gesammtsitzung vom 24. April 1856. 217 Dieser zu einem Ehrenzeichen bestimmte Goldmedaillon, auf welchem Constans den Titel Augustus trägt, den er im Jahre 337 nach Chr. annahm, ist vermuthlich nach dem Siege, den er im J. 340 über seinen Bruder Constantinus bei Aqui- leia errang, in eben dieser Stadt geprägt worden, oder in den nächstfolgenden Jahren, in welchen er die Franken und Cale- donier besiegte. Der unter den 'Tropäen befindliche Köcher mit Pfeilen wird sich kaum als unterscheidende Waffe eines bestimmten Volkes deuten lassen. Von Constans war bisher noch kein so grolser Gold- medaillon publicirt; unter den berühmten in Siebenbürgen und Ungarn gefundenen Goldmedaillons der Kaiserlichen Sammlung zu Wien befindet sich keiner dieses Kaisers. Der vorliegende gehört zu der Sammlung des Herrn Michael Levy in Inowraclaw. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: - Kupffer, Compte-rendu annuel de lobservatoire physique central. Annee 1854. Petersbourg 1855. 4. Annales de chimie et de physique. Tome 46. Mars. Paris 1856. 8. Journal of the asiatic Society of Bengal. Vol. XXIV, no.5.6. Cal- eutta 1855. 8. Ephemeris archaeologica. no. 41. Athen 1855. 4. Mit Rescript des vorgeordneten Ministeriums vom 14. April 1856. " Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Band 5. und 6. Halle 1855. 8. a 4. April. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Panofka las: „Dichterstellen und Bildwerke Jinihren wechselseitigen Beziehungen.” - In des Aristophanes Plutus v. 1151—65 läfst der Dichter den redend eingeführten Hermes selbst verschiedene beachtens- werthe Seiten seines Charakters, die mit einer Anzahl eigen- thümlicher Beinamen dieses Gottes in engem Zusammenhang stehen, enthüllen. Da diese letzteren aber auch sonst in Bild- werken der Plastik oder Malerei, an manchen Orten sogar in 218 Gesammtsitzung P besonderem Cultus uns entgegentreten und dadurch zu näherer Betrachtung einladen, so verlohnt es der Mühe die Verse im Plutus mit Hülfe des schriftlichen und bildlichen Alterthums einer genaueren Prüfung zu unterwerfen. Zu diesem Versuche # bestimmt uns einerseits die Hoffnung, dals auf diese Weise das Verständnils des Dichters durch lebendigere Anschauung gefördert wird, andrerseits die Erwägung, dafs diese Forschung, zugleich wünschenswerthen Anlals darbietet, eine Anzahl lehr- reicher, theils unedirter, theils verkannter Bildwerke zu ver- öffentlichen und in ihr wahres Licht zu stellen. | Nachdem der Hermes Yrgobaios, der Thürhüter, ent- sprechend dem Limentinus der Römer, durch die Typen des Silberdenar der Gens Limentana, und hierauf der Hermes ’Eumorcios, der Gott des Verkehrs, durch ein rohes an pompejanischer Stralsenmauer sichtbares Gemälde dieses Got- tes, das als Schild für den Kaufladen diente, erläutert wor- den, erhielt der dritte Hermes Aorıos, der Listige, eine) besondere Monographie. Zu Grunde lag die klassische Stelle bei Pausanias VII, 27, 1: „Wenn man nach Pellene geht, ist ein Standbild des Hermes auf dem Wege, mit Beinamen der Listige (Asrıos), bereit die Gebete der Menschen zu erfüllen; seine Gestalt ist viereckig; er hat einen Bart und auf dem Kopf einen gewirkten Pileus,” die zu neuer ausführlicher Prüfung Anlals gab. Eine bisher auf Vulcan bezogene Marmorherme (Gerhard Ant. Bildw. Taf. 81, 3.) ward als entsprechendes Bild dieser Herme vor- gelegt und für die Restauration dieses Gottes in völlig mensch- licher Gestalt die berühmte Erzfigur (Gall. di Fir. ILL, 118) des nackten Saturns mit einem Pileus zum Vergleich gebracht Im Hinblick auf die Nachbarschaft des Tempels einer chry- selephantinen Athene (die dem Phidias zugeschrieben wird) in Pellene vermuthet Hr. P. einen engeren Zusammenhang dieser beiden Gottheiten, wie ihn ja auch in Athen der pelasgische Hermes des Cecrops im Naos der Athene Polias verräth. Als klassisches Zeugnils für diese Ansicht wurden des Sophokles Philoktet v. 133, 134: Eonns DE mu AoAıros Yyyyoaıro vüv, Nizn? ASyvn Tores 9 owea 1% del. vom 24. April 1856. 219 erangezogen und daraus für die chryselephantine Athene von ellene die Namen Nike Athene Polias entlehnt und zu äherer Prüfung empfohlen. Denn sowohl die Lage ihres "empels auf der Akropolis als die Berühmtheit der Schaafe on Pellene und der daraus gewirkten Kleidungsstücke — Sie- espreise an den Hermaeen — berechtigt, den Zunamen Polias nd deren bekannte reiche Wollbekleidung bei dieser Göttin orauszusetzen. Was aber den Vornamen dieser Athene, näm- ch Nike, anbetrifft, so leitet eine Glosse des Harpocration en "ASYun, wo unter gleicher Benennung das berühmte chnitzbild der Athene auf der Akropolis zu Athen, ohne Flü- el, mit einer Granate in der Rechten, dem Helm in der Lin- en, beschrieben wird, auf die Vermuthung, Nike Athene, nicht thene Nike sei die richtige Benennung, unter der die Hel- enen diese Göttin anriefen. Für den Ausdruck des Sieges ignete sich aber, wie bei dem Standbild in Athen und ver- wthlich auch bei der gleichnamigen Götterstatue in Megara, as Halten des Helms auf vorgestreckter Hand als esonders glücklich gewähltes Sinnbild. Die befriedigendste ufklärung über die bildliche Darstellung von Hermes Dolios nd Nike Athene Polias in Pellene und ihre enge Beziehung einander, verdanken wir einer vorzüglichen rothfigurigen olanischen Diota, die Hr. Ch. Lenormant Elite c&ramogr. .1, pl. 76 ohne Ahndung ihrer theologischen Bedeutung publi- irte und auf die von Hermes zum Urtheil des Paris abzu- holende Athene bezog. Nachdem noch auf drei andren vol- enter Vasen die bei ihrer Bekanntmachung ebenfalls unbeachtet gebliebene Gegenwart derselben Gottheiten in völlig gleicher Tracht und mit denselben Attributen, bisweilen in unmit- telbarer Nähe des Hauptgottes von Achaja, des Poseidon, zum Vergleich vorgelegt worden; brachte Hr. P. für die Erklä- rung des vierten Hermes “Hysuovıos, des Anführers, aus ar- chäischen Vasenbildern zwar einen mit Helm und Wehrgehenk gerüsteten Hermes gegenüber der Kriegsgöttin Athene zur Stelle, gab indels einem anderen Bild, wo der Gott mit einem langen Stab als Führer Götterzüge eröffnet, den Vorzug. Bei Erläuterung des fünften Hermes 'Eveywvios, des Wett- kampfvorstands, mulfste die von Mythologen und Archäo- [1856.] 16 220 Gesammtsitzung logen bisher mit Unrecht vernachlässigte Frage nach seinem charakteristischen Attribut, sowie nach dem des "Aydv, Wett- kampfs, selbst zur Sprache kommen. Für deren Beantwor- tung ist eine unedirte nolaner Vase von besonderer Wichtig- keit: sie zeigt gegenüber dem jugendlichen Hermes mit Flügelstiefeln, Caduceus in der Rechten, Petasus in der Linken, einen mit gleicher Siegerbinde wie der Gott versehenen Ephe- ben, in der Linken einen langen Wanderstab haltend, in de Rechten eine volle Schale zu Ehren des Gottes der Palästra, des Hermes Enagonios darbringend.. Vor dem Kopf dieses Epheben zieht sich die deutliche Inschrift ATON. Die daraus zu schöpfende wichtige Belehrung besteht darin, dafs insofern das Wort ’Aywv ursprünglich Führer bedeutet, die griechi- sche Kunst in gleichem Sinn das einfachste, bis auf den heu- tigen Tag für den Führer unentbehrlichste Attribut, nämlich einen langen Wanderstab zur Bezeichnung des Agon mit vollem Recht wählte. Dieser Stab findet sich daher folgerech in der Hand 1) des Hermes Enagonios, 2) der Nike Enagonios auf einer athenischen Vase, die bisher auf Darreichung eines Skeptron als Siegeszeichen (?!) für den Kitharoden (Stackel- berg Gräb. d. Hellen. Taf. 20) bezogen ward; 3) des Agon, auch des mit Helm und Panzer zu restaurirenden Agon neben Ares; 4) der Agonotheten in gymnischen wie in musischen Spielen. Hr. Müller las folgende Mittheilung des Hrn. Dr. Lie- berkühn „über parasitische Schläuche auf einigen Insectenlarven”. Auf den Kiemenfäden mancher Phryganealarven und auf den dort vorkommenden Epistylisstöcken finden sich cylindrische, an den Enden häufig etwas zugespitzte, bewegungslose Schläuche, von denen die grölsten etwa 4” lang und ;i;”’ dick sind, wäh- rend die kleinsten 5” in der Länge und ;4,”’ in der Dicke er- reichen. Einige dieser Schläuche enthalten eine farblose durch- sichtige Substanz in ihrem Innern, in der viele feine das Licht stark brechende Körnchen eingestreut sind; reilst ein solcher Schlauch auf, so tritt der Inhalt meist in Form von gröfsern vom 24. April 1856. 221 und kleinern Kugeln heraus, welche sich allmälig an der auf- gerissenen Stelle abschnüren und von der übrigen Masse los- lösen. Die Membran der Schläuche ist ohne nachweisbare Structur. Andere dieser Schläuche sind vollständig ausgefüllt von spindelförmigen Körperchen, die eine grolse Ähnlichkeit mit den Psorospermien haben, welche sich in der Harnblase des Hechts finden. Die Länge der Spindeln beträgt ungefähr 5”, ihre grölste Dicke etwa ;45”. Sie sind dem Aussehen nach von derselben Masse erfüllt, wie sie eben von den Schläuchen beschrieben wurde; nur bemerkt man an einzelnen Stellen helle runde körnchenfreie Räume. Die Spindeln werden nicht selten mit einer heftigen Bewegung aus den Schläuchen herausge- worfen. Beobachtet man eine solche Spindel einige Zeit, so sieht man in der Regel folgenden Vorgang: der Inhalt trennt sich in zwei bis fünf Stücke, welche sich alsbald zu bewegen anfangen, den Behälter verlassen und mit grofser Geschwin- digkeit fortkriechen. Die Gestalt der ausgekrochenen Thiere und die Art ihrer Bewegung gleicht der der Amöben; in ihrem Innern unterscheidet man neben den feinen Körnchen ein etwas grölseres, das Licht schwächer brechendes, von einer lichten Substanz umgebenes kugeliges Gebilde. Die Thierchen lebten einen Tag lang in dem Wasser des Objectträgers, und zogen sich kugelig zusammen, ehe sie zu Grunde gingen. % Es wurden die Abbildungen vorgelegt. „ An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: J. M. Gilliss, The U, St. Naval Astronomical Expedition to the Southern Hemisphere, daring the years 1849 — 1852. Vol. 1.2. Washington 1855. 4. Mit Begleitschreiben des Hr. Consul Flügel, Leipzig 27. März 1856. L. F. Menabrea, Lois generales de divers ordres de phenomenes ... de la chaleur. Turin 1855. 4. Bulletin de la societe geologique de France. Tome XII, feuilles 52—60. XII, feuilles 3—7. Paris 1856. 8. Llnstitut. Ame Section, no. 1160—1162. Paris 1856. 4. Athenaeum francais. no. 16. Paris 1856. 4. 16* 222 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Annuaire des cing departements de !ancienne Normandie. Annee 22. Cae 1856. 8. Annuaire de UInstitut des provinces. Tome VII. Caen 1856. 8. de Caumont, Rapport verbal fait d la societe frangaise pour la conser- valion des monuments historiques. Paris 1856. 8. e Silliman, American Journal of science and arts. Vol. XXI, no. 62. New Haven 1856. 8. J. Dana, Science and the Bible. Andover 1856. 8. J. Dana, Mineralogy. Second supplement. (New-Haven 1856.) 8. Recueil des ordonnances de la prineipaute de Liege. Troisieme Serie, ’ Vol. 1. par M.L. Polain. Bruxelles 1855. folio. Mit Schrei-" ben des vorgeordneten Ministeriums vom 22. April 1856. ’ Oreuti, Catalogo illustrato dei monumenti egizü del Real Museo di To- rino. Torino 1855. 8. G. von Helmersen, Über das langsame Emporsteigen der Ufer des baltischen Meeres. (ohne Ort 1855.) 8. Aufserdem wurde ein Schreiben des Bibliothekariats der Universität Greifswald v. 22. d. M. über den Empfang des. Supplementbandes der Abhandlungen der Akademie v. J. 1854 und der Monatsberichte vom Juli bis December 1855 vorgelegt. In der heutigen Sitzung wurden die Hrn. Schönbein in Basel, Mosander in Stockholm und Boussingault in Paris zu corresp. Mitgliedern für die physikalisch-mathematische Klasse gewählt. 28. April. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. | Hr. Dieterici las „über das Verhältnils der new geschlossenen Ehen zu der Anzahl der gleichzeitig Lebenden im Preulsischen Staate”. Aufser der Vergleichung der Geburten und der Todes- fälle gegen die gleichzeitig Lebenden, welche Fragen in frü- heren Abhandlungen besprochen worden, war es nöthig, noch das dritte allgemein menschliche Verbältnils, das der Ehever- bindungen, einer statistischen Betrachtung zu unterwerfen. Es ? IM * A vom 28. April 1856. 223 wurden zunächst die Verhältnisse nach den Ergebnissen der statistischen Tabellen des Preufsischen Staats behandelt. Ein- leitend wurden die Ansichten und Berechnungen Sülsmilchs für den damaligen Preufsischen Staat, insbesondere für die Kurmark für die Zeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts er- wähnt, und daran die Zahlenreihen geknüpft, wie sich seit 39 Jahren von 1816 bis 1854 das Verhältnifs der neugeschlos- senen Ehen gegen die gleichzeitig Lebenden gestellt hat, denen die gleichen Zahlenergebnisse nach den Provinzen und den ein- zelnen Regierungsbezirken des Preufsischen Staats für dieselben Jahrgänge ängereihet wurden. Als Hauptresultate der mitgetheilten Zahlen stellten sich etwa folgende Ansichten heraus: Es ist zwar richtig, dals ganz im Allgemeinen bei dich- terer Bevölkerung das Verhältnifs der neuen Eheverbindungen etwas geringer sich zeigt, als bei dünnerer Bevölkerung; doch ist es keinesweges so, dals man etwa mit gleicher Steigerung ‚der Bevölkerung eine verhältnifsmälsig gleiche Verminderung der Eheverbindungen annehmen könnte. Oft kommt es vor, dals in Gegenden mit dichter Bevölkerung das Verhältnifs der Ehen, welche neu geschlossen werden, gröfser ist, als in Ge- genden mit dünnerer Bevölkerung. Auf die Anzabl der neuen Eheverbindungen wirkt vorzugsweise die Gelegenheit zum Er- werb, und die dadurch mehr oder weniger bewirkte Erleich- terung, einen Hausstand zu begründen. In Gegenden einer blühenden Fabrikation kann häufig der Fall vorkommen, dafs durch vielfach eröffnete Gelegenheit zur hinreichenden Erhal- tung einer Familie, die Zahl der Eheverbindungen stärker wird, als sie in dünner bevölkerten Gegenden, bei denen weniger Gelegenheit zum Erwerb ist, erscheint. Dies wurde nach Re- gierungsbezirken und landräthlichen Kreisen im Preufsischen Staat nachgewiesen. Aufserdem ist aber, wenn nach einem Zahlengesetz über die neu geschlossenen Ehen gesucht wird, bestimmt hervorzuheben, dafs einzelne Jahrgänge von allge- meinen Ansichten, oft eine Ausnahme herbeiführen. Es min- dert sich die Zahl der neu geschlossenen Ehen in einem bestimmten Jahre, wenn Cholera oder sonst epidemische Krank- heiten in einer Gegend herrschen, wenn eine schlechte Erndte 224 Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 28. April 1856. oder auch durch Handelsconjuncturen, Stockung des Absatzes und der Gewerbe und Fabriken, Nothstand herbeigeführt wird. Auch dies wurde an einzelnen Jahren und in einzelnen Thei- len der Monarchie in Zahlen nachgewiesen. - Ob nun ähnliche Ansichten in andern Ländern Europas. aus der Vergleichung der in den verschiedenen Jahren neu su schlossenen Ehen sich bewahrheiten, soll einer späteren Ab- handlung vorbehalten bleiben. Es lassen sich, wie es scheint, allerdings auch bei den Eheverbindungen berdein Gränzen ni den, und einige allgemeine Regeln angeben, in welchen die Zahlenverhältnisse der neugeschlossenen Ehen im Vergleich zu den gleichzeitig Lebenden liegen, aber die Gränzen dieser Zahlenverhältnisse müssen, wie bei den Geburten, weit ge- griffen werden, und die Regeln und Ansichten, welche man aus statistischen Ermittelungen ableitet, dürfen nur sehr allge- ° mein gehalten werden. Es sind immer mehr Andeutungen und Wahrscheinlichkeiten, als bestimmte, unumstöfsliche Gewils- ' heiten. Nur aus einer längeren Reihe von Jahren, aus Ver- gleichung der Verhältnisse in vielen verschiedenen Gegenden lassen sich einige allgemeine Ansichten, als eine Weabrscheingg lichkeit ableiten. en Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Mai 1856. Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg. 8. Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Böckh las: „Epigraphisch-chronologische Stu- dien, zweiter Theil.” Hr. Braun theilte nachfolgende weitere Untersuchungen von Dr. Pringsheim „über die Befruchtung und den Generationswechsel der Algen” mit: Die Untersuchungen über die Befruchtung von Yaucheria sessilis, welche mir im vergangenen Jahre die ungeahnte Ge- schlechtlichkeit der Conferven offenbarten, und die ich damals der Akademie vorzulegen die Ehre hatte, erweckten die Hoff- nung, dafs unter dem grofsen Kreise verwandter Organismen noch günstigere Objecte für die genauere Beobachtung der Zeugung sich würden finden lassen, und mufsten daher dazu auffordern die Geschlechtsorgane nahe stehender Algengattungen aufzusuchen. Nun genügte zwar die Kenntnils des Geschlechts- aktes von Yaucheria vollkommen, um die Existenz des Ge- schlechtes bei den niederen Cryptogamen aulser Zweifel zu stellen, sie konnte aber bei der Mannichfaltigkeit der Algen- typen und den dürftigen Erfahrungen über ihre Entwicklung nur [1856.] 17 226 Gesammtsitzung wenig Aufschluss sowohl über den Ort geben, wo die Geschlechts organe bei den übrigen Algengattungen zu suchen seien, als über die Formen, in welchen sie auftreten möchten. Dennoch wagte ich es, von mancher Analogie geleitet, gewisse Bildungen einiger mir durch längere Untersuchung genauer bekannten Gattungen vermuthungsweise als die Geschlechtsorgane zu be- zeichnen, und ich hielt mich namentlich für die ganze Reihe { der mit Schwärmsporen begabten Conferven, bei denen zu- gleich ruhende Sporen vorkommen, zu der Behauptung berech- | tigt, dals die ruhenden Sporen die auf geschlechtlichem Wege erzeugten Fortpflanzungsorgane dieser Pflanzen seien. Für die Gattungen Oedogonium und Bulbochaete glaubte ich ferner die von Al. Braun entdeckten Zwergpflänzchen als die männ- lichen Geschlechtsorgane dieser Pflanzen deuten zu dürfen. Ich stützte mich hierbei auf eine frühere Beobachtung, nach welcher die auf der Mutterzelle der ruhenden Sporen, oder doch in der Nähe derselben sitzenden Zwergpflänzchen ihren ' Inhalt unmittelbar neben einer gleichzeitig in der Membran der Mutterzelle entstehenden Öffnung entleeren. Längere auf die thatsächliche Begründung dieser Vermu- thung gerichtete Bemühungen haben mich endlich in diesem. Frühjahre zu der vollen Bestätigung meiner Voraussetzungen geführt, und ich erlaube mir das Resultat meiner diesen Gegen- stand betreffenden Untersuchungen in Verbindung mit ver- wandten Beobachtungen an der nahe stehenden Gattung Cole- ochaete hier niederzulegen, indem ich hoffe, dafs die eigen- thümliche Weise, in welcher die männlichen Geschlechtsorgane sich bei diesen Pflanzen verhalten, .so wie der Umstand, dals der Befruchtungsakt von Oedogonium die Tbätigkeit der Saa- menkörper bis an die Grenzen mikroskopischen Sehens zu ver- folgen gestattet, mich rechtfertigen werden, die Aufmerksam- keit der Akademie auf diese Untersuchungen gelenkt zu haben. Die Pflanzen, welche die Gattungen Oedogonium und Bul- bochaete bilden, stellen einfache oder verästelte Zellreihen dar. An ihnen lassen sich abgesehen von den inhaltsleeren und end- ständigen Borstenzellen, die der Gattung Bulbochaete und einigen Species von Oedogonium eigenthümlich sind, dreierlei Arten von Zellen unterscheiden. Erstens die gewöhnlichen, vom 8. Mai 1856. 227 vegetativen Zellen, welche den Körper dieser Pflanzen auf- auen. In diesen entsteht, wie diels seit Thuret und Alex. Braun bekannt ist, auf ungeschlechtlichem Wege eine einzige it einem vollen Wimperkranze an ihrem Vorderende ver- hene Schwärmspore, welche entweder kurz nach ihrer Ge- urt keimend zu einer neuen Pflanze heranwächst, und so nospenartig der Vermehrung dient, oder unter ungünstigen Verbältnissen, namentlich beim Austrocknen der seichten Ge- wässer, in welchen diese Pflanzen sich aufhalteg, sogleich zu Grunde geht., Sie ist deshalb, wie die Schwärmsporen im All- gemeinen, nicht im Stande ausdauernd die Erhaltung der Art von einer Vegetationsperiode zur anderen sicher zu stellen. Zweitens finden sich einzeln oder zu mehreren neben ein- ander zwischen den vegetativen Zellen andere meist stark an- geschwollene Zellen, in welchen die ruhende Spore sich bildet. Sie sind die weiblichen Geschlechtsorgane dieser Pflanzen. Endlich treten drittens auf denselben Individuen, welche die weiblichen Geschlechtsorgane tragen, oder getrennt von diesen auf besonderen Exemplaren eine dritte Art von Zellen auf, welche kürzer als die vegetativen Zellen meist zu mch- teren neben einander die Aufeinanderfolge der vegetativen Zellen unterbrechen. Diese kleinen Zellen sind bestimmt entweder unmittelbar Saameukörper zu bilden, wie dies bei einigen Arten der Gat- tung Oedogonium der Fall ist, oder erst mittelbar nach Her- vorbringung einer selbstständigen, den Mutterfaden verlassenden Zwischenbildung, welche erst in ihrem Inneren den männlichen Geschlechtsapparat erzeugt. Diesen letzteren Entwicklungsgang welcher bei der grölseren Zahl der in Beziehung auf. Be- fruchtung von mir untersuchten Oedogonium-Arten und in der ganzen Gattung Bulbochaete eintritt, werde ich zunächst an einer Species schildern, bei welcher ich zugleich den Befruch- tungsakt vollständig beobachtet habe, alle Abweichungen an- derer Species an den Schluls meiner Darstellung verweisend. Bei Oedogonium ciliatum (Fesiculifera ciliata Hass.)') erscheinen die kleineren Zellen, welche den männ- - —#) Diese niedliche den Phycologen bisher nur wenig bekannte Art wächst in Tümpeln bei Berlin an Wassermovsen; Prof. Braun fand die- ATz 228 Gesammtsitzung lichen Geschlechtsapparat erzeugen sollen, gewöhnlich im oberen Theile des Fadens zwischen der endständigen Borstenzelle un dem obersten weiblichen Geschlechtsorgane. Ü Zur Zeit der Geschlechtsreife entsteht in jeder dieser Zel- len aus ihrem ganzen Inhalte eine einzige Schwärmspore, welche an Gestalt und Cilienbildung zwar vollkommen den in den vegetativen Zellen des Fadens erzeugten Schwärmsporen gleicht, aber schon augenfällig durch ihre Gröfse und wesent- lich durch ihre morphologische Bestimmung von ihnen ab- weicht. ' Es sind dies die unter dem Namen der Microgonidien be- kannten kleinen Schwärmsporen dieser Gattungen. ; Über die physiologische Bedeutung dieser kleinen Schwär- mer, welche hier und bei einigen andern Sülswasseralgen von Alex. Braun entdeckt und als Microgonidien bezeichnet wur- den, war bisher nichts Sicheres bekannt. Dagegen ist ihr Vor- kommen bereits bei einer gröfseren Anzahl von Algengattungen erwiesen, insbesondere ist für mehrere Familien der Fucoideen durch Thuret die Existenz von zweierlei Schwärmsporen, gröfseren und kleineren, nachgewiesen worden. Nachdem ich mich jedoch von der von Thuret behaup- teten Keimfähigkeit der kleineren Zoosporen der Fucoideen im ver- gangenen Sommer gleichfalls überzeugt habe, scheint es mi sehr unwahrscheinlich, dafs der morphologische Werth der unte dem Namen der Microgonidien begriffenen Bildungen in aller Fällen ihres Vorkommens derselbe sei. Ich halte es daher fü besser, die Microgonidien der Oedogonien, deren geschlecht- lichen Werth als Erzeuger des männlichen Geschlechtsapparat ich jetzt mit Sicherheit nachweisen kann, als Androspore (Männchenbildner) von den übrigen Microgonidien abzuscheide und es bleibt späteren Untersuchungen vorbehalten nachzu weisen, welche Microgonidien der anderen Gattungen sich de Androsporen der Oedogonien ähnlich verhalten und welch functionell von ihnen abweichen. Der geschlechtliche Werth der Androsporen der Oedogonien geht aber aus folgenden Thatsachen hervor. FE u RE ner — nn EEE en ne en nn en TE EEE selbe Art bei Freiburg im Breisgau in einem Tümpel des Mooswaldes a den Blättern von Aanunculus aquatilis. vom 8. Mai 1856. 229 Wenn die mit einem Wimperkranze an ihrem hellen "Vorderende versehenen Androsporen ihre kleine Mutterzelle verlassen haben, schwärmen sie kurze Zeit frei herum, und setzen sich dann in einer für jede Species bestimmten Weise 'auf dem weiblichen Geschlechtsorgane oder doch in der Nähe selben fest. Bei Oedogonium ciliatum, welche Species ich ME ennächst: immer im Auge habe, setzen sich meist eine, Be. mehrere Androsporen auf dem weiblichen Organe "dung des weiblichen Geschlechtsorganes, welches seinen an- \fänglich spärlichen Körnergehalt indels äufserst stark vermehrt, zu einem kleinen wenigzelligen Pflänzchen, welches ich das Männchen nennen will. Diese Männchen zeigen bei den ver- \schiedenen Speeies einen etwas verschiedenen Bau. Sie be- stehen bei Oedogonium ciliatum aus einer Chlorophyll führenden \Fufszelle, welche ein zweizelliges fast farbloses Organ, die "Bildungsstätte der Saamenthiere, das Antheridium, trägt. Aus der sich festsetzenden Androspore, als Mutterzelle, entsteht das Antheridium als die obere, der Fuls des Männ- U chens als die untere Tochterzelle durch die den Oedogonien Jeigenthümliche Modification der Zelltheilung, welche durch das Aufbrechen der Muiterzellmembran bei der Bildung der Tochterzellen so auffallend charakterisirt ist. Das Antheridium trägt deshalb an seiner Spitze einen kleinen Deckel, den \ oberen Theil der Membran der Androspore, welcher von dem hervorbrechenden Antheridium bei seiner Entstehung in die Höhe gehoben wurde. Das bei seiner Bildung einzellige An- theridium theilt sich noch einmal durch eine horizontale Scheide- wand in zwei Tochterzellen, die Specialmutterzellen der Saa- menkörper, aber auffallender Weise geschieht diese Theilung ohne Aufbrechen der Mutterzellmembran und so liefert die Bildung der Specialmutterzellen die einzige Ausnahme von der bei dem Wachsthum von Oedogonium und Bulbochaete sonst allgemein geltenden Regel der Zelltheilung unter gleichzeitigem \ Aufbrechen der Mutterzellhaut. Hierdurch wird es möglich ‚ die Specialmutterzellen der Saamenkörper von allen übrigen ‚ Zellen der Pflanze sogleich zu unterscheiden, ein Umstand, der \ besonders bei der Beurtheilung derjenigen Species von Wich- selbst an. Hier erwachsen sie während der weiteren Ausbil- 230 Gesammtsitzung tigkeit ist, bei welchen die Saamenkörper schon unmittelbar in den kleinen Zellen des Mutterfadens ohne die Zwischenbildung der Androsporen und der aus ihnen erwachsenden Männchen entstehen. In der Specialmutterzelle entsteht aus ihrem ganzen In- halte ein einziger Saamenkörper von relativ bedeutender Gröfse. Die etwas gekrümmten Männchen von Oedogonium ciliatum, welche normal nur eine einzige Antheridienzelle be- sitzen, enthalten daher nur zwei Saamenkörper. — Wenn die Saamenkörper fertig sind, was bei noch geschlossenem Anthe- ridium schon durch die Abrundung des Inhaltes der Special- mutterzellen zu einem einzigen von den \Vänden etwas ab- stehenden Bläschen bemerkbar wird, so sieht man den oberen Saamenkörper gegen den Deckel des Antheridium drücken und ihn ein wenig in die Höhe heben, ohne ihn völlig abzuwerfen. In diesem Zustande verharrt das theilweise geöffnete Anthe- ridium oft mehrere Stunden lang bis zum Aufbrechen des weib- lichen Geschlechtsorganes. Dieses ist um diese Zeit fast bis zum völligen Verschwinden des Lumen mit grolskörnigem, grü- nen Inhalte erfüllt, welcher überall genau der Wand anliegt. Eine bedeutende Menge einer farblosen, feinkörnigen Schleim- masse sieht man jedoch von dem übrigen grolskörnigen und grünen Inhalte gesondert in dem oberen Theile des Geschlechts- organes angesammelt. Plötzlich bricht die Membran des Ge- schlechtsorganes etwas unterhalb seiner Spitze auf, und ihr oberer einem Deckel ähnlicher Theil wird mit dem darüber befindlichen Fadenstücke von dem hervorbrechenden Inhalte zur Seite gedrückt, so aber, dafs der Deckel noch an einer Stelle an der aufgebrochenen Membran des weiblichen Geschlechts- organes haften bleibt, und der ganze Faden hierdurch nun knieförmig gebogen erscheint. Von dem früheren Inhalte des weiblichen Geschlechtsorganes dringt nun die bereits bezeich- nete unmittelbar unter der gebildeten Öffnung liegende farb- lose Schleimschicht hervor, und ihr äufserer 'Theil gestaltet sich unter dem Auge des Beobachters zu einem festen, von einer farblosen Membran gebildeten Schlauche, welcher seitlich einem Männchen zugeneigt eine deutliche und grofse Öffnung besitzt. Von diesem neuen unmittelbar aus dem erstarrenden vom 8. Mai 1856. 231 Schleime entstandenen Schlauche, welchen ich den Befruch- tungsschlauch nenne, sieht man den zu seiner Bildung nicht verbrauchten inneren Theil der früheren Schleimmasse wieder nach abwärts flielsen und hier mit dem übrigen grünen Inhalte des Geschlechtsorganes sich wieder vereinen. Gleichzeitig zieht sich der bis dahin der Wand genau anliegende Inhalt von ihr zurück und gestaltet sich zu einer einzigen, grofsen, frei in der Höhle des weiblichen Geschlechtsorganes liegenden Kugel (der Befruchtungskugel); auch an dieser nimmt die zurückge- flossene farblose Schleimmasse wieder den vorderen, der Öff- nung des Befruchtungsschlauches zugekehrten Theil ein. In diesem Momente, welcher unmittelbar dem Akte der Zeugung vorhergeht, bricht der Deckel des Antheridium völlig auf und der obere keilförmig gestaltete, vorn etwas zugespitzte und mit mehreren Wimpern versehene Saamenkörper tritt, mit eigener Bewegung begabt, hervor. Er dringt bei normaler Befruch- tung nach sehr kurzem Umherirren durch die Öffnung des Befruchtungsschlauches in das weibliche Geschlechtsorgan hin- ein. Mit der Spitze voran nähert er sich dem farblosen Vor- dertheile der Befruchtungskugel. Nichts stört die Beobachtung des Augenblickes der Berührung «beider Zeugungsmassen. Die glashelle, farblose und dünne Mem- 'bran des Befruchtungsschlauches und des weiblichen Geschlechts- organes, welche vollkommen durchsichtig sind, die bedeutende Grölse des Saamenkörpers und seine eigenthümliche, durch die grünlichen Körner seines Inhaltes noch leichter erkennbare Ge- stalt, ferner die Farblosigkeit des vorderen Theils der Befruch- tungskugel, endlich der Umstand, dafs nur ein einziger Saamen- körper sich langsam der zu befruchtenden Masse nähert, alle diese Verhältnisse stellen in ihrer Vereinigung die günstigsten Bedingungen für die Beobachtung her. Einen Augenblick, nachdem der Saamenkörper die Befruch- tungskugel berührt hat, erblickt man ihn noch in seiner voll- kommen unveränderten Gestalt mit der Spitze an dem Um- fange der Befruchtungskugel hin und her tastend. Aber schon im nächsten Moment sieht man, wie der Saamenkörper unter Aufgeben seiner Gestalt, gleichsam berstend, von der Befruch- tungskugel aufgenommen wird, und seine Masse unmittelbar mit 232 Gesammisitzung der Masse der Befruchtungskugel sich vereinigt. Nach diesem fast momentanen Akte der Befruchtung bleibt gar keine Spur des Saamenkörpers aufserhalb der Befruchtungskugel zurück; weder Reste einer Membran, die auch früher nicht unmittelbar sichtbar war und auch durch Reagentien nicht darstellbar ist, noch Reste seines Inhaltes. Dagegen sieht man im Inneren der vorderen Schleimpartie der Befruchtungskugel, welche vor der Befruchtung nur aus einer ganz feinkörnigen, sehr schwach gelblich schimmernden Schleimmasse bestand, jetzt einige grölsere grünliche Körner, die unzweifelhaft dem frühern In- halte des Saamenkörpers angehörten. Kurz nach der Befruchtung zeigt die Befruchtlugakusel eine nach und nach immer schärfere Umgrenzung und endlich eine deutlich von zwei Conturen gebildete Membran an ihrem Umfange. Die nach dem Akte der Zeugung zur ersten Zelle eines neuen Organismus gewordene Befruchtungskugel ist durch die späteren Veränderungen, die ihre Membran und ihr Inhalt ein- gehen, befähigt störende, die Vegetation hemmende Einflüsse _ zu überdauern, und sichert die Erhaltung der Art auch dann, wenn Trocknils und Wechsel der Jahreszeiten das Wachsthum dieser Pflänzchen eine Zeit lang unterbrechen. Das Ergebnifs meiner Untersuchungen in wenige Sätze zusammengefalst, liefert ohne jede Folgerung, die über die beobachteten Erscheinungen hinausginge, die volle Bestätigung und zugleich eine Erweiterung meiner schon in meinem ersten Aufsatze über die Faucheria ausgesprochenen Auffassung des Befruchtungsaktes. Denn die Thatsachen selbst, so unmittelbar, wie sie dem Beobachter sich darbieten, ausgesprochen zeigen: 1) Dafs im Zeugungsakte eine materielle Vermischung der ganzen Masse, aus welcher der Saamenkörper besteht, und der im weiblichen Geschlechtsorgane gebildeten noch nackten Be- fruchtungskugel stattfindet. 2) Dals die erste Zelle des neuen Organismus in dem weiblichen Geschlechtsorgane nicht bereits fertig praeexistirt, sondern erst das Resultat der Zeugung ist. 3) Dafs die Saamenkörper nicht einen morphologisch be- stimmten Theil der neuen Zelle — etwa den Zellkern — bil- vom 8. Mai 1856. 233 den, sondern in ihrer Gestalt völlig aufgehen und daher nur durch ihre Masse wirken können. 4) Dals ein einziger Saamenkörper zur Ausübung des Ge- schlechtsaktes genügt. Sämmtliche Species der Gattung Bulbochaete und eine grölsere Anzalıl Arten der Gattung Oedogonium verhalten sich in den wesentlichen Phasen des Entwickelungsganges der Ge- schlechtsorgane dem Oedogonium ciliatum gleich und weichen nur in der Form der Männchen, in der Anzahl der Antheridien- zellen, endlich in der Art, wie das weibliche Geschlechtsorgan sich öffnet und durch das Fehlen des Befruchtungsschlauches von dieser Species ab. Die eben angedeuteten Verschiedenheiten, so wie noch andere Abweichungen bei der Bildung der Saamenkörper, welche bei einigen Species der Gattung Oedogonium auftreten, geben ein vorzügliches Mittel an die Hand, ‘die Arten dieser reichen, noch wenig gesichteten Gattungen systematisch zu ordnen. Diesen Theil meiner Untersuchungen mir für einen andern Ort vorbehaltend, will ich hier nur einer wichtigeren Eigenthüm- lichkeit einiger Oedogonium-Arten gedenken, auf welche ich im Laufe meiner Darstellung schon öfter hingewiesen habe. Diese erzeugen nämlich die Saamenkörper schon unmittelbar, nach vorangehender Specialmutterzellbildung, in den kleinen Zellen des ursprünglichen Fadens, in welchen bei den übrigen Species erst die Androsporen entstehen, und da hier oft zahl- reiche Antheridienzellen aufeinander folgend die Reihe der vege- tativen Zellen unterbrechen, so bilden diese mit den einzeln in den Specialmutterzellen liegenden Saamenkörpern ein mehrzel- liges und einreihiges Antheridium, welches abgesehen von der Form der Saamenkörper eine nicht zu verkennende Ähnlichkeit mit den Antheridienfäden der Characeen zeigt. Diese Oedogonium-Arten unterscheiden sich daher wesent- lich von den anderen durch den Mangel der Androsporen und in Folge davon auch durch das Fehlen der Männchen. Der Befruchtungsakt wird bei ihnen vollzogen indem die aus den Antheridienzellen unmittelbar austretenden Saamenkörper so- gleich durch eine seitlich entstandene Öffnung des weiblichen Geschlechtsorganes in dieses eintreten. 234 Gesammtsitzung Bevor ich weiter gehe, möchte ich noch auf die auf- fallende Analogie aufmerksam machen, die zwischen der Be- frachtung der Phanerogamen und der Befruchtung der Oedo- gonien vorhanden ist. Wie bei den Phanerogamen eine im Gewebe der Mutterpflanze ®rzeugte Zelle durch mechanische Bewegung auf das weibliche Geschlechtsorgan übertragen wird und bier zu einem längeren oft zelligen Schlauche, dem Trä- ger des Befruchtungsstoffes, heranwächst; so wird auch bei den Oedogonien eine im Gewebe des Fadens erzeugte Zelle durch mechanische Bewegung auf das weibliche Geschlechts- organ übertragen, um hier zu einem kürzeren Schlauche zu erwachsen, welcher Saamenkörper erzeugend die Befruchtung bewirkt. Wenn diese Analogie nicht trügt, so liegt es nahe, dafs nicht nur die Saamenkörper im Pollenschlauche, sondern auch die Öffnungen in den Keimbläschen den Bemühungen un- serer geübten Embryologen bisher entgangen sind, was aus der Schwierigkeit und den Nebenumständen dieser Untersuchungen genügend erklärt wird. Über die weitere Entwicklung der durch Zeugung ent- standenen Zelle, die zu dem Verständnifs des allgemeinen Ent- wicklungsganges unerlässlich ist, bin ich rücksichtlich der Oedo- gonien, bei denen ich die Zeugung gesehen habe, noch nicht im Stande eine auf directe Beobachtung gestützte Angabe zu machen. Die grolse Übereinstimmung in der Form und in dem Auftreten der Geschlechtsorgane bei Oedogonium und Bulbo- chaete lälst jedoch mit der grölsten Wahrscheinlichkeit ver- muthen, dafs wie in beiden Gattungen der Akt der Zeugung % übereinstimmt, so auch in beiden der Werth des Produktes der Zeugung derselbe sein werde. Da nun die ruhende Spore von Bulbochaete, deren Entstehung auf geschlechtlichem Wege nach meinen Beobachtungen an Oedogonium gewils ist, nicht un- mittelbar keimt, sondern, wie ich dies bereits früher nachge- wiesen habe, in ihrem Inneren 4 keimfähige Schwärmsporen bildet, so würden die Oedogonien, wenn es erlaubt ist, diesen Vorgang auf die‘ ganze Familie auszudebnen, als Produkt der Zeugung nicht eine Saamenzelle, sondern eine sporenbildende Fruchtzelle hervorbringen. Die Oedogonien nähern sich in vom 8. Mai 1856. 235 diesem Vorgänge dem Entwickelungsplane der Moose, und unterscheiden sich wesentlich nur durch die einfachere Aus- bildung der geschlechtlich erzeugten Fruchtzelle, in deren In- nerem die Sporen ohne Zwischenbildung eines Mutterzellge- webes entstehen. Noch grölser wird die Übereinstimmung mit der Moos- frucht bei der Fructification einer anderen Reihe unserer Süls- wasseralgen, welche die bisher geschiedenen Gattungen Coleo- chaete und Phyllactidium umfalst. Es sei mir gestattet, der Entwickelung der Geschlechtsorgane dieser Gewächse noch einige Worte zu widmen. In diesen beiden Gattungen, welche Pflanzen von ziem- lich verschiedenem vegetativem Bau enthalten, entsteht das weibliche Geschlechtsorgan als eine einzige Zelle meist durch Umwandlung der Endzelle eines Astes. Diese Zelle ver- grölsert sich bedeutend, und ihre Membran wächst an einer Stelle zu einem längeren, schmalen, cylindrischen Schlauche aus, der durch Hervorbrechen einer in ihm angesammelten farblosen Schleimmasse an seiner Spitze geöffnet, einen Zu- gang in das Innere der Zelle gewährt. Inzwischen umgiebt sich der untere bedeutend umfangreichere Bauchtheil dieses noch einzelligen Geschlechtsorganes mit einer zelligen Rinde, welche durch das Anlegen verschiedener, von den benach- barten Zellen herkommenden Zweige gebildet wird. So be- steht das ausgebildete Geschlechtsorgan dieser Pflanzen, wel- ches durch die Art seiner Berindung und seines Baues auf- fallend an die Charen-Früchte erinnert, aus einer grolsen Centralzelle, welche von einer einschichtigen, zelligen Rinde umgeben ist. Ein geöffneter Schlauch, die hervortretende Verlängerung der Centralzelle durchbricht die Rinde, und ge- stattet einen Zugang in das Innere der Centralzelle. Die- selben Äste, deren Endzelle sich zu diesem dem Archegonium der Moose der Form, wenn auch nicht der Entstehung nach ähnlichen, weiblichen Geschlechtsorgane ausbildet, tragen auf anderen Zellen eine grölsere Anzahl kleiner von farblosem In- halte erfüllter Zellen; diefs ist der männliche, den Antheridien der Ceramien nicht unähnliche Geschlechtsapparat. 236 Gesammtsitzung Die Saamenkörper habe ich hier nur einmal in dem in das Innere der Centralzelle führenden Kanale gesehen und konnte sie bier in dem Augenblicke der Zeugung noch nicht überraschen. Unzweifelhaft ist jedoch der geschlechtliche Werth dieser Organe und die Umbildung der Centralzelle des weiblichen Geschlechts-. organes dieser Pflanzen in eine vielzellige Frucht, in deren ein- zelnen Zellen später je eine Schwärmspore aus ihrem ganzen Inhalte entsteht. Nach dem Austreten dieser bleiben ihre Mutterzellen als ein zusammenhängendes, die vergrölserte Cen- tralzelle erfüllendes, leeres Gewebe zurück. In dieser Bildung der Frucht tritt uns die überraschendste Ähnlichkeit mit den einfacheren Formen der Moosfrüchte, nament- lich mit denen der Riccien entgegen, indem wir hier als das Produkt der Zeugung wie bei den Moosen eine vielzellige Frucht auftreten sehen, deren Zellen Mutterzellen der Sporen werden. Eine ausführlichere von den nöthigen Abbildungen be- gleitete Darstellung der Entwickelungsverhältnisse dieser Gat- tungen werde ich an anderer Stelle geben, hier mag das An- geführte genügen, eine Einsicht in den allgemeinen Entwicke- lungsplan der Algen zu eröffnen, der sich in dieser Klasse mannigfaltiger zeigen möchte, als in anderen grofsen Abthei- lungen des Gewächsreiches. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1—10. Oedogonium ciliatum. Fig. 1. Vergr. = = Fig. 2—10. Vergr. = = Fig. 1. Ein vollständiges aber kleines Pflänzchen mit einem be- fruchteten und einem noch unbefruchteten weibl. Geschlechts- organe. Die Mutterzellen der Androsporen fehlen. Die Männchen sind daher in diesem Faile sicher von anderen Exemplaren hergekommen. Ö. zeigt eine Androspore kurz nach ihrem Festsetzen auf dem weibl. Geschlechtsorgane. Fig. 2—5. Aufeinanderfolgende Zustände der Befruchtung. Fig. 2. Vor dem Öffnen der Geschlechtsorgane. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. vom 8. Mai 1856. 237 Nach dem Öffnen der Geschlechtsorgane. Der Befruchtungsschlauch ist bereits gebildet; er zeigt eine deutliche Öffnung an der dem Männchen zugekehrten Seite. Der Inhalt des weibl. Geschlechtsorganes hat sich zur Befruchtungskugel zusammengeballt. Augenblick der Befruchtung. Der obere Saamenkörper ist unter Abwerfen des Antheri- dium-Deckels ausgeschlüpft und durch das Loch des Be- fruchtungsschlauches in das weibl. Geschlechtsorgan ein- gedrungen. Die Figur stellt den Augenblick seines Heran- tretens an die noch nackte Befruchtungskugel vor. Nach der Befruchtung. Der ganze Saamenkörper ist unter Verlust seiner Gestalt von der Befruchtungskugel aufgenommen; einige grölsere, grüne Körperchen, welche vorher im Saamenkörper sich be- fanden, liegen in der früher farblosen vorderen Schleim- parthie der Befruchtungskugel. Diese zeigt jetzt einen scharfen Umrifs. Augenblick der Befruchtung eines zweiten Exemplares bei verschiedener Lage der Männchen und des Befruchtungsschlau- ches; a. ist der zweite aus dem Männchen ausgetretene Saamenkörper, welcher sich längs des weibl. Geschlechts- organes auf und ab bewegt, sonst wie Fig. 4. Saamenkörper in verschiedener Stellung nach ihrem Aus- schlüpfen; a. mit Jod behandelt. Eine reife Ei-Spore lange nach der Befruchtung; aus dem Verbande mit dem Mutterfaden getreten liegt sie noch in der Membran des weibl. Geschlechtsorganes und ist von dem ge- färbten Befruchtungsschlauche gekrönt. Austritt der Androsporen aus ihren kleinen Mutterzellen. Aus der Blase hervorgetretene frei schwimmende Androspore. An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Comptes rendus de Tacademie des sciences. Tome 42, no. 13—17. Pa- ris 1856. 4. Athenaeum frangais, no. 17. 18. Paris 1856. 4. L’Institut. 4me Section, no. 1163. Paris 1856. 4. 238 Gesammtsitzung vom 8. Mai 1856. Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Math.- phys. Klasse, VII, 3. Historische Klasse, VII, 1. München 1855 — 56. 4. (2 Exemplare.) E. Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte. Lieferung 29. Berlin 1856. 4. : Mittheilungen des historischen Vereins für Krain. 10. Jahrgang. Lai- bach 1855. 4. Archiv für die Landesgeschichte des Herzogthums Krain, von V. F.Klun. Heft 1—3. Laibach 1852—1854. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Redakteurs, V. F. Klun, d. d. Laibach 31. März 1856. Neues Lausitzisches Magazin. Band 33, Heft 1. 2. Görlitz 1856. 8. (2 Exemplare.) Mit Begleitschreiben des Sekretärs der Oberlau- sitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, Hrn. C. G. Th. Neu- mann, d.d. Görlitz 22. April 1856. Materialien zur Mineralogie Rujslands. 2. Band, Lieferung 16—20. Petersburg 1856. 8. Göttinger Nachrichten, no. 5. Göttingen 1856. 8. Proceedings of the geological Society of London. Vol. I. no. 1. 3—11. 24. 25. 31. Vol. II. no. 34. 35. 36. 39. 42. 43. 44. Vol. IH. no. 62. 68. 72. 73..84. Vol. IV. no. 93. 98. 103. London 1826 —1845: 8; Escayrac de Lauture, Memoire sur le Soudan. Cahier 2.3. Paris 1855—1856. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers, d. d. Paris 4. Mai 1856, Revue archeologique. 13m Annee, Livr. 1. Paris 1856. 8. O. Gianotti, Saggio di calcolo originale. Casale 1856. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers, d. d. Casale 8. April 1856. Ferd.Roemer, Über den Bau von Melonites multipora. (Bonn 1856.) 8. Astronomische Beobachtungen der Königsberger Sternwarte. 27. Abthei- lung, Theil 1. Königsberg 1856. folio. Der Fürst Friedrich zu Salm-Horstmar dankt der Akademie unterm 27. April für seine Ernennung zum Ehren- mitgliede derselben. Sitzung der physik.-math. Klasse vom 19. Mai 1856. 239 19. Mai. Sitzung der phYsikalisch-mathema- tischen Klasse. Hr. Magnus las „über die Wirkung des Wider- standes der Luft auf längliche Geschosse”. Hr. H. Rose gab einige Zusätze zur Abhandlung „über das Atomgewicht des Antimons”. Die Berichtigung des Atomgewichts des Antimons durch Hrn. Schneider ist eine so wichtige Thatsache, welche die Ansichten, welche man von der Zusammensetzung mancher Antimon-Verbindungen, namentlich der antimonsauren Salze hat, so wesentlich verändern muls, dals es mir zweckmälsig erscheint, wenn diese Bestimmung schnell eine Bestätigung finde. Kurze Zeit nach dem Erscheinen der Arbeit des Hrn, Heffter über die Zusammensetzung der antimonsauren Salze, veranlasste ich Hrn. Weber einige Versuche über das Atom- gewicht des Antimons anzustellen, in der Absicht, ob vielleicht durch eine richtigere Bestimmung desselben die verwickelten Formeln, die Hr. Heffter nach dem von Berzelius festge- stellten Atomgewicht anzunehmen gezwungen war, wesentlich vereinfacht werden könnten. Es wurde zu dem Ende das feste Chlorantimon SI £1?, durch Schwefelwasserstoffgas zersetzt, und sodann die Menge “des Chlors als Chlorsilber bestimmt. Es fand sich, was ich auch schon früher gezeigt hatte, dals ohne Anwendung von Weinsteinsäure das gefällte Schwefelantimon nicht durch Aus- waschen mit Wasser vom Chlor befreit werden konnte. Bei Anwendung derselben aber wurde das Gewicht eines Doppel- atoms des Antimons auf 1508,67 festgestellt, was nahe mit der Zahl übereinstimmt, welche Schneider aus seinen Versuchen gefolgert hat, nämlich mit 1503. Schon vor 31 Jahren hatte ich die beiden Verbindungen des Antimons mit dem Chlor analysirt, und zwar ebenfalls mit Hülfe von Weinsteinsäure. Berechnet man aus den damals ‚erhaltenen Resultaten das Atomgewicht des Antimons, und be- 240 Sitzung der physik.-math. Klasse vom 19. Mai 1856. nutzt man dabei das jetzt angenommene Atomgewicht des Chlors, so erhält man für das Gewicht eines Doppelatoms des Anti- mons die Zahlen 1513,04 und 1508,55. Hr. Encke theilte den Bericht der Commission „über die von England eingesandten Normalmaalse” mit. Die Regierung von Grofsbrittanien hat Copien ihres neuen Normal-Längenmaalses und ihres Normal-Gewichtmaalses an mehrere Regierungen des Continents, worunter auch die Kö- niglich Preufsische sich befindet, zum Geschenk gemacht. Von dem Längenmaalse sind zwei Exemplare gegeben; ein Etalon ist von Eisen, und ein zweiter von demselben Metall aus wel- chem das Original besteht. Die Copie des Normal-Gewichtes ist dagegen nur eine einzige. Die Königlichen Behörden, für welche dieses werthvolle Geschenk ein besonderes Interesse hat, haben sich zufolge einer aus England gemachten Mittheilung über dasselbe in der Art geeinigt, dals diese Gegenstände als ein Eigenthum der Königlichen Akademie der Wissenschaften angesehen werden, wie das Königliche Handelsministerium es ausdrücklich aner- kannt hat, dals dagegen diese wichtigen Etalons in dem sehr zweckmälsigen Lokale der hiesigen Normal-Eichungs-Commis- sion aufbewahrt werden, in welchem sich auch das Preufsische Original-Längenmaals befindet, und dafs sie unter derselben sorgfältigen Aufsicht wie dieses stehen. Im Falle des Ge- brauchs bei einer künftigen genauen Vergleichung werden beide Behörden sich gegenseitig benachrichtigen. Der Akademie wird a jedesmal zustehen sich für ihre Untersuchungen diese Gegen- stände verabfolgen zu lassen und die von dem Handelsministe- rium ressortirende Normal-Eichungs-Commission wird, falls sie eine Anwendung zu machen beabsichtigt, der Akademie eine Mittheilung zugehen lassen, um die Theilnahme der Mitglieder der Akademie an der Untersuchung zu ermöglichen. Es ist mit dem, von dem Königlichen Handelsministerium dazu auto- risirten Direktor der Normal- Eichungs - Commission Hrn. Ge- heimen Regierungsrathe Brix eine schriftliche Übereinkunft darüber unter dem 19. April 1856 von Seiten einer Com- mission der Akademie abgeschlossen worden. Gesammtsitzung vom 22. Mai 1856. 241 Die für eine genaue Vergleichung erforderlichen Angaben über den Unterschied zwischen der CGopie und dem englischen Originale, so wie über die Temperatur und den Barometerstand, für welchen dieser Unterschied gültig ist, sind in zwei gleich- lautenden Schriftstücken aufgezeichnet und den Maalsen bei- gegeben. Durch eine spätere Mittheilung sind sie noch ver- vollständigt worden. Hr. Klotzsch legte zwei von Madera eingesandte Auf- sätze des Hrn. Dr. Schacht „über die Structur und Entwickelung der CGorallinen”, welche von vielen saubern Abbildungen begleitet ist und „über die Be- fruchtung der phanerogamen Planzen” vor. Er be- hielt sich vor die Resultate der letzteren Arbeit in einer der nächsten Sitzungen der Akademie mitzutheilen, 22. Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Riefs las „über den Einflufs der Leitung eines elektrischen Stromes auf die Art seiner Ent- ladung”. Die Gesetze, nach welchen die Naturkräfte wirken, sind nicht einfach; sie erscheinen uns nur einfach in der Vorstellung, welche die Kräfte von den Umständen befreit, unter welchen sie gewöhnlich wirken, einfach im Versuche, der in gewissen Gränzen gehalten wird. Ist die Beschränkung des Versuches nothwendig, um zu einfachen Naturgesetzen und damit zu einem Leitfaden bei der Beurtheilung der verwickelten Wirkung zu gelangen, so bleibt es nicht minder nöthig, dieselbe aufzugeben, damit nicht der Glaube an die unbedingte Gültigkeit jener Ge- setze erweckt, und der Weg zu Fehlschlüssen offen gelassen werde. Es ist der Zweck der vorliegenden Untersuchung, zu zeigen, dals die Gränzen, innerhalb welcher die überaus nütz- lichen Gesetze der elektrischen Leitung gelten, leicht zu über- schreiten sind, und die nöthige Vorsicht bei der Anwendung dieser Gesetze zu empfehlen. [1856] 18 242 Gesammtsitzung Die elektrischen Leitungsgesetze lehren die Abhängigkeit verschiedener elektrischen Erscheinungen von dem Stoffe und den Dimensionen der dem Versuche unterworfenen Körper, und dadurch das sogenannte Leitungsvermögen der Körper bei Ein- heit der Dimensionen zu bestimmen. Das Leitungsvermögen ist in verschiedener Weise gemessen worden, je nachdem es als Ursache der einen oder der andern Erscheinung betrachtet wurde. Zuerst und im eigentlichsten Sinne ist mit dem Aus- drucke: elektrisches Leitungsvermögen eine Eigenschaft der Körper bezeichnet worden, vermöge welcher, wenn sie an einen elektrisirten Körper angelegt werden, dieser in den unelektri- schen Zustand zurücktritt. Die Beobachtung war hiernach auf den elektrisirten Körper gerichtet, und auf die Zeit, in wel- cher eine Änderung seines elektrischen Zustandes eintrat. Dem angelegten unelektrischen Körper, welcher der entladende ge- nannt wird, schrieb man ein desto gröfseres Leitungsvermögen zu, in je kürzerer Zeit er den elektrisirten Körper entladen hatte. Diese Untersuchung hat zu einer rohen Eintheilung aller Körper geführt, und sichere Gesetze nur für wenige schlechtleitende Körper geliefert, in Bezug auf welche die all- gemeine Bezeichnung Leitung mit der speziellen: Zerstreuung (französisch: deperdition) der Elektrieität vertauscht wurde. Zu diesem Zwecke wird die Methode noch jetzt gebraucht. Die Untersuchung wendete sich deshalb ab von dem elektrisirten Körper, und richtete sich auf den entladenden Körper selbst. Dieser erfährt während der Entladung verschiedene Änderungen seines Zustandes, von welchen ich die Erwärmung, als die hier maalsgebende, erwähne. Es wurde die Erwärmung beobachtet, welche verschiedene Körper bei der Entladung eines elektri- sirten Körpers erfuhren, und ihnen ein desto geringeres Lei- tungsvermögen zugeschrieben, je wärmer sie geworden waren. Aber diese Versuche konnten zu keinem einfachen Gesetze führen, ehe die Gesetze bekannt waren, die durch eine andere Art der Untersuchung bestimmt wurden. In dieser dritten, von mir angewandten, Untersuchungsweise wird nur ein Theil des entladenden Körpers verändert, die Erwärmung des an- dern Theiles untersucht, und aus der gröfseren oder geringeren Erwärmung des unveränderlichen Theiles auf das grölsere oder vom 22. Mai 1856. 243 geringere Leitungsvermögen des veränderlichen geschlossen. Hierdurch erhält der Ausdruck Leitungsvermögen eine zweite Bedeutung, die hypothetisch mit der ersten identisch ist, in- sofern wir die grölsere Erwärmung der geringeren Zeit zu- schreiben, in welcher die elektrische Entladung vollendet ist. Die Erwärmung im unveränderlichen Theile des entladenden Körpers wird zum Maalse des ganzen Entladungsstromes ge- nommen. Diese Bestimmung hat genaue und constante Re- sultate geliefert, die in einfache Gesetze vereinigt werden konnten, so dafs jetzt der sogenannte Verzögerungswerth eines Drathes, der zu seinem Leitungswerthe in reciprokem Verhält- nisse steht, aus der Kenntnils seines Stoffes und seiner Di- mensionen mit Sicherheit abgeleitet werden kann. Dabei aber, und ich habe an mehreren Stellen meiner Wärmeuntersuchungen darauf aufmerksam gemacht, ist vorausgesetzt, dals der elek- trische Entladungsstrom, zu dessen Leitung ein solcher Drath verwendet werden soll, eine Dichtigkeit besitzt, die eine be- stimmte Gröfse nicht übersteigt. Mit Überschreitung dieser Gränze wird nämlich die Entladungsart, die ich als die conti- nuirliche bezeichnet habe, gänzlich verändert, und damit hört die Gültigkeit des vorher bestimmten Verzögerungswerthes des Drathes auf. In einer früheren Abhandlung ') habe ich ge- zeigt, dals gewisse Wirkungen, wie Glühen und Schmelzen von Metallen, gar nicht durch die Entladungsart der Elektri- eität geleistet werden, für welche die Gesetze der elektrischen Erwärmung ermittelt worden sind, dals zur Hervorbringung dieser Wirkungen die Entladungsart der Elektricität durch Stei- gerung ihrer Dichtigkeit geändert werden muls, und dafs da- | mit zugleich der Verzögerungswerth der gebrauchten Metall- dräthe periodischen Änderungen unterliegt. Ich habe’ dazu anhangsweise bemerkt, dals diese Änderung der Entladungsart nicht nur in starren Körpern, sondern auch in Flüssigkeiten und in Luft vorkommt, und sich dort durch eine auffallend grolse Änderung des Verzögerungswerthes der entladenden Kör- per bemerkbar macht. Der Einflufs der Stromleiter auf den Entladungsstrom der leydener Batterie wird daher als ein zwie- ‘) Abhandl. d. Akad. d. Wissensch, 1845 $, 89. 18* 244 Gesammtsitzung facher aufgefalst werden müssen. Erstlich verursacht der Lei- ter nach seiner Beschaffenheit eine Verzögerung des Fort- schrittes des Stromes, er setzt ihm,.nach dem beliebten Aus- drucke, einen Leitungswiderstand entgegen, ohne jedoch die Art des Fortschrittes zu ändern. Diese Wirkung des Leiters“ kann, als die bisher am eifrigsten und erfolgreichsten unter- suchte und auf einfache Gesetze zurückgeführte, als die nor- male Wirkung betrachtet werden. Zweitens aber verändert der Leiter bei einer gewissen Beschaffenheit, die durch die Dich- tigkeit des zu leitenden Stromes bestimmt wird, die Gangart der Entladung. Die in diesem Falle gemessene Stromstärke kann mit dem Werthe verglichen werden, den sie bei normaler Entladung besitzen würde. Diese Vergleichung bildet den Ge- genstand der folgenden Untersuchung, die das bemerkenswerthe Resultat gegeben hat, dals bei Änderung der Entladungsweise eine gänzliche Veränderung der Leitungsgesetze statt findet. Nicht nur, was ich schon früher hervorgehoben habe, dals die Verzögerung der Entladung nicht mehr nach den geltenden Formeln zu berechnen ist, so kommen Fälle vor, in welchen die Stromstärke durch dieselben Umstände für die verschiedenen Entladungsarten in entgegengesetztem Sinne verändert wird. Die gewöhnliche Entladung, die ich als die continuirliche be- zeichnet habe, geht in die ungewöhnliche (discontinuirliche) durch Zwischenstufen über, und die Leitungsgesetze erhalten dabei eine solche Verwickelung, dals sich nicht hoffen läfst, sie auf einfache Regeln zurückzuführen. Was die äufsere Erscheinung der ungewöhnlichen Ent- ladungsart betrifft, so ist sie in Luft und Wasser seit langer Zeit bekannt und vielfach studirt worden, unter dem Namen der Lichterscheinungen der Elektricität. In einer nachgelassenen Schrift von Hausen') finden sich zuerst die drei elektrischen Lichterscheinungen in Luft bestimmt von einander getrennt, die wir jetzt als die Funken-, die Büschel- und die Glimm- Entladung unterscheiden. Bei der Entladung in verdünnter Luft ist 1766 von Beccaria?) das Licht an der positiven !) Novi profectus in historia electrieitatis* Lips. 1743. ?) Elettrie. artificiale* Torino 1772 p. 52. vom 22. Mai 1856. 245 Elektrode als Licht des Herausganges (sporgimento) von dem an der negativen, Licht der Anschwellung (ringorgo), getrennt worden. Die ausführlichste Untersuchung dieser Lichterschei- nungen in Luft und Gasen hat Faraday in der 12ten und 13ten Reihe seiner Experimental-Untersuchungen gegeben und dabei die merkwürdige dunkele Entladung entdeckt. Die erste Beob- achtung der ungewöhnlichen (leuchtenden) Entladung in Was- ser ist von Beccaria'). In den philosophical Transactions for 1785?) hat Cadogan Morgan die wichtige Erfahrung hinzugefügt, dafs diese Entladung desto schwieriger erfolgt, je besser leitend das Wasser ist, indem die Funken leichter in kaltem Wasser erhalten wurden, als in heifsem, und gar nicht in Wasser, dem eine Säure hinzugesetzt war. Ich werde im Folgenden auf diese äulseren Erscheinungen der discontinuir- lichen Entladung nur beiläufig eingehen, da sie keineswegs die nothwendigen Begleiter der discontinuirlichen Entladung sind, die sich in den veränderten Leitungsgesetzen ausspricht, ehe noch das Auge von der veränderten Entladung unterrichtet wird. Gerade diese dem Auge verborgenen Übergänge der gewöhnlichen Entladungsart in eine andere sind dem Beob- achter am gefährlichsten, und sie sind es, auf welche ich die Aufmerksamkeit am meisten zu lenken wünsche. Änderung der Entladung durch einen metallischen Stromleiter. Untersucht man die Erwärmung, welche die Entladung einer leydener Batterie an einer constanten Stelle des Schlielsungs- bogens erregt, zu welchem beliebige, nach Stoff und Dimen- sionen bekannte Dräthe hinzugesetzt werden, so genügen be- kanntlich zwei Beobachtungen, um alle übrigen Versuche, die aufserdem noch durch die Ladung der Batterie geändert wer- den können, auf das Genaueste zu berechnen. Ich stellte die einfachsten Versuche dieser Art an, indem ich die Batterie un- geändert liels (4 Flaschen, jede von 2,6 Quadratfuls innerer Belegung), dieselbe stets mit gleicher Elektricitätsmenge lud ‘) Elettr. art. p. 250. ?) Abridged by Hutton etc.* 15. 673. 246 Gesammtsitzung f (22 Einheiten der Maafsflasche, deren Kugeln 4 Linie von ein- ander entfernt standen) und zum Schliefsungsbogen, in aufein- ander folgenden Versuchen, sieben Dräthe hinzusetzte, die aus demselben Platin zu verschiedener Dicke gezogen waren, und im Schlielsungsbogen genau 2 Zoll einnahmen. Die an con- stanter Stelle des Bogens untersuchte Erwärmung sollte daher allein abhangen von dem Halbmesser r des zugesetzten Drathes nach dem einfachen Ausdrucke d = in welehem ich aus 1+ 2 dem ersten und vierten Versuche die Constanten bestimmt hatte (log. a= 1,0322 log. d = 6,72647). Dies war aber nicht der Fall, wie die folgende Zusammenstellung zeigt, in welcher die Er- wärmungen Mittel aus 3 Beobachtungen des elektrischen Ther- mometers sind. Unterschied Zahl des Halbmesser der einge- Erwärmung im Schliefsungsbogen in Theilen des Versuches. schalteten Dräthe. beobachtet. berechnet. berechn. WVerthes. 1 0,06685 par. Lin. 96,3 Lin. 56,8 2 5952 39,3 39,26 3 5000 92,2 92,40 4 4053 48 48 9 2357 3354 38,46 — 0,132 6 2039 24,3 28,63 0,134 HL 1850 16,6 19,19 0,135 In Bezug auf die Berechnung des letzten Versuches ist zu bemerken, dafs, weil der Drath dabei zerstört wurde, nach früheren Versuchen nur 0,77 der angehäuften Elektricitätsmenge mit der ganzen Dichtigkeit in Rechnung gesetzt werden mulste. Die Tafel zeigt, dals von den 7 nach abnehmender Dicke ge- ordneten Platindräthen, die zu dem constanten auf Erwärmung untersuchten Schlielsungsbogen hinzugesetzt wurden, die 4 er- sten die angehäufte Elektricität genau nach den früher ermit- telten Gesetzen leiteten, die letzten drei Dräthe aber bedeutend davon abwichen. Bei diesen Dräthen sind die beobachteten Erwärmungen nahe um ein Achtel des Werthes kleiner, als sie nach den Leitungsgesetzen sein sollten. Dem Platin würde, wenn wir es nach diesen Gesetzen beurtheilten, in den 3 letz- ten Versuchen ein veränderliches, bedeutend geringeres Lei- vom 22. Mai 1856. 247 tungsvermögen zukommen, als das constante in den 4 ersten Versuchen, und zwar würde das Leitungsvermögen im 6ten Versuche grölser gefunden werden, als im öten, also nicht un- bedingt mit der Erhitzung des Platindrathes abnehmen. Die Versuche sind eine Folge des in meiner oben erwähnten Ab- handlung erwiesenen Satzes, dals ein elektrischer Strom, der Metalle mechanisch verändert oder sie zum Glühen oder Schmel- zen bringt, sich darin in ganz verschiedener Weise fortpflanzt, als in dem Falle, wo er keine solche Wirkung hervorbringt. Im 7ten Versuche wurde der Platindrath jedesmal glühend zer- sprengt, und im 6ten wurde er in ganzer Länge rothglühend- Auch im öten Versuche, wo keine leuchtende Erscheinung die veränderte Entladungsart anzeigte, konnte nach öfterer Wieder- holung die, als Merkmal für diese Entladung angegebene, stumpf- winklige Einbiegung des Drathes bemerkt werden. Dafs der Einfluls, den die Dimensionen des Drathes auf die Entladungs- art des Stromes haben, auch vom Stoffe des Stromleiters ge- übt wird, folgt aus der Erfahrung, dals sehr verschiedene elek- trische Auhäufungen nöthig sind, um Dräthe verschiedenen Stoffes zum Glühen zu bringen. Die gewonnene Erfahrung läfst sich so ausdrücken. Die, durch die Erwärmung gemessene, Stärke des Stromes hängt von drei Faktoren ab: von der Menge, von der Dichtigkeit der in der Batterie angehäuften Elektri- eität, und von dem Leitungszustande des Schlielsungsbogens. Die für die Stromstärke gefundenen Formeln gelten nur so lange, als die Entladung im Bogen continuirlich geschieht, und diese Art der Entladung wird, wenn die Ladung der Batterie constant erhalten wird, durch Stoff und Dimensionen des Schlielsungsbogens bestimmt. Das Eintreten der ungewöhn- lichen Entladung ist nicht immer an dem von ihr erfalsten Stücke des Schlielsungsbogens durch eine äulsere Erscheinung sichtbar, wird es dann aber bei geringer Verstärkung der La- dung der Batterie. Um sich daher von einem gegebenen Drathe zu versichern, dals er eine gegebene Batterieladung in nor- maler Weise leite, und auf ihn die Leitungsgesetze anwendbar ‚seien, ist es nöthig, die Ladung der Batterie zu verstärken, und darauf zu achten, ob nicht der Drath erschüttert wird oder eine Einbiegung erhält. 248 Gesammtsitzung Je besser das Metall eines Dratbes die Elektricität in nor- maler Entladungsart leitet, desto dünner muls er sein, um eine gegebene Batterieladung in ungewöhnlicher Weise zu ent- laden. Es wird dies durch die verschiedene Batterieladung sichtlich gemacht, welche Dräthe verschiedenen Metalles be- dürfen, um ins Glühen zu gelangen. Wendet man daher bei gleicher Batterieladung verschiedenartige Dräthe zur Entladung an, so kann es kommen, dals der aus besserleitendem Stoffe die Entladung normal leitet, während der andere schon die unge- wöhnliche Entladung veranlalst. Dies ist bei der Bestimmung des Leitungsvermögens der Metalle zu beachten, wobei zur Vermeidung grolser Längen, gewöhnlich dünne Dräthe ge- braucht werden. Da bei der ungewöhnlichen Entladung der Verzögerungswerth grölser erscheint, als bei der gewöhnlichen, so ist die Folge, dals in dem Falle einer zwiefachen Entla- dungsart, der Unterschied im Leitungsvermögen der geprüften Metalle grölser gefunden wird, als er ist. Die grölsere Leich- tigkeit, mit welcher die ungewöhnliche Entladung in den schlechteren Leitern zu Stande kommt, erklärt eine auffallende Erscheinung bei der Theilung des elektrischen Stromes. Hat sich nämlich der Strom zwischen Zweige von sehr verschie- denem Leitungsvermögen zu theilen, so geht er, nach dem bekannten Gesetze der Theilung, fast vollständig durch den besseren Leiter. Dies ist so lange der Fall, als die continuir- liche Entladungsweise statt hat; tritt bei gesteigerter Elektri- citätsmenge oder verringerten Dimensionen des guten Leiters, in diesem die discontinuirliche Entladung auf, so kann ein grolser Theil des Stromes durch den schlechten Leiter gehen. So sah van Marum einen 36 Zoll langen Eisendraih, der durch eine starke Ladung seiner Batterie ins Glühen versetzt wurde, mit einer breiten Lichthülle umgeben, und Erfahrungen bei Blitzschlägen geben dafür Belege, dals ein Theil des Blitzes auch bei vorhandener Leitung durch zusammenbhängendes Metall, durch den viel schlechter leitenden menschlichen Körper und durch Luft geht. Ich werde weiter unten hierzu einen Ver- such in verdünnter Luft anführen. vom 22. Mai 1856. 249 Änderung der Entladung durch einen flüssigen Stromleiter. Die Genauigkeit, welche bei metallischer Schlielsung den Messungen der Stromstärke am Thermometer mit leichter Mühe gegeben werden kann, ist nicht zu erreichen, wenn die Schlielsung an einer Stelle durch eine Flüssigkeit unterbrochen ist. Dennoch eignen sich diese Versuche ganz besonders, den Einfluls des Stromleiters auf die Entladungsart zu zeigen, da die Stromstärke hier, je nach der Entladungsart, aulserordent- lich verschieden ist, und die Entladungsart sehr leicht wech- sel. Im vorigen Abschnitte habe ich den Leitungswerth des veränderlichen Stückes der Schlielsung durch die Dicke eines und desselben Metalles geändert; hier war es bequemer, die Änderung am Stoffe selbst, ohne Änderung seiner Dimen- sionen, vorzunehmen, indem das Leitungsvermögen von destil- lirtem Wasser durch Zusatz von Kochsalz allmählig gesteigert wurde. Ein Trog aus Guttapercha, 8% Zoll lang, 1%, Zoll breit und hoch, wurde mit 15 Unzen destillirten Wassers ge- füllt. Zwei dicke, mit Glasröhren bekleidete und an einem Glasstabe befestigte, vertikal in das Wasser gehängte, Kupfer- dräthe trugen am untern Ende Klemmen, mittels welcher zwei, fast 1 Linie dicke, Platindräthe horizontal einander gegenüber- gestellt waren. Die ebenen Endflächen der Platindräthe waren 4 Linie von einander entfernt. Diese Vorrichtung wurde in den Schlielsungsbogen einer, aus 3 Flaschen bestehenden, Bat- terie eingeschaltet, die stets mit derselben Elektricitätsmenge (14 der früher angegebenen Einheit) geladen war. Ein in der Schliefsung befindliches Thermometer gab die Stromstärke bei der Entladung an. Vor jeder Beobachtung wurden die Elek- iroden aus dem Wasser genommen, die einander zugewandten Platinflächen mit Fliefspapier getrocknet und mit Sandpapier gerieben. In der folgenden "Tafel sind die einzelnen Beob- achtungen verzeichnet, in der Ordnung, in welcher sie er- halten wurden; die erste Spalte gibt das Gewicht des getrock- neten Kochsalzes an, das im Wasser gelöst war. 250 Gesammtsitzung in 7200 Gran Wasser ge- löstes Chlornatrium. Erwärmung im Schliefsungsbogen. Mittel. 91 86,5 85,3 70,3 83 74,8 81,3 3 Gran 14.519 41,7 9112 48 12,6 6 DemaT D =0,77 OnRT 5, 9 DT ER 7” 12 pl A Kar = ae la 8,9 24 15 15 153 15 "19,2 13,2 15 48 24,3 24,6 23,4 23,5 23,8 23,7 23,9 Der Gang der Stromstärke in diesen Versuchen ist sehr auffallend. Im Gegensatze zu der Erfahrung, dafs reines Was- ser ein unvollkommener Leiter der Elektricität ist, dessen Lei- tungsvermögen durch Zusatz von Kochsalz eine grolse Ver- besserung erfährt, sieht man in den ersten beiden Reihen durch einen geringen Zusatz von Kochsalz (0,041 Procent) die Strom- stärke von 81,3 zu 12,6 sinken. “Die begleitende Entladungs- erscheinung gibt keinen Aufschluls über den Grund dieser Ab- nahme, da sie in beiden Reihen dieselbe war, ein blendender Funke, der mit dumpfem Knalle durch das Wasser ging. In der dritten Reihe erschien weder Funke noch Geräusch, es war eine sichtliche Änderung der Entladung eingetreten, und damit ein weiteres Sinken der Stromstärke bis 5,3. Von hier an blieb die Entladungsart die normale, continuirliche, und die mit der Menge des gelösten Salzes steigende Stromstärke den bisherigen Erfahrungen entsprechend. Betrachten wir die Be- obachtungsreihe in umgekehrter Ordnung, als in welcher sie angestellt war, so folgt, dafs wenn eine bestimmte elektrische Ladung durch eine Salzlösung entladen wird, deren Lei- tungsvermögen durch Entziehung des gelösten Salzes successiv verringert wird, der Entladungsstrom so lange an Stärke ab- nimmt, als die continuirliche Entladungsart statt findet. Bei einem gewissen Grade des verminderten Leitungsvermögens der Flüssigkeit wird die Entladungsart geändert, und damit tritt eine Verstärkung des Stromes ein. Bei fortdauernder Vermin- derung des Leitungsvermögens nimmt auch die Änderung der Entladungsart zu und der Strom erreicht, wenn das Salz voll- ständig aus dem Wasser entfernt ist, eine so auffallende Stärke, dafs sie auch der flüchtigsten Beobachtung nicht entgehen kann. _ vom 22. Mai 1856. 251 Durch die am schlechtesten leitende Flüssigkeit ist in den hier mitgetheilten Versuchen eine Stromstärke hervorgebracht wor- den, die bei normaler Entladungsart nur durch eine sehr voll- kommen leitende Flüssigkeit hätte erzeugt werden können. Während also bei dem metallischen Stromleiter der Wechsel der Entladungsart, bei Verminderung seines Leitungswerthes, nur in der Nichtübereinstimmung der genau ermittelten Werthe der Stromstärke mit den nach den Leitungsgesetzen berech- neten hervortrat, ist bei Anwendung eines flüssigen Strom- leiters die veränderte Entladung durch die im entgegenge- setzten Sinne veränderte Stromstärke unmittelbar deutlich. Aber noch durch einen andern Umstand ist der flüssige Strom- leiter zur Demonstration der verschiedenen Entladungsarten besonders geeignet. Wenn bei dem metallischen Stromleiter die Bedingungen zur ungewöhnlichen Entladung vorhanden sind, so ist es nicht möglich, die normale Entladung herbeizuführen, und so direkt den Unterschied des Einflusses beider Entladungs- arten auf die Stromstärke zu zeigen. Dies ist bei dem flüs- sigen Stromleiter sehr leicht, ja es macht sich von selbst, wenn man einen Versuch öfter wiederholt. Ich habe oben bei der Beschreibung der Versuchsweise gesagt, dafs vor jedem Ver- suche die Elektroden aus dem Wasser gehoben, getrocknet und die einander gegenüberstehenden Platinflächen mit Sandpapier gerieben wurden. Unterläfst man diese Vorsichtsmalsregel nach einem Versuche, der eine Funkenentladung im Wasser gegeben hat, so erscheint bei der Wiederholung des Versuches die Strom- stärke gewöhnlich kleiner, aber nach öfterer Wiederholung bleibt der Funke unfehlbar aus. Als die Elektroden im destil- lirten Wasser stehen blieben, gaben die 3 ersten Versuche die Stromstärken 76 67,5 60,5, bei dem 4ten und jedem folgenden Versuche wurde weder Funke noch Erwärmung beobachtet. So erhielt ich im Mittel aus mehreren Versuchen, in welchen die Entladung licht- und geräuschlos statt fand, in destillirtem Wasser statt der Stromstärke 81,3 keine wahr- nehmbare, in Wasser mit 0,041 proc. Kochsalz ,, I 12,6 die Strom- stärke 3,6. Deutlicher ist der Unterschied der discontinuirlichen und con- 252 Gesammtsitzung tinuirlichen Entladungsart wol kaum aufzuzeigen. Zugleich ist durch diese Versuche nachgewiesen, dafs bei der Funkenent- ladung in der schwachen Kochsalzlösung die Entladung, trotz der gleichen Erscheinung, in anderer Weise vor sich geht, als im destillirten Wasser, da durch Verwandlung dieser Ent- ladung in die continuirliche zwar eine grolse Verringerung der Stromstärke bewirkt wurde, diese Verringerung aber viel klei- ner war, als im destillirten Wasser. Es fand daher entweder im Salzwasser die Entladung theils continuirlich theils discon- tinuirlich statt, oder sie bildete, was wahrscheinlicher ist, eine von beiden Arten verschiedene Entladungsart. Den Grund der merkwürdigen Änderung der discontinuir- lichen Entladung in die continuirliche durch die Wirkung einer vorangegangenen Entladung suchte ich anfangs in der Bildung von Salpetersäure in dem lufthaltigen Wasser, und dem durch Capillaranziehung bewirkten Anhaften derselben an den Elek- trodenflächen. Aber dagegen sprach die Erfahrung, dals die continuirliche Entladung auch nach Verlauf von 2 Stunden statt fand, wenn die Elektroden während der Zeit im Wasser ge- blieben waren, dafs die Elektroden darin heftig geschwenkt werden durften, und dafs die Erscheinung nicht geändert wurde, wenn auch das Wasser vor dem Versuche lange Zeit im Ko- chen erhalten worden war. Es gab kein anderes Mittel, die durch eine vorangegangene Entladung verlorene Funkenent- ladung wieder zu erhalten, als die Elektroden aus dem Wasser zu nehmen; häufig genügte danach das Trocknen mit Fliels- papier, oder freiwilliges Trocknen, dem die Elektroden einige Zeit lang ausgesetzt wurden, unfehlbar aber wirkte das Reiben der Elektrodenflächen mit Sandpapier. Der Grund der Hin- derung der Funkenentladung war demnach zu suchen in dem Zustande der Reinheit, den nach Faradays schöner Entdeckung die Elektroden annehmen, die einen voltaischen Strom in eine zersetzbare Flüssigkeit leiten, wonach die veränderten Metall- flächen vollständig von der Flüssigkeit genetzt werden (experim. research. 588. 633). Hatte eine solche Änderung des Ober- flächenzustandes der Elektroden auch durch den Entladungs- strom der leydener Batterie statt gefunden, so diente das Ab- reiben mit Sandpapier dazu, den früheren Zustand der Ober- 4 3 . | vom 22. Mai 1856. 253 fläche wieder herzustellen, und das Benetzen durch die Flüs- sigkeit zu erschweren. Hierzu gab es aber ein einfacheres Mittel, das Bestreichen der Elektroden mit Olivenöl, und dies be- währte sich auf das Vollkommenste. An den Platinelektroden, welche, nach vorangegangenen Entladungen nur die continuir- liche Ladung gestatteten und daher im Thermometer keine merkliche Erwärmung hervorbrachten, wurden die Endflächen mit einer dünnen Ölhaut bekleidet, indem sie mit einem frisch geölten Papiere gerieben wurden. In das Wasser gebracht, gaben diese Elektroden in 10 kurz nach einander angestellten Versuchen die Funkenentladung, und dabei wurden im Ther- mometer folgende, durch ihre Übereinstimmung bemerkens- werthe Stromstärken beobachtet: 91 89 85 86 84 84'82 86 89 83. Hierauf wurden die Elektroden aus dem Wasser ge- nommen und durch Fliefspapier von ihrer Ölhaut befreit. Die nächsten 3 Beobachtungen gaben die Stromstärken 71,5 0 0; in den beiden letzten Fällen war wiederum die normale Ent- ladung eingetreten. Die Ölhaut wirkt eine längere Zeit hin- durch, wird aber durch wiederholte elektrische Entladungen entfernt. Ich liels die mit Öl gestrichenen Elektroden im ‚Wasser, und entlud durch sie die Batterie in langen Zwischen- räumen. Nach der 10ten Entladung, die 70 Stunden nach der ersten statt fand, blieb die Wirkung des Öles aus. Die Wirk- samkeit des Öles wird noch viel auffallender, wenn man sie unter Umständen prüft, die sonst keine Funkenentladung zu- lassen. Es ist seit Cadogan Morgans Versuchen bekannt, dals, um bei gegebener Entfernung der Elektroden Funken in einer Flüssigkeit zu erzeugen, eine desto stärkere Ladung der Batterie erfordert wird, je besser leitend die Flüssigkeit ist. In den oben mitgetheilten Versuchen war die Dichtigkeit der Elektricität so gewählt, dafs nur in der schwächsten Salzlösung eine discontinuirliche Entladung statt fand. Es war daher bei Anwendung der stärkeren Salzlösungen kein Funke erschienen, Als hingegen die Flächen der Elektroden mit einer Ölhaut be- deckt wurden, erhielt ich Funken in allen angewandten Lö- sungen '). Der Unterschied der Stromstärken bei continuir- ") Noch wirksamer als Olivenöl ist starres Fett. Als die Flächen der Elektroden mit Butter oder Schweineschmalz gestrichen waren, ging die 254 Gesammisilzung licher und discontinuirlicher Entladung war desto geringer, je eoncentrirter die Lösung war, was dahin deutet, dafs es mehr und weniger discontinuirliche Entladungen gibt. So fand ich bei eontinuirliche discont. Ent. Wass. mit 0,16 pr. Kochsalz dieStromstärken 7,3 7,3 43 40;7 ” „» 0,66 5 ) ” „ 20 19,6 26,7 31,7 Diese Versuche, die weiter auszuführen hier nicht der Ort ist, bestätigen auf lehrreiche Weise die Vermuthung, die ich früber (Pogg. Annal. 78. 445) über den Mechanismus der dis- continuirlichen Entladungsart geäufsert habe. Das Wesen die- ser Entladungsart wurde dahin bestimmt, dafs die Entladung, die bei der normalen Art von einem Querschnitte des Strom- leiters zu dem nächst folgenden continuirlich fortschreitet, an einem Querschnitte stockt, der dadurch eine grölsere elek- trische Dichtigkeit erhält, als früher, und dafs sich in Folge davon die Entladung von diesem Querschnitte zu einem ent- fernter liegenden stofsweise fortpflanzt. Bei grofser Dichtig- keit der in der Batterie angehäuften Elektricität findet diese Entladungsweise in jedem Körper unbedingt statt. Wir sehen nun in den mitgetheilten Versuchen die Bedingung zu dieser Entladung in destillirttem Wasser durch die Dichtigkeit der angehäuften Elektricität gegeben, aber dennoch die Entladung nicht statt finden, wenn nicht eine äufsere Veranlassung des Stockens der Entladung hinzukommt. Diese in gewisser Be- ziehung zufällige Veranlassung gibt die vorhandene Unreinbheit der Elektrodenflächen, der zufolge diese Flächen mit dem näch- sten Querschnitte der Flüssigkeit nicht in unmittelbare Berüh- rung kommen. Wird diese Veranlassung durch eine Wirkung der discontinuirlichen Entladung selbst gehoben, kommt die Elektrode in innige Berührung mit der Flüssigkeit, so tritt wieder die continuirliche Entladung ein. Ein weit kräftigeres Hindernils für die Fortschreitung der Entladung, als die natür- liche Unreinheit der Metallfläche, und daher eine wirksamere Einleitung der discontinuirlichen Entladung bietet der dünnste hier gebrauchte Ladung der Batterie mit Funken durch eine Salzlösung mit 9,4 proc. Kochsalz (eine stärkere Lösung habe ich nicht versucht). Der Funke war röthlich und das ihn begleitende Geräusch schwach. vom 22. Mai 1856. 255 Überzug mit einer Ölhaut, wobei es sehr merkwürdig ist, dafs auch in den Salzlösungen, für welche die gebrauchte Dichtig- keit der Ladung tief unter der Gröfse stand, mit welcher die Entladung in der Lösung intermittiren würde, eine disconti- nuirliche Entladung eintrat, wenn die Ölhaut das erste Stocken der Entladung veranlalst hatte. Diese Thatsache schlielst sich der früher von mir angeführten Erfahrung an, dals wenn eine in Luft intermittirende Entladung (ein Funke) eine Metallfläche trift, die Entladung auch noch in einer mefsbaren Tiefe im Metalle discontinuirlich statt findet, wie sich an der daselbst nach längerer Einwirkung sehr deutlichen Veränderung des Metalles zeigen lälst. Auch scheint mir damit, wie hier bei- läufig erwähnt wird, die Ursache von Erscheinungen deutlich zu werden, die anderen Gebieten der Elektricitätslehre ange- hören. An einer mächtigen voltaischen Batterie, wie mir Hr. Magnus vor längerer Zeit zu zeigen die Güte hatte, ist ein mit dem einen Pole verbundenes Geldstück leicht zu schmel- zen, wenn demselben das Ende des ändern Poldraths bis zu einer kleinen Entfernung genähert wird. An einem Magneto- Inductionsapparate kann man sich leicht davon überzeugen, dals von 2 dünnen in die inducirte Schlielsung eingeschalteten Platindräthen, das Ende des einen (mit dem negativen Pole verbundenen) Drathes zum Glühen und Schmelzen kommt, wenn es etwa 4 Linie von dem andern Drathende entfernt ist, wäh- rend beide Dräthe dunkel bleiben bei Berührung ihrer Enden. Ich glaube, dals in diesen Versuchen der Luftzwischenraum dieselbe Rolle spielt, wie die Ölhaut in den Versuchen an der leydener Batterie. So wie eine elektrische Ladung, die in einer Salzlösung continuirlich entladen würde, durch die Öl- haut an den Elektrodenflächen veranlafst wird, discontinuirlich überzugehen, so wird in den Schmelzversuchen der Luftraum zwischen den Elektroden die Veranlassung einer discontinuir- "lichen Entladung in der nächsten Metallstrecke, und in Folge davon des Glühens und Schmelzens derselbens. Änderung der Entladung durch verdünnte Laft. Es ist lange Zeit eine Streitfrage gewesen, die viele zum Theil schwierige Versuche veranlafst hat, ob die Luft durch 256 Gesammtsilzung Verdünnung an Leitungsvermögen für Elektricität gewinnt oder verliert. Die Schwierigkeit der Beantwortung dieser Frage entstand dadurch, dafs die Verschiedenheit der elektrischen Ent- ladung nicht berücksichtigt wurde. Die Luft bat in Bezug auf die continuirliche, lichtlose Entladung, die gewöhnlich Zer- streuung der Elektricität genannt wird, ein sehr geringes Lei- tungsvermögen, das mit Verdünnung der Luft abnimmt. Aber die discontinuirliche, leuchtende, Entladung kommt in Luft leicht zu Stande, leichter als in Wasser und Metall, und zwar um desto leichter, je dünner die Luft ist. Eine Elektricitäts- menge von gegebener Dichtigkeit, die in einem Luftraum von gewöhnlicher Dichte nur die Zerstreuung erfährt, kann bei Verdünnung der Luft entladen werden, wenn durch diese Ver- dünnung die Entladungsart verändert wird. Dieser sehr be- kannte Fall ist ganz analog dem im vorigen Abschnitte beban- delten, wo in einer starken Salzlösung die Entladung conti- nuirlich erfolgte, und discontinuirlich in einer verdünnten Lö- sung. Aber bei der Luft tritt noch die Verwickelung hinzu, dafs es nicht nur verschiedene Arten der discontinuirlichen Entladung gibt, die je nach der Verdünnung der Luft wech- seln, sondern dals, bei gewisser Beschaffenheit der Elektroden, die Entladungsart durch die Richtung des zu entladenden Stro- mes bedingt wird. Von den verschiedenen discontinuirlichen Entladungen in Luft werden die sogenannten Funken-, Bü- schel- und Glimm-Entladungen in verschiedenen, und zwar in dieser Ordnung zunehmenden Zeiten ausgeführt, so dals, wenn eine gegebene Elektricitätsmenge durch Funken entladen wird, im Schlielsungsbogen die stärkste, wenn durch Glimment- ladung, die schwächste Stromstärke bemerkt wird. Wenn ein Schlielsungsbogen durch einen Luftraum von gewöhnlicher Dichte unterbrochen ist, den die angewandte elektrische La- dung unter Funkenerscheinung durchbricht, so ist die Strom- stärke nur wenig geringer, als wenn der Luftraum fehlt. Bei allmählicher Verdünnung der Luftmasse würde die Stromstärke zunehmen, wenn nicht diese Verdünnung zugleich bewirkte, dafs die Funkenentladung in eine andere Entladungsart über- geht, die eine geringere Stromstärke zur Folge hat. Je nach Gestalt und Entfernung der Elektroden überwiegt bei gegebener vom 22. Mai 1856. 257 Luftdichte die eine oder andere Wirkung auf die Stromstärke, die aber, selbst bei grolsen Unterschieden der Luftdichte, sehr klein bleibt, und nur einer Reihe von Beobachtungen entnom- men werden kann. Wenn hingegen bei fortgesetzter Ver- dünnung, was unter gewöhnlichen Umständen stets geschieht, die Glimmentladung eintritt, so ist damit eine niemals zu ver- kennende Schwächung der Stromstärke gegeben. Dieser Gang der Stromstärke, bei dem Durchbrechen einer Luftschicht ver- schiedener Dichte durch eine constante Batterieladung, ist in der folgenden Versuchsreihe sichtbar, welche der bequemeren Ausführung wegen, in umgekehrter Ordnung angestellt worden ist. Es wurde mit der grölsten Luftverdünnung begonnen und so lange mit Zulassen von Luft fortgefahren, als die Ladung leuchtend überging. Die Batterie bestand aus 3 Flaschen, die stets mit der Elektricitätsmenge 10 der früher angegebenen Einheit geladen wurden. Die Elektroden waren Messingkugeln von 4% Linien Durchmesser, die, 5 Linien von einander ent- fernt, an Messingstielen in einem Glascylinder von 3& Zoll | Höhe, 1 Zoll 5% Lin. Weite einander gegenüberstanden. Die stärken sind Mittel aus 3 Beobachtungen des Thermo- | meters. Quecksilberdruck der Luft. Linien 1 5 10 20 40 60 80 100 Stromstärke im Schlielsungsbogen 29,2 34,2 36,6 37,3 39,5 37 38,5 keine Entl. Bei Veränderung der Luftdichte von 80 bis 20 Linien Druck erlitt die Stromstärke im Schlielsungsbogen eine nur geringe Änderung, nahm dann stetig ab, und wurde bei Ver- minderung des Druckes von 5 bis 1 Linie bedeutend verrin- gert. Diese Schwächung war noch etwas gröfser, als sie er- schien, da nur bei 1 Linie Luftdruck die Batterie vollständig ‚entladen wurde und bei den übrigen Versuchen ein kleiner Rückstand darin blieb. Dals die Abnahme der Stromstärke mit ‚ Verdünnung der Luft wirklich der Änderung der Entladungs- \art zuzuschreiben ist, und nicht durch die Annahme eines ab- \nehmenden Leitungsvermögens der Luft erklärt wird, läfst sich leicht zeigen. Wäre diese Annahme begründet, so mülste der- selbe Gang der Stromstärke bemerkt werden, was auch für [1856.] 19 | 258 Gesammtsitzung Elektroden angewendet würden. Ich nahm zur oberen Elek- trode einen Platindrath von + Millimeter Dicke, der durch die Deckplatte des Glaseylinders hindurchging und in der Fläche der Platte endigte, so dals nur ein Querschnitt des Drathes mit der Luft im Cylinder in Berührung kam. Eine gleiche‘ Elektrode wurde angebracht in einer Glasscheibe von 1 Zoll‘ Durchmesser, die auf dem untern Metallstiele im Cylinder be- festigt wurde. Die Entfernung der beiden kleinen Platinflächen von einander, zwischen welchen die Entladung durch Luft statt fand, betrug 5 Linien, die Ladung der Batterie war die frühere. Quecksilberdruck d. Luft. Linien 1 55’ 40° 220 720 Stromstärke 35,3 36,2 35,4 39,6 34,8 Quecksilberdruck. Linien 80 420 160 200 240 Stromstärke 33,7 33,8 338 32 keineEntl. Die Stromstärke, die bei 200 Linien Druck 32 betrug, stieg durch Verdünnung der Luft, und betrug bei 1 Lin. Druck‘ 35,3, sie befolgte also den entgegengesetzten Gang von dem in der vorigen Reihe. Den Grund hiervon gibt die Erfahrung, die ich in den Berichten d. Akad. 1855 S. 400 mitgetheilt habe, dafs keine glimmende Entladung statt findet, wenn im sehr dünner Luft die negative Elektrode eine geringe Aus- dehnung besitzt. Es fiel demnach hier die Bedingung der Schwächung des Stromes fort: die Verwandlung der Funken- Entladung in die glimmende. Dieser, je nach der Grölse der negativen Elektrode, entgegengesetzte Einfluls der Verdünnung der Luft auf die Stromstärke lälst sich bequemer aufzeigen, wenn man zwei verschieden grolse Elektroden anwendet, und die Entladung abwechselnd in entgegengesetzter Richtung durch den Cylinder gehen lälst. Es wurde zur oberen Elektrode die kleine Platinfläche in der Deckplatte des Cylinders, zur unteren die früher gebrauchte Messingkugel genommen, zwischen bei- den ein Zwischenraum von 5 Linien gelassen. Die Ladung der Batterie war die frühere. Bei jeder Luftdichte wurde der Cylinder geschlossen, auf eine isolirende Platte gestellt, und das Innere der Batterie erst mit der oberen, dann mit der un- teren Elektrode in Verbindung gesetzt. Folgende sind die aus 3 Beobachtungen hergeleiteten Stromstärken. vom 22. Mai 1856. 259 Luftdruck in Linien 1 5 10 20 40 "Stromstärke bei positiver Fläche 23,4 26,9 30,9 30,4 30,2 Fri Pr ” Kugel 32,5 32,2 31 30,3 29,6 Luftdruck in Linien 80 120 160 200 Stromstärke bei positiver Fäcke 30 30,3 30,7 keineEntl. n B4 2 Kugel 30, 30, 30,6 keineEntl. Durch Verdünnung der Luft ist die Stromstärke 30,7 bei positiver Fläche bis 23,4 gesehwächt, bei positiver Kugel bis 32,5 gestärkt worden. Eine Folge hiervon ist die in meiner früheren Mittheilung untersuchte grolse Differenz der Stärke eines Entladungsstromes, wenn seine Richtung in sehr dünner Luft gewendet wird. Diese Differenz ist je nach der Entfer- nung der Elektroden nur bis zu einer gewissen Luftdichte merklich; hier ist sie schon bei Luft von 10 Linien Druck nicht mehr sichtbar, während sie in dem früher gegebenen Beispiel, wo die Elektroden 10 Linien von einander entfernt waren, erst bei 30 Linien Druck verschwand. Der oben angeführte Satz, dals die discontinuirliche Ent- ladung in verdünnter Luft leichter als in Metall zu Stande kommt, wird durch folgende Versuche bewiesen. In dem bis- her gebrauchten Glascylinder wurden die Elektroden durch einen 2 Zoll langen, 0,119 Linie dicken Platindrath mit ein- ander verbunden, und bei möglichst verschiedener Dichtigkeit der Luft im Cylinder die Stromstärken im Schlielsungsbogen bestimmt, welche durch Entladung von 4 Flaschen erhalten wurden. Die Flaschen wurden mit verschiedenen Elektricitäts- mengen geladen; neben der beobachteten Erwärmung ist die berechnete (a) angegeben, die für die Einheit der Ladung gilt. Luftdruck 27%, Zoll. Luftdruck 1 Linie. Elektrieitätsmenge. Erwärmung a Erwärmung a 12 24,8 0,69 26 0,72 16 42 0,66 41,6 0,65 20 65,5 0,66 66,7 0,67 24 96,6 0,67 97,5 0,68 Mittel 0,67 Mittel 0,68 Die beiden Mittel der Erwärmung zeigen, dafs die Strom- stärke im Schlielsungsbogen nicht wesentlich verschieden war, 198 260 Gesammtsitzung der eingeschaltete Platindrath mochte in Luft von gewöhnlicher Dichte oder von 1 Linie Quecksilberdruck stehen. Wie die Werthe von a lehren, war auch die stärkste der angewandten Ladungen noch mit continuirlicher Entladung durch den Drath gegangen. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, wird der Unterschied der Stromstärken sehr grols, je nachdem die den Drath umgebende Luft dicht oder dünn ist. Um, wie überall in dieser Abhandlung, bei zu vergleichenden Versuchen die Ladung der Batterie constant erhalten zu können, wurde der Platindrath im Glascylinder durch einen dünneren ersetzt (0,042 Lin. Dicke). Die Wiederholung der vorigen Versuchs- reihe gab folgende Stromstärken. Luftdruck 27% Zoll; Luftdruck 1 Linie. Elektricitätsmenge. Erwärmung t) Erwärmung a 12 19,7 0,55 19,4 0,54 16 32,1 0,50 34,5 0,54 20 44,5 0,45 62,7 0,63 24 35 0,33 104 0,72 Die stetig abnehmenden Werthe von a für die Versuche bei vollem Luftdrucke lehren, dafs hier die Entladung discon- tinuirlich geschah, wie auch der Anblick des Drathes lehrte, der bei Entladung der Elektricitätsmenge 24 dunkel glühte. War die den Drath umgebende Luft bis 1 Linie Druck ver- dünnt, so ergab die erste Beobachtung dieselbe Stromstärke wie vorher, zum Zeichen, dals hier noch die continuirliche Entladungsart statt fand, bei den folgenden Versuchen nahm die Stromstärke bedeutend zu und erreichte in der letzten Beob- achtung fast das Doppelte des früheren Werthes. Die grölsere Stromstärke konnte nur dadurch herbeigeführt sein, dafs die Entladung gleichzeitig durch den Metalldrath und die ihn um- 1) Beiläufig sei bemerkt, dafs hier nur die Verhältnisse der Erwär- mungen bei dünner und dichter Luft, nicht die Erwärmungen selbst mit denen der vorigen Tafel verglichen werden dürfen. Diese wurden zwar an demselben Thermometer beobachtet; es hatte aber zu seinem Schutze an den Schlielsungsbogen ein Kupferzweig angelegt werden müssen, der das Thermometer umgab. Der Zweig hatte bei den Versuchen der vorigen Tafel 29 Zoll Länge bei % Linie Dicke, bei den hier angeführten 45 Zoll Länge bei $ Linie Dicke. vom 22. Mai 1856. 261 gebende dünne Luft statt fand, wie auch der Augenschein dar- that. Es folgt hieraus, dals so lange eine gegebene Elektrici- tätsmenge sich in einem Drathe continuirlich fortpflanzt, die Entladung nur durch den Drath geschieht, und die ihn umge- . bende dünne Luft sich als Isolator verhält; dafs hingegen, wenn die Entladung im Drathe discontinuirlich geschieht, sie auch in einer Zweigbahn durch die Luft geht, diese also die Rolle eines Leiters spielt. So ist die von Harris gemachte Erfahrung erklär- lich, dafs es einer viel gröfseren Ladung der Batterie bedarf, um einen Drath in dünner, als in dichter Luft zum Glühen und Schmelzen zu bringen. Als die Elektricitätsmenge 28 durch den zuletzt gebrauchten Drath in dünner Luft entladen wurde, erschien der Glascylinder mit Licht erfüllt, und der Drath blieb, bis auf eine schwache Einbiegung, unversehrt. Als ich den Versuch bei vollem Luftdrucke wiederholte, wurde der Drath hellglühend in mehrere Stücke zerrissen. Die Versuche dieser Abhandlung sind möglichst einfach gehalten, und deshalb die Änderungen der Entladungsart allein durch Dicke und Beschaffenheit der Stromleiter bewirkt wor- den. Zum Schlusse will ich einen zwar verwickelten und kei- ner Genauigkeit fähigen, aber in mehrfacher Beziehung lehr- reichen Versuch beschreiben, in welchem die Entladungsart in freier Luft durch den Abstand der Elektroden geändert wird. Dals bei constanter Dichtigkeit der Luft die Entladungsart und Stromstärke geändert wird durch die Entfernung der Elektroden, ist an der Batterie mit Hülfe von 2 Metallspitzen zu zeigen, die in freier Luft in den Schlielsungsbogen eingeschaltet und in verschiedenen Abstand von einander gebracht werden. An dem Conductor der Elektrisirmaschine bedient man sich zu gleichem Zwecke einer stumpfen Metallspitze, die dem Con- ductor genähert und durch einen Drath, in den ein elektrisches Thermometer eingeschaltet ist, mit der Erde verbunden wird. Besonders auffallend wird aber dieser Versuch, wenn man da- bei die Erfahrung benutzt, die Gros gemacht und nach sorg- fältiger Beobachtung in einer eigenen Schrift‘) beschrieben hat, derzufolge man von dem Conductor mittels eines eigen- ‘) Elektrische Pausen von Johann Friedrich Grofs.* Leipzig 1776. 262 Gesammisitzung thümlich geformten Metallstückes kurze und lange Funken er- hält, aber keine von dazwischen liegender Länge. Ich schraubte an das Ende des Conductors einer Elektrisirmaschine einen im Winkel gebogenen Messingdrath, dessen freier, 8 Zoll langer, 2+ Linie dicker, Schenkel horizontal lag und mit einer Mes- singkugel von 1 Zoll Durchmesser endigte. In der Verlänge- rung des horizontalen Schenkels war ein 2% Linie dicker Mes- singdrath in einer Metallhülse verschiebbar und endigte, der Kugel gegenüber, in einem Metallstück, das die Form eines geraden Cylinders hat, auf den ein abgestumpfter gleichseitiger Kegel aufgesetzt ist. Der cylinderförmige Theil des Metall- stückes ist 84 Linie breit, 24 Lin. hoch, die Seitenlinie des abgestumpften Kegels beträgt 7-- Lin., der Durchmesser des Abstumpfungskreises I Linie. Die Metallhülse war auf einem Glasstabe an der Kante eines Tisches befestigt, so dals der Raum zwischen der Kugel und dem Metallstücke von dem Tische entfernt war. Von der Hülse war ein Drath, in den ein elektrisches Thermometer eingeschaltet war, zu der allge- meinen Ableitung geführt, mit der auch das Reibzeug der Ma- schine verbunden war. Die Maschine wurde gleichförmig so lange gedreht, bis die Flüssigkeit im Thermometer ihren tief- sten Stand erreicht hatte. Ich erhielt in einer Versuchsreihe die folgenden Werthe der Erwärmung bei allmählig vergrölserter Entfernung des beschriebenen Metallstückes von der Kugel am Conductor. Entfernung d.Elektroden. Zoll + 4 4 1 1; 2 Erwärmung 10«, N, m2 Ps Entfernung d. Elektroden. Zoll 25 3 35 4 4, 4; Erwärmung Bin eier y 14 van Diese bei zunehmender Entfernung der Elektroden beob- achteten Erwärmungen (deren absolute Zahlenwerthe begreif- lich nur als ein Beispiel gegeben sind und mit der Wirksam- keit der Maschine variiren) befolgen einen sehr aufallenden Gang. Wenn die Funken zwischen zwei Kugeln übergehen, so nimmt bis zum Abstande der Kugeln von 1 Zoll, die Er- wärmung im Drathe eher zu als ab, weil mit vergröfserte Abstande die übergehende Elektricität zwar an Menge geringer vom 22. Mai 1856. 263 wird, aber an Dichtigkeit zunimmt. Hier sieht man in den ersten 3 Beobachtungen die Erwärmung schnell sinken, zum Zeichen, dals die Entladungsart, der erscheinenden Funken un- geachtet, sich immer mehr der Büschelentladung nähert. Bei 4 Zoll Abstand erscheint diese Entladungsart auch dem Auge, und damit hört jede Spur von Erwärmung auf. Das Ausbleiben von Funken und Erwärmung dauert bei 14 und 2 Zoll Ab- stand fort. Bei 24 Zoll tritt wieder die Funkenbüschel-, und bei 3 Zoll die reine Funken-Entladung ein, die bis 44 Zoll die beobachteten Erwärmungen erklärt. Man hat also hier das überraschende Beispiel, dals bei fortdauernd steigender Entfer- nung der Elektroden die Funken- in die Büschel-Entladung und diese wiederum in jene übergeht. Verwickelt sind die Ver- suche dadurch, dals sie durch die spezielle Anordnung der Elek- tricität auf der Kugel bedingt sind, welche durch die Nähe des gerade so und nicht anders abgestumpften Kegels hervorge- bracht wird, und bei verschiedener Entfernung der Elektroden eine sehr verschiedene ist. Ändert man bei einer Entfernung, welche die Büschel-Entladung gibt, die elektrische Anord- nung auf den Elektroden durch Annäherung eines Leiters, so wird damit die Entladungsart und die Erwärmung geändert. Aus diesem Grunde konnte Grol[s bei den Entfernungen der Elektroden, welche keine Funken gaben, diese wieder erhalten, wenn er einen fremden Körper in die Nähe des Schlagraumes brachte. In den oben mitgetheilten Versuchen wurde bei Ent- fernung der Elektroden von 1 Zoll keine Erwärmung erhalten. Als ich ein kleines Brett in dem Abstande von 2 Zoll unter dem Schlagraume befestigte, wurde im Thermometer eine Er- wärmung von 7 Linien beobachtet. Die Büschel-Entladung war in eine aus Büscheln und Funken zusammengesetzte Ent- ladung übergegangen. Hr. H. Rose berichtete über eine Arbeit des Hrn. Heintz „über die Einwirkung des Chlorschwefels (SEI) auf einige Salze organischer Säuren.” Wenn dieser Körper mit ameisensauren Baryt zusammen- gebracht wird, so beobachtet man eine Gasentwickelung. Das 264 Gesammtsitzung sich bildende Gas ist reines Kohlenoxydgas. Zugleich entsteht Ameisensäurehydrat, Chlorbaryum, schwefelsaure Baryterde und Schwefel scheidet sich ab gemäls der Formel 4(C? HO°’+ BaO), 3€1S=2S, SO’+Ba0, 3 ElBa, 4 CO, 2(C?E0°’ +HO. Hierauf kann eine Methode gegründet werden, um Ameisen- säurehydrat zu gewinnen. Mischt man nämlich allmälig 3 Äqui- valente Chlorschwefel mit einer Mischung von 4 Äquivalenten eines trocknen ameisensauren Salzes und 4 Äquivalenten Was- ser, so erhält man durch Destillation der Mischung bei einer Temperatur von 110—120° C. reines Ameisensäurehydrat. Die Methode von Melsens zur Darstellung des Essigsäurehydrats läfst sich auf die Ameisensäure nicht anwenden, weil es nicht gelingt, saure ameisensaure Salze darzustellen. — Das wasser- freie essigsaure Natron giebt unter der Einwirkung des Chlor- schwefels zur Bildung wasserfreier Essigsäure Anlals gemäls der Formel 4(G? HE? 0’+Na 0), 3E1S=3£1Na, SO’+NaO, 28, 4C*H? O°. Indessen bilden sich hierbei Nebenprodukte, namentlich solche, welche Schwefel enthalten, und diese ma- chen es unmöglich, den Chlorschwefel zur Gewinnung reiner wasserfreier Essigsäure anzuwenden. Schüttet man das trockne essigsaure Natron allmälig in den Chlorschwefel ein, so bildet sich aulserdem noch eine geringe Menge einer mit Wasser nicht mischbaren Flüssigkeit, die leichter flüchtig als Wasser ist, und darin untersinkt, und deren Natur Hr. Heintz wegen der zu geringen Quantität, welche er erhielt, bis jetzt noch nicht auszumitteln vermochte. — Hr. Heintz versuchte durch trockne Destillation des essigsauren Quecksilberoxyduls bei möglichst niedriger Temperatur wasserfreie Essigsäure zu ge- winnen. Allein um die Zersetzung einzuleiten ist eine Tem- peratur von 250? bis 300° C. nöthig und dafür wird bei die- ser Zersetzung nicht wasserfreie Essigsäure, sondern ein Ge- misch von Essigsäurehydrat mit Aceton und einer sauerstoff- reichern Substanz, die aber nicht Ameisensäure ist, gebildet. Bei Einwirkung des Chlorschwefels auf wasserfreies ben- zo@saures Natron bildet sich zuerst Benzoylchlorid neben Chlor- natrium, schwefelsaurem Natron und Schwefel gemäls der Formel { vom 22. Mai 1856. 265 2(C'*#?’0°’+-Na0)+3€1$=2S, SO’+Na0, 2 EINa, 2 (ca {Cı) Hat man aber einen Überschuls von benzo&saurem Natron angewendet, und erhitzt man die Mischung so lange bei 150° C., bis der Geruch nach Benzoylchlorid verschwunden ist, so ent- hält die Mischung wasserfreie Benzo&säure. Diese Zersetzung ist durch folgende Formel ausdrückbar: c“ en *#’0°’+-Na0=2C''H? 0°, EINa. Die wasserfreie Benzo&säure lälst sich nach dieser Methode sehr leicht rein darstellen. Hr. Heintz schreibt vor, die Masse durch Wasser, dem etwas kohlensaures Natron beigefügt ist, auszuziehen, sie dann mit Wasser zu waschen und auszu- pressen. Man macht sie dann im Wasserbade flüssig, fügt Al- kohol von der Temperatur von 50°C. hinzu, bis, abgesehen von dem vorhandenen Schwefel, die Auflösung vollkommen ge- schehen ist. Dann filtrirt man und läfst das Filtrat kalt stehen. Die wasserfreie Benzo@säure krystallisirt dann heraus. Aus der davon geschiedenen Flüssigkeit können durch Vermischen der Lösung mit etwas kochendem Wasser und nochmaliges Er- kalten noch mehr dieser Krystalle erhalten werden, die ganz rein sind. Die zuerst gewonnenen Krystalle enthalten noch etwas Schwefel, von dem sie dadurch befreit werden können, dals man sie im Wasserbade schmilzt, und von den leicht zu Boden sinkenden Krystallen des Schwefels abgielst. Sollte die Substanz noch etwas gelb erscheinen, so kann man sie noch- mals auf dieselbe Weise in Auflösung bringen, der warmen Lösung etwas frisch geglühte, mit Säuren ausgelaugte Thier- _ koble hinzufügen, und nun filtriren. Die nun anschiefsenden _ Krystalle sind vollkommen farblos. Bei Gelegenheit der Untersuchung des Rückstandes, wel- | cher namentlich bei Einwirkung des Chlorschwefels auf essig- saures Natron nach vollendeter Destillation bleibt, beobachtete Hr. Heintz, dals aus der heifsen alkoholischen Hände neben rhombenocta@drischem Schwefel lange feine nadellörmige Kry- stalle entstanden. Er fand jedoch, dafs diese Krystalle auch Schwefel sind, die sich erzeugen lassen, wenn man aus Schwe- 266 Gesammtsitzung felleber frisch gefällten Schwefel mit Alkohol kocht und die Lösung heils filtrirt. Gewöhnliche Schwefelblumen, so wie vor längerer Zeit präcipitirter Schwefel gaben diese nadel- förmigen Krystalle nicht. Hr. Alexander von Humboldt legte der Akademie die neuesten Erzeugnisse der Photographie auf Copieen von ar- chitectonischen Ornamenten und Inschriften in sehr grolsem Maalsstabe bezüglich in 3 Blättern vor. Hr. Klotzsch berichtete über die in der physikalisch- mathematischen Klasse bereits vorgelegte Abhandlung des Hrn. Dr. Schacht über „den Vorgang der Befruchtung bei Gladiolus segetum.” Das Verlangen, einen grofsen Irrthum, in dem ich lange, jedoch nicht ohne Grund, befangen war, berichtigen zu kön- nen, veranlalst mich zunächst zu dieser Mittheilung, denn nicht im Pollenschlauch entsteht, wie ich bisher geglaubt, die erste Zelle des Pilanzenkeims, derselbe veranlalst vielmehr, in einer höchst eigenthümlichen Weise, die Bil- dung dieser ersten Zelle, aus einer im Embryosack schon vor der Befruchtung vorhandenen, membran-. losen, Körnermasse. Ich war so glücklich im Gladiolus segetum, einem sehr gemeinen Unkraut der Getreidefelder Ma- deira’s, eine Pflanze zu finden, welche das Freilegen der Em- bryosackspitze und des Pollenschlauches in allen Stadien vor, während und nach der Befruchtung zuläfst, so, dafs es mir gelungen ist die Beziehungen der betreffenden Theile zu ein- ander, Schritt für Schritt kennen zu lernen. Die Sache ver- hält sich folgendermalsen: Kurz vor dem sich die schöne blau-rothe Blüthe entfaltet, findet man im Fruchtknoten die umgewendete (anatrope) Saa- menknospe mit einem Embryosack versehen, der in der Spitze des Knospenkerns entstanden, das Gewebe des letzteren über sich bereits resorbirt hat, so, dafs er frei unter der inneren vom 22. Mai 1856. 267 Knospenhülle (integumentum internum) liegt (F. 1.). Am un- teren Ende (Chalaza-Ende) des Embryosacks liegen um diese Zeit 2, seltener 3 Zellen mit körnigem Inhalt und einem Zellenkern versehen, welche von einer festen Membran be- kleidet sind, die sich beim Gerinnen des Inhalts durch Wasser oder Salzlösungen von dem letzteren abhebt. Die Basis dieser Zellen verliert sich in eine fadenförmige Verlängerung des Embryosacks, welche schwer sichtbar zu machen ist. Am an- deren Ende des Keimsacks (Mikropyle-Ende) erblickt man um dieselbe Zeit eine Anhäufung körniger Stoffe, welche in der Regel die Gestalt zweier Zellen verräth, jedoch keine hinrei- chend scharfen Umrisse zeigt. Durch sorgfältiges Präpariren mit der Nadel, bei 30facher Vergröfserung gelingt es bis- weilen die Spitze des Embryosacks so frei zu legen, dals diese Körnermassen unverändert bleiben; man sieht alsdann 2 keil- förmige Körperchen, dicht neben einander liegend, mit ihrer Spitze frei über die Membran des Embryosacks hervorragen (F. 2—4.). Die obere Hälfte dieser Körperchen ist scharf um- * grenzt, sie zeigt eine zarte Längsstreifung (F. 4. x) und bricht das Licht im hohen Grade, während die untere Hälfte aus jener körnigen Masse besteht (F. 4. y), die man schon vor dem Frei- legen des Embryosacks wahrnehmen konnte. Häufig zergeht die Körnermasse schon bei der leisesten Berührung, so, dafs nur die obere festere, bis dahin unsichtbare Hälfte der Kör- perchen mit der Membran des Embryosacks verbunden bleibt (F. 2. u. 3.), noch häufiger trennt sich aber auch diese von - der Membran und bleibt beim Präpariren im Mikropyle- Kanal hängen. Nicht selten gelingt es aber auch das eine oder beide dieser Körperchen vollständig zu isoliren (F. 5.). Zerreilst man ein solches mit Hülfe der Nadel, so erscheint der obere gestreifte glänzend durchsichtige Theil aus einer Menge zarter 76 Millimetre langer Fäden zusammengesetzt, welche schwach eontourirt sind und durch Jod gelb gefärbt werden. Auch die Körnermasse, welche den unteren Theil dieser Körperchen bil- det, nimmt solche Färbung an. Jod und Schwefelsäure be- wirken keine wesentliche Veränderung, sowohl der Fäden als der Körner, Zucker und Schwefelsäure rufen dagegen eine hell- rolhe Färbung hervor. Genannte Körperchen sind dasjenige 268 Gesammtsitzung was Amici, von Mohl, Hofmeister und Radlkofer Keimbläschen nennen, dieselben werden von ihnen als Zel- len beschrieben, die einen Kern und körniges Protoplasma ent- halten sollen. So sehr ich nun nach meinen eigenen bishe- rigen Untersuchungen, dergleichen nach denen genannter Her- ren, geneigt bin, anzunehmen, dafs jene Körperchen zu einer bestimmten Zeit wirklich Zellennatur, d. h. eine Membran und einen Zellkern zeigen, so muls ieh doch, wenigsten für Gla- diolus segetum, aufs bestimmteste behaupten, dals ihnen zur Zeit der Befruchtung der Charakter einer Zelle abgeht, indem sie weder eine feste Membran noch einen Zellkern besitzen, dagegen im oberen Theil mit jenen Fäden versehen sind, welche vor mir noch kein Beobachter wahrgenommen hat. Die Entwickelungs-Geschichte dieser Körperchen im Embryo- sack ist mir leider dunkel geblieben, weil es mir niemals ge- gelingen wollte, denselben in einem noch früheren Zustande ohne Verletzung der betreffenden 'Theile freizulegen. Der Mangel einer festen Membran um die körnige Protoplasma-Masse jener Körper zeigt sich hier beim Vergleich der im entgegenge- setzten Ende des Embryosacks gelegenen Zellen (F. 2. z), bei denen sich eine solche durch Einwirkung von Wasser oder Salzlösungen abhebt, um so deutlicher. Der unbefruchtete Embryosack enthält weiter keine Zellen, wohl aber ist sein Zellsaft mit feinkörnigen Stoffen, die na- mentlich im Umkreis desselben reichlicher vorhanden sind, unter- mengt, auch kommen bisweilen freie Zellkerne vor. Das in der Resorption begriffene Zellgewebe des Knospenkerns, wel- ches den Embryosack umgiebt, enthält runde Stärkemehlkörner. Bestäubt man die sich öffnende Blüthe, deren 3lappige Narbe sich um dieselbe Zeit entfaltet, so haften die Pollen- körner sofort an den langen walzenförmigen Narbenhaaren, welche von einer stark lichtbrechenden Flüssigkeit strotzen und in 2 Längsreihen den Rand der Narbe zieren. Schon am 3ten Tage nach der Bestäubung findet man die Pollenschläuche in der Fruchtknotenhöhle, sie haben demnach den ziemlich langen Weg (der Staubweg mifst 36—40 Millimetres) in verhältnifs- mälsig kurzer Zeit zurückgelegt. Am 4ten Tage erblickt man ‘in der Regel im Knospenmunde jeder Saamenknospe einen oder vom 22. Mai 1856. 269 mehrere (bis 3) Pollenschläuche, aber schon am 3ten Tage sind einzelne Saamenknospen befruchtet. In der Regel verwelkt die Blüthe schon am 2ten Tage nach der Bestäubung. Für die letzten mufs der Wind nothwendig sein, denn Blüthen, welche von mir im Zimmer gebalten wurden, waren nicht bestäubt, während die Narben anderer auf den Feldern mit Pollenkörnern übersäet erschienen; fast jede Saamenknospe wird alsdann be- fruchtet. Das Pollenkorn ist unter Wasser gesehen kugelrund und mit sehr feinkörnigem Inhalt, der seinen Zellkern verdeckt, erfüllt, es hat nur eine verdünnte Stelle zum Austritt des Pollenschlauchs, welche beim trocknen Korn, wie bei der Mehr- zahl der Monocotyledonen, in einer Längsfalte liegt. Schwe- felsäure färbt den Inhalt dunkel-rosenroth, Zucker und stick- stoffhaltige Substanz sind demnach reichlich vorhanden, Öl und Stärkemehl fehlen dagegen, indem durch Jodlösung keine blaue Färbung erfolgt und auch die Schwefelsäure keine Öltropfen frei macht. Die Pollenschläuche sind zwar zart, aber dennoch ziemlich derber Natur, sie steigen in groflser Anzahl in dem ziemlich weiten Staubwegkanal hinab und werden vom leiten- den Gewebe der Saamenträger den Saamenknospen zugeführt. Verzweigte Pollenschläuche sah ich aulserhalb der Saamen- knospe nicht. Untersucht man nun am 3ten Tage nach der Bestäubung die Saamenknospen wieder, so findet man im Embryosack die oben beschriebenen Verhältnisse, gleichgültig, ob schon ein Pollenschlauch in den Knospenmund eingedrungen ist oder nicht. Gelingt es jetzt, oder am 4ten Tage nach der Be- \stäubung, die betreffenden Theile unversehrt freizulegen, so findet man den Pollenschlauch in inniger Berührung mit den frei aus der Spitze des Embryosacks hervorragenden Körperchen. Bisweilen läfst sich derselbe noch von ihnen trennen, häufiger dagegen sind sie schon so fest mit einander verbunden, dals jene Körperchen nicht unversehrt vom Pollenschlauch entfernt werden können, vielmehr die Fäden derselben an ihm hängen bleiben und man die beste Gelegenheit erhält ihre Gestalt und Gröfse kennen zu lernen (F. 9. x! u. x), seltener zieht man die am Pollenschlauch hängenden Körperchen mit ihm aus dem 270 Gesammtsitzung Embryosack hervor (F. 8.), wobei die körnige Protoplasma- Masse des untern Theils derselben in der Regel verloren geht - (F.8. x). Die Pollenschlauchspitze ist um diese Zeit mit einem feinkörnigen Inhalt erfüllt, welcher durch Jod gelb ge- färbt wird und durch Zucker und Schwefelsäure eine rothe Färbung annimmt, grölsere Körner und Öltropfen sind auch hier nicht bemerkbar, ihre Membran ist zart, sie scheint überall | vollständig geschlossen zu sein. Einmal gelang es mir den Pollenschlauch mit einem durchaus unverletzten Keimkörper- chen') aus einer vor 3 Tagen bestäubten Blüthe freizulegen, während das andere durch die Nadel verletzt war (F.8.). Die Protoplasma-Masse erschien hier schon an einigen Stellen schär- fer contourirt. Ist nun die Saamenknospe befruchtet, so erblickt man als erstes Kennzeichen dieses Vorganges (am 4ten oder dten Tage nach der Bestäubung) eine feste Membran um die Plasma-Masse der Keimkörperchen. Diese Wahrnehmung trügt nie- mals und man erkennt sie schon auf gelungenen Längsschnitten vor Entfernung der Knospenhüllen. Selbst da, wo der Pollen- schlauch im Knospenmund nicht sichtbar ist, findet man ihn in allen Fällen beim Freilegen der Spitze des Embryosacks mit einem oder häufiger mit beiden Keimkörperchen fest ver- bunden, sobald dieselben eine durch Wasser oder durch Salz- lösungen sich abhebende Membran besitzen. Das Pollenschlauch- Ende ist jetzt in der Regel mehr oder weniger angeschwollen, auch erscheint es stärker verdickt, sein körniger Inhalt ist ver- schwunden (F. 10., 12., 13., 20., 22., 23., 24., 25. u. 26.). Die Keimkörperchen lassen sich jetzt ohne Zerreilsung nicht mehr vom Pollenschlauche trennen, wohl aber gelingt es die- selben mit ihm verbunden zu isoliren, wie die Figuren 14., 15. und 17. beweisen können. Welcher Art die Verbindung des Pollenschlauchs mit der Spitze der Keimkörperchen ist, kann ich zwar nicht angeben, jedenfalls ist sie aber eine sehr innige und auf beide Theile zurückwirkende, denn das Keim- 1) Ich würde gern die Benennung Keimbläschen beibehalten, wenu sie mit der Natur der Körperchen, die keine Bläschen sind, vereinbar wäre, so aber ziehe ich vor sie Keimkörperchen zu nennen. vom 22. Mai 1856. 271 körperchen erhält erst, nachdem sie erfolgt ist, seine Mem- bran und wenig später im Innern seiner Plasma-Masse einen Zellkern, während das Pollenschlauch-Ende anschwillt, seine Wand verdickt und seinen körnigen Inhalt verliert. Ganz ent- schieden haben jene Fäden, welche schon vor der Befruchtung die Spitze der Keimkörperchen bilden, hier eine wesentliche Bedeutung, denn sie fehlen niemals und bewirken augen- scheinlich die directe Berührung und den innigen Zusammen- hang des Pollenschlauchs mit genannten Körperchen. In wel- cher Weise sie aber den Übergang des Pollenschlauch-Inhaltes in die Plasmamasse der Keimkörperchen vermitteln, kann ich so wenig angeben, als ich über ihren direkten Antlıeil an den weiteren Vorgängen im Innern dieser Masse zu entscheiden vermag. Eine Bewegung der Fäden habe ich niemals gesehen und doch müssen selbige, wenn überhaupt bei den Phanero- gamen sogenannte Spermatozoen gefunden werden sollen, deren Analoga sein, denn im Pollenschlauch selbst sind solche, zum wenigsten bei Gladiolus segetum zur Zeit der Befruchtung sicher nicht vorhanden. Wunderbar wäre es alsdann, dafs diese Fäden im entschieden weiblichen Theile, im Keimkör- perchen selbst, vorkommen.') Die Befruchtung durch den Pollenschlauch kann, wie ich nach obigem glaube, nicht wohl durch einfache Diffusion erklärt werden, wie dies von Mohl, Hofmeister und Radlkofer geschehen ist, weil die Dif- fusion eine Zellwand der Keimkörperchen, welche sicher fehlt, voraussetzt, dagegen gelang es mir auch nicht mit Sicherheit Öffnungen im Pollenschlauche zu finden, Andeutungen derselben habe ich allerdings gesehen (F. 19.). Die junge Membran, welche um das Keimkörperchen ent- steht, umfasst dasselbe, wie es scheint, vollständig, doch hebt sie sich nur im unteren Theile von dem Inhalt ab, während sie sich der Spitze, immer zarter werdend, dicht anlegt (F. 14. u. 16.). In der Regel werden beide Keimkörperchen durch einen Pollenschlauch befruchtet, da sie schon wegen ihrer Lage beide mit demselben in Berührung kommen (F. 12., 13., 14., 15., 22., 25. u. 26.), beide erscheinen deshalb in *) Ich werde diese Fäden vorläufig Befruchtungsfäden nennen. 272 Gesammtsitzung den citirten Fällen von einer festen Membran bekleidet und hängen, wenn es gelingt den Pollenschlauch mit ihnen von der Haut des Embryosacks zu befreien, als kegelförmige Säckchen an demselben (F. 14. u. 16... Nach der Lage des Präparates unter dem Mikroskop kann es nun bisweilen scheinen, als ob diese befruchteten Keimkörperchen im Pollenschlauch selbst entstandene Zellen wären, welche später durch Abschnürung oder durch das Entstehen einer Scheidewand wieder von ihm getrennt wurden (F. 17.). Sehr häufig dringen 2 Pollenschläuche bis zum Embryo- sack hinab und treffen dort auf die frei aus ihm vorsehende Spitze der Keimkörperchen; der Erfolg ist deshalb kein an- derer (F. 21.). Nicht selten verzweigt sich auch der Pollen- schlauch im Knospenmund (F. 11.), ja, ich fand sogar einmal den höchst interessanten Fall, dafs beide Keimkörperchen durch einen Pollenschlauch befruchtet waren und ihrerseits beide bedeutende Aussackungen gebildet hatten, so, dals bei ober- flächlicher Betrachtung 4 befruchtete Keimkörperchen im Em- bryosack zu liegen schienen (F. 20.). Wenn nun durch Berührung mit dem Pollenschlauch beide oder in seltenen Fällen nur ein (F. 24.) Keimkörperchen be- fruchtet und in Folge dessen von einer Membran umkleidet wird, so erscheint bald darauf (den Tag vermag ich nicht zu bezeichnen) im unteren Theil der Protoplasma-Masse ein Zell- kern (F. 14. u. 15.) und wieder etwas später erblickt man über demselben eine zarte Scheidewand (F. 21—24.). Jetzt ist die erste Zelle des Keimes fertig; der über ihr gelegene Theil (y) des befruchteten Keimkörperchens wird zum Embryoträger, während die Spitze x noch lange mit dem Pollenschlauch-Ende in Berührung bleibt. Allmälig werden die Fäden dieses Thei- les undeutlicher und zuletzt erblickt man statt ihrer nur eine glänzende, formlose, bisweilen gelblich gefärbte Masse, welche die Spitze des Embryosacks, desgleichen das auf ihn ruhende Pollenschlauch-Ende umgiebt (F. 23. U u. 26. x! u. z]I). Jetzt trennen sich in der Regel beide Theile leicht und ohne Zer- reilsung von einander und es gelingt nicht mehr, wie vorhin, den jungen Embryo mit dem Pollenschlauch in Verbindung aus dem Embryosack hervorzuziehen, derselbe ist vielmehr durch vom 22. Mai 1856. 273 ‚seinen Träger mit dem letzteren, der sich sichtbar verdickt hat, innig verbunden. Obschon in der Regel beide Keim- körperchen befruchtet werden, so wächst doch immer nur Eins derselben weiter, während das Andere, so weit ich beob- achtet habe, niemals bis zur Bildung der ersten Scheidewand gelangt; für lange Zeit ist es noch als Zelle neben der sich ‘weiter ausbildenden Embryo- Anlage bemerkbar; bis es durch die Bildung des Saameneiweilses unkenntlich wird (F. 27. u. 28.). Nachdem nun die erste Zelle des Keimes entstanden ist, theilt sich darauf dieselbe nochmals in wagerechter Richtung (F. 25. u. 26.), dieselbe Theilungsweise mag sich vielleicht ‚noch einmal wiederholen und darauf in der untersten Zelle in 'senkrechter Richtung stattfinden, wie F. 27. vermuthen läfst. Während die Saamenknospen bedeutend wachsen, bildet sich ‚darauf der Embryo in ihnen nur sehr langsam weiter (F. 28.). | in anfänglich durch freie Zellenbildung vom Umkreis des Em- !bryosacks aus entstandenes Saameneiweils, dessen Zellen klaren | Saft enthalten, umgiebt denselben. Ich hatte bis jetzt nicht | ” ” Gelegenheit reife Saamen zu untersuchen. Blicken wir jetzt auf das Beohachtete zurück und versuchen wir, dasselbe mit meinen früheren Wahrnehmungen, desgleichen mit den Angaben anderer Forscher in Einklang zu bringen. Bei Gladiolus segetum dringt der Pollenschlauch nicht in den Embryosack, er kommt aber dennoch mit den Keimkörperchen in directe Berührung, weil diese mit ihrer Spitze frei aus dem Embryosack hervorragen. Das Hervorwachsen jener Kör- 'perchen vor der Befruchtung erklärt nun vollständig das freie ervorragen des schlauchförmigen Embryoträgers von Pedicu- aris und Zathraea, wie ich dasselbe für genannte Pflanzen nachgewiesen babe, und welches mich in vielen Fällen (Flora 855 Taf. II F. 4., 5. u. 7.; desgleichen Taf. XVI F. 13.) nothwendig zu der Ansicht führen mulste, dafs dieser schlauch- örmige Embryoträger eine directe Verlängerung des einge- drungenen Pollenschlauchs sei. Die Membran des Embryosacks ‚bedeckt auch hier den hervorragenden Theil des Embryoträgers nicht, wie meine Präparate mit Sicherheit beweisen. Das- selbe Verhältnifs ist auch für Szachys silvatica nicht selten. [1856.] 20 274 Gesammtsitzung Beide Keimkörperchen werden nun durch einen Pollen- | schlauch befruchtet, aber nur Eins derselben entwickelt sich weiter. Dieses Verhältnifs wirft ein Licht auf Radlkofer’s Beobachtung an Euphrasia Odontites, bei welcher Pflanze nach | ihm nur dasjenige „‚Keimbläschen” befruchtet werden und einen Keim ausbilden soll, welches mit dem Pollenschlauch nicht direct in Verbindung trat. Auch hier werden aller Wahr- scheinlichkeit nach beide Körperchen befruchtet, aber nur das Eine entwickelt sich weiter. Ich habe nämlich allen Grund anzunehmen, dafs auch hier der Vorgang der Befruchtung dem | von Gladiolus segetum ähnlich ist und dafs Radlkofer das wahre Verhältnils der Keimkörperchen (Keimbläschen) zur Zeit der Befruchtung und den Vorgang des letzteren selbst nicht wahrgenommen hat. Dafs beide Keimkörperchen später eine feste Membran besitzen, bürgt mir schon dafür, dafs beide befruchtet wurden, ich mufs deshalb annehmen, dafs beide mit demselben Pollenschlauch, in der für Gladiolus beschriebenen Weise, in Berührung traten. Übrigens sind diejenigen Fälle für Pedicularis und Lathraea, wo nach meiner frühern Deu- tung nur ein Pollenschlauch eingedrungen war (Flora 1855 Taf. II F.+4., 5., 7. und Flora 1855 Taf. XVI F. 11. u. 12.), hinreichende Bewerte dals auch bei diesen Pflanzen bisweilen nur ein Keimkörperchen befruchtet wird. Bei Canna soll nach einstimmiger Angabe Aller, die sich mit der Befruchtung dieser Pflanze beschäftigt haben, der Pol- lenschlauch wirklich in den Embryosack eindringen. Ich selbst glaube dasselbe durch ein sehr gutes Präparat beweisen zu können '), bin aber jetzt entschieden überzeugt, dals auch hier der Pollenschlauch nicht selbst des Keimes erste Zelle bildet, vermuthe jedoch, dafs hier, sowie in allen Fällen wo die Keim- körperchen nicht frei aus dem Embryosack berwOr Is, ein Eindringen des Schlauches nothwendig ist. Eine innige Ver- bindung desselben mit den Keimkörperchen findet sähe statt, denn es ist mir früher mehr als einmal gelungen, den Pollen. schlauch im Zusammenbang mit den ersten Zellen des Keime freizulegen. Bei Yiscum album soll auch nach Radlkofe ?) Meine Preisschrift. Taf. VILF. 3. vom 22. Mai 1856. 275 der Pollenschlauch in den Embryosack dringen; ich glaube das- selbe bestätigen zu müssen (Flora 1855 Taf. II F. 15. u. 16.). Nur das Präparat, welches Deecke von Pedicularis silvatica erhalten hat (Flora 1855 Taf. II F. 2. u. 3.), bleibt zur Zeit räthselhaft. Ich kann es nicht mit Hofmeister und Radl- kofer für ein „Kunstprodukt” erklären, weil Deecke selbst, in Folge jener Behauptungen, später versucht hat, den Schlauch vor- oder rückwärts zu ziehen, was in keiner Weise möglich war; wonach derselbe wirklich, wie ich es früher angenommen habe, mit der Membran des Embryosacks verwachsen zu sein scheint. Der Fall ist überhaupt abnormer Art und es wäre immerhin möglich, dafs hier der Embryoträger sich nach aulser- halb des Keimsacks verlängert hätte, wie ich einen solchen Fall für Lathraea (Flora 1855 Taf. II F.7.) beweisen kann. Ab- normitäten kommen, wenn man viel und sorgfältig untersucht, mehr oder weniger bei jeder Pflanze vor; F. 20. des Gladiolus mag hier als Beispiel dienen. Ich muls wie früher darauf bestehen, dafs zur Lösung die- ser so überaus schwierigen Frage ein vollständiges Frei- legen der betreffenden Theile durchaus nothwendig ist, habe mich jetzt aber überzeugt, dals auch dies nicht aus- reicht und dals eine vollkommen lückenfreie Folge der Zustände nach einander, vor, während und nach dem Zu- sammentrelfen des Pollenschlauchs mit dem Embryosack durch- aus unerlälslich ist. Lücken in der Reihenfolge der Ent- wickelungs- Zustände und namentlich Unkenntnils der feineren Verhältnisse unbefruchteter Saamenknospen waren die Ursachen meines bisherigen Irrthums. Aber nicht viel besser erging es meinen Gegnern, die zum Theil einen andern Weg der Unter- ‚suchung verfolgten und von dem Freilegen abstanden. Selbst Radlkofer hat, wie ich hier nachgewiesen habe, das Wahre nicht getroffen, obschon seine Untersuchungen über das Ver- halten des unbefruchteten Embryosacks von Euphrasia schon etwas mehr Licht verbreiten. Die Schwierigkeit der Unter- suchung selbst trägt zunächst die Schuld der Irrthümer, in welche beide Parteien gefallen sind; doch darf ich jetzt er- warten, dals sich beide, von wahrem Eifer für die Wissen- 20* 276 Gesammtsitzung schaft beseelt, vereinigen und mit erneueter Kraft auch diese Frage zum guten Ende führen werden. Mit der Erkenntnifs meiner Irrthümer, über welche ich mich doppelt freuen mufs, da mir das Glück die rechte Pflanze zuführte und damit die Gelegenheit gab, die Frage selbst ihrem Ziele näher zu bringen und bis dahin unlösbare Räthsel zu entwirren, fallen natürlich auch meine früheren Ansichten über die Befruchtung der Phanerogamen, obschon die Thatsachen, auf welchen sie sich gründeten, stehen bleiben, soweit selbige sich nämlich auf Untersuchungen beziehen, wo Embryosack und Pollenschlauch freigelegt wurden. Auf Beob- achtungen, welche dieser Anforderung nicht entsprechen, kann ich dagegen, sie mögen nun von mir selbst oder von anderen Forschern herrühren, wie früher, kein Gewicht legen, weil man wol niemals im Stande ist über so zarte Verhältnisse, wie sie hier vorkommen, ohne ein gänzliches Freilegen der betref- fenden Theile mit einiger Sicherheit zu entscheiden. Und so biete ich denn meinen bisherigen Gegnern in dieser Sache gern und ohne Rückhalt die Hand zur Versöhnung, indem ich alles zurücknehme, was ich früher, als ich mich gegen sie im Rechte glaubte, wider ihre Untersuchungen gesagt habe, er- warte aber, dals auch sie rechtlicher Weise meine ernsten Be- strebungen in dieser Frage anerkennen werden. Und nun zum Schluls ein kurzes Resume: Im unbefruchteten Embryosack von Gladiolus segetum lie- gen, dem Mikropylekanal dicht angeklemmt, zwei Keimkör- perchen, welche im oberen Theil aus einem Bündel zarter Fäden, im unteren dagegen aus einer körnigen Protoplasma- Masse bestehen. Diese Keimkörperchen sind zur Blüthezeit von keiner festen Membran umhüllt, ihre Spitze ragt frei aus dem Embryosack hervor. Am öten oder 4ten Tag nach der Bestäubung trifft der Pollenschlauch auf die Keimkörperchen und verbindet sich innig mit ihnen und als erstes Produkt des Zusammentreffens entsteht um letztere eine feste Membran. Das Pollenschlauch-Ende schwillt dabei an, verdickt sich und verliert seinen körnigen Inhalt. Beide Keimkörperchen wer- den in der Regel durch einen Pollenschlauch befruchtet, aber nur Eines derselben entwickelt sich weiter, indem in seiner vom 22. Mai 1856. 277 Plasma-Masse ein Zellkern und bald darauf über demselben eine wagerechte Scheidewand auftritt. Die so entstandene erste Zelle der Keimanlage wächst allmälig zum Embryo heran, wäh- rend der über ihr gelegene Theil des früheren Keimkörper- chens zum Embryoträger wird, der mit der Wand des Embryo- sacks fest verbunden scheint. Nicht selten treten zwei oder drei Pollenschläuche herab, ohne dadurch wesentliche Ände- rungen hervorzurufen; desgleichen verzweigt sich der Pollen- schlauch bisweilen im Knospenmunde, und ebenso verzweigen sich, jedoch gar selten, auch die befruchteten Keimkörperchen im Embryosack. Der Pollenschlauch wirkt darnach befruch- tend, aber nicht, wie ich früher angenommen habe, direct keimbildend, denn in seinem Innern entsteht nicht die erste Zelle des Keimes, es bildet sich vielmehr durch seine Vermit- telung aus einer körnigen Plasma-Masse, die schon vor der Be- fruchtung im Embryosack vorhanden ist, erst diejenige Zelle, aus welcher allgemach der Embryo so wie sein, Träger her- vorgehen. Jene Fäden (Befruchtungsfäden), aus welchen die Spitze der Keimkörperchen besteht und die ich stets un- beweglich fand, sind für den Befruchtungsakt durchaus wesent- lich, doch scheinen sie direct an der Bildung der ersten Zelle des Keimes keinen Theil zu nehmen. Erklärung der Abbildungen. Sämmtliche Figuren sind nach unter Chlorcaleium aufbewahrten Präpa- raten, welche sämmtlich noch jetzt vorhanden sind, und mit denselben verglichen werden können mit Hülfe der Camera lucida entworfen, und überdies mit gröfster Sorgfalt ausgeführt, sie geben ein durchaus ge- treues Bild der Präparate. Die Vergrölserung ist durch Bruchzahl neben jeder Figur angegeben. Überall sind für gleiche Theile dieselben Be- zeichnungen gewählt; wo in einer Figur zwei gleiche Theile vorkommen, sind sie mit I und II bezeichnet. Die Benennungen sind folgende: ch. Chalaza, em. Embryo. ie, Integumentum externum. ü, Integumentum internum, nc. Nucleus. ra. Raphe. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10., Fig. 11. Fig. 14., Gesammtsitzung Sacculus embryonalis. Tubus pollinis. | Der obere "Theil des Keimkörperchens, sowie die Fäden desselben. Der untere Theil, sowie dessen Protoplasma-Masse. .1. Längsschnitt durch eine Saamenknospe, 3 Tage nach der Be- stäubung; im unteren Ende der Embryosacks liegen 2 Zel- len (z). .2. DerEmbryosack aus einer Saamenknospe kurz vor der Blüthe- zeit. Im unteren Ende desselben 2 Zellen (z), im oberen 2 Keimkörperchen (a! u. zII ). .3. Die Spitze des Embryosacks aus derselben Zeit, die Keim- körperchen sehen weit hervor. .4. Die Spitze eines anderen Embryosacks, am dritten Tage nach der Bestäubung. Ein unbefruchtetes Keimkörperchen gänzlich freigelegt. Das auf Fig. 4. dargestellte Präparat stärker vergrölsert. Ein Pollenkorn; welcher anfängt seinen Schlauch zu treiben. Zwei Pollenschläuche aus einer Saamenknospe, am 3ten Tag nach der Bestäubung, freigelegt. Der eine Schlauch (pl! ) desgleichen das eine Keimkörperchen (zII) ist beim Präpa- riren verletzt wurden. nn a et 9. Zwei Pollenschläuche aus einer Saamenknospe desselben Fruchtknotens; die anhängenden Fäden (r), welche sich unter Chlorcaleciumlösung vorzüglich gut erhal- ten, sind hier besonders deutlich. 12. u. 13. Präparate, am Äten Tag nach der Bestäubung erhalten. Die Spitze des Embryosacks vollständig freigelegt. Zwei Pollenschläuche aus dem Knospenmund einer Saamen- knospe, von denen einer verzweigt ist. 15., 16. u. 17. Pollenschläuche mit ihren fest anhängenden, durch sie befruchteten, Keimkörperchen. Fig. 15. u. 16. stellt das- selbe Präparat in verschiedenen Lagen dar. Bei Fig. 17. ist das zweite Körperchen im Embryosack zurückgeblieben. Fig. 18.u. 19. Isolirte Pollenschlauch-Enden aus etwas späteren Zuständen, Fig. 20, Fig. 21. wo sich derselbe vom befruchteten Keimkörperchen trennen läfst. Bei Fig. 18. liegt im Pollenschlauch ein glänzendes Körperchen a, bei Fig. 19. scheint dagegen eine Öffnung (b) in der Wand desselben vorhanden zu sein. Ein seltenes Präparat, die beiden befruchteten Keimkörper- chen haben sich verzweigt. Zwei Pollenschläuche berühren den Embryosack. vom 22. Mai 1856. 279 Fig. 22—26. Etwas spätere Zustände, mit dem Vorgang der Bildung der ersten Zelle des künftigen Keimes. Auf Fig. 24. ist nur ein Körperchen befruchtet worden. ig. 27.u.28. Weitere Entwickelungsstufen des jungen Embryo. Funchal, den 2. Mai 1856. = = Hr. Poggendorff übergab eine Mittheilung des Hrn. Prof. Helmholtz „über die Combinationstöne.” Ich erlaube mir der Akademie folgende Resultate meiner Untersuchungen über die Combinationstöne mitzutheilen: Wenn wir mit m und n ganze Zahlen bezeichnen, welche keinen gemeinschaftlichen Theiler haben, so stand schon lange fest, dals zwei Töne von den Schwingungszahlen mr und (m +1)? den Combinationston A geben. Für zwei Töne da- gegen von den Schwingungszahlen m? und n? im Allgemeinen hatten W. Weber und M. Obm die Meinung aufgestellt, dals der Combinationston ebenfalls die Schwingungszahl % habe; während Hällstroem als ersten Combinationston den Ton (m — n) ? aufstellte, zugleich aber auch eine Reihe anderer Com- binationstöne höherer Ordnung annahm von den Schwingungs- zahlen (an — m)?, (m — 2n)A, u. s. w. Die Combinations- töne höherer Ordnung sollten durch Combination eines Com- binationstones niederer Ordnung mit einem der ursprünglichen Töne sich bilden. Dem schlossen sich Scheibler und Roe- ber in ihren Untersuchungen über die Zahl der Schwebungen an; aber mit Recht stellte hierbei Poggendorff die Frage, ob Jiese sogenannten Combinationstöne höherer Ordnung nicht etwa Combinationstöne der höheren Nebentöne sein könnten, welche bei den Tönen fast aller musikalischen Instrumente vorkommen. Um darüber entscheiden zu können, handelte es sich zu- nächst darum, Töne herzustellen, denen die höheren Neben- töne ganz fehlen, also Töne, bei denen die Elongationen der schwingenden Theilchen als Function der Zeit 2 durch ein ein- ziges Glied von der Form 4 sin («2 + c) ausgedrückt werden, und nicht, wie es gewöhnlich der Fall ist, durch eine Summe solcher Glieder mit verschiedenen Werthen von «. Wir wol- 280 Gesammtsitzung len solche Töne nach Analogie der einfachen Farben des Spectrums einfache Töne nennen, im Gegensatz zu den zu- sammengesetzten Tönen der musikalischen Instrumente, welche eigentlich Accorde mit dominirendem Grundton sind. 1) Einfache Töne kann man nach folgender allgemeinen Me- thode herstellen: Man nehme einen tönenden Körper, dessen Schallschwingungen nicht leicht an die Luft übergehen, und errege durch Resonanz die Schwingungen eines zweiten elasti- schen Körpers, der seine Schwingungen leicht an die Luft ab- giebt, dessen Grundton mit dem des primär schwingenden Körpers genau übereinstimmt, dessen höhere Obertöne aber von denen des letzteren hinreichend verschieden sind; so wird der resonirende Körper nur im Grundtone stark mitklingen, und diesen an die Luft abgeben, die höheren Obertöne des Schallerregers werden ausgeschlossen bleiben. Praktisch aus- führbar ist dieses Princip mittels einer Stimmgabel, als Schall- erregers, deren Töne man entweder durch die Resonanz eines Luftraums oder einer Saite, auf welche man die Gabel in einer bestimmten Entfernung von ihrem Ende aufsetzt, verstärkt. Der Luftraum darf aber nicht die einfache Gestalt einer ganz offenen oder ganz gedackten Orgelpfeife haben, und das re- sonirende Stück der Saite muls in einem Punkte seiner Länge eine kleine Belastung haben, damit die höheren Nebentöne dieser Resonatoren nicht harmonisch zum Grundton seien, wie das bei den Orgelpfeifen und unbelasteten Saiten der Fall ist. Die Stimmgabeln geben nämlich, wie ich gefunden habe, aulser den seit Chladni bekannten unharmonischen höheren Bei- tönen, welche mit Bildung einer grölseren Zahl von Knoten- stellen entstehen, auch schwache harmonische Beitöne, welche dadurch ausgeschlossen werden müssen, dals man die höheren Beitöne der resonirenden Körper unharmonisch macht. Die Octave des Grundtons war bei allen Stimmgabeln, welche ich geprüft habe, immer deutlich nachzuweisen. Indem ich zwei einfache Töne dieser Art erklingen liels, war ich immer nur im Stande einen einzigen tieferen Ton deutlich zu hören, und zwar den von der Schwingungszahl (m —n) }, also Hällstroem’s ersten Combinationston. vom 22. Mai 1856. 281 Ich konnte mittels meiner Stimmgabeln, die mit Hülfe der Schwebungen genau nach den angegebenen Zahlenverhältnissen gestimmt waren, folgende Combinationen bilden. Zahlenverhältnifs Primäre Töne. Seahier der primären Töne | des Combina- tionston. unter einander. tionstons. es re 2:3 se, fr 7. B 3:4 A b d B 4:5 1 Pr B 5:6 1 fa B 6:7 1 b g es 3:9 2 das B 5:7 2 u alas 5:8 3 In den letzten drei Fällen war ich nicht im Stande, den von Weber und Ohm geforderten Ton 1 zu hören, eben so we- nig, als es mir bei allen diesen Versuchen gelang irgend einen von Hällstroem’s Combinationstönen höherer Ordnung zu erkennen. Andrerseits ist zu bemerken, dals, wenn man die Stimmgabeln durch Aufkleben von Wachs ein wenig ver- stimmt, man sehr leise die Schwebungen hört, welche Scheib- ler und Roeber aus dem Vorhandensein der Combinations- töne höherer Ordnung erklärt und berechnet haben. Ebenso fand ich immer, dals die Combinationstöne (m—n)A auch bei zwei Tönen von Orgelpfeifen oder der Sirene die am stärksten hörbaren waren. 2) Um die Combinationstöne deutlich zu hören, müssen die ursprünglichen Töne stark sein. Die Stärke des Combi- nationstons wächst in einem viel stärkeren Verhältnisse als die der primären Töne, so dals endlich bei grolser Stärke diese neben dem Combinationstone fast verschwinden können. Ich habe nun gefunden, dafs bei hinreichend starken Tö- nen von den Schwingungszahlen » und y neben dem bisher bekannten Combinationstone a —g zunächst am deutlichsten ein höherer Ton » + g hervortritt, dessen Existenz ich noch 282 Gesammtsitzung nirgends erwähnt gefunden habe. Die durch Luftresonanz ver- stärkten Töne der Stimmgabeln waren nicht stark genug, um diesen Ton leicht hören zu lassen; doch habe ich ihn bei die- sen zuerst wirklich gehört, nachdem ich durch theoretische Untersuchungen zu der Überzeugung gekommen war, dals er da sein müsse. Ich war im Stande neben 5 und f (2% und ie den Ton @ (5%) und neben f und 5 (3% und 4?) den Ton as (7?) zu hören. Dagegen ist bei der mehrstimmigen Sirene und bei Orgelpfeifen, wenn man das Ohr den Lippen der Pfei- fen nähert, der Ton sehr leicht mit gröfster Bestimmtheit zu hören. Eine Verwechselung mit den höheren Beitönen der primären Töne ist nicht möglich, weil er von diesen immer verschieden ist, wenn nicht n selbst ein Multiplum von m ist. 3) Was die Theorie der Combinationstöne betrifft, so lei- den die bisher aufgestellten Erklärungen an grolsen Schwie- rigkeiten, sobald man den Ton nicht als eine Reihe getrennter Stölse, sondern als eine regelmälsige Wellenbewegung be- trachtet; sie müssen aufserdem noch dem Ohre eine besondere Eigenschaft zuschreiben, wonach es zusammentreffende Stöfse nicht blos als Summe der beiden einzelnen auffalst, sondern diese Doppelstölse noch besonders combinirt, und endlich wür- den jene Theorien schwerlich im Stande sein, die Entstehung des Tones p + g genügend zu erklären. Ich erlaube mir da- her der Akademie eine neue Erklärung vorzulegen, welche nicht nöthig macht, dem menschlichen Obre besondere Eigen- schaften beizulegen, sondern sich ganz auf eine weitere Ent- wickelung bekannter mechanischer Sätze stützt. Es ist bekannt, dals das Princip von der ungestörten Su- perposition oscillirender Bewegungen im Allgemeinen nur so lange gilt, als die Bewegungen klein sind, so klein, dals die Bewegungskräfte, welche durch die Verschiebungen der klein- sten Theile des schwingenden Mittels gegen einander hervor- gerufen werden, diesen Verschiebungen selbst merklich pro- portional sind. Es lälst sich nun zeigen, dafs Combina- tionstöne entstehen müssen, sobald die Schwin- gungen so grols werden, dals auch noch das Qua- drat der Verschiebungen auf die Bewegungen Ein- flufs erhält. Es möge für jetzt genügen, als einfachstes [ 4 vom 22. Mai 1856. 283 Beispiel die Bewegung eines einzelnen Massenpunktes unter dem Einfluls eines Wellenzuges zu betrachten, um das Re- sultat daran zu entwickeln. Nach einer ganz ähnlichen Me- thode lassen sich auch die Bewegungen der Luft und anderer elastischer Medien behandeln. Ein Punkt von der Masse m soll in Richtung der x Axe oscilliren können. Die Kraft, welche ihn in seine Gleichgewichtslage zurückzuführen strebt, sei = ax + bx? Es mögen auf ihn zwei Schallwellenzüge einwirken mit der Kraft f sin (pt) und g sin (gt + c), so ist seine Bewegungs- gleichung ms = ar + ba + / sin (pt) + g sin (gt + ec) Diese Gleichung kann man durch eine Reihe integriren, indem man darin setzt z=.a, te’, + &’x, + etc. I=Jı 5 — 85 und die mit gleichen Potenzen von = multiplieirten Glieder einzeln gleich Null setzt, also: d’x : ä 1) ax, +m er =— f, sin (pt) — g, sin (dl + e) d’x 2) ax, +m Zee d’x 3) ax; +m "= — 2bx,x, etc. dt 2 Aus der ersten Gleichung ergiebt sich 2; = 40/2 +5) + u sin (pf) + v sin (gt + ec) wobei zwar un und v= = mp” — a mg’ —a Es ist dies das bekannte Resultat für unendlich kleine Schwingungen, wonach der mitschwingende Körper nur seinen eigenen Ton VE und die ihm mitgetheilten > und g angiebt. Da der Eigenton hierbei schnell verschwindet, können wir 4=0 setzen. Dann giebt die Gleichung 2 284 Gesammtsitzung u? b EN Pin LinR ERRE Er Me ze au an 2 (4 mp* —.a) cos (2 pt) cos2(g+c)+ eos[(r—g)—c] v uv 2(4ämy’— a) m(p—g)’—a uv _ — — 005 [pP +) t+e m (p 4 g)” Ei [( q) ] Dieses zweite Glied der Reihe für x enthält, wie man sieht, aulser einer Constanten, die Töne 2p, 29, (r—g) und (eg). Ist der Bigenton// = des mitschwingenden Körpers tiefer als (r—g), wie man es für das mit den Gehörknöchel- chen verbundene Trommelfell des Ohres in den meisten Fäl- len wird voraussetzen dürfen, und sind die Intensitäten u und v nahe gleich, so wird von den einzelnen Gliedern von x, der Ton (p —g) die gröfste Intensität haben; er entspricht dem bekannten tiefen Combinationstone. Der Ton (p + y) wird viel schwächer sein, und die Töne 2p und 2g werden als schwache harmonische Obertöne der primären schwer zu hö- ren sein. Das dritte Glied der Reihe x, enthält die Töne 37, 3g, 2p +9 2p—g, p+2q, p—2g, p und g. Von diesen ist 27—q oder 29 —p ein Combinationston zweiter Ordnung nach Häll- stroems Bezeichnung. Ebenso giebt das vierte Glied x, Com- binationstöne dritter Ordnung u. s. w. Wenn wir nun annehmen, dafs bei den Schwingungen des Paukenfells und seiner Annexa das Quadrat der Elonga- tionen auf die Schwingungen Einfluls gewinnt, so geben die ausgeführten mechanischen Entwickelungen einen vollständigen Aufschlufs über die Entstehung der Combinationstöne. Nament- lich erklärt die neue Theorie ebenso gut das Entstehen der Töne (p +9), wie der Töne (»— g), und läfst einsehen, warum bei vermehrter Intensität u und v der primären Töne die der Combinationstöne, welche proportional uv ist, in einem schnel- leren Verhältnisse steigt. Aus der Voraussetzung über die Gröfse der wirkenden Kraft, welche wir oben gemacht haben: k=ax + bx? folgt, dals, bei einem Zeichenwechsel von x, k nicht blos sein vom 22. Mai 1856. 285 Zeichen, sondern auch seinen absoluten Werth ändert. Diese Annahme pafst also nur auf einen elastischen Körper, der sich gegen positive und negative Verschiebungen nicht symmetrisch verhält; nur bei einem solchen kann das Quadrat der Elonga- tionen Einfluls auf die Bewegungen haben, und die Combina- ‚ tionstöne erster Ordnung hervorrufen. Unter den im Ohre des Menschen vorhandenen schwingenden Theilen ist nun be- sonders das Trommelfell durch seine Asymmetrie ausgezeichnet, indem es durch den Stiel des Hammers stark nach innen ge- zogen ist, und ich glaube deshalb die Vermuthung aufstellen zu dürfen, dals namentlich diese eigenihümliche Form des Trom- melfells das Entstehen der Combinationstöne bedinge. Es folgt aus den gegebenen Entwickelungen, dafs Combi- nationstöne nicht nur im Ohre, sondern auch aulserhalb des Ohres objeetiv entstehen können. Es ist mir bisher erst in einem Falle gelungen, die objective Existenz der Combinations- töne nachzuweisen, nämlich an der von Dove beschriebenen mehrstimmigen Sirene, wo sie bekanntlich in aufserordentlicher Stärke auftreten. Ich fand, dafs die Töne (p+-g) dieses In- struments im Stande sind eine Membran, deren Grundton mit ihnen übereinstimmt, in Mitschwingung zu versetzen. Aufser- dem beobachtete ich an einer ähnlichen Sirene, welche ich habe construiren lassen, und welche auf derselben Axe zwei Scheiben mit je vier Löcherreihen trägt, und für jede Scheibe einen besonderen Windkasten hat, dals die Combinationstöne nur dann ungewöhnlich stark sind, wenn beide primäre Töne an derselben Scheibe, nicht aber, wenn jeder an einer anderen Scheibe angegeben wird. Die Beziehung des Ohrs zu den beiden Tönen wird dadurch nicht geändert, dals ihre Erregungs- stellen entfernter von einander liegen, wohl aber wird dadurch vermieden, dals die am stärksten schwingenden Centra der bei- den Wellenzüge in einander greifen. Auch daraus ergiebt sich die objective Natur dieser Combinationstöne. 286 Gesammisitzung Hr. Braun legte von Hrn. Prof. Hartig in Braun- schweig zu diesem Zwecke eingesandte „Proben des von demselben entdeckten Kleber-Mehls” vor. Durch Hrn. Gerhard machte Hr. Curtius aus einem Briefe des Hrn. Dr. OÖ. Frick aus Constantinopel vom 21. April 1856 in Betreff des Denkmals auf dem Hippodrom (s. S. 162 ff.) folgende nachträgliche Mittheilung. Nach wiederholter Besichtigung des Denkmals ist auf dem- selben nicht ®%ıxarıor, sondern SAsıcrıcı zu lesen; ein Rils in Gestalt eines I hatte bei den früheren Lesungen getäuscht. Ferner ist in der ersten beschriebenen Windung, dicht ober- halb des Namens KogivwSror, AA von Arzedauovıo: sichtbar ge- worden. Ferner ist der metallene Stil, vermittelst dessen die Säule in das Postament eingelassen zu sein schien, aus dem- selben herausgenommen worden und dabei hat sich ergeben, dafs es das Bruchstück einer schweren, bleiernen Röhre sei, einer Dachrinne ähnlich, aber geschlossen, etwa 3 Fuls lang, an beiden Enden verstümmelt, stark verbogen, und voller Beu- len. Darauf steht in deutlichen, erhaben gearbeiteten Schrift- zügen die Inschrift AN---ATWNMATPIKIOVKENAPXOVPWA Die Buchstaben sind einen Zoll hoch. Den Anfang er- gänzt Hr. Dr. Frick Sler[evru]arwv; also etwa: &# damavnae- TuWv Ilergıziou za "Eragy,ov “Puwuns. Auch das Postament ist nun zum grofsen Theile blolsge- legt; es ist ein roh behauener Granitwürfel von etwa 2 Fuls Höhe, dessen kunstlose Gestalt befremdet; er ist ohne In- schrift. Die Säule selbst war von oben bis unten mit lauter kleinen Steinchen gefüllt, welche jetzt, aus einer Öffnung am Fufsende herausgefallen, die Grube, in welcher sie steht, an- füllen. Nach türkischem Aberglauben wurden solche Steine von denen, die mit einer Krankheit behaftet waren, hineinge- worfen; man glaubte so die Dämonen der Krankheit in die Säule bannen zu können. Übrigens hat die Untersuchung der Schlangensäule zu weiteren Nachforschungen Anlafls gegeben. Das englische Gou- vom 22. Mai 1856. 287 vernement hat auch das Postament des durch Theodosius auf- gerichteten grolsen Obelisken auf demselben Platze blofslegen lassen. Während früher auch das eigentliche Piedestal nicht völlig sichtbar war, ist jetzt ein grolser, quadratischer Un- terbau frei geworden, so dals das Ganze einen imposanten An- blick gewährt, dadurch sind auch die an zwei Seiten befind- lichen Inschriften, die lateinische wie die griechische, ganz lesbar geworden; sie enthalten eine panegyrische Lobpreisung des Theodosius und seines Baumeisters Promlos [sic] der innerhalb 32 Tage dieses &ySos Zmı %Sovi zeinevov aufgerichtet habe. — Der vorstehenden Mittheilung ist endlich noch eine andere desselben Berichterstatters nachgefolgt, auf dessen Zeugnils Hr. Curtius von Göttingen aus (d. d. 22. Mai) auch diesen neuesten Fund der Akademie mittheilt. Es hat sich nämlich bei nochmaliger Nachgrabung von Sei- ten des englischen Gouvernements ergeben, dals gerade unter dem Granitwürfel, welcher der Säule als Postament dient, ehemals eine Wasserleitung entlang führte, welche unzweifel- haft (was ohne Umsturz des ganzen Monuments nicht zu er- kennen ist) in das Innere der gewundenen Säule hineinreichte. Somit erscheint jenes neu entdeckte Bruchstück, welches Dr. Frick einer Dachrinne verglich, als eine mit jener Wasser- leitung in Verbindung stehende Röhre und das Ganze in der Kaiserzeit als Springbrunnen gedient zu haben. Hr. Ehrenberg theilt endlich aus einem an ihn gerich- teten Briefe des Reisenden in Afrika, Dr. E. Vogel, d. d. Kuka 11. Dec. 1855 einiges Hervorzuhebende mit und’ legte eine dabei eingesandte Skizze über die dortigen Wassersysteme, sowie erbetene Proben des Oberflächenstaubes von Kuka, des Grundschlammes des Tschad Sees und der aus tiefen Brunnen genommenen Erde vor, über deren bereits mannigfach hervor- tretenden Reichthum an organischen Bestandtheilen er später specielle Mittheilungen machen wird. | | 288 Gesammtsilzung | An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: G. C. Berendt, Die im Bernstein befindlichen organischen Reste der Vorwelt. 2. Band. Berlin 1856. folio. Statistigue des hospices et des bureaur de bienfaisance de Belgique. Bruxelles 1856. folio. Mittelst Ministerialreseripts vom 13. Mai 1856. (v. Chlumecky) Die Landtafel des Markgrafthums Mähren. Lieferung 4—6. Brünn 1856. folio. Rudolf Freiherr von Stillfried und Traugott Märcker, Monumenta Zollerana. 2. Band. Berlin 1856. 4. Mit Schreiben der Hrn. Herausgeber vom 20. April 1856. Memoires de la societ€ de physique de Geneve. Tome XIV, Partie 1. Geneve 1855. 4. J. Fr. Ludw. Hausmann, Über die durch Molekularbewegungen in star- ren leblosen Körpern bewirkten Formveränderungen. Göttingen 1856. 4. 37. und 38. Publication des Literarischen Vereins in Stuttgart. Tübingen 4856. 8. Verhandlungen der phys.-mediz. Gesellschaft in Würzburg. WI. Band, 3. Heft. Würzburg 1856. 8. Annales des mines, Tome VI, Livr. 3. Paris 1855. 8. Mittelst Mi- nisterialrescripts vom 8. Mai 1856. Mnemosyne. V. Deel, 2. Stuk. Leiden 1856. 8. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne. Bind IX, Heft 1. Christiania 1838.),.8: Aubert, Beiträge zur lateinischen Grammatik. Christiania 1856. 8. Th. Kjerulf, Om Dannelsen af de uskiktede Bjergarter. (Christiania 1856.) 8. Universitetes Budget for 1854—57. Christiania 1856. 8. E. Sundt, Om Giftermaal i Norge. Christiania 1855. 8. V. Malacarne, ARettificazione della periferia del circolo. WVicenza 1856. 8. Lorenzo Leonii Memorie storiche di Todi. Dispensa I. Todi 1856. 8. Athenaeum frangais, no. 19—21. Paris 1856. 4. Zuerst empfing hierauf die Akademie im Auftrage Sr. Ma- jestät den 2ten Band der Monumenta Zollerana, welches Ge j vom 29. Mai 1856. 289 schenk und Zeichen allerhöchster Huld mit ehrfurchtsvollstem Danke entgegen genommen wurde. Hierauf kam noch zum Vortrage ein Dankschreiben Sr. Excellenz des vorgeordneten Hrn. Ministers v. Raumer für die Übersendung des 1. Supplementbandes der Verhandlungen der Akademie von 1854. 29. Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Pertz las den ersten Abschnitt seiner Abhandlung „über den genuesischen Geschichtsschreiber Caf- farus und seine Fortsetzer.” An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: J. de Witte, Description des medailles et antiquites du cabinet de M. Vabbe H. G.*** Paris 1856. 8. Memoires de ! Academie imperiale des sciences de Dijon. Tome IV. An- nee 1855. Dijon 1856. 8. Journal d’agrieulture publie par le comite central d’agrieulture de la cöte d’Or. 18me annee. Dijon 1855. 8. Mit Schreiben des Biblio- thekars der Gesellschaft, Hrn. Larrey, d. d. Dijon 16. April 1856. Congres scientifique de France. Session 21. Dijon 1855. 8. Annales de chimie et de physique. Tome 46. Paris 1856. 8. Lucae, Schädel abnormer Form. Yrankfurt a. M. 1855. 4. Crelle, Journal für Mathematik. 52. Band, Heft 1. 2, Berlin 1856. 4. Gemeinnützige Wochenschrift, no. 1—18. Würzburg 1856. 8. L Institut, no. 1166—1167. Paris 1856. A. Die Akademie beschlols hierauf dem Visirer im Zollamte zu Rotterdam, Hrn. Wolters, welcher die vom verstorbenen holländischen Artillerie-Officier Wolfram der Akademie als Vermächtnifs hinterlassenen, durch Lambert bezeichneten lo- garithmischen Manuscripte in den Besitz der Akademie gebracht hatte (S. Monatsbericht 1854 p. 170), eine silberne und eine bronzene Leibniz-Medaille als Dank zu übersenden. — II [1856] 21 Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Juni 1856. Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg. 2. Juni. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Homeyer las „über die unächte Reformation Kaisers Friedrichs des Dritten.” Dieses Schriftstück ist bekanntlich von Melchior Goldast in die deutsche Rechtsgeschichte eingeführt worden. Schon im J. 1607 hatte er in dem Rationale constitt. Imper. p. 113—115 einen Auszug davon aus dem polemischen Werke des Max. Philon von Trier: Examen und Inquisition der Papisten und Jesuiten, aufgenommen. Philon giebt nemlich — wenigstens in der mir vorliegenden Ausgabe von 1607 — schon auf dem Titel an ,„darbey K. Friderici III Reformation, Von Noth- durft Teutscher Nation, als dieser Zeit hoch nothwendig inserirt”, und liefert dann S. 194—199 als ‚„Kurzen Auszug” aus dieser Reformation, welche unter jenem Namen gedruckt ausgegangen sei, die gegen die Geistlichen gerichteten Artt. I mit Decl. 1—4, IV D. 2, VID. 1, 2, 3, 4, XIII D. 1 und den Beschlufls. Goldast theilt nun diesen Extract als ein Stück der reformatio ecclesiastica, gegenüber der politischen Refor- mation des Kaisers, (dem Reichsabschiede von 1442) mit, unter dem Bemerken, dafs der von Philon erwähnte Druck ihm noch [1856.] 22 2. 292 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse nicht zu Gesicht gekommen sei. Zwei Jahre später gab er in den „Reichssatzungen” (Ausgahe von 1712 S. 166 ff.) den voll- ständigen Aufsatz unter dem von ihm zugefügten Titel: Kayser Friderichs des Dritten Reformation. Im H. Römischen Reich fürgenommen und proponirt auf dem Reichstag zu Mentz Anno D. MCCCCKLI. Es fragt sich woher. Eichhorn RG. $ 408 nimmt an, aus dem Mainzer Archiv. Mit Bestimmtheit sagt Goldasts „Anzei- gung, woher die Reichssatzungen genommen seien” S. 312, 313, dies nicht. Er vertheidigt die Ächtheit der Reformation damit, dafs er bei den Churfürstlichen Canzleien die Originalien gesehen habe. Wolle ein Prälat, wie schon geschehen sei, daran zweifeln — wohl wegen jener von Philon bekannt ge- machten Artikel — und fürchte er sich, an die Pfälzische oder Sächsische Canzlei zu gehen, so möge er sich an die Mainzi- sche wenden und sich bei dem Registrator um die Wahrheit der Reformation erkundigen. Dann heilst es noch „die Ori- ginalia so mir zu sehen vergont worden, haben folgende Überschrift: Dieser Auszug von Kayser Friderichs des Dritten für- gencemmenen Reformation im H. R. R. Teutscher Na- tion wird mit nachfolgenden zwölff Hauptartikeln und ihren Declarationen mit sampt dem dreyzehenden Be- schlufsartikel hierin klärlich angezeigt.” Immerhin ist anzunehmen, dafs Goldast eine archivalische Hand- schrift benutzte, nicht den alten Druck, dessen er auch hier als von Philon extrahirt erwähnt, den er aber gesehen zu ha- ben nicht behauptet. Er bemerkt ferner, das Werk sei wohl von den Reichs- städten erst auf einem Städtetage gemacht und hernach auf dem Reichstage dem Kaiser als ihr Bedenken übergeben worden, zul welchem schon K. Siegmund, behufs Stillung der Unruhen im Reiche, sämmtliche Stände aufgefordert babe. Aber der Pabst habe ‚‚die Saw mit seinem Pörer dermassen geschoren, dals die Teutschen aus viel Geschrey wenig Wollen bekommen”. Denn von der Reformation, die nach vielen Verhandlungen 1442 z Stande gekommen (jenem Reichsabschiede), müsse man sage parturiebant montes etc. vom 2. Juni 1856. 293 Über die eigentliche Bedeutung der somit zur allgemeinen Kunde der Rechtsgelehrten gebrachten Schrift giengen die Ur- theile nach beiden Seiten hin gar weit auseinander. Manche | Juristen, empört über die dem Kaiser in den Mund gelegten Äufserungen wider die Doctoren und das römische Recht, sahen darin eine nichtswürdige Erdichtung '), Andre einen wirklich zu Stande gekommenen Beschlufs, wie z. B. die Vorrede Coc- ceji’s zu dem Project des Corp. Jur. Fridericiani 1750 $ 20 erzählt: „‚dahero ist K. Friedrich III ... bewogen, solches (das römische Recht) durch einen öffentlichen Reichsschlufs 1441 auf gewisse Art abzuschaffen”. Dazwischen liegt eine Reihe von Mittelmeinungen, als Schattierungen jener Äufserung Gold- asts, dals das Document ächt, aber nur als ein Entwurf zu be- trachten sei. So nennt z. B. Pütter, Entwickelung der Staats- Verf. I. 300, es einen Vorschlag auf Friedrichs erstem Reichstage im J. 1441. Der Zwiespalt der Ansichten dauerte im gegenwärtigen Jahrhunderte fort. Georg Wilhelm Böhmer widmete der Frage eine eigne Schrift mit dem pomphaften Titel K. Friedrichs IH Entwurf einer Magna Charta für Deutschland, Göttingen 1818, deren Verdienst nur in der Angabe der Literatur des Gegen- standes besteht. Im übrigen giebt sie nach Goldast die Ar- tikel nebst Auszügen aus den Declarationen und eignen Er- läuterungen im Sinne des Titels, und mübt sich mit der Aus- führung, das Werk sei in seinem ganzen Umfange auf unmit- telbaren Befehl des Kaisers in seinem Cabinet verfalst worden. Als nun Eichhorn in der dritten Ausgabe seiner Rechts- geschichte 1822 bis zu dieser Periode gelangte, entgieng es seiner unbefangenen und gründlichen Prüfung nicht, dafs hier auch nicht einmal von einem Vorschlage, sei es des Kaisers \ oder der Städte die Rede sein könne. Er beurtheilte & 408 die Schrift als einen Privataufsatz, der schwerlich je Gegen- *) Silberrad z. B. Vindiciae iuris Romani contra reform. de a. 1441, Argent. 1748 nennt sie p. 37 infame carmen, p. 70 foetum monstrosum, 19. F. Eisenhart de Friderico IH ab odio in Jureconsultis vindicato 1764, urtheilt istam spuriam esse et inter figmenta referendam. 22° 294 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse stand einer Reichsberathung geworden, und der auch erst in das Ende der Regierung Friedrichs II (+ 1493) falle. Er zeigte wie lächerlich es sei, einen Vorschlag, der das Handels- capital eines Kaufmanns auf 10000 Al. beschränken wollte, den Reichsstädten zuzuschreiben ; ferner in wie phantastischer Weise der Autor, der als einzelne Person spreche, den empfundenen Übelständen mit allgemeinen Phrasen abzuhelfen trachte, wie die Klagen über den Einflufs der Doctoren der Mitte des 1öten Jahrh. noch gar nicht angehören könnten. Und da die erste Ausgabe im J. 1523 gedruckt sein solle, würde man nach dem, was über die Geistlichkeit vorkomme, den Aufsatz füglich in diese Zeit setzen dürfen, wenn nicht die Vorschläge über die Einrichtung des Reichs-Kammergerichts annehmen liefsen, dafs dem Verfasser die Ordnung von 1495 noch unbekannt gewesen. Einige Jahre später gab Ferd. Friedr. Öchsle mit seinen „Beiträgen zur Geschichte des Bauernkrieges 1830” der Frage eine andre Wendung. Er theilte nemlich aufser den zwölf bekannten Artikeln, durch welche die Aufständischen eine Ab- hülfe der grade den Bauerstaud drückenden Lasten suchten (246 ff.), auch die bis dahin fast unbekannten viel weiter grei- fenden Pläne der Bauernführer zur Änderung der ganzen deut- schen Verfassung mit. Zunächst die Reformvorschläge des Friedrich Weigant, Kellers in Miltenberg (S. 156—159), so- dann den Entwurf der Männer, welche der grolse Bauernrath „des hellen christlichen Haufens des Odenwaldes und Neckar- thales” zu Würzburg im Mai 1525 nach Heilbronn zur Berath- ' schlagung mit den Abgeordneten der übrigen Haufen gesendet hatte, einen Plan, der dem Wendel Hipler insbesondre zu- zuschrieben sei (S. 152, 153, 163—174). Öchsle giebt ihn S. 283—292 nach zwei Hdsch. des Hohenlohischen Archivs zu Öhringen, und einer des Staatsarchivs in Stuttgart'). Eine nahe Beziehung zu unsrer Reformation liegt in ihm deutlich | vor. Der äulsere Zuschnitt und der durchaus charakteristische | 1) Er ist, wie Öchles Vorrede XIX nachträglich bemerkt, schon in Stumpf, Denkwürdigkeiten der D. Geschichte Heft 2, Erfurt 1802, doch unvollkommen gedruckt worden, und wie es scheint unbeachtet geblieben. Stumpf legt ihn, doch nach Öchsle grundlos, dem Friedrich Weigant zu. j j | vom 2. Juni 1856. 295 Inhalt ist wesentlich derselbe. Öchsle äufsert daher auch, dafs Hipler unverkennbar seiner Arbeit die sog. Reformation K. Friedrichs III. bei Goldast zum Grunde gelegt habe, Vorr. XX Note, S. 163. Nach diesen Mittheilungen änderte Eichhorn in der vier- ten Ausgabe der Rechtsgeschichte 1837 seine Ansichten. Er gab die Meinung, dafs das Document noch ins 15te Jahrh. falle, auf, denn dem Autor könne wohl zugetrauet werden, dafs er der Reichs-Kammergerichtsordnung von 1495, war sie gleich schon vorhanden, doch keine Rücksicht schenke. Die Arbeit sei in die ersten Jahre nach der Reformation zu setzen. Und sollte sie wirklich schon 1523 zu Zwickau gedruckt sein, so könne man sie für einen Entwurf der Schwärmer halten, die dort 1522 mit Thomas Münzer auftraten. Diesen Entwurf habe dann Hipler in Franken dergestalt benutzt, dals er einiges von den geistlichen Zuthaten wegliefs, andres Praktische hinzufügte. Falle dagegen der Abdruck in spätere Zeit, so seien allerdings Hipler und seine Freunde für Verfasser des Entwurfes, den sie schon im April 1525 verbreiteten, zu halten. Immerhin recht- fertige sich Goldasts Conjectur über den Ursprung des Auf- satzes nicht durch die Überschrift, welche er im Mainzer Ar- chiv gesehen. Später haben sich noch über die Frage näher ausgespro- chen: Ranke, D. Geschichte im J. der Reformation 1839 Bd. II S. 203 und zwar in der ersten der obigen Alternativen. Die Gedanken in den Verfassungsplänen der Bauern seinen schon in einer 1523 erschienen Schrift geäufsert, dann aber von den Bauernführern ausgebildet worden. Goldast habe übri- gens nicht zuerst das Werkchen Friedrich dem Illten zuge- schrieben, denn nach Panzer weise wirklich der Titel des alten Druckes auf diesen Kaiser hin. — Hagen, Geist der Refor- mation 1843 I S. 338 theilt die Vermuthung Eichhorns nicht, dals Thomas Münzer der Verfasser sein könne, weil die Re- formation dafür zu klar und verständig gehalten sei. Eher könnten die Verfasser des Heilbronner Entwurfes auch die Re- formation verfalst haben. Eichhorns Zweifel über den Ursprung des Werkes er- wuchsen nach dem Obigen daher, weil er eben so wenig als 296 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse seine Vorgänger des alten Druckes ansichtig geworden. Die- sen citiert Goldast nach Philon ohne Angabe von Ort un Jahr. Böhmer, der sich vergeblich um ihn bemühte, führt S. XIV den Druckort Zwickau ohne Jahr, dann S. CX nach Lipenius das J. 1523 aber ohne Ort an; Eichhorn combinirt: die Schrift solle 1523 zu Zwickau gedruckt sein. Diese ver- schiedenen Angaben lösen sich schon durch Panzer, dessen Annalen II S. 226 zwei Drucke aufführen, Nr. 2062 mit 1523 ohne Druckort, Nr. 2063 ohne Jahrszahl mit dem OrteZwickau.') Ich kann nun der Akademie diese beiden Drucke vor- legen; den letztern erwarb ich selber vor kurzem, der erstere ° ergab sich auf mein Nachfragen auf der hiesigen K. Bibliothek. : Ihre Vergleichung untereinander, dann mit der Goldastischen und der Hiplerschen Form hilft allerdings die Sachlage auf- klären. 1. Beide alte Drucke sind in kl. 4, zählen 5 Baden; ' Blatt- oder Seitenzahlen fehlen. Mein Exemplar ohne Jahrs- 7 zahl, weiches auf dem Titel einen Geharnischten als Verzie- rung zeigt, hat a. E. Gedruckt zu Zwickaw durch Jörg Gastel defs Schön [pergers diener von Auglpurg. % Dieser „Diener” der berühmten Augsburger Firma hat, wie mich Dr. Schrader belehrt, von 1523 bis 1525 gedruckt. Das Exemplar der K. Bibliothek ohne Druckort zeigt frei- lich die Zahl 1523, aber sie steht in dem Holzschnitt, der als breite und reiche Verzierung den Titel umgiebt, auf einem Stein, an welchen sich ein sitzender Posaunenengel lehnt. Sie beweist nur, dals diese Verzierung, welche in ihrer Dar- stellung eines Zuges geflügelter Knaben gar keine besondere Beziehung auf den Inhalt bietet, im J. 1523 geschnitten ist, mithin der Druck nicht früher fällt; sie gewährt aber keinen Belag für jenes Jahr als das Druckjahr selber. Nach Dr. Schra- ders Urtheil gehört auch dieser Druch dem niedern eder mitt- lern Deutschland an. ‘) Hagen a. a. O. nennt eine ihm vorliegende Ausgabe als s. |. ge- druckt, giebt aber auch kein Jahr an; es steht dahin, welcher der beiden Drucke, oder ob gar ein dritter ihm zur Hand war. vom 2. Juni 1856. 297 Den Zwickauer Druck halte ich für den ältern. Zunächst ist klärlich die eine Ausgabe der andern nachgedruckt. Nicht nur stimmt der Inhalt Wort für Wort, sondern von Bl. 4 bis 16 "fällt auch Seite genau auf Seite. Nun palst aber doch die Anonymität besser für einen Nachdrucker. Auch bemüht der namenlose Drucker, der anfangs ein Paar Zeilen voraus hat, sich auf Bl. 3 v. sichtlich, durch breiteren Raum zwischen den Absätzen, mit dem Zwickauer Druck ins Gleiche zu kommen. Die Orthographie sodann, welche vielfach abweicht, ') giebt zwar keinen entschiedenen Ausschlag, wo es sich nur um einen Unterschied weniger Jahre handeln kann, doch spricht das häu- figere i statt y, nn statt n im Drucke s. I. einigermafsen für eine jüngere Zeit. Endlich begegnen in diesem Drucke man- cherlei Febler, z. B. heucher für heuchler Art. VIII D. 1, geapoliert für geappelliert VII 4, allafenz für allefanz VIII 3, syber für silber XI 2 u. s. f., die ich doch eher der Nach- lässigkeit des Nachdruckers zuschreiben möchte. Immerhin ergiebt sich, dals das Jahr 1523 für die erste Ausgabe nicht festzuhalten ist, dals diese auch in das J. 1525, in die Zeit des Bauernaufstandes fallen kann. 2. Die Vergleichung sodann dieser alten Drucke mit der Gestalt bei Goldast zeigt, abgesehen von dem Titel, noch folgende Abweichungen. a. In dem Eingangsgebet, der sog. Vorrede, heilst es a. E. bei Goldast: 2 Das dritt ist, die Bewarung u. Handhabung aller Rech- ten, auch guter Ordnung u. statuten, wie die zum theil mit zwölff Artickeln ihrer Declaration und Erklärungen hernachfolgend verzeichnet seynd. Hier aber nach „‚statuten”: wie solchs zum tayl von keyser Fridrich dem ‘) So schon auf dem Titel, der im Zwickauer Druck zu lesen: Teütscher Nation notturfft: Die Ordnung vn Reformation aller Stendt ym Römischen Reych. Durch kayser Fridrich den dritte, Gott zu lob, der | gantzen Chriftenheyt zu nutz vnd saligkeyt fürgenommen. In dem an- dern: Teütscher Nation nodturfft. Die Ordnung vnnd Reformation aller Stend im Romischen Reich. Durch keyser Fridrich den dritten Gott zu lob, der gantzen Chriftenheyt zu nutz vnd [eligkeyt fürgenomen. 298 b. die Sitzung der philosophisch-historischen Klasse dritten im heyligen Römischen Reych Teutscher Na- tion durch nachfolgent zwölf artickel etc. Ähnlich wird in der Überschrift nach dem Eingange, statt wie bei Goldast: Folgend stond die zwölff Hauptartikel wie die in des H. R. Ordnung betracht seynd fürzunemen und zu be- stetigen, hier gelesen: zwölff H. mit yedes sonderlicher erklerung, wie die durch k. Fridrich den dritten zu des H. R. Ord- nung betracht für zunemen etc. . Während bei Goldast erst die zwölf Hauptartikel zusammen stehen, dann deren Declarationen folgen, endlich der 13te Artikel mit seinen Declarationen angehängt ist, sind hier jedem Artikel sofort seine Erklärungen beigegeben. . Der „Beschlufs” des Ganzen, der sich drohend an die Geist- lichen wendet, lautet bei Goldast: Nun kumbt die Zeit, dals euere Güter als der Feind Güter gebeut und aufsgetheilt werden. Wann als ihr die Gemein beschwert haben, also wird sie auch über euch uffstehen, dafs ihr kein bleibende statt ninders wissent. Nach diesen dingen werden erst die zwölff Haubtartickel ... ihren Anfang nehmen mit einer recht- mälsigen Ordnung und ‚Reformation. Die alten Drucke schliefsen dagegen nach einer Anführung aus Matth. 3: Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurtzel gelegt, und Joh. 15: Ein yetzliche reb an mir die nit frucht bringt ect., mit Wie dann durch vor gesetzt ordnung gewilslich be- schehen wirt. Welcher orn hab zu hören der hör. Endlich steht . vor diesem „Beschlufs” nach der letzten Declaration des Art. XIII in den alten Drucken noch: Georg Rixner genant Jherusalem Römischer kaiser- licher Mayestat vn des heyligen reychs Ernholt. Die von Goldast gegebene Gestalt stellt sich hienach als frühere dar. Die in ihrer Überschrift enthaltene Hinwei- sung auf K. Friedrichs Reformation, s. oben S. 292, lautet in vom 2. Juni 1856. 299 dem Titel der alten Drucke bestimmter, und wird in ihnen noch zweimal, am Schlusse des Einganges und in der Über- schrift nach dem Eingange wiederholt. Schwerlich aber konnte eine solche Bezugnahme auf des Kaisers Autorität in einer spätern Umbildung abgeschwächt und verkürzt werden. Auch steht, nach c, in der Anordnung bei Goldast der 13te Artikel noch wie ein Anhang da, während die Behandlung in den Drucken alle 13 Artikel gleich stellt. 3. Als früheste Form aber ist die von Öchsle bekannt gemachte zu betrachten. Sie trägt gegen jene beiden im Gan- zen den Charakter eines noch ungeordneten, losern Entwurfes an sich. Zuvörderst in der äufsern Einkleidung. Sie giebt die Absätze ohne Überschriften, setzt ihren 12 Artikeln Items von ungleicher Zahl nach, und bezeichnet sie nur bei Art. 1, 2, 4 als Declarationen. Dagegen halten jene Gestalten einen be- stimmten Zuschnitt strenge ja pedantiseh fest, indem sie nach derjenigen Zahl der Declarationen, die dort den Artikeln 1 u. 2 folgen, jedem Artikel vier Declarationen zutheilen, welche gleich den Artikeln selber eine umständliche Überschrift und einen dieselbe wiederholenden Eingang an sich tragen, z. B. zu VIII. 2: „Über den achten Artikel die andere Erklärung derselben Declaration. Die andere Erklärung über den achten Artikel seiner Declaration die wird also fürgenommen”. Fer- ner ist bei Öchsle die ganze Darstellung weniger ausführlich; nicht minder fehlt dort der Art. 13 so wie Eingang und Be- schlufs. Sodann wird zuweilen nur anrathend gesprochen, wo die beiden andern Formen positiv bestimmen. So lautet es dort z. B.: Zum fünften wär gut, dals kain geweihter ... in des Reichs Rath ... getzogen wurden. Hier aber (Art. VI): Alle geweyehten ... söllen nun fürbafs hyn nit mer in des Reichs radt ... getzogen werden. Bezeichnend ist für die Priorität auch folgende Abwei- chung im Inhalt. Bei Öchsle heifst es, nachdem S. 290 er- wähnt worden, dals XXI Münzschmiede im Reiche genügen würden: „Item die obgesagten Munzschmitten sollen in nach- wolgenden Lendern vnd Grentzen gethailt werden. Nemlich osterreich. Baiern. schwaben. francken. oberreinstrom”. Des Niederrheins also, des Landes zu Sachsen, überhaupt Nord- 300 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse deutschlands wird nicht gedacht. Goldast und die alten Drucke haben dafür: „Das man .... XXI muntzschmidt halten soll, der sollen funf in die oberland geteylt werden als Beyrn, Schwaben, Francken, Oberreynstrom u. Österreich mit jrn zu- gehörenden Landen”. Sie beschränken zwar nicht wie dort die Einrichtung auf die Oberlande, aber erwähnen doch nur dieser Lande bei der Vertheilung der Zahl der Münzschmiede, und diese Vertheilung geschieht so auffallend, dafs sie wobl nur als Corruption jener ursprünglichern Bestimmung zu er- klären ist. Besonders lege ich für den fraglichen Punkt darauf Ge- wicht, dafs in der Form bei Öchsle jede Beziehung auf Frie- drich II fehlt. Die Überschrift lautet hier nemlich: Welcher gestalt ain ordnung Reformation zu nutz vnd fromen vnd Wolfahrt aller Cristen bruder zu be- greyffen vnd- vffzurichten sey. Das oben gebrauchte Argument trifft hier noch stärker zu. Wie wäre es glaublich, dals die Bauernführer den ungeheuren Vorschub, welchen der Name des Kaisers ihren Reformplänen gewähren mulste, verkannt und beseitigt hätten. Von andern Abweichungen in Einrichtung und Inhalt, die für die Priorität nicht entscheiden, sind noch hervorzuheben. Aufser dem dreizehnten Kapitel fehlt bei Öchsle noch der vierte; dagegen ist sein neunter in den andern Formen zur Decl. VIII 4 gemacht. Die einzelnen Bestimmungen sind bei ihm zuweilen milder. Zu Art. 3 z. B. wird nur eine Ablö- sung des Bodenzinses mit dem zwanzigfachen Betrage ange- ordnet, dagegen ist bei Goldast und in den alten Drucken von einer völligen Freiheit der Grundstücke die Rede, so dals nur von den natürlichen Früchten (was Gott giebt) — oder nach Umständen 4, 4, + für Herrn Gült geachtet werden soll. Auch sind in der Umarbeitung einzelne Specialitäten des er- sten Entwurfes weggeblieben. So steht bei Öchsle S. 287 als Argument gegen die Theilnahme der Geistlichen an weltlichen Geschäften noch: „Item der Bischoff von Maintz hatt nach Natiuitatis Maria nechst vergangen mitt allen suffraganien vnnd bischoffen .... der XII sein zu Aschaffenburg ein versamlung Ir vnd anderer Babtisten doctores gehabt vnd Rath gehalten. vom 2. Juni 1856. 301 Es ist aber kain weltlicher In den rath nie gefordert worden”. Und zum Art. 12 werden unter den abzustellenden Gesell- schaften die „„Focker, Hoffstetter, Welser” namentlich auf- geführt. Auch die einzelnen von Öchsle benutzten Handschriften zeigen noeh Abweichungen. Namentlich hat die Stuttgarter gegen das Ende einen eignen auch bei Goldast u. s. w. feh- lenden wichtigen Satz, wonach der Adel hinfort kein Lehn von Geistlichen, sondern nur von Weltlichen tragen soll. 4. Nach der bisherigen Ausführung ist also der ursprüng- liche Gedanke der Reformation und dessen erste Gestaltung jenem Heilbronner Convent zuzuschreiben. Ob diesem auch noch die Ausbildung und festere Ordnung beizulegen sei, welche die zweite von Goldast mitgetheilte Form zeigt, bleibt vorerst ungewils. Dagegen lälst sich die dritte Gestalt, die der alten Drucke, in Verbindung mit einer bestimmten Persönlichkeit bringen. Jene Notiz nemlich nach der letzten Declaration des letz- ten Artikels kann den Georg Rixner doch nur als Heraus- geber bezeichnen wollen, vielleicht mit dem besondern An- spruche, dals der Reichsherold auch hier das kaiserliche Wort verkündigt habe. So begegnet man hier einen Namen, der ja zu den berüchtigtsten in der deutschen Literargeschichte zählt. Im J. 1530 erschien bei Hieronymus Rodler zu Simmern in prachtvoller Ausstattung das später häufig aufgelegte Werk „Anfang, Ursprung und Herkommen des Thurniers in Teut- scher Nation”, welches Heinrich den I als Gründer der Tur- niere nennt, ausführlich die Abfassung der ersten Turnier- gesetze unter ihm schildert, und dann 36 Turniere bis zum J. 1395, unter Aufführung der dabei erschienenen Edeln, be- schreibt. Welchen entschiedenen und störenden Einfluls das Werk Jahrhunderte lang auf die Darstellung der allgemeinen Begebenheiten unter Heinrich und auf die Geschichte des Tur- nierwesens geübt hat, weist Waitz in den Jahrb. des D. Reichs I 14 S. 191 näher nach; eben so ist bekannt, welche Verwirrung es bis in die neuesten Zeiten hin in Alter und und Genealogie der einzelnen Geschlechter gebracht hat. 302 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Eine Zueignung des Autors im Eingange besagt: Dem Fürsten .... Johannsen Pfalzgrauen bei Reine . meinem gnedigen Herren embeute ich Georg Rüx- ner genannt Hierusalem Eraldo vnd Khündiger der Wappen u. s. w. - Die Vorrede erzählt: Weil das Buch bei Johann, Pfalz- graf von Rhein und Erzbischof von Magdeburg (1464—1475) „in Behalt erfunden”, so habe Georg Rixner Heroald es nicht unbillig jenem Brudersenkel des Erzbischofes gewidmet. Ein Bürger zu Augsburg Max Wirsung habe ein Tractätlein über Turniere drucken lassen '). Rixner halte es für seine Pflicht das- selbe zu corrigiren, ‚nach Erkenntnis des rechten Originals”, welches er selber bei Johann Kirchberger, Vicar des Stiftes der Moritzkirche zu Magdeburg und Kaplan des Erzbischofes Johann gesehen und unter seiner Hülfe mit grofser Mühe aus ihrem „‚kurzen Teutsch” ins Hochdeutsche gebracht habe. Dann heilst es „‚darumb diser Herr Johanns dils buch nach seiner Fürstlichen Gnaden abgang ... in sein gewalt gebracht hat, welches vor alter gar nahe verblichen was, vnd als mir solch buch von jme ward, begert ich an jne, das nymant weiter zu vergünnen, des er mich unter augen gewart, vnd warff es in meinem ansehen jn ein feuer, darumb ich weils solch Ritter- spiel von nymandt andern den mir in dils hochteutsch gezung verwandelt vnd an tag bracht ist”. Dieser seltsame Bericht erregte schon Goldasts höchsten Verdacht. Er giebt zwar in den Reichssatzungen S. 4 Hein- richs des Finklers Turnierordnung, aber bemerkt dazu $. 305: nicht zwar dafs ich wölle die Thurniere gehalten zu seyn ver- neinen, sondern die Form, Weils vnd Umbständ, wie sie im gemeldtem Buch beschrieben, halt ich, seyn aus des Ruexners wahnsinnigem Hirn erdacht und gespunnen worden. Und als B. G. Struve in seiner Abhandlung de doctis impostoribus 1703 die Personen dieses Gelichters zu classificiren unternahm, hat er dem Autor des Turnierbuchs den gebührenden Platz nicht vorenthalten. Er erzählt auch von ihm: notum est, quod saepe genealogias finxerit, quae latius exponere meditabatur Caspar ‘) Im J. 1518, 4, s. Finauer baiersche gel. Gesch. unter Rixner. Y vom 2. Juni 1856. 303 Sagittarius in Ruxnero exenterato. Wie weit es unser „Ern- halt’”’ auch hierin trieb, zeigt Spangenberg, der in seiner Henne- bergischen Chronica 1599, S. 10 mit Entrüstung einen Stamm- baum mittheilt, in welchem Rüxner die Grafen von Henneberg von Geschlecht zu Geschlecht bis zum Jahr 311 n. Chr. G. zurückführt. Leider habe ich über die sonstigen Lebensumstände des frechen Mannes nichts ermitteln können. Finauer (s. S. 302 Note) weils nur zu sagen, dals er in Baiern geboren sein werde, weil Vigiläus Hund, Vorrede zum baierschen Stammbuch, ihn für seinen Landsmann anerkenne. Sonst haben er und Kobolt, der ihn ausgeschrieben, so wie Jöcher, Struve u. a. nicht mehr, als was die Vorrede zum Turnierbuche ergiebt. Das K. Privilegium für den Verleger dieses Buches ist vom J. 1527; damals also war das Werk wohl fertig. Der ,„Teutschen Na- tion Nothdurft” zeigt ihn uns wenige Jahre früher, aber auf gleich fahlem Pferde. Wie weit er, dem das schlimmste zu- getrauet werden darf, auch hier in Lug und Trug gegangen, ist freilich nicht genau zu sagen. Es mag sein, dals er, der sich in der Zueignung zum Turnierbuch nur ‚,‚Eraldo und Khündiger der Wappen” nennt, wirklich „„Römischer Kaiser- licher Mayestät und des heiligen Reiches Ernhalt” gewesen, denn auch damals war dies schwerlich eine Würde von beson- derer Bedeutung '). Beim Einschieben des kaiserlichen Namens und einer für das Reich ergangenen Ordnung hat ihm eine Aufschrift, ähnlich der von Goldast aufgeführten, wohl schon den Weg gewiesen. Im Dunkeln bleibt, ob er auf eigne Faust oder im Einverständnils mit den Bauernführern ihrem Entwurfe eine grölsere Öffentlichkeit und entschiedner den Schein der ‘) J. Spener sagt in der insignium theoria Fef. 1690 fol., Prolegom. p.9. Ex aula imperiali didici, quinque esse feciales, non aliam eorum functionem, quam quod solennitatibus aulicis ... assistant eta Caesare per eos... statibus sententiae insinuentur. Unde ipsi sub aulae praefecto sunt, ... neque aliquis inter eos rex armorum ... est; ita et inspectio in arma nobilitatis ad eos non spectat... Tum nobiles quam ignobiles ad hanc dignitatem creantur. An olim diguitas huius ordinis major fuerit, fa- teor me ignorare, 304 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse höchsten Autorität zu geben suchte, auch, ob er diesen Schritt vor oder nach der Dämpfung des Aufstandes — Mai und Juni 1525 — wagte. Noch mag nicht unbemerkt bleiben, dafs sein Name vor dem „Beschlusse’” steht, der sich noch einmal mit Eifer gegen die „Geweychten” richtet, und dals in dieser Schlufsrede selber die letzte drohende Voraussagung, s. oben S. 298, etwas milder als bei Goldast gefalst ist. Das Ergebnifs der Untersuchung ist dahin zu fassen. Nach Öchsles Mittheilungen war durch Eichhorn der richtige Stand- punkt für die Beurtheilung des Documents im Wesentlichen schon gegeben. Dasselbe wurde bestimmt aus der Reihe der wirklichen Rechtsquellen oder auch nur der Reichstagsentwürfe und aus dem 4öten Jahrhundert entfernt, und dagegen den Plänen der Volksführer in der gährenden Zeit nach der kirch- lichen Reformation zugewiesen. Nach der nunmehrigen Ein- sieht in die alten Drucke darf sowohl die Annahme Öchsles und Rankes, dafs dem Verfassungsentwurfe der Bauernführer ein schon von ihnen u. d. N. Reformation Friedrichs II vor- gefundener Aufsatz zum Grunde gelegen, als auch die Ver- muthung Eichhorns für beseitigt gelten, dals die Schrift von den Zwickauer Schwärmern, namentlich von Thomas Münzer — gegen dessen wilde Pläne die Reformation so bedächtig und milde erscheint — herrühren könne. Es waren dies Annahmen, die, wie hart sie auch gegen die Lage der Dinge und den Charakter der Personen verstolsen, doch durch das vermeint- liche Datum 1523 des Druckes jenen Forschern aufgezwungen wurden. Der Umstand, dafs diese Jahrzahl nur der Buch- druckerverzierung angehört, hebt diese Nöthigung auf und giebt einer natürlichern Auffassung über die Stellung der verschiedenen Formen des Werks freien Raum. Zugleich wird die öffent- liche und entschiedene Ausschmückung des Documentes mit einem kaiserlichen Urheber nun an einen Namen geknüpft, zu welchem man sich des kecksten literarischen Truges wohl ver- sehen darf. vom 2. Juni 1856. 305 Hr. Bekker gab, als Nachtrag zu seiner Ausgabe des Phrantzes, die Disputation des Patriarchen Gennadios mit Sul- tan Muhammed II, in türkischer Sprache, aus der griechischen Schrift, worin Alter sie gedruckt hatte, auf Friedrich Wilkens Bitte in arabische übertragen und mit Sprachbemerkungen be- gleitet von Hrn. von Hammer-Purgstall. ! siu> (1) > 5 A 8 Ay role dm Ss 5 um > ul an dar > eh > (}) de 8 > 2 Ani, DM le lu Ds le IK sel} (4) io „Uhl 55 äl „Sole 0. 9 ul 3 0 Ey zur rät all ei 5° ka ah 8 Si r „> gu> BU 2 sam (?) ul, „le u (') xadızı mit dem Jai Isafet, welches hier gar nicht statt findet, aber vom griechischen Abschreiber häufig Wörtern angehängt wird, denen es nicht zukömmt. (2) @zır die Vulgaraussprache für Aakl, ves, nicht ‚Ne was vorros. (?) Sehr verderbt in ravızz. (*) suberrsg ganz richtig, in der Folge entweder durch Schreibfehler oder als doppelter nicht unüblicher Plural Ssi- fatler wie Ulemalar. (°) %srım möchte man des = willen für ‚5° halten, aber das unten vorkommende yiaız „I> zeigt, dafs jenes Halim gelesen werden müsse. 306 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse (!)w8 ss „> „Ju> O\SSP) Pr) mr AA _lI> Ms 0 ar E38} BER HER SCHe a peR) By DB SCHE „? male ES „> > EB SCHE BEN) RESP) } Se re lo ul _ le w he Sol say 5 he Es N che zz si NAT le os pr Az: 176) a6 er, „2 sy; Sig jealie fe 2 a ea (ya ze wl> > (3) aliwo oß,> Ne) Pu sl a RE) ws ee) BER H) re il LI Si (FM) ud yo Ko (') MayAszzvredre, unten ueyAszsvrare, sollte eigentlich nayAsszvrero sein, weil das erste »5 (de) die Partikel in, das zweite 55 (da) das zusammengezogene Dachi (auch). (?) rg. das ı ist hier ganz überflüssig zugesetzt; das Türkische zeigt überall wie der verderbte griechische Text richtig herzustellen, also hier &r$ sıdar Pagrep u. s. w. wie z. B. das folgende (?) Er&nsı der Asyeirzg richtig zu verbinden ist als #2 sı- derie Yeıraa. (*) Wiewohl das griechische Wort nichts als (2, zu sein scheint, so ist dieses doch schwerlich richtig, da dasselbe kei- neswegs den Sinn des griechischen «aröiws &v äaurs giebt. (?) Fehlt im Alter, steht aber in der Pariser Hand- schrift als ’wriger. vom 2. Juni 1856. 307 r ya lb Rn Ss BE SSHR) Sy zealäiel ee al al AP he m Ay ee > (2) SOAP 6,0 re er wu 5 ey Ale 5 (> Ne sul Sol POS g SS 5,0 ER a) > auLE> KNl> ORDER EEENESN () gie wohl, Nie a wo 5 all Je aikls Sl an ®> 20er R- MR> Sul Lu ya) ei AN he a ze ie wol, PP Me) ... (+) ESP exe Be) Se Kst AED > Kur Kb 2 > Ku (') Sehr verderbt, aber doch erkennbar in &ytgzırdın. (?) ör2v scheint auf den ersten Anblick BES Odun d. i. Holz zu sein, ist aber der Genitiv von Ud d. i. Feuer, amo TE mugos. (°) «za. hier stellt das : keineswegs, wie so oft, das Isafet vor, sondern das Jai nisbet, wodurch aus Aakl vsr (Vernunft) Aakli voyrös (vernünftig) wird. (*) Das Weggelassene ist im Alter doppelt. (?) Wie reruzdis als zur de rZro türkisch geschrieben werden müsse, bleibt noch zu errathen, vielleicht dafs andere Handschriften hierüber Aufschlufs geben. | [1856.] 23 308 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse sh IT ni> sont alle de te en he u 0 Ko A a ee? ey ee N ed er 5b we dl 0 all lt ul N am (1) Lab 9 BE u [0] „ah ALS 2 y oläel m Po te ae os al ee 0 a A re et u Ku wol> 2 re N 5 5 (9) 5 We def ey BE St a) 5 ES („äyi) RE > Sa 5 Lei, Ss all RUSS rn RA Kl (d) ae R-e AN Gi Tr re Zn oliel öl sh u Zeil oliiet sell soul ie () ij 2 re ee el lb (') ran %errev scheint freilich .,s EX zu sein, allein &:ö:ws kann nur Daima heifsen und :z 72 @:2 Hakkdan. (?) Fehlt im Alter steht aber in der Pariser Handschrift. (?) »urng&g für zußegv& ist weder mit Kadirdur noch mit Takdır eder ‚A, PS richtig übersetzt, es sollte „5 Ted- bir eder heilsen. (*) Fehlt im Alter, steht aber in der Pariser Handschrift. (°) Das z: ist überflülsiger Zusatz wodurch die Phrase: auf der Erde zum Participiensatze: das auf der Erde Existirende, würde. vom 2. Juni 1856. 309 um art ul Silb u Ki KH Slb a Sl il A Tr (!) he zo) was Fr us Er 4 al! m cu» als) Ve A, yo go) EN 6x nee ie a he al; Re u wu>las ui) „> ol a m u Ss lol Dub out sl side all Ley DI On me I oläiet all, el alu) 9a lt u doll all de nu) ee se 5 (?) KO m I; syn) ie) > u al Br re a ie > er Ba nr dl Al rss MT ee > es de ya) yes a Sh et Sr ui, zanl oliiet Alt ya) Syria (al opa> ühle (") vevoregı ist vielleicht noch richtiger „Ins zu schrei- ben, denn Nefs u hawa ist der gewöhnliche Ausdruck für Lust und Begier. (?) zerıg könnte sowohl AS als „2% heilsen, das letzte ist aber hier das wahrscheinlichere. (?) Fehlt im Alter, steht aber in der Pariser Handschrift als “N. 23° 310 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse obs} ul ums z»> om) CF) all EEE zu Hals Sie) m) re UT ee, Fl Mars 2 > Da u AIWERO (» Je) He et 3} Nie m) v sl m AM m 2 ig) Sn zeoliel im au Te rt he ei ph äu> I lu ul Ss mus 0) (ms But ur A ey in zeliiel Fe ERS Sen u Ga FE TETE SUN Be upper ur I en Dr AD 5 ralie 0 6 u rn et ee ET N Lu > u Küy 2 Ch Bin 5 polie sh) me Am et ee (') arayı ist vielleicht | zu schreiben, wenn man es als Accusativ von dem vorhergehenden Ittikad ederis gelten lassen will. (2) Ist mit £= zu suppliren, so auch das folgende. (?) sayırreon scheint freilich zasls zu sein, allein das Wort für Jünger ist Schagird. (*) Sehr verderbt als »razvıyı wiewohl oben richtig yıavız das vorhergehende vasıg einer Person ähnlich, ist keine treue Übersetzung des Textes. (?) azızaryrı in der folgenden Zeile richtiger gazızarıı. (°) &zgigre verderbt statt angıyr: durch die häufige Ver- wechslung des = mit 7. W vom 2. Juni 1856. 311 de ee >> u 9 ah ee) et re 32 Sb Smläie (eK St 0 5 „ao re re et re el nn a ee ERS 5 mis (Fa q 2 hy Sy zoliiel ar > (Sl a ST ol u LK I ale (iz te ee TI Th ya (2) 2 um st 1. el 2 eliel u a le A „il, „el Ju ya DS ei „plas BD N PL () er AUS Sr (') £ßer Zar scheint für „0 auf zu stehen, was aber dem griechischen Texte nicht entspricht. (?) urevev als Se gäbe keinen Sinn. () v0 Pansı zıwmagı ist die Vulgaraussprache Schol wakit kim statt Schol wakt kim vo Bazr zım ragt. (*) aösner kann nicht surdl sein, da im Texte 70 ülos steht. Eben so kann das folgende seuzarıwı nur als Schewke- tini gelesen werden, da es der övvanıs des Textes entspre- chen mufs. 312 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse 0) rin sl u A u > de re es eye ea SUN u (me Rd ol> usa le „AS de Ga sl; (a re a eg re (sm > Were sp so, ; 5) Sy poliiel RC es gm Sul gu 2 mals) ul ne wir (ui „A ont an v2 ya Sy „Alan Ep POS Ru PEN EBENE ug GE TUE FT Ep Str Zr SS) ey TA ya 5 Rai > u Pe Ss ERWAR | gl are eN) jy N ee) BAR) m 2 syn) Ss ‚släie! Ce a) ( uu> 2 u Dlu> „ua sh Su I; u mfg ZI) (54 © N DA > de zz r de > PS 9) Jar PP [E50 SS Rewer) ei Re Dr kuies pP sr yet MD so lsläici, (solid 355) 2) P.SSP) Dar Url a sus Sp LTD (!) rgagmıy, orvrı als (san) zu „> d. i. crux fuit würde keinen Sinn Beben, während Tscharmichlendi wörtlich das griechische &saugw>r. (?) Im Alter 28 sl}Ölündsch mortuus vr Or was in der Pariser Handschrift richtig ZAvrı. vom 2. Juni 1856. 313 en 0 (ri Jaht we ‚u As Ser ee a 28, ji sn Alu ga en A al ei Kane gyoble> Int zapol> aule> = amiht „Lmiüut 0,0 SL: nüii> Kipa af yb zeit In Ir Er A el I el ee u I ee LS (?) mm re he es ülubei ht ee er > S>S (shoes Lab woli I 0 le El a At min) Kl lo ALS ey Es A RE UL u et Kl a uch [GVO P BEMETESZe SEE Erg NE BE EENETI ER DEE SE. M ee A Se (') Mövre giebt als süslıs gelesen den Sinn, dafs das Paradies in der Mitte (zwischen Himmel und Erde), allein ı Kökde scheint im Gegensatze mit Jerde das richtigere. (?) rgauizsı sehr verderbt wie das unten folgende Taa- Simat und sayarır statt Schehadet, und dann wrigrırıyeueg statt umis sırıyeuss Bis dedügümes kibi. 314 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse al Apec Ps ursle Be ws Jet DR EN 0 9 (sel => wa m u, er alt sl SS DO slöls (ste sl rt m ob dt al iv () ae ze ee > PSCEN „2 don, ste ASS Ali) ii Ay m DL rt wu 5 Al we re he la ee re a aköt Je an alt ul (Das; Sy Zus a a A) ee PA ol> ra ee q Ki il m 2 u At u ST DV al> Al (+) Sum imgule > (') Pe rSıy Stv gäbe als „Ag>, keinen Sinn, und wird augenscheinlich durch das folgende muchalif nesne als Bir dschihetden zu lesen bestimmt. (?) Üserinde wäre richtiger. (?) movergirsg sehr verstümmelt statt Mudschiseler. (*) Mesluk ola ist unrichtig statt Salik ola oder So- luk ede su} Sul es mülste denn vielleicht Meschghul Jezär zu lesen sein, was aber nicht wahrscheinlich. vom 2. Juni 1856. 315 Ist all Sole alt ale alt alle le Ks it Fr Jalb lin m N Sr > el Kl; A re ea ot lol et Elm au u u, A Ri „Lei! sul ze A er ze ES CN pi ABcaR Dieser Schlufs fehlt im Alter. Wenn die neue Ausgabe Phrantze’s die Orientalisten ganz befriedigen soll, so wäre aulser der Herstellung des mit griechischen Buchstaben ge- schriebenen türkischen Textes in der richtigen Verbindung der Sylben und Wörter (welche aus dem vorliegenden türkisch ge- schriebenen ersichtlich) auch die Aussprache des Türkischen mit lateinischen Buchstaben erwünscht, weil z. B. sonst der Hellenist nicht weils, dals vevsav: als nefsani, rZiurs als dschumle, ixrızarınds als ittikadümüs, zum als kibi, Yovrge (xourge) als hudschet, reyı.r als deül oder deil, »aum2r als kabul u. s. w. auszusprechen ist. Bemerkungen zur türkischen Umschrift der Dispu- tation des Patriarchen Gennadios mit Mohammed II aus der Ausgabe Phrantze’s von Alter. Aus der gänzlichen Übereinstimmung des griechisch ge- schriebenen türkischen Textes bei Alter mit dem von Crusius in seiner Turco-Graecia gegebenen (eine Übereinstimmung, welche sich bis in die augenscheinlichsten Schreib- oder Druck- fehler bewährt), scheint es, dafs Alter diesen Theil des Tex- tes unmittelbar aus der Turco-Graecia habe abdrucken lassen, und in jedem Falle ist es erwünschlich, dafs von mehreren an- deren Handschriften Phrantze’s (deren eine zu München, eine zu Mailand, zwei zu Turin), derselbe griechisch geschriebene türkische Text mitgetheilt werden möge. Von dem vorlie- genden doppelten des Crusius und Alters (welche identisch) und dem der Pariser Handschrift ist der erste der bei wei- tem mit grölserer Kenntnils des Türkischen geschriebene, in welchem nur hie und da einige Wörter fehlen, welche so wie 316 Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 2. Juni 1856. die letzte Zeile des Schlulses aus der Pariser Handschrift zu suppliren sind, während im Absatze ö bei Alter eine Zeile doppelt geschrieben, und deshalb im Drucke wegzulassen ist. Dieser nun bald vierhundert Jahre alte in griechischer Aus- sprache geschriebene türkische Text zeigt, dafs sich die letzte in vier Jahrhunderten nicht im geringsten geändert, und dals £ trotz aller seitdem und besonders seit dem Beginne dieses Jahr- hunderts in der Türkei vorgefallenen Veränderungen und Re- formen die Aussprache ganz dieselbe geblieben ist. In dieser ist vorzüglich der von so vielen Orientalisten für gleichgültig erachtete Unterschied des e und a zu bemerken, welcher auch hier durchaus dem Gesetze der weichen und harten Buchstaben folgt, so durchaus Eb der Vater nicht Ab (was vulgare ara- bische Aussprache), weil das Hemse (nicht Hamsa, was der eigene Name eines Mannes) immer wenn mit Feth vocalisirt e und nicht a lauten muls; also Ebul-chair und nicht Abol- chair, Ibn und nicht Ebn, wie nur die englischen Orien- talisten recht schreiben, weil im Englischen das e als i ausge- sprochen wird. »5 ist als Präposition (oder vielmehr Postpo- sition) immer De und nur dann als Da auszusprechen, wenn dasselbe zusammengezogen für ES Dachi (auch) gebraucht wird. Die Art und Weise womit in Phrantze das griechische Alphabet zur Bezeichnung türkischer Buchstaben verwendet wird, ist ganz und gar die noch heute übliche der Neugriechen ; die Buchstaben und „ werden beide mit %, geschrieben, nicht weil die Aussprache dieselbe (indem dieselben durchaus wie das deutsche H und Ch lauten), sondern weil das Neu- griechische den reinen H-Laut nicht kennt; die wahre Aus- sprache des = und „ ist ebenso von einander unterschieden, als die des ;5KafıS Kjef und $ Gjef: das erste wird durch das einfache =, das zweite durch ze wie \uß zeamiaA, das dritte durch yzı wie NEST yzroguzswrw ausgedruckt. Dals das Dal (D) anders als das griechische ö laute, erhellet dar- aus, dafs jenes immer mit vr bezeichnet, dieses nur als Sub- stitut des 5 und des _b gebraucht wird: vadag für » und drzıg für FF Für „ wird überall &, für & (weil der B-Laut dem Neugriechen als einfacher Buchstabe in der Schrift fehlt) Gesammtsitzung vom 5. Juni 1856. 317 jr gebraucht; das ; findet seinen natürlichen Stellvertreter im &, so dals die Franzosen vollkommen Recht haben , mit z zu schreiben, welches bei ihnen der lindeste Sauselaut, während die deutschen ÖOrientalisten sehr Unrecht haben dafür das Z, welches im Deutschen das Zeichen des schärfsten Sauselauts, zu gebrauchen. Mit grölserem Fuge könnten sie dasselbe statt tsch verwenden, welches der Grieche, der diesen Laut durchaus nicht aussprechen kann, mit r$ ersetzt. Den Laut des Ain, welches im arabischen Alphabete (Ebdsched hewes) dieselbe Stelle einnimmt, wie das O im griechischen, wird wie der Laut des H ebenfalls mit % substituirt, also ıyrızarzuds für ssläie} und soyAs für lei. Da der Neugrieche den Sche-Laut ebenso wenig kennt, als den H-Laut, so gebraucht er auch für S und Sche immer nur das «: soyAs stat Schoole die Flamme und sov&v statt Schunun; den Laut des J drückt er mit yı aus, also durchaus Tievı für Ri den ihm endlich ganz fremden Nasenlaut des [saghir Nun $ sucht er durch Verdoppelung des Vocales auszudrücken, also statt >) tanri (auf französisch ausgesprochen) «ag, wofür derMongole Tengri sagt. Dieses sind die Anhaltspunkte der von dem Neugriechen befolgten Rechtschreibung des Türkischen; die meisten Ab- weichungen sind augenscheinliche Schreib- oder Druckfehler, wie z.B. Yovger für ouder vr oder exAerı statt eyAerı Ne und dergleichen mehr. 5. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Trendelenburg las „über Herbarts prakti- sche Philosophie und die Ethik der Alten.” Hr. Encke machte folgende Mittheilung: Für die diesjährige Opposition der Flora hatte ich selbst \ sorgfältig den Ort aus den Brünnowschen Tafeln berechnet, und liels ihn zur Sicherheit ebenfalls von meinem Gehülfen, Hrn. Bruhns, herleiten. Die Vergleichung mit der Beob- achtung war folglich hier ein sicherer Prüfstein. 318 Gesammtsitzung Hr. Bruhns hat die Flora jetzt an zwei Abenden jedes- mal im Meridian und mit dem Refraktor beobachtet. Die Me- ridianbeobachtungen gaben MBZ @& ö ' A ’ ” h ’ ” o ’ „ 1856 Juni2. 13 11 4,6 17 57 39,04 —18 44 30,32 3.13 6 10,6 17 56 40,74 18 45 55,75 Die Refraktorbeobachtungen, bei denen beiden derselbe Ver- gleichstern gebraucht ist, gaben MBZ & ö A ! „ h ı „ o ’ » 1856 Juni 2. 13 38 25,4 17 57 37,72 —18 44 34,71 3.12 41 59,1 17 56 41,32 —18 45 57,20 ° Der Unterschied der Berechnung im Jahrbuch von 1858 gegen die Beobachtung, die letztere subtractiv genommen, ist bei den ersteren ina. Juni 2 — 0,01 ind + 1,4 3. — 0,07 +1,4 bei den letzteren eg ae rn 3. + 0,37 + 3,9 Da die genaue Bestimmung des Vergleichsterns jetzt noch nicht geschehen konnte um die Flora nicht zu versäumen, so ist die Übereinstimmung beider Beobachtungsarten so gut als man erwarten kann und die Tafeln leisten Alles was gewünscht werden kann. Hr. Homeyer übergab eine Nachricht „über Klenkok wider den Sachsenspiegel,” wobei er auch einen An- hang zu seiner im vorigen Jahre gelesenen Abhandlung bean- tragte. Er theilte mit, dafs er von den Hrn. Prof. Stenzler und Archivar Dr. Wattenbach in Breslau einige schätz- bare Nachträge zu seiner am 22. März 1855 gelesenen Ab- handlung: ,Klenkok wider den Sachsenspiegel” erhalten habe. Der erste besteht in einem lateinischen Aufsatze, aus der Hädschr. der K. Centralbibliothek zu Breslau IV F. 57 S. XV, vom 5. Juni 1856. 319 worin Klenkok gleichwie in der deutschen Schrift, Abhdl. S. 383, 416 ff., dem Magdeburger Rath gegenüber seine An- griffe auf die Irrthümer des Ssp. vertheidigt. Der neu aufge- fundene Aufsatz erscheint als der ältere und enthält, obwohl in der Hauptsache mit dem deutschen stimmend, doch mehrere eigne für die Geschichte des ganzen Streites erhebliche Züge. So erklärt sich die der Ausführung Klenkoks gegen das Rechts- buch gegebene Bezeichnung Decadicon (Abhdl. S. 388 N. 15) jetzt in der That daraus, dafs der Verf. ursprünglich nur zehn Hauptirrthümer des Ssp. hervorgehoben hatte. Bemerkens- werth ist ferner die Erwähnung einer Abrede Klenkoks mit Kerlinger, Abhdl. S. 383, dafs dieser die aufgedeckien Irr- thümer dem Pabste anzeigen solle. Endlich ergiebt sich nun, dals die Zeit, da Klenkok zuerst wider den Ssp. auftrat und die Schritte Magdeburgs gegen sich hervorrief, später als bald nach 1330, Abhdl. S. 384, falle. Denn einerseits erzählt hier Klenkok: anno praeterito dum essem Erfordie quosdam errores .... in quodam libello qui nuncupatur Saxoniae spe- culum insertos ... reperi, andrerseits gedenkt er schon als „dominus meus” des (Albertus) Halberstadensis, welcher erst im J. 1390 starb. Der zweite Beitrag liegt in der Hinweisung auf eine künftig weiter zu verfolgende Notiz, welche Dudik Iter Ro- manum, II 125 aus den Päbstlichen Regesten dahin giebt: 1356. 16. Oct. Innocent. VI. Karolo imp. notificat excommu- nicationem at prohibitionem scriptorum quae leges seu Spe- eulum Saxonicum appellantur et rogat ut huic mandato invi- gilat. d. Avin. Idib. Oct. an. 4. Ut supra epist. 370. Es wird nach jenem Aufsatz glaublich, dafs auch diese, um 18 Jahre der Bulle Gregors XI vorangehende Verurtheilung des Ssp. durch Klenkoks Angriffe herbeigeführt wurde. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: R. v. Carnall, Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. 4. Band, 1. Lieferung. Berlin 1856. 4. Athenaeum frangais. no. 22. Paris 1856. 4. 320 Gesammtsitzung L’Institut. A. Section. no. 1168. Paris 1856, 4. Corrispondenza scientifica in Roma. no. 37—39. Roma 1856. 4. Revue archeologique. 13me annee, Livr. 2, Paris 1856. 8. Geschichtsblätter aus der Schweiz. 2. Band, 4. Heft. Luzern 1856. 8. Würtembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. 12. Jahrg., 2. Heft. Stuttgart 1856. 8. Mittheilungen der Geschichts- und alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlands. 4 Bd., 2. Heft. Altenburg 1856. 8. Einige Actenstücke zur Geschichte des sächsischen Prinzenraubs. Alten- burg 1855. 8. Back, Über Wetterläuten und Wetterkorn. Altenburg 1856. 8. The quarterly Journal of the chemical society. no. 33. London 1856. 8. Schleicher, Zifauische Grammatik. Prag 1856. 8. Mit Begleit- schreiben des Hrn. Verfassers d. d. Prag 5. Mai 1856. Th. Lawson, Army Meteorological Register for twelve years from 1843 —1854. Washington 1855. 4. Mit Ministerialrescript vom 3. Juni 1856. | Walz und Winekler, Jahrbuch der Pharmacie. 5. Bau Her 7 Ti Speyer 1856. 8. Aufserdem kamen zum Vortrage zwei Rescripte des vor- geordneten Hrn. Ministers vom 28. und 31. Mai a. c., welche die Genehmigung der von der Akademie bewilligten Summen von 200 Rthlr. an Hrn. Prof. Theodor Schönemann in Brandenburg und von 200 Rithlr. an Prof. Dr. Curtius in Göttingen für wissenschaftliche Unternehmungen und Leistungen aussprechen. 42. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Dieterici las „über das Verhältnils der neu- geschlossenen Ehen zu der Anzahl der gleichzeitig Lebenden in den verschiedenen Staaten Europa’s.” Anknüpfend an einen früheren Vortrag in der Sitzung der philos.- histor. Klasse, in welchem das Verhältnifs der neuge- schlossenen Ehen zur Bevölkerung im Preufsischen Staat ausge- führt war, und dargethan wurde, dafs in den letzten Decennien vom 12. Juni 1856. 321 auf resp. 113, 109, 116 Personen eine neue Ehe geschlossen worden, während in den letzten Jahren 18% nur auf je 121 Per- sonen eine neue Ehe sich berechnete, wurden die ähnlichen Verhältnisse in Bezug auf diejenigen Staaten Europa’s bespro- chen, von denen in den officiellen statistischen Tabellen und sonst in glaubwürdigen Schriften über die Verheirathungen sichere Nachrichten vorliegen. Abgesehen von den vielen Ab- weichungen und Verschiedenheiten, die sich nach einzelnen Provinzen und Landesgebieten zeigen, und wenn man die letz- ten Jahre 1353 und 1854 fortläfst, welche bei den hohen Ge- treidepreisen in ganz Europa und dem Kriege zwischen Rufs- land und den Westmächten fast in allen Staaten unverhältnils- mälsig wenig neu geschlossene Ehen zeigen, ergeben die un- gefähren Durchschnitte oder sonstige Mittelzahlen in den letzten dreilsig Jahren bis etwa 1850 oder 1851 im Ganzen folgende Verhältnisse: 1. Bayern nach der Zählung von 1843. — 1: 150. 2. Schweden 1 :138 bis 140. 3. Württemberg, Baden, beide Hessen, Thüringen 1 : 130 bis 140. 4. Belgien, die italienischen Staaten, Hannover 1 : 130 bis 135. 5. Frankreich etwa 1 : 125 bis 127. 6. England (Engl. und Wales, da von Schottland und Irland die Nachrichten fehlen) 1 : 122 bis 125. 7. Die Niederlande 1:121 bis 124. 8. Dänemark and Norwegen 1:115 bis 122. 9. Die österreichischen Staaten 1 : 115 bis 120. 10. Königreich Sachsen und der Preufsische Staat 1 :115 bis 118. Wie Vieles noch schwankend und unsicher bei diesen Übersichtszahlen bleibt, da nicht von allen oben angeführten Staaten vollständige Zahlenreiben verglichen werden konnten, so sind doch einige Resultate, wie dies bei der Behandlung der einzelnen Länder näher ausgeführt wurde, nicht zweifel- haft. Es stellt sich zunächst heraus, dals bei dem Verhältnils der neuen Eheschlielsungen zur Bevölkerung nicht so grolse 322 Gesammtsitzung Differenzen in den verschiedenen Staaten hervortreten, als bei den Todesfällen und den Geburten. Die von Sülsmilch vertheidigte Meinung, je mehr die Bevölkerung steige, um se mehr stiege die Zahl der neuen Ehen, ist nicht richtig; eher steht es umgekehrt: mit gröfserer Dichtigkeit der Bevölkerung | wird unter sonst ganz gleichen Verhältnissen die Verbältnifs- zahl der neu geschlossenen Ehen etwas geringer. Indessen kommt es sehr oft vor, dals dichtere Bevölkerungen mehr neue Eheschliefsungen zeigen, als noch weniger dicht bewohnte Ge- genden. Die grolsen Städte zeigen verhältnilsmälsig mehr neue Eheschliefsungen als das platte Land, viele Fabrikgegenden, insbesondere wenn die Fabrication nicht sowohl in ihren alten Gränzen steht, als wenn sie in raschem Aufschwung sich be- findet, haben ebenfalls mehr neue Eheschliefsungen, als Ge- genden, in denen blos Ackerbau in vielleicht nicht besonders günstigem Betriebe sich findet. Nicht blos danach, ob eine Gegend schon voll mit Menschen besetzt ist, als vielmehr auch. danach, ob menschliche Thätigkeit im Aufschwung von Handel, Gewerbe, Fabrication und Landbau Mittel findet, einen neuen Hausstand zu begründen, richtet sich das Verhältnils der neu geschlossenen Ehen zur Bevölkerung; und auch die Besorgnis vor zu viel leichtsinnig geschlossenen Ehen bestätigt die sta- tistische Vergleichung nicht; denn auffallend genug fallen die Zahlen bei hohen Getreidepreisen, wenn Cholera oder andere Krankheiten herrschen, sofort, und in Gegenden und Ländern, die notorisch nicht im grolsen Fortschritt im Landbau, Industrie und Handel begriffen sind, zeigen sich wenige neue Ehe- schlielsungen; so dafs die Annahme sich zu rechtfertigen scheint, nicht positive Gesetze, sondern die Natur der Dinge, der eigene Verstand der Bevölkerungen, wenn Ordnung, Sittlichkeit, Bil- dung und Thätigkeit in ihnen voranschreiten, regeln am besten das Verhältnils der neuen Eheschlielsungen zur Bevölkerung. vom 12. Juni 1856. 323 Hr. Ehrenberg las hierauf „über das mikroskopi- sche Leben der centralen Landflächen Mittel-Afri- ka’s,”’ nach Dr. Vogels Materialien. Das mikroskopische, durch keinen Flufslauf zur Küste ge- führte Leben des centralen Flachlandes in Mittel-Afrika ist noch von keinem Auge gesehen worden. Meine Bemühung von den ausgezeichnet muthigen Reisenden Barth und Overweg Ma- terialien vom Tschad-See zu erlangen, blieben erfolglos, da Overweg so bald den feindlichen Einflüssen sterbend unter- lag und meine an Dr. Barth nachgesendeten Briefe erst in Tripolis dann in seine Hände kamen, als dieser von der Vor- sehung wunderbar gerettete Reisende zur Rückkehr sich wie- der dort einfand. Nur einige Erden von Tripolis selbst, der Umgegend des alten Carthago und der Oase Fezzan sind in der Mikrogeologie aus Barth und Overwegs Materialien analysirt und meinen eignen schon 1820 mit Dr. Hemprich gesammelten Kenntnissen dieser Art zugefügt worden. Die von mir selbst aus der Ammons-Oase von Siwa mitgebrachten Mate- rialien hatten für die Mikrogeologie 1854 80 Formen -Arten des kleinsten afrikanischen Wüsten-Lebens ergeben: 35 Poly- gastern, 29 Phytolitharien, 15 andere kleine Formen, 1 unor- ganische. Die aus Fezzan und Tripolis durch jene Reisenden erlangten Formen betrugen 71 Arten: 16 Polygastern, 41 Phy- tolitharien, 7 andere organische und 7 unorganische Formen. Im Ganzen betrug die Summe der Formen aus den nordafri- kanischen Wüsten 131 Arten. Zwar sind nun für die Mikrogeologie auch aus Mittel- Afrika bereits ansehnliche Formenreihen zur Übersicht ge- kommen, indem ich selbst in Habessinien und im Sudan’ am Nile war, und durch die HH. Werne, Rufsegger und Lepsius vom oberen Nillaufe viele Materialien zur Dispo- sition erlangt habe, auch vom Senegal und Bonny-Niger Was- ser und Schlamm analysiren konnte, so dafs sich aus Mittel- Afrika bereits 242 Formen in der Mikrogeologie verzeichnet finden: 105 Polygastern, 134 Phytolitharien, das übrige, we- niger Bedeutende aus andern Abtheilungen. Noch fehlte aber ‚das eigentliche grolse Centralland um den Tschad-See. [1856.] 24 324 Gesammtsitzung Die Central-Ebenen des mittleren Afrika’s, die Wüsten und Steppen in Bornu, um Kuka und den Tschad-See ent- halten aufser der Formen-Eigenthümlichkeit besonders noch das hohe Interesse der Erläuterung der so ausgebreiteten und ein- flufsreichen Staubnebel im atlantischen Ocean, worüber ich seit 1844 der Akademie Mittheilungen gemacht habe und die 1849 in der Abhandlung über Passatstaub und Blutregen zusammen- gefalst wurden. Es war sehr wünschenswerth allmälig festzu- stellen, ob wirklich das centrale Nord-Afrika im Stande oder aulser Stande sei den zimmtfarbenen Meteorstaub zu liefern, welcher in unmelsbarer Menge seit mehr als 900 Jahren ge- schichtlicher Aufzeichnung, wahrscheinlich aber seit unge- zählten Jahrtausenden an der Westküste von Afrika das Dunkel- Meer bildet und darin abgelagert wird. Ja ob wirklich den Passat- oder Monsun-Winden ähnliche Luftströmungen im cen- tralen Afrika überhaupt nur eine solche Staubbewegung in so unbegreiflichem Maafsstabe begünstigen könnten. Ferner war es nicht unwichtig festzustellen, ob der Tschad-See wirklich sülses Wasser oder brakisches Wasser führe, welches immerhin die Bewohner und Reisenden für Sülswasser halten konnten, dessen Natur aber die darin leben- den Organismen schärfer bestimmen lielsen. Selbst auf den Karten des Stielerschen Atlasses von 1830 ist beim Tschad- See die Bezeichnung Sülswasser-See fraglich beigefügt. Nährte das brakische Wasser Salzwasser-Organismen, so mülsten der- gleichen auch im umgebenden Sande und Staube sein und beides sich gegenseitig erläutern. Aus diesen Anregungen schrieb ich im Jahre 1854 einige Briefe auch an den astronomischen Reisenden, welcher den geographischen Eroberungen der heldenmüthigen, meist als Opfer gefallenen früheren Reisenden durch genaue Ortsbestimmungen die geographische Festigkeit zu geben im Begriff ist, Hrn. Dr. Eduard Vogel nach Kuka und bat denselben diesem Ge- sichtspunkt einige Aufmerksamkeit zuzuwenden, was durch Zu senden von Erdproben ganz entscheidend unterstützt werde könnte. So ist denn durch die in der Sitzung am 22. Mai der Akademie, am Tage ihrer Ankunft direct aus Kuka, vorgelegte vom 12. Juni 1856. 325 neuesten Nachrichten und Sendungen des Hrn. Dr. Eduard Vogel ein reiches Material gerade von dem interessantesten Punkte, vom 'Tschad-See, aber auch ein vergleichbares von dem bisher ganz unbekannten Gongola-Flusse, einem Zuflusse des Beno@ zugänglich geworden. Das mannichfach sehr interessante Schreiben des Hrn. Dr. Vogel aus Kuka vom 11. Dee. 1855, welches ich am 22. Mai 1856 vorlegte, ist seitdem in der Berliner Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde im Mai-Hefte des 6ien Bandes be- reits ausführlich und mit dem sehr anschaulich die Flufsver- hältnisse erläuternden Kärtchen des Dr. Vogel Seite 483—487 gedruckt worden. Ich erlaube mir hier nur ein paar kleine Stellen ebenfalls einzuschalten, welche zur speciellen Erläu- terung der zu betrachtenden Verhältnisse dienen. Dr. Vogel schreibt: „Bei den Untersuchungen, die Sie über den Sciroceo-Staub angestellt haben, wird Sie vielleicht folgende Bemerkung über die an der Nordküste Afrika’s [ Tripolis ?] webenden Südwinde (Gibli ') genannt) interessiren. Der Gibli fängt Morgens gegen Sonnen- aufgang im Westen an mit getrübtem Himmel, die Sonne roth färbend. Während des Vormittags geht er nach Süd herum und weht aus dieser Himmelsgegend von etwa 11 a. m. bis 3. p. m. mit erstickender Hitze, dichte Staubwolken, die es unmöglich machen einen Gegenstand auf 100 Schritt zu er- kennen, vor sich hertreibend, Nachmittags schlägt er nach Ost herum und schwächer und schwächer werdend weht er um Mitternacht ganz gelinde aus Norden. Hier in Kuka ist be- 4 sonders bei heftigem Ostwinde die Atmosphäre fortwährend getrübt durch ungemein feinen Staub. Ich habe dergleichen in Bantschi nicht wahrgenommen, wo Höhenrauch ganz mit allen den Erscheinungen begleitet, die ich in Thüringen so oft beobachtet habe, ein sehr gewöhnliches Phänomen ist.” J In einer Note sagt Dr. Vogel: „Hagel, die Körner bis 1” Durchmesser habe ich zweimal im April und Juli in Bantschi ‘) Gibli kommt von Gebl (Dschebl) oder Gibl Berg. Die Araber bezeichnen häufig dansit landeinwärts, stromaufwärts, nach der Höhe hin. Gibli ist also Landwind, in Nord-Afrika Südwind, Auster, Notos. E. 24° 326 Gesammtsitzung beobachtet. Beide Male fiel das Thermometer plötzlich um etwa 20° Fahrenh.” In einem Schreiben an seinen Vater sagt Dr. Vogel gleichzeitig: ,‚‚Höhenrauch ist in den bergigten Gegenden Bantschis sehr häufig ganz wie in Thüringen, mit dem näm- lichen jodartigen Geruch. Oft erfüllt er 3—4 Tage die ganze Gegend bis ein heftiges Gewitter ihn niederschlägt.” Da ich in meinen Vorträgen über den Passatstaub und Blutregen meinen Erfahrungen des Mangels jedes passat- oder monsunartigen Windes im Innern Nord- Afrika’s ein Gewicht _ bei der Erscheinung des Passatstaubes beilegen mufste, so mö- gen nun diese neuesten Mittheilungen aus dem Herzen Nord- Afrika’s, welche den gleichen Mangel bezeichnen, das Bild weiter führen. Den schriftlichen Nachrichten des Dr. Vogel sind 4 Pro- ben der dortigen Erd- und Luftstaub-Verhältnisse beigefügt, deren Erläuterungen der eigentliche Gegenstand meiner Mit- theilung ist. Es sind: 41. Staub, welcher die Ebene von Kuka bedeckt, vom 9. Dec. 1855. 2. Sand aus einem (doch wohl neuen) Brunnen bei Kuka, 45’ unter der Oberfläche; am gleichen Datum entnommen. 3. Schlamm aus dem Tschad-See bei Moadori am 9. Dec. 1855. 4. Sand mit Gold-Glimmer aus den Quellen des Gongola, eines Nebenflusses des Beno&@ von Serkin’-yemma, 30 Mei- len W.S.W. von Jakoba. 4. Staub der Ebene bei Kuka am Tschad-See. Es ist ein grau-brauner feiner Quarzsand, feiner als ge- wöhnlicher Streusand, doch wenig stäubend. Mit der Lupe erkennt man viele weilse und schwärzliche, braune, auch gelb- liche Theilchen. Bringt man einen Theil davon unter Wasser, so schwimmen die gelblichen und schwarzen oder braunen Theilchen und die übrigen gleichfarbigen mit den weilsen halten sich an der Oberfläche eines compact zu Grunde lie- genden feinen durchscheinenden gelblichen Sandes, so dafs man sie abschlämmen kann. Zusatz von Salzsäure bewirkt ein vom 12. Juni 1856. 327 schwaches Brausen, wobei besonders alle weilsen Theilchen lebhafter brausen und verschwinden. Beim Glühen schwärzt sich erst der Staub und wird dann wieder gleichfarbig, nur wenig gelblicher. Bei 10 Analysen der abgeschlämmten Masse ergaben sich 65 nennbare Bestandtheile: 25 Polygastern, 34 Phytolitharien, Fragmente von Sülswassermuscheln und von kleinen Krebsschaalen (Entomostraceen), verschiedenes zahl- reiches Pflanzenparenchym, Quarzsand und Kalkmulm, kein Glimmer. Die organischen Formen sind nicht das Vorherr- schende der Masse, sie sind nur zahlreich eingestreut in einen quarzigen Sand mit etwas Kalkmulm. Am zahlreichsten, so dals öfter mehrere bei 300 Vergrölserung gleichzeitig in einem Sehfelde liegen, sind Eunotiae und Gallionellae. Die meisten Formen sind weit verbreitet oder schon unter den von mir in der Mikrogeologie verzeichneten Arten. Bemerkenswerth oder ganz neu sind unter allen 65 Formen nur 6 Polygastern Ar- cella Nigritarum, Eunotia Microstigma, Gloeonema Arcus, Fragilaria Oxyrhombus, Lysicyclia Vogelii, Stauroptera trinodis, und nur 4 Phy- tolitharien: Amphidiscus amblytrachys, Lithodontium tridenta- tum, Lithostylidium foveolatum und Spongolithis tracheogongyla. Am entschiedensten charakteristisch ist Zysicyclia Vogelii, eine in Bornu häufige Form, welche noch nie im Passatstaube deutlich geworden ist. 2. Sand aus 45’ Tiefe eines Brunnens bei Kuka. Es ist ein gelblich-weilser Sand, etwas gröber als ge- wöhnlicher Streusand, nicht stäubend. Schon mit blofsem Auge erkennt man selten eingestreute schwärzliche und weilse Theil- chen, welche sich ebenso wie in dem Oberflächen-Staube -ver- halten. Durch Glühen wird er aschgrau, dann etwas gelblicher als vorher. Bei 10 Analysen der im Wasser abgeschlämmten feinsten Theile fanden sich auch hier viele organische Bei- mischungen sehr ähnlicher Art. Es konnten 45 verzeichnet werden: 11 Polygastern, 29 Phytolitharien, 2 organische Kalk- theilchen des Sülswassers, Pllanzenparenchym und Quarzsand als abgeriebener daher weilslicher Rollsand aus wasserhellem Quarz. Die Polygastern sind nur dieselben der Oberfläche, darunter Zysicyclia Vogelii. Unter den Phytolitharien sind einige 328 Gesammtsitzung ’ auffallende vielleicht charakteristische Formen: Amphidiscus asterocephalus, Lithostylidium cristatum. 3 Boden-Schlamm aus dem Tschad-See. Die Probe ist ein noch etwas gröberer grau-brauner Sand mit groben braunen und schwärzlichen Pflanzenresten, die sich oft deutlich als Grastheile oder Wurzelwerk schon mit blofsem Auge erkennen lassen. Durch Schlämmen sondern sich alle leichteren vegetabilischen 'Theile von dem schwereren Quarz- sand und dem feineren Mulme. Letzterer besteht in 10 Ana- Iysen aus 69 Formen: 17 Arten Polygastern, 41 Arten von Phytolitharien, 6 Arten von Grünsandkörnern, vermuthlich aus Polythalamien der urweltlichen Gebirgsmassen, Pfanzentheil- chen und quarzigem, farblosen oder röthlichen Rollsand. Unter den Polygastern sind Fragilaria mesogongyla und Lysicyclia Vogeli, die Charakterformen der Gegend. Lithostylidium Amphiacanthus ist eine andere Charakterform. Kalktheile und Glimmer sind nicht vorgekommen und mit Säure entstand auch kein Brausen im Sande. 4. Sand mit Goldglimmer aus den Quellen des Gongola-Flufses. Dieser Sand ist etwas gröber als gewöhnlicher Streusand von gelblicher Farbe und enthält viele feine schwarze Theil- chen (Magneteisen) und sehr viele Blättchen von Goldglimmer eingestreut. Er zeigt kein Brausen mit Säure und wird beim Glühen erst schwarzgrau, dann ins Rostrothe ziehend. In 10 Analysen der feinsten abgeschlämmten Theilchen waren 62 namhafte Formen: 16 Polygastern, 41 Phytolitharien, Pflan- zenparenchym, Magneteisensand, quarziger Rollsand und Glim- mer. In dieser Gebirgs-Ablagerung fehlt die Lysicycha Wogelii der Ebenen, aber die Gallionellen waren gleichartig, Navicula umbilicata erscheint als neue Art. Zwei grolse Coeconemata habe ich als C. Zanceolatum und asperum verzeichnet. Die grölste Zahl der Formen ist mit den schon aus Afrika be- kannten übereinstimmend. Hr. Dr. Vogel sagt in seinem an mich gerichteten Briefe in Rücksicht auf den Glimmersand des Gongola-Flufses folgen- vom 12. Juni 1856. 329 des: „Die Gebirge Bantschi’s sind lediglich grobkörniger Gra- nit mit grolsen Quarzblöcken und Überflufs an Blei und Zink. Eisen findet sich mit dem gewöhnlichen versteinerungslosen Sandstein östlich von Jacoba in Menge, dagegen feblen Zinn, Kupfer und Silber. Die Eingebornen halten dafür, dals die Flüsse Gold führen, der dem Sand beigemischten Glimmer- blättchen wegen, von denen Ew. durch meinen Vater eine Probe erhalten werden. Das Salz von Beno&@ (bei Dschebscheb und Bu Manda) ist lediglich ein Produkt aus der Asche des 20 bis 25 Fufs hohen Grases, welches die Steppen dort be- deckt und so wie es trocken, in Brand gesteckt wird, So wie es niedergebrannt ist, schabt man die obersten Schichten der Erde ab, laugt sie aus und kocht das Produkt ein, wobei man ein graues wenig scharfes Salz erhält, was ziemlich theuer verkauft wird, da man damit alle Länder südlich von Beno& und auch zum grofsen Theil Bantschi versorgen muls. Ein Pfund kostet 250 Wodda, etwa 3 Sgr. Einen Zoll unter der Boden-Oberfläche findet man keine Spur von Salz.” In Beziehung auf diese interessanten Nachrichten über = eigentlichen Goldgehalt des Sandes habe ich einige Prüfungen auf kleine Mengen und auf die Charaktere des Goldsandes an- gestellt. Wenn man den Glimmersand mit Wasser übergielst und horizontal schüttelt, so sammeln sich die goldfarbenen Schüpp- chen alle an der Oberfläche des Sandes und sie lassen sich durch Schlämmen leicht absondern, während der Quarzsand zurück- bleibt. Da also die Schüppchen nicht schwerer, sondern leich- ter sind, als der Quarzsand, so ergiebt sich daraus, dafs sie kein Gold sind. Wenn man ferner diesen Goldblättchen-Sand glüht, so werden die goldfarbenen Schüppchen weils, wie es das wabre Gold nicht wird und verhalten sich wie Glimmer. Hiernach könnte es scheinen als ob entschieden kein Gold in dem Sande sei. Dessenungeachtet ist die Mischung dieses San- des den ergiebigen Goldsanden der verschiedensten Erdgegenden darin ähnlich, dals sie vielen schwarzen Magneteisensand, der vom Magnet angezogen wird, mit vielen grünlichen, gelben und weilsen quarzigen Krystallen enthält, welche ganz in dem Zusammenvorkommen und der Gestaltung jener Abbildung glei- chen, die in der Mikrogeologie als charakteristisch für Gold- 330 Gesammtsitzung sand gegeben worden ist. Es mag mithin an einzelnen Ört- lichkeiten jener Gegend wohl Gold zu gewinnen sein, auch wenn der Glimmer als solcher unbeachtet bleibt. Resultate. Folgende übersichtliche und allgemeinere Ergebnisse sind aus diesen Mittheilungen zu entnehmen: ' 1. Die ganze Formenzahl der aus den von Hrn. Dr. Vo- gel gesandten Materialien des centralen Mittel-Afrika’s ermit- telten namhaften mikroskopischen Körper, beträgt 133 Arten, 46 Polygastern, 72 Phytolitharien, Paludinen- Fragmente, En- tomostraceen-Fragmente, 6 Arten Polythalamien- Grünsand, 3 Arten weiche Pflanzentheile, 4 unorganische Formen. Alle diese Formen sind in der von mir üblichen Weise in Präpa- j raten aufbewahrt und jeder specielleren Vergleichung zugäng- , lich gemacht. Sie werden hierbei vorgelegt. 2. Keine einzige der 69 vom Tschad-See allein bekannten mikroskopischen Formen gehört zu den Salzwasser- Gebilden. Mithin ist das Wasser des Tschad- See’s, welches als trinkbar schon bekannt ist, auch in dieser Beziehung ohne allen braki- schen Charakter. Diefs und die durch Dr. Vogel gemeldete Salzgewinnung in jener Gegend entscheidet völlig über den reinen Süfswasser-Charakter des See’s. 3. Der Oberflächen-Staub des centralen Mittel- Afrika’s ist in Bornu nicht roth, sondern graufarbig und ist dieser Farbe nach in keiner Weise geeignet, den zimmtfarbenen Pas- satstaub und Blutregen zu liefern, welcher offenbar seit vor- historischen Zeiträumen, und seit den geschichtlichen überein- stimmend, das Dunkelmeer der afrikanischen Westküste bedingt. 4. Noch bedürfen zwar die täglichen und periodischen Luftströmungen und Winde im centralen mittleren Afrika eine bestimmtere Erläuterung, allein aus den gewonnenen Mitthei- lungen geht schon hervor, dals ein fester Typus, dem des Passates oder des Monsuns gleich, welcher die constanten Staubnebel des Dunkelmeeres zu erklären geeignet wäre, im Central-Lande nicht vorhanden ist. vom 12. Juni 1856. 331 9. Was die kleinen Lebensformen anlangt, so sind aus den Materialien, ungeachtet bereits 133 Formen ermittelt wer- den konnten, doch noch nicht viele lokale Charakterformen hervorgetreten. Mehrere zum Theil höchst massenhafte Cha- rakterformen aber, welche erlangt worden sind, wurden bisher niemals im Passatstaube gesehen und mehrere Charakterformen des Passatstaubes sind zwar zum Theil als in Guiana Süd-Ame- rika’s massenhaft lebend, aber noch immer nicht lebend aus Afrika nachweisbar geworden. Die beigegebenen Zeichnungen werden geeignet sein eine Vergleichung des Passatstaubes mit wissenschaftlicher Schärfe immer spezieller durchzuführen. 6. Es kann in der Umgegend des Tschad-See’s und in den Quellengebieten der ihn speisenden Flüsse im Süden und Westen wohl kein Kreidegebirge geben, weil keine Kalk-Po- Iythalamien der Kreide in den eingesandten, freilich lokalen und geringen, Materialien erkennbar sind. Allein es muls wohl polythalamische tertiäre Kalkgebirge in jenen Verhältnissen ge- ben, aus welchen sich die polythalamischen Grünsandkörner ableiten lassen, welche im Schlamme des Tschad-See’s liegen. 7. Die sandigen Bodenverhältnisse am Tschad-See sind bis zu 45 Fuls Tiefe gleichartig, nur ist der untere Sand nicht wie der obere schwärzlich und grau, sondern durch Ver- schwinden der verrotteten Pflanzen- und Thier-Stoffe (Humus) weilslich, wobei die unauflöslichen organischen Kiesel- und Kalk- theilchen entfärbt zurückgeblieben sind. Die Gleichartigkeit in der Mischung der unlöslichen organischen Theile der unte- ren weilsen wie der oberen grauen Sandschichten deutet an, dals sich eine früher tiefere Einsenkung des Landes allmälig in stets gleicher Weise ausgefüllt hat, deren Erkenntnils vorläufig auf 45 Fuls reicht. Jene Mischung als Infiltration in alten Sand zu denken, ist durch die Gleichartigkeit des Rollsandes, die ver- bältnilsmälsig ansehnlichen Gröfsen- Verhältnisse der beige- mischten Stoffe und das bekannte Filtrations-Vermögen des Sandes behindert, von dem schon eine nur wenig Fuls dicke Schicht nur reines Wasser durchläfst. Auch kann an tiefgehende Risse im Sande nicht gedacht werden. 8. Es ist auffallend, dals im Gebiete des Tschad - See’s höchst selten deutliche Spuren von Glimmer in den Boden- 332 Gesammtsitzung Verhältnissen, gar nicht im Oberflächen -Staube vorgekommen. Die vielen grünlichen und bräunlichen Sandtheilchen scheinen mir überall dem Grünsande anzugehören, auch wenn sie un- regelmälsig waren. Daher ist auch das Zithostylidium lacerum in diesen Verhältnissen wohl nicht als Bimstein- (Schaumstein-) Spur zu betrachten, welcher Zweifel in anderen Fällen unerle- digt bleibt. In dem Quellsande des von Kuka westlichen Gongola- Flusses ist Glimmer sehr massenhaft und im östlich am weilsen Nil gelegenen Lande Bari, bei Scheibun im goldführenden Alluvium, wie im Nilschlamm, sind dort überall sehr viel, öfter ganz massenhafte Glimmertheilchen, welche die Ostwinde also nicht in das Centralland nach Kuka führen. Siehe d. Mikro- geologie Seite 205, 206. 9. Dals die von Hrn. Dr. Vogel aufgenommenen und eingesandten Bodenverhältnisse des Tschad-See’s an Sand über- wiegenden Staub und Schlamm betreffen, daher vorherrschend unorganisch sind, ist zwar für manche vorherrschende Charak- tere der dortigen Verhältnisse erläuternd, allein für die Kennt- nils des Wirkens des dortigen mikroskopischen Lebens ist die- ses Verhältnils weniger günstig. An vegetationsreicheren Stel- len, an den mit Siratiotes oft wuchernd überdeckten Lachen und Sümpfen, welche der Reisende selbst angiebt, da wo man Reis oder Durrah (Gafuhli) baut und auf den vegetationsreichen Inseln des See’s mag es dort einen feinen schwärzlichen fast sandlosen Humus geben, der im nassen Zustande moderartig erscheint und welcher beim Anfühlen sich weich wie Seife ver- hält, während jede Sandmischung durch das Gefühl der Finger beim Reiben als harte Theilchen bemerkbar ist. Solche Hu- mus-Anhäufungen als Moor oder schwarzer Schlamm pflegen in unseren Seen der Sandgegenden in gewissen tieferen und besonderen oft in weit ausgedehnten Stellen sich ansehnlich am Ufer, gewöhnlich mit Schilfbildung, zu entwickeln und in ihrer Nähe das bessere Culturland zu bedingen. Am Tschad-See wird das nicht anders sein und die Proben solchen sandlosen Humus- Moores werden künftig den Formen-Reichthum des unsichtbar kleinen, in seinen Wirkungen aber überall riesenhaft grolsen Lebens noch weit ansehnlicher aufzuschliefsen geeignet sein. vom 12. Juni 1856. Übersicht der 133 mikroskopischen Formen aus Bornu. Die Sternchen bezeichnen neue Formen. Oberflächen- Staub Kuka Polygastern: 45—46. Amphora libyca Arcella Enchelys Globulus Megastoma * Nigritarum Cocconeis undulata Cocconema asperum lanceolatum Leptoceros Difflugia Oligodon Eunotia amphioxys gibba gibberula * Microstigma n. Sp. longicornis zebrina Fragilaria pinnata Rhabdosoma * ? mesogongyla n. sp.? * ? Oxyrhombus n. sp.? Gallionella coarctata erenata decussata distans granulata procera tenerrima Pa ea ee Fe ee ee Be Be ee ee ge" Gloeonema Arcus Brunnen-Sand Kuka. Ii+++ +41 | I+++ ++ +++ [EEE r3 I +++ Tschad-See- Boden, I ++ ++ ++ 333 | (Beno£) ++ +++ 334 Gesammtsitzung Gomphonema gracile Himantidium gracıle —? * Lysicyclia Vogelii nov. Gen. Navicula Amphisbaena * umbilicata n. Sp. Pinnularia amphioxys inaequalis viridula Pleurosiphonia affınis Stauroneis dilatata ‚Stauroptera trinodis Surirella clathrata Craticula (major) Synedra acuta Entomon Ulna Trachelomonas laevis Phytolitharien: Amphidiscus clavatus obtusus asterocephalus? amblytrachys Assula umbonata laevis aspera Lithodermatium gyrosum Lithodontium Aculeus angulatum Bursa curvalum * denticulatum n. Sp. m — -|-|-|+ +++ || + -|—-|-|+ -|-|-|+ En +/+ +|+ -|-|-|+ +! -|!-|+ _—i—|+ 1219 —|+ I —-|—-|+ ee | 25 [11 | 17 | 16 72. | u + —-|+ —|+ + -|+ | + -—|-| + | — | — -|+|+ —|+ + -|+ +|-|+|J+ "Ira Oberflächen- Staub Kuka. Brunnen-Sand Kuka. Tschad-See- Boden. Gongola (Benot). vom 12. Juni 1856. Lithodontium falcatum furcatum nasutum Platyodon rostratum Scorpius tridentatum homesites ornatus Pecten ithosphaeridium irregulare ovalum ithostylidium Amphiacanthus Armnphiodon angulatum bicalcaratum biconcavum calcaratum Catena clavatum Clepsarnmidium cristatum n. Sp. costatum crenulatum curvalum denticulatum foveolatum n. sp. Jusiforme granulosum irregulare lacerum laeve obliguum oblongum D e © „a [2 Br} € o e-] ° Staub Kuka. E — + + + + + + + - + + + + Brunnen-Sand Kuka. +++ 1 #1 +| Herr) Tschad-See- Boden +1 +++ + + + + Gongola (Benot). + +++t++H+ + | 333 ++ +++ 4+t+t++4++ +44+ +++ 336 Gesammtsitzung Oberflächen- Staub Kuka, Brunnen-Sand Kuka Tschad-See- Boden. Gongola (Benoe). Lithostylidium Ossiculum ovatum Des quadratum Rajula Rhomboides Rhombus rude sculptum Serra Spathula spiriferum Subula Trabecula Trapeza zriquetrum unidentatum ventricosum Spongolithis acicularis amphioxys aspera ‚fistulosa mesogongyla obtusa robusta tracheogongyla Thylacium foveolatum IH HIHI FIT FF TI FF TFT N En ve en 8 PR: DE ER Ar I U © Th L—— 20200 ++ +++ H+ ++ HI 4+ +rH HH +++ 4444444 +++ ++ + Paludinae? testula Cypridis testula Grünsand Halbscheibe Helm Beni d. Akademie: Funi 1866 5.337, ER in ra — nd Ai un to CEMWeber Das bleinste Lebenam Tschad See. BETTEN ATETN F nn ı a ee ) & {I vom 12. Juni 1856. u Eng aaa] 2 5 3 |?;:l#8|33 we |5lü | IB LARENE: Sal& | E ) Grünsand Niere -|-|-r Stumpfzahn -|—-|-+r Viereck —-i—|+ —? ee Pflanzenparenchym von Monocotylen Fee Dicotylen Fk) HI + Gliederhaar — | —- | + Summe des Organ. 129 | 63 | 44 | 67 | 59 Magneteisen -—|—|!1—- | + Glimmer -|—-|+/+ Quarzsand +++ + Kalkmulm + Ganze Summe 133 | 65 | 45 | 69 | 62 Erklärung der Abbildungen. Die Tafel enthält nicht alle Formen abgebildet, vielmehr nur die Poly- gastern und einige ausgezeichnete Phytolitharien. Die ersteren sind sämmtlich in der Art dargestellt, dafs sie meinen früheren Mittheilungen und den Abbildungen derselben Formen der Mikrogeologie direct vergleich- bar sind, nämlich bei 300maliger Linear-Vergrölserung. Im Ganzen giebt die Tafel den Total-Eindruck des dortigen selbstständigen Lebens vollständig so weit er ermittelt ist. Im untern Kreise ist eine Ansicht der Masse der feinsten Theilchen des Oberflächenstaubes bei Kuka. Fig. 1. Amphora libyca. Fig. 9. Coeconema asperum. _ —? 10. Difflugia Oligodon. 2. Arcella Enchelys. 11. Eunotia amphioxys. 3. — Megastoma. 12. — Mierostigma n.sp. 4, — Globulus. 13. — gibba. 5 — Nigritarum n. sp. 14. — gibberula. 6. Cocconeis undulata. 15. — longicornis. 7. Cocconema Leptoceros. 16. — _ zebrina. 8 - lanceolatum. 17. Fragilaria pinnata. 338 Fig. 18. 19, 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 4. Gesammtsitzung vom 12. Juni 1856. Fragilaria Rhabdosoma. Gallionella crenata. —_ coarclata. _ distans. -- decussata. u granulata. _ procera. —_ tenerrima. Gloeonema Arcus. Gomphonema gracile. Himantidium gracile. Lysieyclia Vogeli a—|1 nov. Genus. Navicula umbilicata. — Amphisbaena. Pleurosiphonia affınis. Stauroptera trinodis. Pinnularia amphiozys. — inaequalis. — _ viridula. Stauroneis dilatata. Surirella clathrata. _ Craticula major. Synedra acuta. _ Entomon. Fig. 42. 43. 44. 45. 46. AT. 48. 49, 50. 51. 52. 53. 54, 30: 56. 37. 58. 59. 60. Synedra Ulna. (Tabellaria?) Fragilaria Fusus n. sp. (Tabellaria?) Fragilaria Oxyrhombus n. sp. Trachelomonas laevis. Amphidiscus amblytrachys. = asterocephalus. Lithodontium furcatum. — denticulatum. Lithosphaeridium irregu- lare. Lithostylidium granulatum. — sculptum. _ Amphiacan- thus. — Clepsammi- dium. — cristatum, _ JFoveolatum. _ Subula, va- gina inclusum. Spongolithis amphioxys. — _ mesogongyla. — obtusa. Die Akademie empfing hierauf zuerst die betrübende Nach- richt von dem gestern den 11. Mai Mittags erfolgten Ver- scheiden ihres langjährigen ordentl. Mitgliedes der philos.-hist. Klasse des Hrn. von der Hagen. An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Fürst v. Salm-Horstmar, Versuche und Resultate über die Nahrung der Pflanzen. Braunschweig 1856. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verfassers, d. d. Coesfeld 4. Juni 1856, überreicht im Auf- trage des Fürsten von Hrn. E hrenberg. d’Avezac, Grands et petits geographes grecs .et latins. Paris 1856: 8. Sitzung der physik.-math. Klasse vom 16. Juni 1856. 339 Lucae, De symmetria et asymmetria Cranii. Marburgi 1839. 4. Zuchold, Bibliotheca historico-naturalis. V,2. Göttingen 1855. 8. L’Institut. 1. Section, no. 1169. Paris 1856. 4. Athenaeum frangais, no. 23. Paris 1856. 4. Pratobevera, Die Äheltischen und römischen Antiken in Steiermark. Gratz 1856. 8. Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark. 6. Heft. Gratz 1855. 8. Mit Schreiben der Direction des Vereins vom 20. April 1856. Renard, Aapport sur la scance solennelle du 28. Dec. 1855 de la societe des naturalistes de Moscou. Moscou 1855. 8. Comptes rendus de lacademie des sciences. Tome XLII, no. 18—21. Paris 1856. 4. Zeitschrift des Ferdinandeums. 3. Folge, 5. Heft und 26. Jahresbericht. Inspruck 1856. 8. Andre Papadopoulo Vretos, La Bulgarie ancienne et moderne. St. Pe- tersbourg 1856. 8. Im Namen des Hrn. Verfassers überreicht durch Hrn. Böckh. 16. Juni. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Hagen las „über die Fluth- und Boden-Ver- hältnisse des Preufsischen Jade-Gebietes.” Die Veränderungen, denen die Ufer der Jade noch gegen- wärtig ausgesetzt sind, lassen keinen Zweifel, dals im Laufe der Zeit hier wesentliche Umformungen des Landes statt ge- funden haben. Zwischen Weser und Jade giebt es nur hin und wieder eine natürliche Wasserscheide. Die Hochwasser beider Ströme würden das zwischenliegende Land überfluthen und überströmen, wenn nicht die Deiche an beiden Seiten die- ses verhinderten. Die tieferen Rinnen, welche beide Strom- gebiete früher verbanden, bestehen noch. In dem ausgedehnten Busen der Jade liegen einige Inseln, namentlich die Oberahnschen Felder, die von Jahr zu Jahr wei- ter abbrechen. Sie sind die Reste älterer Landestheile, die mit [1856.] 25 340 Sitzung der physikalisch- mathematischen Klasse den Ufern zusammenbingen. Andrerseits findet beinahe rings um den ganzen Busen eine starke Verlandung statt, welche Gelegenheit giebt, die Eindeichungen nach und nach immer weiter auszudehnen und dadurch die Wasserfläche in festes Land zu verwandeln. Die historischen Überlieferungen bestätigen diese Verän- derungen. Ein grolser zusammenhängender Busen der Jade entstand erst, als das Land bereits eingedeicht war, bei einer Sturmfluth im November 1218, wobei sieben Kirchspiele theils zerstört, theils vom festen Lande getrennt wurden. Die Ver- wüstungen setzten sich besonders in den nächsten Jahren fort, alsdann scheinen sie lange Zeit hindurch nicht vorgekommen zu sein, bis der Busen in der berüchtigten Antoni-Fluth 1511 ungefähr seine jetzige Gestalt annahm und besonders an der westlichen Seite sich ausdehnte. Seit dieser Zeit haben keine bedeutende Einbrüche mehr stattgefunden, wenn auch an der nördlichen Seite des Bu- sens die Deiche weiter zurückgelegt werden mufsten, weil sie beim fortgesetzten Abbruche der Ufer nicht zu halten wa- ren. Das südliche, östliche und besonders das westliche Ufer sind dagegen in starkem Anwachse begriffen. Im letzten Jahr- hunderte ist im Ganzen hier etwa ein Drittel Quadratmeile neu eingedeicht. Die Verbindungen der Jade mit der Weser wurden schon im 16ten Jahrhundert vollständig geschlossen. Bei allen Zerstörungen und Verlandungen ist die Fluth und Ebbe vorzugsweise wirksam. Wenn ein Seedeich bricht und die Fluth sich in die dahinterliegende Marsch ergielst, so treten Verwüstungen ein, die ohne Vergleich viel grölser sind, als wenn ein Flufsdeich durchbrochen wird. Die Niederung wird in diesem Falle nicht nur einmal mit Wasser überdeckt, vielmehr strömt dieses an jedem Tage zweimal aus und ein. Der Boden wird also immer von Neuem angegriffen und aus- gespült, bis die Öffnung sich so verbreitet und vertieft hat, dafs ohne heftige Strömung die Fläche dahinter sich sanft fül- len und entleeren kann. Aufserdem führt die Fluth aber auch die erdigen Theil- chen, welche das neue Land bilden, dem Jade-Busen zu. Das aus dem Binnenlande eintretende Wasser, auf einer kleinen vom 16. Juni 1856. 341 Fläche gesammelt, und in den Entwässerungsgräben der Nie- derung zugeführt, enthält keine, oder doch nur sehr wenige Erdtheilchen. Der Jade-Busen, soweit er bei gewöhnlichen Fluthen mit Wasser angefüllt wird, nimmt gegenwärtig eine Fläche von 3% preulsischen Quadratmeilen ein. Das gewöhnliche niedrige Wasser bedeckt in ihm dagegen noch nicht eine halbe Qua- dratmeile. Am Ende der Ebbe ist eine Fläche nahe 2 Meilen grols, ein unzugänglicher Sumpf, der aus weichem Schlamme besteht. Indem der Fluthwechsel über 11 Fufs beträgt, so läfst sich übersehn, welche grolse Wassermasse bei jeder Fluth aus dem Meere diesem Busen zuströmt, und bei jeder Ebbe wieder zurüekflielst. Hieraus erklärt es sich, dals der Schlauch der äufsern Jade, in welchem diese Strömung erfolgt, wenn derselbe auch nicht regelmälsig begrenzt und sogar über 5 Meilen lang ist, dennoch in einer grolsen Breite und Tiefe sich dauernd erhält. Ich gehe zunächst zur Beschreibung der Fluthverbält- nisse über. Zum Beobachten der Wasserstände wurde im westlichen Jade-Gebiete und zwar auf der Ecke zwischen dem nördlichen Ufer des Busens und dem westlichen Ufer der äufsern Jade ein Pegel aufgestellt, und dessen Nullpunkt mit andern Festpunkten verglichen, um den Maafsstab, falls er zerstört werden sollte, immer in gleicher Höhe wieder aufstellen zu können. Dieser Nullpunkt entspricht ungefähr dem Niedrig-Wasser zur Zeit der Springfluthen. Seit dem 1. Juni 1854 sind alle Hoch- und Niedrig- Wasserstände, mochten sie bei Tage oder bei Nacht eintreten, gemessen worden. Nur in den beiden Wintern traten einige Unterbrechungen ein, indem zweimal der Pegel durch das Eis zerstört wurde, und zuweilen das Eis während der Ebbe sich so dicht stellte, dafs die Beobachtung des niedrigen Wassers nicht möglich war. Aus den Messungen bis Ende Mai 1856 ergiebt sich der mittlere Stand, d. h. das arithmetische Mittel aller Wasser- stände 23% 342 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse des Hochwassers 12 Fuls 2,75 Zoll des Niedrigwassers 1.0 =19 44300014 daher der Fluthwechsel 11 - 1,5 - Sucht man dagegen aus diesen Beobachtungen den ge- wöhnlichen oder wahrscheinlichen Wasserstand, das heifst den- jenigen, der eben so oft überschritten, wie nicht erreicht wird, so findet man das Hochwasser 42 Fuls 4 Zoll das Niedrigwasser Atze are also den Fluthwechsel 11 - 4 - Die äufsersten Grenzen des Hochwassers während dieser Beobachtungszeit sind 7 Fuls 3 Zoll und 23 Fuls 9 Zoll, und die des Niedrigwassers 1 Fuls 11 Zoll unter Null und 8 Fuls 5 Zoll über Null. Es ist also in diesen Jahren ein Unterschied im Wasserstande von 25 Fuls 8 Zoll vorgekommen, und das kleinste Hochwasser ist 1 Fuls 2 Zoll unter dem höchsten Nie- drigwasser geblieben. Die höchsten bekannten Wasserstände traten bei Sturmfluthen am 25. December 1717 und am 3. Fe- bruar 1825 ein. Sie erhoben sich 13 Fufs und 13 Fuls 1 Zoll über gewöhnliches Hochwasser. Die anhaltend niedrigen Flu- then im März dieses Jahres (1856), die einmal sogar nur die Höhe von 7 Fuls 3 Zoll erreichten, scheinen zu den niedrig- sten zu gehören, die je vorgekommen sind. Berechnet man die mittleren und gewöhnlichen Wasser- stände für kürzere Zeiträume, so ergeben sich Resultate, die von den obigen etwas verschieden sind. Bemerkenswerth ist es dabei, dafs der Fluthwechsel oder der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser im Sommer etwas grölser, als im Winter ist. Doch zeigt sich noch eine andre auffallende Ab- weichung. Im Jahre 1855 war der Fluthwechsel durchschnitt- lich um 4 Zoll gröfser, als 1854, und vergleicht man die sechs Monate Juni bis November in beiden Jahren, so ergiebt sich sogar, dals der Fluthwechsel im Jahre 1855 um 8,4 Zoll grölser als 1854 gewesen ist. Diese Differenz bildet sich dadurch, dafs 1855 das Hochwasser im Mittel um 1,6 Zoll höher, und das Niedrigwasser um 6,8 Zoll tiefer war. Man darf die Ursache dieser Erscheinung kaum in der ver- schiedenen Richtung und Stärke des Windes suchen, denn die vom 16. Juni 1856. 343 _ Beobachtungen ergeben sehr deutlich, dafs das Hochwasser eben so, wie das Niedrigwasser, davon gleichmälsig abhängig ist. Beide Linien, wodurch man die einzelnen Beobachtungen der Fluth und Ebbe verbindet, bleiben fast parallel. Um zu erfahren, ob vielleicht an andern Orten ein ähn- licher Unterschied auch bemerkt sei, wendete ich mich an Hrn. Baudirector Hübbe in Hamburg. Nach dessen Mittheilung ergiebt sich aber aus den in Cuxhaven angestellten Beobach- tungen für dieselben Monate in beiden Jahren nur die geringe Differenz von 1,7 Zoll, indem dort 1855 das Niedrigwasser durchschnittlich um 1,8 Zoll tiefer sich stellte, als im vorher- gehenden Jahre, das Hochwasser dagegen gleichfalls um 0,1 Zoll niedriger blieb. Bei den wesentlichen Veränderungen, welche in dem Fahr- wasser der untern Weser ohnfern ihrer Verbindung mit der Jade in diesen beiden Jahren eingetreten sind, darf man viel- leicht voraussetzen, dals 1854 die untere Jade stellenweise durch Sandbänke verengt war. Hieraus würde es sich er- klären, dals damals die Wasserstände der See sich in dem Jade-Busen nicht so vollständig darstellten, so wie auch dals der Unterschied bei niedrigem Wasser viel bedeutender war, als bei Hochwasser. - Im Vorstehenden ist nur von den durchschnittlichen Fluth- höhen die Rede gewesen, ohne dafs dabei auf den Stand des Mondes gegen die Sonne Rücksicht genommen wäre. Auch an der Jade zeigt sich unverkennbar ein Unterschied zwischen Springfluthben und todten Fluthen, doch ist derselbe bei Weitem geringer, als an der französischen und englischen Küste. Während am Atlantischen Ocean, am Canale und zum Theil auch an der englischen Küste der Nordsee der Fluth- wechsel bei Springfluthen ungefähr das Doppelte von dem der todten Fluthen beträgt, so sind an der Jade, wie auch an der Weser und Elbe diese Differenzen nur etwa dem sechsten Theile des mittleren Fluthwechsels gleich. Die höchsten Spring- futhen pflegen hier in der dritten Flutb nach Neu- und Voll- mond einzutreten, und eben so die todten Fluthen 14 Tage nach dem ersten und letzten Viertel. Legt man diese dritten 344 Sitzung der physikalisch-malhernatischen Klasse Fluthen zum Grunde, so findet man durchschnittlich für das Jahr 1855 für Springfluthen, Hochwasser 13 Fuls 2,3 Zoll Niedrigwasser TER, also Fluthwechsel 43mm aim für todte Fluthen, Hochwasser 12 - I - Niedrigwasser 0 +20 MO5ED= also Fluthwechsel 14,0 rue VireıS Die Hafenzeit oder die Zeit des Hochwassers bei Voll- und Neumenden, fällt nahe auf 12 Uhr, doch gaben die bis- herigen Beobachtungen zur sichern Bestimmung derselben keine Gelegenheit. Aufser den erwähnten Beobachtungen wurden noch viel- fach ganze Fluthwellen gemessen, indem während einer Fluth und der folgenden Ebbe von 10 zu 10 Minuten der Wasserstand abgelesen wurde. In ähnlicher Weise hatte Brahms (Anfangsgründe der Deich- und Wasser-Baukunst) bereits vor hundert Jahren eine Fluthwelle der Jade beob- achtet, die sich sehr genau dem Gesetze anschlielst, welches später Laplace für die Fluthen im offenen Meere entwickelt hat. Den Beobachtungsort hat Brahms nicht näher bezeichnet, wahrscheinlich lag er viel weiter seewärts, als der jetzige Pegel. Die neuern Messungen zeigen unter sich auffallende Ver- schiedenheiten. In einzelnen Fällen ist die Curve der Fluth- welle regelmälsig und ziemlich symmetrisch, gewöhnlich findet dieses aber nicht statt, besonders wenn die vorhergehende und folgende Ebbe nicht gleich tief herabsinken. Um die mittlere Form der Fluthwelle zu bestimmen, wählte ich unter den sehr zahlreichen Messungen dieser Art siebenzehn aus, die bei ruhiger Witterung angestellt, und so- weit ausgedehnt waren, dafs die Zeit und Höhe des Niedrig- wassers sowol am Anfange, als am Ende der Beobachtungsreihe sich hinreichend sicher entnehmen liels.. Nachdem die einzelnen Ablesungen graphisch dargestellt, und durch eine möglichst an- schliefsende Curve verbunden waren, wurde die Niveau - Diffe- renz zwischen dem Scheitel des Hochwassers und dem des vor- hergehenden Niedrigwassers in 20 gleiche Theile getheilt. Die Zeichnung ergab alsdann die Zeit, in welcher jeder einzelne vom 16. Juni 1856. 345 dieser Höhentheile erreicht wurde, In gleicher Art wurde hierauf auch der abfallende Schenkel, der die Ebbe darstellt, behandelt. Aus der Verbindung aller Beobachtungsreihen er- gaben sich die Zeiten, in welchen vor und nach dem Eintritt des Hochwassers diese verschiedenen Höhen bei der Fluth und Ebbe erreicht wurden. Die folgende Tabelle enthält dieselben. Zeitabstände vom Hochwasser Höhen über Niedrigwasser. hei ‚Flath. | bei Ebbe. Niedrigwasser 0,00 6St. 14,5 M. | 6St. 5,9M. 0,05 5- 375- |5- 25 - 0,10 2 yes a se 1 gr 0,15 Er Be BE u ae a 0,20 4- 494- |4- 23,6 - 0,25 ee an - 0,30 d - ZA | rad 0,35 4- 1,5- |3- 36,4 - 0,40 3- 596 - |3 - 222 - 0,45 3- Ma- |3- 81- 0,50 3 - 345 - |2- 941 - 0,55 3.= 213 = 17202 AT 362 0,60 3- 79- |2- 274 - 0,65 2- 5358- |2- 159 - 0,70 2- 3839--|2- 02- 0,75 2 - 23,1-']1- 463- 0,50 2.7965 -" I 7-0 8268 0,35 5 BR Re be Me Se 0,90 Ba Bde 1 Be a RZ a 22 0,95 0- 535,5 - |0- 426 - Hochwasser 1,00 1 Da Eau BE Es ergiebt sich hieraus, dafs die Dauer der Fluth etwas länger, als die der Ebbe ist und zwar nach diesen Beob- achtungen um 8,6 Minuten. Der Schenkel der Fluth ist von dem der Ebbe besonders in der Nähe des Scheitelpunktes merk- lich verschieden, indem die Fluth in gleichem Abstande von letzterem viel langsamer steigt, als die Ebbe fällt. Wahr- scheinlich rührt dieses von den ausgedehnten Wattgründen in 346 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse dem Bassin der Jade her, die eine schnelle Ausgleichung des Wasserspiegels verhindern. Gegen Ende der Fluth ergielsen sich deshalb noch grofse Wassermassen über diese Untiefen, während beim Beginne der Ebbe dieselben nicht schnell genug abfliefsen können, und es dadurch möglich machen, dafs der Wasserstand vor dem Pegel anfangs stärker sinkt. Dieser Mangel an Symmetrie zeigt sich ohne Ausnahme und zwar in gleichem Sinne in allen Beobachtungsreihen. Demnächst untersuchte ich den Schlickgehalt, oder die Quantität der im Wasser schwebenden erdigen Theilchen. Das Jade-Wasser ist niemals klar, doch ist seine Trübung nicht so stark, als die des Weser-Wassers. Schon die Fischer und Lootsen dortiger Gegend hatten bemerkt, dafs das Wasser im Allgemeinen beim Beginne der Fluth die meisten erdigen Theil- chen enthält. Dieses erklärt sich durch die grolse Ausdehnung der seewärts liegenden Kiaibänke, die sich über Wangeroog hinaus erstrecken. Aus der Eingangs erwähnten allmähligen Verlandung des Jade-Busens ergiebt es sich auch, dals mit der Fluth mehr erdige Theilchen eintreiben, als mit der Ebbe hinausgehen. Um den Erdgehalt des Wassers in allen Perioden der Fluth und Ebbe zu ermitteln, lies ich wiederholentlich von Stunde zu Stunde während einer Fluth und Ebbe Wasser schöpfen. In zwei Fällen geschah dieses aber nicht nur an der Oberfläche, sondern auch 6 Fuls über dem Grunde. Die Wassertiefe betrug an dieser Stelle beim kleinsten Wasser etwa 30 Fuls. Zum Schöpfen des Wassers in der angegebenen Tiefe be- diente ich mich eines Blecheylinders, der oben mit einer Öff- nung versehen war. Diese Öffnung wurde durch ein von in- nen aufstolsendes Ventil geschlossen, und an dem Stiele des letzteren, der sich auswärts fortsetzte, hing das Apparat. Der Blecheylinder war unten mit einer Oese versehn, woran ich die Leine eines schweren Lothes befestigte, das so tief unter der Öffnung schwebte, als man über dem Grunde Wasser schöpfen wollte. Die Wirksamkeit des Apparates ergiebt sich aus dieser Zusammensetzung. So lange das Loth schwebt, ist der Cylinder geschlossen, und sobald es auf dem Grunde liegt, vom 16. Juni 1856. 347 öffnet sich das Ventil. Letzteres wurde überdiefs durch eine Feder aufgedrückt, weil es sich sonst zuweilen nicht öffnete. Ich versuchte zunächst, den Schlickgehalt aus dem speci- fischen Gewichte des Wassers zu bestimmen, doch führte die- ses zu keinem Resultate, weil die Erdmasse zu unbedeutend war. Es wurde daher das gewöhnliche Verfahren gewählt, das Wasser zu filtriren und die erdigen Rückstände zu wiegen. Das Volumen der Wassermasse betrug jedesmal 12 bis 25 Ku- bikzoll, und wurde durch Abwiegen der gefüllten Flasche er- mittelt. Die Filtra, die immer gleiche Gröfse hatten, waren vor dem Gebrauche einzeln lufttrocken gewogen und zwar zweimal und in umgekehrter Reihenfolge, um den Einfluls einer verminderten oder vergrölserten 'Trockenheit während des Ab- wiegens zu beseitigen. Jedesmal zeigte sich auch wirklich und ganz regelmälsig eine geringe Änderung der Gewichte. Diese Vorsicht war nothwendig, da der in den Filtern aufgefangene trockene Erdgehalt nur 10 bis 30 Milligramme wog. « Nach Beendigung der Filtration wurden die Filtra sorg- . fältig zusammengelegt, damit der darauf liegende Schlick beim Auslaugen nicht entweichen möchte. Alsdann wurden sie in einem geräumigen Glasgefälse mit destillirtem Wasser über- gossen. Letzteres wurde nach einer Stunde mit einem Heber abgezogen, und durch frisches ersetzt, bis es zuleizt so rein abflols, dals es beim Verdampfen keinen sichtbaren Rück- stand liels. Da jedoch nicht vorausgesetzt werden durfte, dals die Filtra beim späteren Wiegen denselben Grad der Trockenheit haben würden, wie beim ersten, vielleicht auch ein kleiner Rest Salz darin zurückgeblieben war, so wurden jedesmal noch zwei bis drei Filtra hinzugefügt, die im Übrigen eben 'so be- handelt wurden, wie die andern, durch welche jedoch eine gleiche Quantität bereits filtrirtes Seewasser hindurchflofs. Die Zunahme ihres Gewichtes ergab demnach die Änderungen, von denen man annehmen durfte, dafs sie bei allen Filtern einge- treten seien. Nachdem die Filtra lufttrocken waren, wurden sie wieder und zwar zweimal und in umgekehrter Reihenfolge gewogen. 348 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Aus dieser Untersuchung ergab sich das Gewicht der im Seewasser enthaltenen erdigen Theilchen, und es kam darauf an, das Volum derselben zu bestimmen. Der Schlick zeigt aber in seiner natürlichen Ablagerung eine sehr verschieden- artige Beimengung von Wasser. Seine obern Lagen sind dünnflüssig, weiter abwärts werden sie fester und sind in grolser Tiefe sogar sehr hart. Mit Rücksicht auf den tech- nischen Zweck dieser ganzen Untersuchung schien es ange- messen, eine breiartige Consistenz zum Grunde zu legen, der- jenigen des zubereiteten Töpferthones entsprechend. Es er- gab sich, dals 1 Gramm luftirockener Schlick, also eben so trocken, wie er in den Filtern gewogen war, wenn er durch Zusatz von filtrirtem Seewasser in einen Brei von der Con- sistenz des Töpferthons verwandelt wird, 0,052633 preuls. Kubik- zoll milst. Hiernach liels sich der gefundene Schlickgehalt in Theilen der Wassermenge, worin er enthalten gewesen, aus- drücken. Die folgende Tabelle giebt in dieser Weise die Mittelwerthe des Schlickgehaltes für jede Stunde der Fluth und Ebbe an. Die Zahlen darin bezeichnen zugleich die Höhe des, Niederschlages in der zum Grunde gelegten Consistenz, der aus einer Wassersäule von der Höhe = 1 bei vollständiger Klärung zu Boden sinkt, Schlick-Gehalt 2: in der Oberfläche. 6 F. über d. Grunde. Niedrig-Wasser 0,00014 0,00016 4 Stunde Fluth 0,00019 0,00023 2 - - 0,00019 0,00026 3 - - 0,00015 0,00024 4 - - 0,00012 0,00020 5 - - 0,00011 0,00016 Hoch-Wasser 0,00010 0,00013 4 Stunde Ebbe 0,00010 0,00012 2 - - 0,00010 0,00012 3 - - 0,00010 0,00012 4 - - 0,00012 0,00012 5 - - 0,00013 0,00013 Niedrig-Wasser 0,00044 0,00016 vom 16. Juni 1856. 349 Der Schlickgehalt ist sonach in der Nähe des Grundes um 4 bis + gröfser, als an der Oberfläche. Während der Fluth ist er grölser, als während der Ebbe, und sein Maximum er- reicht er in den ersten Stunden der Fluth. Bei den höchsten Wasserständen vermindert er sich, sowol während der Fluth, als Ebbe. Letzteres rührt ohne Zweifel davon her, dafs die Wattgründe alsdann weniger von der Wellenbewegung ange- griffen werden. Die Messungen, deren Resultate bier mitgetheilt sind, wa- ren sämmtlich in einer Zeit angestellt, wo schwache südliche und östliche Winde herrschten, wobei also das Wasser im Jade-Busen verhältnilsmälsig stärker bewegt war, als das äulsere Wasser. Um diese Beobachtungen bequem fortsetzen zu können, ohne jedesmal die erwähnten, sehr zeitraubenden Operationen vornehmen zu dürfen, richtete ich noch einen andern Apparat vor. Ich suchte nämlich aus einer grolsen Anzahl cylindri- scher Flaschen von weilsem Glase achtzehn Stück aus, die gleiche Weite hatten. Sechzehn derselben füllte ich mit Mi- schungen an, deren Schlickgehalt 0,00005 . . . 0,0000... . 0,00015... u. s. w. betrug. Sie wurden aber nur zu zwei Drittel ihres Inhaltes angefüllt, damit sie vor dem jedesmaligen Gebrauche gehörig geschüttelt werden konnten, alsdann wurden sie her- metisch verschlossen. Zwei dieser Flaschen sind dagegen zur Aufnahme des zu untersuchenden Wassers bestimmt, und müs- sen in gleicher Höhe gefüllt werden. Die Probegläser lassen zwar nur schwache, aber bei scharfer Vergleichung doch merk- liche Unterschiede in ihrer Durchsichtigkeit erkennen, sie bie- ten also ein Mittel, um den Schlickgehalt des geschöpften Wassers sogleich annähernd zu schätzen. Zwei Versuche, die hiermit angestellt sind, haben ergeben, dals auch bei westlichen Winden der stärkste Schlickgehalt im Anfange der Fluth vorkommt: nach einer Beobachtung soll derselbe 0,00035 betragen haben. Aus dem Schlickgehalte und dem Steigen des Wassers in jeder Stunde der Fluth läfst sich leicht die Höhe des Nie- derschlages während einer ganzen Fluth ermitteln. Es ist zwar nicht anzunehmen, dals in einem Bassin, in welches die 350 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Fluth frei eintritt, das Wasser vollständig geklärt werden sollte, so dals es bei der Ebbe ganz rein abflielst. WVenn diese Vor- aussetzung aber auch gemacht wird, so ergiebt sich dennoch aus den vorstehenden Tabellen, dafs der Niederschlag in jeder Fluth nur 0,001572 oder 0,002633 Fuls hoch ist, je nachdem das an der Oberfläche, oder das in der Tiefe geschöpfte Wasser in Rechnung gestellt wird. Der Niederschlag in einem Jahre oder während 705 Fluthen beträgt also 1,32 oder 1,86 Fuls. In der Wirklichkeit dürfte diese Höhe sich wohl nicht dar- stellen, weil die Ebbe einen grolsen Theil der im Wasser schwebenden Erdinasse wieder abführt, und am wenigsten dürfte bei starkem Wellenschlage auf merkliche Klärung des Wassers zu rechnen sein. Die Erfahrung zeigt auch, dals die Verlan- dungen nur bei ruhiger Witterung erfolgen, und bei anhal- tenden starken Winden sogar wieder abgespült werden. Nach den Erfahrungen über das Verlanden des Jade-Busens ist der Niederschlag in demselben ohne Vergleich viel geringer. Seit einem Jahrhunderte sind die Ufer, mit Ausschluls des nördlichen, das beinahe gar nicht anwächst, durchschnittlich in jedem Jahre etwa 40 Fuls vorgerückt. Am Dollart, wo die Verlandung mit sehr grolser Sorgfalt befördert wird, treten die Ufer in jedem Jahre durchschnittlich um 20 Meter oder 64 Fuls weiter vor. Schon bei Bestimmung des Schlickgehaltes drängte sich die Frage auf, ob der Salzgehalt in allen Stunden der Fluth und Ebbe derselbe sei. Indem ich das Wasser, das während einer vollständigen Beobachtungsreihe sowol oben, als unten geschöpft war, in dieser Beziehung nach der Filtration unter- suchte, wobei durch sorgfältiges Zudecken das Verdunsten während des Filtrirens verhindert war, so ergab sich das spe- cifische Gewicht in allen Fällen sehr nahe gleich grols. Es war bei 8 Graden Reaumur im Maximum 1,02398 und im Minimum 1,0235. Es schien, dals es etwa eine Stunde vor Hochwasser am grölsten sei, was sich dadurch erklärt, dals alsdann das reinste Seewasser vorbeiflielst, denn die Ebbe führt auch das sülse Wasser der Siele ab, dessen Masse freilich verglei- chungsweise überaus geringe ist. Ein Unterschied zwischen dem an der Oberfläche und in der Tiefe geschöpften Wasser vom 16. Juni 1856. 351 liels sich in Beziehung auf das specifische Gewicht nicht er- kennen. Endlich wäre in Betreff der Fluthverhältnisse noch zu be- merken, dafs obwol mit grolser Sorgfalt die Richtung und Stärke der Strömungen gemessen wurden, die gleichzeitig an verschiedenen Stellen statt finden, dennoch keine merkliche Verschiedenheit darin wahrgenommen werden konnte, wie man solche in andern Meerbusen beobachtet hat. In den Umge- bungen des preufsischen Gebietes treten Fluth und Ebbe über- all gleichzeitig ein. Was die Bodenverhältnisse betrifft, so besteht das ganze preulsische Gebiet aus Marschland, das 8 bis 10 Fuls über dem Nullpunkte des Pegels, also 2 bis 4 Fuls unter den gewöhnlichen Fluthen liegt. Nur die aufserhalb des Deiches belegenen Wiesenflächen, oder die sogenannten Aulsen-Groden sind etwas höher und erheben sich über das mittlere Hoch- wasser. Das Terrain, welches das preulsische Gebiet umgiebt, hat nahe dieselbe Beschaffenheit. Nur in der Entfernung von mehr als einer Meile, und zwar in der Richtung nach Jever, trifft man auf eine sandige Geest. Unter der obern Dammerde findet sich ein sehr zäher reiner Thon, hier Klai genannt, der mit dem Niederschlage aus dem Jade-Wasser übereinstimmt. Dieser Niederschlag enthält nach der Analyse des Hrn. Dr. R. Hagen 65,2 Kieselerde, 4,2 Thonerde, 6,9 Eisen- und Manganoxyd, 3,5 Kalkerde, 1,3 Bittererde, 1,4 Kali, 1,5 Natron, 1,4 Chlor, 14,3 Wasser, Kohlensäure und organische Substanzen. Aulserdem fand sich darin etwas Phosphorsäure, jedoch in so geringer Menge, dals eine quantitative Bestimmung derselben nicht möglich war. { Die Beschaffenheit des Untergrundes wurde schon im Jahre 1854 durch verschiedene Bohrungen untersucht, vorzugs- 352 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse weise aber durch eine im Herbst 1855 begonnene Bohrung in grölserem Maalsstabe. Man hatte zu dieser eine Stelle ohnfern des Deiches und zwar innerhalb desselben gewählt, die durch frühere künstliche Anschüttung auf 18 Fuls am Pegel erhöht war. ÜUnter einer sehr dünnen Schicht Dammerde kam man in den Klai, der bis 8 Fufs unter Null oder das niedrige Was- ser herabreichte. Bis zu dieser Tiefe zeigte sich kein Wasser im Bohrloche, wiewohl in den Gräben daneben das Wasser 15 Fuls höher stand. In der angegebenen Tiefe erbohrte man eine Dargschicht (Torf aus Schilf) die 24 Fufs mächtig war. Unter derselben befand sich feiner Sand, der beinahe in gleicher Beschaffenheit sich soweit fortsetzt, als gebohrt ist, nämlich bis 108 Fufs unter Null. Es fanden sich darin anfangs kleine Stückchen Braunkohle. In der Tiefe von eini- gen 70 Fufls unter Null brachte der Bohrer häufig Stückchen Grauwacke herauf, die 1 bis 4 Kubikzoll grols waren und von dem Bohrer zerschlagen zu sein schienen. Aufserdem zeigten sich durchweg in dem Sande eine grolse Menge Glim- mer-Blättchen. Als die Dargschicht durchdrungen war, füllte sich nicht nur das ganze Bohrioch, sondern zum Theil auch der Schacht darüber mit Wasser an: dasselbe stellte sich etwa auf 8 Fuls am Pegel, also auf 1 Fuls über den mittleren Stand der See, und auffallender Weise schwankte es, der Fluth und Ebbe ent- sprechend, einige Zolle auf und ab. Die von Hrn. R. Hagen ausgeführte Analyse des Sandes ergab als Bestandtheile der obern Lage 88,1 Kieselerde, 4,6 Thonerde, 1,3 Eisenoxyd, 2,3 Kalkerde, 1,3 Kali, 2,2 Kohlensäure, nebst Spuren von Bittererde und Chlor. In der Tiefe von 50 Fuls unter Null betrug der Gehalt a Kieselerde 87,6 p. €. Die Analyse des Sandes in 85 Fuls Tiefe ergab dagegen 94,1 Kieselerde, vom 16. Juni 1856. 353 3,0 Thonerde, 1,1 Eisenoxyd, 0,1 Bittererde, 1,7 Kali, sowie Spuren von Kalkerde und Chlor. Es mufs jedoch erwähnt werden, dals die durch den Boh- rer ausgebrachte Sandmasse ungefähr das Zehnfache des Inhalts der Röhre betrug, woher bedeutende Höhlungen neben der Röhre sich gebildet haben, die ein Nachstürzen der oberen Schichten veranlassen mulsten. Das in grölserer Tiefe ausge- hobene Material bestand daher wahrscheinlich zum Theil aus solchem, das ursprünglich höher gelegen hatte. - Hr. Müller las „über neue CGrinoiden aus dem Eifeler Kalk”. Seit dem Berichte der Hrn. Wirtgen und Zeiler über die Crinoiden des Rheinischen Gebirges (Verhandlungen des naturbist. Vereins der preuls. Rheinlande 1855) hat sich die Kenntnils der Crinoiden des Eifeler Kalkes schon wieder erwei- tert. Auf einer Reise in die Eifel, die ich im vorigen Jahre mit Hrn. Regierungsrath Zeiler machte, lernten wir in den Privatsammlungen in Prüm mehrere neue Arten von Crinoiden kennen. Dieser Zuwachs hat sich durch Zusendungen und An- käufe von anderen Orten noch vermehrt. Hier folgt die vor- läufige Beschreibung der durch Abbildungen zu erläuternden Arten. 4) Taxocrinus affinis. Mit diesem Namen wird hier ein Taxo- crinus des Eifeler Kalkes bezeichnet, der in der Gestalt und Zusammensetzung des Kelches und der Arme dem Taxocrinus tuberculatus der Obersilurischen Formation Englands gleicht, und damit zu vereinigen wäre, wenn man von der Verschiedenheit der Formationen absehen dürfte. Fundort: Gerolstein. Ein Exemplar im anat. Mus. zu Berlin, auch im zool. Mus. zu Bonn. 354 Sitzung der physikalisch-maihematischen Klasse 2) Hexacrinus ventricosus (Platycrinus ventricosus Goldf. Taf. 58 Fig. 4). Bisher kannte man nur die Basis; die darauf stehenden Radialia sind sehr hoch. Die Gestalt des Kel- ches ist über der Basis zusammengezogen, dann wie ein umgekehrter Kegel, allmählig erweitert Von Hrn. Kröff- ges in Prüm mitgetheilt. 3) Hexacrinus spinosus. Eine grolse Art. Der ganze Kelch mit sammt der Basis gleicht einem umgekehrten Kegel. Die Basalia, die Radialia und das Interradiale sind mit vie- len kleinen, spitzen, stachelartigen Erhabenheiten besetzt. Der Scheitel ist klein getäfel. Von Hrn. Kröffges mitgetheilt. 4) Hexacrinus lobatus. Die Basalia und andern Kelchtafeln sind mit sehr grolsen von oben nach unten abgeplatteten breiten Knoten besetzt. Eine wunderliche Gestalt. Der Scheitel ist mit wenigen erhabenen Platten gedeckt, wo- von die mittlere die grölste sich in einen hohen Kegel erhebt. Von Hrn. Kröffges mitgetheilt. 9) Hexacrinus limbatus. Die Basis ist dicht über dem Sten- gel durch einen erhabenen Ring ausgezeichnet, über wel- chem sich der übrige Theil der Basis kelchartig ausbreitet. Die Tafeln glatt oder wenig gerunzelt. Scheitel klein ge- täfelt.e. Diese Art hat mit dem AH. ventricosus einige ent- fernte Ähnlichkeit, bei dem jedoch die Basalia schon über dem Wulste aufhören, während sie beim ZH. limbatus sich hoch fortsetzen. Zwei Exemplare aus Gerolstein im ana- tom. Mus. Ein drittes von Hrn. Kröffges mitgetheilt. 6) Poteriocrinus hemisphaericus. Kelch sehr niedrig, breiter als hoch, hemisphärisch. Die Parabasen sind mit flach er- habenen Riffen besetzt, welche nach den angrenzenden Platten sternartig auslaufen und sich darauf fortsetzen. 2 Interradialia, das untere grols, das obere kleiner. Von Hrn. Baumeister Guichard in Prüm mitgetheilt. Trichocrinus. nov. gen. Basalia 3. Darauf ein geschlossener Kreis von wieder 3 Stücken, wovon 2 bis zum Armgelenk reichen, das dritte aber nicht bis dahin reicht und 2 kleine Radialia über sich vom 16. Juni 1856. 355 hat, mit der Bedeutung einer Parabase und eines Interradius zugleich. Es sind 3 kleinere Radialia aulser den 2 grolsen bis zur Basis herabreichenden Radialia. Von den kleinen Radialia ist eines zwischen die 2 grolsen Radialia oben eingesetzt, die 2 andern kleinen Radialia liegen neben einander, nach unten zwischen ein grolses Radiale und das Parabasale eingreifend. Die Radialia bilden am obern Umfang des Kelches einen geschlossenen Kreis, der 5 Fortsätze nach dem Scheitel aus- schickt, zwischen denen in der Mitte die Höhle des Kelchs ausgeht. Jeder dieser 5 Fortsätze ist durch die interradiale Nath der Länge nach getheilt, so dals jeder der 5 Fortsätze von je zwei Radialia gebildet wird, wie beim Eugeniacrinus caryophyllatus. In den dreieckigen Vertiefungen zwischen den 5 Fortsätzen waren die Arme auf ihrem Radiale eingelenkt. 7) Trichoerinus altus. Der Kelch hoch, doppelt so hoch als breit, umgekehrt kegelförmig. Im anatom. Mus. zu Ber- lin. Von Hrn. Lehrer Fritsch in Kerpen. 8) Trichocrinus depressus. Der Kelch sehr niedrig, breiter als hoch. Die Gelenkfläche für den Stiel an der Basis des Kelches ausgehöhlt, mit ebenem Grunde und runder Öff- nung des Nahrungskanales darin. 8 Exemplare im anatom. Mus. zu Berlin. Von Hrn. Fritsch in Kerpen. 1 Exem- plar in der Sammlung des Hrn. Ewald in Berlin. Nanocrinus. nov. gen. Basalia 5, darauf nur 4 Radialia, welche aneinander stolsen, ein kleines interradiale über und zwischen zweien der Basalia, da wo der fünfte Radius fehlt. 9) Nanocrinus paradoxus. Das oberste Stengelglied mit vier- theiligem Nahrungskanal. Jeder der Radien besteht nur aus einem Radiale, welches an zweien Radien über sich ein Armglied hatte, an den zwei andern 2 Arme zugleich trägt. Der Scheitel ist mit nur wenigen Täfelchen ge- deckt, in der Mitte ein dicker Knollen. Von Hrn. Kröff- ges mitgetheilt. In der Sammlung des Hrn. Baumeister Guichard sahen wir ein prächtiges Exemplar des schon beschriebenen Potzerio- erinus curtus mit vollständiger zierlich gegliederter Mundröhre. [1356.] 26 856 Gesammtsitzung In der Sammlung des Hrn. Kreisphysicus Dr. Bretz sahen wir auch den Myriillocrinus elongatus von Sandberger zum er- sten Mal aus der Eifel. Durch Untersuchung der Exemplare von Gasterocoma an- tigqua Goldf. aus den Sammlungen der Hrn. Dr. Bretz und Kröffges wurde festgestellt, dafs diese Gattung nicht unge- stielt war, wie Goldfuls angenommen oder vermuthet, dals dafs vielmehr das Stück in der Mitte der Basis das oberste Säulenglied und von einem 4schenkeligen Nahrungskanal durch- bohrt ist, wie bei Ceramocrinus, welcher nun Gasterocoma sehr verwandt ist, ohne dals man für jetzt berechtigt wäre, beide Gattungen und Arten zu vereinigen. Durch die Correction der Charaktere für Gasterocoma antiqua wird letztere jetzt auch dem Epactocrinus irregularis nahe gerückt, welcher nur durch die Schalttafeln von Gasterocoma antiqua abweicht, und wie schon früher angedeutet, vielleicht eine individuelle Aue normität ist. Unter den in der Gattung Cupressocrinus beobachteten individuellen Variationen verdient erwähnt zu werden, dafs der Stengel nicht selten statt des viertheiligen einen dreitheiligen Nahrungskanal besitzt. 19. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Lepsius las „über die XXlU. Königs-Dynastie der Ägypter” und knüpfte daran Bemerkungen über die XXL, XXI. und XXVI. Dynastie. Siehe die nächste Num- mer des Monatsberichts. Hr. Müller machte hierauf eine Mittheilung „über ein Echinoderm mitschuppenförmigen Tafeln und Echi- nidstacheln im Eifeler Kalk”. Als ich bei einem Besuch der Eifel mit Hrn. Regierungs- rath Zeiler im vorigen Jahre in Prüm war, sahen wir unter vom 19. Juni 1856. 357 den von den Hrn. Kreisphysicus Dr. Bretz und Lehrer Kröff- ges gesammelten Petrefacten des Eifeler Kalkes Stacheln von Rommersheim, welche Seeigelstacheln auffallend ähnlich sind. Obgleich mir damals die Platten, auf welchen diese Stacheln gestanden, noch nicht bekannt waren, so zweifelte ich doch nicht, dafs die fraglichen Stacheln einem Echinid angehören und schlols, dafs diese Thiere bis in die devonische Formation des rheinischen Gebirges hinabreichen. Kürzlich hat mir Hr. Dr. Bretz eine Anzahl fossiler Knochenplättchen geschickt, welche mit diesen Stacheln zusammen bei Rommersheim ge- funden worden sind, mit der Vermuthung, dafs es sich um See- igel handle. Eben solche Plättchen mit den gleichen Stacheln sind mir von Hrn. Kröffges mitgetheilt worden. Da die mehrsten der Knochenplättchen auf der Oberfläche aulser zer- streuten kleineren Knötchen mit einem besonderen grolsen Gelenkhöcker für einen Stachel versehen sind, der ganz zu der Basis der damit zusammengefundenen Stacheln palst, so ist es wohl gewils, dafs die Stacheln und die Knochenplätichen zu- sammengehören. Aber man muls erstaunen zu sehen, dals diese Knochenplatten nicht wie die Platten der Seeigel. verbunden waren, sondern wie Schuppen an ihren Rändern sich deckten, so zwar, dals die entgegengesetzten Ränder einer Platte sich verschieden verhalten. Legt man nämlich die Plättchen in al- ternirende Längsreihen wie die Interambulacralplatten eines Seeigels, so ist vom vordern und hintern Rande einer Platte der eine deckend und der andere gedeckt; der deckende Theil des Randes ist die ganze eine Hälfte des Umfanges der Platte, der gedeckte die ganze andere Hälfte des Umfanges. Die deckende Hälfte des Umfanges ist meist abgerundet, die ge- deckte Hälfte des Umfanges immer winklich, nämlich meist mit 3 geraden Seiten, so dals man sich die ganze Platte als ein Sechseck vorstellen kann, an welchem die eine Hälfte ihre Ecken behalten, die andere Hälfte aber sie verloren hat. Wo der Rand deckend ist, hat er auf der unteren Fläche eine schief abgeschnittene Facette bis zur Zuschärfung des Randes. Wo ein Rand gedeckt ist, hat er die schief abgeschnittene Facette auswendig. Man bemerkt hin und wieder auf den Facetten der Ränder auch noch einige seichte parallele Eindrücke, wie an 26° 358 Gesammitsitzung den gewöhnlichen Nahtverbindungen von Platten bei Echino- dermen. Unter den vielen mir geschickten Platten sind gröfsere und kleinere, dickere und dünnere, alle ohne Ausnahme mit den entgegengesetzt zugeschärften Rändern. Die gröfsten ha- ben bis 4” in der längeren, gegen 3” in der kürzern Rich- tung, die mehrsten sind gegen 3” lang und eben so breit. Die gröfsten und dicksten Platten sind bis *” dick, viele sind jedoch viel dünner bis 4” dick. Die mehrsten Platten sind nahe sechsseitig. Legt man diese Schuppen in eine Längsreihe, so dals die 3 aulsen zu- geschärften Seiten an allen Platten der Reihe gleich gerichtet, z. B. nach hinten gerichtet sind, und legt neben diese Längs- reihe eine zweite Reihe in gleicher Richtung der Platten, aber alternirend an, so erhält man einen Panzer, der so genau zu- sammenschlielst, dafs alle Platten in einer Ebene liegen und das Verhältnifs der sich deckenden Ränder unsichtbar wird. Dieser Knochenpanzer bestand also nicht aus dachziegelförmigen Schuppen, sondern aus Stücken die überall durch Nähte, aber durch schiefe oder sogenannte Schuppennaht verbunden waren. An einigen Platten sind die 3 Seiten des Sechsecks, welche aulsen zugeschärft sind, sehr ungleich, die mittlere sehr klein und ebenso die entgegengesetzte Seite des Randes sehr klein, so dals die sechsseitige Platte nahe 'daran ist, in eine vier- seitige sich zu verwandeln, an welcher zwei entgegengesetzte Ecken etwas abgestutzt sind. Einige Platten (worunter meh- rere der grölsern Platten) sind sogar von ganz vierseitiger Ge- stalt mit zwei auf der äufseren Fläche und zwei auf der in- neren Fläche zugeschärften aneinander stolsenden Rändern. Da die vierseitigen Platten seltener sind und aus den sechsseitigen hervorgehen, so folgt, dals sie wie die sechsseitigen gelegen sein mufsten, d. h. dals der Winkel, den die beiden aufsen zugeschärften Seiten machen, nach vorn oder hinten, in un- serm Beispiel nach hinten gerichtet war, gleich wie die 3 ho- mologen Seiten der sechseckigen Platten. Nur wenige Platten, darunter einige der grölsten vier- seitigen, haben keinen grolsen Tuberkel für einen Stachel und nur die kleinen zerstreuten Knötchen, die ohne Zweifel wie bei den Echiniden zu ganz feinen Stacheln bestimmt waren. vom 19. Juni 1856. 359 Der grofse Tuberkel ist über 4”” breit, flach convex und in der Mitte wie bei mehreren Seeigelgattungen perforirt. Um den Tuberkel ist ein glatter nicht erhabener und nicht vertiefter Um- kreis der Schale, wo die sonst vorkommenden zerstreuten klei- nen Knötchen der Platten fehlen. Die mikroskopische Structur der Platten ist wie bei allen Echinodermen netzartig und dadurch steht fest, dals wir es nicht mit einem Thier einer ändern Klasse zu thun haben. Die Stacheln haben den bei den Seeigeln gewöhnlichen Bau, man sieht in dem Schliff des Querschnitts abwechselnd dichte schmale Radien ohne Netz, gegen 120 rundum und dazwischen schmale Streifen lockerer von einer einfachen Löcherreihe ge- gitterter Substanz. Die Oberfläche der Stacheln ist fein der Länge nach gestreift, der Ausdruck der Radien. Der Knopf an der Basis der Stacheln ist wie bei Seeigelstacheln, die Un- terseite der Basis vertieft, über dem Gelenk ist die Basis an- geschwollen 4” breit. Die Stacheln waren mindestens 4”” lang. An Stacheln von dieser Länge ist immer noch die Spitze ab- gebrochen. Schuppenförmige Platten kommen bei den bekannten See- igeln nicht vor, mit Ausnahme der Mundplatten der Ci- daris, aber diese tragen nur Borsten und liegen dachziegel- förmig übereinander, ohne dem vorher beschriebenen Verhalten zu gleichen, wo nämlich die Platten in einer Ebene liegen. Aus der Kohlenformation sind mehrere Arten und Gat- tungen von Seeigeln bekannt, welche von den spätern und jetzigen Seeigeln durch die mehrfache Zahl der interambula- eralen Plattenreihen abweichen, deren nämlich 3, 5 oder wie bei Melonites selbst 7 sein können. Von besonderm Interesse sind unter diesen Seeigeln diejenigen der Gattung Archaeo- eidaris, weil nämlich Archaeocidaris Nerei (Cidaris Nerei von Münster) aufser der Kohlenformation von Tournay auch in der devonischen Formation von Regnitzlosau bei Hof durch v. Mün- ster beobachtet, also von gleichem Alter wie der Eifeler Kalk ist. Agalsiz versuchte diese Echiniden von den Seeigeln aus- zuschlielsen und unter dem Namen Echinocrinus den Crinoiden zuzuführen, bei denen es keine auf Tafeln wie bei den See- 360 Gesammtsitzung igeln eingelenkte Stacheln giebt. Dafs die Seeigel der Kohlen- formation wirkliche Echiniden sind, ist jetzt anerkannt, ent- scheidend war von Anfang schon, dals Münster einen Kiefer von Cidaris Nerei von Tournay abgebildet. Unter den Bruch- stücken von Echiniden von Tournay, welche die K. mineralo- gische Sammlung Hrn. de Koninck verdankt und welche mir Hr. Beyrich mitgetheilt hat, befindet sich eine solche Kiefer- hälfte, wovon ich eine Abbildung vorlege, bei der ich mir er- laubt habe, die zweite Kieferhälfte zu suppliren. Dieser Kiefer stimmt gänzlich mit den Kiefern der Seeigel und unterscheidet sich von denen der gegenwärtigen Seeigel nur durch die gröfsere Krümmung der Spitze, aus welcher der Zahn hervor- ragte und verhältnilsmälsig geringere Höhe. Unter denselbigen Fragmenten befinden sich einige sechsseitige Tafeln des Cidaris Nerei mit ganz zugeschärften Rändern, so dals man nicht be- greift, wie diese Platten fest zu einer Schale mit einander ver- bunden waren, wenn sie sich nicht theilweise mit den Rändern deckten. Eine dieser Tafeln ist an der untern Fläche an allen Rändern zugeschärft, mit Ausnahme einer Seite des Sechs- eckes, wo die Zuschärfung sich auf der Oberseite befindet. Zwei Tafeln haben die Zuschärfung des Randes so, dafs die eine Hälfte des Randes, 3 Seiten umfassend, auswendig, die entgegengesetzte inwendig zugeschärft ist. Dies spricht dafür, dafs auch die Platten der Eifel einem Seeigel angehören. Unter den hiesigen Resten von Tournay und bei jenen Platten befinden sich zweierlei Stacheln, die nicht zu einem und demselben Thiere gehören kömnen, die einen sind länger eylindrisch und hohl, die Oberfläche ist am untern Theil über dem Gelenkknopf fein längsgestreift, weiterhin sind die erha- benen Streifen zu kurzen Zacken eingeschnitten; diese gehören wahrscheinlich zu Cidaris Nerei. Die andern Stacheln sind kürzer, mehr konisch, fein gestreift ohne Zacken, und durch und durch solid; sie gleichen sehr den Stacheln aus dem Ei- feler Kalke. "Allfällig wird für das bestachelte Echinoderm der Eifel der Name Lepidocentrus eifelianus geeignet sein. Die Tafeln der Jurassischen Asterias scutata Goldf. Sphae- rites scutatus Quenstedt haben einen sehr niedrigen, flach aus- vom 19. Juni 1856. 361 gehöhlten Höcker, auf dem ohne Zweifel der von Quenstedt Handb. d. Petrefactenkunde Taf. 55 Fig. 37 abgebildete Stachel stand. In der Sammlung des Hrn. Ewald sah ich die Platten und Stacheln aus dem Coralrag von Ulm. Die Stacheln wei- chen von den Stacheln der Seeigel ebenso sehr ab, als die Stacheln des Eifeler Kalks mit Seeigelstacheln übereinstimmen. Sie sind einfach konisch und ohne den Gelenkkopf und Wulst, welcher alle durch Muskeln bewegte Seeigelstacheln auszeichnet. Die Basis des Kegels ist quer abgeschnitten und die Unter- fläche der Basis sanft vertieft. Hr. Steininger hat unter dem Namen Echinus Buchiü in den Mem. de la soc. geol. de France T. I. p. 1. 1833 p- 349 pl. XXI Fig. 2 von Rommersheim einen sehr kleinen Seeigel (55”) abgebildet, der mit dem Gegenstand dieser Ab- handlung in keinem Zusammenhange steht und so sehr den tertiären Seeigeln gleicht, dafs dieser Vergleich bei der Be- schreibung ausdrücklich hervorgehoben und die Vermuthung ausgesprochen wurde, es könnte dieser Seeigel von Resten der Tertiärformation herrühren. An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: " Schirren, Die Wandersagen der Neuseeländer und der Mauimythos. Riga 1856. 8. Memoires de la societe royale des sciences de Liege. Tome X. Liege 41855....8; - Annales de chimie et de physique. Tome 47, Livr. 4. Paris 1856. 8. Schröder, La rotation souterraine de la masse ignee. Paris 1856. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verfassers, d. d. Paris 10, Juni 1856. Athenaeum frangais, no. 24. Paris 1856. 4. Corrispondenza scientifica in Roma, no. 40. Roma 1856. 4. E. und J. H. Halbertisma, Leed in Wille. De Flotgärzen, Dimter 1854. 8. + Aufserdem kam ein Schreiben der K. Akademie der Künste zu Berlin d. d. 17. Juni zum Vortrag, welches den Empfang 362 Gesammtsitzung des 1sten Supplementbandes der Abhandlungen der Akademie von 1854 und der Monatsberichte von Juli bis December 1855 anzeigt. Ein Schreiben der K. Akademie der Wissenschaften zu Lüttich zeigt d. d. 20. April den Empfang der Abhandlungen von 1853 und 1854, so wie der Monatsberichte von 1853 bis Juni 1855 an. 26. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Homeyer las „über die Informatio ex spe- culo Saxonum”. Hr. Ehrenberg las hierauf einen kurzen Bericht über den Inhalt der im Druck vollendet vorgelegten er- sten Lieferung der Fortsetzung der Mikrogeologie, welche die Südstaaten Nordamerika’s abschlielst. In der letzten Sitzung des vorigen Jahres habe ich der Akademie über das Fortrücken des Supplementes der Mikro- geologie eine Mittheilung gemacht und mehrere Aushängebogen des Textes vorgelegt. Da jetzt eine Lieferung von 22 Bogen Text, in gleichem Folio-Formate und Drucke wie das Frühere, im Buchhandel ausgegeben worden ist, so erlaube ich mir, in- dem ich sie vorzulegen mich beehre, über die weitere Folge des Druckes einige Nachricht zu geben. Die Mikrogeologie sollte das Bild des kleinsten Erdlebens vom Standpunkte eines einzelnen Beobachters aus geben, wel- cher bei sich selbst allen Streit über Ansichten ausschlielst und wo er dann in Fehler verfällt, meist nur einerlei Fehler der Auffassung und Darstellung hat. Nach diesem Grundsatz sind die Tafeln der Mikrogeologie über die ganze Erde im Jahre - 4854 vollendet worden. Der Text wurde aber damals nur über den Südpol, Australien, Asien, Afrika, Süd- und CGentro-Amerika samt Mexico und die diesen Erdtheilen zugehörigen Inseln ausgeführt. Die Fortsetzung bezweckt die weitere Durchfüh- rung des speziell erläuternden Textes. Nebenbei soll das massenhafte Walten des unsichtbaren Lebens in jeder kleine vom 26. Juni 1856. 363 Erdspur aller Zonen hervortreten, zuletzt sollen Charaktere der Land- und Meeres-Zonen, der Flüsse, der Kultur - Erden, der Gebirgsformationen und der Atmosphäre von selbst in die Au- gen fallen, praktischen Nutzen anbahnen und gewähren. Diese erste Lieferung der Fortsetzung enthält den Ab- schluls der sämmtlichen Süd-Staaten Nord- Amerika’s in ihrer mikrogeologischen Übersicht. Während die im December 1855 vorgelegten Bogen die Staaten Florida, Georgia, Alabama, Lui- siana, Texas, Neu-Mexico und Cherokee Nation enthielten, schlielsen sich in den ausgegebenen folgenden noch die’ Staa- ten Arkansas, Missouri, Nebraska, Tennessee, Kentucky, Süd- Carolina, Nord-Carolina, Virginien und Maryland als Süd- Staaten an. Von 11 dieser 16 Staaten sind je über 100 For- men des kleinen Lebens von mir ermittelt und verzeichnet, von Florida zusammen 215, von Texas 310. Von 3 anderen Südstaaten sind je zwischen 100 und 80, von einem 61, von einem 32 festgestellt worden. Auch von den Nordstaaten werden in dieser ersten Lie- ferung bereits folgende 5, respective 7, in Übersicht gebracht: New-Jersey, Pennsylvanien, Ohio, Indiana, Illinois, Jowa und das Quellenland des Mississippi Minnesota. * Die Analysen betreffen fast ausschliefslich die das Kultur- land bildenden Erdarten und die Fluls-Trübungen samt den Humus-Ablagerungen der Flüsse und Wälder, welche den Na- men der Prairieen führen. Die zahlreichen mir von dort durch Hrn. Lieut. Maury seit Jahren übersandten Flufs-Filtra fast aller Haupt-Flüsse haben nun ihre Anwendung gefunden. Reiche Mischung an mikroskopischem Leben zeigt überall das reiche, das beste Kulturland an. Die Prairieen Nord-Amerika’s aus Waldhumus treten in gleichen Charakter und Werth mit der berühmt gewordenen Schwarz-Erde von Süd-Rufsland. Es kann nun ausgesprochen werden, dals die Süd- Staaten Nord-Amerika’s allein aus 281 von mir analysirten verschiedenen Boden- und Flufs-Verhältnissen 631 mikrokopische Formen als Mischungstheile kennen gelehrt haben, welche die Mischung aller Oberflächen-Verhältnisse und des Kulturlandes wesentlich charakterisiren. Überdiefs hat in neuerer Zeit Hr. Prof. Bai- ley in New-York, der einzige Naturforscher, welcher sich bis- [1856.] 27 364 Gesammtsitzung vom 26. Juni 1856. her in dieser Beobachtungsrichtung mit Ernst und Erfolg be- theiligt hat, noch 299 Formen aus jenen Gegenden hinzugefügt, von denen aber nicht alle Sülswasserformen, auch nicht alle besondere Arten sind. Das Übersichtsverhältnifs der mikroskopischen erdbildenden Süfswasserformen im südlichen Nord- Amerika stellt sich nun abschliefsend folgendermalsen fest: Unter den von mir verzeichneten 631 Formen sind 504 Sülswassergebilde, 122 brakische und Meeresformen als Bei- mischung der Küstenverhältnisse und älterer Gebirgstrümmer, nämlich: 92 Meeres-Polygastern, 52 fossile Polythalamien, 12 Meeres- Spongolithe, 4 fossile Polycystinen, 2 kleine Bivalven. Unter den von Hrn. Bailey verzeichneten 299 Formen sind 252 Sülswassergebilde, 49 Meeresformen, letztere sämmt- lich kieselschalige Bacillarien. Von den 631 + 299 beobachteten und verzeichneten For- men sind nur 58 gleichnamige. Die ganze beobachtete Formen- zahl beträgt nach Abzug der Synonyme 875 Formen -Arten, darunter 20 unorganische. Von den 855 festgestellten organischen Formen der Süd- staaten sind 148, etwa zur Hälfte fossile zur Hälfte jetzt lebende, brakische und Meeresformen. Mithin beträgt die Ge- sammtzahl der beobachteten Sülswasserformen für jetzt 707 Arten. Sämmtliche von mir beobachtete Formen, mit geringen zufälligen Ausnahmen, sind in Präparaten aufbewahrt, mit Ein- schlufs dieser Lieferung. Die Gesammtzahl der von mir publicirten mikroskopischen Analysen von Erdverhältnissen aller Länder beträgt 1324. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: American Journal of science and arts. Vol. 21, no. 63. New-Haven 1856. 8, Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M., für 1854— 1855. 8. Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs Shrifter. Naturv. och math. Afdeling. Wol. IV, 1. Kjöbenhavn 1856. 4. Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 30. Juni 1856. 365 Oversigt over det Kongelige danske Videnskabernes Selskabs Forhand- linger i aaret 1855. Kjöbenhavn 1856. 8. Collectanea meteorologica sub auspiciis socielalis scientiarum danicae edita. Fasc. IV. Hauniae 1856. 4. Sabine, On periodical Laws discoverable in the Mean effects of the larger Magnetic Disturbances. No. 3. (London 1856.) 4. _— - Terrestrial Magnetism. Plate 23. 1 Blatt in folio. L’Institut. I, no. 1170. II,no. 244—245.. Paris 1856, 4. Athenaeum frangais, no, 25. Paris 1856. 4. Corrispondenza scientifica in Roma, no. 41. Roma 1856. 4. Steenstrup, Hectocotyldannelsen hos Octopod-slaegterne Argonauta og Tremoctopus. Kjöbenhavn 1856. 4. 30. Juni. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Petermann las über den Inhalt des astrologischen Werkes der Mandäer ,„Asfar Malwäsche” oder das Buch der Zeichen des Thierkreises genannt. BaLIITT 2-08: 2,2: 0 -T PDT Berichtigung. p: 328 Zeile 14 v. oben ist für Fragilaria mesogongyla zu lesen Fragi- laria ? (Tabellaria ?) Fusus. p: 333 ebenso. p: 338 Zeile 12 v. oben ist für a— 1 zu lesen a— o, 27° BRIAN es = DR" ze at ANA BR 7 1 DRAN seigue, PL Br RS a -. gi Gr am ai at, NEpamonib (aaıpk Jupfbeinn A AnES- dt neben en pichalE. 3 LE Aral - oritanguhk Ipkerer nr fe 2% ne 1) ‚Aid chat AR —ah8, ou I, at a ‚a a. / ini! San tee ro a cr Bein BE N re A Dkorgeite Barden TOR, 6 Ara mr en Re e u re “ A en Te 2 Fand Ang % ı& Bis A ME, 32 a | BEL Tr 3 Joxs)’4 rege 3 PET a} Kir ö . 59 ty ihr » TE ELEDT DR ei ai. dustegosötic hai rs 3, Brei wei asdosiT: + era a ot ’ te gr Heda ah nadh Helma Aaab; dank, zab, ash, ah bla. ds: zacbag Juosa9z ar J F j Kin: ri eh DE #7 A413 a u v = ir Ir Ze 2) . Te IE Yeah ei, \ Wir EN Kar 2.07 FERIEN EEE WER ns F Beer } Diaki rs‘. ud, Ba er er PET Bar: Art FEN A Kak Ei: lie oe, ud Fa: ki Michi era re we Erle ei VERRERTNN Bi en Ar” kr RR REN Kurz, ol Pe) 5 it gw, ? SEE RT Kap Ya Aa a) % Be. Be EENOREE Fo r In u a Fa dcr var N 2 Er ig: | ERTERTELEISTE N rd naar! mi Ba suaiegan a süt ai BR Be: 12 N sau ($ nie)‘ arm) Me a | Er Be sie Ye Balır lee” % a Pa 4 = h r : “ N f Gaza FAN u Ay Ba 2 Pan un Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Juli 1856. Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg. 3. Juli. Öffentliche Sitzung zur Feier des Leibnizischen Jahrestages. Hr. Trendelenburg leitete die Feier mit einem Vor- trag über „Leibnizens Entwurf zu einer allgemeinen Charakteristik oder Universalsprache (lingua characte- rica universalis)” ein, soweit sich die Grundzüge zu diesem umfassenden Plan theils aus einzelnen Schriften Leibnizens, theils aus den hinterlassenen, auf der Königl. Bibliothek zu Hannover sich vorfindenden weitläufigen Vorarbeiten ergeben. Dabei wurden die unbekannt gebliebenen „Vorschläge zu einer nothwendigen Sprachlehre” 1811 als eine, wenn auch die Auf- gabe einschränkende, doch in Leibnizens Geist auf Kantischem Grunde entworfene Schrift bezeichnet und als der scharfsinnige Verfasser Justizrath Ludwig Benedict Trede genannt, wel- cher fast 90 Jahre alt, im Jahre 1819 zu Eutin verstarb. Nach diesem Vortrag, welcher mit den nöthigen Beilagen in den Denkschriften erscheinen wird, wurde Leibnizens mathema- tischer Briefwechsel mit den Bernouilli’s, herausgegeben von C. J. Gerhardt, als dritter Band von Leibnizens mathemati- schen Schriften (Erste Abtbeilung, Halle 1855. Zweite Ab- theilung, Halle 1856) vorgelegt. Vieles darin ist unedirt, an- [1856] 28 368 Öffentliche Sitzung dres ist berichtigt und bereichert, und zwar nach den Manu- scripten der Königl. Bibliothek zu Hannover. Der gelehrte Herausgeber hatte diese Festgabe eingesandt und die Akademie dankte ihm für seine dem Geiste Leibnizens treu hingegebene erfolgreiche Thätigkeit. Es kam hierauf die Preisaufgabe zur Entscheidung, welche von der philosophisch-historischen Klasse zuerst im J. 1850 gestellt, sodann im J. 1853 wiederholt war. Das Urtheil der philosophisch-historischen Klasse, welches Hr. Trendelen- burg verlas, lautet, wie folgt: Die philosophisch-historische Klasse der Akademie hatte am leibnizischen Jahrestage 1850 auf das Jahr 1853 nachste- hende Preisfrage bekannt gemacht: Welche philosophische Begriffsbestimmungen vom Staate sind von Bedeutung geworden für die Entwickelung staats- wirthschaftlicher Lehren? In wie fern gehört zu einer rich- tigen Auffassung vom Staate in den Begriff desselben auch der Gesichtspunkt, dafs neben allen übrigen im Staate zu verfol- genden Zwecken, in demselben die Menschen besser und leich- ter, als es ohne ihn möglich wäre, Wohlstand erwerben und im Wobhlstande fortschreiten? Ist der Ausgangspunkt der Lehre Ad. Smiths, die Arbeit macht wohlhabend, mit einer rich- tigen Auffassung von dem Wesen des Staats übereinstimmend oder nicht? Bei Prüfung und Beantwortung dieser Fragen ist der ethische Standpunkt besonders festzuhalten und sind von diesem aus auch die in neuester Zeit in Frankreich und Deutsch- land entstandenen und verbreiteten staatswirthschaftlichen Leh- ° ren und Theorieen einer näheren Prüfung zu unterwerfen. Es waren im Jahre 1853 fünf Schriften zur Beantwortung eingegangen. Keiner derselben konnte der Preis oder ein Ac- cessit zuerkannt werden. Da indessen die Aufgabe thätige Theilnahme gefunden hatte, so liefs die historisch-philosophische Klasse 1853 die Preisfrage | bestehen, und verkündigte in der öffentlichen Sitzung zur Feier | des Leibnizischen Jahrestags am 7. Juli 1853 die vorhin verlesene Preisfrage unter Verdoppelung des früher ausgesetzten Preises von Einhundert Dukaten auf Zweihundert Dukaten zur Be- antwortung auf das Jahr 1856. vom 3. Juli 1856. 369 Es sind nun drei Schriften eingegangen. Die erste derselben hat das Motto: Am Menschen hängt ein menschlich unwägbar Gewicht, Vernicht’ ers durch wägbare Lasten nicht. Diese Schrift, historisch unvollständig, folgt einer Rich- tung, welche den Handel für eine Geburt der Unnatur erklärt und zwar Ad. Smith guten Glauben und Geschäftsverstand zuspricht, aber doch dafür hält, dafs er nur durch den Irrthum seiner Zeit und die Institutionen seines Landes zu seiner Lehre und namentlich zu dem Satz gekommen: „Arbeit mache wohl- habend”. Da die Schrift überdies die Preisfrage nur zur Ver- anlassung von Betrachtungen nimmt, aber nicht eigentlich zum Grunde legt, so hat sie das gestellte Ziel auf keine Weise erreicht. Die zweite Arbeit hat das Motto aus Aristoteles Poli- tik I. 1. genommen: eror 1asv oliv tour morırızdv var Dacırızdv zer oizovopızoV zu Ösrmorizöv eivan Tov aurov, 00 zaAWs Adyovcıv. In dem historisch kritischen Theil der Abhandlung, wel- cher die Erklärungen der Philosophen alter und neuer Zeit über den Staat enthalten soll, sind zwar die Ansichten der bedeu- tendsten Schriftsteller erwähnt; aber es ist mehr über dieselben gesprochen, als dafs der Inhalt der Lehren der verschiedenen Philosophen in strenger Beziehung zu der gestellten Aufgabe entwickelt wäre, Auch sind dabei die englischen Philosophen Th. Hobbes, J. Locke, D. Hume nicht genug gewürdigt, deren Ansichten in Bezug auf Eigenthum und Arbeit gerade für die Entwickelung staatswirthschaftlicher Lehren von be- sonderer Wichtigkeit geworden sind. Mit Vorliebe sind So- eialismus und verwandte Meinungen behandelt, und wenn auch gesagt wird, dals die Aufgabe des Staats in Förderung der Hu- manität zu suchen sei, so wird doch von Fourier, der die Glückseligkeit in Befriedigung der Begierden findet, hervor- gehoben, dals von ihm das erste Mal das Räthsel gelöst sei, warum der Mensch nach Beschäftigung und Arbeit strebe; es wird nachzuweisen versucht, dals Ad. Smith schon socialisti- sche Ansichten gehabt habe, weil er die Arbeit hochstelle, doch sei die aus dem Ad. Smithschen Werke gezogene Deutung 28° 370 Öffentliche Sitzung und Erklärung „die Arbeit macht wohlhabend” unvereinbar mit dem Wesen und der Idee des Staates. Der Werth des Eigen- thums ist in der Abhandlung verkannt. Wie hiernach diese Abhandlung die Lösung der Aufgabe verfehlt, so entspricht auch die Form der Darstellung nicht immer höherer Anforderung. Es kann ihr daher der Preis nicht zuerkannt werden. Die dritte Abhandlung hat zum Motto gewählt: Der Staat, welcher alle menschliche Zwecke schützt und fördert, soll für den Wohlstand seiner Bürger mehr thun, als Ad. Smith, weniger als die Socialisten wollen. In dem historisch kritischen Theil der Abhandlung, den Untersuchungen über die von den verschiedenen Philosophen und bedeutenderen Schriftstellern aufgestellten Begriffsbestim- mungen des Staats, geben sich Fleifs und Kenntnisse kund, und in der Auffassung des Staatszweckes wird von richtigen An- sichten ausgegangen, wenn es auch nicht immer gelungen ist, den inneren Zusammenhang, in welchem die Erstrebung des Volkswobhlstandes mit der Erreichung aller höheren Zielpunkte des Lebens der Völker steht, tiefeingehend darzulegen. Der Verfasser ist sehr belesen, aber die Citate sind an mehreren Stellen ungenau und unsicher. Der Verfasser hat offenen Blick für bedeutsame Thatsachen. Die Übersicht der Lehren ist indessen so angelegt, dafs der Zuschauer den Stand- punkt mehr neben als über ihnen hat und er sie mehr an sich vorüber ziehen sieht als von oben in den tieferen Zusammen- hang hineinblickt. Wo die Abhandlung ferner beweist, dafs unter die ver- schiedenen Zwecke des Staats auch die Förderung des Wohl- standes seiner Bürger gehöre, geht sie von einer universellen Ansicht über den Staat aus, dals er alle menschliche Zwecke, mithin auch den Wohlstand, schützen und fördern solle; die Frage aber, wie die Menschen den Wohlstand erwerben sol- len, behandelt der Verfasser so, dals er das eigene Erwerben der Menschen, nachdem vom Staate die Hindernisse des per- sönlichen Erwerbes hinweg geräumt worden, als das sich von selbst Verstehende, daher zu Übergehende hinstellt und näher vom 3. Juli 1856. 371 beleuchtet, in wie fern der Staat durch seine eigene Wirk- samkeit positiv den Wohlstand zu befördern habe. Und doch enthält gerade die übergangene Frage reiche ethische Bezie- hungen; es war nachzuweisen, dafs eigene Thätigkeit der Men- schen die wahre Quelle des Nationalwohlstandes ist. Der Verfasser will zunächst nicht, wie Ad. Smith, freie Arbeit, sondern Regelung der Arbeit durch den Staat, und kommt dadurch, ähnlich den Socialisten, wie sehr er sich gegen diese erklärt, zu einer Lehre der Organisation der Arbeit, zu einer Leitung der Erwerbsthätigkeit der Einzelnen durch den Staat. Die Gefahr vor Übervölkerung, welche der Verfasser als nothwendige Folge der freien Arbeit darstellt, ist nirgend bewiesen und hat statistische Ermittelungen gegen sich. Der Verfasser will die Beschränkung von Auswüchsen der freien Arbeit und hält eine indirecte Förderung der Gewerbe dem Staate offen; wenn er aber im vierten Abschnitte zu den po- sitiven Vorschlägen übergeht, nach denen der Staat den Wohl- stand fördern soll, so giebt er hier nicht viel anderes, als was längst in den Lehrbüchern als Volkswirthschaftspflege ausge- sprochen ist, stellt auch nicht besondere, die Forschung för- dernde Gesichtspunkte auf. Ins Einzelne eingehend giebt er, wenn es sich nur um die Anerkennung des Allgemeinen han- delt, zu viel, und für die Forderungen des Besonderen und die Menge der einschlagenden Gegenstände zu wenig. Die vorliegende Abhandlung, mehr umblickend und kri- tisch aufnehmend, als philosophisch ableitend oder original, hat nach diesen Bemerkungen die gestellte Preisfrage nicht gelöst. Es kana ihr daher weder der Preis noch das Accessit zuer- kannt werden. Aber die Akademie erkennt gern an, dafs die vielseitige Schrift, welche keinem Extrem zugethan und in kein einseitiges ausschlielsendes System gebannt ist, wenn sie auch nicht das Richtige trifft, und in staatswirthschaftlicher Beziehung manche Irrthümer hat, doch gute Elemente enthält, die aber nur in einer ausgeführteren Darstellung und nach einer neuen gründ- lichen Durcharbeitung zu einer fördernden Schrift erwachsen würden. 372 Öffentliche Sean Zur Anerkennung der von dem Verfasser der Aufgabe ge- widmeten Studien bewilligt hiernach die Akademie dem Ver- fasser den Werth des einfachen, ursprünglich ausgesetzt ge- wesenen Preises von 100 Dukaten. Nach den Statuten der Akademie ($. 68.) erlischt der An- spruch an diese Summe, wenn der Verfasser die Eröffnung des zu seiner Abhandlung gehörigen Zeitels nicht bis zum letzten März des Jahres 1857 verlangt hat. Im Interesse der Verfasser, um möglichen Mifsbrauch der Namen zu verhüten, verordnet $. 66. der Statuten, dafs die versiegelten Zettel, welche zu den zurückgestellten Abhand- lungen gehören, gleich nach Verkündigung des Endurtheils uneröffnet in der öffentlichen Sitzung verbrannt werden. In- dem daher der Zettel der zuletzt bezeichneten Abhandlung un- eröffnet bis weiter aufbewahrt wurde, traf diese Vorschrift den Zettel mit dem Motto: „Am Menschen hängt ein menschlich unwägbar Gewicht” u. s. w. und den Zettel mit dem Motto aus Aristoteles Politik I. 1.: ‚sro: mev ovv oovraı” u. Ss. w. Beide Zettel wurden, versiegelt, wie sie waren, verbrannt. Nach Erledigung der alten Preisaufgabe wurde folgende neue aus dem von Hrn. v. Miloszewski gestifteten Legate auf das Jahr 1859 verkündigt. In der philosophischen Litteratur giebt es noch immer eine Lücke, für deren Ausfüllung bis jetzt nur in einzelnen Richtungen der Anfang gemacht ist. Aus den verlorenen Schriften des Aristoteles finden sich im griechischen und römischen Alterthum, insbesondere bei den Commentatoren, Nachrichten und Bruchstücke zerstreut, welche sorgfältig gesammelt, kritisch gesichtet und mit dem vorhandenen Aristoteles verglichen, geeignet sein werden, unsere Kennt- nisse vom Aristoteles zu erweitern und zur Geschichte der Philosopbie und Litteratur einen wesentlichen Beitrag zu liefern. Die Akademie stellt hiernach eine vollständige kritische Sammlung der aristoteli- schen Fragmente als Preisaufgabe. Die Bruchstücke des Aristoteles und die Stellen, welche sich auf dessen verlorene Schriften beziehen, sollen aus vom 3, Juli 1856. 373 dem griechischen und römischen Alterthum, insbesondere aus den Commentatoren, gesammelt, kritisch behandelt und, so weit sich Anknüpfungspunkte bieten, mit den vor- handenen aristotelischen Schriften verglichen werden. Was etwa noch die arabische und orientalische Litteratur für Aristoteles enthalten mag, bleibt für jetzt ausgeschlossen. Was bisher im Einzelnen für eine Sammlung geschehen, ist zu benutzen und zu berücksichtigen. Die Anordnung der Fragmente wird dem Urtheil der Bearbeiter überlassen ; aber es ist der Schrift ein doppeltes Register beizufügen, wovon das eine die Schriften und Stellen, aus welchen die Fragmente entnommen sind, genau aufführt, das an- dere die wichtigern Wörter und Gegenstände der Frag- mente alphabetisch verzeichnet. Die Arbeit kann zwar nach Wahl der Bewerber in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache geschrieben werden, doch wird in diesem Falle eine lateinische Abfassung der Akademie er- wünscht sein. Die ausschlielsende Frist für die Einsendung der die- ser Aufgabe gewidmeten Schriften ist der 1. März 1859. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses auf dem Äufsern des versiegelten Zettels, wel- cher den Namen des Verfassers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von 100 Dukaten geschieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahrestage im Monat Juli des Jahres 1859. Überdies wird unter Bezug auf $. 67. der Statuten die philosophisch- historische Klasse, wenn die gekrönte Preisschrift sich zur Aufnahme in den noch rückständigen fünften Band der von ihr be- sorgten Ausgabe des Aristoteles eigenen sollte, nach nä- herer Verabredung mit dem Verfasser, Sorge tragen, dals dieser Beitrag noch angemessen honorirt werde. Hierauf hielt Hr. Rammelsberg als neu eingetretenes ordentliches Mitglied der Akademie folgende Antrittsrede. Indem Sie mich zum Mitgliede der physikalisch - mathema- tischen Klasse gewählt haben, wollten Sie meinen wissen- 374 Öffentliche Sitzung schaftlichen Arbeiten die höchste Anerkennung zu Theil wer- den lassen, deren dieselben fähig sind; Sie wollten mir Gele- genheit geben, im Kreise hochverehrter und befreundeter Fach- genossen jene Studien weiter zu verfolgen, welche mich bis- her beschäftigt haben. Empfangen Sie für die Verleihung solcher Ehre meinen tiefgefühlten Dank, der sich bethätigen möge in dem Weiterstreben auf dem Felde der Wissenschaft, und in der Darlegung der gewonnenen Resultate. Bei der weiten Ausdehnung, welche das Gebiet der Che- mie in unseren Tagen erlangt hat, wird es immer schwerer, das Ganze gleichmälsig zu umfassen; selbst der universelle Geist glücklich begabter Forscher vermag kaum alle Einzeln- heiten festzuhalten, deren Kenntnils nöthig ist, damit die That- sachen ihr geistig verknüpfendes Band finden. Darum sehen wir jetzt die Kräfte der Einzelnen mit Vorliebe gewissen Rich- tungen zugewendet, und innerhalb engerer Grenzen ihre Thä- tigkeit entfalten. Gestatten Sie, dals auch ich, der Sitte fol- gend, den Kreis andeute, innerhalb dessen sich meine Arbeiten vorzugsweise bewegen. Es ist das Gebiet der Mineralchemie, die Erforschung der chemischen Natur der Mineralkörper, für welche gerade an dieser Stelle hochberühmte Namen, ältere und neuere, viel und Grofses geleistet haben. Da aber die Kenntnifs der chemischen Zusammensetzung nicht gedacht wer- den kann ohne Bezug auf die übrigen Eigenschaften irgend eines Körpers, so habe ich auch immer danach gestrebt, das Resultat der Mineralanalyse an jene anzuknüpfen. Dem Ideen- gange eines unsterblichen Meisters folgend, habe ich die Ver- bindungen des Mineralreichs immer in ihren Beziehungen zu den gesammten chemischen Verbindungen aufzufassen gesucht, denn es hat sich die Überzeugung immer mehr in mir geltend gemacht, dafs in der Chemie und in der Mineralogie die Me- thode der wissenschaftlichen Untersuchung eine und dieselbe sei, dafs Stoff und Form sammt den daraus herflielsenden phy- sikalischen Eigenschaften in beiden gleiche Berücksichtigung finden müssen, und dafs insbesondere der Zusammenhang zwi- schen der geometrischen Form und der chemischen Natur der Körper ein fruchtbares Feld für den Arbeiter noch auf lange Zeit sein werde. Darum habe ich den Versuch gewagt, die vom 3. Juli 1856. 375 Beobachtungen trefflicher Forscher an den Krystallgestalten che- mischer Verbindungen mit eigenen zu einem Gesammtbilde zusammen zu fassen, welches, verglichen mit dem reichen Ma- terial der Mineralogie, schon jetzt von vielfachem Interesse für die Entwicklung der Formen ist, dessen zahlreiche Lücken aber nur zu deutlich zeigen, wie viel hier zu thun übrig bleibt. So weit schwache Kräfte dazu beitragen können, will ich, ermuntert und getragen von Ihrem anerkennenden Urtheil, die meinigen auch ferner dazu bieten. Hr. Ehrenberg als Sekretar der Klasse beantwortete diese Rede mit folgenden Worten: Schon lange vor Ihrer Wahl, Hr. Rammelsberg, war die Akademie auf Ihre sorgfältige wissenschaftliche Thätigkeit im Bereiche der Chemie aufmerksam und mehrere Ihrer Ar- beiten sind durch dieselbe erweckt und publicirt worden. Nur selten pflegen sich Chemiker in der Richtung, nach welcher hin Sie thätig sind, auszubilden und es ist Ihnen daher ge- lungen einen grolsen Schatz ungewöhnlicher Kenntnisse für die chemische Zusammensetzung der Mineralkörper, deren Ana- lysen man zu einem ansehnlichen Theile Ihrer eigenen For- schung verdankt, zur wissenschaftlichen Übersicht und Be- nutzung zu bringen. Mehrere von Ihnen herausgegebene viel Theilnahme findende Handbücher haben den Beweis geliefert, dals Sie, mit klarem Bewulstsein des vorhandenen Schatzes ihrer Wissenschaft, auch das Alte zu ordnen und stets nur gedie- genes Neues hinzuzufügen geeignet sind. So habe ich denn die erfreuliche Pflicht als Sekretar der physikalischen Abtheilung der Akademie Sie, das neueintretende Mitglied, im Namen der Gesammt- Akademie am heutigen "Tage einzuführen und ich bringe Ihnen den Gruls der Akademie hiermit öffentlich entgegen. In Ihrer vor 6 Jahren der Akademie mitgetheilten Unter- suchung über die Zusammensetzung der Turmaline haben Sie bereits Ihr Bestreben angedeutet und ihre Befähigung er- wiesen, den Zusammenhang der Krystall-Form der Mineralien und ihrer chemischen Natur zu erläutern. Auch heut noch 376 Öffentliche Sitzung liegt dieses Bestreben Ihnen nahe. Freilich ist diels, so lange es in die Resultate positiver Beobachtungen eingeschlossen bleibt, ein Feld erspriefslicher und wichtiger Thätigkeit, wel- ches nur durch ungewöhnliche Sorgfalt in der Behandlung, wie Sie dieselbe bisher geübt haben, zugänglich ist. Schon längst hat man wohl auch sogar in den organischen Naturkörpern bis zu den Wirbelthieren und dem Menschen einen Zusammenhang der chemischen Mischung mit der Form nachweisen zu können geglaubt und einer der Coryphäen der Naturforschung hatte sogar 1828 ausgesprochen: Das Skelet der 'Thiere (welches von Knochen aus phos- phorsaurem Kalk gebildet ist und natürlich auch das des Men- schen) würde ganz anders geworden sein, hätte die Natur einen anderen als einen ungleichaxigen Stoff, wie der Apatit ist, zu bearbeiten gehabt, welcher Strablenbildung und Flächenbildung möglich macht, während z. B. der gleichaxige Flufsspath, statt Strahlen und Flächen, Massen gebildet haben würde, wobei das Skelet und somit das ganze Thier und seine Lebensthätigkeiten ganz anders geworden wären. — Es liegt auf der Hand, welche weite Anwendung solche Nataransichten als Ergebnisse der Chemie und der Krystalli- sation auf die Formbildung des organischen Lebens haben wür- den, wenn sie sich begründen lielsen. Allein die Physiologie kann sich diesen chemischen und krystallologischen Vorstel- lungen nicht öffnen. Die Kalktheile schielsen nämlich nirgends in Flächen oder in Strahlen an, um Knochenplatten oder Röh- renknochen zu bilden, vielmehr lagert sich der phosphorsaure Kalk ! des Skelets, wie der kohlensaure, in dicht geschlossenen weich- häutigen Zellen ab und längst vor der Anwesenheit des Apa- tites der Knochen oder auch des Kalkspathes der Schaalen, ist | schon in den weichen Zellen der organischen Körper der Grund ı zur Form des Ganzen gelegt, welches mit und ohne Kalk sich )) in ganz gleicher Form zu entwickeln fähig ist und wenn es überhaupt in chemischen Gesetzen einen Theil seiner Erläu- terung finden könnte, doch keineswegs durch Faserkrystalle | bedingt ist. Aber auch die weichen Zellhäute und die solche | Zellen umgebenden und erfüllenden Gallerten und Flüssigkeiten | haben nothwendig chemische Mischungsverhältnisse besonderer vom 3. Juli 1856. 377 Art, deren Kenntnils hier und da erläuternd sein wird und all- mälig ermittelt werden muls, um dem grolsen Räthsel des Lebens uns überall näher zu bringen. Ich enthalte mich des weiteren Eingehens in die mit po@tischer Hast in der neueren Zeit ver- folgten, für das wissenschaftliche Bedürfnils viel zu wenig ge- sicherten und zu wenig verfeinerten chemischen Ermittelungen auch über Chitin, Gelin oder Chlorophyll der Tbiere u. s. w. und begnüge mich, darauf hinzuweisen, wie die von Ihnen ver- folgten und bereits mannichfach festgestellten derartigen Re- sultate eine viel mehr gesicherte Grundlage weiteren Forschens bilden. Sie haben beim Turmalin, dem Feldspath, Glimmer u. a. bereits direkt nachgewiesen, dals die Formengleichheit bei verschiedener chemischer Zusammensetzung durch das gleiche Verhältnifs der Proportionen der Mischungstheile eine Erläu- terung finde und haben somit einen ansprechenden Punkt ge- wonnen, von dem aus sich viele weitere Lichtblicke verbreiten können, ja vielleicht auch einst für das, seiner grolsen und fei- nen Zusammensetzung halber, schwierigste Formen -Verhältnifs des organischen Lebens einige neue belehrende Aufschlüsse ergeben. Seien Sie in unserer Mitte für immer willkommen! Hierauf hielt Hr. Kummer als neu eintretendes ordent- liches Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse folgende Antrittsrede: Der Königl. Akademie, als deren ordentliches Mitglied ich heut zum ersten Male öffentlich auftrete, habe ich zunächst für die hohe Ehre zu danken, deren ich durch die Aufnahme in diesen Kreis der wissenschaftlich hervorragendsten Männer gewürdigt worden bin. Ich habe aber aufserdem auch einer älteren Schuld der Dankbarkeit zu gedenken, durch die ich der Königl. Akademie verpflichtet bin, da Dieselbe bereits vor 17 Jahren durch die Ernennung zu Ihrem correspondirenden Mitgliede mich über mein Verdienst geehrt hat. So wie ich diese früher mir gewährte Auszeichnung nur habe als einen Antrieb nehmen können durch Fortschreiten in der Wissen- schaft und durch gediegenere Leistungen mich derselben wür- 378 Öffentliche Sitzung diger zu machen: so betrachte ich auch jetzt meine Aufnahme} in die Zahl der ordentlichen Mitglieder hauptsächlich als eine mir auferlegte höhere Verpflichtung, welche ich, im Bewulst- sein meiner eigenen Schwäche, nicht ohne Bangigkeit übernehme. f Die mathematischen Wissenschaften, an deren Fortent-f wickelung mitzuarbeiten ich durch Ihre Wahl berufen bin, haben in unserem Vaterlande seit mehreren Decennien einen neuen Aufschwung genommen. Der Deutsche Geist, getrieben von dem ihm eigenen Drange nach Erkenntnils, hat mit ver- jüngter Kraft den ewigen Formen und Gesetzen des Mathe- matischen sich zugewendet und in denselben ein reiches Feld seiner 'Thätigkeit gefunden. Es ist darum jetzt in der Mathe- matik, in ähnlicher Weise wie in den ihr verwandten Natur- wissenschaften, die wissenschaftliche Forschung die vor- herrschende Richtung, die Forschung welche weniger im Wis- sen, als im Erkennen ihre Befriedigung findet und darum in die Tiefe der Wissenschaft zu dringen sucht, wo sie die Lösung vor- handener Räthsel findet und wo neue Räthsel ihr entgegentreten. Zu dieser Richtung habe auch ich aus innerer Neigung mich hingezogen gefühlt, seitdem ich in den mathematischen Wissenschaften zu einiger Selbständigkeit gelangt war. Ich habe nach Maalsgabe der mir verliehenen Kräfte versucht in einzelnen Abhandlungen einzelne bis dahin unerkannte Punkte der Wissenschaft zu ergründen; wenn ich aber, wie es von den neu aufgenommenen Mitgliedern die Sitte verlangt, mei- nen wissenschaftlichen Standpunkt noch näher angeben soll, | so kann ich ihn füglich als einen theoretischen bezeichnen, | und zwar nicht allein darum, weil die Erkenntnils allein das | Endziel meiner Studien ist, sondern namentlich auch darum, weil ich vorzüglich nur diejenige Erkenntnils in der Mathe- | matik erstrebt habe, welche sie innerhalb der ihr eigenthüm- | lichen Sphäre, ohne Rücksicht auf ihre Anwendungen gewährt. " Die Mathematik hat auch als Hülfswissenschaft, namentlich in \ ihren Anwendungen auf die Natur, manche grolsartige Triumphe ! gefeiert, und es ist nicht zu leugnen, dafs sie diesen haupt- | sächlich die allgemeine Achtung verdankt in welcher sie steht, | aber ihre höchste Blüthe kann sie nach meinem Dafürhalten | nur in dem ihr eigenen Elemente des abstrakten reinen Quan- h vom 3. Juli 1856. 379 tums entfalten, wo sie unabhängig von der äulseren Wirk- lichkeit der Natur nur sich selbst zum Zwecke hat. In diesem Sinne habe ich bisher die am meisten theore- tischen unter den mathematischen Disciplinen, die Analysis und die Zahlentheorie, mit besonderer Vorliebe studirt, und ich gedenke auch ferner in derselben Richtung, aber mit erhöhtem Eifer fortzuarbeiten, damit es mir gelingen möge das Ver- trauen, welches Sie in mich gesetzt haben, einigermalsen zu rechtfertigen. Dann hielt Hr. Borchardt, ebenfalls neueintretendes ordentliches Mitglied derselben Klasse, seine Antrittsrede: Indem Sie mich durch Ihre Wahl in diese Körperschaft beriefen, haben Sie mich einer Ehre für würdig gehalten, die ich glücklich sein würde mir in der Zukunft zu verdienen. Nach den beiden grofsen Meistern, die bis vor Kurzem die Analysis an dieser Akademie vertreten, und die ich zugleich als Lehrer und als glänzende Vorbilder verehre, wird es für den minder Begabten eine schwer zu lösende Aufgabe, das Mifsverhältnils zwischen der auszufüllenden Stelle und der Be- fähigung einigermalsen auszugleichen. Es bedarf für ihn der Anspannung aller Kräfte, wenn er, zugleich in der eigent- lichen Forschung und in der abgerundeten Darstellung des Ge- fundenen, solchen Mustern nicht ganz erfolglos nacheifern will. Dals ich in diesen beiden Bezieliungen die Erfordernisse frucht- bringender wissenschaftlicher Thätigkeit wenigstens nicht aus den Augen verloren habe, davon mögen Ihnen vielleicht meine Arbeiten Belege gewesen sein; und allein der Anerkennung hiervon darf ich ein Wohlwollen zuschreiben, für welches ich mich Ihnen zu tiefer Dankbarkeit verpflichtet fühle. In Folge der innigen Berührung, in welche in diesem Jahrhundert die Analysis der continuirlichen Gröfsen mit der Theorie der Zahlen getreten ist, hat die letztere nicht nur selbst eine neue Entwickelung erlangt, sondern auch auf die- Analysis einen solchen Einflulfs gewonnen, dals man gegen- wärtig die analytischen Forschungen in zwei grolse Klassen trennen kann, je nachdem sie in ihren letzten Gründen auf 380 Öffentliche Sitzung rein algebraischen oder auf zahlentheoretischen Prinzipien be- ruhen. Nur den hervorragendsten Geistern scheint es vorbe- halten zu sein, sich beider Richtungen mit gleicher Meister- schaft zu bemächtigen, während alle Anderen sich einer der- selben mit Vorliebe zuwenden. Der ersteren dieser Richtungen liegt die Algebra der ratio- nalen Ausdrücke zu Grunde, derjenige Theil der Mathematik, welchen man als ihre Logik bezeichnen kann und der sich aus- schlielslich mit Identitäten beschäftigt. In früherer Zeit hat man ihn als ein sich von selbst verstehendes Mittel zu den weiteren Untersuchungen angesehen, dessen man sich nur zu bedienen habe, ohne dafs es nöthig sei, ihn an sich zu stu- diren. Erst seitdem man gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in die Construktion jener durch die ganze Analysis verbrei- teten algebraischen Verbindungen, deren Wichtigkeit sich fort- während an neuen Beispielen zeigt, tiefer eingedrungen war, konnte sich die Algebra ‚in ihrem heutigen Sinn als selbst- ständige Disciplin bilden. Wir sehen gegenwärtig in allen Ländern Mathematiker, die sich mit diesem formalen Theil der ' Wissenschaft beschäftigen, theils um ihm selbst eine grölsere Ausdehnung zu geben, theils um seine Anwendungen auf die übrigen Gebiete zu vermehren. Der wesentliche Nutzen dieser Richtung besteht darin, dals es durch dieselbe möglich wird, einfache Betrachtungen an die Stelle weitläuftiger Entwickelungen zu setzen. Anstatt die Operationen wirklich durchzuführen, richtet man sein Augen- merk nur auf ihre Definition und leitet daraus die Eigen- schaften der durch sie gebildeten Ausdrücke her. Mit diesen Eigenschaften vertraut führt man die Ausdrücke, unbekümmert um ihre wirkliche Darstellung, als Bausteine in den herzustel- lenden Bau ein, und während man auf direktem Wege in ein nicht zu entwirrendes Labyrinth mathematischer Zeichen ge- rathen war, ordnet sich jetzt Alles zu einer einfachen und übersichtlichen Gruppe von Grölsen. Dies ist der Weg, den auch ich bisher verfolgt habe, in- dem ich mich sowohl mit Aufgaben aus der Algebra selbst be- schäftigte als mit der Anwendung derselben theils auf Geo- metrie, theils auf jene Transcendenten, deren Theorie, auf dem vom 3. Juli 1856. 381 unerschöpflichen Abelschen Theorem sich gründend, unter un- sern Augen eine so mächtige Entwickelung nimmt. Indem ich auf dem betretenen Wege fortschreitend, mei- nen Arbeiten eine weitere Ausdehnung zu geben hoffe, werde ich mich glücklich schätzen, wenn die Ergebnisse, zu welchen ich gelange, Ihren Beifall zu erwerben vermögen. Beide Reden beantwortete Hr. Encke als Sekretar der Klasse mit folgenden Worten: In keinem der Hauptfächer, in welche sich die Thätigkeit der Akademie verzweigt, hat sie so schwere Verluste erlitten, wie in dem Fache der Mathematik in den letzten 5 Jahren. Vor kaum 5 Jahren ward Jacobi, ein Mathematiker ersten Ranges, der wegen seiner früheren Anstellung in Königsberg, noch keine 8 Jahre als ordentliches Mitglied der Akademie an- gehört hatte, durch einen eben so unerwarteten als schmerz- lichen Tod uns entrissen und damit die Hoffnung uns geraubt, auch in unsern Schriften die Zeugnisse eines wahrhaft erfin- derischen und fruchtbaren Geistes, welche er in so reichem Maalse in Wort und Schrift ausgestreut hatte, einverleibt zu sehen. Eisenstein ein, man möchte sagen, jugendliches Talent, dem unser grolse Geometer Gauls die schönste Zu- kunft prophezeit hatte, und wie die zahlreichen Arbeiten der wenigen Jahre, welche das Schiksal ihm vergönnt hatte, be- weisen, mit vollem Rechte, hatte kaum seine Antrittsrede in der Akademie gehalten, als er ein Jahr später als Jacobi, vielleicht zum Theil den Anstrengungen erlag, denen er sich schonungslos hingegeben. Im vorigen Jahre beendigte auch Gauls, der Stammvater, möchte man ihn nennen, der neueren deutschen höheren Mathematik, seine irdische Laufbahn. “Wie hoch die Akademie die allerdings weniger enge Verbindung, in der sie mit ibm als ihrem auswärtigen Mitgliede stand, im Werthe schätzte, sprach sie nur wenige Jahre früher bei sei- nem Doctor-Jubiläum in einem besondern Glückwunschschreiben aus. Und wenn schon dieser unsere regelmälsigen Sitzungen nur entfernt berührende Verlust schmerzlich empfunden wer- den mulste, so ward er noch schmerzlicher für die Akademie 382 Öffentliche Sitzung als er die Veranlassung gab, dals ein vieljähriges ordent- liches Mitglied im Fache der Mathematik, Hr. Dirichlet, als der würdigste Nachfolger von Gaufs uns entzogen ward, wo- für es nur ein unzureichender Ersatz genannt werden kann, dafs sein Name in der Reihe der auswärtigen Mitglieder an Gaulsen’s Stelle trat. Endlich ist es noch kein Jahr her, dals auch Hr. Crelle, der Begründer und eben so thätige als glückliche Leiter des ersten deutschen mathematischen Jour- nals, aus unserer Mitte schied, wahrscheinlich an den Folgen einer Verletzung, die er bei dem Besuche der akademischen Vorlesungen sich zugezogen hatte. Mit um so gröfserer Freude begrüfse ich heute in Ihnen beiden die würdigen Stellvertreter der Männer, welche das un- erbittliche Geschick uns raubte. Beide, wenn auch nicht die unmittelbaren Schüler der Männer, deren Namen hier genannt wurden, doch die geistigen Nacheiferer und Erben, deren Selbstgefühl ich nicht zu verletzen fürchte, wenn ich bei dem engen Bande, welches Sie mit jenen Vorgängern verband und dem Einflusse, den die Schriften derselben auf Sie ausübten, voraussetze, dals diese meine hohe Anerkennung in vollem Maalse von Ihnen getheilt wird. Wenn Gaufs seit dem An- fange dieses Jahrhunderts die neuere Mathematik in Deutsch- land gleichsam erst einführte, und namentlich einen Theil ge- wissermalsen erst schuf, dem er selbst einen entschiedenen Vorzug vor allen andern beilegte, so haben Jacobi und Di- richlet das Verdienst, in Preufsen diese bis dahin noch nicht zur vollständigen Blüthe gelangte Richtung für die jüngeren Kräfte zugänglich und fruchtbar gemacht zu haben, und wie die Lehrstühle unserer Universitäten jetzt zeigen, mit einem Erfolge, der ihre Wirksamkeit noch weit über die Dauer ihres Aufenthalts bei uns aufrecht und anerkannt halten wird. Es mögen jetzt einige zwanzig Jahre her sein, wo Sie, Hr. Kum- mer, in der Zeit des Dienstjahres, welches die Pflicht gegen das Vaterland Ihnen auferlegte, das lebhafte Erstaunen von Jacobi erregten, als Sie einen höchst werthvollen mathema- tischen Aufsatz als einjähriger Freiwilliger ihm einsandten und damit die engere schriftliche Verbindung anknüpften, in welche Sie später mit Jaeobi und Dirichlet traten. Gleich unter vom 3. Juli 1856. \ 383 ihren ersten veröffentlichten Arbeiten erschien diese vortreff- liche Abhandlung von Ihnen, über die bekannte hypergeome- trische Reihe von Gauls, welche diese wichtige und berühmte Abhandlung von Gauls so erweiterte und ergänzte, dals der Mangel einer ähnlichen von Gaufs selbst herrührenden ge- hofften Ausführung, wenn auch immer schmerzlich empfunden, doch wenigstens nicht so fühlbar ward, wie bei manchen an- dern Untersuchungen, zu deren Fortführung und Beendigung die Zeit dem grolsen Manne gefehlt hatte. Es war aber nicht diese einzige Transcendente, auch andere beschäftigten Sie während der verschiedenen Amtsthätigkeiten, zu denen Sie be- rufen wurden. Vorzugsweise aber wandte sich Ihre Vorliebe den complexen Zahlen zu, diesem so wichtigen Fortschritte, den Gauls in seinem Lieblingsfache wenn gleich schon sehr früh erkannt und benutzt, doch erst später in das Leben ge- rufen hatte. So sehen wir in Ihnen denjenigen Gelehrten, der das Feld, was durch die grolsen Verluste der Akademie in den letzten Jahren hier etwas verwaist erschien, zu einer reichen Ausbeute sowohl sehon fruchtbar gemacht hat als auch künftig machen wird, und um so weniger konnte die Akademie sich die Gelegenheit mit Ihnen in nähere Verbindung zu treten jetzt entgehen lassen, wo Ihr bewährter Lehrerberuf Sie in unsere Stadt geführt hat, als schon vor 17 Jahren sie durch Ihre im Jahre 1839 erfolgte Erwählung zum Correspondenten das angedeutet hat, wovon wir heute die Erfüllung freudig begrülsen. Es ist eine der schönsten Eigenschaften der reinen Ma- thematik, dafs die Erzeugnisse des wahren Talentes zugleich immer die Keime neuer Entwickelung enthalten, und wenn man in die ununterbrochene Reihe der Schlufsfolge nur tief genug eindringt, um den wahren Kern, aus dem sie entspran- gen, zu erkennen, die verschiedensten Wege sich darbieten, auf welchen man dasselbe Ziel erreichen kann. Gerade diese Verschiedenheit gewährt dann auch die Anknüpfung zu Ver- bindungen mit andern Untersuchungen und eröffnet neue Bah- men. So haben auch Sie, Hr. Borchardt, in einer Abhandlung des Hrn. Kummer die erste Veranlassung zu weiterer For- Ischung gefunden. Jene Abhandlung betraf die direkte Ablei- [1856.] 29 384 Öffentliche Sitzung vom 3. Juli 1856. tung der Bedingungen, an welche sich in der cubischen Glei-| chung, wodurch die Hauptaxen der Flächen zweiten Grades bestimmt werden, die Realität aller drei Wurzeln oder nur einer derselben oder die Gleichheit zweier derselben selbst bei imaginairen Coefficienten knüpft. Dasselbe Problem in Bezug auf die Realität der Wurzeln in den Gleichungen, aus welchen die Säcular-Änderungen der Elemente in der physischen Astro- nomie bestimmt werden, dessen Lösung aus derselben Quelle] entspringt, aber allgemeiner sämmtliche ähnliche Formen um-[ falst und daher die tiefere Erforschung des wahren Ursprungs. der Transformation in dem obigen speziellen Falle verlangt, haben Sie auf eine eben so neue als fruchtbare Art behandelt] und dabei ein Theorem, welches seiner Form nach nur fürf numerische Werthe bestimmt schien, auf allgemeine algebraische Ausdrücke angewandt. Diese Richtung, ebenfalls eine von denen, wodurch Jacobi, und zwar gerade auch in dem ange- führten Probleme, so sehr sich auszeichnete, hat seitdem vor- zugsweise Sie angezogen und die neuen Entwickelungen über eine seit Girard’s und Newton’s Zeit behandelte Klasse} von den interessantesten mathematischen Formen der symme- trischen Funktionen, oder allgemeiner derjenigen, welche über-| haupt bei gewissen Veränderungen ihrer Elemente ungeändert bleiben, geben das vollgültigste Zeugnils ab, dals auch Sie der Akademie den Ersatz darbieten werden, welchen die letzten schweren Jahre so dringend nöthig machten. Und als ob auch in jeder Beziehung die neuen Wahlen keine der Richtungen verwaisen lassen sollten, die durch die früheren Mitglieder mit segensreichem Erfolge eingeschlagenf waren, so begrülst die Akademie auch freudig in Ihnen, Hr.f Borcehardt, den künftigen Herausgeber des Journals, welches durch unser hingegangenes Mitglied Crelle vor dreilsig Jah- ren gegründet, so unendlich wohlthätig und man möchte fast sagen schöpferisch auf die gesammte Mathematik in Deutsch-f land eingewirkt hat. Wehr vielleicht als andere Wissenschaften bedarf gerade die abstraktere und von der Anwendung im Le- ben entfernter stehende reine Mathematik eines Organs, im welchem dem jüngeren Talente die Gelegenheit geboten wird,f sich zu zeigen und den älteren Coryphäen Veranlassung ge-# Gesammtsitzung vom 10. Juli 1856. 385 geben, durch Andeutung der Wege auf welchen neue wich- tige Resultate zu erzielen sind, die Zukunft vorzubereiten, da- mit der schon jetzt so schön aufgegangene Saame auch später- hin fort und fort mit reichem Erfolge wuchern könne. Nie- mand verkennt das Opfer, welches Sie durch diese Verwendung Ihrer Zeit bringen, aber gestützt auf die Mitwirkung der hie- sigen und auswärtigen Talente, unter welchen besonders auch unsere Collegen Hr. Steiner und Kummer sich auszeichnen, werden Sie den für unser Vaterland so wesentlichen Erfolg Ihrer Bemühungen in ähnlicher Weise erringen, wie Hr. Crelle, dem durch die Gunst der Verhältnisse gleich bei dem Beginne seiner Herausgabe drei Männer wie Steiner, Jacobi und Abel in der Blüthe ihrer Jahre zur Seite standen. So heifse ich Sie denn im Namen der Akademie um so herzlicher willkommen als das enge Band der Freundschaft, wel- ches Sie beide verbindet, bei dem gleichzeitigen Eintritte in die Akademie die Gewähr einer schönen Vereinigung zu grolsen und edlen Zwecken darbietet. Zum Schlufs las Hr. Dove über das Klima von Preulsen. 10. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. H. Rose las „über das Tantal und seine Ver- bindungen mit Chlor und Brom.” Zur Darstellung des metallischen Tantals diente die Verbindung des Fluortantals mit Fluornatrium, von welcher drei Theile mit einem Theile Natrium, in einem gut bedeckten eisernen Tiegel geschichtet, erhitzt werden. Bei dunkler Roth- gluht wurde derselbe, als die Einwirkung des Natriums auf das Salz erfolgte, plötzlich stark glühend. Es wurde dann nur noch kurze Zeit mit der äulseren Erhitzung fortgefahren und der Tiegel schnell erkaltet. Der Inhalt desselben war eine schwarze Masse aus der, in Wasser gebracht, sich ein schwarzes Pulver absondert, das mit Wasser ausgewaschen werden muls, so lange dasselbe noch Salz auflöflst; endlich aber mit sehr verdünntem Weingeist vollkommen ausgesülst wird. 29° 386 Gesammitsitzung Das schwarze Pulver ist metallisches Tantal, aber gewöhn- lich nicht von vollkommner Reinheit. Es enthält saures tan- talsaures Natron, mit welchem es weniger verunreinigt ist, wenn man bei der Bereitung eine schützende Decke von Chlor- kalium angewandt hat. Berzelius hat im Wesentlichen dieselbe Methode der Bereitung des Tantals angewandt. Nach ihm indessen ist das- selbe kein Leiter der Elektricität, während das von mir dar- gestellte Metall, obgleich es nicht ganz rein war, die Elek- tricität sehr gut leitet. An der Luft erhitzt, verbrennt es zwar mit lebhaftem Glanze, oxydirt sich aber doch etwas schwer und nur durch öfteres Umrühren mit einem Platindraht wäh- rend des Glühens zu weilser Tantalsäure. Von Chlorwasser- stoffsäure, von Salpetersäure und selbst von Königswasser wird es nicht angegriffen, selbst nicht durch längere Berührung und durch längeres Kochen, wie das auch schon Berzelius be- merkt hat. Mit Fluorwasserstoffsäure erhitzt wird es langsam und zum Theil unter Gasentwicklung gelöst; es bleibt aber auch nach längerem Erhitzen ein gräulicher Rückstand hart- näckig ungelöst. Hat man aber das Tantal mit Fluorwasser- stoffsäure übergossen und fügt dann Salpetersäure hinzu, so erfolgt bei Erhitzung eine schnelle Lösung unter Entwicklung von rothen Dämpfen. Von Schwefelsäure, auch selbst von concentrirter, wird das Tantal auch nicht beim Erhitzen ge- löst. Durch längeres Schmelzen indessen mit saurem schwe- felsauren Kali wird es zu Tantalsäure oxydırt. Berzelius fand, dafs das von ihm dargestellte Tantal durch Verwandlung in Tantalsäure durchs Glühen an der Luft eine Gewichtszunahme von 17,0; 15,34 und 15,33 Proe. erhielt. Hiernach würde die Tantalsäure 14,53; 13,69 und 13,29 Proc. Sauerstoff enthalten, während er selbst aber nur 11,51 Proc. darin annimmt. Er sehreibt die gröfsere Gewichtszunahme der Gegenwart des Kiesels in seinem Tantal zu. Von dem von mir dargestellten Tantal nahmen 100 Th. beim Glühen nur 12,31 Th. Sauerstoff auf. Das entspricht einem Gehalt von 11,36 Proc. Sauerstoff in der Tantalsäure, was zwar mit der Annahme von Berzelius mehr übereinstimmt, als dessen eigne Versuche, aber ein noch etwas unreineres Tantal voraus-. vom 10. Juli 1856. 387 setzt, denn ich werde später zeigen, dafs der Sauerstoffgehalt der Säure ein weit grölserer ist, als Berzelius ihn festge- stellt hat. Wird über das metallische Tantal Chlorgas geleitet, so findet zwar bei gewöhnlicher Temperatur keine Einwirkung statt, aber beim gelinden Erwärmen erglüht das Metall im Chlor- gase und kann als Tantalchlorid abdestillirt werden, während eine oft nicht unbeträchtliche Menge von saurem tantalsauren Natron zurückbleibt, welches die Verunreinigung des Metalls ausmachte. Hiervon ist ein geringer Theil durch die Einwir- kung des Chlorgases in Chlornatrium verwandelt worden. Man kann das Tantal aus der Tantalsäure zu Metall redu- eiren, wenn man über das bis zur Rothgluht erhitzte tantalsaure Natron Phosphordämpfe leitet. Das Salz wird dadurch ganz schwarz, und wenn man nach dem Erkalten die schwarze Masse mit Wasser behandelt, so wird durch dasselbe phosphorsaures Natron aufgelöst. Aber dieses Tantal ist, ungeachtet seiner tief schwarzen Farbe, mit sehr vielem sauren tantalsauren Na- tron verunreinigt, so dals es ungefähr nur 6 bis 7 Proc. rei- nes Metall enthält, und daher auch ein Nichtleiter der Elek- tricität ist. Wenn man Tantalsäure oder Tantalchlorid bei erhöhter Temperatur mit Ammoniakgas behandelt, so erhält man nicht metallisches Tantal, sondern wie ich später ausführlicher erör- tern werde, Stickstoffverbindangen. Was die Bereitung des Tantalchlorids betrifft, so hat der Verfasser schon in früheren Abhandlungen über dieselbe sich ausführlich geäulsert, und auch erwähnt, dafs man bei der Darstellung desselben aus einem Gemenge von Tantalsäure und von Kohle vermittelst Chlorgas häufig auch die Bildung. von Hüssigem Zinnchlorid bemerkt, wenn die Tantalsäure nicht vor- her auf das sorgfältigste vom Zinnoxyd gereinigt worden ist, was nur durch Schmelzen mit einem Gemenge von Schwefel und von kohlensaurem Natron, und nicht durch blofses Dige- riren mit Schwefelammonium bewerkstelligt werden kann. Die Analysen des Tantalchlorids haben nicht so überein- stimmende Resultate gegeben, wie es wohl wünschenswerth gewesen wäre, um aus ihnen das Atomgewicht des 'Tantals mit 388 Gesammtsitzung grolser Sicherheit bestimmen zu können. Es sind mehrere Ursachen, welche einer grofsen Genauigkeit im Wege stehen. Flüchtige Chloride vom festen Aggregatzustande, besonders wenn sie von einer voluminösen Beschaffenheit sind und nicht leicht zu Krystallen anschielsen, geben bei der Untersuchung ihrer Zusammensetzung nie so genaue Resultate, wie flüchtige flüssige Chloride oder feste Chloride von einer deutlich kry- stallinischen Beschaffenheit. Sie enthalten oft einerseits sehr kleine Mengen von überllüssigem Chlor, das schwer durch ein langes Darüberleiten von atmosphärischer Luft bei gewöhn- licher Temperatur fortgenommen werden kann, andrerseits oft etwas Acichlorid. Der Verfasser nimmt nicht als Mittel aller, sondern nur als Mittel von den wenigen Versuchen, welche die gröfste Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben, an, dafs das Tantalchlorid im Hundert besteht aus: Tantal 49,25 Chlor 50,75 1 100,00 . Die Zusammensetzung der Tantalsäure ist dann: Tantal 81,14 Sauerstoff 18,86 100,0 - Diese Bestimmung weicht indessen sehr von der von Ber- zelius ab, nach welcher die Zusammensetzung der Tantalsäure in Hundert ist: Tantal 88,49 Sauerstoff 11,51 100,00 Berzelius hat die Zusammensetzung der Tantalsäure aus der des Schwefeltantals bestimmt. Der Verfasser wird indessen später bei seinen Untersuchungen über das Schwefeltantal zei- gen, dals Berzelius sich in seinen Schlüssen geirrt hat, wäh- rend seine Versuche vollkommen mit denen des Verfassers übereinstimmen. Was die atomistische Zusammensetzung der Tantalsäure betrifft, so ist der Verfasser lange mit sich darüber uneinig gewesen. Berzelius nahm in der Tantalsäure 3 Atome vom 10. Juli 1856. 389 ] Sauerstoff gegen 2 At. des Metalls an, aber aus mehreren Gründen, die der Verfasser umständlich in seiner Abhandlung entwickelt, glaubt er sich berechtigt, die Tantalsäure als aus 12 At. Sauerstoff gegen 1 At. Metall bestehend anzunehmen, wodurch namentlich die Zusammensetzung der meisten Ver- bindungen sich sehr befriedigend erklären läfst. Das Atom- gewicht des Tantals wird dadurch 860,26. Das Tantalbromid wird auf eine ähnliche Weise wie das Chlorid erhalten. Es ist gelblich, doch nur wenn es vom überschüssigen Brom, das ihm eine mehr braune Farbe mit- theilt, befreit worden, was etwas schwierig ist. ‚Ein Jodid des Tantals lälst sich indessen nicht auf eine ähnliche Weise wie das Chlorid und Bromid bereiten. Auch durch Zusammenschmelzen von Jod mit metallischem Tantal konnte es nicht dargestellt werden. Hr. Müller las „einige Beobachtungen an Infu- sorien”. 1. Bei einem Infusorium das durch seine Gestalt theils mit Loxodes rostrum E. theils mit Trachelius meleagris E. stimmte, habe ich eine lange Reihe von runden blasenförmigen Organen beobachtet, welche bei diesem Thierchen niemals fehlen. Die Reihe der Blasen erstreckt sich in dem meist ganz platten sel- ten geschwollenen Körper näher dem convexen Rande und ihm parallel, vom Vordertheil bis nahe zum Hinterende; sie sind ohne Zusammenhang mit einander. Diese nicht contrac- tiien Organe gleichen in der Reihenbildung den von Hrn. Ehrenberg bei Trachelius meleagris beobachteten Saftblasen, weichen aber von diesen dadurch ab, dafs der Inhalt der Bla- sen farblos ist, und dafs jede Blase ein centrales rundes Kör- perchen enthält, welches das Licht stark bricht und mit einem dunkeln Rande versehen ist, und welches niemals fehlt. Hr. v. Siebold erklärte die Blasen des Zrachelius meleagris für eine Reihe contractiler Blasen, was jedenfalls von unserm Fall gänzlich abweicht. Um über die beobachtete Thier- art nicht im Zweifel zu lassen, führe ich an, dafs das in 390 Gesammtsitzung vielen Exemplaren den ganzen Sommer über beobachtete Thier sich durch einen dunkeln, ganz derben und festen Längs- streifen von leichter Sigmaförmiger Biegung an der Stelle, wo sich der Mund befindet, auszeichnet. Es ist ferner kenntlich fı durch ein netzartiges Aussehen der innern Körperwände, wel- ches entfernter Weise an die Zeichnung des Verdauungsorganes in Hrn. Ehrenbergs Abbildung von Trachelius ovum erinnert. Es giebt farblose jüngere Exemplare und ältere mit einem zar- ten Anflug von Braunroth. 2. Die Stzentoren enthalten öfter in Hohlräumen ihres Kör- pers und an bestimmten Stellen desselben bewegliche den Ort verändernde Fäden. Ich sah diese sich schlängelnd bewegen- den freien Fäden zum erstenmal im April vorigen Jahres. Die f klaren Hohlräume befanden sich im vorderen Theile des Kör- pers in der Nähe der contractilen Blase, ohne Zusammenhang mit derselben. Es war mir nicht gelungen, die Fäden aus dem Sientor zu isoliren und ich habe damals nicht Gelegenheit gehabt die Beobachtungen fortzusetzen, habe aber nicht ver- säumt, die befreundeten jüngern Forscher, welche auf diesem Felde arbeiten, auf diesen Gegenstand aufmerksam zu machen. Die beweglichen Fäden sind auch in neuerer Zeit von Hrn. Lieberkühn, Lachmann und Claparede bei Sizentoren und zwar an derselben Stelle des Körpers wiedergesehen und es ist den Letzteren auch gelungen, die Fäden zu isoliren, wobei sich ihre Form bestimmter hat erkennen lassen, auch sich er- geben hat, dafs die Bewegungen der Fäden aufserhalb des Szen- tors im Wasser schnell erlöschen. Es liegt sehr nahe, diese, Fäden als Vibrionen zu deuten, welche durch den Mund des Stenior in das Verdauungsorgan eingedrungen sind. Es ist je- doch auch eine Beziehnng zu gewissen Fäden denkbar, deren Quelle im Infusorium selbst ist, welche nämlich im Körper mehrerer Infusorien zuweilen in einem bestimmten Organ zahl- reich unbeweglich vorkommen und darin ausgebildet werden. Ich meine das Organ, welches von Hrn. Ehrenberg Samendrüse, von den Neuern Kern genannt wird. In diesem Organ findet sich zuweilen eine Anhäufung von gekräuselten Fäden, welche von verschiedenen Seiten hieselbst nahe übereinstimmend ge- sehen sind. Hr. Lieberkühn hat nicht im Kerne selbst, sondern vom 10. Juh 1856. 391 Jin dem sogenannten Kernkörperchen die Fäden beobachtet, und Izwar bei einem Infusorium aus dem Flufsschwamm, das bei der Gestalt von Kolpoda ren davon unterschieden war durch Idie Lage des Afters nahezu am hintern Ende des Körpers. Ich sah bei Paramaecium aurelia den ganzen Inhalt des ver- gröfserten Kerns oder der Samendrüse Ehrenbergs in einen Bausch von Locken gekräuselter Fäden formirt, wobei ich ein Kernkörperchen überhaupt nicht habe vom Kern unterscheiden können. Als ich diese Beobachtung Hrn. Lachmann und Cla- parede mittheilte, erfuhr ich, dafs sie die Erscheinung von Fä- den im Kern auch bei Chilodon eucullulus kannten. Bei Para- maecium aurelia zeigt sich die Erscheinung nichts weniger als häufig, vielmehr unter sehr vielen Exemplaren nur sehr sel- ten; sie fand sich aber unter den Paramaecien des Gefälses, welches das Material zu jener Beobachtung geliefert hatte, nochmals wieder und hat Hr. Claparede daraus ein Exemplar von Paramaecium aurelia erhalten, dessen Zustand man als die Fortsetzung dessen, was ich gesehen, betrachten konnte. Es hatte sich nämlich das Organ viel mehr vergrölsert und war in zwei grolse Massen getheilt, wovon die eine noch die gewöhn- liche Stelle des Kerns einnahm, die andere sich nach dem hin- tern Theil des Körpers über den Schlund weg ausgebreitet hatte. Im Innern dieser beiden Massen waren eine grolse Menge von discreten Fäden, welche aber nicht mehr wie im vorhergehenden Fall in Locken geordnet und dicht gepackt waren, sondern innerhalb der Grenzen des Organes in ver- schiedenen Richtungen locker zerstreut lagen. Auch im ge- wöhnlichen nicht gefaserten Zustande des Kerns ist derselbe bei diesem Infusorium häufig durch Einschnitte in Lappen ge- theilt, wie man bei Anwendung von Essigsäure deutlich. er- kennt. In Bewegung haben wir die Fäden des Kerns oder der Samendrüse niemals gesehen und fehlt dieses noch in der Reihe der Beobachtungen, dals direct ausgemittelt wird, ob die im Kern beobachteten Fäden später noch in Bewegung ge- rathen und mit den bewegt gesehenen Fäden der Stenzoren identisch sind. Eg ist unnöthig und vorzeitig, für jetzt wei- tere Schluflsfolgen aus diesen Beobachtungen zu ziehen. Doch 392 Gesammisitzung leuchtet ein, dals das fragliche Organ doch mehr als der Kern einer Zelle sein muls. 3. Hr. Lieberkühn hat kürzlich eine genaue Beschreibung des Verhaltens der Gefälse bei dem Spiel der’ contractilen Or- gane bei Bursaria flava E. und Ophryoglena flavescens E. ge- geben. Bei Paramaecium aurelia verdient noch die Action der birnförmigen Erweiterungen der Sternstrahlen eine besondere Erwähnung. Man kann hier zwei Schläge unterscheiden, wel- che abwechseln; erstens den Schlag systole der Blase und zwei- tens mit der diaszole der Blase gleichzeitig die syszole der birn- förmigen Erweiterungen der Sternstrahlen, welche sich entwe- der alle gleichzeitig entleeren oder auch gruppenweise hinter- einanderfolgend. Ehe die Blase ihren Schlag ausübt, wird sie oft schon kurz vorher etwas enger, wobei sich die Stern- strahlen weit erfüllen. Jetzt erst erfolgt dann zuweilen der Schlag der Blase, der sie gänzlich entleert, wobei die Stern- strahlen noch etwas weiter ausgedehnt werden, als sie es schon vorher waren. Mit der vollendeten Entleerung der Blase ver- schliefsen sich auch die Communicationen der Sternstrabhlen mit der Blase und bleiben die Sternstrahlen ein Weilchen bei entleerter Blase birnförmig erweitert. Dann erfolgt plötzlich die Entleerung der birnförmigen Erweiterungen der Stern- strahlen, indem in demselben Augenblick zusehends die Flüssig- keit aus den birnförmig erweiterten Strahlen in die leere Bla- se stürzt und sie wieder ausdehnt. Bei Paramaecium aurelia wächst also die entleerte Blase nicht ganz allmählig wie bei so vielen andern Infusorien, sondern sie nimmt plötzlich wie- der die Flüssigkeit aus den sich entleerenden Sternstrahlen auf. Ist die Systole der birnförmigen Erweiterungen der Sternstrah- len nichts anders als ein Überlaufen der Flüssigkeit aus diesen in die erschlaffende Blase unter einem gewissen Druck der Körper- wandungen? Oder ist es nicht vielmehr eine active Contraction der birnförmigen Erweiterungen ? mir ist das Letztere wahrschein- lich. Man kann das abwechselnde Spiel der Blase und ihrer erweiterten Ausläufer oder einzelner derselben nicht lange be- trachten ohne in der Ansicht bestärkt zu werden, dafs sowohl die Strahlen als die Blase ihre eigenen Wände haben müssen und mit ihren Wänden ihre Schläge ausüben. Hr. v.Siebold vom 10. Juli 1856. 393 bemerkt bereits: bei dem Pulsiren verschwinden bald die Ster- ne vollständig, bald nur die mittleren runden Räume, bald nur die Strahlen. Es wird aber nicht angegeben, wie die Blase und dafs sie mit der Entleerung der Strahlen rückwärts gefüllt wird. Ferner legte Hr. Ehrenberg „eine am 1. Mai d. J. in China die Sonne verfinsternd in der Luft er- schienene Substanz” vor. Die von Hrn. Dan. Hanbury, Besitzer eines grolsen Droguerie-Geschäfts in London, an Hirn. Ehrenberg gesandte Probe, welche dessen Bruder in Shanghai selbst eingesammelt hat, ist nach Hrn. Ehrenbergs Urtheil reine Pappelwolle mit ihren vielen kleinen Saamen. Da im Begleitschreiben ange- zeigt ist, dafs Schmutz beigemischt war, so kann dieser Schmutz, welcher unbeachtet geblieben, eines jener erdigen Meteore gewesen sein, welche in China berühmt sind und dessen Interesse das des Pappelsaamens weit überwiegt. Die als sehr auffallend geschilderte Erscheinung, welche einem dicken weilsen Nebel in England verglichen wird, wird sich aus anderen Nachrichten späterhin wohl weiter in Übersicht bringen lassen. An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Leibnizens Mathematische Schriften, herausgegeben von C. J. Ger- hardt. Band 3. Halle 1855—1856. 8. Mit Schreiben des Hrn. Herausgebers vom 2, Juli 1856. Kupffer, Annales de l’observatoire physique central de Russie. Annee 1851 — 1852. Petersb. 1853 — 1855. 4, Acta soc. scient. fennicae. 'lomus IV. V, pars 1. Helsingfors 1856. 4. Öfversigt af finska Vetenskaps Societetes Förhandlingar. Vol. 1—3. ib. 1853 — 1855. 4. Observations magneliques faites a lobservatoire de Helsingfors. Vol. 1 —4. ib.1850. 4. Observations meleorologiques faites a lobservatoire de Helsingfors. Vol. 1—4. ib. 1850. 4. 394 Sitzung der physik.-math. Klasse vom 14. Juli 1856. Flora batava. Afl. 179. Amsterdam 1856. 4. Roziere et Chatel, Table generale et methodique des Memoires con- tenus dans les Recueils de ! Academie des inscriptions et belles-lettres et de l’ Academie des sciences morales et politiques. Paris 1856. 4. Brück, Electrieite ou Magnetisme du globe terrestre. Partie 1. Bruxelles 1851. 8. Athenaeum frangais, no. 26. 27. 28. Paris 1856. 4. L’Institut. 1. Section, no. 1171— 1174. Paris 1856. 4. Revue archeologique. 13. Annee, Livr. 3. Paris 1856. 8. Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogthum Nassau. 10. Heft. Wiesbaden 1855. 8. | Braun, Wiesbaden als Heilquelle und Kurort. Wiesbaden 1855. 8. Kirschbaum, Über Hoplisus punctuosus Eversm. Wiesbaden 1854. 8. Barges, Memoire sur le sarcophage d’Eschmounazar. Paris 1856. 4. Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. 10. Band, Heft 3. Leipzig 1856. 8. Göttinger Nachrichten, no. 8. 9. Göttingen 1856. 8. Cavedoni, Cenni cronologici intorno alla data precisa delle principali apologie e dei rescritti imperiali di Trajano e di Adriano. Modena 1855. 8. Göbel, Untersuchung eines auf Ösel niedergefallenen Meteorsteins. Dor- pat 1855. 8. Astronomische Nachrichten. Band 43. Altona 1856. 4. Delesse, Notice sur les mines de cuivre du Cap de Bonne-Esperance. (Paris 1856.) 8. Ein Ministerial- Rescript vom 4. Juli genehmigt den von der Akademie dem Privatdocenten Dr. CGaspary in Bonn zu einer Revision von Herbarien in London und Paris bewilligten Reisekosten-Zuschuls von 200 Rihlr. 14. Juli. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Poggendorff las eine Abhandlung des Hrn. Riels „über die elektrischen Pausen” in dessen Abwesen- heit vor. - Gesammtsitzung vom 17. Juli 1856. 395 | Hr. Magnus theilte eine Abhandlung des Hrn. Dr. Krö- nig „über die mechanische Wärmetheorie” mit. 17. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. du Bois-Reymond las „über Polarisation an der Grenze ungleichartiger Elektrolyte.” An der Grenze von Metallen und Elektrolyten erzeugt der elektrische Strom bekanntlich die zuerst von J. W. Ritter beobachtete elektromotorische Gegenkraft, deren Ursprung Volta sofort richtig in der elektromotorischen Rückwirkung der aus- geschiednen Zersetzungsstoffe suchte. An der Grenze verschie- dener Metalle tritt nach Peltier’s Entdeckung gleichfalls, wenn auch auf sehr verschiedenem Wege entsprungen, eine elektromotorische Gegenkraft auf. An der Grenze verschie- dener Elektrolyte dagegen fehlte es bisher an einer entspre- chenden Wahrnehmung. Durch die folgenden Beobachtungen wird diese Lücke ausgefüllt. Um diese neue Art von Polarisation nachzuweisen, bedarf es sehr kräftiger elektromotorischer und höchst empfindlicher stromprüfender Vorrichtungen. Ich bediente mich einer Säule aus dreilsig Grove’schen Gliedern der kleineren in meinen Untersuchungen ') beschriebenenArt, und meines Multiplicators von 24160 Windungen. Das allgemeine Princip der Beobachtung ist das nämliche, welches für die Ritter’sche und die oben bezeichnete Pel- tier’sche Polarisation gilt, und darin besteht, dafs der die polarisirbare Reihenfolge von Leitern enthaltende Kettentheil 4 erst eine gewisse Zeit hindurch einen Theil des Säulenkreises bildet, dann aber, nach einer Zwischenzeit, die man gewöhn- lich möglichst abzukürzen strebt, zu einem Theil des Multi- plicatorkreises gemacht wird. Hiezu reicht aus, dafs, während der dem Säulen- und dem Multiplicatorkreise gemeinsame Ket- tentheil 4 mit der Säule verbunden ist, der Multiplicatorkreis 1) Ba. 1. S. 446, 396 Gesammisitzung an einer Stelle « geöffnet werde, wenn aber 4 am Multiplicatoıf auf secundär-elektromotorische Wirkung!) geprüft wird, die Lücke & geschlossen werde, unmittelbar nachdem der Säulen kreis an einer Stelle £ geöffnet wurde. Bei Anwendung so kräftiger Säulen indels und so empfindlicher Multiplicatorenf wie wir ihrer bedürfen, genügt diese Versuchsweise nicht. Es würden dabei am Multiplicator die von mir in meinen Unter- suchungen ?) beschriebenen Wirkungen störend auftreten, welche man wahrnimmt, wenn man eines seiner Enden, oder nac Einschaltung eines hinlänglichen Widerstandes, den die Ver- knüpfungsstelle nicht symmetrisch hälftet, auch seine beide Enden, mit dem einen Ende einer Säule verknüpft. Um diese und alle ähnlichen Störungen sicher abzuschneiden, wurde fol- gende Anordnung getroffen. Ss *) Unter secundär-elektromotorischer Wirkung verstehe ich in dieser und den folgenden Abhandlungen jede Art elektromotorischer Wirkung, Folge des Durchgangs eines Stromes, der der ursprüngliche genann wird, auftritt. 2) Bd. II. Abth. 1. S. 496. welche in einer irgendwie beschaffenen Reihe von Leitern als vom 17. Juli 1856. 397 In dem nebenstehenden Schema bedeutet 8 die Säule, M dden Multiplicator, 4 den polarisirbaren Kettentheil. ss, rs stellen demgemäfs zwei Lücken im Säulenkreise, m m, nn zwei Lücken im Multiplicatorkreise vor. Die beiden Kreise sind mit Inbegriff der acht Enden ihrer beiden Unterbrechungs- Istellen, m’ m, wu, s s, or, auf das vollkommenste von ein- ander isolirt. 77 W' ist eine Wippe, welche aus zwei Hälf- ten, W und W’ besteht, die zwar in einem Stücke bewegbar, doch jede für sich gleichfalls höchst vollkommen isolirt sind. Je nachdem die Wippe sich an s’s, « v’, oder an m’ m, uw an- lehnt, läfst sie den Strom der Säule durch 4 hindurch, oder macht die in 4 erzeugten secundär-elektromotorischen Wir- kungen am Multiplicator sichtbar. Da die Stärke der Polarisation wesentlich von der Dauer des Säulenschlusses und von der Zeit abhängt, welche zwischen Öffnung des Säulen- und Schliefsung des Multiplicatorkreises verstreicht, ist es zweckmälsig, um vergleichbare Wirkungen zu erhalten, die Wippe durch ein Uhrwerk bewegen zu las- sen, welches die Übertragung der Schlielsung vom einen Kreis auf den andern stets in hinlänglich gleicher, nach Belieben bald kürzerer, bald längerer Zeit vollführt, und aulserdem die Dauer des Säulenschlusses auch innerhalb so kurzer Zeiträume zu Iregeln erlaubt, dafs es ohne beträchtliche Fehler nicht gelingen würde, die Wippe mit der Hand umzulegen. In dem Schema bedeuten ferner die Kreise M, M’ meine gewöhnlichen Zuleitungsgefälse, mit Platinenden in gesättigter Kochsalzlösung. ©, © dagegen sind ähnliche Zuleitungsgefälse, in denen, um nicht die Beständigkeit der Säule zu gefähr- den, das Platin durch Kupfer, und die Kochsalz- durch gesät- tigte schwefelsaure Kupferoxydlösung ersetzt ist. H und AH’ endlich sind Hülfsgefäfse, die durch Heber- röhren mit den beiderseitigen Zuleitungsgefälsen verbunden sind. Auf Seiten des Multiplicators sind die Röhren mit Kochsalz-, auf der der Säule mit Kupferlösung gefüllt, und ihre in die Hülfsgefälse tauchende Mündung ist mit Blase ver- schlossen. Zwischen den Hülfsgefälsen kann man nunmehr, wie man sieht, heberförmige Röhren mit beliebigen Flüssigkeiten gefüllt anbringen, ja man kann die Hülfsgefälse selber mit be- 398 Gesarmnmisitzung liebigen Flüssigkeiten anfüllen, ohne dadurch die Reinheit und Gleichartigkeit der in den Zuleitungsgefälsen befindlichen Lö- sungen, mit anderen Worten, ohne das Gleichgewicht im Mul- tiplicator- und die Beständigkeit des Stromes im Säulenkreise zu gefährden. Die mit Flüssigkeiten gefüllten Heberröhren zwischen den Hülfsgefälsen durften, wie eine spätere Folge lehren wird, nicht füglich mit Blase oder Flielspapier verschlossen werden. Die darin befindlichen Flüssigkeiten mufsten deshalb stets denen in den Hülfsgefälsen an Dichte nachstehen. Um die Röhren im gefüllten Zustande in die Hülfsgefälse umstürzen zu kön- nen, waren ihre Enden capillar ausgezogen '), wenn der Wi- derstand der Flüssigkeit es erlaubte, ihren Querschnitt stellen- weis dergestalt zu verkleinern. Im anderen Falle wurden Pa- pierscheiben auf die Mündungen der Röhren gelegt, die der atmosphärische Druck so gegen deren abgeschliffene Ränder prelste, dals man die Röhren umkehren und ihre Enden mit aller Ruhe in die Flüssigkeit der Hülfsgefälse eintauchen konnte, worauf die Papierscheiben wieder entfernt wurden. Man denke sich nun zunächst die Hülfsgefälse sowohl als die sie verbindende Heberröhre, gleich den Zuleitungsgefälsen des Multiplicators und den Heberröhren zwischen diesen und den Hülfsgefälsen, mit gesättigter Kochsalzlösung gefüllt. Die Wippe W W' ist gegen die Enden m’ m, u # ge- lehnt, und hält also den Multiplicatorkreis geschlossen. Die Nadel steht auf Null, und die Platinenden des Multiplicators sind so gleichartig, dafs auch nach mehreren Minuten Offen- stehen des Multiplicatorkreises beim Schliefsen desselben keine in Betracht kommende Wirkung erfolgt. Jetzt wird das Uhr- werk ausgelöst und überträgt durch Umlegen der Wippe die Schlielsung von den Enden des Multiplicatorkreises m’ m, u KW, auf die Enden des Säulenkreises s s, & c. Die Hülfsgefälse und die sie verbindende Heberröhre voll Kochsalzlösung wer- den von dem Strom der dreilsiggliederigen Grove’schen ‘) Vergl. Walker in Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1825. Bd. IV. S. 319;* — Fechner ebendas. 1839. Bd. XLVIIL S.5;* — Becquerel in den Comptes rendus etc. 29 Mars 1847. t. XXIV. p. 505.* vom 17. Juli 1856. 399 Säule durchkreist, ohne dals eine Spur davon ihren Weg in den Multiplicatorkreis fände. Wir lassen, durch Anhalten des Uhrwerks, die Kette beliebig lange Zeit geschlossen, voraus- gesetzt, wie gesagt, dals wir darauf rechnen können, dafs das Offenstehen des Multiplicatorkreises die Gleichartigkeit der Pla- tinplatten nicht zusehr gefährde, dann lösen wir wieder das Uhrwerk aus. Nach gegebener Zeit überträgt es im Nu die Schliefsung vom Säulen- auf den Multiplicatorkreis, die Nadel aber bleibt, wenn Alles in Ordnung ist, durchaus unbewegt. Dies dient beiläufig noch zum Zeichen, dafs, während des vor- hergehenden Zeitraumes des Versuches, kein Theil des Stromes seinen Weg auch nur bis durch die Platinenden des Multipli- cators hindurch gefunden hat, was ja hätte der Fall sein kön- nen, ohne dals der während jenes Zeitraumes davon abgeschnit- tene Multiplicator etwas verriethe. Aber nachträglich würden wir, wenn etwas der Art stattgefunden hätte, durch die auf den Platinenden entwickelten Ladungen am Multiplicator da- von Kunde erhalten. Nun wiederholen wir genau denselben Versuch, mit der einzigen Abänderung, dals wir das mit Kochsalzlösung gefüllte Heberrohr durch ein mit verdünnter Schwefelsäure ge- fülltes ersetzen. Läfst man jetzt den Säulenstrom auch nur 5” lang durch die Reihe der Elektrolyte, Kochsalzlösung, ver- dünnte Schwefelsäure, Kochsalzlösung hindurchgehn, so Hiegt, beim Schliefsen des Multiplicatorkreises, die Nadel mit Heftig- ‘keit an die Hemmung, einen Strom in der Elektrolytenreihe von umgekehrter Richtung von der des Säulenstromes anzeigend. Der secundäre Strom ist innerhalb gewisser Grenzen, die ich noch nicht näher bestimmt habe, um so stärker, je gröfser Stärke und Dauer des ursprünglichen Stroms. Er ist nur von sehr kurzer Dauer. Läfst man, zwischen Öffnung des Säulen- und Schliefsen des Multiplicatorkreises, einen Zeitraum von nur 10”, so erfolgt bereits nur noch ein sehr schwacher Ausschlag. Bei einer noch längeren Zwischenzeit bleibt die Nadel völlig in Ruhe. Ob diese Ausgleichung bei geschlossenem Kreise ‘) HSO,:HO::1:8 dem Volum nach, Dichte etwa 1,13. [1856.] 30 400 Gesammtsitzung noch schneller vor sich gehe, was wohl möglich wäre, habe ich noch nicht zur Entscheidung gebracht. Werden auch die Hülfsgef ıIse mit der verdünnten Schwe_ felsäure gefüllt, so ist der Erfolg der nämliche, als ob sie und das sie verbindende Heberrohr Kochsalzlösung enthielten, d.h. es findet keine secundär-elektromotorische Wirkung statt. Füllt man aber jetzt das Heberrohr mit Kochsalzlösung, wobei, wie gesagt, die Säure diesmal solche Dichte haben muls, dals die Lösung sicher darauf schwimmt '), so erfolgt ein Ausschlag von gleicher Richtung als ob die Hülfsgefäfse die Lösung und das Rohr die Säure enthalten hätten. Ähnlich der verdünnten Schwefelsäure verbielten sich hin- sichtlich der Richtung der Wirkung noch folgende Flüssig- keiten: Chlorwasserstoffsäure; gewöhnliche Salpeter- säure; dieselbe mit dem gleichen Volum destillirten Wassers verdünnt; Ammoniak; gesättigte Salpeterlösung?). Die Wirkung war aber schon bei der Chlorwasserstoffsäure schwä- cher als bei der verdünnten Schwefelsäure, und nahm bei den übrigen Flüssigkeiten noch mehr an Stärke ab, in der Ordnung, wie sie genannt sind. Man sieht, das mit einer dieser Flüssigkeiten gefüllte He- berrohr zwischen den Hülfsgefälsen voll Kochsalzlösung ver- hält sich, abgesehen von der freilich unvergleichlich geringeren Stärke der Wirkungen, nicht anders, als es ein an Stelle des- selben über die Hülfsgefälse gebrückter Streifen eines polarisir- baren Metalles, z. B. Platinblech, thun würde. Sehr verschieden gestaltet sich der Erfolg mit einigen an- deren Flüssigkeiten, nämlich mit concentrirter Kalihydrat- lösung, Brunnenwasser, destillirtem Wasser, Hüh- nereiweils und den hinsichtlich des Widerstandes und der elektrochemischen Beschaffenheit nabestehenden thierischen Säften. Zwar was die Umstände, die die Stärke der secundär- elektromotorischen Wirkung bestimmen, und deren zeitlichen Verlauf betrifft, so giebt sich kein Unterschied zu erkennen. !) Nämlich mindestens HSO, : HO:: 1:4, Dichte etwa 1,22, ?) 4,1377 Dichte bei 17° C. vom 17. Juli 1856. 401 Während aber bei den erstgenannten Flüssigkeiten die secundär- elektromotorische der ursprünglichen Wirkung entgegengesetzt ist, ist sie ihr hier gleich gerichtet. Bezeichnet man jene Art der Polarisation als die negative, so hat man es hier mit po- sitiver Polarisation zu thun, wozu im Gebiete der Ladungs- erscheinungen an der Grenze von Metallen und Elektrolyten höchstens die von Martens und Beetz an Eisen und von mir an verquicktem Zink beobachtete positive Polarisation ein Seitenstück bietet. Mit der Kalihydratlösung zwischen Koch- salz aber schien mir die positive Wirkung kaum weniger stark als die negative mit der verdünnten Schwefelsäure; mit dem Wasser und Hühnereiweils, besonders dem letzteren, ist sie zwar beträchtlich schwächer, doch vollkommen regelmälsig und ausgesprochen, und in Betracht des grolsen Widerstandes die- ser Flüssigkeiten ist es noch die Frage, ob wirklich die secun- där-elektromotorische Kraft eine bedeutend kleinere war. Auch mit den übrigen genannten Flüssigkeiten kann man natürlich dieselbe Versuchsreihe durchmachen, wie mit der ver- dünnten Schwefelsäure, nämlich nachweisen, dafs wenn die Hülfsgefälse dieselbe Flüssigkeit enthalten wie das sie verbin- dende Heberrohr, keine secundär-elektromotorische Wirkung er- folgt, dals dieselbe aber sofort, und in der gleichen Richtung wiederkehrt, wenn jetzt das Heberrohr mit Kochsalzlösung ge- füllt wird. Man kann, mit Beobaehtung gewisser Rücksichten, diesen Versuchen noch eine andere Gestalt geben, die zwar weniger vollkommen, dafür aber mehr geeignet ist, gewisse, zur Entscheidung einiger Punkte dienliche Abänderungen zuzu- lassen. Sie besteht darin, anstatt die Flüssigkeiten, deren Grenze der Sitz der Polarisation werden soll, in Röhren und Gefäfsen zu beherbergen, Fliefspapierbäusche damit zu tränken, und durch deren Berührungsstellen den Strom hindurchzusenden. Die Zuleitungsgefälse M, M’ nehmen alsdann die gewöhn- lichen, mit gesättigter Kochsalzlösung getränkten Zuleitungs- bäusche auf. Die Zuleitungsgefälse ©, © erhalten dergleichen mit gesättigter. schwefelsaurer Kupferoxydlösung getränkt. An ‘) Untersuchungen u. s. w. Bd. 1. S. 236. 610. 30* 402 Gesammtsitzung Stelle der Hülfsgefälse treten Hülfsbäusche, welche für ge-- wöhnlich mit Kochsalzlösung getränkt sind, und nach Art des Schliefsungsbausches dauernd über die in M und © und die in M und © befindlichen Zuleitungsbäusche gebrückt wer- den. Von den mit Kupferlösung getränkten Bäuschen in © und © sind sie zur Verhütung dauernder gegenseitiger Ver- unreinigung durch Sicherheitsbäusche getrennt, d. h. durch einige Lagen Fliefspapier, die auf Seiten der Zuleitungsbäusche mit Kupfer-, auf Seiten der Hülfsbäusche mit Kochsalzlösung getränkt sind. Auf den Hülfsbäuschen können nunmehr, wie zwischen den Hülfsgefälsen die Heberröhren, balkenförmige Bäu- sche, d. h. vierseitig prismatische Bäusche, aus einer grolsen Anzahl Fliefspapierlagen bestehend, von etwa 60”=m Länge, 145"m Breite, 10" Dicke, mit beliebigen Flüssigkeiten getränkt, angebracht werden. Die Hülfsbäusche schützt man abermals durch Sicherheitsbäusche gegen dauernde Verunreinigung mit den zu prüfenden Flüssigkeiten. Es versteht sich, dals man die Hülfsbäusche nach Bedürfnifs auch mit anderen Flüssigkeiten als mit Kochsalzlösung tränken kann, gerade wie man die Hülfs- gefälse mit dergleichen anfüllen kann; alsdann müssen sie auch von den Zuleitungsbäuschen des Multiplieators in M, M’ durch Sicherheitsbäusche getrennt werden. Mit Hülfe dieser Vorrichtung lassen sich alle obigen Ver- suche bequem und sicher mit dem nämlichen Erfolg ausführen. Ein balkenförmiger Bausch mit verdünnter Schwefelsäure ge- tränkt, zwischen den mit Kochsalzlösung getränkten Hülfs- bäuschen durchströmt, giebt negative Polarisation. Ein ähn- licher Bausch mit Kalilauge getränkt, an die Stelle jenes ge- setzt, giebt positive Polarisation u. s. w. Nur in dem Falle, dafs man die Bäusche mit verhältnifs- mälsig schlecht leitenden Flüssigkeiten, mit Wasser, Hühner- eiweils u. d. m. tränkt, giebt sich damit ein anderer Er- folg zu erkennen, als mit denselben Flüssigkeiten in Ge- fälsen und Röhren. Alsdann nämlich mischen sich secundär- elektromotorische Wirkungen einer ganz anderen Art ein, die den Gegenstand einer späteren Mittheilung ausmachen werden. vom 17. Juli 1856. 403 Bei dieser Form des Versuches kann man nun auch so verfahren, dafs man, nach Entfernung der Hülfsbäusche, den balkenförmigen, z. B. mit Schwefelsäure getränkten Bausch un- mittelbar über die Zuleitungsbäusche der Säule in &, © brückt, auf denen in ihren oberen Schichten mit Kochsalzlösung ge- tränkte Sicherheitsbäusche ruhen. Nachdem der Strom einige Zeit hindurchgegangen, überträgt man den Schwefelsäurebausch rasch auf die Zuleitungsbäusche des Multiplicators, oder viel- mehr auf deren Sicherheitsbäusche, und beobachtet auch so die negative Polarisation des durchströmt gewesenen Bausches. Natürlich wird es hierbei nur selten gelingen, die Nadel nicht in der einen oder der anderen Richtung ausschlagen zu sehen, auch wenn der Schwefelsäurebausch gar keinem Strom ausge- setzt gewesen ist. Indessen ist es stets leicht, die Wirkung der Durchströmung nachzuweisen, und dafür hat dies Verfahren welches das der Übertragung heilsen mag, den Vortheil, dals es die Vorkehrungen zur Isolation des Säulen- und Multi- plicatorkreises, die Wippe, und die übrigen etwas künstlichen Vorrichtungen der ersten Versuchsweise entbehrlich macht. Da weder die Kochsalzlösung noch eine der in Berührung damit geprüften Flüssigkeiten an und für sich eine secundär- elekiromotorische Wirkung zeigt, so kann es nicht zweifelhaft sein, dals es die Grenze der beiden ungleichartigen Flüssig- keiten ist, die in Folge des Stromes der Sitz einer negativen | oder positiven elektromotorischen Kraft wird. Indessen ge- lingt es, bei der eben beschriebenen Methode des Übertragens, dies auch noch unmittelbar durch den Versuch darzuthun, in- dem man nämlich den polarisirten Schwefelsäurebausch derge- stalt auf die Multiplicatorbäusche bringt, dals er sie mit anderen | Stellen seiner Oberfläche berührt, als die, mit denen er auf den Säulenbäuschen auflag, oder indem man die Schichten Fliefspapier davon ablöst, mit denen er diese Bäusche berührte. Die durch den Säulenstrom bewirkte Ungleichartigkeit des Bausches ist also eine ebenso oberflächliche und örtliche wie die eines Platinstreifens sein würde, den man an Stelle des Bausches über die Säulenbäusche gebrückt hätte; und, wie hier, setzt sich ohne Zweifel auch dort die elektromotorische Wir- 404 Gesammltsilzung kung aus zweien zusammen, die an den beiden durchströmten Grenzen ungleichartiger Elektrolyte ihren Sitz haben. Um dies durch den Versuch zu erhärten, dient eine An- ordnung, welche an Peltier’s thermodlektrisches Kreuz er- innert. In dem Schema oben $. 396 denke man sich die Zu- leitungsbäusche in © und M', also über’s Kreuz, durch einen baikenförmigen Kochsalzbausch, hingegen die in & und M durch einen eben solchen Schwefelsäurebausch verbunden. An der Kreuzungsstelle läfst man die beiden ungleichartigen Bäusche einander berühren. Dabei läuft die Gleichartigkeit des Multi- plicatorkreises keine Gefahr, da in demselben verdünnte Schwe- felsäure beiderseits gesättigte Kochsalzlösung berührt. Löst man aber das Uhrwerk aus und läfst die Wippe auch nur wenige Secunden lang die Säule durch die Berührungsstelle der beiden ungleichartigen Bäusche schliefsen, so erhält man eine kräftige negative Wirkung, gleichviel ob der Strom vom Salz zur Säure, oder umgekehrt flols. Ich habe den Versuch auch mit Brunnenwasser anstatt mit der Säure angestellt, was in diesem Falle aus gewissen Gründen, die später ein- leuchten werden, erlaubt war. Gleichviel ob der Strom vom Wasser zur Salzlösung, oder umgekehrt flols, es erfolgte ein schwacher positiver Ausschlag. Nach diesen beiden aller- dings nur unvollkommnen Erfahrungen zu urtheilen, würde die secundär - elektromotorische Kraft an der Grenze zweier un- gleichartigen Elektrolyte, gleich der an der Grenze von Me- tallen und Elektrolyten, nicht nur ihrem Zeichen, sondern auch ihrer Gröfse nach unabhängig sein von der Richtung des ur- sprünglichen Stromes. Hier war der Sitz der secundär-elektromotorischen Kraft auf eine einzige Grenze zweier ungleichartigen Elektrolyte be- schränkt. Umgekehrt vermag man aus ungleichartigen Elek- trolyten eine Ladungssäule gleich der Ritter’schen, nur frei- lich viel schwächer wirksam, aufzubauen. Dies gelingt gut genug, um die Richtigkeit des Prineips zu beweisen, mit Hülfe runder Pappscheiben, wie man sie, mit Flüssigkeit getränkt, als Zwischenleiter bei den Volta- schen Säulen alter Bauart anzuwenden pflegte. Man weicht eine Anzahl derselben in Kochsalzlösung, eine gleiche Anzahl vom 17. Juli 1856. 405 in verdünnter Schwefelsäure auf, und baut auf jedem der Hülfs- bäusche eine Hälfte der Säule auf, indem man mit Salz be- ginnt, Säure folgen lälst, dann Salz, dann Säure, u. s. f. bis man mit Säure schlielst, und zuletzt beide Säulenhälften durch einen Salzbausch verbindet. Es hat keine Schwierigkeit, bei Gegenwart eines hinreichenden aulserwesentlichen Widerstandes, das Wachsen der secundär-elektromotorischen Kraft mit wach- sender Anzahl der Wechsel zwischen Salz und Säure nach- zuweisen. Eine Säule aus abwechselnd mit Kochsalz- und Kalıhydrat- lösung getränkten Pappscheiben aufgebaut, gewährt das merk- würdige Schauspiel einer Ladungssäule, deren Strom dem ur- sprünglichen gleichgerichtet ist. Es bleibt mir übrig, einen Begriff von der absoluten Stärke der hier stattfindenden Wirkungen mitzutheilen. Fol- gendes ist Alles, was ich in dieser Beziehung vermag. Ein auf den Hülfsbäuschen befindlicher, mit der verdünnten Schwe- felsäure von 1,13 Dichte getränkter balkenförmiger Bausch wurde eine Minute lang dem Strom der dreilsiggliederigen Grove’schen Säule ausgesetzt, und dann durch den Multi- plicator von 4650 Windungen entladen, dessen halbe Länge aber nur benutzt und dessen Empfindlichkeit aufserdem durch Vor- legen einer Nebenschlielsung sehr vermindert wurde. Es er- folgten 6° Ausschlag. Nachdem diese Wirkung unmerklich ge- worden war, wurde in den Multiplicatorkreis eine kleine Säure- Alkalikette mit Platinelektroden aufgenommen. Obschon sie den Widerstand des Kreises um ihren eignen vermehrte, trieb sie doch die Nadel im ersten Ausschlag bis auf 40°. Ihre elektromotorische Kraft ist also sehr viel gröfser, obschon bei der grolsen Schwingungsdauer der Nadel allerdings in An- schlag kommt, dafs die Kraft der Säure- Alkaliketie annähernd beständig bleibt, während die der Polarisation im schnellen Sinken begriffen ist. Vollends erscheint die secundär-elektromotorische Kraft an der Grenze der Elektrolyte klein im Vergleich zu der des ur- sprünglichen Stromes. Es würden Vorrichtungen von, wie ich glaube, bisher unerreichter Vollkommenheit dazu gehören, um diese neue Art der Polarisation bereits während der Dauer des 406 Gesammtsüzung ursprünglichen Stromes, durch Veränderung seiner Stärke be- merklich zu machen, wie dies mit der Polarisation an der Grenze von Metallen und Elektrolyten der Fall ist, und es ist deshalb leicht erklärlich, dals dieselbe in den messenden Versuchen an Kelten mit mehreren flüssigen Leitern nicht in die Augen ge- fallen ist. Was die Ursache der neuen secundär - elektromotorischen Erscheinung betrifft, so könnte man vielleicht daran denken, ob nicht für die Elektrolyte etwas Ähnliches stattfinde, wie für die Metalle nach Peltier. Aber abgesehen davon, dals thermoelektrische Ströme bei Elektrolyten noch nicht nachge- wiesen sind — in den Versuchen von Nobili und mir') han- delt es sich um poröse Halbleiter, die mit Elektrolyten ge- tränkt sind — habe ich mich auch mittelst eines Thermometers, an dem ich 4° C. ablesen konnte, ganz unmittelbar überzeugt, dafs die Temperatur an der von dem Strom der dreilsiggliede- rigen Grove’schen Säule durchflossenen Grenze von Koch- salzlösung und verdünnter Schwefelsäure, von der Richtung des Stromes unabhängig ist. Es liegt denn auch wohl unstreitig näher, die neue Art der Polarisation in Beziehung zu seizen zur elektrolytischen Wirkung des Stromes, auf der ja auch die Polarisation der metallischen Elektroden beruht. Indem der Strom die Grenze zweier ungleichartigen Elektrolyte überschreitet, muls er die elektropositiven Bestandtheile der Flüssigkeit, die er verlälst, und die elektronegativen derjenigen, in die er eintritt, frei- machen, und die freigewordnen zur Verbindung antreiben, wenn dieselbe möglich ist. So kann zwischen den beiden Flüssigkeiten eine Schicht einer dritten entstehen, und die Möglichkeit einer mit Stärke und Dauer des ursprünglichen Stromes bis zu einer gewissen Grenze wachsenden secundär elektromotorischen Wirkung, liegt am Tage. Dafs wirklich etwas der Art statifinde, lehrt folgender Ver- such. Zwischen zwei Salzbäusche schaltete ich einen mit veil- chenblauem Lackmuspapier bekleideten Wasserbausch. Nach- dem der Strom der dreilsiggliederigen Grove’schen Säule ‘) S. diese Berichte, 1852. S. 117. vom 17. Juli 1856. 407 einige Zeit hindurchgegangen, fand ich das Lackmuspapier da, wo der Strom in dasselbe eingetreten war, entschieden gebläut, da, wo er dasselbe verlassen hatte, schwächer geröthet; Hum- phry Davy’s Behauptung zuwider, wonach Färbung von Reagenzpapieren durch Jonen nicht anders als an den Pol- drähten stattfinden sollte. In der That trifft an der ersten Stelle das mit dem posi- tiven Strom wandernde Natrium den gegen denselben wan- dernden Sauerstoff, der von der Zersetzung des Wassers her- rührt, und kann damit Natron bilden; während das elektronega- tive Chlor an der anderen Grenze mit dem Wasserstoff Chlor- wasserstoffsäure bilde. Das Natron und die Chlorwasserstoff- säure aber finden keine elektronegativen und -positiven Stoffe, mit denen sie sich verbinden könnten, und treten deshalb aus dem elektrochemischen Spiel der Molekeln aus, indem sie ihre Ladung beziehlich dem Wasserstoff und Sauerstoff übergeben. Es ist hienach wohl sehr wahrscheinlich, dals die ge- gebene Erklärung der Polarisation an der Grenze ungleich- artiger Elektrolyte im Allgemeinen die richtige sei. Meine Bemühungen aber, in der Ausführung dieser Theorie noch einen Schritt weiter zu thun, sind erfolglos geblieben. Ich wünschte nämlich eine Anordnung herzustellen, die in Be- zug auf diese neue Art der Polarisation dasselbe leistete, wie die Grove’sche Gaskette in Bezug auf die Ritter’sche Ladung. Als ich aber auf sehr mannigfaltige Art Ketten mit mehreren flüssigen Leitern nach dem Schema anordnete: Chlor- natrium, Chlorwasserstoffsäure, Wasser, Natron, Chlornatrium, erbielt ich stets einen Strom in der Richtung von der Säure durch das Wasser zur Basis, oder, wie man leicht sieht, nega- tiver Polarisation entsprechend, wenn man sich Säure und Ba- sis durch den Strom ausgeschieden denkt, während Wasser zwischen Chlornatriumlösung, wie wir eben fanden, vielmehr positive Polarisation giebt. Befremdend ist denn auch, vom Standpunkt der obigen Theorie aus, der Mangel an Übereinstimmung zwischen der elektrochemischen Beschaffenheit der Flüssigkeiten und der Richtung, in der sie, zwischen Kochsalz durchströmt, secundär- elektromotorisch wirken. Unter den Flüssigkeiten, die nega- 408 Gesammtsitzung tive Polarisation gaben, befinden sich saure, neutrale und alka- lische; unter den positiv wirksamen, gleichfalls neutrale und alkalische. Unstreitig ist es jetzt noch nicht an der Zeit, eine in’s Einzelne gehende Deutung dieser verwickelten Erscheinungen zu geben, wo dieselben erst in so geringer Ausdehnung stu- dirt sind und die Lehre von der Elektroiyse überhaupt erst im Entstehen begriffen ist. Wenn ich aber diese Unter- suchung schon jetzt veröffentliche, so geschieht es, weil ich vor der Hand keine ‚Veranlassung habe, dieselbe weiter fortzu- setzen. Was ich selber dabei beabsichtigte, war nur, mich zum Zweck gewisser thierisch-elektrischen Versuche über die ver- schiedenen secundär-elektromotorischen Wirkungen zu unter- richten, die beim Durchströmen einer irgendwie beschaffnen Reihenfolge von feuchten Leitern stattfinden. Dies mag es entschuldigen, dals sich z. B. unter den obigen Zusammen- stellungen ungleichartiger Elektrolyte keine einzige findet, von der nicht Kochsalzlösung das eine Glied ausmachte !). An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden : vorgelegt: Memoirs of the Royal Astronomical Society. Vol. II, 2. II,1. XXIV. London 1826. 1827. 1856. 4. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Vol. 1 —6. Lon- don 1831 — 1845. 8. Vol. XV. ib. 1855. 8. Astronomical and meteorological Observations, made at the Radcliffe Ob- servatory. Vol. XV. Oxford 1856. 8. A. de Longperier, Memoires sur la chronologie et l’iconographie des rois parthes Arsacides. Partiel. Paris 1853. 4. Notice des antiquites assyriennes .. du Musce du Louvre. Ed. II. Paris 1854. 8. !) Ich ergreife diese Gelegenheit auf einen sinnentstellenden Druck- fehler in meiner letzten Abhandlung in diesen Berichten, Jahrgang 1854, aufmerksam zu machen. S. 294 Z. 5 von unten sind nach dem Worte „angiebt” die Worte ausgefallen: „ein Ausschlag im Sinne der Ladungen des ersten Stromes, sondern abermals .. .”. vom 24. Juli 1856. 409 Zambelli, Sul’ influenza politica dell’ Islamismo. Memoria XI. XII. (Milano 1856.) A4. Quellen und Erörterungen zur bayrischen und deutschen Geschichte. Band 1. München 1856, 8. Commercium epistolicum J. Collins et aliorum de analysi promota, ed. J.B. Biot etF. Lefort. Paris 1856. 4. Mit Begleitschreiben des Kaiserlichen Ministeriums des öffentlichen Unterrichts, d. d. Paris 26. Mai 1856. Delaire, Hydraulique et Hydrodynamique. Paris 1856. 8. Mit Be- gleitschreiben des Hrn. Verfassers an das Königl. Ministerium der geistlichen etc. Angelegenheiten, d. d. Paris 22. Juni 1856. Annales de chimie et de physique. 'Tome XLVII, Livr. 2. Paris 1856. 8. Journal of the Asiatie Society of Bengal. Vol. XXIV. Calcutta 1856. 8. A.L. Crelle, Journal für die reine und angewandte Mathematik. Bd. 52, Heft 3. Berlin 1856. 4. Verhandlungen des zoologisch- botanischen Vereins in Wien. Band 5. Wien 1855. 8. Bericht über die österreichische Literatur der Zoologie, Botanik und Pa- läontologie, aus den Jahren 1850— 1853. Wien 1855. 8. Rudolf Wolf, Mittheilungen über die Sonnenflecken. Zürich 1856. 8. Die Hrn. Boussingault und Mosander senden Dank- schreiben für ihre Ernennung zu correspondirenden Mitgliedern der Akademie. Die Akademie bewilligt auf den Wunsch des Directors der Kaiserlichen öffentlichen Bibliothek zu St. Petersburg die Completirung von 6 daselbst fehlenden Jahrgängen ihrer Ab- handlungen. 24. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. , Herr Peters las eine Abhandlung: „Ueber die syste- matische Stellung der Gattung Mormops Leach und über die Classification der Phyllostomata so wie über eine neue Art der Gattung Fampyrus“, von welcher hier - ein kurzer Bericht gegeben wird. 410 Gesammtsitzung I. Ueber die Gattung Mormops. Die Gattung Mormops wurde zuerst von Leach (Trans- | actions of the Linnean society of London. XI. ı. p- 76. Taf. VII) vor 35 Jahren nach einem angeblich aus Jamaica stammenden Exemplar aufgestellt und beschrieben. Er gab an, dals sie ein aufrechtes, mit den Ohren verwachsenes, Nasenblatt besitze, dafs kein Fingerglied des Zeigefingers vorhanden, dafs der Mittelfinger aus 4 knöchernen Phalangen zusammengesetzt, die Ohren grols und verwachsen seien, der Schwanz kürzer als die Schenkelflug- haut sei und mit seinem Ende frei oberhalb derselben hervorrage. Die beigefügte Abbildung erläuterte den complicirten Bau der | Ohren, der Lippen und des Nasenbesatzes, des Gebisses und des Schädels. Neunzehn Jahre nach Leach ist dieselbe Gattung zum zwei- ten Male von Gray (Annals of natural history. IV, p. 3) nach einem in Weingeist aufbewahrten Exemplare aus Cuba untersucht worden. Seine Beschreibung weicht sehr von der Leach’schen ab. Er behauptet, dals sie kein Nasenblatt besitze, dafs sie daher nicht mit den Phyllostomen, sondern mit den Noctilionen zu ver- einigen sei, dals sie den Taphozous weit näher stehe, am näch- sten aber mit Chilonyczeris verwandt sei. Als Unterschied zwischen seinem Exemplar und der Leach’schen Zeichnung gibt er an, dals die beiden Anhänge vor der Scheibe in der Mitte des Kinnes bei dieser letzteren grölser und dafs die hintere Falte der hin- teren Membran vor dem Kinn einfach anstatt getheilt dargestellt seien. Er hat ferner eine Beschreibung des Thieres gegeben, ohne jedoch auf die Proportionen und die Färbung einzugehen. Seine Beschreibung der Lippen, des vor den unteren Schneidezähnen liegenden Wulstes, die Deutung sowohl des an den vorderen als des an den hinteren Ohrrand stofsenden Hautlappen, und die An- gabe, dals das letzte Glied des Schwanzes verlängert sei, weichen von der bildlichen Darstellung, welche Leach gegeben, ganz ab. « Es war daher eine neue Untersuchung dieser seltenen Gat- tung wünschenswerth. Drei dem hiesigen Museum gehörige in Weingeist aufbewahrte Exemplare aus Cuba lieferten hierzu ein hinreichendes Material. Sie zeigen in allen Theilen mehr Ueber- einstimmung mit der Leach’schen als mit der Gray’schen Darstellung. vom 24. Juli 1856. 411 Auch das, was Gray an der Leach’schen Abbildung als Fehler des Zeichners tadelt oder als abweichend von seinem Ex- emplar angibt, nämlich das, was er Anhänge der Kinnplatte nennt und welche nichts weiter sind als die dunkel schattirten Stellen, neben denen sich die doppelte Kinnfalte mit der Kinnscheibe ver- bindet, so wie die Einfachheit der hinteren mittleren Kinnfalte finde ich unseren Exemplaren zufolge vollkommen naturgetreu, so dals nichts weiter übrig bleibt, als entweder anzunehmen, dafs Gray eine der Leach’schen verwandte neue Art unter Händen gehabt habe oder dals seine Darstellung die weniger richtige sei. Die zwischen den unteren Schneidezähnen und der warzigen Platte befindliche Wulst erscheint nicht dreieckig, wie Gray von seinem Exemplar angibt, sondern als eine einfache gekrümmte schmale Linie, wie es die Leach’sche Abbildung zeigt. Auch in Bezug auf das letzte kurze und nicht verlängerte (Gray) Schwanzglied stimmen unsere Exemplare mit Leach’s Abbildung überein. Was ferner die von Leach als „Ahinophyllus“ betrachtete Hautfalte anbetrifft, so scheint mir diese Deutung durchaus nicht zweifel- haft, wenn man die Bildung, welche man bei Nyczeris beobachtet, damit vergleicht, um so mehr, da die Vereinigung der inneren oder vorderen Ohrränder erst hinter dieser Hautfalte in derselben Weise wie bei Nyczeris wirklich stattfindet, wie es auch die Leach’sche Abbildung, wenn auch etwas undeutlich, angibt. Es gehört offenbar diese Falte ebenso wenig zum vorderen Ohrrand, wie der Theil der Lippen, welcher den Mundwinkel bildet, als „abgerundeter vorderer Lappen des unteren Ohrrandes“ (Gray) betrachtet werden kann. Obgleich Leach keine specielle Beschreibung der von ihm M. Blainvillii benannten Art gegeben hat, auch die Proportionen des Körpers und der Gliedmalsen sich nicht wohl aus der von ihm gegebenen Skizze des ganzen 'Thiers entnehmen lassen, ist doch die Uebereinstimmung mit der von ihm untersuchten’ Art so grols, dafs ich keinen hinreichenden Grund finde, dieselbe als eine von ihr verschiedene Art zu betrachten. Mormops hat gar nicht das plumpe Ansehen, welches man nach den von Leach gegebenen Detailansichten hätte vermuthen sollen, sondern gehört sowohl, was seine allgemeine Körpergestalt so wie seine Gliedmalsen anbetrifft, zu den schlankeren Formen. 412 Gesammisitzung Der Kopf läuft in gleicher Flucht mit dem Körper, wie bei den Noctilio, Taphozous und Emballonura, denen er auch durch die Proportionen des aus der Rückseite der Schenkelflughaut hervor- ragenden Schwanzes sich nähert. Jedoch warnt die Zusammen- setzung des Mittelfingers nach Art der Phyllostomata schon vor einer Zusammenstellung mit diesen Gattungen. Die Form des Kopfes, der Bau der Ohren und der Lippen läfst sich sehr wohl in der Leach’schen Abbildung wieder erkennen. Die Ohren sind verhältnilsmäfsig nicht sehr grofs, da ihre gröfste Länge nicht * der Kopflänge übertrifft. Der vor- dere Rand beider Ohren wird durch eine über das Gesicht. hin- gebende Querleiste vereinigt, während ihre vordere Fläche mit der hinteren Fläche des Nasenbesatzes verwachsen ist, wie man deutlich erkennen kann. | Zwar findet sich bei Mormops keine vertiefte Gesichtsgrube und die kleinen Vorsprünge um die Nasenlöcher herum lassen sich nur schwer oder künstlich auf die vorderen Abtheilungen des | Nasenapparates von Nycteris oder anderer Gattungen zurückführen, aber die mit den Ohren verwachsenen Lappen sind deutlich als den hinteren die Gesichtsgrube bei Nyczeris begrenzenden Falten ho- mologe Gebilde wieder zu erkennen. Sie hängen sogar auch schond bei Nyczeris, wenn auch nicht so fest, mit den Ohren zusammen, so dafs mir kein Zweifel an der Richtigkeit der Leach’schen Deutung übrig zu bleiben scheint. Die Schleimhaut des Gaumens bildet acht wulstige Quer- falten, von denen die hinteren fünf in der Mitte getheilt sind. Der Körper ist fein und dicht behaart und die Behaarung der Bauchseite ist kaum kürzer als die der Rückenseite. Die vorderen Gliedmalsen sind sehr gestreckt. Der Oberarm ist um die Hälfte länger als der Kopf und der Vorderarm, welcher angelegt genau bis zum Ende der vorragenden Unterlippe reicht, ist 25 Mal so lang wie der Kopf. Der Daumen ist kurz, sein erstes Fingerglied an der Basis von der Flughaut umfalst. Das Mittelhandglied des Zeigefingers ist ein wenig länger als das des dritten Fingers und trägt an seinem Ende ein sehr kurzes (von Leach übersehenes). 14 Mm. langes Fingerglied, von dessen Ende eine am Rande] der Flughaut verlaufende Sehne bis zum ersten Fingergelenke de: dritten Fingers hingeht. Das erste Fingerglied des Mittelfinger: vom 24. Juli 1856. 413 ist um mehr als die Hälfte kürzer als das zweite, welches letztere um — länger ist als die letzte knöcherne Phalanx. Das Mittel- handglied des vierten Fingers ist etwa 4 Mm. kürzer als das des dritten Fingers, dagegen ist jedes seiner beiden gleich langen Fingerglieder um 4 länger als das erste Glied des dritten Fingers. Das Mittelhandglied des fünften Fingers ist um so viel kürzer als das Mittelhandglied des vierten Fingers, wie die Länge des ersten Fingergliedes vom Mittelfinger beträgt. Der Unterschenkel ist von der Länge des Kopfes, aber merklich kürzer als der Oberschenkel, (wie 11:43). Die Fülse sind zart, nicht halb so lang wie der Unterschenkel; die Zehen sind ziemlich gleich lang, am Grunde durch eine schmale Haut verbunden; ihr Bau zeigt nichts Unge- wöhnliches. Die Spornen, welche den Rand der Flughaut einnehmen, sind nur „5 kürzer als der Kopf. Der Schwanz hat dieselbe Länge wie der Oberschenkel und erreicht nur die Mitte der ausgestreckten Schenkelflughaut; bei der ruhenden Lage des Thieres ragen die letzten Glieder des Schwanzes frei aus der Rückenfläche der Haut hervor. Die Flughäute sind zwar sehr breit, lassen jedoch das untere Ende des Schienbeins frei. Die Rückseite des Thieres ist schön umberbraun, und erscheinen die Haarspitzen derselben dunkler, während die Bauchseite, deren Haarspitzen heller sind, braun mit grauem Anfluge erscheint. Die auffallende Gestalt des Schädels ist aus der Leach’- schen Abbildung sehr wohl zu erkennen. Er stimmt am meisten mit dem von Chilonycteris überein, nur ist er viel kürzer und der Schädeltheil viel mehr winklich gegen den Gesichtstheil ab- gesetzt, so dals das Foramen magnum nicht allein ganz nach hinten, sondern selbst noch ein wenig nach oben gerichtet ist. Den Zahn- bau hat Leach im Ganzen richtig geschildert, wenn er auch nichts von der wförmigen Bildung der Backzahnkrone und der Concavität der vorderen Fläche der oberen Schneidezähne erwähnt. Das übrige Skelet stimmt durch die Form der einzelnen Wirbel- abtheilungen, durch die Breite der Rippen, durch den Längskamm auf dem Brustbeinkörper, durch die Gestalt des hakigen Fort- satzes des Manubrium sterni, durch die Gestalt des Beckens, des Schulterblattes und des Oberarmbeins von den bekannteren Gat- tungen am meisten mit Glossophaga (amplexicaudata), durch die 414 Gesammtsitzung breiten Schlüsselbeine am meisten mit Yampyrus überein, weicht aber durch die geringere Breite des Manubrium sterni und die gröfsere Breite der Darmbeine merklich von ihnen ab. Die Ulna ist sehr rudimentär und geht nicht über das erste Drittheil der Speiche hinaus. Das Wadenbein ist nur durch einen haarfeinen Knochen repräsentirt, aber selbst dieser geht nicht einmal bis zum Knie hinauf, sondern ist in seinem obersten Drittheil durch einen sehnigen Faden vertreten. Die Zunge ist wie bei den Pryllo- stoma und Fampyrus lang, an der Spitze abgerundet, mit platten, nach hinten gerichteten Schüppchen bedeckt, zwischen denen sich zerstreute linsenförmige Papillen auszeichnen. Die Eingeweide so wie die Begattungsorgane zeigen ebenfalls am meisten Ueberein- stimmung mit den Phyllostomata. Malse in Millimetern. Länge des Thieres von dem Ende des Kopfes bis zur Schwanzbasis 1. stil wir u Alan Dan Ihe Länge des Kopfes, 2 el an u nel lin 22 «c «c Schwanzes « . . . ° . . . . . . 26 « « sOberarmscd Han bla ah « « Vorderarms . . 53 « « Daumens (Mittelh. 3. 1. Gl. 2. 2. Gl. 2). ie; Länge des 2ten Fingers (Mittelh. 485. 1. Gl.1z.) . . 50 « « Sten Fingers ( « 484 1.« 9 2.G1.225) 3: @L447,2 461.2) ee zZ « « Aten Fingers (Mittelh. 45. 1.G1.12. 2.G1.12.) 69 « « Öten Fingers ( « 35.1. «17. 2.« 115) 65 « « Oberschenkels ee ee ie A 26 « « Üpterschenkels; . 181 nes. rt Eh « « Kulsesaene il a een « der Spormen . . er « der Gebenkelfiüpbuit Baar re x 80 Fassen wir nun die aus dem Khmtcheuiän gewonnenen Re- sultate zusammen, so ergibt sich, dafs die Gattung Mormops nicht allein durch ein deutliches Nasenblatt, sondern auch durch die Beschaffenheit ihrer vorderen Gliedmafsen, durch den Bau ihres Skelets und der Eingeweide sich von den Chiroptera gymnorhina, namentlich Taphozous, Emballonura und Noctilio entfernt, sich da- gegen in der Unvollkommenheit ihres Nasenblattes an Brachy- vom 24. Juli 1856. 415 phyllum, in dem Bau der Zähne unter den Phyllostomen am näch- sten an Fampyrus anschlielst, dals sie jedoch mit der Gattung Chilonycteris am meisten verwandt ist und mit dieser am passend- sten eine an Brachyphyllum sich anschlielsende Gruppe bilden kann, welche dann unter den eigentlichen Pryllostomen dem Yam- pyrus am nächsten stehen würde. Das Herüberziehen der Gat- tung Chilonycteris in die Abtheilung der histiophoren Handflügler kann um so weniger Bedenken haben, als auch diese Gattung eine dicke wulstige Querfalte auf dem Nasenrücken hat, welche man wenigstens eben sowohl als ein Nasenblatt betrachten kann, wie die wulstigen Falten von Desmodus. Ihrem Wesen nach ist sie ja dasselbe, da auch die dünnhäutigen Nasenblätter anderer Gattungen aus einer Duplicatur der Haut zusammengewachsen sind. I. Ueber die Phyllostomata und eine neue Art der Gattung Fampyrus. Es wurde für die Classification der Pryllostomata die Form des Gebisses als das wichtigste Merkmal hervorgehoben und na- mentlich an den zu der Gattung Yampyrus (Geoffroy, Leach) gehörigen Arten gezeigt, wie durch die Eintheilung der Arten nach blols äufseren Merkmalen eine unnatürliche Trennung der am meisten verwandten Formen herbeigeführt werde. Dann wurde die Beschreibung einer mit (Yampyrus) Phyt- lostoma sylvicola und Ph. spectrum verwandten Art aus Mexico mitgetheilt. Yampyrus auritus n. sp.; maximus, cauda brevissima, pro- sthemate auriculisque longissimis; dentibus molaribus a molari spurio inferiore secundo altiore quam primo; supra fusco- brunneus, subtus cinereus. Long. corporis 0,12; caudae 0,009; antibrachii 0,08; auri- eulae 0,042; prosthematis 0,018; expans. al. 0,55. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur- den vorgelegt: Pictet, Materiaur pour la palcontologie suisse. Livr. 4. Geneyve 1856. 4. [1856.] 31 446 Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 28. Juli 1856. Rapport sur les travaux de la societe imperiale des naturalistes de Moscou. Moscou 1855. 4. Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft zu Zürich. Band VIUL, no.4.5. XI,no.1. Zürich 1856. 4. k Athenaeum frangais, no. 29. 30. Paris 1856. 4. Journal of the Royal Asiatie Society. Vol. XVI, 2. London 1856. 8. Journal of the Royal Geographical Society. Vol. XXV. London 1855. 8. Proceedings of the Royal Geographical Society, no. 1. 2. 3. London 1856. 8. The 23. Annual Report of the Royal Cornwall Polytechnie Society. Fal- mouth 1855. 8. Verhandlungen der physikalisch-medizinischen Gesellschaft in Wäürzburgg 7. Band, Heft 1. Würzburg 1856. 8. Faraday, Experimental Researches in Electricity. (London 1855.) 4 Faraday and Riess, On the action of non-conduceting bodies in electric induetion. (London 1855.) 8. Sallenave, Traite sur lepuisement pur et simple de !economie humaine. Paris 1855. 8. Charles Wilkes, Theory of the Winds. Philadelphia 1856. 8. Nebst Rescript des vorgeordneten Ministeriums vom 21. Juli 1856, Quarterly Journal of the geological Society. Vol. XII, Part 2. London 1856. 8. | Comptes rendus des seances de FAcademie des sciences. Tome 42, no. 22— 26. Paris 1856. 4. Mittheilungen der numismatischen Gesellschaft in Berlin. Heft 1. 2. Ber- lin 1846— 1850. 8. Mit Schreiben des Schriftführers der Gesell- schaft, Hrn. Schlickeysen, vom 23. Juli 1856. Von Hrn. Sektionsrath Wilhelm Haidinger in Wien empfing die Akademie ein zum 100jährigen Geburtstage seines Vaters, des ehemaligen Bergrathes Karl Haidinger, aus- geführtes Portrait desselben. 28. Juli. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Pinder las: „Geschichte des griechische Bücherdruckes und Vorschlag einer Verbesserung desselben.” Gesammtsitzung vom 31. Juli 1856. 417 31. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Petermann las „über die Glaubenslehre der Mandäer.” Hr. Dirksen gab hierauf einen mündlichen Auszug; aus: ‚einem Beitrage zur Auslegung der epigraphischen Urkunde iner Städte- Ordnung, für die latinische Bürgergemeinde zu Salpensa.” An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur- Iden vorgelegt: Jahrbuch der Kais. Königl. Central-Commission zur Erforschüng und Er- haltung der Baudenkmale. Wien 1856. 4. Mit Begleitschreiben des Commissions-Vorstandes d. d. Wien 4. Juli 1856. Nova Acta Academiae Naturae Curiosorum. Vol. XXV, Pars II, Vratisl. 1856. 4. Athenacum frangais, no. 30. 31. Paris 1856. 4. L’Institut. 1. Section. no. 1176. Paris 1856. 4. Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Philos.:historische Klasse, Band 17, 3.— 20, 1. Mathemi-naturw. Klasse, Band 18— 20, 1. Wien 1855 — 1856. 8. Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der W issenschaften. Mathem.- naturw. Klasse, Band 10. 11. Wien 1856. 4. ‚Notizenblatt, no.”1— 14. Wien 1856. 4. Almanach der Akademie. Wien 1856. 8. Kreil, Jahrbücher der Meteorologie. Band 4. Wien 1856. A4. Zeising, Das Normalverhältni/s der chemischen und morphologischen Proportionen. Leipzig 1856. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verf. vom 7. Juli 1856. Th. v. Heuglin, Übersicht der Vögel Nord- Ost- Afrika's. (Wien 1856.) 8. Lepsius, Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien. Neunte Versendung oder Lieferung 63— 75. Berlin 1856. folio max. 31° 418 . Nachtrag zur Gesammtsitzung Von Seiten des Rectorats der Universität war die Ein- ladung zur Erinnerungsfeier an König Friedr. Wilh. IM. den Stifter der Universität für den 3. August der Akademie übersandt worden. Nachtrag zur Gesammtsitzung der Akademie- vom 19. Juni. Hr. Lepsius las „über die XXII. Königs-Dynastie der Ägypter” und knüpfte daran Bemerkungen über die XXI. XXIII. und XXVI. Dynastie. Die von Hrn. Mariette entdeckten Apismonumente ge- währten nicht allein zwei bis dahin noch unbekannte Königs- namen der XXII. Dynastie, sondern auch neue Anhaltspunkte für eine richtigere Anordnung der übrigen Könige, als sie bis- her gegeben worden war. Die Reihenfolge der Könige der XXI., XXII. und XXIII. Dynastie wurde folgendermalsen aufgestellt: (Siehe Beilage.) Der unägyptische Charakter der königlichen Familiennamen in der XXII. Dynastie wurde nicht, wie dies von andern Ge- lehrten versucht worden war, auf eine enge Familienverbindung mit einem Assyrischen Herrscherhause, von welchem diese Na- men angenommen seien, zurückgeführt, sondern daraus erklärt, dafs die Bubastidische Familie, aus welcher Sesonk T., das Haupt der Dynastie, hervorging, Semitischen Stammes und von Asien her in Unterägypten angesiedelt war. Darauf wiesen aulser andern Gründen besonders die unterden Vorfahren desKönigs Sesonk I. sich bereits vorfindenden Namen Sesonk und Namurot deut- lich hin. In gleicher Weise wurden die ebenfalls unägyptischen Familiennamen der Saitiscen XXVI. Dynastie durch ihre Herkunft von einer ursprünglich Libyschen Familie erklärt Dasselbe wurde von der XXIV. und XXVII. Dynastie. welche gleichfalls aus Sais stammten, vermuthet. Diese drei Saitischen Familien sind nach des Verfassers Ansicht in der Listen der Manethonischen Auszügler verstümmelt und bildeter vom 19. Juni 1856. 419 . bei Manethös ursprünglich die fortlaufende chronologische Kö- nigsreihe, neben welcher die Äthiopische und die Persische XXV. und XXVII. Dynastie als Nebendynastieen herliefen. Dafs die ersten Könige der XXVI. Dynastie mit der Äthiopischen gleichzeitig zu setzen sind, wie von dem Verfasser schon frü- her aufgestellt worden (Monatsbericht d. Akad. 1844. Novemb. p- 24 und Chronol. der Ägypter Band I, p. 313), fand sich durch eine Apisstele bestätigt, auf welche vor Kurzem deRoug£& zuerst aufmerksam gemacht hat. LED DE Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preufls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat August 1856. Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg. 4. Aug. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. du Bois-Reymond las über die innere Pola- risation poröser, mitElektrolyten getränkter Halb- leiter. (Siehe die nächste Nummer des Monatsberichts.) Hr. Magnus theilte den folgenden an ihn gerichteten Brief des Hrn. Wurtz in Paris mit: Erlauben Sie mir, Ihre Gefälligkeit in Anspruch zu neh- men, um der Akademie der Wissenschaften in Berlin einige Resultate mitzutheilen, die ich kürzlich erhalten habe, und die Sie vielleicht persönlich interessiren werden. Es ist mir nämlich gelungen, einen Körper darzustellen, der die Mitte hält zwischen dem Alkohol und dem Glycerin, und den ich deshalb Glykol nenne. Er wird künstlich aus öl- bildenden Gas erzeugt, und zwar auf folgende Weise. Äthylen- (Elayl-) Jodür (C* H* J?) wird mit 2 Äquivalenten essigsaurem Silberoxyd trocken vermischt. Sogleich entsteht eine heftige Reaction, die neben anderen Zersetzungsprodukten einen neutralen flüssigen Körper giebt, das zweifach essig- [1856] 32 422 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse saure Glykol. Es entsteht durch doppelte Wahlverwandtschaft nach folgender Weise: Gare ER }o’= 2185..6 109):f0% Es wird durch | gewonnen; denn es ist ohne, E Zersetzung flüchtig. Im reinen Zustande stellt es eine wasser- helle, ganz neutrale, geruchlose Flüssigkeit dar. Es siedet bei 185°; seine Dämpfe haben einen schwachen Essiggeruch. Es ist schwerer als Wasser, in welchem es in grolsen Tropfen niedersinkt. Kali zersetzt dasselbe durch eine wahre Verseifung in essigsaures Kali und Glykol. Viel Was- ser, Alkohol und Äther lösen es auf. Seine Zusammensetzung wird durch folgende Formeln aus- gedrückt C* H* G: H’ Oo? G:18°.0°7:210% Soden ı 2.025 ‚he‘ Hso: C: 3 0: C°H?O je nachdem man für das essigsaure Äthyl die Formeln 4 5 er n 2 } 0 oder WO, CHO annimmt. Um das Glykol aus dem essigsauren Glykol darzustellen, } wird letztere Verbindung mehrere Stunden im Ölbade mit 2 Äquivalenten frischgeschmolzenem und gepulvertem Kalihydratf bei 180° erwärmt und dann bei 250° destillirt. Das Glykol geht dann in flüssigen Tropfen über. Es stellt eine wasser- helle Flüssigkeit dar, die bei 195° siedet und unzersetzt übergeht. Ihre dickflüssige ölige Consistenz erinnert an die des Gly-f cerins, ebenso ihr sülser Geschmack. Sie löst sich in allen Verhältnissen im Alkohol und im Wasser auf. U>H Zusammensetzung: H? to: =C’H°0O°. Glykol un-fi terscheidet sich also vom Alkohol nur durch 2 Äquivalente Sauerstoff. Alkohol nimmt, um Essigäther zu bilden, die Elemente von einem Atom Essigsäure unter Ausscheidung von 2 Äqui- valenten Wasser auf. vom 4. August 1856. 423 Glykol nimmt, um Glycol-Diacetat zu bilden, die Ele- mente von zwei Atomen Essigsäure unter Ausscheidung von 4 Äquivalenten Wasser auf. Glycerin nimmt, um Triacetin zu bilden, die Elemente von 3 Atomen Essigsäure unter Ausscheidung von 6 Äquiva- lenten Wasser auf. Alkohol ist einatomisch, Glykol ist zweiatomisch, Glycerin ist dreiatomisch. Setzen wir für diese drei essigsauren Verbindungen fol- gende Formeln: 370 HRG 2) C: Wo? ) ajperms or 3) CM? 03 C* H’ O?’ C° H’ [0% GC? HB’ 0? so stellt sich hier zum ersten Male in der organischen Chemie das in der anorganischen angenommene Grundgesetz heraus: „dafs die Anzahl der Äquivalente einer Säure, die eine Base sättigt, in einem einfachen Verhältnisse zum Sauerstoff der Base steht.” Alle Silbersalze werden durch Äthylenjodür zersetzt. Diese Methode wird eine grolse Anzahl neutraler Körper liefern, die lin der Mitte stehen zwischen Äthern und festen Körpern. | Propylenbromür C° H° Br? wirkt auf essigsaures Silber- loxyd und liefert das essigsaure Propylglykol. | +43 03 laus welchem durch Kali das Propyl-Glykol selbst, G° H? O%, wird erhalten werden. Acetal ist ein gemischter Äther des Glykols. Seine ra- Itionelle Zusammensetzung kann durch die Formel BE A cc: H>)? 10) ausgedrückt werden. Ich habe gefunden, dals bei der Bereitung des Aldehyds nach Liebigs Methode Acetal sich in nicht un- |bedeutender Menge bildet. 32° 424 Gesammtsitzung vom 7. August 1856. Ferner habe ich die Verbindungen c# CH 10% una: GE ‚}o° cm (C* H?) dargestellt. Ich habe sie durch Destillation von Gemischen aus Alkohol, Holzgeist, Mangansuperoxyd, Schwefelsäure und Was- ) ser erhalten. ! Es sind ätherartige, wohlriechende Flüssigkeiten, die sich vom gewöhnlichen Äther dadurch unterscheiden, dafs sie durch Kali nicht zersetzt werden. ; Die weiteren Details werde ich Ihnen in nächster Bälde mittheilen. 7. August. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Haupt las den ersten Theil einer Abhand- lung über die Erzählung von Apollonius von Tyrus.; An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte. 30. Lieferung. Ber- lin 1856. A4. Revue archeologique. 13m® annee. Livr. 4. Paris 1856. 8. L’Institut. A. Section, no. 1177. Paris 1856. 4. Annales des mines, 1855, Livr. 4. Paris 1855. 8. Mit Ministerial- Rescript vom 2. August 1856. C. Fr. Plattner, Die metallurgischen Röstprozesse. Freiberg 1856. 8. Im Auftrage des Hrn. Verfassers von der Verlagshandlung ein- gesendet. J. G. v. Hahn, Aphorismen über den Bau der auf uns gekommenen Aus- gaben der Ilias und Odyssee. Jena 1856. 8. Mit Begleitschreibenff des Hrn. Prof. v. Hahn in Jena vom 29. Juli 1856. Gesammtsitzung vom 14. August 1856. 425 14. August. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Riedel las: Einige Beiträge zur Charakteri- stik des Churfürsten Friedrich I. Hierauf las Hr. Ehrenberg über 2 neue südameri- kanische Gebirgsmassen aus mikroskopischen Orga- nismen, eine aus Meeresorganismen in Chile und eine als mit gefritteten Sülswasserorganismen gemischten Fvulkanischen efsbaren Tuff aus Honduras in CGentro- Amerika. I. Über einen weilsen halibiolithischen Polirschiefer aus Chile. In der Sammlung geognostischer Felsproben aus der Wüste von Atacama in Chile, welche der schon durch seine früheren ausgezeichneten Arbeiten über die fossilen und jetzt lebenden Conchylien Siciliens so verdienstvolle Preufsische Naturforscher Dr. Reinhold Amandus Philippi, dessen Reisen in Chile neuer- lich grolses Aufsehen und allgemeine Anerkennung erregen, nach | Berlin gesendet hat, befindet sich ein Stück mit der Bezeichnung: „Zripel. Morro de Mejillones” Hr. Weifs, Mitglied der Aka- -) demie, hat mir Kenntnils davon und die Gelegenheit zur mikros- kopischen Prüfung desselben gegeben. Das Handstück ist 24 Zoll im Quadrat und von Zolldicke, von Farbe weils mit nur wenig ins Gelbliche ziehendem Farbe- | tone, leicht abfärbend wie Kreide, von blättrigem Gefüge, sehr leicht von Gewicht. Spuren von Einschlüssen organischer gröfse- .) rer Körper sind weder mit blolsem Auge, noch mit der Lupe zu sehen, doch sind auf den Blätterlagen hie und da rostbraune Färbungen, welche wohl weniger auf Infiltration als auf zersetzte Einschlüsse, in anderen Stücken vielleicht hie und da erhaltener, wei- cher, organischer Körper schlielsen lassen. Ein Tropfen Salzsäure darauf gebracht verursachte nirgends ein Brausen. Durch Glühen färbten sich kleine Bruchstücke erst blalsgrau, dann wieder weilser 426 Gesammtsitzung als vorher und sie fritteten und schmolzen schon in der Spi- ritusflamme deutlich an. Da wo der ausgezeichnete Reisende in der kurzen bisher bekannt gewordenen Reiseskizze, welche zuerst in der Zeitschrift das Ausland No. 2. 35 u. 36 1854 gedruckt und in Hrn. Pe- termann’s Mittheilungen aus der Geographie, Gotha 1856. II. p. 52 wiederholt ist, von dem Morro de Mejillones an der Küste von Bolivia oder Chile, der Grenze von beiden Staa- ten, nahe an 23° S. B. spricht, wird des Tripellagers nicht er- wähnt. Es fehlt daher bisher an einer näheren Bezeichnung der geognostischen Lagerung dieser Felsart. Nur soviel läfst sich aus Dr. Philippi’s Angaben und Gebirgsproben entnehmen, dafs der Morro de Mejillones, dessen Höhe an einer Stelle (wahr- scheinlich durch einen Druckfehler) 2400 Fuls, an einer anderen aber, offenbar mit dem Übrigen übereinstimmender auf 4000 Fuls angegeben wird, bis zur Spitze aus Syenit und Gneis besteht. Die Abhänge sind steil oder durch ungeheure Schuttmassen ab- schüssig gebildet. Zwischen dem 4000’ hohen Küstenfels des Festlandes und dem eben so hohen halbinselartig isolirten Morro de Mejillones ist eine nur 100 Fuls über das Meer sich erhe- bende Niederung, eine Sandebene. Hier an der Nordseite des Morro in traurigster Oede fand Dr. Philippi Leute mit Sam- meln von Guano beschäftigt. Ein gleiches Lager von dürftigem Guano zeigte die kleine Insel Isla blanca an der Südseite des Morro. Die mikroskopische Prüfung dieses südamerikanischen Tripels oder eigentlich Polirschiefer-Gesteins, hat ihn als ein vorherr- schend von unfühlbar feinen marinen Polygastern -Schalen gebil- detes Conglomerat ergeben, welches einige Polycystinen und Geolithien, aufserdem aber nur Schwamm-Nadeln von Meeres- Spongien mit seltenen Glimmerschüppchen und wenig Quarz- sand enthält. Aus 40 nadelkopfgrolsen Theilchen wurden bis- her 83 Formen erkannt: £ 57 Polygastern, 7 Polycystinen, 2 Gebolithien, vom 14. August 1856. 427 15 Phytolitharien, 2 anorganische Formen. Offenbar ist diese Mischung eine reine Meeresbildung wie bisher noch keine, den Guano ausgenommen, aus Süd- Amerika bekannt geworden ist. Sie zeigt keine Beimischung von Süls- wasser- oder Festland- Gebilden, aulser den Zithostylidium und Lithochaeta genannten Körpern, die daher doch Fragmente an- derer Art sein könnten. Sehr auffallend ist der völlige Mangel an Polythalamien und auch an Steinkernen von Polythalamien, wodurch diese Gebirgs- art sich von allen bisher bekannten mittelländischen, virginischen und russischen marinen Polirschiefern und Tripeln unterscheidet. Dagegen tritt eine sehr auffallende Verwandtschaft und fast Gleichheit mit den Guano-Lagern der peruanischen Küste her- vor, deren Formen sogar meist ganz übereinstimmen. Clado- gramma californicum und Rhaphoneis oregonica mögen im dor- tigen Meere weiter verbreitet sein. Es drängt sich daher in diesem Fall die Frage auf, ob nicht das vorliegende schön weilse, blättrige Gestein doch ein Product eines durch gesäuertes Wasser ausgelaugten Guano-Lagers sei. Die leichte Schmelzbarkeit ist ebenfalls auffallend und dadurch vielleicht erklär- bar. Der Umstand, dafs die Guano-Lager bisher nicht am Festlande, nur auf Inseln beobachtet worden, wird durch die Bemerkung des Rei- senden erledigt, dals er daselbst mit Guano-Sammeln beschäftigte Leute angetroffen. Die näheren Mittheilungen des geistvollen Reisenden werden hoffentlich weiteren Aufschluls zu geben im Stande sein. Übersicht der im Tripel von Morro de Mejillones beobachteten Formen. Polygastern: 57. Aectinocyclus Pallas. Actiniscus Pentasterias. Procyon. Tetras. Uranus. Actinocyclus vicenarius. Actinoptychus biternarius. ; Luna. quatuordenarius. Mars. sedenarius. 428 Gesammtsitzung Actinoptychus senarius. Amphitetras gemmata. Chaetotyphla —? Chaetoceros didymus. Cladogonium — ? Cladogramma. californicum. Coscinodiscus concavus. eccentricus. lineatus. minor. Oculus Iridis. radiatus. radiolatus. subtilis. —? Dicladia Capreolus. Dictyocha aculeata. Epiodon. Fibula. Speculum. Dictyopyxis cruciata. Diploneis Rhombus. Crabro. didyma. gemmala. Eupodiscus septenarius. Fragilaria —? Goniothecium Monodon. Grammatophora africana. oceanica. Tabellaria. Periptera —? Pinnularia diomphala. —? —? —? Pyxidicula aspera. Pyxidicula oblonga. Rhaphoneis oregonica. Stephanopyxis, Striatella —? Surirella —? Syndendrium Diadema. Synedra —? Triceratium Reticulum. Zygoceros —? Polycystinen: 7. Chlamidophora. Cycladophora. Dictyospiris. Eucyrtidium. Flustrella. Lithobotrys biloba? Lychnocanium. Geolithien: 2. Cephalolithis. Stephanolithis. Phytolitharien: 15. Amphidiscus brachiatus. sphaerophorus. —? Lithochaeta appendiculata. Lithostylidium angulatum ? Spongolithis acicularis. decus. aspera. Caput serpenlis. cenocephala. Clavus. fissa. Fustis. vom 14. August 1856. 429 Spongolithis nodosa. Anorganische Formen: 2. robusta. Glimmer. tracheotyla. Quarzsand. II. Über einen vulkanischen elsbaren Polirschiefer aus Honduras. Der Königliche General-Consul in Mexico, Hr. Hesse, hat mir 1854 eine Gebirgsart aus der Nähe von Esquipalos in der Tierra del Sennor an der Grenze von Guatimala und Honduras übergeben, welche dort von Frauenspersonen während der Schwan- gerschaft und Reinigung viel genossen wird. Die Probe hat 2 Zoll Durchmesser in der Länge und Breite und 1 Zoll Dicke. Diese Gebirgsart hat folgende Eigenschaften. Es ist eine ziemlich schwere, weilse, thonartige Masse, welche deutliche Schichtungen und Lagen von der Dicke eines Messerrückens zeigt. Die weilse Farbe hat einen ins Bräunliche ziehenden Ton. An einer Stelle findet sich ein eine Erbse grolser Einschluls von blauweilsem Schaumstein. Salzsäure bewirkt kein Brausen. Beim Glühen über der Spirituslampe wird die Farbe erst grau, dann wie früher, mit einem ins Isabellfarbene ziehenden, röthlich gelb- lichen Tone, ohne dafs Schmelzung eintritt. Unter dem Mikroskop bei 3U0maliger Vergröfserung zeigt sich als Hauptbestandtheil der Masse ein sehr feiner meist aus bim- stein- und schaumsteinartigen, blasigen Fragmenten gebildeter Sand mit einem noch feineren körnigen Mulm. Letzterer gleicht dem feinern Thonmulm. Beim polarisirten Lichte ist alles farb- los glasartig. In dem sehr feinen Glassande, dessen Theilchen ‚ häufig kurzzellig und langzellig, oft auch, den Obsidiantrümmern gleich, solide, scharfe, verschiedeneckige Splitter darstellen, liegen viele vereinzelte Organismen und organische kieselerdige Frag- mente, welche nicht selten ganz wohl erhalten bekannten For- men angehören, oft aber auch deutlich so verändert erscheinen, wie starke Hitzegrade die Polygastern und Phytolitharien, nach den von mir seit 1836 mitgetheilten Experimenten, zu verändern pflegen. Es unterliegt keinem Zweifel, dafs diese beigemischten [1856.] 33 430 Gesammtsitzung organischen Formen starken Hitzegraden ausgesetzt gewesen sind, wodurch vielleicht die Hauptmasse derselben allen organischen Charakter verloren hat und jenen scheinbaren Bimsteinsand bil- det, welcher den Hauptbestandtheil der Masse ausmacht. Im Ganzen sind bisher in 20 Analysen nadelkopfgrofser Theilchen 37 Arten nennbarer Formen vorgekommen: 16 Polygastern, 19 Phytolitharien, 2 anorganische Formen. Es ist auch in diesem Fall der auffallende Charakter ganz scharf und reich ausgeprägt, dals unter allen 37 Formen keine einzige Meeresform ist, alle vielmehr den Sülswasserverhältnissen angehören. Da die Probe ganz den Charakter einer massigen reinen Ge- birgsart hat, nicht aber den eines vielartig gemischten lokalen CGonglomerats, so wird eine weitere Aufklärung der geologischen Verhältnisse wünschenswerth. Übersicht der in dem elsbaren vulkanischen Polirschiefer von Esquipalos beobachteten organischen Formen. Polygastern: 16. Phytolitharien: 19. Cocconeis Pediculus. Amphidiseus —? stricta. Lithomesites Pecten. Eunotia amphioxys. Lithodontium Bursa. gibba. nasutum. Fragilaria —? Lithosphaeridium irregulare. Gallionella crenata. Lithostylidium angulatum. distans. calcaratum. granulata. clavatum. procera. Clepsammidium. Gomphonema truncaltum. crenulatum. Navicula —? curvaltum. Pinnularia (gefrittet). denticulatum. —? Hemidiscus. Surirella —? laeve. Synedra Entomon. Ossiculum. Trachelomonas laevis? quadratum. vom 14. August 1856. 431 Lithostylidium rude. Anorganische Formen: 2. Serra. Bimsteinsand. Trabecula. Schaumsteinsand. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur- den vorgelegt: v. Siebold, Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen. Leipzig 1856. 8. Mit Begleitschreiben des Hın. Verf. d. d. Mün- chen 1. Juli 1856. Annales de chimie et de physique. Tome 47, Juillet. Paris 1856. 8. Bulletin de la socicte de geographie. Tome 11. Paris 1856. 8. Comptes rendus de ! Academie des sciences. Tome 43, no. 1—3. Paris 1856. 4. Auguste Dumeril, /chthyologie analytique. Paris 1856. 4. —- Description des Reptiles nouveaux. Deuxieme Memoire. (Paris 1856.) 4. Rapport sur les travaux de la societe' d’acclimalion, en 1855. Paris 1856. 8. — N 5 0 ahnt a ; ; | Sara vebagm hi bee | SIT, x cinad Sea, REIT Zu. Bi 9 f RNRAE haar “ . ıuPr Er, u] aa a EZ El Pius a Pr Au) r Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat October 1856. Sommerferien. Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg. 16. Octbr. Öffentliche Sitzung zur Feier des Geburtstags Sr. Maj. des Königs. Die öffentliche Sitzung der Königl. Akademie der Wissen- schaften am 16. October, zur Nachfeier des Geburtstages Sr. Majestät des Königs, eröffnete der vorsitzende Secretar, Hr. Böckh, mit einer Einleitungsrede. Er stellte in kurzem dar, dals und in welcher Beziehung die Zeit der Regierung Frie- drich Wilhelms des Vierten eine denkwürdige und weltge- schichtlich bedeutende Zeit des Preulsischen Staates sei, und welchen Einflufs der Fürst auf die Entwickelung der Bildung habe, zumal für Kunst und Wissenschaft, endlich wie Sr. Ma- jestät der König diese seit seinem Regierungsantritt gefördert habe. Da nach dem Statute der Akademie an diesem hohen este derselben ein Überblick dessen gegeben werden soll, was von der Akademie im Laufe des Jahres geleistet worden, ing der Sprecher zunächst darauf über, dafs in diesem Jahre ie Ausgabe der Werke Friedrichs des Grolsen, mit welcher e. Majestät der König die Akademie betraut hat, zum Ab- [1856] 34 434 Sitzung der philos.-hist, Klasse vom 20. October. schluls komme, und gab einen Überblick dessen, was dafür ge- leistet worden, worin besonders die Verdienste des Hrn. Prof. Preufs um dieselbe hervorgehoben wurden, der aus Begeiste- rung für den Helden des vorigen Jahrhunderts seine ganzen Kräfte an die Vollendung dieses Werkes gesetzt bat. Der Sprecher gab noch eine Übersicht der übrigen von der Aka- demie geförderten wissenschaftlichen Unternehmungen und der in ihren Versammlungen gehaltenen Vorträge. Hierauf las Hr. Pertz eine Abhandlung über den genuesischen Geschicht- schreiber Caffarus. | 20. Octbr. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Buschmann las eine geographische Schilde- rung des Yutah-Gebiets. 23. Octbr. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Braun las über Parthenogenesis bei Pflanzen. Nachdem derselbe der neueren und neuesten Resultate der Forschungen im Gebiete der Lehre von der geschlechtlichen Fortpflanzung der Gewächse Erwähnung gethan, nach welchen die durch zwei Geschlechter vermittelte Zeugung den Pflanzen ebenso allgemein zukomme, als den Thieren, und sich als ein das ganze Reich der organischen Natur charakterisirendes Lebens- verhältnifs darstelle, macht er auf den sonderbaren Widerspruch aufmerksam, in welchem zu diesem Ergebnils die Erfahrungen zu stehen scheinen, welche in jüngster Zeit unter dem Namen der Parthenogenesis, nicht im Sinne Owens, sondern im Sinne vo Siebold’s, bekannt geworden seien, und wirft die Frage auf, ob solche Erfahrungen nicht auch im Pflanzenreiche vorliegen. Die älteren in dieses Gebiet einschlagenden Beobachtungen und Experimente von Camerarius, Spallanzani, Henschel; Girou de Buzareinges, Ramisch, Bernhardi, so wie die neuerlich im Jardin des plantes zu Paris angestellten vor Gesammtsitzung vom 23. October 1856. 435 Naudin, seien zwar nieht vollkommen beweisend, jedoch von solcher Art, dals ein unbefangenes Urtheil über dieselben im Allgemeinen zu Gunsten der Parthenogensis ausfallen müsse. Geeigneter zur Entscheidung der Frage sei eine blols in weib- lichen Exemplaren in den europäischen Gärten vorhandene exo- tische Pflanze, die von J. Smith beschriebene Caelebogyne üicifolia, ein neuholländischer Strauch aus der Familie der Eu- phorbiaceen, dessen Geschichte, soweit sie bisher bekannt war, der Vortragende mittheilte. Die Behauptung J. Smith’s, dals diese Pflanze ohne die Anwesenheit männlicher Blüthen oder irgend welcher Pollen erzeugender Organe nichts desto we- niger regelmälsig Früchte ansetze, welche normal gebildete und mit keimfähigem Embryo versehene Samen enthalten, und aus welchen der Mutterpflanze völlig ähnliche Sämlinge er- wachsen, bestätige sich im Berliner botanischen Garten voll- kommen, doch lasse die Beschreibung der Pflanze von J. Smith manche Lücken, welche der Vortragende auszufüllen suchte. Derselbe giebt insbesondere eine nähere Beschreibung der am Kelch und den Bracteen vorkommenden Drüsen, deren klebri- gem Safte Smith eine befruchtende Wirkung zuzuschreiben geneigt war, und zeigte, dals sie im Bau nahe übereinstimmen mit den Nectar absondernden Drüsen auf der Rückseite der Blätter von Prunus Laurocerasus und an den Blattstielen von Ricinus. Der Same der Caelebogyne unterscheide sich von dem der meisten andern Euphorbiaceen durch den Mangel einer deutlich abgesonderten Caruncula, habe übrigens im Bau der Samenhäute Ähnlichkeit mit dem Samen von ARicinus und an- dern Gattungen der Familie. Der Embryo bilde sich nach den auf seinen Wunsch im botanischen Garten gemachten Unler- suchungen von Hrn. Deecke in einem sehr verlängerten Em- bryonalsack, indem sich von meist zweien innerhalb der Spitze desselben vorhandenen ovalen Keimbläschen das eine entwickle und zwar zunächst durch eine horizontale Theilung in eine obere, der Spitze des Keimsacks zugewendete Zelle, welche einen kurzen, sich nicht weiter entwickelnden und bald ver- schrumpfenden Embryoträger darstelle, und in eine untere, frei in den Keimsack hineinragende, welche durch weitere Zellthei- lung zur Embryokugel anschwelle, die bald die ersten Anfänge 34* 436 Gesammtsitzung der zwei Cotyledonen zeige. Ein Pollenschlauch wurde bei sehr zahlreichen Zergliederungen ein einziges Mal beobachtet, dessen Vorkommen unzweifelhaft zufällig sei und von irgend einer fremden Pflanze herrühre. Dieses Resultat werde voll- kommen bestätigt durch die von Dr. Radlkofer ungefähr um dieselbe Zeit in London gemachten Untersuchungen, doch habe dieser nach briellichen Mittheilungen öfters 3 Keimbläschen und zuweilen eine Entwicklung zweier, ja selbst dreier Keimbläs- chen in demselben Oyulum gesehen. Einen Pollenschlauch habe er niemals, einmal jedoch ein ohne Zweifel fremdes Pol- lenkorn auf der Narbe gefunden. Die Frage endlich, ob Cae- lebogyne eine Pflanze sei, welcher das männliche Geschlecht ganz abgehe, wofür das Vorkommen blofs weiblicher Exemplare in den Gärten zu sprechen scheine, oder vielmehr eine diöcische Pflanze, deren männlicher Stock bisher unbekannt geblieben, erledige sich durch die Mittheilung von W.J. Hooker in Kew, der männliche Exemplare aus Neuholland im Herbarium besitze und die ähren- oder kätzchenförmigen männlichen Blüthenstände ı zur Untersuchung eingesendet habe. Die männliche Blüthe sei sitzend, habe einen kugelig geschlossenen, später wahrschein- lich viertheilig geöffneten Kelch und 8 Staubgefälse mit extror- sen Antheren, die einen Blüthenstaub enthalten, der dem von Mer- curialis annua ähnlich sei. Dadurch lasse sich die Gattung be- stimmter als bisher charakterisiren und werde als von allen sonst bekannten Euphorbiaceen wirklich generisch verschieden bestätigt. Hr. H. Rose las über die Verbindungen des Tan- tals mit Fluor. Das Hydrat der Tantalsäure löst sich schon bei gewöhn- licher Temperatur in wässriger Fluorwasserstoffsäure zu einer klaren Flüssigkeit auf. Die Auflösung trübt sich nicht durchs Erhitzen, auch nicht durchs Zusetzen von Schwefelsäure. Man kann die Lösung, mit Schwefelsäure versetzt, durchs Abdam- pfen concentriren, ohne dals Tantalsäure sich ausscheidet. Nur wenn sie zu einem kleinen Volumen gebracht worden ist, wird sie etwas trübe; beim ferneren Abdampfen aber, wenn die vom 23. October 1856. 437 Schwefelsäure econcentrirt worden ist, löfst sich durch Erwär- men die ausgeschiedene Tantalsäure wieder auf. Wird die Lösung der Tantalsäure in Fluorwasserstoff- säure erhitzt und abgedampft, so verflüchtigt sich Tantaltluorid; es bleibt ein Rückstand, aus dem beim Glühen ein weilser Rauch von Tantalfluorid entweicht, während Tantalsäure zu- rückbleibt. — Auch wenn man zu der Lösung der Tantalsäure in Fluorwasserstoffsäure Schwefelsäure setzt, so kann durchs Abdampfen und durch Verjagung der Schwefelsäure nicht die ganze Menge der Tantalsäure wieder erhalten werden; es ist jedoch der Verlust nur ein sehr geringer. Geglühte Tantalsäure löst sich nicht in Fluorwasserstoff- säure auf. Wenn man sie damit abdampft, Schwefelsäure hin- zufügt und den trocknen Rückstand in einer Atmosphäre von kohlensaurem Ammoniak glüht, so erhält man die ganze Menge der angewandten Tantalsäure wieder. Mit Fluorammonium ge- mengt und geglüht, wird aber die geglühte Tantalsäure gänz- lich verflüchtigt. Das Tantaifluorid hat, wie das schon Berzelius hervor- gehoben hat, eine ausgezeichnete Neigung sich mit Fluorme- tallen zu Doppelverbindungen zu vereinigen. Mit Fluorkalium verbindet es sich in mehreren Verbält- nissen, und auch Berzelius hat keine einfache Verbin- dung, sondern Mengungen oder Zusammenkrystallisirungen von KF-+ TaF? und von KF+2TaF? erhalten. — Mit Fluor- natrium aber erhält man die Verbindung NaF + TaF?, welche freilich nicht dem neutralen tantalsauren Natron entspricht. Hr. J. Grimm las über die runische Inschrift am Löwen von Venedig. Von herrn Rafn in Kopenhagen, correspondierendem mit- gliede der akademie, geht uns eine gelehrte abhandlung zu be- titelt inseription runique du Piree, publiee par la societE royale des antiquaires du nord. Wer zu Venedig war, hat dort am eingang des arsenals einen marmornen löwen stehn gesehn, auf welchem bei näherer betrachtung schrift eingehauen erscheint. diesen löwen hatten die Venetianer im jahr 1687 bei der ein- 438 Gesammtsitzung nahme von Athen aus dem Piraeus als siegszeichen heimgeführt und aufgestellt. im athenischen hafen am ufer war lange jahr- hunderte hindurch sein stand gewesen und der Piraeus führte davon den namen porto Leone. Auf die alte inschrift richtete sich die aufmerksamkeit erst spät, es ist nicht bekannt, dasz vor dem schwedischen reisenden Äkerblad am schlusz des verflossenen jahrhunderts irgend jemand sie betrachtet hätte, die sonne hatte die züge ausgebleicht, der regen ausgewaschen, wären griechische oder lateinische buchstaben hervorgetreten, so würden sie früher angezogen ha- ben. jener Schwede erkannte endlich darin nordische runen und nach seiner ungenauen, unsicheren abzeichnung wurden sie verschiedentlich herausgegeben und besprochen. es kam vor allem auf bessere, vollständigere copien an. im sommer 1834 reiste deswegen Rafn mit dem bekannten runologen Finn Magnusen und mit Theophilus Hansen, der später bau- meister zu Athen ward, nach der inselstadt, anfangs konnten sie bei hellem tag gar keine schriftzüge auf dem löwen ent- decken, bis sie endlich nach sonnenuntergang in dem dämmern- den licht sichtbar wurden und sich abzeichnen lieszen. man versäumte nicht gipsabgüsse zu machen und mitzunehmen. Die allmäliche, wiederholte betrachtung aller zeichnungen und abdrücke hat, nachdem man erst nur die entzifferung ein- zelner wörter erwartet und erstrebt hatte, zuletzt so weit ge- führt, dasz es möglich wurde in den vollständigen sinn der in- schriften zu dringen und aus dem inhalt schlüsse auf ihre ur- heber und die zeit, in welcher sie eingehauen wurden, zu machen. Die inschrift auf des löwen linker seite besagt in altnor- discher sprache, dasz Hakon im verein mit Ulf, Asmund und Örn den hafen eroberten und dasz diese männer und Harald der hohe dem griechischen volk wegen eines aufstandes be- trächtliche geldbuszen auflegten; dann werden noch drei ihrer landsleute genannt, die wegen abwesenheit an der waffenthat keinen theil genommen hatten. Harald der hohe, anführer des zugs, scheint Harald Sigurdson halbbruder königs Olaf des hei- ligen. nachdem Olaf in der schlacht bei Stiklastad gefallen war, entfloh Harald nach Gardarike und dann nach Constantinopel, vom 23. October 1856. 439 _ wo er im j. 1033 anlangte. zehn jahre lang blieb er als an- führer der Väringe in griechischen diensten, worauf er nach Gardarike zurückkehrend dort -Ellisif, die tochter des grosz- fürsten Jaroslaw heiratete und wieder in seine heimat reiste; erst mitregent Magnus des guten wurde er nach dessen tode im j. 1047 alleiniger könig. Die Väringe wurden von den Griechen in verschiednen theilen des reichs verwandt. in den jahren 1034—1035 hiel- ten sie winterquartier im Sen Opazyriuv, das die innern theile von Karien, Lydien und Phrygien umfaszte, wie Kedrenos mel- det. Unerschwingliche lasten, welche Joannes, minister des kaisers Michael, dem volk auferlegte, riefen misvergnügen und aufstände hervor. in einem aufstande der Bulgaren wurde Epi- rus und Achaia überzogen, alle städte der provinz Nikopolis, Naupaktos ausgenommen ergaben sich den aufrührern. Ins jahr 4040 scheint die in der runenschrift erwähnte empörung des Griechenvolks und die dadurch herbeigeführte eroberung des Piraeus zu fallen. Der löwe musz schon damals dort gestan- den haben, die Nordmänner lieszen das andenken an ihre that darauf einhauen. Die runen auf der rechten seite nennen die namen der Nordmänner, welche sie auf Haralds befehl einhauten, obgleich die Griechen es untersagten. dieser auffallende letzte satz wird gelesen: puat Grikiar uf hugsapu auk banapu, obgleich die Griechen darüber nachdachten und es verbannten, mit bann belegten, untersagten. es ist jedoch von banapu das einzige erste a sichtbar, sonst kein buchstab und die vermutung hat gerade bei dieser anziehenden stelle weiteren spielraum. die deutlich vorhergehende conjunction poat, obschon, scheint al- lerdings ein folgendes wort des verbots zu rechtfertigen. Dasz den Griechen das eingraben der fremden inschrift anstöszig und zuwider war, läszt sich denken, doch die runen und deren sinn verstanden sie kaum. auch konnten sie die inschrift späterhin wieder tilgen und auslöschen, sie sahen wol nichts darin als eingegrabne eigennamen; vielleicht liesze sich der satz in an- derm sinn ergänzen. Herr Rafn verheiszt noch ein ausführlicheres werk über diese inschrift, schon wie es gegenwärtig vorliegt ergibt es 440 Gesammtsitzung willkommne aufschlüsse für die geschichte und für die nordi- schen runen. Wir sind in den stand gesetzt hier einen ab- klatsch der inschrift linker seite, wie sie in dem dänischen buch gegeben ist, folgen zu lassen. vom 23. October 1856. 441 An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur- den vorgelegt: Verhandlungen der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die ge- sammten Naturwissenschaften. 39. u. 40. Versammlung. St. Gal- len 1854. 1855. 8. Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften. Band 14. Zürich 1855. A4. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre 1855. Bern 1855. 8. Geschichtsblätter aus der Schweiz. 2. Band, 5. Heft. Luzern 1856. 8. Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. 3. Heft. Ba- sel 1856. 8. Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen. 4. Band, Lieferung 2. Berlin 1856. 4. Journal für Mathematik, von Crelle. 52. Band, Heft 4. Berl. 1856. 4. Jahrbuch der K. K. Geologischen Reichsanstalt. 6. Jahrgang, Heft 4. Wien 1855. 4. Abhandlungen der math.-phys. Klasse der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. 5. Band, Seite 1—377. Leipzig 1855—56. 8. Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Gesellschaft der Wis- senschaften. Phil.-hist. Klasse. 1855, 3. 4. 1856, 1.2. Mathem.- phys. Klasse. 1854, 3. 1855, 1. 2. 1856, 1. Leipz. 1854—56. 8. Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. 10. Bd., Hit. 4. Leipzig 1856. 8. Gemeinnützige Wochenschrift. 6. Jahrgang. no.1—35. Würzb, 1856. 8. The Quarterly Journal of the geological Society. Vol. XII, Part. 3. Lon- don 1856. 8. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Vol. 146, Part 1. London 1856. 4. Proceedings of the Royal Society. Vol. VIII, no. 19—22. London 1856. 8. Transactions of the Royal Irish Academy. Vol. XXIN, Part 1. Dublin 1856. 4. Proceedings of the Royal Irish Academy. Vol. VI, Part 3. Dublin 1856. 8. Report of the 25. meeting of the British Association for the advancement of seience. London 1856. 8. Astronomical Observations made at the Royal Observatory, Greenich, in the year 1854. London 1856. 4. The American Journal of science and arts. Vol. XXI, no. 64. New- Haven 1856. 8. > Bibliotheca indica, ed. Roer. Fasc.110—129. Calcutta 1855, 8. u. 4. 442 - Gesammitsilzung Revue archeologique. A3m® annee, Livr. 5. 6. Paris 1856. 8. Comptes rendus des seances de FAcademie des sciences. Tome 43. no. 4—12.. Paris 1856. 4. Bulletin de la sociele de geographie. Quatrieme serie, Tome 11. Pa- ris 1856. 8. Annales des mines. 5we Serie, Tome 8. Livr. 5. Paris 1855. 8. Annales des sciences physiques et naturelles. Zme Serie. Tome VII, Par- tie 1. Lyon 1855. 4. Annales de la societe Linneenne de Lyon. Nouvelle Serie. Tome II. Lyon 1855. 8. Annales de Facademie des sciences de Lyon. lasse des lettres. Tome 4. Lyon 1854—1855. 8. Classe des sciences. Tome 5. 6. Lyon 1855 —1856. 8. Annales de chimie et de physique. Aoüt— Septembre. Paris 1856. 8- Mnemosyne, Vol. V, Fase. 3. Leyden 1856. 8. Natuurkundige Verhandelingen var de Hollandsche Maatschappij der W e- tenschappen te Haarlem. Deel XI. Haarlem 1856. 4. Rendiconto della Societa reale borbonica. Nuova Serie, Anno IV. Na- poli 1855. 4. Alti del® Accademia pontificia de Nuovi Lincei. Anno VI, Sessione 2-5. Roma 1855 — 1856. 4. Öfversigt af Kongl. Vetenskaps-Academiens Förhandlingar, 1853. Stock- holm 1856. 8. Kongl. Vetenskaps-Academiens Handlingar, för är 1853. 1854. Stock- holm 1855 —1856. 8. Resumea de las actas de la Real Academia de ciencias de Madrid, 1851— 1853. Madrid 1853. 1854. 8. Memorias de la Real Academia de ciencias de Madrid. Tomo I, Parte 3. Tomo II, Parte 1. Madrid 1853 — 54. 4. Karl Müllenhoff, Über die Weltkarte und Chorographie des Kaiser Augustus. Kiel 1856. 4. Godard, Recherches sur les Monorchides. Paris 1856. 8. Mit Schrei ben des Hrn. Verf. d. d. Paris 7. Sept. 1856. Histoire secrete de Justinien par Procope, traduite par Isambert. Par- tie 1. 2. Paris 1856. 8. Mit einem Begleitschreiben des Hrn! Verf. vom 25. Juli 1856. v. Kokscharow, Materialien zur Mineralogie Rufslands. 21. Liefe) rung. Petersburg 1856, 8. Lowe, Natural history of Ferns. Part 1 — 16. London 1856. 8. (J.B. Monfalcon) Origines et bases de Vhistoire de Lyon. Vol. Lyon 1855. 4. vom 23. October 1856. 443 Saalschütz, Archäologie der Hebräer. 2. Theil. Königsberg 1856. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verf. vom 24. Sept. 1856. Etudes agricoles de reforme de Ruysselede et de Beernem. \Vllm® Rap- port. Bruxelles 1856. 4. Mit Ministerialschreiben vom 23. Au- gust 1856. du Vivier de Streel, Za Cineide ou la vache reconquise. Bruxelles 1854. 8. Poesies wallones. No.1.2. Liege 1842. 8. Giornale astronomico e meteorologico del Osservatorio di Palermo. Vol. 1. Palermo 1855. 4. C.F. Freitag, das mechanische Verhalten bei der Bewegung des W as- sers. Naumburg a.d.$. 1856. 8. NebstSchreiben des Hrn. Verf. "vom 31. Aug. 1856. Gianotti, Prove incontestabili della vera quadratura del circolo. Ca- sale 1856. 8. - Saggio di calcolo originale. Casale 1856. 8. Fr. Mandoj-Albanese, Corso di geomeltria elementare. Torino 1856.. 8. Unter dem 19. August 1856 hat der vorgeordnete Hr. Mi- nister genehmigt, dafs die Akademie die botanischen Unter- suchungen des Dr. Schacht in Madeira durch die Summe von 400 Rithlr. unterstütze. Hr. Encke berichtete, dals er am 15. September von Hrn. Alex. von Humboldt einen Abdruck des Briefes des Prin- zen Napoleon vom 20. Aug. 1856, welcher in den Comptes rendus de l’Academie des Sciences Tome XLIII. Seance du 8. Sptbr. 1856 eingerückt ist, zugesandt erhalten habe, mit "dem Auftrage ihn dem Wunsche des Secretairs des Institut, Hrn. Elie de Beaumont, gemäls der Akademie mitzutheilen. Der Brief betrifft das Auswerfen von Flaschen auf der Fahrt der Reine-Hortense, an deren Bord der Prinz Napoleon die nordischen Meere besucht hat. Hr. Encke legte den Brief vor, und bemerkte dals für die Veröffentlichung desselben in deutschen Zeitungen, nach dem Wunsche des Hrn. Elie de Beaumont, Schritte gethan worden seien. 444 Gesammtsitzung 30. October. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Klotzsch hielt einen Vortrag über Philipp Schön- lein’s botanischen Nachlals auf Gap Palmas in West- Afrika. Derselbe berichtete ferner über eine Nachricht aus der in London erscheinenden Agricultural- Gazette vom 11. October d. J. no. 41, nach welcher es durch Samenregeneration, ohne künstliche Kreuzung des Pollens, in England gelungen ist, Avena sativa (den Saat-Hafer) auf dürftigem, unfruchtbarem Boden in ! Avena fatua (den wilden oder Wind-Hafer) und Avena fatua auf fruchtbarem Boden in Avena sativa überzuführen. Er fügte hinzu, dals es in zwei Richtungen von Wich- tigkeit werden dürfte, wenn sich diese Angabe bestätigen sollte. Einmal würde dem Landwirth hierdurch eine gute Gelegenheit geboten, aus der ursprünglichen Stammpflanze des Saat-Hafers eine Sorte zu erzielen, die vortheilhafter für manche Boden- arten und gewisse klimatische Verhältnisse werden können; zweitens würde die Pflanzen-Systematik alle der sogenannten Species, bis auf eine ledig, welche den Ökonomen unter dem Namen Rispen-Hafer bekannt sind. Hierauf trug Hr. Gustav Rose Bemerkungen über die Beschaffenheit und Lagerungsverhältnisse der Gesteine im Riesen- und Isergebirge vor. Das Riesengebirge und das Isergebirge bestehen zum gröls- ten Theil aus einer Gebirgsart, die man früher Granit genannt, die der Verfasser aber als eine eigenthümliche Gebirgsart un- terschieden und mit dem Namen Granitit bezeichnet hat, um auch in dem Namen die Verwandtschaft mit dem Granit anzu- geben. Sie ist ungeachtet ihrer grolsen Verbreitung doch von einer in Erstaunen setzenden Gleichförmigkeit, ein grobkörniges Gemenge von Feldspath, Oligoklas, Quarz und schwarzem Glimmer; die gänzliche Abwesenheit des weilsen Glimmers und die bedeutende Menge des Oligoklas unterscheidet sie vom Granit; dabei ist ihr Feldspath gewöhnlich von rother Farbe, und in grölseren Individuen als die übrigen Gemengtheile vor- handen, wodurch sie ein porphyrartiges Ansehen erhält. vom 30. October 1856. 445 Granit findet sich auch im Isergebirge; er umgiebt den Granitit in einem 4 Meilen langen Streifen von Tannenwald bis Reichenberg, ist aber, obgleich an ihn angränzend scharf von ihm geschieden. Sein weilser Glimmer, der sich neben dem schwarzen bei ihm findet, zeichnet ihn gleich von dem Granitit aus; aulserdem ist sein Feldspath weils, Oligoklas nur in geringer und Quarz in grolser Menge und in grolsen Indi- viduen vorhanden; diese ragen auf der verwitterten Oberfläche der Felsen hervor, und machen den Granit sehon von fern kenntlich. Der Feldspath ist nicht in so grolsen Individuen vorhanden wie beim Granitit, die Struktur des Gesteins mehr gemeinkörnig. Die Gränze zwischen beiden Gesteinen ist auf der Karte genau zu ziehen, wiewohl man sie in der Natur gewöhnlich mit Dammerde bedeckt findet; doch kommen Stellen vor, wie in dem Flufsbette der Desse bei ihrer Vereinigung mit der Kamnitz, wo sie ganz entblölst ist, so dals man sie mit der Hand bedecken kann. Die Gränzfläche scheint hier senkrecht niederzuseizen, und ist auf diese Weise für die Bestim- mung der Altersverhältnisse des Granits und Granitits nicht entscheidend, doch ergiebt sich aus der Vergleichung aller Um- stände, dals der Granitit neuer, und später an die Oberfläche der Erde getreten sei, als der Granit. Auf der Nordseite umgiebt den Granitit ein grobflasriger Gneils, der aber stellenweise seine flasrige Struktur ganz ver- liert und grobkörnig erscheint, so dals man ihn in Handstücken leicht mit Granit verwechseln kann. In der Natur sieht man ihn aber in diesem Fall doch bald wieder in einen flasrigen und zuweilen ganz dünnschiefrigen Gneils übergehen, so. dafs man an die Gneilsnatur des Gesteins nicht zweifeln kann. Es ist daher kein Gneils-Granit, wie das Gestein von v.Raumer ge- pannt ist, sondern Granit-Gneils, wenn man es so nennen will. Es ist durch seinen blaugefärbten Quarz, bläulichweilsen Feld- spath, schneeweilsen Oligoklas und schwarzen Glimmer ausge- zeichnet. Es bildet den hohen Iserkamm, erhebt sich in der Tafelfichte bis zu einer Höhe von 3400 Fuls, fällt dann west- wärts plötzlich ab, setzt aber weiter fort durch die Lausitz und Sachsen bis zur Elbe. In diesem Gneils findet sich ein mächtiges Glimmerschie- | ferlager, welches auf der Ostseite in Voigtsdorf bei Warm- brunn anfangend in einem grolsen Bogen über Querbach, Gieh- ren, Flinsberg bis nach Raspenau bei Friedland über 5 Meilen weit fortsetzt, und an beiden Enden am Granitit abschneidet. Das Gestein desselben enthält in einiger Entfernung vom Gra- nitit gewöhnlich grünen, in grolsen in einander verfilzten Blät- tern krystallisirten Glimmer und ist gerade- und dünnschiefrig, so dals es in grolsen Platten bricht; nur in der Nähe des Gra- 446 Gesammtsitzung nitits zeigt es merkwürdiger Weise eine ganz andere Beschaf- fenheit, indem der Glimmer kleinschuppig und braun geworden. ist. Dieselbe Beschaffenheit hat durchgängig auch ein kleineres Glimmerschieferlager, welches südwärts vom vorigen seiner gan- zen Länge nach an den Granitit gränzt, und zwischen ihm und dem Gneils gelegen, den schwarzen Berg, den Hochstein und den Preilselbeerberg bildet. Man sieht hier also offenbar eine‘ Einwirkung des Granitits auf den Glimmerschiefer, was, da er selbst ein krystallinisch schiefriges Gestein ist,' recht bemerkenswerth erscheint. Das grofse Glimmerschieferlager ist nun auf eine merk- würdige Weise durch Querthäler zerrissen, in seinem Zusam- menhang unterbrochen, und an den verschiedenen Stellen un- gleich gehoben und verschoben. Der Verfasser hat schon bei einer früheren Gelegenheit auf diels Verhältnifs bei Flinsberg aufmerksam gemacht. Der Queis, der in dem Gneils nord- wärts vom hohen Iserkamm nach N.W. flielst, wendet sich bei Flinsberg unter rechtem Winkel nach N.O. und durchschneidet das Glimmerschieferlager. Westlich vom Queis liegt hier der Hasenberg, dessen Schichten unter 40— 50° nach N. fallen, und auf den Queis zustreichen, aber ostwärts jenseits des Queis findet sich kein Glimmerschiefer, sondern der aus Gneils be- stehende Geiersberg, und Glimmerschiefer erst eine gute Vier- telstunde weiter nördlich bei Krobsdorf. Hier ist also der Geiersberg gehoben und der Glimmerschiefer von seiner Höhe fortgeführt. Dieselben Erscheinungen wiederholen sich mil fast noch auffallenderen Verhältnissen weiter westwärts im Thal der Schwarzbach, finden sich aber aulserdem in all den vieler} Querthälern, von denen das Glimmerschieferlager durchsetz’ vom 30. October 1856. A447 wird; nie correspondiren sich die gegenüberstehenden Seiten, die Gränzen zwischen Gneils und Glimmerschiefer bilden einen förmlichen Zickzack; der Gneils dringt oft in spitzen Keilen tief in den Glimmerschiefer hinein, wie auf der Westseite der Tafelfichte, und unterbricht bei Raspenau das äufserste west- liche Ende lostrennend, den Zusammenhang des Lagers gänz- lich. Aber solche Zerreilsungen des Zusammenhangs und solche Veränderungen in der ursprünglichen Lage der Schichten zeigt ' nicht blofs der Glimmerschiefer, sie finden auch beim Gneifs statt, denn der ganze hohe Iserkamm westwärts von dem wei- fsen Flins, der Cornelsberg, das Heufuder bis zur Tafelfichte enthält keinen festen Fels, das ganze Gebirge ist nur ein Hauf- werk von Blöcken und Trümmern. Weniger zertrümmert ist das dem Granitit unmittelbar anliegende Glimmerschiefergebirge, aber die Schichten desselben sind an der Gränze des Granitits stellenweise mauerartig in die Höhe gerichtet und bilden so die als Aussichtspunkte berühmten Stellen des Hochsteins und der Abendburg. Nichts zeigt wohl deutlicher den eruptiven Charakter des Granitits. Offenbar sind durch sein Hervordrin- gen alle diese Zertrümmerungen des Gneilsgebirges, und die Hebungen und Zerreilsungen des Zusammenhangs in dem Glim- merschieferlager hervorgebracht; Wirkungen, welche, wenn auch weniger merklich, sich noch in weiter Ferne von dem Granitit nachweisen lassen. Diese Zerreilsungen und Zertrüm- merungen kommen auch auf der S.W.seite bei dem Granite vor, woraus wohl auf das höhere Alter des Granits geschlossen werden kann. Auf der Nordwestseite des Granitits findet sich nun die grolse Basaltformation, deren Mittelpunkt der Schloßsberg von Friedland ist, von wo sie sieh nach allen Seiten verbrei- tet. Der Basalt derselben ist sehr fest und schwarz mit ver- hältnilsmälsig nur wenigen und kleinen Olivin- und Augitkry- stallen, und ist oft wie an dem Schlolsberg selbst in prächtigen Säulen abgesondert. Er durchbricht den oben geschilderten Gneils, mit dem man ihn oft hart aneinander gränzen sieht, wie “an der Wittich bei Kunnersdorf, findet sich aber aulserdem noch mit Phonolith und einer grolsen Ablagerung von Sand zusam- men, der in manchen Lagen fein, und dann theils weils theils 448 Gesammtisitzung braun ist, sehr häufig aber als ein grober Kies erscheint, wo- rin sich aufser den vorherrschenden Quarzstücken Geschiebe von schwarzem Kieselschiefer, von Feuerstein und von nordi- schem Granit finden.*) Er ist hiernach wohl für nichts an- deres als für Diluvialsand zu halten, wenn gleich an einigen Stellen Braunkohlenlager unter ihm vorkommen, wie bei Wu- stung an der Wittich, oder Thonlager', die hier noch bitumi- nöses Holz enthalten wie bei Friedland**). Basaltgeschiebe finden sich in ihm in der Regel nicht; sie bilden aber oft über ihm eine mehrere Fufs mächtige Decke, wie besonders in der Kiesgrube südlich von dem Geiersberg bei Friedland, wo die Basaltgeschiebe oft Fulsgröfse haben; die wenigen, die zuwei- len in ihm vorkommen, scheinen von oben hereingekommen zu sein, denn man sieht oft in manchen Kiesgruben gerade Kanäle von ihnen bis zur Höhe sich hinziehen. Dieser Sand hat ganz den Anschein, als wäre er vom Ba- salt gehoben, daer oft ganz von ihm und dem Phonolithe ein- geklemmt wird, wie auf der West- und Südseite des Geiers- berges, und abgesonderte Parthien von ihm von dem Basalt- plateau getragen werden, wie auf der Südseite von Friedland. Dennoch wäre es aber noch zu voreilig, hieraus wie auch aus der Abwesenheit der Basaltgeschiebe in ihm auf ein jüngeres Alter des Basaltes zu schliefsen und denselben der Diluvialzeit zuzurechnen. Der Phonolith, der sich hier findet, bildet drei grolse Berge, den Priedlanzer Berg im Westen, und den Geiersberg und grofsen Hayn im Osten von Friedland, von denen der letz- tere der höchste und ausgedehnteste ist. Sie erscheinen als die östlichsten Ausläufer der grofsen Phonolithmassen des böhmi- schen Mittelgebirges, die sich durch Sachsen und die Lausitz bis hierher ziehen. Weiter ostwärts in Polen, Rufsland und Sibirien ist kein Phonolith bekannt. Er ist bei Friedland wie auch häufig an andern Orten von Basalt umgeben; das macht *) Aulser kleinen eingemengten Geschieben liegen erratische Blöcke von ganz bedeutender Grölse oft ganz auf der Höhe der Sandberge. *“) Die Braunkohlen von Wustung und die Thonlager bei Friedland werden abgebaut. % B vom 30. October 1856. 449 schon seinen neuern Ursprung wahrscheinlich, der Verfasser hat hier aber noch bestimmtere Beweise für diese Meinung ge- funden. An der Südseite des Geiersberges nämlich treien an der Stralse nach Liebwerda bei der Steinwegbrücke noch einmal Phonolith und Basalt unter dem bedeckenden Sande hervor, sie sind in dem Chausseegraben schön entblöfst, und wenn auch schon verwittert, doch noch deutlich erkennbar, und hier sieht man den Phonolith Stücke von Basalt einschlielsen, so deut- lich, dals darüber kein Zweifel stattfinden kann. Hiernach ist also offenbar der Phonolith neuerer Entstehung als der Basalt. Hr. Encke legte photographische Zeichnungen des Mondes von Hrn. Secchi in Rom vor. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: | Chronicon Placentinum et Chronicon de rebus in Italia gestis, ed. Huillard- Breholles. Parisiis 1856. 4. Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. Annee 1856, no. 2, | , Moscou 1856. 83. ; | ‚ Verhandlungen der phys.-medizinischen Gesellschaft in Würzburg. 7.Bd., Heft 2. Würzburg 1856. 8. Marignac, Hecherches sur les formes cristallines et la composition chi- mique de divers sels. (Geneve 1856.) 8. Studien des Göttingischen Vereins bergmännischer Freunde. 7. Bandes Heft 1. Göttingen 1856. 8. DelaRive, Des experiences de M. Volpicelli sur la polarite electrosta- tique. (Geneve 1855.) 4. Reinaud, /apport sur le tableau des dialectes de !’Algerie de M. Ges- lin. Paris 1856. 8. —- Deseription d’un fusil oriental. (Paris 1856.) 8. Vicomte de Rouge, Le po@me de Pen-Ta-Our. Paris 1856. 8. Corpus Inscriptionum Graecarum. 'Tomus IV, Fasc. 1. Berolini 1856. Folio. Elias Durand, Plantae Kaneanae groenlandicae. (Philad. 1856.) 4. Förhandlingar vid de Skandinaviske Naturforskames sjette möte i Stock- holm. Stockhulm 1855. 8. [1856.] 35 450 Nachtrag Nachtrag zur Sitzung vom 4. August. Hr. du Bois-Reymond las „über die innere Pola- risation poröser, mit Elektrolyten getränkterHalb- leiter.” a In der am 17. Juli der Akademie gemachten Mittheilung habe ich eine neue Art von Polarisation beschrieben, welche ihren Sitz an der Grenze ungleichartiger Elektrolyte hat, die vermöge ihrer verschiedenen Dichte auf einander gelagert sind. Im Folgenden werde ich eine zweite Art von Polarisation be- schreiben, die sich in solchen Theilen von Kreisen bemerklich macht, welche scheinbar nur aus Elektrolyten bestehen, und die sich mit jener ersten Art, wenn nicht zu ihrer Scheidung besondere Vorkehrungen getroffen sind, algebraisch zu sum- miren pflegt. Die Vorrichtungen zur Beobachtung derselben sind im Wesentlichen ganz dieselben, die in der vorigen Abhand- lung vorkamen, eine vielgliedrige Grove’sche Säule, der Mul- tiplicator von 24160 Windungen, die beiden Paare von Zu- leitungsgefälsen, und die Wippe nebst dem sie in gegebenen Zeiträumen bewegenden Uhrwerk. Ebenso sind stets dieselben Vorsichtsmalsregeln wie dort, hinsichtlich der Isolation der beiden Kreise von einander, der Gleichartigkeit des Multipli- catorkreises u. d. m., als mit äulserster Sorgfalt getroffen zu denken. Man stelle sich nun die Vorrichtung in der oben S. 401, 402 beschriebenen Gestalt vor, wo die beiden Paare von Zuleitungs- gefälsen mit Zuleitungsbäuschen versehen, und über dieselben gebrückte Hülfsbäusche an Stelle der Hülfsgefälse getreten sind. Wir wollen dies die Hförmige Anordnung nennen, da, wenn die Hülfsbäusche sowohl als der über sie gebrückte durch- strömte Bausch von der Art sind, die ich die* balkenförmige nenne (S. oben S. 402) und die hier die bequemste ist, die drei balkenförmigen Bäusche zusammen die Gestalt eines H bil- den, dessen Querstück der auf Polarisation zu prüfende, ab- wechselnd dem Säulen- und dem Multiplicatorkreis angehörige Leiter 4 der vorigen Abhandlung (S. oben S. 395) darstellt. zur Sitzung vom 4. August 1856. 451 Es wurde gesagt, dals man, bei dieser Form des Ver- suches, die Polarisation an der Grenze ungleicharliger Elek- trolyte mit Sicherheit nur dann beobachten könne, wenn der die Hülfsbäusche und den darüber gebrückten balkenförmigen Bausch tränkende Elektrolyt, ein verhältnilsmälsig gut leitender sei. Ist dies nicht der Fall, so treten Störungen auf, welche eben auf der neuen hier darzulegenden Art von Polarisation beruhen. Wird z. B. der das Querstück des H bildende balken- förmige Bausch, mit destillirtem oder Brunnenwasser getränkt, über die mit Kechsalzlösung getränkten, die Schenkel des H vorstellenden Hülfsbäusche gebrückt, so sollte eine rein posi- tive Wirkung erfolgen, nach dem zu urtheilen, was sich mit dem heberförmigen Wasserrohr zwischen den mit Kochsalz- lösung gefüllten Hülfsgefälsen zuträgt. (S.oben S.400, 401.) Man erhält aber einen negativen Ausschlag, dem ein stärkerer po- sitiver Rückschwung folgt. Die grölsere Stärke des Rück- schwunges beruht nicht etwa auf der Entladung der polari- sirten Platinenden des Multiplieators, denn lälst man eine ge- wisse Zeit zwischen Öffnung des Säulen- und Schlielsung des Multiplicatorkreises, so erfolgt ein rein positiver Ausschlag. Dasselbe ist der Fall, wenn die Dauer der Durchströmung eine gewisse Grenze überschreitet, endlich wenn man den balken- förmigen Bausch sehr kurz nimmt. Verlängert man ihn hin- gegen, so tritt die positive Wirkung mehr und mehr, zuletzt bis zur Unmerklichkeit, zurück. Es ist also klar, dals man es mit zwei secundär - elektro- motorischen Wirkungen zu thun hat, einer positiven, die wir schon kennen, an der Grenze des Wassers und der Kochsalz- lösung, und einer negativen, welche, flüchliger als jene, an- fangs schneller, dann langsamer mit der Dauer der Durchströ- mung wächst, und deren Stärke merkwürdigerweise von der Länge des durchströmten Wasserbausches abzuhängen scheint '). *) Dieser letztere Umstand erklärt, weshalb in dem oben S. 404 be- schriebenen Versuch nach dem Schema des Peltier’schen Kreuzes ein Wasserbausch ohne Gefahr vor Täuschung angewendet werden konnte, Da nur eine sehr kurze Strecke der vom Strom durchflossenen Hälfte des a 452 Nachtrag Es gelingt leicht, diese neuhinzugetretene Wirkung von der ersteren getrennt darzustellen, indem man auch die Hülfs- bäusche mit Wasser statt mit Kochsalzlösung tränkt. Alsdann hat der Säulenstrom innerhalb der Strecke, die nachher zu einem Theil des Multiplicatorkreises wird, keine Grenze ungleichartiger Elektrolyte zu überschreiten, die erstere Art der Polarisation ist ausgeschlossen und mit Kochsalzlösung oder sonst einer gutlei- tenden Flüssigkeit in den Hülfsbäuschen und dem balkenför- migen Bausch erhält man, wie aus der vorigen Abhandlung hervorgeht, keine Spur von secundär-elektromotorischer Wir- kung. Mit Wasser dagegen erfolgt ein starker negativer Aus- schlag. Es giebt eine andere Art die neue secundär- elektromotori- sche Wirkung zu beobachten, welche man die Methode der vier Bäusche nennen kann, und welche geeignet ist, eine bessere Einsicht in die Natur derselben zu gestatten. Der durchströmte balkenförmige Wasserbausch ruht mit seinen bei- den Enden auf den Zuleitungsbäuschen der Säule auf. Die Zu- leitungsbäusche des Multiplicators sind mit Fortsätzen versehen, die ich die Keilbäusche nenne, und von denen es schwer ist, ohne Abbildung ein klares Bild zu geben. Es genüge zu sa- gen, dals sie, wagerecht frei in die Luft ragend, in senkrechte Schneiden von etwa 15"= Länge auslaufen. Diese Schneiden werden, mit Sicherheitsbäuschen bekleidet, an zwei beliebige Punkte des durchströmten Wasserbausches angelegt. Die Si- cherheitsbäusche bestehen aus einigen Lagen nach den Keil- bäuschen zu mit Salzlösung, nach dem Wasserbausch zu mit Wasser getränkten Fliefspapieres. Sie erfüllen hier den wichtigen Zweck, zu verhindern, dafs nicht Salzlösung von den Schnei- den der Keilbäusche aus in den Wasserbausch eindringe. Ge- Bausches sich nachmals im Multiplicatorkreise befand, mulste die secundär- elektromotorische Wirkung, die uns hier beschäftigt, verschwinden gegen die Polarisation an der Grenze des Wassers und der Kochsalzlösung. Die in diesem Aufsatze enthaltenen Erfahrungen sind es beiläufig, die mich bestimmten, die Heberröhren zwischen den Hülfsgefälsen (s. oben $.398) nicht mit Blase, Flie[spapier oder sonst einem Stoff der Art zu verschliefsen, obschon diels in vielen Fällen allerdings ohne Schaden hätte geschehen können. \ zur Sitzung vom 4. August 1856. 453 schieht dies, so mischt sich die Polarisation an der Grenze des Wassers und der Kochsalzlösung in das Ergebnifs ein, die man ja eben daraus zu verbannen sucht. Unter dem Schutz der Sicherheitsbäusche aber kann man nunmehr mittelst dieser Vor- richtung ein beliebiges Stück der Länge des Wasserbausches auf eine darin entwickelte secundär-elektromotorische Kraft prü- fen, und gelangt dabei zu folgenden Ergebnissen. Rückt man mit den in beständigem Abstande gehaltenen Schneiden dem balkenförmigen Wasserbausch entlang, so er- hält man, unter sonst gleichen Umständen, stets einen gleich starken negativen Ausschlag. Legt man die Schneiden zweien von der Mitte des Bau- sches gleich weit entfernten Punkten seiner Länge an, und wählt dabei ihren Abstand bald kleiner bald grölser, so wächst die Stärke der secundär-elektromotorischen Wirkung mit jenem Abstande, vorausgesetzt dafs ein hinlänglicher aulserwesent- licher Widerstand im Multiplicatorkreise zugegen ist. Die Stärke der seeundären Wirkung wächst bis zu einer Grenze, die ich noch nicht bestimmt habe, mit der Dauer des ursprünglichen Stromes und mit seiner Dichte im durchströmten Bausche, d. h. mit dem Quotienten aus dem Querschnitt des Bausches in die Stromstärke. Diese Wirkung ist, wie schon bemerkt, sehr flüchtiger Art; natürlich kann man sie um so länger nach Entfernung des Bausches aus dem Säulenkreise nachweisen, je grölser Dauer und Dichte des ursprünglichen Stromes waren. Aus alledem folgt dals hier jeder durchströmte Querschnitt der Sitz einer gleich grofsen secundär- elektromotorischen Kraft in der dem ursprünglichen Strom entgegengesetzten Richtung wird. Der Bausch wird zeitweise in eine Art von secundärer Säule aus gleichförmig in seinem Inneren vertheilten elektiro- motorischen Elementen verwandelt, und die neue Polarisation wird daher passend den Namen der inneren Polarisation erhalten, im Gegensatz zur äuflseren Polarisation der Elektrolyte, welche an der Grenze derselben ihren Sitz hat. Um die Natur jener secundär-elektromotorischen Elemente im Inneren des Bausches etwas näher kennen .zu lernen, wird 454 Nachtrag es nützlich sein, unsere Versuche auf einige andere Körper auszudehnen. Beim Tränken des durchströmten Bausches mit Hühner- eiweils, Ammoniakflüssigkeit, Essigsäure, schwefelsaurer Kupfer- oxydlösung, nimmt man ebenfalls Zeichen innerer Polarisation wahr. Bei der letzteren Flüssigkeit sind sie fast unmerklich. Zusatz von Alkohol zum Wasser, wodurch der eigenthümliche Widerstand des letzteren erhöht wird, vermindert die Stärke der inneren Polarisation, und macht sie, bei wachsendem Alkohol- gehalt, zuletzt unmerklich. Keine von diesen Flüssigkeiten, und ebensowenig destil- lirtes und Brunnenwasser, zeigt an und für sich eine Spur von innerer Polarisation. Man kann dies mittelst des heberförmigen Rohrs zwischen den Hülfsgefälsen zeigen, indem man alle drei mit derselben Flüssigkeit füllt. Bequemer ist es, sich einer oben offnen Hförmigen Rinne aus Guttapercha zu bedienen, welche wagerecht zwischen den Zuleitungsgefälsen der Säule und des Multiplicators aufgestellt wird, gegen deren Zuleitungs- bäusche man ihre vier, mit Blase oder Flielspapier überbundenen Enden stolsen lälst. Offenbar mufs also die Substanz des Bausches selber, d. h. die Holzfaser des Papieres, hier eine Rolle spielen. Es mufs daher untersucht werden, ob auch andere, im trocknen Zustand für Nichtleiter geltende poröse Körper, wenn sie in ihren Hohlräumen Wasser oder verhältnifsmälsig schlecht leitende Flüssigkeiten enthalten, die Erscheinung der inneren Polarisation darbieten. Der Erfolg dieser Untersuchung ist, dals es fast schwerer hält, poröse Körper aufzufinden, die mit Wasser oder mit einer Flüssigkeit von entsprechenden Leitungsverhältnissen getränkt, keine innere Polafisirbarkeit zeigen, als das Gegentheil. Die innere Polarisirbarkeit stellt sich somit als eine sehr allgemein verbreitete Eigenschaft feuchter poröser Körper dar. Zur Untersuchung dienten vorzüglich zwei Methoden, die der vier Bäusche, und die der Hförmigen Anordnung, die man begreiflich noch mit anderen Materialien herstellen kann als mit Bäuschen. Doch versteht es sich von selber dals das erstere Verfahren bei weitem allgemeiner angewendet werden kann. zur Sitzung vom 4. August 1856 455 Wo es anging, ertheilte ich den feuchten porösen Körpern die Gestalt eines Prisma’s von 50”= Länge und einem quadrati- schen Querschnitt von etwa 15”” Seite. Halbflüssige Körper wurden in der Hförmigen Guttapercharinne untersucht. Die auf innere Polarisirbarkeit geprüften Körper lassen sich in folgende vier Gruppen bringen: I. Unorganische Körper, als da sind Kreide, Kalk- stein, Sandstein, Thonschiefer, Trachyt, Bimsstein, Hydrophan, erhärteter Gyps, gebrannter Thon, plastischer Thon. Alle diese Stoffe, und noch manche ihnen ähnliche, zeigen mit Wasser getränkt ein mehr oder weniger hohes Maafs innerer Polarisirbarkeit. Der plastische Thon ') im lufttrocknen Zustande giebt nur eine sehr schwache, und mit dem achtfachen Gewicht Wassers ange- rieben, keine merkliche Spur von Polarisation. Dazwischen aber liegen alle Stufen der Wirksamkeit bis zur Erzeugung eines Ausschlages von beinahe 90°, den man mit dem Thon im guten plastischen Zustande erhält; so dals die Stärke des Polarisationsstromes, der durch ein gegebenes Prisma feuch- ten Thones in einem gegebenen Kreise erzeugt wird, ein Maxi- mum besitzt in Bezug auf den Wassergehalt des Thones. Aber noch ein ganz dünnflüssiger Thenbrei gab in der Hförmigen Guttapercharinne eine deutliche secundär-elektromotorische Wir- kung, welche ausblieb, wenn ich während der Übertragung der Schlielsung vom Säulen- auf den Multiplicatorkreis die Flüs- sigkeit in dem Querstück des H mit einem Glasstab umrührte. Mit Kochsalz-, mit Kalihydratlösung oder, wenn ihre Na- tur es erlaubte, mit Säuren getränkt, lielsen die aufgezählten Körper meist keine Spur innerer Polarisirbarkeit erkennen. Nur Bimsstein mit Schwefelsäure und Kreide mit Kalihydrat- lösung getränkt machen eine Ausnahme. Deutliche Zeichen innerer Polarisirbarkeit versagten hin- gegen auch mit destillirtem Wasser als Tränkungsflüssigkeit: Asbest (nach der Faserrichtung durchströmt), reiner Quarz- sand in seinem ursprünglichen Zustande, derselbe fein ge- mahlen und geschlemmt, wie er von der hiesigen Königl. ‘) Es war derselbe Modellirthon der hiesigen königl. Porzellan- Manufactur, dessen ich mich zur Wiederholung der thermoelektrischen Versuche N obili’s bedient hatte. S. diese Berichte 1852. S. 117. 456 Nachtrag Porzellan-Manufactur gebraucht wird‘), gebrannte Magnesia, Schwefelblumen. Die vier letzteren Stoffe wurden in Gestalt eines dicken Breies in der Hförmigen Rinne untersucht. Eis, Krystalle von schwefelsaurem Zink- und Kupferoxyd sind auch unwirksam; nicht zu verwundern, da man sie sich im Inneren als trocken zu denken hat, und wenn in den beiden letzteren Flüssigkeit enthalten wäre, diese doch zu den besser- leitenden würde zu rechnen sein. U. Organische, aber nicht organisirte Körper als: Geronnenes Hühnereiweils, geronnener Faserstoff, durch Schlagen des Blutes erhalten, Seife aller Art. Diese Körper zeigen innere Polarisirbarkeit. Die der Seife befolgt, in Be- zug auf den Wassergehalt, ein ähnliches Gesetz wie die des Thones. Blutkuchen, erstarrter Leim, seidene Schnur, Schweizer- Käse, krystallisirter Rohrzucker gaben keine innere Polarisation. III. Organisirte Pflanzentheile aller Art, oder pflanzliche Gewebe, gleichviel ob frisch, mit ihren natürlichen Säften gefüllt, oder nach der 'Trocknils, nach mannigfacher Verarbeitung erst mit Wasser getränkt, zeigen sehr starke innere Polarisirbarkeit. Stücke von Stengeln oder Blattstielen, von holzigen Zweigen, Prismen aus saftreichen Früchten, aus Wurzeln und Knollen geschnitten, warfen nach wenigen Secunden Aufenthalt im Kreise der dreifsiggliedrigen Grove’schen Säule die Nadel des Multiplicators für den Nervenstrom, ja oft die des Multipli- cators für den Muskelstrom (4650 Windungen) mit Heftigkeit an die negative Hemmung. Das sogenannte Albumen der Parä- Nufs (des Saamens von Bertholletia excelsa) gab allerdings keine Spur von Wirkung, schien aber auch fast vollständig zu isoliren. Hölzerne Stäbe aus verschiedenen Holzarten in Brunnen- wasser gesotten, von (Querschnitt zu Querschnitt zwischen den Zuleitungsbäuschen der Säule durchströmt, und mittelst der Keilbäusche abgeleitet, gaben erstaunlich starke Wirkung. Wur- den sie mit Salzlösung getränkt, so war zwar die innere Po- larisation noch wahrnehmbar, jedoch unvergleichlich kleiner als vorher. Wurde die Hförmige Guttapercharinne mit einem ‘) Ich verdankte ihn der Güte des Hrn, Dr. Elsner. \ zur Sitzung vom 4. August 1856. 457 _ Brei vom Eichensägespänen und Brunnenwasser gefüllt, so gab sie lebhafte Polarisation. Wurde der Brei während der Über- tragung der Schlielsung vom Säulen- auf den Multiplicatorkreis umgerührt, so blieb die Wirkung aus. Hanfene Schnur, Baumwollendocht, geben kräftige Wir- kung, so dafs sich mit Hülfe dieses Verhaltens eben so sicher, aber freilich auch eben so umständlich, eine Verfälschung der Seide mit Baumwolle nachweisen lielse, wie nach Rousseau’s. Vorschlag eine Verfälschung des Olivenöls durch dessen ver- minderten Widerstand. Endlich bedarf es kaum der Erwähnung, dafs hieher die innere Polarisirbarkeit des Flielspapieres gehört, welche uns zum Ausgangspunkt für unsere ferneren Beobachtungen ge- dient hat. IV. Die vierte Gruppe von Körpern wird durch die thie- rischen Gewebe gebildet. Die secundär- elektromotorischen Erscheinungen derselben, mit Einschlufs der Nerven und Mus- keln, werde ich zum Gegenstande besonderer Mittheilungen an die Akademie machen, und begnüge mich hier mit der vorläu- figen Bemerkung, dafs man auch an diesen Körpern der inneren Polarisirbarkeit als einer weit verbreiteten Eigenschaft begegnet. Wir kehren zurück zur näheren Erforschung der Erschei- nung selber. Leider habe ich an unmittelbaren Ergebnissen der Beobachtung nicht viel mehr aufzuzählen. Was die absolute Gröfse der Wirkungen betrifft, so bin ich vor der Hand eben so wenig im Stande eine allgemein ver- gleichbare Bestimmung derselben mitzutheilen, als mir dies für die äulsere Polarisation der Elektrolyte möglich war. Doch muls ich es zweifelhaft lassen, ob nicht in günstigen Fällen die innere Polarisation der feuchten porösen Körper im Kreise der Säule selber, die sie hervorrief, bemerkt werden könne. Wenigstens lielse sich darauf der Umstand beziehen, der sich bei der obigen Versuchsreihe an verschiedenen porösen Körpern ergab, dals nämlich diejenigen darunter im Allgemeinen die stärkste innere Polarisation gaben, die, mit demselben Elektro- Iyten getränkt, den ursprünglichen Strom am meisten schwäch- ten. Der Unterschied in der Stärke des letzteren schien frei- 458 Nachtrag lich oft zu beträchtlich, um auf die secundär- elektromotori- sche Kraft der inneren Polarisation gedeutet zu werden; auf der anderen Seite aber fehlt es, wie sich zeigen wird, an einer | nothwendigen Beziehung zwischen Widerstand und innerer Polarisirbarkeit der feuchten porösen Körper, wodurch jener Umstand erklärlich würde. Die innere Polarisation der feuchten porösen Körper zeigt dieselbe Abhängigkeit von der Temperatur, wie die gewöhn- liche Polarisation an der Grenze der Elektrolyte und der Me- talle. Ich stellte die ursprüngliche Vorrichtung mit den Hülfs- f gefälsen voll Wasser zwischen den Zuleitungsgefälsen der | Säule und denen des Multiplicators her, aber an Stelle des über die Hülfsgefälse gebrückten heberförmigen Rohres, des- sen wir uns zur Untersuchung der Polarisation an der Grenze ungleichartiger Elektrolyte bedienten, trat jetzt ein System von Röhren, dessen nach abwärts gebogenen mittleren wei- teren Theil ich mit Wasser und mit innerlich polarisirbaren Stoffen anfüllen und dann seine Temperatur bis zum Siede- punkt des Wassers erhöhen konnte. Es wurde Sorge ge- tragen, dals der Widerstand des erwärmten Theiles gegen den des übrigen Multiplicatorkreises annähernd verschwand, so dals die Verminderung dieses Widerstandes durch Er- höhung der Temperatur nicht in Betracht kam. Mit Baum- wollendocht und Fliefspapier gelang der Versuch nicht, in- sofern die innere Polarisation dieser beiden Körper sich als zu schwach erwies, um unter den Umständen des Versuches eine merkliche Wirkung am Multiplicator für den Nerven- strom zu erzeugen. Hingegen bei Gegenwart von Hanfschnur, von Thonschiefer oder von Badeschwamm in dem Rohr ergab sich bei 100° C. für die beiden ersteren Körper eine deutliche Verminderung, für den letzteren, der sehr starker innerer Po- larisation fähig ist, ein gänzliches Verschwinden der secundär- elektromotorischen Wirkung. Mit diesem, trotz den dauernden Bemühungen, die ich dem Gegenstande gewidmet habe, ziemlich kärglichen Material haben wir es nun zu unternehmen, uns eine Meinung über die Ur- sache der inneren Polarisation zu bilden. zur Sitzung vom 4. August 1856. 459 Zuerst will ich hier, wie bei der äufseren Polarisation der Elektrolyte, einige Vermuthungen kurz zurückweisen, auf die man beim ersten Anblick verfallen könnte. Hier, wie dort, kann zunächst nicht an Temperatur-Unter- schiede als an die Ursache der Polarisation gedacht wer- den. Zwar würde diese Hypothese hier mehr als dort be- rechtigt sein, insofern es nicht an Spuren fehlt, dals an der Übergangsstelle des Stromes aus einem besseren in einen schlechteren, und an der aus einem schlechteren in einen bes- seren Leiter, verschiedene Erwärmung stattfinde, und in sofern es sich hier um feuchte poröse Körper handelt, an denen Thermoströme wirklich nachgewiesen sind. Zu den "Tempe- raturströmen am menschlichen Körper und den Thonthermo- strömen Nobili’s kann ich jetzt beiläufig noch ganz ähnliche Ströme binzufügen, die ich an Fliefspapierbäuschen beobachtet habe. Allein hier so wenig wie bei der äulseren Polarisation ist es mir gelungen, unter den Umständen meiner Versuche, mittelst des oben S. 406 erwähnten Thermometers, einen Tem- peratur-Unterschied nachzuweisen, obschon nicht unmöglich wäre, dals bei einer anderen Anordnung ein solcher bemerk- lich würde; und aulserdem sprechen noch eine Menge Gründe gegen einen solchen Ursprung der neuen secundär - elektromo- torischen Kraft. Es handelt sich vielmehr sichtlich dabei, wie schon oben S. 453 bemerkt wurde, um die Erzeugung sehr kleiner nega- tiv elektromotorischer Kräfte auf dichtgedrängten Punkten des feuchten porösen Körpers, und die zur Erklärung dieser That- sache zuerst zu lösende Frage ist die nach den Eigenschaften, welche poröse Körper, und denen, welche Elektrolyte besitzen müssen, damit erstere, mit letzteren getränkt, innere Polarisir- barkeit darbieten. Man könnte, mit Hinblick auf die pflanzlichen und thieri- schen Gewebe, daran denken, dafs in einem innerlich polarisir- baren Körper ein häufiger Wechsel zweier Elektrolyte statt- finde, an deren Grenze negative äulsere Polarisation entwickelt wird. Diese Meinung ist unhaltbar gegenüber der inneren Polarisirbarkeit gewisser anderer Körper, z. B. des mit destil- lirtem Wasser getränkten Hydrophans. 460 Nachtrag Die für die innere Polarisirbarkeit wesentlichen Eigen- schaften der feuchten porösen Körper können weder chemische noch mechanische sein. Zwischen Holzfaser, Kieselsäure, koh- lensaurem Kalk einerseits, und destillirttem Wasser andererseits, ist wohl an keine chemische Wechselwirkung, auch unter dem / Einflusse des Stromes, zu denken. Was aber ihre physische Beschaffenheit betrifft, so bieten die innerlich polarisirbaren Körper alle erdenklichen Abänderungen des festen Aggregat- zustandes dar, während innerlich polarisirbare und nichtpola- risirbare Körper mitunter ganz gleiche Aggregatzustände zu be- sitzen scheinen. Ich erinnere nur an Sandstein, Seife, geron- | nenen Faserstoff und Thonbrei, welche alle innere Polarisir- | barkeit besitzen, während Asbest, Käse, Leim und Magnesiateig die Erscheinung nicht zeigen. Das Einzige, was sich aus einer Betrachtung der mechanischen Eigenschaften der innerlich po- larisirbaren Körper entnehmen läfst, ist, dafs die Stärke der in- neren Polarisation einigermalsen gleichen Schritt zu halten scheint mit der Annäherung der festen Theilchen aneinander. Also z. B. ist die innere Polarisation des Kalksteins, des Hol- zes und des durch Schlagen gewonnenen Faserstoffes stärker als die der Kreide, des Fliefspapiers und des Blutkuchens. Auch gelang es mir durch einen während des Versuches passend ausgeübten Druck die innere Polarisirbarkeit des Flielspapieres scheinbar zu erhöhen; aber ich versuchte vergeblich, einem lockeren Haufwerk fester Theilchen, das mit Wasser getränkt keine innere Polarisirbarkeit zeigte, wie dem Teig von Schwe- felblumen oder gebrannter Bittererde, solche durch Zusammen- drücken zu ertheilen. Von eben so geringer Bedeutung ist für die innere Pola- risirbarkeit offenbar die elektrochemische Beschaffenheit der trän- kenden Elektrolyte. Wasser, insbesondere destillirtes, haben wir zur Tränkung der porösen Körper, welche innere Polarisation zeigen sollen, am meisten geeignet gefunden; aber auch Essig- säure, schwefelsaure Kupferoxydlösung und Ammoniakflüssigkeit lassen die Erscheinung in geringem Grade zu, während Koch- salzlösung, die Mineralsäuren, Kalihydratlösung, nur ausnahms- weise eine Spur davon wahrzunehmen erlauben. Dagegen drängt sich im Lauf der Versuche sofort die Be- zur Sitzung vom 4. August 1856. 461 merkung auf, deren denn auch gleich Eingangs Erwähnung geschah, dafs nämlich die Elektrolyte, mit denen getränkt po- röse Körper innerlich polarisirbar werden, sämmtlich ein ge- wisses, beträchtliches Maals eigenthümlichen Widerstandes be- sitzen. Dabei handelt es sich ganz bestimmt um den eigen- thümlichen Widerstand, und nicht etwa darum, dals der Wider- stand des innerlich zu polarisirenden Körpers einen grolsen Theil des Gesammtwiderstandes des Kreises ausmache. Dies geht daraus hervor, dals, trotz der grölseren darin herr- schenden Stromdichte, ein mit Salzlösung oder verdünnter Schwefelsäure getränkter Zwirnsfaden doch keine Spur von in- nerer Polarisation zeigt. Da die wesentliche Bedingung für das Zustandekommen innerer Polarisation von Seiten des Elektrolyten sich somit auf dessen elektrisches Leitungsvermögen bezieht, so erscheint es rathsam, auch einmal die innerlich polarisirbaren porösen Körper aus diesem Gesichtspunkte zu betrachten. Und wirk- lich bietet sich dabei alsbald eine einfache und in den mei- sten Fällen ausreichende Erklärung der neuen Thatsachen dar. Zunächst ist es an der Zeit zu bemerken, dafs die secun- ‚där-elektromotorischen Wirkungen der feuchten porösen Kör- psr ihrem Gesetze nach genau dieselben sind, die man erwarten sollte von einem Stück wohlausgeglühter, also metalläbnlich leitender Kohle, die mit irgend einem Elektrolyten getränkt, dem Strom ausgesetzt würde. Jedes beiderseits vom Elektro- Iyten bespühlte Kohlenplättchen, welches der Strom durchläuft, mülste wirken wie eine metallische Zwischenplatte, es müfsten sich daran die Anionen und Kationen ausscheiden, und in Folge davon das Plättchen der Sitz einer Polarisation der ge- wöhnlichen Art werden. Ich habe dies durch den Versuch bestätigt. Verkohlte Zweige vom Faulbaum (Prunus Padus) und von Erlen (4inus), wie sie zur Bereitung von Schielspulver gebraucht werden, die ich aber nachträglich ausgeglüht hatte, tränkte ich mit Was- ser, Kochsalzlösung, verdünnter Schwefelsäure, schwefelsaurer Kupferoxydlösung. Bereits nach kurzem Aufenthalt im Kreise eines einzigen Grove’schen Bechers gaben sie die kräftigsten Wirkungen ganz nach demselben Gesetze, wie der frische K2 462 Nachtrag Zweig es gethan haben würde. So verhielten sich beiläufig auch Cylinder erstarrten Leimes, in dem Messingfeilspäne vertheilt. waren, und die ich mir dadurch verschaffte, dafs ich den mit] Feilspänen gemengten Leim in geölten Reagenzgläsern erstar- ren liels und das Glas über dem entstandenen Cylinder zer-| trümmerte. Verschiedene Kohlenstücke wirkten übrigens sehr verschieden kräftig, wie es ja seit langer Zeit bekannt ist, | dafs die Leitung der Kohle aufserordentlichen Schwankungen unterworfen ist. Unter anderen Unregelmäfsigkeiten, die hier für uns von keiner Bedeutung sind, bot sich aber eine dar, die wohl un- serer Aufmerksamkeit werth ist. Tränkte ich nämlich nach ein- ander ein und dasselbe Koblenstück mit Wasser und mit Koch- salzlösung, so sollte, erwartete ich, die durch gleich lange Schliefsung einer und derselben Kette bewirkte Polarisation im ersten Falle schwächer ausfallen als im letzteren. Keinesweges traf dies zu, sondern nicht selten war die Polarisation in der mit Wasser getränkten Kohle trotz der sehr viel geringeren Strom- stärke bedeutend stärker als in der mit Salzlösung. Man kann diese Erscheinung so auffassen, dafs man sich vorstellt, die in der Kohle oder dem mit Messingspänen er- füllten Leimcylinder stattfindende Polarisation, und die von uns sogenannte innere Polarisation der feuchten porösen Körper, hätten mit einander nichts gemein, als das Gesetz, wonach die secundär-elektromotorischen Kräfte im Inneren des Leiters ver- theilt sind. Ihre physische Ursache sei übrigens ganz ver- schieden; und man kann alsdann die Art der inneren Polarisa- tion, die den Gegenstand dieser Abhandlung bildet, die ächte, und die der Kohle und des Leimcylinders voll Messingspäne die unächte innere Polarisation nennen. Man kann sich vor- stellen, die sich oft zeigende stärkere innere Polarisation der Wasserkohle im Gegensatz zu der der Salzkohle beruhe darauf, dafs die Kohle in jenen Fällen noch zum Theil die ächte in- nere Polarisation des Holzes behalten habe, und dafs diese sich bei der Wasserkohle zur unächten inneren Polarisation hinzu- füge, welche bei der Salzkohle allein hervortrete. Viel einfacher und ohne Zweifel naturgemälser ist es wohl folgendermalsen zu schliefsen. Es giebt nur eine Art der in- zur Sitzung vom 4. August 1856. 465 neren Polarisation; die vermeintlich ächte der feuchten porösen Körper und die unächte der Kohle und des Leimcylinders be- ruhen auf derselben physischen Ursache. Die Körper, welche nur mit schlechtleitenden Elektrolyten getränkt, innere Polarisirbarkeit zeigen, gelten allerdings im trocknen Zustande gemeinhin für Nichtleiter, wenigstens im Gebiete des Galvanismus. Im Gebiete der Reibungselektricität, wo in dieser Beziehung schärfer unterschieden wird, gelten aber bereits viele derselben für Halbleiter. Berührt man damit den Knopf eines geladenen Elektroskopes, so fallen die Gold- ‚blätter langsam zusammen. Jene Körper leiten also, wenn auch noch so schwach; und in sehr dünnen Schichten kann so- gar ihr Leitvermögen nicht ganz unbeträchtlich sein. Dabei ist anzunehmen, dafs sie nach Art der Metalle, physisch, nicht elektrolytisch leiten. Wenn sie folglich den Strom in einen Elektrolyten ein- oder aus demselben heraus- führen, so werden daran, wie an metallischen Elektroden, die Zersetzungsstoffe ausgeschieden werden; und es können, ja es müssen sogar dergestalt secundär - elektromotorische Kräfte in umgekehrter Richtung des ursprünglichen Stromes zu Stande kommen, ganz wie dies bei Zersetzung des Wassers zwischen Platinelektroden der Fall ist. Wollte man durch Elektroden aus irgend einem der obigen Halbleiter, die man in irgend einen Elektrolyten tauchen lielse, merkliche Ladungen zu Wege bringen, so würde dies aus leicht begreiflichen Gründen fehlschlagen. Keine Säule würde kräftig, kein Multiplicator empfindlich genug sein, damit eine Wirkung wahrgenommen würde. Leichter würde dies schon gelingen, wenn man, anstatt den schlechten Leiter in Gestalt von Elektroden in den Kreis zu bringen, ihm die Form einer aus- nehmend dünnen Zwischenplatte zu ertheilen vermöchte. Am zweckmälsigsten aber würde die Anordnung, wenn man nicht blols eine einzige solche dünne Zwischenplatte, sondern deren eine gewisse, nach den Umständen verschiedene Anzahl in den Kreis bringen könnte. Diese Anordnung leistet indels noch nicht ganz was sie soll. Man sieht nämlich, dafs dabei auch mit gutleitenden Elektrolyten Ladung eintreten mülste, ja sogar, wegen des 464 Nachtrag geringeren Widerstandes, noch stärker, wenn man, wie wir dies in dieser Verhandlung bis auf Weiteres thun wollen, davon absieht, dafs ein und derselbe Strom an der Grenze ver- schiedener Elektrolyte und Halbleiter vermuthlich nicht stets einerlei secundär-elektromotorische Kraft erzeugt. Dies nun scheint mit unseren Versuchen im Widerspruch. Allein jetzt stelle man sich die halbleitenden Zwischen- platten von unzähligen kleinen Öffnungen durchbohrt vor, so dals der Elektrolyt frei durch dieselben zusammenhängt. Er wird nun eine Nebenschliefsung für den übrigen Theil der Zwischenplatten abgeben, und die Folge wird sein, dafs der Stromtheil, der noch durch die Zwischenplatten selber geht und der allein die secundär-elektromotorische Kraft erzeugt, abhängig wird von dem eigenthümlichen Widerstande des Elek- trolyten. Er wird um so kleiner, je besser der Elektrolyt lei- tet; und um so kleiner wird folglich die secundär - elektromo- torische Kraft. Es kommt aber noch hinzu, dafs die Wirkung, die diese Kraft nachher im Multiplicatorkreise hervorzubringen vermag, abermals geschwächt wird durch die Nebenschliefsung, _ die der durch die Öffnungen der Zwischenplatten zusammen- hängende Elektrolyt darbietet, und folglich um so kleiner wird, je geringer der eigenthümliche Widerstand des Elektrolyten, so dals sie, bei einem gewissen hohen Grade von Leitungs- fähigkeit desselben, gänzlich verschwinden kann. Freilich wird, mit abnehmendem Widerstande des Elektrolyten, auch die Stromstärke zunehmen. Allein man sieht, dafs die Ver- minderung der secundär - elektromotorischen Wirkung aus jenen Gründen ihre Vermehrung aus diesem Grunde leicht über- wiegen könne. Da nun andererseits mit einem Elektrolyten von unend- lich grolsem Widerstande die secundär-elektromotorische Wir- kung offenbar gleichfalls verschwindet, so ist deutlich, dafs ihre Stärke, bezogen auf den eigenthümlichen Widerstand des trän- kenden Elektrolyten, ein Maximum haben, und dafs dieses Maximum bei um so geringerem Widerstande des Elektrolyten stattfinden müsse, je geringer der Widerstand des porösen Halbleiters ist. zur Sitzung vom 4. August 1856. 465 Man sieht ferner, dals was hier vom eigenthümlichen Wi- derstande des Elektrolyten und des porösen Halbleiters gesagt wurde, auch Anwendung findet auf das Verhältnils der Grölse der Öffnungen in den Zwischenplatten zu der übrigen Ober- fläche derselben. Verschwinden die Öffnungen gegen die übrige Oberfläche, so muls dies für die secundär- elektromotorische Wirkung im Wesentlichen dieselbe Folge nach sich ziehen, als ob der eigenthümliche Widerstand des Elektrolyten ver- “hältnilsmälsig ein sehr grolser wäre. Verschwindet dagegen der stehengebliebene Theil der Zwischenplatten gegen die Öffnun- gen, so wird dies für die secundär-elektromotorische Wirkung ‚so sein, als ob der eigenthümliche Widerstand des Elektrolyten ‚gegen den des porösen Halbleiters verschwände. Mit Hülfe dieser Vorstellung hat es keine Schwierigkeit mehr, sich von den hauptsächlichsten Erscheinungen der in- neren Polarisation Rechenschaft zu geben. Dals dieselbe dabei wirklich die Gesetze befolgen müsse, die wir oben $. 453 ge- funden haben, und mit steigender Temperatur an Kraft ab- nehmen könne, braucht nicht erst bemerkt zu werden. So- dann ist deutlich, weshalb ein und derselbe poröse Körper, in welchem, wenn er vollständig getränkt ist, stets dieselbe räumliche Anordnung des Elektrolyten und des halbleitenden Gerüstes stattfindet, folgweise mit Flüssigkeiten von immer kleinerem Widerstande getränkt, bei einem gewissen mittleren Grade dieses Widerstandes die stärkste secundär - elektromoto- rische Wirkung giebt. So gab Flielspapier mit verdünntem Alkohol getränkt nur schwache innere Polarisation; starke mit destillirtem und Brunnenwasser; schwächere mit Essigsäure, Ammoniak, schwefelsaurer Kupferoxydlösung, unmerkliche end- lich mit Kochsalzlösung, Salpetersäure u. d. m. Hat man zwei poröse Körper, in denen man nahezu eine und dieselbe räumliche Anordnung des Elektrolyten und des halbleitenden Gerüstes annehmen kann, deren eigenthümlicher Widerstand aber sehr verschieden ist, so findet sich’s, in Übereinstimmung mit unserer Theorie, dals der besserleitende Körper Zeichen innerer Polarisation noch mit Elektrolyten von so kleinem Widerstande giebt, dals der schlechtleitende Kör- per damit ganz unpolarisirbar erscheint. So geben Holz und [1856.] 36 466 Nachtrag mangelhaft geglühte Kohle mit Wasser stärkere innere Pola- risation als mit Kochsalzlösung, während wohlgeglühte Koble sich umgekehrt verhält. Natürlich giebt es einen Grad des Widerstandes des po- rösen Gerüstes, wo auch bei schlechtleitenden Elektrolyten kein merklicher Stromtheil hindurch kann, und deshalb die secundär- elektromotorische Wirkung verschwindet. So erklärt, sich’s, dals Quarzsand, Schwefelblumen, Seide keine innere Polari- sation wahrnehmen lielsen. Dafs die Kieselsäure im amorphen Zustande, wie im Hydrophan, besser leitet, als im krystalli- sirten, überrascht nicht nach dem ähnlichen Verhalten des Dia- mants und der Koble, des Zinnobers und des schwarzen Schwefelquecksilbers '). Erlaubt es die Beschaffenheit eines porösen Halbleiters, das Verhältnils der in einem gegebenen Raum enthaltenen Menge seiner eigenen Substanz und eines Elektrolyten nach Belieben abzusiufen, so bestätigt sich was oben hinsichtlich des Ein- flusses einer solchen Veränderung auf die Grölse der secundär- elektromotorischen Wirkung gesagt wurde. So haben wir an Thon und Seife bei einem möglichst kleinen sowohl, als bei einem sehr grofsen Wassergehalt die secundär - elektromotori- sche Wirkung vermisst, während sie bei einem gewissen mitt- leren Feuchtigkeitsgrad einen oberen Grenzwerth erreichte; und so fanden wir (S. oben S.460), dafs die innere Polarisirbarkeit des kohlensauren Kalkes, der Holzfaser und des geronnenen Faserstoffes mit der Verdichtung wuchs. Auf das verschiedene Verhältnifs der mit dem Elektrolyten erfüllten Hoblräume zum halbleitenden Gerüst könnte man ver- sucht sein, auch den oben S. 457 erwähnten Umstand zurück- zuführen, dafs von zwei mit demselben Elektrolyten getränkten Halbleitern, welche ungleich stark innerlich polarisirbar sind, derjenige sich in der Regel als der bessere Leiter im getränk- ten Zustand erweist, der die schwächere secundär- elektromo- torische Wirkung giebt. Der verschiedene Widerstand der Halbleiter selber kann der Grund nicht sein; denn alsdann ’) Vergl. Riels, die Lehre von der Reibungselektricität. Berlin 1853. Bd. 1. S. 37. $.30.* zur Sitzung vom 4. August 1856. 467 käme gerade umgekehrt dem besseren Leiter die stärkere Polarisation zu. Aber auch die eben angedeutete Vermuthung scheint nicht zuzutreffen. Wenigstens fand ich dals von zwei gleich grolsen Stücken Kreide und Bimsstein, von denen letz- terer bei grölserem Widerstande die stärkere Polarisation zeigt, nach einstündigem Sieden das Stück Bimsstein die grölsere Wassermenge aufgenommen hatte. Wie dem auch sei, die gegebene Theorie schlielst sich den Thatsachen hinreichend an, um für die richtige gelten zu können. Immerhin bleiben schon aus dem Kreise meiner bisherigen Erfahrungen manche übrig, die sich derselben nicht zu fügen scheinen. Dahin gehört z. B. der Fall der Kreide, welche mit Kalihydrat getränkt beträchtlich stärkere innere Polarisation zeigt, als mit Wasser, während man das Gegentheil, ja ein völliges Verschwinden der Polarisation mit der Kalilauge erwarten sollte. Jedoch ist nicht zu ver- gessen, dals aulser den bereits angedeuteten Hülfsmitteln der Theorie zur Erklärung derartiger Abweichungen — verschie- dener Widerstand des Elektrolyten und des porösen Halb- leiters, und verschiedene räumliche Anordnung beider — noch ein Umstand in Betracht kommt, den wir bisher absichtlich aulser Spiel gelassen haben, der aber möglicherweise einen sehr bedeutenden Einfluls übt. Dies ist die mit verschiedenen Stoffen, vielleicht, ja unzweifelhaft, sehr verschiedene elektro- motorische Kraft der secundären Kette: Halbleiter, Anion, Elek- trolyt, Kation, Halbleiter, auf deren Erzeugung durch den ur- sprünglichen Strom die innere Polarisation beruht. Es mögen zwischen den Halbleitern selbst, in Bezug auf ihre Polarisa- tionsfähigkeit, Unterschiede stattfinden, wie zwischen den Me- tallen, und auch die verschiedenen Elektrolyte mögen, in Ver- bindung mit dem nämlichen Halbleiter, mehr oder weniger günstig wirken. Ich bemerke noch, dafs die Art, wie in dieser Theorie die _ Leitung des Stromes in den feuchten porösen Halbleitern zum ersten Mal von mir aufgefalst ist, überhaupt die richtigere sein dürfte, und geeignet scheint, einen Anhalt zu bieten zur bes- seren Beurtheilung der auffallenden elektromotorischen Erschei- nungen, die uns die Haut des Menschen gezeigt hat, der Ströme 468 Nachtrag zur Sitzung vom 4. August 18506. wegen ungleichzeitiger Benetzung '), der Temperaäturströme?), der Ströme beim Andrücken von Bäuschen ?), die alle ihr Ent- sprechendes bei den Metallen haben. Auch die Nobili’schen Thonthermoströme, und die oben $. 459 erwähnten 'Thermo- ströme an Fliefspapierbäuschen dürften aus demselben Gesichts- punkte zu betrachten sein, d. h. nicht als Thermoströme der Elektrolyten, sondern als solche der metallisch, nicht elek- trolytisch leitenden Halbleiter, die mit den Elektrolyten getränkt sind. Dies ist deshalb wahrscheinlich, weil nach Nobili‘) nur mit Thon, nicht mit Kalk, Baryt und Gyps, diese schein- baren Hydro-Thermoströme erhalten werden, während der Elek- trolyt beliebig Wasser, Säure oder Salzlösung sein kann, ohne dafs der Strom aufhört, in derselben Richtung zu erscheinen ?). au AM 2) S. diese Berichte 1852. S. 123. ®) S. ebendas. S. 120. 3) S. ebend. S. 125; — 1854 S. 288. %) Memorie ed Osservazioni edite ed inedite ec, Firenze 1834. vol. I. p. 81. 87.* °) Schon im ersten Bande meiner Untersuchungen, S. 377, habe ich unter dem Namen der „Peltier’schen Ladungen” einige mittelst der Methode der Übertragung gemachte Erfahrungen beschrieben, welche zum Theil auf die jetzt erkannte innere Polarisation feuchter poröser Halb- leiter zurückzuführen sind, und der Keim der jetzt entwickelten Theorie ist gleichfalls bereits dort zu finden. Doch sind jene Ergebnisse so un- vollkommen, auf so wenige Körper beschränkt und dermalsen mit ande- ren Wirkungen vermengt, deren Scheidung mir erst seitdem gelungen ist, z. B. mit der äufseren Polarisation der Elektrolyte, dafs ich bitten möchte, dieselben fortan als nicht vorhanden anzusehen, bis ich Gelegenheit gefun- den haben werde, sie von meinem jetzigen Standpunkt der Kenntnils aus zu erläutern. Dieselbe Bitte gilt in Bezug auf die in meinen Untersu- chungen u. s. w. Bd.1. S. 240, Bd. II. Abth. I. S.331 enthaltenen An- deutungen hinsichtlich der secundär-elektromotorischen Wirkungen der Muskeln, und auf eine Mittheilung, die ich darüber der British Associa- tion zu Belfast im September 4852 machte, und die sich im Report etc. p. 78 abgedruckt findet. So werde ich auch später nicht ermangeln, das Verhältnils der in dieser Abhandlung dargelegten Erfahrungen zu den von Hın. Munk af Rosenschöld in Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1838 Bd. XLUl. S. 207.* beschriebenen Thatsachen zu erörtern. ——— Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preufs. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat November 1856. Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg. 3.Novbr. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Peters las über eine neue durch ihre riesige Grölse ausgezeichnete 7T'aenia, deren Diagnose hier mit- "getheilt wird. Taenia gigantea n. sp.; caput magnum latum, globo- ‚sum, quadrilobum, rostello brevi rotundato conico, bothridiis erassis, margine postico libero; collum subnullum; corpus cras- sum lanceolatum; articuli brevissimi et latissimi, marginibus postice excisis, angulis obtusis; aperturae genitales marginales ‚secundae; penes filiformes, limbo globoso cincti. Long. tota 0,120 m.; artic. max. 0,003; latit. max. 0,027 — 0,029; lat. capit. 0,006; colli 0,005. Habit. Rhinoceros africanus Camper; in intestino tenui. — Mossambique. „ Hr.H.Rose sprach über eine Arbeit des Hrn. R. Schnei- der, das Dreifach-Jodwismuth betreffend. Das Dreifach-Jodwismuth, das bisher nur auf nassem Wege dargestellt worden war, kann leicht und sicher auf trockenem weT1856.] 37 470 Sitzung der physik.-math. Klasse vom 3. Noobr. 1856. Wege erhalten werden, und zwar durch Erhitzen eines inni- gen Gemenges von 1 Äquivalent (32 Theilen) Dreifach-Schwe- j felwismuth und 3 Äquivalenten (47,5 Theilen) Jod in einem geräumigen, lose bedeckten Glaskolben. Die Masse schmilzt schon bei mäfsigem Erwärmen unter Verlust von wenig Jod; bei gesteigerter Temperatur geräth dieselbe in’s Sieden unter Ausstolsung rothbrauner Dämpfe, die sich in den kälteren Thei- len des Kolbens zu glänzenden Krystallblättern von Jodwismuth verdichten. — Es scheint hier eine einfache Verdrängung des Schwefels durch das Jod stattzufinden, denn setzt man das Ge- menge von Schwefelwismuth und Jod bei Luftabschlufs (in. einer Atmosphäre von Kohlensäuregas) einer langsam gestei- gerten Temperatur aus, so kann man bemerken, dafs der Schwe- fel sich vor dem Jodwismuth sublimirt. Wird schnell erhitzt und ist atmospbärische Luft im Kolben vorhanden, so geht der‘ Schwefel zum gröfsten Theil in schweflige Säure über; ein kleiner Theil scheint in Jodschwefel verwandelt zu werden. Das erhaltene Sublimat kann durch Erwärmen im Wasser- bade von etwa anhaftendem Jod vollständig befreit werden! Es ist dann reines Jodwismuth, genau dem Wismuthoxyde ent- sprechend zusammengesetzt. Dieses auf trockenem Wege dargestellte Jodwismuth ist eine Substanz von ausgezeichneter Schönheit. Es stellt grofse, dünne, schwarze, sehr lebhaft metallglänzende Krystallblätter dar, als deren Form eine regelmälsige, sechsseitige Tafel deut- lich erkannt wird. Bei freiem Luftzutritt erhitzt, verflüchtigt es sich gröfstentheils in braunen Dämpfen und hinterlälst dabei wenig basisches Jodwismuth von rothbrauner Farbe. Von kal tem Wasser wird es nicht bemerkbar verändert; damit gekocht verwandelt es sich in basisches Jodwismuth. — Die wässriger Lösungen ätzender Alkalien wirken schon in der Kälte, noch schneller beim Erwärmen, zersetzend darauf ein unter Abschei- dung von Wismuthoxyd. Schwefelalkalimetalle zersetzen di Verbindung gleichfalls schnell und leicht unter Ausscheidun von Schwefelwismuth, das die krystallinische Beschaffenheit de ursprünglichen Substanz beibehält. Gesammtsitzung vom 6. November 1856. 474 Hr. Poggendorff legte einige Aräometer und Alkoholo- meter vor, welche noch von Richter selbst angefertigt und mit seinem Namen versehen waren, Hr. Splittgerber hat sie als werthvoll für die Kenatnils der damals angewandten In- strumente der Akademie zum Geschenk gemacht. Es wird dem- selben dafür der Dank der Akademie ausgesprochen. Hr. Ehrenberg legte der Akademie 5 Proben des tiefen Meeresgrundes aus der Telegraphen-Linie von Nord-Amerika nach England vor, welche ihm so eben von Hrn. Alexander von Humboldt zur Analyse übergeben worden. Sie sind aus 440—1930 Faden (d. i. 2460 — 11580 Fufs) Tiefe und ha- ben schon vorläufig im Mikroskop erkennen lassen, dafs überall vorherrschend oft sehr wohl erhaltene kalkschalige Polythala- mien die schlammige Oberflächenschicht des tiefen Meeres- grundes bilden. Ein specieller Bericht kann erst später er- folgen. 6. Novbr. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Pinder las: Beitrag zur Münzkunde Asiens, insbesondere des parthischen Reichs. Hr. Encke trug Folgendes vor: Der Berg-Ingenieur Hr. E. Mayer, welcher als Geologe die Expedition des Hrn. Grafen d’Escayrac de Lauture zur Aufsuchung der Nil-Quellen begleitet, hat der Akademie einen Bericht über das Erdbeben eingesandt, welches in der Nacht vom 11. auf den 12. October 1856 in Bulak und Cairo stattgehabt hat. Gleichfalls hat der Hr. Baron von Neimans, welcher auf einer Reise in das Innere von Afrika begriffen ist, einen Bericht für die Akademie bestimmt, welchen er an Hrn. Magnus eingeschickt hat. Folgende Zusammenstellung aus beiden Erzählungen wird von dem Hergange eine Vorstellung geben. 3° 472 Gesammtsitzung Hr. v. Neimans, der in Cairo war, fühlte eine länger anhaltende Erschütlerung in seinem Bette um 3 Uhr 15 Min. Morgens und zwei oder drei Minuten darauf eine ununterbro- chene gleichartige Reihe von Stölsen, die so rasch wie die Pulsschläge etwa sich wiederholten. Er zählte vielleicht zwan-- zig. Zwei von diesen waren auffallend stark und von einem unterirdischen donnerähnlichen Getöse begleitet. Hr. Mayer, welcher in Bulak im Palast Mehemet Ali Pascha war, fühlte um 3 Uhr 15 Min. einen ersten von unterirdischem Rollen be- gleiteten Stols mit schwacher wellenförmiger Bewegung, der j * 14 Minute dauerte. Vier Minuten später erfolgte ein zweiter ähnlicher aber schwächerer von etwa 30 Secunden Dauer. Nach kurzer Pause erfolgte um 3 Uhr 20 Min. der dritte hef- tigste Stols, der 2 Minuten anbielt. Er bestand in einem so heftigen Vibriren, dals man keine Richtung fühlen konnte. Die eingestürzten Minarets und Häuser beweisen indessen, dafs auch hier, wie es bei den ersten Stölsen schon bemerkt war, die Richtung OSO. nach WNW. war. Das begleitende Geräusch beschreibt Hr. Mayer wie wenn ein heftiger Hagelsturm auf ein Blechdach niederfährt. Eingestürzt sind nur solche Mauern welche von $. nach N. gebaut waren; die von Ost nach West gebauten zeigen sich vielfältig gespalten. Eine von dem Zeich- ner der Expedition, Hrn. de Bar, entworfene Zeichnung einer eingestürzten Moschee, von der eine Gopie beigelegt ist, ver- anschaulicht die Zerstörung. In Bulak, dem Aufenthalte von Hrn. Mayer, sind beträchtlich mehr Einstürzungen erfolgt, als in dem viel grölseren eine halbe Stunde entfernten Cairo. Der Stofs mufs dort heftiger gewesen sein. Nach Hrn. v. Nei- mans ist übrigens nur ein Menschenleben verloren gegangen; das Baumaterial zu den leichten arabischen Häusern mindert die Gefahren der Bewohner beim Einsturze und giebt ihnen Zeit‘ zur Rettung. Die meteorologischen Aufzeichnungen, welche Hr. v. Nei- mans seit dem 29. September dem Tage seiner Ankunft inf Cairo gemacht hat, gaben keine Andeutung des Ereignisses. Auch unmittelbar nach den Stölsen gab das Barometer 28” 0,4 Par. M. bei 24° Celsius, welches auf 0° reducirt einer Baro- meterhöhe von 7555’”679 entspricht. Auffallender Weise stand/f vom 6. November 1856. 473 nach demselben Beobachter das Barometer während des Erd- bebens höher als gewöhnlich, stieg auch bis 9 Uhr Morgens Bis auf 28 4”. In der folgenden Nacht bemerkte Hr. Mayer um 10 Uhr und 11% Uhr Abends noch drei schwache Stöfse, bei welchen sich ähnlich wie bei dem ersten Erdbeben eine ungemeine Un- ruhe bei den Hausthieren und Vögeln zeigte. In Cairo über- spülte der durch die Stadt flielsende Canal, Calitsch genannt, an einigen Stellen seine Steinufer. bis zur Höhe eines Mötres. An andern zeigte sich keine Veränderung. Noch in der Nacht vom 13. auf den 14. October ist das Minaret von der Moschee Daud Pascha eingestürzt. Der Ingenieur Hr. Linant Bey in Cairo will seit 18 Jah- ren 6 Mal Erdstölse in Ägypten wahrgenommen haben, nähere Mittheilungen kann er jedoch nicht machen. Der bedeutend- ste derselben, fast so stark als der letzte, soll vor 8 bis 9 Jah- ren in der Mittagszeit eines Julitages stattgefunden haben. Keiner hat sich im Laufe des Tages wiederholt, alle haben sich auf einige mehr oder minder heftige Stölse beschränkt. Das eben erwähnte Erdbeben (etwa 1847 oder 1848) hatte ver- schieden von dem diesjährigen die Richtung von N. nach S. Es fiel damals in den Monat Rhamadan. Der erste Rhamadan war im Jahre 1847 Aug. 13., 1848 Aug. 1., 1849 Jul. 21. Am 1. October d. J. starb nach eilftägiger schwerer Krank- "heit zu Eger Hr. Christian Samuel Weils. Die Aka- demie betrauert in ihm ein um die Wissenschaft wie um die gemeinsamen Angelegenheiten hochverdientes Mitglied, das ihr mehr als vierzig Jahre angehörte und in edler und fester Ge- sinnung zugethan war. Die Theilnahme an diesem Verluste spricht in einem Schrei- ‘ben vom 3. November im Namen der K. Sächsischen Gesell- schaft der Wissenschaften Hr. E. H. Weber, geschäftsfüh- "render Sekretair derselben, aus. H 3 474 Gesammtsitzung An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben den vorgelegt: Memoires de !academie de medecine. Tome20. Paris 1856. 4. Bulletin de lacademie de medecine. Tome 21. Paris 1856. 8. Revue archeologique. 13me annee, livr. 7. Paris 1856. 8. Ephemeris archaeologiea, no. 42. Athen 1856. 4. Mit Ministerial- schreiben vom 31, Octbr. 1856. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preu/sischen Reheinlande. 13. Ge Heft 2.3. Bonn 1856. 8. Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte. Lieferung 31. Ber lin 1856. 4. Kupffer, Annales de l’observatoire central de Russie. Annee 1853. 4. Brücke, Grundzüge der Physiologie und Systematik der Sprachlaute. { Wien 1856. 8. Mnemosyne. Vol. V, Stuk 4. Leyden 1856. 8. Troschel, das Gebifs der Schnecken zur Begründung einer natürlichen Classification. Erste Lieferung. Berlin 1856. 4. (Im Namen des Hrn. Verfassers von Hrn. Müller übergeben.) rg > 13. Novbr. Gesammisitzung der Akademie, Hr. Müller las über die Thalassicollen, Polycy- stinen und Acanthometren des Mittelmeeres. In einer frühern Abhandlung über Sphaerozoum und Tha-| lassicolla, Monatsb. 1855 April, gab ich Kenntnils von einer eigenthümlichen Gattung von pelagischen Naturkörpern mit Kieselstacheln, welche ich Acanthometren nannte, ich beschrieb# daselbst auch zarte weiche Fäden, welche von dem Körper der Polyeystinen strahlenförmig ausgehen und welche ich bei den Acanthometren wiederfand.. Auf den Grund dieser Beobach- tung und der gleichzeitig in den Skeleten der Thalassicollen von mir nachgewiesenen Kieselerde, auch analoger Zellenbil-F dungen, welche sich in diesen Formen wiederholen, stellte ich die Thalassicollen, Polyeystinen und Acanthometren als ver-N wandte Organismen zusammen, die Frage von ihrer Natur und Stelle im System der organischen Körper offen lassend, doch durfte ich die formelle Analogie der weichen Strahlen der) vom 13. November 1856. 475 canthometren mit den Strahlen der Actinophrys nicht uner- wähnt lassen. Über tbierische Lebensbewegungen an diesen Körpern agen damals nur die Angaben Meyen’s von Contractionen it Formveränderung seines Sphaerozoum, die ich nicht be- tätigen konnte, und die Beobachtung Huxley’s an seiner Thalassicolla nucleata vor, an deren strahligen Fäden er eine nregelmälsige Bewegung sehr kleiner Körnchen in wechselnder Richtung an der äufsern Oberfläche der Fäden entdeckt hatte. Thalassicolla nucleata war mir im J. 1853 in Messina nicht vor- gekommen; auch waren mir damals die Beobachtungen dieses Forschers über die Thalassicollen überhaupt noch unbekannt. Die Zusammenstellung der Z’halassicolla nucleata mit der Nocti- luca durch Huxley selbst hinderte mich, aus einer Vorsicht, welche jetzt nicht mehr gerechtfertigt erscheint, die Beob- achtung Huxley’s über die Körnerbewegung an den Fäden der Thalassicolla nucleata für die Beurtheilung der Natur aller die- ser Körper schon an die Spitze zu stellen. Seitdem hat Ar. Clapare&de, der schon eine Strömung in den Fäden der Aci- nophrys wahrgenommen hatte, die Körnchenbewegung an den Fäden lebendiger Acanthometren Norwegens, auch die Bewe- gung ihrer Fäden selbst entdeckt. Monatsb. 1855, November. Es wurde dadurch zum voraus wahrscheinlich, dafs ähnliche Be- wegungen auch an den Fäden der anderen Thalassicollen und der Polycystinen zur Beobachtung kommen würden, sobald es gelänge, binreichend lebenskräftige Exemplare darauf zu unter- suchen. Ein sechswöchentlicher Aufenthalt am Mittelmeer in Cette und Nizza bot die erwünschte Gelegenheit diesen Gegen- stand wieder aufzunehmen und zugleich die Kenntnils der jetzt lebenden Formen des Mittelmeeres aus diesem Gebiete zu er- weitern. Thalassicolla nucleata H., welche bei Nizza öfter vorkam, unterscheidet sich von Nocziluca schon dadurch, dafs die Fäden mit Körnchenbewegung bei Noctiluca ein innerliches von der Haut des Thieres eingeschlossenes Gewebe sind. Am ganzen äulsern Umfang der T’halassicolla nucleata sind nur die frei aus- laufenden Enden der strabligen Fäden zu erkennen, Während diese an einem Exemplar in einer Gallertmasse eingebetiet sind, 476 Gesammtsitzung fehlt diese Gallerte zwischen den Ausläufern an einem andern Exemplare gänzlich. An beiden war die Bewegung der Körnchen an der Oberfläche der Fäden sehr lebhaft, an dem Faden bald auf- bald abwärts, an verschiedenen nahe gelegenen Stellen oft in verschiedener Richtung, überall leicht wechselnd. Sie gleicht ganz der Körnchenbewegung an den Fäden der Polythalamien. Die- selbe Bewegung sah ich nun an den Fäden einzelner seltener dazu geeigneter Exemplare der zusammengesetzten Thalassicollen, Thalassicolla punctata H. und Collosphaera Huxleyi M, bei wel- chen sie bisher nicht gesehen war. Da die Thierheit dieser Wesen jetzt feststeht, so tritt der von mir früher vorgesehene Fall ein, den von dem ersten Beobachter Meyen gegebenen Namen Sphaerozoum für die von ihm beobachtete Form zu- sammengesetzter Thalassicollen wieder herzustellen. Es wird daher die Thalassicolla punctata Huxley nunmehr Sphaerozoum punciatum zu nennen sein. Die andere zusammengesetzte Form mit Gitterschalen der Nester kann den von mir ihr beigelegten Namen Collosphaera behalten. Dagegen wird der Name Tha- lassicolla zweckmälsig auf die nicht zusammengesetzten Formen ohne Kieselgebilde wie Thalassicolla nucleata H. und verwandte neue solitäre Formen zu beschränken sein, welche sich von den Polycystinen durch den Mangel der Kieselschale, von den Acanthometren durch den Mangel der Kieselstacheln unter- scheiden. Bei Thalassicolla nucleata, deren dunkler Kern ohne die Fäden 5—3" milst, ist die häutige dicke Capsel, von welcher die Fäden abgehen, zwischen den Fäden mehr oder weniger hoch von einer Masse grolser durchsichtiger Blasen umlagert, welche an Durchmesser zuweilen die Gröfse der Capsel selbst erreichen. Zuweilen enthalten diese Blasen wenigstens theil- weise noch eine zweite ganz ähnliche kleinere Zelle, die dann eine hell glänzende schön orangefarbene kleinere Ku- gel in sich hat. Deswegen können diese Blasen nicht Erwei- terungen von Pseudopodien sein. Au einem andern Exemplar waren die Blasen einfach und vermilste ich die Einschlüsse in denselben ganz. Zwischen den Fäden näher der Capsel und 150 zwischen diesen Blasen liegen auch gelbe Zellen von Kern Durchmesser sehr zerstreut, in deren gelbem Inhalt sich’ ein u en. pn - vom 13. November 1856. 477 paar grölsere und kleinere Körnchen bemerklich machen. Am nächsten der äufseren Fläche der Capsel liegt eine sehr dunkle Lage von Pigmentkörnern zwischen den Basen der Fäden, wel- cher Überzug der Capsel fast ein schwarzbraunes Ansehen giebt. Bei der Vergrölserung unter dem Deckplättchen lösen sie sich in blaue und rothe Körnchen auf. Innerhalb der farb- losen Capsel ist der nächste Raum von dichtgedrängten Kugeln und Körnern ausgefüllt, die wie Ölkugeln und Fettkörnchen aussehen. Darauf folgt die centrale bei Thalassicolla nucleata vorkommende Zelle, diese ist sehr durchsichtig und dünnwan- dig und enthält noch wieder viele äulserst blasse und durch- sichtige und daher sehr schwer sichtbare kleine sphärische Kör- perchen. Die Fäden verlaufen in Bündeln zwischen den Auf- lagerungen der Capsel, sie scheinen sich auch zu theilen und es sind mir auch Anastomosen vorgekommen, die ich hin und wieder auch bei Sphaerozoum sah, während- ich sie an man- ehen typischen Polyeystinen wie Haliomma, Eucyrtidium, Podo- cyrtis u. a. nicht bemerkt habe. Bei einer andern neuen Art der Gattung Thalassicolla in der vorher bezeichneten Begrenzung auf solitäre ausgebildete Formen, 7h. morum M., die leider nicht vollständig beobachtet werden konnte und in Nizza nur einmal gesehen ist, ist die häutige Capsel, von gelblichem Inhalt, zwischen den von ihr ausstrahlenden Fäden mit einer geringen Anzahl ungleich gro- [ser beerenförmiger, dunkler, livider Körper besetzt, welche wie Aggregate von kleinen Sphären erscheinen. Das Thier zeigte deutlich eine äufserst langsame Ortsbewegung durch Wanken und Drehungen nach verschiedenen Seiten, wie die Acanthometren. Aulser dem Sphaerozoum punctatum, mit welchem Sph. fuseum Meyen gleiche Spicula hat, wurden jetzt noch zwei an- dere Arten mit Kieselspiceula oft bei Nizza beobachtet. Die eine ist die schon früher von mir angezeigte Form mit ein- fachen leicht gebogenen beiderseitig spitzen nadelförmigen Spi- eula, Sph. acuferum M.; eine andere hat gerade nicht zuge- spitzte Nadeln von ;5”' Länge, von welchen in ganzer Länge zahlreiche kurze Seitenäste unter rechten Winkeln abgehen, Sph. spinulosum M. Von den Sphaerozoen ohne alle Kiesel- 478 Gesammtsitzung bildungen mufs ich es für jetzt ungewils lassen, ob sie eine eigene (S. inerme?) oder gar mehrere eigene Arten bilden. Wenn die Arten mit verschiedener Gestalt der Spicula auch ohne Spicula vorkämen, so wären diese Exemplare gar nicht auf die Identität der Species mit den Spiculosen zu erkennen. Man findet die Sphaerozoen ohne Spicula mit sehr abweichen- den Nestern, welche auf Entwickelungsstadien schwer zu deu- ten sind. Auffallend ist schon die langgezogene Form der Nester in manchen Meerqualstern ohne Spicula, während sie in andern Fällen die gewöhnliche sphärische Form besitzen. Mehrmals sah ich eine andere Form von Meerqualster ohne Kieselbildungen, bei welcher jedes Nest aus 2 sehr durchsich- tigen in einander eingeschachtelten dünnwandigen Zellen be- stand, von welchen die innere den bei Sphaerozoum gewöhn- lichen Öltropfen enthielt. Also ein Sphaerozoum bicellulare, ver- gleichbar der auch bicellularen Thalassicolla nucleata. Die äu- arm 30 enthielt in ihrem durchsichtigen Inhalt einzelne zerstreute fsere Zelle des bicellularen Sphaerozoum hatte gegen und Körnchen, von welchen aber eine ganze Lage die innere Zelle bedeckte. Letztere war um —% kleiner und hatte einen fein- körnigen trüben Inhali. Wenn hieraus geschlossen werden könnte, dafs die Sphaerozoen vielleicht überhaupt in einem ge- wissen Entwickelungsstadium zwei in einander eingeschachtelte Zellen enthalten oder bicellular sind, so steht dieser Annahme die Beobachtung eines Meerqualsters entgegen, in dem kleine und sehr kleine Nester ganz in der Nähe der gröfsern Nester gelagert waren, welche sich durch den Inbalt des Öltropfens schon als junge Abkömmlinge derselben unicellularen Colonie zu erkennen geben, aber nur aus einer einzigen Zelle, wie die erwachsenen Nester dieser Colonie bestehen. Was die gelben Zellen im Umfang der Nester oder zwi- schen denselben bei allen Sphaerozoen betrifft, so wurde ihre Vermehrung durch Theilung wiedergesehen, Als Keime von neuen Nestern sind sie nicht zu betrachten, welche vielmehr nur in den schon erwähnten jungen farblosen Abkömmlingen in einer Colonie unzweideutig zu erkennen sind. Es entsteht die Frage, ob es auch solitäre Individuen von Sphaerozoum also aulser einer Colonie giebt, die als Quelle der vom 43. November 1856. 479 Colonien angesehen werden könnten. Es ist mir einzigesmal eine solche Form vorgekommen. Es war eine mit wenigen Fäden besetzte farblose Zelle von tropfen enthaltend und auswendig mit einigen gelben Zellen ’” Durchmesser, einen Öl- besetzt. Ein Sphaerozoum punctatum mit Nestern, deren In- halt aus einer sehr grolsen Menge überaus kleiner Crystalle bestand, hatte ich schon in Messina gesehen, dieselbe seltene Erscheinung habe ich bei Nizza einmal bei einem Sphaerozoum ohne Kieselspicula wiedergesehen. Diese Crystalle sind unver- gleichlich kleiner und zahlreicher als diejenigen, welche man in der Zelle der Collosphaera Huxleyi wahrnimmt, scheinen aber dieselbe Gestalt zu haben. Ihre Grölse betrug nur Sie sind unlöslich in Salzsäure. Am 350 * Die mehrsten Exemplare der Sphaerozoen, welche bei Nizza mit dem feinen Netz erhalten werden, sind todt und da- her zur Beobachtung der Körnchenbewegung an den Fäden gänzlich untauglich. Bei den todten Exemplaren sind die fa- digen Ausläufer im ganzen Umfang des Meerqualsters mehr oder weniger in eine Gallerte verwandelt oder darin verhüllt, welche an frischen und lebendigen Exemplaren zwischen den frei auslaufenden äulseren Enden der Fäden gar nicht vorhan- den ist, so dals an lebenden Sphaerozoen überhaupt eine Gallerte nicht sichtbar ist. Auch sind die todten Exemplare auf der Oberfläche der Gallerte gewöhnlich mit einem Anflug von Schmutz bedeckt, was bei lebendigen Exemplaren nicht der Fall ist, deren ganzer Umfang überall nichts als die frei auslaufenden hellen Fäden erkennen lälst. Letztere sind, so weit sie von der äulsern Seite der Nester ausgehen, radial ge- stellt und ausgestreckt; diejenigen Fäden, welche den nächst- stehenden Nestern zugekehrt sind, bilden Büschel, welche zwi- schen den benachbarten Nestern hinziehen und sich hier mit andern Bündeln von andern Nestern kreuzen. Die nach aufsen ausstrahlenden Fäden lassen hin und wieder Verbindungen un- ter einander erkennen, so dals die Körnchenbewegung zuwei- len von einem auf den andern Faden übergeht oder gar an dem zweiten Faden in entgegengesetzter Richtung sich fort- setzt. Diese Bewegung ist überhaupt einem häufigen Wechsel der Richtung unterworfen. An Fäden, welche zwischen den 480 Gesammtsitzung Nestern hingehen, ist auch Körnchenbewegung gesehen. Be- wegung der Fäden selbst zu sehen, ist nur äulserst selten ge- währt, sie erscheint dann als ein kaum merkliches leises Schwan- ken der strahligen Fäden, welches sich leichter an der allmäh- lig veränderten Stellung gegen benachbarte Fäden erkennen läfst. Nicht selten sieht man die Fäden stellenweise verdickt, geschwollen, und diese länglichen Anschwellungen an den Strahlen wie die Körnchen fortrücken, was entweder auf eine fortschreitende Zusammenziehung oder auf Verkürzung und Ver- längerung bezogen werden kann, vielleicht aber auch mit der Körnchenströmung zusammenhängt. Über eine Verbindung der Fäden verschiedener Nester konnte keine Sicherheit erhalten werden. Bewegungen der ganzen Sphaerozoen, wie sie Meyen angegeben, habe ich auch an den frischesten Exemplaren mit lebhafter Körnchenbewegung niemals wahrgenommen; gleich- wohl ist mir die Contractilität der Fäden nicht zweifelhaft, ich erkläre mir daraus die Erscheinung, dafs man die frischen le- bendigen Exemplare zuweilen locker mit weit von einander abstehenden Nestern, zuweilen ganz verdichtet mit zu einem Klumpen zusammengehäuften Nestern antrifft, während hingegen die strahligen frei auslaufenden Fäden in beiden Fällen weit ausgebreitet sind. Die von Huxley angezeigten Alveolen in de schein- baren Gallertmasse sind sehr ungleich entwickelt und unbe- ständig. Sie sind mit einer feinen Membran ausgekleidet und bilden sich durch Erweiterung kleiner durchsichtiger hin und wieder zwischen den Fadenbündeln eingebetteter Bläschen. An diesen Blasen wurde mehrmals ein fadiger Strang oder auch zwei solche Stränge bemerkt, die sich zwischen den gekreuz- ten Fadenbündeln verloren. Diese durchsichtigen Blasen schei- nen den durchsichtigen Zellen gleichgestellt werden zu kön- nen, welche bei 7halassicolla nucleata zwischen den Bündeln der ausstrahlenden Fäden der grolsen Capsel aufgelagert sind, von der die Strahlen ausgehen. Diese Parallele wird dadurch verstärkt, dals bei der 7’halassicalla nucleata auch die gelben Zellen zwischen den Fadenbündeln sich wiederholen. vom 13. November 1856. 481 Bei den Colosphaeren verhielten sich die Fäden ganz wie bei den Sphaerozoen, sowohl die ausstrahlenden, als diejenigen welche gekreuzte Züge zwischen den Nestern bilden, und ebenso die Körnchenbewegung an den frischen Exemplaren. Von Collosphaera wurden bei Nizza zweierlei Exemplare, vielleicht nur Varietäten gesehen. Bei den einen bestand der Inhalt der von der Gitterschale eingeschlossenen Capsel aus blauen Körnchen, aus den bekannten grolsen Crystallen und aus dem Öltropfen. Das ist Collosphaera Huxleyi M. Bei den andern auch lebend gesehenen ist der Inhalt der Capsel farblos und fehlen die Crystalle gänzlich, sie enthält nur farblose Körnchen und den Öltropfen; die kieselige Gitterschale war in beiden Fällen gleich. Es tritt hier die Ähnlichkeit dieser Gitterschalen zumal ohne Crystalle mit der Cenosphaera Plu- tonis Ehr. wieder ins Gedächtnils; und ich will deswegen als dermalen immer noch unterscheidend anführen, dals die Gitter- schalen der Collosphaera auf der Oberfläche ohne alle Rauhig- keiten, aber sehr oft nicht ganz vollendet sphärisch sind d. h. einzelne leichte Unvollkommenheiten der Wölbung an sich tragen. Zuweilen wurden die Gitterschalen mit blauem Inhalt der Zelle und den grolsen Crystallen in Menge einzeln gefischt, statt zu einem Meerqualster vereinigt zu sein; diese Schalen waren dann ohne die ihnen sonst gewöhnlichen fadigen Aus- läufer und offenbar todt. Sie kennten nur von zerstörten Collosphaera-Massen herrühren. Es giebt unter den frei und todt vorkommenden Collosphaeren auch kleinere und kleinste, welche immer noch an der blauen Farbe und den Crystallen erkennbar sind. Letztere sind dann noch nicht so grols als in den grölseren, aber ebenso gering an Zahl und von der- 41 20 mit der Gitterschale versehen, an den kleinsten ähnlichen selben Gestalt. Die grolsen Sphären von waren immer blauen sphärischen Körpern von 5—5;” Durchmesser fehlte die Gitterschale noch und war die blaue Masse und die Cıy- stalle nur von der häutigen Capsel eingeschlossen. Die todte blaue Sphäre der Collosphaera mit Gitterschale gelangt bei dem Mechanismus des Fischens, nämlich bei der Strömung des Wassers durch das Netz unter Ruderbewegung zuweilen auch ı 482 Gesammtsitzung in die zarten Gallertmassen abgestorbener Sphaerozoen, in wel- chen man nicht selten auch Acanthometren, Schalen von Tin- tinnus-Arten, seltener sogar kleine Schneckenschalen antrifft. An Tagen, an welchen der Auftrieb des Netzes überhaupt keine Collosphaeren enthielt, fand sich niemals solche Bei- mengung in der Gallert eines todten Sphaerozoum, vielmehr nur an einem Tag, an welchem der Auftrieb des Netzes viele einzelne todte Schalen von Collosphaera ohne Fäden enthielt. Anderseits enthielten die Meerqualster von Collosphaera, wenn sie vorkamen, immer nur gleichartige Nester mit Gitterschalen ohne Spicula. Die Thalassicollen sind den Polycystinen sehr verwandt. Ich deutete schon früher an, dafs die zusammengesetzten Tha- lassicollen insbesondere die Collosphaeren Colonien von Poly- cystinen gleichen. Bald wird sich auch zeigen, dafs die Poly- cystinen beinahe in die Acanthometren sich fortsetzen. Lebende Polycystinen wurden sowohl in Cette als in Nizza sehr häufig pelagisch gefischt; sie waren aus den Ehrenbergi- schen Gattungen Haliomma, Spongosphaera, Eucyrtidium, Podo- eyrtis, Stiloeyclia und aus mehreren neuen Gattungen. Die fadigen Ausläufer fanden sich in der Form von Strahlen bei allen eben genannten Gattungen wieder, bei den nach einer Seite ganz offenen Formen wie Eueyrtidium und Podocyrtis tre- ten die Fäden nicht blofs durch die kleinen Löcher der Kie- selschale, sondern in Menge auch auf der offenen Seite der Schale hervor. An allen jenen Gattungen wurde nun auch die Bewegung der Körnchen an der Oberfläche der Fäden ge- sehen. Wenn diese aufgehört hat, dann sind auch die Fäden mehr oder weniger durch eine gallertige Ausschwitzung ver- hüllt, welche im frischen und lebendigen Zustande nicht vor- handen ist. Diese Exemplare sind todt. Man bemerkt den Eintritt des Todes wie auch bei den Acanthometren zuerst daran, dafs die Fäden ihre steife Ausstreckung aufgeben und schlaff werden. Wird der Tod auf gewaltsame Weise plötz- lich durch Druck vermittelst des Deckplättchens hervorgebracht, so verschwinden erst augenblicklich die Fäden, wahrscheinlich durch Retraction. Es ist wichtig hervorzuheben, wie ich in vielen Fällen feststellen konnte, dafs mit den an der Oberfläche vom 13. November 1856. 483 der Fäden in wechselnder Richtung fortgeführten Körnchen auch benachbarte fremde Körper, ganze Schleimklümpchen, un- regelmälsige Körnerhaufen in die gleiche Strömung entlang den Fäden gerathen. Diese fremden Körper häufen sich ge- wöhnlich zuletzt am Grunde zwischen den Fäden der Poly- eystinen an. Ebenso entschieden äufserlich sehe ich die Körn- chen an der Oberfläche der völlig gleichen Pseudopodien bei den Polythalamien hingehen. Auch bei den Acanthometren schien mir diese Bewegung an der äufsern Oberfläche der Fä- den stattzufinden, womit ich jedoch nicht behaupten will, dafs Strömungen im Innern der Fäden nicht auch stattfinden, welche mir vielmehr wahrscheinlich sind, Bei den Sezinophrys scheint die von Hrn. Glaparede beobachtete Bewegung von Körn- chen in den Fäden stattzufinden; dort ist aber noch keine Strömung fremder Körper an der Oberfläche der Fäden ge- sehen worden. Bewegung der Fäden selbst war an den Polycystinen mit lebhaftester Körnchenbewegung nur selten und nur an der langsam veränderten Stellung der Fäden gegen ihre Nachbarn zu erkennen. Die Enden der sehr langen und im lebenden Zustande steif ausgestrecktsn Fäden sind indessen sehr schwer zu. sehen, wenn sie nicht, wie es zuweilen aber nür selten und an einzelnen Fäden ausnahmsweise der Fall ist, etwas ange- schwollen enden. Jedenfalls dienen die Fäden wie bei den Acanthometren zur Ortsbewegung, die bei stärkeren Ver- gröfserungen deutlich hervortritt als ein langsames Wanken, ein allmähliges Drehen der ganzen Gestalt. Die gelben Zel- len bei Sphaerozoum, Collosphaera, Thalassicolla nucleata sich wiederholend, sind auch bei den Polyceystinen in der Regel vorbanden und gewöhnlich unterhalb des äufseren Kieselgitters, bei Eucyrtidium und Podocyrtis an der offenen Seite der Schale. Bei den geschlossenen Schalen haben die gelben Zellen durch- aus die Lage wie bei Collosphaera, d. h. sie liegen noch über der häutigen Capsel, von welcher die Fäden abgehen und welche die oft sehr lebhaft rothen Pigmente einschlielst, zwi- schen ihr und der äufsern Kieselschale. Bei den Acantho- metren finden sich zwar gelbe Zellen wieder, sie liegen aber 484 Gesammtsitzung gewöhnlich erst unter der weichen äufseren Haut bei den Pig- menten. Alle im Folgenden beschriebenen Polycystinen sind Ein- zelwesen; sie sind entweder a. mit einem äufsern zusammen- hängenden Skelet versehen, das entweder aus einer Gitter- schale oder einem unvollkommnen Balkengerüst besteht; oder d. mit einem innern Skelet; oder c. mit einem äulsern und in- nern Skelet (nueleus) zugleich versehen. Von den übrigen bisher gekannten Polyeystinen entfernen sich am meisten durch ihr unvollkommnes Kieselgehäuse die Formen, welche ich mit dem Namen Zizhocirceus bezeichne, deren weicher Körper mit den gewöhnlichen Strahlenfäden dicht besetzt ist und auswendig über sich noch die gelben Zellen zwischen den Basen der Strahlenfäden hat. Das Ge- häuse besteht aus einem Reifen oder mehreren unter ein- ander verwachsenen den weichen Leib umspannenden schmalen Reifen oder bogenförmigen Kieselbändern, welche nach aulsen unregelmälsige Zacken oder Äste abgeben. 1. Lithocircus vinculatus M. Mehrere untereinander verbundene Kieselbänder-Reifen in verschiedenen Ebenen bilden das Gehäuse, von dessen Leisten nach aufsen Zacken und Äste abgehen. Das Gehäuse besteht nämlich nur aus den Leisten zwi- schen 4 grolsen Lücken, welche den Maschen anderer Poly- cystinen entsprechen. Innerhalb des Gebälkes, nicht ganz in der Mitte, sondern an einen der Balken angelehnt, schwebt der weiche farblose Thierkörper von einer häutigen Gapsel umgeben, ohne innere kieselige Theile, nach allen Richtungen seine Strahlenfäden ausschickend, welche sich zum Theil an die Äste der Reifen anlehnen. Durchmesser des Gehäuses a Mehrmals in gleicher Form beobachtet. Nizza. 2. Lithocircus annularis M. Das Gehäuse besteht nur aus einem den weichen Körper umgebenden Kieselring, von welchem einige ästige Zacken abgehen. Die Blase des Körpers schlielst farblose Körner ein, auswendig um die Blase und zwischen den Zacken runde und ovale gelbe Zellen von 1_!N 3 A ® E - : 1m 75, worin einige Körner. Durchmesser des Körpers 5%". Todt beobachtet, mit einer strahligen Gallert umgeben. Nizza. vom 13. November 1856. 485 Eine andere neue Form C/adococcusM. entfernt sich von den gewöhnlichen Polyeystinen, dafs sie keine äulsere Schale, aber ein gegittertes sphärisches Kerngehäuse besitzt, von wel- chem einige lange dünneästige, nicht hohle Stacheln unregelmä- [sig nach verschiedenen Richtungen radial ausgehen. C/adococ- cus arborescens M. Die Stacheln ragen aus dem weichen Körper so weit hervor, dals ihre Länge dem Durchmesser des letztern gleichkommt und ihn noch übertrifft. Man übersieht zugleich mindestens 7 nach verschiedenen Richtungen ab- gehende Stacheln und es sind ihrer jedenfalls mehr. Sie ste- hen nicht symmetrisch und schicken unter spitzen Winkeln 2—3 lange gerade Äste ab. Über der häutigen Capsel, welche die weichen Theile des sphärischen Körpers mit dem Nucleus einschlielst, liegen zwischen den Fäden die gelben Zellen zer- streut. Auch die Stacheln und ihre Äste sind in Fäden ver- längert. Maschen des Nucleus polygonal bis 3mal so breit als die Balken und gegen 4 vom Durchmesser des Nucleus. Durch- messer des blassen Körpers 5”. Nizza. Es ist nölhig hievon den Fall zu unterscheiden, wenn die radialen ästig getheilten Stacheln über der thierischen Capsel durch einzelne Kieselarcaden verbunden sind, Acanthodes- mia M. Dahin gehört ein in Cette beobachtetes kleines Wesen, das ich wiederzusehen wünschen muls, da die Verbrennung der Weichtheile nicht glücklich zu Ende geführt werden konnte. Den Ehrenbergischen Haliommatinen und Lithocyclidinen durch den Besitz eines Nucleus neben der äufsern Schale ver- wandt ist eine Form, DicityosomaM., bei welcher eine kiese- lige gegitterte Kernschale ohne Radien unregelmälsig verästelte Zweige abschickt, welche sich in ein massiges lockeres schwam- miges unregelmälsiges Dickicht von Kieselnetzwerk vertheilen, das von allen Seiten den Kern umgiebt und den äufsern Theil des Skelets ausmacht. Die weiche Capsel, von welcher die Fäden ausgehen, liegt unter dem äufsern schwammigen Kiesel- werk und umschlielst hinwieder die viel kleinere Kernschale. Über der weichen Haut unter dem äufsern kieseligen Skelet liegen die gelben Zellen am Grunde der fadigen Ausläufer zwischen ihnen. Die Gattung Diciyosoma gleicht der Gattung Spongosphaera Ehr. darin, dals das äulsere Skelet massenhaft [1856.] 38 486 Gesammtsitzung von allen Seiten den Nucleus umgiebt und weicht von ihr ab durch den Mangel der Radien; sie gleicht der Gattung Litho- eyclia E. durch den Mangel der Radien und weicht von ihr ab, dafs das äulsere Skelet, statt eines zelligen Randes, von allen Seiten den Kern umgiebt. Zu dieser Gattung gehören 2 bei Cette und Nizza oft mit dem feinen Netz pelagisch gefischte und lebend beobachtete Arten. 1. Dictyosoma spongiosum M. Diese überaus häufige Art ist bald rund, bald oval, etwas deprimirt, im Verhältnifs von 2 zu 3. Das äulsere schwammige Netzwerk geht ganz unregelmälsig in Zacken und Ästchen aus, welche in Fäden nicht verlängert sind. Die innere Schale Nucleus ist fein ge- gittert und hängt mit dem äufsern Schwamm durch eine An- zahl ganz unregelmälsiger Balken zusammen. Der Nucleus ist rund, auch bei länglichem äufseren Skelet, wahrscheinlich etwas deprimirt. Man übersieht an der obern oder untern Seite des Nucleus am Umfang einen circulären Balken, von welchem obere und untere Balken nach dem zweiten innersten Kern abgehen, so dals beiderseits zwischen dem äufsern circulären Balken und dem innersten Kern ein Kreis von 9 Löchern erscheint. Die Löcher des innersten Kerns sind 2—3mal kleiner, man über- sieht daran 6 Löcher, wovon eines mitten zwischen den an- dern. Innerhalb der weichen Capsel, von welcher die Fäden auslaufen, ist zunächst ein heller Raum mit farblosen Zellen gefüllt, die Körnchen enthalten. Darauf folgt eine rothe die Kernschale einschliefsende und verhüllende Masse. Diese be- steht aus purpurrothen gröfsern und kleinern Pigmentkörnern, Am zu0 der äufseren Schale die grölsten von Durchmesser des weichen Körpers unter 5. Die gelben Zellen von 4,” unter dem äufsern Skelet werden durch Jod gebräunt. 2. Dictyosoma angulare M. Die Gestalt des äufsern schwammigen Kieselgerüstes ist länglich viereckig; unter den unregeimälsigen äulsern Zacken zeichnen sich an beiden Enden symmetrisch gegenüberstehend längere Zacken oder Stacheln aus, wie an den Ecken eines Vierecks angebracht. Stellenweise befinden sich Lücken in dem äufsern Kieselwerk, so an den schmalern Seiten, ohngefähr wie an einer Schildkrötenschale. Der mittlere Theil des Körpers erscheint gelbroth. vom 13. November 1856. 487 Gattung Spongosphaera Ehr. Ich habe mir statt eines neuen Namens erlaubt, den Begriff der von Hrn. Ehrenberg aufgestellten Gattung Spongosphaera zu erweitern, indem ich aulser den zweistacheligen auclı vielstachelige Formen mit spon- giöser Rinde hineinbringe. Hieher gehört die grofse pelagische bei Nizza beobachtete Polyceystine, Spongosphaera polya- eantha M., deren Skelet im Durchmesser über 4%” hat. Das äulsere schwammige Kieselwerk‘ aus höchst feinen unter ein- ander zu einem Dickicht anastomosirenden fadenartigen Balken, einem Fachwerk aus dem feinsten Spinngewebe gleichend, aber ganz unregelmälsig, ist über dem Körper zu einer bedeutenden Höhe entwickelt, so dafs der Durchschnitt des Kieselbalken- werkes bis zum weichen Körper ohngefähr dem Durchmesser des letzteren gleichet. Die Maschen zwischen den fadenartigen Balken sind sehr grofs bis gegen +; oder % vom Durchmesser des weichen Körpers. Das Balkenwerk reicht so weit nach aufsen, dals es die fadigen Ausläufer grolsentheils in sich verbirgt, und hängt mit einer Anzahl vierkantiger, radialer, nicht ganz sym- metrisch gestellter Stacheln durch viele zarte Ästchen der letz- tern zusammen, diese Stacheln reichen nach aufsen bis kurz ‚über das schwammige Gebälke, und setzen sich nach innen, sich bis auf % verdünnend und die Kanten verlierend, mit einzelnen Knoten versehen, bis zu der kleinen durchlöcherten Nucleus- schale fort, in welcher nochmals gekreuzte Balken in einem kleinern zweiten Nucleus zusammentreffen. Der innerste Nu- eleus hat + vom Durchmesser des ersten Nucleus. Die Ma- schen der Nuclei rund, am ersten Nucleus gegen zweimäl so grols als die Balken dazwischen, am innersten Nucleus sind die Löcher und Balken ähnlich, aber 3mal kleiner. Die Stachel- radien haben sehr erhabene blatiförmige Kanten, welche auf dem Querschnitt ein Kreuz darstellen. Die gelben Zellen lie- gen wie gewöhnlich zwischen den strahligen Pseudopodien am Grunde derselben, noch über der weichen Capsel, von welcher diese ausstrahlen. Um die Mitte des Körpers befindet sich ein rothes Pigment. Überaus häufig waren die Haliomma-Arten mit sphäri- scher äufserer Gitterschale und regelmälsig entgegengesetzten Stacheln, bei allen diesen waren aulser den gewöhnlichen strah- 38* 488 Gesammtsitzung ligen Fäden auch die Stacheln immer in Fäden verlängert, wie es Hr. Clapar&de bei den Acanthometren beobachtet hatte, und scheinen die Stacheln auch einen Canal zu enthalten; doch sind mir die Schlitze an diesen Stacheln nicht bekannt, die spitzen Enden der Stacheln haben gewöhnlich nicht das gespaltene An- sehen, welches bei den Acanthometren Regel ist. Bei einer Art, Haliomma longispinum M., sah ich aber die Spitze ebenso getheilt. Unter den stacheligen Haliomma, welche sämmtlich lebend, d. h. mit strahligen Fäden und Körnchenbewegung, auch mehr oder weniger deutlicher schwacher Ortsbewegung gesehen sind, liefsen sich nicht weniger als 9—11 Arten un- terscheiden, wovon die meisten vielstachelig sind. Unter die- sen sind 2 schon in Messina beobachtete, die übrigen neu. 1. Haliomma hexacanthum M. Monatsb. 1855 p. 671. Die sechsseitigen und fünfseitigen Maschen sind 2—3mal grö- [ser als die Breite der Balken und die grölsern gegen „, vom Durchmesser des Körpers. Die innernVerlängerungen der Stacheln gleichförmig dünn bis zu dem sehr kleinen centralen Nucleus. Ganz ähnlich den sechsstacheligen Exemplaren in den sechs- seitigen Gittermaschen und den inneren Verlängerungen der an 10 9 lich Varietät, nicht zu verwechseln mit dem schon in der Stacheln war ein vierstacheliges Exemplar von wahrschein- Grölse und auch sonst ganz verschiedenen Haliomma hexago- num Ehr. 2. Haliomma ligurinum M. Die sphärische Gitter- schale glatt ohne Zacken, mit 20 symmetrischen conischen Sta- cheln ohne Kanten, so lang als der Radius, auch kürzer. Die Maschen des Gitters abgerundet, sehr ungleich, die gröfsern 5”, andere kleiner bis % und % davon. Die Balken des Netzes, wo am dünnsten, 0" breit. Die inneren Verlängerungen der Stacheln gleichförmig dünn, so breit wie die Balken des Git- ternetzes, in der Mitte in einem Knöpfchen vereinigt. Die häutige Capsel im Innern der äufsern Schale von rothem In- halt. Ihr Durchmesser 4 der äufsern Schale. Durchmesser der äufsern Schale 5”. Nizza. (Eine andere ähnliche Art, die nicht vollständig beobachtet werden konnte, hatte gegen 20 kantige Stacheln, so lang als der Halhmesser des Körpers, sechseckige Gittermaschen und ein rothes Innere.) vom 13. November 1856. 489 3. Haliomma polyacanthumM. Diese längliche Art ist schon im Monatsb. von 1855 p. 671 beschrieben. 4. Haliomma echinoides M. Schale sphärisch, aufser den 20 symmetrischen Stacheln mit einzelnen zerstreuten Zacken oder kurzen Dörnchen besetzt, welche zum Theil nicht gerade sondern schief stehen. Die grolsen Maschen des Gitters sind un- regelmälsig eckig, im Durchmesser gegen 4mal so grofs als der Durchmesser der Balken und gegen „, vom Durchmesser des Kör- pers. Die radialen Stacheln sind conisch ohne Kanten, kleiner als der Radius des Körpers. Die innern Verlängerungen der Stacheln sind gleichförmig dünn und vereinigen sich zu einem sehr kleinen Nucleus, der einer Rosette von länglichen Perlen gleicht. Die Perlen sind am Ende der Stäbe und gleichsam Erweiterungen derselben. Als nach dem Verbrennen der thie- rischen Theile auf den befeuchteten Rest ein Deckplättchen aufgelegt wurde, brachen die Stäbe von der Perlenrosette ab, der geperlte Kern aber blieb in seinem Zusammenhange. Der Nucleus ist nur gegen 4mal so breit als die Breite der innern Radien und gegen „—,; vom Durchmesser des Körpers. Unter der äulsern Schale waren gelbe Zellen, der tiefere Körper- inhalt bestand nach dem Zerdrücken aus gelben und rothen Pigmentkörnern. Durchmesser der Schale 4”. Mehrmals bei Nizza beobachtet. 9. Haliomma hystrix. Gitter der sehr kleinen sphäri- schen Schale (35”) mit runden Maschen, glatt. Gegen 20 sym- metrisch vertheilte conische Stacheln, so lang als der Radius desKörpers. Die innere Verlängerung des Stachels ist ebenfalls conisch, nach innen abnehmend. Der Durchmesser der Gitter- maschen ist gegen 2—3mal gröfser als der Durchmesser der Balken und gegen „; vom Durchmesser des Körpers. Die Kern- schale ist 3 vom Durchmesser der äufsern Schale, von gleichem Gitter. Innerhalb des Nucleus setzen sich die Stäbe noch bis zur Mitte fort, wo sie zusammenstolsend jeder mit einem keil- förmigen Knöpfchen endigen. Unter der äufsern Schale wie gewöhnlich die gelben Zellen, darunter und über der Kern- schale die Haut, von welcher die strahligen Fäden abgehen. Der tiefere Inhalt ist roth. Mehrmals bei Nizza beobachtet. 490 Gesammtsitzung 6. Haliomma tabulatum M. AÄufsere Schale etwas länger als breit. Obgleich überall zusammenbängend hat sie doch eine sehr eigenthümliche Zeichnung, wie wenn sie aus Tafeln zusammengesetzt wäre, was nicht der Fall ist. Dieses Ansehen beruht vielmehr auf der Verschiedenheit der Maschen in gewissen Feldern der Oberfläche. Das Gitter besteht näm- lich aus rhomboidalen grölsern Feldern, in welchen recht- winklig gekreuzte erhabene Linien regelmälsige Parallelen mit den Diagonalen der Felder bilden, so dafs jedes der Felder lauter kleine viereckige Abtheilungen enthält, aber die Paral- lelen und Maschen verschiedener Felder verschieden gestellt sind. Hierdurch erhält diese Schale ein sehr zierliches wie parquetirtes Ansehen. Von den sich kreuzenden erhabenen Li- nien sind die Poren der Schale eingeschlossen, so dals jedes kleine Viereck einen Porus enthält, der übrigens nicht vier- eckig, sondern rund ist. Bei einer gewissen Stellung der Schale mit Ansicht der längern Dimension übersieht man auf der Schale ein Kreuz von 4 Feldern, welche mit einer ihrer Ecken in der Mitte zusammenstolsen. Auf diesen 4 Fel- dern haben die Balkenlinien parallel mit den Diagonalen über- ali eine gleiche Richtung. Zwischen den Armen des Kreuzes sind Felder, deren Parallelen gegen jene schief gerichtet sind. So ist die ganze Schale regelmälsig in 20 rhomboidale Felder getheilt. Ebenso 20 Stacheln, sie sind kurz gleich % Radius, selten länger, ganz symmetrisch gestellt, auf den Feldern. Bei der Ansicht auf das vorhin bezeichnete Kreuz erblickt man näher der Mitte 4 Stacheln, einen vorn, einen hinten, einen rechts, einen links, nämlich auf den Feldern des Kreuzsterns. Entsprechend diesen 4 Richtungen |steht am vordern und hin- tern Ende der Schale und am rechten und linken Ende der- selben wieder ein Stachel, 4 andere nicht peripherische sieht man innerhalb der Winkel zwischen den Armen des Sterns, auf der untern Seite wiederholen sich die 4 der Mitte nähern und die 4 andern in den Winkeln des Sterns, also im Ganzen genau 20. Ich halte mich so lange bei der Stel- lung dieser Stacheln auf, weil sie im gegenwärtigen Fall wegen der Beziehung zu der Eintheilung der Oberfläche vom 13. November 1856. 491 genau bestimmt werden kann und als Modell dienen kann für die andern Arten von Haliomma und die Acanthometren mit 20 Stacheln. Das Haliomma tabulatum ist so symmetrisch, dals man an einer solchen Sphäre mit so gestellten Stacheln vorn und hinten, rechts und links und ein davon abwei- chendes oben und unten unterscheiden kann, oder viel- mehr sobald eine der Achsen eine der Bezeichnungen longi- tudinal, transversal, vertical erhält, was beliebig ist, so sind die andern sogleich bestimmt. Das Eigenthümliche der Sym- metrie liegt aber darin, dafs 2 der Hauptachsen in Stacheln ausgehen, die dritte Hauptachse nicht in Stacheln ausgeht. Die Wesenheit dieser Stellung läfst sich auch so ausdrücken, dals um eine stachellose Achse zwischen den beiden stachellosen Polen 5 Gürtel von Stacheln gestellt sind, in jedem Gürtel 4 Stacheln, die Stacheln eines Gürtels mit denen des folgenden Gürtels abwechselnd. Die Stacheln des Haliomma tabulatum sind platt, zweischneidig, auch die innere Verlängerung bis zum kleinen porösen Kern. Hier am Kern werden sie vor der Insertion plötzlich schmaler. Häufig bei Nizza. 7. Haliomma longispinum M. Schale sphärisch. Ge- gen 20 symmetrisch vertheilte Stacheln, überaus lang, 8— 9mal so lang als der Radius des Körpers, vierkantig, am Ende zwei- theilig, an den Rändern der Kanten regelmälsig zackig. Die Schale mit grofsen Maschen des Gitters. Der Durchmesser der Maschen ist gegen 2— 24;mal so grols als die Breite der Balken und gegen % vom Durchmesser des Körpers. Durch- messer der Schale Z,”. Nizza. 8. Haliomma tenuispinum M. Schale sphärisch, gegen 20 symmetrisch vertheilte äulserst zarte haarförmige Stacheln, so lang oder länger als der Durchmesser des Körpers. Die Balken des Kieselnetzes ebenso zart, gleich Spinngewebe. Durchmesser der Maschen gegen ni vom Durch- messer des Körpers. Durchmesser der Schale 4”. Nizza. Andere Arten von Haliomma haben viele unsymmetrische Stacheln, nach dem Typus des Haliomma Beroes Ehr. von dem sie sich durch zahlreiche Radien und die Beschaffenheit des Gitters unterscheiden. 492 Gesammtsitzung 9. Haliomma spinulosum M. Die sphärische Schale mit sehr vielen nicht ganz symmetrischen Stacheln besetzt, mehr als 20; sie sind sehr kurz bis 4 vom Radius. Äufsere Schale mit grofsen Maschen und dünnen Balken. Der Durch- messer der Maschen ist gegen 8mal so grofs als die Breite der Balken und gegen 4 vom Durchmesser des Körpers. Der Nu- cleus grols, fast 4 der äulseren Schale, ebenfalls mit grolsen Maschen. Durchmesser des Körpers ;5”. Nizza. Bei einer verwandten Form mit vielen unsymmetrischen radiären Stacheln waren diese ungleich lang, die längsten bis zur Länge des Radius, der Nucleus 5 vom Durchmesser der äulsern Schale. Das Netz der Schale grolsmaschig, uneben, in Dornen auslaufend. Einer der radialen, fein auslaufenden, spitzen Stacheln zeichnete sich durch einen queren Seitenast aus. Die häutige Capsel innerhalb der äuflsern Schale und über der innern Schale mit rothem Inhalt. Nizza. Stilocyclia arachnia M. Der scheibenförmige Körper mit 12 in einer Ebene liegenden Stacheln am Umkreis, dop- pelt so lang als der Radius, welche sich durch das Gitter bis zum innersten Kern fortsetzen. Zwischen der äufsern Schale und dem Nucleus haben die Radien der Stacheln mehrere Eta- gen seitlicher Ausläufer, die sich an verschiedenen Radien ent- sprechen und entgegengehen. Der Nucleus scheint doppelt zu sein. Dreimal lebend bei Nizza beobachtet, Eucyrtidium zanclaeum M. Monatsb. 1855, p. 672. Sehr häufig bei Cette und Nizza lebend gesehen. Die innere Masse in der Kuppel immer kreuzweise in vier peripherische Lappen getheilt, mit einem hellen Kern in jedem Lappen. Gelbe und farblose Zellen im untern Theil der Glocke, aus welchem wie aus den Löcherchen der Schale die Fäden mit Körnchenbewegung hervorsehen. Auch die Spitze auf der Kup- pel ist in einen gleichen Faden mit Körnchenbewegung ver- längert. Podocyrtis charybdea M. Monatsb. 1855, p. 673. War in Messina gesehen, konnte aber damals nicht vollständig beobachtet werden. Dies zierliche Wesen sah ich bei Nizza lebendig wieder. Seine Gestalt gleicht sehr der Schale, welche aus sehr tiefem Seegrunde (900— 2700 Faden) bei Kamtschatka vom 13. November 1856. 493 durch Sondiren erhalten worden und von Bailey in Amer. J. of sc. a. a. Juli 1856 beschrieben und pl. 1. fig. 8 abgebildet worden. Bailey bezieht die Form fraglich zur Gattung Di- etyophimus Ehr. unter dem Namen Dictyophimus? gracilipes. Unser Gehäuse von Nizza hat eine erste starke Einschnürung zwischen dem ersten und zweiten Glied, d. h. zwischen dem gegitterten Aufsatz der Kuppel und der gegitterten Kuppel selbst, und eine zweite ganz leichte Einschnürung vor dem Abgang der drei Fülse. Die zu den Fülsen hinabführenden Leisten des Gehäuses beginnen von der zweiten Einschnürung. Die Fülse divergiren, sind dreikantig und spitz, etwas ge- krümmt nach innen. Der Stachel auf dem Kuppelaufsatz steht nicht ganz gerade, nämlich ganz leicht nach der Kuppelseite eines der drei Fülse geneigt. Die Löcherchen des Gitters sind rund und in dem untersten Theil des Gehäuses zwischen den Fülsen sehr viel kleiner als in der Kuppel und ihrem Aufsatz. An der Kuppel und ihrem Aufsatz beträgt der Durchmesser der Löcherchen gegen + vom Querdurchmesser der Schale an der ersten Einschnürung. Von dem Dictyophimus? gracilipes Bailey unterscheidet sich dies Gehäuse, dals letzteres in der Abbildung gröfsere und weniger zahlreiche Löcher hat und vor dem Abgange der Fülse gar nicht abgesetzt ist, dals dessen Fülse mehr divergiren und die zarten Borten auf der Kuppel fehlen, welche in unserm Fall vorhanden sind. Die 3 untern oder Fufsspitzen der Schale unseres Thierchens sowohl als die Spitze auf dem obern Glied oder Kuppelaufsatz sind in einen Faden verlängert und scheinen einen Canal zu enthalten, desgleichen stehen auf dem obern Glied sowohl als auf der Kuppel selbst noch einige kleine dünne bor- stenförmige Stachelchen, ebenfalls in Fäden verlängert. Die übrigen zahlreichen Fäden treten theils aus den Löcherchen des Gehäuses, theils an der untern offenen Seite desselben hervor. Die Kuppel enthält eine rothe Masse, welche kreuzweise in 4 peripherische in der Mitte zusammenhängende Lappen getheilt ist. Das ganze Gehäuse mit den Stacheln ist 4” hoch und am breitesten Theil 5” breit. Der Gattung Acanthometra M. ist es eigen, dafs eine zusammenhängende Gitterschale fehlt und dafs die Stacheln 494 Gesammtsitzung ohne Nucleus in der Mitte mit den innern freien Enden sich zusammenlegen. Man kann jetzt nach Hrn. Claparede’s Beobachtungen hinzufügen, dafs die Stacheln hohl und mit Schlitzen ihres Canals versehen sind. Bei Haliomma schickt das Gitter der Schale überall einen dichten Sammet von Fäden aus. Bei den Acanthometren sind die Fäden viel sparsamer, bei vielen, vielleicht allen, befindet sich ein regelmälsiger einzeiliger Kranz von Fäden um jeden Stachel an der mehr oder weniger, oft stark hervorragenden und dann scheidenförmigen Stelle der Haut, die von dem Sta- chel durchsetzt wird, und diese Fäden sind an todten Exem- plaren oft verkürzt erhalten, sie erscheinen dann als ein Kranz mehr oder weniger langer, zuweilen ganz kurzer Cilien um den Stachel. Die Kränze von Cilien sind auch dann auf den zapfenförmigen Hautverlängerungen, den Stachelscheiden oder Stachelwarzen, vorhanden, wenn die Stacheln unentwickelt ge- blieben und so kurz sind, dafs sie nicht durch die Haut durch- gebrochen sind, Die Erscheinung der Cilienkränze um die Stacheln todter Acanthometren bat mich lange beunruhigt, bis ich mich überzeugen konnte, dals sie nichts anders als die Stümpfe der zurückgezogenen verdickten Fäden sind, indem ich sie auch lang in der kranzförmigen Anordnung wiedersah. Bei der A. pellucida M. zählte ich gegen 20 solcher Cilien im re- gelmäfsigen Kreis auf jeder Stachelwarze. Die verkürzten Ten- takelfäden oder Cilien todter Acanthometren fallen auch leicht ab; man sieht ihre Spuren dann auch wohl in der Nähe ihres Sitzes, oder vermilst sie gänzlich. Übrigens sind die Sta- chelscheiden überaus veränderlich, sie sind zuweilen so we- nig ausgebildet, dals die Haut am Stachel sich gar nicht er- hebt, zuweilen schlielst sie sich kurz und eng an den Stachel an, oft begleitet sie den Stachel als ein zapfenförmiger Gi- pfel eine ganze Strecke. Manche Acanthometren mit hohlen Stacheln, die in der Mitte mit den innern Enden sich zusammenlegen, also wahre Acanthometren weichen von den mehrsten Acanthometren ab, dals sie an der Oberfläche des Körpers Fortsätze der Stacheln entwickeln, wodurch eine Art unvollständigen Gitterwerkes entsteht, was diese gepanzerten Acanthometren den Ha- vom 13. November 1856. 495 lionma annähert, so dafs eine tiefere Scheidung von nun an fast unnatürlich erscheinen könnte. Die gepanzerten Acantho- metren unterscheiden sich von den gestachelten Haliomma durch den Mangel des Nucleus, und dafs ihr Panzer aus Stücken be- steht, gleich wie ihre Stacheln eben so wenig innen verwach- sen sind. Es giebt auch noch einige andere wesentliche Unter- schiede in der innern Organisation, dieichhernach anführen werde, Die herrschende oder häufigste Zahl für die Stacheln der Acanthometren scheint 20 zu sein. Selten kommen mehr, selten weniger vor; weniger als 12 oder 14 habe ich noch bei keiner Acanthometra vorgefunden. Die Zählung ist gewöhn- lich sehr schwer und nicht sicher und nur bei denjenigen Ar- ten erleichtert, welche durch eine ausgezeichnete Achse läng- lich sind, wie Acanthometra elongata M. Hier unterscheidet man sogleich bei der Ansicht auf die längere Dimension etwa einen vordern und bintern Stachel, dann bei einer bestimmten Lage einen rechten und linken, welche auf die lange Achse rechtwinklig stehen. In den Winkeln des Kreuzes erscheinen 4 andere Stacheln, die aber in andern Ebenen stehen, gleich weit entfernt von der obern stachellosen Mitte, sie wieder- holen sich in gleicher Weise auf der entgegengesetzten untern Seite; näher der Mitte stehen abermals wieder 4 Stacheln, so gestellt wie bei Haliomma tabulatum. Man erhält daher hier für die Acanthometren mit 20 Stacheln dieselbe Formel, dafs zwischen 2 stachellosen Polen 5 Gürtel von Stacheln stehen, jeder von 4 Stacheln, alle nach dem gemeinschaftlichen Cen- trum der ganzen Sphäre gerichtet, und dafs die Stacheln jedes Gürtels mit dem vorhergehenden alterniren. Die grolsen Hauptstacheln der Acanthometra elongata gehören dem mittlern Gürtel an und entsprechen dem vordern und hintern Stachel des Haliomma tabulatum, welche die Verlängerung des läng- sten Durchmessers des länglichen Haliomma tabulatum bilden. Mehrere Acanthometren haben vierkantige Stacheln mit hohen blattförmigen Kanten, wie ein vierschneidiger Dalch. In diesem Fall ist der Querschnitt eines solchen Stachels ein rechtwinkliges Kreuz. Am innern Ende der Stacheln sind sie zu einer vierkantigen Spitze zugeschnitten und treffen die Spitzen aller Stacheln so zusammen, dafs die Blätter der näch- 496 Gesammtsitzung sten Stacheln mit ihren Rändern auf einander stolsen, welches bei vierblätterigen Stacheln nur bei einer gewissen Stellung und Zahl von Stacheln möglich ist. Es müssen immer 4 Sta- cheln radial gleich weit vom Pol der Sphäre und gleich weit von einander gestellt sein und alle Stacheln so stehen, dafs 2 Arme ihres Kantenkreuzes in den Meridian fallen. Die Ord- nung von 4 gleich weit vom Pol und gleich weit von ein- ander entfernten Stacheln wiederholt sich mehrmals zwischen beiden Polen, so zwar, dafs jede Ordnung mit der vorher- gehenden alternirt und auf den nächsten von 8 Meridianen übergeht. Vierblätterige Stacheln mit rechtwinkligem Blätter- kreuz können sich mit den Kanten ihrer Blätter bei dieser Stellung und Folge zusammenfügen bei einer bestimmten Zahl; z. B. bei 12 Stacheln, wenn die Pole stachellos, bei 14 Sta- cheln, wenn die Pole selbst einen Stachel tragen; ferner bei 20 Stacheln, wenn die Pole stachellos und 22, wenn sie selbst einen Stachel tragen. Die häufigste Zahl für vierkantige Sta- cheln der Acanthometren scheint auch wieder 20 zu sein. Bei vierkantigen 20 Stacheln verbinden sich die 4 Stacheln des ersten Gürtels mit den alternirenden des zweiten Gürtels durch 3 Kanten, bei den übrigen Verbindungen treten 4 Kanten von 4 Stacheln zusammen. Unter den Acanthometren dss Mittelmeers ohne besondere Fortsätze unterscheide ich: 1. Acanthometra multispina M. Monatsber. 1855, p- 250. 2. A. tetracopa M. mit mindestens 12— 14, wahrschein- lich auch mit 20 vierschneidigen Stacheln vom kreuzförmigem Querschnitt, gleichförmig breit von der Basis bis zum dünnen Ende. Die Kanten sind sehr hohe dünne Blätter. Das Innere des Körpers gelbbraun. Monatsb. 1855, p. 250. Die Haut verlängert sich auf die Stacheln in Form von Stachelwarzen. 3. A. pellucida M. mit blassem, durchsichtiigem Kör- per und gegen 20 und mehr sehr dünnen gleichförmigen Stacheln ohne Kanten, länger als der Durchmesser des Kör- pers. Haut auf die Stacheln in Form von Stachelwarzen mehr oder weniger weit verlängert. Gelbe und farblose Zellen im vom 13. November 1856. 497 Innern. Durchmesser des Körpers 4. Ähnliche Exemplare der- selben oder einer verwandten Art von 5” zeichneten sich aus, dafs die nadelförmigen Stacheln sehr kurz, zum Theil so kurz sind, dafs sie im Innern des Körpers verborgen bleiben. 4. A. fusca M. Mit rothbraunem Körper und 20 nadel- förmigen Stacheln ohne Kanten, so lang oder 1%4mal so lang als der Durchmesser des Körpers. Undurehsichtig. 5. A. ovata M. Körper eiförmig, der längere zum kürzeren Durchmesser wie 3:2. Gegen 20 rundliche Stacheln, so lang und länger als der Durchmesser des Körpers. Der cen- trale oder innere Theil der Stacheln ist vierkantig mit Blätterkreuz. Die Stacheln der längern Achse sind länger und stärker. Der Körperinhalt rothbraun, undurchsichtig. 6. A. elongata. Körper sehr lang, 8mal so lang als breit, 20 Stacheln. Der langen Körperdimension entspricht ein sehr grolser vorderer und hinterer Hauptstachel, doppelt, drei- fach oder vielfach länger, auch dicker, als die andern Stacheln. Dieser ist in seiner äufsern Hälfte rundlich, in seiner innern Hälfte vierkantig. Körperinhalt gelb. Unter den Acanthometren des Mittelmeers mit besondern Fortsätzen an den Stacheln unterscheide ich: 7. A. alata M. Gegen 20 Stacheln, vierkantig, zuge- spitzt, mit einem Knauf über der Stelle des Austrilts aus der Körperhaut. Dieser Knauf besteht aus 4 verticalen Blättern, welche die Gestalt von Kreissegmenten haben und sich aus den 4 Kanten erheben. Auch der innere Theil der Stacheln im Körper vierkantig. Länge der Stacheln von der Spitze bis zum Knauf länger als der Radius des Körpers, bis doppelt so lang. Der Körper hat 5” Durchmesser. Nizza. 8. A. quadridentata M. Stacheln vierkantig,. gegen das Ende allmählig verdünnt, über dem Körper mit einem Knauf von 4 im Kreuz gestellten querabstehenden Zähnen. Der Knauf liegt ohngefähr in der Mitte zwischen dem äufsern und centralen Ende des Stachels. Körper rothbraun. Cette. 9. A. peetinata M. Gegen 20 vierkantige Stacheln mit 2 Längsreihen von querabstehenden Zähnen, welche den Theil des Stachels einnehmen, der im Körper versteckt ist, bis nahe 498 Gesammtsitzung zum innern Ende. Der freie Theil des Stachels ist so lang und länger als der Durchmesser des Körpers. Cette. Unter den gepanzerten Acanthometren, deren Stacheln wie gewöhnlich in Fäden verlängert sind, unterscheide ich: 10. A. costata M. Stacheln conisch, unsymmetrisch ver- theilt, gegen 16, aulsen so lang als der Radius, auch nach innen verjüngt. An der Oberfläche des Köpers entwickeln sie 2 horizontale starke Fortsätze, die sich wieder in 2 starke Äste theilen. Diese gehen den entsprechenden Fortsätzen anderer Stacheln entgegen und legen sich an diese an. So entsteht ein Gerippe mit grofsen Lücken an der Oberfläche des Körpers. Die centralen Enden der Stacheln keilförmig. Auf den Suturen der Äste stehen hin und wieder feinere kür- zere, nach innen nicht verlängerte Stachelchen, mehrentheils mit Knoten oder in ganzer Länge hinter einander mit queren kurzen Seitenästchen versehen. Körperinhalt eine körnige Masse. Cette. 11. A. cataphracta M. Eine ganz ähnliche Art mit vierkantigen mehr symmetrischen Stacheln, die Fortsätze der Stacheln zweimal getheilt.. Die centralen Enden der Stacheln keilförmig zugespitzt. Keine Nebenstacheln. Cette. 12. A. mucronata M. Conische Stacheln, symmetrisch vertheilt 14—20, welche an der Stelle, wo sie hervortreten, 2 gegenüberstehende in horizontaler Richtung dendritisch ver- zweigte dünne Blättchen abschicken, welche auch siebförmig durchlöchert sein können. Aufserdem zwischen diesen Fort- sätzen und dem centralen Ende des Stachels an dem dicksten Theile des letztern zwei starke etwas nach dem centralen Ende gekrümmte Querbalken, auf derselben Seite des Stachelradius wie die obern Blättchen. Diese Querbalken liegen schon in dem gelbbraunen Inbalt des Körpers. Das centrale Ende des Stachels ist nicht einfach keilförmig, wie bei den andern Acan- thometren, sondern läuft in 3, vielleicht 4 kleine divergirende zahnförmige spitze Fortsätze aus. Im Innern des Körpers gel- bes und purpurrothes Pigment. Grölse des Körpers 3. Cette. Bei dieser letzten merkwürdigen Form konnte ich mich überzeugen, dals die Haut des Tbiers continuo noch über den obern dendritischen oder siebförmigen Blättchen weggeht, vom 13. November 1856. 499 welche man der Schale eines Halomma vergleichen könnte, während dann die untern Schenkel gleichsam dem Kerngerüste eines Haliomma entsprechen. Soll dagegen die äufsere Haut der Acanthometren der häutigen Capsel gleichen, von welcher bei den Thalassicollen und Polycystinen die Fäden abgehen, so würden die beiden Stockwerke von Balken der Acantho- metra mucronata als innere Skeletbildung gleich dem einfachen oder mehrfachen Nucleus von Halomma oder dem Nucleus von Cladococcus anzusehen sein. Betrachtet man endlich die äufsere Haut der Acanthometra mucronata als eine noch über einer äufsern Schale liegende Cutis des Thiers, so wäre dies etwas, was bei keiner Polycystine wieder erscheint und es wären die äulsern Decken gleichsam duplicirt. Noch eine Abtheilung von Acanthometren enthält diejeni- gen ohne Panzer, deren Stacheln gegabelt sind. 13. A. furcata M. Die Stacheln sind, so weit sie aus dem Körper hervorstehen, in ganzer Länge in 2 weit von ein- ander getrennte parallele Zinken getheilt. Diese Theilung be- ginnt von einem breiten Knopfe des Stachels an, an welchem man zwischen den fortgesetzten Spitzen noch 2 nicht in Zin- ken fortgesetzte Knötchen bemerkt. Der im Körper versteckte Theil des Stachels ist dünn, einfach wie der Stiel einer Gabel und verdünnt sich nach innen, schwillt jedoch ehe er das in- nere Ende erreicht, noch einmal in einen Knopf an. Das in- . nere Ende ist wie gewöhnlich keilförmig zugespitzt. Im In- nern des Körpers gelbe Zellen und purpurrothe Pigmentkörner. Körper im Durchmesser ;”. Cette. 14. A. dichotoma M. Bei dieser Art ist der äulsere und innere Theil der Gabel ähnlich gestaltet, die Gabel ist ohne Stiel, vielmehr pincettenförmig oder feuerzangenförmig bis an das keilförmige innere Ende gleich gespalten; die Ga- belzinken hängen jedoch in der Mitte der Länge der Gabel unter der äulsern Haut des Körpers durch eine schmale Brücke, sonst nur an der äufsersten Spitze des centralen keilförmigen Endes zusammen. Der innere Theil der Gabel ist länger als der hervorragende und vor dem keilförmigen Ende am breite- sten. Die innere Masse des Körpers ist der Mitte näher gelb, weiter aulsen purpurroth. 300 Gesammisitzung So eigenthümlich die vorher beschriebene A. furcata ist, so wenig ist es die jetzt beschriebene dichotoma im Princip; denn sie stellt im Maximo dar, was bei gewöhnlichen Acanthometren auch der Fall ist, dafs die Stacheln Schlitze haben. Die Charaktere der ursprünglichen Gattung Acanthometra wie sie oben gefalst worden sind, lassen sich nicht auf die Acan- thometra arachnoides Clap. Monatsber. 1855, p. 675 anwenden, welche so eigenthümlich ist, dals sie einen andern Gattungsnamen Plagiacantha Glap. verdient und also nun Plagiacantha arachnoides heilsen wird. Das Eigenthümliche liegt darin, dafs die ästigen Stacheln ohne Canal weder in der Mitte des Kör- pers sich aneinander legen, noch überhaupt dort zusammentreffen, sondern auswendig an einer Seite des weichen Thierkörpers sich begegnen und verwachsen, so dafs das Skelet nur eine Art Ge- länder bildet, an welches der sphärische weiche 'Thierkörper ange- lehnt ist, so zwar, dals zarte Verlängerungen, analog den strahligen Pseudopodien, die von dem Körper ausgehen, die Stacheln und ihre Äste begleiten, von den Enden der Stacheln frei auslaufen, auch zwischen den Stacheln und ihren Ästen fadenartige Brücken bil- den, von welchen wieder fadige Pseudopodien auslaufen, und alle die Verlängerungen das Phänomen der Körnchenbewegung dar- bieten. Die Gattung Plagiacantha steht gewissermalsen in der Mitte zwischen den Acanthometren und Polycystinen. Unter den von Hrn. Claparede und Lachmann in Gleswer bei Bergen beobachteten Exemplaren des Thierchens waren solche, deren Ske- let nur aus dem bezeichneten Geländer von Stacheln bestand und wo die Verbindungsbrücken zwischen den Ästen der Stacheln nur aus thierischer Substanz mit Körnchenbewegung bestanden, da- gegen in andern Exemplaren das Skelet auch in diesen Brücken selbst in Form von Arkaden vertreten war. Ein solches Skelet unterscheidet sich von dem der gewöhnlichen Polycystinen schon, dafs es kein schalenartiges Gehäuse ist; sobald aber an dem wand- bildenden Stachel- Geländer Anastomosen durch Skelet-Arkaden auftreten, wie in den letztbezeichneten Exemplaren, sie ist der erste Schritt zu einem Netz und also zu dem durch seine geschlossenen Lücken oder Löcher ausgezeichneten Skelet der eigentlichsten Po- lycystinen angetreten. AR 43. November 1856. 501 Von der Art, wie:die Thalassicollen, Polycystinen und Acan- thometren die Nahrung aufnehmen, weils man noch gar nichts. Zwar kann man vermuthen, dafs es durch die Pseudopodien ge- schehe. Doch bedarf ihr Zusammenhang mit dem Körper noch tieferer Aufklärung. Bei den Thalassicollen und Polycystinen las- sen sie sich nur bis zur häutigen Capsel der Weichtheile verfolgen, die bei den Polycystinen meist noch unter einer äulsern Schale, bei Cladococcuws nackt ist und die Kernschale umschliefsend, bei Haliomma zwischen der äufsern Schale und der Kernschale liegt und in den Polycystinen gewöhnlich die gelben Zellen noch über sich hat. Bei den Acanthometren wird, nach Hrn. Claparede’s Beobachtungen, die äufsere Haut von den Tentakelfäden durch- bohrt, und setzen die Fäden unter dieser ihren Weg radial in die tiefere gefärbte Masse fort. Bei Thalassicolla nucleata sieht man unter der dicken Haut, von der die Pseudopodien abgehen, unter dem Deckplättchen keine solche Fortsetzungen und erscheint hier zwischen dieser Haut und einer innern grolsen centralen Zelle nur eine Schicht von Kugeln und Körnern, die wie Öltropfen und Fettmolekeln aussehen. Bei Diczyosoma liegt unter der häutigen Capsel, von welcher die Fäden ausgehen, eine ansehnliche helle Schicht, in welcher unter dem Druck des Deckplättchens farblose Zellen, die Körnchen enthalten, zum Vorschein kommen. Ein Zu- sammenhang der Pseudopodien mit dieser Schichte und ihrem In- halt ist unbekannt. Wie die Pseudopodien bei den Acanthometren ihren tiefern Ursprung nehmen, ist auch noch nicht bekannt. Da sich die Pseudopodien der Stacheln in der Nähe des Centrums der Stacheln in die Schlitze derselben fortsetzen müssen, so muls die Quelle der contractilen Fäden sehr tief gehen. Aber man weils jetzt noch nicht, ob sie hier zu einem einzigen die zusammenge- fügten Enden der Stacheln umlagernden Organ verbunden sind, oder etwa in besondern Ampullen endigen. Die Untersuchung des Körpers der lebenden Acanthometren unter dem Druck des Deckplättchens ist in dieser Hinsicht ganz unbefriedigend. Im Au- genblick der Einwirkung des Drucks sind alle Fäden plötzlich ver- schwunden, es bleibt nur der Inhalt des Leibes, gelbe Zellen mit Körnerinhalt oder andere Pigmentzellen, rothe und andere Pig- mentkörner, aulserdem aber auch farblose Zellen. Zur Unter- [1856] 39 502 Gesammtsitzung suchung des Körperinhaltes ohne Druck eignen sich die mehrsten Acanthometren nicht; nur die Acanthometra pellucida ist durch- sichtig genug, um die Lagerungsverhältnisse der gelben und farb- losen Zellen und des Pigmentes zu beobachten. Bei dieser Art liegen die gelben und farblosen Zellen und die Pigmentkörner ziemlich oberflächlich, von der äufsern Haut durch einen hellen Zwischenraum getrennt. Der farbige Körperinhalt ist gegen diese äufsere Haut und den hellen Raum unter ihr, welcher von den Pseu- dopodien durchsetzt wird, immer scharf abgesetzt; doch habe ich mich von einer zweiten Haut, die über den farbigen Körperinhalt wegginge, nicht überzeugen können. Tiefer als die gelben und farblosen Zellen und Pigmentkörner erblickt man bei der Acan- ihometra pellucida den Raum zwischen den Stacheln bis zu ihrer Vereinigung von einer hellen Masse ausgefüllt, welche sich zwi- schen den Stacheln gegen die oberflächlichere Pigmentlage mit abgerundeten Erhabenheiten abzugrenzen scheint. Im August beobachtete ich in Cette eine Acanthometra mit vierkantigen Stacheln, in der das Innere des Körpers ganz von kleinen Wesen wie von Infusorien wimmelte, von denen sich auch einzelne ablösten und sich umhertrieben. Bei der Vergrölserung, unter welcher das Gewimmel in dieser Acanthometra zuerst be- merkt wurde, konnte die Form der Kleinen und ihre Bewegungs- organe nicht bestimmt werden. Als ich die Acanthometra zur Anwendung starker Vergröfserungen auf eine Glasplatte gebracht hatte, sah ich die vorher so lebhafte Bewegung schon erlöschend nur noch einen Augenblick; sie hörte sogleich gänzlich auf; beim Zerdrücken des Thiers mit dem Deckplättchen war nichts von In- fusorien zu sehen, vielmehr kamen aufser den gewöhnlichen ge- 1’ 00 Durchmesser zum Vorschein, welche mit einigen sehr kleinen dunk- färbten Theilen nur viele runde durchsichtige Bläschen von , leren Körnchen hin und wieder wie bestäubt waren. An diesen Bläschen konnte ich aber mittelst starker Vergrölserungen einige überaus zarte ähnliche Fäden, wie an den Acanthometren, abge- hend an verschiedenen Stellen des Körpers erkennen. Es ist mir daher wahrscheinlich, dafs dieses junge Acanthometren und nicht etwa monadenartige Wesen sind. Dann würden die Acantho- metren im jüngsten Zustande den alten ähnlich noch ohne Sta- vom 13. November 1856. 503 cheln sein und durch lebhafte Bewegungen von der Starrheit der erwachsenen abweichen. Alle beschriebenen Thiere sind pelagisch an der Oberfläche des Meers mit dem feinen Netz gefischt. Auf demselben Wege erhielt ich auch lebendige Polythalamien, nämlich Orbulinen (aus der Abtheilung der Monostega oder Monothalamia) und sehr häufig jüngere Rotalien und hatte dadurch Gelegenheit ihre fadigen Pseu- dopodien und ihre Bewegung zu vergleichen, welche in einem Glasschälchen mit Seewasser derjenigen der Acanthometren und Polycystinen gleichet. Was von der Ordulina universa sonst zu berichten, kann einer spätern Gelegenheit verspart sein. Die Menge des Auftriebs durch das feine Netz hängt davon ab, ob viel Wasser durch dasselbe gegangen, nämlich von der Dauer des Fischens und der schnellern Fahrt. Die Erhaltung der Thierchen am Leben hängt von entgegengesetzten Bedingungen ab, ferner von der Ruhe der See, dals nämlich das Netz nicht hin und her geworfen werde, ferner von der allgemeinen Beschaffen- heit des Auftriebs, dals nicht zu viele Abgänge von Thieren, nicht zu viele todte und lebendige Wesen in derselben Wasser- menge zusammen und die aufgetriebene körperliche Masse nicht allzu verdichtet sei. Die Thierchen sind sehr verschieden gegen diese Einflüsse empfindlich. Tralassicolla ist viel weniger em- pfindlich als die zusammengesetzten Sphaerozoen und Collosphae- ren, von welchen lebende Exemplare selten erhalten werden. Von den Polycystinen wurden die meisten Exemplare lebend erhalten und todte, d.h. solche ohne alle Spur von Ortsbewegung, ohne Körnchenbewegung an den Fäden, und mit schlaffen oder gar in eine Gallerte verbundenen Fäden sind seltener. Dagegen waren die einfachen Acanthometren ohne Panzerfortsätze nur. selten lebend erhalten und waren die mehrsten todt unter Umständen, unter welchen die mehrsten Polycystinen noch lebten. Was die Localitäten betrifft, so sind die Acanthometren reich- licher bei Cette, die Polycystinen reichlicher bei Nizza, die Tha- lassicollen ausschlielslich an der sardischen, die Polythalamien an beiden Küsten vorgekommen, 39° 504 Gesammtsitzung Hr. Müller legte sodann folgende Abhandlung des Hrn. Prof. Max Schultze in Halle vor: über die Endigungs- weise des Geruchsnerven und die Epithelialgebilde der Nasenschleimhaut. (Mit 1 Lithographie.) Den Bemühungen der Hrn. Eckhard in Giefsen und Ecker in Freiburg ist es zu danken, dafs wir über die Epithelialge- bilde der regin olfactoria der Nase, welche ihrer leichten Zer- setzbarkeit willen sich den Versuchen einer genaueren mikro- skopischen Analyse bisher entzogen hatten, befriedigendere Kenntnifs erhielten. (Vergl. Eckhard Beiträge zur Anatomie und Physiologie Heft 1, 1855, pag. 77; Ecker Berichte über die Verhandlungen der Gesellschaft für Beförderung der Natur- wissenschaften zu Freiburg i. B., 1855, No. 12; Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. 8, 1856, pag. 303.) Durch glück- liche Erhärtungs- und Macerationsmethoden gelang es Ersterem beim Frosch, Letzterem beim Menschen und einigen Säuge- thieren die Elemente der Epithelialschiceht zu zerlegen, und beide Forscher fanden übereinstimmend die Gestalt der Epi- thelzellen so abweichend vom Gewöhnlichen, dafs sie mit Rück- sicht auf die chemische Beschaffenheit derselben die Hypothese aufstellten, diese Zellen möchten mit ihren faserartig ausgezo- genen Enden eine unmittelbare Fortsetzung der Geruchsnerven- fasern sein. Die ganze Oberfläche der regio o/factoria der Nase würde danach von den pallisadenähnlich gestellten Endzellen der Geruchsnervenfasern bedeckt sein, und der Perception des Reizes riechender Substanzen dienen. Die Arbeiten der genannten Forscher, weit entfernt einen Beweis für ihre Hypothese zu liefern, mulsten zu einer Prü- fung der von ihnen nur kurz geschilderten anatomischen Ver- hältnisse anregen. In Folgendem erlaube ich mir die Resultate von Unter- suchungen, welche ich über das Geruchsorgan von Vertretern aller Wirbelthierklassen angestellt habe, im Auszuge darzulegen. 4) Die regio olfactoria der Nasenschleimhaut aller Wirbel- thiere ist, wie der übrige Theil dieser Schleimhaut, von Epi- thelialzellen bedeckt, welche mit den Geruchsnerven in keinem Zusammenhange stehen. Diese Zellen der regio o/factoria sind langgestreckt, an den freien oberen Enden annähernd sechs- vom 13. November 1856. 505 seitig prismatisch, und gehen central in einen längeren oder kürzeren Fortsatz aus, welcher ganz die chemische Natur an- derer Epithelialzellenfortsätze beibehaltend, durch seitliche Aus- läufer öfter auch mit benachbarten in Verbindung tretend, in der Nähe der bindegewebigen Unterlage sich zu verbreitern und zu theilen pflegt, und mit den oft mehrfachen mehr oder we- niger feinen Ausläufern an der Grenze des Bindegewebes endet. Es sind das diejenigen Zellen, welche Ecker vom Menschen (Berichte etc. Taf. IV, fig. 1, 2, 4, Zeitschr. f. w. Z. etc. Taf. XIII, fig. 4), Eckhard vom Frosch (I. c. Taf. V, fig. 2,5, 6. 3u. 4 b)doch zum Theil nicht ganz naturgetreu abbilden. Dieselben tragen beim Menschen, bei Säugethieren, Vö- geln und Amphibien niemals Wimpern, gehen aber am Rande der regio o/factoria in die Wimperzellen der übrigen Nasen- schleimhaut allmählig über. Ihre langen, nach unten verästelten Fortsätze werden dabei kürzer und schwinden mehr oder we- niger ganz. Statt der wimperlosen, äufserst zarten, dünnen, vergänglichen vorderen Begrenzungshaut tritt die mit Wimpern bekleidete, dickere, doppelcontourirte Zellwand auf. Das che- _ mische Verhalten beider Zellenarten gegen Chromsäure und dop- pelt chromsaures Kali ist ein gleiches. Sie lassen sich fast in jeder beliebig concentrirten Lösung dieser Stoffe erhalten. Die Epithelzellen der regio olfactoria sind oft Sitz einer Pigmentablagerung, welche in Verbindung mit einer meist gleich- zeitig vorhandenen Pigmentirung der Bowmann’schen Schleim- drüsen-Zellen Ursache der bei vielen Säugethieren intensiv braungelben Färbung dieser Gegend ist. Beim Menschen und Meerschweinchen sind es die peripherischen prismatischen Zel- lenkörper, in welchen das Pigment seinen Sitz hat, während dasselbe bei Hund, Katze, Schaaf, Pferd die unteren verbreiterten und oft verästelten Zellenenden färbt, also die Grenze zwi- schen Epithel und bindegewebiger Grundlage der Schleimhaut bezeichnet. In Folge dieser Pigmentirung unterscheidet sich auch beim Menschen die regio olfactoria durch eine bereits mit blolsem Auge erkennbare gelbliche Farbe von den angrenzenden Theilen der Schleimhaut, wie neuerdings besonders Ecker hervorgehoben hat. Doch zeigen sich gerade beim Menschen bedeutende Schwankungen in der Ausdehnung dieser gefärbten 506 Gesammtsitzung Gegend. Es kommen selbst mitten in der regio olfactoria pig- mentlose wimpernde Stellen vor, woraus sich Kölliker’s An- gabe erklärt, dals er bei einem Hingerichteten auch die ober- sten Parthieen der Nasenhöhle wimpernd gefunden, und um- gekehrt zeigen sich in die wimpernden Parthieen der oberen Muschel und der Scheidewand öfter Gruppen wimperloser pig- mentirter Zellen eingebettet. Übrigens finden sich wie in der Form so auch in der Pig- mentirung Übergänge zwischen beiden Zellenarten. 2) Zwischen diesen unzweifelhaften Epithelialzellen der regio olfactoria, bei welchen an einen Zusammenhang mit den Olfactorius-Fasern nicht zu denken ist, finden sich bei allen Wirbelthieren in grolser Zahl andere Zellen von abweichender Gestalt und eigenthümlicher chemischer Beschaffenheit. Sie be- stehen aus einem rundlichen Zellenkörper und zwei in enige- gengesetzter Richtung abgehenden feinen Fortsätzen, von wel- chen der eine, nach der Peripherie strebende, in gleicher Höhe mit der freien Fläche der Epithelialzellen endigt, der andere nach der bindegewebigen Grundlage der Schleimhaut verläuft. Die Zellenkörper liegen in sehr verschiedener Höhe zwischen den Epithelialzellen, der freien Oberfläche bald näher bald fer- ner, und sind fest eingebeilet zwischen den einen dichten Filz bildenden Fortsätzen der letzteren. Von den beiden zarten Fäden, in welche dieselben übergehen, und welche sich nur bei ganz bestimmten Concentrationsgraden der zur Erbärtung und Maceration angewandten Flüssigkeiten erhalten, ist der cen- trale der feinere, bald nach seinem Ursprunge aus der spindel- förmig ausgezogenen Zelle als zartes Fädchen bei starken Ver- grölserungen eben nur noch erkennbar. Derselbe läuft ohne je in directe Verbindung mit den Epithelialzellenfortsätzen zu treten, gestreckt und ohne Verästelungen oder Theilungen bis zur bindegewebigen Grundlage der Schleimhaut, an welcher er bei jeder Präparation, die ihn isolirt, auch abreilst. Was die- sen Zellenfortsatz aber als einen ganz eigenthümlichen kenn- zeichnet, das sind die regelmälsig an demselben sichtbaren Va- rikositäten von spindel- oder kugelförmiger Gestalt, welche bis an sein an der Grenze der Epithelialsehicht noch leicht isolir- bares Ende in unregelmälsigen Zwischenräumen bald gröfser 2 } } vom 13. Novenider 1856. 507 bald kleiner vorhanden sind, und diesem Faden das Ansehen einer feinsten Nervenfaser geben, wie sie sich in der reiina in der Schicht des opzieus und als Ganglienzellenfortsätze fin- den, mit welchen letzteren derselbe auch in seinen chemischen Eigenschaften durchaus übereinstimmt. Stets etwas breiter ist der entgegengesetzte Zellenfortsatz, welcher in gleicher Höhe mit den freien Flächen der Epi- thelialzellen sein Ende findet. Derselbe beginnt an dem Zel- lenkörper ziemlich breit, verschmälert sich aber schnell bis auf 0,0004— 0,0008 par. Lin. und läuft in gleicher Breite aufwärts. Dieser Fortsatz ist ebenso vergänglich wie der centrale, und bei gewissen Concentrationsgraden der umgebenden Flüssigkeit auch durch Varikositäten ausgezeichnet, welche ihm abgesehen von seiner etwas grölseren Breite ganz dasselbe Ansehn ge- ben, wie das jener central verlaufenden Fädchen. Diese bei allen darauf untersuchten Wirbelthieren von mir aufgefundenen Zellen hatte Eckhard beim Frosch gesehen, und I. ce. fig. 3, d, fig.4, ce wenn im Allgemeinen auch un- vollkommen doch in den peripherischen Fortsätzen gauz rich- tig abgebildet, die Bündel derselben fig. 9, 10 aber für Drü- senelemente gehalten. Ecker hat beim Menschen nur die Zel- lenkörper nicht aber die charakteristischen Forssätze erkannt, und erstere als Ersatzzellen angesprochen. Sehr eigenthümliche Verhältnisse bietet die Beschaffenheit des freien, an der Oberfläche der Epithelialschicht zu Tage lie- genden Endes der fraglichen Zellen. Schon Eckhard führt an, dals die regio olfactoria des Frosches mit Wimperhärchen bedeckt sei, welche sich durch ibre Länge und Zartheit von denen anderer Gegenden unterscheiden. In der That sind die- selben durchaus anderer Art als die bekannten die Flimmer- bewegung erzeugenden Wimpern. Nicht nur dafs ihre Länge eine aulserordentlich bedeutende ist, nämlich bis zu 0,04” steigt, also die gewöhnlicher Wimpern um das 8— 10 fache übertrifft, ferner ihre Feinheit die Unterscheidung isolirter Härchen nur mit den besten Instrumenten zuläfst, so sind auch die Bewegungserscheinungen und ihre chemischen Eigenschaf- ten durchaus abweichend. Untersucht man die regio olfactoria eines frisch eingefangenen Frosches (Rana esculenta) gleich 508 Gesammtsitzung nach der Decapitation in humor aqueus desselben Thieres, so ist ein leichtes Wogen an den meisten Härchen zu erkennen, wie an den Schwänzen zahlreicher aber bereits fast abgestor- bener Spermatozoiden. Da die Bewegungen nur schwach und nicht gleichförmig sind, so bringen sie nie einen Strudel in der umgebenden Flüssigkeit zu Stande. Die längsten unter den Härchen zeigen meist von Anfang an gar keine Bewegungen, nach Verlauf von 15—20 Minuten bemerkt man nur noch an den kürzesten eine solche, und bald hört auch diese gänzlich auf. Dasselbe tritt auch bei unverletzter Nase ein, so dals eine Stunde nach dem Tode schon keine Spur einer Bewegung mehr sichtbar ist. Kali- und Natronlösung bewirken keine Wieder- belebung derselben, wie dies nach Virchow’s Beobachtungen bei gewöhnlichen Wimpern geschieht, und Zusatz von Was- ser zerstört die Härchen augenblicklich. Mufs diese leichte Vergänglichkeit und das schnelle Auf- hören der überhaupt nur sehr geringen Bewegungen im Ver- gleich mit den bekannten Erscheinungen an anderen Wimpern, in hohem Grade auffallen, so steigt unsere Bewunderung wenn wir erkennen, dafs diese Härchen nicht wie Eckhard angiebt und wie man allerdings vermuthen sollte, den Epithelialzellen aufsitzen, sondern den zwischen diesen zu Tage tretenden va- rikösen Faserzellen. Eine jede dieser letzteren trägt auf einem starklichtbrechenden Knöpfchen 6—10 der langen, im ruhen- gen Zustande borstenartig gestreckten Härchen, welche frei in den Luftstrom der Nase hineinragen. Da mindestens 4—6 solcher Härchenzellen eine jede wimperlose Epithelialzelle im Kreise gestellt umgeben, so kann es nicht wnndern, dals wir an der unverletzten Nasenschleimhaut die durch die Epithelial- zellen gebildeten Lücken in der Anordnung der Härchen nicht wahrnehmen. Diese eben beschriebenen Verhältnisse sind sehr leicht an dem Geruchsorgan eines Frosches zu constatiren, welches 24 Stunden oder länger in einer Lösung von 5—% Gran trock- ner Chromsäure auf die Unze Wasser gelegen hat. Die Decke der Nasenhöhle werde vor dem Einlegen weggebrochen und das Kopfstück möglichst verkleinert; die Menge der Flüssigkeit aber sei nicht unter 2 Unzen. Ein solches Präparat durch gu- vom 6. November 1856. 509 ten Verschluls vor dem Schimmel geschützt, kann noch nach Wochen zur mikroskopischen Untersuchung dienen. Stärkere oder schwächere Chromsäurelösungen zerstören die feinen Härchen, wie solche auch zu einer unveränderten Erhaltung der varikösen Faserzellen nicht brauchbar sind. Ganz ähnliche Bildungen finde ich in der regio olfactoria von Salamandra maculata, Bufo variegatus, Coluber natrix, An- guis fragilis, Lacerta und bei vielen Vögeln. Frisch in kumor aqueus untersucht, sieht man von der freien Epithelialfläche aus zahllose steife Härchen bis zu 0,05” Länge in die umge- bende Flüssigkeit ragen, von welchen die längsten ganz re- gungslos stehen, die jüngeren dagegen meistens einige Zeit hindurch leichtwogende Bewegungen zeigen, die bei Berüh- rung mit Wasser sogleich aufhören, indem die Härchen ein- schrumpfen und verschwinden. Gelingt es nach Maceration in Chromsäure die Elemente der Epithelialschicht unverändert zu isoliren, was bei den beschuppten Amphibien und warmblü- tigen Thieren meist dünnere Lösungen (von %—; Gran auf die Unze Wasser) erfordert, so überzeugt man sich leicht, dafs wie beim Frosch nur die varikösen Faserzellen es sind, welche die wimperartigen Anhänge tragen, die Epithelialzellen da- gegen solcher gänzlich ermangeln. Und zwar kommen bei den meisten der genannten Thiere neben solchen Elementen, die wie bei Rana esculenta mehrere wimperartige Anhänge be- sitzen, auch noch variköse Zellen vor, welche sich nur in ein einziges langes borstenartiges Härchen mit breiter Basis aber auflserordentlich fein auslaufender Spitze fortsetzeu. So allgemein auch diese die Epithelialzellen der regio ol- factoria weit überragenden haarförmigen ein- oder mehrfachen Fortsätze der varikösen Faserzellen bei Amphibien und Vö- geln vorkommen, so fehlen sie doch den Fischen, den Säugethieren und dem Menschen. Man überzeugt sich von deren Abwesenheit leicht durch Untersuchung frischer Prä- parate in humor aqueus. Dennoch fehlen auch hier nicht kleine Aufsätze auf den letztgenannten Elementen, welche über die Epitheloberfläche hinausragen. An erhärteten Präparaten habe ich solche beim Menschen, vielen Säugethieren und unter den Fischen beim Hecht in Form kleiner 0,001 — 0,002” langer stäb- 510 Gesammtsitzung chenförmiger Gebilde gesehen, welche durch eine scharfe Quer- linie vom Zellenfortsatz abgegrenzt sind und hier sich leicht ablösen. Ihre Art das Licht zu brechen ist eine solche, dals man in humor aqueus auch mit den besten Instrumenten eben nur eine leichte Andeutung derselben wahrnimmt. Unternehmen wir es nach dieser Darstellung von dem Vor- kommen gewisser eigenthümlicher Faserzellen in der Epithel- schicht der regio olfactoria der Wirbelthiere nach dem Ansehn und den chemischen Eigenschaften derselben einen Vergleich zu ziehen zwischen ihnen und anderen bekannten Zellenformen, so ist zunächst hervorzuheben, dals in keiner anderen Epithe- liallage, namentlich weder in der Nase nach abwärts von der regio olfactoria, noch in der Luftröhre eine Spur solcher vari- köser Faserzellen aufzufinden ist, wie wir sie an dem ange- führten Orte ganz constant finden. Die Ersatzzellen, welche in geschichteten Epithelien als jüngere Zellengeneration unter und zwischen den oberflächlichen gelagert sind, reichen nicht bis an die freie Fläche. Freilich kommen an jungen Epithel- zellen, wie bisher wenig beachtet worden, längere Fortsätze vor, welche ihnen eine spindel- oder sternförmige Gestalt ge- ben, aber nie findet sich auch nur eine Andeutung an die Ge- stalt, Lage und chemische Natur unserer Zellen der regio ol- factoria. Es bleiben, worauf oben bereits hingewiesen wurde, nur Zellen der Nervenapparate zur Vergleichung übrig, und unter diesen als der peripherischen Ausbreitung eines Sinnes- nerven angehörig bieten sich die Zellen der rezina vor anderen dar. Nach den bekannten Untersuchungen von H. Müller Kölliker, Remak u. A. laufen die multipolaren Ganglien- zellen der Nervenhaut des Auges in feine variköse Fädchen aus, welche mit den feinsten Fäserchen des Opzicus durchaus über- einstimmen, auch mit denselben in unmittelbarem Zusammen- hange gesehen wurden, so dals über die Bedeutung der erste- ren als Nervenzellen nicht der geringste Zweifel obwalten kann. Bei einer Vergleichung dieser multipolaren varikösen Faser- zellen mit den bipolaren der regio o/factoria stellte sich in dem chemischen Verhalten gegen Chromsäure, doppelt chromsaures Kali, Sublimat, Kupfer- und Zinkyitriol eine vollständige Über- einstimmung heraus. Die Zellenkörper mit ihren Kernen las- vom 13. November 1856. 511 — sen sich in mannigfach verschieden concentrirten Lösungen dieser Stoffe erhalten, man findet sie bald mehr eingeschrumpft bald in halber Auflösung begriffen, aber die scharfe äufsere Contour der Zellen und namentlich ihre zarten varikösen Fort- sätze können nur bei ganz bestimmten Concentrationsgraden beobachtet werden. Das Verhältnils der Lösung schwankt für Chromsäure zwischen -—-- Gran auf die Unze Wasser, und richtet sich sowohl nach der Verschiedenheit der Thiere als nach der Zeit, welche zwischen dem Tode und dem Ein- legen in die Flüssigkeit vergangen ist. Bei längerer Dauer derselben bedarf es stärkerer Lösungen als wenn das Präparat gleich nach der Decapitation vorbereitet wurde. Von sehr be- deutendem Einfluls ist ferner die Beimischung von löslichen organischen Stoffen wie Blut, Schleim, Eiweils zu den zur Erhärtung und Maceration angewandten Flüssigkeiten; eine solche Beimischung kann namentlich bei warmblütigen Thieren sehr günstig wirken, wenn gleichzeitig die Chromsäurelösung etwas concentrirter gewählt war. Eine Reihe in diesem Sinne ausgeführter Untersuchungen hat mich in den Stand gesetzt, wie ich glaube, mit grölserer Sicherheit als bisher möglich war, über die nervöse oder nicht nervöse Natur gewisser Fasern zu entscheiden. So erwähne ich nur, dals sich für die sämmtlichen an der membdrana limi- tans endigenden radiären Fasern der rezina herausstellte, dafs dieselben in ihrer ganzen Länge keine Gemeinschaft mit Ner- venfasern haben, eine Ansicht, welche bereits von Remak, Bidder und Blessig ausgesprochen worden, jedoch auf alle radiären Elemente der retina ausgedehnt wurde. Es giebt aber in dieser Haut aulser den eben erwähnten radiären Elementen noch andere in gleicher Richtung verlaufende Fasern von be- stimmt nervöser Natur. Diese haben dasselbe Ansehn, dieselbe chemische Beschaffenheit wie die Ganglien-Zellenfortsätze und wie die feinen variıkösen Fasern der grauen Substanz nach au- [sen von den Zellen, und erhalten sich auch nur unter den- selben schwierig zu regulirenden Umständen. Die Nichtbeach- tung dieses hier nur kurz anzudeutenden Unterschiedes zwischen zwei total verschiedenen radiären Faserarten der rezina ist die Ursache der bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die 512 ; Gesammtsilzung physiologische Bedeutung dieser überall für gleichwerthig ge- haltenen Elemente. Die eine Art dieser {Fasern verhält sich genau wie die Epithelialzellenfortsätze der regio olfactoria. Sie sind fast in jeder beliebigen Chromsäurelösung (schwankend zwischen 4 und 3, 4 und mehr Gran auf die Unze Wasser) zu erhalten, haben keine Ähnlichkeit und keinen Zusammenhang mit den feinsten Opticusfädchen, und stellen aller Wahrschein- lichkeit nach nur einen Stützapparat für die zweite Art von Fasern dar, welche zwischen die erste gelagert nach Ansehn und chemischem Verhalten wie nach ihrer Verbindungsweise mit entschieden nervösen Gebilden nur für Nervenelemente ge- halten werden können. Solche und andere vergleichende Untersuchungen haben es immer wahrscheinlicher, ja so gut wie gewils gemacht, dafs die varikösen Faserzellen der regio olfactoria Nervenzellen seien. 3) Dieser Ansicht von der Bedeutung der letztgenannten Zellen als Elementen des Nervensystemes den endgültigen Be- weis zu geben, bedarf es des Nachweises eines directen Zu- sammenhanges derselben mit den Fasern des Geruchsnerven, welcher sich in der bindegewebigen Grundlage der Schleim- haut der regio olfactoria verästelt. Über den feineren Bau des letzteren, namentlich die Art seiner Primitivfasern, sind die bisherigen Untersuchungen wenig befriedigend. Nach Todd und Bowmann’s Entdeckung seiner Zusammensetzung aus blassen, leicht granulirten, breiten kernhaltigen Fasern sind kaum wesentliche Fortschritte in der Erkenntnils feinerer Stru- cturverhältnisse gemacht worden. Kölliker (Mikroskopische Anatomie Bd. II, p. 770) beschreibt die Elemente als Röhren von 0,0022—0,01”” Breite, mit zarter, structurloser Hülle und feingranulirtem, zähflüssigem, mit Kernen durchsetztem Inhalt, welche sich nicht in feinere Fibrillen zerlegen lassen, aber von den Stämmen nach den Ästen zu durch Theilung verschmälern. Nach meinen an den Geruchsnerven von Vertretern aller Wirbelthierklassen angestellten Untersuchungen sind jedoch diese von Kölliker als Primitivfasern angesehenen Röhren nicht so einfach. Schon an frischen, in Aumor aqueus liegenden Prä- paraten sieht man den Inhalt der structurlosen Scheide so deut- vom 13. November 1856. 513 lich längsstreifig, dals die Anwesenheit feinerer Fäserchen im Innern sehr wahrscheinlich erscheint, und wird dieselbe durch Erhärtung in Chromsäure oder doppeltchromsaurem Kali zur Gewilsheit. Es sind 0,0002 — 0,001” breite Fasern, welche zu Bündeln vereinigt und von einer durchsichtigen Scheide um- hüllt, die beschriebenen Röhren darstellen. Breitere und schmä- lere sind neben einander in einem Bündel enthalten, an den breiteren finden sich Theilungen, manchmal wie es scheint selbst anastomotische Verbindungen, welche das Isoliren der Fäserchen, die überhaupt eng aneinander kleben, erschweren. Dennoch sind an abgerissenen Enden der Bündel die Elemente oft sehr deutlich isolirt sichtbar. Gegen die feineren Äste theilen und verschmälern sich die Bündel, die structurlose Scheide verliert sich und die Primitivfasern, die jetzt alle der feinsten Art angehören, treten frei auseinander. Die Fäser- chen gleichen den durch wiederholte Theilung der Ganglien- zellenfortsätze im bulbus olfactorius entstandenen Elementen, welche Axencylindern analog sind, und in ungeheuren Massen die Rinde des Bulbus zusammensetzen. Sobald sie die letztere verlassen, werden sie zu Bündeln vereinigt von einer Scheide umgeben, mag der Bulbus am Hirn unmittelbar anliegen, wie bei vielen Fischen, Amphibien und den Vögeln, oder erst am Eingang in die Nasenhöhle sich befinden. Mit dem Austritt aus dem Bulbus stellen sich auch die Längskerne im Nerven ein, liegen jedoch nicht im Innern der Primitivfasern. Sind die letzteren an der Peripherie im Begriff auseinander zu tre- ten, so befinden sie sich bereits unmittelbar unter der Epithe- lialschicht der Schleimhaut. Hier geht nun eine Veränderung in den Fasern in der Art vor, dals sie zarter, weicher, ver- _ gänglicher, Diffusionserscheinungen zugänglicher und deshalb _ schwerer darstellbar werden, und die vorher nicht vorhandene _ Neigung Varikositäten zu bilden sich bei ihnen einstellt. Ge- wöhnlich reilsen bei der Präparation die Fasern vorher ab, ehe _ diese Veränderung an ihnen eingetreten ist, denn mit derselben befinden sie sich bereits jenseits der Bindegewebsschicht zwi- schen den Basen der Epithelialzellen, an der Stelle wo wir die Enden der centralen Ausläufer der varikösen Faserzellen fan- den. Es spricht Nichts gegen die Ansicht, dals hier ein di- 514 Gesamrmtsitzung recter Zusammenhang beider durchaus gleichartiger Elemente statthat. Wenn ein solcher in keinen einzigen Falle zur Be- obachtung gekommen ist, so darf das nicht Wunder nehmen. Die zur Untersuchung nöthige Maceration bewirkt, dafs die ganze Epithelialschicht mit Einschluls der Nervenzellen sich leicht von der bindegewebigen, nervenreichen Unterlage löst, so dals an dieser Stelle eine Trennung des Zusammenhanges viel frü- her eintritt, als die Isolirung eines Nervenästchens möglich wurde. Es könnte noch in Frage kommen, ob nicht an der Durch- gangsstelle der Nervenprimitivfasern aus der einen in die an- | dere Schicht noch Zellen eingeschoben wären, bipolaren oder multipolaren Retinazellen vergleichbar, in welchen dann zu- gleich diejenige Veränderung der histologischen und chemi- schen Beschaffenheit der Nervenfasern vor sich ginge, welche wir bei dem Übergange aus dem Bindegewebe in die Epithel- lage finden. Die sorgfältigste auf diesen Punkt gerichtete Un- tersuchung hat jedoch nie an der Grenze beider Schleimhaut- schichten eine Spur von solchen Zellen ergeben. 4) Aus Allem was in dem Voranstehenden über die Epi- thelialschicht der regio o/factoria und die Elemente des Ge- ruchsnerven mitgetheilt worden, ergiebt sich, wie ich glaube, mit einem so hoben Grade von Wahrscheinlichkeit, als unsere Hülfsmittel nur darzubieten vermögen, dafs die zwischen den Epithelialzellen gelegenen varikösen Faserzellen die peripheri- schen Enden des Riechnerven darstellen. In ihnen glaube ich die bisher unbekannten percipirenden Elemente des Geruchs- organes aufgefunden zu haben, und dürfte auf sie allein der Name Riechzellen passen, welchen Ecker den Epithelial- zellen der regio olfactoria geben wollte. Wie günstig für ihren Zweck die in den Luftstrom über das Niveau der Epi- thelialzellen hinausragenden Härchen und stäbchenförmigen Auf- sätze wirken müssen, bedarf keiner weiteren Erklärung. Aus der Continuität und wahrscheinlichen chemischen Identität der Härchen mit den sie tragenden Zellen möchte ich schliefsen, dals erstere nicht blofs mechanisch zum Auffangen von Molekeln riechender Substanzen, sondern direct zur Perception der Riech- stoffe dienen. Momatsbericht ÄdEd.d TE Doris I050. Zintheltalgebilde der SCH Gactoria: Jn jeder Figur ist eine Epttheltalxzelle’ und an Jeder Seite derselben cine WDervenzelle dargestellt. 4, von’ emer Eule. 5 vom Hecht. 2 vom Bosch. 4, vom. Menschen. Yu Fri ei vom 13. November 1856. 515 | Hr. Klotzsch trug hierauf eine Abhandlung des Hrn. Dr. Schacht vor: die Milchsaftgefälse der Carica Papaya deren Entstehung, Bau und Verlauf. Die sogenannten Milchsaft- Gefälse der Pflanzen sind seit lange ein arger Zankapfel für die Pflanzen-Physiologen gewesen, und wirklich giebt es wol kein anatomisches Element, welches in seinem Bau und in seiner Anordnung so grolse Verschiedenheiten darbietet, als dieses. Bisher hatte ich nur einfache oder verzweigte. Milchsaft-Gefälse gesehen und dieselben nach ihrem Auftreten in der Pflanze für milchsaftführende Bastzellen erklären müssen, bei der Carica dagegen habe ich mich von dem Dasein eines wahren Systems netzförmig verbundener Milchsaft-Gefälse überzeugt und dessen Entwickelungsgeschichte, die uns für dieses anatomische Element überhaupt zur Zeit noch mangelte, kennen gelernt. — Es sei mir deshalb gewährt, diese kleine Arbeit der Königl. Aka- demie der Wissenschaften als ein schwaches Zeichen meines Dan- kes für die mir abermals, und zwar zur Verlängerung meines Auf- enthaltes auf Madeira, gewährte Unterstützung, vorlegen zu dürfen. Der ursprünglich solide Stamm der Carica wird sehr frühe hohl, jedoch so, dafs überall da, wo ein Blatt austritt, das Mark- gewebe saftig verbleibt, während es zwischen den Blättern ein- trocknet. Eigentliches Holz ist nicht vorhanden, denn im ganzen Stamm entwickelt sich niemals eine Holzzelle; das Gefäfsbündel bildet nämlich nach seiner innern Seite nur langgestrecktes zart- wandiges Parenchym und Gefäfse, welche anfänglich als Ring und Spiralgefälse, später aber als netzförmige und getüpfelte Gefälse auftreten. Aber dennoch fehlen die Markstrahlen nicht, sind viel- mehr auf dem Tangential-Längsschnitt durch den Lauf der Ge- fälse, welcher kurze weite Maschen bildet, sichtbar. Die Milch- saft-Gefälse entstehen an der innern Seite desCambiums und zwar in einer einfachen, seltener doppelten, tangentialen Reihe (F. 1. x), sie sind deshalb in ihren Hauptstäimmen auf den innerhalb des Cambiumringes gelegenen Theil beschränkt. Die Rinde nun hat unter der Oberhaut, welche kleinzellig und sparsam mit Spalt- öffnungen versehen ist, eine mit Chlorophyll erfüllte schmale Zell- schicht, welcher gruppenweise eine Collenchymbildung folgt. Diese Collenchymgruppen erscheinen nur da, wo von Seiten der 516 Gesammtsitzung secundären Rinde der Basttheil eines primairen Gefäfsbündels auf- tritt. Das letztere theilt sich später sehr zierlich, der Linde ähn- lich, und bildet wie dort gruppenweise verholzte Bastzellen aus, welche verhältnilsmälsig kurz (bis 1 Millimetre lang) werden (F.10.), während die Cambiumzellen, aus denen sie sich bilden (F. 9 2) nicht über ll Millimetre messen. Stärkemehl ist im Paren- chym entweder gar nicht oder nur sparsam vorhanden. Durchschneidet man einen Zweig nahe seinem Vegetations- kegel, so tritt nur in der Gegend des Cambiumringes Milchsaft hervor, führt man dagegen tiefer herab einen Querschnitt, so quillt derselbe auch aus dem Innern des Stammes, wenngleich in gerin- gerer Menge, die Rinde dagegen milcht nur wenig oder gar nicht und doch entquillt auch ihr bei der leisesten Verletzung der Ober- haut derselbe halbdurchsichtig weilse, schnell erstarrende Milchsaft. Da nun die Milchsaft-Gefälse, wie der Querschnitt zeigt, an der innern Seite des Cambiums auftreten (F. 1.), so hat man auch hier ihre Entstehung zu verfolgen. Nun erkennt man zunächst und zwar sehr bestimmt, dafs ihre Bildung sich durchaus auf das Gefälsbündel beschränkt und nicht auch in denjenigen Theil des Cambiumringes, der die Markstrahlen entwickelt, stattfindet. Längsschnitte in der Richtung mit den Markstrahlen geführt, zei- gen darauf neben den langgesireckten, sehr zartwandigen Cam- biumzellen, die in der Bildung begriffenen Milchsaft - Gefälse (F. 2. x), welche sich durch den mehr körnigen Inhalt und eine eigenthümliche Verdickungsweise ihrer Wand auszeichnen, aber noch dieselbe Breite als die Cambiumzellen besitzen. Wenn man so über die Lage und dasAussehen der jungen Milch- saft-Gefälse orientirt ist, gelangt man durch äufserst zarte Längs- schnitte gegen die Markstrahlen (Tangenten-Schnitte) aus der Region des Cambiums dargestellt, leichter und sicherer zum Ziele. Hier findet man nämlich, nach der Höhe des Schnittes, entweder junge Bastzellen, oder Cambiumzellen, oder junge Milchsaft-Ge- fälse. Die Cambiumzellen schlängeln sich, kurze breite Maschen bildend, um die Markstrahlen, und ganz dasselbe gilt auch sowohl für die Bastzellen als für die Milchsaft-Gefälse, da beide direct aus ihnen hervorgehen; die Ersteren liegen an der Aufsenseite, die Anderen dagegen an der Innenseite des Cambiums (F. t.). In den jungen Bastzellen fehlt die eigenthümliche Wandverdickung, vom 13. November 1856. 517 _ welche die jungen Milchsaft-Gefälse auszeichnet, sie zeigen nur bie und da nahe bei einander liegende verdünnte Stellen, soge- _ nannte Poren, auch hat die Querwand der Zellen ein sehr eigen- thümliches aufgelockertes Ansehen angenommen, das schwer in der Zeichnung (F. 2 u. 9 B) wieder zu geben ist und unwillkühr- lich den Gedanken an die Resorption dieser Wand erweckt, wo- nach die fertigen Bastzellen durch allmäliges Verschmelzen meh- rerer Cambiumzellen entstehen würden. In wenig späteren Zu- ständen ist nun diese Querwand wirklich und zwar spurlos ver- schwunden, nur ist die Stelle, wo sie vormals gewesen, in der Regel durch sehr zahlreiche Poren bezeichnet (F. ı0.). Die so durch Verschmelzung mehrerer Cambiumzellen entstandene Bast- zelle verlängert sich aber auch noch selbstständig, wodurch sich ihre Enden zuspitzen und unregelmälsig zwischen einander schie- ben. Die Wand verdickt sich erst nachdem die Verschmelzung geschehen ist. Die fertige Bastzelle läfst sich deshalb durch kein chemisches Mittel in die Zellen, aus denen sie entstanden ist, zer- legen. Die ersten Anfänge der Milchsaft-Gefälse unterscheiden sich nur von den Cambiumzellen, aus denen sie direct hervorgehen, dadurch, dafs ihre Längswand da, wo sich zwei solcher Zellen be- rühren, kleine knotenartige Anschwellungen bekommt, welche den Anfängen eines sich bildenden Porenkanals durchaus ähnlich sind (F. 3.9.). Während aber dieselben wachsen, verschwindet hier in der Mitte des durch sie entstandenen Porenkanals die trennende _ Membran beider Zellen, so dafs offene Verbindungswege zwischen ihnen entstehen (F. 4.), wofür der zusammenhängende geronnene Inhalt, nach dem Erwärmen mit Salpetersäure die sichersten Be- weise liefert. Die Querwand wird ebenfalls und zwar in gleicher Weise durchbrochen. Nach der Zahl der neben einander liegen- den Cambiumzellen, welche die beschriebene Veränderung ein- gehen, richtet sich nun sowohl die Breite als auch der Bau des aus ihnen hervorgehenden Stammes der Milchsaft-Gefäfse, welcher, _ wenn sämmtliche Cambiumzellen an seiner Bildung theilnehmen, aus eben so vielen durch zahlreiche Löcher in den Längswänden seitlich verbundenen Röhren besteht, dagegen wenn sich die eine oder andere Cambiumreihe nicht betheiligt, aus mehreren durch [1856.] 40 518 Gesammtsitzung Gopulation, der Spirogyra ähnlich, verbundenen Röhren zusam- mengesetzt ist, was bei Carica seltener vorkommt, im Stamm von Sonchus dagegen sehr gewöhnlich ist (F. 12.). Aulserdem treten aber noch leistenförmige Verdickungen auf, welche oftmals, wenn sie von einer Seite der Wand bis zur anderen reichen, das An- sehn neuentstandener Scheidewände annehmen, nicht selten aber auch eine schiefe oder gebogene Richtung innehalten oder mit den erwähnten knotenförmigenVerdickungen zusammenhängen(F.3.u.4.) Nach dem Erwärmen mit Ätzkalilösung gelingt es bisweilen ein in der Bildung begriffenes Milchsaft-Gefäls zu isoliren oder weiter in seine einzelnen Zellen zu zerlegen, worauf, zumal wenn man Chlorzinkjodlösung anwendet und dadurch eine violett- blaue Färbung hervorruft, sowohl die verdickten Portionen als auch die schon entstandenen Löcher in der Zellenwand um so deutlicher hervortreten. Aber nicht allein auf das Gefäfsbündel, dessen Cambiumzellen die Hauptstäimme der Milchsaft-Gefäfse, welche ich mit x be- zeichnet habe, bildet, beschränkt sich diese eigenthümliche Wand- verdickung mit ihren weiteren Folgen, man erblickt sie vielmehr auch bänderweise über die Parenchymzellen des Markstrahls aus- gedehnt und zwar auch hier mit denselben Formen auftretend, wobei jedoch die geraden leistenförmigen Figuren vorherrschend sind (F. 3. u. 4. y). Leicht überzeugt man sich nun, dafs diese Veränderungen im Markstrahl-Gewebe von den Cambiumzellen, welche in der Verwandlung zu Milchsaft-Gefälsen begriffen sind, ausgehen, so dals jene Markstrahlzellen gewissermalsen durch den directen Einflufs derselben zur Theilnahme an der Bildung der Milchsaft-Gefälse bestimmt werden. Denn jederzeit beginnt die besprochene Veränderung in denjenigen Zellen, welche die, sich zu Milchsaft-Gefäfsen umwandelnden Cambiumzellen unmittelbar berühren, sie schreitet darauf von ihnen nach Innen, tritt aber nie- mals isolirt in der Mitte der Markstrahlen zuerst hervor. Auch beschränkt sich diese Erscheinung immer nur auf verhältnilsmäfsig wenige Zellen des Markstrahles, so, dafs durch sie in der unregel- mälsigsten Weise eine Verbindung der Milchsaft- Gefälse des einen Gefälsbündels mit denen des benachbarten erzielt wird. Oftmals erscheinen mehrere solcher Bahnen in demselben Mark- strahl über einander (F. 3.). Häufig treffen von beiden Gefäls- vom 13. November 1856. 519 bündeln gegen einander gerichtete Bahnen in der Mitte des Mark- strahls zusammen, und vereinigen sich alsdann, oftmals aber läuft auch die Bahn in ihr eigenes Gefäls zurück, viel seltener verliert sie sich, ohne das benachbarte Bündel zu erreichen, blind im Mark- strahl, doch kommen alle diese Fälle neben und mit einander vor. Es hat mir nie gelingen wollen, diese Bahnen von einem Gefäls- bündel zum andern freizulegen, obschon es später, wenn die Milch- saft-Gefälse ausgebildet sind, durchaus nicht schwierig ist. Durch Resorption der Wände an bestimmten Stellen bildete sich inzwi- schen auch hier sowohl eine offene Verbindung derjenigen Zellen, aus welchen diese Bahnen hervorgehen, unter sich, als auch mit den senkrecht verlaufenden Milchsaft-Gefälsen zu beiden Seiten des Markstrahls. Ich will die letztgenannten fortan als Haupt- stamm, die andern aber als Verbindungsröhren bezeichnen. Die weitere Ausbildung der jungen Milchsaft-Gefäfse nimmt dar- auf einen sehr raschen Verlauf, so,dalswenn über ihnen das Cambium weiter thätig ist, um Gefälszellen und das sie umgebende Paren- chym zu bilden, die einzelnen Cambiumzellen, aus denen die Hauptstämme der Milchsaft-Gefälse entstanden, desgleichen die seitlich mit ihnen verbundenen Markstrahlzellen, aus denen die wagerechten oder schief verlaufenden Verbindungsröhren hervor- gingen, nicht mehr als einzelne Zellen zu unterscheiden, auch durch kein bekanntes Mittel weiter in solche zu zerlegen, sondern zu einem zusammenhängenden Röhrensystem verschmolzen sind. Selbst die Verdickungen, welche vormals die Wand dieser Zellen charakterisirten, sind nunmehr gröfstentheils verschwunden. Die einzelnen Röhren der Milchsaft-Gefäfse behalten dagegen im all- gemeinen die ursprünglichen Brüche der Cambiumzellen. Mit Beihülfe des ätzenden Kali’s gelingt es jetzt die nunmehr fertigen Milchsaft-Gefälse für längere Strecken zu isoliren. Die Hauptstämme erscheinen alsdann aus mehreren senkrecht neben einander liegenden und durch Löcher in der Seitenwand oder durch Copulation vielfach mit einander verbundenen Röhren zusammengesetzt, von welchen seitwärts ohne Regel einzelne Zweige abgehen, welche entweder zu einem benachbarten Haupt- stamm führen oder wieder zu dem, von welchem sie ausgingen, eine Anastomose bildend, zurückführen, oder endlich blind endi- gen. Von diesen Röhren, deren Breite zwar innerhalb gewisser 40* 520 Gesammtsitzung Grenzen verschieden ist, die aber sämmtlich eine mit doppelter Contour sichtbare Wand besitzen, gehen nun aulserdem noch sehr zahlreich äulserst feine, sehr dünnwandige fadenför- mige Zweige nach sehr verschiedenen Richtungen ab, deren Verlauf durch die Interzellulargänge bestimmt wird und die, wie es scheint, die Verbindung der Hauptröhren unter einander vermehren, namentlich aber die Verbindung zwischen den Stäm- men desselben Gefälsbündels vermitteln (F. 6.). Diese äufserst feinen Capillarröhren, man erlaube mir diese Benennung, erkennt man erst, wenn man sehr zarte Tangential- Längs- schnitte, nachdem man sie mit Ätzkali erwärmt hat, unter dem einfachen Mikroskop mit aller Vorsicht zerlegt. In der Regel zerreilsen dieselben bei dieser Präparation und man erblickt nur ihre Austrittsstellen vom Hauptrohr, nicht selten gelingt es aber auch sie von einem Hauptstamm desselben Gefälsbün- dels zum andern hinüber zu verfolgen (F. 6. z.). Dals diese Capillarröhren durch Zweigbildung vom Hauptrohr aus ent- | stehen, unterliegt keinem Zweifel, ja man überzeugt sich leicht, dals ein grolser Theil jener Verdickungen des unfertigen Milch- saft-Gefälses nichts anderes als die Anfänge solcher Ver- zweigungen waren, auf welche man von oben herabgesehen. Dies gilt namentlich für die kleinen knotenförmigen Verdickun- gen auf der Fläche der Zellwand (F. 5. a.), da wie die Sei- tenansicht zeigt, das sich bildende Capillarröhrchen als kleine kegelförmige an der Spitze oftmals etwas verdickte Ausstül- pung am Hauptrohr hervortritt und darauf im Intercellulargang weiter wächst. Ähnliche knotenförmige Verdickungen an den Berührungsflächen zweier Zellen sind dagegen durch vermehrte Ablagerung von Zellstoff neben den durch Resorption entstan- denen Löchern gebildet; von ihnen war schon oben die Rede. Man erkennt die letzteren beim unfertigen Milchsaft-Gefäls da- ran, dals sie immer eine gerade Längsreihe, der Wand jener Zellen entsprechend, bilden (F. 4. a), was auch für das fertige Milchsaft-Gefäls seine Geltung findet, obschon sie hier nur selten wie vormals als Knoten, sondern, weil sich der Haupt- stamm während seiner Ausbildung sowohl in die Breite als in die Länge ausdehnte, als kleine Löcher zwischen den copulir- ten Stellen auftreten. Durch ihre Längsreihen erkennt man vom 13. November 1856. 521 dann wieder die Zahl der Röhren, aus denen der Hauptstamm an der betreffenden Stelle zusammengesetzt ist (F. 8... Nun erscheinen zwar die Austrittsstellen einer Capillarröhre, wenn man von oben auf dieselbe sieht, ebenfalls als runde oder läng- lich runde Löcher mit doppelter Contour, aber diese treten ohne Ordnung und nicht so nahe bei einander auf. Aber auch die leistenförmigen Verdickungen sind späterhin meistens verschwun- den oder doch sehr unkenntlich geworden, was vielleicht durch die Ausdehnung der sehr elastischen Wand, wahrscheinlicher aber durch Bildung plattgedrückter Capillarröhren erklärt wer- den kann. In den Milchsaft-Gefälsen der Wurzel, welche viel unfertiger als die des Stammes sind, finden sich jene leisten- förmigen Verdickungen bisweilen noch erhalten. Das Capillar- rohr ist im allgemeinen an seiner Austrittsstelle weiter, es verschmälert sich dann trichterförmig und milst bisweilen nicht über 4 Millimetre (F. 8. z.). Die Wand der Milchsaft- Gefälse der Carica ist sehr ela- stisch; letztere verlängern sich, wenn man mit der Nadel an ihnen zerrt, beträchtlich, und kehren darauf in ihre vorige Gestalt zurück. Durch Jod und Schwefelsäure wird die Wand schön blau gefärbt, Chlorzinkjodlösung bewirkt, nach dem Erwärmen mit Kali, eine violette Färbung. In der reifen Frucht ist der Milchsaft geronnen, dieselbe milcht deshalb nicht mehr. Was nun den Verlauf der Milchsaft- Gefälse im Stamm betrifft, so gehören dieselben entschieden dem Gefälsbündel an und folgen demselben mit ihren Hauptstämmen durchaus. Da nun in der Regel abwechselnd an der innern Seite des Cambiums Gefälszellen und Parenchym und dann wieder als einzelne Reihen Milchsaft-Gefälse entstehen, so liegen dieser Anordnung entsprechend, die jüngsten Milchsaft-Gefälse dem Cambium am nächsten, die ältesten dagegen am entferntesten, demnach den Contouren des Stammes am nächsten. Daraus erklärt es sich auch, warum der jüngste Theil eines Zweiges nur in der Cambium - Region, ein älterer T'heil dagegen auch weiter nach Innen Milchsaft austreibt. In der Rinde nun fin- den sich gar keine senkrechte Milchsaft- Gefälsstämme, wohl aber schicken die innerhalb des Cambiumrings gelegenen Stämme seitliche Verzweigungen in das Parenchym der Rinde, welche 322 Gesammtsitzung ihrerseits wieder Capillarröhren aussenden, die jedoch, wie es scheint, nur bis zur Grenze der secundären Rinde gelangen und dort blind endigen.*) Die Hauptstämme eines Gefäls- bündels bestehen aus 3— 8 unter einander vielfach aber unre- gelmälsig verschmolzenen Röhren, sie sind wenn das Gefäls- bündel, in Zwischenräumen, schon mehrere Hauptstimme ge- bildet hat, unter sich durch Gapillarröhren verbunden, und stehen sowohl durch solche, noch mehr aber durch die ungleich weitern Verbindungsröhren mit den Hauptstämmen der benach- barten Gefäfsbündel in directer Verbindung. Die Capillar- röhren der innersten Stämme gelangen nicht bis zum hohlen Theil des Markes, dieselben scheinen vielmehr zwischen dem Parenchym blind zu endigen. Im Blattstiel und im Blüthenstiel, weiche beide hohl sind, ist der Verlauf der Milchsaft-Gefälse derselbe als im Stamme, nur mit dem Unterschied, dals hier, weil sich das Gefälsbündel nicht weiter fortbildet, auch nur einmal vom CGambium aus Milchsaft-Gefälse entstehen. In der Blattfläche nun folgen die- selben mit ihren Hauptstämmen dem Gefälsbündel, schieken aber vielfach Capillarröhren durchs Blattgewebe. Für die Wurzel, welche nicht hohl, aber sonst durchaus dem Stamm entsprechend gebaut ist, erscheint auch die Bil- dungsweise und das Auftreten der Milchsaft-Gefälse nicht an- ders, doch sind dieselben hier viel sparsamer vorhanden, wes- halb auch dieser Theil der Pflanze am wenigsten Milchsaft aus- giebt. In der Fruchtschale endlich, wo sie in grölsester Menge erscheinen, ist ihre Bildungsgeschichte wieder ganz dieselbe. Hier, wo zahlreiche Gefälsbündel das saftige Fruchtfleisch in unregelmälsigen Schlingen durchsetzen, folgen ihre Haupt- stäimme wiederum durchaus denselben. Die Gefälsbündel be- stehen hier aus Cambiumzellen, einigen engen Spiralgefälsen, denen sich in allen Fällen ein Hauptstamm der Milchsaft- Gefälse zugesellt, der gerade hier, wo die Bastzellen feblen, *) Im Gegensatze zu der Annahme einer Ungenannten, die eine Ab- handlung publicirte, über die Milchsaft-Gefälse, ihren Ursprung und ihre Ent- wickelung. In: von Mohl’s und von Schlechtendal’s Bot. Zeitung. Jahrgang IV, p. 833 — 843, p. 849 — 859 und p. 865 — 872. Fr. Klotzsch. N vom 13. November 1856. 523 "besonders stark entwickelt ist. Diese Hauptstämme sind wie- derum auch hier durch Verzweigungen mit den benachbarten Stämmen nach allen Seiten hin vielfach verbunden ; nicht sel- ten verlaufen aber auch von ihnen blinde, mehrfach verzweigte Seitenäste in das Fruchtgewebe. In der reifen Frucht lassen sich die Gefälsbündel schon ohne Anwendung von Kali leicht isoliren. Man sieht alsdann die Hauptstämme der Milchsaft- Gefälse in der unmittelbaren Nähe des Cambiums liegen und durch Seitenäste das Bündel gewissermalsen umspinnen. Da nun das Gefälsbündel- System, wie wir mit Sicherheit wissen, als ein Ganzes alle Theile der Pflanzen durchzieht, die Milchsaft-Gefälse der Carica aber, welche ein Element des Gefälsbündels dieser Pflanze bilden, noch unter einander im directen Zusammenhang stehen, so läfst sich für Carica Papaya auch mit derselben Sicherheit ein zusammenhängendes Milchsaft-Gefäls-System durch die ganze Pflanze an- nehmen. Der Milchsaft der Carica Papaya quillt schnell in grofsen Tropfen aus der verletzten Oberbaut, insonderheit der Frucht hervor, erstarrt aber bald nach seinem Austritt zu einer wei- chen Gallerte. Er ist halbdurchsichtig, milchartig, läfst sich mit Wasser nicht mischen und erscheint, wenn er langsam er- starrt, in kleinen runden Kugeln. In ihm sind äulserst feine, unmelsbare Körnchen vertheilt. Jod, freie Jod- und Schwe- felsäure färben ihn gelb, Schwefelsäure allein bewirkt kaum einen röthlichen Schimmer, Zucker und Schwefelsäure dagegen färben ihn hoch rosenroth, was einen reichen Stickstoffgehalt bekundet. Über der Spirituslampe sorgfältig eingedickt, hin- terbleibt eine farblose durchsichtige Masse, die in Wasser keine klare Lösung giebt, Ätzkali löst die Körnchen ebenso wenig. Beim Verbrennen im Platinatiegel entwickelt sich zuerst ein brenzlich mineralischer Geruch, es hinterbleibt darauf eine feste Kohle, die sich schwierig einäschen lälst und mit verdünnter Schwefelsäure nicht aufbraust. Um die Angaben, welche von diesem Milchsaft erzäblen, dals er frisches Fleisch in wenig Stunden mürbe machen soll, zu prüfen, legte ich ein Stück frisches Rindfleisch in Wasser, worin Scheiben eines frischen Zweiges vertheilt waren, wäh- 524 Gesammtsitzung rend ich ein anderes Stück desselben Fleisches daneben in rei- nem Wasser bewahrte. Nach einigen Stunden liefs sich noch kein Unterschied wahrnehmen, selbst nach einem Tage sah ich nur eine geringe Verschiedenheit in der Färbung; am zweiten Tage aber entwickelte das Fleisch, welches mit der Carica Papaya in Beziehung gekommen, einen entschiedenen Fäulnils- Geruch, der bei dem andern noch nicht bemerkbar war. Nun gehen aber alle Theile dieser Pflanze, sobald die Wundfläche nicht abtrocknen kann, sehr leicht in Fäulnils über; es scheint demnach, als ob sich diese Eigenschaft auch anderen organi- schen Körpern, mit denen sie in Berührung kommen, mitthei- len könne. Bei den Cichoraceen finden sich nun, wie bereits Unger*) angegeben, ebenfalls netzförmig zusammenhängende Milchsaft- Gefälse. Ich untersuchte mehrere Sonchus-Arten und fand bei allen ein im Bau und Verlauf der Carica durchaus ähnliches System derselben. Die Milchsaft-Gefälse erscheinen hier nur in der Rinde und zwar im Stamm an der Grenze der primären und secundären Rinde, demnach als erstes Erzeugnils des Rin- dentheils der Gefälsbündel. Sie werden hier für den Stamm, der darauf wirkliche Bastzellen bildet und verholzt, wie es scheint, nicht wieder erzeugt, zum wenigsten fand ich die- selben niemals zwischen den Bündeln verholzter Bastzellen und dem Cambium. In der Wurzel dagegen, die niemals hohl ist und deren ungleich breitere Rinde keine verholzte Bastzellen ausbildet, werden die Milchsaft- Gefälse auch ferner nach- gebildet und treten dann auf dem Querschnitt in kleinen zer- streuten Gruppen oder Bündeln hervor. Wenn man Tangen- tial-Längsschnitte beider mit einander vergleicht, so sieht man, dafs die Milchsaft-Gefälse beider Arten aus den ziemlich kur- zen Cambiumzellen der Gefälsbündel hervorgehen und in ihren Hauptstämmen immer dieselben begleiten (F. 12. u. 13.). Ganz dasselbe gilt aber auch für die Bündel verholzter Bastzellen im Stamm der Sonchus-Arten. Der Vorgang der Verschmelzung der Zellen zur Bildung der Milchsaft-Gefälse scheint hier der- selbe als bei Carica zu sein, nur mit dem Unterschied, dals | *) Unger Anatomie und Physiologie der Pflanzen p. 161. vom 13. November 1856. 525 hier die Parenchymzellen der Markstrahlen viel seltener als dort an derselben theilnehmen, weil Verbindungsreihen zwi- schen den Hauptstämmen benachbarter Gefälsbündel hier un- gleich seltener vorkommen. Die bei Carica beschriebene eigen. thümliche Wandverdickung tritt hier weniger deutlich hervor, die Wand der Milchsaft-Gefälse ist bier überhaupt viel zarter. In der Wurzel verlaufen die Stämme derselben verschlungener, weil dort auch die Gefälsbündel einen verschlungenern Ver- lauf annehmen (F. 13.). Mit Kali erwärmt, kann man sie iso- liren, wozu der Stamm besser als die Wurzel geeignet ist (F. 11.). Für sie gilt alsdann wieder fast ganz dasselbe, was ich für Carica beschrieben habe; da aber die Wand viel zarter und mindestens eben so elastisch ist, so gelingt es nur selten grölsere Portionen freizulegen. Der mit dem Gefäfsbündel aufsteigende Hauptstamm (F. 11. I u. II) entsteht aus 3—8 Längsreihen, welche, da sie im Stamm des Sonchus nicht un- mittelbar einander berühren viel seltener und zwar durch ge- gen einander gerichtete Ausbuchtungen, wie bei Spirogyra, mit einander copulirt oder verschmolzen sind (F. 12.); diese schicken nun ihrerseits durch die Intercellulargänge des Mark- strahls verlaufende Capillarröhren (z) aus, welche den einen Hauptstamm mit seinem Nachbar verbinden; nicht selten aber auch, wenn sie ihn nicht erreichen, blind endigen. Der Milch- saft ist weils und dickflüssig wie Rahm, er gerinnt sehr bald in der Pflanze selbst. Von einer Bewegung desselben ist, wie bei Carica, nichts wahrzunehmen. Die verholzten Bastzellen der Rinde endlich sind lang und etwa von gleicher Breite als die Milchsaft- Gefälse, sie entstehen bier sicher durch Ver- schmelzung mehrerer über einander gelegener Cambiumzellen und man gewahrt bei ihrer Bildung wieder jenes schon bei Carica beschriebene Aufquellen der Querwände, von denen bald darauf nichts mehr zu sehen ist. In der primären Rinde des Stammes liegt über jedem primären Gefälsbündel eine Gruppe Collenchymzellen. Während nun bei Carica und bei Sonchus allerdings netz- förmige verbundene Milchsaft- Gefälse auftreten, so finde ich weder bei den Euphorbiaceen, noch bei den Ficus- Arten und ebenso wenig bei den Apocyneen Verbindungen zweier Milch- 526 Gesammtsitzung salt-Röbren mit einander. Dieselben begleiten auch hier als Theile des Gefälsbündels dasselbe, sie sind sehr lang, bleiben in der Regel einfach, verzweigen sich aber auch an bestimm- ten Orten und treten entweder in der Rinde allein, oder gleichfalls im Marke auf. In der Rinde kommen sie nach den Pflanzen entweder vereinzelt oder in Bündeln vor, auch ist ihre Wand bald stärker bald schwächer verdickt, aber niemals ver- bolzt; desgleichen ist ihr Inhalt bekanntlich sehr verschieden. Aus der reifen Frucht des Feigenbaums (Ficus Carica) las- sen sie sich mit Leichtigkeit als lange, ziemlich dicke, mit Kautschukkugeln angefüllte, mehrfach verzweigte elastische Röh- ren freilegen. Auch überzeugt man sich sehr bald, dals keine Verbindung des einen Gefälses mit dem benachbarten statt- findet, da die Seitenzweige seitlich geschlossene Enden be- sitzen. In der Rinde des Stammes liegen ganz ähnliche, aber selten verzweigte Milchsaft- Gefälse vereinzelt neben den we- nigen Bastzellen. Bei Gomphocarpus treten selbige als lange cylindrische Röhren sowohl in der Rinde als auch im Mark auf und zwar hier in grölster Menge. Das geschlossene Ende dieser Röhren wird nur selten aufgefunden. Innerhalb eines Internodiums verlaufen sie nun an beiden Orten mit einander parallel und verzweigen sich niemals, wo dagegen ein Blatt abgeht, schlin- gen sie sich an beiden Orten vielfach durch einander und theilen sich zugleich gabelig und zwar so, dals in der Regel ein Ast ins Blatt austritt, der andere aber seinen Lauf in’s folgende Internodium fortsetzt, sehr selten tritt hier eine mehrfache Verzweigung auf (F. 14.). Die verholzten Bastzellen von un- geheurer Länge in der Rinde verzweigen sich an derselben Stelle und in derselben Weise (F. 45.). Dals sowohl die Milchsaft-Gefälse als auch die verholzten Bastzellen durch Ver- schmelzung vieler über einander gelegener Cambiumzellen ent- standen sind, läfst sich zwar auch hier mit grolser Wahr- scheinlichkeit vermuthen, aber nicht direct beweisen, denn Längsreihen an einander heftender Mark- oder Rindenzellen, sind noch keine genügende Beweise für eine später erfolgende Verschmelzung, da alte Zellen, welche reihenweise ange- ordnet sind, sieh auch nach dem Kochen mit Kalı, mehr oder vom 13. November 1856. 527 weniger reihenweise isoliren lassen, was sicher mit der Art ihres Entstehens in Reihen zusammenhängt. Weil aber hier für die Milchsaftröhren die eigenthümliche Verdickung, welche bei Carica die Verschmelzung der Wände zweier Zellen be- gleitet, und dort die Beobachtung so sehr erleichtert, mangelt, überdies die Verschmelzung vieler über einander liegender Zel- len zu einem langen Rohre sebr frühe erfolgen muls, weil man selbst nahe dem Cambium, demnach in den jüngsten Röh- ren, keine Scheidewand findet, so darf man kaum erwarten, hier eine solche Beobachtung mit Sicherheit ausführen zu kön- nen. Als indirecter Beweis gegen die Verlängerung einer einzigen nur kurzen Cambiumzelle zu einem langen Milchsaft- rohr kann dagegen der gänzliche Mangel kürzerer Milchsaft- röhren in der Nähe des Cambiums sein. Bei Finca major endlich tritt der weifse Milchsaft nur aus der Rinde hervor. In derselben liegen stark verdickte aber nicht verholzte Bastzellen gruppenweise angeordnet, und man gewahrt sebr bald, dals gerade sie den Milchsaft, der reich- lich runde Körner führt, enthalten. Ein Querschnitt aus der jüngsten Spitze des Zweiges milcht stärker als ein tiefer ab- wärts geführter Schnitt, in welchen die mehr nach Aufsen gelegenen Bastzellen schon stärker verdickt sind, ja später scheint sogar, wenn die Bildung neuer Bastzellen erlischt und die bereits vorhandenen sämmtlich stark verdickt sind, das Mil- chen gänzlich aufzuhören. Ein Vergleich der jungen Bast- zellen mit den alten zeigt aber, dals beide sehr lang sind, so dals es mir nie gelingen wollte, beide Enden derselben auf- zufinden, obschon ich bis 2 Zoll lange Stücke freilegte. An- fangs stielrund und äulserst zartwandig, zeigen sie erst später, wenn die durch abwechselnd ' gestreifte Schichten hervorge- rufene gitterartige Verdickung der Wand auftritt, und mit deren Bildung zuletzt ihr Milchsaft schwindet, hie und da ab- wechselnd bedeutende Erweiterungen und Vermengungen, wie solche für die Bastzellen der Finca minor bekannt sind. Ebe ich nun aus dem Mitgetheilten allgemeine Schlüsse ziehe, habe ich noch der Gefälse von Carica Papaya zu ge- denken, welche aus kurzen weiten Zellen zusammengesetzt sind und deren Wand im Stamm und in der Wurzel in der 528 Gesammtsitzung Regel getüpfelt ist, aulserdem aber noch sehr entwickelte netz- förmige Verdickungen besitzt. Glücklich geführte sehr zarte Längsschnitte aus dem Stamm, welche genau die Mittellamelle eines solchen Gefälses darstellen, zeigen nun, dafs, so lange das letztere Saft führt, in ihm die Querwand der Zellen, aus denen es zusammengesetzt ist, nicht fehlt, sondern die äufserst zarte, nicht verholzte, Membran vorhanden ist und von einer stark entwickelten ringförmigen Verdickung umfalst wird (F.7.). Erst wenn diese Gefälse Luft führen, fehlt diese Scheidewand und der verdickte Rand umgiebt nunmehr ein wirkliches Loch. Die Scheidewand verschwindet darnach erst mit dem Zellsaft. Da nun, soweit meine Beobachtungen reichen, die Einfassung der Querscheidewand aller Gefälszellen, wo selbige von einem runden Loch durchbrochen ist, jenen verdickten Rand, nur mehr oder weniger entwickelt, besitzt, so darf ich wohl annehmen, dafs auch die zarte Scheidewand überall, so lange das Gefäls noch Saft enthält, nicht fehlen wird. Das Gefäls der Pflanzen besteht demnach, so lange es Säfte führt, aus einer Längsreihe wirklicher Zellen, und der Saftstrom in ihm wird, wie überall im Pflanzenreich, durch Diffusion vermittelt. Da nun die Seitenwände stark verdickt, getüpfelt und verholzt sind, die Querwände aber aus einer äulserst zarten nicht ver- dickten Membran bestehen, so liegt es auf der Hand, dafs die Gefälse, so lange sie Saft führen, den Saftstrom zunächst in der Richtung ihrer Längsachse leiten müssen. Wenn der Saft verschwindet, so schwinden mit ihm auch die Scheidewände der Gefälszellen, vielleicht durch einfaches Vertrocknen, gleich dem Stengel vieler Pflanzen, welcher hohl wird, wenn der Saft aus seinen Markzellen verschwindet; erst im luftführenden Zustande ist das Gefäls eine wirkliche Röhre. — (Ich bewahre ein sehr elegantes Präparat eines vollständig ausgebildeten, sehr stark verdickten und getüpfelten Gefälses von Carica mit voll- ständig erhaltenen Scheidewänden, wie es F. 7. darstellt.) In den älteren luftführenden Gefälsen dieser Pflanze erscheinen sehr häufig die bekannten secundären Zellbildungen, welche oftmals dasselbe mit einem dichten Parenchym- Gewebe aus- füllen. vom 13. November 1856. 529 Fassen wir nunmehr dasjenige zusammen, was sich aus obigen Untersuchungen ergiebt, so erhalten wir: A. Für die Milchsaft-Gefälse von Carica Papaya folgende Gesetze: 4) Die Milchsaft-Gefälse dieser Pflanze entstehen durch Ver- schmelzung vieler Zellen zu einem Ganzen. 2) An dieser Bildung betheiligen sich: a. die Cambiumzellen, aus welchen die mit dem Gefäls- bündel verlaufenden Hauptsiämme der Milchsaft-Gefälse hervorgehen, b. bestimmte Parenchymzellen des Markstrahls, welche die Verbindungsröhren von einem Hauptstamm zum andern hergeben. 3) Die Hauptstämme bestehen aus mehreren parallel neben einander verlaufenden und seitlich vielfach mit einander durch Copulation verbundenen Röhren; die Verbindungs- röhren sind dagegen in der Regel einfach. Die ziemlich weiten und dickwandigen Röhren beider Arten bilden noch aufserdem seitliche Ausbuchtungen, welche in die Inter- cellulargänge des umgebenden Parenchyms eindringen und sich dort zu zartwandigen sehr feinen Röhren, den Ca- pillarröhren verlängern, die entweder blind endigen oder zu einem benachbarten Hauptrohr verlaufen. 4) Die Milchsaft-Gefälse der Carica entstehen im Stamm und in der Wurzel, desgleichen im Blatt- und Blüthenstiel an der innern Seite des Cambiums; sie verbreiten sich von hier aus über den Holztheil des Gefälsbündels und schicken nur seitlich Verzweigungen in die Rinde hinüber. Bei Sonchus dagegen erscheinen sie im Mark und in der Rinde, treten aber nicht im Holztheil auf. 5) Die Milchsaft-Gefälse sind ein Theil des Gefälsbündels, sie verlaufen deshalb mit ihm durch alle Theile der Pllanze. Die Wurzel der Carica hat weniger Milchsaft-Gefälse als der Stamm, in der Frucht sind sie am reichlichsten ver- treten. Bei Sonchus dagegen sind sie in der Wurzel un- gleich zahlreicher als im Stamm vorhanden. B. Für die Milchsaft-Gefälse im Allgemeinen ergiebt sich _ weiter Folgendes: 530 1) Od nr 3) Gesammtsitzung Sämmtliche Milchsaft - Gefälse gehören dem Gefälsbündel (Carica, Sonchus, Lactuca, Gomphocarpus, Finca, Hoya, Euphorbia, Ficus, Chelidonium). Ihre Hauptstämme ver- lassen niemals das Gefälsbündel, sie begleiten dasselbe durch alle Theile der Pflanze. Man darf zwei Formen der Milchsaft - Gefälse unter- scheiden: a. Solche, welche als einfache oder verzweigte Röhren dem Gefälsbündel folgen, aber sich nicht unter ein- | ander oder mit denen des benachbarten Gefälsbündels zu einem zusammenhängenden Systeme verbinden (Gorm- phocarpus, Hoya, Finca, Euphorbia, Ficus, Chelidoniurn) und d. solche, deren Röhren sich sowohl da, wo sie neben einander liegen, hin und wieder unter sich, aber auch durch Verbindungsröhren mit denen der benachbarten Gefäfsbündel zu einem zusammenhängenden Systeme vereinigen (Carica, Sonchus). Die Milchsaft-Gefälse erscheinen sowohl im Mark als auch in der Rinde und nur selten (bei Carica) in demjenigen Theile des Gefälsbündels, der die Gefäfse enthält und den- nach als Holztheil desselben betrachtet werden muls. Da nun die Milchsaft-Gefäfse, gleich den Bastzellen, entweder di- rect oder indirect aus den Cambiumzellen und zwar beide, wie es scheint, überall durch Verschmelzung mehrerer oder vieler Zellen zu einem Ganzen hervorgehen und überdies dieselbe Stellung in der Pflanze einnehmen; (bei Fiscum und Zoranthus kommen die Bastzellen nicht allein in der Rinde, sondern mit durchaus gleicher Gestalt auch im Holze vor; hier aber sowohl als bei Carica fehlen dem Hoiztheil die eigentlichen Holzzellen); da ferner bei Finca zwischen Bastzellen und Milchsaft-Gefälsen nicht mehr zu unterscheiden ist, weil jene aus diesen hervorgehen, und überdies verzweigte und verholzte Bastzellen ohne Milch- saft bekannt sind, (in der Rinde von Gomphocarpus, im Mark und in der Rinde von Ahizophora Mangle, und in der Rinde der Abies pectinata) so halte ich es durchaus für gerechtfertigt, die Milchsaft-Gefälse auch fernerhin als vom 13. November 1856. 531 Milchsaft führende Bastzellen zu betrachten. Es kommt hier freilich zunächst darauf an, was man über- haupt unter Bastzellen versteht.*) Dafs aber die Milch- saft- Gefälse mit den sogenannten Gefälsen der PHlanze, sowohl in ihrer Entstehungsweise, als auch ihrem Bau und ihrer Function nach, gar keine Verwandschaft haben, be- darf keiner Erwähnung. Weil endlich verholzte, nicht Milchsaft führende Bastzellen neben wahren Milchsaft- Ge- fälsen in derselben Pflanze vorkommen (Carica, Gomphocar- pus), so darf ich wohl an die Holzzellen und das Holz- Parenchym, welche gleichfalls häufig neben einander auf- treten, erinnern. 4) Die Milchsaft - Gefälse können, da sie nur bei verhältnils- mälsig wenigen Pflanzen gefunden werden, durchaus kein wesentliches Element des Gefälsbündels ausmachen, weil sie sonst nirgends fehlen dürften. Da sie nun ferner nur gar selten unter sich zu einem zusammenhängenden Sy- stem verbunden sind, meistens aber lange mehr oder we- niger verzweigte Röhren mit geschlossenen Enden bilden, so darf man sie auch nicht mit dem Adersystem der 'Thiere vergleichen, zumal, da eine Fortbewegung des Milchsafts in diesen Röhren nur dann bemerkbar ist, wenn Druck oder eintretendes Wasser einen Strom in ihnen hervor- ruft. Welche Bedeutung sie aber für den Haushalt der Pflanze besitzen, lälst sich zur Zeit nicht bestimmen; sind wir doch über die Function der Holzzellen und der Bast- zellen nicht minder im Unklaren. €. Für die Pflanzen-Anatomie im Allgemeinen erhalten wir endlich noch 3, wie mir scheint, nicht unwichtige Bestim- mungen: 4) Die Milchsaft- Gefälse bilden sich durch ein Verschmelzen vieler Zellen zu einem Ganzen, das durch kein chemisches und mechanisches Mittel wieder in die Zellen - Elemente, aus denen es hervorgegangen ist, zerlegt werden kann. 2) Die langen Bastzellen entstehen durch ein ähnliches Ver- schmelzen mehrerer oder vieler Zellen zu einem Ganzen, *) Meine Anatomie und Physiologie der Gewächse I. p. 245. = 4 532 Gesammtsitzung das ebenfalls nicht wieder in seine Zellen- Elemente zer- legt werden kann. Die Verschmelzung erfolgt sehr frühe und die Wand verdickt sich erst, nachdem sie stattge- funden. Durch eine selbstständige Verlängerung schicke sich darauf die jungen Bastzellen mit spitzen Enden zwi- schen einander. ”) 3) Die Gefälse der Pflanze bestehen, so lange sie Säfte füh- ren, aus einer Längsreihe von Zellen, die Querwand schwindet später mit dem Safte, so dals alsdann erst das Gefäls zu einer Röhre wird, die aber niemals aus mit einander verschmolzenen Zellen besteht, vielmehr zu jede Zeit sowohl die einzelnen Zellen-Elemente, aus denen sie entstanden ist, deutlich zeigt, als auch sich in dieselben durch geeignete Mittel zerlegen lälst.**) Erklärung der Abbildungen. Sämmtliche Figuren sind mit der Camera lucida entworfen und auf’s, Genaueste nach den Präparaten ausgeführt. Die letzteren sind unter Chlor- kaliumlösuug aufbewahrt, noch zum Vergleich vorhanden. Die Vergrö- [serung ist neben jeder Figur als Bruchzahl angegeben. Um langweilige Wiederholungen zu vermeiden, habe ich die gleich- werthigen Theile auf sämmtlichen Figuren folgendermalsen bezeichnet. B. Bastzellen. Cb. Cambiumzellen des Gefäfsbündels. Ch. R. Cambiumring. G. Gefälse. H. Holzzellen, oder solche Zellen, welche ihren Platz im Gefälsbündel einnehmen. M. Markstrahlen. | x. Milchsaftröhren, welche aus Cambiumzellen entstanden sind und die Hauptstämme bilden. *) Kurze stark verdickte und verholzte Zellen in der Rinde von Coffea arabica, welche direct aus den Cambiumzellen hervorgehen und deshalb als Bastzellen gedeutet werden müssen, entstehen dagegen nur aus einer Zelle. *) Die einzige Art des Verschmelzens der Wände zweier Zellen mit einander zu einem Ganzen, welche bisher mit Sicherheit nach- gewiesen war, zeigt sich bei der bekannten Copulation der Spirogyra und des Syzygites. vom 13. November 1856. 533 r. Milchsaftröhren, welche aus Parenchymzellen des Markstrahls her- vorgegangen, die Verbindungsröhren zwischen den Hauptstämmen in tangentialer Richtung abgeben. "=. Capillarröhren der Milchsaft- Gefälse, durch seitliche Auswüchse der Hauptröhren x. und y. entstanden, - F. 1—10. Carica Papay.a.*) ı _F.A1. Theil eines Gefälsbündels, zu beiden Seiten von Markstrahl- zellen begrenzt, im Querschnitt, nur die Partie in der Nähe des Cambium- tinges darstellend. x7 sind die älteren, «77 die jüngsten Milchsaftröhren, G* ist eine junge Gefälszelle, deren Wand noch wenig verdickt ist. @. da- gegen ist eine bereits ausgebildete Gefälszelle, welche noch Säfte führt. F. 2. Radialer Längsschnitt aus der Gegend des Cambiumringes. Das sich bildende Milchsaft-Gefäls x entsteht hier bald aus einer und bald us zwei Zellenreihen, wie derartige Unregelmäfsigkeiten häufig vor- ommen. F.3. Tangentialer Längsschnitt, Es liegen drei Gefälsbündel 7, 7 ind Z/] neben einander; bei p. erscheinen die Zellen noch gleich den Zel- len des Cambium’s, bei g. zeigen sich die knotenförmigen Verdickungen der ‚ängswände, als erstes Kennzeichen des sich bildenden Milchsaft-Gefälses, bei r. sieht man darauf knotenförmige und leistenförmige Verdickungen, desgleichen durch Resorption entstandene Löcher in den sich berührenden Zellwänden. Einzelne Parenchymzellen der trennenden Markstrahlen zei- [# dieselben Verdickungen, aus ihnen entstehen die Verbindungsröhren. ‚Sämmitliche Zellen, welche sich an der Bildung der Milchsaft- Gefälse be- theiligen, unterscheiden sich noch durch ihren trüben Zellsaft. - F.4. Eine Partie aus einem ähnlichen Schnitt stärker vergrölsert. ! und // gehören wieder zwei verschiedenen Gefäfsbündeln an, welche durch y verbunden werden. Der Schnitt ist su zart, dafs der körmige In- alt durch Abspülen mit Wasser beseitigt ist, wodurch die Verdickungen r Zellenwände, sowie die entstandenen offenen Verbindungen zwischen sich berührenden Zellen, sowohl bei x als auch bei y, deutlich her- treten. F.5 a und. Nach dem Kochen mit Ätzkalilösung isolirte Cam- biumzellen, welche in der Bildung zu Milchsaft-Gefälsen begriffen waren. 4 F.6. Theil eines radialen Längsschnittes, nach dem Kochen mit Ätz.- alien so zerlegt, dals zwischen den beiden Gefälsstämmen 7 und JJ, welche demselben Gefälsbündel angehören, das Parenchym sorgfältig ent- fernt wurde, so, dals die Verbindung der Milchsaft- Gefälse, welche beide Gefälsstämme begleiten, durch Capillarröhren hervortritt. ®*) Für Carica cauliflora gilt ganz dasselbe. [1856] 4 534 Gesammtsitzung vom 13. November 1856. F. 7. Die Mittellamelle aus einem noch Säfte führenden Gefälse einem Tangentialschnitt entnommen. a die ringförmige Verdickun welche die Querwand der einzelnen Gefälszelle umfalst. 5 die sehr zart Scheidewand, c die netzförmige Verdickung der Längswand. F.8 a und. Zu einander gehörende Theile eines Milchsaft-Gefälser aus der reifen Frucht, ohne Anwendung .von Kali, vollständig freigeleg die Theile d und d gehören zu einander. F.9. Partie aus dem radialen Längsschnitt eines einjährigen Zwei ges. Die Bastzellen zeigen gallertartig aufgequollene Querwände, welch! wenig später verschwunden sind. F. 10. Eine fertige Bastzelle isolirt. Dieselbe ist aus 4 Cambium] zellen entstanden, und die Stelle der verschwundenen Scheidewand isf nur noch durch die vermehrte Anzahl der Poren erkennbar. (F. 8 ausgenommen sind sämmtliche Präparate aus einem einjährige: Zweige dargestellt.) F. 11—13. Sonchus.*) F. 11. Isolirte Milchsaft-Gefälse aus dem Stamm, einem Tangentia Längsschnitt, nach dem Kochen mit Kalilösung entnommen. / und / zwei Hauptstämme, zweien Gefalsbündeln angehörig. F. 12. Theil aus einem Tangential - Längsschnitt des Stamme) einem Gefälsbündel entsprechend. F. 13. Theil eines Tangential- Längsschnittes der Wurzel, eine!| Gefälsbündel entsprechend. F. 14. u. 15. Gomphocarpus fruticosus. F. 14. Verzweigtes Milchsaft-Gefäls aus dem Mark des Stamme einem radialen Längsschnitt da entnommen, wo ein Blatt abgeht, isoliı Bei a ist noch eine Scheidewand vorhauden, was sicher zu Gunsten d Bildung dieser Röhren und Zellen benutzt werden kann. F. 15. Verzweigte und verholzte Bastzelle aus der Rinde, demselb« Längsschnitt und demselben Orte entnommen und gleichfalls isolirt. Funchal, den 15. October 1856. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wu den vorgelegt: Abhandlungen der Senckenberg'schen naturforschenden Gesellschaft. Band, Lieferung 1. Frankf. a. M. 1856. 4. *) Da mir hier alle Bücher znm Bestimmen der Pflanzen mangeln, so kann ich leider $ Art nicht mit Sicherheit angeben. T\ Hr >» {) A = N ® o._ (IL A, LT) S Se B/ \ \ I 0 nl U „ er f Ge a EIG 122 274 CB R. ca Taf. az Bee | Saar 3 FF FE or a AN Nut n „v nf I) | U j DU \ | N h N MM ae BUS EEE ie S —_E = Ne H Schacht. ad rat del Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 17. November 1856. 535 Silliman, American Journal of science and arts. Vol. XXI, no. 65. New Haven 1856. 8. Annales de chimie et de physique, Octobre. Paris 1856. 8. Tschichatscheff, ZL’Asie mineure. Partie II. Paris 1856. 8. Denkschriften des germanischen Nationalmuseums. A1.Band. Nürnberg 1856. gr. 8. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Band 1—4. Nürnberg 1853 — 1856. 4. Zweiter Jahresbericht des germanischen National- Museums. Nürnberg 4855. 4. Mit Begleitschreiben des Hrn. Freiherrn v. Aufsess, Nürnberg 22. Octbr. 1856. Rudolf Wolf, Taschenbuch für Mathematik, Physik, Geodäsie und Astronomie. 2. Auflage. Bern 1856. 8. Mittheilungen über die Sonnenflecken. (Bern 1856.) 8. Plateau, Zecherches sur les figures d’equilibre d’une masse liquide sans pesanteur. Bruxelles 1856. 8. 17. Nvbr. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Riedel las über die Verbindung der Mark randenburg mit der Grafschaft Mähren im 14. und 5. Jahrhundert. Zu den noch sehr ungenügend aufgeklärten Punkten der randenburgischen Geschichte gehört die Verbindung der Mark randenburg mit der Markgrafschafschaft Mähren, welche Kai- r Karls IV. Sohn Siegmund gegen das Ende des 14. Jahr- underts begründete. Mehrere aus Mährischen Archiven neuer- ings an das Licht gezogene Urkunden machen es jedoch mög- ich, die oft veränderten Besitzverbältnisse, denen die Mark Brandenburg in jener Zeit unterlag, bedeutend genauer zu be- mmen, als dies dem gründlichen Bearbeiter der Brandenbur- chen Geschichte Paul Wilhelm Gerken in seinem „Ent- rf der Geschichte Marggrafs Jodoci als Marggrafen von andenburg” im Jahre 1756 gelingen konnte. Eine Revision eser Abhandlung dürfte daher an der Zeit sein, da dieselbe für die neuere Darstellung dieser Periode der Brandenburgi- schen Geschichte noch immer die Hauptgrundlage bildet. 2 41° 536 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Die erste Erwerbung eines Pfandbesitzes der Mährischen Markgrafen Jobst und Procop an der Mark Brandenburg hat man schon im Jahre 1385 finden zu müssen geglaubt. Mark- graf Siegmund war der Hülfe seiner Brüder und Vettern, so wie grolser Geldsummen benöthigt, um den Vollzug seiner Vermählung mit der Ungarischen Königin Maria mit gewaff- neter Hand zu erstreiten. Er verpfändete daher nach noch erhaltenen Verschreibungen um die Mitte des Jahres 1385 un- ter Zustimmung seiner beiden Brüder seinen Mährischen Vet- tern Jobst und Procop die Altmark und Priegnitz für 50,000 Schock Böhmische Groschen ') und trat die Mark Brandenburg im Übrigen für den ihm in Ungarn zu leistenden Beistand seinem Bruder, dem Könige Wenzel von Böhmen, ab.?) Al- lein beide Dispositionen, obgleich die erforderlichen Bekannt- machungen darüber in die Mark gelangten, blieben gleichwohl unausgeführt. Markgraf Siegmund, der im October 1385 seine Vermählung mit Maria von Ungarn ohne eigentlichen Feldzug erreichte, wurde vermuthlich von seinen Vettern ebenso ohne die bedungene Geldhülfe, wie von Wenzel ohne die erwartete Kriegshülfe gelassen. Von dem Geltendmachen eines Pfand- rechtes der Mährischen Fürsten an der Altmark und Priegnitz mangelt daher auch jede Spur. König Wenzel liels zwar noch gegen das Ende des Jahres 1385 über die Anerkennung seiner Herrschaft mit den Brandenburgischen Landständen unterhan- deln, während Siegmund in Ungarn beschäftigt war, jedoch gleichfalls ohne Erfolg. Wenzels in die Mark entsandten Räthe, der Hofmeister Heinrich von der Duba, der Canzler Probst Hanka von Lebus und drei andere, bestimmten zwar die Bran- denburgischen Landstände am 1. Dezember zu dem Beschlusse, bis auf Weiteres den gleichfalls von Wenzel in die Mark ge- sandten jüngern Bruder Wenzels und Siegmunds, den Herzog Johann von Görlitz, als Regenten anzuerkennen und zur Ein- holung weiterer mündlicher Verhaltungsbefehle eine Deputation an den Markgrafen Siegmund zu schicken.”) Indessen da die 1) Riedel’s Cod. dipl. Brandenb. UI, III, 91. ?) Das. II, II, 92. 3) Das. S. 93. vom 17. November 1856. 537 Brandenburgische Deputation den Markgrafen Siegmund errei- chen konnte, war dieser damals von dem Könige Karl von Neapel aus Ungarn wieder hinausgedrängte Fürst schwerlich noch von solcher Zuversicht zu der Erlangung der Ungarischen Königskrone beseelt, um seine übereilte Verzichtleistung auf die Mark Brandenburg von Neuem zu bestätigen. Zwar hatte Siegmund hiernächst nach dem an dem Könige Karl verübten Meuchelmorde es vorzüglich der Kriegshülfe seines Bruders und seiner Mährischen Vettern zu verdanken, dals er am 42. Mai 1386 wenigstens als Generalcapitain Ungarns aner- kannt wurde, dem später seine Erhebung zur Königswürde und am 31. März 1387 seine feierliche Krönung folgte. Doch blieb während dieser Zeit Siegmund allein Kurfürst von Bran- denburg und unmittelbarer Landesherr seines ererbten An- theils an der Mark *) und daher sowohl die Pfandver- schreibung der Altmark und Prignitz an Jobst und Procop, als die Abtretung der Mark an Wenzel vollkommen wir- kungslos. Bald nach Siegmunds Erhebung zur Königswürde in Un- garn trat jedoch der Plan einer Verpfändung der Mark Bran- denburg von Neuem auf und kam nun n einer die Habsucht des Markgrafen Jobst besser befriedigenden Weise zur Aus- führung. Ein in die Mark entsandter Befehl des neuen Un- garnkönigs vom 16. März 1388 entbietet eine Deputation der Brandenburgischen Landstände an das königliche Hoflager zu Trenz. Mit diesen Abgeordneten, erklärte Siegmund, hoffe er die dringenden Angelegenheiten der Mark Brandenburg, welche sein Gemüth bekümmerten, mit Gottes Hülfe so zu ord- nen und zu bestellen, dals die immer noch fortdauernden Zwi- stigkeiten und Fehden in der Mark ein Ende nehmen und fried- liche gute Ordnung folge.°) Von wem diese Beruhigung der Mark erwartet werde, deutete vier Wochen später eine Er- klärung schon näher an, die König Wenzel den Brandenbur- gischen Landständen zugehen lies. In Gemäfsheit derselben *) Nach Urkunden vom 15. Dez. 1386 u, 17. März, so wie 12. Nov. 1387 in Riedel’s Cod. I, IX, 66 und I, V, 134. 359. 360. °) Das. II, 111, 95. 538 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse war sein Vetter Jobst von ihm bevollmächtigt, nicht nur in Betreff der Ansprüche der Krone Böhmen auf die Succession in der Mark mit dem Könige Siegmund sich zu vergleichen, sondern auch, wenn solcher Vergleich dies erfordere, die Land- stände aller Verpflichtungen gegen die Krone Böhmen zu ent- lassen. °) Es erhellte darnach zur Genüge, dafs die Absicht, in welcher König Siegmund die Brandenburgischen Landstände nach Tranz berief, keine andere war, als über die Mark Bran- denburg zu Gunsten des Markgrafen Jobst zu disponiren. Wir wissen nun nichts von den Unterhandlungen, welche um Pfingsten (17. Mai) des Jahres 1388 zu Trenz, wo auch der Herzog Johann von Görlitz und die Mährischen Fürsten selbst zugegen waren, mit der ständischen Deputation gepflo- gen wurden. Gewils liefsen die Vertreter der Mark sich un- gern die Verweisung an die am wenigsten würdigen Glieder des Hauses Luxenburg, die Mährischen Markgrafen, gefallen. Doch mulste jeder Widerspruch dem bereits fertigen Plane weichen. Die Verpfändung der Mark an Jobst und Procop wurde schon am 22. Mai diesen förmlich verbrieft und aus mehreren Erlassen König Siegmunds, welche dieser nach der Heimkehr der Brandenburgischen Abgeordneten den 4. Juni ausfertigen liefs, erfahren wir, dals er die Vertreter der Mark förmlich an die Markgrafen Jobst und Procop verwiesen, und ihnen aufge- tragen hatte, auch ihre Machtgeber zu vermögen, diesen Für- sten Huldigung zu leisten. ”) Ob König Siegmund von dieser Übertragung der Mark in den Pfandbesitz seiner Mährischen Vettern wirklich die Hoff- nung hegen konnte, für sein Erbland die Rückkehr von Frie- den und Ordnung wieder zu erreichen, mufs dahin gestellt bleiben. Gewils wenigstens war der Wunsch einer Pacifica- tion der Mark nicht der Hauptbeweggrund, der ihn zu dieser Pfandverschreibung veranlalste. Ein mächtigerer Antrieb lag für ihn ohne Zweifel in dem Wunsche, sein Königreich Un- garn von einem lästigen Mitbesitz seiner Mährischen Vettern zu befreien. *) Daselbst S. 96. ”) Daselbst $. 102 £. a0 vom 17. November 1856. 539 Da die Mährischen Markgrafen Jobst und Procop dem Kö- nige Siegmund im Jahre 1386 die Herrschaft über Ungarn hat- ten mit erkämpfen helfen; so verschuldete ihnen Siegmund be- trächtliche Kriegskosten. Unvermögend diese abzutragen hatte Siegmund den Mährischen Fürsten wichtige Schlösser, Städte und ganze Districte des Königreiches als Pfandbesitz einräumen müssen. Indem der König daher die Mark Brandenburg zum Opfer brachte, erreichte er dafür die Freude, sich die Hoheits- rechte der Krone Ungarn unbeschränkter wieder anzueignen. Ganz unbekannt waren bis jetzt die nähern Bestimmungen der zu Sempte und Schintau am 22. Mai ausgestellten Pfand- verschreibungen. Nach denselben erstreckte sich der den Mark- grafen Jobst und Procop eingeräumte Pfandbesitz auf die ganze Mark, nur mit Ausnahme des Theiles der Neumark jenseits der Oder, welcher nach Kaiser Karls IV. väterlicher Verfügung seinem jüngsten Sohne, dem Herzoge Johann von Görlitz, be- schieden war. Die Pfandsumme belief sich auf 565,263 Gul- den. Der Pfandcontract aber wurde dergestalt auf 5 Jahre gerichtet, dals für die Dauer dieses Zeitraumes dem Könige Siegmund das Auslösungsrecht vorbehalten blieb. Würde der Verpfänder indessen innerhalb dieses Zeitraumes von dem Aus- lösungsrechte keinen Gebrauch machen, so sollte die Mark Brandenburg in das Eigenthum der Pfandbesitzer übergehen, dem Verpfänder auch in Ansehung der Kurwürde kein Recht daran verbleiben, diese vielmehr sammt dem Erzamte und dem Lande den Mährischen Herren vom deutschen Reichsoberhaupte verliehen werden. ®) Beide Brüder Siegmunds ertheilten zu dieser Verpfändung ihre Zustimmung, die König Siegmund mit neuen Opfern erkaufen mulste, indem er zu Gunsten Wenzels den von Kaiser Karl IV. ihm ausgesetzten Kuttenberger Jahr- geldern, zu Gunsten Johann’s seinem nähern Erbrechte an der Krone Böhmen entsagte. ?) Indem die drei Brüder sich zur Veräulserung eines so wichtigen Besitzes die Hände boten, mochten sie sich mit der Hoffnung einer baldigen Wiederauslösung schmeicheln. In- °) Das. S. 97— 100. °) Palacky Gesch. v. Böhmen II, I, 47. 540 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse dessen war nicht nur die Pfandsumme an sich sehr hoch, son- dern wurde die Auslösung auch durch Nebenbedingungen des Vertrages noch mehr erschwert. Während nämlich den Mäh- rischen Fürsten das Angefälle aller sich erledigenden Lehne und der Genuls aller landesherrlichen Nutzungen überlassen wurden, ohne dafs die Pfandsumme durch ihren Ertrag eine Verringerung erlitt'°); so sollten dagegen die zum Schutze der Mark zu bestreitenden Kriegskosten, so wie die Kosten von Auslösungen einzelner verpfändeter Zubehörungen der Mark, soweit letztere nicht aus dem Ertrage einer zu diesem Zwecke zu. erhebenden allgemeinen Landessteuer bestritten werden könnten, der Pfandsumme zuwachsen und bei der dereinstigen Wiedereinlösung der Mark mit zur Erstattung kommen. Es war vorauszusehen, dafs hierdurch in den damaligen unfried- fertigen Zeiten, welche eine fast ununterbrochene Kriegfüh- rung erforderten, das Kapital, wofür dem Mährischen Bruder- paar die Mark haftete, eine Höhe erreichte, welcher die er- schöpften Finanzkräfte Siegmunds nimmer gewachsen waren, wenn Jobst auch von dem Rechte der Einlösung verpfändeter Domainen wenig oder keinen Gebrauch machte. Zur Ausführung der also verbrieften Verpfändung erliels König Siegmund und gleich ihm an demselben Tage, dem 4. Juni 1388, auch der Herzog Johann Befehle an die ver- schiedenen Provinzen, Landschaften, Geschlechter und Städte der Mark. Dafs solche auch an die Altmark und Prignitz in ganz gleicher Weise, wie an die übrigen Theile der Mark, gerichtet wurden, ohne die geringste Hindeutung auf eine schon im Jahre 1385 vollzogene Verpfändung, bestätigt die oben ausgesprochene Annahme, dals die Verpfändung vom Jahre 1385 überhaupt ohne Vollzug blieb. Inhalts der Befehle vom 4. Juni 1388 aber mulsten sich die gesammten Stände der Mark auf einem Termine, dessen Bestimmung den Landeshaupt- leuten Lippold von Bredow und Leutold von Krumsdorf über- lassen wurde, versammeln, den Inhalt der Pfandverschreibung Siegmunds sowohl als die mündliche Bestellung zu vernehmen. welche der inzwischen von Ungarn heimgekehrten ständischen '°) Riedel’s Cod. dipl. Br. II, II, 101. vom 17. November 1856. 541 Deputation vom Könige mitgegeben war. Zugleich wurden die Stände aufgefordert, den Markgrafen von Mähren, Jobst und Procop, zu huldigen und für den Fall der Erfüllung dieses Ge- botes der dem Könige Siegmung und der dem Herzog Johann geleisteten Huldigung ledig und los gesprochen. Demjenigen, der sich an dieser schriftlichen Weisung nicht genügen lassen wollte, wurde im Voraus aufgegeben, am Hofe des Königs zu seiner mündlichen Verweisung sich einzufinden. In gleicher Weise entband auch König Wenzel als Anwarter der Mark alle Diejenigen, welche aus der Mark zu ihm gesandt wurder, der ihm geleisteten Eide und wiederholte er diese Lossprechung zu Gunsten der Mährischen Markgrafen am 21. Juni 1388 noch- mals schriftlich in einer an alle Bewohner der Altmark, Mittel- mark, Ukermark und Prignitz, so wie der Lande Lebus und Sternberg gerichteten Erklärung. '') Im Juli oder August 1388 Hagaı sich dann auch der Mark- graf Jobst persönlich in die Mark” Brandenburg, um den Pfand- besitz einzunehmen, den Landen und Städten ihre Rechte zu bestätigen und die Huldigung als ‚ihr rechter Herr” zu em- pfangen. Dals Markgraf Jobst vermöge dieses Pfandbesitzes nicht im Jahre 1388 schon die Brandenburgische Kurwürde erworben hat, wie in neuester Zeit noch von Palacky ange- nommen ist,'?) erhellt aus dem Obigen von selbst. Durch Übertragung des blofsen Pfandbesitzes, wie sie hier vor- lag, wurde Jobst noch kein Markgraf von Brandenburg, ge- schweige denn ein Kurfürst des Römischen Reichs, wozu ihn nur eine von dem Reichsoberhaupte ertheilte Belehnung erhe- ben konnte. Es blieb vielmehr König Siegmund nach wie vor im Besitz der Kurwürde und des Reichs-Erzkämmereramtes so wie der eigentliche Markgraf von Brandenburg. Auch die von Ge- schichtsschreibern geäufserte Verwunderung darüber, dals die Mährischen Markgrafen den Titel von Brandenburg nicht an- genommen hätten, ist daher ganz ungerechtfertigt. Markgraf Jobst aber war seit der Mitte des Jahres 1388 wenigstens Pfandbesitzer und Regent des Kurfürstenthums Bran- =), Das: S. 105. 105: . '?) Palacky Böhm. Gesch. II, I, 47 u. 51. 542 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse denburg. Von dem Markgrafen Procop, dem in späterer Zeit gleichwohl ebenfalls ein Platz in der Reihe der Markgrafen von Brandenburg zugeeignet ist, lälst sich auch dies nicht ein- mal behaupten. Obgleich die Pfandverschreibungen allerdings auf beide Mährische Markgrafen lauten und Schriftsteller, wie Garcäus und Kranz, den Markgrafen Procop in Begleitung des Markgrafen Jobst in die Mark Brandenburg einziehen lassen; so findet man doch von der Anwesenheit des Procop in der Mark, geschweige denn von einer Theilnahme desselben an der Landesregierung, in glaubhaften Geschichtsquellen nicht die geringste Spur; daher schon Gerken mit Recht vermuthet, dafs Jobst allein als Herr der Mark betrachtet sei. Auch die der Huldigung vorher gehenden Bestätigungen wurden von Jobst allein ohne Miterwähnung seines Bruders ausgestellt. Die Huldigung selbst wurde zwar eventuell, für den Fall dals Jobst ohne Erben abginge, auf Procop und dessen Erben mit | gerichtet, doch unter ausdrücklichem Ausschlusse jedes Wider- spruchsrechtes, falls es dem Markgrafen Jobst gefallen sollte, die Mark Brandenburg noch bei seinen Lebzeiten an einen an- dern Herrn zu weisen.'’”) Wir müssen hiernach als den Er- werber des Pfandbesitzes der Mark den Markgrafen Jobst allein betrachten und können in der Ausdehnung der Pfandverschrei- bung auf Procop nur eine Anerkennung des Erbrechtes er- blicken, das dem Markgrafen Procop als dem Bruder des kin- derlosen Jobst rechtlich zukam, falls dieser nicht bei seinen Lebzeiten anders über sein Pfandstück verfügte. Jobst, dessen Streitigkeiten mit seinem Bruder Procop all- mälig bis zu offener Feindschaft und blutigem Streite gedie- hen, unterliels auch nicht über die Succession in die Mark Brandenburg zum Nachtheil seines Bruders anderweitige Dis- positionen zu treffen. Mit dem Jahre 1393 trat der Zeitpunkt ein, in welchem Siegmunds Auslösungsrecht an der Mark er- losch, wornach Jobst nun dem Vertrage von 1388 zufolge die förmliche Belehnung mit diesem Reichslehne und also seine Erhebung zum Kurfürsten und Erzkämmerer fordern konnte. 13) Huldigungsrevers Stendals v. 26. Oct. 1338 in Pauli’s Staats- gesch. I, 562 und Lenz Brand. Urk. S. 458. vom 17. November 1856. 543 Indessen war die Erfüllung dieser Forderung von dem Römi- schen Könige Wenzel, dem Jobst in Böhmen im Bunde mit dem sogenannten Herrenverein als offener Widersacher gegen- über trat, um diese Zeit nicht zu erwarten. Dagegen benutzte Siegmund diese Zerwürfnisse, in welchen Procop für König Wenzel Parthei nahm, um wenigstens die nächste Anwart- schaft zur Succession in die Mark Brandenburg wieder zu ge- winnen. Den 1. Juni 1395 war Jobst vermogt, die dem Mark- grafen Procop geleistete Eventualhuldigung förmlich zu annul- liren und wurden Mannen und Städte der Mark von ihm an- gewiesen nach seinem Tode, wenn er ohne Leibeserben stürbe, keinem Andern als seinem Vetter Siegmund sich zu unterwer- fen. Erfolglos wurde von dem Markgrafen Procop durch Briefe welche er in die Mark sandte, gegen diese Verfügung seines Bruders protestirt.'*) Indessen diese Vereinbarung mit dem Könige Siegmund liels den Markgrafen Jobst das Ziel, wornach er jetzt strebte, nämlich die Belehnung mit der Mark Brandenburg zu erhalten, noch nicht erreichen. Diese mulste vielmehr von dem Könige Wenzel als Reichsoberhbaupte unmittelbar erwirkt werden, da König Siegmund sich der Beförderung dieses Strebens, dessen Gelingen ihn der Brandenburgischen Kurwürde beraubte, wohl wenig eifrig annahm. Zur Erreichung seiner Zwecke trug Jobst im Anfange des Jahres 1397, vorübergehend mit dem Könige Wenzel versöhnt, kein Bedenken, zwei Jahre nach der dem Könige Siegmund verschriebenen Nachfolge in der Mark Brandenburg, mit Nichtachtung der dem letztern dadurch ein- geräumten Rechte, dasselbe Zugeständnils dem Könige Wenzel zu machen. Für die Zusicherung dieses Successionsrechtes in der Mark, desgleichen in der Landvogtei zu Elsals und in dem Herzogthum Luxenburg, sicherte König Wenzel dem Mark- grafen mittelst Vertrages vom 6. Febr. 1397 die Niederlausitz auf Lebenszeit und die Oberlausitz auf 5 Jahre zu. Zugleich fand Wenzel, in dem Interesse mehrerer Vervollständigung der ihm selbst hiernach in Aussicht gestellten Rechte an der Mark Brandenburg, jetzt genügende Veranlassung, dem Markgrafen '*) Riedel’s Cod. dipl. Br. II, II, 123 u. 130. 544 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Jobst die lange verweigerte Belehnung mit der Mark Branden- burg nunmehr zu Theil werden zu lassen. Am 3. April 1397 wurde daher der Markgraf Jobst zu Prag mit der Mark Bran- denburg, dem Erzkämmereramte und der Kurwürde öffentlich und feierlich von Wenzel als Römischen Könige beliehen.'°) Zwar zerfiel Markgraf Jobst so bald wieder mit dem Kö- nige, dals er nicht einmal den üblichen Lehnbrief über den Act der feierlichen Investitur empfangen zu haben scheint, viel- mehr auf des Königs Befehl schleunig Prag und ganz Böhmen räumen mufste.'°%) Doch konnte der vollzogene Lehnsact da- durch nichts an seiner Gültigkeit einbülsen. Der neue Kur- fürst nahm daher auch keinen Anstand, sich von nun an Mark- grafen von Brandenburg und des Römischen Reiches Erzkän- merer zu schreiben.'”) König Siegmund scheint die Erhebung seines Vetters in den legalen Besitz des ihm rechtlich verfallenen Kurfürsten- thumes, so wie die Einbufse des ihm eingeräumten Nachfolge- rechtes sehr schwer empfunden zu haben. Sein Streben nach Wiedererwerbung des veräulserten Kurfürstenthumes ward in jüngster Zeit noch dadurch von Neuem lebhaft angeregt, dafs ihm nach dem am 1. März 1396 zu Neuzelle erfolgten plötz- lichen Hinsterben seines jüngern Bruders Johann dessen An- theil an der Neumark jenseits der Oder zugefallen war. In- dessen hatte der Markgraf Jobst die Belehnung mit der Mark und seine endliche Erhebung zur Kurwürde in einer rechtlich so wohl begründeten Weise erlangt, dals dem Könige Sieg- mund kein anderes Mittel übrig blieb, seinen Verdruls darüber zu äulsern, als die Beibehaltung des Prädicates eines Reichserz- kämmerers und die darin liegende Prätension der Fortdauer sei- ner Kurfürstenwürde, die er ganz unbefugt sich herausnahm.'?) Erst als die drohende Gefahr der Absetzung Wenzels und der gänzlichen Ausschlielsung des Hauses Luxenburg von der 15) Daselbst S. 133 u. 144. 1°) Palacky a.a. 0. S. 103. 17) Riedel’s Cod. dipl. Br. I, IX, 392. X, 134. 15) Vol. z. B. die Urkunden 1251 und 1252 in Riedel’s Codex II, 111, S. 137 und 138. vom 17. November 1856. 545 Römischen Königswürde die Glieder dieses Hauses geneigler machte ihre untereinander gehegten Zwistigkeiten ruhen zu lassen, gelang es dem Markgrafen Jobst auf einer Zusammen- kunft mit den Königen Wenzel und Siegmund im Februar 1400 zu Prag sich wegen der Mark Brandenburg mit seinen Vettern in der Art zu vergleichen, dals König Wenzel die ihm zuge- sicherte Succession in der Mark nach dem Tode des Markgrafen Jobst zu Gunsten Siegmunds aufgab, der Vertrag vom 6. Fe- bruar 1397 überhaupt für nichtig erklärt und dagegen die Be- lehnung des Jobst mit der Mark, dem Erzkämmereramte und der Kurfürstenwürde als rechtlich geschehen anerkannt wurde. Denn am 10. Februar 1400 schrieb Jobst von Prag aus in die Mark, er hoffe hier jetzt im Wege der Unterhandlung mit den beiden genannten Königen alle seine Sachen zum guten Ende zu bringen. Dann wurde vom Könige Wenzel am 24. April über die drei Jahre früher dem Markgrafen Jobst gewährte Be- lehnung mit der Mark sammt dem Erzamte und der Kurwürde ein förmlicher Lehnbrief ausgefertigt: und in einer spätern Ur- kunde von 1401 wird von dem Könige Wenzel ausdrücklich erklärt, dals der ehedem mit Jobst geschlossene Vertrag über seine Succession in der Mark Brandenburg nicht in Kraft ge- blieben sei.'?) Auch König Siegmund scheint jetzt der fernern Anmalsung der kurfürstlichen Würde sich enthalten zu haben, bis zu dem Zeitpunkte hin, dals die Wahl eines neuen Oberhauptes für das Römische Reich, nach dem Tode König Ruprechts, ihn wie- der dem Markgrafen Jobst als Concurrenten gegenüber stellte. Burggraf Friedrich von Nürnberg, König Siegmunds Botschafter zu der Wahlversammlung, die Jobst unbesucht liels, nahm be- kanntlich die Brandenburgische Kurwürde wieder für den Un- garkönig in Anspruch, um diesen mit Hülfe der Brandenburgi- schen Kurstimme zur Würde eines Römischen Königs zu er- heben. Indessen die Gründe, womit der Scharfsinn des Burg- grafen Friedrich die ungerechtfertigten Ansprüche seines könig- lichen Freundes auf die Brandenburgische Kur nur zu verfechten vermogte, wornach Jobst nur als Pfandbesitzer eines Theiles '°) Daselbst $. 143 — 146 und 149. 546 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse der märkischen Lande erschien, waren den für die Kurwürde Jobstens sprechenden Documenten gegenüber so unhaltbar, dals sie die Geschichtsschreibung nicht hätten verleiten sollen, das Besitzverhältnifs der Brandenburgischen Kur als ein damals zweifelhaftes hinzustellen. n Die Würde, welche Siegmund im September 1410 noch unbefugt in Anspruch nahm, fiel ihm aber schon vierthalb Mo- nat nach der Wahl seines Vetters zum Römischen Könige rechtlich wieder zu, da Jobst, der letzte Markgraf von Mäh- ren, am 17. Januar 1411 starb, wodurch dem Könige Sieg- mund das Kurfürstenthum Brandenburg, wie das Römische Reich sich erledigte. König Wenzel, der die Markgrafschaft Mähren mit Böhmen vereinigte, machte auf die Brandenburgi- sche Succession, so weit wir wissen, keine Ansprüche und der Markgraf Procop war schon vor dem Tode seines ältern Bru- ders umgekommen. Also kam Siegmund nach dreizehnjähriger Unterbrechung wieder in Brandenburgs Besitz, den er dann noch fünf Jahre hindurch, nämlich bis zum 30. April 1415 beibehielt. Denn wenn König Siegmund auch schon im Jahre 1411 den Burg- grafen Friedrich von Nürnberg zum Verweser und obersten Hauptmann der Mark Brandenburg bestellte und diesem 150000 Gulden darauf verschrieb; so wurde dem Burggrafen doch erst am 30. April 1415 die Markgrafschaft sammt dem Erzamte und der Kurwürde förmlich abgetreten, mit welchem Tage daher erst die kurfürstliche Herrschaft der Zollernschen Dynastie über die Mark Brandenburg begann. König Siegmund erscheint hiernach im Besitze der ihm von seinem Vater übertragenen Brandenburgischen Kurwürde in der ersten Periode bis zum 3. April 1397 und in der zwei- ten vom 17. Januar 1411 bis zum 30. April 1415, während er die Landesregierung freilich in der ersten Periode nur bis zum 4. Juni 1488 geführt und in der zweiten Periode gar nicht übernommen hat. Markgraf Jobst hatte dagegen die kur- fürstlichen Lande zwar schon vom 4. Juni 1488 an als Pfand- besitzer und Regent inne, die kurfürstliche Würde von Bran- denburg besals er jedoch nur vom 3. April 1397 bis zum 17. Januar 1411. vom 17. November 1856. 547 Der von Hrn. Mommsen in Breslau erstattete Jahresbe- richt über die vom 1. November 1855 bis dahin 1856 für das Corpus Inscriptionum Latinarum ausgeführten Arbeiten wurde, nebst den Specialberichten der Hrn. Henzen und de Rossi in Rom, von der epigraphischen Commission vorgelegt. Ein Auszug daraus folgt. In diesem Jahre sind die Arbeiten für die lateinische In- schriftensammlung mit erfreulicher Stetigkeit fortgeschritten. Für den Theil, welcher die Priscae Latinitatis Monumenta enthalten wird, werden die in erster Linie in Betracht kommen- den älteren Inschriften Roms und Latiums jetzt aus dem in Rom befindlichen Material zusammengestellt, während andererseits die von Hrn. Ritschl in Bonn veranstaltete Anfertigung von Facsi- miles auf Steindrucktafeln sich ihrem Ende nähert; über 80 Fo- liotafeln liegen bereits in Probedrucken vor. Die Sammlung der römischen Inschriften ist nach allen Sei- ten hin im erfreulichsten Fortschreiten. — Von aus den Ori- ginalen genommenen oder revidirten Abschriften sind wiederum 2000 Nummern hinzugekommen, welche grölstentheils entweder zerstreut oder unedirt und deshalb in doppelter Hinsicht ein schätzbarer Erwerb sind. — Die neu gehobenen oder doch neu eröffneten Hülfsmittel des handschriftlichen Apparats sind unermelslich ihrem Umfang wie nicht minder ihrer inneren Be- deutsamkeit nach. Unter den Sammlungen des XVI. und XVII. Jahrhunderts ist der ausgedehnte manutische Apparat in der Be- arbeitung begriffen. Die ligorische Sammlung ist, nach Über- windung grofser Schwierigkeiten, wesentlich durch Hrn. Hen- zens angestrengte Bemühung aus Turins, Neapels und der pariser Bibliothek zusammengebracht und gröfstentheils auch zusammen- gearbeitet worden. Er liegt weit vollständiger vor als er ge- druckt ist und es wird möglich sein die Fabricate dieser Officin bis zur letzten Faser zu ‘verfolgen und auszuscheiden. Die ac- eursische Sammlung oder die sogenannten ambrosianischen Sche- den sind in Mailand, die des Cittadino in Venedig, die — auch von Muratori viel benutzten — zum smetianischen Apparat ge- hörenden des Scandianus in Neapel abgeschrieben worden. Die 548 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse unverhoffte Wiederentdeckung der verschollenen sirmondischen Sylloge, deren Wichtigkeit Gruters Appendix abnen lälst, kann nicht fehlen neues Licht eben da wo es am meisten Noth thut zu verbreiten. Wir dürfen hoffen, dafs wir im Stande sein wer- den uns von den grolsen Sammlungen wesentlich zu emancipiren, und nicht aus Gruter und Muratori, sondern aus Gruters und Muratoris Quellen unser Corpus zu bearbeiten. Für die Zeit von Gudius bis auf Maffei flielsen freilich auch unsere Quellen nur dürftig. Aber für die neuere Zeit sind wieder nicht blos Seguiers Papiere von Hrn. de Rossi eingesehen worden, son- dern es ist auch gelungen durch die Auffindung und gröls- tentheils beendigte Ausnutzung der Papiere Marinis, Amatis und E. Q. Viscontis gleichsam ein epigraphisches Fundjournal von Rom und Latium für die letzten siebzig Jahre herzustellen. Man kann nur einstimmen in das, was Hr. de Rossi in seinem Bericht bemerkt, dals durch diese grolsentheils ganz unvermuthe- ten Entdeckungen, die nur durch Hrn. de Rossi’s systematisch und intelligent unternommene gelehrte Reisen gewonnen wurden, sich der Horizont der epigraphischen Kritik hier in einer Weise ausgedehnt hat, dafs bei weitem mehr wird geleistet werden kön- nen, als wir bei dem Beginn der Arbeit auch nur hofften und ahnten. — — Die mühsame Ordnung der Zettel ist für Rom wenigstens vorläufig vollendet. Hr. Mommsen selbst hat insbesondere auf die Inschriften des Kaiserthums Österreich, vorläufig indels mit Ausschluls der italienischen Provinzen, seine Thätigkeit gerichtet. Die Samm- lungen der deutschen und ungarischen Provinzen, Österreich, Salzburg, Tyrol, Steiermark, Kärnthen, Krain, Ungarn, Sieben- bürgen und der ungarischen Nebenländer dürfen insoweit als fer- tig bezeichnet werden, als diese Massen geordnet sind und die Litteratur in umfassender Vollständigkeit dafür ausgenutzt ist. Der Apparat ist auf 3—4000 Nummern zu schätzen. Die Samm- lungen für Istrien und Dalmatien sind nicht beendigt, aber dem Abschlufs nahe. Es ist noch eine litterarische Reise erforderlich, um die wenigen in Deutschland nicht aufzutreibenden Bücher, die Handschriften und die Steine selbst zu vergleichen. Im Vor- vom 17. November 1856. 549 aus ist diese Reise dadurch gefördert worden, dals von den wich- tigsten hier einschlagenden Wiener Handschriften, namentlich dem Autograph des Ariosti in der K. K. Bibliothek und einem Theil der Eckhelschen Papiere in derjenigen des K. K. Anti- quariums, Abschriften genommen worden sind. Diese Abschriften hat Hr. Dr. Linker in Wien mit der grölsten Bereitwilligkeit und Liberalität theils selbst gemacht, theils durch seine Freunde machen lassen; er hat dem Unternehmen eine echt wissenschaft- liche Theilnahme zugewendet. Die K. K. Behörden haben in allen Fällen, wo sie im Interesse des Unternehmens angegangen worden, die dankenswertheste Zuvorkommenheit an den Tag gelegt. Anlage A. Aus dem Berichte des Hrn. Henzen in Rom. In meinem vorjährigen Berichte über die Turiner Manu- scripte des Ligorio deutete ich bereits darauf hin, dafs mit deren Ausbeutung noch keineswegs die Untersuchung über seine Fäl- schungen als abgeschlossen betrachtet werden könne, und, da nun einmal nach der vorläufigen Theilung des Gesammitmaterials nichts wichtiger war, als mit ihm zu Ende zu kommen, so hielt ich es nach meiner Rückkehr nach Rom für nothwendig, alle meine Thätigkeit zunächst auf ihn zu verwenden. Es wurden demnach die schon in Breslau ausgesonderten, auf Ligorio’s Namen ste- henden Inschriften mit den Gudischen und der ganzen Turiner Ausbeute zusammengeworfen und in streng alphabetische Ord- nung gebracht, bei der Masse der Monumente eine nicht geringe "Arbeit, bei welcher in Ermangelung untergeordneter Hülfsarbeiter Hr. Dr. Emil Hübner die grofse Gefälligkeit hatte, mir hülf- reich zur Hand zu gehen. Das Resultat war das von mir er- wartete: es blieben zahlreiche Inschriften zurück, die nicht in den Turiner Handschriften stehen, also anderswo gesucht werden "müssen, und zu meinem grolsen Bedauern mulste ich die frei- lich nicht unerwartete Entdeckung machen, dafs ein bedeutender "Theil der in Turin excerpirten Inschriften gänzlich unedirt ist, also im Abschnitte der falsa des C. I. L. nicht übergangen wer- ‚den darf. Leider scheint es, dals dieser Schatz Ligorischer Ine- [1856.] 42 550 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse dita auch von anderer Seite her noch eine Vermehrung erfah- ren wird. Sobald ich nach Rom zurückgekehrt war, hatte ich mich nämlich sowohl nach Paris, als nach Neapel mit der Bitte ge- wendet, mir einige Proben aus den dortigen Ligorianischen Hand- schriften mitzutheilen. Die Hrn. No&@l des Vergers und Mi- nervini kamen bereitwillig meinen Wünschen nach, und zu meinem Bedauern enthielten ihre Proben Inschriften, welche in meinen Papieren fehlten. Unter diesen Umständen ward es noth- wendig, nach Aussonderung der Doubletten für's Erste meine Arbeiten über Ligorio zu suspendiren, bis ich die genauen Ex- cerpte aus den Pariser und Neapolitanischen Handschriften in Händen haben würde. Erstere versprach mein Freund, Hr. des Vergers, mir zu besorgen, letztere Hr. Minervini und unter seiner Aufsicht Hr. Avellino, ein Sohn des rühmlichst be- kannten Archäologen. Doch waren in Neapel noch zeitraubende Schwierigkeiten zu überwinden. Die Erlaubnils zur Benutzung der Ligorischen Handschriften durch die genannten beiden Her- ren, so wie der Farnesischen durch Hrn. Dr. Emil Hübner, wird der erfolgreichen Verwendung Sr. K. Hoheit des Grafen von Syracus, Bruders Sr. Maj. des Königs, verdankt, an welchen ich mich, nachdem andere Bemühungen fehlgeschlagen waren, mit einem Gesuch gewendet hatte. Die hierauf begonnenen Arbeiten werden jetzt beendigt sein, und die betreffenden Papiere durch Hrn. Dr. Hübner bei seiner Rückkehr von Neapel hieher über- bracht werden. Da es sich bereits aus Documenten des Turiner Archivs er- geben hatte, dals die Vaticanische Sammlung von Ligorianischen Handschriften der Königin Christine nur eine Abschrift der gro- (sen Turiner sei, so konnte glücklicher Weise diese Folianten- reihe bei Seite gelassen werden. Dagegen wurden andere Ligo- rische Scheden, welche aus der Barberina in die Vaticana über- gegangen sind, unter Hrn. de Rossi’s Aufsicht copirt, einer näheren Untersuchung von mir jedoch noch nicht unterworfen, die ich bis nach Empfang der Neapolitänischen und Pariser Li- goriana aufsparen zu müssen glaubte. Da die Notiz über das vom 17. November 1856. 551 Vorhandensein Ligorianischer Handschriften in Florenz sich nicht bestätigt ‚hat, so hoffe ich alsdann das nöthige Material vollstän- dig zusammen zu haben. Es ist schon im Obigen bemerkt worden, dafs zugleich mit der Erlaubnils für die Ligoriana auch diejenige für die Farnesi- schen Handschriften ‚erfolgte. Dieselben bestehen in einer Samm- lung des Fulvius Ursinus und derjenigen .des Thomas 'Scandianus vom J. 1505. Beider Ausbeutung war für das 4. I. L. von grolser Wichtigkeit. Sie ward mit Hülfe zweier Schreiber von Dr. Hübner ausgeführt, und, da die Excerpte noch nicht in meinen Händen sich befinden, so beschränke ich mich darauf, hier seinen Bericht über jene Handschriften einzuschalten. „1. Ms. Bibl. Borb. V. E. 4. fol. Auf dem Rücken des „Einbandes steht der Titel: INSCR * ATIQ ROM &. innen folgender INSCRIPTIONES * ANTIQOVAE PER * ‘VRBEM ' ROM * DILIGENTER * COLLECTAE ATQVE ' EX ' ALIlS : OvM "ITALIAE ' TVM * HISPANIAE * LOCIS- STVDIOSE-' GONQVISITAE FIDELISSIMEQVE * VT * IN * IPSIS * MARMORIBUS * LEGEBANTVR ‚DESCRIPTAE ET ' IN ' EVM* QVI* SEQVITVR * ORDINEM REDACTAE „Dieser Ordo folgt auf der Rückseite des Titels: Viarum pag. 1 pontium 3 templorum et porticuum 9 OPERYM portarum et murorum 10 PVBLICORVM ‚pomerii et riparum Tiberis 12 aquaeductuum ac thermarum 14 arcuum triumphalium 17 diversorum 19 kalendares FASTI 2 consulares 37 triamphales 42* 552 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse pag- leeum, decretorum et privilesiorum et TABVLAE { Kb i iR: 5 instrumentorum publicorum 51 ARAE'’ET’STATVA [ deorum dearumque 77 RVM '’BASES imperatorum caesarumque 114 STATVARYM illustrium virorum magistratuumque rom. BASES * TABV et municipalium 138 LAEQ' illustrium feminarum 174 sacerdotum 177 illustrium viror. et magistratuum rom. et municipalium 182 sacerdotum et officiorum sacrorum s6L legionariorum 202 cohortium praetorianarum 204 cohortium urbanarum 210 militum | cohortium vigilum 211 cohortium Thracum 211 evokatorum 213 veteranorum 214 CIPPI * TABVLAE g e . equitum singularium 212 VRNAE * ARAEQ* R 2 equitum Aquitanorum 211 SEPVLCR ale Er militum classiariorum 213 officiorum publicorum 215 artificum, exercitatorum et negotiatorum 219 officiorum domus Augustae et privatorum 226 donationes locationes MORTALIVM r emptiones 240 SIMPLICIVM ß pretia IN * QVIB Sr decreta et condiciones ad- \ ditae et similia „Ort, Jahreszahl und Verfasser sind nirgends angegeben. Dafs „die Hs. farnesisch sei, beweist der allen farnesischen gleich- „mälsige Einband mit den Lilien. Für die Autorschaft des Ful- „vius Ursinus spricht nur die grolse Ähnlichkeit der Schrift mit „einem authentischen Mscr. desselben, welches mir auf der Bibl. vom 17. November 1856. 553 „Borb. gezeigt ward. (vgl. ferner Smet. 65, 11 = Grut. 492, „9; die von der alia manus (s. u.) geschriebene Inschr. S. 232 „Romae in hortis Hilarii Ursini” beweist doch nichts.) Auf „S- 1— 273 folgen circa 1000 Inschriften, alle sehr sorgfältig „in Majuskeln geschrieben, mit genauer Beobachtung der Zeilen- „abtheilung und meist lateinischen Ortsangaben, die jedoch häufig „in’s Italienische fallen (z. B. Smet. 19, 11.). Der Rand der „Seiten ist mit Linien umzogen, auch für die Inschriften mit „eingepressten Linien liniiert, also wie zum Druck vorbereitet. „Die Lemmata stehen oben in der linken Ecke und sonst am „Rande, wie beiGruter und Smetius; doch stimmen die Seitenzahlen „nicht immer ganz mit den oben bei dem Ordo angegebenen. „S- 146 steht plötzlich das Lemma INSIGNIVM ' AGITATORVM und „die beiden bekannten Inschr. des M. Aurelius Liber und Aure- „lius Polyphemus. Bei den Grabschriften mortalium simplicium „sind die röm. von den nichtröm. (S. 270) geschieden, wie bei „Smet., aber abweichend von diesem auf S. 240—250 die „carmina sepulcralia zusammengestellt. Zuweilen sind die In- „schriften auf kleinen aufgeklebten Zetteln geschrieben, es scheint „dann ein cassirter Text darunter zu stehn; z. B. S. 77. Smet. „19, 1. S. 121. stand Smet. 55, 3. ist aber überklebt und steht „erst S. 124 wieder. Einige wenige Inschr. schienen von einer „alia manus zu sein (z. B. S. 104 [eine Inschr. “a Ligorio’] 106, „107, 109 u. a.), doch könnten sie auch von derselben vielleicht „aus anderer Zeit und mit anderer Tinte herrühren. Von einer „sicher anderen, weit ungeübteren Hand sind die beiden letzten „Inschriften. Unter diesen Inschriften, dem allbekannten Stamm „der Epigraphik, ist wahrscheinlich keine einzige unbekannte; die „einzige sicher falsche ist das decretum contra Caesarem am '„Bubico. Doch mufste bald die ungewöhnliche Übereinstimmung „mit dem Smetius auffallen, welche so weit geht, dafs die Hs. „mit demselben collationirt werden konnte. Sie erstreckt sich „auf die Reihenfolge im Ganzen wie im Einzelnen (vgl. z. B. „Smet. 67, 6. 7. 8. mit Ms. Neap. S. 70. S. 93.) nur dafs die „Inschriften zuweilen unter anderen Rubriken stehen (z. B. die In- „schrift der moles Hadriani nicht wie bei Smet. unter den opera „publica, sondern unter den chronolog. Kaiserinschriften 'S. 125 ff. 554 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse „ete.); in seltenen Fällen ist bei Smet. in den addendis stehen- „des in die Reihe aufgenommen (z. B. S. 130. Smet. 156, 12. „und S. 209. Smet. 166, 2.). Nur von $. 4—20 habe ich mit „Grut. collationirt, doch stehen die Inschriften alle im Smet. „Die Übereinstimmung erstreckt sich ferner auf die Ortsangaben, „welche aber im Ms. Neapl. häufig vollständiger sind als bei Smet. „(z. B. für Smet. 19,2); bei mehreren Inschriften von demselben „Ort wird die Ortsangabe zuweilen mit einem sic wiederholt; nr „und endlich stimmt meist auch der Text sehr genau. Weicht „das Ms. Neapl. von Smet. ab, so sind die Varianten gewöhn- „lich besser (z. B. S. 121. Smet. 53, 4.); auch die Abtheilung „und Anordnung der Zeilen, die Gröfsenverhältnisse der Buch- „staben und dergleichen Feinheiten sind im Ms. Neapl. besser „beobachtet als im gedruckten Smet. (z. B. fehlen bei Smet. „65, 11 = Grut: 492, alle Accente). Nur wenige Inschriften „des Ms. Neapl: fehlen im Smet., doch enthält Smet. natürlich „viel mehr; der Verf. des Ms. Neapl. hatte aber offenbar die Ab- „sicht, sein Mser. zu vervollständigen, wie die vielen leergelas- „senen Seiten (24-26, 35—37, 48-50, 72—76, 110—113, „1383 — 137, 161; 172—173, 180-181, 186187, 200, 238 „239, 251; 267-269) und die Lücken auf Ss. 23, 32, 77, „90, 91; 93-100, 102, 185 und 237 beweisen. — Auch mit „Pighius Lesart stimmt das Ms. Neapl. oft überein (z. B. S. 175, „Smet. 80, 2; S. 234, 1. Smet. 102, 22). Ferner hat das Ms. „Neapl: inehrere von den Inschriften, welche Grut. nur “ex Smet. „ms.” anführt, 2. B: S. 249, Grut. 658, 18 (ex Aldo et ms. „Smet.), S. 250, Grüt. 680, 8, 5. 252, Grut. 999, 2, vgl. S. 144, „Grut. 450, 2, 3. Ganz vom gedruckten Smet. verschieden ist „Ss. 222, Smiet: 100, 6; ebenso ist bei Smet. 69, 3. 4. und 70, „6 Zeilenabtheilung und Lesart beträchtlich verschieden; und „Ss. 143 wird Smet. 66, 11 mit einem Bruch mitten durch den „Stein gegeben. Endlich hat das Ms. Neapl. manche neapolit. „Inschriften die nicht im Smet. stehen, zı B. S. 170 und 171, und „S. 151 d. Inschrif. Smet. 164, 1 ‚ex O. Panvinio”. Aus der „Note S. 59, in welcher auch von unserem Autor die lex pa- „rieti facıundo angezweifelt wird, geht hervor, dafs er nach Pon- „tanus lebte; S. 97 wird d. J. 1548, S. 114 1551 eitirt. In vom 17. November 1856. 555 „einer längeren Note über das $. C. de Thermensibus werden „diese nach der Inschrift des Alfius Licinius 1. N. 2612 in das „BRegno gesetzt; über das Etruskische äulsert der Verf. S. 109 „eine sehr bescheidene Ansicht. Offenbar hat sich der Verf. der „vielen hss. Noten in dem Exemplar des Smetius auf der Bibl. „Borb., in welchem Mommsen den jüngeren Aldus vermuthete, „des Ms. Neap. zu diesen Noten bedient, wie die Inschr. Smet. „98, 2 (wo er aus Ms. Neapol. des Constantius Namen für den „des Constantin einsetzt), 67, 2. 68, 1. 166, 1 (S. 202) und „viele andere beweisen. Abweichend vom Ms. Neap. sind seine „Lesarten zu Smet. 57, 5. Auch giebt er häufig andere Auf- „bewahrungsorte der Insch. in Rom (Paläste, Sammlungen u. dgl., „2. B. setzt er Smet. 1, 4. “in hortis Sfort. in Quirinali’) an, wo „er also wohl gelebt haben mufs und zwar gegen Ende des 16. „Jahrhunderts, da er zu Smet. 57, 5 “in vinia Julü tertii’ be- „merkt “nunc Clementis IIX’. Zu Smet, 96, 11 = Ms. Neapl. „8. 225 D’M||EvVVoDo etc. bemerkt er “apud me’.” „2. Ms. Bibl. Borb. V. E. 5. fol. in altem Holzeinband „mit geprelstem Leder überzogen, der Rücken ist neu aus Leder „ergänzt und trägt den Titel: Inscription. Als Titel steht in- „uen: ANTIQVARIVM. Auf dem folgenden Blatte ist oben klein „Antiquariu’ wiederholt, dann folgt das Lemma ROMAE und „etwas weiter unten: DIVAE *ET ' FLENDAE ANTIQVITATIS SACRARIVM „worauf sogleich die römischen Inschriften mit folgendem Mon- „strum: In S' Maria transtiberina AIM AZZB PIBCIPFP A’ ANO HX „beginnen. Es sind der Inschriften auf 485 unpaginirten Seiten „eirca 2000, mit einer runden deutlichen Hand sehr gleichmäßig „geschrieben, aber mit vielen Abkürzungen auch im Text selbst und 556 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse N „nur zum kleineren Theil in Majuskeln (welches ich durch litt. „mai. immer dabei bemerkt habe), unter den Minuskeln sind oft „einzelne Worte, Siglen und dergl. mit Maiuskeln geschrieben. „Auf der letzten Seite steht unten: KAL * FEBR * ANNO * A PARTV VIRGINIS MD v° Thomas Scandianus psecripsi. „Eine Ortsangabe finde ich nirgends. Die Inschriften sind nach „Städten geordnet, Rom geht voran und nimmt etwa nur den „ten Theil des Ganzen ein; es folgen Regium Lep., Verona und „andere lombardische Städte, Sermia (“Sirmio’), Mantua, Ferrara „u. s. w. — Mailand und Brescia sind besonders zahlreich ver- „treten; Unteritalien verhältnifsmälsig gering. Nach Ancona, Ve- „nedig, Pola folgen auch Inschr. aus Ungarn (Buda), Österreich „(Wien) und eine spanische; hin und wieder unterbrechen ein- „zelne Inschriften die geographische Ordnung. Innerhalb der „einzelnen geographischen Abschnitte folgen sich die Inschriften „ganz ohne Rücksicht auf Inhalt oder dergl. Den Schluls bilden „eine Reihe meist bekannter epigrammata graeca aus verschie- „denen Gegenden, bei denen ich nur Ort und Anfang notirt „habe, da sie grofse Unkunde des griech. bei dem Schreiber ver- „rathen. Viele Inschriften stehen 2 oder 3 Mal unter verschie- „denen Orten (z. B. die ferentiner Inschrift des A. Hirtius etec.; „die Inschrift des Gallienus-Bogens; die des Tempels des An- „tonin und der Faustina steht zweimal “in ecclesia S“ Laurentii’, „einmal “prope Tiberim’),, Am Ende der Inschr. von Ostia steht - „ VERVM || EXITVS ' HIc ||EST’, welches doch wohl keine Inschrift „sein soll. Die (lateinischen) Ortsangaben sind oft unverständ- „lich, wie von einem der Lokalität ganz Unkundigen abgeschrie- „ben; die Zeilenabtheilung ist zumal bei der cursiven Schrift „meist ganz vernachläfsigt, oder willkürlich, die Lesarten selbst „scheinen ganz werthlos und zeugen ebenfalls von grolser Nach- „lässigkeit des Schreibers (wie z. B. in einer der Inschr. des „Mausol. Hadriani “divi pü neronis’ steht für “nepotis’). Dazu „wimmelt es endlich von Fälschungen der verschiedensten Arten, „viele im Stil der gruterischen supposititia, so die lange „Grabinschrift aus Pola, oder noch harmloser, meistens tief „unter Ligorio’s Standpunkt (wie z. B. die vielen zweideutigen vom 17. November 1856. 557 „Scherze; die Grabschriften des “rex regum Simandus’, des „Mettius Fuffetius, des Sardanapal, der Virginia u. s. w.), andere „sind schon geschickter gemacht und unmöglich alle näher zu „bezeichnen, — auf den ersten 20 Seiten bemerkte ich keine „einzige sichere Inschrift. Alles dieses scheint den Werth der „Hs. zu beschränken auf die Ortsangaben, wenn anders diesen „immer zu trauen ist, welches die oben angeführten Beispiele „sehr zweifelhaft machen, und auf den Beweis des Bekanntseins „dieser Inschrift schon in dieser Zeit. — Auf die oben ange- „führte Inscriptio folgen von einer, wie mir scheint, anderen „Hand 2 span. Inschriften im Stil des Morales, ein testamentum „in castris von einem im viriathischen Kriege gefallenen, und „eine ähnliche Dedication an den Mars gradivus; endlich, nach „einer Reihe freigelassener Blätter, (von der Hand des Scandia- „nus, wie es scheint) 1. ein Verzeichnils einer Reihe von In- „schriften und Emblemen der Rev. von Kaisermünzen; von Namen „sind nur Vitellius, M. Aurel und Solonina genannt; 2. mit der „Überschrift Sinegyp. die Beschreibung der Hieroglyphen für circa HIEROGLYPHICA „40 Begriffe; 3. ein Verzeichnils von dii selecti, unter welchen „die sämmtlichen nur aus Varro bekannten figuriren; 4. Auf- „schriften und Beschreibung der Rev. einer Reihe von Consular- „münzen, ohne alle Ordnung (auch August und der Triumvir „Antonius sind ein paarmal darunter).” — Der Gefälligkeit desselben Hrn. Hübner verdanke ich die Abschrift eines grolsen Theils einer in der Marciana befindlichen Copie des Celsus Cittadinus (iserizioni copiate dal libro turchino del s. Celso Cittadini ritratte da lui da diversi luoghi antichi insieme con le sue annotazioni nel 1604). Da der Eintritt der Ferien ihm die Vollendung der Arbeit unmöglich gemacht, so liefs ich den übrigen Theil durch gütige Vermittelung des Herrn Präfekten der Bibliothek, Ab. Valentinelli, von einem ge- schickten Copisten abschreiben. Demselben verdanken wir die Abschrift eines kleinen einstmals dem Kardinal Bembus gehörigen Codex. Wichtiger und für das C. I. L. unstreitig von grofser Be- deutung ist es, dafs auch die in der Ambrosiana zu Mailand be- 958 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse findlichen Handschriften des Accursius, die s. g. schedae Ambro- sianae, haben in Angriff genommen werden können. Der Prä- fect, Hr. Bernardo Gatti, und die Dottori derselben behielten sich vor, die Arbeit unter ihrer eigenen Aufsicht und Verant- wortlichkeit machen zu lassen, und haben sich derselben mit an- erkennenswerthestem Eifer unterzogen, so dals Hr. Gatti mir bereits vor einigen Tagen die Vollendung der Abschrift hat an- zeigen können. — Schliefslich habe ich in Siena die nöthigen Verbindungen angeknüpft, um die schedae Ptolemaei copiren zu lassen, eine andere Hauptquelle Muratori’s, und wird die Arbeit gleich nach den Herbstferien begonnen werden. — Dagegen schlug mir der Versuch fehl, die von Hrn. Mommsen dem C. I. L. abgetretene Copie des Michael Regiensis mit dem in Reggio befindlichen Originalcodex vergleichen zu lassen. Durch Hrn. Cavedoni’s Vermittelung haite der dortige Dr. Torri die Gefälligkeit, jene Arbeit zu übernehmen, fand aber die Varianten selbst in der Anordnung der Inschriften so bedeutend, dals er eine Abschrift des ganzen Codex für nöthig erklärte. Für Italien bleibt noch als wesentlichstes Desiderat die Aus- beutung der in der Capitelbibliothek zu Verona befindlichen Handschriften des Fra Giocondo und Felice Feliciano. — Hin- sichtlich der in Rom vorgenommenen handschriftlichen Arbeiten verweise ich auf Hrn. de Rossi’s angehängten Bericht. Nachdem in den vorigen Jahren die eigentlichen Museen Roms ausgebeutet waren, blieben die überall in Höfen, Gärten, Villen und Vignen, oft an feuchten und ungesunden Orten be- findlichen Steine zu copiren übrig, für die weder der Winter, noch die Sommerhitze die günstige Jahreszeit war. Ich sah mich daher genöthigt, die Fortsetzung dieser Arbeiten auf die Früh- lingsmonate zu verschieben, und erfreute mich während der er- sten Zeit derselben der aufopferndsten Hülfeleistung des mehr- genannten Dr. Emil Hübner, der es nicht scheute, Stunden lang mit mir in den feuchtkalten Columbarien zuzubringen. Wir copirten zuerst die Inschriften von Villa Pamfili, deren Zahl seit den 10 Jahren, wo ich die damals vorhandenen abgeschrieben, sich mit Einschluls von Fragmenten auf nahe zu 300 gesteigert hatte. Die Villa Ludovisı lieferte über 60 Steine, meist von vom 17. November 1856. 559 gröfserer Wichtigkeit als die oben genannten. Auf einer Wan- derung längs der Via Appia verglichen oder copirten wir zwi- schen Caecilia Metella und Torre de’ selei über 80, viele Frag- - mente ungerechnet. — Die aufserordentliche Gefälligkeit Hrn. P. E. Visconti’s, Commissärs der Alterthümer, verschaffte mir unterdels von der Liberalität Msg. Milesi’s, Ministers des Handels, der öffentlichen Arbeiten und der schönen Künste, die Erlaub- nils, die zu drei Viertheilen unedirten Steine der Columbarien der Vigna Eodini abzuschreiben, wobei mir der Besitzer dersel- ben bereitwilligst die Hand bot. Die Ausbeute dieser Arbeit be- stand, mit Einschluls einer abschriftlichen Sammlung von etwa 130 Steinen, die der genannte Hr. Codini, ehe dieselben in die Magazine des Lateran abgeliefert waren, in seiner Vigna abge- schrieben hatte, in mehr als 1300 Nummern, zu denen noch 117 Steine des kleinen Columbariums Campana bei Porta Latina kommen. Leider konnte ich nur für kurze Zeit hierbei noch Dr. Hübner’s Hülfe benutzen; dagegen kamen mir für das neueste Columbarium die mir von Hrn. P. E. Visconti mitgetheilten Abschriften seines Neffen, Hrn. C. L. Visconti, zu Gute, für das älteste eine von Mommsen vorgenommene Collation der in Jahn’s Specimen edirten Inschriften. — Die Villa Mattei lieferte der Zahl nach freilich wenige Steine, machte aber durch die schwierige Collation der bekannten Kellermannschen Monu- mente der Vigiles um so mehr Mühe; dafs an einer Stelle eine ganze Zeile in der Publication weggelassen war, zeugte auf’s Neue für die Nothwendigkeit neuer Collation der Originale. — Durch die Güte des Hrn. Fürsten Borghese war mir gestattet, atıch die reservirten Theile und die Magazine seiner bekannien Villa zu durchsuchen, eine Arbeit, die ich kaum vollendet hatte, als der Eintritt allzu grolser Hitze das weitere Arbeiten im Freien unmöglich machte. Rechne ich indels zu den im Obigen _ als von mir abgeschrieben angegebenen Steinen eine Anzahl an- _ derer, die ich dem regen Eifer und der Gefälligkeit des Hrn. 3 « % ® F « F >. PD Carlo Ludovico Visconti verdanke, welcher sie in Häusern _ entdeckte, die meiner Ortskenntnils entgangen waren, so kann ich die Vermehrung unserer Originalcopien im letzten Jahre im- 360 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse merhin auf etwa 2000 veranschlagen. Die Sommervilleggiatur benutzte ich, um Frascati und seine nähere Umgebung zu durch- suchen; ich hatte gewünscht, im Herbste eine epigraphische Reise durch die entfernteren Theile des alten Latium, nach den Her- niker und Volsker Gebirgen zu unternehmen. Leider zwang mich der plötzliche Tod meines Collegen Dr. Braun diesen Plan für jetzt aufzugeben, der indels später mit um so vollstän- digerer Vorbereitung wieder aufgenommen werden wird. Ebenso haben Umstände es Hrn. de Rossi unmöglich gemacht, das Abschreiben des Museums und der Magazine des Lateran in der beabsichtigten Weise fortzuführen, duch ist auch diese Verzöge- rung kaum zu beklagen, da die Arbeit mit Hülfe der excerpirten Vaticanischen Scheden Amati’s sich weit rascher beseitigen läfst, sobald nur erst der günstige Zeitpunkt dafür eingetreten sein wird. Neben dieser auf die Vermehrung des Apparats gerichteten Thätigkeit ist nun aber der mühevollen und eben so langwieri- gen, wie langweiligen Arbeit zu gedenken, welche die Ordnung der aus Deutschland hierher gesandten rohen Inschriftmasse und ihre Vereinigung mit den hier copirten Steinen und sonstigen Materialien verursachte. Es waren in Breslau zwar die Steine der Municipien, so wie die falschen, ausgesondert, alles Römische aber völlig ungeordnet. Es kam darauf an, diese ungeheure Masse in eine leicht übersichtliche Ordnung zu bringen, so dals jeder einzelne Stein sogleich zu finden, die verschiedenen Exem- plare mit einander vereinigt seien. Bevor ich jedoch an dieses Ordnen des Materials ging, son- derte ich aus demselben einzelne Partien mit Rücksicht auf die Quellen aus; so die aus dem Manutius, dem Mazocchi, den sche- dis Ptolemaei entnommenen Inschriften, um auf diese Weise die Collation mit den betreffenden Manuscripten zu erleichtern. So- dann bildete ich einige Hauptelassen, der Götter, Kaiser, Hono- rarinschriften, der opera publica, endlich der unzähligen Sepul- eralinschriften, die unter sich in strenge alphabetische Ordnung gebracht wurden, mit alleiniger Ausnahme der chronologisch ge- ordneten Kaisersteine. Bei gänzlichem Mangel an Hülfe, die ich erst im Frühlinge fand, konnte diese mühselige Arbeit erst jetzt für Rom zum Abschlusse gebracht werden; die noch zurückge- vom 17. November 1856. 561 lassenen Municipalinschriften machen indels verhältnifsmälsig ge- ringe Mühe, da die einzelnen Städte in Vergleich mit Rom we- nige Steine haben. Nach Verabredung mit Hrn. Mommsen habe ich nun begonnen, die so geordneten Inschriften durchzu- gehen, um alle voraugusteischen auszuheben, und ihn so in den Stand zu setzen, Hrn. Ritschl das kritisch gesichtete Material für die Priscae Latinitatis Monumenta möglichst bald zu liefern: Zugleich bemerke ich, dafs gleichzeitig mit der Ordnung der In- schriften auch die schon unter Hrn. Zumpt’s Aufsicht zer- schnittenen Blätter von Marini’s Fratelli Arvali von mir control- lirt und eingeschoben wurden ; so wie ich auch die Inscriptiones antiquae Etruriae Gori’s theils mit den Abdrücken bei Muratori collationirte, tbeils, und zwar in der bedeutenden Menge von nicht viel weniger als 800, abschreiben liels, und ebenfalls ge- hörigen Orts einfügte, welche Arbeit füglich nicht länger aufge- schoben werden durfte, da die grofse Masse wenigstens der flo- rentinischen Steine Römischen Ursprungs ist. Ich erwähne noch, dafs der Rosminianer Pater Vincenzo de Vit zu Stresa am Lago maggiore uns für die Arbeiten des C. I. L. einen sehr schätzbaren Beitrag geliefert hat, durch Abtre- tung eines sehr reichhaltigen Verzeichnisses epigraphischer Bü- cher und Abhandlungen, welches, von ihm mit Benutzung der Universitätsbibliothek zu Padua und der Privatbibliothek des ver- storbenen Furlanetto entworfen, namentlich für Oberitalien von grofsem Nutzen werden kann. Schliefslich möge noch bemerkt sein, dafs ich nach Kräften gesucht habe, das Circular der K. Akademie, die Betheiligung an dem Herbeischaffen des inschriftlichen Materials betreffend, in den italienischen Provinzen zu verbreiten und von allen Seiten die freundlichsten Versicherungen erhalten habe. Wenn nun auch dieselben nicht immer directe Betheiligung nach sich ziehen, so gewähren sie doch für die späteren Reisen unschätzbare Stütz- punkte und Verbindungen, ohne die sich hier zu Lande in den kleinen Orten bei kurzem Aufenthalte wenig erreichen läfst. Rom, den 20. October 1856. W. Henzen. 562 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Anlage B. Relazione dei lavori fatti dal sottoseritto per il Corpus In- scriptionum Latinarum dal Novembre 1855 all’ Ottobre 1856. Come la relazione dello scorso anno, che fu la seconda ch’ io ebbi P’onore d’inviare a cotesta illustre Accademia, ebbe prin- cipio dal richiamare brevemente a memoria la prima, cosı la pre- sente, che in ordine di tempo & la terza, vuol essere tosto ran- nodata e congiunta :a quella che la precede; perche sia manifesta la non interrotta continuazione de’ lavori epigrafici, ed il metodo onde questi procedono innanzi ‚per le vie piü semplici e piü con- facenti al condurre limpresa con celeritä ad un tempo e seru- polosa esattezza. Principalissimo scopo de’ lavori dello scorso anno fu l’esame e la trascrizione delle schede epigrafiche spettanti ai marmi in gran parte tuttora superstiti in Roma ed in Italia; onde avemmo il vantaggio si dell’ apparecchiare copie atte ad «ssere tosto con- frontate cogli originali edabbrevianti la lunga fatica del 'trarle diretta- mente dai'monumenti medesimi, e si del raccogliere le preziose no- tizie topografiche intorno alla provenienza delle infinite iscrizioni eollocate ne’ publici e privati musei e palazzi; le quali dalle sole schede di chi le vide :nell’ atto del trovamento ci possono ‚essere fornite. Quando dettai la relazione precedente era stato pres- soche al tutto esaurito Pimmenso apparato mariniano e n’era giä stato fatto grande uso nel preparare la raccolta delle iscrizioni tuttora esistenti in Roma. Rimaneva perö ad esaminare la volu- minosa corrispondenza 'epistolare del Marini con i letterati dell’ | etä sua, composta di circa tre mila lettere contenenti molte no- tizie epigrafiche; e questo lavoro fu intrapreso e compiuto nel corso di circa un mese. Esaurito cosi il tesoro epigrafico mari- | niano che ci forniva le migliori notizie per le iserizioni rinvenute in 'Roma ed in molte parti d’Italia fino all’ anno in circa 1808, era d’uopo cercare altri ajuti per le moltissime che dopo quell’ anno fino a questi ultimi tempi, de’ quali noi medesimi siamo testimonii, tornarono in luce e furono in buona parte deposte ne’ magazzini vaticani, ora, come ayvertüi nella relazione precedente, vom 17. November 1856. 565 trasferite tutte, sotto i miei occhi, al Laterano. A quest’ uopo opportunissime sono state le preziose schede di Girolamo Amati, il quale appunto in sul finire del primo decennio di questo secolo comincid a trascrivere quanti marmi scritti escivano di terra in Roma e nel suburbano, segnando i luoghi de’ trovamenti, e con- tinud per tutta la vita, rannodandosi cosı con serie non interrotta le schede di lui alle nostre ed a quelle de’ cultori tuttora viventi degli studi epigrafici. I volumetti o cartelli dell’ Amati sono per buona ventura serbati nella Vaticana, con parecchie altre carte di lui miscellanee e disordinate; e da tutto questo apparato ho fatto trascrivere e poscia ho diligentemente confrontato coll’ au- tografo un grandissimo numero d’iscrizioni delle quali con siffatto ajuto verrö fra poco ricercando e ricomponendo i laceri e per tanti traslocamenti mutilati marmi originali, deposti, come dissi, se non tutti certo 'moltissimi, ne’ magazzini lateranensi. Al qual uopo ho stimato utile far compilare un’ indice di coteste iscri- zioni tratte dalle schede dell’ Amati; indice che & giä bene av- viato e sara tra 'breve compiuto. Condotto cosi al termine lo studio de’ manoscritti serbati in Roma degli epigrafisti a noı per etä pit vieini, mi vidi libero a riprendere l’esame de’ codici e schede piü antiche. Giä negli scorsi anni ho dichiarato 'essere state pressoch® tutte compiute le traserizioni che erano a fare ne’ codiei Vaticani per preparare la materia al Ch. collega che s’occuperä nelle epigrafi oltramontane ; e dissi rimanere solo alquante ‘eopie d’iserizioni a trarre dal co- dice manuziano 5237, e'poche altre da codici di minor conto; e sono state fatte. ‘Di che toltomi il pensiero dell’ epigrafia ol- tramontana e dovendo entrare 'nell’ immenso campo di quella di Roma e dell’ Italia serbataci nelle copie manoscritte di ogni etä, per procedere con ordine ed economia di tempo ho stimato do- vere innanzi tratto far prova della bontä e valore di ciascun co- dice e dell’ uso al quale deve essere adoperato. Al qual fine ho _ posto mano ad esaminare le iscrizioni del regno Napoletano, come quelle nelle quali il testo e le varietä delle principali copie divulgate ed anco manoscritte sono state giä criticamente disa- minate nell’ egregio volume del mio Ch. collega il Dr. Momm- sen. Cosi ponendo a confronto in ciascuna raccolta le iscrizioni 564 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse napoletane coll’ edizione del Mommsen si ha tosto una prima idea della maggiore o minore autorita del codice, almeno per quanto risguarda le epigrafi di quella regione, e spesso anco se ne riconoscono facilmente le origini e sopratutto le relazioni con le altre raccolte stampate e manoscritte. Un siffatto espe- rimento & stato sotto la mia direzione quasi al tutto compiuto nei molti volumi vaticanı dell’ apparato manuziano, ed in parecchi altri solitarii manoscritti e raccolte del secolo XVI; onde ebbi una bella messe di emendazioni ed aggiunte alle iscrizioni del regno Napoletano: ma debbo astenermi dal darne piü minuto conto, perche il tempo che avrei voluto consecrare alla revisione di questo lavoro I’ ho poi speso in altra piü vasta, e senza fallo piü utile impresa, della quale mi farö tosto a dar contezza all’ illustre accademia. Adunque ommettendo di noverare parecchie trascrizioni di codici e carte epigrafiche di poca mole, le quali hanno anco in parte occupato il solo amanuense che ho in questo anno ado- perato in siffatti lavori, m’accingo ad accennare brevemente i vantaggi che per gli studi dell’ epigrafia e per l’impresa del Corpus inscriptionum latinarum parmi aver tratto da una esplorazione che io stesso a mie spese ho voluto fare delle bi- blioteche di Francia, del Belgio e della Svizzera, come giä nel 4853 feci di quelle di pressoch® tutta Italia superiore con le Romagne e la Toscana. E come allora di tutti i codici da me veduti e disaminati dettai una minuta descrizione, di ciascuno accennando il merito e ’uso che se ne dovrebbe fare nella com- pilazione della nostra grande raccolta, cosi ora di quelli che ho ricercato e svolto nelle biblioteche oltramontane vengo scerivendo una simile relazione; onde si avrä la notizia piü intera e com- piuta, che ho potuto con diligenti ricerche ottenere, di quanto di utile e quanto d’inutile al nostro scopo v’ha nelle carte epi- grafiche e ne’ codiei d’argomento archeologico che sieno in pres- soch® tutta la Francia, il Belgio e la Svizzera. La quale notizia non & certamente cosa di poco momento, anco la dove fornisce dati ed indicazioni solo negative, potendo cosi noi oggimai chia- ramente conoscere quale e quanto lavoro dovremo fare in que’ manoseritti, e quali e quanti ajuti averne alla nostra impresa. vom 17. November 1856. 565 Generalmente parmi poter affermare che poco tesoro accolgono pe’ nostri studi le biblioteche di quelle regioni: ed i codici e volumi di carte d’ogni genere da me a tal uopo rintracciati e tolti ad esame ammontano a poco piü di cento, de’ quali molti ho riconosciuto al tutto inutili alle nostre ricerche, altri conte- nenti parziali raccolte di quasi niun valore e copie d’iscrizioni sol della Francia e delle circostanti regioni, le quali il ch. Sig. Renier verrä senza fallo minutamente esaminando per la collez- zione speciale delle iscrizioni delle Gallie, che gli & stata dal suo governo comandata. Ciö nulla ostante fra non pochi codici, che dimandano un qualche esame e saranno pure di qualche utilitä, aleuni ho notato che non leggermente interessano la storia e la eritica de’ nostri studi, e di questi piacemi far singolare memoria. E per cominciare dai piüı recenti, di non lieve momento sono certamente le schede autografe del celebre Ennio Quirino Visconti che ho vedute nella biblioteca imperiale di Parigi rac- colte in tre volumi segnati dai nn. 6, 7, 8, tra quelli del fondo che prende il nome dal medesimo Visconti; segnatamente il vo- lume 7. contenente moltissime iscrizioni trascritte in Roma nell atto stesso delle escavazioni, donde la provenienza di non poche per la prima volta apprendiamo, ed alquante anco al tutto inedite € nuove veniamo a conoscere. Laonde riunendo queste schede non mai fino ad ora disaminate a quelle del Visconti medesimo che io vidi gia in Firenze presso il ch. Sig. Gennarelli (e che ora credo sieno presso un librajo in Parigi) ed a quelle infine ehe il ch. Sig. Comm. P. E. Visconti possiede qui in Roma e ‚ci ha cortesemente communicato, potremo sperare d’avere quasi tutto rinvenuto l’apparato epigrafico raccolto da quel sommo fin- ch® dimord in Roma e fu commissario delle romane antichitä. Di maggior momento per la storia de’ nostri studi sono le carte del Seguier. La grande raccolta che l’Accademia Berlinese 'avrä la gloria di finalmente dare in luce fu ideata da molti, ma da niuno cominciata eccetto il Maffei, il quale, come tutti sanno, ‚col Seguier pose mano a compilarla. De’ lavori preparati da que’ ‚due dotti quasi nulla si sapeva tranne il celebre indice delle an- tiche iscrizioni scritto tutto dal Seguier e trasferito nel principio [1856.] 43 566 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse di questo secolo da Nimes alla bibl. imperiale di Parigi. Io sono stato lietissimo d’ aver veduto che oltre quell’ indice una grande parte almeno delle schede epigrafiche del Seguier & tuttora su- perstite in quattro grossi volumi serbati nella bibl. publica di Nimes, ed in uno della imperiale di Parigi (Suppl&ment aux manuscrits grecs No. 382... E bench& questa raccolta sia assai meno ricca di cose nuove ed inedite che altri non immagi- nerebbe, pure & di molta importanza il poter conoscere quale e quanto fu lapparato ch’ebbe in pronto non solo il Seguier, ma | anche io stesso Maffei; perocch® e le schede di lui e le leitere serittegli dagli amieci e le iscrizioni raccolte nei viaggi che il francese con litaliano epigrafista insieme fecero sono in quei vo- lumi inserite. Le iscrizioni di questo apparato sono non solo di Roma e dell’ Italia, ma anco delle regioni oltramontane e perfine delle oltramarine, e neanche fu ignoto al Seguier il celebre editto di Stratonicea che trascrisse con molte altre epigrafi greche e latine da un manoscritto conservato in Londra presso il Dot- tore Riccardo Mead, senza fallo quello medesimo che fu di Wil- liam Sherard console Inglese in Smirne tra il 1702 e ıl 1718, ed oggi & serbato nella biblioteca Harlejana sotto il numero 7509. Non meno grato ed anco pit fecondo di buona messe d’inediti documenti m’ & stato il rinvenimento delle schede autografe d’altro famoso erudito, grande onore della Francia, voglio dire il Sirmondo, le cui carte epigrafiche furono teste comprate dalla biblioteca imperiale di Parigi. Sono state distribuite in cinque volumetti di vario modulo, e contengono iscrizioni sopratutto di Roma, diligentemente trascritte, le quali benche sieno state in parte da queste copie medesime communicate al Grutero, pure molte ve ne ho notato che il Grutero indi non ebbe; e fra queste pareechie che niun altro tranne il Sirmondo vide mai 0 divulgö; perche il valore di siffatte schede & veramente assai grande. E per accennare uno de’ pit pregiosi trovamenti che ivi ho fatto ricorderd una nuova tavola marmorea del notissimo elo- gio funebre d’una matrona romana morta nell’ eiä d’Augusto, del quale due ne esistono nella Villa Albanı ed un lungo fram- mento in alcune schede della Barberina (V. Marini Iscer. alb. pag. 142); e la novella ed inedita tavola vista e serbataci dal vom 17. November 1856. 567 solo Sirmondo cosi bene combacia col frammento descritto nel - «codice barberiniano, che adoprando la debita diligenza del sup- plire tutto un lato mancante, potrö dare interissimo un lungo tratto ed assai rilevante di quel prezioso monumento della ro- mana letteratura. Infine acennerö la scoperta della tanto da me cerca e desi- derata raccolta di Sebastiano Macci Urbinate, che sapevamo avere eirca il principio del secolo XVII adunato le iscrizioni di Roma e dell’ Italia. Della quale opera molta era la mia ed anco Val- trui opinione per i cenni che ce ne dettero parecchi dotti nel secolo XVII e XVII (V. Burmann Praef. ad Grut, pag. 4; e Vappendice alla prefazione premessa alle iscrizioni del Gudio pag. 52, 77): ma in niuna delle romane od italiche biblioteche ne rinvenni mai un esemplare; e nella Chigiana e nell’ Albana, che avevano il nome del Macci ed il titolo di siffatta opera di lui nei loro indiei, niuna traccia piü appariva dei due volumi nei quali essa era contenuta. Ora l’esemplare medesimo che giä fu nella Chigiana e poscia nel’ Albana ho io rinvenuto in Pa- rigi nella biblioteca imperiale (Suppl&ment aux manuscrits latins No. 728); ed ho riconosciuto essere l’autografo istesso dell’ autore. Non mi arresterd a descrivere questi due pregevoli - volumi, perche ne darö fra breve un esatia notizia per le stampe: _ solo mi duole dover dichiarare che la molta espettazione d’un’ opera tanto lodata & stata quasi al tutto delusa dal trovamento p e che le iscrizioni raccolte dal Macci non sono ne moltissime, ne tratte in gran parte dai marmi origiuali, ma per lo piü dalle stampe, e quelle anco che lo sono dai monumenti stessi poco fedeli e sicure. Ciöo nulla ostante il manoseritto & utilissimo alla 'storia letteraria de’ nostri studi, e non al tutlo inutile ad ac- erescere il patrimonio delle nuove ed inedite antiche iscrizioni. li Amerei ragionare anco de’ manoscritti epigrafici della publica ihlioteca di Bruxelles, preziosissimi- anch’ essi sopratutto per Tepigrafia romana, Italiana e Spagnuola, perch® contenenti rac- tt: compilate in Roma ed in Italia nel cadere del secolo XVI con molta nitidezza e cura da Filippo de Winghe (codice $ 47, 873.), da Levino Torrenzio (cod. 4347 —50.), ed in Ispagna 43* Pre Een Fe. Fer 568 Gesammtsitzung dal Pavillon (cod. 3821), con molto numero d’ottimi esem- plari assai utili a stabilire la vera lezione d’iscrizioni gia note, ed anco a darci unica notizia d’alquante inedite: ma la somma fretta | con la quale m’ & stata chiesta la presente relazione non mi con- sente il darle uno svolgimento maggiore ed una forma piü ac- curata e degna dell’ Accademia cui & destinata e diretta. Questi brevi cenni perö varranno a viemeglio persuadere la grande importanza che ha nell’ epigrafia Pesame delle copie ma- noscritte; esame troppo fino ad ora trascurato e sopratutto non | mai ridotto a forma di metodo critico, ne comparato con la storia letteraria de’ nostri studi: e spero che la grande raccolta delle iscrizioni latine avrä da questa quasi novella fonte incre- mento e perfezione maggiore che noi medesimi da principio non avremmo osato sperare. Giovanni Battista de Rossi. Questo dı 22. Ottobre 1856. 20. Novbr. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Haupt las über ein althochdeutsches gedicht. Der dritte, im jahre 1843 herausgegebene band der zeit- schrift für deutsches alterthum enthält von s. 443 bis 445 eine althochdeutsche schilderung des himmels und der hölle, ent- nommen einer früher den Bamberger dominicanern gehörigen, damals zu kauf ausgebotenen handschrift des elften jahrhun- derts, deren hauptinhalt die lex Alamannorum bildet. zwei an- dere deutsche stücke dieser handschrift, ein glaubensbekenntniss und eine beichte, giebt dieselbe zeitschrift im fünften bande s. 453 ff. An jener schilderung des himmels und der hölle, die merk- würdiger ist als man bis jetzt erkannt hat, ist Wilhelm Wacker- nagel nicht achtlos vorbeigegangen. in seiner litteraturge- schichte s. 83 redet er von den erhaltenen althochdeutschen predigten, deren sprache nur selten sich rednerisch erhebt. ‘um so höheren redeschwung’ fährt er fort ‘bis in alle fülle an vom 20. November 1856. 569 sinnlich ausmalender poesie zeigt uns ein anderes denkmal, welches doch eigentlich keine predigt, sondern nur ein stück aus der katechetischen redehandlung der beichte ist, eine schil- derung der freuden des himmels, des grauens der hölle; mit überraschung weilt der blick auf solchem bisher ungeahnten vermögen unserer alten litteratur. später (s. 84) wird dieses denkmal das älteste der poetischen prosa genannt. Mich wundert dass Wackernagel, der die dichterische rede- fülle dieser schilderung so hoch stellt, allzu hoch, wie mich dünkt, doch ihre dichterische form nicht wahrnimmt. seitdem ich dieses denkmal kenne habe ich nie bezweifelt dass es ein gedicht d. h. in versen abgefasst ist. diese metrische gestalt darzulegen habe ich aber lange gezögert: ich misstraute dem abdrucke und wollte verbesserungen nicht ohne vergleichung der handschrift wagen. die handschrift aber war verschollen. Merkel in der vorrede seiner ausgabe der lex Alamannorum s. 5 meldet sie sei von einem Berliner buchhändler nach Eng- land verkauft worden. Zum glück ist dies irrig. sie ist für die Münchener bi- bliothek erworben und führt dort unter den lateinischen hand- schriften die nummer 4460. ich habe sie vor einiger zeit mit dem abdrucke verglichen. Zunächst gebe ich den text, verbessert so weit es nöthig und erlaubt schien. Diu himilisge gotes burg bl. 111 diu ne bedarf des sunnen noh des mänskimen dä ze liehtenne. 112? 5 in ire ist der gotes skimo | 1— 12. apokal. 21, 23 et civitas non eget sole neque luna ut lu- ceant in ea: nam claritas dei illuminavit eam et lucerna eius est agnus. 4. liehten für liuhten kommt bei Notker häufig vor. im Iwein 672 hat es Lachmann nach Bbd und dem lihten in ADa gesetzt, und das mhd. wörter- 1,1030 hätte sich die frage ob es liuhten hei/sen müsse ersparen kön- nen. 5. durch punkte habe ich nach Otfrieds weise vocale bezeichnet die in der aussprache verschwinden oder mit andern verschmelzen. 570 Gesammtsitzung der sie al derliuhtet in gemeinemo nuzze. daz ist in eben allen - | al daz sie wellen. 10 dä ist daz gotes zorftel, 20.00 der unendige tac, | der burge tiure liehtfaz. | Diu burg ist gestiftet mit aller tiuride meist 15 ediler geistgimmön, der himelmeregriezzön. der burge fundamenta, die portae joh die müre, daz sint die tiuren steina 20 der gotes fursthelido und daz eingehellist aller heiligöne here, die der tugentlicho in heiligemo lebenne 25 demo burgkuninge ze vurston gezämen. Siu stät in quäderwerke: daz ist ir &wig stift, unde sint ouch där ane 30 errekket alle gotes friunt 6. der sie aldluhtet h (die handschrift). der- für er- steht in der sanct- gallischen freilich erst im zwölften jahrhunderte geschriebenen handschrift von Notkers psalmen 67, 28 (in Hattemers denkmahlen 2, 2312). ich weifs weder einen grund gegen höheres alter dieser form noch eine andere besse- rung der verderbten zeile. 13. die grofsen anfangsbuchstaben nach h. vergl. apokal. 21, 18 ff. 16. der himel meregriezzon h. die schwa che form wie Helj. 52, 7 und öfter im mhd. 18. porte h. 20. fursthelid ist zusammengesetzt wie furstpoten und furstehundera, dure die Notker ps. 70, 19. 34, 10 (Hattemer 247“. 117?) archangeli übersetz und mag wie diese erfunden sein. 21. undaz ingehellist A. vergl 65 f. 25. so h, nicht burgkunige. 27. deutung von apokalfl 21,16 et civitas in quadro posila est. 30. gotes trüt friünt h. go tes trütfriunden sieht 111: hier aber verlangt der vers tilgung von trüt ode von alle. vom 20. November 1856. 571 die der hänt eryullet din vier &vangelia in stäter tugent regula, in gelichimo einmuote. 35 Siu ist in iro sträzzon daz röt lohezönte golt. daz meinet daz dä vurstesöt diu tiure minna uber al, der goteliche wistuom 40 mit allemo wolewillen. Siu ist in goldes scöni samo daz durhliehte glas alliu durhscouwig job durhlüter. 412b 45 Dä wizzen al ein anderen unvertougenlicho die himilisgen erben die die burg büent in durhskönen tugindan, 50 än aller missetäte pflega. Dä richisöt diu minna mit aller miltfrowida und aller tugidöne zala mit stäten vrasmunde. 55 dä verselet diu wärheit daz alte gedinge. dä nimet diu gelouba 32. die A. 33. über die quantität von regula s. Lachmann über ahd. betonung s. 28 und zum Iwein 299. 35 —44. apokal. 21, 21 et platea civitatis aurum mundum tamquam vitrum perlucidum. 37. uurstesot, nicht uurstisot, h. 40. wole wille A. 43. durhscöuvig A. 44, durh luther A. 49. plurale dative auf an stellt Graff 2, 961 zusammen. 50. pfleg A. 53. tugi- _ döne ist wie von einem nominativus tugida. 54. vielleicht ist stäter zu setzen. der ahd. glosse frastmunti secrefum in Docens misc. 1, 211 oder bei Graff 2, 813 ist das geschlecht nicht anzusehen. das mhd. vrastmunt ist femininum: s. Jac. Grimm gesch. der d. spr. s. 129. 57. glouba A. se 572 Gesammtsitzung ende aller ir geheizze. Däne habet resti 60 der engilo vrösank, daz suozze gotes wunnelob, diu geistliche mendi, der wundertiuro bimentstank aller gotes wolöno. 65 dä ist daz zieriste here allez in ein hel. daz dienest @went sie mit senftemo vlizze. Dä ist des frides stäti, 70 aller gnädöne bü. Dä ist offen vernunst allero dingo. al gotes tougen daz ist in allez offen. 75 sie kunnen alle liste in selber wärheite; derne habent sie ägez. der bü in ne wenket. in ist ein alterbe, 80 eines riches ebenteil. Da ist alles guotes ubergenuht mit sichermo habenne, der durnohteste tröst, diu meiste sigera. 85 dä nist forehtöne nieht, nichein missehebeda. 1133 dä ist einmuoti, aller mamminde meist, 59. Dane, nicht Danne, h. 61. goteswnne lob A. 62. meindi A. 63. wndertiüro, nicht wndertiüre, h. 64. gotes- wolon A. 71. vernunst, nicht vernuntt, A. 72. aller A. 78. der buge innewenket A. 79. in ist ein alter h. im Auland 6, 30 nu scul wir heim gähen an unser alterben, 121, 22 si wolten gerne wider gewinnen daz unser alterbe, beide mal vom himmel. vom 20. November 1856. 573 der stilliste lust, 90 diu sichere räwa. da ist der gotes friundo sundergibiuwe. dä nist sundöne stat, sorgöno wizzede. 95 dä nist ungesundes nieht. heile meist ist där. der untriuwen äkust der ne taret där nieht. Dä ist diu veste wineskaft, 100 aller sälidöno meist, diu miltiste drütscaft, die kuninglichen £ra, daz unerrahliche lön, daz gotes ebenerbe, 105 sin wunniglich mitewist, diu lussamiste anesiht, der siner minnöne gebe tiuriste. Daz ist daz hereste guot 110 daz der vore gegarawet ist gotes trütfriunden mit imo ze niezzenne iemer in &wa. Sö ist taz himelriche 115 einis teilis getän. In dero hello dä ist döt äne töt, karöt unde jämer, 92. sunder gibiüwe A. 94. sorgono, nicht forgono, h. 96. ist der h. 98. der fehlt h. der nieht A. 99. wene- skaft A. 101. die buchstaben diü mil nicht ganz sicher h. 102. kuninglichen, richt kunninglichen, Ah. 107. under siner A. 108. tiüriste, nicht tiüristo, Ah. 112. ce A. 117. dot ane tode h. meine änderung meint ewigen tod. einen gegensatz bietet der vers den Otfried (1, 18, 9) und das muspilli (16. 17) gemeinschaftlich haben, thär ist lib äna töd, licht äna finstri. 130 140 145 150 Gesammtsitzung al unfrouwida, mandunge bresto, beches gerouche, der sterkiste svevelstank, verwäzzenlich genibile, des tödes scategruoba, alles truobisales waga, der verswelehente loug, die wallenten stredema viuriner dunste, egilich vinster, 4135 diu iemer &wente brunst, diu vreissamen dötbant, diu betwungeniste phragina, claga, wuoft äne tröst, we äne wolun, wizze äne resti, aller wenigheite nöt, diu hertiste rächa, der handegöste ursuoch, daz serige elelentduom, aller bittere meist, käla äne vriste, ungenädöne vliz, uppigiu riuwa, karelich gedözze, weinlicher ahhizöt, alles unlustes zalsam gesturme, forhtöne biba, zano klaffunga, aller weskreio meist, diu iemer werente angest, 419. so, nicht uuhrouwida, A. 127. so, nicht stredema, h. 129. egilich, nicht egilih, A. 442. ungnadone A. 143. up- pige h. 451. Diu Ah. 445. weinleiches 4. 149. zanoklalfunga h. vom 20. November 1856. 575 aller skandigelich, daz scamilicheste offen aller tougenheite, 155 leides unende und aller w£&wigelich, marter unerrahlich mit allem unheile, diu wewigliche haranskara, 160 verdamnunga swereden äne alle erbarmida, iteniuwiu ser äne guot gedinge, unverwandellich ubel, 165 alles guotes äteil, diu grimmigiste heriscaft, diu viantliche sigenunft, griulich gesemine, der vülida unsübrigheit 170 mit allem unscöne, diu tiuvalliche anesiht, aller egisigilich, alles bales unmez, diu leitliche heima, 114» 175 der helle karkäre, daz richiste trisehüs alles unwunnes, der hizze abgrunde, unbigebenlich flor, 180 der tiuvalo tobeheit, daz ursinnigliche zorn 159. uueuuigliche, richt uueuuigeliche, A. 161. an aller bar- mida A. 162. itniugiu ser A. 168. grinelich Ah. 170. ununscone h; aber mit dem ersten un schlie/st die zeile. mit aller un- scöni zu vermuten widerräth alles unwunnes z. 177. man wird die neutra un- scöni und unwunni anerkennen müssen. 172. egisilich A. 173. bales, nicht balez, h. 179. umbigebillich flör A. unbigebenlich, wenn ich richtig so bessere, bedeutet nicht beiseite zu bringen, unablässig. 576 Gesammtsitzung und aller ubelwillo, der ist dä verläzen in aller ahtunga vliz 185 und in alla tarahafti dero hella erbon, äne zites ende, iemer in &wa. Sö ist taz helleriche 190 einis teilis getän. Dass dies verse sind, in dem gewöhnlichen mafse von vier takten, wird weiter keines beweises bedürfen, wenn auch nicht alle genau nach otfriedischen regeln gebaut sind. so würde z. b. Otfried verse wie den folgenden (58) sich nicht gestattet haben, ende äller ir geheize. nicht gegen Otfrieds be- tonung sind vürstesöt 37 und richisöt 51; denn ebenso ist ohne zweifel bei ihm 1, 5, 29 zu betonen er richisöt githiutö. ebenso wie trüobisäles 125 betont Otfried, wie es scheint, rüamisäl 4, 6, 35, wertisäl 4, 18, 23. 4, 28, 11. 5, 12,34. 39, werresäl 4, 18, 25, d. h. nach art der zu- sammengesetzten wörter. händegöste 138, grimmigiste 166, betwüngeniste 133 sind betonungen die sich nicht nur in mittelhochdeutschen versen nachweisen lassen, sondern auch bei Otfried an Hartmut 90 wird auszusprechen sein unz themo fiarzegüsten järe. auch die unregelmälsigen be- tonungen äller heiligöne here 22 und äller sälidöno meist 100 fechte ich nicht an, obwohl durch heiligön und säldöne oder sälidön die strenge regel hergestellt wer- den kann. Um des versmafses willen habe ich nur weniges geändert. trüt 30 zu streichen schien unbedenklich; ebenso 98 der hinzuzufügen und 186 durch dero für der den vers zu glät- ten. egisigilich 172 für egisilich war durch den vers geboten, so wie die nur orthographische änderung wolöno für wolon 64. allero für aller 72. Einen unvers habe ich stehen lassen, 134 w& äne wo- lun, weil ich ihn mit sicherheit nicht zu bessern wuste, 186. der h. 190. getan; h, der rest des blattes leer. vom 2. November 1856. 577 durch w&wo für w& entstände noch kein guter vers. viel- leicht ist zu schreiben äne wolun w&wo. Für einen richtigen vers halte ich 148 forhtöne biba, obwohl umstellung die echte form biba in ihr recht setzen würde, biba forhtöne. ich glaube aber dass der circumllex, den die handschrift in biba wirklich hat, die meinung und aussprache des dichters trifft. freilich keine richtige, aber eine wenigstens im zwölften jahrhundert nachweisliche. wie un- vollkommen auch die reimkunst des pfaffen Konrad im Ru- landsliede ist, davon dass er eine lange silbe mit nachfolgender kurzer und zwei kurze silben durch den reim gebunden giebt es kein sicheres beispiel. nur aus versehen sind in der ein- leitung zum grafen Rudolf s. 10 die reime mägen: sagen: zagen (204, 9 f. 206, 23f. und komen: töde (233, 32 £.) angenommen worden; es reimen ganz richtig magen (vis) und das praeteritum kömen. 228,5 und 243,10 ist nicht fuz- scamel, wie geschrieben steht, sondern füozscämel® aufün- dertänen und gnad£ gereimt. biscofe: rossen 217, 12 ist untadellich: denn die mhd. form mit v im inlaute, bischove, die man wohl mit recht einer einwirkung des italiänischen vescovo zuschreibt, zeigt sich noch nicht im althochdeutschen, wo mei- nes wissens immer f oder ff im inlaute dieses wortes steht, und dieser älteren weise ist Konrad gefolgt. allerdings reimt er lichenamen, lichename, lichamen auf zewäre 214, 18, auf gnäden 243, 30. 265, 3, auf nämen 260, 14: aber darin erblicke ich nicht schlechte reimbindungen, sondern un- organische in ungenauer aussprache vorhandene dehnung, li- chenämen. so bindet der Stricker im Karl s. 40 lichnä- men mit kämen, 46° mit genämen, 118° mit vernämen, und bei ihm wäre bindung eines trochaeus mit einem pyrrhi- chius kaum denkbar. wenn also Konrad neben den richtigen reimen irbibete: erspilt&n 10, 14 und erbibeten:l&beten 233, 12 einmal, 240, 22, auf sä näch der wile die reimende zeile chom ain michel ertpibe folgen lässt, so wird un- organisch gedehntes ertpibe anzunehmen sein. das gedicht vom Antichrist (im zweiten bande von Hoffmanns fundgruben) hat einmal einen unglaublichen reim, wie sie liegen dri dage | und ein halben obe der erde 121, 1, wo eine 578 . Gesammitsitzung entstellung zu vermuten ist, sonst aber bindet es in fast zwölf- hundert zeilen keinen pyrrhichius mit einem trochaeus. denn für das 123, 16 auf unbegraben reimende rappin ist ra- ben zu setzen. aber 120, 29. 128, 21. 39 reimt beliben: ertbibe, 131, 12 biben: beliben, und die nur in diesem worte sich wiederholende erscheinung führt zu der annahme der dehnung. Werinhers Maria enthält in der Berliner hand- schrift keinen in der quantität fehlerbaften klingenden reim. also wird 196, 40 (Hoffm.) auf vertribet gedehntes bibet reimen. und ebenso im Servatius 1999 biben auf beliben. denn auch dieses gedicht nimmt es in viertehalbtausend zeilen streng mit der quantität zweisilbiger reime, richtige stumpfe reime sind gote: vestenote 201, gote: erziugote 837, gesamnote: bote 869, zeichnote: bote 1597, orde- note: bote 1787, gote: bezzerote 2053, geboten: kes- tigoten 2211: denn der mittelhochdeutschen verwandlung des verbalen öt in et muss kürzung in ot vorausgegangen sein. In den hundert und neunzig versen der schildernng des himmels und der bölle ist nur zweimal ein reim vernehm- bar, 8 f. daz ist in eben ällen äl däz sie wellen, 32 f. diu vier &vange&liä in stäter tügent regula. sonst enthält das gedicht weder reim noch allitteration, und damit steht es einsam in der altdeutschen dichtung. so we- nig es aber etwas anderes ist als nachlässigkeit oder unvoll- kommene kunst wenn Otfried zuweilen seine verse ohne reim lässt, ebenso wenig darf man in den der allitteration und des reimes entbehrenden versen unseres gedichtes ein beispiel ver- breiteter und alter oder gar ursprünglicher form der deutschen dichtung erblicken. August Wilhelm Schlegel hat einmal (in den werken 7, 266) folgende vermutung ausgesprochen, “die formen der gothischen poesie sind uns unbekannt. indessen liegt es am tage dass die sprache sich in rhythmische silben- malse, ganz nach den gesetzen der griechischen metrik, fügen konnte. dass es wirklich geschehen, wird man wenigstens wahrscheinlich finden, wenn man folgendes erwägt. gewöhn- lich tritt, wo der sinn für die quantität verloren geht, so- gleich der reim hervor. in der geschichte der deutschen poe- j 1 vom 20. November 1856. 579 sie finden wir eine mittelstule, die allitteration. diese ist die bindende form in den ältesten altsächsischen gedichten die wir baben. in der angelsächsischen poesie hat sie bis zum unter- gange der sprache bestanden. was gieng nun der erfindung der allitteration voraus? ich denke, der rhythmus. hätte Schle- gel mit der entwickelung der deutschen philologie schritt ge- halten, so konnte er im jahre 1827 nicht mehr solche behaup- tungen und vermutungen aufstellen. weder ist der reim in die deutsche poesie gekommen als der sinn für die quantität ver- loren gieng noch ist die allitteration eine erfindung für den bedarf der poesie. sie ist hervorgegangen aus dem streben das begrifflich gleichstehende auch durch den klang gleichzu- stellen, und so durchdringt sie nicht nur in formeln die sprache, sondern wo uns zuerst Deutsche begegnen, da finden wir auch in geschichtlichen und mythischen namen die durch geschlechts- verwandtschaft zusammengehören allitterierenden anlaut. so hat sie sich auch unzweifelhaft in uralter zeit der poesie bemäch- tigt und in ihr weiteren umfang gewonnen, und wenn wir nicht in bodenloses vermuten uns verirren wollen, so müssen wir die allitteration als urform deutscher dichtung, bis der reim sie ablöste, nicht als eine mittelstufe ansehen. unser reimloses gedicht aber, aus einer zeit die in Deutschland keine allitterierende poesie mehr kannte, ist ein einzelner versuch eines geistlichen der den reim für entbehrlich hielt und sich ihm vielleicht nicht gewachsen fühlte. so lässt es sich ver- gleichen mit dem altenglischen Ormulum, dessen geistlicher verfasser die allitteration aufgab und den reim nicht versuchte, dagegen in seinem langen werke iambische katalektische tetra- meler, wie er sie aus geistlicher lateinischer poesie kannte, eintönig silben zählend nachbildete. dass unser althochdeut- sches gedicht von einem geistlichen manne herrührt ist nicht nur an sich wahrscheinlich, sondern sicher durch die von mir nachgewiesene anlehnung an stellen der apokalypsis. Mechanische abtheilung seiner hundert und neunzig verse in fünf und neunzig langzeilen wäre von übel. erst allittera- tion oder reim bindet vierlaktige verse zu achttaktigen lang- zeilen. in unserem gedichte lassen sich zwar manche vers- 580 Gesammtsitzung reihen paarweise ordnen, aber gleich die zeilen des ersten ab- satzes (1—12) sträuben sich dagegen. man müsste denn hier und an anderen stellen lücken annehmen, worauf nichts führt. An eingegangenen Schrifien wurden vorgelegt: Meteorologische Waarnemingen in Nederland, uitgegeven door het Kon. Meteorol. Instituut. 1855. Utrecht 1855. A4. Abhandlungen der K. K. Geologischen Reichsanstalt. 3. Band. Wien 1856. A4. Jahrbuch der K. K. Geologischen Reichsanstalt. 7. Jahrgang, Heft 1. Wien 1856. 8. Journal für Mathematik. 53. Band, Heft 1. Berlin 1856. 4. Berichte über die Verhandlungen der Gesellschaft für Beförderung der Naturwissenschaften zu Freiburg i. Br. no. 14. 15. Freiburg 1856. 8. Cheyv. de Paravey, Dieu chez les Etrusques et les Chinois. (Paris 1856.) 8. L’Institut. I. 24me annee, no, 1191. II. 21me annee, no. 250. Paris 1856. 4. L. Polain, Quand est ne Charlemagne ? Bruxelles 1856. 8. Ou est ne Charlemagne? Bruxelles 1856. 8. Im Auf- trage des Hrn. Verf. überreicht von Hrn. Pertz. 27. Novbr. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Beyrich las über Crinoiden des Muschel- kalks. 1. Abtheilung, über Enerinus liliformis. Hr. H. Rose trug folgende Abhandlung des Hrn. Prof. Schönbein in Basel, Correspondent der Akademie, über eine eigenthümliche Erzeugungsweise der sal- petrichten Säure vor. Bei gewöhnlicher Temperatur verhält sich bekanntlich der Sauerstoff, so wie er in der atmosphärischen Luft enthalten u Tr vom 27. November 1856. 581 ist oder in den Laboratorien dargestellt wird, völlig gleich- gültig sowohl gegen das gasförmige als wässrige Ammoniak, während nach des Verfassers früheren Versuchen der gleiche Sauer- stoff, nachdem er den Einfluls der Electricität oder des Phos- phors erfahren hat d. h. ozonisirt worden ist, die beiden Be- standtheile des Ammoniaks: den Wasserstoff zu Wasser, den Stickstoff zu Salpetersäure bei gewöhnlicher Temperatur oxi- dirt, woher es kommt, dafs ozonisirter Sauerstoff mit Ammo- niak salpetersaures Ammoniak erzeugt. Die Thatsache, dals der unter dem Berührungseinflusse des Platins stehende Sauerstoff schon in der Kälte eine Reihe von Oxidationswirkungen hervorbringt, welche unter sonst gleichen Umständen derselbe für sich allein nicht zu |verursachen im Stande ist, liels mich vermuthen, dafs unter Mitwirkung dieses Metalles auch der gewöhnliche Sauerstoff bei niederer Tem- peratur die Oxidation der Elemente das Amoniak bewerkstelli- gen könnte und nachstehende Angaben werden zeigen, dals dem so ist. Bringt man mit wässrigem Ammoniak benetzten Platin- mohr in Sauerstoffgas oder atmosphärische Luft und zieht man, nachdem diese Substanzen einige Zeit miteinander in Berüh- rung gestanden, besagtes Metallpulver mit destillirtem Wasser aus, so findet sich in dieser Flüssigkeit Ammoniaknitrit vor, wie schon aus der einfachen Thatsache erhellt, dals besagter wässriger Auszug bei Zusatz verdünnter Schwefelsäure, Phos- phorsäure u. s. w. den jodkaliumhaltigen Stärkekleister augen- blicklich auf das Tiefste bläut. Hat der mit wässrigem Am- moniak benetzte Platinmohr auch nur eine Minute lang mit Sauerstoffgas oder atmosphärischer Luft in Berührung gestan- den, so ist während dieser kurzen Zeit doch schon so viel sal- petrichtsaures Ammoniak erzeugt worden, dafs das Vorhanden- sein desselben durch das angegebene Mittel sich augenfälligst darthun läfst. Je länger die Berührung gedauert, desto grölser natürlich auch die Menge des gebildeten Nitrites. Im Vorbeigehen bemerkt der Verf., dals nach seinen Er- fahrungen für das Nitrit es kein empfindlicheres Reagens giebt als den verdünnten Stärkekleister mit einigem Jodkalium ver- selzt, welches Salz jedoch aus leicht einsehbarem Grunde durch- [1856.] 4 582 Gesammtsitzung aus frei von Jodat sein muls. Enthält die zu prüfende Flüs- sigkeit auch nur Spuren von Ammoniak-, Natron-, Kalinitrit u. s. w., so wird dieselbe bei Zusatz von verdünnter Schwe- felsäure das jodkaliumhaltige Stärkewasser augenblicklich auf das Stärkste bläuen, welche Reaction die Nitrate der gleichen Basen nicht hervorbringen. Der Verf. bemerkt noch, dals die schwach angesäuerten Lösungen des Ammoniaknitritas u. s. w. auch die frische Guajktinetur sofort bläuen, welche Wirkung die gleich beumständeten Nitratlösungen nicht verursachen. Dichtes Platin wirkt bei gewöhnlicher Temperatur nicht merklich auf Sauerstoff und Ammoniak ein, unter Mithülfe der Wärme erhält man jedoch mittelst Platindrahtes augenblicklich merkliche Mengen Ammoniaknitrites und zwar am bequemsten in folgender Weise: Führt man das eine zur Spirale aufgewundene und erhitzte Ende eines etwas dicken Platindrahtes in eine lufthaltige Fla- sche ein, welche vorher mit starkem Salmiakgeist ausgespült worden und hält man über die Spirale einen mit angesäuertem jodkaliumhaltigen Stärkekleister behafteten Papierstreifen, so wird sich letzterer augenblicklich tief bläuen in Folge des unter diesen Umständen sich bildenden Ammoniaknitrites. In dem Gefälse sieht man während der Anwesenheit des erhitzten Platindrahtes bald weilsliche Nebel erscheinen, welche von sal- petrichtsaurem Ammoniak herrühren; denn läfst man diese Dämpfe durch etwas destillirtes Wasser aufnehmen, so bläut dieses den angesäuerten jodkaliumhaltigen Kleister sofort auf das Tiefste, selbst wenn man die erhitzte Spirale auch nur we- nige Sekunden in der Flasche hat verweilen lassen. Durch wiederholtes Einführen der erhitzten Spirale in ein etwas grolses Gefäls, dessen Boden mit starkem wässrigen Ammoniak bedeckt ist und häufiges Schütteln, läfst sich in dieser Flüssig- keit bald so viel Nitrit anhäufen, dafs man damit alle die übri- gen diesem Salze zukommenden Reactionen hervorbringen kann. Was die Temperatur betrifft, bei welcher der Platindraht die Nitritbildung einleitet, so liegt sie noch unter der Roth- gluth, wie daraus erhellt, dafs eine erhitzte Spirale, welche selbst in völliger Dunkelheit kein Glühen mehr zeigt, immer noch die Nitritbildung zu veranlassen im Stande ist. Der Verf. will . ' vom 27. November 1856. 583 hier nicht unerwähnt lassen, dafs auch Eisen- und Kupferdrähte die besagte Wirkung hervorbringen, zu welchem Behufe sie jedoch bis zum starken Glühen erhitzt sein müssen. Merkwürdiger Weise vermag ähnlich dem Platin auch das Kupfer den Sauerstoff zu bestimmen, schon bei gewöhnlicher Temperatur mit Ammoniak Nitrit zu erzeugen, worüber nach- stehende Angaben keinen Zweifel übrig lassen. Befeuchtet man mit starker Ammoniaklösung in einer sauer- stoff- oder lufthaltigen Flasche fünfzig Gramme fein zertheilten Kupfers, so wie man dasselbe bei der Reduction des Kupfer- oxides mittelst Wasserstoffgases erhält, so erwärmt sich bald in merklichem Grade das Metallpulver und sieht man in dem bedeckten oder verschlossenen Gefäls weilsliche Nebel erschei- nen, welche nichts anderes als Ammoniaknitrit sind, wie man sich hievon leicht durch folgende Mittel überzeugen kann: Führt man in das mit solchen Nebeln erfüllte Gefäls einen mit angesauertem Jodkaliumkleister behafteten Papierstreifen ein, so färbt sich dieser rasch blau; hält man nur kurze Zeit das gleiche Gefäls bedeckt mit einer feuchten Glasplatte (oder einem gleichbeschaffenen Uhrglase), so wird deren nach Innen gerichtete Seite darauf gegossenes, mit verdünnter Schwefel- säure versetztes jodkaliumhaltige Stärkewasser tief bläuen, oder hängt man mit Wasser benetzte Streifen von Filtrirpapier in dem Reaclionsgefäls auf, auch nachdem die vorhin erwähnten Nebel verschwunden sind und das Kupferpulver abgekühlt ist, so beladen sich diese Streifen bald mit so viel Ammoniaknitrit, dals ihr wässriger Auszug den angesäuerten jodkaliumhaltigen Stärkekleister auf das Tiefste bläut. Wird in einer mit Sauerstoffgas gefüllten Flasche fein zertheiltes Kupfer mit wässrigem Ammoniak übergossen und das Gefäls luftdicht verschlossen, so findet beim Schütteln eine Gasverschlucknng statt, wie man daraus ersieht, dafs beim Öff- nen der Flasche unter Wasser in dieselbe die Flüssigkeit ein- strömt und damit das Gefäls theilweise oder ganz gefüllt wird, je nachdem der Inhalt desselben kürzere oder längere Zeit ge- schüttelt worden und die Menge des angewendeten Kupfer- pulvers kleiner oder grölser gewesen. Zplk* 584 Gesammtsitzung Wendet man anstatt des reinen Sauerstoffgases atmosphä- rische Luft an, so wird der Sauerstoff derselben unter den er- wähnten Umständen natürlich ebenfalls verschluckt und zwar so rasch, dafs ein nur mälsig grolses Luftvolumen im Laufe weniger Minuten seines Sauerstoffgehaltes vollständig beraubt werden kann. Bringt man z. B. in eine graduirte mit atmosphä- rischer Luft gefüllte Röhre von 42 Cubikzoll Inhalt fünf Gramme pulverförmigen Kupfers und so viel (etwas schwache) Ammoniak- lösung, dals noch 35 Cubikzoll Luft in der Röhre zurückbleiben, so braucht man den Inhalt des Juftdicht verschlossenen Ge- fälses nur wenige Minuten lang lebhaft zu schütteln, damit beim Öffnen der Röhre unter Wasser 7 Cubikzoll dieser Flüssigkeit eintreten. Bei Anwendung gehörig grolser Mengen Kupfer- pulvers und lebhaftem Schütteln habe ich selbst einem Cubik- fuls Luft im Laufe weniger Minuten allen Sauerstoff entzogen. Wie sich von selbst versteht erlöschen brennende Körper au- genblicklich im Reste der so behandelten Luft, d. h. verhält sich derselbe als Stickgas und kaum wird nöthig sein ausdrück- lich zu bemerken, dals das bei diesen Versuchen angewendete wässrige Ammoniak sich rasch tief lasurblau färbt. Der verbältnilsmälsig so grolsen Raschheit wegen, mit weicher unter den erwähnten Umständen der Sauerstoff vom Kupfer und Ammoniak aufgenommen wird, könnten diese Sub- stanzen als Mittel zur Darstellung gröfserer Mengen von Stick- gas aus atmosphärischer Luft wie auch zu eudiometrischen Zwecken dienen. Was die erwähnte lasurblaue Flüssigkeit betrifft, so ist sie keineswegs nur eine Lösung von Kupferoxidammoniak, son- dern enthält auch noch salpetrichtsaures Ammoniak, wie aus obiger Angabe sich schon zum voraus erwarten lälst und die nachstehenden Angaben darthun werden. Wird besagter Flüssigkeit etwas Natronlösung zugefügt und lälst man das Gemisch einige Zeit sieden, so scheidet sich schwarzes Kupferoxid aus und wird beim Filtriren eine etwas gelblich gefärbte Flüssigkeit erhalten, welche bei Zusatz von verdünnter Schwefelsäure den Jodkaliumkleister auf das Tiefste bläut. Bis zur Trocknils abgedampft lälst sie einen gelblich weilsen noch etwas alkalisch reagirenden Rückstand, welcher vom 27. November 1856. 585 mit Kohlenpulver vermengt und erhitzt verpufft, mit Schwe- felsäure übergossen Dämpfe von Untersalpetersäure und Stick- oXidgas entwickelt *), welcher ferner die durch Schwefelsäure angesäuerte Eisenvitriollösung braun färbt, wie auch die mit Vitriolöl versetzte Indigolösung rasch zerstört. Natürlich bläut eine wässrige und mit verdünnter Schwefelsäure über- säuerte Lösung des besagten Rückstandes sowohl den jodka- liumhaltigen Stärkekleister als auch die frische Guajaktinctur. Diese Rectionen lassen nicht daran zweifeln, dals in dem be- sagten Rückstand ein salpetrichtsaures Salz enthalten sei, wel- ches kein anderes als Natronnitrit sein kann und lassen schlie- (sen, dals in der lasurblauen Flüssigkeit neben dem Kupfer- oxidammoniak auch noch Ammoniaknitrit vorhanden sei, welches Salz bei Zusatz von Natron unter Bildung von salpetrichtsau- rem Natron und Ausscheidung von Ammoniak sich zersetzt. Aus deu in dem voranstehenden Aufsatze beschriebenen Thatsachen geht somit hervor, dafs unter dem Berührungsein- flusse des fein zertheilten. Platins und des Kupfers der ge- wöhnliche Sauerstoff befähiget wird, die Elemente des Ammo- niaks schon bei gewöhnlicher Temperatur zu oxidiren: den Wasserstoff zu Wasser, den Stickstoff zu salpetrichter Säure, welche letztere mit anderem Ammoniak zu einem Nitrit sich vereiniget. Die Frage, warum sich unter den erwähnten Umständen nicht Salpetersäure oder ein Nitrat anstatt der salpetrichten Säure oder eines Nitrites sich bilde, hofft der Verfasser bei einem andern Anlasse beantworten zu können. — *) Hr. Hofrath Wöhler theilte mir diesen Sommer mündlich die No- tiz mit, dafs einer seiner Schüler aus der blauen Flüssigkeit, welche er beim Aussetzen von Kupferspänen und wässrigem Ammoniak an die Luft erhalten, mittelst Schwefelsäure rothbraune Dämpfe entbunden, die Sache aber nicht weiter verfolgt habe. 586 Gesammtsitzung vom 27. November 1856. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur- den vorgelegt: A. Comte, Synthese subjective. Paris 1856. 8. Journal of the Asiatic Society of Bengal, no. 255. Calcutta 1856. 8, Transactions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. XXI, Part 3. Edinburgh 1856. 4. Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. Vol. IIl,no. 46. Edin- burgh 1856. 8. Abhandlungen der Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philos.-philologische Klasse. 8. Band, Abth.1. München 1856. 4. Gelehrte Anzeigen der Kgl. Bayerischen Akademie. Band 42. Mün- chen 1856. 4. F. v. Thiersch, Über den Begriff und die Stellung des Gelehrten. München 1856. 4. F.v. Kobell, Denhrede auf J. N. von Fuchs. München 1856. 4. La Correspondance litteraire. A. Annee, no. 1. Paris 1856. 4. Jacobaeus, Du mouvement imprime a laiguille aimantde par linfluence subite de la lumiere du soleil. Copenhagen 1856. 8. 4Ex. Mit Schreiben des Hrn, Verf., d. d. Borupgaard 20. Nov. 1856, Chr. A. Brandis, Aristoteles und seine akademische Zeitgenossen. Zweite Hälfte. Berlin 1857. 8. (Von Hrn. Trendelenburg im Namen des Hın. Verf. übergeben.) ei FR Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Dezember 1856. Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg. 1. Dezbr. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Braun las über einige neue Arten der Gat- tung Chytridium und die damit verwandte Gattung Rhizidium. Als Nachtrag zu der am 7. Juni vorigen Jahres der Aka- demie vorgelegten Monographie der Chytridien wurden folgende neue Vorkommnisse nebst einigen Berichtigungen früherer mit- getheilt. 1) Chytridium brevipes, eine neue Art, die dem Ch. Olla sehr nahe steht, von dem es sich durch etwas geringere Grölse und einen sehr kurzen rundlichen Wurzelfuls unter- scheidet. Von Dr. Itzigsohn bei Neudamm auf Oedogonium flavescens? (Hassall) gefunden. Dazu vielleicht auch eine von demselben auf Oedogonium apophysatum A. Br. beobachtete Form. 2) Ch. oblongum der früheren Abhandlung ist aus der Zahl der Arten zu streichen, indem es sich durch die Beob- achtungen von de Bary unzweifelhaft herausgestellt hat, dafs die als solches beschriebenen Gebilde die männlichen Zwerg- pflänzchen des Oedogenium vesicatum sind. 3) Ch. glodbosum. Von dieser auch schon früher auf mehreren Oedogonien beobachteten Art sah Dr. Klofs in 4 Pe 5 5 Frankfurt a. M. Exemplare auf noch einzelligen Keimpflänzchen von Oedogonium tumidulum. [1856.] 45 588 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 4) Ch. volvocinum, eine von Dr. Cohn bei Breslau auf Volvox globator beobachtete neue Art, wurzellos, mit kurz stiel- artig verschmälerter Basis, über derselben bauchig und reif fast kugelartig anschwellend, nach oben flaschenartig zugespitzt. In der Jugend erinnert es an Ch. Lagenula, ausgewachsen mehr an Ch. mammillatum. 5) Ch. Pollinis Pini. Eine von der unter diesem Na- men früher beschriebenen Art nieht unterscheidbare Form hat Dr. Itzigsohn bei Neudamm auf Conferoa bombycina beob- achtet. Es erscheint daher zweckmälsig den Namen in Ch. vagans umzuändern. 6) Ch. anatropum. Eine ausgezeichnete neue Art, bei Berlin auf Chaetophora elegans in grolser Menge beobachtet und von entschieden verderblichem Einfluls auf die Nährpflanze. Gestalt länglich, fast birnförmig, meist etwas schief oder selbst gekrümmt, am obern dickeren Ende abgerundet, am unteren schma- leren fast spitz und seitlich neben dem unteren Ende angeheftet: Länge im ausgewachsenen Zustande meist 5 —35"", selten bis 4; Dicke 4—mm-, Zoogonidien von nicht ganz ;,5”" Durch- messer und ungefähr dreimal so langer Wimper. Aufser den in Zoogonidienbildung übergebenden Exemplaren finden sich andere, welche sich weniger verlängern, eine kurz eilörmige Gestalt, eine dickere Haut und einen grolsen ölartigen Kern, zugleich mit einer schwachen ins gelbbraune ziehenden Fär- bung erhalten. Es sind diels offenbar sporenartige, zur Er- haltung während des Winters bestimmte Rubezustände. 7) Ch. apiculatum,. Hr. Dr. Klofs beobachtete diese Art bei Frankfurt a. M. auf einem Gebilde, das ich eher für eine Gloeocystis, als für Gloeococcus mucosus halten möchte und zwar gleichfalls nicht selten auf noch beweglichen. Individuen. 8) Ch. endogenum. Die von mir in der früheren Ab- handlung unter diesem Namen beschriebenen Gebilde sind in hiesiger Gegend schon vor langer Zeit von Ehrenberg be- obachtet worden, der sie als Organe einer den Closterien ähn- lichen besonderen Gattung von Magenthierchen. (Polysolenia) beschrieb.*) Gegen eine solche allerdings sehr nahe liegende, *), Gesellsch. naturf. Freude 17. Juni 1835. Monatsber. der Akad. 1840. p. 150. vom 4. Dezember 1856. 589 neuerlich durch Focke in etwas abweichender Weise festge- ‚haltene Deutung *) sprechen insbesondere die bei der nächsten Art anzuführenden Beobachtungen von Dr. H. Klofs in Frankfurt a. M., nach welchen auch die früheren Zweifel über Chytridium Saprolegniae ihr Gewicht grolsentheils ver- loren haben. Nach eben diesen Beobachtungen von Klofs liegt in der von mir gegebenen Benennung eine Unrichtigkeit, die durch Umänderung des Namens in Ch. intestinum beseitigt werden kann**). Das Vorkommen dieser Art nicht nur in mehreren Glosterium-Arten, sondern auch in anderen Desmi- diaceen (Teimemorus, Penium, Cosmarium) wird bestätigt durch de Brebisson;***) so wie auch Dr. Itzigsohn ohne Zwei- fel hierher gehörige Formen bei Neudamm nicht nur in Clo- sterien, sondern auch in Docidien, Cosmarien und Micrasterien gesehen hat, Die Entwicklung der Zoogonidien im Innern der ‚Blase und die Entleerung derselben durch die röhrförmige Spitze wurde neuerlich von Dr. Lachmann in ganz mit anderen Chytridien übereinstimmender Weise beobachtet. Die frühere Angabe des Vorkommens dieser Art in Faucheria und Spiro- 'gyra wird bei der folgenden Art berichtigt. 9) Ch. entophytum. Unter diesem Namen fasse ich im Innern der Fäden von Faucheria und Spirogyra sich ausbilden- Per Chytridienformen zusammen, die sich mach den ausführlichen Mittheilungen von Prof. de Bary und Dr. Klofs durch einige Merkmale von der vorigen Ärt zu unterscheiden scheinen, | Die von de Bary auf einer grölseren, in salzigem Was- ‘ser bei der Nauheimer Saline wachsenden Faucheria (globifera de Bary, vielleicht eimerlei mit salina K.) beobachtete Forın ist meist etwas kleiner, als das Chytridium im Innern der Clo- ‚sterien; die Blase nicht niedergedrückt, wie bei diesem, son- Br genau kugelig oder selbst ein wenig eiförmig verlängert; der Hals ist bald sehr kurz, bald aber auch sehr verlängert, *) Vergl. die frühere Monogr. (Abhandl. der Akad. 1855) p. 60. “) Vergl. Dr. Klo[s über Parasitismus im Frankfurter Museum 1856, 28. p. 218. **) Liste des Desmidiacees obsery. en Bässe - Normandie 1856. . 150. 45* es 390 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse was von der Lage der Blase und der Richtung, in welcher der Hals aus ihr hervortritt, abhängt. Ausnahmsweise kommt es vor, dafs eine Blase zwei Röhren hervortreibt. Unter der Per- forationsstelle des Halses fehlt dieser Art die eigenthümliche Anschwellung, welche bei Ch. intestinurn vorhanden ist, und der nach aufsen hervortretende Theil der Röhre ist kürzer. Die Zoogonidien bilden sich in derselben Weise, wie bei an- deren Chytridien, im Innern der Blase, sie haben den charak- teristischen dunkelbegrenzten Kern und eine Wimper, welche ungefähr die dreifache Länge des Körpers besitzt. Die Dicke der Blase beträgt im Mittel 5—5"”-, die der Zoogonidien 1_ mm. 200 Das von Klofs im Inneren nicht copulirter Fäden meh- rerer Arten oder Abarten dünnerer Spirogyren (longata, Weberi) beobachtete Chytridium scheint mit dem der Fau- cheria im Wesentlichen übereinzustimmen, obgleich es durch- hi schnittlich noch etwas kleiner, noch mehr zur Birnform ge- neigt und der innere Theil des Halses sowohl, als der nach Aufsen über die Zellhaut hervortretende stets sehr kurz ist. Die Bildung der Zoogonidien geht auf dieselbe Weise im Inneren der Blase vor sich. Die wichtigste Beobachtung, welche Klols an dieser Form gemacht hat, ist die des Eindringens der Zoo- gonidien, welche nach beendigtem Schwärmen von aulsen sich der Zeilwand ansetzen, mittelst einer nadelartig vordringenden Spitze dieselbe durchbohren und im Verlauf von einigen Stun- den den ganzen Körper durch die äufserst feine Öffnung hin- durchdrängen. Aufser dem hier erwähnten von Dr. Klo(fs beobachteten Chytridium in Spirogyra beherbergt diese Gattung von Was- serfäden theils äufserlich, theils im Inneren der Zellen, ja selbst im Inneren der in den copulirten Zellen befindlichen Sporen noch andere Formen von Chytridien, Rhizidien und verwand- ten Gebilden, mit deren Untersuchung und schwieriger Ent- wirrung Dr. Pringsheim seit längerer Zeit beschäftigt ist. Insbesondere mufs ich bemerken, dals das von mir früher unter Chytr. endogenum erwähnte Gebilde, welches Dr. Prings- heim in Spirogyren (und zwar in den Sporen copulirter Fä- EEE vom 1. Dezember 1856. 591 den) beobachtet hat, ob es gleich in seiner Gestalt dem Chytridium entophytum nicht unähnlich ist, nach dessen neueren Untersuchungen doch in der Art die Schwärmzellen zu bilden und der Beschaffenheit dieser selbst so eigenthüm- lich ist, dafs es nicht einmal generisch mit den Chytridien verbunden werden kann. 10) Ch. zootocum. Ich bezeichne mit diesem Namen vor- läufig eine noch nicht hinreichend beobachtete Form, welche Claparede in einer, wie es schien, kürzlich abgestorbenen An- guillula gefunden hat. Im Leibe derselben befanden sich gegen 60 Chytridium - Schläuche, verlängert wie bei Ch. Saprolegniae, aber dabei gekrümmt und mit einseitig ansteigendem Hals die Körperwand nach aulsen durchbohrend und ziemlich weit über dieselbe hervorragend. Die Exemplare zeigten geöffnete, etwas trichterförmig ausgebreitete Mündungen und waren sämmtlich entleert. Die Gattung Rhizidium unterscheidet sich von Chyrtri- dium durch eine verlängerte, in viele Zweige mit äulserst fei- nen Enden sich theilende Wurzel und durch die Bildung einer zweiten, zur Fructification bestimmten Zelle, welche aus dem blasenartig erweiterten oberen Ende der vegetativen Zelle durch seitliche Aussackung hervorwächst. Die Fructification ist von zweifacher, auf verschiedene Individuen vertheilter Art; ent- weder nämlich bilden sich in der seitlichen und zur besondern Zelle sich abschlielsenden länglichen Aussackung Zoogonidien, welche ganz die Beschaffenheit derer von Chytridium besitzen, oder diese Aussackung nimmt eine kugelförmige Gestalt an und wird zu einer einzigen, sich allmählig braun färbenden, mit dicker und höckeriger oder fast stacheliger Haut und grolsem Kern versehenen ruhenden Spore. Die einzige bisher genauer untersuchte Art dieser wahrscheinlich auch artenreichen Gat- tung, Rhizidium mycophilum, findet sich bei Berlin in den Räschen von Chaetophora elegans, gemeinschaftlich mit Chytri- -dium anatropum, jedoch nicht eigentlich festsitzend, sondern die feinen Wurzeln in die weiche Gallerte, welche die Fäden der Chaelophora umgiebt, einsenkend. Die vegetative Zelle ist verkehrt eiförmig oder birnförmig, häufig mit einem citronen- -arlig verschmälerten oberen Ende; an der Basis verschmälert ; 592 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse sie sich in einen dünnen Stiel, der sich bald früher, bald später in sehr fein auslaufende und wiederholt verzweigte Wurzeln theilt. Nicht selten treten solche Wurzeln auch seitlich aus dem oberen blasenartigen Theil der Zelle hervor. Die Fructificationszelle tritt meist dicht unter der Spitze der vegetativen Zelle hervor, und kommt dieser, wenn sie zur Zo0- gonidienbildung bestimmt ist, an Grölse fast gleich, sie bleibt dagegen kleiner, wenn sie zur Spore werden soll. Die Zoo- gonidien haben „;"”. Durchmesser oder selbst etwas mehr, einen scharfbegrenzten Kern und eine einzige lange Wimper. "”- Durchmesser. Zur Gattung Rhizidium glaube ich jetzt auch die von mir Die ruhenden Sporen haben im Mittel — früher unter Chyzridium Euglenae erwähnten, von Bail an Eu- glena viridis beobachteten Schmarotzer, welche lange Wurzel- fäden trieben, rechnen zu müssen; vielleicht bilden sie eine zweite Art dieser Gattung. Das auf Euglena viridis beobach- tete Chytridium, welches Meilsner und von Siebold beob- achtet haben, ist dagegen sicher ein wahres Chytridium, dem der Name Ch. Euglenae bleiben muls. Hr. Peters las über Amblyodipsas, eine neue Schlangengattung aus Mossambique. Hr. Prof. Bianconi in Bologna beschrieb im Jahre 1850 ') eine neue Schlangenart aus Inhambane unter dem Namen Ca- lamaria microphthalma, welche mir auf meiner Reise nicht vorgekommen war. Ich bedauerte diels letztere um so mehr, als die jener Publikation beigefügte Abbildung eine so eigenthümliche Beschildung, Kopfform und Stellung der Augen zeigte, dafs mir die Stellung derselben unter den Calumariae zweifelhaft erschien. Als ich in diesem Herbste nach Bologna gelangte und Hrn. Bianconi meine Zweifel zu erkennen gab, war derselbe so äufserst gütig, mir das einzige Exemplar zu einer genaueren Untersuchung anzuvertrauen, indem er mich zugleich aufforderte, das Ergebnils derselben zu veröffentlichen. Durch die Form ihres Gebisses gehört diese Schlange zu den Opistoglyphi, läfst sich aber nicht wohl in eine der aufge- stellten Gattungen unterbringen, sondern vereinigt mehrere Merk- ‘) Specimina zoologica mosambicana. VI. pag. 94. sqq. Taf. 12. Fig. 1, ! Kiel de ee vom 1. Dezember 1856. 593 male, welche dieGründung einer neuen Gattung rechtfertigen, die ein Bindeglied zwischen den Familien der Stenocephali und Pla. tyrhini im Dumeril-Bibronschen System ?) bilden würde. Amblyodipsas?’) nov. gen. Maxillae superiores subbreves, apice introrsum curvatae. *) Durch dieses System ist unläugbar ein grofser Anstols zur ge- naueren Kenntnis der Schlangen gegeben, weun es auch in der Ausführung an grolsen Mängeln leidet. Hr. Dr. Fischer (in seiner vortrefflichen Mo- nographie der Seeschlangen. Hamburg. 1855) hat bereits mehrere dersel- ben hervorgehoben. So hat er namentlich die Beobachtungen Schlegels über das Vorhandensein eines Giftcanals in den Giftzähnen der s. g. Pro- teroglyphi vervollständigt. Ich kann nur hinzufügen, dals ich diesen Ca- nal bei Naja haje und Naja mossambica ebenfalls sehr deutlich gesehen habe, während ich bei Dendroaspis (Naja) angusticeps, Atractaspis Bibronü und Causus rhombeatus sogar nur einen Canal und keine Längsfurche be- merken kann. Wenn daher die Abtheilung der Giftschlangen in Protero- glyphi und Solenoglyphi jedenfalls nicht haltbar ist, so bietet auch Causus durch seine bereits von Schlegel hervorgehobene grofse Übereinstimmung mit den Vipern eine Schwierigkeit dar, um die Najidae von den Viperina scharf zu sondern; denn die runde Pupille allein dürfte doch kein hinrei- chender Grund zu einer Familientrennung sein. ®) auß%vs, dubas. — Die Figuren stellen die Ansichten des Kopfes in doppelter Grölse, das Gebils viermal vergrölsert dar. 394 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Dentes maxillares pauci laeves, recurvati, retrorsum longitudine erescentes, diastemate a dentibus duobus posticis juxtapositis sulcatis sejuneti. Dentes palatini recurvati, longitudine fere ae- quales, pterygoidei minores. Dentes mandibulares recurvati, primores discreti, versus medium longitudine sensim crescentes. Corpus teres. Cauda bevis, conica. Caput depressum, rostro brevi obtuso. Oculi minimi, superi. Nares minimae, anticae, utrinque in scutelli nasalis medio apertae. Scutella praefron- talia labialia tangentia; frenalia, internasalia et anteorbitalia nulla; postorbitalia simplicia. Scuta abdominalia subangusta; subcaudalia divisa.. Squamae laevissimae. Diese Gattung schliefst sich durch die Form ihres Kiefer- apparats, ihres Gebisses und durch die schmalen Bauchschilder unter den Opistoglyphi am nächsten der amerikanischen Gat- tung Elapomorphus, durch die Abplattung ihres Kopfes, die stumpfe Schnauze und die auf der Oberseite des Kopfes ein- ander genäherten Augen den Homalapsis und verwandten Gat- tungen an. Ob der Mangel von besonderen Internasal-, Fre- nal- und Anteorbitalschildern als Merkmal der Gattung bestehen bleiben kann oder nur der bisher bekannten einen Art eigenthüm- lich ist, darüber werden bei der jetzigen regen Erforschung des Innern Afrikas gewils bald neue Entdeckungen entscheiden. A. microphthalma = Calamaria microphthalma Bianconil.c.; bicolor, supra scutorumque abdominalium medio violaceo-nigra, gastraeo reliquo margineque supralabiali abrupte alba. — Scuta abdominalia 142%; squam. subcaud. paria 19. Die Körperform ist walzenförmig, überall von ziemlich gleicher Dicke, nur nach dem kurzen conischen Schwanze hin allmäblich verdünnt. Der Kopf erscheint abgeplattet‘, brei- ter als der Hals, nicht deutlich von diesem abgesetzt, die Schnauze stumpf abgerundet. Die Augen sind sehr klein und liegen hinter dem ersten Viertel der Kopflänge, ganz nach oben gerichtet, weniger von einander als vom Schnauzenende entfernt. Die Nasenlöcher sind klein, C förmig und öffnen sich nach vorn in der Mitte des schmalen viereckigen Nasalschildes, welches jederseits neben dem Rostralschilde liegt. Die Gestalt und Verhältnisse der einzelnen Schilder des Kopfes sind aus den beigefügten naturgetreuen Figuren am Besten zu ersehen. a a U uw „u ie Ds a DE vom 1. Dezember 1856. 595 Der Oberkiefer trägt vorn 5 ungefurchte Zähne, welche von vorn nach hinten an Grölse so zunehmen, dals der vierte doppelt so lang ist, wie der erste. Der fünfte Zahn war an dem einen Kiefer ausgefallen, an dem andern ein kürzerer Er- satzzahn. Durch einen freien Raum von den vorhergehenden getrennt folgen zwei neben einander stehende beträchtlich grö- fsere Furchenzähne. Die Gaumenknochen tragen 7 ziemlich gleich lange Zähne, welche ein wenig länger sind als der erste Oberkieferzahn. Von Pterygoidalzähnen scheinen nicht über vier vorhanden zu sein, und diese sind merklich kleiner als die der Gaumenbeine. Die Unterkieferzähne sind in ihrer Gestalt den vordern Oberkieferzähnen ähnlich, gekrümmt, an der Basis ver- dickt. Sie nehmen nach der Mitte hin allmählig an Gröfse zu und dann wieder ab. Ihre Zahl betrug zehn. Die Körperschuppen sind glänzend glatt, hinter dem Kopfe schuppenförmig, weiterhin länglich hexagonal, auf dem Schwanze breit hexagonal. Sie bilden 15 Längsreihen. Die Bauchschilder sind verhältnifsmälsig schmal, da sie nur ein Viertel des Körperumfangs einnehmen. Ihre Zahl beträgt, das getheilte Analschild abgerechnet, 142. Die untern Schwanz- schilder bilden 19 Paare. Die Spitze des Schwanzes wird wie gewöhnlich von einer conisch vertieften Schuppe umfalst. Die Farbe der ganzen oberen Körperhälfte ist violetschwarz, wobei die Ränder der Schuppen heller röthlichbraun erscheinen. Ebenso sind auch die Bauchschilder in der Mitte gefärbt. Die ganze übrige untere Hälfte des Körpers erscheint weils, an der Seite scharf abgesetzt gegen die dunkle Rückenseite. Von oben sieht man nur den Kopf weils umsäumt, indem diese Fär- bung sich rings um die Schnauze bis zur Höhe des Auges herumziebt. Malse: ganze Länge 07300; L. der Kopfes 0,013; gröfste Breite desselben 0,0075; Höhe in der Augengegend 0,004; Länge des Schwanzes 0,024. Umfang des Rumpfes 0,027; Breite der Bauchschilder 0,007. Fundort: Inhambane durch Hrn. Fornasini. 596 Gesammtsitzung 4. Dezbr. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Ewald las über die am nördlichen Harzrande vorkommenden Rudisten. Wenn man die Kreideformation in ihrer horizontalen Ver- breitung über Deutschland betrachtet, so kann man darin drei Zonen erkennen, deren jede in ihrer ganzen Erstreckung durch gewisse sich gleich bleibende Charactere bezeichnet ist, von den anderen aber durch wesentliche Unterschiede abweicht. Die erste, südlichste Zone beginnt da, wo man von Nor- den kommend das Gebiet der Alpen betritt. Die zweite umfaflst das mittlere Deutschland, namentlich _ die Kreidegebiete des Königreichs Sachsen, Böhmens, Schle- siens und Bayerns. Sie unterscheidet sich von der ersten und dritten unter Anderm dadurch, dals die älteren Glieder der Kreideformation Neocom und Gault ihr gänzlich fehlen, und dals die durch Exogyra Columba characterisirten Schichten da- rin unter der Form von (Quadersandsteinbänken eine unge- wöhnliche Entwickelung erlangt haben. Die dritte nördliche Zone besteht aus dem nördlich vom Harz gelegenen Theil der Provinz Sachsen, der Kreide Braun- schweigs, Hannovers und Westphalens. Innerhalb jeder der drei Zonen besitzt die Kreideformation in diesem oder jenem ihrer Schichtensysteme Rudisten. Jedoch nur in der südlichsten Zone sind sie zu ganzen Bänken ver- einigt. Was in der zweiten Zone von Rudisten vorkommt, ist, obgleich sich an manchen Stellen des mittleren Deutschlands, wie am Kuczliner Berge bei Bilin Radioliten in ziemlicher Menge gefunden haben, doch schon viel vereinzelter, und die Individuen der hier vorhandenen Species erreichen nicht den vierten Theil der Grölse des alpinen Fuls langen Hippurites cornu vaccınum. In der dritten, nördlichen Zone endlich gehören Rudisten überhaupt zu den grolsen Seltenheiten. Sie kommen nur an einzelnen Punkten und auch da in so geringer Menge vor, dals sie in wenige Sammlungen übergegangen sind. Die Arten be- schränken sich hier auf eine sehr kleine Zahl und sind noch } Ze. De Ms ee re. Mu vom 4. Dezember 1856. 597 wenig gekannt. In Beziehung auf die Gröfse, welche sie er- reichen, verhalten sie sich im Allgemeinen zu den mitteldeut- schen Arten wie diese zu den alpinen und übersteigen in den meisten Fällen nicht viel die Länge eines Zolls. Die Thatsache, dafs überhaupt im Norden von Europa Rudisten seltener vorkommen als im Süden, kann als der schla- gendste Beweis für die Richtigkeit der Ansicht gelten, dals schon während der Kreideperiode klimatische Unterschiede je nach den höheren oder niederen Breitegraden statt gefunden haben. In der That liegt es auf der Hand, dals wenn man die Rudisten der Kreideformation vorzugsweise mit den Riffe bauenden Korallen derselben Periode zusammenvorkommen sieht, die Riffe bauenden Korallen der jetzigen Welt aber vor- zugsweise den warmen Klimaten angehören, dann auch von den Rudisten angenommen werden mufs, dals sie im Norden eben deswegen selten sind, weil daselbst während der Kreide- periode schon nicht mehr die ihr Wachsthum begünstigenden Bedingungen erfüllt waren. Esist gewils, dafs die in Deutschland beobachtbare und hier geschilderte stufenweise Abnahme der Rudisten gegen Norden, welche zwar noch nicht an einer und derselben Schicht vollständig durchgeführt werden kann, jedoch in keinem deutschen Rudisten- Vorkommnisse, welcher Schicht es auch angehöre, einen Widerspruch findet, nicht als zufällig, sondern als ein speciellerer Ausdruck der Temperaturverhält- nisse anzusehen ist, welche während der Kreideperiode in dem jetzigen Deutschland geberrscht haben. In der nördlichen Zone sind Rudisten wohl bisher am häufigsten am Sudmerberge bei Goslar und zwar in den zum Stockwerk der weilsen Kreide gehörenden Trümmergesteinen, welche den oberen Theil dieses Berges zusammensetzen, vor« gekommen. Ihre Rudisten-Natur ergiebt sich bei der übrigens geringen Anzahl von Merkmalen, die sie darbieten, aus der Stractur ihrer Schale, welche aus feinen ein zelliges Gewebe bildenden Längs- und Querlamellen zusammengesetzt ist. Der Sudmerberg hat nur Unterschalen von Rudisten geliefert, an denen sich häufig die Spuren vom Ansitzen an fremden Kör- pern erkennen lassen. Die dazu gehörigen Ober- oder Deckel- schalen sind noch nicht ermittelt worden. Diese Erscheinung, 598 Gesammtsitzung dafs man nur die eine Schale antrifft, die andere nicht, ist bei den Rudisten überhaupt nicht selten und hat ihren Grund in der bei mehreren Gattungen derselben vorkommenden sehr ver- schiedenen Dicke und Structur beider Hälften. Die Sudmerberger Rudisten unterscheiden sich bei grolser Verwandtschaft mit den Radioliten von letzteren dadurch, dafs ihnen die innere Längsleiste fehlt, welche bei den Radioliten die kleine von dem Wohnraum des Thieres durch den Schlofs- apparat gesonderte Höhlung in zwei Theile scheidet. Ich habe mich schon früher (Zeitschr. d. deutsch. geolog. Gesellschaft Vol. IV, pag. 503) dahin ausgesprochen, dals diese Radioliten ohne innere Längsleiste von denen mit einer solchen gene- risch getrennt werden müssen. Man kann den Namen Bira- diolites auf sie anwenden, weil d’Orbigny mehrere zu ihnen gehörende Arten, namentlich den Biradiolites cornu pastoris, angulatus, quadratus unter dieser Benennung, wenngleich we- gen eines anderen Merkmals als des hier angegebenen, näm- lich wegen zweier auf der Oberfläche der Schale längs ver- laufender Bänder von den Radioliten abgezweigt hat. Obgleich nun die Sudmerberger Rudisten von diesen Längsbändern nichts aufzuweisen haben, so wird man doch den Gattungsnamen Bi- radiolites, SO lange man ihn für den Biradiolites cornu pastoris beibehält, unter Änderung seiner Bedeutung auch auf sie über- tragen müssen. Es bleibe nicht unerwähnt, dafs die Vergleichung der Sud- merberger Rudisten mit gewissen Caprotinen d’Orbigny’s ebenfalls nahe liegt, namentlich mit seiner Caprotina costata, siriata, semistriata. Doch da auch in diesen die Andeutung einer inneren Leiste vorhanden ist, so wird eine Identificirung mit ihnen unmöglich. Indem ich von den Gattungsmerkmalen der Sudmerberger Rudisten zu den Speciescharakteren derselben übergehe, habe ich voranzuschicken, dafs ich sie sämmtlich einer und derselben Art zurechnen zu müssen glaube. Sie sind von conischer Form, wo diese nicht durch das Ansitzen der Schale an frem- den Körpern gestört ist; die Oberfläche ist mit stark hervor- tretenden Längsrippen besetzt, deren Zahl zwischen 7 und 9 schwankt. Die Gröfse, welche diese Species erreicht, über- u u 0 vom 4. Dezember 1856. 599 steigt gewöhnlich nicht einen, selten 1% Zoll. Ich werde die Art nach ihrem Vorkommen am Rande des Harzes als Bira- diolites hercynius bezeichnen. Der Biradiolites hercynius hat sich aulser am Sudmerberge noch an zwei anderen Punkten in den subhercynischen Hügeln gefunden und zwar erstens am Fulse der Teufelsmauer zwi- schen Weddersleben und Thale, von welcher Fundstätte das hiesige Königliche Mineralien-Cabinet mehrere Exemplare des- selben besitzt; zweitens zwischen Timmerode und Cattenstedt ohnweit Blankenburg und zwar am südlichen Fulse der Fort- setzung der Teufelsmauer, wo ich ihn im vorigen Sommer an- getroffen habe. An beiden letztgenannten Stellen findet er sich in Schichten, welche entschieden älter sind als der klippenbil- dende obere Quadersandstein der Teufelsmauer, aber jünger als der Pläner. Von dem Pläner scharf geschieden schliefsen sich diese Schichten an den oberen Quadersandstein eng an und gehören gleich letzterem zum unteren Theile des Stockwerks der weilsen Kreide. Das Gestein ist aber an beiden Stellen verschieden. An der Teufelsmauer bei Weddersleben ist es der grünsandige Mergel, welcher in der Provinz Sachsen häufig mit dem unte- ren Theile der Oberquadersandsteinbildungen verbunden und nach dem Salzberge bei Quedlinburg mit dem Namen der Salz- bergsmergel belegt worden ist. Zwischen Timmerode und Cattenstedt ist es dagegen ein feinkörniges Trümmergestein, ähnlich dem, worin die Rudisten sich am Sudmerberge finden. In der That kann mit Sicherheit angenommen werden, dals die unter dem Namen der Sudmer- bergs - Gesteine zusammengefalsten Trümmerbildungen, zum Theil wenigstens, mit dem Salzbergsmergel gleichaltrig sind. Hr. H. Rose las über die Verbindungen des Tan- tals mit Schwefel. Das Schwefeltantal ist nach zwei Methoden bereitet wor- den. Entweder wurde die Tantalsäure vermittelst Schwefel- kohlenstoffs oder das Tantalchlorid vermittelst Schwefelwasser- stoffs zersetzt. 600 Gesammitsitzung Die Verwandlung der Tantalsäure in Schwefeltantal durch die Dämpfe des Schwefelkohlenstoffs geschieht möglichst voll- ständig erst bei einer Temperatur, welche der Weilsgluht sich nähert. Das auf diese Weise erhaltene Schwefelmetall ist grau- schwarz; reibt man es aber in einem kleinen Mörser von Agat, so wird es stark metallisch glänzend und von sehr deutlich messinggelber Farbe. Es ist ein guter Leiter der Electricität. Wird dieses Schwelfeltantal der Einmischung des Chlor- gases ausgesetzt, so wird es bei gewöhnlicher Temperatur nicht davon angegriffen; beim Erhitzen verwandelt es sich in Tan- talchlorid und in Chlorschwefel, welche verflüchtigt werden können, während eine geringe Menge eines schwarzen wolligen Rückstands zurückbleibt, der auch bei stärkerem Erhitzen der Einwirkung des Chlorgases widersteht, und der wesentlich aus Schwefeltantal von einer grofsen Dichtigkeit besteht. Durch die Analyse vermittelst Chlorgase, so wie auch durch das Rö- sten des Schwefelmetalls, wodurch sich dasselbe in Tantalsäure verwandelt, ergab sich, dals das Schwefeltantal nicht der Tan- talsäure proportional zusammengesetzt ist, sondern weniger Schwefel enthält. Bei der erhöhten Temperatur, die bei Be- reitung des Schwefeltantals angewendet werden muls, bildet sich wahrscheinlich 2Ta+3S, welches aber beim langsamen Erkalten in einer Atmosphäre von Schwefelkohlendampf noch etwas Schwefel aufnimmt, aber nie so viel, dals sich die der Tantalsäure entsprechende Schwefelungsstufe erzeugt. Wird dieses Schwefeltantal in einem Strome von Wasser- stoffgas erbitzt, so verliert es etwas Schwefel, behält aber noch die Eigenachaft, im Agatmörser gerieben, eine messing- gelbe Farbe zu zeigen. Wenn Tantalsäure vermittelst des Schwefelkohlenstoffs in Schwefeltantal verwandelt worden ist, und man oxydirt letzteres durchs Glühen an der Luft wiederum zu Tantalsäure, so erhält man genau die Menge der Tantalsäure wieder, die man zu dem Versuche angewandt hat. Es läfst sich zwar dies, im Voraus vermuthen; wir werden indessen später sehen, dals das Resultat dieses Versuchs von einer gewissen Wichtig- keit ist. er U EENEEBLERRLULEEE LEBEEBDEBEERERDEENN vom 4. Dezember 1856. 601 Wenn Tantalsäure in einer Kugelröhre von Glas in einer Atmosphäre von Schwefelkohlenstoffdampf geglüht wird, so er- hält man ein Schwefeltantal von minderer Dichtigkeit, welches auch noch etwas Tantalsäure enthalten kann. Die Dichtigkeit des erhaltenen Schwefelmetalls ist auch noch verschieden, je nachdem man eine Säure angewendet hat, welche aus dem Chlorid erhalten, oder eine welche aus dem Tantalit durchs Schmelzen mit saurem schwefelsauren Kali bereitet worden ist. Diese Arten des Schwefeltantals erhalten zwar eben so wie das in der Weilsgluht dargestellte Schwefelmetall eine messinggelbe Farbe durchs Reiben im Agatmörser; sie unter- scheiden sich aber wesentlich von diesem dadurch, dafs sie durchs Glühen in einem Wasserstolfstrome mehr Schwefel ver- lieren, und dann durchs Reiben im Agatmörser schwarz blei- ben und nicht messinggelb werden; besonders aber zeigen sie ein anderes Verhalten gegen Chlorgas. Sie werden von dem- selben schon bei gewöhnlicher Temperatur stark angegriffen, und hinterlassen nach Verflüchtigung des Chlorschwefels und des Tantalchlorids oft nicht unbedeutende Mengen von Tan- talsäure. Ein reines Schwefeltantal von geringerer Dichtigkeit als das aus der Tantalsäure vermittelst Schwefelkohlenstoffdampfs in der Weilsgluht dargestellte, erhält man wenn man Tantal- chlorid vermittelst Schwefelwasserstoffgas zersetzt. Bei ge- wöhnlicher Temperatur ist die Einwirkung im hohen Grade unbedeutend; sie findet vorzüglich erst statt, wenn ein Ge- menge von Dämpfen des Chlorids und von Schwefelwasser- stoffgas stark geglüht wird; bei minder starker Hitze kann sich das Chlorid im Schwefelwasserstoffgas verflüchtigen, obne sich stark zu zersetzen. Es bildet sich hierbei keine Spur von Wasser, ein Beweis, dals das Tantalchlorid, wenn es gut be- reitet worden, kein Aci-Chlorid enthält. Das auf diese Weise erhaltene Schwefeltantal ist von rein schwarzer Farbe, zeigt aber beim Reiben im Agatmörser Me- tallglanz und eine messinggelbe Farbe; bisweilen erhält man es auch als krystallinische Krusten von messinggelber Farbe, welche dem Schwefelkies nicht ganz unähnlich sind. Es ist ein guter Leiter der Electricität.. Vom Chlorgas wird es 602 Gesammitsitzung schon bei gewöhnlicher Temperatur sehr stark angegriffen, und hinterläfst nach Abtreibung des Tantalchlorids und des Chlorschwefels nur eine geringe Menge eines weilsen Rück- stands von Tantalsäure, die nur dadurch entstanden ist, dafs das Chlorgas schon mit Heftigkeit auf das Schwefelmetall wirkte, als dasselbe zum Theil noch mit atmosphärischer Luft umgeben war. Bei der Untersuchung zeigte sich, dafs dieses Schwefel- tantal wesentlich aus 2Ta-+-3S bestand, nur mit einer etwas . geringeren Menge von Schwefel. Wird über Tantalsäure während des Glühens Schwefel- wasserstoffgas geleitet, so bildet sich nur eine höchst geringe Menge von Schwefeltantal. Die Säure wird dadurch grau. — Wenn man die Dämpfe von Schwefelkohlenstoff über erhitztes Tantalchlorid leitet, so findet keine Zersetzung statt, da be- kanntlich sich Kohle nur sehr mittelbar mit Chlor verbindet. Hr. W. Grimm gab folgenden Bericht: Auf befehl Seiner Majestät des Königs ist der königlichen akademie der wissenschaften eine galvanoplastische nachbildung eines alten in der Walachei ausgegrabenen, gegenwärtig in dem museum zu Bukarest aufbewahrten goldenen ringes zur beur- tbeilung übergeben worden. er ist in dem voranstehenden holzschnitt dargestellt. die akademie beauftragte die Hrn. Haupt, Jacob Grimm und Wilhelm Grimm mit der untersuchung der auf dem ring befindlichen inschrift, und letzterer legte eine erklärung derselben vor, welcher die Hrn. Haupt und Jac. Grimm beitraten. die inschrift enthält 15 zeichen: Wilh. Re vom 4. Dezember 1856. 603 Grimm geht davon aus, dals das am anfang und ende ste- hende, etwas abgerückte kreuz kein buchstabe sei, sondern christlicher sitte gemäls zugefügt ward. in den übrigen 13 zei- chen erkennt er runen und zwar nicht nordische sondern deut- sche und angelsächsische. der beweis liegt in dem diesem ru- nenalphabet allein eigenthümlichen 6ten zeichen X ö, das sich deutlich zeigt. der fünfte buchstabe ist der einzige nicht ganz sichere, doch lälst sich ein querstrich in der mitte noch er- kennen, der in dem vorangehenden gleich bedeutenden bestimmt zu sehen ist. man muls darin ein N, nicht ein I erblicken. Es ergeben sich mithin folgende worte, UTAN NOpI HAILA etwas gothisches ist hier nicht zu finden, vielmehr sind es _ ganz entschieden altdeutsche worte. ütan ist die altsächsische : und angelsächsiche form für das althochdeutsche üzan mit dem - dativ nöpi. dieform heila merkt Graff (Sprachschatz 4, 863) neben der gewöhnlichen haili an. glück, frei von be- drängnis ist also die inschrift zu übersetzen, die für einen goldring, vielleicht ein werthvolles geschenk, gewis ein pas- sender spruch war. ähnlische wünsche finden sich bei den - dichtern des 13ten jahrhunderts, got füege iu heil und &re Iwein 1991. gelücke iu heil gebe Parzival 450, 25. got gebe dir heil Gottfrieds Tristan 63, 38. Die inschrift fällt in die älteste zeit der deutschen sprache, eine nähere bestimmung gestatten die wenigen worte nicht. da ihre frühsten mit lateinischen buchstaben geschriebenen denkmäler in das 7te jahrhundert gehören, so könnte man ge- neigt sein die inschrilt in das 6ie zu setzen, zumal die be- nannte stelle bei Venantius Fortunatus den gebrauch der runen in dieser zeit aulser zweifel stellt. allein die runen haben sich neben den lateinischen buchstaben erhalten, wie die runischen alphabete aus dem Yten jahrhundert und das zeugnis des Hra- banus beweisen. wahrscheinlich ist die inschrift des goldrings in mitteldeutschland, wo sich niederdeutsche sprachformen mit oberdeutschen mischten, eingegraben worden, und von dort ist er, wie der ganze grolse schatz von goldenen geräten, zwi- [1856.] 46 604 Gesammtsitzung sehen welchen er gefunden ward, vielleicht als beute, in die Walachei genommen. Hr. Haupt fügte noch einige bemerkungen hinzu. die beiden kreuze deuten nicht nothwendig auf die christliche zeit und können blolse zierraten sein. althochdeutsch kann die in- schrift nicht sein wegen des T für Z und des p für T in nöpi, was auch als genitiv darf betrachtet werden. das altsächsische und angelsächsische ergibt kein haila, da diese mundarten den diphthong ai oder ei in lange vocale zusammen drängen. die drei worte bilden einen richtig gemessenen altdeutschen vers, tan won Hrn. prof. Zacher gebührt das verdienst die inschrift als dem deutschen alterthum zugehörig erkannt und die galvanische nachbildung veranlalst zu haben. Hr. Dr. Leo legte der Akademie photographische in Up- sala genommene Nachbildungen des codex argenteus vor. An eingegangenen Schriften und dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Astronomische Nachrichten, Band 44. Altona 1856. 4. Giornale dell’ I. R. Istituto Lombardo. Fasc. 33 —45. Milano 1854— 1856. 4. Memorie dell’ I. R. Istituto Lombardo, Vol. V. Milano 1856. 4, Revue archeologique. 13 ”m® annee, Livr. 8. Paris 1856. 8. Annales de chimie et de physique. Tome 48, November. Paris 1856. 8, Neues Jahrbuch der Pharmacie, Band 6, Heft 3. Speyer 1856. 8. Brachet, Simples preliminaires sur le commentaire de la notice du meil- leur mieroscope dioptrique. Paris 1850.08: Bibliotheca historico-naturalis. 6. Jahrgang, Heft 1. Götting. 1856. 8. H. Ritter et L. Preller, Historia philosophiae graecae et romanae ex ‚fontium locis contexta. Ed. II. recognovit et auxit L. Preller. Go- thae 1857. 8. Im Namen des Hrn. Herausgebers überreicht von Hrn. Trendelenburg. vom 11. Dezember 1856. 605 DelaRive, Traite d'electrieite theorique et appliquce. ‘Tome 1. Pa- ris 1854. 8, Archives de Velectricite, no, 10. 13, 14. 15. 18. Geneve 1843—45. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verfassers d. d. f Genf 30. Sept. 1856. Ephemeris archaeologica, no. 43. Athen 1856. 4. Mit Ministerial- schreiben vom 2. Dezember 1856. 11. Dezbr. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Rammelsberg las über den Zoisit und seine Beziehung zum Epidot, so wie über die Zusammen- setzung des letzteren. Der Zoisit scheint anfänglich mit dem weilsen Strahl- “stein oder Tremolith verwechselt worden zu sein. Im Anfang _ dieses Jahrhunderts fand sich auf der Saualpe in Kärnthen ein Mineral, verwachsen mit Quarz, Granat, Augit und Cyanit, _ welches nach dem Baron von Zois den Namen erhielt, von Karsten beschrieben und von Klaproth untersucht wurde. Später ergab sich das Vorkommen des Zoisits auch am Fich- telgebirge u.s.w. Hauy vereinigte ihn mit seinem Epidot, oder dem Mineral, welches glasiger Strahlstein genannt, und nachher von Werner als Pistacit bezeichnet wurde. Die ‚grolse Mehrzahl der Mineralogen ist bis in die neueste Zeit der Annahme Hauy’s gefolgt, und hat Zoisit, Pistacit und _ Manganepidot als Abänderungen des Epidots angesehen. Indessen hat schon Steffens‘) hervorgehoben, dafs der Zoisit nicht blos durch die Farbe, sondern auch durch Glanz und Art der Spaltbarkeit sich vom Epidot unterscheide, Zwan- zig Jahre später (1831) erfolgte eine Untersuchung von Brooke, woraus sich ergab, dafs der Zoisit in der Krystallform und Spaltbarkeit vom Epidot verschieden ist ?). Leider sind einigermalsen deutliche und mefsbare Krystalle von Zoisit höchst selten. Ihr System ist allerdings das zwei- ee ee m AU ee a ZZ. t) Oryktognosie 1, 74. ®) Phillips Mineralogy by Brooke and Miller. 46* 606 Gesammtsitzung und eingliedrige wie beim Epidot. Allein während letzterer in unsymmetrischen Prismen mit gerader Endfläche und sym- metrischen Zuschärfungsflächen erscheint (ein gewendetes zwei- und eingliedriges System nach dem Ausdruck von Weis), sind die Zoisitprismen symmetrisch. Sie sind gewöhnlich sechs- seitig, vier- und zweiwinklig, so dals sie demnach als Combi- nationen eines rhombischen Prismas mit einer geraden Abstum- pfungsfläche betrachtet werden müssen. Der stumpfe Winkel dieses rhombischen Prismas beträgt nach Brooke 116° 16. Ich fand ihn an der Varietät aus der Fusch 115° 45’ — 116° 0. Die scharfe Kante ist gerade abgestumpft durch eine Fläche, welche mit den beiden Prismenflächen Winkel von 121° 52° (Brooke) bildet, die auch ich = 122° gefunden habe. Brooke beschreibt auch das Vorkommen des zweifach stumpferen Pris- mas von 145° 48. Sind nun schon die eben genannten Flächen der Horizon- talzone selten deutlich, sondern meist nur durch starke Strei- fung angedeutet, so fehlen die Endflächen fast immer. Brooke führt indessen zwei Zuschärfungsflächenpaare mit schieflaufender Kante an, und giebt die Neigung der stumpferen von ihnen zu dem stumpferen Prisma = 123° 30”. Der Zoisit hat nur eine deutliche Spaltungsrichtung, der Abstumpfungsfläche der scharfen Kanten des Prismas entspre- chend, weicht also auch hierdurch vom Epidot ab. Miller vergleicht die Formen und Strukturverhältnisse des Zoisits mit denen des Euklases, und glaubt, beide seien isomorph. Indessen scheint mir durch diese Beobachtungen der kry- stallographische Unterschied von Zoisit und Epidot noch nicht streng erwiesen. Das symmetrisch sechsseitige Prisma des Zoisits kann beim Epidot nur in der Horizontalzone gesucht werden, und hier treffen wir Hauy’s Fläche O0 (der Weifs den Ausdruck = za':%b:c gegeben hat), welche nach Ersterem unter 121° 23’ gegen die erste Spaltungsfliche M geneigt ist; zwei Flächen O0 müssen demnach über ? (der geraden Endfläche für das un- symmetrische Epidotprisma) unter 117° 14’ geneigt sein. Diese vom 11. Dezember 1856. 607 beiden Winkel weichen von denen des Zoisits 122° und 116° _ nicht so sehr weit ab. Möglicherweise wäre beim Zoisit die - Horizontalzone hauptsächlich entwickelt, während es beim Epi- dot die Vertikalzone ist. i Auch die Spaltbarkeit spricht nicht gegen die Identität der Formen, denn Brooke’s (Miller’s) Spaltungsfläche 5 - würde nach jener Annahme dem M des Epidots entsprechen, dessen andere Spaltungsrichtung 7 in dem Zoisit vielleicht weniger deutlich ist. Bei den Zweifeln, die dieser Gegenstand übrig lälst, hielt ich es für zweckmälsig, zu untersuchen, ob die chemische Zusammensetzung eine Trennung beider Mineralien recht- fertige. Klaproth’s Analysen zufolge sind die Bestandtheile des Zoisits und des Epidots dieselben. Nur ergeben diese so wie spätere Versuche von Bucholz, Geffken u. A., dafs der Zoisit etwas reicher an Kieselsäure ist als der Epidot, und dafs in ihm nur wenige Proc. Eisenoxyd sich finden, der Gehalt an Thonerde daher gröfser ist. Bezüglich des allgemeinen chemi- schen Verhaltens zeigen beide deshalb viel Ähnlichkeit. An und für sich werden sie von Säuren nicht gut zersetzt. Wird aber Zoisit in Stücken oder pulverig zum Glühen erhitzt, so wird er dann als feines Pulver von Säuren unter Gallertbil- dung leicht und vollkommen zerlegt. Nach Hermann ge- schieht dies zwar bei dem Epidot nur unvollkommen ; doch habe ich schon vor längerer Zeit nachgewiesen, dafs auch der ge- glühte Epidot von Säuren vollständig zersetzt wird. Wir stellen nun die bekannt gewordenen Zoisitanalysen zusammen. 4. Zoisit von der Saualpe. Er ist am zahlreichsten untersucht worden. a. Grünlichgrauer krystallisirter Z.; sp. G. = 3,315. Von Quarz, Cyanit, Augit und Granat begleitet. Klap- roth. b. Gelblichbrauner krystallisirter; sp. G. = 3,265. Mit Quarz verwachsen. Klaproth. 608 ec. Mürber Z. vom Radelgraben, röthlichweils. Gesammisitzung d. Analyse von Thomson. e. Analyse von Kulesza, unter Schrötter’s Leitung. ') a, Kieselsäure 45 Thonerde 29 Eisenoxyd 3 Kalkerde »1 Glühverlust nu 9 b. B 47,5 44 29,5 32 4,5 2,9 17,5 20 0,75 - 99,75 98,5 Klaproth. d. e. 39,30 44,00 29,49 30,97 7,20 4,92 22,95 17,77 1,36 Zr 2,00 100,30 99,66 2. Zoisit vom Fichtelgebirge (Gefrees). Kieselsäure Thonerde Eisenoxyd Manganoxydul Kalkerde Glühverlust a. Bucholz. 40,25 30,25 4,50 22,50 2,00 99,50 b. Geffken. 40,03 29,83 4,24 7,55 18,85 100,50 3. Zeisit (?) von Falltigl, Tyrol. Kohlensäure Kieselsäure Thonerde Eisenoxyd “ Eisenoxydul Manganoxydul Kalkerde Talkerde Glühverlust ') Sitzungsber. der Wien. a Geffken. 40,74 28,94 5,19 1,78 20,52 4,75 101,92 b. Hermann. 1,13 40,95 30,34 4,96 21,56 0,56 99,50 Ak. d. Wiss. J. f. prakt. Chem. 64, 316. vom 11. Dezember 1856. 609 4. Sogenannter Mejonit von Sterzing in Tyrol. (Von Weils zuerst zum Epidot gestellt.) b a. j Stromeyer. Richter. ') Kieselsäure 39,91 40,57 Tbonerde 31,97 32,67 Eisenoxyd 2,44 5,11 Manganoxydul 0,17 _ Kalkerde 23,85 20,82 Natron, Kali 0,89 _ Wasser 0,95 1,22 100,18 101,39 Um die Frage zu entscheiden, ob der Zoisit dieselbe Zu- sammensetzung wie der Epidot habe, was bisher zwar ange- nommen wurde, jedoch durch die angeführten Analysen nicht scharf bewiesen ist, hielt ich es für angemessen, die ausge- zeichnetsten Vorkommnisse des Minerals von neuem zu unter- suchen. Den Stoff zu den Analysen verdanke ich dem K. Mi- neralien-Cabinet, aus welchen Hr. G. Rose ihn mir übergab, so wie der gefälligen Mitiheilung des verstorbenen Custos P. Partsch in Wien und des Hrn. Dr. Krantz in Bonn. Mit besonderer Sorgfalt wurde das specifische Gewicht bestimmt. Von jeder Abänderung wurden mindestens zwei Analysen gemacht, indem nämlich eine Probe durch Schmelzen mit koh- lensaurem Natron aufgeschlossen wurde, während eine andere nach vorgängigem Glühen durch Chlorwasserstoffsäure sich leicht zersetzen liels, und eine vollkommene Gallerte bildete. Beim Erhitzen erleidet der Zoisit stets einen Gewichts- verlust. Derselbe tritt schon bei mälsigem Rothglühen über der Lampe ein, und liefse sich wahrseheinlich durch längere Dauer der Operation auf diese Art bis zur vollständigen Aus- treibung aller Hlüchtigen Stoffe bringen; schneller gelangt man freilich zum Ziel, wenn man das Mineral einige Minuten der Wirkung eines Gasgebläses aussetzt. Die kleinen Bruchstücke, welche zu diesen Versuchen dienten, hatten dann stets ihre ‘) Haidinger Ber. ü. d. Mitth. v. Fr, d. Naturw. 3, 114. 610 Gesammitsitzung Durchscheinenheit verloren; sie waren opak, rissig, öfter bräun- lich gefärbt, doch fand nie, selbst bei Anwendung von pul- vrigem Material, ein wirkliches Sintern oder gar Schmelzen statt. Der Gewichtsverlust, welchen der Zoisit auf diese Weise erleidet, beträgt 2—3% pC. Je frischer durchscheinender und härter er ist, um so geringer ist dieser Verlust. Diejenigen Abänderungen, bei denen er 3 pC. übersteigt, z. B. aus der Fusch und dem Meiggerthal, zeigen schon durch ihre äulsere Beschaffenheit auf einen nicht mehr ganz frisehen Zustand der Masse hin, denn sie sind weicher, minder durchscheinend, und es lösen sich von der Spaltungslläche sehr dünne glimmerähn- liche Blättchen ab. Bei den Versuchen, die Natur der flüchtigen Stoffe zu er- mitteln, wurde das grobgepulverte Mineral auf einem Platin- blech in eine etwa 2’ lange Platinröhre gebracht, und konnte darin über einer Gaslampe, wie sie zur Elementaranalyse dient, hinreichend stark erhitzt werden. Es wurde trockne kohlen- säurefreie atmosphärisehe Luft darüber geleitet, welche dann eine Chlorcalciumröhre und Barytwasser passirte. Es ent- wickelte sich neutral reagirendes Wasser und ein wenig Koh- lensäure, wiewohl ich nicht ganz so viel derselben erhielt, als dem Gewichtsverlust des Minerals entsprach. Die Quantität des Wassers, auch wenn der volle Verlust als solches genommen wird, ist allerdings so grols, dals es als Hydratwasser betrachtet werden könnte. Allein seine Menge ist in den einzelnen Abänderungen nicht gleich, und rührt sammt der begleitenden Spur Kohlensäure offenbar von dem Angriff atmosphärischer Gewässer auf das Mineral her, dem auch die frischeren Varietäten ausgesetzt waren. Ich glaube daher, dafs der Zoisit gleich dem Epidot ursprünglich wasser- frei ist. Im Folgenden ist a die Analyse mit kohlensaurem Natron; 6 dieselbe auf wasserfreie Substanz berechnet; c die Analyse des geglühten Minerals mit Chlorwasserstoffsäure, d das Mit- tel von 5 und c. vom 44. Dezember 1856. 611 I. Zoisit von der Saualpe. Spec. Gew. = 3,353. Die Begleiter waren Quarz und Granat. a. b. e. d. Kieselsäure 40,08 41,15 41,87 41,51 Thonerde 28,70 29,47 28,32 28,90 Eisenoxyd 3,50 3,60 4,37 3,98 Kalkerde 24,27 24,92 24,64 24,78 Talkerde 0,84 0,86 0,30 0,58 Glühverlust 2,09 100. 99,50 99,75 99,48 Es ist bemerkenswerth, dals von den Früheren Thom- son allein die Menge der Kieselsäure und des Kalks richtig 2 gefunden hat. I. Zoisit vom Fichtelgebirge (Gefrees). Spec. Gew. = 3,361. Ein bekanntes Vorkommen. a. b c.!) d. Kieselsäure 40,21 41,07 41,30 41,18 Thonerde 29,00 29,62 31,19 30,40 Eisenoxyd 2,51 2,56 3,10 2,83 Kalkerde 24,31 24,82 24,93 24,87 Talkerde 0,26 0,27 0,23 0,25 Glühverlust 2,08 98,34 100,75 99,53 ' 98,37 II. Zoisit von Goshen, Massachusets. Spec. Gew. = 3,341; nach dem Glühen = 2,726. Gleicht dem vorigen ganz und gar. a. b. c. d. Kieselsäure 40,00 40,92 41,04 40,98 Thonerde 30,16 30,86 31,91 31,38 Eisenoxyd 2,05 2,10 2,92 2,51 Kalkerde 23,94 24,08 24,85 24,46 Talkerde 0,82 0,84 0,15 0,50 Glühverlust 2,25 98,80 100,837°_ 99,83 98,82 ‘) Mittel von zwei Analysen. 612 Gesammtsitzung IV. Zoisit von Sterzing, Tyrol. Spec. Gew. = 3,352. Glühverlust = 2,04 pC. Ich habe diese Abänderung nur im geglühten Zustande untersucht. Kieselsäure 40,82 Thonerde 30,97 Eisenoxyd 2,11 Kalkerde 24,65 Talkerde 0,24 98,79 V. Zoisit aus dem Fuschthal, Pinzgau. Spec. Gew. — 3,251. Dünnstänglige Massen, in Quarz eingewachsen, gelblich- grau, sehr zerbrechlich, weicher als die früheren, hie und da, besonders auf den Spaltungsflächen, mit silberweilsen glimmer- ähnlichen Schuppen bedeckt. a. b. c. d. Kieselsäure 41,44 43,02 44,02 43,52 Thonerde 27,15 28,19 28,19 Eisenoxyd 2,94 3.05} ur 3,05 Kalkerde 22,81 23,68 23,51 23,60 Talkerde 1,23 1,28 1,24 1,26 Glühverlust 3,67 99,22 99,63 99,62 99,24 VI Zoisit vom Meiggerthal (Saasthal) am Monte Rosa. Spec. Gew. = 3,280. Diese Abänderung zeichnet sich durch eine schön grüne Farbe aus, welche an den Amazonenstein erinnert. Die stäng- ligen Aggregate sind mit (Juarz verwachsen, lassen sich leicht zerbrechen, und sind an manchen Stellen mit grünen Glimmer oder Chlorit ähnlichen Blättchen überzogen. vom 11. Dezember 1856. 613 a. b. ®. d. Kieselsäure 41,80 43,17 44,32 43,74 Thonerde 28,62 29,46 29,00 29,23 Eisenoxyd 2,82 2,90 3,45 3,18 Kalkerde 21,34 22,04 22,58 22,31 Talkerde 0,66 0,68 0,54 0,59 Kali _ _ 0,93 0,93 Glühverlust 3,18 98,25 100,82 99,98 98,42 Sauerstoffgehalt in d: I. I. II. IV. ey VI Si 21,55 - 21,38 721,977 ua 125 ri Al 1349 14,19 14,65 14,46 1316 13,66 Fe 41,19 0,85 0,75 0,63 0,91 0,95 Ca 7,08 7,10 6,99 7,04 6,74 6,37 Mg 0,23 0,10 0,20 0,10 0,50 0,39 Es ist demnach das Verhältnifs des Sauerstoffs: ET REH L 7,31 :14,68 :21,55 = 1: 2,00 :2,95 I. 7,20: 15,04 : 21,38 = 1: 2,09: 2,97 II. 7,19:15,40:21,27 = 1: 2,14: 2,96 Iv. 7,14:15,09: 21,19 = 1: 2,11 :2,97 v. 7,24 :14,07:22,59 = 1:1,94:3,12 VI. 6,76:14,60:22,71 = 1 :2,16 : 3,36 Es kann hiernach nicht länger zweifelhaft sein, dafs das Sauerstoffverhältnifs =1:2:3, der Zoisit mithin dem Epidot gleich zusammengesetzt sei, Da nun auch beim Mejonit dasselbe Sauerstoffverhältnils obwaltet, so wäre die Verbindung di- oder trimorph. Die vorstehenden Untersuchungen geben mir Anlafs, einige Bemerkungen über die Zusammensetzung des Epidots zu ma- chen, welche in neuerer Zeit Gegenstand der Arbeiten von Hermann, Stockar-Escher, Scheerer, von mir u. A. gewesen ist. Die Anzahl der vorhandenen Analysen ist mithin 614 Gesammtsitzung grols genug, um ein sicheres Urtheil über die chemische Zu- sammensetzung des Minerals zu gestatten. Dem Zoisit qualitativ gleich, unterscheidet sich der Epidot vornämlich durch einen grölseren Eisengehalt, welcher als Oxyd von 9— 16 pC. steigt, womit eine Abnahme der Thonerde (bis 20 pC.) verbunden ist. Schon aus den älteren Analysen wurde klar, dals das Ver- hältnifs des Sauerstoffs der Kalkerde, der Thonerde (und des Eisenoxyds) und der Kieselsäure =1:2:3 sei, dals der E, mithin aus Drittelsilikaten bestehe. Ich habe die zuverlässigen Analysen von Epidot berechnet, welche wir jetzt besitzen. Sie betreffen den E. von Arendal, Bourg d’Oisans, Traversella, vom Haslithal, Sustenhorn, Magis, Kaverdiras, St. Gotthardt, so wie die russischen Vorkommen von Achmatowsk, der Schumnaja, Burowa und Werchneiwinsk, und erreichen die Anzahl von 28. Wird der Sauerstoff des Kalks (wozu bisweilen ein wenig Talkerde, selbst Alkali, kommt) = 1 gesetzt, so ist der Sauerstoff von Thonerde und Eisen- oxyd, 1,8— 2,6 als Extreme; in 4 Analysen ist er genau = 2, in 20 steigt er höchstens auf 2,3. Der Sauerstoff der Kiesel- säure liegt zwischen 2,7 und 3,1, beträgt in 8 Fällen genau 3, bleibt aber in der Mehrzahl etwas darunter; das Mittel sämmt- licher Analysen ist die Proporlion 1 : 2,2: 2,9, wofür als nächst einfache 1:2:3 genommen werden muls, die alte Formel des Epidots mithin sich bestätigt. Während nun im Zoisit der Eisengehalt so gering ist (als Oxyd 2— 3% pC.), dafs auf 1 At. Eisenoxyd 12 — 24 At. Thon- erde kommen, ist dies Verhältnils beim E. von Lole (Magis) = 1:6 vom Sustenhorn, St. Gotthardt, Kaverdirass = 1:5 von Guttannen (Haslithal) = 1: 4 von Arendal, Traversella, Bourg d’Oisans, Achmatowsk, Werchneiswinsk und der Schumnaja = 1:2 von Burowa = 1: 1%. Es ist bemerkenswertb, dals der Sauerstoff der Sesquioxyde in der grolsen Mehrzahl der Analysen immer etwas mehr als das Doppelte von dem der Monoxyde (im Mittel 2,2) beträgt. Der Grund davon kann in einem Gehalt an Eisenoxydul —— We EN ELTERN EN Pan an in ne vom 11. Dezember 1856. 615 liegen. Auch hat Hermann dasselbe in allen Epidoten ge- funden, und zwar in Mengen von 2—5% pC. Gewils ist es sehr schwer, wo nicht unmöglich, in der- artigen Verbindungen beide Oxyde des Eisens genau zu be- stimmen, und die Methode Hermann’s bürgt durchaus nicht für die Richtigkeit der Resultate. Zwei Epidotvarietäten von Arendal gaben ihm 1,86 und 5,2 pC. Eisenoxydul; eine von Bourg d’Oisans 5,55 pC. Nun habe ich beide Epidote bereits vor längerer Zeit auf Eisenoxydul geprüft, und dasselbe that Stockar-Escher in Betreff der schweizer Varietäten. Wir fanden jedoch kein oder nur Spuren von Eisenoxydul. Ganz kürzlich ist es mir indessen gelungen, durch volumetrische An- wendung von übermangansaurem Kali in dem E. von Arendal und dem von Guttannen im Haslithal 1,65 — 1,95 pC. Eisen- oxydul zu bestimmen, obwohl ich glaube, dals diese Angabe zu hoch sei. Wie wenig Einfluls jedoch das Eisenoxydul auf die ein- fache Sauerstoffproportion 1:2:3 hat, ergiebt eine Berech- nung der Epidote, bei welchen jenes Oxyd bestimmt worden ist. Man erhält nämlich dann das Verbältnifs = 1,1 : 2,1 : 3. Scheerer berechnet aus seinen eigenen und Stockar- Escher’s Analysen das mittlere Verhältnis = 1:2,:3 = 4:9:12, und verwirft mithin die bisherige und von mir ver- theidigte Formel des Epidots. Diese Zahlen drücken aber auch das oben angeführte Mittel aller Analysen aus, da 1:2,2:2,9 = 103 : 228 : 300, statt dessen Scheerer 100 : 225 : 300 setzt. Scheerer hat sich also genau an die Resultate der Analysen gehalten. Es ist nothwendig, bei dieser Gelegenheit darauf aufmerk- sam zu machen, dals in den letzten Jahren mehrfach die ana- Iytischen Resultate von Mineralien nach anderen Grundsätzen als den bisher befolgten, gedeutet zu werden pflegen. Berzelius hatte gelehrt, dafs das Resultat der Analyse einfachen Äquivalentverhältnissen entsprechen müsse, und dafs, da die Schärfe der Methoden, die Reinheit und Frische des Materials bei Mineralien immer nur eine Annäherung ge- statten, das nächste einfache Verhältnils zu wählen sei. 616 Gesammtsitzung Diesem Prinzip entgegen findet man jetzt nicht selten die Neigung, ein complieirteres Verhältnils zu wählen, wenn das- selbe sich dem empirischen Resultat besser anpalst, Dadurch treten neue Formeln an die Stelle der einfacheren älteren, und das Gebiet der natürlichen Silikate wird zum Schauplatz einer Unzahl solcher Versuche. Bei der höchsten Achtung vor dem Werth der That» sachen wird man doch nicht umhin können, die Umstände zu berücksichtigen, welche die Analyse der natürlichen Silikate schwierig machen, und bei der Deutung des Resultats wohl erwogen werden müssen. Hält man sich streng an dieses, auch wenn es minder einfach ausfällt, so vindicirt man der Analyse und ihren Operationen eine sehr grolse Schärfe, insbesondere aber betrachtet man die Substanz als rein und ursprüng- lich. Das Urtheil über jene steht nur dem Analytiker zu; eigene Erfahrung hat mich allerdings gelehrt, das Vertrauen auf diesen Punkt nicht allzuboch in Anschlag zu bringen. Was aber die Reinheit und Ursprünglichkeit betrifft, in welcher Si- likate vorkommen, so haben gerade die neueren Arbeiten auf diesem Felde gelehrt, wie selten sie anzutreffen seien. Der Zoisit und der Epidot enthalten einige Procent Was- ser. Sind sie ursprünglich Hydrate, oder ist das Wasser erst später hinzugekommen, ist die Hydratbildung mit einer che- mischen Veränderung des Minerals verknüpft? Schon vor län- gerer Zeit theilte ich mit, dafs der E. von Arendal beim Glü- hen 2 pC. verliert. Scheerer und Stocker-Escher be- stimmten das Wasser neuerlich, und fanden es in allen Epi- doten 2— 2,4 pC. betragend. Auch die Zoisite verlieren, wie ich gefunden und oben mitgetheilt habe, 2— 3% pC. Wasser beim Glühen '), und zwar am meisten diejenigen, welehe durch ihr Ansehen schon auf eine anfangende Zersetzung schlielsen lassen, deren spec. Gew. etwas unter dem der übrigen liegt, und welche das Minimum von Kalk, das Maximum von Talk- erde enthalten. Der E. ist oft mit Kalkspath verwachsen, des- sen Bildung von einem Angriff kohlensaurer Wässer auf Epi- !) Schon Bucholz giebt für den Z. vom Fichtelgebirge 2 pC. Glüh- verlust an. f ; = “ 0 EEEEENEEERSEUSERSESE EEE vom 11. Dezember 1856. 617 dot und andere primitive kalkhaltige Silikate herrühren kann, Wird es nun befremden können, dals die Mittelzahl der Epidot- Analysen für den Kalk und auch für die Kieselsäure kleinere Werthe giebt, als dem Sauerstoffverhältnifs 1:2:3 gemäls ist? Dals das Mineral einen Schritt zur Hydratbildung ge- than hat? Der Fortschritt der Wissenschaft, die Vermehrung der empirischen Hülfsmittel, zur Kenntnils der inneren und äufseren Natur der Körper zu gelangen, rufen neue Richtungen her- vor, in denen die Forschung sich bewegt. So ist es jetzt in der Mineralogie der Fall. Möchten doch aber Alle sich daran ; erinnern, dals allein die Fakta bleibenden Werth besitzen, un- sere Hypothesen dagegen um so vergänglicher sind, je weniger sie auf einfache Verhältnisse Rücksicht nehmen. Hr. Lichtenstein legte der Akademie eine Abhandlung über die Hirscharten des gemälsigten Nord- Amerika, welche unter den Namen Cerous mezicanus und C. virginianus unter- schieden zu werden pflegen, vor, und zeigte aus einer Reihe von Übergangsbildungen, dafs diese vermeintlichen beiden Ar- ten, wie schon von Vielen vermuthet worden, nur zu einer und derselben in ihrem Vaterland vom 25sten bis 50sten Breile- grade verbreiteten 'Thier-Art gehören. Dagegen berichtete er von einer zwar nahe verwandten, aber wesentlich verschiedenen dritten Art, die nur in dem äufsersten Westen des Gebiets der vereinigten Staaten unter dem Namen ihe blak-tailed deer bekannt ist, und deren schon Warden, Lewis und Glarke vor vielen Jahren unter diesem Namen erwähnt haben. Es sind erst seit den letzten Jahren so viele Exemplare derselben nach Europa gebracht worden, dals eine genaue und vollständige Verglei- ehung mit jenen hat angestellt werden können. Diese ergiebt aber vollkommen überzeugend eine Reihe von Unterschieden, nach welchen diese Art, wie dies schon Audubon und Bach- man, jedoch weniger vollständig, zu erweisen versucht haben, als eine eigne Art, unter dem von diesen Autoren ihr beige- legten Namen Cervus Richardsonii, in die Verzeichnisse der Hirscharten aufzunehmen ist. 618 Gesammtsitzung Hr. Ritter theilte aus Briefen über die Reise der Gebrüder Herrmann und Robert Schlagintweit von Leh in Ladak nach Ost-Turkistan und Khotan, bis Buschia in der Nähe von Elshi (im Juli, August und er tember 1856) Folgendes mit. In Folge einer Zuschrift Hrn. A. von Humboldts habe ich der K. Akademie die Ankunft eines Briefes von Robert Schlagintweit an denselben, datirt zu Leh in Ladak vom 26. September 1856, anzuzeigen, welcher die wichtige Nach- richt enthält, dafs es den Gebrüdern Herrmann und Robert gelungen ist von Leh am 24. Juli aus Tübet, auf einem be- sonders für ihre Beobachtung interessanten noch unbesuchten Wege über den Karakorum-Pals, durch das Gebirge des Küen- lün gegen NO. in das östliche Turkistan bis in die Nähe von Elshi (Ili tschi der Chinesen), der Hauptstadt Khotans, ver- kleidet und unerkannt, vorzudringen, und glücklich nach Leh über den Sassar-Pals 16420’ Par. (17500’ engl.) des Karako- rum, von dem sie schon auf dem Hinwege dessen Gipfel, den Sassarberg, bis 18765’ Par. (20000’ engl.) erstiegen hatten, zurückzukehren. Zu der Möglichkeit, was früher keinem euro- päischen Reisenden der letzten Jahrhunderte (der Jesuiten- Pater Benedict Goes war der letzte dem von Yarkand ein Seitenausflug nach Khotan gelang, 1606; Dr. Thomas Thom- son im Jahre 1847 von Leh ausgehend, mulste am Karakorum- Pafs wieder umkehren) gelungen war, die Gränze von Ladak nach Turkistan zu überschreiten, irugen wesentlich die geheim- gehaltenen Vorbereitungen zu dieser Unternehmung bei. Über diese Reise-Expedition ist Sr. Majestät dem Könige ein näherer Bericht und die Zusammenstellung einiger gewonnenen Re- sultate derselben beigefügt, welche viele Höhenmessungen, Be- merkungen über Plateaubildungen, über eine Gruppe von mehr als 50 heifsen kohlensauren und kochsalzhaltigen Quellen mit 25 bis 29° Cels. auf einer absoluten Höhe von 13386’ Par. (14800 engl.), und vieles andere enthalten, so wie die An- gaben der Wegerouten, die bis zum Thale von Buschia und dem dortigen Orte gleichen Namens in Ost- Turkistan reichen, von welchem die Hauptstadt Elshi nur noch zwei Tagemärsche entfernt liegt, aber nicht erreicht werden konnte, da chinesische u u u Ze vom 11. Dezember 1856. 619 Soldaten und Wachtposten sich in der Nähe befanden. Bu- schia liegt nur noch 8631 F. Par. (9200’ engl.) über M.; es scheint die tiefste gemessene Einsenkung des Centralplateaus an dieser Stelle zu sein, von der die Reisenden sagen, dafs die Umgebung von Buschia schon nicht mehr den Hochalpen- Charakter trage wie das zuvor durchzogene Gebiet, und dafs die Berge in der Nähe von Buschia nicht mehr bis zu 10321’ Par. (11000’ engl.) aufsteigen. In den Bewohnern des Buschia- Thales fanden sie ein wohlwollendes halbnomadisches Tataren- volk in Steinhöhlen sich ihre Häuser einrichtend, die aber ge- wöhnlich unter Zelten leben, aber auch im Winter hier blei- ben und sehr fern von Wildheit ungemein ceremoniell, aber hülfreich waren. Am 29. August brach man zum Rückmarsch auf, zu welchem Hrn. von Humboldts Karte der Gebirgs- ketten Centralasiens (1843) ein guter Führer war, auf welcher auch die Lage von Khotan, jetzt Elschi, richtig eingetragen ist, da Khotan der Name der Provinz mit dem der Hauptstadt zuweilen identificirt wird. Buschia liegt 1% Tagereisen vom nördlichen Fulse des Kuenlun entfernt. Auf dem Rückwege an den drei Tage langen Marsche am Ufer des Karakasch, der von Sumgal nach West bis Suget flielst, und dann nach Nord umbiegt, traf man die ausgedehnten Steinbrüche von Yaschem, die aus weiter Ferne besucht werden und konnte von diesem in ganz Centralasien sehr geschätzten Steine (Ju, der Chinesen) eine grolse Quantität zur späteren Analyse mitnehmen. Suget, ein Halteplatz an der Winterstralse nach Yarkand, ist 6 (Ka- rawanen-) Tagereisen fern vom Karakorum-Passe gelegen. Von’ Suget bis Karakasch, einer andern Stadt Khotans, beträgt die Entfernung noch 6 Tagereisen. Die Reisenden beabsichtigten demnächst Leh zu verlassen, und dem dritten Bruder, Adolph, der über Iskardo in Baltistan, auf dem möglichst westlichsten Wege nach Caschmir voraus- gegangen war, aber auf verschiedenen Wegen, eben dahin zu folgen, und dort mit ihm sich zu vereinigen. [1856.] 47 620 Gesammtsitzung vom 11. Dezember 1856. Hr. Pertz trug den Wunsch des Hrn. Dr. Pauli, jetzt in München, vor, dafs ihm gestattet werde, seine für die Aka- demie angefertigten Auszüge aus dem Rechnungsbuche des engli- schen Königs Eduard III. über seine Reise nach Ceblenz und seine Beziehungen zu dem deutschen Kaiser Ludwig IV. in den auf Anordnung Sr. Maj. des Königs Max II. von Baiern erschei- nenden ‚‚Quellen und Erörterungen zur baierschen und deut- schen Geschichte” mittheilen zu dürfen. Die Akademie ge- währte diesen Wunsch bereitwillig. Unter dem 5. d. M. benachrichtigt der vorgeordnete Hr. Minister Excellenz die Akademie, dals Se. Majestät der König mittelst Allerhöchsten Erlasses vom 19. v. M. die Wahl des Prof. Dr. Weierstra[s hierselbst zum ordentlichen Mitgliede der Akademie zu bestätigen geruht haben. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur- den vorgelegt: Comptes rendus des seances de l’Academie des sciences. Tome 43, no. 13—18. Paris 1856. 4. Nova Acta regiae societalis scientiarum Upsaliensis. Seriei III. Vol. II. pars prior. Upsaliae 1856. 4. Archiv für Schweizerische Geschichte. Band 11. Zürich 1856. 8. Cassel, Eddische Studien. I. Fiölvinnsmal. Weimar 1856, 8. Annales de chimie et de physique. Tome 48, Decembre. Paris 1856. 8. Gomez de Villaboa, Teoria del credito y su aplicacion. Bruselas 1856. 8. Nachrichten von der Universität Göttingen. no. 17. Göttingen 1856. 8. Georg Rathgeber, Archäologische Schriften. (Fortsetzung) Weimar 4856. folio. Mit einem Schreiben des Hrn. Verf. d. d. Gotha 6. Dezember 1856. Jahresbericht no. 33. der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kul- tur für 1855. Breslau 1856. 8. Annales des mines, Tome VIII, Livr. 6. Paris 1856, 8. Mit Ministe- rialrescript vom 9. Dez. 1856. 1 A nz N > cr ZU Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 15. Dezember 1856. 621 15. Dezbr. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Kiepert las über die geographische Anord- nung der Namen arischer Landschaften im ersten Fargard des Vendidad. Unter dem überwiegend dogmatischen und liturgischen Inhalte der bei den Bekennern der Zoroasterlehre als heilige Schriften erhaltenen geringen Bruchstücke altiranischer Litte- ratur finden sich nur sehr vereinzelt Erwähnungen von That- sachen oder auch blos Namen, welche in das Bereich der Geo- graphie fallen: in grölserer Anzahl und planmälsig geordnet nur an einer, aber um so bedeutsamerer Stelle, in dem Ab- schnitte, mit welchem in der uns erhaltenen Redaction das eigentliche Gesetzbuch, der Vendidad, anhebt. Dieses, nach Haug’s sehr wahrscheinlicher Vermuthung, aus einem noch älteren Werke etwa einer iranischen Urgeschichte in den Avesta aufgenommene Stück hat zum Gegenstand die schöpfe- rische 'Thätigkeit der, nach zarathustrischer Lehre zweifachen Gottheit, des Ahuramazda und des Anrömainyus, ausgeübt nicht sowohl an der Hervorbringung der Erde im ganzen, als an dem auf derselben dem arischen Volke insbesondere als Wohnsitz verliehenen Raume, der mit sechzehn namentlich aufgeführten, zum Theil durch eigenthümliche Prädicate näher bezeichneten Ländern bestimmter umschrieben wird. Mit Recht hat man, seit dem Bekanntwerden mit dem Ayesta, grolses Gewicht gelegt auf die also durch einheimische Überlieferung bezeichneten Grenzen der ältesten historischer Zeit angehöri- gen Wohnsitze des Ariervolkes vor seiner Spaltung und Ver- breitung über Indien und Westasien, im Hinblick auf die der- selben Urheimath angehörigen gemeinsamen Ursprünge der gan- zen Völkerfamilie, welche wir unter dem Namen der indoeuro- päischen zusammenzufassen gelernt haben. Ein höheres, uni- versalhistorisches Interesse gewinnt so die Ermittelung des wirkli- chen Erdraumes, welchen jene Länderaufzählung erfüllt, durch Auffindung der den einzelnen Namen entsprechenden geogra- phischen Gebiete. Die Schwierigkeit dieser Ermittelung lag aber darin, dals das Verzeichnils des Vendidad neben allgemein 47* 622 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse bekannten Ländernamen, — wie Cug’da, Möuru, Bäkd'i, Vehrkäna, Haraöva, Haetumat, Haragaiti, Hendu,') sämmtlich geographisch dem Osten Iruns angehörig, — auch eine kleinere Zahl sonst völlig unerhörter Namen, wie Fa£- kereta, Duzaka, Urvä, K'ne'nta, K'akra, Varena ent- hält. Für die Deutung derselben war nichts zu gewinnen aus der einheimischen, in der Huzüres’- Übersetzung der Zendtexte und in neueren Commentaren vorliegenden Überlieferung, wel- che ihre bereits aus der Säsänidenzeit stammende Verfälschung schon in der Übertragung der Ursage und des Ausganges der Zoroasterlehre nach dem westlichen Medien deutlich erweist, in der Deutung der übrigen dunkeln Namen aber offenbar nur ihre gänzliche Unkunde verräth. Die Versuche der noch unter dem Einflusse dieser Autorität stehenden früheren Erklärer, eines Anquetil, Kleuker, Heeren, Rhode u. a. haben daher auch keinen Anspruch auf weitere Berücksichtigung.”) — Gehen t) Indem sie auch gerade nur diese Namen enthalten, gewähren die Dareios-Inschriften kein weiteresLicht für unsern Gegenstand, wie sie denn überhaupt nur die gröfseren Reichsländer, die selbständige Statthalter- schaften bildeten, aufzuzählen; nämlich im ganzen Osten des Reiches nur 40 Namen, von denen nur 5: Sugda, Baktari, Haraiva, Hara- uvati, Hi“du mit den oben genannten Namen des Vendidad übereinstim- men, während die 5 übrigen: Qarazmiya, Part'uva, Zara'ka, T‘a- tagu, Ga“dara vielleicht zum Theil (? art'uva ganz sicher) spätere in historischer Zeit eingedrungene Namen für einzelne der anderen Land- schaften des Vendidad-Verzeichnisses sein mögen. Jedenfalls geht dieses mehr ins specielle, als die Inschrifren, wie aus dem Umstande erhellt, dafs die im Vendidad den grölseren Ländern Baktrien, Sogdien u. s. w. coordi- nirten Landschaften Möuru, (altpers. Margu) und Nigäya in den Da- reios-Inschriften zwar nicht in der Aufzählung der Provinzen, wohl aber in dem Berichte über Dareios erste Regierungsjahre, der den grölsten Theil der Inschrift von Bagistan bildet, zufällig vorkommend, als Unterabthei- lungen von Baktrien (wenn auch mit demselben Prädikat, welches den grölseren Provinzen gegeben wird, dahyu = Land) erwähnt werden. %?) Auch der neueste englische Autor über Parsismus, Wilson (Parsi Religion, I. p. 294), versucht keine eigne Erklärung, sondern begnügt sich die neue parsische Tradition wiederzugeben. Der Vergleichung halber stelle ich die traditionellen Deutungen, nebst den abweichenden eigenen Hypo- thesen Anquetil’s mit den nach A's. System umschriebenen Ländernamen 4 + r x E 4 vom 15. Dezember 1856. 623 wir zu den neueren Gelehrten über, denen das Studium des Zend seine wissenschaftliche Begründung und weitere Ausbil- dung verdankt, so hat E. Burnouf bei gelegentlicher Behand- lung der betreffenden Stellen des Vendidad in seinem Com- mentare zum Yagna sich begnügt, die richtige Lesart der Na- men herzustellen, und im Zusammenhang damit einzelne geo- graphische Punkte zu beleuchten, ohne die Deutung der schwie- rigeren «r«E Aeyousve zu versuchen; auch Fr. Spiegel hat in den Anmerkungen zu seiner Übersetzung des Vendidad nur die Erklärungen früherer wiederholt, ohne eigne Urtheile zu geben. Nur Hr. Lalsen hat unser Länderverzeichnils, in An- erkennung seiner Wichtigkeit für allgemein-arische Ursprünge, schärfer angesehen, von seiner Untersuchung aber nur die Re- sultate kurz mitgetheilt'), in denen sich allerdings ein erheb- licher Schritt vorwärts zu einer befriedigenderen Erklärung zeigt, der jedoch nicht bis zum Ziele verfolgt ist. Es ist diefs die Anerkennung einer bestimmten Anordnung der Länder- namen in unserm Verzeichnisse nach gewissen symmetrischen Reihen: nur wollen diese Reihen, wie sie Hr. Lalsen dar- stellt, zu den wirklichen Ortslagen, wie sie die Betrachtung zusammen. 1. Eeriene-veedjo = Aran, d. i. persisch Armenien, 2. Gueovae-Soghdo = Soghd (Anquetil ist geneigt, damit ein von den Alten genanntes Sogdia bei Arbela zu vergleichen). 3. Moore = Merw (oder Maragha in Azerbeigan, Anq.). 4. Bakhdi= Balkh oder Bokhara, andere setzen dafür das Gebirgsland der Bakhtiyari zwischen Medien, Su- siana und Persis. 5. Nesae = Nisapur. 6. Haroiu = Herat (Angq,) aber von den Parsen im syrischen Haleb oder in Arüm (v'"s), das man für Aram, Syrien, aber auch für Rom erklärt hat, gesucht. 7. Veekereante = Kabul. 8. Oruan= Lahor. 9. Khneante = Gurgan (oder Kanda- har, Ang.). 10- Zerekheti= Arokhag‘, welches nur die mittelalterliche Form dieses Namen (Arachotos der Alten) ist; andere setzen dafür nahe gleichbedeutend den Landesnamen Segistan (Seistan). 11. Heetomeante =Hindmend (Hilmend, Hirmend). 12. Raghan =Rei (Ragae im nörd- lichen Medien). 13. Tcehekhre = Tcharkh in Khorasan, nach anderer parsischer Tradition = China! 14. Verene = Padoschkerger in Kirman oder — Taberistan (Anquetil erklärt es für das südliche Medien um Hama- dan, Rhode für Persis!). 15. Zapte Heando = Hindustan. 16. Ren- gheiao = Khorasan oder = Aruestan welches Ang. für die von Moses Chor. unter diesem Namen angeführte assyrische Landschaft nimmt. ') Indische Alterthumskunde I. p. 526. 624 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse der Karte ergiebt, nicht wohl passen '). Durch Anwendung kartographischer Hülfe, als des sichersten Probirsteins derar- tiger geographischer Forschungen, war ich selbst inzwischen zu einer, wie mir schien, der Forderung symmetrischer Ord- nung mehr entsprechenden Bern gelangt, als ich von dem bevorstehenden Erscheinen einer neuen gründlichen Untersu- chung dieser schwierigen Frage von Hrn. M. Haug in Bonn unterrichtet wurde, und deshalb, in Erwartung einer befriedi- genden Erledigung durch einen mehr dazu berufenen Gelehr- ten gern davon abstand. In diesen Tagen ist nun Hrn. Haug’s neue Übersetzung und Erklärung des ersten Fargards?) er- schienen, und veranlalst mich, da ich mich von der Wahr- scheinlichkeit der darin aufgestellten neuen geographischen Resultate nicht überzeugen kann, die Sache wieder aufzuneh- men, um so mehr als der Verfasser selbst unter den Arbeiten seiner Vorgänger neben den philologischen auch die Behand- lung dieser iranischen Ursage durch C. Ritter?) anerkennend hervorhebt und damit auch der Geographie das Recht zu- gesteht, in dieser Frage ihre Stimme mit abzugeben. Auch Hr. Haug fordert mit Recht in der Erklärung eines Abschnit- tes, dessen Charakter als regelmälsige Aufzählung im Text ’) Nach Lassens Angaben ist, zur Vergleichung mit meinem Erklä- rungsversuche, das erste der beigegebenen Kärtchen entworfen, in welchem seine, angeblich um das Urland Airyane'm-Vaeg’ö in immer ausgedehnteren Kreisstücken, die sich von N. nach $. erstrecken, gruppirten Reihen durch rothe Färbung deutlicher hervorgehoben sind. Das Ste Land Urvd ist ausgelassen, da L. selbst es geographisch unbestimmt läfst. Ein Blick auf die Karte zeigt aber, dals diese Reihen weder für symmetrisch gelten, noch überhaupt so entlegene Punkte wie 10. und 11. (welche dazu gerade um- gekehrt stehen mülsten) mit 9, oder gar 12. 13, 14 füglich zu einer Reihe verbunden werden können. Überdiels würde man, wenn überhaupt sym- metrische Anordnung angenommen wird, gleichgliedrige Reihen erwarten, nicht wie bei L. bald zu 3 bald zu 4 Gliedern. ?) In Bunsen’s Ägyptens Stelle in der Weltgeschichte V. Buch I. Abth. p. 104 — 137. °) Erdkunde VIII. Asien, Bd. VI. Th. 1. p. 29 —31 und 50 — 69, — ein Abschnitt, in welchem damals (1837) natürlich neben Burnoufs herge- stellier Schreibart einzelner Namen nur auf die unzuverlässige Anquetil- Kleukersche Quelle zurückgegangen werden konnte, vom 15. Dezember 1856. 625 noch besonders durch Beisetzung der Ordinalzahlen hervorge- hoben wird, Innehalten einer bestimmten geographischen Rei- henfolge von Land zu Land; macht namentlich diese Forde- rung für die behauptete Nachbarschaft der Länder 8—11 gel- tend, verläist aber dieses Princip sofort wieder durch die weiten Sprünge von Osten nach Westen und umgekehrt, die seine Änsetzung von 11—42 und 14—15 zu machen gezwun- gen ist. Das unregelmälsige der Anordnung erhellt mit einem Blick aus dem zweiten der beigefügten Kärtchen, in welchem Hrn. H.’s Ansetzungen zu einem Gesammtbilde vereinigt ‚ erscheinen. ') Gehen wir zur Begründung einer geordneteren Folge zu- nächst von den ihrer Lage nach hinreichend gesicherten Punk- ten aus, so finden wir dieselben, mit Ausschluls des ersten Namens, der erst weiterhin besprochen werden kann, ziem- lich vereinigt im Anfange des Verzeichnisses: no. 2. Gug’d’a, Sogdiane der Griechen, 3. Möuru, Margiane, 4. Bäkdi, Baktriane, und 6. Haradova,?) Areia, führen ihre durch das ganze Mittelalter mit Ruhm genannten Namen als Landschaften oder als Städte in der entsprechenden neuper- sischen Form: Sog'd, Merw, Balk, Herät bis auf den ') Bei Entwerfung desselben war mir, da ich mich nur des Einzel- abdrucks der Haugschen Schrift, nicht des erst vor wenigen Tagen ausge- _ gebenen Bandes des Bunsenschen Werkes bedienen konnte, das dem letz- teren, zu S. 87, beigegebene Kärtchen noch unbekannt; von diesem weicht mein Entwurf nur unerheblich ab, indem er sich in der Stellung der Na- men Nigäi und Haragaiti und Auslassung von Airyana-vaeg’ö (worin Hr. Bunsen vielmehr Lassens Ansetzung folgt) strenger an die in der Haug- schen Schrift gegebenen Positionen hält. °) So stellt Hr. Oppert durch eine sehr glückliche Vermuthung (Nouv. Journ, Asiat. 1851, Vol. XVII. p. 280) nach der altpers. Form Ya - raiva dieNominativform her aus der im Zendtext allein (wie mich Hr. Go- - sche freundlich belehrt, auch in der zweiten Stelle, wo dieser Name genannt wird, in den Fest) vorkommenden Accusativform Haröyüm, in welcher die Endsylbe der regelmälsigen Form -ve'm, (nach Analogie von vidaeva, acc. vidöyüm) in -öm aufgelöset erscheint. Die von Burnouf als regel- mälsig aus haröyüm gefolgerte Nominativform Haröyü, welche auch Spiegel und Haug beibehalten, stützt sich allerdings auf die sanskritische Analogie des indischen Flulsnamens Saräyu, liegt aber zu weit ab von der durch die Dareios-Inschriften gesicherten altpersischen Form. 626 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse heutigen Tag und sind somit ebensowenig einem Zweifel unterworfen, als 10. Haragaiti (Arachosien, Arokag' des Mittelalters) und 11. Yadtumat, deren Namen als Landschaf- ten geschwunden, jedoch in den dieselben durchströmenden Flüssen Argand- ä5 und Hilmend (Arachotos und Etymandros der Griechen) bewahrt geblieben sind. Auch der in no. 9 in zweiter Reihe stehende Name Yehrkäna') ist gewils mit gutem Grund immer in dem bekannten Hyrkanien am kaspi- schen Meere (Gurgän der Neuperser) gesucht und in dieser Stellung nur von Hrn. Haug angezweifelt worden. Verglei- chen wir nun die Stellung dieser festen Punkte auf der Karte (Taf. III), so zeigt der erste Blick, dals von 2 nach 3, so wie von 4 nach 6 ein Fortschritt nach Westen zu, dagegen von 3 nach 4 ein Rückschritt von W. nach O. stattfindet, und ein eben solcher findet sich wieder von 9 nach 10, wodurch denn 3, 6 und 9 als westliche Enden, 4 und 10 als östliche Anfänge von Reihen deutlich bezeichnet werden. Hiernach stellen sich wenigstens für die ersten 12 Namen 4 Reihen, jede zu 3 Namen, im allgemeinen von O. nach W. fortschreitend klar heraus, und jede Erklärung der in ihrer geographischen Stellung zweifelhaften Namen wird um so wahrscheinlicher sein, je bes- ser sie in dieses System palst. Der erste zweifelhafte Punkt ist uns 5 Nicäya?), über den sich die früheren Erklärer ja selbst noch Hr. Haug mit der parsischen Tradition, die ihn im heutigen N’s’äpür sucht, ‘) Doppelnamen erscheinen an den Stellen 2. Gdu-Qug'da, 7. Vaekereta-Duzaka, 9. K'nenta-Vehrkäna, jedesmal unterein- ander verbunden durch das Wort sayane’m welches: Lage, Ort, Wohn- ort erklärt wird. Daraus folgert Hr. Haug, dals der erste Name jedesmal den eigentlichen Landesnamen enthalte, der zweite eine darin gelegene Stadt oder kleinere Landschaft (oder sogar einen Flufs) bezeichne. Aber abgesehen von 7, worin beide Namen gleich unbekannt sind, stehen in 2 und 9 zwei auch sonst als Landesnamen wohl bekannte in zweiter Stelle, während die in erster stehenden Gdu und K'ne'nta sonst unerhört sind. *) Da die im Texte allein vorkommende Accusativform Niedim als Auflösung von Vig äyem auf einen Nom. Nigäya (wie auch das altpersische der Inschriften schreibt) zurückgeht, so ist es wohlnicht nöthig, mit Hrn. Haug einen Nom. Nigdi anzunehmen. an ERBE IL vom 15. Dezember 1856. 627 beruhigt haben, da diese Lage auch der von Strabon „zwi- schen Hyrkanien und Margiane” angesetzten Landschaft Ni- saea am ehesten zu entsprechen schien, obwohl sie mit posi- tiven Daten des Vendidad in Widerspruch steht. Allein we- nigstens der Schluls aus der Ähnlichkeit der Namen ist nur scheinbar und sicher von den Parsen erst in sehr neuer Zeit ersonnen; dafs im Mittelalter eine ähnliche Sage über das Ur- alterthum der Stadt noch nicht bestand, scheint aus dem Still- schweigen der älteren arabischen und persischen Geographen und Historiker hervorzugehen, die vielmehr einstimmig die Gründung Ni’s’äpür’s auf den Sasaniden König S“apuhr 11. zurückführen. Und dafs in der That auch der Name dieses Königs und keineswegs ein altes Nisa in dem Stadtnamen ent- halten sei, beweist wieder die bisher ganz übersehene Erwäh- nung desselben in dem der Säsänidenepoche gleichzeitigen ar- menischen Geschichtschreiber Elisaeus'), und zwar in der theilweise armenisirten Form Nius’apuh, deren letzter Theil, S’apuh, die armenische Form des Namens Sapuhr, der erste aber offenbar das neupersische new, d. i. neu wiedergiebt. Aber auch das strabonische Nisaea fördert uns dem Ziele nicht näher, noch die Iegdavvire morıs, "ErAyves de Nivaav Ae- yoyrıw, welche nach dem Stationenverzeichnils des Isidoros von Charax ?) ungefähr in dieselbe Gegend gehört; sie beweisen ebenso wie die durch ihre Rofsezucht bei den Alten berühmte Nisaeische Ebene im westlichen Medien °), wohin noch Nie- mand das Nicäya des Vendidad zu versetzen versucht hat, weiter nichts als dals dieser Name, seiner allgemeinen- Wort- bedeutung „‚Niederlassung” entsprechend, an vielen Stellen zum Eigennamen geworden sein konnte: warum nicht auch an einer östlicheren als N’säpür? Und eine solche ist in der That aus demAlterthume bezeugt, nämlich durch Ptolemäos, dessen Nisaea man bisher, lediglich aus Vernachlässigung sorgfältiger kartographischer Anwendung seiner Angaben, irrig mit dem ‘) Elisei Vardapeti Matenagrut'iunk, Venet.1838, p. 122, 155, 158. *) Geogr. gr. min. ed. Hudson, Vol. II. p. 8. °) Auch in Dareios Inschriften (Bagistan 1.58) Nigaya nama dah- yus Madaijp. 628 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse aus Strabon bereits angeführten hyrkanischen Nisaea gleich ge- setzt hat, während die ausdrückliche Angabe des alexandrini- schen Geographen es an die Südgrenze Margiana’s, sowie un- mittelbar südlich daran grenzend und ohne Zweifel gleichbe- deutend den Stamm der Nır«ico: an die Nordgrenze von Areia stellt, an die vom Paropamisos westlich sich absenkenden Berg- ketten, welche die Grenze von Areia und Margiana, d. i. zwi- schen dem Hochlande von Herät und dem Tieflande von Merw bilden. In den Hochthälern des obern Murg’äb also, des Flusses von Merw oder des Margus der Alten, der mitten zwi- schen Oxos und Areios (Heri) einen parallelen Lauf aus den Alpen des Paropamisos nordwestlich zu den turanischen Wü- stenebenen verfolgt, oberhalb seines Eintritts in die Tiefebene Margiana’s haben wir dieses östlichste der vier den Griechen bekannt gewordenen Nisaea zu suchen und wohl möglich, dafs genauere Erforschung auch die Spur des alten Landesna- mens bei der auch unter türkischer (Aimäq- und Hezäreh) Herrschaft sich erhaltenden iranischen (Tagik-) Bevölkerung dieses Berglandes auffindet. Diese Lage allein aber ist die, welche der Aufzählung des Vendidad für Nigäya entspricht, nicht allein wegen seiner Stellung in der Folge zwischen Bäkdi und Haraeva, sondern auch wegen des ortbezeich- nenden Zusatzes, den der Zendtext allerdings auffallend genug nur bei diesem einen Namen enthält: Nieäya, welches zwi- schen Möuru und Bäkdi. Denn soweit unsre Kenntnils der heutigen Örtlichkeit uns belehrt, führt die Stralse von Balkh (Baktra) nach Merw keineswegs in grader Linie, wo sie die hier am weitesten südlich zwischen die Culturgebiete eindringende Salzwüste durchschneiden mülste, sondern mit weitem südli- chen Umwege zunächst halbwegs nach Herät, in das obere Murg‘äb- Thal, und dann längs diesem Flusse abwärts, so dals ein in diesem obern Margusthale gelegenes Niräya richtig sowohl als zwischen Bäkd' und Möuru, wie zwischen Bäkd'i und Haradva gelegen bezeichnet werden konnte. Jener orts- bezeichnende Beisatz des Textes, der offenbar dieses öst- lichste Nigä@ya unter den andern gleichnamigen Landschaften deutlicher bestimmen soll, darf daher nicht mit Hr. Haug (p. 106) als späteres ungeböriges Einschiebsel kurz abgefertigt vom 15. Dezember 1856. 629 werden; — vielmehr weist eben der Umstand, dafs er mit der traditionellen Gleichstellung von Nigäya und Nisäpür in offenbarem Widerspruch steht, auf seinen alten Ursprung, we- nigstens aus einer Zeit da die alten Ortslagen noch wohl be- kannt waren hin. Völlig unbegreiflich bleibt freilich, wie nicht allein Anquetil sondern sogar Burnouf, eben durch die scheinbare Unrichtigkeit jener geographischen Angabe irre gemacht, diesem zweifelhaften Niräya in vorgefalster Meinung für die Örtlichkeit von Nisdpür vielmehr die sichere vierte Position, die auch durch den charakteristischen Beisatz des Zendtextes: „mit hohem Banner” deutlich bezeichnete alte Reichshauptstadt Baktra aufopfern, d. h. das BäXad'r des Ven- didad in einer westlicheren Lage jenseit N’s’äpür suchen konnten. ') Wenn nun die Lage des öten Landes als gesichert angesehen werden darf, so zeigt uns ein Blick auf die im dritten Kärtchen zusammengestellten Ortslagen in den bisher ermittelten deut- lich den Parallelismus zweier von OÖ. nach W., oder genauer parallel dem nordwestlichen Abhange des Paropamisos-Systems, von ONO. nach WSW. laufenden Reihen. Die zweite oder südlichere (4. 5. 6.), unmittelbar am Fulse jenes Gebirges, ist eben deswegen die gedrängtere und kürzere, nur in den obe- ren Thälern des Areios, Margos, Oxos ausgebreitet. Ihr ent- spricht der Stellung nach in der nördlicheren Reihe nur Mitte und westliches Ende 2 Cug’d’a und 3 Möuru, indem der zwi- schen diesen beiden seinen Lauf nach NW. fortsetzende Oxos in diesen Breiten nicht mehr Culturgebiete, sondern. weite Wüstenebenen durchschneidet. Für das noch nicht nachge- wiesene erste Land muls also eine diese erste Reihe noch wei- ter nach Osten oder Nordosten verlängernde Lage in dem !) Beide auch sehr unglücklich in ihren sprachlichen Vergleichungen, denn Bädgis, welches Burnouf als einen dem westlichen K‘orasan angehörigen Landschaftnamen, allerdings nicht ohne Andeutung seines Milstrauens, aus- findig gemacht hat, ist ein Name ebenso rein neupersischer Bildung, wie das von Anquetil angeführte Zalkhän am kaspischen Meere ein rein tür- kischer. Zur Vergleichung der Ortslagen sind beide Namen auf dem ersten Kärtchen eingetragen. 630 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Schneegebirge des Belur- Tagh und den alpinen Quellgebieten des Oxos und Jaxartes gesucht werden, wie sie die Schilde- rung der heiligen Urkunde von dem zweimonatlichen Sommer, dem zehnmonatlichen Schnee in Airyanem Vaeg'ö verlangt. In der That ist diels seit Rhode’s Vorgang '), der zuerst in diesem Punkte die Autorität der parsischen Tradition verliels, die allgemein angenommene Ansicht), der ich nur darin nicht beistimmen kann, dafs sie in jenen auch heutzutage wie im Alterthum von türkischen Hirtenstämmen nur zeitweise be- wohnten schneereichen Alpengegenden die wirkliche historische Urheimath der arischen Menschheit erblickt, und nicht viel- ') Die heilige Sage des Zendvolkes p. 85. *) Entsprechend ist auch der Name in der dem Bunsenschen Werke beigegebenen kleinen Karte gestellt, obwohl in Widerspruch mit Hrn. Haugs ebenda p. 110 ausgesprochener Ansicht, die eine „weit über den Jaxartes hinaus im tiefsten Norden liegende Gegend” als eigentliches Ur- Arierland (Airyane'm-Vaeg'ö) verlangt. Wollte man diefs wörtlich verstehen, so würde man ein den klimatischen Bedingungen entsprechendes Land bei der vorherrschend ebenen Gestaltung des nordwestlichen Asiens erst in den Wüsteneien des nördlichen Sibiriens antreffen, aulserdem aber auf diesem Wege, und zwar in unmittelbarer nördlicher Nachbarschaft von Sogdiana (Cug‘d’a) ein diesem ähnliches reiches Culturgebiet, das unter dem Namen Fergäna im Mittelalter berühmte mittlere Jaxartes- Thal durchschneiden müssen, welches bei jener Annahme nothwendig in der Stralse der Wanderungen der Arier gelegen, also in der Aufzählung nicht hätte dürfen übergangen werden. Die jetzige, unter der Herrschaft des uzbekischen (türkischen) Adels von X’ökand ihre persische Sprache und Sitte bewahrende ackerbauende und handwerktreibende Tagik-Bevölkerung dieses Landes wird daher eben so gut, wie die der Culturgebiete Ost-Tur- kistäns jenseit des Belur Tagh, in X'as’g’ar, Jarkand, K'otan u. s. w. späterer Einwanderung zuzuschreiben sein, und nicht, wie Hr. Lalsen und Hr.Bunsen für die letztere anzunehmen geneigt sind, als sitzen geblie- bene Reste einer uralten arischen Einwohnerschaft angesehen werden dür- fen. Gegen diese Ansicht spricht auch bestimmt genug das vollkommene Stillschweigen der griechischen Berichte, welche die Südhälfte Ferg’änas nicht einmal unter eigenem Namen (wie man ihn für ein ursprünglich ari- sches von Sog d durch eine Gebirgskette getrenntes Land erwarten sollte) sondern nur als ein wenig angebautes zu Sogdiana gerechnetes Grenzgebiet des persischen (später des baktrischen) Reiches gegen die jenseit des Jaxartes hausenden Skythenvölker kennen. vom 15. Dezember 1856. 631 mehr eine blofse Durchzugsstation auf der grolsen arischen Völkerwanderung aus Osten nach Westen. Eine solche, wie sie mit allen Schrecknissen ihrer Alpenpässe und ihrer ausge- breiteten von den Culturgebieten im Westen aus sichtbaren Schneelager, von den Ariern vor ihrer Ankunft in den neuen westlichen mit Sogdiana beginnenden Wohnsitzen überwunden - werden mulste, konnte leicht mit der in fernes Dunkel zurück- getretenen östlichen Urheimath, dem verlorenen Paradiese, der ersten Musterschöpfung Ahuramazda’s in eine unbestimmte my- thische Vorstellung zusammenflielsen. Nach Analogie der nunmehr so weit als möglich in ihrer geographischen Lage gesicherten ersten sechs Namen dürfen wir für die sechs folgenden, von denen die Hälfte als zweifel- haft angesehen werden darf, wiederum die Vertheilung in zwei Reihen voraussetzen. In der That zeigt sich ein entsprechen- der Abschnitt, wo wir ihn erwarten müssen, zwischen 9 und 10, _ indem 10 Haragaiti (Arachosien) und das ihm benachbarte 41 Hadtumat (das Thalgebiet des heutigen Hilmend, des Ety- mandros der Griechen) dem Osten Iräns angehören, während 9 Vehrkäna, wenigstens nach der bisher als sicher ange- nommenen Erklärung, Hyrkanien der Griechen, Gurgän der Neuperser an der Südostecke des kaspischen Meeres, ein west- liches Grenzland mit dem die dritte Reihe schliefst bezeich- net. Diese Beziehung auf den Westen, wodurch 9 und 10 ihrer geographischen Stellung nach ziemlich weit getrennt werden, ist Hrn. Haug unwahrscheinlich vorgekommen, und geleitet durch das Bestreben, in der Reihenfolge einen fortlau- fenden Faden geographischer Anreihung zu finden, hat er für die an 9ter Stelle genannten Namen, eine zu der Lage der Länder 7, 10 und 11 besser passende Stelle im Osten Iräns zu ermitteln gesucht. Denn wie schon oben erwähnt, haben wir hier einen der drei Doppelnamen unserer Quelle; der 9te Segensort wird genannt: Ä'nenta dieLage(Wohnung)von Vehrkäna. Gegen die Analogie von GäuL.v.Sug'd’a, wo gleichfalls der bekannte Landesname die zweite Stelle einnimmt, ist Hr. Haug geneigt, das erste Wort K'ne’nta für den Landes- namen zu halten, dessen Spur er, allerdings ziemlich entstellt, nach Anquetils Vorgange in dem mittelalterlichen und heutigen 632 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Namen Kandahar zu finden glaubt. Der zweite Namen Yehr- käna soll dann eine specielle Localität in diesem Lande K'ne'nta, und zwar hier einen Flufs (I. c. p. 128) bezeichnen; eine Vermu- thung, welche sich wohl nur auf die Gleichnamigkeit des hyr- kanischen Flusses Gurgän-rüd stützt. Dals aber sogar dieser angebliche Flulsname sprachlich, wenn auch in arger Ent- stellung, in dem heutigen Namen des Flusses von Kandabar, angeblich Urgand-äb, wiedergefunden wird, müssen wir uns erlauben als eine aus unzureichender Quellenbenutzung her- vorgegangene Verwechselung zu bezeichnen. Denn Urgand-ab, wie Hr. H.den Namen aus Ritter') anführt, ist die nach der Weise dieses Werkes treu wiedergegebene Schreibart der eng- lischen Quelle, in welcher der Anfangsvocal nicht den deut- schen Laut u (sonst würde Oo geschrieben sein), sondern nach der gewöhnlichen englischen Umschreibungsart den im neu- persischen so häufigen dumpfen Laut des Fatha bezeichnet, in deutscher Schreibart also mit a wiedergegeben werden muls, wie denn in der That ein neuerer und vollständigerer engli- scher Bericht mit mehr systematischer Orthographie denselben Namen Arghandab schreibt?). Der Fluls selbst aber ist, wie wir aus diesen Zeugnissen von Augenzeugen verglichen mit den Angaben der Griechen erfahren, kein anderer als der alte Arachotos (Haragaiti) und diesem Namen liegt auch die moderne Form viel näher, als jenem nur durch etwas gekün- stelte Vergleichung gewonnenen Vehrkäna°’). Da nun diese Stelle bereits durch den 10ten Namen des Verzeichnisses ein- genommen ist, so bleibt hier für den 9ten kein Platz und es fällt jeder Grund weg, denselben aus seiner durch treue Be- wahrung des Namens Vehrkäna bei Griechen und Neupersern ‘) Erdkunde VIII. 160 nach Elphinstone und Arthur Conolly. ?) Edward Conolly, in Journal of the Asiatie Society of Bengal 1840 p- 712. ?) Argand enthält, bei den im Neupersischen gewöhnlichen Erschei- nungen der Erweichung alter tenuis in media und des Überganges von v in g alle Consonanten von zd. Haragailti, altpers. Harauvali, aufser der abgefallenen Spirans im Anlaute;, überdiefs stimmen die Vocale über- ein, nur dafs der zweite wie so häufig bei folgender Dentale, nasalirt er- scheint. vom 15. Dezember 1856. 633 (Hyrkania, Gurgän) gesicherten Lage am kaspischen Meere zu verdrängen. Schwieriger zu localisiren sind die drei noch übrigen Na- men, von denen nur einer bekannt lautet: No. 12. Rag’ä, ge- schrieben genau wie in Dareios Inschriften und kaum anders auch im Griechischen ‘Pay«ti, die Hauptstadt des nördlichen Mediens, welche auch in ihrem mittelalterlichen Glanze und in ihren Ruinen bis heute den Namen Räi bewahrte. Diese nord- östliche Landschaft Mediens unter dem Elburz, die “"Payıcvy _ der Griechen ist deshalb für gleichbedeutend mit dem 12ten Segensorte Ahuramazda’s im Vendidad nach dem Vorgange der - parsischen Tradition von allen Erklärern unbedenklich genom- men worden: auch von Hrn. Lalsen, doch in Widerspruch (wie ein Blick auf die Karte zeigt) mit seiner unmittelbar bei- gefügten und nach meinem Dafürhalten völlig begründeten Behauptung, an Länder im Westen der grolsen Wüste sei im Vendidad gar nicht zu denken. Mit der von mir versuch- ten Anordnung vollends zeigt sich jene Annahme bei der wei- ten Entfernung zwischen Hilmend und Räi (die der Folge 11 — 12 entsprechen würde) ganz unvereinbar. Der Umstand jedoch, dals die Tradition auch in andern Fällen, namentlich in der Gleichung von Nigäya und Nisapür, nur durch Laut- ähnlichkeit geleitet, offenbar fehlgegriffen hat, führt sehr na- türlich auf die Frage, ob nicht ebenso gut wie mehrere Ni- gäya auch verschiedene Orte des Namens Rag'ä bestanden haben können, und ein anderer durch seine Lage der Ordnung des zendischen Verzeichnisses besser entspreche? Die Antwort ergiebt sich aus Ptolemaeos und Isidoros von Charax, von de- nen letztgenannter durch Angabe der Entfernungsmalse die Lage von ‘Payaö im östlichen Parthien ziemlich genau be- stimmt, während ‘Pay«i« nach Ptolemaeos geringere Sicherheit gestatienden Gradzahlen wonicht mit jener zusammenfällt ‚doch sicher in dieselbe Gegend gehört'). Die Landschaft in welche diese Orte fallen, die mittlere Thalstufe des Heri Rüd (Areios) mit ihrer reichen Fruchtebene, deren Mittelpunkt die "Hauptstädte alter, mittler und neuer Zeit, Parthaunisa, Tüs '‘) Vergl. das dritte Kärtchen, 634 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse und Mes’hed bezeichnen, dürfen wir ihrer geographischen Stel- lung nach in einer so speciellen Aufzählung ostiranischer Land- schaften wie der des Vendidad nicht übergangen erwarten, aber auch nicht unter dem Namen erwähnt unter dem sie uns in späte- ren Berichten der Historiker und Geographen genannt wird, nämlich als östlicher Theil von Parihia oder Parthyene (Parfuva der Dareios-Inschriften). Denn wohlbeglaubigte Überlieferung lehrt uns diesen Namen als einen unarischen, mit dem Nomadenvolke der Parther selbst aus den Steppen Türäns in historischer Zeit bier eingedrungenen kennen, daher grade die Nichtnennung desselben ein Zeugnils für das hohe Alter der Aufzeichnung solcher Stücke des Avesta abgiebt;') wohl aber darf Rag’& (und wie wir weiterhin zeigen werden, vielleicht auch Uroä) als alter arischer, durch den Parther- namen später verdrängter Name ihrer Landschaft angesehen werden. Dals nun die hier vermuthete Lage dieser 12ten Land- schaft, welche von der 1iten kaum halb so weit als Räi in Medien entfernt liegt, zu unserer ganzen Anordnung vortreff- lich palst, wird aus der Ermittelung der beiden noch fehlenden Länder der 3ten Reihe sich ergeben. Von diesen hat wenigstens eines, das 7te der ganzen Auf- zählung, wenngleich sein Doppelname: Faekereta Woh- nung von Duzaka ein amaE eionlevov bleibt, durch die Wort- bedeutung jener Namen („verunstaltet” oder „wüst” — und „Trauerort, Hölle” oder in späterem Gebrauch geradezu „schlecht”) und die beigefügte Bezeichnung als Wohnsitz der Ahrimansgeschöpfe, der Pairika, sich dem Scharfsinne Bur- noufs und Lassen’s erschlossen als das gefürchtete von Dä- monen (Pairika, neup. Peri, Feen) bewohnte Wüstenland an der Südgrenze des arischen Culturlandes, welches als Gebiet nomadischer Parikanier (Pairikadiener, Feenanbeter) schon He- 1) Hr. Haug (bei Bunsen, p. 109) will die Parther finden in einer Aufzählung von Ländern, die in einem allerdings weit späteren zendischen Buche (in den Fes’t) vorkommt, wo neben Qdirize'm (Qarazmiya, Xordowio, neupers. K'ärizm am untern Oxos) Cug da, Möuruu.a. auch Pöuruta genannt werden: doch scheint Lalsen’s Erklärung dieses Na- mens als „Gebirgsbewohner” nämlich des Paropamisos, in der Gegend wo auch Ptolemaeos die Iazpufrx: ansetzt, weit näher zu liegen. vom 15. Dezember 1856. 635 rodot bekannt ist, und an dessen Östgrenzen, in geschütz- teren Thälern des südafghanischen Hochlandes der Pericultus ihr Andenken bis auf den heutigen Tag erhalten hat'). Durch den Nachweis des in Verbindung mit der Pairika genannten ‚altiranischen Helden K£regäcpa (neup. Gersasp) als Ahn- _ herrn der mythischen in Segistän herrschenden Dynastie, hat Hr. Haug jene Beweisführallg verstärkt und das gesuchte Ge- biet näher begrenzt. Diese dem Parikanierlande nördlich be- "nachbarte Landschaft ist durch das Binnenseebecken, welches _ seine tielste Stelle ausfüllt und die Gewässer des Ha&tumat E ehiimena) und seines Zuflusses Haragaiti (Argand-äb) und an- _ derer von der Gebirgsscheide gegen Herät herabkommender Flüsse aufnimmt, ohne sie anders als durch starke Verdunstung zu verlieren, deutlich als der tiefsteingedrückte Theil des ira- nischen Hochlandes bezeichnet; in Folge dessen hat es unter “allen Landschaften Ostiräns das heilseste Klima und in weiter "Ausdehnung seiner einst in viel grölserem Umfange vom Was- ‚ser bedeckten Sandebenen Wüstennatur, doch oasenartig unter- brochen von üppiger Fruchtbarkeit, so weit das lebenspendende Element der Stromadern zu künstlicher Bewässerung ver- ‚breitet werden kann. Daher wurde es eben sowohl wie Par- hien Ziel der Eroberung von Norden her eindringender Nomaden- "horden; speciell als Wohnsitz eines Stammes der Saken be- eichnet es der seit dem ersten Jahrh. n. C. gebräuchliche Lan- desname Cakasthäna (Zazarraın bei Isidoros Char. und Ptol.) aus dem die neueren Formen Segistän und Seistän hervorge- gangen sind; aber auch der frühere von Geographen und Hi- torikern bis zu Herodotos hinauf überlieferte Landes- und olksname Ayayyızun, Zagayyaı, Zeoeyysis (Zaräka der Inschrif- ) wird bier nicht der ursprüngliche gewesen sein, da er %) In Pis’in (vgl. das 2te Kärtchen) nach Conolly’s Bericht. Doch darum gerade bis zu diesem vereinzelten Orte der Beobachtung auch die te Grenze des Feenlandes Vaeke’re’ta auszudehnen (wie Hr. Haug will, a. a.O. p. 113) möchte kaum gerechtfertigt sein, da jener Cult, dessen Nachhall in dem allgemeinen persischen Volksaberglauben überall fort- klingt, eine viel weitere Verbreitung sicher einst gehabt hat, vielleicht auch jetzt noch haben mag, ohne dafs unsere, über jene Länder immer noch höchst fragmentarischen Berichte bis jetzt davon sprechen. [1856.] 48 636 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse sonst in der Aufzählung des Vendidad nicht wohl fehlen könnte, sondern mufs erst nach der Zeit, welcher diese alte Urkunde angehört den eigentlichen Landesnamen, sei derselbe nun in Vaekereta oder in Duz’aka enthalten, verdrängt haben. Dafs der zweite Name, ungeachtet die unvollständigen Berichte der Griechen keinen ähnlichen kennen, doch bis heut fast un- verändert in Duz’äk, wie die Ruinen einer alten Hauptstadt Segistäns nahe der Mündung des Hilmend in den See genannt werden, sich erhalten hat, wie schon Ritter und Spiegel bemerkt haben, darf nun als ein Beweis mehr für die Siche- rung des 7ten Landesnamens in jenem Mittelpunkte Ost-Iräns angesehen werden. Da nun die Lage des I9ten Gebietes, Yehrkäna, als eben so sicher ermittelt gelten darf, so ist es am natürlichsten, das 8te mit dem sonst gänzlich unbekannten Namen Ureä, we- nigstens in Übereinstimmung mit der Wortbedeutung: „Breite, Weite,” und mit dem erläuternden Zusatze des Textes: „‚das reich an Weiden ist” auf dem Rücken des Hochlandes sich ausdehnenden Ebenen des westlichen Parthiens der Alten oder K’örasän’s der Neuperser zu verlegen: ein Gebiet, welches allerdings nicht, wie die übri- ‚ in die zwischen Segistan und Gurgän gen bisher aufgezählten, durch die Wasserfülle eines grölseren Flusses als ein Ort des Segens ausgezeichnet, gleichwohl auch noch heut als ein fruchtbares, mit bedeutenden Städten wie Tebbes, Bihrgän u. a. bis an den Rand der Wüste besetztes bekannt ist. Es zeigt sich beim ersten Blick auf die Karte, wie unge- | zwungen die so ermittelten Ortslagen die in der ganzen Auf- zählung vorausgesetzte Symmetrie ergeben: wie in der ersten Hälfte der ersten 12 Namen, welche das nordwestlich von den Hochgebirgen des Paropamisos sich abdachende Gebiet um- schliefsen die ersten 3 Länder eine äufsere Reihe an der Grenze der nördlichen, turänischen Wüsten, die folgenden 3 eine in- nere Reihe am Fulse des Gebirges selbst bilden, so umfalst die zweite Hälfte das Gebiet der südlichen und westlichen Ab- dachung und es geht wiederum in der ersten Reihe von 3 Län-f dern (7. 8. 9) das äufsere Grenzgebiet am Rande der grolsen Wüste voran; es folgen in zweiter innerer Reihe (10. 11. 12) vom 15. Dezember 1856. 637 die höhergelegenen Tballandschaften am Fufse des Gebirges. Diese ganze Anordnung aber ist nur verträglich mit der oben nachgewiesenen Stellung des 12ten Landes Ragz im Osten der 3ten Reihe und würde sich in Unordnung auflösen, wenn man fortfahren wollte dasselbe im fernen Westen im medi- schen Ragae zu suchen. Neben dem Leitfaden der Reibenfolge hat uns die sichere Stütze, welche geographische Zeugnisse für die Fortdauer der Namen gewähren, bisher aufser dem halb mythischen Urlande im Begion, nur in einem Falle ganz verlassen: bei dem 8ten Namen Uroä, der, wenn meine Vermuthung irgend einigen Grund hat, vor den historischen Landesnamen Parthien und K'orasän ganz geschwunden sein mufs. Gerade jenen Na- men aber glaubt Hr. Haug, geleitet durch den Zusammenhang seiner geograpbischen Anreihung, in einem noch lebendig ‚dauernden ostiranischen Landesnamen wiederzufinden: in Kä- bül, dessen Laute er, durch geschickte Vergleichung analoger neupersischer Wortbildungen auf die Wurzel des Namens Uroä, das skr. uru, zd. vöuru „weit, breit” zurückführt. ‚Allein auch abgesehen von dem Übelstande, dals die Bezeich- nung durch „‚Breite”, während sie mit meiner Ansetzung des 8ten Landes trefflich übereinstimmt, kaum auf irgend eines unter allen iranischen Ländern weniger palst, als auf das ver- hältnilsmälsig enge Hochthal von Käbül: so ist jene Etymologie auf keine Weise zu vereinigen mit der uns glücklicherweise “erhaltenen älteren Form jenes Namens. Mit vollem Rechte nämlich ist von älteren Forschern, wie Heeren und Mannert die baktrisch-indische Grenzstadt Kaspapyros (wie wir mit Hekataeos statt des Kesmarvgos der Handschriften auch bei He- rodotos lesen müssen), von wo der erste westliche Erforscher des Indos, Skylax von Karyanda, seine Fahrt gegen Osten beginnt, in der diesen Andeutungen allein entsprechenden Lage der jetzigen Stadt Kadbü/ gesucht worden. Obne A. W. Schlegel’s Erklärung jenes Namens durch das indische Kagya- _ papura (Stadt des Kagyapa) anzuzweifeln, kann man doch die - daran geknüpfte, seitdem von allen Nachfolgern als ausgemacht angenommene Gleichstellung jener herodotischen Stadt mit Kagyapamira, dem heutigen Kasm’r, nicht gelten lassen, As*® ! 638 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse da sie so bestimmt ausgesprochenen geographischen Daten wi- derspricht. Ja es mag woch fraglich erscheinen, ob überhaupt die Zurückführung beider Namen auf den mythischen Heros Kacyapa irgend welchen historischen Grund hat und nicht vielmehr in das Gebiet der auch in Indien nicht seltenen Volksetymologien gehört, welche dem Bestreben unverstande- nen Namen einen Sinn unterzulegen ihr Entstehen und ihre mythische Begründung verdanken. Wenigstens liegt die Form | Kaszerugos dem Volksnamen der Kaspier näher, die schon Herodot als Nachbarn der Saken in der nordöstlichen Gebirgs- grenze Iräns kennt, und die von den Kaspiren welche die spätere Autoren als Bewohner des Kacmira - Thales kennen, schwerlich verschieden sind.. Wenn nun aber aus ursprüng- lichem Kagyapamira (nach E. Burnouf’s Erklärung) die seit dem Mittelalter herrschende Form Kagmira verkürzt werden konnte, warum nicht auch aus Kagyapapura eine analoge Form Kag- pura, deren weitere Abschleifung in die ein halbes Jahrtau- send später von Ptolemaeos überlieferte Form K&ßovpe viel- leicht genügend durch die Thatsache erklärt wird, dafs in der Zwischenzeit diese ganzen Bergländer Ost-Iräns, die Gebiete des Überganges nach Indien, von turanischen Stämmen (den Indoskythen der Alten) überfluthet worden waren, in deren Mundart, wie die Münzaufschriften ihrer Könige zeigen, die arischen Namen und Wörter zum Theil noch gewaltsamere Verstümmelungen erlitten haben. “ Fällt nun aufser der lautlichen Übereinstimmung auch der Grund der geographischen Nachbarschaft zwischen dem 8ten, | Iten und 10ten Lande weg, nachdem wir dem 9ten seinen früher behaupteten Platz wieder gesichert haben, so verdient höchstens das für die Gleichstellung von Urvä und Käbül spre= chende Nebenmotiv noch erwogen zu werden, welches schon früher die parsischen Erklärer bestimmt zu haben scheint Kä- bül in dem ihnen eben so unbekannten 7ten Namen Facke- reta zu finden: dafs nämlich ein als Übergangsgebiet von Irän zu Indien so wichtiges, als Sitz alter civilisirter Reiche be- kanntes Land wie Käbülistän in den Ursprüngen des Volkes, wie der Vendidad sie uns enthüllt, nicht füglich übergangeig sein könne. Geben wir die Berechtigung dieser Voraussetzung Pi " ee Re | ar a AR5 639 zu, so bleibt uns nur übrig, Käbül in einem der letzten 4 Län- der zu finden, durch die wir noch entschiedener, als in der 4ten Reihe, dem Osten Iräns zugeführt werden. Denn die Bedeutung des 15ten Namens, Hapta He’'ndu, „die sieben Ströme” d. i. der Indos (Sind’u) mit sechs Nebenströmen, ist keinem Zweifel unterworfen und nur die untergeordnete Frage, ob jene 6 aufser den bekannten 5 Strömen des sogenannten Pank’anäda (Peng’äb) bis zur Gatadrü östlich, noch die heilige Sarasvali, oder etwa den kleinen östlichen Indoszufluls Suvarna _ (Soan) oder gar die von Westen kommende Kub‘ä, (K»®yv) den Flufs des käbülischen Hochlandes ') begreifen, wird wohl _ unentschieden bleiben müssen. — Nach Analogie der in den ersten 12 Namen befolgten Anordnung dürfen wir nun auch in den 3 letzten eine zusammengehörige Reihe, also in 13 und 44 westliche Nachbarländer Nord-Indiens, östliche Grenzländer Iräns erwarten. Und in der That deutet das vom Vendidad dem 13ten Lande K’ak'ra beigelegte ahrimanische Übel: die “nach iranischem Glauben sündliche Gewohnheit des Verbren- nens der Todten, so bestimmt auf indische Eigenthümlich- keit, dals man nicht ohne Verwunderung Hrn. Haug auf die- sen Punkt durchaus kein Gewicht legen, und nach dem Vor- gange der Parsi-Tradition mit dem 13ten und 14ten Lande die westlichen Grenzen Irän’s erreichen sieht.?) Die Gründe da- für erscheinen allerdings kaum von grolsem Gewicht, zumal bei dem 13ten Namen K’akra, da das von der Huzüres’ Über- selzung als gleichbedeutend gesetzte, sonst nirgendwoher be- kannte K’ark nur ganz allgemein ein Ort in K’örasän — ein schon im persischen Mittelalter sehr weit umfassender, fast gauz Öst-Iran begreifender Landesname, — genannt wird. Be- stimmter allerdings lautet die Tradition in Betreff des 14ien | Landes, Yarena das viereckige, welches unser Zendtext selbst als Geburtsort des Z'ra&tao'nd, des Besiegers der __ 1 *) Welches Bunsen p. 96 und Haug eb. p. 118 für ausgemacht halten. ?) Bemerkt hat dies allerdings sein Vorgänger auf diesem westlichen _ Wege, A. Hölty (in seinem sonst wenig bedeutenden Buche Dsjemschid und Zoroaster) der freilich, indem er jene Worte als spätere Glosse ge- - strichen wissen will, mit der Schwierigkeit leicht fertig wird. 640 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Schlange Dahäka bezeichnet; denn der Demäwend Vulkan im Norden Mediens als Wohnung der Schlange Zöhäk und das benachbarte Bergland Taberistän als Vaterland des Hel- den Fr&dün (T'ra&taö’nö) gelten nöch bei den heutigen Persern und schon von der Hüuzüres’- Epoche her als Glaubens- artikel. Was aber Hr. Haug') noch ferner zur Unterstützung dieser Tradition beibringt: die Zusammenstellung mäzani- scher und varenischer Da&vas in den Yests, könnte selbst wenn die Deutung von mäzainya auf Mazenderän erwiesen wäre, ebenso gut von feindlichen Gewalten, die von beiden Grenzen, der westlichen und östlichen her drohen, verstan- den, also vare'nya auf die Lage Fare'na’s im Osten bezo- gen werden. Immer aber zeugt für Fredün’s Heimath hier im Westen nur eine späte, wie in so vielen Fällen nach Ver- lust der alten Überlieferung auf neue Locale übertragene Form der Mytlie, und wenn Taberistän und Mazenderän und beson- ders der Demäwend auch sonst im allgemeinen persischen Völksglauben als Sitz der Dä&va, der Geschöpfe Ahrimans er- scheinen, so hat dies nicht nur mit Vare’na nichts zu thun, sondern palst überhaupt nicht zu dem Chärakter eines arischen von Ahuramäzda geschaffenen Segenslandes. Wenn nun damit übereinstimmend in den griechischen Berichten die Bewohner dieses nördlichen Gebirgslandes, das Mediens Hochebenen vom Kaspischen Meere trennt, die Tapurer, Amarder, Kadusier, Gelen, Elymäer,?) als unbändige, räuberische, mit Persern und Medern beständig im Kriege liegende Bergvölker von rohesten Sitten geschildert, wenn namentlich die wilden Bewohner des westlichen Giläin von Geographen und Historikern geradezu mit dem Namen "Avagıdzaı (Anairyaka „die unarischen”) bezeichnet werden, — welche Berechtigung darf man dann einer Ansicht zugestehen, ?) welche Gilän und Mäzanderän für ‘) Bei Bunsen p. 117. *) Alles Namen, die wie die benachbarten Kaspier, Utier, Parner, Saken, Massageteh, in weit entlegenen Landstrichen, im Kaukasos, in Bak- - trien, im inneren Skythien wiedererscheinen: ein zähes Festhalten am Stammnamen nach weiter Wanderung welches hier überall als charakte- ristisches Merkmal turanischer Abstammung angesehen werden därf. *) Bunsen a. a. ©. p. 97. vom 15. Dezemder 1856. 641 den „Kern der arischen Besitzungen”, Medien überhaupt für das ausschlielslich arische Land — oder einer Etymologie, welche den nicht ganz unbedeutenden Sprung von Taberistän im SO. nach Gilän im SW. des Kaspischen Meeres, und die Grund- verschiedenheit der Vocale in den zwei Namen nicht beach- tend, Gildän für sprachlich identisch mit Fare’na ausgiebt? Dafs durch solche Anordnung das 14te Land in räumliche Nähe des 12ten (nach der herkömmlichen Erklärung als Räi in Me- dien) und des ganz hypothetischen 13ten gebracht wird, kann kein Gewicht haben gegenüber den Sprüngen, welche uns von 11 zu 12 über die halbe, von 14 zu 15 sogar über die ganze Länge Iräns, von der westlichen zur östlichen Grenze des Arierlandes, zugemuthet werden, und welche, gegenüber der von 1 bis 11 strenger bewahrten geographischen Folge, durch die Vermuthung, es sei in den letzten Namen vielmehr die ehronologische Folge der Verbreitung iranischer Cultur mals- gebend gewesen, keineswegs begründet erscheinen. Denn wie soll, möge man die Abfassung der ersten später mannigfach er- weilterten Grundschrift dieses Abschnittes noch so weit, mit Haug selbst vor die Epoche der Ausbreitung des Assyrier- - Reiches im 13ten Jahrhundert hinaufrücken '), damals noch eine bestimmte Erinnerung der um Jahrhunderte, ja vielleicht um - Jahrtausende früher erfolgten Besitznahme durch die Arier er- halten gewesen sein? Dals diese Einwanderung — anstatt von einer ursprünglichen Richtung her bald getheilt, und gleich- ‘) Dies wird p. 108 aus der Bezeichnung von Bak'd'i als Reichs- - haupistadt durch das Prädikat „mit hohem Banner” geschlossen — meines - Erachtens nicht einmal mit Nothwendigkeit, da zwar die Eroberung Bak- tra’s durch die Assyrer, keineswegs aber die Dauer dieser Herrschaft be- zeugt wird, vielmehr die Natur aller asiatischen erobernden Reiche und die bekannteren Schicksale der Westländer eine bald nachher erfolgte Ablö- sung der entfernten Eroberungen von dem Hauptlande in folge nationaler _ Reaction erwarten lassen; von einer solchen (etwa im 10ten oder 9ten - Jahrhundert) die ganze unter Zarathustra’s Namen auftretende religiöse Reform und die wieder selbständig gewordene Macht der Kajanischen Dynastie herzuleiten, möchte gerathener sein, als dieselbe in so ganz vor- historische Zeiten, denen man immerhin die Pisdädier überlassen mag, hinaufzurücken. 642 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse zeitig nach verschiedenen Seiten, nach Osten, Süden und Westen vorrückend, — vielmehr nach Raum und Zeit einfach in einer fortlaufenden Linie erfolgt sein könne, und dafs so- gar ein Denkmal dieses allmäligen Vorgangs eben in unserer Vendidad-Urkunde und ihrer numerisch geordneten Aufzählung erhalten sei, scheint mir eine unglücklich spitzfindige, durch keinerlei Andeutung des Textes im geringsten gerechtfertigte Hypothese Rhode’s,') welche ich bedaure von mehreren der folgenden Erklärer allzuleicht aufgenommen, aber nirgend wei- ter bewiesen zu sehen. Vielmehr scheint es mir gerathen bei derjenigen Ansicht stehen zu bleiben, welche eine Umschrei- bung des von den Ariern in völligen Besitz genommenen Erd- raumes durch Nennung seiner einzelnen Theile als den ein- zigen Zweck unserer Urkunde anerkennt. Ausgeschlossen mulsten dann von der Aufzählung diejenigen Länder bleiben, ° in welchen wir Arier blols als erobernden und besitzenden Adel neben unterworfener stammfremder Bevölkerung in histo- rischer Zeit kennen und zum Theil schon in sehr früher Zeit voraussetzen müssen: im Osten wie im Westen, — im innern und südlichen Indien sowobl, wie in Medien und sogar Per- sien — wenn anders letztgenanntes wirklich eine sehr alte arische Eroberung und nicht vielleicht jünger als unsere Ur- kunde ist. Medien aber, das Land im Westen der grolsen Salz- wüste, welche wir oben als die wahrscheinliche Westgrenze des ältesten Ariana bezeichnet haben, zeigt in sprachlichen Spuren, wie ich anderwärts erinnert habe), unarischen Ein- ‘) Rhode die heilige Sage des Zendvolkes, p. 69, ebenso Ritter VIII. p. 31. 35, Spiegel, Vendidad Übers. p. 59, Bunsen p. 88; wogegen bereits Link (Urwelt und Alterthum, Berlin 1821, I. p. 297) und Hölty (Dsjem- schid, Feridun, Gustasp, Zoroaster, Hannover 1829 p. 21) gewichlige Gründe geltend gemacht haben. °) In Kuhn’s Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung Th. I. S. 38 ff. Sogar der Landesname Airyaka „das arische” (die Wurzel des modernen /r&%), könute, wenn ich mich nicht täusche, durch seine adjec- tivische Bildung gegenüber dem Subst. abstractum Airyana „die Arier- schaft” (Haug p. 126) als Gesammtnamen mehr nur das „arisch gewordene oder gemachte” Land bezeichnen, da derselbe Gegensatz sich in Indien, vom 15. Dezember 1856. 643 Aufs, der natürlicher auf Mischung mit vorgefundenen fremden Elementen, denke man an semitische oder an uralt-turanische als auf späteres Eindringen turanischer Völker zurückgeführt wer- den kann. Die Grenze, welche ein so einfaches und zugleich so si- cheres Mittel für Bestimmung nicht-iranischen Ursprungs, wie _ das Vorkommen oder der Mangel des uniranischen Buchstaben 7 in den geographischen Namen ergiebt, soweit diese — in einer für allgemeine Grenzbestimmungen doch hinreichend grolsen Anzahl, — uns durch griechische Vermittelung überliefert sind, und die ich nach diesen Andeutungen auf dem öten Kärtchen eingetragen habe, schlielst wenigstens den grölsten Theil Me- diens im Norden und Westen ebenso entschieden aus, wie sie Persis und das nach bestimmten Zeugnissen der Grie- chen damit sprachverwandte Karmanien — als die einzigen im Vendidad nicht erwähnten Länder — einschlielst. Die neuer- dings mit grolser Sicherheit ausgesprochene entgegengesetzte Ansicht,') wonach der arische Stamm in Persien nur als herr- schend über eine unterworfene Urbevölkerung erscheint, ganz Medien aber ausschlie[slich bewohnt, wird, wie mir scheint, durch Herodots Meldung von den Ariern als älterem Namen der Meder — der ebensowohl nur von der arischen Krieger- kaste Mediens verstanden werden kann — nicht genügend un- terstützt und möchte sich schwerlich überzeugend durchführen lassen. ?) zwichen Aryaka, dem arisch gewordenen Colonielande an der Dekhani- schen Westküste, und Aryavarta, dem „Arier-Kreise” d. i. dem eigent- lichen alten Arierlande im Norden, wiederfindet, #) Bei Bunsen p. 97. ?) Als Motiv für jene Behauptung scheint die aus mehreren Andeu- tungen der Haug’schen Schrift ersichtliche Ansicht des Verf. über das Verhältnifs der ersten und zweiten Art der Keilschrift zu dienen; jene, bis- her einstimmig für altpersisch erklärt, scheint ihm für medisch, diese, deren turanischer Sprachcharakter jetzt gegen jeden Zweifel gesi- chert ist, für persisch, somit die sich dieser Sprache bedienenden Klas- sen des Perservolkes als erobernd eingedrungene Turanier zu gelten. Die entgegengesetzte, von Hrn. Oppert vertretene Ansicht, durch welche der von St. Martin eingeführte später vielfach bestrittene Name medi- scher Schriftart der zweiten Gattung wieder vindieirt und damit der tu- 644 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse In der That scheint also mit den nach vier Reihen ein- getheilten ersten zwölf Namen des Vendidad das ganze irä- nische Gebiet, soweit es in der Urzeit des Volkes in Besitz genommen war, umschrieben zu sein und es hindert nichts, die letzten Namen dem Gebiete des noch nicht so bestimmt, wie durch die religiöse Entzweiung der historischen Zeit ge- schiedenen ost-arischen Brudervolkes der sanskritischen Inder zuzuweisen, zu dessen Umschreibung die Nennung des Tief- landes der sieben Ströme keineswegs ausreicht, da es auch die Stufenländer im Westen des Indus bis binauf zum Scheide- rücken der Westabdachung in sich begriff, da das Gund’ära- Gebiet im heutigen Käbülistän und das östliche Arachosien (das Land der von den Griechen sogenannten weifsen Inder) nicht wie heutiges Tages unter afghanischer Herrschaft über- wiegend iränische sondern vielmehr indische Länder wa- ren.') Die Erwägung dafs gerade diese Grenzländer, in denen sich in uralter Zeit beide Zweige des arischen Stammes, Inder und Iranier, geschieden hatten, den meisten Anspruch haben auf treue Bewahrung der den beiden Nationen nach Inhalt und Wort gemeinschaftlichen ältesten Mythen, unter denen die Ge- stalt des indischen Trita, iranischen T'ra&täo’na und seiner Sippschaft einen der vorzüglichsten Plätze einnimmt, hat auch ranische Charakter des medischen Volkes behauptet wird, erwartet freilich noch ihre wissenschaftliche Begründung, würde aber jedenfalls zu dem von mir oben über medische Namen bemerkten besser stimmen. Mö- gen immerhin die von Herodot als nomadische unter den Persern ge- nannten Stämme (unter deren Namen wir Daher und Marder auch im turani- schen Norden wiederfinden) Turanier gewesen sein, so wäre es bei einem vorherrschend unarischen Charakter des ganzen Volkes doch unerklärlich, dafs sämmtliche aus dem alten Persis von den Griechen überlieferten geo- graphischen Namen (50 bei Ptolemäos und etwa 12 darüber aus anderen Quellen) in dem gänzlichen Mangel des Buchstaben A das streng iranische Lautgesetz aufweisen. In der einzigen Ausnahme, dem von Herodot ge- nannten Namen des persischen Stammes IlavbaAaicı, den ich lautlich in dem heutigen Fahliydn, einem Thalgebiete an.der Grenze Susiana’s wieder zu erkennen glaube, dürfte wenn anders die Lesart sicher steht vielleicht der Einflufs der semitischen Nachbarn der Westgrenze vermuthet werden. !) Lassen, Ind, Alterth. I, 421 ff. vom 15. Dezember 1856. 645 allein schon den geistvollen Erklärer jener Bruchstücke ältester arischer Religion, Hrn. Roth dahin geführt, die angebliche Heimath jenes zum Helden der iranischen Sage gewordenen Gottes, Yare'na ‚im Südosten der arischen Ländermasse, auf den Grenzen des alten Gedrosiens und Arachosiens”’) zu su- chen, und dessen Übertragung nach dem Westen Iräns, nach den Hochgebirgen Mazanderän’s der spätesten euhemeristischen Umgestaltung persischer Sage zuzuschreiben. Durch diese höchst wahrscheinliche, in Hrn. Haug’s Erklärung nicht be- rührte Deutung wird, wie mir scheint, Hrn. Lassen’s ebenso glückliche Combination des Namens Yare'na mit dem in chi- nesischer Umschreibung identischen Fa-la-nu, welches uns der buddlistische Pilger Hiuan Ts’ang im 6ten Jahrhundert als ein Reich im Süden Käbüls kennen lehrt ?), völlig gesichert: die Mafsangaben jenes Autors treffen, soweit die auch bis auf die neueste Zeit noch sehr unvollständige Erforschung des Lan- des zu schlielsen gestattet, auf das heutzutage innerhalb Käbü- listän’s gelegene, von den Gebirgsketten des Kühi-Suleimän umschlossene obere Thalgebiet des Gömal, des einzigen be- deutenden westlichen Induszuflusses südlich vom Käbülstrome. Denselben Flufs, leider ohne seinen Namen zu nennen, kennt schon Ptolemaeos?) und bezeichnet seinen Ausfluls zum Indos in der Südoste Arachosiens, d. i. in derselben Gegend, wohin er die Völkerschaft der ’Ewgir«: stellt, die ebenfalls schon Roth wohl mit Recht als Repräsentanten eines einheimischen Lan- desnamens Fara (griechisch umschrieben ’Ewg«) gleichbedeu- tend dem daraus abgeleiteten arena angesehen hat. So bleibt uns denn für den allein noch nicht unterge- brachten 13ten Namen K’ak’ra keine andere Stelle übrig als ') Zeitschr. d D. morgenl. Gesellschaft, II. p. 219. Die als Neben- motiv angeführten angeblich durch rechtwinklig sich schneidende Gebirgs- ketten gebildeten, den „vier Ecken” des Zendtextes entsprechenden Gebiete wollen freilich bei unsrer dermaligen Unkenntnifs der Configuration jener Gegenden wenig bedeuten und scheinen eher aus älterer, auf Ptolemäos unzuverlässigen Daten beruhender Kartenanschauung herübergenommen. *) Lassen, Ind. Alterth. I p. 426. ’) VI. 20. "Apaxweias Iris. "Eußarreı dt eis rar Kupay morauds dme vod "Indoo Eurpemönsvos x. T. A. 646 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse das obere westliche Nebenthal des Indos, das Thalgebiet des Kub’ä (Kwoyv) Flusses und des Gand’ära Volkes, das heutige Käbül, dessen Unentbehrlichkeit in der Aufzählung der älte- sten arıschen Gebiete wir schon oben berührt haben, wenn- gleich wir in Ermangelung jedes sprachlichen ') und sachlichen Anhalts zu den Worten des Vendidad auf eine nähere Begrün- dung verzichten müssen. Jedenfalls past aber diese Stellung allein, wie die Karte zeigt, um die letzte Reihe vollständig zu machen, die mit 13. 14. 15 die umgekehrte Ordnung gegen die vorhergehenden befolgt, von West nach Ost — hier die natürliche Folge, weil sie von den Grenzen Iräns aus in die unbekanntere Ferne hinübergeht. Wir ständen hier am Ende unserer Aufgabe, wenn die Ansicht mehrerer Erklärer sicher begründet wäre, dafs diese 15 Namen das ganze wirkliche Gebiet altiranischer Geographie umfassen und das im Texte des Vendidad noch folgende sech- zehnte Gebiet rein der Mythe angehöre, wieHr. Lassen nur andeutet, Hr. Haug durch seine Übersetzung der Worte upa aodaesu ranhayäo „an den Ufern des Meeres” bestimmter ausspricht, wobei jedoch die Beziehung auf ein bestimmtes Meer oder auf den nach dem Volksglauben die Erde umkrei- senden Ocean freigestellt ist, während Hr. Bunsen ?) geneigt ist die ganze Stelle als späteres ungehöriges Einschiebsel zu beseitigen. Gleichwohl scheint die ältere, nach der Parsi- Tradition von Anquetil und Spiegel festgehaltene Ansicht, ‘) Der von Lassen und Spiegel als synonym aus Firdösi angeführte Name #,;£> (G’ahram, wie im Merägid-el-ittilä I. p. }v“, bei Abulfeda, ed. Reinaud p.!”'}, in Soyüti’s Lubb al-Lobäb p. vP ausdrücklich geschrieben wird, nicht nr K'ihrem, wie nach einem Drucklehler in Turner’s In- dex zu Firdösi gewöhnlich angeführt wird) hat weder sprachlich (we- gen des fehlenden m und der Differenz zwischen A und A) noch sachlich etwas mit X’akra zu thun, da jener Ort sowohl nach der Erwähnung in der Nähe von Istak'r bei Firdösi (ed. Turner Macan III. p- 112), als nach den Berichten der genannten Geographen nach Fars ge- hört: eine Mittheilung, die ich Hrn. Dr. Gosche verdanke. ?) a.a. O.p. 97. u .- Monatsber_ der K. Acad. der Wiss. Dec. 1850. DIE GEOGRAPHISCHE ANORDNUNG DER NAMEN ARISCHER LANDSCHAFTEN IM ERSTEN FARGARD DES VENDIDAD. 1 3 —— ne > ie Dakan BakER, a ae Zu nach H.KIEPERT = wi z nö Reihen zu je Slamen RT Bezerchnet mit an Die Zinze OU bezezchnet die alte Grenz | des Gebretes rein wäaruscher i A Sprachen, ohne den Laut L. NW ©, = "ER En mtnguend Bug I ax z u \ PS \ nm pr U u | / Bädgıs® HAROYU_ Ü Gr Bäldir Burma” Be > ? RR er h \ > z Ni ya nach CHR.LASSEN (4546) « in % concentrischen Reihen bezeichnet mit WE gm 5 Wil 7) co ( RI, M "<, er Mh = A \ = Persepolus = er = Karmanıa S Na talar eo LEN In (& 7 nach M.HAU&G 1% B r J 1856.) o Ne dee Kerhenfolge Bezeschnet nut Geo-Lien Andere On ) | ee | 5. 7 i i FR l 5 Be 5 “= ey IT IE f L f N } Griechische Namensformen sind mit liegender Schrift Namen der neueren Geographre ws Nheoamd geschrieben. Druck v4 Detbners vorm 15. Dezember 1856. 647 welche in Ranha einen wirklichen Namen sieht, nicht nur durch den Zusammenhang gefordert, sondern auch sprachlich begründet nach den auf meine Bitte darüber von Hrn. Gosche angestellten Forschungen, dessen freundschaftlicher Mittheilung ich folgende Bemerkungen verdanke. „Rasä, im Skr. vielleicht zunächst Nafs überhaupt bedeu- tend, ist sowohl ein indischer Fluls, als ein mythischer Strom vgl. Roth zu Yäska’s Nirukta p. 152. Das lautlich entspre- chende Zendwort Ranha kommt auch anderwärts im Avesta als wirklicher Flufs vor: Abän Yes’ p. 63 betet ein Weiser Namens Nawäza zur Ardvigüra, dafs sie ihm helfe, Qapaiiya (Kapisa in Kabul) zu erreichen; er wolle ihr zum Dank „am Wasser welches Ranha” (sc. heilst; avi äpem yam ranham) Opfer bringen; nach demselben Yes’t p. 81 opfert Yagtöfriyäna „an der Aanha”. In diesen Stellen ist die Be- deutung als wirklicher Fluls nicht zu bestreiten.” Für die Bestimmung der Lage geben diese Stellen aller- dings keinen Anhalt und nur die eine sicher erklärte der beiden in der Vendidadstelle bei Ranha erwähnten Landplagen, der Schnee- reichthum, lälst wie bei dem ersten Lande auf eine nördliche Lage schliefsen. Ja man wäre versucht an die Nachbarschaft von Airyanem-va&gö selbst und somit an einen Wiederanschlufs des Endes zum Anfang der ganzen Reihe zu denken, wenn man sich die von 13 bis 15 östlich vorschreitende Reihe, da das östliche Indien jenseits der Gatadrü den Iraniern schwer- lich bekannt war, in nördlicher Richtung jenseits des Himälaya verlängert denkt, so dals die Ranha einen der auch in der in- dischen Mythologie eine Rolle spielenden grofsen Ströme des inneren Hochasiens bedeuten könnte. Aber es wäre vermessen, wo selbst die Worterklärung noch auf so unsichern Fülsen steht, weitere Vermuthungen auszusprechen, und daher wird die Auslassung des 16ten Namens in unserer Kartenskizze ge- rechtfertigt erscheinen. 648 Gesammisitzung 18. Dezbr. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Kummer las Theorie der idealen Primfakto- ren der complexen Zahlen, welche aus den Wur- zeln der Gleichung w"=1 gebildet sind, wenn n eine zusammengesetzte Zahl ist. Hr. Klotzsch theilte eine Abhandlung des Hrn. Dr. Her- mann Karsten mit: organographische Betrachtung der Zamia muricata Willd; ein Beitrag zur Kenntnils der Organisations-Verhältnisse der Cycadeen. Die Abhandlung beginnt mit einer genauen Beschreibung der entwickelten Pflanze, welche nicht allein die zusammenge- setzten Organe und die habituelle Form umfalst, sondern sich auch auf die anatomischen Structur-Verhältnisse ausdehnt, der die Angabe ihres natürlichen Vorkommens in Bezug auf geo- graphische Verbreitung und Bodenmischung vorausgehen. Von den Pollen erzeugenden Blüthenständen wird gesagt: „die in 8 bis 14 vertikale Reihen geordneten, schildförmigen Blätter sind dick-fleischig und tragen auf der unteren Seite des flügelartig verbreiteten Stieles jederseits 10—12 zwei- oder einfächrige Antheren, die bei der Reife an dem Scheitrl in der Richtung des Schuppenstiels zweiklappig aufspringen und den glatten kugeligen Pollen entlassen. Die gipfelständigen, einzelnstehenden, gestielten Frucht- stände erreichen eine Länge von 6” und einen Querdurchmes- ser von 1—1%". Die aufsen braunbehaarten Fruchtblattschilde, denen des männlichen Blüthenstandes in der Form ähnlich, stehen in 5— 8 vertikale Reihen; sie sind gleichfalls gestielt, nicht verwachsen und tragen an der inneren Seite der beiden Ecken des horizontalen Durchmessers jederseits einen eiförmi- gen, meist dreiseitig zusammengedrückten Saamen, der ohne Nabelschnur unmittelbar an dem nicht bedeutend vergröfserten Nabel in horizontaler Lage befestigt ist und mit dem Saamen- munde die Spindel erreicht. Der gröfste Theil des Saamens besteht aus einem stärke- mehlreichen Eiweils, in dessen Axe der cylindrische Embryo N EN ED RA N rn u vorn 18. Dezember 1856. 649 liegt; umbüllt wird das Eiweils von zwei Zellgewebsschichten; zunächst von einer dünnen zerbrechlichen Schale, die aus ver- dickten Zellen besteht, dann von einer dunkel kirschrothen Haut, deren Farbe durch ein (in Wasser und Spiritus unlös- liches, dagegen in fettem Öle etwas lösliches) harziges Öl her- vorgebracht wird, das in sehr kleinen Bläschen enthalten ist. Holzfaserbündel und Gummigefälse durchziehen das Zellge- webe; letztere sondern ein gelbliches Gummi ab; in dem Baste der ersteren, die in sechs Bündel von der Basis zur Spitze auf- steigen, sind gleichfalls Farbestoffbläschen enthalten. Der gerade Embryo hat fast die Länge des Eiweilses; das Würzelchen ist dem Nabel abgewendet und hängt an einem mehrern Linien langen zusammengerollten Faden (Filum suspen- sorium) in der Spitze des Saamens. Die grolsen Saamenlappen sind gleich lang, an der Spitze verwachsen, doch ringsum eingeschnitten, so dals es scheint, es seien 2 freie Saamenlappen vorhanden. Das Keimknöspchen ist zur Zeit der Saamenreife ein klei- ner Kegel mit Haaren dicht bedeckt, das jedoch auf dem Quer- schnitte schon einen Anfang der Bildung der Blätter erkennen läfst, indem das äufsere Parenchym, wie bei der reitenden Knospenlage, eine dunklere dichtere Zellgewebsmasse, das Cam- bium der Gipfelknospenspitze, umschlielst; Spiralfasern bilden sich jetzt noch nicht in demselben, wohl aber in dem Wür- zelchen und den Saamenlappen. Es nehmen die Fasern ihren Ursprung von einem hori- zontalen Ringe von Spiralen, der nach dem Umkreise- zu von einem ähnlichen Ringe von cambialen Parenchymzellen umge- ben ist, durchderen Umbildung sich die Spiral-Fasern vermehren; es bezeichnet dieser Spiralfaserkreis das punczum vegetationis, die Grenze der Wurzel und des Stammes. - Hr. Dr. Karsten geht hierauf zur Entwickelung der Ve- getationsorgane über, bespricht die Vorgänge der Keimung sehr umständlich und bemerkt vom Laubblatte: die Fiederblätt- chen sind mit dem allgemeinen Blattstiele gegliedert, dieselben sind fest sitzend und ruhen auf ovale Kissen, deren freie Oberflächen etwas vorstehen und deren lange Axen mit der 650 Gesammtsitzung Richtung des allgemeinen Blattstieles übereinkommen. Bei ab- sterbenden Blättern fällt die obere Hälfte jenes Kissens mit dem Blättchen zugleich ab. Die Ursache dieser Gelenkbildung nimmt erst bei dem völlig ausgewachsenen Blatte seinen An- fang, bis dahin ist das Zellgewebe an der Trennungsstelie mit dem benachbarten gleichförmig gebildet und mit Chlorophyll angefüllt; dies wird später in einer Zellgewebeschicht, die in der Mitte des Blattkissens eine Platte bildet resorbirt, während dagegen die Zellmembranen anfangen sich zu verdieken. Der ganze Prozels beginnt von dem Umkreise und setzt sich nach dem Mittelpunkte und etwas nach unten fort; beim Austrock- nen werden nun diese leeren, gleichmälsig verdickten Zellen zuerst trocken und spröde und zerbrechen unter der Last des noch feuchten Blattes.” Von der Entwickelung der Reproductionsorgane bemerkt der Herr Verfasser, dals sie zu Anfang der trocknen Jahres- zeit (October bis April) beginnt. ,‚Macht man von einem äl- teren Stamme, der bereits geblüht hat einen Längenschnitt, so sieht man in der Markscheide die Kegelspitze des Faserbündel- cylinders oder wenn es eine Pollenpflanze ist, mehrere solcher Kegelspitzen fast neben einander. Nachdem nun das Faserbündel der künftigen Reproduc- tionsorgane einige Linien ungetrennt verlief, theilt es sich in mehrere kleine Bündel, die das von Gummikanälen durchzogene Parenchym wieder in Mark und Rinde sondern. Die Anzahl ist je nach der Natur des Exemplars verschieden und stimmt mit der Anzahl der vertikalen Blattreiben der Reproductions- organe überein, schwankt also bei der Pollenpflanze zwischen 8 und 13, bei der Fruchtpflanze zwischen 5 und 8. So geordnet verlaufen die Faserbündel eine grofse Strecke parallel neben einander und zwar so lange, wie das Rinden- parenchym gleichförmig cylindrisch fortwächst den Stiel des künftigen Blüthenstandes bildend. Die erste Bildung der Pollen- und Fruchtblätter zeigt nichts Abweichendes von der Entstehung der Laubblätter über- haupt; es ist ein kleiner Wulst cambialer Zellen, die in dem schleimigen Bildungsstoffe eine Anzahl von Zellenanfängen enthalten. Die Entfaltung der Reproductionsblätter der Zamia vom 18. Dezember 1856. 651 ist die entgegengesetzte ihrer Laubblätter; die in der Spitze befindlichen Zellen entfalten sich zuerst, die schildförmige Nei- schige Verdickung bildend, die durch das gedrängte Nebenein- anderstehen einen sechseckigen Umkreis annehmen; dann deh- nen sich auch die Zellen des Stieles und seiner seitlichen Aus- breitung zu ihrer eigenthümlichen Form und Gröfse aus, wäh- rend schon früher die Gefälse von dem Schafte aus sich in das Blatt hinein verbreiteten und die einfächrigen, häufig zu zweien verbundenen Antheren sich aus der unteren Seite der - Stieloberfläche hervorbildeten. Längere Zeit bestehen diese _ Antheren aus einem gleichförmigen Zellgewebe, an dem man zuerst die Oberhaut unterscheidet, dann tritt eine Periode ein, wo jede Mutterzelle des Parenchyms gleichzeitig vier endogene Zellen hervorbringt, in deren jede sich eine Pollenzelle aus- "bildet, während die Häute der Mutterzellen wieder verflüssigt „werden. Die erste Entwickelung der eitragenden Organe, die Ver- theilung der Spiralfasern im Schaft und in der Spindel, die Form der lateralen Organe (mit Ausnahme der flügelartigen Ausbreitung des Stieles) ist dieselbe, wie es bei der Pollen- ‚pflanze beschrieben wurde. Am oberen Ende des geraden, länglichen, nicht gewen- "deten (atropen) Eichens bilden sich ferner, schon vor dem er- sten Auftreten des Embryonalsackes die Eibüllen aus dem den Kern bedeckenden Gewebe, indem, sich dasselbe in zwei Schichten gesondert, gleichzeitig mit dem sich verlängernden Eikern diesen bedeckend entwickelt und über der Spitze des sich ausdehnenden Embryosacks zur Micropyle zusammen- treten. Untersucht man zu dieser Zeit den Theil des Embryosacks, n dem die drei corpuscula oder Embryobläschen anliegen, so MB indet man ihn durch drei diesen entsprechenden Poren durch- löchert; es scheint, als ob diese von dem durch den Embryo- ‚sack hindurchgewachsenen Pollenschläuchen gebildet seien, doch nicht immer liels sich dort, wo der Entwickelungszustand der Eichen und das Vorhandensein dieser Durchlöcherungen das efruchtetsein jener vermuthen machte, die Befruchtung wirk- lich nachweisen. [1856.] 49 652 Gesammtsitzung Nachdem Hr. Dr. Karsten das, was über die vermeint- lichen Verwandtschaften der Cycadeen gesagt worden ist,-in historischer Kürze zusammengefalst besprochen hat, berichtet er hierauf bezüglich die Resultate seiner eigenen Forschungen, welche ergeben, dals die CGycadeen in Verbindung mit den Coniferen die unter der bekannten Bezeichnung Gymnospermen umfassende Pflanzenreihe einnimmt, welche gleichartig den An- giospermen gegenüber steht. Er sagt von der Familie der Cy- | cadeen: sie, die uns nur durch wenige Formen repräsentirt ist, war sehr verbreitet und die am vollkommensten ausgebildete der Jura- formation; denn wenn auch die Cycadeen mit den Coniferen hinsichts des Baues der Geschlechtsorgane auf einer Stufe der Entwickelung stehen, so sind sie denselben durch die wirklich gehederten Blätter (d. h. mit artieulirten Fiederblättcehen ver- sehenen) weit voraus und nehmen eine viel höhere Entwicke- lungsstufe ein; es sind die vollkommensten Pflanzenformen ihrer Schöpfungsepoche, die ersten Pflanzen mit gefiederten Blättern, die unsere Erde bewohnten. | Hierauf legte Hr. G. Rose eine Reihe von Diamanten vor, die Sr. Maj. dem Könige von dem K. Hofrath Löwen- stimm aus Petersburg überreicht waren, und nun auf Befehl Sr. Maj. dem Königl. mineralogischen Museum sind. Es sind folgende: 1. Ein kugelförmiger Diamant von 13 Karath Gewichd und 5 Linien Pr. Durchmesser. Er hat eine ganz unebene Oberfläche, die aber doch noch erkennen läfst, dals der Dia- mant ein Dodeca@der mit rundlichen Flächen ist. Die eine Seite ist abgespalten; die hier zum Vorschein kommende Spaltungsfläche ist etwas uneben. Der Krystall ist von grau- lichweilser Farbe und durchscheinend. 2. Ein fast kugelrunder Diamant von 10 Karath Gewicht und 3% Linien Durchmesser mit ganz rauher Oberfläche, so dals er als eine Zusammenbäufung von sehr vielen Individuen erscheint, Von rein weilser Farbe. L. 3. u. 4. Zwei kleinere Diamante derselben Art, 2% iin 2 Linien im Durchmesser, von graulichweilser Farbe. vom 18. Dezember 1856. 653 5. Ein Octaäder 3 Linien grols in einer der Octaeder- axen, von gelblichweilser Farbe. Die Flächen sind ziemlich ‚glatt und von gleichem Ansehen, die Kanten wiederholen sich "aber besonders nach den Ecken zu, mehrmals nebeneinander. 6. Ein Hexakisocta@der 3%. Linien grols in einer der Octa@deraxen. Die Flächen sind rundlich, die den Octaäder- kanten entsprechenden Kanten wie immer ganz abgerundet, die den Hexaöderkanten entsprechenden Kanten dagegen scharf aus- geprägt. 7. Ein kleinerer Krystall von derselben Form, 3 Linien grols, aber platier, so dals er im Ganzen mehr die Form eines Rectanguläroctaäders bat. Wasserhell mit einzelnen grünen Flecken im Innero, wodurch der Krystall im Ganzen grünlich- weils erscheint. ’ 8. Ein Zwillingskrystall nach dem gewöhnlichen Gesetz, wonach die Zwillingsebene eine Octaöderlläche ist. Die Indi- viduen haben dieselbe Form wie bei 6; sie sind aber in einer ee EEE ee ‚auf der Zwillingsebene rechtwinkligen Richtung sehr anein- ‚ander gerückt, wodurch das Ganze eine dreieckige Gestalt hat, Farbe und Flecke wie bei 6, auch sollen heide aus derselben Gegend, aus Bahia, sein. 7 9, Ein ähnlicher Zwillingskrystall, tafelförmig, die drei- eckige Form überaus regelmälsig ausgebildet, Die Kante der dreieckigen Tafel 4 Linien lang. Die Haupiflächen der Tafel, ‚die bier von zwei Octa@derflächen gebildet werden, ganz glatt, Non: gelblichweilser Farbe, 10. Ein Zwillingskrystall nach dem zweiten bei dem Dia- ante vorkommenden Gesetz gebildet, dafs die Individuen, die hier Tetraäder mit abgestumpften Ecken sind, eine Octa@deraxe gemein haben, um welehe der eine um 90° gedreht ist, so dals die Tetra@derkanten sich rechtwinklig kreutzen. Platt und gelblichweils; in der grölsten Dimension 4 Linien großs; un- gewöhnlich schön ausgebildet, Wahrscheinlich ist No. 5. ein ganz ähnlich gebildeter, nur versteckterer Zwillingskrystall. Aufserdem befindet sich in dieser Sammlung ein grolser chwarzer runder Diamant von 42 Karath, den der Verf. schon in der Sitzung vom 10. Nov. 1853 vorgelegt hatte. £ er er e | 49° } 654 Gesammtsitzung vom 18. Dezember 1856. Hr. Peters gab einen Nachtrag zu der im Bericht der Akademie von 1854 pag. 610 gelieferten Übersicht der Anne- liden von Mossambique. GLYCERA, Savigny. 1. Glycera Bianconiüi n. sp., der Körper ist wurmförmig, oben und unten convex, an der Bauchseite merklich flacher als an der Rückenseite, an beiden mit einer mittleren Längsfurche versehen, nicht weit hinter dem Kopfende am breitesten, von da an bis zum zugespitzten Schwanzende allmählich verschmä- lert, aus etwa 250 Segmenten zusammengesetzt, welche zwei gleich breite Ringel darstellen, deren vorderer die Ruder trägt. Der Kopflappen ist conisch zugespitzt, undeutlich geringelt; seine Spitze zeigt unter dem Mikroskop keine Tentakel, son- dern nur 1 bis 2 Knötchen; an seiner Basis dagegen zeigen sich jederseits fünf auf einander folgende wulstrandige Vertie- fungen, aus denen (2- bis Sfädige) Kiemen hervortreten. Der Pharynx ist keulenförmig, herausstülpbar, vorn ganz glatt, im übrigen Theile mit der Loupe betrachtet granulirt, mit vier schwarzbraun gefärbten Kiefern versehen, zwischen denen Läpp- chen hervortreten, welche der Zahl nach achtzehn weils ge- färbten Längslinien (Canälen ?) entsprechen, welche den gan- zen Schlundkopf durchziehen. Die Fülse sind zweirudrig, ihrer Gestalt und Zusammensetzung nach mit G2. Meckelüi (vgl. Grube in Troschels Archiv 1855 p. 102) übereinstimmend; eine drei- lappige Theilung der Fufskiemen, wie sie Grube in einzelnen Fällen bei jener Art fand, konnte ich bei dieser jedoch nicht wahrnehmen. | Malse: Totallänge 07150; gröfste Breite mit den Rudern 0,0044; ohne dieselben 0,0027. Fundort: Inhambane; zwei Exemplare durch Hrn. For- nasini. PECTINARIA, Lamarck. Pectinaria (Armphietene) aegyptia Sav. — Fundort: In- hambane; ein Exemplar von mir gefunden. N SEE N 0 2 | Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 21. Januar 1856. 655 An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wur- den vorgelegt: Radlkofer, der Befruchtungsproze/s im Pflanzenreiche. Leipz. 1857. 8: Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart. XXXIX. Stuttgart 1856. 8. Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch Indie. Deel X. XI, 1—3. Batavia 1856 8. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preufsischen Staate. 4. Band, 3. Lieferung. Berlin 1856. 8. Glaesener, Chronoscope noweau. (Paris 1856.) 8. Astronomische Beobachtungen der Universitätssternwarte zu Königsberg. Abtheilung 7— 10. 12—18. 20— 22. 28. Königsberg 1822 — 1856. Folio. Mit Schreiben der Direction der Sternwarte, unter- zeichnet Luther, Wichmann, d. d. 15. Dez. 1856. Observaciones hechas en el Observatorio real de San Fernando en 1833. San Fernando 1835. folio. Verhandelingen der K. Akademie van Wetenschappen te Amsterdam. Deel III. Amsterdam 1856. 4. Verslagen en Mededelingen ... Deel IN, 3. IV. V, 1. en Afdeling Letterkunde. DeelI. II, 1. Amsterdam 1855 — 1856. 8. J.v. Leeuwen, Lycidas Ecloga et Musae invocatio. Carmina. Am- stelod. 1856. 3. Encke, Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1859. Berlin 1856. 8. Nachtrag zu Seite 50. 1. Januar. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Pertz las über die Indulgenzbriefe vom Jahre 454 und 1455. Namen- Register. Bekker, Disputation d. Patriarchen Gennadios mit Sultan Muhammed II. 3035. Beyrich, Üb. Encrinus liliformis, 580. Boeckh, Mittheilungen die Unächtheit d. Uranios betreffend, 62 (s. 74). — Epigraphisch-chronolog. Studien, 127. 225. — Rede zur Geburts- tagsfeier Sr. Maj. d. Königs, 433. Borchardt, bestätigt, 28. — Antrittsrede, 379. Boussingault, gewählt, 222, 409, | Braun, Über d: Panicumarten mit gefalteten Blättern, 71. — Üb, Parthe- nogenesis bei Pflanzen, 434. — Neue Arten d, Gattung Chytridium u. d. verwandten Gatt. Rhizidium, 587. Bückton uw Hofmann, Einwirk, d. Schwefelsäure auf d. Nitrile u. Amide, 29, ! Buschmann, Geograph. Schilderung d. Yutah-Gebiets, 434. | Cahours u. Hofmann, Neue Klasse v. Alkoholen, 79. Caspary, Wachsthum d. Blattes d. Victoria regia, 22. Curtius, Über d. Ausgrabung d. Schlängensäule auf d. Hippodrom zu Constahtinopel, 162. 286. Dana, seine Wahl betreffend, 189. Dieterici, Verhältnils d. neu geschlossenen Ehen zur Anzahl d.Lebenden in Preulsen, 222. 320, Dirichlet, seine Ernennung betreffend, 131. Dirksen, Der Rechtsgelehrte u. Taktiker Paternus, ein Zeitgenosse d. Antonine, 74. — Zur Auslegung .d. epigraph. Urkunde einer Städte- | F | | i Ordnung für d. latin. Bürgergemeinde zu Salpensa, 417. | Dove, Über d. barometr. Maximum v. 19. December 1854, 32. — Über, d. Klima d. preuls. Staates, 187. 335. Dubois-Reymond, Polarisation an d. Gränze ungleichartiger Elektro- lyte, 395. — Innere Polarisation poröser mit Elektrolyten getränkter Halbleiter, 421, 450. Namen - Register. 657 Ehrenberg, Rede zur Feier d. Jahrestags Friedrichs II., 50. 63. — Über d. Meeresorganismen in 16200 Fuls Tiefe, 197. — Das mikroskop. Leben in Mittel- Afrika, 323. — Bericht über d. gedruckten Theil d. Mikrogeologie, 362. — Beantwortung v. Rammelsbergs Antrittsrede, 375. — Beschaffenheit einer in China gefallenen d. Sonne verfinstern- den Substanz, 393. — Über einen weilsen halibiolith. Polirschiefer aus Chile, 425. — Vulkanischer elsbarer Polırschiefer aus Hunduras, 429. — Proben vom Meeresgrund d. Telegraphenlinie v. Amerika nach England, 471. Encke, Über Hansen's Kritik d. Floratafelo, 13. 26, — Übereinstimmung d. Tafeln mit d, Beobachtung, 317. — Bericht über d. v. England ein- gesandten Normalmaalse, 240. — Beantwortung v. Kummer’s u. Bor- chardv’s Antrittsreden, 381. Ewald, Über d. am nördl. Harzrand vorkommenden Budisten, 596. Frick, Nachricht üb, d. Denkmal auf d. Hippodrom zu Constantinopel, 286. ec rhard, Über d. Hesiodische Theogonie, 190, * Gray, Asa, seine Ernennung betre[fend, 182, Grimm, J., Die runische Inschrift am Löwen v. Venedig, 437. Grimm, W., Bericht über eine Inschrift auf einem in d. Wallachei ausge- grab. goldnen Ring, 602. v.d. Hagen, gestorben, 338. Hagen, Fluth- u. Bodenverhältnisse d. preuls. Jadegebietes, 339. Hartig, Proben des v. ihm entdeckten Klebermehls, 236, Haupt, Über d. Erzählung v. Apollonius v. Tyrus, 424. — Über ein alt- hochdeutsches Gedicht, 568. Heidenhain, Neue elektrophysiolog. Versuche, 128, Heintz, Verhalten d. Chloroforms zn andern Körpern, namentlich zu Am- moniak, 161. — Einwirkung d. Chlorschwefels auf einige Salze orga- nischer Säuren, 263. Helmholtz, Über d. Combinationstöne, 279. Henzen, Bericht über d. Arbeiten für d. corpus inscript. latinarum aus d. Jahr 1855: 35. — aus d. Jahr 1856: 549. Hofmann, Über d. Bromtitan, 154. $. Buckton, Cahours. Homeyer, Über d. unächte Reformat. Kaiser Friedrich des Dritten, 291. — Üb. Klenkok wider d, Sachsenspiegel, 318. — Üb, d. Informatio ex speculo saxonum, 362. Hooker, seine Ernennung betreffend, 50. Karsten, H., Organograph, Betrachtung d. Zamia muricata, 648, Kiepert, Geograph. Anordnung d. Namen arischer Landschaften, 624. 658 Namen- Register. Klotzsch, Stellung d. Gattung Ouvirandra im natürl. System, 71. — Ph. Schönlein’s botan. Nachlafs auf Cap Palmas, 444, — Übergänge v. Avena sativa in A. fatua, 444, Köllikeru H. Müller, elektromotor. Verhalten d. Froschherzens, 145. Kroenig, Mechanische Wärmetheorie, 395. Kronecker, Über d. algebraisch auflösbaren Gleichungen, 203. Kummer, bestätigt, 28. — Antrittsrede, 377. — Theorie d. idealen Prim- factoren v. d. Zahlen, welche aus d. Wurzeln d. Gleichung #* = 1 gebildet sind, 648. Leo, Photograph. Nachbildungen d. codex argenteus, 604. Lepsius, Über d. falschen Palimpsest d. Griechen Simonides, 74 (s. 62). _ — Die Götter d. vier Elemente bei d. Ägyptern, 182. — Die XXllste Königsdynastie d. Ägypter, 356. 418. Lichtenstein, die Hirscharten d. gemälsigten Nord-Amerika, 617. Lieberkühn, Über parasit. Schläuche auf einigen Insektenlarven, 220. v. Liebig, seine Ernennung betreffend, 62. Magnus, Elektrolyt. Untersuchungen, 158. — Wirkung d. Widerstandes d. Luft auf längl. Geschosse, 239. Malsmann, Über d. zu Wien entdeckte Goldinschrift eines gothischen Reimgedichts verglichen mit verwandt. Inschriften, 128. Mayer, Bericht üb. d. im October 1856 zu Cairo beobachtete Erdbeben, 471. Meineke, Geschichte d. Dithyrambus, 73. Mommsen, Bericht üb. die für d. corpus inscript. latinarum ausgeführten Arbeiten im J. 1855: 32. — im Jahr 1856: 547. Mosander, gewählt, 222. 409. Müller, Entstehung d. Töne, welche gewisse Fische von sich geben, 26. 50. — Neue Crinoiden aus d. Eifeler Kalk, 353. — Ein Echinoderm mit schuppenförm. Tafeln u. Echinidstacheln im Eifeler Kalk, 356. — Beobacht. an Infusorien, 389. — Die Thalassicollen, Polyeystinen u. Acanthometren d. Mittelmeers, 474 Müller, H., s. Kölliker. Negretti u. Zambra, Maximum-'Thermometer, 142. v. Neimans, Bericht üb. d. Erdbeben zu Cairo im October 1856: 471. O’Donovan, gewählt, 87. 189. Panofka, Dichterstellen u. Bildwerke in ihren gegenseit. Beziehungen, 217. Pertz, Der genuesische Geschichtsschreiber Caffarus u. seine Fortsetzer, 289. 434. — Die Indulgenzbriefe v. 1454 u. 1455; 655. Petermann, Inhalt d. astrolog. Buches der Mandäer: Asfar Malwasche, 364.:— Glaubenslehre d. Mandäer, 417. U) LE Namen - Register. 659 Peters, Systemat. Stellung d. Gattung Mormops, Classificat, d. Phyllosto- mata, sowie eine neue Art d. Gattung Vampyrus, 409. — Neue durch ihre Gröfse ausgezeichnete Taenia, 469.— Amblyodipsas, neue Schlan- gengatt. aus Mossambique, 592. — Nachtrag zur Übersicht über d. An- neliden v. Mossambique, 654. Pinder, Bericht üb. d. im Jahr 1855 für d. corpus inscript. latinarum aus- geführten Arbeiten, 35. — Über einige antike Gewichte, 182. — Un- edirter Goldmedaillon d. Kaisers Constans d. Ersten, 216. — Ge- schichte d, griech. Bücherdrucks u. Vorschlag einer Verbesserung des- selben, 416. — Zur Münzkunde Asiens, besonders d. Parthischen Rei- ches, 471. Poggendorff, Neue Art v. Tonerregung durch d. elektr. Strom, 133. Pringsheim, Befruchtung u. Generationswechsel d. Algen, 225. Rammelsberg, Zusammensetz. d. Leueits u. seiner Pseudomorphosen, 148. — Krystallform u. Zusammensetz. d. Vanadinbleierzes, 153. — Zusammensetz. d. Leucophans u. Melinophans, sowie neue Verbindun- gen aus d. Salzlager v. Stasfurt, 202. — Antrittsrede, 373. — Über Zoisit u. die Zusammensetz. d. Epidot, 605. Riedel, Zur Charakteristik d. Kurfürsten Friedrich I., 425. — Verbindung d. Mark Brandenburg mit d. Grafschaft Mähren im XIV. u. XV. Jahr- hundert, 535. Rie[s, Einfluls d. Leitung eines elektr. Stromes auf d. Art seiner Entla- dung, 241. — Über d. elektr. Pausen, 394. Rose, G., Die heteromorphen Zustände d. kohlensauren Kalkerde, 29. — Über d. dichten Boracit v. Stasfurt, 75. — Beschaffenheit u, Lage- rungsverhältnisse d. Gesteine im Riesen- u. Isergebirge, 444. — Be- schreib. d. neuen Diamanten des königl. Mineraliencabinets, 652, Rose, H., Borsaur. Äthyloxyd, 202. — Atomgewicht d. Antimons, 239. — Tantal u. seine Verbindungen mit Chlor u. Brom, 385. — mitFluor, 436. — mit Schwefel, 599. de Rossi, Bericht üb. d. Arbeiten für d. corpus inscript. latinarum im J. 1855: 38. 46. — im Jahr 1856: 562, Sabine, seine Wahl betreffend, 28. Salm-Horstmar, Fürst zu, bestätigt, 189. 238, Schacht, Structur u. Entwicklung d. Corallinen, 241. — Befruchtung d. Phanerogamen, namentlich d. Gladiolus segetum, 241. 266. — Ent- stehung, Bau u. Verlauf d. Milchsaftgefälse bei Carica Papaya, 515. Schlagintweit, Hermann u. Robert, Bericht über ihre Reise v. Leh nach Ost-Turkistan u. Khotan, 618, Schneider, A., Bewegungen an d. Saamenkörperchen d. Nematoden, 192. 660 Namen - Register. Schneider, R., Atomgewicht d. Antimons, 143. — Darstell. d. Jodwis- muths auf trocknem Wege, 469. Schönbein, gewählt, 222. — Eigenthüml,. Erzeugung d. salpetrigen Säure, 580. Schott, Über d. Sprache v. Siam u. ihr Verhältnils zu d. übrigen einsilbi- gen Sprachen, 216. Schultze, Über d. Endigung d. Geruchsnerven u. d. Epithelialgebilde d. Nasenschleimhaut, 504. Secchi, Photograph. Zeichnungen d. Mondes, 449. Steiner, Über eine besondere Curve dritter Klasse u. vierten Grades, 1. — Üb. d. Flächen dritten Grades, 50. Temminck, bestätigt, 29. 74. Trendelenburg, Herbart’s Metaphysik u. neue Auffassung derselben, 87. — Herbart’s prakt. Philosophie u. d. Ethik d. Alten, 317. — Leib- nizen’s Entwurf einer Universalsprache, 367. v. Velsen, Über d. athenische Psephisma für Phormion u. Karphinas, 115. Villerm&, gewählt, 87. 189. Vogel, Wassersystem u. Oberllächenstaub d, Gegend v. Kuka, 286, Weber, R., Verhalten d, Schwefelquecksilbers zu d. Verbindungen d. al- kal. Metalle, 9. Weierstrals, gewählt, 620, Weils, gestorben, 473, Wöhler, Über d. krystallisirte Silicium, 26. 73, Wolters, Anerkennung seiner Bemühung nm d. Akademie, 289. Wurtz, Darstell. u. Eigenschalten des Glykol, 421. Zambra, s. Negretti, Zeuls, gewählt, 87.189. — Berichtig. in Betreff d. Marcellischen For- meln, 187. m n Sach - Register. Acanthometra, Charakteristik d. Gattung u. d. neuen Arten, 493. Acetonitril, Wirkung d. Schwefelsäure darauf, 29. Acrylalkohol, Darstellung, 81. — Verbindungen, 83. Acrylreihe, Glieder derselben, 84. Aegypten, Die Götter d. vier Elemente bei d. Aegyptern, 182. — Be- merk. über d. XX1. bis XXIV. u. XXVI. Königsdynastie, 356. 418. — Erdbeben in Aeg,, 471. Aethyloxyd, borsaures, 202. Akustik, s. Töne. Algen, Geschlechtsorgane derselben, 226. — Befruchtungsact bei Oedo- gonium ciliatum, 227. — Eigenthümlichkeit anderer Arten, 233. — Analogie mit d. Befruchtung d. Phanerogamen, 234. Alkohol, Tabelle d. Alkohole, 86. S. Acrylalkohol. Alkoholometer, v. Richter angefertigt, 471. Amblyodipsas, neue Schlangengattung aus Mossambique, 592. Amide, Einwirk. d. Schwefelsäure darauf, 29. Anneliden v. Mossambique, Nachtrag dazu, 654. Antimon, Atomgewicht, 143. 239. Apollonius v. Tyrus, 424. Aponogeton, Stellung im System, 72. Aräometet, v. Richter angefertigt, 471. Archäologie, Epigraphisch-chronolog. Studien, 127. — Ausgrabung d. Schlangensäule auf d. Hippodrom in Constantinopel, 162. 286. — Be- schreib. einiger antiker Gewichte, 182. — Unedirter Goldmedaillon d. Kaisers Constans I, 216. — Wechselseit. Beziehung zwischen Dich- terstellen u. Bildwerken, 217. S. Inschriften. Arische Landschaften, geograph. Anordnung ihrer Namen, 621. Asfar Malwasche, astrolog. Buch d. Mandäer, 365. — Glaubenslehre d. Mandäer, 417. Astronomie, Hansen’s Kritik d. Floratafeln irrig, 13. 26. 662 Sach - Register. Avena sativa, Übergänge in Av. fatua, 444. Barometer, barometrisches Maximum d. 19. December 1854: 32. Befruchtung bei d. Algen, 226. — bei Gladiolus segetum, 241. 266. Bildwerke u. Dichterstellen, ihre wechselseit. Beziehung, 217. Boracit, Der dichte B. v. Stasfurt verschieden vom Boraeit, 75. — heilst daher besser Stasfurtit, 77. Botanik, Bestätigung d. Parthenogenesis, 434. — S. Algen, Aponogeton, Avena, Carica, Chytridium, Panicum, Rhizidium, Victoria, Zamia; Be- fruchtung, Milchsaftgefälse. Brandenburg, Vereinigung d. Mark Br. mit d. Grafschaft Mähren im XIV. u. XV. Jahrh., 535. Bromtitan, Darstell. u. Zusammensetzung, 156. Bücherdruck, griechischer, Geschichte desselben, 416. Coelobogyne, ilicifolia, zeigt d. Parthenogenesis, 434. Caäffarus, genuesischer Geschichtsschreiber u. seine Fortsetzer, 289. 434. Carica Papaya, Milchsaftgefälse derselben, 515. — Eigenschaften d. Milchsaftes, 523. Cervus, Arten dieser Gattung im gemälsigten Nord-Amerika, 617. Chemie, Siedepunkte correspondirender Chlor- u. Bromverbindungen, 155. S. Alkohol, Amide, Chloroform, Chlorschwefel, Kalkerde, Me- thionsäure, Nitride, Schwefelquecksilber, Silicium, Tantal, Titan. Chloroform, Verhalten zu andern Körpern, besonders Ammoniak, 161. Chlorschwefel, Wirkung auf ameisens., essigs. u. benzoesaure Salze, 263. Chronologie, epigraphisch-chronologische Studien, 225. Chytridium, Neue Arten davon, 587. — Unterschied v. Rhizidium, 591. Cladocoecus, Charakteristik, 485. Codex argenteus, photograph. Nachbildungen desselben, 604. Combinationstöne, Untersuch. derselben, 279. Corallinen, ihre Structur u. Entwicklung, 241. Crinoiden, neue aus d. Eifeler Kalk, 353. — Die Cr. d. Muschelkalks, ‘zunächst Encrinus liliformis, 580. Cycadeen, Verwandtschaften derselben, 652. Diamant, Beschreib. d. neuen Diamanten des königl. Mineraliencabinets, 652. Dietyosoma, Charakteristik, 485. Disputation d. Patriarchen Gennadios mit Sultan Muhammed II. in türk. Sprache, 305. Echinodermen mit schuppenförm. Tafeln u. Echinidstacheln aus d. Ei- feler Kalk, 356. Sach- Register. 663 Elektriceität, Neue Art v. Tonerregung durch d. Inductionsstrom, 133. — Dieselbe zeigt sich bei allen Metallen, 135. — Ursache derselben, 139. — Erklärung d. elektrolyt. Zersetzung d. Salzlösungen, 158. — Bedingungen für d. Ausscheidung einer Substanz aus d. Elektrolyten, 161. — Polarisation an d. Grenze ungleichart, Elektrolyte, 395, — Innere Polarisation poröser mit Elektrolyten getränkter Halbleiter, 421. 450. — Dieselbe eine allgemeine Eigenschaft feuchter poröser Körper, 454. Einfluls d. Leitung eines elektr.Stromes auf.d. Art seiner Entladung, 241. — durch metallische Stromleiter, 245. — durch flüssige, 249. — durch verdünnte Luft, 255. — Elektrische Pausen, 394. Der elektr. Strom vergrölsert nicht merklich d. Dehnbarkeit eines v. ihm durchfloss. Muskels, 128. — Wann d. el. Strom dem Muskel d. verlorene Fähigkeit [sich zu dehnen wiedergiebt, 129. — Erregung eines anhaltenden Tetanus auf mechanischem Wege, 130. — Elektro- motor. Verhalten d. Froschherzens, 145. Encrinus liliformis, 580, Epidot, Beziehung zum Zoisit u. Zusammensetz., 613. Epithelialgebilde d. Nasenschleimhaut, 504. Erdbeben zu Bulak u. Cairo, 471. Eucyrtidium, Charakteristik, 492. Fische, Entstehung d. Töne bei ihnen, 26. 50. Flora, Hansen’s Kritik d. Brünnowschen Floratafeln irrig, 13. 26. — Übereinstimm. d. Tafeln mit d. Beobachtung, 317. Fluthverhältnisse im preufs. Jadegebiet, 339. Friedrich J., Churfürst; zur Charakteristik dess., 425. Gedicht, althochdeutsches, 568. S. Inschrift. Gennadios, Patriarch, seine Disputation mit Sultan Muhammed II., 305. Geognosie, Beschaffenheit u, Lagerungsverhältnisse d. Gesteine im Iser- u. Riesengebirge, 444. . S. Petrefacten. Geographie, Schilderung d. Yutah-Gebietes, 434. — Reise d. Gebrüder Schlagintweit v. Leh nach Ost- Turkistan u. Khotan, 618, — Geo- graph. Anordnung d. Namen arischer Landschaften, 621. Geruchsnerven, Endigungsweise derselben, 504. Geschichte d. griech. Bücherdrucks, 416. — Über d. Indulgenzbriefe y. 145/ u. 1455; 655. S. Brandenburg, Caffarus, Friedrich. Geschosse, Wirkung d. Luftwiderstandes auf längliche Geschosse, 239, Gewicht, Beschreib. einiger antiker Gewichte, 182. — Englische Normal- Gewichte, 240. Gladiolus segetum, Vorgang bei d. Befruchtung, 266. 664 Sach - Register. Glykol, Darstell. u. Eigenschaften, 421. Granitit, Charakteristik dess., 444. Griechischer Bücherdruck, Geschichte desselben, 417. Haliomma, Charakteristik, 487. Handschrift eines althochdeutschen Gedichtes, 568. $. Codex. Herbart, Neue Auffassung seiner Metaphysik, 87. — Seine prakt. Philo- sophie, 317. Hirsche des gemälsigten Nord-Amerika, 617. Jade-Gebiet, preulsisches, Fluthverhältnisse daselbst, 341. — Schlick- gehalt d. Wassers, 346. — Salzgehalt desselben, 350. — Bodenver- hältnisse daselbst, 351. Indulgenzbriefe v. 1454 u. 1455; 655. Informatio ex speculo saxonum, 362. Infusorien, Beobacht. v. blasenförm. Organen bei einem dem Trachelius meleagris ähnl. Inf., 389. — Über die in Hohlräumen gewisser Inf. be- weglichen Fäden, 390. — Spiel d. contractilen Organe bei Paramae- cium aurelia, 392. S. Mikroskop. Organismen. Inschriften, Jahresbericht über die im J. 1855 für d. corpus inscript. la- tinarım ausgeführten Arbeiten, 32. — Desgleichen 1856; 547. Epi- graphisch-chronolog.Studien, 127. 225. — Goldinschrift eines zu Wien entdeckten gothischen Reimgedichts in Verbindung mit verwandten Inschriften, 128. — Inschr. an der auf d. Hippodrom zu Constantinopel ausgegrabenen Schlangensäule, 164. 286. — Inschr. auf einem unedir- ten Goldmedaillon d. Kaisers Constans L, 216. — Zur Auslegung d. epigraph. Urkunde einer Städteordnung für d. latin. Bürgergemeinde zu Salpensa, 417. — Runische Inschr. am Löwen v. Venedig, 437. — Inschr. auf einem in d. Wallachei gefund, Goldring, 602. $. Pse- phisma. Insekten, Parasitische Schläuche auf einigen Insektenlarven, 220. Jodwismuth, dreifach, Darstell. auf trocknem Weg, 469. Isergebirge, s. Geognosie. Jurisprudenz, Über d. unächte Reformation d. Kaisers Friedrich d. Dritten, 291. 8. Sachsenspiegel. Kalkerde, Heteromorphe Zustände d. kohlensauren K., 29. ‚Klebermehl v. Hartlig, 2806. Klenkok wider d. Sachsenspiegel, Nachtrag, 318. Leueit, chemische Zusammensetz. desselben u. seiner Pseudomorphosen, 448, Leukophan, Zusammensetz., 202. Lithocircus, Charakteristik, 484. { Sach - Register. 665 Löwe v. Venedig, runische Inschrift daran, 437, Maalse, Englische Normalmaalse u. Gewichte, 240, Mähren, Verbindung mit d. Mark Brandenburg im XIV. u. XV. Jahrh., 535: Mandäer, Glaubenslehre derselben, 417. S. Asfar. Marcellische Formeln sind celtisch, 187. Mathematik, Eigenschaften einer Curve dritter Klasse, die bei verschied. geometr. Betrachtungen vorkommt, 1. — Über d. Flächen dritten Gra- des, 50. — Über d. algebraisch auflösbaren Gleichungen, 203, — Theorie d. idealen Primfactoren v. d. Zahlen, welche aus d. Wurzeln d. Gleichung »” = 1 gebildet werden, 648. S. Astronomie, Medaillon, unedirter Goldmed. d. Kaisers Constans I., 216. Meer, Mikroskop. Organismen aus 16200 Fuls Tiefe, 197. Melinophan, Zusammensetz,, 202. Metaphysik, Herbart’s, Neue Auffassungen derselben, 87. Meteor, Eine in China die Sonne verfinsternde Substanz aus Pappelwolle bestehend, 393. Meteorologie, Klima d. preufs. Staates, 187. S. Thermometer. Methionsäure, Stellung derselben unter d. organ. Säuren, 32. Mikrogeologie, y. Ehrenberg, Bericht über d. gedruckten Theil, 362. Mikroskopische Organismen aus 16200 Fuls Meerestiefe, 197. — aus d. centralen Landflächen Mittelafrika’s, 287. 323. — im Staub d. Ebne v. Kuka, 326. — im Sand aus einem 45 Fuls tiefen Brunnen bei Kuka, 327. — im Bodenschlamm aus d. Tschad-See, 328. — im Sand mit Goldglimmer aus d. Quellen d. Gongolaflusses, 328. — Abbildun- gen dazu, 337. — Meeresorganismen im Polirschiefer d. Wüste y. Atakama in Chile, 425. — Mikr. Org. im elsbaren Tuff aus Honduras, 429. — Proben d. Meeresgrundes an d. Telegraphenlinie zw. Nord- Amerika u. England, 471. a)Polygastrica aus Bornu, 333. — aus der Wüste v. Atakama in Chile, 427. — im elsbaren Polirschiefer v. Honduras, 430. b)Polyceystinen im Polirschiefer aus Chile, 428. — Lebende bei Cette u. Nizza, 482. c)Phytolitharien aus Bornu, 334. — aus Chile, 428. — im efsba- ren Polirschiefer v. Honduras, 430. S. Infusorien. Milchsaftgefälse in d. Carica Papaya, 515. — Vergleich mit andern Pflanzen, 524. — Ergebnisse, 529. Mineralien, s. Boracit, Epidot, Leucit, Leukophan, Melinophan, Tach- hydrit, Vanadinbleierz, Zoisit. 666 Sach - Register. Mormops, Systemat. Stellung dieser Gattung, 409. Münzen, Zur Kenntnifs der M. Asiens, besonders d. Parthischen Reiches, 41. Muskel, s. Elektrieität. Myth ologie, Die Götter d. vier Elemente bei d. Ägyptern, 182. — Sätze üb. d. Hesiodische Theogonie, 190. Nasenschleimhaut, Epithelialgebilde derselben, 504. Nematoden, Bewegungen an den Saamenkörperchen derselben, 192. Normalmaalse, s. Maalse. Oedogonium ciliatum, Befruchtung bei demselben, 227. Ouvirandra, Systemat, Stellung dieser Gattung, 71. Panicum, Arten mit gefalteten Blättern, 71. Pappelwolle in d. Luft schwebend verfinsterte in China d. Sonne, 393. Parthenogenesis, beobachtet bei Pflanzen, 434, Parthische Münzen, 471. Paternus, Rechtsgelehrter u. Taktiker, ein Zeitgenosse d. Antonine, 74. Petrefacten, Neue Crinoiden aus d. Eifeler Kalk, 353. — Echinoderm mit schuppenförm. Tafeln u. Echinidstacheln ebendaher, 356. — Die Crinoiden des Muschelkalks, 580. — Über die am nördl. Harzrand vorkommenden Rudisten, 596. Philologie, Die Sprache v. Siam u. ihr Verhältnils zu d. übrigen einsil- bigen Sprachen, 216. — Leibnizens Entwurf zu einer Universalsprache, 367. S. Disputation, Inschriften. Philosophie, Neue Auffassung v. Herbart’s Metaphysik, 87. —Herbart’s prakt. Phil. u. die Ethik d. Alten, 317. Phonolith, jünger als Basalt, 449. Phyllostomata, Classificat. derselben, 415. Physiologie, Bewegungen an d. Saamenkörperchen d. Nematoden, 192. S. Befruchtung, Elektricität. Podocyrtis, Charakteristik, 492. Polyeystinen im Polirschiefer aus Chile, 428. — Lebende Pol. bei Cette u. Nizza, 482. S. Acanthometra, Cladococcus, Dietyosoma, Eueyrti- dium, Haliomma, Lithocircus, Podocyrtis, Spongosphaera, Stylocyclia. Polygastrica, s. Mikroskop. Organismen. . Preisfragen, Über die zur Lösung der v. d. philosoph.-histor. Klasse 1850 gestellten Pr. eingegangenen Arbeiten, 368. — Neue Pr. betref- {end eine Sammlung aller aristotel. Fragmente, 372. Preufsen, Klima d. preufs. Staates, 187. 385. — Verhältnifs d. neuge- schloss. Ehen zur Einwohnerzahl in Pr., 222. 320. S. Jadegebiet. Psephisma, athenisches für Phormion u. Karphinas, 115. EB NE REN, Sach- Register, 667 Reden, zur Feier d. Jahrestags Friedrich II. v. Ehrenberg, 50. 63.— Ram- melsberg’s Antrittsrede, 373; Ehrenberg’s Erwiderung derselben, 375. — Antrittsrede v. Kummer, 377; v. Borchardt, 379; Encke’s Beant- wortung beider, 381. — Rede zur Geburtstagsfeier Sr. Maj, d. Königs, 433. Reformation, unächte d. Kaisers Friedrich d. Dritten, 291. Reise, Bericht über d. R. der Gebrüder Schlagintweit, 618. Rhizidium, Unterschied v. Chytridium, 591. Riesengebirge, Beschaffenheit u. Lagerungsverhältnisse d. Gesteine in demselben, 444. Rudisten v. nördl. Harzrand, 596. Sachsenspiegel, Nachtrag zu Klenkok wider denselben, 318, — Über d. informatio ex speculo saxonum, 362. Salpensa, Auslegung d. epigraph. Urkunde einer Städte - Ordnung von dort, 417. Salpetrige Säure aus Ammoniak u. Sauerstoff unter Mitwirkung v. Pla- tin entstehend, 581. Samenkörperchen, ihre Bewegungen bei d. Nematoden, 192, Sauerstoff, seine oxydirende Wirkung durch Platin erhöht, 581. Schlangen, Amblyodipsas eine neue Gattung, 592. Schlangensäule auf d. Hippodrom zu Constantinopel, Ausgrabung der- selben, 162, 286. Schwefelquecksilber, Verhalten zu d. Verbindungen d. Alkalimetalle, 9. Siam, Sprache v. Siam u. ihr Verhältnils zu d. übrigen einsilbigen Sprachen, 216. Siedepunkt bei correspondirenden Chlor- u. Bromverbindungen, 155. Silicium, Darstell. d. krystallisirten, 26. 73. — Äquivalent, 155. Sphaerozoum bezeichnet zweckmälsig d. zusammengesetzten 'Thalassi- collen, 476. — Neue Arten, 477. Spongosphaera, Charakteristik, 487. - Sprache, s. Philologie. Stasfurtit, verschieden v. Boracit, 77. - Statistik, Verhältnils d.neugeschlossenen Ehen zu d.Lebenden, 222. 320 Stilocyclia, Charakteristik, 492. Tachhydrit, Zusammensetz., 203. Taenia, Neue Art v. riesiger Grölse, 469. Tantal, Darstell., 335. — Verbindung mit Chlor, 387. — mit Brom, 389, — ist mit Jod nicht ebenso zu erhalten, 389. — mit Fluor, 436. — mit Schwefel, 599, [1856.] 50 668 Sach- Register. Thalassicolla heilsen am zweckmälsigsten nur d.solitären Formen, 476, — Verwandtschaft mit d. Polycystinen, 482. S. Sphaerozoum. Theogonie, Hesiodische, 190. Thermometer, Maximumtherm. v. Negretti u. Zambra, 142, Titan, Darstell. u. Zusammensetz. v. Bromtitan, 156. Töne durch Fische hervorgebracht, 26. 50. — T. durch elektr. Inductions- ströme, 133. — Zur Theorie d. Combinationstöne, 279. Universalsprache, Leibniz’ens Vorschlag zu einer solchen, 367. Vampyrus, Neue Art, 415. Vanadinbleierz, Krystallform u. Zusammensetz., 153. Venedig, runische Inschrift am Löwen daselbst, 437. Victoria regia, Tägl. Periode im Wachsthum d. Blattes, 22. — Einfluls d. Wärme darauf, 26. Wärmetheorie, mechanische, 395. Wismuth, Darstell. v. dreifach Jodw. auf trocknem Wege, 469. Yutahgebiet, geograph. Schilderung dess., 434. Zamia muricata, Beschreib. 648. Zinnober, s. Schwefelquecksilber. Zoisit, Zusammenseiz. u. Beziehung zum Epidot, 605. Zoologie, Parasitische Schläuche auf einigen Insektenlarven, 220. S. Amblyodipsas, Cervus, Elektricität, Fische, Infusorien, Mikroskop, Organismen, Mormops, Nematoden, Phyllostomata, Polycystinen, Tae- nia, Thalassicolla, Vampyrus.———__ / | Po ö \r N a. „6, pnatsbericht d.K.A aM. Mai 1856 # Hschacht ad nat. del. F 2L L. Funchal. Any! 7 CH Sormide lite. / . G FL. r G GARDE Br VBBR STERB2 CF Schmidt tk. en == Or Monatsbericht d. KA dM Mai H Schacht ad. nat. dei. Ranchal April 29 Monatsbericht a.K Ad M Mai 1850. A \ H Schacht ad nat. del. Funchal. Ayrıl 29.1856 ( IYr Yıaeltehs lıma/ HR L MH / C 1% > WL ii: De EN D a D D D u jun I) ol Dynastie XXI. Siamun Herhor | Jarhlagsts” REISEN (Ober-Priester Piany) I | Pisem I Menyeperra Pituyanu I Pisem II Hor Pituyanu I1 nen N D D D D D D D D D © I, R 117 7 6) (0) = = 23 D | le RE Dynastie XXI1. as am © DI K=% So 6) © —— = [msn [N MWMMMMM Be NWM NW I Sesonk jf | II Osarkon I | III Takelut I IV a II V Seiohk TI VI Takelut II VII Sedonk III VIu Piyi I | IX Sesonk IV De de de D D D Dynastie XXIII. 2 kl > oO z=> 7 I Petsibast I Osarkon III III Psimut x DD [> -0o Monatsbericht, Anrıl 1856. 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