FricdriGh Czapek Biochemie der Pflanzen Dritte Auflage Erster Band Jena, Verlag voa Gustav Fischer \ Nortli (Earaltna ^tnU This book was presented by Robert L. Weint raub S00336097 S ß.oaB^T L. {A/B(NT/^Aüe> THIS BOOK IS DUE ON THE DATE INDICATED BELOW AND IS SUB- JECT TO AN OVERDUE FINE AS POSTED AT THE CIRCULATION DESK. 100M/7-87— 871203 BIOCHEMIE DER PFLANZEN VON Dr. PHIL ET MED. FRIEDRICH CZAPEK O. O. PEOFE880R DER ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, UND VORSTAND DES PFLANZENPHY8I0L0Q18CHEN INSTITUTES DER K. K. DEUTSCHEN UNIVERSITÄT IN PRAG DRITTE, UNVERÄNDERTE AUFLAGE ERSTER BAND MIT 9 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1922 ALLE RECHTE VORBEHALTEN Herrn Herrn Prof. Dr. Franz Hofmeister Geh. Hofrat Prof. Dr. W. Pfeffer in Straßburg in Leipzig in Dankbarkeit zugeeignet. Vorwort zur ersten Auflage. Das vorliegende Werk ist aus dem Wunsche des Verfassers, bei seinen physiologischen Studien eine möglichst vollständige und kritisch gesichtete Sammlung des pflanzenbiochemischen Tatsachenmateriales zu besitzen, entstanden. Es wendet sich auch in erster Linie wieder an diejenigen, welche auf dem Gebiete der chemischen Physiologie der Pflanzen wissenschaftlich tätig sind. Da verschiedene andere Wissen- schaften, wie organische Chemie, Agrikulturchemie und Pflanzenbau, medi- zinische Physiologie und Bacteriologie, landwirtschaftliche und technische Mikrobiologie, Pharmacie mit der chemischen Pflanzenphysiologie durch zahlreiche Berührungspunkte verbunden sind, so wird es vielleicht auch anderweitig Nutzen stiften. Es ist als bedeutsames Zeichen der Zeit mit Freude zu begrüßen, daß die Vertreter der medizinischen Physiologie und Pathologie gegenwärtig mit größter Aufmerksamkeit die Fortschritte der botanischen Physiologie verfolgen. In Erkenntnis der ungemein großen wechselseitigen Bedeutung näherer Beziehungen zwischen Tier- und Pflanzenphysiologie war ich auch meinesteils bemüht, die Wichtigkeit der tierphysiologischen Methoden und Tatsachen für den Botaniker an allen geeigneten Stellen möglichst in den Vordergrund zu rücken. Für den Anfänger auf dem Gebiete der botanischen Physiologie als Lehrbuch, ist das Werk nicht gedacht. Es setzt die Kenntnisse in Botanik und Chemie, soweit sie in den theoretischen und praktischen üniversitätsvorleßungen erworben werden, voraus, und soll besonders als Nachschlagebuch und Literaturrepertorium bei der Orientierung über spezielle Fragen dienen. Der Grundgedanke meiner Arbeit war: Wie weit gelangt man in der Physiologie mit chemischen Methoden? Es wurde deswegen viel- fach auf eine allseitige Erörterung größerer Probleme verzichtet und nur die chemische Seite derselben dargestellt. Dies konnte ich um so eher tun, als wir gegenwärtig in Pfeffers Handbuch der Pflanzenphysiologie ein Werk besitzen, welches nicht nur umfassend alle ernährungsphysio- logischen Probleme beleuchtet, sondern auf Dezennien hinaus für die weitere einschlägige Forschung die Richtschnur bilden wird. Aus dem Gesagten ergibt sich auch die Abgrenzung des hier behandelten Stoffes von dem Inhalte der Handbücher der Physiologie. Das Gebiet der Pflanzenbiochemie ist heute so wenig bearbeitet, und an empfindlichen Lücken so reich, daß das Gefühl des Unbefriedigtseins bei der Zusammenstellung und Sichtung der bekannten Tatsachen hier lebhafter ist als in irgend einem Teile der Botanik. Vielfach sind aber Probleme und Methoden schon heute unmittelbar gegeben, so daß es nur eine Sache des Arbeitseifers ist, unser Wissen erheblich zu ver- VI Vorwort. mehren. Die vielen Hinweise in dem vorliegenden Buche mögen daher zu rüstiger Arbeit anspornen. Der ungewöhnliche Umfang der einschlägigen Literatur bringt es mit sich, daß ich nicht hoffen darf, allerorts sämtliche wichtigen Arbeiten zitiert zu haben. Auch möge aus dem Unterbleiben mancher Zitate nicht auf eine Minderwertigkeit der betreffenden Arbeiten geschlossen werden. Die Bearbeitung eines an Kontroversen so reichen Gebietes bringt es leider mit sich, daß man manches Ding gegen die persönliche Überzeugung im Geiste der gegenwärtig allgemein angenommenen An- schauung darzustellen gezwungen ist, oder daß man sich objektiv refe- rierend verhält, wo man gern Kritik anbringen möchte. Vollständig ißt die Literatur bis Juli 1904 berücksichtigt, doch sind auch später er- schienene Arbeiten, soweit es möglich war, während des Druckes mit einbezogen worden. Trotz aller aufgewendeter Sorgfalt dürften irrtüm- liche Angaben an verschiedenen Stellen nicht fehlen. Je brauchbarer sich das Werk erweisen sollte, desto mehr bittet der Verfasser ihn brieflich oder durch Rezensionen auf Fehler und Lücken aufmerksam zu machen, damit letztere, später, etwa in einem Ergänzungshefte, soweit als möglich gut gemacht werden können. Der Umfang des Buches ist bedeutend größer geworden, als ur- sprünglich in Aussicht genommen war. Der IL Band, dessen Druck- legung eben begonnen hat, wird mit dem Abschlüsse des Werkes die nötigen Sach- und Namenregister sowie die Literaturnachträge bis Ende 1904 bringen. Herrn Dr. Gustav Fischer spreche ich für sein liebenswürdiges Entgegenkommen und seine OpferwiUigkeit bei der Übernahme des Ver- lages und bei der Ausstattung des Buches meinen aufrichtigen Dank aus. Prag, am 1. November 1904. F. Czapek. Vorwort zur zweiten Auflage. Die Herausgabe der ersten Auflage dieses Werkes fiel in eine Zeit, die durch das allseits wachgewordene Interesse für pflanzenbio- chemische Forschung sowie durch den Mangel an umfassenden literarischen Behelfen für die Grenzgebiete von Pflanzenphysiologie und Chemie für die Aufnahme des Buches sehr günstig war, so daß nicht nur die gesamte Auflage, sondern auch ein anastatischer Neudruck derselben seit einer Reihe von Jahren aus dem Buchhandel verschwunden ist. Wenn der Verfasser nun daran ging, für das vergriffene Werk einen auch die neuen Fortschritte unserer Wissenschaft berücksichtigenden Ersatz zu schaffen, so bedurfte dies neuerlich mehrjähriger angestrengter Arbeit» da nur eine eingreifende Neubearbeitung der meisten Abschnitte dem jetzigen Stande der Kentnisse entsprechen konnte. Die Stellung des Werkes ist in mancher Hinsicht gegenwärtig günstiger, in anderer Richtung aber schwieriger als vor 9 Jahren. Vorwort. VII Damals konnte noch einer der Rezensenten sagen, daß die tierphysio- logische Literatur ein Buch von gleichem Ziele nicht besitzt. Heute verfügen wir über eine ganze Anzahl prächtiger Sammelwerke, welche das Arbeiten ungemein erleichtern und die auch dem Verfasser des vor- liegenden Buches bei der kritischen Sichtung des Materiales außer- ordentlich wertvolle Dienste geleistet haben. Nach dem Erscheinen des großen Handbuches der Biochemie des Menschen, welches Oppenheimer herausgegeben hat, folgten die vielbändigen Kompendien, die unter Abderhaldens Ägide erschienen sind, vor allem das unentbehrliche „Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden", weiter das „Biochemische Handlexikon", welches in mehreren Artikeln für den Pflanzenbiochemiker ein schätzenswertes Hilfsmittel darstellt. Für den Botaniker wichtig ist die mit enormem Fleiße und größter Gewissenhaftigkeit zusammengetragene Darstellung der Pflanzenstoffe von Wehmer, welche jeder Physiologe voll würdigen wird, der erfahren hat, wie wenig verläßUch die Wiedergabe der botanischen Benennung in chemischen Schriften ist. Neuestens haben wir noch in Tunmanns Werk eine sehr gute und kritische Behandlung der Pflanzenmikrochemie er- halten. Von kürzeren orientierenden Lehrbüchern verfügen wir bisher über Eulers Grundlagen der Pflanzenbiochemie und Gräfes Lehrbuch der Biochemie. Diese reiche Literatur erleichterte mir meine große kritische Aufgabe nicht wenig. Auch schien mir jetzt der von mehreren Seiten ausgesprochene Wunsch, die Darstellung der biochemischen Methoden in dem vorliegenden Buche erweitert zu sehen, nicht mehr so dringlich, wie früher, da in Abderhaldens „Arbeitsmethoden" das meiste pflanzen- biochemisch wichtige Methoden material in ausgedehnter Bearbeitung vor- liegt. Das gleiche gilt von den mikrochemischen Methoden, welche durch Tunmann dargestellt worden sind. Ferner entschloß ich mich, in Hinblick auf Wehmers Zusammenstellung, die in der ersten Auflage dieses Buches oft weitläufig gegebenen analytischen Tabellen, z. B. jene über die Zu- sammensetzung der bisher näher untersuchten Pflanzenfette, wegzulassen, um Raum für wichtige neue Darstellungen zu gewinnen, ohne den Umfang des Werkes übermäßig anschwellen zu lassen. Auch sonst dürften die Besitzer der ersten Auflage dieses Buches manche Darlegungen und Literaturangaben in der vorliegenden Neu- bearbeitung nicht mehr wieder finden, so daß die erste Ausgabe des Buches ihren Quellenwert bis zu einem gewissen Maße beibehalten wird. In der Anordnung des Stoffes ist eine Reihe von Änderungen vor- genommen worden, welche mir im Interesse der Übersichtlichkeit praktisch erschienen sind. Die Aufnahme der chemischen Reizerscheinungen in die allgemeine Biochemie, wohin dieses Kapitel unstreitig gehört, hatte auch den äußerlichen Vorteil, daß nunmehr der I. Band etwa den gleichen Umfang wie der II. Band der ersten Auflage besitzt, und es nicht zu befürchten steht, daß der noch ausstehende IL Band zu um- fangreich werden wird. Die trotz der außerordentlich bedeutenden Masse der neu zu verarbeitenden Literatur relativ geringe Vermehrung der Bogenzahl hat sich nicht ohne Mühe einhalten lassen. Eine Erweiterung konnte namentlich in der Darstellung der für die Biochemie so wichtigen allgemeinen Kapitel über Kolloide und Reaktionskinetik nicht ver- mieden werden. Im übrigen ist die Behandlung des Stoffes dieselbe geblieben. Ich hielt es nach wie vor für das beste, das Gewand der referierenden VIII Vorwort. Darstellung im großen und ganzen beizubehalten, und unter Vermeidung offener Polemik und scharfer Kritik, meine persönliche Meinung für den Fachmann erkenntlich durchschimmern zu lassen. Ich fürchte nicht, daß ein Sachkundiger deswegen darin den Anschein kritikloser Kompi- lation erblicken könnte. Auf die Korrektur des Satzes wurde die größte Sorgfalt verwendet, und ich bin meinem Assistenten, Herrn Dr. K. Boresch, Frl. E. Lie- BALDT und Frl. Dr. H. Nothmann-Zuckerkandl für die unermüdliche Unterstützung hierbei zu vielem Danke verpflichtet. Frl. Liebaldt verdanke ich ferner die Herstellung der Kopien für einige Textfiguren. Trotzdem konnte es nicht verhütet werden, daß eine bedauerliche Unrichtigkeit im Texte auf p. 21, die Membranbildung bei Sporen und Pollenkörnern betreffend, unseren wachsamen Augen entgangen ist. Da sich dieser Fehler nicht mehr anders gutmachen ließ, wolle diese Stelle auf Grund der Berichtigungen vor dem Gebrauche des Buches ver- bessert werden. Für die zahlreichen brieflichen Winke und Ratschläge, welche mir nach dem Erscheinen der ersten Auflage zugingen, bin ich' vielen Kollegen großen Dank schuldig. Vor allem möchte ich den seither verstorbenen Fachgenossen ein dankbares Wort der Erinnerung weihen, Leo Errera und EriJst Schulze, welche beide wiederholt ihr warmes Interesse an meiner Arbeit durch briefliche Ratschläge und Zusendung von Hilfsmitteln aller Art bekundet haben. Sodann bin ich den ver- ehrten Kollegen G. Berthold, Cl. Permi, H. Fischer, Percy Groom, L. JosT, Ad. Mayer, Arth. Meyer, Th. B. Osborne, E. Pantanelli, A. Tschirch, J. V. Wiesner, E. Winterstein und W^ Zaleski für ihre freundliche Unterstützung zu Dank verpflichtet. .Während die erste Auflage noch mit einem Chaos in der wissen- schaftlichen Orthographie zu kämpfen hatte, konnte sich die vorliegende Neubearbeitung bereits nach den Vereinbarungen richten, welche in Dr. Hubert Jansen, Rechtschreibung der naturwissenschaftlichen und technischen Fremdwörter, Berlin, Langenscheidtsche Verlagsbuchhandlung, 1907, der Öffentlichkeit übergeben worden sind. Konform mit den Publikationen der deutschen chemischen Gesellschaft und den meisten chemischen Fachzeitschriften hält sich das Buch streng an die für den fachwissenschaftlichen Gebrauch bestimmte „gelehrte Schreibung". Es wäre zu begrüßen, wenn in der botanischen Literatur gleichfalls ein einheitliches Vorgehen erzielt werden könnte. Wenn es mir vergönnt ist, meine Arbeitsdispositionen durchzu- führen, so wird der IL Band im Jahre 19J5 der Öffentlichkeit über- geben werden. Zum Schlüsse erfülle ich noch die angenehme Pflicht, meinem hochgeehrten Herrn Verleger, Herrn Dr. Gustav Fischer, für die Bereitwilligkeit, mit welcher er auf meine Wünsche hinsichtlich der Umgestaltung des Buches eingegangen ist, meinen aufrichtigen Dank zu sagen. Müritz (Meckl.), im August 1913. F. Czapek. Inhaltsverzeichnis. Seite Geschichtliche Einleitung. Die Ernährungslehre der Pflanzen im Altertum p. 1; ihre Pflege im Mittel- alter p. 1; die iatrochemische Periode p. 2; Caesalpino und Jungius p. 2; die Bedeutung van Helmonts p. 2; Robert Boyle p. 4; Marcello Malpighi p. 4; die Bedeutung von G. E. Stahl für die Biochemie der Pflanzen p. 5; Boerhave p. 6; die Erforschung der Pflanzenaschenstoffe im 18. Jahrhundert p. 6. Jos. Blacks Arbeiten über Kohlensäure und Atmung p. 7. Priestleys Entdeckung der Sauerstoffausscheidung durch grüne Gewächse im Licht p. 7. Lavoisier und seine Rolle als Reformator in der Biochemie p. 9. Ingen-Housz und Senebier p. 10. C. W. Scheeles Entdeckungen p. 12. Saussures Untersuchungen über die Vegetation p. 13. Die Entwicklung der Biochemie im 19. Jahrhundert p. 14. Ber- ZELius, Liebig und Woehler: die Ausbildung der organischen Chemie p. 14. BoussiNGAULT und seine vergleichenden chemischen Stoffwechselstudien im Vegetationsgange der Gewächse p. 15. Die Funktion der Aschenstoffe p. 16. Enzyme und Katalyse p. 16. Die Entdeckung der Gärungs- und Fäulniserreger p. 16. Die Begründung der Physiologie der Mikroorganismen durch Pasteur p. 17. Die vielseitige Anregung, welche die Biochemie durch die modernen chemischen Disziphnen erfährt p. 17. Der Einfluß und Nutzen der Tier-Biochemie p. 18. Allgemeine Blpchemie. Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge im lebenden Organismus. § 1. Das Protoplasma und seine Stoffe 20 Zustandseigenschaften und Vorgangseigenschaften desselben "p.'2b. ' Be- griff des Protoplasmas; Historisches p. 21. Analysen von Protoplasma p. 22. Komplexer Aufbau desselben p. 23. § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide 24 Historisches p. 24. Sole und Gele p. 25. HersteUung und Eigenschaften der Sole p. 26. Tyndall-Phänomen p. 28. Ultramikroskop p. 29. Teilchen- größe p. 30. Suspensoide und Emulsoide p. 31. Grobe Suspensionen p. 32. Ausflockung p. 33. Amikronische Kolloide p. 35. Aussalzen p. 36. Gelati- nieren und Koagulieren p. 37. Schutzkolloide p. 39. Semikolloide p. 40. § 3, Fortsetzung: die Gele und die Adsorptionserscheinungen ... 40 Eigenschaften der Gele p. 40. Quellung p. 41. | Hysteresis p. 44.* 1 Adsorp- tion p. 44. Adsorptionsgesetze p. 46. § 4. Protoplasmastrukturen und ihre biochemische Bedeutuug 50 Hyalo- und Polioplasma p. 50. Netzstrukturen p. 51. Emulsionsartiger Auf- bau p 52. Plasmatheorien p. 62. Aggregatzustand p. 53. Plasmastrukturen und Diosmose p. 54. Plasmolyse p. 55. Semipermcabilität p. 56. Over- TONs Lipoidtheorie der Plasmahaut p. 58. Bau der Plasmahaat p 59 Elektroendosraose p. 61. Passieren von Kolloiden p. 62. Oberflächen- schicht und Oberflächenspannung im lebenden Protoplasma p. 62 Das Zellplasma als Organismus p. 64. Stofftheorien und Maschinentheorien p. 65. Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. § 1. Über die Reaktionsbedingungen ßg Die Notwendigkeit steter stofflicher Wechselwirkungen init der äußeren Umgebung p. 66. Autolyse p. 68. Temperatureinflüsse p. 69. Aggregat- zustand p. 70. Trennungs- und Mischungsprozesse p. 70. X Inhaltsverzeichnis. Seite § 2. lonenreaktionen in der lebenden Zelle 71 Vorkommen, Aufnahme ionisierter Stoffe p. 71. Neubildung von Ionen p. 73. Hydrolytische Spaltungen p. 74. Messung der Wasserstoffionen- konzentration p. 75. Ionisation und Diosmose p. 77. § 3. Reaktionsgeschwindigkeit 77 Einfluß kolloider Medien p. 77. Gesetze des Reaktionsverlaufes p. 78. Uni- molekulare Reaktionen p. 78. Bimolekulare Reaktionen p. 79. Umkehr- bare Reaktionen p. 80. Nebenreaktionen p. 81. Temperatur und Reaktions- geschwindigkeit p. 81. Temperaturoptima p. 82. Reaktionen in hetero- genen Systemen p. 83. § 4. Katalyse 84 Begriffsbestimmung der Katalysatoren nach Ostwald p. 84. Historisches p. 84. Unterschied von Auslösungsvorgängen p. 85. Negative Katalysen p. 86. Päralysatoren p. 86. Einfluß der Quantität des Katalysators p. 87. Autokatalyse p. 88. Begrenzung des Wirkungskreises der Katalysatoren p. 89. Erklärung der, Katalysen p. 90. Katalysen in heterogenen Systemen p. 91. Periodische Katalyseneffekte p. 93. Mikroheterogene Katalysen p. 94. Vergiftungsähnliche Erscheinungen bei Platinsol p. 94. § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme 95 Enzyme sind nur Katalysatoren p. 95. Historisches p. 96. Stoffliche Eigenschaften der Enzyme p. 97. Kolloide Eigenschaften von Enzymen p. 98. Herstellung von Enzympräparaten p. 100. Sekretionsenzyme und Endoenzyme p. lOL Spezifische Wirksamkeit p. 102. Systematik der Enzymwirkungen p. 104. Temperatureinflüsse p. 106. Lichtwirkungen auf Enzyme p. 109. Enzymgifte p. 110. Antienzyme p. 112. Förderung von Enzymwirkungen durch chemische Stoffe p. 113. Kofermente p. 115. § 6. Enzyme, Fortsetzung: Kinetik der Enzymreaktionen 115 Enzymkonzentration und Wirkung p. il6. ScHÜTZsche Regel p. 117 Falsches Gleichgewicht p. 118. Substratkonzentration und die Ge- schwindigkeit von Enzymreaktionen p. 119. Reversion von Enzym- reaktionen D. 121. Profermente oder Zymogene p. 125. § 7. Immunreaktionen' 127 Antigene p. 127. Bacteriotoxine p. 128. Endotoxine p. 128. Hämolysine p. 131. Aggressine p. 131. Autotoxine p. 132. Phytotoxine p. 132. Agglu- tination p. 134. Präcipitinreaktionen p. 135. § 8. Fortsetzung: Die Kipetik der Immunreaktionen 137 Immunreaktionen sind von Fermentreaktionen verschieden p. 138. Die EHRLiCHsche Seitenkettentheorie p. 138. Toxin- Antitoxinreaktion p. 139. Amboceptoren und Komplemente p. 141. Komplementablenkung p. 143. Kinetik der Agglutininreaktion p. 144. Präcipitinreaktionen p. 145. Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. § 1. Einleitung 147 Nähreffekte und Reizeffekte p. 147. Historisches p. 148. Stimulations- wirkungen p. 149. Giftwirkungen p. 150. Adsorptionswirkungen hierbei p. 151. Resistenz gegen Gifte p. 152. Gewöhnung an Gifte p. 163. Ein- teilung der Giftwirkungen p. 164. § 2. Chemische Reizerfolge bei der Alkoholgärung . 165 § 3. Chemische Reizerfolge auf die Sauerstoffatmung 158 § 4. Chemische Reizerfolge auf die Kohlensäureassimilation 160 § 5. Chemische Reizerfolge auf Protoplasmaströmung 161 § 6. Chemische Reizerfolge bei Kern- und Zellteilung 162 § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung der Gestalt. Inorganische Reizstoffe 163 Geschichtliches p. 164. Allgemeine Verbreitung stimulierender Effekte p. 164. Chemische Reizwirkungen auf Keimung von Sporen und Samen p. 165. Verdnnnungsgrenzen p. 167. Der Verteilungssatz p. 168. Wir- kungen von Ionen und Molekülen p. 169. Osmotische Reize p. 172. Wir- kungen des Wasserstoffions p. 173. Giftwirkung von Laugen p. 176. Neutralsalze p. 178. Reine Metalle p. 178. Antagonistische lonenwirkungen p. 179. Erdalkalien p. 181. Kationen der Eisengruppe p. 182. Kupfer- gruppe p. 184. Quecksilber p. 187. Silber p. 187. Edelmetalle p. 189. Inhaltsverzeichnis. XI Seite Nichtmetalle p. 189. Arsen, Phosphor, Stickstoff p. 190. Schwefel p. 191. Halogene p. 193. Bor p. 194. § 8. Fortsetzung: Wachstumsreize durch Kohlenstoff Verbindungen 196 Kohlensäure, Kohlenoxyd p. 195. Blausäure p. 196. Die Narkotica p. 197. Theorie von Overton und H. H. Meyer p. 198. Untersuchungen von H. NoTHMANN. Erstickungshypothcsc der VERWORNSchen Schule p. 200. Atmolyse p. 201. Alkoholwirkung p. 201. Chloroform, Formaldehyd p. 202. Organische Säuren p. 203. Harnstoff, Coffein, Cyclische Kohlen- wasserstoffe p. 204. Teerfarbstoffe p. 206. Terpene und ätherische öle p 207. Pflanzenalkaloide p. 208. § 9. Chemische Reizerfolge auf die Form der Pflanze . 210 Chemomorphosen p. 210. Bacterien und Pilze p. 211. Algen p. 214. Moose, Farne, Phanerogamen p. 216. Einflüsse auf Ausbildung des Geschlechtes p. 217. Gallen p. 218. § 10. Chemische Reizerfolge beim Befruchtungsyorgane 218 Historisches p. 218. Loebs Untersuchungen über Parthenogenesis p. 219. Spermaenzyme? p. 220. Hertwigs Arbeiten p. 221. Ermöglichung von Fremdbefruchtung p. 222. § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen 222 Reizwirkungen an den Tentakeln von Prosera p. 223. Chemonastie bei Ranken p. 224. Mimosa, Chemotropismus p. 225. Chemotaxis p. 226. Gal- vanotaxis p. 233. Biologische Bedeutung der Chemotaxis p. 234. Viertes Kapitel: Chemische Anpassungs- und Vererbungserscheinungen . 234 Spezielle Biochemie. I. Teil: Die Saccharide im Stoffwechsel der Pflanze. Abschnitt 1: Allgemeine Verhältnisse. Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuclcerarten. § 1. Allgemeine Orientierung 240 Wichtigkeit des Traubenzuckers p. 240. Geschichte der Chemie der Zucker- arten p. 241. Synthese des Traubenzuckers p. 245. Gewinnung der stereo- isomeren Hexosen p. 246. Pentosen und Tetrosen p. 247. Übersicht der Zuckerarten p. 248. § 2. Kurze Charakteristik der natürliche^ Zuckerarten und Zuckeralkohole; Methodische Hinweise 252 A. Die in Pflanzen vorkommenden Aldohexosen, Traubenzucker p. 252« Glucuron p. 256. d-Mannose p. 264. d-Galactose p. 266. B. Ketohexosen, d-Fructose p. 266. d-Sorbose p. 267. C. Pentosen p. 268, D. Methylpentosen p. 270. E. Tetrosen p. 272. F. Zuckeralkohole, Erythrit p. 272. Adonit, Sorbit p. 273. Idit und Mannit p. 274. Dulcit p. 274. Perseit p. 275. § 3. Verbindungen der Zuckerarten 276 Aminozucker p. 275. Ester der Zuckerarten, Phosphorsäureester und deren Enzyme p. 277. Die stereoisomeren Glucoside p. 278. Natürliche Glucoside p. 280. § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate , . ., 281 Polysaccharide p. 281. Hydrolyse. Freie Aldehydgruppen p. 283. Konsti- tution p. 284. A. Disaccharide. Vicianose. Saccharose p. 284. Trehalose p. 287. Maltose p. 288. B. Trisaccharide. Raffinose p. 289. Melezitose p. 291. C. Tetrasaccharide. Stachyose p. 291. § 5. Anhang: Bildung von Huminstoffen aus Zucker 292 Historisches p. 292. Hoppe-Seylers Arbeiten p. 293. Huminstoffe der Ackererde p, 294. Humussäuren p. 296. Abschnitt 2: Die Saccharide im Stoffwechsel der niederen Pflanzen. Sechstes Kapitel: Zucker und Kohlenhydrate bei Pilzen und Bacterien. § 1. Zuckeralkohole, Hexosen und Hexobiosen 296 Mannit p. 297. Sorbit, Volemit, Glucose, Trehalose p. 298. Umsatz p. 299. XII Inhaltsverzeichnis. 8«ita § 2. Kohlenhydrate; Glykogen 300 Glykogen, Vorkommen p. 300. Hefeglykogen p. 301. Eigenschaften p. 302. Umsatz p. 303. Andere Kohlenhydrate p. 304. Cellulinkörnchen p. 305. § 3. Kohlenhydrate bei Bacterien 305 „Amidon amorphe" p. 306. Paraglykogen p. 305. Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker und Kohlenhydraten durch Pilze und Bacterien. § 1. Einleitung. Resorption von Zuckeralkoholen 306 Resorption von Reservestoffen und von außen dargereichten Materialien p. 306. Enzyme als Mittel zur Erreichung dieser Nahrungsquellen p. 307. Resorption von Mannit durch Bacterien p. 308. Mannit bei höheren Pilzen p. 309. Stoffwechselprodukte p. 310. Mannitgärung p. 310. § 2. Verarbeitung von Hexosen und Pentosen 311 Differenzen in der Eignung p. 311. Saccharophile und saccharophobe Orga- nismen p. 312. Produkte der Zuckerspaltung p. 313. § 3. Die Alkoholgärung 316 Verbreitung p. 316. Vergärbarkeit der einzelnen Zucker p. 318. Zucker- konzentration p. 319. Günstigste Temperatur p. 320. Gärungsprodukte p. 321. Hemmung durch Alkohol p. 322. Glycerin p. 324. Bernsteinsäure, Acetaldehyd p. 324. Andere Produkte p. 325. Höhere Alkohole p. 326. Die Zymase p. 328. Wirkung von Kofermenten und von Alkaliphosphaten p. 330. Hexosephosphorsäureester p. 331. Reaktionsgesetz p. 332. Theorien der Alkoholgärung p. 333. Einfluß der Sauerstoffzufuhr p. 336. Hemmung durch Gifte p. 337. § 4. Milchsäuregärung 338 Historisches p. 339. Verbreitung p. 339. Die isomeren Milchsäuren p. 340. Nachweis der Milchsäure p. 341. Materialien der Milchsäuregärung. Stoff- wechselprodukte p. 344. Natur der Milchsäuregärung, p. 345. Einfluß von Temperatur und Sauerstoff p. 346. Gärkraft der Bacterien p. 346. Hem- mende und aktivierende Wirkungen p. 346. § 6. Andere, weniger bekannte Zuckerspaltungen 347 Schleimgärung p. 347. Citronensäuregärung p. 349. Oxalsäuregärung p. 350. Fruchtätherbildende Hefen, Pilze und Bacterien p. 350. § 6. Verarbeitung von zusammengesetzten Zuckerarten und Glucosiden. . . 351 Die hierbei vorkommenden Enzymwirkungen p. 351. Rohrzuckeraufnahme, Invertin p. 352. Verbreitung invertierender Enzyme p. 353. Darstellung von Invertin p. 355. Eigenschaften des Hefeinvertins p. 356. Kinetik und Reversionswirkung p. 358. Verarbeitung von Maltose : Maltase p. 359. Trehalase, Melibiase p. 361. Lactasen p. 362. Glucosidspaltungen p. 363. Emulsin p. 364. Verarbeitung von Trisacchariden p. 365. § 7. Verarbeitung hochzusammengesetzter Kohlenhydrate 365 Stärkeverarbeitung durch Bacterien und Pilze p. 366. Diastase bei Pilzen und Bacterien p. 368. Glykogenverarbeitung p. 369. Inidinverarbeitung p. 370. Zell Wandkohlenhydrate p. 370. Cellulosegärung p. 371. Met;han- gärung und Wasserstoffgärung p. 372. Verarbeitung von Hemicellulosen und Pentosanen p. 373. Agarverflüssigung, Gelase p. 373. Cytase und Pectosinase bei höheren Pilzen p. 374. Holzzerstörende Pilze, Hadromase p. 375. Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen und Bacterien. § 1. AJlgemeines 376 Physiologische Eignung von Kohlenstoffverbindungen als wechselnde Eigenschaft p. 376. Differenzen zwischen isomeren Verbindungen p. 377. Elektive Verarbeitung racemischer Verbindungen p. 378. § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen 379 Methodisches p. 379. ökonomischer Koeffizient p. 380. Verarbeitung von Carbonaten, Formaldehyd p. 380. Methan, Methylalkohol, Ameisensäure p. 381. Äthylalkohol und Essigsäure p. 381. Höhere aliphatische Ver- bindungen, organische Säuren p. 383. Stoffwechselprodukte p. 384, Kohlensäureabspaltung aus Ketonsäuren, Carboxylase p. 385. Amino- säuren, Glycerin p. 386. Ureide, hydroaromatische Verbindungen p. 387. Sprengung des Benzolringes p. 388. Huminstoffverarbeitung p. 388. Inhaltsverzeichnis. XIII Seite Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. § 1. Speicherung von Kohlenhydraten bei Algen 389 Paramylumkörner, Leucosin p. 389. Bei Cyanophyceen p. 390. Bei Flori- deen und Braunalgen p. 391. § 2. Resorption von Kohlenhydraten und Kohlenstoffgewinnung durch Algen 392 Ernährung grüner Algen mit Zucker p. 392. Resorption anderer organischer Stoffe p. 393. r r 5 Anhang: Bemerkungen über den Kohlenhydratstoffwechsel bei Moosen und Farnen p. 395, Abschnitt 3: Die Saccharide im Stoffwechsel der Blütenpflanzen. Zehntes Kapitel: Der Reservekohlenhydrate der Samen. § 1. Zuckerarten 395 Saccharose p. 396. Raffinose p. 397. § 2. Stärke 397 Vorkommen p. 397. Quantitative Verhältnisse p. 398. Darstellung reiner Stärke p. 399. Bau und Entstehung der Stärkekörner p. 400. Physikalische Eigenschaften p. 401. Theorien über den Bau der Stärkekörner p. 402. Allgemeine chemische Eigenschaften p. 404. Jodstärke p. 407. Die Kohlen- hydrate der Stärkekörner p. 408. Amylose, Amylopektin p. 410. Hydro- lytischer Abbau der Stärke durch Säuren p. 411. Amylodextrin p. 412. Endprodukte der Hydrolyse p. 413. Konstitution der Stärkekohlenhydrate p. 414. Quantitative Stärkebestimmung p. 416. . § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen 417 Amylan, Secalose p. 417. Mannan, Carobin, Reservecellulose p. 418. Amy- loid p. 419. Produkte der Hydrolyse von Reservecellulosen p. 420. Elftes Kapitel: Die Resorption von Zucker und Kohlenhydraten bei keimenden Samen. § 1. Resorption der einfachen und zusammengesetzten Zuckerarten 422 Alkoholgärung des Traubenzuckers bei Sauerstoffmangel p. 422. Umsatz von Rohrzucker p. 424. Invertin in Keimlingen p. 425. Maltose p. 426. Secalose p. 426. § 2, Die Resorption von Stärke in keimenden Samen und die hierbei tätigen Enzyme 426 Der Fortgang der Stärkelösung bei der Keimung p. 427. Diastase in ruhenden und keimenden Samen p. 428. Verteilung der Diastase in keimenden Samen p. 430. Zymogen; Diffusion der Diastase p. 431. Darstellung und chemische Eigenschaften der Diastase p. 432. Messung der amylolytischen Wirksam- keit p. 434. Temperatureinfluß p. 435. Einfluß von Wasserstoffionen und Neutralsalzen p. 437. Die Kinetik der Diastasewirkung p. 439. Ist die Diastase ein Enzymgemisch? p. 439. Abbauprodukte der diastatischen Stärkehydrolyse p. 441. Isomaltose p. 443. Maltose als Endprodukt p. 444. § 3. Resorption der Reservecellulosen bei der Keimung 445 Der Lös ungs Vorgang p. 445. Cytase p. 446. Die entstehenden Produkte p. 447. § 4, Resorption von Zucker und Kohlenhydraten bei künstlich ernährten Embryonen 448 Zwölftes Kapitel: Die Bildung der Reservekohlenhydrate in Samen. . 449 Fortgang der Stärkeablagerung p. 450. Die Kohlenhydrate unreifer Ge- treidesamen p. 451. Amylokoagiüase p. 452. Dreizehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel unterirdischer Speicherorgane. § 1. Die in unterirdischen Speicherorganen vorkommenden Zuckerarten . . . 463 Zuckeralkohole, Hexosen, Rohrzucker p. 453. Raffinose p. 455. Gentianose, Cyclamose, Stachyose, Lactosin p. 456. Asparagose p. 467. § 2. Die Polysaccharide der Inulingruppe 457 Inulin, Verbreitung, Historisches p. 458. Eigenschaften p. 459. Begleit- stoffe p. 460. Sinistrin, Triticin, Graminin p. 461. § 3. Stärke in unterirdischen Speicherorganen. Vorkommen von Mannan . . . 461 Verhältnisse der Stärkekörner in unterirdischen Rhizomen und Knollen p. 462. Verbreitung, Analytisches p. 463. Dextrane, Mannaue p. 463. Galactan, Reservecellulose p. 464. XIV InhaltsverzeichniB. Seite § 4. Veränderungen der Kohlenhydratreserven während der Ruhezeit von Speicherorganen 465 Das Süßwerden abgekühlter Kartoffeln p. 465. § 5. Die Resorption der Reservekohlenhydrate beim Austreiben von Speicher- organen 466 Künstliche Entlerung p. 466. Resorption von Stärke, Inulin p. 467. § 6. Die Ausbildung der Reservekohlenbydrate in Speicherorganen 468 Entleerung und Neufüllung p. 468. Zuckerbildung in der Zuckerrübe p. 469. Anhäufung von Stärke und Inulin p. 470. Vierzehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel in Sproßorganen und Laubknospen. § 1. In Sprossen vorkommende Kohlenhydrate 471 Mannit, Dulcit, Traubenzucker p. 472. Saccharose p. 473. Raffinose, Stachyose, Stärke p. 474. Inulin, Reservecellulose p. 475. § 2. Resorption und Bildung der Reservekohlenhydrate in Sproßorganen 475 § 3. Die Verhältnisse in Laubknospen 477 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. § 1. Die Bedeutung der Stärke in Laubblättern 478 Historisches p. 478. Arbeiten von Jul. Sachs p. 479. Stärkefreie Chloro- plasten p. 481. Künstliche Stärkebildung durch Zuckerzufuhr p. 482. Die Blätterstärke im Winter p. 483. Quantitative Daten p. 484. § 2. Lösung der Chloroplastenstärke und Transport des Zuckers aus den Blättern 485 Amylolytische Enzyme der Blätter p. 485. Zuckergehalt von Laubblättern p. 486. Die sogenannte transitorische Stärke p. 488. Verhalten der Kohlen- hydratreserven beim Laubfall p. 489. Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflanzungssystem. § 1. Pollenkörner 489 § 2. Kohlenhydrate in Früchten 490 Analytische Daten p. 490. Veränderungen des Zuckergehaltes in reifenden Früchten p. 492. Invertin p. 493. Siebzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel bei phanerogamen Parasiten und Saprophyten. Chlorophyllführende Parasiten und Saprophyten p. 494. Enzymsekretion p. 495. Reservestoffablagerung p. 496. Achtzehntes Kapitel: Resorption von Kohlenstoffverbindungen durch Wurzeln und Blätter von Phanerogamen. § 1. Wurzeln 497 Resorption von Zuckerlösungen p. 497. Andere Kohlenstoffverbindungen p. 498. Enzymproduktion p. 499. § 2. Blätter und Laubsprosse 499 Blätter bilden Stärke auf Zuckerlösungen p. 499. Dazu verwendbare Zuckerarten p. 500. Neunzehntes Kapitel: Sekretion von Zucker und Kohlenhydraten. § 1. Physiologische Vorkommnisse 501 Nectarien, Sekretionsmechanismus p. 501. Vorkommende Zuckerarten p. 502. Zuckerbildung in Nectarien p. 503. § 2. Pathologische Sekretionsvorgänge 504 Honigtau und dessen Bestandteile p. 504. Abschnitt 4: Die photochemische Zackersynthese in der Pflanze. Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeitung und Zuckersynthese im Chlorophyllkom. § 1. Einleitende und historische Betrachtungen 506 Funktion und Bau der Assimilationsorgane p. 506. Malpighi, Priestley, Ingen-Housz p. 507. Senebier und Saussure p. 509. Forschungen im 19. Jahrhundert p. 510. Sachs p. 511. § 2. Der Gaswechsel bei der Kohlensäureassimilation 512 Die Kohlensäure der atmosphärischen Luft p. 512. Die Eintrittspforten der Kohlensäure in die Blätter p. 514. Die von Landpflanzen aufgenommene InhaltBverzeichnis. XV Seite Kohlensäure stammt aus der Luft p. 517. Die Kohlensäureversorgung der Wasserpflanzen p. 518. Die Abgabe von Sauerstoff im Sonnenhcht p. 520. Werden noch andere Gase abgegeben ? p. 522. Das quantitative Verhältnis der Menge der aufgenommenen Kohlensäure und des abge- gebenen Sauerstoffes p. 522. Die Verarbeitung von Wasser im Assimila- tionsprozesse p. 524. Die Beschaffung von Kohlensäure auf Kosten orga- nischer Säuren bei Succulenten p. 524. Ist die Kohlensäure bei der Assimilation durch andere gasförmige Kohlenstoffverbindungen ersetz- bar? p. 526. § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation 527 A. Konzentration der dargereichten Kohlensäure p. 527. B. Konzen- tration des zur Verfügung stehenden Sauerstoffes p. 529. Sauerstoff- mangel p. 530. C. Einfluß des Lichtes. Ergrünen im Dunkeln p. 531. Minimale Lichtintensität p. 532. Limitierende Faktoren p. 534. Schatten- pflanzen p. 535. Wirkung verschiedener Strahlengattungen p. 637, Opti- mum im Rot p. 538. Das blaue Himmelslicht p. 540. Die submarinen Algen p. 541. D. Einfluß der Temperatur p. 542. E. Einfluß des Wasser- gehaltes der Pflanzen p. 543. F. Einfluß des Salzgehaltes des Mediums p. 544. G. Einfluß der Ansammlung von Assimilationsprodukten oder von künstlicher Zuckerdarreichung. H. Einfluß von Wasserströmungen. L Einfluß von elektrischen Strömen p. 546. K. Einfluß des Lebensalters. L. Einfluß von Narkoticis und von anderen chemischen Substanzen p. 547. Wirkung von Formaldehyd p. 549. § 4. Die Chloroplasten als Assimilationsorgane 549 Historisches p. 549. Struktur der Chloroplasten p. 550. Vermehrung p. 551. Rolle von Farbstoff und Stroma p. 652. Inaktive Chloroplasten p. 553. Panaschüre p. 564. Chlorose p. 555. 8 5. Die Pigmente der Chloroplasten 555 Allgemeine und historische Bemerkungen p. 656. Chlorophyllbegriff p. 666. Chlorophyllan p. 567. Koöxisten^ und Abtrennung der einzelnen Chloroplastenpigmente p. 658. Tswetts und Willstätters Methoden p. 559. Esternatur der Clüorophylle p. 660. Chlorophyllase p. 561. Physi- kalische Eigenschaften des Blattgrüns p. 561. Verfärbung am Licht p. 662. Fluorescenz p. 563. Absorptionsspektrum p. 565. Quantitative Lichtabsorption p. 566. Die chemischen Eigenschaften der Chlorophyll- modifikationen p. 568. Phytol, Phaeophytin p. 669. Phylloxanthin, Phyllocyanin von Fremy p. 570. Phytochlorine und Phytorhodine Will- stätters p. 571. Borodins „krystallisiertes Chlorophyll" p. 571. Alka- chlorophyll, Chlorophylline p. 572. Glaukophyllin, Rhodophyllin p. 573. Porphyrine p. 574. Pyrrolkerne im Chlorophyll p. 576. Chlorophyll und Hämin p. 676. Chlorophyllogen; quantitative Chlorophyllbestimmung p. 677. Farbstoffe in etiolierten Blättern p. 579. Protochlorophyll p. 580. Die Farbstoffe der herbstlich vergilbten Blätter p. 681. Die winter- liche Rötung mehrjähriger Laubblätter p. 582. Die gelben Begleitfarbstoffe des Chlorophylls in den Chloroplasten p. 583. Xanthophyll p. 684. Mikro- skopischer Nachweis p. 686. § 6. Farbstoffe aus der Gruppe der Anthocyanine in chlorophyllführenden Pflanzenteilen 586 Historisches p. 686. Reaktionen p. 687. Weinrot und Rübenrot p._688. Neuere chemische Untersuchungen von Gräfe p. 689. Bildungsgeschichte p. 590. Die Chromogene p. 591. Bedingungen der Entstehung von Antho- cyanin p. 592. Physiologische Rolle p. 693. § 7. Die Algenchromatophoren und deren Farbstoffe 594 Struktur p. 695; die verschiedenen Pigmente p. 696; komplementäre chromatische Adaptation p. 697 ; Cyanophyceen, Phycocyanin p. 598. Peridi- neen und Diatomeen p. 699; Diatomin p. 600; Phaeophyceen p. 601; Chloro- phyll, Phycophaein p. 602; Florideen p. 603; Phycoerythrin p. 604. Flori- deenchlorophyll p. 606. § 8. Kohlensäureassirailation bei Bacterien 605 Grüne Bacterien p. 606. Purpurbacterien p. 607. § 9. Chlorophyll und Kohlensäureassimilation bei Tieren 608 Symbiose von Algen mit Tieren p. 608. Grüne Pigmente der Insekten p. 609. XVI Inhaltsverzeichnis. Seite § 10. Einfluß organischer Kohlenstoffnahrung auf die Kohlensäureassimilation grüner Pflanzen. Nicht grüne und grüne Parasiten; Holosaprophyten 609 Algen p. 609; Chlorophyllgehalt bei phanerogamen Parasiten und Sapro- phyten p. 610. § 11. Die Rolle des Chlorophyllfarbstoffes bei der Kohlensäureassimilation 611 Allgemeine Gründe p. 611. Inaktivierung von Chloroplasten p. 612. Über- leben der assimilatorischen Funktion bei zerstörten Chloroplasten p. 612. Ältere Theorien von Timiriazeff, Wiesner, Pringsheim p. 613. Chloro- phyll als Sensibilisator oder photodynamisch wirksamer Farbstoff p. 614 Chemische Wirkungen des Chlorophyllfarbstoffes p. 615. Die absorbierte Lichtenergie p. 616. Energiebilanz p. 617. § 12. Quantitatives Ausmaß der Produktion im photosynthetischen Assimi- lationsprozesse 618 Messungen von Kreusler, von Brown und Escombe p. 619. Spezi- fische Differenzen der Assimilationsenergie p. 620. § 13. Ansichten über die chemischen Vorgänge bei der Synthese von Kohlen- stoffverbindungen aus Kohlensäure und Wasser durch chlorophyllgrüne Pflanzen im Lichte 620 L Dasjenige Produkt, welches die Kondensation von Kohlensäure und Wasser zum ersten Ziele hat, sind wahrscheinlich Hexosen p. 621. IL Auf welchem Wege entstehen Hexosen aus Kohlensäure und Wasser? p. 623. Formaldehyd in grünen Blättern p. 624. Forraaldehydreaktionen p. 625; Verarbeitung von Formaldehyd p. 626. Reduktion der Kohlensäure p. 627; Kondensation des Formaldehyds p. 628. Abschnitt 5: Die Saccharide als Skelettsnbstanzen des Pflanzenkorpers. Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen . . 629 § 1. Die Zellhaut der Bacterien 629 Keine Cellulose p. 629; Chitin; Schleimstoffe p. 630. § 2. Die Zellmembranen der Pilze und Flechten 631 I. Myxomyceten p. 631, IL Sproßpilze p. 631; IIL Höhere Pilze p. 632. Die „Pilzcellulose" p. 633; Chitinnachweis p. 634; Chemie des Chitins p. 635. Mikrochemisches; Pentosane p. 636. Hemicellulosen p. 637; IV. Flechten p. 638. j § 3. Die Zellmembranen der Algen 639 I. Die Zellhaut der Euglenaceen p. 639; IL Cyanophyceen, IIL Peridineen; IV. Diatomeen p. 640; V. Grünalgen p. 641; VI. Phaeophyceen p. 642; VII. Florideen p. 643. § 4. Die Zellmembranen der Moose und Farne 644 Moose; Sphagnol, Dicranumgerbsäure p. 644. Farnzellmembranen p. 646. § 5. Das Zellhautgerüst der Phanerogamen: Die CeUulose 645 Historisches p. 645. Reindarstellung und KrystaUisation der Cellulose p. 647. Hydrolyse, chemische Eigenschaften p. 648. Hydrocellulose p. 649. Cellulosereaktionen p. 652. „Rohfaserbestimmung" p. 652. Quantität der Rohfaser in verschiedenen Organen p. 654. § 6. Hemicellulosen und Pentosane der ZeDwand 654 Begriff der Hemicellulosen: Reservestoffe und Gerüstsubstanzen p. 655. Galactane p. 656. Pentosane und Methylpentosane p. 656. Hydrolyse derselben p. 657. Furfurolbildung p. 660. Araban, Xylan, quantitative Pentosenbestimmung p. 661. Analytische Daten p. 662. Physiologie der Pentosane p. 664. § 7. Die Pektinsubstanzen 665 Historisches p. 665. Fremys Pektose und Pektinsäure p. 666. Die Pektine als Oxyderivate p. 667. Produkte der Hydrolyse p. 668. Koagulation durch Pektase p. 668. Die Pektinase und Pektosinase p. 669. Pektinstoffe der Mittellamelle p. 670. Pektinnachweis p. 671. Anhang: Mangins „CaUose" p. 672. § 8. Gummibildung in Zellmembranen 673 Membranogene Entstehung p. 673. Allgemeine Eigenschaften der Gummi- arten p. 674. Produkte der Hydrolyse: Zuckerarten, Gummisäuren p. 676. Ursachen der Gummosis p. 677. Gummi in Sekretbehältern p. 678. Inhalteverzeichniß. XVII Seite § 9. Benzolderivate als Zellhautbestandteile 678 § 10. Das angebliche Vorkommen von Proteinstoffen in Zellmembranen . . 679 § 11. Mineralische Einlagerungen in Zellmembranen 680 § 12. Verholzte Zellmembranen 682 Historisches p. 682. Eleraentaranalysen p. 684. Die Cellulose des Holzes p. 686. Esterbindungen p. 685. Hemicellulosen p. 685. Pentosane: Xylan p. 686. Methylpentosan p. 687. Ligninsäuren p. 688. Lignosulfon- säuren p. 688. Permanganatreaktion von Mäule p. 688. Aromatische Stoffe im Holz: Coniferin? Vanillin? p. 688. Farbenreaktionen von Holz p. 689. Hadromal p. 690. Methylzahl p. 692. Stickstoffhaltige Stoffe im Holz p. 693. Aschengehalt p. 693. Farbstoffe p. 693. Biologische Bedeutung des Verholzungsprozesses p. 694. § 13. Die verkorkten Zellhäute 695 Historisches p. 695. Suberinlamelle p. 696. Fettsäuren des Korkes p. 696. Cerin p. 696. Phellonsäure, Suberinsäure und Phloionsäure p. 697. Mikro- chemisches p. 698. Die Kohlenhydrate verkorkter Zellwände p. 699. Aromatische Stoffe p. 699. Aschenstoffe p. 699. Färbungsreaktionen p. 700. Entstehung der Verkorkung p. 700. § 14. Cutinisierte Zellmembranen 700 Cuticula und Kork p. 700. Analysen p. 701. Cutose p. 701. Epicuticula p. 701. Chemie des Cutins p. 701. Pollenin p. 702. Vittin p. 702. Die Aus- kleidung der Intercellularen pektinartig p. 702. Regeneration, biologische Bildung der Cuticula p. 703. § 15. Schleimige Epidermisüberzüge, fälschlich ebenfalls Cuticula genannt . . 703 Mucosa p. 703. Mikrochemie p. 703. Experimentelle Erzeugung p. 703. § 16. Membranschleime 703 Epidermisschleim p. 704. Membranogene Schleimbildung p. 704. Schleim- zellen p. 705. Biologisches p. 705. Chemie den Pflanzenschleime p. 705. Cellulose- und Pektinschleime p. 706. Produkte der Hydrolyse p. 706. § 17. Die Bildung von Zellmembranen 706 Rolle des Zellkernes p. 707. Ausscheidung oder Umwandlung p. 707. Die Bildung von Exosporien und Exinen p. 708. „Geformte Sekrete" p. 708. Materialien der Cellulosebildung p. 708. II. Teil: Die Lipoide im Stoffwechsel der Pflanze. Abschnitt 1 : Die Nahrnngslipoide der Pflanzen. Zweiundz wanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen .... 709 § 1. Vorkommen und Bedeutung 709 Verbreitung p. 709. Mikroskopische Befunde p. 710. Quantitative Me- thoden p. 710. Eiweiß und Fettgehalt p. 711. ökonomische Vorteile der Fettspeicfierung p. 712. Verbrennungswert p. 712. Historisches p. 713. § 2. Das Reinfett und seine Beimengungen. Physikalische Eigenschaften der Fette 713 Verseifbare und unverseifbare Bestandteile des Rohfettes p. 714. Kon- sistenz p. 715. Schmelz- und Erstarrungspunkt p. 715. Optische Eigen- schaften p. 716. Kolloide Eigenschaften p. 716. § 3. Die chemischen Eigenschaften der Fette 716 Zusammensetzung p. 716. Mischglyceride p. 717. Verseifung p. 717. Die Alkaliseifen p. 718. Fettsynthese p. 718. Löslichkeit p. 718. Gehalt an freien Fettsäuren p. 718. Qualitative Fettreaktionen p. 719. § 4. Die Fettsäuren der Samenfette 721 Gesättigte Säuren p. 721. Oxysäuren p. 722. Ungesättigte Säuren p. 722. Verbreitung der einzelnen Fettsäuren p. 724. Glyceride p. 726. Ranzig- werden p. 727. Trocknende öle p. 727. Ozonide p. 727. Bestimmung und Trennung der Fettsäuren p. 728. Jodzahl p. 729. Elaidinprobe p. 730. Hptxabromidzahl p. 731. Acetylzahl p. 731. § 5. Das Glycerin der Samenfette 731 Nachweis p. 732. Quantitative Methoden p. 732. Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung 733 § 1. Der Fortgang des Resorptionsprozesses 733 Analytische Verfolgung p. 734. Auftreten freier Fettsäuren p. 736. XVIII Inhaltsverzeichnis. Seite § 2. Fettspaltende Enzyme (Lipasen) in keimenden Samen p. 737. Allgemeines Vorkommen p. 737. Methodisches p. 738. Aktivierende Einflüsse p. 738. Wirkungsgesetz p. 739. Hemmungen p. 739. Reversion p. 739. § 3. Weiteres über Fettspaltung und Fettresorption. Umwandlungsprodukte der Fettsäuren 740 Lokaler Umsatz des Reservefettes p. 740. Transport von Fettemulsion p. 740. Schicksal des Glycerins p. 741. Chemismus des Umsatzes von Fett in Zucker p. 741. Vierundzwanzigstes Kapitel: Die Fettbildung in reifenden Samen und Früchten 742 Analytische Daten p. 743. Intermediärprodukte p. 744. Chemismus p. 745. Fünfundzwanzigstes Kapitel: Reservefett in Achsenorganen und Laubblättem 746 § 1. Fett als Reservestoff von unterirdischen Stämmen, Zwiebeln, Knollen und Wurzeln 746 Quantitative Angaben p. 746. Zusammensetzung p. 748. § 2. Fett als Reservestoff von Stamm und Zweigen bei Holzgewächsen . . . 749 Winterliche Umwandlung von Kohlenhydraten zu Fett p. 749. Das Ver- schwinden des Fettes im Frühjahr p. 750. Knospen p. 751. § 3. Auftreten von Fett bei Laubblättern 751 Umsatz im Winter p. 751. Analytische Daten p. 752. Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff bei Thallophyten, Moosen, Famen und Pollenkömem 753 § 1. Fett bei Bacterien 753 Analytische Befunde p. 753. Tuberkelwachs p. 754. Fettbildung p. 754. Fettspaltung und Fettresorption p. 754. Bäcteriolipasen p. 755. § 2. Fett bei Hefen 756 Menge und Zusammensetzung p. 756. Glycerinbildung p. 756. § 3. Fett bei höheren Pilzen 757 Verbreitung und quantitative Daten p. 757. Bestandteile p. 758. Fett- bildung bei Pilzen p. 758. Fettresorption p. 759. Lipasen p. 759. § 4, Andere Vorkommnisse von Fett bei Kryptogamen 760 Flechten p. 760. Algen p. 760. Moose p. 761. Pteridophyten p. 762. § 5. Fett bei Pollenkörnern; Elaioplasten 762 Analytische Daten p. 762. Elaioplasten und Elaiosphären p. 762. Abschnitt 2: Die Cytolipoide der Pflanzen. Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithlde (Phospholipoide) . . 763 § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide 763 Historisches p. 763. Phosphatide und Cerebroside p. 764. Lecithoalbumine p. 765. Methodisches p. 765. Allgemeine Eigenschaften p. 766. Hydrolyse p. 767. Cholin p. 767. Betain p. 768. Neurin p. 768. Andere Betaine p. 769. Glycerylphosphorsäure p. 770. Kohlenhydratgruppen p. 771. Fettsäurereste p. 772. Konstitution p. 773. Physiologische Bedeutung der Lecithide p. 773. § 2. Lecithide in Samen 774 Analytische Daten p. 774. Lecithide und Eiweiß p. 775. Cholin, Betain p. 776. Kohlenhydratgruppen p. 776. Verhalten bei reifenden Samen p. 776. Lecithide bei der Keimung p. 776. § 3. Lecithide in anderen Teilen von Blütenpflanzen 778 Unterirdische Teile p. 778. Laubknospen, Blätter p. 778. Umsatz des Betains 779. Trigonellin p. 779. Pollen p. 780. Trimethylamin p. 780. § 4. Lecithide der Pilze und Bacterien . 780 Daten über Vorkommen bei Pilzen p. 781. Cholin und Betain p. 781. Muscarin und andere Basen p. 781. Hefelecithin p. 782. Bacterienlecithide p. 783. Lecithinspaltung durch Bacterien p. 783. Achtundzwanzigstes Kapitel: Pflanzliche Cerebroside 783 Neunundzwanzigstes Kapitel: Die Sterinolipoide der Pflanzen . . . 784 3 1. Allgemeines 784 Cholesterin, Historisches p. 784. Phytosterine p. 785. Physikalische Eigen- schaften p. 786. Farbenreaktionen p. 786! Sterinfettsäüreester p. 787. InhaltSTerzeichnis. XIX Seite Steringlucoside p. 788. Additionsverbindungen p. 788. Konstitutions- ermittlung p. 789. Beziehungen zu den Terpenen p. 791. Quanti- tative Bestimmung p. 792. § 2. Sterinolipoide in Samen und Keimlingen 793 Analytische Befunde p. 793. Sitosterin p. 794. Stigmasterin p 794. Andere Befunde p. 795. Verhalten bei der Keimung p. 796. Caulosterin p. 796. Gruppe des Lupeol, Phasol p. 796. § 3. Sterinolipoide in anderen Teilen von Phanerogamen . 796 Aus Rhizomen und Wurzeln p. 796. Aus Laubblättern p. 797. Aus Blüten p. 798. Aus Rinden p. 799. Cholestol p. 800. Amyrine p. 800. Phyto- sterine aus Milchsaft p. 800. § 4. Sterinolipoide bei Pilzen und Bacterien 801 Ergosterm p. 801. Befunde bei Hutpilzen p. 801. Hefephytosterin p. 801. Bacteriosterine p. 802. Schleimpilze p. 802. Dreißigstes Kapitel: Pflanzliche Chromollpolde 802 § 1. Allgemeines 802 Carotin p. 803. Xanthophyll p. 804. Methodisches p. 805. Physiologische Bedeutung p. 806. § 2. Chromolipoide in Blütenteilen; gelbe Blütenfarbstoffe fraglicher Natur . 806 Historisches p. 806. Crocusfarbstoff p. 807. Anthochlor p. 808. § 3. Chromolipoide in Früchten und Samen 808 § 4. Chromolipoide bei Algen 809 § 5. Chromolipoide bei Pilzen und Bacterien . 810 Einunddreißigstes Kapitel: Die Produktion von Wachs (Cerollpolden) bei Pflanzen 811 § 1. Charakteristik und Vorkommen von Pflanzenwachs 811 Begriffsbestimmung und allgemeine Eigenschaften p. 812. Ausscheidungs- vorgänge p. 812. Biologische Verhältnisse p. 813. Intracelluläre Wachs- bildung p. 813. Japantalg, Balanophorin p. 814. Cerolipoide in Milchsaft p. 814. § 2. Chemie der Wachsarten 814 Historisches, Analysen p. 814. Bestandteile p. 815. Wachsüberzüge von Blättern p. 816. Carnaubawachs p. 816. Beziehungen zwischen Fettsäure und Alkohol bei Cerolipoiden p. 816. Candelillawachs p. 817. Wachs bei Moosen p. 818. Blütenwachs p. 818. Wachsausscheidung an Früchten p. 818. Wachs von Rinden p. 819. Pathologische Wachsausscheidungen p. 819. Bildung von Wachsarten p. 820. Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge 820 Geschichtliche Einleitung. Die Lehre vom Stoffwechsel und der Ernährung der Pflanze steht durch ihre Methode naturgemäß in innigem Zusammenhang mit der Heranentwicklung der Chemie, als deren Bestandteil sie ja bis vor etwa 40 Jahren widerspruchslos angesehen werden durfte. Unter den antiken Naturwissenschaften existierte eine Pflanzenbiochemie noch nicht. Da die meisten biochemischen Tatsachen erst durch das Experiment auf- gedeckt werden können und wohl die scharfe Beobachtung der spontan eintretenden Naturerscheinungen, nicht aber das Experimentieren bei den griechischen Forschern weitaus die bevorzugte Methode bildete, so war eine Entwicklung unserer Wissenschaft von vornherein unmöglich. In der Tat tritt die große Armut an empirischen Grundlagen in den uns erhaltenen Ansichten über Pllanzenernährung selbst bei dem be- deutendsten Naturforscher des klassischen Altertums, bei Aristoteles, deutlich zutage (i). Was damals der Drang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht vermochte, wurde aber durch die praktischen Bedürfnisse des Lebens und die hierdurch erweckten Bestrebungen vermittelt. Für Ernährungs- physiologie und Chemie waren es die Heilkunde und die Landwirtschaft, welche als fördernde Faktoren eintraten. Es scheint insbesondere das alte Ägypten mit seinem hochgebildeten ärztlichen Stande der Boden gewesen zu sein, auf dem die Chemie und die mit ihr zusammen- hängenden Wissenschaften ihr erstes Gedeihen fanden. Leider sind uns hierüber nur Andeutungen erhalten geblieben (2). Es ist auch hochwahrscheinlich, daß die bedeutenden chemischen und botanischen Kenntnisse zahlreicher arabischer Gelehrter der späteren Zeit ihre W^iege in Ägypten gehabt hatten. Bei den Arabern sowohl wie in den abendländischen Pflegestätten der Naturwissenschaften im Mittelalter war es fast ausschließlich die medizinische Nutzanwendung der Pflanzen, welche das Interesse an der Botanik noch erhielt. Es trachteten die damaligen Botaniker vor allem neue heilkräftige Pflanzen zu entdecken, ohne die Beschaffenheit derselben rein naturwissenschaft- lich zu prüfen. Die damaligen Vertreter der Chemie, die Alchymisten, 1) Aristoteles unterschied zuerst zwischen organischen und anorganischen Naturgebilden. Die auf die Ernährung der Pflanzen bezüglichen Stellen der Aristo- telischen Schriften finden sich übersetzt in E. H F. Meyers Geschichte der Botanik, /, 118—127 (Königsberg 1854). Über die antike Naturforschung auch Strunz. Natur- betrachtung und Naturerkenntnis im Altertum (1904). — 2) Suidas von Byzanz (im 11. Jahrh.) berichtet, daß auf Diokletians Geheiß die besiegten ägyptischen Auf- ständischen im Jahre 296 ihre Bücher jisqI xrjfAiav xQvoov xal doyvoov verbrennen mußten. Czapek, Biochemie der Pflanzen. ;^_ Aufl. ^ 2 Geschichtliche Einleitung. hatten kein Interesse au der Erforschung der chemischen Beschaffenheit von Pflanzen und Tieren (l). Die Vorstellungen, welche Albertus Magnus, die hervorragendste Erscheinung unter den Äj-zten und Naturforschern des Mittelalters, von der Pflanzenchemie besaß, waren durchaus der aristotelischen Philosophie entlehnt (2). Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts erlosch bei den Chemikern das Interesse an den fruchtlosen Versuchen, Gold künstlich zu gewinnen, und die Führung in Chemie wie Botanik ging an die Ärzte über. Aus der Verknüpfung von Medizin mit den theoretischen Naturwissenschaften in dieser iatrochemischen Periode erblühten aber die ersten Anfänge von Physiologie und Biochemie. Zeitlich fällt diese Periode zusammen, was bemerkenswert erscheint, mit der Grundsteinlegung unserer wissen- schaftlichen Physik und Astronomie. Theophrastus Paracelsus, welcher in der Regel als erster unter den „latrochemikern" genannt wird, besitzt für die Biochemie keine größere Bedeutung. Er kannte bereits die Kohlensäure, hielt jedoch die ausgeatmete Kohlensäure für Luft, wie sie eingeatmet wird (3). Die Tätigkeit, welche zahlreiche bedeutende Männer dieser Zeit der Abfassung rein beschreibender Pflanzenbücher widmeten, bildet zum mindesten ein erfreuliches Zeichen dafür, daß die peripatetische An- schauungsweise endlich aufgegeben war und man sich frei und froh dem Schauen in der Natur hingab. Von allen Botanikern des 16. Jahr- hunderts kommt für die Ernährungslehre der Pflanzen nur Andrea Caesalpino (1510—1603) in Betracht, welcher im zweiten Kapitel des ersten Briefes seiner „De plantis libri XVI" (1583) unabhängiges physi- kalisches Denken auf das physiologische Problem der Nahrungsaufnahme und Saftbewegung in der Pflanze anwendete. Leider mangelte ihm das empirisch zu erwerbende Material an verwertbaren Tatsachen, und ein Experimentator war Caesalpino noch nicht. Chemische Gesichtspunkte treten in seinen Schriften nicht hervor. Deutschland besaß in dem Philosophen und Botaniker Joachim JuNGius (1587—1657) ein würdiges Gegenstück zu Caesalpino, den er an naturwissenschaftlicher Bildung sogar bedeutend überragte. Jungius ist wohl einer der ersten, welche im Gegensatze zu Aristoteles den pflanzlichen Stoffwechsel als aktiv tätigen Faktor auffaßten; er erkannte klar die Stoffaufnahme und Stoffabgabe als Wesenheit der Ernährung. Chemische Studien scheint aber Jungius weiter nicht getrieben zu haben (4). In dem Zeitgenossen des eben genannten Forschers, dem Belgier JoH. Bapt. van Helmont (1577—1644), hat die experimentelle Bio- chemie entschieden einen ihrer Vorläufer zu erblicken (5). Seine klare 1) Arnold Bächuone, genannt Villanovanüs (geb. 1235) besaß toxikolo- gische Kenntnisse und gab sich mit der Destillation ätherischer Pflanzenöle ab. Vgl. Kopp, Geschichte der Chemie, /, 67. — 2) Hierzu Meyer, Gesch. d. Bot., IV, 59. — 3) Näheres über diesen merkwürdigen Mann findet man in den zitierten Werken von Meyer (IV, 424) und Kopp (/, 92), ferner in F. Strunz, Theophrastus Paracelsus (Leipzig 1903/4). Auch sein (Paracelsus übrigens an Begabung nicht erreichendes) Gegenstück: L. Thurneisser zum Thurn, hat für uns hier kein näheres Interesse. — 4) Gaesalpin und Jungius' Verdienste um die pflanzliche Ernährungslehre sind ausführlich geschildert in J. Sachs' glänzend geschriebener Geschichte der Botanik p. 481 ff. (München 1875), welche von dieser Epoche an das wichtigste historische Kom- pendium für die Biochemie darstellt. — 5) Vgl. F. Strunz, Johann Baptist van Helmont (Leipzig 1907). Geschichtliche Einleitung. 3 Erkenntnis von den wissenschaftlichen Zielen der Chemie, seine Stellung- nahme gegen die Vier-Element-Theorie des Aristoteles sowohl als auch gegen die Annahme der drei alchymistischen „ürstoffe" (Schwefel, Salz, Quecksilber) als Elementarbestandteile des menschlichen Körpers -sichert ihm für immer einen Ehrenplatz in der Geschichte der Chemie. Doch vermißt man bei ihm den nüchternen kritischen Geist, welcher seine großen Zeitgenossen Galilei, Stevin u. a. auszeichnet; die Mög- lichkeit, Gold zu erzeugen, die Existenz des lapis philosophorum sind für ihn feststehend. Die mystische Darstellungsweise eines Paracelsus ist auch bei Helmont noch vorhanden, ebenso phantastische Berichte, wie über die Erzeugung von Mäusen in einem Gefäße, worin man ein schmutziges Hemd mit Weizenmehl zusammengebracht hat. Helmont war aber der erste, der sich mit dem wissenschafthchen Studium der Gase befaßte; seine Untersuchungen über die Kohlensäure, welche er Gas silvestre oder carbonum nannte, bezeugen, daß er ihre Ent- stehung beim Verbrennen von Kohle, bei der Alkoholgarung, bei der Ein- wirkung von Säuren auf Kalkstein kannte; er wußte, daß sie Tiere erstickt und ein Licht zum Verlöschen bringt. Helmont versuchte endhch auch bereits experimentell biochemische Probleme zu lösen. Ausgehend von der Frage, woher bei den Pflanzen die unverbrennlichen und verbrennhchen Bestandteile kommen, indem in der Natur nur der Regen die Gewächse zu ernähren scheint; ferner, woher die Fische im Wasser ihre Nahrung beziehen, kam Helmont zur Anstellung des ersten quantitativen biochemischen Versuches, von welchem wir Kenntnis haben (1). Wenn er dadurch zu dem Schlüsse kam, daß alle vegetabiHschen und animahschen Stoffe durch Umwandlung aus dem Wasser entstehen, so ist daran nur die unzureichende Erfahrung schuld, zumal der einzige, offenbar möglichst sorgfältig angestellte Versuch wirk- Hch derartige Resultate zu ergeben schien. Helmont gab in einen Topf eine abgewogene Menge Erde. Scharf getrocknet wog sie 200 Pfund. Ein Weidenzweig von 5 Pfund Gewicht wurde eingepflanzt. Der Topf wurde durch einen Deckel möghchst vor Staub geschützt und täglich mit Regen wasser begossen. Nach 5 Jahren wurde der Versuch abgebrochen. Die Weide war groß und stark geworden, hatte an Gewicht zugenommen, während die Erde im Topfe, wieder getrocknet bis auf 2 Unzen Verlust genau das ursprüngliche Gewicht behalten hatte. Die Anstellung dieses prinzipiell gänzhch neuen Versuches zeigt gewiß Helmonts großes Talent, und seine irrigen Schlüsse werden wir ihm um so weniger zur Last legen, als es bekanntlich erst Lavoisier vor- behalten war zu zeigen, daß der erdige Rückstand nach Abdestillieren von Brunnenwasser nicht durch Umwandlung des Wassers in Erde zu er- klären ist. Helmonts Versuch hatte auch die Konsequenz, daß die Chemiker bis auf Lavoisier die erdigen Mineralstoffe tür keine Elemente hielten. So griff die Pflanzenphysiologie in die Entwicklung der Chemie ein. 1) Dieser vielzitierte berühmte Versuch wird erwähnt j). 108 der Elzevirausgabe von Helmonts Ortus medicinae vel opera et opuscula omiiia (1(548). Die gesammelten Werke sind erst nach Helmonts Tode durch seinen Sohn vollständig herausgegeben worden. Übrigens soll angeblich ein ähnlicher Versuch schon früher vom Kardinal DE CusA angestellt worden sein. — Die Verdienste von Helmont finden sich aus- führlich dargestellt in Kopp, Geschichte der Chemie, /, 117 ff. und bei Strunz, 1. c. (1907). 1* 4 Geschichtliche Einleitung. Helmonts wissenschaftlicher Nachfolger, De le Boe Sylvius (1614—1672), welcher entschieden Helmont übertraf, und als erster echter medizinisch -chemischer Forscher genannt werden muß, suchte seine Probleme nicht auf botanischem Gebiete. Doch verdanken wir ihm interessante Beobachtungen über Gärung, welche er als Zersetzungs- prozeß scharf vom Aufbrausen mit Säuren, wie es manche Stoffe zeigen, trennte. Auch stellte er kohlensaures Ammon aus Pflanzen (Cochlearia) dar. Von großer Bedeutung für unsere Wissenschaft war es, daß sich vom 17. Jahrhundert an hervorragende physikalische Talente für chemische und biochemische Studien interessierten, zumal bereits die Apparatentechnik und Experimentierkunst in der Physik hoch entwickelt war. Unter diesen Forschern ist Rob. Boyle (1627—1691) namhaft zu machen, ein Mann von ganz hervorragendem experimentellem Genie, welcher auf allen physikalischen und chemischen Gebieten Bedeutendes leistete. Bekannt ist sein großer Anteil an der Verbesserung der Luftpumpe (die Erfindung der Kompressionspumpe ist wohl ihm allein zuzuschreiben), ferner an der Erfindung des Manometers und an der Entdeckung des Phosphors. Es ist aus Boyles Schriften durchaus nicht zu erkennen, was ihm angehört und was er anderen entlehnt hat, mdem er es nicht liebt Namen zu zitieren. Auch wiederholte er die meisten Versuche, von denen er hörte, selbst, und verarbeitete die Resultate zu seinem geistigen Eigentum. Seine hervorragendste wissenschaftliche Tat ist entschieden die Auffindung der umgekehrten Proportionahtät von Gasdruck und Volumen, ein Gesetz, welches lange Zeit irrigerweise Mariotte zugeschrieben worden ist. Biochemische Versuche hat Boyle. in großer Zahl angestellt. Er untersuchte die Einwirkung verdünnter Luft auf das Leben der Tiere (1), machte den HELMONTschen Vegetationsversuch mit verschiedenen Pflanzen nach (2), studierte die Phosphoreszenz faulenden Holzes und fauler Fische, stellte durch trockene Destillation von Holz, Holzgeist und Holzessig dar, er erkannte, daß faulende Pflanzen Kohlensäure entwickeln usw. Seine Schriften stechen durch den klaren Ton höchst vorteilhaft von der ab- sichthch dunkel gehaltenen und geschraubten Darstellung in früheren chemischen Werken ab. Boyle benutzte auch bereits das Verhalten von Pflanzenfarbstoffen zur Erkennung von Säuren und Alkahen. Der HELMONT- schen Lehre über Verwandlung von Wasser in Erde pfhchtete er bei. Bei Marcello Malpighi, den man mit großem Rechte als den Vater der modernen Biologie ansehen darf, finden wir zwar ein näheres Eingehen auf chemische Fragestellungen nicht, doch sind überall bei der Unsumme biologischer Tatsachen, welche Malpighi behandelt und großen- teils selbst entdeckt hat, wo immer es darauf ankommt, die richtigen ernährungsphysiologischen Gesichtspunkte unstreitig erkannt. Ich erinnere an seine Abhandlung „De setoinum vegetatione" und die darauf bezüg- lichen Darlegungen in den Opera posthuma, p. 63 ff., worin zahlreiche 1) Nova experimenta phys. mech. de vi aeris elastica, p. 116 ff. (1677). Von Boyle s Werken ist mir zur Hand die Sammlung unter dem Titel Robert Boyle Opera varia (Genevae 1677, Quart). T- 1 Anschlüsse an diese Tierversuche untersucht er, worauf die Respirationswirkung be. ht, und meint, daß von der Luft ein Teil für den Körper verwendet, während ein Teil unbrauchbar abgegeben werde (dem Para- CELSüS entlehnt!). Daß CO, ein Abfallsprodukt der Atmung ist, wußte er noch nicht. — 2) Chymista scepticus vel dubia et paradoxa chymic. phys., p. 120 (1677). Geschichtliche Einleitung. 5 richtige Beobachtungen hinsichtlich der Keimungsphysiologie enthalten sind. Dasselbe gilt hinsichtlich der Wurzeln in der Abhandlung „De radicibus plantarum". Von besonderem Interesse ist eine Stelle in seiner Anatomes plantarum idea, wo er die Funktion der Laubblätter als Stätte der Stoffbildung a!)nt(l). In Frankreich war es der hervorragende Phy- siker Edm. Mariotte, welcher sich nicht nur um die Feststellung des lange Zeit nach ihm allein benannten Gasgesetzes, sondern auch um manche physiologische Probleme verdient gemacht hat. In seinen Oeuvres (1717) befindet sich eine Abhandlung „Sur le sujet des plantes" vom Jahre 1679, worin Mariotte geistvolle Anschauungen über Pflanzen- biochemie entwickelt (2). In durchaus origineller Weise argumentiert Mariotte, daß die Pflanzen alle ihre zahlreichen Stoffe aus wenigen Stoffen, die sie aus der Erde aufnehmen, in ihrem Körper erst auf- bauen, und daß nicht, wie Aristoteles annahm, alle Stoffe aus der Erde fertig aufgenommen werden. Mariotte hatte hinsichtlich der Mineralstoffaufnahme aus dem Boden eine klarere Vorstellung als seine Zeitgenossen. Es ist bekannt, welchen großen Einfluß auf die Chemie die Lehren von G. E. Stahl (1660—1734) genommen haben. Seine Phlogiston- theorie, wohl die einfachste, entschieden genial erdachte, Auffassung von der Verbrennung, hatte jedoch auf die Biochemie durchaus keinen fördernden Einfluß. Sehr hohe Bedeutung für uns besitzt aber Stahls 1697 erschienenes Erstlingswerk: „Zymotechnia fundamentalis seu fer- inentationis theoria generalis". Die früheren Ansichten über Gärung waren im höchsten Grade verworren. Die latrochemiker, z. B. Para- CELSUS, sahen in der Gärung nur einen hohen Grad von Zersetzung; sie bedienten sich der Fäulnis von Pferdeexkrementen, welche sie für die stärkste Digestion hielten, um ihre medizinischen Präparate („per ventrum equinum!") zu bereiten. Die Beobachtung, daß bei Gärung und Fäulnis Infektion durch Partikel eines bereits gärenden oder faulenden Stoffes erfolgen müsse, wurde zuerst von dem englischen Arzte Th. Willis (1621—1675) in seiner Diatribe de fermentatione (1659; gemacht und in ihrer Wichtigkeit von Stahl ebenfalls klar erkannt. Willis wie Stahl fassen die Gärungserregung als Bewegungsübertragung auf (3), und vertraten im wesentlichen keinen anderen Standpunkt, als Liebig und Nägeli im 19. Jahrhundert. Gärung und Fäulnis unterschied Stahl nicht. Bezüglich der Pflanzenstoffe nahm Stahl an, daß sie dieselbe Zu- sammensetzung, dieselben Elemente haben müssen, wie die inorganischen 1) Die bezügliche Stelle findet sich Opera omnia, p. 14 (Londini 1686, Folio) und lautet: „Folia a Natura in hunc usum institui, ut in ipsorum utriculis nutritivus 8UCCU8 contentus a ligneis fibris delatus excoquatur". Er schloß dies aus dem Zu- grundegehen von Kürbiskeimlingen, denen die ölreichen Kotyledonen genommen worden waren. Wie wenig diese Gedanken zu Malpighis Zeit beachtet wurden, erhellt aus dem Werke von Neh. Grew, Anatomy of plants, IJfi Edition, p. 33 (1682); dort ist sonst Malpighi sehr fleißig benützt worden. — Die kleineren Schriften von Grew, unter dem Titel: Several lectures (1682) mit der Anatomy, p.221 ff., abgedruckt, beschäftigen sich teilweise mit biochemischen Themen, haben aber keine größere Be- deutung. — 2) Ausführlich berichtet über Mariotte und seine pflanzenphysiologischen Anschauungen Sachs, Geschichte der Botanik, 499 ff. — 3) Stahl sagt: „Die Fer- mentation ist eine, durch eine wässerichte Flüssigkeit verursachte, zusammenstoßende und reibende Bewegung unzählicher aus Saltz, Oehl und Erde in gewissem Maße mit einander verknüpfter Theilchen." Q Geschichtliche Einleitung. Stoffe, weil die Pflanzen ihre Nahrung aus der Erde zögen. Nur walte bei den Pflanzen- (und Tier-) Stoffen das wässerige Element und das Phlo- giston vor. Die meisten organischen Stoffe beständen aus salzigen Teil- chen, Wasser und Phlogiston, ; die beiden ersteren seien oft zu Öl vereinigt. Stahl kannte das Vorkommen von Kahsalpeter in manchen Pflanzen. Wie wenig empirisches Material und wie viel theoretischer Ballast und Vorurteile in der Biochemie zum Ausgange des 17. Jahrhunderts vorhanden waren, erhellt aus Zusammenstellungen, wie bei Dodart und John Ray (i). Doch zeigen andererseits Schriften eines Christian WoLFF (2), daß der Geist der Wissenschaft ein ganz anderer war, wie zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Wir können aber das 17. Jahrhundert nicht verlassen, ohne der merkwürdigen Erscheinung des englischen Arztes John Mayow (1645 bis 1679) zu gedenken, eines Mannes, welcher der Entdeckung • des Sauerstoffes und Stickstoffes in der atmosphärischen Luft näher ge- kommen war, als irgend einer vor Priestley und Lavoisier, und welcher wohl zuerst den Gedanken gefaßt hatte, daß beim Verbrennen und bei der Tieratmung derselbe Bestandteil der Luft konsumiert werde: „Credendum est animaiia ignemque particulas ejusdem generis ex aere exhaurire" (3). Bis zum Zeitalter der Entdeckung des Sauerstoffes waren die Fort- schritte auch im 18. Jahrhundert nicht groß. Der berühmte H. Boer- HAVE (1668 — 1738) riet eifrig zu Zerlegung der Pflanzen nach chemischen Methoden. In seinen „Elementa chemiae" (1732) nennt er als nähere Bestand- teile der Pflanzen: Spiritus rector (das Aroma); oleum princeps hujus spiritus vera sedes; sal aeidus; sal neuter; sal alcalinus fixus vel volatilis; oleum sah mixtum saponis in modum, indeque ortus suecus saponaceus; oleum tenacissime terrae inhaerens, neque inde temere separandum; terra denique sincera firma basis omnium. Die geistige Gärung hielt Boerhave von der Fäulnis wohl auseinander. Auf dem Gebiete der Pflanzenaschen Stoffe erfolgten nun die ersten kleinen Fortschritte. Früher hatte man überhaupt von Alkalien nur das „fixe Alkali" der Pflanzen gekannt. Stahl scheinen die ersten Mut- maßungen gekommen zu sein, daß dem Kochsalz ein differentes Alkali zugrunde liege. H. S. Duhamel de Monceau (17(X)— 1781) zeigte 1736 in einer Abhandlung über die Basis des Seesalzes, daß diese in Verbindung mit Säuren andere Eigenschaften hat, als das fixe Pflanzen- alkali. Er fand diese Basis auch in der Asche von Strandpflanzen auf und machte später die Beobachtung, daß bei Kultur solcher Pflanzen im Binnenlande die Menge der Kochsalzbasis oder Soda abnimmt und 1) DoDART, Mömoires pour servir h l'histoire des plantes (1676): in JoHN Rays Historia plantarum, / (1866) die Kapitel De nutritione plantarum, p. 31, und De chymica plantarum Analysi, p. 55. — 2) Chr. Wolff, Vernünftige Gedanken von den Wirkungen der Natur (1723). — 3) Diese Stelle findet sich in der Abhandlung „De sal nitro et spiritu nitro aero" der Tractatus V medico - physici (1669). Diese Ab- handlung ist in der bekannten Sammlung der Klassiker der exakten Wissenschaftbn von Ostwald durch G. F. Donnan neu herausgegeben worden (No. 125 der Samm- lung). Mayow wußte, daß ein Stoff in der Luft existiere, der mit der Salpetersäure in Beziehung steht, und ein anderer, welcher zur Bildung der Salpetersäure beiträgt und zugleich jener ist, welcher die Verbrennung unterhält. Geschichtliche Einleitung. 7 das Pflanzenalkali zunimmt. Montet fand 1762 auch in Salicornia viel Natron. Da damals Pottasche nur aus vegetabilischen Aschenrückständen bekannt war, so benannte Marggraf das Kali „fixes Gewächslaugensalz", das Natron als „mineralisches Laugensalz". Diese Unterscheidung fiel erst, als der tüchtige Mineralchemiker Klaproth 1797 das Kali im Leu'cit, später auch in anderen Mineralien nachwies (l). Sein Vorschlag, die Stoffe einfach Kali und Natron zu nennen, drang sodann durch. A. S. Marggraf (1709—1782), der berühmte Entdecker des Zuckers in der Runkelrübe, hat auch das Verdienst, im Jahre 1743 Phosphor zu- erst aus Pflanzen (Senf, Kressensamen, Weizen) dargestellt zu haben (2). Er leitet sein Vorkommen in tierischen Stoffen von der pflanzlichen Nahrung ab. Die Atmung blieb damals noch ganz unverstanden. Boerhave dachte sich'-die tierische Wärme durch die Reibung des Blutes an den Gefäßwänden verursacht; die Atmung habe den Zweck, das Blut in den Lungen abzukühlen. Steph. Hales (1677—1761) sieht in seinem be- rühmten Werke „Statical essays" (1727) die Luft als einheitlichen Stoff an; er wußte, daß sie beim Atmen nicht ganz verbraucht wird. Hales ist auch dort, wo seine Ansichten Mängel an empirischer Begründung und an vorsichtiger Berücksichtigung von Eventualitäten aufweisen, ein großer Forscher, welcher den Geist Newtons in seiner ursprünglichen Frische besitzt. Folgenreich hätten vielleicht seine Versuche über die Entwicklung gasförmiger Stoffe bei der trockenen Destillation von Pflanzen- substanz werden können. Hales war gewiß der erste, welcher die Frage aufwarf, ob nicht luftförmige Stoffe zur Bildung von Pflanzensubstanz verwendet werden und nicht nur flüssige und gelöste Stoffe (3). In der Mitte des 18. Jahrhunderts folgen nun eine Reihe For- schungen, die den Gaswechsel bei Atmung und Gärung bedeutend auf- klärten. Jos. Black (1728—1799) erwies in seinen grundlegenden Ar- beiten über die Kohlensäure (1757), daß die Luftart, welche durch Säuren aus kohlensaurem Alkali entwickelt wird, identisch ist mit jener, die bei Verbrennung, Atmung oder Gärung entsteht. Er nannte sie „fixed air", und meinte, daß beim Atmen die atmosphärische Luft in „fixe Luft" verwandelt werde. Seine Untersuchungen über Kaustizität der Alkalien führten dazu, daß er der erste Gegner der Phlogistonlehre wurde, weil beim Erhitzen jener Stoffe nicht Feuerstoff, sondern fixed air aus ihnen entweicht. Im Jahre 1764 entdeckte D. Macbride die Bildung von fixed air bei Gärungs- und Fäulnisprozessen; Cavendish beobachtete 1766, daß bei manchen Fäulnisvorgängen Wasserstoff auftritt. Ein neues Zeitalter der Biochemie hebt nun an mit der gelungenen Zerlegung der Luft, der Entdeckung des Sauerstoffes und mit der glücklichen Auffindung der Sauerstoff ausscheidung durch grüne Pflanzen im Lichte. Bonnet hatte zwar schon früher beobachtet, daß sich unter Wasser getauchte Blätter im Sonnenlichte mit Luftbläschen überziehen; doch war die Sache unverstanden und unbeachtet geblieben. Jan Ingen-Hoüsz (1730-1799) und Jos. Priestley (1733—1804) haben das Verdienst, entdeckt zu haben, daß unter solchen Bedingungen Sauerstoffabgabe stattfindet. 1) Klaproth, Crells Ann. (1797), /, 90. — 2) Marggrap, Chymisch. Schriften /, 72 (1761). — 3) Hales, Statick der Gewächse, p. 177 (Halle 1748). g Geschichtliche Einleitung. Priestley, einer der originellsten Köpfe unter den vielen großen Naturforschern seiner britischen Heimat, ging 1772 von der Beobachtung aus, daß die durch Atemholen entstandene, zum weiteren Atmen un- brauchbare fixe Luft durch grüne Gewächse ihre Tauglichkeit zur Ver- atraung wiedergewinnt (l). Dafür wurde ihm von Sir J. Pringle die goldene Medaille überreicht. Alsbald fand Priestley auch, daß man den veratembaren Luftbestandteil mit Stickoxyd quantitativ bestimmen kann. Nachdem in den Jahren 1773—1774 die ersten erfolgreichen Ver- suche der Darstellung des Sauerstoffes aus Salpeter und Quecksilberoxyd unternommen worden waren, fand Priestley 1778, daß die Luft „in den Blasen des Seegrases" viel „reiner" war, als die der Atmosphäre; ebenso fand er, daß die Luft, in welcher Pflanzen im Lichte gewachsen waren, weit „reiner" war, als die äußere Luft. Gegen Ende des Jahres 1778 konstatierte er, daß Luftblasen aus der im Wasser einiger Kultur- gefäße entstandenen grünen Materie aufsteigen; bei der Untersuchung dieser Luft ergab es sich, daß sie „sehr dephlogistisierte Luft" enthielt Die Erzeugung dieser Luft hörte bei Lichtentziehung sofort auf (2). Lavoisier (3) sagt, daß er, Priestley und Scheele gleichzeitig die Entdeckung des Sauerstoffes und der Sauerstoffausscheidung durch grüne Pflanzen im Lichte gemacht hätten. Scheeles Entdeckung geht jedoch bis auf 1774—1775 zurück und wurde erst 1777 publiziert, so daß Scheele als der eigentliche Entdecker des Sauerstoffes anzusehen ist (4). 1) Priestley selbst lieferte im Jahre 1803 (Crells Ann. [1803], II, 123) eine anziehende Skizze der Geschichte seiner Entdeckungen. Dort äußerte er sich, seine Priorität gegenüber Ingen -Housz verteidigend, folgendermaßen: „Diese Versuche, welche ich Ingen-Housz nebst mehreren anderen sehen ließ, waren diesem sehr auf- fallend, nur stritt er sich mit mir, ob die grüne Materie vegetabilischen Ursprunges sei. Dies bewog mich, die Prüfung der Wirkung verschiedener Pflanzen auf das Wasser zu beschließen, und ich führte den Entschluß bei nächstem Sonnenschein au» und vervollständigte so die Entdeckung. Indessen kam mir Ingen-Housz durch den Druck seiner Versuche zuvor, welches ich unter solchen Umständen an seiner Stelle nicht getan haben würde.'- Priestley war bis nahe vor seinem Tode ein uner- schütterlicher Anhänger der Phlogistonlehre. Er hielt den Sauerstoff für reine phlo- gistonfreie (.»dephlogistisierte") Luft. In der gewöhnlichen Luft sei sie neben der phlogistisierten Luft enthalten. Er verteidigte noch 1796 (vgl. Crells Ann. [1798], //, 308, 376) und 1800 (The doctrine of Phlogiston established and the composition of water refuted [Northumberland 1800]) tapfer die STAHLsche Theorie. Damals war in Deutschland nach langem Kampfe das Phlogiston bereits abgetan. Erst 1803 (1. c.) schwenkte auch der greise Priestley in das „antiphlogistische" Lager über. — 2) Diese Darstellung stützt sich auf den von Priestley 1803 gegebenen Bericht. Leider knüpft sich daran ein unliebsamer Prioritätsstreit mit Ingen-Housz, welcher nach Wiesners Darstellung (J. Wiesner, Jan Ingen-Housz, p. 83 ff. [Wien 1905]) Priestley in der Entdeckung der Sauerstoffabgabe grüner Pflanzen im Lichte tat- sächlich vorausgegangen war. Da hier eine schwere Beschuldigung gegen die andere steht, ziehe ich es vor, diese Angelegenheit nicht weiter zu berühren. — 3) Vgl. Lavoisiers Traitö ölementaire de Chimie (1789), abgedruckt in Oeuvres de Lavoisier, /, 38 (Paris 1864). Lavoisier scheint die Sauerstoffentdeckung nicht so unabhängig von Priestley gemacht zu haben, wie es bei Scheele der Fall ist. Bis 1774 war Lavoisier nur zum Schlüsse gelangt, daß bei der Verbrennung Gewichtszunahme erfolgt durch Absorption von atmosphärischer Luft, wobei er noch an eine homogene Beschaffenheit der Luft dachte. Erst nachdem Priestley an Lavoisier von seinen Versuchen 1774 persönlich Mitteilung gemacht hatte, wurde Lavoisier bestimmter und kam zum Ergebnisse, daß die Luft aus zwei Gasen zusammengesetzt sein müsse (1775). — 4) Scheeles Abhandlung von der Luft und dem Feuer; auch auf- genommen in ..Ostwalds Klassiker". Bekanntlich gewann Scheele seine ,, Feuer- luft" durch Destillation von Braunstein mit Schwefelsäure, sowie durch Erhitzen von Kalisalpeter. üeßchichtliche Einleitung. 9 Scheele erkannte auch das Verschwinden seiner „ Feuer luft," bei der Atmung, und daß statt ihrer fixe Luft entsteht. Während nun Priestley über die empirisch neu errungenen Grundlagen kaum hinauskam, baute sich in Lavoisiers genialem Kopfe, der ebenso erfinderisch als ordnend veranlagt war, die Chemie in neuer Form so klar und zwingend logisch auf, daß seine französischen Fach- genossen, ihm mit Enthusiasmus folgend, bald nicht mehr von Lavoisiers Chemie, sondern von der „Chimie frangaise" sprachen: nicht aus Be- streben, die Verdienste dieses Mannes zu schmälern, sondern unter dem tiefen Eindrucke, welchen die unwiderstehlichen neuen Anschauungen erzeugten. Wir haben zwar hier nur die Aufgabe, die Verdienste Ant. Laur. Lavoisiers (1743 — 1794) um die Biochemie zu charak- terisieren. Aber auch da bietet sich unendlich viel, und es gibt kein Gebiet unserer Wissenschaft, welches nicht in ihm seinen Reformator zu ferblicken hätte (i). Eine der frühesten Ai-beiten Lavoisiers betrifft die alte Frage über die angebhche Transformation des Wassers in Erde (1770) (2). Er kritisiert die vielen seit Helmont diesbezüglich angestellten Versuche und stellt durch genaue Wägung fest, daß tatsächlich nach Abdestillieren des Wassers ein erdiger Rückstand verbleibt, dessen Gewicht jedoch genau dem Ge- wichtsverluste des Glasgefäßes entspricht. Er leitet daraus den imponierend einfachen Schluß ab, daß diese Erde aus dem Glasgefäße durch Auflösung entstammt, und daß sie nicht aus dem Wasser entstehen kann. Aber auch Scheele konnte die irrige frühere Anschauung dadurch widerlegen, daß er die qualitative Übereinstimmung der Glassubstanz mit dem erdigen Rückstande erwies. Für die Chemie war die Transformationslehre damit endgültig abgetan. Daß aber die Ansicht, der Lebensprozeß der Pflanze könne Aschenstoffe neu erzeugen, noch lange ungestört fortbestand, lehren viele Arbeiten noch Dezennien später. Die Entdeckung des Sauerstoffes führte 1775 Lavoisier zum Schlüsse seiner Abhandlung: ,,Sur la nature du principe qui se combine avec les metaux pendant leur calcination et qui en augmente les poids" zur heutigen Auffassung von der Natur der Kohlen- säure: ,,Puisque le charbon disparait en entier dans la revivification de la mercure et de l'air fixe, on est force d'en conclure que le principe auquel on a donne jusqu'ici le nom d'air fixe, est le resultat de la combinaison de la portion eminemment respirable de l'air avec le charbon." Im Verlaufe seiner Arbeiten über Verbrennung und die Rolle des Sauer- stoffes sowie über die Entstehung von sauren Substanzen bei Verbrennung kam Lavoisier 1777 zur Meinung daß, ,,air pure" ein ,, principe oxygene" sei, und 1781 legte er der fixen Luft nach Eruierung ihrer quantitativen Verhältnisse den Namen ,,acide du charbon" bei. Schon 1777 berichtet er über Versuche bezüghch tierischer Atmung und bezüghch der Verände- rungen, welche die Luft beim Passieren der Lunge erleidet. 1780 spricht er sich dahin aus, daß das Atmen ein Verbrennen sei; wohl verlaufe es langsam, sei aber sonst dem Verbrennen der Kohle vollkommen ähnhch. Die dabei entstehende Wärme ersetze den Wärmeverlust des Körpers. Diese bis 1789 fortgesetzten Studien bilden die Grundlage für unsere Theorie der Sauerstoffatmung. 1) Vgl. M. Speter, Lavoisier und seine Vorläufer (Stuttgart 1910). — 2) Sur la natura de I'eau et sur les expörimentes par lesquelles on a pr^tendu prouver la possi- bilit6 de son changement en terre. M^m. Acad. (1770), p. 73. In der Neuausgabe von Lavoisiers Werken, //, 1 (1862). 20 Geschichtliche Einleitung. Es sei gestattet, hier zur PRiESTLEYschen Entdeckung zurückzu- kehren. Priestley wurde in der Publikation seiner Versuche überholt durch eine glänzend abgefaßte Abhandlung des holländischen Arztes Jan Ingen-Housz (1730 — 1799): Experiments upon vegetables discovering their great power of purifying the common air in the sunshine and of injouring it in the shade and at night (1779). Zu dieser Zeit war die Entdeckung des Sauerstoffes noch neu und zusammenhanglos, Lavoisiers System noch nicht vorhanden. Um so bewunderungswürdiger ist die Form und der Inhalt dieser Publikation eines ebenso stark physikalisch- chemisch als biologisch veranlagten Mannes Ingen-Housz erkannte genau die Abhängigkeit der Ausscheidung von „dephlogistisierter Luft" vom Chlorophyllgehalte der Pflanzen und vom Lichte, ferner die „Luft- verschlechterung" durch chlorophyllfreie Pflanzenteile in Licht und Dunkel; er wußte auch, daß bei dieser Luftverschlechterung Kohlensäureaus- scheidung irgend eine Rolle spielt. Hingegen war Ingen-Housz nicht sicher darin, ob diese Kohlensäureausscheidung, wie beim Tier ein kon- tinuierlicher Prozeß sei(i). Klar und deutlich sprach die richtige Ansicht erst Saussure 1798 aus. Auch wußte Ingen-Housz noch nicht be- stimmt, woher der entwickelte Sauerstoff stamme. Daß die Sauerstoff- ausscheidung mit Kohlensäureverarbeitung kausal zusammenhängt, hat erst 1782 J. Senebier (1742 — 1809) erkannt, durch seine Versuche über Beschleunigung der Sauerstoffproduktion in kohlensäurereichem Wasser und unter richtiger Verwertung der damals eben von Lavoisier festgestellten Erkenntnis von der Zusammensetzung der Kohlensäure. Lavoisier setzte in dieser Zeit seine Verbrennungsversuche mit organischen Substanzen fort. 1784 pubhzierte er seine Memoire sur la combinaison du principe oxygene avec l'esprit-de-vin, I'huile et differents Corps combustibles. Darin wurde gezeigt, daß das Gewicht der bei der Verbrennung gebildeten Produkte, Kohlensäure und Wasser, genau gleich ist dem Gewichte der verbrannten Substanz vermehrt um das Gewicht des verbrauchten Sauerstoffes. Dies waren die ersten Verbrennungsanalysen organischer Stoffe. Von hohem biochemischen Interesse ist eine 1786 erschienene Mit- teilung Lavoisiers (2), worin zum erstenmal die Nutzanwendung obiger Verbrennungsanalysen gezogen wird, und die Unrichtigkeit der alten Methode der Pflanzenanalyse klargelegt wird (3). Es hatte zwar schon Boyle ge- zeigt, daß das Feuer bei freiem Luftzutritt aus organischen Stoffen andere Verbrennungsprodukte hefert, als bei Luftbeschränkung. • Lavoisiers Verdienst war es aber, bewiesen zu haben, daß die bei der trockenen Destil- lation und beim Verbrennen auftretenden Stoffe nicht schon früher in der organischen Substanz enthalten sind, sondern sich erst beim Erhitzen unter Mitbeteihgung des Luftsauerstoffes bilden. Er zeigte dies am Bei- spiele des Zuckers, welchen er offenbar schon damals analysiert hatte. Der Zucker besteht aus Sauerstoff, Wasserstoff und Kohle; letztere ist 1) Insofern ist die Darstellung in Sachs' Geschichte der Botanik zu berich- tigen. Über Jan Ingen-Hoüsz vgl. J. Wiesner, >an Ingen-Housz, sein Leben und Wirken als Naturforscher und Arzt (Wien 1905). — 2) R^flexions sur la döcompo- sition de l'eau par les substances vög^tales et animales. M6m. Acad. Paris pour 1786, p. 590. — 3) Wer sich unterrichten will, wie zu Lavoisiers Zeit die Pflanzen- chemie stand, und mit welcher Unklarheit und welchem Wichtigtun gearbeitet wurde, lese etwa die „Anleitung zur Zerlegung der Pflanzen" von Schiller in Crells Ann. (1791), //;'226, oder andere ähnliche Mitteilungen aus dieser Zeit. Geschichtliche Einleitung. 1 1 in bedeutendem Übermaße vorhanden; Sauerstoff und Wasserstoff fast in dem Verhältnisse, wie es nötig ist, um Wasser zu bilden. Das öl, welches bei der trockenen Destillation entsteht, ist ebensowenig schon vorher im Zucker enthalten, wie die bei der Verbrennung entstehenden Kohlensäure und Wasser. Dieselbe Abhandlung zeigt aber auch, daß Lavoisier bezüghch der Kohlensäureassimilation in den Grundzügen richtige und klare An- schauungen besaß (1). 1788 erschien die hochinteressante Memoire sur la fermentation spiritueuse, worin Lavoisier trotz mangelhafter Annahmen und Versuchs- resultate zur Anschauung kam, daß der gärende Traubensaft in Kohlen- säure und Weingeist (hier zuerst als „Alkohol" bezeichnet) zerlällt. Die berühmte zusammenfassende Darstellung der „antiphlogistischen" Chemie Lavoisiers Traite elementaire de chimie erschien 1789. Darin finden sich alle erwähnten biochemischen Entdeckungen, sowie eine nützhche Übersicht über die damals bekannten Pflanzenstoffe. In Deutschland brachen sich Lavoisiers Ansichten bekannthch nur langsam Bahn. Von den deutschen Chemikern war es zuerst S. F. Hermb- STÄDT, welcher als Vorkämpfer für das ,, antiphlogistische System" auftrat. Es darf wohl kühn behauptet werden, daß die heutige Biochemie unmöghch hätte aufgebaut werden können, wenn ihr nicht Lavoisier mit seiner Theorie der Zusammensetzung der organischen Stoffe aus Kohlen- stoff, Wasserstoff, Sauerstoff die Grundlagen geliefert hätte. la Lavoisiers Arbeiten wurde auf den Sfickstoffgöhalt vieler or- ganischer Stoffe nicht geachtet, und es haben sich die Kenntnisse von diesem wichtigen Bestandteile der Organismen nur sehr langsam geklärt. Zerstreute Beobachtungen älterer Chemiker berichten über Am- moniakentwicklung bei der trockenen Destillation von Tier- und Pflanzen- stoffen. Erst Cl. L. Berthollet (1748—1822) wies 1786(2) Stickstoff allgemein in animalischen Substanzen nach, und bald galt der Stickstoff- gehalt für tierische Stoffe als charakteristisch gegenüber Pflan-^enstoffen. A. Fr. de Fourcroy unterschied 1789 drei Klassen von Tierstoffen nach der Stickstoffmenge, welche sie enthalten, und stellte wohl zuerst den Grundbegriff der Eiweißstoffe auf (3), Weiterhin wies Fourcroy (4) 1) Er sagt: ,,Pour se faire une id^e de ce qui se passe dans cette grande Operation que la nature seiablait avoir jusqu'ici environnee d'un voile epais, il faut savoir qu'il ne peut y avoir de v^g^tation sans eau et sans acide carbonique. Ces deux substancea se döconiposent niutuellement dans l'acte de la Vegetation par leur latus analogue; l'hydrogene quitte l'oxyg^ne pour s'unir au charbon, pour foriiier les huiles, les r^sines et pour constituer le v^g^tal: en meme temps l'oxygfene de l'eau et de l'acide, carbonique se degage en abondance, comme l'ont observ^ MM. Priest- LEY, Ingen- liousz et Sknebier, et il se combine avec la' lumiöre (für Lavojsier waren Licht und Wärniestoff Elemente!) pour former du gaz oxygöne." Diß Lavoi- sier auch die atmosphärische Kohlensäure als Kohlenstoffquelle würdigte, geht aus einem Berichte über Hassenfratz s Abhandlung „Sur la nutrition des v^getÄUx" (1792) hervor, welcher in Oeuvres de Lavoisier, /V, 531 (1868) abgedruckt ist. Senebier wie Hassenfratz waren der Ansicht, daß die Kohlensäure durch die Wurzeln aus dem Boden aufgenommen werde. Lavoisier meinte, dies sei noch näher zu prüfen. Doch geht aus dem Berichte unzweifelhaft hervor, daß sich Lavoi- sier der Ansicht zuneigte, daß die Pflanzen die Kohlensäure aus der Luft aufnähmen, und nicht aus der E)rde. — 2) .Journ. de Physique, 28, 272 (1786). — 3) Fourcroy, Ann. de Chim., y, 40 (1789). Er sagt: „. . • ä laquelle (mat. albumineux) il donne pour caractfere de se concr^ter et de devenir opaque par la chaleur, par les acides et par l'alcool tels que le blanc d'oeuf, la partie s^reuse du sang l'eau des hydropiques, la liqueur de l'amnioa, la mati^re casäeuse.'" — 4) Sur l'oxistence de la matiöre al- bumineuse dans les v4g6taux. Ann. de Chim., j, 252 (1789). BoNVOisiN. Crells Ann. (1795), //, 2fi6, fand ,,ei weißartigen" Stoff in den Blumenblättern der Kornblume, Bbaconnot später „animalisch-vegetabUische" Substanz bei Pilzen. 12 Geschichtliche Einleitung. auf die Ähnlichkeit ties Klebers mit tierischen Stoffen hin; er betont, daß Pflanzensäfte (Cochlearia, Kresse) ebenso viskos sein können wie tierisches Eiweiß, in der Hitze gerinnen, fäulnisfähig sind, er vergleicht die Gallerte aus Früchten mit Leim. Eine Verallgemeinerung auf alle Pflanzen wurde noch lange nachher nicht durchgeführt, man sprach von „animalisch -vegetabilischer Substanz", „matiere animalisee" usw. Erst später kam man zur Überzeugung, daß eiweißartige Stoffe zu den all- gemein verbreiteten Pflanzenbestandteilen gehören. C. W. Scheele (1742—1786), der berühmte Entdecker des Sauer- stoffes, gehört auch zu den erfolgreichsten Pflanzenchemikern seiner Epoche. Ihm verdankt man die Darstellung reiner Weinsäure und Citronensäure; er zeigte 1785, daß die von Bergmann durch Oxydation des Rohrzuckers mit Salpetersäure dargestellte „Zuckersäure" mit der Kleesäure von Oxalis und Rumex identisch ist und daß die früher für Gips gehaltene „Rha- barbererde" aus „Sauerkleesalz und Kalk" bestehe (i). Bald darauf er- kannte er auch das weit verbreitete Vorkommen des kleesauren Kalkes in Wurzeln und Rinden. Scheele ist ferner der Entdecker der Äpfel- säure (1785), der Milchsäure (1780), der Harnsäure und der Gallussäure (1786). Im Jahre 1784 gelang es ihm zu zeigen, daß bei A'erseifung des Olivenöls mit Bleioxyd eine süßschmeckende Substanz gebildet wird, welche, mit Salpetersäure oxydiert, Kleesäure liefert: es war dies die Entdeckung des Glycerins. Die Weiterbearbeitung der Fettchemie aber wurde erst ein Vierteljahrhundert später durch Chevreul erfolgreich unternommen. Im Chlorophyll hatte schon Berthollet den Stickstoff nachge- wiesen (2). Von Pflanzenaschenstoffen war bis dahin bekannt: Kali (welches RouELLE(3) für ein Produkt der Vegetation erklärte), Natron (4), Kalk, Schwefelsäure, Phosphorsäure (5) und Kieselsäure. Von den Arbeiten über Aufnahme und Bedeutung der Aschenstoffe aus dieser Zeit sind diejenigen Chr. Albr. Rückerts (6) ehrender Erwähnung wert. Rückert hält dafür, daß die Kohlensäure im Boden als Lösungsmittel bei der Beschaffung der Aschenstoffe fungiere; er will durch Begießen mit kohlensaurem Wasser günstige Erfolge erzielt haben. Rückert hat ent- schieden richtige Begriffe von der Wichtigkeit der Mineralstoffe, bekämpft die Theorie, daß nur organische Bodensubstanzen bedeutungsvoll für die Pflanze sind und nimmt die Bodenanalyse zu Hilfe, wenn es sich darum handelt, fehlende Bodenbestandteile künstlich zu ersetzen. Diese Vor- stellungen sind z. B. jenen R. Kirwans (7) weit überlegen, welcher die Aschenstoffe mehr wie ein Gewürz oder Verdauungsmittel, als wie ein Nährmaterial ansah. Im übrigen blieben bei den Chemikern und Bota- 1) Die bezüglichen Arbeiten Scheeles finden sich in Crells Ann. (1784), //, 1; (1785), /, 19; (178.Ö), //, 291, 513; (1786) /, 439. — 2) Rouelle, Journ. de M6d., 40 (1773); Meyer, Crells Ann. (1784), /, 521, gab darin Phosphorsäure an. Nach J. G. Georgi, Crells Ann. (1785), /, 277, sollte der Farbstoff eisenhaltig sein. Vgl. RÜCKERT, Crells Ann. (1788), //, 394. — 3) Beyträge z. d. ehem. Ann. v. Crell, /, 124 (1785). — 4) Vgl. VaüQUELIN, Ann. de Cbim., 18, 65 (1793). — 5) Hierzu Hassenfratz, Crells Ann. (1789), 7, 106. — 6) Chr. Albr. Rückert, Der Feld- bau,, chemisch untersucht usw., (Erlangen 1789), 2 Teile. Vgl. Crells Ann. (1788), II 394; (1789), II, 284; (1790), /, 275. Wie weit Rückerts Auffassung derjenigen seiner Zeitgenossen überlegen war, sieht man auch aus einer Mitteilung von Parmen- TiER, Ann. de Chim., //, 278; Crells Ann. (1795), II, 227. — 7) R. KiRWAN, Crells Ann. (1796). /, 63 ff. Geschichtliche Einleitung. 13 nikern die Ansichten bezüglich der Biochemie der Aschenstoffe noch Dezennien hindurch unrichtig und unklar (i). Dies war im allgemeinen der Zustand der Biochemie in der ersten Zeit nach Lavoisiers Tode. Einer der wenigen, welcher ganz im Geiste eines Lavoisier und Ingen-Housz als Chemiker und Biologen weiter- arbeitete, war Th. de Saussure (1767 — 1845), den man wohl vielleicht als den größten Pflanzenbiochemiker ansehen darf, welchen die letzten Jahrhunderte hervorgebracht haben. Schon die erste, 1797 erschienene Abhandlung Saussures, ob die Bildung der Kohlensäure zum Leben und Wachsen der Pflanzen not- wendig sei (2), zeigt sein großes Talent in hellstem Lichte. Darin be- richtet er über Versuche, welche das Pflanzenwachstum in atmosphärischer Luft, in Luft-Kohlensäuremischung und in kohlen säurefreier Luft betreffen, und faßt seine Ergebnisse in folgenden Sätzen zusammen. „Die Ver- suche beweisen 1. daß die Pflanzen wie die Tiere beständig Kohlensäure bilden, wie im Sonnenlichte, so im Schatten; 2. daß sie wie die Tiere diese Kohlensäure mit dem Sauerstoff der Atmosphäre bilden und daß, wenn man diese Kohlensäurebildung nicht wahrnimmt, der Grund darin liegt, daß die Kohlensäure, so wie sie gebildet ist, auch zersetzt wird; 3. daß die Gegenwart oder vielmehr die Verarbeitung der Kohlensäure zum Wachstum der Pflanzen in der Sonne nötig ist; 4. daß das Licht das Wachstum der Pflanzen insoweit befördert, als es zur Zersetzung der Kohlensäure beiträgt; 5. daß die stärkste Gabe von Kohlensäure, welche das Wachstum der Pflanzen im Sonnenlicht begünstigt, demselben im Dunkel bereits schädlich ist." Daraus geht am besten hervor, wie weit Saussure schon damals in seinen biochemischen Auffassungen war. Und es ist erst Julius Sachs gewesen, welcher diesen Ideen volle all- gemeine Anerkennung und Geltung verschaffen konnte! Saussures berühmtes Hauptwerk sind die Recherches chimiques sur la Vegetation (1804) (3), welche in ihrer Inhaltsfülle, Tragweite der Versuche und vorsichtigen Darstellung bis heute unerreicht geblieben sind. Hier ist der Ort, wo Saussure die grundlegenden quantitativ analytischen Daten für die Erkenntnis, daß die Landpflanzen ihren Kohlenstoffbedarf aus der Luftkohlensäure decken, geliefert hat. Dies ist ein ureigenes Verdienst, nachdem Senebier und Hassenfratz gemeint hatten, daß nur die im Boden wasser gelöste Kohlensäure als Nährstoff in Betracht komme (4). Er legt weiter neuerdings die Verhältnisse der Sauerstoff- atmung dar und bringt endlich seine wichtigen Versuche über die Ver- sorgung mit Aschen Stoffen. Schon 1801 hatte Humphrey Davy(5) die angeblich gelungenen Versuche mit Ernährung von Pflanzen mit reinem Wasser in geistreicher Weise zu widerlegen gesucht, indem er die Fähigkeit zur Elektrizitäts- leitung als Beweis der Existenz von Mineralsalzen im Wasser heranzog. 1) Dies trotz der genialen Forschungen eines Saussure. Noch 1807 konnte H. Braconnot (Ann. de Chim., 6i, 187) behaupten, daß die Pflanzen in reinem Wasser alles fänden, was sie zum Leben brauchten; der Dünger sollte nur das Wasser liefern, die „force organique aidc^e de la lumiere solaire" brächte in der Pflanze die Erden, Alkalien, Metalle, Schwefel, Phosphor, Kohlenstoff, vielleicht auch Stickstoff hervor. — 2) La formation de l'acide carbonique est-elle ä la v6g6tation? Ann. de Chim., 24, 135 (1797) und ibid., p. 227. — 3) Jetzt leicht zugänglich in der von A. WiELER besorgten Übersetzung als No. 15 — 16 von „Ostwalds Klassikern". — 4) J. Senebier, Physiologie v(5get , ///, '227. J. H. Hassenfratz, Ann. de Chim., 13, 178 u. 318 (1792); 14, 55 (1792). — 5) Vgl. dessen „Elemente der Agrikultur- chemie", 357 (1814). Deutsche Übersetzung. 14 Geschichtliche Einleitung. und sich auch auf negativ verlaufene Versuche berief, in welchen Hafer in reinem kohlensauren Kalk kultiviert worden war. Saussure lehrte nun die Unentbehrlichkeit der Aschenstoffe, und zeigte durch eine große Anzahl von Aschenanalysen, den ersten in ihrer Art, daß zwischen Aschenzusammensetzung und Entwicklungszustand der Pflanzenteile ge- setzmäßige Beziehungen obwalten. Es war ihm völlig klar, daß es der Pflanze nicht auf organische Nahrung im Boden ankommt, sondern auf die im Boden wasser gelösten Aschenstoffe; er wußte, daß man diese Aschenstoffe quantitativ in der Pflanze wiederfindet, so wie sie dem Boden entnommen sind, und nicht etwa im Organismus gebildet werden. Diese Grundwahrheiten wurden erst viel später Gemeingut der Wissen- schaft, und bis auf die (auch heute noch nicht gänzlich aufgeklärte) aktive lösende Wirkung der Wurzeln im Boden hat man eigentlich nichts hinzu kennen gelernt. Die Recherches chimiques von Saussure sind in der Regel das- jenige Werk, worauf man beim Studium von Spezialfragen zurückgeht, und es könnte eine allgemeine historische Einleitung zur Biochemie der Pflanzen mit der Würdigung dieses Werkes ganz wohl ihren Abschluß finden. Von hier an teilt sich der Strom der Wissenschaft in eine Anzahl von Armen, und wir geben weitere historische Daten am besten in den einzelnen Kapiteln dieses Werkes. Nur die Marksteine der biochemischen Forschung im 19. Jahrhundert, die Einführung von Anschauungen und Methoden der allgemeinsten Bedeutung mögen zum Schlüsse, dieser historischen Übersicht gebührend hervorgehoben v/erden. Das Schicksal der pflanzlichen Ernährungslehre lag in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz in den Händen der Chemiker, und eine glückliche Fügung war es, daß die großen Chemiker dieser Zeit fast sämtlich, wie ein Davy, Dumas, Berzelius und Liebig für die biologische Chemie ein warmes Interesse hegten; die „poetischen Pflan- zenphysiologen", wie sie Berzelius mit feiner Ironie einmal nannte, lagen ja in den Banden einer wenig fruchtreichen naturphilosophischen Richtung (i). Jedes Jahr brachte damals die Entdeckung einer außerordentlich großen Zahl von Kohlenstoff Verbindungen aus dem Pflanzenreiche, und das Studium dieser reichen Ernte beherrschte die gesamte Chemie. Durch Berzelius, Dumas und Liebig erhielt die Wissenschaft exakte Methoden, um die Grundstoffe der organischen Verbindungen quantitativ zu bestimmen, und .dadurch eine genaue Charakteristik der organischen Stoffe zu ermöglichen. Alle diese Substanzen galten als spezifische Produkte der Organismen. Berzelius (2) schrieb : „Ihre Bildung ist der organischen Natur vorbehalten und scheint der chemische Zweck der Organisation zu sein." Gerechtes Aufsehen mußte es daher erregen, als 1828 durch Wühler (3) die Möglichkeit gezeigt wurde, Harnstoff syn- 1) Vgl. hierzu auch F. Runge, Neueste phytochemische Entdeckungen, p. VII (1820). — 2) Berzelius, Gilberts Ann., 42, 37 (1812). — 3) F. Wöhi.er, Über künstliche Bildung des Harnstoffs, Pogg. Ann., 12, 253 (1828). „Eine auch in- sofern merkwürdige Tatsache, als sie ein Beispiel von der künstlichen Erzeugung eines organischen, und zwar sogenannten animalischen Stoffes aus unorganischen Stoffen darbietet" (Wöhler, 1. c). Wieweit die Auffassung der Dinge wenige Jahre später gediehen war, zeigt eine interessante Äußerung von Dumas aus dem Jahre 1836 (Handbuch d. angew. Chemie, V; Journ. prakt. Chem., 7, 298 [1836]). „Es drängt sich mir die Überzeugung auf, daß die organische Chemie von der unor- ganischen durchaus nicht wohl getrennt werden kann. Denn man wird doch nicht im Ernst behaupten wollen, daß das Cyan und der Kohlenwasserstoff, welche beide Geschichtliche Einleitung. 15 thetisch darzustellen. Es war dies die erste der vielen überraschenden Synthesen, welche der Chemie des 19. Jahrhunderts gelangen. Nicht zu verwundern ist es, daß das Studium der Pflanzenaschen- stoffe eine Zeitlang in den Hintergrund trat. Erst das erwachende In- teresse an chemischen Stoffwechselversuchen brachte auch hier Fortschritte mit sich, und so konnten die alten unklaren Vorstellungen der sogenannten „Humustheorie" aus der Ernährungsphysiologie nach und nach verbannt werden. Stoffwechselversuche an keimenden Samen verdanken wir schon einigen älteren Forschern, wie Chaptal, Cruikshank, ferner Saussure (i). Systematisch sehen wir später diese bedeutungsvollen Bestrebungen ge- pflegt von J. BoussiNGAULT, einem der verdienstreichsten Biologen des 19. Jahrhunderts. Boussingault (2) ging aus von Analysen der Futter- mittel und der Düngerstoffe. Daran schlössen sich die ersten Stoff- wechseluntersuchungen an Haustieren und die ersten Untersuchungen über die Zusammensetzung von Kulturpflanzen in verschiedenen Lebens- stadien. Dadurch gewann die Pflanzenchemie erst wieder biologisches Interesse und biologischen Geist. Im Jahre 1824 trat Justus Liebig auf den Plan der wissenschaftlichen Arbeit, und schnell gelang es seiner glänzenden Begabung, sich den ersten Platz unter Deutschlands Che- mikern zu sichern. In der ersten Periode seines überaus fruchtbaren Schaffens beschäftigten ihn außerordentlich zahlreiche, trefflich ausge- führte Elementaranalysen pflanzlicher Substanzen. Er schlug vor, die einzelnen Verbindungen, welche im Organismus vorkommen, in ihren Veränderungen und Verwandlungen Schritt für Schritt durch die Ele- mentaranalyse zu verfolgen, um so ein Verständnis für die chemischen Vorgänge des Lebens zu gewinnen (3). Die Entdeckung der Erschei- nung der Isomerie bei organischen Substanzen, ferner die ersten Studien über Esterbildung, Hydrolyse und Fermente, welche sich an Liebigs berühmte Amygdalinarbeit anknüpften, und im weiteren Verlaufe bis zu den ersten Versuchen, Eiweißstoffe durch Hydrolyse abzubauen, führten, schufen wichtige Erweiterungen der biochemischen Auffassung und be- gründeten wohl die moderne Biochemie überhaupt. Wir sehen weiter Liebig, gleichzeitig mit Boussingaults Wirken in Frankreich, landwirt- schaftlich-chemischen Fragen zugewendet: er ist es, welcher klar erkennt. einzig und allein immer nur bei der Zersetzung organischer Stoffe zum Vorschein kommen, der Mineralchemie angehörende Produkte seien, während die Sauerkleesäure, der Alkohol, der Äther, die Schwefel Weinsäure, der Harnstoff organische Substanzen wären? Ich suche vergebens nach einem Unterschied, welcher diese Körper von- einander zu trennen vermöchte, finde aber durchaus keinen. Meiner Meinung nach gibt es keine eigentlichen organischen Stoffe. Ich erblicke nur in den organisierten Wesen sehr langsam wirkende Apparate, welche auf Stoffe in dem Momente ihrer Entstehung einwirken und auf solche Weise aus wenigen Elementen sehr verschiedene unorganische Verbindungen erzeugen." 1) Chaptal, Ann. de Chim., 74, 317 (1810), studierte die Veränderungen im öl- und Stärkegehalt während der Keimung, sowie CO.^-Abgabe und 0-Aufnahme. Er CO fand den Quotienten ^ = 1. N. Cruikshank, Crells Ann. (1800), //, 195, hatte schon früher die Zuckerbildung und Sauerstoffatmung bei der Keimung der Gerste sowie das Ausbleiben der Zuckerbildüng bei Sauerstoffmangel aufgefunden. — 2) J. Boussingault, Die Menge des Stickstoffes in Futtermitteln, Ann. de Chim. et Phys. (2), 63, 225(1836) und (2), 67, 408(1838); Düngeruntersuchungen. Stoffwechselunter- Buchungen, ibid. (3), 15, 97 (1845); Entwicklung der vegetabilischen Stoffe in der Kultur des Weizens, ibid. (3), /;, 162 (1846). — 3) Vgl. Liebig, Pogg. Ann., 34, 570 (1835). jg Geschichtliche Einleitung. welche Nährstoffe die Kulturpflanzen dem Boden entnehmen, und wie eine rationelle Düngung vorzunehmen ist. Trotz mancher Irrtümer, welche hierbei unterliefen (wir werden im speziellen Teile des Buches mehrfach darauf zurückzukommen haben), bleibt es Liebigs unvergäng- liches Verdienst, die bereits von Saüssure klar erkannten Grundzüge der pflanzlichen Ernährung zu allgemeiner Kenntnis und Anerkennung zu bringen. Aus Liebigs Anregungen und Ideen wuchs die von Sachs, Knop, Nobbe und anderen Forschern von 1860 an ausgebildete Methode der Wasserkultur hervor, welche noch mehr als die älteren Versuche von Wiegmann und Polstorff (1842), sowie vom Fürsten zu Salm-Horst- MAR (1) geeignet waren, die Funktion der Wurzeln als Mineralstoffe auf- nehmendes Organ der Pflanzen zu demonstrieren, und auf deren Durch- bildung unsere, heutigen biochemischen Kenntnisse von den Aschenstoffen der Pflanze beruhen. Im Jahre 1833 gelang es Payen und Persoz (2), in der Malz- diastase das erste Enzym aufzufinden und dessen Eigenschaften und Wirkungen zu studieren. Kurz danach wurde das Emulsin durch Liebig entdeckt. Berzelius (3) war es, welcher die Eigentümlichkeiten der Enzymwirkungen schon seit 1836 klar auffaßte und den Begriff der Katalyse aufstellte. Mitscherlich (4), welcher diese Wirkungen „Kon- taktwirkungen" nannte, erkannte die Bedeutung der Oberflächenwirkung bei diesen Erscheinungen. Dies waren die ersten Wurzeln einer bio- chemischen Forschungsrichtung, welche in den letzten Jahren des 19. Jahr- hunderts namentlich durch die Schule W. Ostwalds ihre exakte chemische Begründung erhielt und welche schon in unseren Tagen weitgehende Konsequenzen für die Auffassung der chemischen Lebensvorgänge mit sich gebracht hat. Im Jahre 1837 zeigte Th. Schwann (5) in seinen berühmt gewor- denen Versuchen, daß Weingärung und Fäulnis durch Luft, welche stark erhitzt worden ist, nicht übertragen wird, und sprach die Bierhefe, die bis dahin als auf chemischem Wege entstandenes Sediment betrachtet worden war, als einen Pilz an. Fast gleichzeitig (1838) äußerte sich Cagniard Latour (6) dahin, daß die Hefekügelchen organisiert seien und dem Pflanzenreiche angehörten. Kützing (7), w^elcher übrigens in bezug auf die Entstehung der Mikroben, wie fast alle damaligen Forscher, im Gegensatze zu Schwann sehr unkritische Ansichten vertrat, fand gleichzeitig die Essigbakterien auf. Sehr genaue und kritische Versuche über die Entstehung mikroskopischer Organismen veröffentlichte zu dieser Zeit F. Schulze (8). 1841 fanden Boutron und Fremy (9) die Milch- 1) A. J. Wiegmann u. L. Polstorff, Über die anorganischen Bestandteile der Pflanzen (Braunschweig 1842); Fürst zu Salm-Horstmar, Versuche und Resul- tate über die Nahrung der Pflanzen (Braunschweig 1856). — 2) Payen et Persoz, Memoire sur la Diastase, Ann. de Chim. et Phys. (2), jj, 73 (1833). — 3) J. Ber- zelius, Einige Ideen über eine bei der Bildung organischer Verbindungen in der lebenden Natur wirksame, aber bisher nicht bemerkte Kraft. Berzelius, Jahresber. üb. d. Fortschr. i. d. phys. Wiss., 15, 237 (1836). — 4) E. Mitscherlich, Pogg. Ann., 5S, 209 (1842). — 5) Th. Schwann, Vorläufige Mitteilung, betreffend Versuche über die VVeingärung und Fäulnis. Pogg. Ann., 41, 184 (1887). Weil die Wein- gänmg in seinen Versuchen nicht durch Strychnosextrakt, wohl aber durch Arsenit aufgehoben wurde, meinte er, der Erreger sei kein Tier, sondern eine Pflanze — 6) Cagniard-Latour, Ann. de Chim. et Phys. (2), 68, 206 (1838). p. 209 sagt er: „On peut donc regarder comme fort probable que les globules de la levure sont or- ganisls, et qu'ils appartiennent au regne vegetal". — 7) F. Kützing, Mikroskop. Untersuchungen über die Hefe u. die Essigmutter. Journ. prakt. Chem , //, 385 (1837). — 8) F. Schulze, Pogg. Ann., 39, 487 (1836). — 9) Boutron et E. Fremy, Ann. de Chim. et Phys. (3), 2, 257 (1841). Geschichtliche Einleitung. 17 Säuregärung des Zuckers auf, Pelouze und Gelis (i) 1844 die anaerobe Buttersäuregärung. Diese Arbeiten, deren Resultate von den maßgebenden Chemikern dieser Zeit, wie Berzelius und Liebig, als unbefriedigend angesehen und nicht gut aufgenommen wurden, waren der erste Anfang der heutigen Mikrobenphysiologie, und es ist bekannt, daß ihre Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich an die glänzenden Erfolge von L. Pasteur anschloß, welcher der Wissenschaft klare Vorstellungen über Verbreitung der Mikroben und Infektion brachte, die Prinzipien der Er- nährung der Mikroorganismen auffand, schließlich die außerordentlich wichtige Tatsache des Lebens ohne Sauerstoff entdeckte und sicherstellte, so daß heute die Biochemie der kleinsten Lebewesen eines der best- durchgearbeiteten Gebiete unserer Wissenschaft darstellt. Die wichtigsten Entdeckungen des letzten Vierteljahrhunderts auf biochemischem Gebiete: die Salpeterbildung, die Bindung des Stickstoffes durch die Leguminosen und durch Bodenbacterien schließen sich an die Forschungen der Pasteur- schen Schule an. Nachdem die Botaniker Dezennien hindurch, das neugewonnene Hilfsmittel der verbesserten Mikroskope benützend, an den Grundlagen der mikroskopischen Anatomie gearbeitet hatten (mit welchem Erfolge, zeigen uns um die Mitte des Jahrhunderts die Werke eines Mohl und Schleiden), brach von 1860 an eine neue Blütezeit der experimentellen Physiologie an, die, von Julius Sachs mit glänzenden Mitteln begonnen und besonders von W. Pfeffer fortgeführt, alle die vielen Erfolge ge- bracht hat, deren wir uns heute erfreuen (2). Es steht zu erwarten, daß die experimentell chemische Arbeits- richtung immer mehr an Einfluß gewinnen wird und die lange Zeit hin- durch in der Botanik vielleicht viel zu einseitig getriebene mikrochemische Methodik in kurzem jenen Platz einnehmen wird, der ihr gebührt: als wichtige Bestätigung von Analysenresultaten und als Mittel zui- Verfolgung der Vorgänge in der lebenden Zelle (3). Die moderne Chemie bedenkt die Biologen überreichlich mit neuen Methoden und Problemen. Ein weites Gebiet zu biochemischer Arbeit brachten die Studien über das asymmetrische Kohlenstoffatom und die sterische Konfiguration dei- Kohlenstoffverbindungen von van t' Hoff. WisLiCENUS, E. Fischer. Die Biochemie der Zucker und ihrer Deri- vate, wie sie Fischer selbst inauguriert hat, zeigt am besten, was hier geleistet wurde und wieviel noch der Arbeit offen steht. Die letzten beiden Dezennien in ihrer rapiden Entwicklung der allgemein-chemischen, ge- wöhnlich als ,.i)hysikalisch-chemi sehen" bezeichneten Methoden und An- sc'hauungen schufen für die Biochemie eine heute noch nicht entfernt zu übersehende Fülle von Anregungen und neuen Fragestellungen. Der Ausspruch von W. Ostwald (4), dem die neueste biochemische Richtung so vielfache Förderung verdankte, daß die physiko-chemischen Errungen- schaften der jüngsten Zeit der Biochemie eine Entwicklung prognostizieren 1) Pelouze ot Gei.is, Ann. de Chiiu. ot Phys. (3). lo, 434 (1844). — 2) Die Geschichte der PfJanzenbiochemie von 186U— 1900 behandelt J. Reynolds Green. A History of Botany 1860—1900, p. 278 ff. (Oxford 1909). — 3) Grundlagen für eine moderne Mikrochemie schafft F. Emioh, Lehrb d. Mikrochemie (Wiesbaden 1911). Biülog. Anwendui\gen : A. B. Macallum, Abderhaldens Handb. d. biocheuL Arb.metli. V, (2), 911 (1912). 0. TuNMANN. Pharm. Post (1911). - 4) W. Ostwald, Ztsch. physik. ehem., 23, 708 (1897). VerhaTidl. Gesellsch. dtsch. Natiirf. u. Ärzte, 73. Vers, z. Hamburg I, 200 (1902). Czapek, Biocliemie der Pflanzen. 3. Aufl. 2 18 Geschichtliche Einleitung. lassen, welche an Bedeutung der von Liebig angeregten Entwicklung nicht nachstehen wird, ist bereits heute in Erfüllung gegangen. Aber auch die Tierbiochemie brachte der pflanzlichen Ernährungs- lehre in den letzten Jahren eine reiche Zahl von Anregungen, Methoden und Anschauungen. Dürfen wir ja doch glauben, daß biologische Theorien im allgemeinen um so näher an die Wahrheit heranrücken, je allgemeiner sie im Pflanzen- und Tierreiche entsprechende Anwendung finden können; die Grundgesetze aller Organismen scheinen dieselben zu sein. Eine Reihe von Arbeiten hervorragender Zoochemiker zeigen, wie auch auf der anderen Seite das Interesse für phytochemische Probleme bei weitblicken- den Forschern rege erhalten worden ist. Die von Kühne und seiner Schule erfolgreich angebahnte, von F. Hofmeister, A. Kossel, E. Fischer und vielen anderen Forschern mit großem Glücke weiter be- arbeitete Chemie der Eiweißsubstanzen hat auch für die Pflanzen- biochemie viele wichtige Ergebnisse gebracht, und bleibt eines der wich- tigsten Gebiete für die Arbeit des 20. Jahrhunderts. Die Enzymforschung ist namentlich durch die von E. Salkowski (i), später von Schmiede- berg zuerst angewendete, sodann besonders im Hofmeister sehen Laboratorium technisch hochausgebildete Methodik der aseptischen Auto- lyse mächtig gefördert worden. Wir sind hierdurch in den Stand gesetzt, zahlreiche Prozesse im Organbrei chemisch zu verfolgen, und ihre Unab- hängigkeit vom übrigen Lebensgetriebe zu erweisen. Die Frage, ob synthetische Wirkungen von Enzymen im Organismus eine Rolle spielen, wird auf diese Art weiter bearbeitet werden können. Es schließen sich die von E. Buchner ausgebildeten Methoden, Organpreßsäfte zu be- reiten und ihre Wirkungen zu studieren, an diese Versuche an. Endlich hat die moderne Immunochemie und Serobiologie auch der Biochemie der Pflanzen ein verheißungsvolles Feld erschlossen; die wenigen Bemühungen, welche bis jetzt in dieser Richtung aufgewendet worden sind, haben bereits gezeigt, daß dieselben Gesetze der Assimilation körperfremder Eiweißarten und der Eliminierung artfremder Protem- komplexe im Pflanzenorganismus herrschen wie bei den höheren Wirbel- tieren. Die Serobiologie hat für uns ein besonderes Interesse, weil sie uns zeigt, in welch reichem Maße die Biologie die Mittel ersetzt, welche bisher die organische Chemie für die chemische Biologie aufzubringen hatte. Die kommende Epoche unserer Wissenschaft wird immer mehr erweisen, wie biologische Methoden der chemischen Forschung zu Hilfe kommen. Fast unbebaut liegt noch ein weites Gebiet vor uns: die Untersuchung der Variations- und Vererbungserscheinungen im Stoff- wechsel der Pflanze. Hier dürfte durch die Vereinigung der Forschungs- mittel der Biologie und analytisch-chemischen Technik ein gewaltiger und dauernde Erfolge bringender Vorstoß zur Aufhellung der Lebens- erscheinungen zu erzielen sein. So sehen wür heute den Fortschritt der Pflanzenbiochemie allent- halben in vollem Flusse, und zahlreiche, kaum erschlossene Hilfsquellen bieten Erfolge und Verheißungen. Auch die praktischen Anwendungen, welche Landwirtschaft, Gärungstechnik, Zuckerfabrikation, medizinische Bakteriologie und viele andere Disziplinen aus der theoretischen Biochemie geschöpft haben, werden mit reichlichem Zins das Entlehnte zurück- 1) E. Salkowski, Ztsch. klin. Med., >;, 77, Suppl. (1890). Deutsch. Klin,, //, 147. Geschichtliche Einleitung. 19 erstatten. Ich erinnere nur an die kaum noch hinreichend gewürdigte Bedeutung, welche die genaue Untersuchung der von der Großindustrie in großen Massen geHeferten Produkte für die theoretische Wissenschaft hat; viele im Pflanzenorganismus in relativ verschwindend kleiner Menge vorhandene Substanzen, Zwischenprodukte des Stoffwechsels, welche im Laboratoriumsversuch der minimalen Quantität halber kaum zu fassen sind, werden auf diesem Wege der Untersuchung zugänglich. Die Biochemie ist weit entfernt von den einstigen Träumen der Chemiker und Physiologen, eine künstliche Zelle zu erzeugen, oder das chemische Gesetz, welches allein alle Lebensvorgänge diktiert, ausfindig zu machen. Die besonnene Forschung von heute kann nur das Ziel verfolgen, Vergleichsmomente zu finden zwischen chemischen Vorgängen außerhalb des Organismus, und den Prozessen im lebenden Organismus selbst. Die Auffindung gleichartiger Verhältnisse in bestimmten Fällen dient der Vereinfachung unserer Vorstellungen, der „Ökonomie des Denkens'- (E. Mach). Im Hinblick auf das Ideal der biologischen Forschung, die Lebens Vorgänge zu verstehen und alle ihre wechsel- seitigen Beziehungen aufzudecken, ist auch die Biochemie nur ein Mittel von vielen, allerdings eine der mächtigsten Waffen, die wir besitzen. Allgemeine Biochemie. Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge im lebenden Organismas. § 1- Das Protoplasma und seine Stoffe. So wie der Chemiker an seinen Untersuchungsmaterialien einerseits die dem Objekte veränderungslos gegebenen Eigenschaften: Aggregat- zustand, Farbe, Lichtbrechung, Dichte usw. studiert, andererseits aber ex- perimentell Bedingungen aufzufinden ti'achtet, unter welchen sich diese Eigenschaften ändern, und dann die Gesetze dieser Änderungen zu fixieren sucht, so hat auch die Biologie bei der chemischen Erforschung der Lebenserscheinungen zu Werke zu gehen. Unsere erste Aufgabe bildet daher die Untersuchung des Substrates, in welchem sich die Lebensvor- gänge abspielen. Mit Ostwald (i) können wir auch von den „Zustands- eigenschaften" des Lebenssubstrates sprechen, wenn wir dessen beständige Eigenschaften im Auge haben. Während aber der Chemiker bei der Feststellung der „Zustands- eigen Schäften" seiner Objekte selten eine Störung erfährt, arbeitet der Biologe mit Dingen, welche oft unter seinen Händen andere Eigenschaften annehmen. Bei jeder Untersuchung erfährt er, daß er es mit Objekten zu tun hat, in welchen ohne Unterbrechung sich langsame oder rasche Veränderungen der chemischen Eigenschaften vollziehen, Veränderungen, die man in der inorganischen Natur nicht findet, und welche einen hervorragenden Charakterzug des lebenden Organismus bilden. Ostwald (2) berührt diese Verhältnisse mit folgenden Worten: „Für alle Lebewesen ist ein nie fehlendes Kennzeichen der Energiestrom. Meist bezeichnet man den hier stattfindenden Vorgang mit dem Namen Stoffwechsel. Dieses Wort trifft aber nicht die Hauptsache." Diese Veränderungen fallen unter den Begriff der „chemischen Reaktionen" oder der „Vor- gangseigenschaften" (Ostwald). Daß sie in mannigfacher Erscheinung ohne unser Zutun an lebenden Objekten erfolgen, bedingt manche Be- sonderheit der biochemischen Arbeitsmethodik. Die Chemie, welche meist erst experimentelle Erzeugung von Reaktionen zu deren Studium nötig hat, liefert uns wenige methodische Anhaltspunkte in dieser Richtung. Für die Biochemie sind sowohl experimentell hervorgerufene als freiwillig an dem lebenden Substrate ablaufende Reaktionen von großer 1) W. 08TWALD, Die wisseuschaftl. Grundlagen der analyt. Cheni., 5. Aufl. (1910). — 2) W. Ostwald, Vorles. üb. Naturphilosophie, p. 312 (1902). § 1. Das Protoplasma und seine Stoffe. 21 Bedeutung. Wir können einmal Vergleiche ziehen zwischen Reaktionen verschiedener Stoffe außerhalb des Organismus und Prozessen, welche sich im lebenden Organismus abspielen. Dabei treten Analogien und Differenzen zutage, auf Grund deren wir mit verschieden großer Wahr- scheinlichkeit Rückschlüsse auf die Natur der betreffenden Lebensvor- gänge ziehen dürfen. Eine andere Methode ist die, mit dem Lebens- substrate selbst zu arbeiten und zu versuchen, wie es sich beim Zu- sammenbringen mit gewissen Stoffen oder bei der Herstellung bestimmter Bedingungen verhält. Hierbei sind jedoch die Schwierigkeiten zu über- winden, welche sich aus der Veränderlichkeit des Materials ergeben, und erst in neuerer Zeit, seit man imstande ist, die Beteiligung anderer Lebe- wesen an den Prozessen im Untersuchungsmaterial sicher auszuschalten, sind hier größere Erfolge erzielt worden. Aus dem Gesagten geht hervor, daß es eine Abstraktion ist, vom Substrate der Lebensvorgänge zu sprechen, ohne die darin stattfindenden chemischen Reaktionen zu berücksichtigen. Es ist ferner zuzugestehen, daß sich die Zustandseigenschaften biologischer Objekte nie so voll- kommen untersuchen lassen wie an chemischen Objekten, weil eben in den Organismen sich stetig Veränderungen unbekannter Natur vollziehen. Doch bleibt noch immer genug übrig, um reichlich Anregung zum Studium dieser Eigenschaften zu finden. Seit der Forschungsepoche von Mohl und Schleiden (l) ist in der Botanik die Erkenntnis fest begründet, daß das Protoplasma der Zellen pflanzlicher Organismen der Träger der Lebenserscheinungen sei, und daß das Leben erlischt, sobald die Zellen ihr Protoplasma verlieren. Ferd. Cohn (2) erklärte 1850 zuerst das pflanzliche Protoplasma und die tierische Sarkode für übereinstimmende Gebilde. Das Protoplasma mit seinen chemischen Eigenschaften bildet daher das erste und vornehmste Studienobjekt für die Biochemie. Eine Reihe von Beobachtungen hat ergeben, daß sich chemische Ver- änderungen verschiedener Art im Organismus auch an solchen Stellen regelmäßig vollziehen, die vom Zellplasma räumhch getrennt sind, z. B. in der Mittellamelle der Zellhaut. Die auffallenden Erscheinungen beim Wachstum der mit verschiedenfachen Leisten, Vorsprüngen, Stacheln versehenen Außenhaut von Sporen und Pollenkörnern hat H ANNIG (3) in ihrem Wesen durch die Aufdeckung der ,,Periplasmodien" einfach erklärt. Die Ansicht, daß Protoplasma auch in der Zellmembran enthalten sei (4), ist unzureichend gestützt und auch völhg entbehrHch. J. V. Hanstein (5) schlug vor, den Protoplasmaleib der Zelle, so- bald man ihn als organisches aktives Ganzes hinstellen will, als „Proto- 1) H. V. Mohl, Botan. Ztg. (1846), p. 73; Vegetabil. Zelle, p. 42 (1851). M. J. Schleiden, Grundzüge der wissensch. Botanik, 4. Aufl., p. 136 (1861); auch N. Pringsheim, Bau und Bildung der Pflanzenzelle (1854) [Ges. Abhandl., ///, 33.] — 2) F. Cohn, Nov. Act. Leopold., 22, 605 (1850). M. Schulze, Das Protoplasma d. Rhizopoden (1863). — 3) Chemische Veränderungen der Mittellamelle in verschie- denen Lebensstadien der Zelle. L. Mangin, Journ. de Botan. (1893). Ch. E. Allen. Botan. Gaz., 32, 1 (1901). Selbständiges Wachstum der Zellmembran: E. Stras- BüROER, Wachst, veget. Zellhäute (Jena 1889) und Ja-irb. wiss. Botan., 31, 511 (1898). C. E. Correns, Jahrb. wiss. Botan., 26, 587 (1894); ^otan. Ztg. (1898), Abt. II, 219. H. FiTTiNG, Botan. Ztg. (1900), Abt. I, 131. E. Hannig, Flora 102, 209, 335 <19ll). — 4) Allgemeines Vorkommen von Protoplasma in Zellmembranen nimmt besonders J. Wiesner an (Elementarstruktur und das Wachstum der lebenden Sub- stanz, p. 149 [1892]), zumindest so lange, als die Zellhaut wächst (Anat, u. Phys. d. Pfl., 4. Aufl., p. 27 [1898]). Vgl. auch F. O. BowER, Rep. Meet. Brit. Assoc., p. 535 (1883). — 6) Jon. v. Hanstein, Botan. Abhandl., 4, II, 9 (1880). 22 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. plast'- ZU bezeichnen, während er „die hypothetische Stoffverbindung'" des Protoplasmas mit dem Namen „Protoplastin" belegen wollte. Mit dieser Unterscheidung des Apparates vom Stoff im Zellplasma war die Bahn betreten, welche in den letzten Dezennien zur Aufstellung der mo- dernen „Maschinentheorie" des Protoplasmas geführt hat. Diese Theorie steht im Gegensatze zu einer anderen Auffassung, welche aus den stoff- lichen Eigenschaften des Protoplasmas seine Fähigkeiten und Tätigkeiten erklären will. Die erste Ansicht hat besonders in J. Reinke (i) einen Vertreter gefunden, die zweite Anschauung wird beispielsweise von 0. LoEW (2) bevorzugt. Hier ist es nicht unsere Sache, zu untersuchen, wieweit ein voll- kommenes Verständnis der Lebenserscheinungen mit Hilfe der einen oder der anderen Theorie erreichbar erscheint. Naturgemäß hat sich die Bio- chemie aber an die Eigenschaften der Stoffe zu halten und zu erforschen, wieweit eine wissenschaftliche Erkenntnis durch das Studium stofflicher Eigenschaften möglich ist. Daß die Substanz des Protoplasmas kolloidalen Charakter hat und daß wesentlich Eiweißstoffe an ihrer Zusammensetzung beteiligt sind, ist bereits das Ergebnis der ersten eingehenden Studien über das Zellplasma gewesen. Die kolloidale Beschaffenheit des Myxomycetenplasmas wurde von DE Bary und von Cienkowski (3) studiert. Der Eiweißgehalt wurde seit 1862 insbesondere durch J. Sachs und W. Hofmeister hervorgehoben. Letzterer (4) charakterisiert das Protoplasma, wie folgt: „Zähflüssige Beschaffenheit, reichlich Wasser enthaltend, von leichter Ver- schiebbarkeit seiner Teile; quell ungsfähig, in hervorragender Weise die Eigenschaften einer Kolloidsubstanz besitzend — ein Gemenge verschie- dener organischer Substanzen, unter denen eiweißartige Stoffe und solche der Dextrinreihe nie fehlen, von der Konsistenz eines mehr oder minder dicklichen Schleimes, mit Wasser nur langsam und nicht in jedem beliebigen Verhältnisse mengbar: das Protoplasma." Hanstein (5) faßte sein „Protoplastin" direkt als „ein einheitliches Albuminat oder eine Gesellschaft von Albuminaten" auf. Ähnlich hatte sich bereits Schleiden(6) geäußert. Die erste eingehende quantitative Analyse eines vorwaltend aus Protoplasma bestehenden Materials war die bekannte Untersuchung des Plasmodiums von Fuligo varians (Aethalium septicum) durch Reinke (7) (1880). Das Material enthielt über 27 % der Trockensubstanz an Cal- ciumcarbonat. Nach Abrechnung dieses Bestandteiles stellt sich das Analysen ergebnis Reinke s wie folgt: 1) J. Reinke, Untersuch, a. d. botan'. Inst. z. Göttingen, II (1881), Einleitung in die theoret. Biologie, 2. Aufl. (1911); vgl. auch bes. W. Pfeffer, Pflanzenphysiol., 2. Aufl., /, 3 u. 52 (1897). — 2) O. LoEW, Die chemische Ursache des Lebens, und viele spätere im folgenden zitierte Schriften dieses Forschers. — 3) Bary (Myceto- zoen [1864]) hält das Plasma für eine Substanz, die an verschiedenen Punkten wech- selnde Kohäsion besitzt. Cienkowski, Jahrb. wiss. Botan,, j (1863) meint, da.s Plasma der Myxomyceten bestelle aus einer hyalinen zähen Grundmasse und einer körnerführenden Flüssigkeit. — 4) Hofmeister, Pflanzen zelle, p. 1 (1867). — 5) J. V. Hanstein, Das Protoplasma, p. 25 (1880). — 6) M. J. Schleiden, Grund- züge, 4. Aufl., p. 136 (1861). — 7) J. Reinke, Botan. Ztg. (1880), p. 815. Reinke und Rodewald, Untersuch, a. d. botan. Inst. Göttingen, II (1881). Reinke und Z. Krätschmar, Ebenda, III (1883); auch Reinke, Einleit. i. d. theoret. Biologie, p. 248 (1911);' vgl. auch Fürth, Vergl. Physiologie d. nied. Tiere, p. 36 (1903). A. Kanitz, Das Protoplasma als chemisches System. Oppenheimerb Handbuch der Biochemie des Menschen und der Tiere, //, 1. Hälfte, 213 (1909). E. Zacharias, Sammelbericht üb. ehem. Beschaffenheit von Protoplasma u. Zellkern; Progress. rel bot, j, 67 (1909). § 1. Das Protoplaema und seine Stoffe. 23 Phosphorhaltige Proteide (wenig Nuclein, viel ,, Plastin") . . 40,0 Proz. Eiweiß und Enzyme 15,0 ,, Xanthinbasen, kohlensaures Ammon, Asparagin, Lecithin . . 2,0 ,, Kohlenhydrate (Zucker und Glycogen) 12,0 ,, Fett 12,0 ., Harz 1,5 „ Cholesterin 2,0 „ Calciumformiat, -acetat und -oxalat 0,5 „ Kali und andere anorganische Salze, Pbosphorsäure .... 6,5 ,, Unbestimmte Stoffe 6,5 „ Im Hinblick auf die seitdem weit vorgeschrittene chemische Technik und unsere heutigen Kenntnisse in der Eiweißchemie wären neuerliche Analysen von Schleimpilzen und anderen geeigneten Objekten von großem Interesse. Von einschlägiger Bedeutung ist eine Studie von Sosnowski (i) über die Bestandteile des Paramaecium caudatum, sowie eine Arbeit von 0. Emmerling (2) über die Hydrolyse von Noctiluca miliaris. Aus den Angaben von Reinke und Rodewald ist übrigens zu ersehen, daß 50— Tö^o <^ler Protoplasmatrockensubstanz aus Stoffen der Eiweißklasse im weiten Sinne bestehen dürften, während von den übrigen Substanzen ungefähr die Hälfte Fett und Kohlenhydrate sein können. Reinke s „Plastin" ist viel zu unvollkommen bekannt (ebenso sein Aethalium-Myosin und Aethalium-Vitellin), als daß ein bestimmtes chemisches Urteil über die Substanz möglich wäre (3), Doch geht man kaum fehl, wenn man es als ein Gemenge komplexer Proteide ansieht. Über ähnliche Stoffe aus Paramaecium berichtet auch Sosnowski. Die genuinen Eiweißstoffe treten nach den bisherigen Erfahrungen im Proto- plasma nur in relativ kleiner Menge auf. In den Bereich der plastin- artigen Proteide zählen auch die von F. Schwarz (4) als Linin, Para- linin usw. bezeichneten Stoffe, deren namentliche Unterscheidung jedoch kaum empfehlenswert erscheint. Etard (5) hat diese konstituierenden Proteide des Plasmas als „Protoplasmide" bezeichnet. Es wird sich z. B. auch bei der Analyse embryonaler Gewebe, welche mit Samenembryonen oder Wurzelspitzen ganz gut durchführbar wäre, voraussichtlich herausstellen, daß ähnlich wie bei Leukocyten Nucleo- proteide einen sehr erheblichen Anteil am Aufbau des Piotoplasma (Zell- kern) haben können. Andere Differenzen sind bei Samenfäden voraus- zusehen, welche vielleicht wie tierische Spermatozoen reichlich Protamine oder Histone enthalten (6). Reinke hat das Verdienst, darauf hingewiesen zu haben, daß Eiweißstoffe nicht die einzigen wichtigen Protoplasmabestandteile sind, 1) J. Sosnowski, Zentr. f. Physiol., 13, 267 (1899). Die Hypothese von Herrera (Ref. Botan. Zentr. 92, 518, 93, 210 [1903] und Biochem. Zentr. [1903], Ref. Nr. 917), wonach da.s natürliche Protoplasma als ein „anorganisches, von man- cherlei Substanzen durchsetztes Metaphosphat" aufzufassen sei, entbehrt jeder Be- gründung. A. L. Herrera, Notions e^nerales de biologie et de plasmogdnie (Berlm 1906). - 2) O. Emmerling, Biochem'; Zt.ich., 18, 372 (1909). Über eine Coccidie: Th. Panzer, Ztsch. physioi. Chera., 73, 109 (1911). — 3) Auch V. Ruzicka, Arch. Zeliforsch., /, 587 (1908) bringt nichts wesentlich Neues zur Plastinfrage. — 4) F. Schwarz, Die morphol. u. ehem. Zusammensetzung des Protoplasma. Cohns Bei- träge Biol. d. Pfl, 5, I (1887). — 5) A. Etard, Ann. Inst. Pa.-^teur, 15, 398 (1901): 17, '-i (1003). Über Hydrolyse von Protoplasniasub-itanzen : A. Etard und A. Vila, Compt. rend., i^o, 1709 (1910). — 6) Versuchein dieser Richtung bei E. Zächarias, Ber. botan. Ges., //. 293 (1893) [Zellkern]; ibid., //?, 377 (1901) [Samenfäden]. 24 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. sondern eine Reihe andei-ei" organischer Verbindungen, wie Lecithin. Cholesterin, Aminosäuren, Kohlenhydrate zum Bestände des Ganzen voraussichtlich ebenfalls nötig sind. Kossels (l) „primäre Zellbestand- teile" fallen wesentlich mit den Protoplasmabestandteilen Reinkes zu- sammen, während die „sekundären Zellbestandteile" die Reservestoffe, sowie die besonderen Zellen eigentümlichen Substanzen darstellen. Den hervorragend wichtigen Anteil, welchen die kolloidalen Eiweißstoffe »Je. Protoplasmas an der Struktur des Protoplasten nehmen, haben aber Reinke und Rodewald dadurch anerkannt, daß sie dem Plasma die Natur eines festeren schwammartigen Gerüstes zuschrieben, welches aus äußerst feinen und zahlreichen anastomosierenden Platten und Fäden bestehe und in seinen Hohlräumen (Hansteins „Enchyleraa") Flüssigkeit enthalte. Damit war auch der Bedeutung kolloidaler Strukturen für die \'erhältnisse der lebenden Zelle schon vorausgreifend Rechnung getragen. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide (2). Die überragende Bedeutung kolloidaler Stoffe für die Organisraen- welt ist seit langer Zeit erkannt. Die Biologie mußte es deshalb mit Freude begrüßen, daß seit einem Dezennium die wissenschaftlichen Chemiker mit großem Erfolg bestrebt sind, die Natur des kolloidalen Zustandes und dessen Beziehungen zum kristallinischen Zustande der Materie aufzuklären. Für den ersten Erforscher der Kolloide, Th. Graham (3), waren die von ihm so benannten Kolloide Stoffe, die in scharfem Gegensatze zu den „Kristalloiden" stehen. Kolloide diffundieren sehr langsam, passieren gar nicht durch Dialysiermembranen hindurch, und sind nicht in Kristallen zu erhalten. Kristalloide hingegen diffundieren und dios- mieren sehr schnell und leicht und kommen regelmäßig in Kristallform vor. Graham erschienen beide Gruppen wie zwei verschiedene Welten der Materie. Wir aber wissen heute, daß die Differenzen zwischen Kolloiden und Kristalloiden nur graduelle sind. Typisch kolloidale Zell- inhaltsstoffe, wie Albumine, Amylodextrin, konnten zum Kristallisieren gebracht werden, und andererseits sind viele typische „Kristalloide" bereits in kolloidalem Zustand erhalten worden. So bildet Kochsalz in Petroläther nach Paal(4) eine orangegelbe kolloidale Flüssigkeit. Viel- leicht sind die allermeisten Stoffe der inorganischen und organischen Welt unter geeigneten Bedingungen sowohl im kolloidalen als im kri- stalloiden Zustande existenzfähig und man hätte eher von kolloidalen und kristalloiden Zuständen, als von kolloidalen und kristalloiden 1) A. KossEL, Arch. Anat. u. Physiol., Phys. Abt., p. 181 (1891). Auf die geistvollen Ausführungen L. Erreras (Reo. d'Oeuvres, Physiol. G^n., p. 183 (1910), warum sich hauptsächlich nur Elemente niederen Atomgewichts am Aufbau der lebenden Substanz beteiligen, sei hier nur beiläufig hingewiesen. — 2) Aus der reichen Literatur über Kolloidchemie sind die für den Physiologen wichtigsten Werke: H. Freundlich, Kapillarchemie (Leipzig 1909). WO;. Ostwald, Grundriß der Kolloidohemie, 2. Aufl. (Dresden 1911). E. Zsigmondy, Über Koiloidchemie (Leipzig 1907). R HÖBER, Physikal. Chemie d. Zelle u. d. Gewebe, 2. Aufl. (Leipzig 1906) H. Bechhold, Die Kolloide in Biologie u. Medizin (Dresden 1912). R. Zsigmondy, Kolloidchemie (Leipzig 1912). — 3) Th. Graham, Lieb. Ann., 121, 1 (1861). Auch Ostwalds Klassiker, Nr. 179 (1911). Nach J. Güareschi, KoUoid-Ztsch., 8, 113 (1911), hat Francesco Selmi bereits vor Graham die Unterscheidung zwischen Kristalloiden und Kolloiden erfaßt. — 4) C. Paal, Ber. ehem. Ges. jp, 1436 (1906). § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 25 Stoffen zu reden (i). Immerhin neigen unter den gewöhnlichen Be- dingungen viele Stoffe so außerordentlich zur Annahme des kristallinischen Zustandes, andere so sehr zum kolloiden Zustand, daß sie praktisch nach wie vor als ,,Kristalloide" bzw. „Kolloide" gelten können. Die unscharfe Abgrenzung des Kolloidbegriffes äußert sich ferner darin, daß sich bei verschiedenen Kolloiden alle möglichen Abstufungen des Vermögens der Diosmose (2) ergeben haben, sowie auch ungleiche Ausprägung der an- deren typischen Kolloideigenschaften. Für solche Substanzen, zu denen physiologisch wichtige Stoffe wie Peptone und Seifen gehören, hat Freundlich die Benennung Semikolloide vorgeschlagen. Die Kolloide sind, wie es tj'pisch der Leim zeigt, je nach dem Gehalte an Lösungsmittel (Wasser) entweder dünne, wasserähnliche odei- viskose, klebrige, fadenziehende, dicke Flüssigkeiten, oder mehr oder weniger konsistente Gallerten, oder bei sehr geringem Wassergehalt selbst hornartig spröde feste Massen. Graham faßte die kolloiden Flüssigkeiten als .,Sole" zusammen; die mehr weniger festen Zustände aber nannte er „Gele". In lebenden Zellen spielt ausschließlich Wasser die Rolle des Sol- bildenden Lösungsmittels und des Quellungsmittels gallertiger Gele. Es handelt sich um Hydrosole und Hydrogele. Künstlich wurden viele Sole und Gele bereitet, welche an Stelle von Wasser ein organisches Lösungsmittel, wie Alkohole, Petroläther, BeDzol. enthalten. Dies sind „Organosole" und „Organogele". Sole und Gele gehen bei den Zellkolloiden, wie Eiweiß, Leim, Stärkekleister, Seifen, kontinuierlich mit Abnahme resp. mit Zunahme des Wassergehaltes in- einander über. Hinreichenden Wassergehalt vorausgesetzt, spielt die Temperatur in den Beziehungen zwischen Solzustand und Gelzustand solcher Kolloide eine wichtige Rolle, so daß das Kolloid seinen gelartigen Zustand ^nur unterhalb einer bestimmten Temperaturgrenze beibehält und bei höheren Temperaturen ein Sol darstellt. Solche Veränderungen pflegen umkehr- bar zu sein. Die Vorstellungen vom festen und flüssigen Aggregat- zustand, der bei den Kristalloiden eine scharfe Grenze aufweist, passen meist nur unvollkommen auf derartige Kolloide, und es gibt hier zahl- reiche als halbflüssig, weich, halbfest zu bezeichnende Zustände, welche für die Kolloide des lebenden Protoplasmas bei gewöhnlicher Temperatur hoch charakteristisch sind, und in der unbelebten Natur unter den ge wohnlichen physikalischen Verhältnissen nirgends in dem Maße vor- kommen. Bei vielen anderen Kolloiden hingegen besteht zwischen Sol- und Gelzustand eine scharfe Grenze, so daß beim Erhitzen, oder durch kleine Zusätze von Stoffen, selbst durch starkes Schütteln eine mehr oder weniger vollständige Ausscheidung von Kolloid aus der Flüssigkeit als Gel erfolgt. Solche Vorgänge pflegt man als Gerinnung, Koagulation zu bezeichnen. Es ist sehr merkwürdig, wie geringe Anlässe häufig in Solen Koagulation erzeugen. Koagulationsprozesse innerhalb des Lebens der Zelle kennt man in der Biologie von den Veränderungen des Nah- rungseiweißes, welche vom Sekrete verdauender Zellen erzeugt werden. Sonst sind in lebenden Zellen, wenn man von Gelmembranbildungen 1) Am weitesten gehen in dieser Hinsicht die Auffassungen von P. v. Wei- MARK. z. B. Ztsch. KolLchera., 2, 76 (1907); S, 24 (1911). Zisch, physikal. Chem., 76, 212 (1911). Grnndzü-e der Dispersoidchemie (Dresden 1911). Wo. Ostwald, Kx)ll.ohem. Beib. ! , 4, 1 (1912). — 2) Die ersten genauen Versuche hierüber stammen von W. Pfeffer, Osmot. Untersuchungen, p. 72 (1877). Über Diosmose kolloidaler Lösungen: K. Spiro, Hofmeisters Beitr., 5, 292 (1904). 26 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. absieht, Koagulationsvorgänge nur necrobiotische oder necrotische Vor- gänge, die mit dem Tode der Zelle verknüpft sind. In neuester Zeit hat man die Ausscheidung fester Kohlenhydrate, wie von Stärke in lebenden Zellen, mit Koagulation verglichen. Ein Seitenstück zur Koagu- lation bildet die Ausscheidung einer nicht mischbaren Flüssigkeit aus dem ursprünglichen Kolloid, wie aus Fettemulsionen, Vorgänge, die wir als Entmischung bezeichnen wollen. Die kolloidalen Zustände machen sich besonders bei den hoch zu- sammengesetzten Kohlenstoffverbindungen, wie Lipoiden, Kohlenhydraten^ Farbstoffen, Eiweißkörpern, außerordentlich geltend, also wie man sieht,^ gerade bei den wichtigsten Aufbaumaterialien der lebenden Zelle. Doch neigen sehr zahlreiche inorganische Stoffe gleichfalls mehr oder weniger zur Annahme des kolloiden Zustandes, wie man von der Kieselsäure,. Zinnsäure, verschiedenen Metallsulfiden, Arsensulfid, Metallhydroxyden schon lange weiß. In neuerer Zeit haben die aus reinen Metallen hergestellten Sole reges Interesse auf sich gelenkt, besonders seit Bredig (1) die schöne Methode der Zerstäubung von Platin, Gold und anderen Metallen in Drahtform im. elektrischen Lichtbogen aufgefunden hat, und die Bedeutung solcher Metall- sole für die Theorie des kolloidalen Zustandes erkannt worden war. Metall- sole lassen sich auf außerordentlich verschiedene Art und Weise erhalten, sehr allgemein durch Reduktionsvorgänge (2) unter bestimmten Be- dingungen. Nach SvEDBERG (3) sollen sogar manche Metalle, wie Blei, durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht, durch Zerstäubung, in Sol- form zu bringen sein. Erwähnt sei, daß Neuberg (4) und seine Mitarbeite die Sulfate der Erdalkahmetalle, sowie einige unlösliche Magnesiumverbin- dungen als gelatinöse Kolloide erhalten haben. Paal (5) gelang es eine Reihe von Chloriden, Bromiden, Jodiden der Alkahmetalle als Organosole darzustellen, von denen NaCl in Petrol^ther eine orangefarbene Flüssigkeit darstellt. Das Studium der flüssigen kolloidalen Zustände oder der Sole hat sich bisher als das Gebiet der erfolgreichsten Erforschung der Kolloide erwiesen. Für die Physiologie sind die Hydrosole von ganz besonderer Bedeutung, da im lebenden Protoplasma vor allem Kolloide solcher Art eine große Rolle spielen. Der Vorgang der Auflösung eines festen Kolloids in Wasser macht zwar äußerlich den Eindruck eines Lösungsprozesses, doch sind die physikalischen Eigenschaften der er- haltenen Auflösung von den bekannten Eigenschaften von Salzlösungen 1) G. Bredig, Ztsch. Elektrocheiu., 4, 514 (1898); Anorganische Fermente, p. 21 (1901); Ztsch. physik. Chem., 32, 126 (1900). Die gefärbten Gläser, wie Rubinglas, sind ebenfalls kolloidale Metallösungen. — 2) Eine Zusammenfassung der bisher bekannten Methoden zur Herstellung von inorganischen Solen findet sich in dem umfassenden Werke von The Svedberg, Die Methoden zur Herstellung kolloi- daler Lösungen anorgan. Stoffe (Dresden 1909). L. Vanino u. F. Hartl, Der. chera. Ges., 37, 3620 (1904) haben Aspergilluskulturen zur Herstellung von Metall- solen benützt. Spuren von vielen Schwermetallen sind bekanntlich in reinem Wasser kolloidlöslich. Vgl. M. Traube-Mengarini u. A. Scala, Atti Acc. Line. Roma (5), 19, IT, 505 (1910). Ztsch. KoU.Chem., 10, 113 (1912). — 3) The Svedberg, Ber. chem. Ges., 42, 4375 (1909). Vgl. jedoch F. Schulze, Ber. physik. Ges. (1912), p. 246. — 4) C. Neuberg u. E. Neimann, Biochem, Ztsch., /, 166 (1906). Neüberg u. B. Rewald, Ebenda, 9, 537 (1908). — 5) C. Paal, Ber. chem. Ges., 39, 1436 (1906). Paal u. G. Kühx, Ebenda, p. 2859, 2863; 41, 51, 58 (1908). Paal u. K. Zahk. Ebenda, 42, 277, 201 (1909). Über Kochsalzgallerten ferner P. v. Wejmarn, Ztsch. Koll.Chem,. 7, 92 (1910). § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 27 außerordentlich verschieden. Wie zuerst Pfeffer (i) gezeigt hat, ist der osmotische Druck solciier „kolloidaler Lösungen" im Vergleiche zu den Lösungen kristalloider Stoffe relativ sehr klein. In den Versuchen von Linder und Picton (2) an Arsensulfid und FeCOHja- Solen, wo dafür gesorgt wurde, daß auch die letzten Spuren beigemengter Elektro- lyte durch Dialyse entfernt wurden, wurden nur sehr geringe und schwankende Druckwerte (1,2 cm Hg für 2,5 7o As-^Sg) erhalten. Lillie (3) bekam bei einer Ovalbuminlösung von 12,5 g pro Liter bei Zimmer- temperatur durchschnittlich 2,0 cm Hg -Druck. Auch die Arbeiten von Moore und Roaf (4) lassen daran nicht zweifeln, daß kolloidale Lösungen tatsächlich kleine osmotische Druckwerte haben, wenn auch in vielen früheren Versuchen Beimengungen von löslichen Salzen irrige Angaben veranlaßt haben mögen. Größere Salzbeimengungen drücken übrigens aus später zu erörternden Gründen die osmotischen Werte kolloider Lösungen herab (Lillie). Analoge Ergebnisse hatten auch die Versuche, die Ge- frierpunktsdepression und Siedepunktserhöhung kolloider Lösungen zu messen (5). Da Gefrierpunktsdepression und Siedepunktserhöhung um so geringer sind, je größer das Molekulargewicht der gelösten Substanz ist, so wurde aus dem Verhalten kolloider Lösungen auf ein sehr hohes Molekulargewicht und sehr große Moleküle füi' Kolloide geschlossen [Paternö, Sabanejeff (6)]. Nach letzterem Autor beträgt das Molekulargewicht der kolloidalen wässe- rigen Tanninlösung 1322; für Eieralbumin ist es kaum weniger als 15000; für die Stärke wurde über 30 000 (7), und für das Kieselsäurehydrogel von Sabanejeff sogar mehr als 49 000 als Molekulargewicht angegeben. Diese Zahlen sind natürlich nur als annähernde Werte zu betrachten (8). Sehr zu beachten ist, daß bei den meisten Solen die Teilchengröße mit wachsender Verdünnung abnimmt, so daß die ermittelten ,, Molekular- größen" nur für bestimmte Verdünnungsgrenzen gelten. Übrigens konnten Bruni und Pappadä (9) durch möghchst vollkommenes Ausdialysieren von Solen aus SiOg, Eiweiß und Gelatine die Gefrierpunktsdepression unter die Grenzen der Meßbarkeit vermindern. Die Diffusion der kolloidalen Flüssigkeiten ist hingegen leicht mit Hilfe der gewöhnhch angewendeten Methoden messend zu verfolgen, wie schon in den grimdlegenden Arbeiten von Graham (1862) und Stefan (1874) 1) W. Pfeffer, Osmotische Untersuchungen (1877). Osmotische Versuche an Jodstärkelösungen stellten an H. Rodewald u. A. Kattein, Ztsch. physik. ehem., 33, 579 (1900). J. Duclaux u. E. Wollmann, Compt. reod., 152, 1580 (1911). — 2) E. Linder u. H. Picton, Journ. Chera. Soc, 87, 1906 (1905). — 3) R. S. Lillie, Amer. Journ. Physiol., 20, 127 (1907). — 4) B. Moore u. H. E. Roaf, Biochem. Journ., 2, 34 (1906). Osmotische Versuche mit kolloiden Farbstoffen: W. M. Bayliss, Proceed. Roy. Soc, B.81, 269 (1909). W. Biltz u. A. v. Vegesack, Ztsch. physik. Chem., 68, 357 (1909); 73, 481 (1910). Über Osm-o.'^e von Kolloiden sodann J. Duclaüx, Compt. rend., 140, 1544 (190.Ö); Journ. de Chim. phys., 5, 29 (1907); Koll. Ztsch., 3, 126 (1908). — 5) Z. B. G. Malfitano u. S. Michel, Compt. rend., 143, 1141 (1906). — 6) E. Paternö, Chem. Zenir. (1890), /, 75. A. Sabane- jeff, Chem. Zentr. (1891), /, 10. — 7) Brown-Millar, Journ. Chem. Soc. 7S, 331 (1898). H. Rodewald u. A. Kattein, Ztsch. physik. Chem., 33, 579 (1900). Wei- tere Literatur über Siedepunktserhöhung u. Gefrierpunktsdepression kolloider Lösungen bei Wo. Ostwald, Grundriß der Kolloidchemie, L Aufl., p. 174 (1909). Sodann J. Duclaux, Compt. rend., 148, 714 (1909). — 8) Über die verschiedenen Bedenken hinsichtlich der Molekulargewichtsbestimmung bei Kolloiden vgl. Wo. Ostwald, Kolloidchemie, 1. Aufl., p. 177 (1909). — 9) G. Bruni u. N. PappadX, Atti Accad. Lincei Roma (5), IX, /, 354 (1900). G. Malfitano, Compt. rend., 142, 1418 (1906). 23 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. dargetan worden ist. In neuerer Zeit hat besonders Herzog (1) für eine Reihe von Eiweißstoffen und Enzymen die Diffusionskonstanten bestimmt. Mit Hilfe der Diffusionskoeffizienten läßt sich gleichfalls das Molekular- gewicht annähernd ermitteln. Herzog berechnete so für Ovalbumin 17 000, für Ovomukoid 30 000, Pepsin 13 000, Invertin 54 000 und Emulsin 45 000 als „Molekulargewicht". In den Untersuchungen von Svedberg (2) ergab sich für viele organische Stoffe eine befriedigende Übereinstimmung mit der theoretischen Folgerung aus der Formel von Einstein und Smoluchowski, daß unter sonst gleichen Verhältnissen Diffusionskoeffizient und Molekular- diameter umgekehrt proportional sind. Kolloidale Lösungen filtrieren schwierig. Schon Traube (3) suchte die Zurückhaltung von Kolloidlösungen durch tierische Membranen für die Annahme großer Moleküle bei den Kolloiden zu verwerten („Porentheorie" der semipermeablen Membranen). Dabei blieben jedoch die Lösungs- und Adsorptionsverhältnisse unbeachtet. Später hat es Barus {,-*) unternehmen wollen, die Dimensionen der Teilchen kolloider Lösungen durch Hindurch- pressen durch Membranen von bekannter Porenweite zu bestimmen. In neuerer Zeit bedeuten die Arbeiten von Bechhold (5) über ,.,Ultrafiltration" einen wesentlichen Fortschritt auf diesem Gebiete. Wenn man Papierfilter- scheiben mit Gelatinelösungen von verschiedener Konzentration tränkt, so erhält man Filter von sehr verschiedener Durchlässigkeit für gelöste Kolloide. Die Abstufungen stimmen recht wohl überein mit den anderweitig ermittelten Teilchengrößen der gelösten Kolloide, so daß man die Bechhold- schen Ultrafilter wohl als eine Art Sieb für Kolloidteilchen differenter Größe ansehen darf, sobald die Teilchen eine innerhalb enger Grenzen unveränder- hche Form haben, was nicht immer zutreffen muß (6). Besonders folgenreich für die Entwicklung der Kolloidchemie wai- das Studium der optischen Eigenschaften kolloider Lösungen. Kolloid- lösungen zeigen das sogenannte „Tynd all -Phänomen", d. h. sie zer- streuen einfallendes Licht und das zerstreute Licht ist polarisiert. Daraus darf man schließen, daß das Licht an kleinen in der Flüssigkeit suspen- dierten Teilchen reflektiert wird. Die kolloidalen Lösungen sind dem- nach keine homogenen Systeme. Die wichtigen Untersuchungen von LoBRY DE Bruyn Und WoLFF (7) haben aber erwiesen, daß auch echte Lösungen von Substanzen mit hinreichend hohem Molekulargewicht, wie Saccharose und Raffinose, selbst nach sorgfältigster Reinigung, den Zer- streuungskegel einfallender Lichtstrahlen zeigen. Daraus ersehen wir. 1) R. O. Herzog, Ztsch. Koll.Chera., 2, 1 (1907); j, 83, (1908); Zentr. Pbysiol. (1907), p. 477; Herzog u. H. Kasarnowski, Biochem. Ztsch., //, 172 (1908). Herzog, Ztsch. Elektrochem., /;, 679 (1911). — 2) The Svedberg u. A. Andreen-Svedberg, Ztsch. physik. Chera., 76, 145 (1911). Arkiv f. Kemi, 4, 1 (1912). — 3) M. Traube. Arch. Anat. u. Physiol. (1867), p. 87. — 4) C. Barus. Amer. Journ. Scienc, 48, 451 (1895). Hindurchpressen durch Chamberlandkerzen: C. J. Martin, Journ. of Phy.siol., 20, 364 (1896). — 5) H. Bechhold, Koll. Ztsch., 2, 3 (1907). Ztsch. physik. ehem., 60, 257 (1907); 64. 328 (1908). Biochem. Ztsch., 6, 379 (1907 1. A. V. Lebedew, Zentr. Physiol. (1910), p. 511. R. Bürtan, Ebenda (1909), p. 767. J. DucLAUx, Koll. Ztsch., 3, 126 (1908). Borrel u. Manea, C. r. See. ßiol., 2, 317 (1904). H. Bechhold, Abderhaldens Hdb. biochem. Arbeitsmethoden, V, 1086 (1912). A. Schoep, Ztsch. f. Chem., 8, 80 (1911). Gaucher, Bull. Sei. Pharm., 19, 129 (1912). Malfitano u Michel, Chem.-Ztg., 35, 657 (1912). Theorie: W. Biltz u. Vegesack, Ztsch. physik. -Chem., 73, 481 (1910). — 6) Nach Heymans, Arch. Internat. Pharm., 22, 49 (1912), sollen selbst manche Bakterien durch Änderung ihres Durchmessers beim Hindurchpressen durch Ultrafilter hindurchzutreiben sein! — 7) C. A. LoBRY DE Bruyn u. L. K. Wolff, Rec. trav. chim. Pays Bas, 23, 155 (1904). A. COEHN, Ztsch. Elektrochem., 15, 562 (1909). § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 29 (laß das TyndaJl-Phänomen nicht nur für kolloide Lösungen charakteristisch ist. Andererseits ist es wohl bekannt, daß das Tyndall-Phänomen in Flüssigkeiten auch bei Aufschwemmungen solcher fester Teilchen auftritt, welche mikroskopisch deutlich sichtbar sind. Das Tyndall-Phänomen kolloidaler Flüssigkeiten hat seit der Kon- slruktion des „Ultramikroskopes" durch Siedentopf und Zsigmondy (1) (1903) eine ganz hervorragende Bedeutung in der Kolloidchemie und Kolloid- physiologie erlangt. Die erste und wohl vollkommenste Konstruktion des Ultramikroskopes bestand darin, daß ein möghchst intensiver Lichtstrahl durch einen horizontalen sehr feinen Spalt seithch in das durchsichtige Beobachtungsmedium einfällt, wodurch im dunkeln Felde* eine möglichst dünne Schicht des kolloiden Mediums beleuchtet wird. Das von den Teil- chen nach allen Seiten zerstreute Licht macht sie gleichsam selbstleuchtend, so daß z. B. die Metallteilchen in Goldsolen einzeln wie kleine Sterne auf dem dunklen Grunde mikroskopisch wahrnehmbar werden. Die später von Siedentopf (2) wesentlich verbesserte Dunkelfeldbeleuchtung gestattet mit Hilfe eines starken Kondensors und eines im Zentrum der Fronthnse undurchsichtigen Mikroskopobjektivs die gewöhnhche Mikroskopanord- nung bei ultramikroskopischen Beobachtungen anzuwenden und benötigt keine Beschränkung auf optische Durchschnittsebenen ; man konnte so zuerst die ultramikroskopische Untersuchung von lebenden Zellen und Geweben vornehmen. Da jedoch die Lichtstärke des Dunkelfeldapparates wesentlich kleiner ist als bei der ersten SiEDENTOPF-ZsiGMONDYschen Anordnung, so kommt man da bei der Auflösung der kolloiden Medien nicht viel weiter als mit dem gewöhnhchen Mikroskop. Gaidukov (3) hat eine Reihe wertvoller Beobachtungen über die ultramikroskopisch sichtbaren Teilchen und Differenzierungen in Protoplasma und Zellmembranen gemacht, welche noch nicht abgeschlossen sind. Bei allen solchen Studien ist es ganz wesentlich zu beachten, daß man nur die Existenz distinkter Teilchen durch die Lichtdispersion feststellt, nichts aber über die Form und Größe derselben erfährt. Die Angaben über ultramikroskopische Mikroben sind mit großer Reserve aufzunehmen (4). In neuester Zeit ist durch die Einführung sehr lichtstarker Kondensoren (Paraboloid- und besonders des ,,Kardioid"konden- sors von Siedentopf (5) ein weiterer großer methodischer Fortschritt erfolgt. Mit Hilfe des Ultramikroskopes war es möghch, die sonst mikroskopisch unsichtbaren Teilchen in Rubinglas, Metallsolen, Farbstoffkolloiden, teil- 1) H. Siedentopf u. R. Zsiomondy, Ann. d. Physik, (4), w, 1 (1903). Ber. physik. Ges. (1903), Heft 11. R. Zsigmondy, Zur Erkenntnis der Kolloide (Jena 1905). — 2) H. Siedentopf, Ztsch. wiss. Mikrosk., 24, 13 (1907); 25, 273 (1908); 29, 1 (1912). — 3) N. Gaidukov, Ber. Botan. Ges., 24, 107, 155, 581 (1906). Ztsch. angewandt. Chem., 21, 393 (1908). Dunkelfeldbeleuchtung u. Ultramikroskopie in der Biolog. u. d. Medizin (Jena 1910). KoU. Ztsch., 6, 260 (1910). S. R. Price, Proc. Cambridge Phil. Soc, /6, 481 (1912). — ^) N. Gaidukov, Zentr. Bakt. (2), 16, 667 (1906). Verhandl. Ges. dtsch. Naturf. u. Arzte, Dresden 1907, //, (1), 266 (1908). H. Molisch, Ebenda, 223; Botan. Ztg., 66, 131 (1908). E. Raehlmann, Berlin, klin. Wochsch. (1904), p. 186. — 6) H. Siedentopf, Ber. phvsik. Ges. (1909). p. 574; (1910), p. 6; Ztsch. wiss. Mikrosk., 26, 391 (1909); Physik.' Ztsch., to, 778 (1909); KoU. Ztsch., ö, I (1910). Übungen zur Dunkelfeldbeleuchtung (Leipzig 1912). Son- stige erwähnenswerte Arbeiten über Ultramikroskopie: J. Amann, Chem. Zentr. (1909). //, 1031, 1076. KoU. Ztsch., 6, 235; 7, 67 (1910). E. Raehlmann. Pflüg. Arch. 112, 128 (1906). L. xMichaelis, Ztsch. angewandt. Chem., 19, 948 (1906). W. Biltz u. W. Geibel, Chem. Zentr. (1906), //, 851. J. Reissig, Ann. d. Physik, (4), 27, 186 (1908). J. COMANDON, Compt. rend., 149, 938 (1909). L. Puccianti u. E. Vi- GEzzi, Archiv, di P'isiol., 2, 3 (1905). 30 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. weise selbst in Eiweiß- und Gelatinelösungen, Stärkelösungen und wohl auch in den Kolloiden des lebenden Protoplasmas zu unterscheiden. Aus theoretisch-physikalischen Überlegungen ergibt sich, daß die kleinsten ultramikroskopisch sichtbaren Teilchen die lineare Dimension von 6 [Xfi übersteigen müssen. Wenn man ultramikroskopisch auch keine direkten Größenmessungen anstellen kann, so ist es doch mit Hilfe einer Zählkammer von bekannten Dimensionen und der Auszählung der Teilchen in einem bekaimten Flüssigkeitsvolum möghch, die Größe der Teilchen im Mittel indirekt zu bestimmen, falls man den Gehalt der Lösung an der kolloidal gelösten Substanz analytisch ermittelt hat. Die Form der Teilchen läßt sich gleichfalls direkt nicht beobachten, doch ist es aus theoretischen Gründen wahrscheinhch, daß es sich um Kügelchen handelt (1). Ist das Medium des Kolloids sowohl wie die Kolloidteilchen selbst zu den Elektrizitäts- Nicht- leitern zu zählen, so wie es bei organischen Kolloiden der Fall ist (Eiweiß, Gerbstoff, Stärke), so erscheint die kolloide Lösung im auffallenden Lichte blau, in durchfallender Beleuchtung röthch bis dunkelbraun je nach der Konzentration (2). Die Kolloidteilchen von Metallsolen, die zu den Elektri- zitätsleitern zählen, sind hingegen, je nach ihrer Größe, verschieden gefärbt; bekanntlich haben auch diese Sole für das bloße Auge lebhafte gelbe, rote, braune Farbe. Je feiner die Verteilung z. B, bei Goldhydrosolen ist, desto ähnhcher wird die Farbe jener der betreffenden Metallsalzlösungen (3). In der Regel zeigen die ultramikroskopisch sichtbaren Teilchen die von groben mikroskopisch auflösbaren Suspensionen her seit leingem bekannte BROWNsche Molekular bewegung (4). Während man mit dem gewöhnlichen mikroskopischen Apparat BROWNsche Bewegung kaum je im lebenden Protoplasma unterscheiden kann, mit Ausnahme von kleinen im Zellsaft suspendierten Tröpfchen, Milchsaftkügelchen, Nahrungsdotterkügelchen, Kriställchen in Vakuolen, zeigt das Protoplasma im ultramikroskopischen Bilde, mindestens in manchen Fällen, Teilchen in BROWNscher Bewegung. Da es durch die erwähnten Hilfsmittel möglich war, die mittlere Teilchengröße kolloidaler Flüssigkeiten annähernd zu ermitteln, so konnten gewisse Grade der Verteilung des suspendierten Stoffes in seinem „Dis- persionsmedium" unterschieden werden. Hierbei war es wichtig, daß scharfe Grenzen zwischen mikroskopisch auflösbaren groben Suspensionen und nur ultramikroskopisch auflösbaren Kolloiden ebensowenig existieren wie zwischen letzteren und jenen Solen, welche keine ultramikroskopisch unterscheidbaren Partikel enthalten, aber deutliches Tyndall-Phänomen zeigen ; und schließlich wie zwischen diesen und den echten Lösungen ohne Tyndall-Phänomen. Daß es sich um stetige Übergänge handelt, war 1) Über wahrscheinliche Abweichungen von der Kugelform: The Svedberg u. K. INOUYE, KoU. Ztsch., 9, 49 (1911). R. Gans, Ann. Physik, (4), 37, 881 (1912). — 2) Vgl. hierzu V. Rothmund in Bredigs Handb. d. angewandt. Chemie, VII, Löslichkeit, p. 76 (1907). — 3) Spektrophotometrie von Kolloidlösungen: The Svedberg u. Pihlblad, Ztsch. physik. Chem., 74, 513 (1910). — 4) Entdeckt von Robert Brown 1827 an den aus geborstenen Pollenkörnern entleerten Tröpfchen (Vermischte Schriften, herausgeg. von Nees von Esenbeck, IV, 141, 499 [1830]). Zur Theorie der Erscheinung wichtige neue Arbeiten : A. Einstein, Drudes Ann., 17, 549 (1905); 19, 371 (1906). Ztsch. Elektrochem., 13, 41 (1907). Smoluchowski, Drudes Ann., 21, 756 (1906). J. Perrin, Compt. rend., 152, 1380, 1569 (1911). Naturwiss. Rdsch. (1911), p. 582. The Svedberg, Arkiv f. Kemi, 4, XIX (1912); Ztsch. Koll.Chem.. p, 259 (1911); Ztsch. physik. Chem., 74, 738 (1910). M. Seddig, Ztsch. anorgan. Chem., 73, 360 (1912). § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 31 schon auf Grund der älteren Erfahrungen von Linder und Picton (i) an Arsensulfid sehr wahrscheinlich gewesen. Man ist übereingekommen, alle Teilchen, welche unmittelbare mikro- skopische Beobachtung gestatten und daher größer als 250 /^/t sein müssen, als Mikronen zu bezeichnen. Sind nur Mikronen vorhanden, so handelt es sich um kein kolloides System mehr, sondern um eine grobe Suspension. Jene Teilchen, welche nur ultramikroskopisch nachweisbar sind, liegen zwischen den Dimensionswerten 250 ///i und 6 fifx. Man nennt sie S üb mikronen oder Ultramikronen. Alle Teilchen, die kleiner sind als 6 fxfx und nur durch den Lichtkegel des T}Tidallphänomens, nicht aber durch das Ultramikroskop nachgewiesen werden, faßt man als Amikro-nen zusammen. Zwischen Amikronen und den Molekülen hochzusammengesetzter organischer Stoffe bestehen nahe Beziehungen. Die Eiweißmoleküle können nicht wesentlich unter der Dimension 6 ixfA. liegen. Es hat sich gezeigt, daß die physikalischen Eigenschaften solcher kolloider Flüssigkeiten, welche ausschließlich oder weitaus in größter Menge Submikronen enthalten, wesentlich abweichen von jenen flüssigen Kolloiden, wo nur Amikronen anzunehmen sind. Die ersteren unter- scheiden sich hinsichtlich Dichte, Oberflächenspannung, Diffusion, Gefrier- punktserniedrigung kaum oder gar nicht von dem reinen Medium. Die letzteren hingegen zeigen hinsichtlich Dichte, Oberflächenspannung, Zähig- keit, meist deutliche Differenzen vom Dispersionsmittel. Es empfiehlt sich deswegen die Kolloidflüssigkeiten dementsprechend in zwei Gruppen einzuteilen, die als „suspensionsartige" oder submikronische und als „lösungsartige oder amikronische Sole" hier auseinander ge- halten werden mögen. Die Einteilung entspricht der Gruppierung in „Suspensoide" und „Emulsoide" nach Noyes (2). Obwohl das Protoplasma der lebenden Zelle insgesamt als Suspensionskolloid be- zeichnet werden kann, weil es sehr zahlreiche Ultramikronen und Mi- kronen führt, so ist doch für die physikalisch-chemische Charakterisierung des lebenden Plasmas seine Kennzeichnung als Emulsionskolloidkomplex viel bedeutsamer, da alle Eiweißsole, komplexen Kohlenhydratlösungen und Lipoide zu den Emulsionskolloiden gehören. Kolloidlösungen sind demnach stets heterogene Systeme. Je feiner die Verteilung des kolloidgelösten Stoffes in der als Dispersionsmittel dienenden Flüssigkeit ist, desto größer sind die Berührungsflächen zwischen ihnen, was für die Theorie der Kolloide von großer Bedeutung ist. Mit Wo. Ost WALD (3) nennt man den kolloid gelösten fein ver- teilten Stoff „disperse Substanz", das umgebende zusammenhängende Medium aber das Dispersionsmittel. Weimarn (4) gebraucht für „Kolloide" die Benennung „Dispersoide". Es ist allgemein gebräuchlich von „disperser Phase" und „Mehrphasigkeit" der Kolloide zu sprechen. Ich vermeide dies, weil die Natur der Kolloide nicht so unabhängig von den relativen Substanzmengen ist, wie es der Phasenbegriff streng verlaugt. 1) Linder u. Picton, Joum. Chem. Soc. Lond., 67, 63 (1895). — 2) A. Noyes, Amer. Chem. Journ., 27, 85 (1905). Zu der ziemlich im Argen liegenden Systematik der Kolloide vgl. u. a. Wo. Ostwald, Ztsch. KoU.Chem., /, 291 (1907); lU 230 (1912). Koll.chem. Beihefte, 4, 1 (1912). R. Zsigmondy, Kolloidchemie (1912). Weimarn, Koll.chem. Beihefte, 4, 65 (1912). F. Bottazzi. Ebenda, j, 161 (1912) u. a. — 3) Wo. Ostwald, KoU. Ztsch., /, 291, 331 (1907); j, 28 (1908). — 4) P. V. Weimarn. KoU. Ztsch., j, 26 (1908); 5, 44 (1909); 7. 155 (1910). 32 Eretes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. Die disperse Substanz in Kolloidlösungen kann jedem der drei Aggre- gatzustände angehören. Handelt es sich um äußerst kleine Gasbläschen, so haben wir kolloide Schäume vor uns; sind submikronische oder amikro- nische Flüssigkeitströpfchen im Dispersionsmittel suspendiert, so handelt es sich um „Emulsionen" (nicht identisch mit ,,emulsoiden" Systemen!); sind die Kolloidpartikel fest, so mag man von kolloiden Suspensionen sprechen. Die sogenannten ,, Schaumstrukturen" des Protoplasmas bestehen wohl durchgängig aus nicht mischbaren Flüssigkeiten im Leben resp. aus flüssigen und gallertig festen Gebilden im toten Zustande, und gehören niemals in den Kreis der wirkHchen Kolloidstrukturen. Es mag eingeschaltet werden, daß eine ähnhche Gruppierung nach dem Aggregatzustande der dispersen Stoffe auch bei den Gelen getroffen werden kann, wo das Dispersionsmittel fest ist. Hier haben wir feste Schäume, Gel-Emulsionen und endUch Sus- pensionen von Gelpartikeln in anderen Gelen. Das merkwürdige, aus kolloider Kieselsäure bestehende Exkretionsprodukt hohler Bambusen-Internodien, Tabaschir genannt, gehört mit einer Reihe von Minerahen zu den festen Schäumen, weil das Dispersionsmittel hier fest ist und Gasbläschen als dis- perse Partikel einschheßt. Nebel sind kolloide Strukturen, wo der disperse Stoff flüssig, das Dispersionsmittel aber gasförmig ist. Für die Physiologie sind sowohl die Eigenschaften nicht kolloidaler giober Suspensionen, sowie jene von suspensionsartigen und lösungs- artigen Solen als auch von Gelen von Wichtigkeit. Aus groben Suspensionen, deren Partikel mikroskopisch sicht- bar sind, und sich in lebhafter BRowNScher Bewegung befinden, kann man durch die gebräuchlichen feinen Filter die suspendierten Teichen ohne weiteres absondern. In groben Emulsionen fällt die abweichende Lichtbrechung an den Tröpfchen auf (Milchsaft). Leitet man einen gal- vanischen Strom durch eine grobe Suspension, so beladen sich die Teilchen in einer für ihre chemische Natur bestimmten Weise mit posi- tiver oder negativer Elektrizität und sammeln sich an der ungleich- namigen Elektrode an. Partikel von Stärke, Cellulose, Baumwolle, auch Lycopodium nehmen negative Ladung an. Dieser Prozeß wird als Kata- phoresis bezeichnet. Die physikalischen Konstanten grober Suspen- sionen und Emulsionen sind nur ganz unbedeutend oder gar nicht von den Werten für das reine Dispersionsmittel verschieden. Die suspensionsartigen (submikronischen) Kolloide, deren Partikel ultramikroskopisch wahrgenommen werden können, sind besonders durch das Studium der Metalisole gut bekannt geworden. Ein in der Kolloid- chemie vielgebrauchtes Paradigma ist Mastixkolloidlösung, wie man sie durch Zusatz einer geringen Quantität alkoholischer Mastixharzlösung zu viel Wasser erhält. Diese kolloidalen Lösungen sind unverändert durch feine Papierfilter filtrierbar. Die physikalischen Eigenschaften entsprechen im wesentlichen noch jenen der groben Suspensionen. Hier wie dort entfällt ja auf eine große Menge des Dispersionsmittels nur sehr wenig disperse Substanz. Die konzentriertesten Metallsole enthalten nicht mehr als 1 Gramm auf 1 Liter. Schwefelhydrosole konnte jedoch Oden(1) bis zu 50—60% Schwefelgehalt herstellen. Deshalb sind die Dichtenunterschiede gegenüber dem Dispersionsmittel meist nur sehr klein. Die Oberflächenspannung ist praktisch dieselbe wie jene des reinen Dispersionsmittels, ebenso die Zähigkeit. Die Partikel der dis- 1) Sv. Odex, Ztsch. physik. Chem., So, 709 (1912). § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 33 pergierten Substanz zeigen BROWNsche Bewegung. Die Erfahrungen über die Diffusionserscbeinungen an suspensionsartigen Solen sind noch sehr fragmentarisch, doch scheint es, daß Diffusion in einem gewissen Grade hier allgemein vorkommt (ij. Der osmotische Druck ist, wenn vorhanden, nur sehr gering. So ist auch die Gefrierpunktserniedrigung außerhalb der Grenzen der Meßbarkeit klein. Die Farbe von Metallsolen hängt deutlich vom Dispersitätsgrad ab, ebenso bei Farbstoffkolloiden, indem mit Abnahme des Dispersitätsgrades die Absor])tion nach den größeren Wellenlängen hin verschoben wird (2). Pappadä (3) hat darauf aufmerksam gemacht, daß viele andere Metallhydroxyde sich in Eisenchlorid mit brauner Farbe lösen, so daß das Dispersionsmittel hier auf die Solbildung deutlichen Einfluß zeigt. Die elektrischen Phänomene sind bei den suspensions- artigen Kolloiden außerordentlich auffällig und interessant. Die elek- trische Leitfähigkeit ist immer meßbar größer als jene des reinen Dis- persionsmittels (4). Kataphorese ist ausgeprägt vorhanden (5). Besonders wichtig ist jedoch die fällende Wirkung von kleinen Mengen von Neutral- salzen und anderen Elektrolyten auf die Suspensionskolloide. Versetzt man Mastixlösung tropfenweise mit der verdünnten Lösung eines Neutral- salzes (NaCI, (NH4)2S04), so kommt man zu einem Momente, wo sich größere weiße Flocken von der klaren Flüssigkeit scharf abheben und das gesamte Mastixharz sich abscheidet. Ultraraikroskopisch läßt sich beobachten, wie sich die Submikronen zu größeren Partikeln zusammen- ballen, die dann mit gewöhnlicher Mikroskopvorrichtung sichtbar sind. Diese Ausflockung kann hier durch Entfernung des Salzes durch Dialyse nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden, wohl aber in anderen Fällen, wie bei Eisenhydroxyd nach Picton und Linder. Freundlich (6) hat gezeigt, wie sehr die Schnelligkeit des Elektrolyt- zusatzes die Erscheinung beeinflußt. Ein Salzquantum, welches ein be- stimmtes Volum des Kolloides in wenigen Stunden ganz ausflockt, im Zeitraum von einigen Tagen tropfenweise hinzugefügt^ fällt nur einen Teil der dispergierten Substanz aus. Deshalb gibt es einen Schwellenwert des Elektrolytzusatzes, unter welchem praktisch gar keine Ausflockung erfolgt. Seit den Arbeiten von Hardy (7) besteht kein Zweifel, daß bei der Aus- flockung elektrische Vorgänge im Spiele sind. Bredig hat näher ausgeführt, wie man die elektrocapillaren Erscheinungen zum Verständnis der Aus- flockung heranziehen kann. Die Oberflächenspannung von Quecksilber' gegen eine angrenzende Elektrolytlösung ist in dem Momente am größten. 1) Vgl. S. Perrin, Compt. reud., 149, 549 (1909). The SvEi>BERG, Ztsch. physik. ehem., 67, 105 (1909). Frühere Literatur bei Freundlich, Kapillarchemie, p, 332. In allen diesen Arbeiten ist auf die große Bedeutung der BROWNschen Be- wegung als kinetische F scheinung des flüssigen Aggregatzustandes hingewiesen worden. — 2) W. Harribon, Ztsch. KoU.chem., 10, 45 (1912). - 3) N. Pappada, Ebenda, p. 181 (1912). — 4) Vgl. J. Duclaux, Compt. reud., 140, 1468 (1905). G. Malfitano, Ebenda, 14J, p. 172 (1906). — 5) Hierzu A. Coehn, Wiedemanns Ann., 67, 217 (1898). Ztsch. Elektrochem., 4, 63 (1897). Zsigmondy, Ebenda, p. 546. G. Bredig, Ztsch. angewandt. Chem. (1898), p. 454. Ztacb. Elektrochem., p, 738 (1903). H. P^KEUNDLiCH, Ztsch. physik. Chem., 44, 129 (1903), Hardy, Joum. of Physiol., 2g, 26 (1903), M. v. SxMoi.uchowski, Physik. Ztsch., 6, 529 (1905). A. SCHMAUSS, Ann. d. Phvsik, (4), 18, 628 (1905). A. Mayer u. E. Salles, Compt. rend., 146, 826 (1908). M. Morgenstern, Elektrochem. Ztsch., 75, 189 (1908). — «) H. Freundlich, Ztsch. physik. Chem., 44, 129 (1903). — 7) W. B. Hardy. Zisch, physik. Chem., 33, 385 (1900). Proceed. Roy. Sog. Lond., 66, 110 (1900). Csapek, Biochemie der Pflanien. :<. .Aufl. 3 34 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. in welchem die Potentialdifferenz beider Phasen Null ist. Dann ist aber auch die Berührungsfläche am kleinsten, und wir werden verstehen, daß im „Isoelektrischen» Punkte" die Trennung der beiden am leichtesten vor sich gehen muß, d. h. es erfolgt bei Kolloiden auf Elektrolytzusatz Ausflockung. Gegen ein bestimmtes Dispersionsmittel ist der Sinn der Ladung der Teil- chen bei suspensionsartigen Solen völlig konstanL Dabei kann aber ein Kolloid, welches sich gegen Wasser negativ elektrisch verhält, gegen ein anderes Dispersionsmittel, z. B. Terpentinöl, sich positiv elektrisch erweisen. Jene suspensionsartigen Kolloide, welche bei der Kataphorese im Wasser negative Ladung annehmen, werden wie Mastix oder Arsensulfid durch. Kationen ausgeflockt. Diejenigen Suspensionskolloide aber, welche wie Eisenhydroxyd sich positiv elektrisch zeigen, werden durch Anionen aus- gefällt. Ferner wirken die einwertigen Ionen am wenigsten ausflockend, die zweiwertigen stärker und die dreiwertigen wie AI am meisten. Daher kommt es auf die Größe der Ladung an (1). Bezüglich der Metallionen war bereits seit 1882 durch H. Schulze bekannt geworden, daß die fällende Wirkung durch deren Wertigkeit bestimmt wird. Diese ScHULZEsche Fällungsregel hat sich allgemein bestätigen lassen. Die einwertigen Ionen wirken am schwächsten, die zweiwertigen stärker, und am stärksten die dreiwertigen. Die Wirkungen verhalten sich wie Kl : K, : K3 =350 : 20 : 1. Diese Beziehungen und einige andere Erscheinungen, die hier von Be- deutung sind, werden wir bei den Adsorptionserscheinungen wieder an- treffen. Es ist kaum daran zu zweifeln, daß Adsorptionserscheinungen bei der Ausflockung von Suspensionskolloiden durch Elektrolyte die Hauptrolle spielen. Bei der Ausflockung durch mehrwertige Ionen (AI'*') kommt es, wie Bechhold (2) zuerst fand, nicht selten zu der merkwürdigen Erscheinung, daß mehrere „Flockungszonen" bei verschiedenen Kon- zentrationen des Fällungsmittels auftreten. Wahrscheinlich beruht dies darauf, daß innerhalb gewisser Konzentrationsgrenzen die Teilchen des fällbaren elektronegativen Kolloids sich mit Hüllen aus AI"" um- geben, wodurch sie sich wie positiv geladene Teilchen verhalten ; gleichzeitig werden durch die hydrolytische Spaltung des Aluminiumsalzes negative Ionen geliefert, welche diese umhüllten Teilchen ausflocken. Bei noch höherer Konzentration kann sich die Lage neuerlich ändern, indem die elektrolytische Dissoziation des Aluminiumsalzes stärk abnimmt. Pauli und Rona (3) haben Fälle angegeben, in welchen Nichtelektrolyte, wie Harnstoff, die Aus- flockung von Kolloiden durch Elektrolyte hemmen. Hingegen kann man nie konstatieren, daß die Beständigkeit von Suspensionskolloiden durch Nicht- elektrolyte allein beeinflußt wird. Radium-;S- Strahlen sollen nach Henri und Lalou (*) positive Suspensionskolloide fällen, negative aber nicht. Wie BoDLÄNDER (5) und schon vor ihm Barus an Kaolinsuspensionen 1) Vgl. H. Schulze, Joum. prakt. Chem., 25, 431 (1882); 27, 320 (1883). W. R. Whitney u., J. E. Obek, Joum. Amer. Chem. Soc, 23, 842 (1901). W. Biltz, Ber. Chem. Ges., jj, 4431 (1902). N. PappadA, Gaz. chim. ital., 36, II, 259 (1906). Ztsch. Koll.chem., 4, 56 (1909). E. F. Bürton, Phil. Mag., (6), 12, 472 (1906). ß. Höber, Hofmeisters Beitr., //, 35 (1907). B. H. Buxton u. O. Teägüe, Ztsch. Koll.chem., 2, 2. Suppl.-Heft, 45 (1908). L. Michaelis, Pincussohn u. P. Rona, Biochem. Ztsch., 6, 1 (1907). G. R. Mines, Joum. of Physiol., 42, 309 (1911). — 2) H. Bechhold, Ztsch. physik. Chem., 48, 385 (1904). — 3) Wo. Pauli u. P. Rona, Hofmeisters Beitr., 2, 26 (3902). — 4) V. Henri, Lälon, Mayer, C. r. Soc. Biol., SS, 1666 (1903); 57, 33 (1904). Jorissen u, Woudstra, Chem. Weekbl., 9, 340 (1912). — 5) Barus, Amer. Journ. Science, 37, 122 (1889). G. BodlXnder, Chem. Zentr. (1893); //, 905. § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 35 fanden, teilen grobe Suspensionen das Ausflockungsvermögen durch Elektro- lyte vollständig mit den SuspensionskoUoiden. Mit zunehmendem Dis- persionsgrad nimmt die Neigung zur Ausflockung durch Elektrolyte grad- weise ab (1). Zu bemerken ist endüch, daß suspensionsartige Kolloide nach dem Verluste des Dispersionsmittels durch Gefrieren, Eintrocknen nicht ohne weiteres durch Ersatz der Flüssigkeit wieder hergestellt werden können. Gegen Erhitzen hingegen pflegen sie sehr beständig zu sein. Die lösungsartigen (amikronischen) Kolloide, welche beim Aufbau der lebenden Substanz entschieden weitaus die größte Rolle spielen, lassen, wie schon erwälmt, im Ultramikroskop nur wenige oder gar keine Teilchen erkennen. Der disperse Stoff ist hier amikronisch verteilt. In manchen Fällen lassen sich Niederschlagsbildungen zum Nachweise der tatsächlichen Existenz von Amikronen verwenden, weil die Amikronen als Kerne bei der beginnenden Fällung fungieren. So konnte Zsigmondy (2) auf indirektem Wege die Amikronen zählen. Nach allen Erfahrungen ist der Übergang von den lösungsartigen Kolloiden zu den wahren mole- kularen Lösungen ein stetiger. Die Teilchengröße hängt übrigens vom Grade der Verdünnung ab. Wie Smits (3) gezeigt hat, haben sehr ver- dünnte Seifenlösungen durchaus den Charakter von echten molekularen Lösungen, während konzentrierte Lösungen als Kolloide gelten müssen. Für Tannin gilt nach eigenen Beobachtungen ähnliches. So dürfte dem- nach mit steigender Verdünnung der Grad der Dispersion zunehmen. Typische lösungsartige Kolloide, zu denen die wichtigen physio- logischen Plasmabestandteile gehören, zeigen stets ausgeprägtes Tyndall- Phänomen. Für die Physiologie kommt ausschließlich Wasser als Dis- persionsmittel in Betracht und unsere Darstellung hat sich daher auf lösungsartige Hydrosole zu beschränken. Die Dichte solcher Hydro- sole ist je nach dem Gehalte an disperser Phase in steigendem Maße von 1 verschieden. Die Oberflächenspannung ist meist erheblich ver- schieden vom Tensionswerte des Wassers, und zwar handelt es sich um Erniedrigung der Oberflächenspannung des Wassers. Bestimmungen an feinsten Neutralfettemulsionen ergaben mir Verminderung um etwa ein Drittel des Wasserwertes. Amikronische Lecithin- und Cholesterin- emulsionen besitzen nur die Hälfte des Oberflächenspannungswertes bei reinem Wasser (4). Tannin erniedrigt nach Quincke (5) gleichfalls stark, arabisches Gummi, Gelatine weniger, Eiweiß kann um 28 % erniedrigen. Die meisten lösungsartigen Kolloide besitzen ferner eine größere Zähigkeit als Wasser (6). Die Oberflächenspannungserniedrigung und die größere Zähigkeit sind wichtig für ihre Unterscheidung von den suspensions- artigen Kolloiden. Die innere Reibung von Eiweißlösungen wird sehr stark durch geringen Zusatz von Elektrolyt geändert (Pauli und 1) Sv. Oden, Ztsch. KoU.chem., w, 119 (1912). — 2) R. Zsigmondy, Ztsch. Elektrochem., 12, 631 (1906). — 3) A. Smits, Ztsch. physik. Chem., 45, 608 (1903). — 4) F. Czapek, Eine Methode z. direkt. Best. d. Oberflächenspannung d. Plasma- haut, p. 61 ff. (Jena_1911). — 5) Quincke. Wiedemanns Ann., J5. 582 (1888). — 6) Vgl. Garrett, Üb. d. Viskosität einiger Kolloidlösungen. Di.«i8ert. (Heidelberg 1903), p. 51. GoKUN, Ztsch. KoU.chem., j, 84 (1908). M. Albanese, Arch. exp. Pathol., Schmiedeherg - Band, p. 16 (1908). R. O. Herzog, KoH. Ztsch., S, 210 (1911). L. Dienes, Biochem. Ztsch., 33, 222 (1911). E. C. Binguam u. G. F. White, Journ. Amer. Chem. Soc, 33, 1257 (1911). H. VV. Woudstra, Ztsch. KoU.chem.. 8, 73 (1911). G. F. White; Biochem. Ztsch., 37, 482 (1911). H. Chick u. Martin, Ztsch. KoU.chem., /;, 102 (1912). 3* 36 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. H. Handovsky (1)). Die Viscositätskurven lassen sich sehr gut zur Verfolgung von Fällungserscheinungen usw. bei Kolloiden anwenden. Die Diffusion lösungsartiger Hydrosole ist leicht durch Messung zu kontrollieren. Der osmotische Druck ließ sich für viele Hydrosole seit Pfeffers ersten Versuchen bestimmen. Hingegen versagt die kryosko- pische Methode fast völlig. Das elektrische Verhalten amikronischer Hydrosole ist in wichtigen Punkten von den elektrischen Eigenschaften der suspensionsartigen Kolloide verschieden. Schon die Kataphorese ist weniger markant, da die Geschwindigkeit der wandernden Teilchen kleiner ist, und der Sinn der elektrischen Ladung bei den amikronischen Hydrosol- Partikeln nicht als unabänderlich zu gelten hat, sondern von der basi- schen oder sauren Reaktion des Dispersionsmittels wesentlich bestimmt wird. Pauli (2) hat sehr sorgfältig ausdialysierte Eiweißlösung durch Zusatz von etwas Alkali stark negativ, durch Säure stark positiv elek- trisch aufzuladen vermocht, so daß die Wanderungsrichtung bei der Kata- phorese in beiden Fällen entgegengesetzt war. (Umladung von Hydro- solen.) Konstant positive und negative Sole gibi es somit hier nicht mehr. Die wichtigsten Hydrosole, mit denen es die Biologie zu tun hat, die Eiweißlösungen, sind nach den umfassenden Untersuchungen von Michaelis (3) in den meisten Fällen praktisch elektrisch ami)hotere Sole, ebenso die Enzymlösungen. Der isolelektrische Punkt, wie er durch die Methode der elektrischen Überführung bestimmt wird, liegt sehr nahe dem Neutralitätspunkt (für Gelatine bei einer H-Ionenkonzen- tration von 2,5>=:10~^); er stimmt gut mit dem Quellungsminimum überein. Sind zwei amphotere Sole in Mischung, so liegt ihr Flockungs- optimum zwischen den isoelektrischen Punkten beider Komponenten. Die elektrische Leitfähigkeit der lösungsartigen Sole ist eine sehr ge- ringe und Verunreinigungen durch Elektrolyte sind hier äußerst wirksam. Die geringe Bedeutung elektrischer Charaktere bei amikronischen Hydrosolen zeigt sich auch darin, daß sie durch kleine Elektrolytmengen nicht ausgeflockt werden. Erst hohe Salzkonzentrationen erzeugen in Stärke- oder Eiweißsolen oder Pflanzenschleimen Fällungen. Man nennt dies Aussalzen. Die Fällungen mit Neutralsalzen der Alkalimetalle sind stets reversibel, und in vielen Fällen ein bequemes Mittel, solche Kolloide abzuscheiden. Es ist ohne weiteres klar, daß man es hier mit Erscheinungen zu tun hat, welche der Löslichkeitserniedrigung bei Krystalloiden durch bestimmte Stoffe analog sind. Überhaupt lassen sich bei einer großen Reihe von Emulsionskolloiden viele Vorgänge mit Lösungs- und Fällungserscheinungen vergleichen. Man kann daher in Anlehnung an Perrin (4) und Freundlich Sole mit derartigen Eigen- schaften als lyophil bezeichnen. Ostwald (5) findet es richtiger, den Begriff der „Lyophilie" durch den der „Solvatation" zu ersetzen. Zu bemerken ist, daß nicht alle amikronischen Sole lyophil sein müssen. Als Gegensatz zu „Lyophilie" hat man von lyophoben Solen gesprochen, 1) W. Pauli u. H. Handovsky, Koil. Ztsch., j, 2 (1908). — 2) Wo. Pauli, Hofmeisters Beiti., 7, 531 (1906). Methoden der Dialyse: ZuNZ, Abderhaldens Hdb. biochetn. Arb.meth., 6, 478 (1912). — 3) L. Michaelis, Biochem. Ztsch., jp, 496; 4/, 373 (1912); Nerast- Festschrift, p. 308 (1912). Vgl. auch G. R. Mines, Journ. of Phyaicl., 43, 14 (1911); KoU.chem. Beihefte, j, 191 (1912). P. Richter, Ztsch. phyBit. Chein., 80, 449 (1912). — 4) J. Perbin, Journ. de Chim. phys., 3, 50 (1905). F&EUNDLicH u. W. Neumann, Ztsch. Koll.cnem., 3, 80 (1908). — 5) Wo. Ostwald, ütsch. KoU.chem., //, 230 (1912). ^ 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 37 wenn die erwähnten lösungsartigen Eigenschaften fehlen. Mit „Suspen- soiden" möchte ich den Begriff der lyophoben Kolloide keineswegs streng verknüpfen. Hofmeister (1) fand zuerst die fundamentale Tatsache, daß die Anionen der Neutralsalze sich in ihrer ciweißfällenden Wirksamkeit unter- scheiden. Bei den Natriumsalzen ergab sich, daß das Citrat und Tar- trat am stärksten fällen, Nitrat und Cblorat relativ am schwächsten. Die Reihenfolge war Sulfat >> Phospliat >> Acetat > Chlorid > Nitrat > Bro- mid^Jodid^-Rhodanat; in anderön Versuchen: Citrat >> Tar trat >> Sul- fat ;;> Acetat >> Chlorid > Nitrat >> Clilorat. Natriumjodid und Rhodanut waren in den herstellbaren Konzentrationen überhaupt unwirksam. Dies gilt im neutralen Eiweißsol. In schwach saurer Lösung kehrt sich, wie aus dem oben dargelegten elektrischen Verhalten der Sole vorauszusagen ist, diese Anionenreihenfolge um (2). Die SciiULZEsche Regel bezüglich der Wirksamkeit verschiedenwerliger Kationen gilt hier ebenfalls. Da jedoch Pauli (3) gefunden hat, daß auch elektrisch neutrales Eiweiß durch Neutral.salze in der angegebenen Weise gefällt wird, so wären nicht nur elektrische Vorgänge für das Zustandekommen dieser Erschei- nung verantwortlich zu machen. Übrigens haben auch Nichtelektrolyte (Alkohol, Chloroform) fällende Wirkung. Von dem Prozesse des Aussalzens sind andere Vorgänge, welche gleichfalls in der Abscheidung eines Hydrogels aus dem Hydrosol be- stehen, streng zu scheiden. Einmal kann der Fall eintreten, daß das Hydrosol nur zwischen bestimmten (höheren) Temperaturgrenzen beständig ist, und sieh in ein Hydrogel umwandelt, sobald die Tem- peratur unter ein bestimmtes Maß sinkt. Gerade physiologisch wichtige organische Hydrosole, wie Stärkekleistcr und Gelatine, sind typische Beispiele hierfür. Es wird sich empfehlen, hier von Erstarren oder Gelatinieren des Hydrosols zu sprechen; die Verflüssigung des Gels bei Wiederansteigen der Temperatur mag man immerhin als .,Schmelzen" bezeichnen. Der Prozeß des Gelatinierens ist typisch um- kehrbar. Vielleicht haben manche Vorgänge des Kältetodes bei Pflanzen, welcher bekanntlich nicht immer erst mit der Eisbildung in den Geweben verknüpft ist, mit derlei Vorgängen etwas zu tun. Wenigstens lassen sich die durch die niedere Temperatur welk gewordenen Pflanzen eine gewisse Zeit hindurch noch retten, indem man die Temperatur ent- sprechend erhöht; dies spricht für reversible Wirkungen. In das Hydrogel geht oft, wie bei der Gelatine, praktisch das gesamte Dispersionsmittel auf. In anderen Fällen, wie beim Erstarren von Agar, wird ein größeres Quantum von Wasser bei der Gelbildung ausgestoßen. Als Gerinnung oder Koagulierung im engeren Sinne möchte ich die irreversiblen Gelbildungen au'ö Hydrosolen bezeichnen, welche in der Abscheidung eines relativ wasserarmen Gels bestehen, welches in kleineren oder größeren Flocken sich aus dem Dispersionsmittel ab- scheidet. Dabei kann sich je nach den Reaktionsbedingungen nur ein kleinerer oder ein größerer Teil der dispersen Substanz, oder auch die letztere quantitativ vollständig vom Dispersionsmittel trennen. Intra- vital kommen solche Prozesse kaum jemals vor. Hingegen ist mit dem Tode der Zelle sehr gewöhnlich typische Koagulation von Plasmakollo- 1) F. Hofmeister, Arch. exp. Path., 24, 247 (1888). Lewith, Ebenda, p. 1 0888). — 2) Wo. Pauli, Hofmeißters Beitr., 5, 27 (1904). Posternak, Ann. Inst. Pasteur, 15, 85 (1901). — 3) Wo. Pauu, Hofmeisters Beitr., 7, 531 (1906). 38 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. iden verbunden. Koagulierung und Gelatinierung lassen sich aller- dings nicht in allen Fällen scharf scheiden. So hat das langsame, durch verschiedene Einflüsse zu beschleunigende Erstarren von Kieselsäure- hydrosolen äußerlich völlig den Charakter von Gelatinierungsprozessen, ist jedoch nicht umkehrbar und ähnelt in seinem Effekt außerordentlich den echten Gerinnungsvorgängen. Bei Eiweißsolen ist hingegen Gela- tinieren bei Wasserentziehung bei mäßig hoher Temperatur und Gerin- nung bei höheren Temperaturen scharf verschieden : dieses ist umkehrbar, jenes nicht. Der V'erlust der Gelatinierbarkeit bei Gelatine, die höheren Temperaturen länger ausgesetzt war, beruht auf chemischen Veränderungen. Zu beachten bleibt, daß irreversibel scheinende Vorgänge dennoch reversibel sein könnten, jedoch mit sehr geringer Geschwindigkeit. Pauli (D hat darauf aufmerksam gemacht, daß bei reversiblen Kolloid- prozessen der Rückweg zum Ausgangszustand nicht immer derselbe sein muß, wie der Weg zu der gesetzten Veränderung. Sehr klar ist dies beim Ausfrieren von Gelatine, wo man stärker erwärmen muß, um das ursprüngliche Sol wieder herzustellen. Pauli nannte solche Prozesse heterodrom. Hingegen wäre das Erstarren und Verflüssigen von Ge- latine zwischen Zimmertemperatur und + 40 •* ein homodromer Prozeß. Salze haben eine ausgeprägte Wirkung auf die Gelatinierungsgeschwin- digkeit. Wie Pauli (2) fand, erhöhen Sulfate, Acetate, Tartrate die Zähig- keit von Gelatinelösung und verkürzen die Erstarrungszeit. Hingegen ver- ringern Choride, Nitrats, Bromide, Jodide, Bhodanate die Zähigkeit und hemmen das Erstarren. Die Wirkung der Anionen ist also ganz analog dem oben erwähnten Einfluß auf das Aussalzen von Hydrosolen. Eine inte- ressante noch nicht aufgeklärte Tatsache ist es, daß manche Nichtelektro- lyte, besonders solche, welche wie Zuckerarten, Hexite usw. reich an OH- Gruppen sind, das Erstarren beschleunigen ; Harnstoff und dessen Derivate hemmen, ähnlich wie die Ausflockung von suspensionsartigen Kolloiden von diesen Stoffen in gleichem Sinne beeinflußt wird. Die Eiweißsole bieten ein typisches Beispeil dafür, wie durch hohe Temperaturen Koagulation befördert wird (Hitzegerinnung) (3). Man weiß heute, daß Ionen Wirkungen sich hier in bedeutendem Maße geltend machen. Paulis sorgfältig ausdialysierte Eiweißlösungen zeigten keine scharfe Gerinnungstemperatur, sondern schieden allmählich flockige Fällungen aus. H-Ionen fördern, OH-Ionen verzögern die Hitzegerinnung; Erhöhung des Koagulationspunktes wird auch durch sehr verdünnte Alkahsalzlösungen hervorgerufen. Manche Eiweißstoffe sind übrigens in der Hitze ungerinnbar. Bei allen diesen Prozessen sind wohl in erster Linie LösUchkeitsbeein- flussungen im Spiele, in einem Maße, wie sie sich bei Suspensionskolloiden nicht finden. Dieselben Gegensätze zwischen suspensionsartigen und lösungsartigen Kolloiden, wie sie sich in ihrem Verhalten gegen Elektrolyte äußern, finden wir auch in der W^echselwirkung zweier Sole. Schon Graham sah, daß ein Kolloid ein anderes auszuflocken imstande ist. In neuerer Zeit fanden Neisser, Friedemann und Bechhold (*), daß sich Kolloide und 1) Wo. Pauli, Naturwiss. Wochschr. (1902), Nr. 25 ff. Ergebn. d. Physio- logie, 4. Jahrg. — 2) Wo. Pauli, Pflüg. Arch., 7^ 323 (1898). S. Lewites, Koll. Ztsch., 2, 161 (1908); Ebenda, p. 237. — 3) Hierzu- bes. Wo. Pauli, Ptlüg. Arch., 7«, 315 (1899). Hofmeisters Beitr., lo, 53 (1907). Pauli u. Handovski, Ebenda, //, 415 (1908). Höber, Ebenda, p. 50. G. Büglia, KoU. Ztsch., 5, 29 (1910); Ebenda, p. 291. — 4) M. Neissek, ü. Friedemann, München, med. Wochschr., 51, XI (1904). Larguier de Bancels, Compt. rend., 140, 1647 (1905); 143, 174 (1906). H. Bechhold, Ztach. physik. Chem., 48, 385 (1904). § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 39 grobe Suspensionen entgegengesetzter elektrischer Ladung, in bestimmtem Verhältnis zusammengebracht, gegenseitig ausflocken. Bei Überschuß des einen Kolloides war keine Fällung zu beobachten. Sodann bewies besonders BiLTZ (1), daß sich entgegengesetzt geladene Suspensionskolloide auch ohne Elektrolytzusatz als gemischte Gele ausfällen, während gleichsinnig ge- ladene Suspensionskolloide aufeinander nicht einwirken. Wie bei der Aus- flockung durch Elektrolyte, so spielt auch hier die SchnelUgkeit des Zusatzes eine Rolle. Michaelis und Pincussohn (2) konnten bei der Ausflockung von Mastixkolloid durch Indophenolsuspensoid ultramikroskopisch direkt beobachten, wie die roten Indophenolsubmikronen von den farblosen Mastix- teilchen eingehüllt wurden, und sich so größere, an Zahl geringere Partikel der Ausflockung formierten. Bei der Kataphorese verhält sich nun die Aus- flockung wie Mastix negativ elektrisch. Die amikronischen Hydrosole lassen auch in ihrer Wechselwirkung die konstanten elektrischen Quaütäten sehr in den Hintergrund treten. Eiweißsole können durch basische, wie durch sauere Kolloide gefällt werden. Lecithinsol verhält sich basisch und wird durch Tanninsol ausgefällt. Auch hier wirken zu kleine und zu große Mengen des zugesetzten Kolloides nicht fällend. Dies gestattet wiederum den Schluß, daß bei der Fällung ein Kolloid die Teilchen des anderen einhüllt. Michaelis und RoNA (3) haben dies in ingeniöser Weise benützt um Eiweiß durch Mastix quantitativ zu fällen. Man braucht zu Eiweißsol nur viel Mastix- suspensoid zuzusetzen, so daß alle Eiweißamikronen eine Hülle aus Mastix- teilchen haben, und kann dann durch eine kleine Elektrolytmenge genau so fällen als ob man reines Mastixsuspensoid vor sich hätte. Für diese Ein- hüllung ist die Benennung „Schutzkolloidwirkung" durch Bechhold (*) eingeführt worden. Schutzkolloide machen Sole viel beständiger. Deshalb kann man bei Gegenwart von Dextrin und anderen kolloiden Pflanzenstoffen Schwefelblei, Silber und andere unlösliche Stoffe in Form von kolloiden Lö- sungen erhalten. Zu den Schutzkolloidwirkungen gehört offenbar auch die emulgierende Wirkung von kleinen Alkahzusätzen zu Ölwassergemischen, wo das Alkah mit der Fettsäure dünne Seifenhüllen um die Ölteilchen bildet, welche so am Zusammenfheßen gehindert werden (5). Wichtig scheint es zu sein, daß der Schutzstoff capillaraktiv ist und eine größere Viscosität besitzt. Amphoteres Eiweiß ist auf die Stabihsierung von Fettemulsionen von gar keinem Einfluß, wohl aber sauere und alkalische Eiweißlösungen (6). Hatschek hat interessante Versuche gemacht, die Dicke dieser Adsorptions- hüllen aus der inneren Reibung von Emulsionen zu berechnen und kam für Schwefelsol zum Werte von 0,87 (X[i. Auf die verwickelten Wechselbe- ^ziehungen, welche nicht selten zum Auftreten von zwei Flockungszonen 1) W. BiLTZ, ßer. ehem. Ges., j7, 1095 (1904). O. Tbague u. B. H. Bux- TON, Ztsch. physik. Chem., 62, 287 (1908). — 2) L. Michaelis u. L. Pincus- sohn, Biochem. Ztsch., 2, 251 (1906). — 3) L. Michaelis u. P. Rona, Biochem. Ztsch., 2, 219 (1906). — 4) H. Bechhold, Ztsch. Elektrochem., //. 339 (1905). Gummi als Schutzkolloid für Metallsole. E. W. Lewis u. Waumsley, Journ. Soc. Chem. Ind., j/, 518 (1912). — 5) Donnan, Ztsch. physik. Chem., 31, 42 (1899). Früher Quincke, Wiedemanns Ann., J5, 580 (1888). W. R. Whitney u. A. Straw, Journ. Amer. Chem. Soc, 29, 325 (1907). G. Keppeleb u. A. Spangenberg, Journ. f. Landwirtsch., sS, 299 (1907). Über Ölemulslonen femer G. Wiegner, Koll.chem. Beihefte, 2, 213 (1911). Bancelin, Compt. rend., 152, 1382 (1911). E. Hatschek, Koll. Ztsch., p, 159 (1911); 10, 79 (1912); //, 280, 284 (1912). E. C. Bingham u. White, Journ. Amer. Chem. Soc., jj, 1257 (1911). R. Ellis, Ztsch. physik. Chem., 7«, 321 (1911); 80, 597 (1912). — 6) Vgl. W. D. Banoroft, Journ. Physic. Chem.. /6, 177, 345, 475 (1912). 40 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. bei verschiedener Konzentration des zugesetzten Stoffes führen, kann hier nicht näher eingegangen werden (1). Als Semikolloide fassen wir im Anschluß an Freundlich die Übergangsstufen zwischen wahren Lösungen und Solen (Emulsions- kolloiden) zusammen. Derartige Stoffe, wie die physiologisch bedeutungs- vollen Peptone (Albumosen), Gerbstoffe und Seifen haben kryoskopisch bestimmbares Molekulargewicht, sicher unter 1000 gelegen, und besitzen meßbares elektrisches Leitungsvermögen (2). Die Lösungen sind jedoch in höheren Konzentrationen oft opaleszent, schäumen leicht und neigen in den höchsten Konzentrationen dazu, bei hinreichender Abkühlung, zu gelartigen Massen zu erstarren. Alle diese Stoffe krystallisieren ge- wöhnlich nur schwierig. Auch viele der in der Experimentalphysiologie oft verwendeten Teerfarbstoffe gehören zu den SeraikoUoiden. § 3. Fortsetzung; Die Gele und die Adsorptionserscheinungen. Die Gele sind starre Kolloide mit festem Dispersionsmittel und flüssiger disperser Substanz. Es bedarf allerdings noch weiterer Unter- suchungen, bevor die Behauptung aufgestellt werden kann, daß die beim Eintrocknen, Ausfrieren usw. entstehenden amorphen festen Massen aus Suspensoiden gleichfalls heterogene Systeme darstellen. Was von typi- schen Gelen bekannt ist, hängt mit lyophilen amikronischen Solen zusammen. Nur bei sehr großem Wasserverluste bilden die Gele hornartige spröde Massen; sie nehmen unter Volumvergrößerung (Quellung) reichlich Wasser auf, wenn man sie in Wasser legt, und werden zu gallertigen Massen verschiedener Konsistenz. Bei Wasserverlust tritt Schrumpfung ein. Zu den Gelen zählen die Zellmembranen, Gummiarten, Stärke- körner, und wohl auch manche Protoplasmabestandteile der Pflanzen- zelle, wie Zellkern und manche Chromatophoren. Man denkt sich auf Grund der theoretischen Überlegungen und in Anlehnung an mikro- skopische Untersuchungen von Bütschli(3) den Bau der Kolloide als äußerst feines schaumartiges Kammerwerk, dessen Wände aus einer festeren, an Dispersionsmittel ärmeren Phase bestehen, und welches ein flüssiges Kolloid einschließt, in Form von kleinsten Tröpfchen oder Bläschen. Die von Bütschli mikroskopisch wahrgenommenen Struk- turen entsprechen jedoch keinesfalls dem elementaren Aufbau von Gelen, sondern stellen außerordentlich viel gröbere Verteilungen dar. Bei den Gelen spielen, wie bei festen Körpern, die Widerstände gegen die Ver- schiebungen der Teilchen und die elastischen Eigenschaften bereits eine bedeutende Rolle. Die Gele gehören wesentlich zu jenen Bestandteilen des lebenden Organismus, welche an der Erhaltung der spezifischen Form beteiligt sind. Nur bei den Amöben, Myxomyceten und ähnlichen 1) Hierzu O. Porges u. E. Neubauer, Biochem. Ztsch., 7, 152 (1907); KoU. Ztsch., j, 193 (1909) [für I^cithin]. B. H. Buxton, Ztsch. Koll.chem., 5. 138 (1909). Freundlich, Kapillarchemie, p. 461 (1909). — 2) Für Seifenlösungen: L. Kahlenberg u. O. Schreiner, Ztsch. physik. Chem., 2-7, 552 (1898). — 3) Bütschli. Untersuchungen Ob. mikroskop. Schäume (1892). R. Zsigmondy, Ztsch. anorgan. Chem., 7/, 356 (1911). R. E. Liesegang, Biolog. Zentr., j/, 445 (1911). M. W. Beijerinck, Ztsch. Koll.chem., 7, 16 (1910). Ultramikroskop. Beobacht. an Gallerten: W. Bachmann, Ztech. anorgan. Chem., 73, 125 (1911). R, Zsigmondt, Ztsch. KoU.chem., //, 145 (1912). Weimarn, Ebenda, /o, 131 (1912). § 3. Die Gele und die Adsorptionserscheinungen. 41 Organismen, welche keine konstante charakteristische Körperform be- sitzen, treten die elastischen Gele und Gelstrukturen sehr zurück. Während sich die Kompressibihtät der Kolloidlösungen, so weit be- kai)nt, wesenthch von der Kompressibilität des Dispersionsmittels nicht unterscheidet, sind Gele (Gelatine) erhebheh kompressibel, melu* als die meisten festen Körper. Die interessanten Versuche von Bakus 0-) weisen darauf hin, daß in der Kompressibihtät der Gele bereits ihre Heterogenität zum Aus- drucke kommt. Der Wärmeausdehnungskoeffizient von Gallerten ist nach BjERKfiN (2) kaum von jenem des reinen Dispersionsmittels verschieden. Ein wichtiger Unterschied besteht in thermischer Hinsicht dem genannten Autor zufolge zwischen trockener Gelatine und Gelatinegallerten darin, daß erstere wie Wasser oberhalb + 4" einen positiven Ausdehnungskoeffi- zienten hat, während Gallerten sich beim Erwärmen zusammenziehen und beim Abkühlen ausdehnen. Doppelbrechung bei Anwendung von Druck, welche übrigens auch bei flüssigen Kolloiden beobachtet wurde, und welche auf die elastischen Eigen- schaften der dispersen Substanz zu beziehen ist, bildet eine altbekannte Eigentümhchkeit der Gele. Man wird auch nicht fehl gehen, die an Gelen im lebenden Organismus (Zellhäute, Stärkekörner) regelmäßig zu beobachtende optische Anisotropie auf Spannungsverhältnisse innerhalb dieser Gebilde zurückzuführen iß). Für die Theorie der Gele waren besonders die ausge- dehnten Untersuchungen von VAN Bemmelen (*) über Entwässerung und Wiederwässerung von Kieselsäuregallerte und anderen Gelen von großer Bedeutung. Handelte es sich um eine chemische Bindung des Wassers etwa nach Analogie der Krystallwasserbindung, so müßten beim Entwässern Sprünge in der Dampftension zu beobachten sein. Man bemerkt aber von solchen nichts, sondern die Entwässerung, mit ihr die Dampfdruckkurve, nimmt einen stetigen Verlauf. Nach van Bemmelen ist die Gelbildung des Kieselsäurehydrates eine Trennung des Sols in ein Gewebe von Kiesel- säure, welches Wasser absorbiert hält, und in W^asser, das im Gewebe einge- schlossen ist. Wenn ein Kolloid mit Wasser, Sole und Gele jeder Konzentration bildet, wie Stärkekleister oder Gelatine, so kann man mit van Bemmelen das ausgeschiedene Gel als ein festeres Gerüst ansehen, welches aus einer Lösung von Wasser im Kolloid besteht, und welches als flüssigen Bestandteil Wasser, in welchem das Kolloid gelöst ist, eingelagert hält. Die Flüssigkeit, welche das Gel durchtränkt, kann man durch eine andere Flüssigkeit, für welche das Gel permeabel ist, ersetzen. Man kann derart ein Hydrogel ohne Struktur- änderuDg in ein Alkohologel überführen, wie dies Graham für inorganische, BÜTSCHLI für organische Hydrogele mehrfach gezeigt hat. Selbst durch Äther läßt sich das Imbibitionswasser ersetzen (5). Der physiologisch hochbedeutsame Prozeß der Quellung ist die Wasseraufnahme in Gele von ausgeprägt hoher Elastizität, wie sie sich 1) Bakus, Araer. Journ. of Science, 6, 285; 8, 681 (1898). Vgl. über diese bemerkenswerten Verhältnisse auch Fredndlich, Kapillarcheraie, p. 482 (1909). — 2) Bjerken, Wiedemanns Ann., 43, 817 (1891). — 3) F. Braun, Sitz.ber. Berlin. Ak. (1904); Ann. d. Phys., 16, 238 a905); Ztsch. wiss. Mikrosk., 22, 30(3 (1905) führt die optische Anisotropie von Gelen auf ultramikroskopische Gitterstrukturen zurück. Quincke, Ztsch. wiss. Mikrosk., 22, 301 fl905). H. Ambronn, Ztsch. Koll.chera., 6, IV (1910). Möglicherweise wird hier aie Ttieorie der anisotropen Flüssigkeiten einst erfolgreich eingreifen. J. Köniqsberger, Ztsch. wiss. Mikrosk., 28, 34 (1911). — 4) J. M. VAN Bemmelen, Ztsch. anorgan. Chem., 13, 233 (1897); 14, 98 (1898); 20, 185 (1899); jö, 380 (1903); 49, 125 (1906). — 6) Vgl. Vl. StanSk, Ztach. physiol. Chem., 72, 93 (1911). 42 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. gerade unter den organischen Gelen der lebenden Zelle finden. Man kann die Quellung direkt an ganzen Organen (Samen, Laminariathallus) studieren. Schon 1879 hat Reinke(I) an Laminaria den Quellungsdruck mit Hilfe eines „Oedometer" genannten Apparates dadurch gemessen, daß er die Volumszunahme in Wasser durch Gewichtsbelastung kompen- sierte. In neuerer Zeit sind viele grundlegende Erfahrungen an einem typischen Gel dieser Art, der gereinigten Gelatine des Handels, durch Gewichtsbestimmung vor und nach der Quellung gewonnen (2). Bei jeder Quellung ist das Volum des gequollenen Kolloides kleiner als die Summe der Volumina des trockenen Kolloides und der aufgenommenen Flüssig- keit. Es findet demnach eine Volumsverminderung statt, was unge- zwungen auf eine festere Bindung des Wassers durch das Kolloid be- zogen werden kann. Die Menge des aufnehmbaren Wassers hängt von der Natur des quellbaren Kolloides und von der Temperatur ab ; die Quel- lung in anderen Medien als Wasser selbstverständlich auch von der Natur dieser Flüssigkeiten. Die Quellung wird durch zunehmende Temperatur gefördert. Daß bei der Bindung des Quellungswassers durch Hydrogele Wärme frei wird, ist eine alte Erfahrung. Kalorimetrische Messungen verdanken wir Wiedemann und Lüdeking (3). Nach Parks (*) beträgt die Wärmetönung beim Benetzen von fein verteilten festen Körpern pro Quadratzentimeter annähernd 0,00105 Kai., wenn die Temperatur nahe 7 ° C ist. Nach Rodewald (S), welcher ausgezeichnete Studien über die Quellung von Stärke anstellte, ist der Maximaldruck, mit welchem trockene Stärke Wasser anzieht, 2073 kg pro Quadratzentimeter. Die Quellungsenergie ist seit Hales vom physiologischen Standpunkte aus viel untersucht worden, worüber in Pfeffers Pflanzenphysiologie nähere Darlegungen zu finden sind (6). In wasserdarapfgesättigter Atmosphäre nehmen Hydrogele niemals bis zum Quelluhgsmaximum Wasser auf, sondern, wie Schroeder (7) zeigte, sind solche Hydrogele nach Erreichung ihres Sättigungspunktes in feuchter Luft noch imstande, große Wassermengen aufzunehmen, so- bald sie in Wasser gelegt wurden. Umgekehrt verlieren in Wasser bis zum Maximum gequollene Gele reichlich Wasser, wenn man sie aus dem Wasser in dampfgesättigte Luft überträgt. Man darf daraus auf einen hohen Dampfdruck des in den Hohlräumen des Gels enthaltenen Wassers schließen (8). Gelatine nimmt in feuchter Luft 50 %, in Wasser 500 % ihres Trockengewichtes an Wasser auf. Das Geschwindigkeitsgesetz der Quellung von Hydrogelen hat F. Hof- meister O) schon 1890 definiert. Die Wasseraufnahme erfolgt anfangs sehr rasch, sodann mit allmählich abnehmender Geschwindigkeit bis zur Erreichung des Queliungsmaximums. Mit höheren Temperaturgraden wird der Kurvenverlauf viel steiler und das Quellungsmaximum wird eher er- reicht, wobei aber das letztere keine Verschiebung erleidet Nach den letzten Untersuchungen von Posnjak(IO) über die Quellung von Gelatine 1) J. Reinke, Hansteins ßotan. Abhandl., 4, 1 (1879). — 2) über Gallerte: Wo. Pauli, Ergebn. d. Physiol. (Asher-Spiro), j, I, 155 (1904), 6, 105 (1907). — 3) E. Wiedemann u. Ch. Lüdeking, Wiedemanns Ann., N. F., 25, 145 (1885). Ferner J. R. Katz, Ztsch. Elektrochem., /;, 800 (1911). — 4) G. J. Parks, Natur- wiss. Rdsch. (1902), p. 647. — 5) H. Rodewald, Ztsch. physik. Cheni., 24, 193 (1897); 33, 593 (1900). — 6) W. Pfeffer, Pflanzejphysiologie, 2. Aufl., /, 59—64 (1897). — 7) V. Schroeder, Ztsch. physik. Cheu., 45, 109 (1903). — 8) W. D. Bancroft, Journ. Physic. Chem., 16, 395 (1912). — 0) F. Hofmeister, Arch. exp. Path., 27. 395 (1890). — 10) E. Posnjak, KoUchem. Beihefte, j, 417 (1912). § 3. Die Gele und die AdBorptionserscheinungen. 43 und Kautschuk stimmt das Quellungsgesetz in der Tat recht gut mit der exponentiellen Gleichung P = PicK, wobei P^ und K konstante sind, und läßt sich somit mit Adsorptionsvorgängen vergleichen. Es be- herrschen also nicht Löslichkeitsvorgänge, sondern Grenzflächenphänomene das Bild der Quellung. Wie Freundlich nachdrücklich hervorgehoben hat, wirken alle Fak- toren, welche die Teilchen eines elastischen Gels gegeneinander leichter ver- schieblich machen und welche den Elastizitätsmodulus verringern, auf die Quellungsvorgänge im begünstigenden Sinne. Die Beeinflussung der Quel- lung von Hydrogelen durch Salze entspricht vollkommen der Fällungs- wirkung und Löshchkeitsbeeinflussung durch Salze bei Hydrosolen, wie sie zuerst Hofmeister (i) konstatiert hat. So begünstigt das am Ende der HoFMEiSTERschen „iyotropen" Reihe stehende Rhodanai die Quellung von Gelatine sehr stark. Auch die Halogenide M.Gl, M.Br, Chlorate und Nitrate wirken stärker quellend als reines Wasser. Hingegen ist die Quellung bei Gegenwart von Sulfat, Citrat, Tartrat und Acetat geringer. Desgleichen bei Gegenwart von Alkohol oder Zucker. Wo. Ostwald (2) hat für die Gelatine- quellung in Salzlösungen die Kurve der Abhängigkeit von der Konzentration näher festgelegt. Bei der Totalwirkung von Salzen auf Quellungsvorgänge hat man natürhch zu beachten, daß die Wirkung sich aus den Wirkungen der Ionen als Komponenten zusammensetzt. Hierbei gelten für die hin- dernde Wirkung auf die Fibrinquellung in Säuren nach M. H. Fischer und Moore (3) die Reihen : Gl > Br > NOg > SCN > J > Acetat > SO4 >P04 > Tartrat > Citrat Fe>Cu>Ca>Ba>Mg>NH4>Na>K Nach den Erfahrungen von Wo. Ostwald (4) lassen sich die Erfah- rungen über die Quellung von Gelatine in Wasser und in Salzlösungen auch auf die Wirkung von Säuren und Alkahen auf die Gelatinequellung über- tragen, nur spielen hier die Elastizitätsverhältnisse eine größere Rolle. Zu den Entquellungsvorgängen hat man auch das Ausfrieren von Gallerten zu rechnen, welches auf eine Wasserentziehung beim Aus- krystallisieren des Eises hinausläuft (S). Bei den elastischen organischen Gelen ist dieser Vorgang bekanntlich nicht ohne weiteres beim Auftauen reversibel, und man hat z. B. bei Gelatine, Stärkekleister neuerliches Erhitzen nötig, um wieder ein elastisches wasserreiches Gel zu erhalten. Die Gummiarten und Schleime hingegen liefern ohne weiteres reversible Gallerten und Lösungen. Mit dem Einflüsse von verschiedenen Stoffen auf den Quellungszustand von Hydrogelen steht unstreitig auch die inter- essante und physiologisch bedeutsame Frage über die Diffusionsvorgänge in Gallerten in nahem Zusammenhange. Ältere Untersuchungen, von Graham angefangen (6), hatten (wohl durch Anwendung zu geringer 1) F. Hofmeistee, Arch. exp. Path., 28, 210 (1891). — 2) Wo. Ostwald, Pflüg. Arch., ///, 581 (1906). W. Pauli, Ergebn. Phyeiol., ö, 106 (1907). — 3) M. H. Fischer u. G. Moore, Ztsch. KoU.chem., 5. 197 (1909). — 4) Wo. Ostwald, Pflüg. Arch., 108, 563 (1905). H. R. Procter, KoU.chem. Beihefte, 2, 243 (1911). Abhängigkeit von der Konzentration der Säuren und Alkalien: R. Chiari, Biochem. Ztsch., jj, 167 (1911). — 6) Lit. H. W. Fischer u. O. Bobertag, Biochem. Ztsch., /. 8 (1881). — 4) J. Reinke, Studien über das Protoplasma, p. 122 (Berlin 1881). — 5) F. Hofmeister, Die ehem. Organisation d. Zelle, p. 25 ff. (1901). G. L. Alsberg, Science, 34, 97 (1911). — 6) O. Warburg, Pflüg, Arch., 145, 277 (1912). § 4. Protoplasmastrukturen und ihre biochemische Bedeutung. 65 funktionell beim Zertrümmern des Protoplasten mit der Vernichtung des Mechanismus einer Taschenuhr nach deren Zertrümmerung, ist also nur bis zu einer gewissen Grenze richtig. Im Autolysengemisch gehen ge- viß noch weit mehr vitale Prozesse von statten, als wir heute ahnen. Auch ist es eine Konsequenz der hier vertretenen Anschauungs- weise, mit J. Sachs (1) ein Nebeneinandergehen morphologischer Diffe- renzen und stofflicher Verschiedenheiten zu fordern, wenn auch in den „blütenbildenden" und „wurzelbildenden" Stoffen wohl eine allzugrobe Versinnlichung dieses Zusammenhanges gegeben wurde. Nach 0. Loew(2) genügt als blütenbildender Reiz schon eine bestimmte Zuckerkonzentration in den Gewebezellen. F. Hofmeister (1. c. S. 23) hat sehr fein die Formbestimmung durch stoffliche Beziehungen gekennzeichnet und auf die Unterschiede hingewiesen, welche schon geringfügige strukturelle Differenzen in kolloidalen Gebilden nach sich ziehen können. Man braucht nicht erst verschiedene Eiweißstoffe für die einzelnen Tier- und Pflanzen- arten anzunehmen. Für einschlägige Abhängigkeitsverhältnisse bieten z. B. die Stärkekörner ein lehrreiches Beispiel, welche in der Regel die genau gleiche chemische Znsammensetzung, aber eine häufig genug für Familie oder Gattung sehr charakteristische Form haben, und bei einer Pflanzenart in allen Organen: Blatt, Samen, Wurzel dieselben morpho- logischen Eigentümlichkeiten zeigen. Dies ist durch die Differenzen in der Amyloplastenarbeit bedingt, die nicht allein auf der Struktur, sondern in der ganzen Tätigkeit dieser Organe beruhen. Analoge Dinge mögen sich im Getriebe des Protoplasmalebens vielleicht oft abspielen. Die einseitige Berücksichtigung der chemischen Bestandteile („Stoff- theorien") des Protoplasmas dürfte wohl kaum zum gewünschten Ver- ständnisse der Lebenserscheinungen führen. Die Bestrebung, den Mecha- nismus des Protoplasten als alleinwirkend zu betrachten, wie sie in Eeinkes Dominantentheorie (3) zutage tritt, war eine Gegenreaktion auf die früher besonders begünstigte „Stofftheorie" des Protoplasmas. Manche Plasmatheorien sind unstreitig zu sehr von phantastischen molekulartheoretischen Vorstellungen beeinflußt, als daß sie eine brauch- bare Stütze für die Forschung abgeben könnten. Dies gilt sowohl von der PFLÜGERschen Vorstellungsweise, das Protoplasma als ein „Riesen- molekül" anzusehen (4), einer Lehre, welche Hörmann (5) in wenig glück- hcher Weise zu erneuern versuchte, als von der DEXMERschen „Disso- ziationshypothese", wonach durch „lebhafte intramolekulare Bewegung der Atome der lebendigen Eiweißmoleküle" fortdauernde Selbstzersetzung derselben stattfinden solle (6), von der Biogenhypothese Verworns (7) als auch von den seitens 0. Loew und Bokorny (8) entwickelten Anschauungen. 1) J. Sachs, Arbeiten d. botan. Inst. i. Würzburg, 2, 452, 689 (1882); Flora, Ergänz.-Bd. (1895), p. 409. Goebel, Organographie d. Pflanzen, p. 38 (1901). — 2) O. LoEW, Flora, 94, 124 (1905). — 3) J. Reinke, Die Welt als Tat (1899); Biol. Zentr., 19, 81 (1899); 21, 593 (1901); 22, 23 (1902); 24, 577 (1904). Einleit. i. d. theoret. ßiol., 2. Aufl. (1911). — 4) Fflüger, Pflüg. Arch., 10, 307 (1875). — 5) G. HÖRMANN, Kontinuität der Atom Verkettung (Jena 1899). — 6) W. Detmer, Landw. Jahrb., 10, 731 (1881). Wollnys Forsch, a. d. Geb. d. Agrik.- Phys., 5, III u. IV (1881). Physiol. d. Keimprozess., p. 155 (1883). Pflanzenphysio- logie, p. 153 (1883), Jahrb. wiss. Botan., 12; Ber. Botan. Ges., 10, 433 (1892). — 7) M. Verworn, Allgemeine Physiologie, 5. Aufl. (1910). — 8) O. Loew u. 1"h. Bokorny, D. ehem. Ursache d. Lebens (1881). Die ehem. Kraftquelle im lebenden Protoplasma (1882). Bokorny, Jahrb. wiss. Botan., /;, 347 (1886). O. Loew, Die chemische Energie d. lebend. Zellen, 2. Aufl. (Stuttgart 1906); Flora, 95, 212 (1905). Czapek, Biocberaie der Pflanzen, s. .Autl. 5 QQ Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lehenden Pflanzenorganismus. Die dualistische Anschauung von Mereschowsky (1 ), welcher zwei differente Plasmaarten im Cytoplasma unterscheiden will, steht der exakt- physiologischen Forschung wohl fremd gegenüber. Es sind auch von einigen Seiten [Errera, Sestini (2)] Überlegungen angestellt worden, inwiefern die in den Organismen vorhandenen Grund- stoffe mit den vitalen Eigenschaften zusammenhängen könnten, ohne daß sich jedoch daraus Anhaltspunkte für Experimentalarbeiten bisher ergeben hätten. Die extreme Verfolgung der Maschinentheorie scheint mir zum Teil noch zu wenig die physikahsch chemischen Eigenschaften des Substrates der Lebensvorgänge zu berücksichtigen; sie verzichtet wenigstens auf eine nähere Analyse dieser Eigenschaften, wenn ,,der Organismus ein vom Gesetz seiner Form beherrschter energetischer Prozeß (3)" sein soll. Doch ist natürlich in anderer Hinsicht eine derartige Vorstellungsweise in der Biologie durchaus zu bilhgen, falls man damit eine Vereinfachung des Denkens erreicht und die Übersicht erleichtert. Neumeister (4) hat demgegenüber die Auffassung verfochten, daß für das Plasma nicht die Form, sondern der Stoff das Charakteristische sei; das Protoplasma bestehe wahrscheinhch aus mehreren und zwar chemisch verschiedenen Molekülen, welche derart in Wechselwirkung stehen, daß zwischen ihnen ein Austausch von Atomgruppen, sowie eine Umformung zu neuen Molekularverbänden eintreten kann. Einen positiven Fortschritt in der Auffassung vermag ich jedoch darin nicht zu erbHcken. Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. §1. Über die Reaktionsbedingungen. Im Gegensatze zur inorganischen Natur ist bei lebenden Orga- nismen fortwährend die lebhafteste Wechselwirkung mit den Stoffen der äußeren Umgebung im Gange. Die verschiedensten alltäglichen Beobachtungen an unserem eigenen Körper, an Tieren und Pflanzen überzeugen uns davon, daß im Inneren aller lebenden Organismen eine Unzahl chemischer Reaktionen ablaufen muß, welche durch den Kon- takt mit den Stoffen der Außenwelt bedingt sind. Es genügt in der Regel auch nur einen Teil dieser Wechselwirkungen im Experimente aufzuheben, um den Organismus in kürzerer oder längerer Zeit dem Tode anheimfallen zu sehen. Wir kennen eine ganze Reihe von Stoffen, deren stete Darreichung von außen für alle Lebewesen so nötig ist, daß die Weglassung eines einzigen von ihnen in experimenteller Ernährung von Pflanze oder Tier genügt, um das Leben zu zerstören. Dahin ge- hören vor allem Sauerstoff und Verbindungen von Wasserstoff, Stick- 1) C. Mereschowsky, Biolog. Zentr., jo, 278 (1910). — 2) L. Errera, Biol. Zentr. (1887/88), p. 22. Sestini, Chem. Zentr. (1887). — 3) Reinke, Theoret. Biol, p. 175 (1901). — 4) R. Neumeister, Betrachtungen über das Wesen der Lebeneerscheinungen (Jena 1903). § 1. über die Reaktionsbedingungen. 67 Stoff, Schwefel, Phosphor, Kali, Magnesium. Aber nicht nur Stoffzufuhr spielt eine lebenerhaltende Rolle, sondern ebensosehr die ungestörte Fähigkeit Stoffe abzugeben. Es genügt die Körperoberfläche eines Tieres oder einer Pflanze mit einem gasdichten Firnisüberzuge zu überkleiden, um trotz gleichzeitig gestatteter Nahrungsaufnahme das Weiterleben un- möglich zu machen. Die Aufnahme und Abgabe von Stoffen, die wir als Stoffwechsel der Organismen mit der Außenwelt zusammen- fassen, birgt also eine Summe chemischer Reaktionen in sich, welche ejne unerläßliche Notwendigkeit für den Weiterbestand des Lebens bilden und eines der für das Wesen lebender Organismen am meisten charak- teristischen Merkmale ausmachen. Einen inorganischen Krystall, selbst eine bei Sauerstoffzutritt leicht verwitternde Substanz kann man hin- gegen im zugeschmolzenen evakuierten Glasrohr unbegrenzt lange Zeit aufbewahren, ohne daß sich auch nur eine Eigenschaft des Stoffes ändert. Selbst jene Fälle, in welchen Organismen im lufttrockenen Zustande bei sorgfältiger Aufbewahrung viele Jahre hindurch lebensfähig bleiben können, dürften keine Ausnahme bilden, indem auch dann wahrscheinlich ein minimaler Stoffwechsel (Atmung) unterhalten wird und die Lebens- fähigkeit nachgewiesenermaßen doch einmal ein Ende hat. Einige sporen- bildende Boden bacterien wie Bacillus mesentericus vulgatus, Bac. mycoides und subtiJis erhalten sich nach neueren Erfahrungen Nestlers (1) trocken bei gewöhnlicher Zimmertemperatur sicher gegen 100 Jahre lang ent- wicklungsfähig. Manche Moossporen keimten in Schröders Versuchen (2) noch nach 50 Jahren. Von dem Samen höherer Pflanzen halten wohl nur hartschalige Leguminosensamen mehrere Dezennien, manche nach Becquerel (3) bis 80 Jahre aus, ohne keimungsunfähig zu werden. Bei Klee, Gräsern, Getreide hingegen darf man die Keimkraftsdauer auf wenig mehr als 10 Jahre beziffern (4). Daß andere Samen bereits nach wenigen Wochen oder Monaten keimungsunfähig werden, ist eine be- kannte biologische Tatsache. Bei dem endlichen Tode wird wohl in erster Linie der allzugroße Wasserverlust, der Verlust der Quellungsfähig- keit kolloider Zellbestandteile: Cytoplasma, Reservestoffe, in Betracht kommen, vielleicht werden aber auch sehr langsam verlaufende chemische Veränderungen eine Rolle spielen (5). Das Studium der im Stoffwechsel mit der Außenwelt stattfindenden Reaktionen ist eine der Hauptaufgaben der Biochemie. Eine weitere Quelle für chemische Reaktionen in der lebenden Zelle bildet das Zu- sammentreffen der vom Organismus produzierten Stoffe miteinander. Alle diese Reaktionen lernen wir auf verschiedenen Wegen, aber immer nur unvollständig kennen. Wii- operieren mit den aus dem Organismus isolierten Stoffen, bringen dieselben außerhalb des Organismus mit be- liebigen anderen Stoffen zusammen, wir isolieren mehrere Stoffe aus demselben Material und suchen durch ihr Zusammenbringen in vitro 1 ) A. Nestler, Ber. Botan. Ges., 28, 7 (1910). — 2) G. Schröder, Untersuch, botan. Inst. Tübingen, 2, 15 (1886). W. Pfeffer, Pflanzen physiologie, 2. Aufl., 2, 328 (1904). P. Th. Müller, Ergebn. Physiol., 4, 161 (1905). — 3) P. Becquerel, Corapt. rend. (25. Juli 1906). L. Macchiati, Bull. soc. botan. Ital. (1908), p. 141. A. J. EwART, Proceed. Roy. Soc. Victoria, 21, 1 (1908). — . 4) Vgl. A. Burgerstein, Verhandl. Zoolog, botan. Ges. Wien (1895), p. 414. F. Todaro, Staz. sperim. agrar. ital. 3S, 610 (1905). Ad. Mayer, Journ. Landwirtsch., 54, 51 (1906). — 5) Vgl. H. KRrrzLER, Mikrochem. Untersuch, üb. d. Aleuronköruer; Diss. Bern (Bonn 1900). W. Crocker, Botan. Gaz., 47, 69 (1909). MtJLLER-THURQAü, Flora, loi, 309 (1910). 5* 68 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganisnius Reaktionen, welche von der lebenden Zelle her bekannt sind, zu wieder- holen; wir kontrollieren Aufnahme und Abgabe von Stoffen durch den Organismus qualitativ und quantitativ; wir ändern Temperatur, Licht und andere Einflüsse ab, um die Reaktionen in der lebenden Zelle zu modifizieren. Weiter bemüht man sich in neuester Zeit mit Erfolg das Reaktionsgetriebe aller in der Zelle vorhandenen Stoffe durch weitgehendes Zertrümmern oder vollkommenes Auspressen der Gewebe und Zellen vom Leben zu trennen und in diesem Stoffgemisch jene Reaktionen, welche im Leben stattfinden, wieder aufzufinden. Diese letztgenannten, als „Autolyse" bekannten Methoden hat zuerst Salkowski(I) an der „Selbstgärung" der Hefe in Angriff genommen. Da sich in Zellbrei oder Preßsaft sehr bald Bacterien und Pilze entwickeln, ist es nötig, durch Zusatz von Stoffen, die die Autolyse möglichst wenig beeinflussen, die Mikrobenentwicklung zu verhindern. Die Arbeiten aus dem Laboratorium Salkowskis (2) haben gezeigt, daß 10 Teile gesättigten Chloroformwassers auf 1 Teil Organsubstanz zu diesem Zwecke völüg ge- nügen. Dabei tritt auch noch keine Herabsetzung der in der Autolyse erfolgenden Reaktionen auf, sondern die Narkotica steigern im Gegenteil die Autolyse (3). Alkalische Reaktion hemmt und ist daher zu vermeiden (4). Statt des Zerreibens der Organe mit einer indifferenten Flüssigkeit als Zusatz oder ohne Zusatz hat Wiechowski (5) eine vortreffUche Methode ausgearbeitet, welche in einer möghchst raschen Trocknung des Gewebe- breies, in dünner Schichte ausgebreitet, besteht. Solche Organpräparate lassen sich bis zur weiteren Verarbeitung einige Zeit hindurch unverändert trocken aufbewahren. Alle flüssigen Stoffe der Zellen gewinnt man durch genaues Verreiben des Materials mit einem Zusatz von Quarzsand oder Kieselgur und Auspressen des Gemisches mit einer starken hydraulischen Presse (6), Macfadyen und Rowland (7) verrieben die mit flüssiger Luft hart gefrorenen Bacterien, um den Zellsaft derselben durch nachträg- liches Auspressen zu gewinnen. Palladin (8) fand, daß es zum Fortgang der überlebenden Reaktionen vielfach vorteilhaft ist, das Material unzer- kleinert zum Gefrieren zu bringen und das so abgetötete Material unter Toluolzusatz auftauen zu lassen. 1) E. Salkowski, ZtBch. klin. Med., /?, Suppl., 77 (1890); Deutsch. Klin., //, 147 (1903). — 2) S. YosHiMOTO, Ztsch. physiol. Chem., 58, 341 (1909). L. Peeti, Ebenda, 60, 317 (1909). T. Kikkoji, Ebenda, 63, 109 (1909). E. Salkowski, Ebenda, p. 136 (1909). E. Navassart, Ebenda, 70, 189 (1910). A. v. Drjewezki, ßiochem. Ztsch., i, 229 (1906). M. Ascoli u. G. Izar, Ebenda, 6, 192 (1907); 7,, 142 (1907); 14, 491 (1908); //, 361 (1909); 21, 46 (1909). M. Truffi, Ebenda, 23, 270 (1909). M. Jacoby in Abderhaldens Hbd. d. biochem. Untersuch.meth. III, /, 433 (1910). E. Laqueur, Ztsch. physiol. Chem., 79, 1 (1912). Kaschiwabara, Ebenda, 80, 45 (1912); 82, 425 (1912). Autolyse von Schimmelpilzkulturen: A. W. Dox u. Maynard, Journ. Biol. Chem., 12, 227 (1912). Hefe: A. Harden u. Paine, Proceed. ßoy. Soc. B., 84. 448 (1912). — 3) R. Chiari, Arch. exper. PathoL, 60, 255 (1909). — 4) H. Wiener, Zentr. Physiol. (1905), p. 349. L. Petri, Ztsch. physiol. Chem., 52, 485 (1907). — 5) W. Wiechowski, Hofmeisters Beitr., 9, 232 (1907); Abderhaldens Handb. d. biochem. Untersuch.meth., ///, 1, 282 (1910). — 6) Über die Methodik: E. Buchner, Die Zymasegärung (1903). J. Offringa, Biochem. Ztsch., 28, 112 (1910). Preßsaft aus Keimlingen: M. Soave, Ann. Accad. Agricoltura di Torino, 48, 1 (1905). — 7) Macfadyen u. Rowland, Proceed. Roy. Soc. Lond.. 71, 11, 351 (1903); Ztsch. allgem. Physiol., 3, 303 (1903); Zentr. f. Bakt. (I), 35, Nr. 4 (1904). Verreibungsapparat: J. E. Barnard u. R. T. Hewlett, Proceed. Roy. Soc. B., 84, 57 (1911). — 8) W. Palladin, Ber. Botan. Ges. (1905), p. 240; (1906) p. 97; Ztsch. physiol. Chem., 47, 407 (1906). § 1. über die Reaktionsbedingungen. 69 Von der "Vermehrung und Verbesserung aller dieser Methoden hängt wesentlich der Fortschritt in der Biochemie ab, welche, solange sie rein präparativ betrieben wurde, nur relativ wenig leisten konnte. Soweit bekannt, gehen die im Organismus vorkommenden chemischen Reaktionen in der lebenden Zelle nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ ebenso vor sich, wie außerhalb des Organismus. Das ganze Reaktionsgetriebe des Lebens ist ebenso wie die morphologische Ent- wicklung des Individuums als Ganzes nicht umkehrbar und wird nach einer bis zu gewissen Grenzen vorherbestimmten Zeit durch Störungen in seinem Fortgang verändert, welche schließlich zum Tode der Zelle führen. Da überdies weitgehend die organische Entwicklung mit der Bildung von freier Wärmeenergie verbunden ist, so wird es aus allen diesen Gründen sehr wahrscheinlich, daß die chemischen und physi- kalischen Veränderungen im lebenden Organismus nicht nur dem Gesetze der Erhaltung der Energie unterliegen, sondern, daß der zweite Haupt- satz seine Gültigkeit auch auf die Vorgänge des Lebens erstrecken mußd). Die Art und der quantitative Effekt der Reaktionen im lebenden Organismus hängen ab von der Natur der aufeinander treffenden Stoffe, sowie von den Bedingungen, unter welchen das Zusammentreffen statt- findet. Diese Bedingungen sind höchst verschiedenartig; Temperatur, Aggregatzustand, Trennung und Mischung spielen eine große Rolle. Diese Faktoren sind im Organismus entweder konstant erhalten oder sie variieren: beides geschieht entweder passiv durch äußere Einflüsse oder aktiv durch Selbststeuerung in der lebenden Zelle. Die Tem- peratur z. B. wird bei der Pflanze nur sehr selten in meßbarer Weise durch aktive Tätigkeit abgeändert; die Pflanzen haben sich vielmehr ihren klimatischen Verhältnissen angepaßt. Dies tritt nicht nur in morphologischen Merkmalen hervor, sondern auch in chemischen. So ist das Fett bei tropischen Pflanzen regelmäßig von höherem Erstarrungs- punkt als das Fett der gemäßigte Klimate bewohnenden Pflanzen. Die Lebensvorgänge finden allgemein ohne Störung und in bestimmter quantitativer Abhängigkeit von der Temperatur gewöhnlich innerhalb eines weiten Intervalls von rund 20° (10—30° C) statt; darunter und darüber können Störungen bereits in bestimmten Fällen vorkommen, so „erfrieren" manche Tropenpflanzen schon bei etwa -f 5° C(2). Dies ist jedoch nicht etwa als ein eigenartiger Fall von Kältewirkung aufzufassen, sondern nur als extremes Vorkommnis; denn entgegen der früher verbreiteten Meinung liegt die Temperatur des Kältetodes stets etwas oberhalb der Temperatur des Gefrierens des Zelhnhaltes, so daß die Prozesse des Gefrierens und die hierbei stattfindende Wasserentziehung wohl niemals als die primäre Ursache des Kältetodes anzusehen sind (3). Übrigens können beim Abkühlen von Kolloiden durch Alteration des Ad- sorptionsvermögens usw. genügend Änderungen vor sich gehen, um schwere Störungen durch niedere Temperaturen im kolloiden Zellinhalt begreiflich 1) Vgl. A. Kanitz, Zentr. Physiol. (1906). p. 837; (1907), p. 179. H. ZWAARDEMAKER, Ergebn. d. Phvsiol., j, 117 (1906); Zentr. Physiol. (1907), p. 68. - 2) H. Molisch, Unters, üb. d". Erfrieren d. Pflanz. (1897), p. 55. Sitz.ber. Wien. Ak., WS, I (1896). — 3) C. Mez, Flora, 94, 89 (1905). A. Apelt, Beitr. Biol. d. Pfl, 9, 215 (1907). R. Rein, Ztsch. Naturwiss., 8o, 1 (1909). H. Voigtländer, Beitr. Biol. d. Pfl., 9, 359 (1909). N. Maximow, Zentr. Bakt. (II), 25, 376 (1909). H. Bartetzko, Jahrb. wiss. Botan., 47, 57 (1909). E. Schaffnit, Ztsch. allg. Phvsiol., 12, 223 (1910). A. Richter, Zentr. Bakt. (II), 28, 617 (1910). 70 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzen Organismus. erscheinen zu lassen (1 ). Was die Schädigungen selbst anbelangt, so deuten alle Momente darauf hin, daß die Plasmahaut der Sitz jener deletären Ver- änderung ist [Maximow (2)J. Daß bestimmte Stoffe, wie Glucose, die Kälte- resistenz von Pflanzenzellen erheblich steigern [Lidforss (3)J, beruht weder auf der Gefrierpunktserniedrigung noch auf einer Verhinderung der Eiweiß- aussalzung durch Kälte, welcher letztere Faktor in Betracht käme, wenn nach der Annahme von Gorke (4) der Kältetod eine Wirkung von Eiweiß- aussalzung wäre. Vielmehr geht, wie Maximow gezeigt hat, diese Schutz- wirkung ganz parallel der Lage des eutektischen Punktes der betreffenden Stoffe. So schützen Mannit, Na-^SO^ und andere Stoffe mit hochgelegenem eutektischen Punkt sehr wenig, während die Wirkung der Glucose, NaCl, Natriumacetat mit sehr niedrigem Kryphydratpunkt eine recht bedeutende ist. Solche Schutzstoffe sind bei Pflanzen des Gebirgskümas reichlicher vorhanden als bei Pflanzen der Ebene (5) und ähnliches darf man wohl für die arktische Flora erwarten. Aktive Temperaturänderung durch Selbstregulierung sehen wir in der Temperatursteigerung nach Verwundungen und in der manchmal sehr starken Wärmeerzeugung durch „thermophile Bacterien", durch atmende Samen und Blüten. Bei den warmblütigen Tieren spielen be- kanntlich diese Prozesse eine äußerst wichtige Rolle zur Erhaltung des Gleichgewichtes der Lebens Vorgänge. Die Erscheinung, daß in einer gleichförmigen Lösung Konzentrationsverschiedenheiten auftreten, wenn ein Teil der Flüssigkeit eine andere Temperatur annimmt als die übrige Lösung, bezeichnet mau als „Ludwig sches Phänomen". Sehr schön kann man dasselbe in dem von Abegg(6) angegebenen Apparat demon- strieren. Hierbei spielt einmal der höhere osmotische Druck in der wärmeren Partie eine Rolle, dann aber auch das Verteilungsgesetz. Der bedeutende Einfluß des Aggregatzustandes der rea- gierenden Stoffe auf Eintritt und Verlauf von Reaktionen ist eine sehr alte chemische Erfahrung. Lösungen herzustellen, wenn ein Stoff in Reaktion treten soll, ist auch für den Organismus ein wichtiges Hilfs- mittel, von welchem der ausgiebigste Gebrauch gemacht wird. Anderer- seits ist Herstellung von Verbindungen festen Aggregatzustandes, von unlöslichen Stoffen oft das beste Mittel, wenn Stoffe aus dem Reaktions- getriebe ausgeschaltet werden sollen. Auf letzterem Wege lagert die Pflanze ebensowohl Reservematerial zu künftiger Benützung ab (Stärke, Fett) als auch „Sekrete" wie Harze, Terpene, die niemals wieder in den Stoffwechsel eintreten, wie auch Giftstoffe, z. B. Oxalsäure als unlös- liches Kalksalz. In Lösung bieten einander zwei Stoffe gleichsam ideal große Obei-fläche dar. Eine Annäherung an diesen Fall bildet die möglichst feine Emulsion von nicht mischbaren Flüssigkeiten, welche z. B. bei der Fettresorption im Organismus eine wichtige Rolle spielt. Die biochemische Bedeutung von Trennungsprozessen wird uns wirksam durch die eben erwähnte Herstellung unlöslicher Verbin- dungen in der Zelle in verschiedenen Fällen illustriert. Filtrationen, die der Chemiker so häufig zur Trennung fester Stoffe von Flüssigkeiten anwendet, finden wir auch in der lebenden Pflanze als wichtige Beein- 1) H. W. Fischer, Beitr. ßiol. d. Pfl., lo, 133 (1910). — 2) N. A. Maximow, Ber. Botan. Ges., 30, 52, 293, 504 (1912). — 3) B. Lidforss, Die wintergrüne Flora, (Lund 1907). — 4) H. Gorke, Landw. Versuchsstat., 65, 149 (1906). — 5) Marie u. Gatin, Botan. Zentr., 122, 6 (1913). — 6) R. Abegg, Ztsch. physik. Chem., 26, 161 (1898). Über Thermoendosmose ferner G. Lippmann, Compt. rend., 145, 104 (1907). § 2. lonenreaktionen in der lebenden Zelle. 71 flussung von Reaktionen tätig. Auch die Filtration befördernden Mittel, wie Herstellung einer großen Filterf lache, vollkommene Benetzbarkeit der Filtermembran, sind im Organismus benutzt, wo die vielen Systeme kolloider Trennungsmembranen im Zellplasraa, wie F. Hofmeister an- ziehend geschildert hat, höchst wirksame Einrichtungen darstellen. Der Organismus leistet aber noch mehr. Die in Frage kommenden Trennungs- membranen sind, wie es Pfeffer (1) in seinen denkwürdigen osmotischen Untersuchungen darlegte, „semipermeabel"; sie vermögen, wie bereits oben näher auseinandergesetzt wurde, selbst zwischen gelösten Stoffen auszuwählen und so Abtrennungen von Stoffen zu erreichen. Dergleichen geschieht schon bei der Stoffaufnahme durch die Wurzeln im Boden. Zudem ist die Beschaffenheit und Wirkung der Membranen keine kon- stante, sondern eine variable. Für Gase, die in den Zellflüssigkeiten gelöst sind, gelten dieselben Gesichtspunkte, und es kann Trennung der- selben durch semipermeable Membranen voraussichtlich ebenfalls bewerk- stelligt werden. Da die Filtermembranen im Zellplasma auch starke Adsorptions Wirkungen äußern, so werden endlich auch Abtrennungen durch Zurückhaltung von Stoffen in der Filtermembran zu erwarten sein. Ist eine vollständige Undurchlässigkeit der Membranen für bestimmte Stoffe nicht vorhanden, so wird häufig die verschieden große Filtrations- geschwindigkeit derselben Konzentrationsdifferenzen und partielle Schei- dung erzielen können. Aber auch Mischungsprozesse sind für Reaktionen innerhalb der Zelle sicher von großer Bedeutung. Mit Hecht hat Pfeffer (2) die Protoplasmaströmungen als voraussichtlich wichtiges physiologisches Hilfs- mittel in dieser Richtung in Anspruch genommen. Sonst wird auch jeder Diffusionsstrom im Zellsaft, jede aktive oder passive Ortsverände- rung von Zellorganen, Ungleichheit von Temperaturen usw. mehr oder weniger als Hilfsmittel für die Mischung von Stoffen innerhalb der Zelle dienen können. Die Physiologie interessiert schließlich auch die räumliche Fort- pflanzung chemischer Reaktionen über kürzere oder längere Strecken, da solche Prozesse voraussichtlich zwischen Nachbarzellen sich regel- mäßig abspielen werden und selbst die Reizleitung vielfach mit derartigen Vorgängen in Verbindung zu bringen ist. Interessante Versuche über die räumliche Fortpflanzung chemischer Reaktionen in einem Rohr ver- danken wir Luther (3) und Srebnitzki (4). Weitere messende Verfolgung solcher Vorgänge wäre für die Biologie sehr wünschenswert. § 2. lonenreaktionen in der lebenden Zelle. Die zahlreichen Stoffe, welche im Innern der Zelle enthalten sind und sich an den zum Lebensprozesse gehörenden chemischen Reaktionen beteiligen, sind teils ausgesprochene Elektrolyte, teils Stoffe, welche eben noch meßbar dissoziiert (5), oder solche, die nicht nachweislich 1) W. Pfeffer, Osmot. Untersuchungen (Leipzig 1877). — 2) W. Pfeffer, Studien zur Energetik, p. 270 (1892). Bierberg, Flora, 99, 52 (1908). Das Hin- u. Herflut«n des Plasmas in Mucorhyphen beruht nach A. Schröter, Flora, 95, 1 (1905), auf osmotischen und Transpirationswirkungen. Hörne, Bot. Zentr., 114, 2 (1910). — S) R. Luther, Ztsch. Elektrochera.. 12, 596 (1906). — 4) W. Srebnitzki, Chera. Zentr. (1911), //, 1093. — 5) Daß z. B. Zucker den Charakter von schwach dissoziierten Säjiren haben, zeigen die Versuche von E. Cohen, Ztsch. physik. Chena., 37, 69 (1901), Über Beeinflussung der Verseifung von Äthylacetat durch NaOH bei 72 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. dissoziiert sind (Nonelektrolyte). Die Menge der ionisierten Stoffe in Organsäften wurde öfters durch Leitfähigkeitsbestimmungen gemessen. In den Versuchen von de Forest Heald(I), Nicolosi-Roncati(2) hat sich ergeben, daß die Säfte von Blättern und Stengeln verschie- dener Pflanzen relativ gute Leiter sind, und zwar die Stengelsäfte in höherem Maße als Wurzelsäfte. Es wurde auch der hervorragende Anteil der gelösten Mineralstoffe an dem elektrischen Leitungsvermögen konstatiert. Indem die ionisierten Stoffe in Gewebesäften zum aller- größten Teile Substanzen von geringem Molekulargewicht sind und daher den Gefrierpunkt ihrer Lösungen relativ stark herabsetzen, so gestatten bereits die in der heutigen physiologischen Methodik gut ausgebildeten kryoskopischen Untersuchungsbehelfe (3) eine annähernde aber sehr bequem auszuführende Bestimmung des lonengehaltes von Gewebesäften. So hat Maquenne(4) die Verhältnisse während der Samenkeimung kryoskopisch verfolgt, F. Cavara (5) die hohen Werte (bis 30 Atmosphären osmotischen Druckes) im Zellsaft von Salzpflanzen festgestellt, und Dixon und Atkins(6) bestimmten auf thermoelektrischem Wege die Gefrierpunkts- erniedrigung im Gewebesaft von Laubblättern. Den letztgenannten Autoren zufolge nimmt die Gefrierpunktsdepression des Zellsaftes bei Blättern von der Knospenentwicklung bis zum Herbst deutlich zu. Nach Pantanelli (7) wird man zu beachten haben, daß Gewebesaft in frisch entnommenem Zustande eine stärkere Gefrierpunktsdepression zeigt als nach einigen Stunden; nach noch längerer Zeit sinkt der Gefrierpunkt neuerdings etwas. Dabei dürften wohl lonenadsorptionen im Spiele sein. Weitere einschlägige Daten aus diesem immerhin noch auffällig wenig durch- forschten Gebiete können den Zusammenfassungen von Livingston (8) und BoTTAzziO) entnommen werden. Auch für die Pflanzenphysiologie wird es künftighin öfters von Bedeutung sein, über osmotischen Druck und lonengehalt einzelüger Organismen und isolierter Körperzellen experimentelle Daten zu sammeln; in dieser Richtung dürfte eine von HÖBER (10) angegebene Methode zur Leitfähigkeitsbestimmung sehr dien- lich sein. Die Pflanzen nehmen eine große Menge von ionisierten Stoffen aus ihrem Bodensubstrate auf, da die in der verdünnten Bodenlösung enthaltenen wichtigen mineralischen Nährsalze meist so gut wie voll- ständig elektrolytisch dissoziiert sind. Die Neutralsalze der einwertigen Metalle erreichen ja den Endwert ihres Zerfalles in Ionen bei einer Zuckerzusatz. Mannit ist wirkungslos; Rohrzucker, mehr noch Invert- und Trauben- zucker, verringern die katalytische Wirkung der OH'-Ionen durch partielle Neutrali- sation derselben. Über die Dissoziation von Zucker auch H. Euler, Ber. ehem. Ges., 34, II, 1568 (1901). Th. Madsen, Ztsch. physik. Chem., j6, 290 (1901). KuLLGEEN, Ebenda, 41, 407; 43> 701 (1903). 1) Fe. de Foeest Heaud, Science (1902), p. 457; Botan. Gaz., 34, 81 (1902). — 2) F. NicoLOSi-RoNCATi, Botan. Zentr., no, 458 (1909). Elektr. Leitfähigkeit d. Bäume: F. Wulff, Naturwiss. Ztsch. f. Land- u. Forstwirtsch., 5, 425 (1907). — 3) Vgl. H. Feiedenthal. Zentr. Physiol., 14, 157 (1900). Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., /, 498 (1910). P. Rona, Ebenda, V, (1). — 4) L- Maquenne, Compt. rend., 125, 576 (1897). — 5) F. Cavara, Botan. Zentr., 104, 547 (1906). — 6) H. Dixon u. W. R. G. Atkins, Proceed. Roy. Soc. Dublin, 12, 275, 463 (1910); 13, No. 28 u. 29 (1913). Notes from the Botan. School Trinity College Dublin, //, No. 3 (1912). — 7) E. Pantanelli, Arch. Farm. Sper., 12, 225 (1911). — 8) B. E. LrviNGSTON, The Röle of Diffusion and Osmotic Pressure in Plauts (Chicago 1903). G. Teinchieei, Bull. Orto Bot. Napoli, 9 (1909). Leitfähigkeit von Bac- terienkulturflüssigkeiten : M. Okee-Blom, Zentr. Bact. (I), 65, 382 (1912). — 9) F. B0TTAZZI, Ergebn. d. Physiol, 7. Jahrg., p. 161 (1908). — 10) R. Höber, Pflüg. Arch., 133, 237 (1910); 148, 189 (1912); 150, 15 (1913). § 2. lonenreaktionen in der lebenden Zelle. 73 Verdünnung von 1 Grammolekel auf 2000 Liter, sind aber schon in einer Verdünnung von "/looo praktisch völlig elektrolytisch dissoziiert. Bei den aus dem Boden aufgenommenen Ionen handelt es sich vor allem um die Kationen K', Na", Ca", Mg", Fe"', Mn"* und AI"", um die Anionen SO4", NOp/, HPO4", er, wozu noch eine geringe Menge von H*- und OH'-Ionen kommt ("*). Die Kohlensäure der Luft, welchfe die Pflanzen aufnehmen und verarbeiten, entspricht, im Zellsaft gelöst, wahrscheinlich der Säure H2CO3, welche faSt nur die Anionen HCO3' bildet, die sodann im Chlorophyllapparate der Reduktion anheimfallen. Es scheint ferner, daß der Luftsauerstoff nach seiner Aufnahme gleichfalls bald in Ionen übergeht und zur Bildung von OH'-Ionen Anlaß gibt. In der Zelle spielen sich zahlreiche lonenreaktionen ab und solche Reaktionen gehören zu den notwendigen Vorgängen im Lebensprozeß. Hierher zählen die in der Bildung von oxalsaurem und phosphorsaurem Kalk bestehenden Ausfällungserscheinungen und viele Lösungserschei- nungen. Sehr gewöhnlich verschwinden von außen aufgenommene Ionen in der Zelle und können mit Hilfe der in der analytischen Chemie ge- bräuchlichen Reagentien nicht mehr nachgewiesen werden. Diese „Mas- kierung" ist z. B. vom Eisen wohl bekannt. In solchen Fällen handelt es sich häufig um Reaktionen, in welchen „komplexe Ionen" entstehen. Es neigen besonders die mehrwertigen Metallionen sehr stark zu diesem Verhalten, und in Gegenwart von m'öhrbasischen organischen Säuren (Weinsäure), von Zucker und Kohlenhydraten werden leicht komplexe Metallionen gebildet, in denen das Metall nicht mit Hilfe der gewöhn- lichen lonenreagentien nachgewiesen werden kann. Zahlreiche Reaktionen in der lebenden Zelle führen zur Neubildung von Ionen aus Nichtelektrolyten. Wenn Alkohole oder Aldehyde in der Zelle zu Säuren oxydiert werden, so müssen zahlreiche H'-Ionen und Säureanionen entstehen. Gerade eine sehr häufig und oft massenhaft im Stoffwechsel auftretende Säure, die Oxalsäure, zeigt eine für orga- nische Säuren sehr starke elektrolytische Dissoziation in ihren wässe- rigen Lösungen (2). Die mehrbasischen organischen Säuren teilen das Verhalten der Phosphorsäure, mehrere Reihen von Salzen zu bilden, welche verschieden stark ionisiert sind. Diese „stufenweise Dissoziation" ist bei jenen Salzen am stärksten, bei denen nur 1 H durch ein Metall substituiert ist. Natürlich sind in Lösungen der freien Säuren ebenfalls die entsprechenden Anionen am reichlichsten vertreten, so bei der Phos- phorsäure die Ionen H2PO4' neben H'(3). Zu reichlicher lonenneubil- dung führen aber auch viele andere Wege, z. B. der Übergang der sehr schwach elektrolytisch zerfallenen Aminosäuren in Ammoniak und Fett- säuren, wie er bei der Bildung von bernsteinsaurem Ammoniak aus As- paragin stattfindet. Auch bei der Bildung von organischen Basen im Stoffwechsel entstehen oft stark ionisierte Substanzen aus Nichtleitern (4). Wichtig ist die physiologische Bildung von Substanzen, welche in ihren wässerigen Lösungen gleichzeitig H'-Ionen und OH'-Ionen bilden, 1) Aufnahme von H;- und OH'-Ionen dufch lebendes Plasma: O. W. Baeratt, Ztsch. allgem. Pbysiol., 5, 10 (1905). — 2) Die biochemisch sehr wichtigen Disso- ziationsverhältnisse organischer Säuren wurden zuerst näher studiert durch W. OST- WALD, Ztsch. physik. Chem., j, 170 (1889). F. Walden, Ebenda, 8, 433 (1891). WiGHTMAN u. Jones, Amer. Chem. Journ., 48, 320 (1912). — 3) Vgl. hierzu W. A. Smith, Ztsch. physik. Chem., 25, 144 (1898). R. Wegscheider, Mon. f. Chem., 23, 599 (1902); 26, 1235 (1906). — 4) Affinitätsgröße der Basen: G. Bredig, Ztsch. physik. Chem., 13, 289 (1894). 74 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. also Säuren und Basen gleichzeitig darstellen. Bredig und Winkel- blech (1) haben für solche Elektrolyte die Benennung amphotere Elektrolyte eingeführt. Solche Stoffe sind die Aminosäuren, Xan- thinbasen und viele Eiweißkörper. Die Aminosäuren (wie auch Coffein) bilden mehr H'-Ionen als OH'-Ionen, sind also eigentlich sehr schwache Säuren, Von sonstigen amphoteren Elektrolyten wären Metall- hydroxyde, Diazoniumhydrat, sowie der bekannte Indicator Methylorange zu nennen. Zu berücksichtigen ist, daß die Dissoziation schwacher Säuren durch Zusatz von stark ionisierten Neutralsalzen erheblich gesteigert werden kann [Arrhenius (2)]. Setzt man zu einer Essigsäurelösung NaCl, so entstehen mehr nichtdissoziierte Natriumacetatmolekel als nichtdissoziierte Chlormolekel, woraus ein Plus an Wasserstoff-Ionen resultiert. Würde man hingegen der Essigsäure Natriumacetat hinzu- fügen, so käme man zu dem gegenteiligen Effekt. Allgemein wird der Dissoziationsgrad schwacher Säuren oder Basen zurückgedrängt, wenn man ein Neutralsalz mit dem gleichnamigen Anion respektive Kation zusetzt. Die elektrische Leitfähigkeit und lonenbildung des Wassers ist sehr gering. Für 18 <> ist die lonenkonzentration reinsten Wassers mit 0,78x10"' Gramm-Ionen pro Liter bestimmt worden, für 25^ mit 1,05 X 10-' (3), Sie besitzt einen auffallend großen Temperaturkoeffi- zienten, wird aber durch einen Zusatz von Säuren oder Basen nicht er- höht. Gegenüber sehr schwachen Elektrolyten, wie sie in den Zellsäften so verbreitet vorkommen, fällt jedoch selbst die Ionisierung des Wassers bereits in die Wagschale. Lösungen von Neutralsalzen sehr schwacher Säuren (Essigsäure, Blausäure, Kohlensäure M2HPO4) reagieren bekannt- lich alkalisch. Man nennt diese Erscheinung hydrolytische Spal- tung (4) und erklärt sie durch die Annahme, daß das Wasser als Säure mit dem betreffenden Salz reagiert, z. B. NaCOO • CH3 -j U^O = NaOH -f COOH • CH3, d. h. die Lösung verhält sich ebenso als ob Na- tronlauge und Essigsäure gleichzeitig anwesend wären. Nun ist aber NaOH ein starker Elektrolyt, die Essigsäure hingegen sehr wenig in Ionen gespalten, woraus sich ergibt, daß ein Quantum freier OH'- Ionen vorhanden sein muß. Trinatriumphosphat dürfte sogar überhaupt nicht in einer Lösung von NagPO^ + H2O vorhanden sein, sondern so gut wie vollständig in Na2HP04 und NaOH hydrolysiert sein. Ähn- liches gilt von Salzen schwacher Basen mit starken Säuren. Wahr- scheinlich ist die normale sogenannte „Alkalescenz" des lebenden Proto- plasmas auf hydrolytische Spaltungen zurückzuführen. 1) Bredig u. Winkelblech, Ztsch. Elektrochem., 6, 33 (1899). J. Walker, Proceed. Roy. See. Lond., 73, 155 (1904); Ztsch. physik. Chem., 51, 706 (1905). H. LuNDEN, Joum. Biol. Chem., 4, 267 (1908). L. Michaelis, Biochem. Ztsch., 33, 182 (1911). — 2) Sv. Arrhenius, Ztsch. physik. Chem., j/, 199 (1899); Ztsch. Elektrochem., 6, 10 (1899). — 3) W. Nernst, Theoret. Chem., 6. Aufl., p. 518 (1909); Ztsch. physik. Chem., 14, 155 (1894). Sv. Arrhenius, Ebenda, //, 824 (1893). W. Ostwald, Ebenda, //, 521 (1893). G. Bredig, Ebenda, p. 828. — 4) J. Shields, Ztsch. physik. Chem., 12 (1893). G. Bruni u. A. Manuelli, Ztsch. Elektrochem., //, 554 (1905). A. Naumann u. A. Rücker, Journ. prakt. Chem., 74, 209 (1906). A. Rosenstiehl, Compt. rend., 144, 1284 (1907); Bull. Soc. Chim. Fr. (4), /, 879 (1907). B. L. Vanzetti, Gaz. chiji. ital., j 5 e o o "^ - § § o äi 1 ° II :: ..... i -. . ^ ■«3 1 = 1. 1 1 < 2. S 3 s J^ P^ z a s ..... . - 1 i . . . ■^ 1 1 ■ mit steigender Temperatur abnimmt. Ähnliches beobachtete man auch bei physiologischen Vorgängen bereits innerhalb der unschädlichen Tempe- raturen in der Regel sehr deutlich, was, wie Cohen-Stuart d) mit Recht hervorhebt, meist absichtlich oder unabsichtlich unbeachtet ge- lassen wird, und durchaus keine Abweichung von der RGT.-Regel dar- stellt. Nach Cohen-Stuart wäre es vorzuziehen nicht die Q^o-Werte direkt zu vergleichen, sondern die Kurven, die sich aus der Veränder- lichkeit derselben mit steigender Temperatur ergeben. Dabei zeigen die Lebensvorgänge sehr häufig ein Verhalten, welches an- scheinend der Temperatur-Proportionalitätsregel widerspricht. Es nimmt nämlich die Reaktionsgeschwindigkeit nur bis etwa 33 — 35 °C mit der Temperatur zu, erreicht da ihr Maximum und sinkt sodann herab, um mit Eintritt des Hitzetodes bei 41 — 45 «'C den Nullpunkt zu erreichen. Dieses sogenannte „Temperaturoptimum ist zuerst durch Blackman(2) mit seinen Mitarbeitern Miss Matthaei und Smith in seinem Zustande- kommen aufgeklärt worden. Außerdem fördernden Einfluß auf die Geschwindig- keit der Reaktionen in der lebenden Zelle werden seitens der steigenden Temperatur immer auch Prozesse be- schleunigt, welche mit einer Herab- setzung der Funktionen verbunden sind, mit Stoffzerfall ohne ausreichenden Er- satz. Mit diesen Einflüssen muß sich die RGT.-Regel kreuzen. Je schneller z. B. der Vorrat an den zur Atmung nötigen Stoffen bei höherer Tempera- p. „ tur sich vermindert, desto weniger *^' ■ kann sich die Reaktionsbeschleuni- gung des Oxydationsprozesses selbst bemerklich machen. Drücken wir die Quantität der zur Atmung nötigen Stoffe in ihrer Abnahme mit steigender Temperatur durch die Kurve AB aus, die RGT.-Regel der Atmung durch die Kurve OP, so sehen wir ohne weiteres, wie durch Superposition beider Kurven in C ein Temperaturoptimum entstehen muß, obwohl die Atmung der RGT-Regel folgt. Ein wirkliches Optimum existiert somit nicht. Die von Amstel und Iterson (3) gegen Blackmans Auffassungen erhobenen Bedenken sind wohl grundlos und wurden hinreichend durch die Untersuchungen von KuYPER (*) entkräftet. Cohen-Stuart und Kanitz ist jedoch vollkommen zuzustimmen in der Meinung, daß eine exakte Prüfung der BLACKMANschen Theorie derzeit unmöglich ist, weil die Abhängigkeit der Einzelprozesse von der Temperatur physiologisch unentwirrbare Komplexe darstellt. 1) C. P. Cohen-Stuart, Kgl. Akad. Amsterdam (1912), p. 1159 (26. April). — 2) F. F. Blackman, Ann. of Botan., ig, 281 (1905). Miss G. Matthaei, Phil. Trans. Lond., B, 197, 47 (1904). A. M. Smith, Ann. Roy. Botan. Gardens Pera- deniya, 3, II, 305 (1906). — 3) J. van Amstei. u. G. van Iterson jun., Akad. Amsterdam, 19, 106 (1910); Botan. Zentr., 116, 279 (1911). G. VAN Iterson, Act. 3. CongT. internat. Botan., //, 1 (1912). — 4) J. KuYPER,_Rec. Trav. botan. N6erland, 7 (1910); Ann. Jard. Botan. Buitenzorg, (2) 9, 45 (1911). Über „Optimum" L. Errera, Recueil d'Oeuvres, 4, 338 (1910), eine bis zum Jahre 1896 reichende Literaturüber- sicht liefernd. § 3. Reaktionsgeschwindigkeit. 33 Nach H. V. Halban(I) sind die unimolekularen Reaktionen viel unabhängiger von der Temperatur als die Reaktionen höherer Ordnung. Während mit der Erhöhung der Temperatur sich wohl die Ge- schwindigkeit der Reaktion ändert, nicht aber das Reaktionsgleichgewicht, finden wir bei der Einwirkung anderer Faktoren auf biochemische Reaktionen die Gleichgewichtskonstante durchaus nicht immer unverändert. Nur bei der im nächsten Paragraph ausführhch zu behandelnden katalytischen Re- aktionsbeeinflussung handelt es sich um eine reine Geschwindigkeitsänderung des Reaktionsverlaufes. Zusatz von Neutralsalzen beschleunigt und verzögert den Verlauf vieler Reaktionen. Ostwald (2) fand die Einwirkung von Mineralsäuren auf Ca- und Zn-Oxalat durch Zusatz von Alkahsalzen be- schleunigt. Nach Arrhenius (3) ^erniedrigen andererseits die Neutralsalze die Verseifungsgeschwindigkeit von Basen. Die Rohrzuckerinversion wird durch Neutralsalze gefördert [Spohr (4), Arrhenius (5)]. Die Natur des Lösungsmittels ändert ebensowohl die Reaktionsgeschwindigkeit als das Reaktionsgleichgewicht (6). Hier kommt die ionisierende Wirkung des Lösungsmittels, ferner der Einfluß des Lösungsmittels auf die Bildung von Molekular komplexen, wie Doppelmolekülen, sehr in Betracht (7). Erhöhter Druck hat nur relativ sehr geringe Änderungen der Reak- tionsgeschwindigkeit zur Folge (8), sobald es sich um Flüssigkeiten handelt. Bei Gasen steigert der Druck die Konzentration (Dichte) und erhöht da- durch die Reaktionsgeschwindigkeit. In der Zelle pflegen sich die Reaktionen nicht in homogenen Systemen, sondern in heterogenen Gebilden abzuspielen, welche aus kolloidalen Mem- branen verschiedener Durchlässigkeit, Hydrosolen, Salzlösungen usw. be- stehen. Deswegen kommt für die Reaktionsgeschwindigkeiten noch der Einfluß der Begrenzungsoberflächen in Betracht. Schon C. F. Wenzel, der erste Chemiker, welcher sich um die Erforschung der chemischen Kinetik bemühte, fand 1777, daß die lösende Wirkung von Säuren auf Metalle unter sonst gleichen Bedingungen der Berührungsfläche proportional ist. Im Protoplasma, mit seinen kolloiden Strukturen, gehen nun alle Reaktionen an einer relativ enorm großen Oberfläche vor sich, und dieser reaktions- beschleunigende Faktor ist gewiß von höchster Bedeutung für den Ablauf der chemischen Reaktionen in der Zelle. Dazu kommt noch, daß wir den Hydrosolen selbst, wie die Untersuchungen Bredigs an kolloidalen Metall- lösungen gelehrt haben, Oberflächenwirkungen in analogem Sinne zuzu- schreiben haben. In heterogenen Systemen ist, wie Nernst (9) näher ausgeführt hat, 1) H. V. Halban, Ztsch. physik. Chem., öy, 129 (1909). — 2) Ostwald, Journ. prakt. Chem., 2j, 209. — 3) "Sv. Arrhknius, Ztsch. physik. Chera., /, 110. G. PoMA, Gaz. chim. ital., 41, I, 353 (1911). — 4) Spohk, Ztsch. physik. Chem., 2, 194. — 5) Sv. Arrhenius, Ztsch. physik. Chem., 4, 226. — 6) Hierzu noch: G. Genarri, Ztsch. physik. Chem., /p, 436 (1896). N. Menschutkin, Ebenda, 34, 157 (1900). E. Cohen, Ebenda, 28, 145 (1899), f. Rohrzuckerinversion in Alkoholwasser. G. Buchböck, Ebenda, 34, 229 (1900). H. Euler u. B. af Ugglas, Arkiv f. Kemi, j, 1 (1909). — 7) Hierzu: H. v. Halban u. A. Kirsch, Ber. Chem. Ges., 4S, 2418 (1912). G. PoMA u. B. Tanzi, Gazz. chim. ital., 42 I, 425 (1912). — 8) Hierzu: A. Bogojawlensky u. G. Tammann, Ztsch. physik. Chem., 23, 13 (1897), und bes. V. Rothmund, Ebenda, 20, 168 (1896). — 9) W. Nernst, Theoret. Chem., 6. Aufl. (1909), p. 579; Ztsch. physik. Chem., 47, 52 (1901). E. Brunner, Ebenda, p. 56. F. Haber, Ztsch. Elektrochem., /o, 156 (1904). H. Goldschmidt u. Messerschmidt, Ztsch. physik. Chem. j/, 235 (1899). H. Goldschmidt, Ztsch. Elektrochem., //, 430 (1905). H. J. S. Sand, Proceed. Roy. Soc. Lond., 74, 356 (1904). M. WiLDERMAJfN, Ztsch. physik Chem., 66, 445 (1909). J. Boselli, Compt. rend., 152, 256 (1911); Journ. de Chim. physique, 9, 689 (1912); 10, 3 (1912). 34 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. für die nicht an der Grenzfläche der reagierenden Substanzen befindhchen Anteile die Diffusionsgeschwindigkeit der Stoffe der wichtigste regelnde Faktor. Deshalb lassen sich die van 't HoFFschen Grundsätze von der Reaktionsordnung nicht ohne weiteres auf heterogene Systeme übertragen. § 4. Katalyse. Der bereits erwähnte beschleunigende Einfluß, welchen die Gegen- wart bestimmter Stoffe auf die Ablaufsgeschwindigkeit von chemischen Reaktionen häufig ausübt, ist gegenüber dem Reaktionsablauf ohne diese Einwirkung nicht selten so bedeutend, daß es den Anschein ge- winnt, als ob diese Stoffe überhaupt erst durch ihre Gegenwart die be- treffende Reaktion hervorrufen würden. So begünstigt fein verteiltes Platin den Verlauf vieler Reaktionen so auffallend, daß man erst durch besondere Untersuchungen feststellen mußte, daß diese Reaktionen auch ohne Gegenwart von Platinschwarz in wässeriger Lösung vor sich gehen. Ähnliches gilt von der spaltenden Wirkung von Säuren auf zusammen- gesetzte Zucker und Ester. In anderen Fällen beobachtet man wiederum als Gegenstück dieser Vorgänge Verzögerung des Ablaufes von gewissen chemischen Reaktionen, sobald bestimmte Stoffe in Lösung gegenwärtig sind. Nach Ostwalds Vorgang fassen wir alle diese Einflüsse, ohne vorderhand einen Erklärungsversuch zu unternehmen, als Katalysen von Reaktionen zusammen. Die Katalysen sind für die Biochemie von höchster Bedeutung. Ostwald (1) präzisiert den Begriff einer katalytisch wirkenden Substanz oder eines Katalysators durch folgende Merk- male: 1. Katalysatoren verursachen nie den Eintritt der Reaktion, sondern ändern nur die Reaktionsgeschwindigkeit. 2. Falls der Katalysator un- verändert bleibt, wird das Reaktionsgleichgewicht durch die katalytische Beeinflussung nicht geändert. 3. Sie wirken bereits in sehr kleinen Mengen in sehr energischer Weise. 4. Sie erscheinen niemals in den Endprodukten der Reaktion; letztere sind vielmehr dieselben wie in der nicht katalysierten gleichen Reaktion. Es wird nicht überraschen, wenn die Forschungen der neueren Zeit ergeben haben, daß diese Merkmale nicht auf alle Katalysen scharf passen, sondern daß es viele Fälle gibt, welche von diesem Schema ab- weichen. Im wesentlichen läßt sich aber noch heute die Ostwald sehe Begriffsbestimmung aufrecht erhalten. Beispiele von Katalysen kennt man schon lange; 1811 entdeckte Konst. Kirchhoff die Katalyse der Stärkespaltung durch Säuren. Schra- DER (2) verghch schon damals diese Säurewirkung sehr richtig mit der Rolle der Schwefelsäure bei der Ätherbildung. Davy konstatierte gleichfalls, daß die Säure hierbei nicht zersetzt wird. 1815 fand Kirchhoff (3) die gleiche Wirkung auf Stärke beim Stehenlassen mit Weizenkleber ohne Säurezusatz. 1) Ostwald, Ztsch. physik. Chem., 2, 139 (1888); 15, 706 (1894); 19, 160 (1896); 29, 190 (1899). Grundriß d. allgem. Chem., 3. Aufl., p. 514 (1899). Lehrb. d. allgem. Chem., 2. Aufl., 2 (2), 262 (1897). Verhandl. Ges. dtsch. Naturf. u. Ärzte, 73. Vers. z. Hamburg (1902), p. 185. Ann. d. Naturphilos., 9, I (1910). G. Bredig, Anorg. Fermente (Leipzig lÜOl). Ergebn. d. Physiol., 1. Jahrg., /, 134 (1902); Biochem. Ztsch.. 6, 283 (1907). L. S. Simon, Bull. Soc. Chim.. 29 u. 30, 1 (1903). G. WoKER, Die Katalyse (Stuttgart 1910). — 2) J. C. Schrader. Schweigg. Journ. Chem., 4, 108 (1812). Nasse, Ebenda, p. 111. Davy, Element, d. Agriiiulturchem., p. 146 (1814). — 3) CoNST. Kirchhoff, Schweigg. Journ., 14, 389 (1815). § 4. Katalyse. 85 MiTSCHERLiCH (1 ) nannte die Wirkung der Schwefelsäure bei der Äther- bildung „Kontaktwirkung" (1834); er erkannte auch bereits klar die Wirkung der großen Oberfläche der „Kontaktsubstanzen" (1842). Von der- artigen Stoffen war durch Döbereiner und Davy schon das feinverteilte Platin in seiner Wirkung auf Knallgas studiert worden. 1836 schlug Ber- ZELius (2) vor, alle derartigen Wirkungen als „Katalyse" zu bezeichnen (im Gegensatz zu „Analyse") und als Ursache eine hypothetische kataly- tische Kraft anzunehmen. Eine Erklärung der Erscheinungen wollte Ber- ZELius damit nicht Uefern. Später machte besonders Schoenbein eine große Zahl von katalytischen Vorgängen bekannt. Reiset und Millon (3) lenkten die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß organische Stoffe in Gegenwart von Platinmohr schon bei auffallend niederer Temperatur voll- ständig verbrennen. Die spätere Chemie hat außerordenthch viele ein- schlägige Fakta auf inorganischem wie organischem Gebiete kennen gelehrt, und wie wir sehen werden, sind die Enzyme der Tiere und Pflanzen eben- falls nichts anderes als Katalysatoren. Während es bisher keine Schwierigkeiten macht, die Katalysen oder Reaktionsbeschleunigungen durch chemische Mittel von den Reaktions- beschleunigungen durch Temperaturerhöhung auseinanderzuhalten, kann man photochemische Reaktionsbeschleunigungen kaum in allen Fällen scharf von den eigentlichen Katalysen trennen, zumal sich bei den photochemischen Reaktionsbeschleunigungen unter dem Einflüsse von Uransalzen (Neu- berg (4) und photodynamisch wirksamen fluorescierenden Farbstoffen sicher echte (Oxydations)katalysen der Lichtkatalyse beigesellen. Die Katalyse ist nicht zu verwechseln mit Auslösungserscheinungen. Die letzteren veranlassen den Eintritt einer Reaktion, welche ohne Zwischentreten des auslösenden Agens nicht erfolgt wäre; ferner steht die Quantität des auslösenden Agens oder der Arbeitsleistung im aus- lösenden Vorgange in keinem bestimmbaren Zusammenhange mit der Größe der Wirkung. So kann ein Fingerdruck auf einen elektrischen Taster die Arretierung einer Dampfmaschine außer Tätigkeit setzen, wodurch viele Pferdekräfte Arbeit verfügbar werden. Ein Katalysator beschleunigt immer nur, wie bereits vielfach experimentell sichergestellt wurde (5), eine Reaktion, welche auch sonst (wenn auch sehr langsam) ohne Ka- talysatorzusatz abläuft (6). Es hängt ferner die erzielte Reaktions- geschwindigkeit sehr deutlich von der Menge des angewendeten Kataly- sators ab. Man kann also einen (beschleunigenden) Katalysator mit 1) E. MITSCHERLICH, Pogg. Ann., 3', 273 (1834); Ann. de Chim. et Phya. (2), 56, 433 (1834); Pogg. Ann., 55, 209 (1842). — 2) J. Berzeliüs, Einige Ideen über eine bei der Bildung organischer Verbindungen in der lebendigen Natur wirksanoe, aber bisher nicht bemerkte Kraft. Berzeliüs' Jahresber. phys. Wiss., 15, 237 (1836). Auch Pogg. Ann., 37, 66 (183(3); Ann. de Chim. et Phys. (2), 61, 146 (1836). — 3) J. Reiset u. E. Millon, Ann. de Chim et Phys. (3), 8, 280 (1843). — 4) Vgl. C. Neuberg, Biochem. Ztsch. /j, 305 (1908) Ferner G. Dreyer u. O- Hanssen, Compt. rend., 145^ 564 (1907) B. L. Vanzetti, Atti Acc. Line. Roma (5), 17, II, 285 (1908). — 5) Z. B. Wys, Ztsch. physik. Chera., //, 492 (1893); 12, 514 (1893). V. Meyer u. Raum, Ber. Chem. Ges., 28, 2804 (1895). Bredig, Ergebn. (1902), p. 138. — 6) Schon J. MuNK, Ztsch. physiol. Chem., /, 357 (1878), betonte, daß Wa.sser bei hoher Temperatur dieselben Vorgänge vollzieht, wie die fermentativen Spaltungen, hatte also richtigen Blick für die kataly tische Natur der Fermente als Reaktionsbeschleuniger. Berthelot, Ber. Chem. Ges., 12, 2083 (1879), sprach bereits die Rolle der Säuren bei der Atherifikation „als Beschleunigung eines auch ohnehin langsam vor sich gehenden Prozesses" an. Rohrzuckerinversion durch Wasser: Rayman u. Sulc, Chem. Zentr. (1897), //, 476. 86 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Ostwald und Bredig eher einem Schmiermittel der Dampfmaschine im obigen Bilde Vergleichen, welches die Reibungswiderstände stark ver- mindert. Es ist sehr nützlich, derartige Vorstellungen festzuhalten gegen- über der aus älterer Zeit stammenden, zuerst von Liebig (1) ausgesprochenen Anschauung, daß sich bei gärungserregenden Stoffen die Bewegung, in welcher sich deren Atome befinden, den Atomen der spaltbaren Substanz mitteile, wodurch die Spaltungen eingeleitet würden. Besonders war es auch NÄGELi (2), welcher derartige Vorstellungen über Fermentwirkung vertrat und den „Schwingungen von Atomgruppen" eine ausschlaggebende Wirkung zusprach. Auch bei neueren Biologen stößt man vielfach auf diese Anschauungsweise. Abgesehen davon, daß diese Theorie von un- bewiesenen Voraussetzungen ausgeht und sich überdies, wie Ostwald mit Recht hervorgehoben hat, gänzlich unfruchtbar gezeigt hat, verstößt sie gegen die Grundgesetze der Energetik, weil sie darauf hinausläuft, daß der Katalysator ohne Energiezufuhr freie Energie liefert, d. h. ein perpetuum mobile herbeiführen müßte. Die Katalyse kann die Reaktionsgeschwindigkeit vermehren oder vermindern, also den Reaktionsablauf beschleunigen oder verzögern. Bis in die neueste Zeit waren nur die in der Regel viel auffälligeren Reak- tionsbeschleunigungen bekannt: „positive" Katalysen. Wir kennen aber jetzt bereits eine ganze Reihe von Fällen sehr ausgeprägter kataly tischer Reaktionsverzögerungen, „negativer" Katalysen, von denen besonders die sehr merkwürdige Herabsetzung der Oxydationsgeschwindigkeit von Na- triumsulfit durch Spuren von Mannit, Benzolderivaten, Glycerin usw. [BiGEL0w(3)] und die Verlangsamung der Oxydation von Zinnchlorür durch Alkaloide [Young(4)j namhaft gemacht werden sollen. Verzögernde Wirkungen haben insbesondere Bredig und seine Mitarbeiter hinsichtlich der Katalysen durch Metallsole bekannt gemacht. Spuren von Blausäure, Jod, Schwefelwasserstoff vermögen die Wirksam- keit von Platinsol auf die Wasserstoffsuperoxydspaltung stark herabzu- setzen. Man kann diese „Giftstoffe" als „Antikatalysatoren" oder „Para- lysatoren" bezeichnen. Nach den Untersuchungen von Titoff (5) über die negative Katalyse der Oxydation von Natriumsulfit beruht die Wirkung von Mannit usw. darauf, daß die im destillierten Wasser vorhandenen, enorm stark katalytisch beschleunigend wirkenden Cu-Spuren durch den negativen Katalysator gebunden werden. Es ist selbst nicht ausgeschlossen, daß ein und derselbe Stoff bei manchen Katalysen als Aktivator fungiert, während er andere Katalysen hemmt. So weiß man wohl, daß Gegenwart von Wasser Reaktionen wie die Vereinigung von COg und Ätzkalk oder die Verseifung von Estern stark beschleunigt (6). Hingegen wird die Katalyse der Esterbildung durch starke Säuren nach H. Goldschmidt und Sunde (7), sowie der Zerfall von Oxalsäure in COg + CO ~4- HjO in konzentrierter Schwefel- säure nach Bredig (8) durch sehr kleine Spuren von Wasser stark ver- zögert. 1) J. Liebig, Pogg. Ann., 48, 106 (1839). — 2) C. v. Nägeli, Theorie der (Järung. p. 29 (1879). — 3) S. L. Bigelow, Ztsch. physik. Chem., 26, 493 (1898). — 4) S. W. YouNG, Journ. Amer. Chem. Soc, 23, 119 (1901); 24, 297 (1902). Auch Bredig, Ergeh. (1902), p. 142, wo weitere Fälle zitiert sind. — 5) A. Titoff, Ztsch. physik. Chem., 45, 641 (1908). — 6) Rohland, Chem.-Ztg., jo, 808 (1906). R. Kremann, Verh. Nat. Ges. (1905), //, (1), 83. — 7) H. Goldschmidt u. Ein. Sunde, Ber. Chem. Ges., 39, 711 (1906). — 8) G. Bredig u. W. Fraenkel, Ebenda, p. 1756 (1906); Biochera. Ztsch., 6, 306 (1907). § 4. Katalyse. 87 Die Messung der durch Katalysatoren bedingten Änderungen der Geschwindigkeit des Reaktioiisverlaufes geschieht nach dem von Ostwald angebahnten Verfahren, daß man die Zeiten gleichen Umsatzes im Reak- tionsgemisch mit und ohne Katalysator vergleicht. Diese Zeiten verhalten sich umgekehrt wie die Geschwindigkeitskonstanten der katalysierten und nichtkatalysierten Reaktion (1 ). Ostwald teilt die gegenwärtig bekannten Kontaktwirkungen in vier Gruppen ein: 1. Erstarrungserscheinungen bei übersättigten Lösungen durch Spuren fester Substanz, wie sie z. B. aus- gezeichnet an übersättigten Salol- oder Natriumsulfatlösungen beobachtet werden können (2); 2. Katalysen in homogenen Systemen; 3. Katalysen in heterogenen Systemen ; 4. Enzymwirkungen. Letztere sollen im nächsten Paragraphen selbständige Besprechung erfahren. In allen Fällen wirkt der Katalysator noch in minimalen Mengen. So wirkt die Schwefelsäure bei der Ätherbildung auf praktisch nicht begrenzte Mengen Alkohol ein. Bei der Rohr zuckerin Version ist nach Smith (3) noch eine katalytische Wirkung von 0,00000008 g Wasserstoffionen pro Kubik- zentimeter bei der Anwendung saurer Salze erkennbar. Nach Mayer (4) vermag noch 0,0000001 g Eisensulfat die Oxydation von JodkaUum (mit Stärkelösung als Indicator für Jod) zu katalysieren. Nach Bredig wirkt noch bis ^/^(^q ^oo ™? kolloidales Platin auf die mehr als milüonenf ache Menge H2O2 nachweisbar ein. Ostwald stellte fest, daß noch ein Hunderttausend- milhonstel Gramm schweres Krystallstäubchen von Natriumthiosulfat ge- nügt, um eine übersättigte Lösung dieses Salzes zum Erstarren zu bringen. Nach Titoff vermag Kupfersulfat sogar noch in der Konzentration von ein MilHardstel Mol im Liter die Oxydation von Natriumsulfit erhebüch zu be- schleunigen. Interessant ist der Nachweis von Bredig und Weinmayr, daß eine eben noch katalytisch wirksame Quecksilberhaut nur l,5xl0~^ cm dick zu sein braucht. Diese Schichtdicke entspricht der Größenordnung der Molekulardurchmesser. Die Antikatalysatoren wirken nach den Erfah- rungen von BiGELOW und Bredig ebenfalls noch in verschwindend kleinen Mengen auf die von ihnen beeinflußten Reaktionen ein. Bei variierender Menge des zugesetzten Katalysators hat sich häufig herausgestellt, daß die Beschleunigung der Reaktion der Konzentration des Katalysators proportional läuft So ist bei den Säuren die kata- lytische Wirksamkeit mit großer Annäherung proportional der Konzen- tration der Wasserstoffionen (5). Man hat daher in der Messung der katalytischen Wirksamkeit ein gutes Mittel, um die Menge einer freien Säure in biologischen Versuchen zu bestimmen. Nach den Feststellungen von Bredig (6) ist besonders der Zerfall des Diazoessigsäureäthylesters mit Wasser eine gegen Wasserstoffionen äußerst empfindliche Reaktion. In seltenen Fällen (Umlagerung von Cinchonin zu Cinchotoxin) wirken allerdings schwächer dissoziierte Säuren stärker katalytisch als stärker dissoziierte (7). Auch die katalytische Wirkung von Basen ist sehr an- genähert proportional dem Gehalte der Lösung an freien Hydroxylionen. 1) Näheres hierüber bei Bredig, Ergebn. (1902), p.. 158. — 2) Vgl. Ostwald, Ztsch. physik. Chem., 22, 289 (1897). Verh. Ges. dtsch. Naturf. u. Ärzte, 73. Vera, z. Hamburg (1901), p. 185. G. Jaffe, Ztech. physik. Chem.. 43, 565 (1903). — 3) W. A. Smith, Ztsch. physik. Chem., 25, 144 (1898) — 4) O. Mayer, Chem.-Ztg., 27, 662 (1903). — 5) Zur Kenntnis der kleinen Abweichungen von diesem Gesetze vgl. W. Palmaer, Ztsch. physik. Chem., 22, 492 (1897). — 6) G. Bredig u. W. Fraenkel, Ztsch. f. Elektrochem., //, 525 (1905). — 7) P. Rabe, Ber. Chem. Ges., 45, 1447, 2927 (1912). H. C. Biddle, Ebenda, p. 2832. SS Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Der Katalysatorkonzentration ist aber auch noch in anderen Fällen die katalytische Wirkung proportional gefunden worden. Doch fehlt es nicht ein zahlreichen Abweichungen. Ernst (1) fand die katalytische Wirkung von Platinsol auf Knallgas der absoluten Menge des verwendeten Platins proportional. Wichtig ist die von Arrhenius(2) besonders studierte beträchtliche Steigerung der katalytischen Wirkung von Säuren durch gleichzeitig anwesende Neutralsalze. So steigert 0,4 normal NaCl die Geschwindigkeit der Saccharoseinversion durch Säuren um 26%. Sind mehrere Katalysatoren gleichzeitig anwesend, so können sich ihre Wirkungen einfach addieren, oder es tritt eine Wirkung ein, welche auffallend größer oder kleiner ist als die Summe der Einzelwirkungen (3). Dabei ist es möglich, daß die beiden Katalysatoren sich zu einem ein- zigen Katalysator vereinigen, welcher viel stärker oder schwächer wirkt als jede der beiden Komponenten (4). Wenn man denselben Katalysator erst bei zwei Einzelprozessen, dann in der Mischung beider Prozesse beobachtet, so findet nach Henri und Larguier(5) in letzterem Falle bei reinen Katalysen einfache Addition der Reaktionsgeschwindigkeiten statt. Es kommt auch vor, daß während des Ganges einer Reaktion eine Substanz, welche die Reaktion katalysiert, durch diese Reaktion selbst entsteht. Daher nimmt die Geschwindigkeit dieser Reaktion fort- während mehr und mehr zu. So löst Salpetersäure, welche schon etwas Kupfer gelöst hat, vermöge der hierbei entstandenen kleinen Menge von HNO2, das Metall viel rascher als reine Salpetersäure. Ostwald (6) hat derartige Erscheinungen als „Autokatalyse" bezeichnet. Sie werden gewiß auch im lebenden Organismus eine wichtige Rolle spielen. Hierher gehört vielleicht auch die Beobachtung von Trillat(7), daß metallisches Kupfer nach längerem Gebrauche für katalytische Reaktionen besser ge- eignet ist als anfangs. Wir kennen Katalysatoren, welche sehr allgemein auf Reaktionen verschiedener Art einwirken, und solche, deren Wirkungssphäre be- schränkt ist Wasserstoffionen, auch Aluminiumchlorid (8) zeigen eine sehr ausgedehnte Befähigung, auf differente Reaktionen beschleunigend einzuwirken. Auch Platinschwarz hat, wie 0. Loew(9) gezeigt hat, einen ausgebreiteten Wirkungskreis als Katalysator. Katalysatoren, welche einen enger begrenzten Wirkungskreis haben, wie die auf Oxydationen und Reduktionen wirkenden Schwermetallkationen, wirken häufig auf 1) Ernst, Ztsch. phys. Chem., 37, 464 (1901); ferner M. Bodenstbin, Ebenda, 46, 725 (1904). Für die Katalyse von O^ + NO durch Feuchtigkeit: J. Meynier, Compt. rend., 14S, 1516 (1909). — 2) Arrhenius, Ztsch. physik. Chem., 4, 237 (1889). Nach V. Henri, Joum. de Physiol., 2, 933 (1900) kann Saccharose-Säure- inversion auch in konzentrierter Glycerinlösung schneller verlaufen als in wässeriger Lösung. — 3) Hierüber bes. Brode, Ztsch. physikal. Chem., 37, 257 (1901). H. Schade, Ztsch. exp. Pathol. u. Ther., /, 603 (1905). — 4) Wl. Ipatiew, Ber. Chem, Ges., 45, 3205 (1912). — 5) Henri u. Larquier des Bancels, C r. Soc. Biol., 55, 864 (1903). — 6) Über Autokatalyse: Ostwald, Ber. sächs. Ges. Wiss. (1890), p. 189. Lehrb. allgem. Chem., //, (2), 275 (1897). Verhandl. Ges. dtsch. Naturf. u. Ärzte, 73. Vera. z. Hamburg (1901), p. 196; an letzterem Orte ist eme geistvolle Parallele zur physiologischen Erscheinung der Gewöhnung gezogen. M. Bodenstein, Ztsch. physik. Chem., 49, 41 (1904). A. Quartaroli, Gaz. chim. ital., 41, H, 64 (1911). — 7) Trillat, Bull. Soc. Chim. (3), 29, 939 (1903). Der Vergleich, den A. L. Hagedoorn, Autocatalyt. Substances the determinants for the inheritable characters, ßoux, Vorträge üb. Entw.mechan., XII (Leipzig 1911), mit Vererbungserscheinungen zieht, trifft nur einige äußerliche Analogien. — 8) Bezüglich der interessanten Kata- lysen mit Hilfe von organischen AlCl,-Verbindungen vgl. Gustavson, Compt. rend., 136, 1065 (1903). — 9) O. Loew u. K. Aso, Bull. Coli. Agr. Tokyo, 7, 1 (1906). Holzkohle: G. Lemoine. Compt. rend., 144, 357 (1907). § 4. Katalyse. 89 verschiedene Stoffe verschieden intensiv ein. So katalysieren Ferrosalze und Chromate die Oxydation von Jodwasserstoff durch Chlorsäure oder Bromsäure stark, nicht jedoch die entsprechende Oxydation durch Jod- säure [ScHiLOw(l)]. H2O2 und Thiosulfat liefern bei Gegenwart von Jodionen Tetrathionat, wenn Molybdat zugegen aber auch Sulfat (2). Pal- ladiumschwarz katalysiert Hexameihylen zu Benzol und Wasserstoff, wirkt aber auf Pentamethylen, Hexan nicht ein [Zelinsky(3)]. Man hat daher in jedem Falle den passenden Katalysator empirisch ausfindig zu machen. Die interessanten Untersuchungen von Bredig und Brown (4) über die chemische Kinetik der bekannten Kjeldahl-Analyse zeigen, wie wichtig solche Versuche für die analytische Praxis sind. Nach Walker (5) scheint es auch eine katalytische Spaltung race- mischer Verbindungen zu geben, wie für die Einwirkung von kleinen Mengen Alkali auf Amygdalin wahrscheinlich gemacht wurde. Von großem biologischen Interesse ist die Beobachtung von Bredig und Fajans(6), daß optisch aktive Basen wie Nicotin, Chinin, die Spaltung der d- und 1-Camphocarbonsäure in COg und Kampfer sehr verschieden stark katalysieren. Hier ist in ähnlicher Weise, wie im nächsten Para- graph hinsichtlich der Enzyme zu berichten sein wird, die stereochemische Spezifität der Katalysatoren deutlich ausgesprochen. Nach Bredig und Fiske(7) gelingt es ferner, sowie mit Emulsin, auch mit Chinin oder Chinidin als Katalysator aus Benzaldehyd und Blausäure optisch aktive Mandelsäurenitrile und Mandelsäure zu synthetisieren. Wenn der Katalysator sich während der Reaktion nicht ändert und nicht etwa in so großer Menge zugegen ist, daß seine Bedeutung als Lösungsmittel nicht mehr zu vernachlässigen ist, so darf man es als nachgewiesen betrachten, daß die Gleichgewichtskonstante der Reaktion nicht geändert wird. Die nähere Durchforschung des Gebietes der Katalysen scheint immer mehr zu zeigen, daß die ideale Forderung, daß der Katalysator seine Konzentration während der Reaktion nicht ändert, häufig unerfüllt bleibt; er reagiert vielmehr mit einem oder mit mehreren der Stoffe im Reaktionsgemische (8). Wenn die stark basischen Iminoäther in ihrer Spaltung durch Säuren katalysiert werden, so nimmt die Säure an dem Gleichgewichte in einem bestimmten Grade teil (9), Daß hingegen in anderen Fällen das dynamische Reaktionsgesetz durch den Katalysator nicht geändert wird, haben namentlich die kriti- schen Studien von Koelichen(IO) über die chemische Dynamik der Acetonkondensation durch Basen und von Turbaba(II) über das Gleich- 1) N. ScHiLOW, Ztsch. physik. Chem., 27, 513 (1898). — 2) A. E. Abel, Ztsch. Elektrochem., 18, 705 (1912 — 3) N. Zelinsky, Ber. Chem. Ges., 44, 3121 (1911); 45, 3678 (1912). — 4) Bredig u. J. W. Brown, Ztsch. physik. Chem., 46, 502 (1903). — 5) J. W. Walker, Proceed. Chem. Soc, /5, 198 (1902). Katalyt. Racemisierung: Chr. Wlnther, Ztsch. physik. Chem., 50, 465 (1906). — 6) G. Bredig u. K. Fajans, Ber. Chem. Ges., 4/, 752 (1908). K. Fajäns, Ztsch. physik. Chem., 73, 25 (1910). Frühere Forschungen nach dieser Richtung bei G. Bredig, Ztsch. angewandt. Chem., 20, 308 (1907). Bredig u. R. W. Balcom, Ber. Chem. Ges., 41, 740 (1908). — 7) G. Bredig u. Fiske, Biochem. Ztsch., 46, 5 (1912). — 8) S. F. Acree u. J. M. Johnson, Amer. Chem. Journ., 38, 258 (1907). — 9) J. Stieglitz, Amer. Chem. Journ., J9, 29 u. 402 (1908). Zu diesem Thema vgl. auch W. Ipatjew, Chem. Zentr. (1908), //, 480. Über die Besonderheiten der Katalyse von HBrO, + JH durch Chromsäure: R. H. Clark, Journ. Physic. Chem., //, 353 (1907). — 10) K. KoE- lichen, Ztsch. physik. Chem.. jj, 129 (1900). — 11) Turbaba, Ztsch. physik. Chen., j*. 505 (1901). 90 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. gewicht von Aldehyd und Paraldehyd bewiesen. Das Gleichgewicht darf bei konstanter Temperatur in verdünnten Lösungen als von der Kata- lysatormenge unabhängig angesehen werden. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß das Gesetz des zeitlichen Ab- laufes einer Reaktion durch den Katalysator geändert werden kann und z. B. eine Reaktion, welche ohne Katalysator nach dem Geschwindigkeits- gesetze unimolekularer Reaktionen abläuft, in der Katalyse einem anderen Zeitgesetze gehorcht. Brode hat tatsächlich einen solchen Fall bei der Katalyse der Reaktion zwischen Hydroperoxyd und Jodwasser- stoff durch Molybdänsäure aufgefunden und es wahrscheinlich gemacht, daß Zwischenreaktionen hierbei beteiligt sind. Analoge Erscheinungen sind die von Wagner (1) als „Pseudokatalysen" benannte Reaktionsbeschleu- nigungen durch Vermittlung schneller verlaufender Zwischenreaktionen. Henri und Larguier des Bancels(2) meinen, „reine Katalysen" von „mittelbaren Katalysen" durch das Merkmal trennen zu können, daß nur die letzteren durch Zwischenstufen zum Endprodukt führen. Eine ganz allgemein geltende Erklärung (3) der katalytischen Wir- kungen ist wohl kaum zu erwarten. Von den bis heute aufgestellten Er- klärungsversuchen hat die „Theorie der Zwischenprodukte" (4) die weit- gehendste Anwendbarkeit; weniger gilt dies von der lonenhypothese Eulers. Für heterogene Systeme sind die Adsorptionswirkungen gewiß von Be- deutung. Daß die alte LiEBiGsche Atomschwingungstheorie heute unhalt- bar geworden ist, vsoirde oben bereits bemerkt. Schon 1806 haben Clement und DfesORMES die katalytische Beschleunigung der Schwefelsäurebildung im Bleikammerprozeß durch intermediäre Oxydation und Reduktion des Stickoxyds zu erklären versucht. Später haben Traube und Schönbein in analoger Weise die physiologische Oxydation durch Vermittlung von Wasserstoffperoxyd resp. Ozon erklären wollen. In neuerer Zeit hat speziell für die Oxydationen und deren katalytische Beschleunigung im Organis- mus Bach (5) die Entstehung von Peroxyden als Zwischenprodukten ange- nommen und dieselbe mit Hilfe einiger qualitativer Reaktionen nicht nur bei physiologischen Verbrennungen, sondern auch bei sehr vielen inorga- nischen und organischen Oxydationen nachgewiesen. Ähnliche Anschauungen sind von Engler und seinen Mitarbeitern (6) aufgestellt worden. Es ist übrigens auch gezeigt worden [van 't Hoff, Jorissen (7)], daß bei Oxy- dationen so viel Sauerstoff „aktiviert" wird, als von der oxydablen Sub- stanz aufgenommen wird. Nach Abel (8) ist die Katalyse der Reaktion zwischen Thiosulfat und HgOg durch Jodionen ein gutes Beispiel für eine „Zwischenreaktionskatalyse". Die Reaktion H2O2-I- 2S203"-f 2H* = 2H2O 1) J. Wagner, Ztsch. physik. Chem., 28, 33 (1899). Auch C. Engler u. L. WöHLER, Ztsch anorgan. Chem., 2g, I (1902). — 2) Henri u. Larguier des Bancels, C. r. Soc. Biol., 53, 864 (1903). Die „Semikatalysen" von A. Colson, Corapt. rend., 146, 817 (1908), umfassen Prozesse, Avelche den echten Katalysen nur äußerlich ähnlich sind und ohne die wirksame Substanz überhaupt nicht vor sich gehen. — 3) Hierzu die Zusammenstellungen von Bredig, Ergebn. (1902), p. 177. M. Bodenstein, Chem.-Ztg., 26, 107.5 (1902). Vorlesungsversuche: A. A. NoYES u. G. V. Sammet, Zisch, physik. Chem., 4h H (1902). — 4) Die von EiEDEL, Ztsch. angewandt. Chem., 16, 492 (1903), gegen diese Theorie erhobenen Einwände haben Bredig u. Haber, Ebenda, p. 557, widerlegt. — 5) A. Bach, Compt. rend., 124, 951 (1897). — 6) C. Engler u. M. Wild, Ber. Chem. Ges., 30, 1669 (1897). Engler u. J. Weissberg, Ber., jr. 3046 (1898). Auch S. Tanatar, Zt.'.ch. physik. Chem., 40, 475 (1902). — 7) J. H. van 't Hopf, Ztsch. physik. Chem., 16, 411 (1895). W. P. Jorissen, Ebenda, 22, .34 (1897); 23, 667 (1897). — 8) E. Abel, Ztsch. Elektrochem., 13, 555 (1907). § 4. Katalyse. 91 -f- S4O6" verläuft dann in zwei Stufen: 1. HgOg + J' = HgO + JO' (mit meß- barer Geschwindigkeit) und 2. JO' + 2 S2O3 + 2 H" = HjO + J' + S4O6 (sehr rasch). Bei derartigen Vorgängen muß der Katalysator natürUch nicht die Geschwindigkeit sämtlicher Teilvorgänge im gleichen Maße erhöhen. Selbst- verständhch ist mit dem quaUtativen Nachweise der Zwischenprodukte für die Begründung einer Theorie des katalytischen Vorganges noch nicht viel geschehen. Man hat vielmelir den ganzen Prozeß in seinen Teilvorgängen nach den Regeln der chemischen Kinetik zu untersuchen und den Nach- weis zu erbringen, daß wirklich der Weg über die Zwischenprodukte mit dem Katalysator eine größere Reaktionsgeschwindigkeit zustande bringt, als die nicht katalysierte Reaktion sie besitzt. Dazu werden sich besonders langsamer verlaufende Reaktionen eignen, und es hat Federlin (1 ) eine derartige Untersuchung bereits unternommen. Die für die Biochemie sehr wichtige ausführliche Bearbeitung dieses Gebietes steht noch aus. Ob die „Theorie der Zwischenprodukte" sich auf negative Katalysen anwenden läßt, ist mindestens noch fraglich. Für manche Fälle ist diese Theorie direkt unwahrscheinhch (2), wenn man auch J. Boeseken (3) darin nicht beistimmen kann, daß die Wirkung der Katalysatoren durch die Wirkung von Zwischenreaktionen nie erklärt werden könne. An die Zwischen- produkttheorie schheßen sich auch die Ausführungen von Wegscheider (4) über die katalytischen Umlagerungen des Cinchonins an. Euler (5) geht, um die katalytischen Wirkungen zu erklären, von der Annahme aus, daß alle chemischen Verbindungen als Elektrolyte an- gesehen werden können, und auch Nichtleiter nie absolut undissoziiert in Lösung gehen. Katalysatoren sollen nun die lonenkonzentrationen steigern und hierdurch die Reaktionsgeschwindigkeit vermehren. Mit Ostwald kann man eine Schwierigkeit für diese Anschauung in der Tat- sache finden, daß zwei gleichzeitig wirkende Katalysatoren eine viel größere Beschleunigung der Reaktion erzielen können, als die Summe der Einzel- wirkungen beträgt. Zur Erklärung der katalytischen Wirkung der H*- und OH'-Ionen, insbesondere der Säuren, wären auch die Arbeiten von Rohland (6) und von Konowalow (7) zu vergleichen. Die Katalysen in heterogenen Systemen sind viel weniger genau bekannt, als die katalytischen Vorgänge in homogenen Gemischen, ob- zwar die katalytische Wirkung fein verteilten Platins auf Knallgas be- reits 1820 durch Döbereiner (8) entdeckt worden war. Die Zerlegung von H2O2 durch fein verteilte Edelmetalle hatte Thenard (9) 1818 entdeckt. Döbereiner fand auch die Oxydation von Alkohol zu Essigsäure durch Platinmohr. Später fügte Schoenbein hinzu, daß auch andere Oxydationen (Pyrogallol) durch Platinmohr katalysiert werden ; 1) W. Federlin, Ztsch. physik. Chem., 41, 565 (1902). — 2) Vgl. Tafel, Ztsch. phy.sik. Chem., /p, 592 (1896). — 3) J. Boeseken, Van Bemnielen-Festsclirift (1910), p. 386. — 4) R. WEGSCHEIDER, Ztach. physik. Chem., 34, 290 (1900). — 5) H. Ehler, Ztsch. physik. Chem., j2, 348 (1900): 36, 641 (1901). Grundlagen der Pflanzenchemie, //, 48 (Braunschweig 1909). C Zengelis, Ber. Chem. Ges., 34, (1), 198 (190n. R. Kremann, Verhandl. Naturf. Ges. (1905), //, (1), 83. Auch die ,, Dissoziationskatalyse" von O. Rufe, Ber. Chem. Ges., J5, 44.Ö3 (1902J, ist eine ver- wandte Idee. — 6) P. Rohland, Ztsch. physik. Chem., 56, 319 (1906). — 7) D. KoNOWALOW, Chem. Zentr. (1908), /, 98. — 8) J. Döbereiner. Gilb. Ann., 72, 193 (1822); 74, 269 (1823). Pogg. Ann., j6, 308 (1835); 64, 94 (1845). — 9) Thenard, M^ru. Ac. Scienc, 3, 385 (1818). 92 Zweites Kapitel; Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Traube konstatierte es für Zucker, Loew für Ammoniumnitritbildung aus Ammoniak (1). Bemerkenswert ist unter den vielen anderen An- gaben der Befund von Gladstone und Tribe (2), daß die Nitratreduktion durch Wasserstoff von fein verteiltem Platin katalysiert wird, und die Erfahrung, daß Platinmohr auch die Saccharoseinversion katalysiert [Rayman und Sulc(3)], Über weitere katalytische Wirkungen von Platinschwarz haben 0. Loew und Aso(4) berichtet. Es ist bekannt, daß die übrigen Me- talle der Platingruppe (Pd, Ir, Ru, Os, Rh) gleichfalls kräftige Kata- lysatoren sind, welchen sich von anderen Metallen besonders das Au, Ag, Cu, Pb, Hg, Fe und Mn an die Seite stellen. Palladiumkolloid wird ia jüngster Zeit als kräftiger Katalysator der Wasserstoff anlagerung und Wasserstoffentziehung bei hydrierten Kohlenstoffverbindungen verwendetes). Schade (6) teilt die interessante Tatsache mit, daß katalytische Oxydationen durch ein Gemisch zweier Metalle kräftiger sein können, als mit jedem Metall für sich. Über die katalytischen Wirkungen der Cerisalze, welche von den Stoffen ihrer Gruppe allein Katalyseneffekte äußern, haben Barbieri und Volpino (7) berichtet. Die Peroxyd- zersetzung und die Oxydation von Guajaconsäure werden übrigens durch verschiedene inorganische Pulver (Glas, Mehl, Talk, Kohle) katalysiert (8). Mit Bredig (9) kann man das Gebiet der heterogenen Katalysen in jenes der makroheterogenen Systeme und jenes der mikroheterogenen Systeme einteilen. Letzteres umfaßt dann die Katalysen durch Metallsole. Durch die Arbeiten von Nernst und Brunner (10) ist gezeigt worden, daß in jenen Fällen, in welchen der chemische Vorgang an den Grenz- flächen, im Vergleiche zur Diffusion, durch die der gelöste Stoff zur Grenzfläche gebracht wird, sehr rasch erfolgt, eine energische Durch- rührung auch solche Reaktionen dem Geschwindigkeitsgesetze unimole- kularer Reaktionen sehr annähern kann. In der Tat haben Versuche von Bredig (11) mit platinierten Platinblechen und Quecksilberoberflächen derartige Ergebnisse zur Folge gehabt. Dies ist biochemisch sehr wichtig, da viele Reaktionskatalysen in der Zelle sich an Grenzflächen abspielen. 1) ScHOEKBEiN, Journ. prakt. Cheru., 89, Hl Bleiehung von Indigosulfosäure durch H2O2 und Bläuung von Guajac durch H^Og werden mittels Pt katalysiert: Journ. prakt. Chem., 75, 79; 78, 90. M. Traube, Ber. Chem. Ges., 7. 115 (1874). 0. Loew, Ber. Cham. Ges., 23, 1447, 3018 (1890). Zerfall von Calciumformiat: Deville u. Debray, Compt. rend., 7S, 1782 (1874). Hoppe-Seyler, Ztsch. physiol. Chem., 5, 395; //, 566. Pflüg. Arch., 12, 1. Oxydation von Oxalsäure: O. SULC, Ztsch. physik. Chem., 28, 719 (1899). — 2) Gladstone u. Tribe, Ber. Chem Ges., 12, 390 (1879). — 3) B. Rayman u. O. Sülc, Ztsch. physik. Chem., 21, 481 (1896). Fr. Plzak u. Husek, Ebenda, 47. 733 (19Q4). R. Vondracek, Ebenda, 50, 560 (1905). — 4) O. Loew u. K. Aso, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 7. 1 (1906). — 5) Kelber u. Schwarz, Ber. Chem. Ges., 45, 1946 (1912). Skita, Ebenda, p. 3312, 3579. Zelinsky, Ebenda, p. 3677. Nickel: Senderens u. Aboulenc, Bull. Soc. Chim., (4), //, 641 (1912). — 6) H. Schade, Ztsch. exp. Pathol. u. Ther., /, 603 (1905). — 7) G. A. Barbieri u. A. Volpino, Atti Accad. d. Line. Roma, (5), 16, 1, 399 (1907). — 8) Hierzu Ed. Filippi, Arch. Farmacol. sperim., 6, 363 (1907). M. Bodenstein u. F. Ohlmer, Ztsch. physik. Chem., 53, 166 (1905). Kohle: G. Lemoine, Compt rend-, 144, 357 (1907). — 9) G. Bredig, Ztsch. Elektrochem., iz, 581 (1906). — 10) E. Brunner, Ztsch. physik. Chem., 47, 52 (1904); 51, 494 (1905); 58, 39 (1907). — 11) G. Bredig, Ztsch. Elektrochem., 12, 581 (1906). Bredig u. J. Weinmayr, Ztsch. physik. Chem., 42, 601 (1903). J. Teletow, Chem. Zentr. (1908), /, 793. Die Kinetik der Kontaktschwefelsäureerzeugung behandeln M. Boden- stein vl. C. G. Fink, Ztsch. physik. Chem., 60, 1, 46 (1907). § 4. Katalyse. 93 Nach den Untersuchungen von Bredig (1) und seinen Schülern eignet sich die makroheterogene Katalyse von Hydroperoxyd an einer Qnecksilberoberfläche auch sehr gut dazu, um die interessante Erschei- nung rhythmischer oder „pulsierender" Katalysen vor Augen zu führen. Wenn man auf gut gereinigtes Quecksilber eine lO^/oige HoOj-Lösung (1 Vol. Perhydrol Merck H 2 Vol. W.) schichtet, so tritt in der Regel bei Zimmertempeiatur ein rhythmisches Stärker- und Schwächerwerden der Gasentwicklung ein. Die „Pulsfrequenz" wird durch Temperatur- steigerung vermehrt, durch geringe Salzmengen (Citrat) stark herab- gesetzt, und besonders Spuren von Säuren oder Alkalien beeinflussen das Pulsationsphänomen sehr stark. Mit Hilfe eines GADschen Mano- meterschreibers kann man die Kurven leicht längere Zeit hindurch graphisch registrieren. Reizt man das System durch einen Wechselstrom, so steigt die Reizstromstärke für die katalytische Pulsation auf das Doppelte, wenn die Wechselzahl des Reizstromes viermal größer wird. Dies stimmt mit dem von Nernst(2) für die Nervenreizung durch Wechselströme entwickelten Gesetze i/y- = k überein, worin i die Schwelle der wirksamen Stromstärke und n die Stromfrequenz bedeutet. Bezüglich des Mechanismus der makroheterogenen Katalvsen sind verschiedene Vermutungen geäußert worden. Mond, Ramsay und Shields(3) nehmen an, daß bei Oxydationskatalysen eine oberflächliche Oxydation d6s fein verteilten Metalles erfolge, aber keine physikalische Kondensation oder Verflüssigung in den Poren, und daß das entstehende Platinoxydulhydrat bei der Katalyse beteiligt sei. Duclaux(4) ist der Ansicht, daß die höhere Temperatur und der höhere Gasdruck an der Oberfläche der porösen Körper die Reaktionsbeschleunigung veranlasse. Mit Denham(5) kann man zugunsten der Oberflächenverdichtungs- oder Adsorptionstheorie den Umstand geltend machen, daß bei der Katalyse durch Platinblech (eigene Versuche und jene von Bodenstein und Ohlmer) der Temperaturkoeffizient auf 1,4 bemessen werden konnte. Da es bekannt ist, daß die chemischen Reaktionen (auch jene, welche durch Enzyme katalysiert werden) einen Temperaturkoeffizienten von 2 für je 10^ C Intervall besitzen, während bei Adsorptionsvorgängen Werte von ungefähr 1,3 vorkommen, so spricht dieses Moment für die Adsorptionstheorie der makroheterogenen Katalyse. Gewiß wird die Konzen- trationserhöhung des katalysierten Stoffes an der enormen Katalysatorbber- fläche an und für sich einen Umstand der Reaktionsbeschleunigung darstellen. Die mikroheterogenen Katalysen sind zunächst bekannt geworden durch das von Bredig und seinen Schülern (6) angebahnte Studium der 1) G. Bredig u. J. Weinmayr, Ztsch. physik. Chem., 42, 601 (1903). Bredig u. E. Wilke, Verhandl. Nat.-Med. Ver. Heidelberg, 8, 165 (1905); Biochem. Ztsch., //, 67 (1908). Bredig, Biochem. Ztsch.. 6, 322 (1907). G. Bredig u. J. W. Kerb, Verhandl. Nat.-Med. Ver. Heidelberg, /o, 23 (1909). A. v. Antropoff, Ztsch. physik. Chem., 62, 513 (1908). — 2) W. Nernst, Pflüg. Arch.. 122, 275 (1908). — 3) L. Mond, W. Ramsay u. J. Shields, Ztsch. physik. Chem., 19, 24 (1896); 25, 657 (1898). Vgl. weiter N. Pappada, Gaz. chini. ital., 37, II. 172 (1907). — 4) Jacq. Duclaijx, Compt. rend., 152, 1176 (1911). — 5) H. G. Denham, Di.«». Heidelberg (1909); Ztsch. physik. Chem., 72, 641 (1910). — 6) Literatur: G. Bredig u. R. MÜLLER V. Berneck, Ztsch. physik. Chem., 31, 258 (1899). Bredig u. K. Ikeda, Ebenda, 37, 1 (1901). Bredig u. W. Reinders, Ebenda, 37, 323 (1901). Bredig, Anorgan. Fermente (1901). Mac Intosh, Journ. Physic. Chem., 6, 15 (1901); vgl. auch Lokwenhart u. Kastle, Amer. ehem. Journ., 29, 397 (1903). H. Neilson u. Brown, Amer. Journ. Physiol., 10, 225 (1903). Mouton, Ann. Inst. Pasteur, 14, 571 (1900). S. Liebermann, Ber. Chem. Ges., 37, 1519 (1904); Pflüg. Arch., 104, 119 (1904). C. Paal u. C. Amberger, Ber. Chem. Ges., 40, 2201 (1907). 94 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Katalyse durch Metallsole, welche durch elektrische Zerstäubung von Metalldrähten unter reinem Wasser erhalten wurden. Solche Kolloid- lösungen haben recht beständige Wirksamkeit. Das Platinsol, welches höchstens 1 Grammatom Platin auf 1000 Liter Wasser enthält, zerlegt HaOj kräftig, bläut Guajac-Harzemulsiou auch ohne HgOj-Zusatz und be- schleunigt deutlich die Nitritreduktion zu NH3 durch Wasserstoff. Diese Katalysatoren sind ebenso leicht dosierbar wie lösliche Stoffe. und es hat Bredig näher ausgeführt, wie interessante Vergleichspunkte sich zwischen diesen Kolloiden und den Enzymen eröffnen, welche wir ja heute am besten ebenfalls als kolloide Katalysatoren von spezifischer Wirkungssphäre auffassen. Besonders die HjOg-Katalyse durch Platinsol ist durch Bredig eingehend untersucht worden. Die Wirkung ist noch nachweisbar in einer Verdünnung von 1 Grammatom Platin auf 70 Millionen Liter Wasser auf die mehr als millionenfache Menge HgOg. In nahezu neutraler oder schwach saurer Lösung verlaufend, stellt die Platinkatalyse des H2O2 eine Reaktion erster Ordnung dar; sie ist praktisch vollständig zu Ende zu führen. Hydroxylionen steigern die Platinwirkung erheblich, doch nur bis zu einer gewissen Konzentration (z. B. ^j^^ normal NaOH); konzentriertere Laugen verzögern die Reaktion. Vermindert man die Konzentration des Platinsol in geometrischer Progression, so sinkt auch die Geschwindigkeitskonstante der Peroxydkatalyse in geometrischer Pro- gression. Höhere Temperatur fördert die Reaktion stark, ohne daß sich ein Optimum ergeben würde. Gegen Erhitzen sind diese Katalysatoren wenig empfindlich. Die Katalyse des H2O2 durch kolloidales Palladium- sol folgt nach Bredig und Fortner (1) denselben Gesetzen mit geringen Modifikationen. Die katalytische Beeinflussung der Autolyse durch Metallsole ist sehr deutlich (2). Auch die Iridium-H202-Katalyse gehorcht dem Zeitgesetze uuimole- kularer Reaktionen [Brossa(3)]; der Temperaturkoeffizient wurde hier mit 1,6 bestimmt. Platin wie Iridiumsol wirken nach Bredig und Sommer (4) stark auf die Reduktion von Methylenblau durch Formal- dehyd; die reduzierende Wirkung der Ameisensäure auf Methylenblau wird durch Platinsol gleichfalls katalysiert. Über die Messungsmethodik bei Metallsolkatalysen wolle man die Darlegungen von V. Henri (5) vergleichen. Wichtig sind ferner die Erfahrungen Bredig s über die Hemmung der Metall solkatalysen durch Spuren von SH2 (noch 0,000003 Mol im Liter wirkt stark verzögernd), Blausäure, Jod, Phosphor, Sublimat und einigen anderen Stoffen, Auf Iridiumsol ist nach Brossa Jod wirkungs- los, und Alkalien fördern die Wirkung nicht wie bei Platinsol. Diese hemmenden Wirkungen erklärt man mit Bredig am besten durch die Annahme, daß der hemmende Stoff die wirksame Oberfläche des Platins chemisch verändert, z. B. durch Bildung von Sulfit oder Cyanür. Nach längerer Zeit „erholt" sich das Platin von der „Vergiftung" und wird neuerlich wirksam, indem sich durch Verbrennung der Blausäure die wirksame Oberfläche wieder herstellt. Blausäure „vergiftet" übrigens nur Platinsol, nicht aber auch Platinmohr. Da wir in den Enzymen relativ sehr empfindliche und leicht veränderliche Katalysatoren kennen. 1) Bredig u. M. Fortner, Ber. Chem. Ges., 37, 798 (1904). — 2) Ascoli u. IzER, Berlin, klin. Woch.schr., 4, 96 (1907). — 3) G. A. Brossa, Ztsch. physik. Chem., 66, 162 (1909). — 4) G. Bredig u. F. Sommer, Ztsch. physik. Chem., 70, II, 34 (1910). — 5) V. Henri, C r. Soc. ßiol., 60, 1041 (1906). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 95 SO sind die Hemmungserscheinungen an den „anorganischen Fermenten*' eine bemerkenswerte Parallele. Allerdings wissen wir heute noch nicht, wie weit die tatsächliche Analogie geht. Jedenfalls sind die Platin- hemmungsstoffe „Antikatalysatoren" im Sinne Bredigs und beeinflussen den Reaktionseffekt durch eine Wirkung auf den Katalysator (1 ). Bei dem häufig zu beobachtenden Einfluß von Alkaloiden und deren Salzen auf die Katalyse hat man, wie Brown und Neilson(2) ausgeführt haben, zu beachten, daß es bei den letzteren sehr auf die Art des Säureanions im Alkaloidsalz ankommt. So erwiesen sich die Alkaloidsalze von HCl, HBr, HNOg, aber auch die Metallsalze dieser Säuren als unwirksam, während die Salze von Essigsäure, Valeriansäure und Citronensäure beschleunigend wirkten. Zweifellos hat man es hier mit Adsorptionserscheinungen zu tun. Eine Theorie der Metallsolkatalysen läßt sich zurzeit ebensowenig aufstellen wie auf den anderen Gebieten der Katalyse. Doch neigt man sich auch hier den oben auseinander gesetzten AJaschauungen zu, daß Zwischenprodukte hierbei eine maßgebende Rolle spielen und es sich um Stufenreaktionen handle. Bredig selbst (1901) hält die HABERSche An- schauung, daß die Platinkatalyse des Hydroperoxyds in einer stufenweisen Reduktion und Oxydation besteht, nach den Gleichungen: y H2O2 -f n Pt = PtnO + y HjO PtnOy -f y H2O2 = n Pt -[- y HjO + y O2 für die einwandfreieste Darstellung des Vorganges. Über die anderen bisher aufgestellten Theorien findet man bei Bredig 1. c. nähere Dar- legungen. Die Knallgaskatalyse durch Platin ist durch Ernst, sowie durch A. V. Hemptinne (3) studiert worden. Ersterer arbeitete mit BREDiGschem Platinsol, letzterer mit Platinmohr. § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme (4). Berzelius (5), der scharfsinnige Beurteiler der katalytischen Wir- kungen, erkannte bereits klar, daß es sich bei den sogenannten Ferment- wirkungen im Wesen nur um Kontaktwirkungen handle, und er stand nicht an, in richtiger Vorahnung zu schreiben, daß vielleicht Tausende 1) Die gegenteilige Ansicht von R. Raudnitz, Ztsch. phyeik. Chem., 37, 551 (1901), ist durch Bredig widerlegt worden, ebenda, 38, 122 ri901). — 2) O. H. Brown u. C. H. Neilson, Amer. Journ. Physiol., /j, 427 (1905). — 3) Ernst, Ztsch. phvsik. Chem., j/, 266 (1899); J7, 448 (1901). A. v. Hemptinne, Ebenda, 27, 429 (1898); Bull. Acad. Roy. Belg., (3), jö, 15.5 (1898). — 4) Außer den p. 84, Anm. 1 zitierten Schriften von Ostwald und Bredig, welche auch die Enzym- wirkungen berücksichtigen, seien folgende Werke namhaft gemacht: E. Duclaux, Traite de Microbiologie, 2 (Paris 1899). J. Effront, Die Diasta.sen, deutsch von Bücheler (Leipzig 1900). G. v. Bunge, Lehrb. d. pliysiol. u. pathol. Chem., 4. Aufl. (1898). J. R. Green, Die Enzyme, deutsch von Windisch (Berlin 1901). E^MMERLiNG, Die Enzvme in Roscoe-Schorlemmer, Ausführl. Lehrb. d. Chem., 9, 332(1901). F. Hofmeister, Die chem Organisat. d. Zelle (1901). R. Höber, Physik. Chem. der Zelle, 3. Aufl. (1911). E. ZüNZ, Die Fermente in Abderhaldens ßiochem. Handlexikon, 5, 538 (1911). W. M. Bayliss, The Nature of Enzyme Action (London 1908). H. EüLER, Aligem. Chem. d. Enzyme (Wiesbaden 1910). C. Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen, 3. Aufl. (Leipzig 1910). V. Henri, Cours de Chimie physique (Paris 1906). F. BoTAZZi, Principi di Fisiologia I (Milano 1906). R. O. Herzog, Chem. Geschehen im Organismus (Heidelberg 1905). — 5) J. Ber- zelius, Lehrb.. 3. Aufl., 6, 22. 96 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus von katalytischen Vorgängen sich im lebenden Organismus abspielen. Von den Physiologen war es wohl zuerst C. Ludwig C), welcher die hohe Bedeutung der Katalysen im Organismus würdigte. Sein Aus- spruch, daß es leicht dahin kommen dürfte, daß die physiologische Che- mie ein Teil der katalytischen würde, wird treffend illustriert, wenn wir einen der hervorragendsten zeitgenössischen Biochemiker, F.Hofmeister(2), in folgenden Worten vernehmen: „So gelangen wir zur Vorstellung, daß die Träger der chemischen Umsetzung in der Zelle Katalysatoren von kolloider Beschaffenheit sind, einer N^orstelluug, die mit anderweitig direkt ermittelten Tatsachen in bester Übereinstimmung steht. Denn was sind die Fermente des Biochemikers anderes als Katalysatoren von kolloider Natur? Daß man den Fermenten noch bestimmte Eigenschaften zu- schreibt, wie Zerstörbarkeit durch Hitze, Fällbarkeit durch Alkohol u. dgl., erklärt sich zum Teil aus der kolloiden Natur derselben und betrifft zum Teil akzidentelle Eigenschaften, welche mit ihrer chemischen Leistung nichts zu tun haben." In der Tat läßt die Ost wald sehe Charakterisierung der Katalysatoren als Stoffe, welche in minimalen Mengen bereits wirksam die Geschwindig- keit von Reaktionen ändern und in den Endprodukten der Reaktion nicht auftreten, klar erkennen, daß gerade diese Merkmale auch das bilden, was uns an den Fermenten der lebenden Zelle am meisten auf- fallen muß. Alle anderen Merkmale, welche für die Enzyme als charak- teristisch gelten: die beschränkte, oft ganz spezifisch eingeengte Wirkungs- sphäre, die Hemmung durch Gifte, die Unbeständigkeit bei höherer Temperatur usw. hat man bereits mehr oder weniger ausgeprägt bei inorganischen Katalysatoren ebenso gefunden, und sie bilden keinen Unterscheidungspunkt zwischen letzteren und den Enzymen, wenn sie auch bei den „Katalysatoren der Zelle" besonders ausgeprägt aufzutreten pflegen. Eine physiologisch-chemische Besonderheit, die wir bei anderen Ka- talysatoren vermissen, kommt den Enzymen fast allgemein zu. Dies ist die Eigentümhehkeit, nach Injektion in das Kreislaufsystem von Tieren Antikörper zu erzeugen, welche imstande sind, ganz spezifisch die Wirksam- keit der injizierten Enzymart zu hemmen. Von diesen Antifermenten oder Antienzymen wird noch weiter unten die Rede sein. Da bisher nur Antikörper von Eiweißstoffen bekannt geworden sind, so kann diese Reaktion als ein Indizienbeweis für die Eiweißnatur der Enzyme angesehen werden. Bisher ist es nur von der Katalase noch nicht gelungen, in der Blutbahn von Tieren Antistoffbildung zu erzeugen (3), und dann hat Bergell (4) behauptet, daß das tryptische Ferment, welches aus Peptonen und Pep- tiden Tyrosin abspaltet, kein Antiferment zu erzeugen vermag. Da je- doch für den letzteren Fall außerdem berichtet wird, daß dieses Enzym durch manche Fermentgifte, wie Subhmat, nicht beeinflußt wird, halte ich diese Angaben noch nicht für gesichert. Die so auffälhgen Wirkungen der Enzyme waren auch viel früher bekannt als die stoffhchen Eigenschaften dieser Substanzen. Von der Alkoholgärung abgesehen, wurden zunächst bekannt die eiweißlösende Wirkung des Magensaftes durch Spallanzani (5), die Stärke verzuckernde 1) C. Ludwig, Journ. prakt. Cham. (2), lo, 153; Lehrb. d. Physiol., 2. Aufl., /, 50. — 2) Hofmeister, Organisation d. Zelle p. 14 (1901). — 3) H. de Waele u. Vandevelde, Biochem. Ztsch., 9, 264 (1908). — 4) P. Bergell, Ztsch. klin. Med., 57, 381 (1905). — 5) Lazz. Spallanzani, Versuche üb. d. Verdauungsgeschäft (Leipzig 1785). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 97 Wirkung (diastasehaltigen) frischen Klebers durch Kirchhoff und Du- BRUNFAUT (1) Und die Rohrzuckerinversion durch Hefeflüssigkeit durch MiTSCHERLiCH. Das Verdienst, ein pflanzliches Enzym so weit als mögüch rein dargestellt und seine wesenthchen Eigenschaften studiert zu haben, erwarben sich zuerst Payen und Persoz bezüglich der Malzdiastase (2). Wenig später war hinsichthch des Magenpepsins Eberle und Th. Schwann (3) ein ähnlicher Erfolg beschieden, und fast gleichzeitig entdeckten Liebig und Wöhler(4) das Amygdalin spaltende Enzym der bitteren Mandeln, welches von ihnen als „Emulsin", von Robiquet (5) als „S3n^apta8e" benannt wurde, 1840 entdeckte BussY das „Myrosin". In die 50er Jahre fällt die Entdeckung der Oxydasen durch Schoenbein, sowie des Ery- throzym durch Schunck; Hefeinvertin wurde erst 1860 von Berthelot als Rohpräparat dargestellt, alle übrigen Enzyme sind in den letzten De- zennien des 19. Jahrhunderts entdeckt, worden. Diese Erfolge brachten es mit sich, daß man die abtrennbaren Enzyme als „ungeformte Fer- mente" von den fermenthältigen Hefen und Bacterien, aus denen Enzyme nicht abgetrennt werden konnten, als „geformten Fermenten" unter- schied. Die heutige Benennung „Enzyme" rührt von Kühne (6) her und wird nach dem Vorschlage Hansens (7) auf die „ungeformten" Fer- mente beschränkt. Die auch in neuerer Zeit wiederholten Versuche, die Fermentreaktionen als von den übrigen katalytischen Vorgängen verschieden anzusehen, müssen als erfolglos hingestellt werden (8). Näheres hierüber bringt der Abschnitt über die Kinetik der Enzymreaktionen. Von einer näheren Kenntnis der stofflichen Eigenschaften der Enzyme kann heute nicht gesprochen werden, weil alle unsere Erfahrungen an kolloiden Stoffgemischen, welche die charakteristische Enzymwirkung in möglichst hohem Grade zeigten, gewonnen worden sind. Bei den Be- mühungen, Enzyme zu isolieren, kann es sich bei dem heutigen Stande der Methodik nur darum handeln, Präparate zu gewinnen, welche die ins Auge gefaßte Enzymwirkung allein ohne Begleitwirkungen aufweisen. Die gewöhnlich angewendeten Fällungsmethoden mit Alkohol und Äther lassen die Wirksamkeit der Enzyme nicht ungeschwächt; am besten hat sich die Methode des Aussalzens mit Ammonsulfat bewährt (9). In wässeriger Lösung sind Enzyme meist wenig haltbar. Unter diesen Verhältnissen ist es begreiflich, wenn die Ansichten der Forscher selbst in so fundamentalen Fragen, wie bezüglich der Zugehörigkeit der Enzyme zu den Proteiden, weit auseinandergehen. So kommen Wroblewski(IO) wie Osborne(II) bezüglich der Malzdiastase zu dem Ergebnis, daß es 1) C. Kirchhoff, Scbweigg. Journ., 14, 389 (1815). Dubrunfaut, M^m. 8ur la saccharification, Soc. Agricult. (Paris 1823). — 2) Payen et Persoz, Ann. de Chim et Phys. (2), 53, 73 (1833); 60, 441 (1835X — 3) Eberle, Physiol. d. Ver- dauung (1834). TiT. Schwann, Müllers Arch. (1836), p. 90. — 4) F. Wöhllr u. Liebig, Pogg. Ann., 41, 345 (1837) — 5) Robiquet, Berzelius' Jahresber., 19, 471 (1840). — 6) W. KÜHNE, Untersuch, a. d. phys'ol. Inst. Heidelberg, /, 291 (1878). — 7) A. Hansen, Arbeiten d. botan. Inst, in Würzburg, j, 253 (1885). Bietet eine anziehende historische Skizze über Enzyralehre. — 8) Vgl. die Polemik zwischen G. Bredig, Chem.-Ztg., 3t; 184 (1907), Th. Bokorny, Zentr. Bakter. II, 2/, 193 (1908). O. LoEW. Ebenda, p. 198; Biochem. Ztsch., j/, 159 (1911); Pflüg. Arch., 102, 95 (1904). — 9) Vgl. die Angaben über Diastasedarstellung bei W. Schneidewinp. Landw. Jahrb., 35, 911 (1907). F. Munter, Ebenda. 39, Erg.-Bd. III, 298 (1910). — 10) Wroblewski, Ztsch. physiol. Chera., 24, 173. Auch LoEW, Pflüg. Arch , 27, 203 (1882) hält die Enzyme für peptonartige Stoffe. — 11) Osborne u. Camp- bell,.Journ. Amer. Chem. Soc, 18 (1896). Czapek, Biochenfle der Pflanzen. 3. Aufl. 7 98 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Fflanzenorganismus. sich um einen proteosenartigen Stoff handeln dürfte, während Hirsch- feld und Landwehr (1), sowie Fränkel und Hamburg (2) die Eiweiß- natur der Diastase in Abrede stellen. Ähnlich steht es bezüglich des Hefeinvertins. Der Bericht vor Cl. Permi (3) über stickstoffreie En- zyme ist vorerst wohl mit Reserve aufzunehmen. Dem Magenpepsin gaben Pekelharing (4) und Nencki(5) die hochkomplizierte Zusammen- setzung eines Nucleoproteids, und Friedenthal (6) hat sogar alle En- zyme als Nucleoproteide angesehen. Angesichts dieser schwerwiegenden Differenzen hat es auch keinen Zweck, auf die vorhandenen Elementar- analysen (7) näher einzugehen. Nach Panzer (8) binden Enzyme (Diastase, Invertin) sehr viel Chlorwasserstoffgas und verlieren ihre Wirksamkeit; die (übrigens nicht näher bekannte) HCl-Bindung kann nur sehr locker sein, da im Vakuum HCl wieder abgegeben wird und Diastase sogar wieder wirksam wird. Die kolloiden Eigenschaften wässeriger Enzymlösungen sind in letzter Zeit mit einigem Erfolg studiert worden. So steht es durch die Feststellungen von Zunz(9) außer Zweifel, daß bestimmte Enzymlösungen oberflächenaktiv sind, und daß es sich hier um lyophile Sole handelt. In anderen Fällen wird wohl die Lösung weniger hoch dispers sein und man wird es nur mit suspensionsartigen Solen zu tun haben. Die Adsorptionseigenschaften äußern sich naturgemäß bei den Enzymen, deren Wirkungen bereits durch minimale Stoffmengen ausgeübt werden, in hohem Maße. Die Adsorption üurch festes Eiweiß oder Bleiphosphat ließ sich vielfach als Mittel zur Anreicherung an Enzym benützen (10) und man kann diese Adsorptionsverbindung nach Jacoby(II) bei Fibrin- flocken, welche peptisches oder tryptisches Enzym gespeichert halten, durch Zusatz von Säure oder Alkalien wieder lösen. Die verschieden starke Adsorption von differenten Enzymen an Filtrierpapier hat Grüss(12) dazu benützt, um manche Enzyme aus Pflanzenextrakten von begleitenden Enzymen zu trennen („Capillarisation" von Grüss). Nach Hamburger (13) kann man Agarplatten, welche auf Enzym produzierende Flächen aufgelegt werden, dazu benützen, um Enzyme, selbst in ihrer Lokalisation, nachzuweisen. Aus den eingehenden Untersuchungen von Dauwe(14), Hedin (15), Michae- lis (16) sei besonders auf die Versuche des letztgenannten Forschers hin- gewiesen, welche gezeigt haben, daß das elektrische Verhalten des Adsorbens für Aufnahme und Nichtaufnahme bestimmter Enzyme entscheidend ist. Kaolin, welches nur basische Farbstoffe adsorbiert, also sich sauer ver- hält, adsorbiert Invertin nicht. Hingegen wird dieses Enzym ausgesprochen 1) Hirschfeld u. Landwehe, Pflüg. Ajch., 39, 499. — 2) S. Fränkel u. Hamburg, Hofmeisters Beitr., 8, 389 (1906). — 3) Cl. Permi, Lo sperimentale (1896), p. 245. — 4) C A. Pekelharing, Ztsch. physiol. Chem., 35, 8 (1902). — 5) M. Nencki u. N. Sieber, Ztsch. physiol. Chem., 32, 291 (1901); Arch. sc. biol. P^tersbourg, 9, 47 (1902). — 6) H. Friedenthal, Arch. Anat. Phvsiol. (1900), p. 181. P. A. Levene, Journ. Amer. Chem. Soc, 23, 505 (1901). — 7) Vgl. Düclaux, 1. c. p. 109 und Effront, 1. c. p. 23. — 8) Th. Panzer, Ztsch. physiol. Chem., 82, 276 (1912). — 9) E. ZuNZ, Archiv, di Fisiol. (1910), 7, 137. — 10) Vgl. A. W. Peters, Journ. Biol. Chem., 5, 367 (1908). R. Neumeister, Ztsch. f. Biol., 30, 453 (1894). A. Würtz, Compt. rend., 93, 1104 (1881). — 11) M. Jacoby, Biochem. Ztsch., 2, 144, 247 (1906); 4, 21 (1907). — 12) J. Gross, Ber. Botan. Ges., 26a, 620 (1908); 27, 313 (1909). Verhandl. Naturf. Ges. (1910) (2), /, 72. Biologie u. Ca- pillaranalyse der Enzyme (Berlin 1912). — 13) H. J. Hamburger, Archiv. N^er- land. sc. exact. (2), 7j, 428 (1908). — 14) F. Dauwe, Hofmeisters Beitr., 6, 426 (1905). — 1B) S. G. Hedin, Biochem. Journ., 2, 81, 112 (1907). Ergebn. d. Physiol., p, 433 (1910). — 16) L. Michaelis u. M. Ehrenreich, Biochem. .Ztsch., 10, 283 (1908); 12, 26 (1908). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 99 von Tonerde adsorbiert, welche nur saure Farbstoffe aufnimmt und sich als basisches Kolloid darstellt. Während also Invertin Säurecharakter zeigt, wird Malzdiastase nur bei saurer Reaktion von Kaolin adsorbiert und verhält sich sonst so wie Trypsin, Pepsin, Ptyalin annähernd amphoter. Diese Erfahrungen fanden auch in den Versuchen von Michaelis (1 ), Henri (2), Iscovesco (3) und Lebedev«^ (4) über die Kataphorese von Enzymen eine weitere Stütze. Mit Wasser lassen sich die an Kohle adsorbierten Enzyme nicht auswaschen, doch kann man sie, wie Hedin und Jahnson-Blohm (5) fanden, durch andere Kolloide aus der Kohle entfernen, eventuell bei gleichzeitigem Zufügen von Kolloid und Enzym die Enzymadsorption hintanhalten. Da Hedin eine besonders starke W^irkung von den ober- flächenaktiven Solen von Saponin und Cholesterin sah, so wäre zu ver- muten, daß die Capillaraktivität der verwendeten Kolloide entscheidend wirkt. Über die Beeinflussung der Wirkung der an Kohle oder andere Materialien adsorbierten Enzyme geht aus Hedin s Erfahrungen für Lab und Trypsin hervor, daß die Wirkung geschwächt, aber nicht aufgehoben erscheint; ähnliches gilt nach unveröffentlichten Versuchen im hiesigen Institute auch für Malzdiastase. Das elektrische Verhalten von Adsorbens und Ferment spielt auch bei der Filtration von Enzymen, außer der Porenweite des Filters eine Rolle; wenigstens fand Holderer (6) eine ausgesprochene Begünstigung des Passierens von Enzymlösungen durch Porzellanfilter durch zugefügtes Alkali. Durch Sättigen der Filterkerze mit Eiweiß läßt sich auch hier die Adsorption am Filter vermeiden. Ferner ist der Adsorption von Elektrolyten durch Enzyme zu gedenken. Da viele Membranen das Enzym energisch adsorbieren, so stößt das Ausdialysieren von Enzym- lösungen oft auf große Schwierigkeiten (7). Das Verhalten von Enzymen zu kolloidalen Lösungen ist im ganzen noch wenig bekannt. Interessant ist die Angabe von Reiss(8), wonach Lab und Trypsin beim Schütteln der Fermentlösung mit Lecithin-Chloroformlösung in die letztere über- gehen. Die (wenig ausgesprochene) Wirkung inorganischer Kolloide auf Pepsin wurde von Pincussohn (9) studiert. Zu bemerken ist, daß mehr- fache Angaben vorliegen, wonach stark viscöse Medien die Enzym- wirkungen vermindern (10). Daß die Schutzkolloide bei den Enzymen eine bedeutsame Rolle spielen, ist zu erwarten, und wurde durch eine große Zahl von Er- fahrungen bestätigt. Selbst bei Reaktionen auf spezielle Enzyme hat man vielfach nicht auf das Enzym selbst, sondern auf Schutzkolloide reagiert (11). So ist zweifelsohne die von Guignard(12) zum Myrosin- 1) L. Michaelis, Biochem. Ztsch., i6, 81, 475; /;, 231 (1909); 19, 181 (1909). — 2) V. Henri, Ebenda, /6, 473 (1909). — 3) H. Iscovesco, Ebenda, 24, 53 (1909). - 4) A. V. Lebepew, Ebenda, 26, 221 (1910). — 5) S. G. Hedin, 1. c. (1910); Ztsch. physiol. Chem., 82, 175 (1912). G. Jahnson-Blohm, Ebenda, p. 178. — 6) M. Holderer, Compt. rend., 149, 1153 (1909); 150, 285, 790 (1910); iss^ 318 (1912); Tlifese Paris (1911). D. J. Levy, Journ. Infect. Diseas., 2, 1 (1905). S. P. SwART, Biochem. Ztsch., 6, 358 (1907). — 7) Vgl. A. Slosse u. H. Limbosch, Arch. internat. de Physiol., 8, 417 (1909); Bull. Soc. Roy. Sc. med. Bruxelles (1909), p. 132. A. J. Vandevelde, Biochem. Ztsch., /, 408 (1906). A. E. Porter, Zentr. Physiol. (1911), p. 207. — 8) E. Reiss, Hofmeisters Beitr., 7, 151 (1905). — 9) L. Pincussohn, Biochem. Ztsch., 8, 387 (1908). — 10) Vgl. Achalme u. Bresson, Compt. rend., 152, 1328. 1621 (1911). Für Invertin und Gummi arabicum: E. Pan- TANELLi, Rend. Accad. Line Rom (5), /5, I, 377 (1906). — 11) L. Rosenthaler, Biochem. Ztsch., 26, 9 (1910). — 12) L. Giügnard, Compt. rend., ///, 249, 920 (1890). 7* 100 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. nachweis verwendete MiLLONsche Reaktion der Myrosinschlauchzelleii bei Cruciferen keine Myrosinreaktion, sondern durch begleitende Kolloidstoffe veranlaßt, ebenso ist die von Wiesner (1) angewendete Reaktion des Gummifermentes mii Orcin 4 HCl, oder die von Winkel (2) angegebene Reaktion von Enzymen mit Vanillin -h HCl auf eiweißartige Schutz- kolloide zu beziehen. Qualitative Reaktionen auf Enzyme selbst sind bisher nicht bekannt. Die kolloiden Eigenschaften von Enzymen bedingen öfters, daß länger dauerndes Schütteln der Lösungen Inaktivierung herbeiführt. Be- sonders bei proteolytischen Enzymen und Lab sind diese Erscheinungen beobachtet worden (3). Im Anschluß an die Kolloidchemie der Enzyme sei noch erwähnt, daß man wiederholt erfolgreich versucht hat, den Fortgang von Enzym- reaktionen ultramikroskopisch zu verfolgen [Aggazzotti (4), Kreidl und Neumann (5)J. In einer Reihe von Fällen läßt sich ohne Schwierigkeiten ein fermentreiches Extrakt aus Pflanzenmaterialieu gewinnen, welches selbst die bereits von den ersten Forschern auf diesem Gebiete (Payen und Persoz, Berthelot u. a.) verwendete Umfällung durch Alkohol ohne empfindliche Einbuße an Wirksamkeit aushält Wittich (6) führte die seither so viel verwendete Methode ein, die erhaltene enzymreiche Alkoholfällung in konzentriertem Glycerin zu lösen, wodurch man recht haltbare Fermentlösungen gewinnt. Ist in dem zuerst gewonnenen Ex- trakt nicht so viel Enzym vorhanden, daß die Wirkungen mit der ge- wünschten Schnelhgkeit eintreten, so kann man das Mitreißen der En- zyme durch Niederschläge nach Brücke (7), Loew(8), zur Gewinnung wirksamer Fraktionen benützen, oder man verwendet die adsorptive An- reicherung, wie sie bei proteolytischen Enzymen durch eingebrachte Fibrinflocken leicht erreicht wird [Wurtz, Neumeister (9)]. Aussalzen durch Ammoniumsulfat leistet bei nicht zu enzymarmen Lösungen oft sehr gute Dienste bei der Isolierung (10). Näheres über die Methoden zur Enzymdarstellung wolle in den Sammelwerken über Enzymo- logie nachgesehen werden; die neueste Zusammenstellung rührt von Michaelis (11) her. Es wurde bereits erwähnt, daß alle Bemühungen, die chemische Zugehörigkeit der Enzyme aufzuklären, bisher erfolglos geblieben sind. Auch Schneidewind (12) mußte vor nicht langer Zeit bei seiner Be- arbeitung des Diastaseproblems bekennen, daß man unmöglich Beziehungen zwischen Stickstoffgehalt und Wirksamkeit der einzelnen Fraktionen er- kennen könne. Auch heute gilt noch der Satz, daß wir von den En- 1) J. Wiesner, Sitz.ber. Wien. Ak., 92, 40 (1885). — 2) M. Winckel, Naturf. Ges. (1904), 2, 1, 209. — 3) S. u. S. Schmidt-Nielsen, Ztsch. physik. Chem., 69, 547 (1909). A. O. Shaklee u. S. J. Meltzek, Amer. Journ. Physiol., 25, 81 (1909). M. Harlow u. P. Stiles, Journ. Biol. Chem., 6, 359 (1909). — 4) A. Aggazzotti, Ztsch. allgem. Physiol., 7, 62 (1907). — 5) A. Kreidl u. A. Neui^ann, Zentr. Physiol. (1908), p. 133. — 6) v. Wittich, Pflüg. Arch.. 2, 193 (1869); 3, 339 (1870). — 7) Brücke, Sitz.ber. Wien. Ak., 43, 601 (1861). Cohnheim, Virch. Aren., 28, 242 (1863). Danilewski, Ebenda, 25, 279 (1862). — 8) O. Loew, Pflüg. Arch., 27, 203. — 9) A. WüRTZ, Compt. rend., 93, 1104 (1881). R. Neumeister, Ztsch. Biolog., 30, 453 (1894). — 10) Vgl. Osborne u. Campbell, Ber. Chem. Ges., 29, 1156 (1896). N. Krawkow, Journ. russ. phya. chem. Ges. (1887), /, 272. — 11) L. Michaelis, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., ///, 1, 1 (1910). — 12) W. Schneidewind, Naturforsch. Ges. (1906), 2, 1, 173. § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 101 zymen kaum mehr als ihre Wirkung kennen; wie Bunge (1) mit Recht bemerkt, „hat die Fermente wahrscheinlich noch niemand gesehen". Eine weitere Schwierigkeit der Enzymforschung liegt darin, daß es häufig nicht gelingt, die Enzyme, etwa so wie Diastase, Invertin, Pepsin massenhaft, aus dem Material in Lösung zu bringen. Solche Fälle haben zu der Vorstellung geführt, daß es „Enzymwirkungen des Plasmas" gibt, welche sich vom lebenden Protoplasma nicht abtrennen lassen. Wie sehr eine unvollkommene Methodik derartige Vorstellungen erzeugt, hat das Beispiel der Alkoholgärung drastisch vor Augen geführt. Nur eine möglichst vollkommene Zertrümmerung der Zellen und ein energisches Auspressen des Zellsaftes war, wie Buchners erfolgreiche Arbeiten er- wiesen haben, nötig, um die Existenz eines Alkohoigäi-ungsenzyms zu erweisen. Seither sind auch Ansichten, wie jene die Enzyme als ,,lebend", als „Protoplasmasplitter" zu bezeichnen, aJs unhaltbare und unfrucht- bare Theorien aus dem Kreise der Forschung verschwunden. Hält man auch in jenen Fällen, in denen die t'ermentativen Vor- gänge in der Zelle sich vom Protoplasma experimentell chemisch nicht scheiden lassen, die exakt wissenschaftliche Ansicht fest, daß w^ir es hier mit unlöslichen, oder energisch adsorbierten katalytisch wirksamen Zell- kolloiden zu tun haben, so folgt daraus ohne weiteres, daß der Orga- nismus nicht nur leicht abzusondernde, oft auch aus lebenden Zellen reichlich herausdiffundierende Enzyme produziert, wie sie z. B. Pepsin, Trypsin, Invertin, Diastase darstellen, sondern auch Enzyme, welche dem Zellplasmä fest anhaften und ihre W^irkung nur intracellulär entfalten können. Die ersteren Enzyme nennt man passend Sekretionsenzyme, die letzteren Endoenzyme oder intracelluläre Fermente. Schon Nasse(2) hatte die Verbreitung und die hohe Bedeutung der fermentativen Vor- gänge in der Zelle, sowie die Schwierigkeit, die hierbei in Betracht kommenden Fermente vom Plasma gesondert zu gewinnen, richtig er- kannt. In der modernen Biologie spielen, wie ein Blick auf die Dar- stellung der einschlägigen Verhältnisse von Vernon(3) zeigt, die Endo- enzyme eine außerordentlich wichtige Rolle. Beim Studium der Wir- kungen der Endoenzyme hat die Ausbildung der aseptischen Autolyse die größte methodische Bedeutung gewonnen. Man verzichtet auf die Abtrennung der Enzyme und hält den fein verteilten Organbrei oder Preßsaft bei strenger Abhaltung von Mikroben (4) und bei konstanter günstiger Temperatur mit den zu spaltenden Substanzen längere Zeit hindurch in Berührung. Allerdings hat diese Methodik den Nachteil, daß wir weder über die stoffhche Natur der Enzyme noch über deren Wirkungssphäre etwas Bestimmtes erfahren. Selbst für diese Enzyme bestehen keine zwingenden theoretischen Gründe, sie sämtlich als Ei- weißstoffe anzusehen, wenn es auch wahrscheinlich ist, daß die Zelle in 1) Bunge, Lehrb. d. physiol. Chem., 4. Aufl., p. 171 (1898). M. Arthus, Zentr. Physiol., lo, 225 (1896), ging eo weit, zu sagen, daß die Enzyme überhaupt keine Stoffe, sondern Eigenschaften seien. — 2) O. Nasse, Chem. Zentr. (1889), /, 440. — 3) H. M. Vernon, Ergebn. d. PhysioL, 9, 138 (1910); Intracellulär En- zymes (London 1908). M. Jacoby, Ergebn. d. Physiol., /, 1, 213 ('1902); Hof- meisters Beitr., 3, 446 (1903). A. Oswald. Biochem. Zentr., 3, Nr. l2— 13 (1905). Beteiligung von Endoenzymen am Energieverbrauch der Zelle: M. Rubner, Berlin. Akad. (1912), p. 124. — 4) Dies geschieht seit den Arbeiten von A. Mdntz, Ber. Chem. Ges., 8, 776 (1875). Boussingault, Agronomie, 6, 137 (1878), durch Chloro- formzusatz. E. Fischer schlug vor, Toluol anzuwenden. Koning. Chem. Zentr. (1900), //, 1279 und Beijerinck nennen das Absterben lebender Zellen unter Ver- nichtung des Plasmas und Erhaltenbleiben der Enzyme „Necrobiose". 102 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganisnius. ihrem reichen Proteidvorrat manche Katalysatoren entliält. Es ist aber ebenso möglich, daß es geradeso „Katalysatoren der lebenden Zelle" aus den verschiedensten Stoffklassen gibt, so wie auch inorganische Katalysatoren sehr heterogener Natur sind. Mit Baer(1) kann man die Wirkungen der Endoenzyme auf fremde zugesetzte Stoffe als Heterolyse von der Autolyse oder der Wirkung auf die eigenen Zellstoffe trennen. Wich- tige methodische Angaben über Preßsaftgewinnung, Nachweis von proteo- lytischen Endoenzymen bringen neuere Arbeiten von Buchner (2) und von Abderhalden (3). Angesichts der vielgestaltigen katalytischen Wirkungen, welche be- sonders die Arbeiten der Schule Hofmeisters für den Haushalt der Zelle entrollt haben, dürfen wir mit großer Wahrscheinlichkeit an- nehmen, daß in der lebenden Zelle ein ganzes Arsenal von differenten Enzymen in Verwendung steht. Für die Leberzellen gelang es bis jetzt bereits die Koexistenz von 10—12 verschiedenen Endoenzymen sicher- zustellen. Für die Pflanzenzellen scheinen, wie die eigenen Erfahrungen des Verfassers über die Enzyme der Wurzelspitze lehren, analoge Ver- hältnisse zu erwarten zu sein. In reifen Bananen fand Bailey(4) sechs Enzyme; ebensoviele kommen nach Kammann (5) im Roggenpollen vor. Dox(6) fand in Penicillium Camemberti 11 Endoenzyme, in anderen Schimmelpilzen mindestens 14. Ein regulatorisch abgestuftes gleich- zeitiges Wirken aller dieser Enzyme liegt, wie schon Hofmeister aus- geführt hat, durchaus im Bereiche der Möglichkeit, und man braucht wohl kaum mit Schmidt-Nielsen (7) anzunehmen, daß diese Enzym- wirkungen sich nur in zeitlichem Nacheinander abspielen können. Die Enzyme können, wie die autolytischen Versuche zeigen, das Leben der Zellen lange überdauern. White (8) hat gezeigt, daß sich die Fermente im ruhenden Samen mehrere Dezennien, viel länger als die Keimkraft, wirkungsfähig erhalten. Nach Sehrt (9) übt Mumienmuskel im Verein mit Pankreas auf Traubenzucker noch eine sehr bedeutende glucolytische Wir- kung aus, Ausblicke auf die stofflichen Eigenschaften der Enzyme eröffnet schließlich auch das Studium ihrer spezifischen Wirksamkeit Es ist nicht immer leicht, angesichts der Vielgestaltigkeit gleichzeitig vor- handener Enzymwirkungen an lebendem oder Autolysenmaterial eine Entscheidung darüber zu treffen, ob mehrere und wie viele Einzel- wirkungen von einem einzigen Enzym ausgeübt werden. Infolge dieser Schwierigkeiten wissen wir z. B. heute noch nicht einmal, ob dasjenige, was wir „Diastase" oder „Tyrosinase" nennen, ein Einzelferment oder eine derzeit noch nicht getrennte Fermentkombination darstellt Wo man, wie es Jacobson (10) bezüglich der Guajac-Reaktion von Diastase- präparaten gelang, direkt zeigen kann, daß das Präparat durch bestimmte 1) J. BAtiR, München, med. Wochschr. (1906), Nr. 44. — 2) E. Büchner, Arch. f. Anat. u. Physiol. (1906), p. 548. — 3) E. Abderhalden u. H. Prings- HEIM, Ztsch. physiol. Ghem., 6s, 180 (1910). — 4) E. M. Bailey, Proceed. Amer. Sog. Biol. Chem, (1911), p. 43. — 5) O. Kammann, Biochera. Ztsch., 4^, 160 (1912). — 6) A. W. Dox, Journ. Biol. Chem., 6, 461 (1909); U. S. Dept. Agric. (Washington 1910J; The Plant World, rs, 40 (1912). — 7) S. Schmidt-Nielsen, Biochein. Zentr. (1903), Ref. Nr. 73. Enzymer og enzyra virkninger (Stockholm 1905). — 8) J. WmTE, Proceed. Roy. Soc. Lond. B, 8i, 417 (1909). — 9) E. Sehrt, Berlin, klin. Woch.schr. (1904), Nr. 19. — 10) J. Jacobson, Ztsch. physiol. Chem., i6, 340 (1892). Einen gegenteiligen Standpunkt vertritt J. GRtJss, Biologie u. CapUlaranalyse d. Enzyme (Berlin 1912). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 103 Eingriffe die Fälligkeit verliert, Guajac-Emulsion zu bläuen, ohne daß seine stärke verzuckernde Wirksamkeit gelitten hat, liegt es natürlich nahe, in dem ursprünglichen Präparate zwei koexistente Enzyme anzu- nehmen. Ebenso ergibt sich dieser Schluß, wenn (wie es gleichfalls bei der guajacbläuenden Wirkung und der diastatischen Wirkung beobachtet wird) von Präparaten aus einer Pflanzenart beiderlei Enzymeffekte ver- ursacht werden, während anderes Material die eine Wirkung (Guajac- bläuung) vermissen läßt und nur stark diastatisch wirkt. Armstrong (1) konnte die komplexe Natur des Mandelenzyms aus dem Nachweise erschließen, daß ein auf Mandelsäurenitrilglucosid (Pru- nasin) wirksames Enzym (Prunase) anderweitig verbreitet ist, welches auf das Amygdalin nicht wirkt. Letzteres wird durch die Amygdalase (die im Mandelemulsin neben Prunase enthalten sein muß) nur in Pru- nasin und Glucose gespalten, worauf das Prunasin durch das Prunase genannte Enzym weiter in CHN, Benzaldehyd und Glucose zerfällt. Unsere Anschauungen über die spezifische Wirksamkeit der Enzyme fußen jedoch vor allem auf den durch E. Fischer (2) sichergestellten Tatsachen hinsichtlich der strengen Spezialisation der Wirkungen bei Zuckerenzymen. Hier war es relativ leicht, Klarheit zu gewinnen, indem solche spezifische Enzyme bei Gärungspilzen oft ganz isoliert vorkommen und für manche Hefearten charakteristisch sein können. Nachdem in solchen Fällen die spaltbaren Zucker wie Saccharose, Maltose, Lactose nur stereochemische Verschiedenheiten aufweisen, liegt es nahe, an- gesichts der ausgeprägten Spezifikation der spaltenden Enzyme Invertin, Maltase, Lactase an Differenzen in der sterischen Konfiguration der Katalysatoren zu denken. Diesen Schluß hat E. Fischer durch das bekannt gewordene Bild illustriert, daß das Enzym ebenso zur spaltbaren Substanz passen müsse, wie ein Schlüssel zu einem Schlosse. Auf diesem Gebiete haben sodann Armstrong (3; und seine Mitarbeiter weitere Erfolge erzielt, indem sie nachwiesen, daß Fermente verschiedener Pro- venienz, die auf eine -bestimmte Zuckerart gleich wirken, wie Mandel- lactase und Kefirlactase durchaus nicht identisch sein müssen. Da man die Wirkung der ersteren durch einen Zusatz von Glucose, die Wirkung der Kefirlactase aber nur durch Galactosezusatz verzögern kann, sind hier offenbar gleichfalls sterische Differenzen im Spiele, und man hat außer Lactasen vom Emulsintypus oder „Gluco-Lactasen" noch Lactasen vom Kefirtypus oder „Galacto -Lactasen" zu unterscheiden. Andererseits hat es sich herausgestellt, daß das Hefeinvertin und die Hefemaltase von dem in den Mandeln enthaltenen Enzym, welches das Amygdalin in Glucose und Amygdonitrilglucosid spaltet, verschieden ist. Auch dieses Mandelenzym (Amygdalase) muß daher sterische Eigentümlichkeiten zeigen. Wenn auch solche Feststellungen sehr dazu verleiten, jede Zucker- spaltung einem besonderen Enzym zuzuteilen, wie es tatsächlich derzeit meist geschieht, so halten manche Forscher wie Marino und Sericano (4) 1) H. E. Armstrong, E. F. Armstrong u. Horton, Proceed. Roy. Soc. B., 8s, 359, 363, 370 (1912). — 2) E. Fischer, Ztsch. physiol. Chem., 26, 60 (1898); Ber. Chem. Ges., 27, 2985 (1894); 28, 1429 (1895). — 3) H. E. Arm- IRONG u. E. F. Armstrong, Proceed. Roy. Soc. Lond. B., 79, 360 (1907). H. E. Armstrong u. W. H. Glover, Ebenda, B., 80, 312 (1908). Armstrong u. E. Horton, Ebenda, p. 321. E. F. Armstrong, Transact. Chem. Soc, 88, 1305 (1903); Proceed. Roy. Soc, 73, 516 (1904). R. J. Oaldwell u. S. L. Courtauld, Ebenda, B., 79, 350 (1907). H. E. Armstrong u. Horton, Ebenda, 82, 349 (1910). — 4) L. Marino u. G. Sericano, Gaz. chim. ital., 37 I, 45 (1907). 104 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. noch immer die Möglichkeit offen, daß es Enzyme von weiterem Wirkungs- kreis gibt. In der Tat begegnen wir auf dem Gebiete der proteolytischen Enzyme, wo, wie E. Fischers und Abderhaldens Untersuchungen ge- zeigt haben, die Komplexe der spaltbaren Polypeptide eine reichg Fülle von optisch aktiven stereoisomeren Komponenten enthalten, eigentlich nur Fermente von sehr weitem Wirkungsgebiete. Über die auf diesem Gebiete sehr wichtige polarimetrische Methodik wären Arbeiten von Abderhalden (1) und E. Fischer (2) zu vergleichen. Bourquelot(3) hat in zielbewußter Weise die spezifische Wirksamkeit bestimmter En- zyme zum Auffinden spaltbarer Stoffe in Pflanzen benützt. Weitergehende Spekulationen über die chemische Struktiu* der Enzym- molekel sind an der Hand der Erfahrungen über spezifische Wirksamkeit mehrfach angeknüpft worden, besonders seit die im nächsten Paragraph zu erwähnende EHRLiCHsche „Seitenkettentheorie" der Immunkörper und Toxine ein Muster für solche Betrachtungen abgab. So hat z. B. Walker (4) die komplexe Natur der Enzyme erörtert, und im Enzymmolekül einen spezifischen „Amboceptor" und ein nicht spezifisches „Komplement" an- genommen. Da wir aber spezifischer Wirkungsweise auch bei inorganischen Katalysatoren verschiedenfach begegnen und die Anpassung an ein be- stimmtes Substrat eigenthch nichts ist, was die Enzyme besonders auszeichnet, so müssen wir immerhin von vornherein die Wahrscheinlichkeit festhalten, daß die Speziahsierung auf sehr verschiedenen Momenten beruhen kann, und nicht durch eine einzige Theorie erklärt werden muß. AcHALME und Bresson (5) haben eine Methode angegeben, welche bei der Feststellung, ob einige gleichzeitig vorkommende Enzynu'eaktionen in einem Substrate von einem oder von mehreren Enzymen bewirkt werden, gute Dienste leisten kann. Man bringt eine nicht zu geringe Menge des enzymhaltigen Materials einmal mit jeder der spaltbaren Substanzen zu- sammen, sodann aber mit einem Gemenge dieser Substanz bei gleicher Temperatur, Acidität und Konzentration. Ist die Wirkung im zweiten Falle ungefähr die Summe der in dem ersten Versuch beobachtenden Einzel- wirkungen, so darf man mehrere koexistierende Fermente annehmen. Zur vorläufigen Orientierung über die Systematik der bisher bekannten Enzymwirkungen sei eine kurze Übersicht über dieselben hier angeschlossen, ohne eine vollständige Benennung aller bisher be- kannten Enzyme anzustreben. Hinsichtlich der Nomenklatur ist es wohl das rationellste mit Duclaux zur Benennung eines Enzyms den Wort- stamm der katalysierten Substanz mit der Endung „-ase" zu bilden. Jedoch ist es wohl kaum unbedingt geboten, altüberlieferte Namen, wie Invertin oder Pepsin, durch die Endung „-ase" auszuzeichnen. Lipp- mann (6) schlug vor, Doppelworte zu bilden aus dem katalysierten Stoff und dem Spaltungsprodukt, mit der Endung -ase darnach würde die Maltase z. B. eigentlich als „Malto-Glucase" zu bezeichnen sein usf. Für die wohl noch fraglichen synthetisch wirkenden Enzyme hat Euler (7) die Endung „-ese" vorgeschlagen, so daß sie sich durch den Namen von den spaltenden „-äsen" leicht unterscheiden. 1) E. Abderhalden u. L. Pincussohn, Ztsch. physiol. Chem., 64, 100 (1910). — 2) E. Fischer, ßer. Chem. Ges., 44, 129 (1911). — 3) E. Bourquelot, Joiirn. Pharm. Chim., 15, I, 16; II, 378 (1907). — 4) E. W. Walker,. Journ. of Physiol., jj. No. 6 (1906). — 5) P. AcHALME u. Bresson, Compt. rend., 151, 1369 (19 10). — 6) Lippmann, Ber. Chem. Ges., jö, 331 (1903). — 7) H. Eitler, Ztsch. physiol. Chem., 74, 13 (1911). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 105 Eine besondere Gruppe müssen jedenfalls alle jene Enzyme bilden, deren Wirkung nur in einer Hydrolyse unter Wasseraufnahme besteht. Oppenheimer hat für sie alle die Bezeichnung Hydrolasen geprägt. Man unterscheidet hier einfach Untergruppen nach dem Spaltungsmaterial. So gibt es zahlreiche Enzyme, welche auf Kohlenhydrate einwirken (Carbo- hydrasen). Hierher zählen: Invertin oder Saccharase (Rohrzucker), Maltase (Maltose), Trehalase (Trehalose), Lactase (Milchzucker), Melibiase (Melibiose), Raffinase? (Raffinose), Melizitase (Melizitose), Ferner die Inulase (Inulin), Glykogenase (Glykogen), Amylase oder Diastase (Stärke zu Dextrin abbauend), Dextrinase (Dextrin in Mal- tose spaltend), Gytase oder Seminase (Reservecellulosen), Gellase (Cellulose), Pectase, Pectinase und Pectosinase (Pectihstoffe). -Viel- leicht gibt es Enzyme, welche bei Kohlenhydraten das Gegenteil der Hydro- lyse, eine Anhydrierung, bewirken, und in Lösungen Koagula von höheren Anhydriden erzeugen. Dies wäre Amylokoagulase, die auf löshche Stärke wirkt, und die noch fraghche Cytokoagulase, das Gegenstück der Cytase. Eventuell wären solche Koagulasen als eigene Gruppe den Hydrolasen gegenüber zu stellen. — Zu den hydrolysierenden Enzymen gehören sodann jene, welche auf verschiedene Glucoside einwirken, wie Emulsin (Amygda- lin), Prunase (Prunasin), Amygdalase (Amygdalin), Salicase (Salicin), Myrosin (Myronsäure), Rhamnase (Xanthorrhamnin), Erythrozym (Rubierythrinsäure), Gaultherase (Gaultheriaglucosid), Tannase (Gerb- stoffglucoside), Indoxylase oder Isatase (Indoxylglucosid), Hadromase (Ester in verholzten Zellmembranen). — Die Chlorophyllase spaltet AJkylester des Chlorophylhds (Willstätter). Eine weitere besondere biologische Gruppe bilden die Enzyme, welche Neutralfette und Phos- phatide (Lecithin) spalten (Lipasen). Phytase spaltet Inosit-Phosphor- säm-eester oder Phytin. — Die letzte Gruppe endlich wird durch die Amidasen oder Desamidasen dargestellt, welche auf araid- oder imidartige Körper unter Wasseraufnahme, eventuell Ammoniakabspaltung einwirken. Hierher rechnen wir vor allem die eiweißspaltenden Enzyme oder Proteasen, welche die Eigenschaft haben, die imidartige Verkettung der Aminosäurereste in Polypeptiden, Peptonen, Proteosen und Eiweißkörpern unter Wasser- aufnahme unter Bildung freier komplexer oder einfacher Aminosäuren zu lösen; z. B. bei dem aus zwei Glykokollresten bestehenden Glycylglycin : CH2NH2 . CO . NHCH2 . COOH -f H2O = 2 (CH2NH2 . COOH) Die pepsinartigen Eiweißfermente spalten Proteide rasch bis zu Pep- tonen und liefern höchstens geringe Mengen freier Aminosäuren ; die Erep- sinartigen Fermente oder Peptasen wirken nur auf Proteosen (Albumosen) und Polypeptide ein; die Trypsine spalten sehr verschiedene Proteide rasch unter reichhcher Bildung einfacher Aminosäuren auf; Chymosin oder Lab wirkt schwach hydrolytisch auf Milchcasein unter Bildung von Koagula einer unlöshchen Kalkprotein Verbindung; die Nucleasen spalten Nucleine und Nucleinsäuren. Weitere Amidasen wirken auf Säureamide ein und spalten freies Ammoniak ab. Hierher gehört auch die auf Harn- stoff wirkende Urease, und die Arginin spaltende Arginase. Eine zweite Hauptgruppe von Enzymen formieren wir aus allen jenen, welche Kohlensäm-e ohne Oxydationsvorgänge aus verschiedenen Säuren, Zuckern, Phenolen abspalten. Carboxylasen wirken auf dieCarboxylgruppe von Säuren, z. B. auf Brenztraubensäure und Oxymaleinsäure ein [Neu- berg (1)j. Hierher gehören vielleicht auch die „Carbonasen" von Palla- 1) C. Neuberg u. L. Karczag, Biochem. Ztsch., 36, 68, 76 (1911). 106 Zweites Kapitel: Die cheraisohen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. DIN (1). Lactacidase spaltet Milchsäure in Äthylalkohol (oder Acet- aldehyd ?) und COj. — Auch die Zymase der Alkoholgärung läßt sich wohl in diese Gruppe einreihen, ferner das von Hahn in Arumkolben entdeckte COg abspaltende Enzym; endüch wohl auch die auf Tyrosin einwirkenden Tyrosinasen, welche überdies Ammoniak abzuspalten scheinen. Eine noch wenig geklärte Enzymgruppe formiert aus Zucker ver- schiedene Säuren ohne COj-Abspaltung. Hierher rechne ich die Lac- tolase oder das Enzym der Milchsäuregärung, das von Kobert (2) an- gegebene Formizym, welches aus Zucker Ameisensäure abspaltet, die Glucacetase, welche Zucker unter Bildung von Essigsäure zerlegt. Sodann vereinigen wir die Oxydationsenzyme oder Oxydasen zu einer Gruppe. Sie umfassen außerordentlich mannigfaltige Erscheinungen. Alkoholasen oxydieren Alkohole zu Aldehyden oder zu Säuren, wie das Enzym der Essigbakterien; Aldehydasen bilden Säuren aus Al- dehyden; die Purinoxydasen oxydieren Purinbasen wie Adenin, Guanin, Xanthin, Hypoxanthin und Harnsäure; Phenolasen wirken auf mehr- wertige Phenole. Auch die Oxydation inorganischer Verbindungen, wie Wasserstoff, Ammoniak, Nitrite, Schwefel, Ferrosalze wird in den Zellen von Pflanzen katalysiert. Schließlich ist die Gruppe der Peroxydasen hier zu erwähnen. Die Umlagerung von Aldehyden nach Cannizzaro wird von Mutase katalysiert. Endlich werden wir reduzierende Enzyme oder Hydrogenasen zu unterscheiden haben, deren Wirkung wesentlich in Anlagerung von Wasserstoff besteht. Das noch fragliche „Philothion" bildet aus Schwefel Schwefelwasserstoff. — Anschließend kann man die auf Peroxyde wirk- samen Enzyme behandeln, wozu die weitverbreitete Katalase gehört, welche die Reaktion HjOg = HjO + ^ (Og) katalysiert. Temperatureinflüsse. Wie so viele andere Kolloide, so sind auch die Enzyme gegen längere Zeit hindurch einwirkende höhere Temperaturen in wässeriger Lösung sehr empfindlich. Die Hefezymase geht sogar bei Zimmertemperatur ziemlich rasch, noch schneller bei Brutofentemperatur zugrunde. Oberhalb 60 '^ C verlieren die meisten Enzyme mehr oder weniger rasch an Wirksamkeit. Temperaturen nahe an 100 <* vernichten die Enzyme gewöhnlich sehr sehneil; konzentrierte Lösungen sind viel beständiger. In exsiccator-trockenem Zustande ver- tragen Enzyme, wie Hüfner und Hueppe (3) fanden, viel höhere Tem- peraturen als 100°, doch zeigen sie eine deutliche Schwächung ihrer Wirksamkeit, wenn man sie nachher in Lösung bringt (Hysteresis). Es ist wohl nicht nötig, besondere EigentümUchkeiten des chemischen Aufbaues, labile Strukturen usw. anzunehmen, wie es manche Forscher (0. LoEW, Eulee) zur Erklärung der thermolabilen Eigenschaften der En- zyme tun. Die kolloiden Eigenschaften machen die beobachteten Tatsachen bisher vöUig verständüch. Sehr deuthch tritt der Einfluß von Schutz- 1) Palladin, Ber. Botan. Ges. (1905), p. 240; (1906), p. 97; Ztsch. physiol. Chein., 41. 407 (-1906). — 2) R. Kobekt, Pflüg. Ärch., 99, 116 (1903). — 3) Hüf- ner, Journ. prakt. Chem., iT, Pflüg. Arch., 40. F. Hüeppe, Chem. Zentr. (1881), p. 745; auch E. Salkowski, Virch. Arch., yo, 71, 81, p. 552; Ber. Chem. Ges., 14, 114 (1881). Über Sehwächimg von Enzynawirkungexi durch höhere Temperaturen ist noch zu vergleichen E. Bourquelot, Ann. Inst, ^asteur, /, 337 (1887) (Diastase). Cl. Permi u., L. Pernossi, Zentr. f. Bakt., 15, 2?d (1894). M. Beuerinck, Ztseh. physik. Chem., 36, 508 (1901), f. Indigoferment. § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 107 kolloiden beim Erhitzen von Enzymlösungen hervor. So wird Diastase erheblich abgeschwächt, wenn sie in reinem Wasser gelöst, auf 63" C erwärmt wird, nicht aber bei Gegenwart von Stärkekieister (1). Dasselbe gilt für In- vertin, welches sich nach O'Sullivan und Thompson (2) verschieden resistent zeigt, wenn man es mit Zucker oder ohne Zucker höheren Tempe- raturen aussetzt. Setzt man die Enzymwirkung bei ib^ gleich 100, so erhält man (nach Duclaux Umrechnung) die Werte: ohne Zucker .... 100 91,7 76,5 30,0 20,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 mit Zucker 100 100 100 100 100 100 100 88 34 0.0 Temperatur 15« 35» 40» 45« 50« 55" 60" 65» 70" 75« Je reiner die Enzympräparate sind, desto stärker äußert sich ihre Thermolabihtät. Daß absichthcher Zusatz von Kolloiden die Temperatur- schädigung vermindert, erfuhr auch E. W. Schmidt (3) am Trypsin. Merk- würdig ist es, daß man das Trypsin in konzentriertem Glycerin gelöst bis auf 292" C erhitzen kann, ohne daß es zerstört wird. Jodlbauer (4) stellte durch besondere Versuche fest, daß Sauerstoffwirkungen bei der Thermo- labihtät von Enzymen nicht als ursächliches Moment in Betracht kommen. Von Interesse ist die Beobachtung von W. Gramer und Bearn(5), daß das bei 50—60" C inaktivierte Pepsin die Fähigkeit hat, eine wirksame nicht erhitzt gewesene Pepsinlösung stark zu hemmen. Pepsin, welches auf 100" C erhitzt war, besaß die gleiche Wirkung nicht. Aufzuklären bleibt die Angabe von Gramenitzki (6), wonach Takadiastase bei Temperaturen unter 100" G ver- nichtet wird, hingegen bei 100" C ihre Fermenteigenschaften regeneriert und so resistent wird. Den Einfluß der Vorwärmung auf die Wirkung der Urease illustriert MiQUEL (7) durch folgende Zahlen; die Vorwärmung auf x" dauerte je 234 Stunden, worauf bei 49" die binnen 2 Stunden auf 4 % Harnstoff lösung entfaltete Wirkung festgestellt wurde. Temperatur der Vorwärmung . . 14" 40" 46,5" 51,5" Umgesetzter Harnstoff in g. . . 13,9 13,3 12,7 6,4 Bei 10 Minuten Vorwärmung auf 64« 66" 70" 75" wurde umgesetzt an Harnstoff in g . . . . 13,6 6,1 3,6 0,0 Selmt(8) hat gezeigt, daß schon unter dem Eispunkt eine Wirkung von Emulsin auf Amygdalin nach 1—2 Stunden nachgewiesen werden kann. Auch Müller-Thurgau (9) fand noch bei 0" deutüche Diastase- wirkung. Bis 20" stieg die Wirkung auf das 5 fache, von da bis 40" aber auf das 20fache. Hefeinvertin bildete in 1 Stunde in 20 %iger Rohrzucker- lösung folgende Mengen Invertzucker bei steigender Temperatur (10); 1) Hierzu E. R. Morris u. T. A. Glendinning, Journ. Chena. Soc. (1892), /, 689. Die Angabe, daß die Wirksamkeit von Invertin auf Rehrzuckerlösung durch Vorwärmen auf 40—43 " gesteigert wird (Henri u. Pozerski), hat S. P. Beere, Amer. Journ. Physiol., 7, 295 (1902) nicht bestätigen köiinen. — 2) O'Sulmvan u. Thomp- son (vgl. Duclaux. 1. c. p. 186), Journ. Chem. Soc. (1890), p. 834. — 3) E. W. Schmidt. Ztsch. physiol. Chem., 67, 314 (1910). — 4) A. Jodlbauer, Biochem. Ztsch., 3, 483 (1907). — 5) W. Gramer u. A. R. Bearn, Proceed. Physiol. Soc. (1906), p. 36; Journ. of Physiol., 34 (1906); Biochem. Journ., 2, 174 (1907). — 6) M. J. Gramenitzki, Ztsch. physiol. Chem., 6p, 286 (1910). — 7) Miquel, Ann. Micrograph., 7, 895. — 8) F. Selmi, Monit. scientif. (3), //, 54 (1881). Nach d'Ar- sonval, C. r. Soc. Biol., 44, 808 (1892) wird Invertin erst bei —100° C unwirk- sam; —50« C schädigen noch nicht. — 9) H. Müller-ThüRGAU, Landw. Jahrb., 14, 795 (1885). — 10) Effront. Diastasen, p. 62. 108 Zweitee Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. 00 50 10« 150 20» 30« 40« 50« 60» Invertzucker in g . . - 0,05 0,11 0,18 0,35 0,40 1,65 2,20 2,21 K JELDAHL (1 ) fand bei 15 Minuten langer Einwirkung von Malz- diastase auf Stärkekleister folgende Werte für die Reduktionskraft: Temperatur 18,5» 35« 54« 63« 66,5« 68« 70« Reduktionskraft .... 17,5 40,5 41,5 42 34 29 18 Als Einfluß der Vorwärmung fanden Kjeldahl und Bourquelot bei Diastase, daß die Dextrinbildung gesteigert, aber die Maltosebildung herabgesetzt wird. Erhitzte man Malzaufguß 10 Minuten lang auf 63« I r Maltose 63 % Dextrin 37 % 68« \ so erhielt man { „ 65 % „ 65 % 70« J [ „ 17,4 % „ 82,6 % Diese Erfahrung spricht zu gunsten der Ansicht, daß die Diastase kein einheitliches Enzym ist. Die Enzym Wirkungen zeigen ein ausgesprochenes .,Temperatur- optimum", welches zwischen 40— 60*^ C zu liegen pflegt. Eine Zu- sammenstellung einer Reihe diesbezüglicher Resultate ist bei Duclaux(2) zu finden. Das Optimum schwankt übrigens selbst bei Enzymen der- selben Species (Invertin aus Ober- und Unterhefe; Pepsin von Warm- und Kaltblütern) bezüglich der Höhenlage. Das Vorhandensein eines Temperaturoptimums ist nichts Charakteristisches für die Enzym- wirkungen; Ernst (3) hat auch für die Knallgaskatalyse des Platinsol ein Temperaturoptimum konstatieren können. Das Temperaturoptimum der Enzym Wirkungen bildet sich offenbar durch Superposition zweiei- Vor- gänge, der Steigerung des Enzymzerfalls (Enzymverminderung) und der Geschwindigkeitszunahme der Enzymreaktion mit zunehmender Tempe- ratur heraus. Sobald der Effekt der Enzymzerstörung so bedeutend ist, daß er durch den Effekt der Reaktionsgeschwindigkeitszunahme nicht mehr gedeckt werden kann, tritt der Wendepunkt der Kurve ein und das Optimum der Enzymwirkung ist überschritten (4), Eine experi- mentelle Stütze finden wir hierbei auch in den Feststellungen Tam- MANNs (5) über die Abhängigkeit des Endpunktes der Emulsin - Amyg- dalinkatalyse von der Temperatur. Die Reaktion ist bei keiner Tempe- ratur vollständig. Bei niederen Temperaturen dauert es länger, ehe der Endzustand erreicht ist, es wird bei kleiner Anfangsgeschwindigkeit begonnen und die Wirkung längere Zeit fortgesetzt. Bei höheren Tempe- raturen ist die Anfangsgeschwindigkeit größer, das Geschwindigkeits- maximum wird bald erreicht und es erfolgt rasch ein Abfall. Man kommt praktisch mit der Enzymwirkung am weitesten, wenn man bei niederer Temperatur und mit größeren Enzymmengen arbeitet. Will man in kurzer Zeit möglichst hohen Umsatz erzielen, so ist die Anwendung höherer Temperatur zu empfehlen. Durch den Einfluß der Vorwärmung ist es übrigens leicht ver- ständlich, daß bei Angaben über die Lage des Temperaturoptimums die Zeitdauer des Versuches beigefügt werden muß, da für kürzere Zeiten ein höheres Optimum herauskommen muß. In der Tat fanden Bertrand 1) Zit. nach Effkont, 1. c. p. 118. — 2) Duclaux, 1. c. p. 180. — 3) Ernst, ZtBch. pbysik. Chem., 37, 476 (1901). — 4) Vgl. die graphische Darstellung bei Duclaux, 1. c. p. 194. — 5) Tammann, Ztsch. physik. Chem., j8, 426 (1895). § 5. Allgemeine Chemie der Ertzyme. 109 und Compton(I), daß die Optima für Emulsin und Cellase für 15 Stunden bei 40*^ resp. 46° liegen, während für eine Versuchsdauer von 2 Stunden ö8° und 56° als Optima bestimmt wurden. Bei 100" spaltet Trypsin momentan Gelatine (Schmidt 1. c). Daß sich gewisse Unterschiede hinsichtlich der Temperaturwirkung zwischen inorganischen Katalysen und Enzymreaktionen finden können, wie sie Henri (2) hinsichtlich der Rohrzucker-Säurespaltung und der In- vertinwirkung beobachtet hat, kann kaum überraschen. Lichtwirkungen auf Enzyme. Während zerstreutes Tageslicht Enzymlösungen meist nur unbedeutend in ihrer Wirksamkeit herabsetzt, kann man durch intensive Sonnenstrahlen oder dur<;h konzentriertes elektrisches Licht stets schon in kurzer Zeit die Enzyme stark inakti- vieren. Lab verliert von konzentriertem elektrischen Licht bestrahlt binnen 15 Minuten 95% seiner Wirksamkeit [Schmidt-Nielsen (3)], nach DüCLAUX soll Invertin sogar noch im Dunkeln geschädigt werden, wenn man das Ferment in einer vorher belichteten Flüssigkeit auflöst. Über- «instimmend haben zahlreiche Untersuchungen(4) ergeben, daß der Haupt- anteil dieser Inaktivierung auf Rechnung der ultravioletten Strahlen zu setzen ist. Nach Schmidt-Nielsen (5) bringen die sichtbaren Sirahlen nur 0,3% «^es Inaktivierungseffektes bei Lab hervor, und 96% der Wirkung werden durch Strahlen von 220—250 /u/u Wellenlänge aus- geübt. Übrigens werden die einzelnen Enzyme vielleicht in ungleichem Maße inaktiviert, da Chauchard und Mazoue(6) fanden, daß ultra- violettes Licht auf Diastase stärker wirkt als auf Invertin. Die schönen Untersuchungen von Jodlbaüer und H. v. Tappeiner (7) haben mit Bestimmtheit eine Differenz in der Wirkung des ultraviolettfreien Lichtes und der ultravioletten Strahlen herausgefunden. Ultraviolett- freies Licht ist nämlich nicht imstande ohne Sauerstoffzutritt zu inakti- vieren, so daß hier gewiß Oxydationsprozesse anzunehmen sind. Fluores- cierende Farbstoffe wie Methylenblau oder Eosin verstäiken die Wirkung ultraviolettfreien Lichtes außerordentlich, aber nur bei Gegenwart von Sauerstoff. Invertin in 72000 Mol Eosin gelöst verliert in Sonnenlicht binnen 10 Minuten 80% seiner Wirkung, nach 40 Minuten sind 97% inaktiviert. Im Ultraviolett fehlen beide Eigentümlichkeiten der W^ir- kung: sowohl die Mitwirkung des Sauerstoffes bei der Inaktivierung als auch die photodynamische Wirkung fluorescierender Farbstoffe. Inter- essant ist es, daß bei Peroxydase und Katalase, wßlche schon durch zerstreutes Tageslicht relativ energisch inaktiviert werden, die Wirkung fluorescierender Stoffe nicht sehr ausgesprochen auftritt. Nach Schmidt-Nielsen folgt die Inaktivierung von Lab durch Licht dem Gesetze der unimolekularen Reaktionen. 1) G. Bertrand u. A. Compton, Compt. rend;, 152, 1518 (1911). — 2) V. Henri, C. r. Soc. Biol., 70, 926 (1911). — 3) S. Schmidt-Nielsen, Hofmeisters Beitr., 8, 481 (1906). — 4) Düclaux, Trait6, 2, 221 (1899). J. R. Green, Phil. Trans., 188, 167 (1897). E. Hertel, Ztsch. allgem. Physiol., 4, 28 (1904). F. A. Went, Hec. trav. bot. N^erland, /, 106 (1904). H. Aqulhon, Compt. rend., 152, 398 (1911). L. Marino u. G. Sericano, Gaz. chim. ital., 35, H, 407 (1906). — 5) S. Schmidt-Nielsen, Ztsch. physiol. Chem., 58, 233 (1908). — 6) A. Chauchard u. Mazoue, Compt rcBd., 152, 1709 (1911). C. Delezenne u. M. Lisbonne, Ebenda, 155, 788 (1912). - 7) H. v. T/ppetner, Ber. Chem. Ges., jö, 3035 (1903). A. JoDi,- bauer u. H. v. Tappeiner, Arch. klin. Med., 85, 386 (1905); 87, 373 (1906). Tap- peiner, Naturforsch. Ges. (1906), 2, 2, 412. Ergebn. d. Physiol., 8, 698 (1909). E. W. Schmidt, Ztsch. physiol. Chem.. 67, 321 (1910). H. Aqulhon, Compt. rend., 153, 979 (1911). 110 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Der Einfluß von Radium-Emanation auf Enzymwirkungen ist in einer Reihe von Arbeiten (1) studiert worden, ohne daß sich prägnante Resultate ergeben hätten. Schwache Hemmung der Fermentreaktionen wird von den meisten Autoren angegeben, doch soll nach Loewenthal und Wohlge- MUTH (2) diese Hemmung nur vorübergehend sein und sich innerhalb 24 Stun- den allmähhch ausgleichen. Röntgenstrahlen scheinen ohne jeden Einfluß auf Enzyme zu sein (3). Hinsichthch des Einflusses von Elektrizität auf Enzyme be- richtet ISCOVESCO (4), daß ein konstanter Strom von 0,3—0,9 Volt und 1 — 14 Milli - Ampere Katalase bereits zerstört. Nach KuDO (B) liegt die Grenze bei 4 Müh -Ampere. Wechselstrom und Teslastrom waren ohne Effekt. Chemische Hemmungen der Enzymwirkungen: Paralysa- toren, Enzymgifte, Antikatalysatoren. Man hat hier zweierlei Wirkungen zu unterscheiden. Einmal kann eine Substanz ihre hindernde Wirkung ^dadurch entfalten, daß sie die Löslichkeit des Enzyms beein- flußt und außerdem das Enzym langsam in seinem kolloiden Zustand ändert (denaturiert). Da Enzymlösungen sich wie lyophile Kolloide ver- halten, werden solche Wirkungen erst durch größere Mengen der be- treffenden Stoffe (Neutralsalze, Alkohol) zu erzielen sein. Andere Sub- stanzen hingegen hemmen aber schon in ganz minimalen Konzentrationen sehr stark oder heben die Enzymwirkung selbst ganz auf. In bezug auf Alkoholzusatz verhalten sich Enzymlösungen recht verschieden. Diastase soll noch in 20 %igem Alkohol wirken. Nach Dastre (6) ist eine Reihe von Enzymen noch in 50— GO°/oigem Alkohol löslich, jedoch dürfte hier die Wirkung stets stark herabgesetzt sein. Auffallend resistent gegen Alkohol ist die Chlorophyllase, welche nach den Angaben Willstätters (7) noch in 80 böigem Alkohol stark auf das natürliche Chlorophyll ein- wirkt, bei 92 7o jedoch schon intensiv gehemmt wird. Unter den als „Enzymgiften" bekannten Substanzen, wie Queck- silberchlorid, SHj, Blausäure, Hydroxylamin, Formaldehyd, Phenol sind interessanter Weise nicht wenige, welche auch auf inorganische Katalysa- toren, besonders auf das BREDiGsche Platinsol, intensiv einwirken. Man kann daher z. B. die Abschwächung der Enzymwirkungen durch Blau- säure heute nicht mehr als charakteristisches Merkmal der Fermente auffasset, wie es Schaer(8) einst getan hatte. Die Wasserstoffsuper- oxydkatalyse ist gegen Blausäure besonders empfindlich. Daß die Eiweiß fällenden Stoffe wie Schwermetallsalze, stärkere Säuren und Basen leicht zu Störungen der Enzymwirkungen führen, ist 1) V. Henri u. A. Mayer, C. r. Soc. Biol., j6, 230 (1904). S. Schmidt Nielsen, Hofmeisters Beitr., 6, 175 (1904). E. G. Willcock, Journ. of Physiol. 34, 207 (1906). K. V. KöRÖSY, Pflüg. Arch., 137, 123 (1910). — 2) S. Loewen THAL u. J. WoHLGEMUTH, ßiochem. Ztsch., 21, 476 (1909). — 3) P. F. Richter u H. Gerhartz, Berlin, klin. Woch.schr. a908), p. 13. H. GiJNTHER, Sitz.ber. natiir bist. Ver. Rheinlande 1910, /, 11 (1911). H. Meyer u. Fr. Bering, Fortschr Röntg.-Strahl., /;, 33 (1911). — 4) Iscovesco, C. r. Soc. Biol, 67, 197, 292 (1909) Ältere Literatur bei Duclaux, 1. c. p. 216. — 5) T. KuDO, Biochem. Ztsch., 16, 233 (1909). — 6) A. Dastre, Compt. rend., 121, 899 (1895). Th. Bokorny, Zentr, Bakt. II (1901), p. 851. W. Schneidewind, Meyer u. Munter, Landw. Jahrb. 35, 911 (1907). B. Schöndorff u. C. Victorow, P/lög. Arch., 116, 495 (1907). — 7) R. Willstätter, Liebigs Ann., 378, 18 (1910). — 8) E. Schaer, Chera. Zentr (1891), /, 671. Vgl. auch Fiechter, Diss. (Basel 1875). Jacobson, Ztsch. physiol Chem., 16, 367 (1892). R. Raudnitz, Ztsch. f. Biol., 42, 100 (1901). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 111 verständlich. WieHATAf1)gezeigthat, braucht aber die Fällung durch Seh wer- metallsalze nicht das Enzym direkt zu betreffen, sondern es kann unverän- dertes Enzym durch Subhmatniederschläge in dem eiweißhaltigen Miheu mit niedergerissen werden, ohne selbst verändert zu werden. Dadurch erklärt es sich, daß zur laaktivierung von Pepsin, Trypsin und Lab viel mehr Subli- mat nötig ist als bei Diastase oder Katalase, welche bereits durch sehr kleine HgClg- Konzentrationen geschädigt werden. Auch kann man durch Zusatz von Kahumcyanid die Fermente nach der Subhmatfällung innerhalb ge- wisser Grenzen reaktivieren, bei eiweißarmen Medien auch durch Kaliura- sulfid. Metallkolloide, die Eiweiß als Schutzmittel enthalten, wirken nach PiNCUSSOHN (2) auf Trypsin und Pepsin hemmend, während man durch Sole, die durch elektrische Zerstäubung hergestellt wuurden, immer nur stimulierenden Einfluß beobachtet. Die Säurekonzentration, welche die Enzymtätigkeit bei Hefe hindert, liegt nach Drabble und Scott (3) bei etwa Vio Mol pro Liter für die starken Mineralsäuren. Borsäure wird über- einstimmend als wirkungslos bezeichnet (4). Daten über Hemmung durch Alkahen bei Diastase heferte Quinan (5). Jod wirkt ausgesprochen hemmend. Während Hydroperoxyd nicht allgemein als Enzymparalysator gelten kann(6), wirkt Ozon auf verschiedene Enzyme kräftig hemmend ein (7). Arsenite haben nach Buchner (8) eine inkonstante Hemmungswirkung auf Zymase. Angaben über die hemmende Wirkung von Neutralsalzen auf Enzyme finden sich bei Cole (9) und bezüghch Katalase bei Santesson (10); die Grenze liegt bei Katalase bei "/^o Salzlösung. Kalksalze hemmen öfters ausgesprochen (11). Größere Mengen von Chloroform haben entschieden hemmenden Einfluß auf Enzyme (12), und Vandevelde(13) empfiehlt des- wegen als ein Mittel, welches wohl die Flüssigkeit steril hält, jedoch die Enzyme nicht schädigt, eine Lösung von Jodoform in Aceton als Zusatz. Formaldehyd hemmt Enzyme schon in Spuren; von Acetaldehyd muß man nach Bourquelot und Danjou(14) aber bereits 10% zusetzen, um Emulsin Wirkung zu hemmen, während 10 % Chloralhydrat noch so gut wie gar nicht wirkt. Auch andere Hypnotica (Hedonal, Veronal), sowie Anti- pyrin und Pyramiden scheinen Enzymreaktionen sehr wenig zu beein- flussen (1 5). Hemmung durch Alkaloide [Nicotin (1 6), Chinin (1 7)] ist mehrfach bekannt geworden, ebenso hemmen auch manche Anilinfarbstof fe (1 8). Doch bedarf dieses ganze empirische Material dringend einer umfassenden Neu- bearbeitung vom Standpunkte der modernen Kolloidchemie. Eine der besten Arbeiten, die bisher vor hegen, hat Senter(19) über die Beeinflussung 1) S. Hata, Biochem. Ztsch., 77, 156 (1909). — 2) L. Pincussohn, Biochem. Ztsch., 40, 307 (1912). — 3) E. Drabble u. D. G. Scott, Biochem. Journ., 2, 340 (1907). — 4) Vgl. R. A. Gripps, Chem. Zentr. (1897), //, 500. H. Agüi.hon, Compt. rend., 148, 1340 (1909); Ann. Inst. Pasteur, 24, 495 (1909). — 5) C. Quinan, Journ. Biol. Chem. 6, 53 (1909). — 6) Vgl. A. J. Vandevelde, Hofmeisters Beitr., 5, 558 (1904). L. E. Walbum, Berlin, klin. Woch.schr. (1911), Nr. 43. — 7) W. Sigmund, Zentr. f. Bakt. II, 14, 400 (1905). — 8) E. Buchner u. R. Rapp, Ber. Chem. Ges., j/, 209 (1898). — 9) S. W. Cole, Journ. of Physiol., 30, 202; 281 (1903). — 10) C. G. Santesson, Skand. Arch. Physiol., 23, 99 (1909). — 11) W. V. MoRACZEWSKi, Pflüg. Arch., 6p, 32 (1897). Bourquelot u. Herissey, C. r. Soc. Biol., 55. 176 (1903). — 12) Fokker, Zentr. f. med. VViss. (1891),- p. 454 DüBS, Virch. Arch., 134, 519 (1893). — 13) A. J. Vandevelde, Biochem. Ztsch., 3, 315 (1907); 40, 1 (1912). — 14) E. Bourquelot u. E. Danjou, C r. Soc. Biol, (23. Nov. 1906). — 15) J. Tysebaert, Ann. et Bull. Soc. Roy. Sei. m^d. et natur. (BruxeUes 1911), p. 189. — 16) P. Morat, C. r. Soc. Biol. (1893), p. 116, für In- vertin und Emulsin. — 17) E. Laqueur, Arch.,exp. Pathol-, 55, 240 (1906). M. GONNERMANN, Pflüg. Arch., 103, 225 (1904). Brown u. Neilson, Zentr. Physiol. a905), p. 468. — 18) S. Mereshowsky, Zentr. Bakt. II, //, 33 (1903). — 19) G. Senter, Proceed. Roy. Soc. Lond., 74, 201 (1904). 112 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. der Katalasewirkung (Blutkatalase oder Hämase) geliefert. Wie eine etwa vorkommende Reaktivierung oder „Erholung" eines Enzyms nach der „Ver- giftung" aufzufassen ist, lehren die erwähnten Feststellungen Hatas über Sublimatwirkung. Daß solche Reaktivierungen nach AppUkation geringer Giftmengen besonders leicht durch Zerstörung des Paralysators geschehen können, braucht keine besondere Darlegung zu erfahren. Alle erwähnten Enzymparalysatoren sind nicht spezifisch und nur selten gegen hohe Temperaturen empfindlich. Die biologischen Er- fahrungen haben uns jedoch zahlreiche von der lebenden Zelle erzeugte Paralysatoren kennen gelehrt, welche streng spezifisch ein bestimmtes Enzym inaktivieren, ebenso wie die Enzyme selbst in minimalen Mengen wirksam sind, und ausgeprägt thermolabilen Charaktör haben. Hilde- brandt (1) hat zuerst beobachtet, daß nach intravenöser Injektion von Mandelemulsinlösung nach einiger Zeit das Blutserum des betreffenden Versuchstieres die Fähigkeit gewann, im Reagensglase die Emulsin- wirkung energisch zu hemmen, Morgenroth (2) stellte dasselbe Ver- halten für das Serum nach Injektion von Labferment fest. Seit dieser Zeit haben außerordentlich zahlreiche Untersuchungen ergeben, daß fast alle tierischen und pflanzlichen Enzyme die Eigenschaft haben, die Bil- dung eines Anti- Enzyms, wie man diese Stoffe seither nennt, zu er- regen. Nur für die Katalase ist es bisher nicht gelungen, die Antigen- Reaktionen im Tierkörper zu erhalten (3). Dasjenige was Battelli und Stern (4) als „Antikatalase" beschrieben haben, sollte nach diesen Autoren selbst nur einen in verschiedenen tierischen Geweben vorkommenden Hemmungskörper bezeichnen, nicht aber das Antiferment der Katalase. Doch wird es sich empfehlen den Namen von „Antienzymen" für die wirk- lichen AntiStoffe von Fermenten zu reservieren, wie sie nach Einverleibung von Enzymen in die Blutbahn entstehen und alle anderen Hemmungs- vorgänge davon zu trennen. So möchte ich weder die erwähnte „Anti- katalase" als Antienzym gelten lassen, noch die von Porter (5) ent- deckten Hemmungskörper, welche in Gegenwart von Kollediummembranen aus Enzymen entstehen und letztere inaktivieren, noch die beim Er- hitzen von Pepsinlösungen entstehenden inaktivierenden Substanzen (6), noch endlich auch die von Buchner (7) studierte „Antiprotease" aus Hefepreßsaft, welche die Zymase gegen das gleichzeitig anwesende tryp- tische Enzym schützt. Alles dies sind keine typischen Antienzyme. Hingegen kommen zweifellos typische Antikörper fürEnzyme oderAnti- fermente auch im normalen Stoffwechsel von Tieren und Pflanzen vor, wo sie wichtige regulatorische Funktionen im Stoffwechsel zu erfüllen haben. Das zuerst aufgefundene Antiferment im normalen Stoffwechsel war das von mir (8) im Gewebssafte geotropisch gereizter Wurzelspitzen eruierte Antienzym, welches die fermentative Oxydation der aus dem Tyrosin 1) H. HiLDEBKANDT, Virch. Arch., /j/, 5 (1893). — 2) J. Morgenroth. Zentr. f. Bakt. I, 26, 349 (1899); a;, 721 (1900). Antilab: Hedin, Ztsch. physiol. ehem., 77, 229 (1912). — 3) H. de Waele u. Vandevelde, Biochem. Ztsch., p, 264 (1908). - 4) F. Battelli u. L. Stern, Ebenda, w, 275 (1908). — 5) A. E. Porter, Quart. Jouro. exp. Phyeiol., 3, 375 (1910); Biochera Ztsch., 25, 301 (1910). — 6) Vgl. O. Mohr, Woch.schr. f. Brauerei, 22, 501 (1905). S. G. Hedin. Ztsch. physiol. ehem., 76, 355 (1912), erhielt einen das arteigene Lab spezifisch hemmenden Stoff durch Behandlung des Magenschleimhautextraktes mit schwachem Ammoniak. — 7) E. Buchner u. H. Hahn, Biochem. Ztsch., 26, 171 (1910). — 8) F. Czapek, Ber. Bot. Ges., 20, 464 (1902); 21, IV (1903). 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. X13 hervorgehenden silberreduzierenden Substanzen hemmt. Diese Antioxydasen sind spezifisch wirksam und wirken nur bei systematisch nahestehenden Pflanzenarten wechselseitig auf die Oxydasen ein; Mais-Antioxydase wirkt jedoch z. B. auf Lupinus-Oxydase nicht ein. Bei 62" C wird wohl die Anti- oxydase unwirksam, jedoch nicht die Oxydase. Es läßt sich daher die Anti- enzymwirkung in Gemischen durch Erwärmen auf 62 <* aufheben. Wein- land (1) hat hierauf ein Antitrypsin in den darmbewohnenden Spul- würmern aufgefunden, und im Blutserum kommt, wie man nun weiß, gleichfalls normal ein Antiferment des Trypsins vor. Schon der Umstand, daß beim Erhitzen eines inaktiven EnzjTn-Anti- enzymgemisches die Enzymwirkung wieder regeneriert werden kann, be- weist uns, daß die Enzyme in der Antifermentreaktion nicht zerstört werden. Hedin (2) hat weiter die interessante Tatsache festgestellt, daß man wohl Antitrypsin durch eine hinreichende Menge von Trypsin vollständig ab- sättigen kann, daß es jedoch unmöglich ist, Trypsin, selbst mit dem größten Überschuß von Antitrypsin vollkommen unwirksam zu machen. Eine Proportionahtät der Quantität und der Wirkung des Antitrypsins besteht nicht; kleine Mengen des Antifermentes machen relativ mehr Trypsin in- aktiv als große Mengen. Daß gewisse Analogien mit Adsorptionsprozessen bei den Antifermentreaktionen anzunehmen sind, läßt sich nicht leugnen. Ähnüch wie das Antienzym durch Erhitzen früher zerstört wird als das ge- bunden^ Enzym, wirken nach Hedin und nach Jacoby(3) auch Säuren stärker auf das Antienzym ein, und man kann das Enzym auch auf diese Weise reakti- vieren. Nach Minami (4) kann man sowohl durch Schüttehi als durch Er- wärmen Enzyme so verändern, daß die Enzymfunktion weniger leidet als das Bindungsvermögen für Serum. Daß Antienzyme synthetische Wirkungen haben, wie Beitzke und Neuberg (5) vom Antiemulsin angaben, hat sich nicht bestätigt, und ist im Sinne unserer Auffassung der Antienzyme auch nicht anzunehmen. Chemische Stoffe als Förderer von Enzymwirkungen: Zymoexcitatoren, Hilfstoffe. — Es ist eine alte Erfahrung der Enzymologie, daß viele Enzymwirkungen durch nicht zu große Mengen zugesetzter Säure lebhaft gefördert werden. Für Diastase wurde dies schon 1882 durch Detmer(6) dargetan, für Invertin durch Kjeldahl, O'SuLLivAN und Thompson. Daß bei der Pepsin Verdauung die freie Säure wesentlich mitspielt, ist altbekannt und neuere Untersuchungen von Berg und Gies(7) haben erwiesen, daß das Wasserstoffion hierbei die Hauptrolle spielt, während die Säureanionen nur wenig in Betracht kommen. Die verschiedenen Säuren entsprechen in ihrer Wirksamkeit voll- ständig ihrer Affinitätskonstante. So kommt es, daß auch Kohlensäure unter höherem Drucke wie Müller-Thurgau fand, die Diastasewirkung erheb- lich zu fördern vermag (8). Da die Messung der Wasserstoffionenkonzen- 1) Weinland, Ztsch. Biol., 44, 1. 45 (1902); 45, 119 (1903). J. M. Hamill, Jonrn. of Physiol., jj, 479 (1906). — 2) S. G. Hedin, ßiochem. Journ., /, 474, 483 (1906). — 3) M. Jacoby, Biochem. Ztech., 34, 485 (1911). — 4) D. Minami, Ebenda, 39, 75 (1912). — 5) H. Beitzke u. C. Neüberg, Virch. Arch., 183, 169 (1906); Ztsch. Immun.-Forschg., I, 2, 645 (1909). A. F. Coca, Ebenda, I, 2, 1 (1909). W. M. Bayliss, Journ. Physiol., 43, 455 (1912). — 6) W. Detmer, Ztsch. physiol. Chem., 7, 1 (1882). Pflanzenphysiol. Untersuch, üb. Fermentbildung (Jena 1884). — 7) W. N. Bebg u. W. J. Gies, Zentr. Physiol. (1906), p. 615. G. Bebtrand u. B^sen- BLATT, Compt. rend., 153, 1515 (1911). — 8) Vgl. auch M. Baswitz, Ber. Chem. Ges., n, 1443 (1878). Czapek, Biochemie der Pflanzen. 3. Aui'l. o 214 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. tration bei enzymatischen Prozessen demnach von großer Bedeutung ist, so ist es wichtig, daß wir durch die planmäßigen und genauen Versuche Sören- SENS(1) über die Möghchkeit der Anwendung bestimmter Farbstoffindi- catoren zu diesem Zwecke genauen Aufschluß über diesen Faktor erhalten haben. Die Empfindlichkeit der Enzyme gegen die oberen Grenzkonzen- trationen der Säuren ist verschieden. In anderen Fällen wirkt ein geringer Gehalt der Lösung an Hydroxyüonen günstig auf die Enzymwirkung, wie bei Trypsinen aus dem Pflanzen- und Tierreiche. Jacobson erhielt für die HjOg-Katalyse durch Mandelenzym folgende Wirkungen bei Zusatz ver- schieden starker KaUlösung: KaUmenge 1 1 1111 « I3Ö 7Ö 4Ö 30 25 °°™''' *^"<^ Zur Entwicklung von 170 ccm Sauerstoff erforderüche Zeit 30' 3' 6' 15' 30' viel mehr als 30 Minuten. Es sei daran erinnert, daß sich ganz ähnliche Resultate bezügüch der fördernden Wirkung von schwach alkaUscher Reaktion für die Superoxyd- katalyse durch Platinsol (Bredig) ergeben haben. Auch Salze sind als „Zymoexcitatoren" bekannt. Nach Herissey(2) fördert 1,5 % NaFl die Hydrolyse der Reservekohlenhydrate durch die Cytase der Leguminosensamen. Manche Fermente, wie die Leberdiastase (3), scheinen ohne Neutralsalzgegenwart überhaupt unwirksam zu sein. Man kann dieses Enzym, sowie Pankreasferment durch Dialyse unwirksam machen und durch Zusatz von Chloriden wieder aktivieren. Nach Bierry(4) wirken aber Pflanzenamylase, tierische Lactase und Emulsin, sowie Hefe-Invertin auch im ausdialysierten Zustande ohne Gegenwart von Chloriden. Nach Starkenstein (5) besteht ein Proportionalitätsverhältnis zwischen der zur Aktivierung nötigen Salzmenge und der vorhandenen Enzymmenge, so daß man aus der ersteren Rückschlüsse auf den Enzym- gehalt ziehen kann. Über die Aktivierung des Pankreassaftes durch Salze, besonders Kalksalze, existiert eine reiche Literatur (6). Sowie für die inorganischen Oxydationskatalysen vielfach Förderung durch Schwer- metallsalze beobachtet worden ist, so ist auch für Enzymkatalysen eine Reihe derartiger Angaben vorhanden, inshesonders die Förderung durch Mangansalze bei den Oxydasen [Bertrand (7)J. Manche hierher ge- hörige Angabien, wie insbesonders jene Sacharoffs(8) über die Rolle des Eisens bei Enzymreaktionen, sind durchaus problematischer Natur. Armstrong (9) beobachtete eine Förderung der enzymatischen Glucosid- spaltung (Blausäurebildung) in Prünusblättern unter dem Einflüsse von Narkoticis. Nach Centanni(IO) haben Lipoide einen befördernden Ein- 1) S. P. L. SÖRENSEN, Biochem. Ztsch., 2/, 131, 201; 22, 352 (1909); Compt. rend. Lab. Carlsberg, 8, 1, 396 (1909). — 2) Herissey, Compt. rend., 143, 49 (1901). — 3) E. Stabkenstein, Biochem. Ztsch., 24, 210 (1910). — 4) H. Bierry, Biochem. Ztsch., 40, 357 (1912). — 5) E. Starkenstein, Ebenda, 47, 300 (1912). — 6) Vgl. Larguier des Bancels, Compt. rend., 141, 144 (1905). C. Delezenne, Ebenda, p. 781 (1905). E. ZüNz, Biochem. Zentr., 5, 69, 225 (1906). —7) Bertrand, Comi)t. rend., 124, 1032, 1355 (1897). — 8) N. Sacharoff, Das Eisen als das tätige Prinzip der Enzyme (Jena 1902). — 9) H. E. Armstrong u. E. Fr. Armstrong, Proceed. Roy. Soc. Lond. B., 82, 588 (1910). — 10) E. Centanni, Biochem. Ztsch., 29, 389 (1910). G. Satta u. Fasiani, Giorn; Accad. Med. Torino, 73, 285 (1912). § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. 115 fluß auf die Wirkung der Leberdiastase. In manchen Fällen ist man noch durchaus im Unklaren, worauf man beobachtete fördernde Wir- kungen zurückführen soll. So wird nach Pavy und BywatersCI) die Invertinwirkung durch Zusatz von Hefeabkochung gefördert, und Buch- ner (2) sah die Zymase der Hefe durch gekochten Hefeprci3saft aktiviert werden. In dem letzteren Falle handelt es sich vieUeicht ujn organische Phosphorverbindungen. Die Aktivierung von Enzymen kann aber auch durch thermolabile Antiferment erzeugende Stoffe von völligem Enzymcharakter bedingt werden. Man nennt diese merkwürdigen biologischen Aktivatoren Kinasen oder Kofermente. Pawlow hat zuerst gezeigt, daß frischer reiner Pan- kreassaft nicht tryptisch wirkt, sondern erst durch ein in der Duodenal- schleimhaut enthaltenes Enzym aktiviert wird, welches den Namen „Enterokinase" erhalten hat Hingegen ist der durch Bayliss und Starling(3) aufgefundene, die Pankreassekretion anregende Stoff, das Sekretin, keine enzymartige Substanz und von der Enterokinase durch- aus verschieden. Für solche thermostabile, oft krystalloide Stoffe, welche Enzymwirkungen fördern und häufig für die chemischen Regulationen im Organismus große Bedeutung haben, hat mau die Bezeichnung Hor- mone gewählt. Kinasen sind auch bereits im Pflanzenreiche nachgewiesen. Dele- ZENNE und Mouton(4) fanden, daß Extrakte aus Amanita inaktiven Pankreassaft kräftig aktivieren. Nach Malfitano(5) besteht auch das proteolytische Enzym der Milzbrandbacillen aus inaktivem Trypsin und Kinase. Die aus früherer Zeit stammenden Angaben über „künstUche Darstel- lung" von Enzymen aus anderen Eiweißstoffen sind wohl sämtlich teils aus der Beimengung kleiner Enzymmengen, die an andere Kolloide adsorbiert waren, teils durch Bacterienwirkung zu erklären. Hierzu zählt die ,, künst- liche Diastase" von Reychler und Selmi (6), die Bildung von glucolytischem Enzym aus Diastase [(Lepine (7),] und auch die beim Schütteln von Eiweiß auftretenden tryptischen Wirkungen, die Chalfäjeff (8) angab. Die künst- liche Herstellung wahrer Enzyme ist bisher noch nicht gelungen. Enzyme, Fortsetzung: Kinetik der Enzymreaktionen. Die moderne Enzymforschung geht von der heute wahrschein- lichsten Anschauung aus, daß die Enzymreaktioner in ihren wesentlichen Merkmalen mit katalytischen Reaktionen übereinstimmen, und sucht von diesem Standpunkte alle Probleme der Enzymkinetik zu erklären. Ver- gleichen wir inorganische Katalysen mit Enzymreaktionen, so haben wir uns zunächst zu fragen, ob die Hauptmerkmale katalytischer Vorgänge hier wiedergefunden werden: 1. Die energische Wirkung kleiner Mengen des Katalysators, dessen Quantität gleichbleibt, wenn nicht nebenher 1) F. W. Pavy u. H. W. Bywaters, Journ. of Physiol., 41, 168 (1910). — 2) E. Buchner u. H. Haehn, Biochem. Ztsch., ig, 191 (1909). — 3) Bayuss u. Starling, Journ. of Pbysiol., 28, Nr. 5 (190'J); 29, Nr. 2 (1903); 30, Nr. l (1904). Vgl. auch W. H. HowELL, Science, 31, 93 (1910). — 4) Delezenne u. Mouton, C. r. Soc. Biol., 55, 27 (1903); 56, 166 (19G4); Compt. rend., /jö, 167 (1903). — 5) Malfitano, Compt. rend., 136, 964 (1903). — 6) Selmi, Ber. Chem. Ges., 15, 386 (1882). — 7) Lepine widerlegt durch O. Nasse u. F. Framm, Pflüg. Arch., 63, 203 (1896). — 8) Chalfejeff, Zent-. f. Physiol. (1901), p. 200. 8* 116 Zweites Kapitel: Die chemiechen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. verlaufende Reaktionen einen Teil der Substanz zerstören. 2. Die Tat- sache, daß der Katalysator die Reaktion nur beschleunigt und nicht ur- sächlich bedingt 3. Die Giltigkeit des Massenwirkungsgesetzes in der Reaktion und im endlich erreichten Gleichgewichte, wozu auch die Er- füllung der theoretischen Forderung gehört, daß der Katalysator die von ihm beherrschte Reaktion nach beiden Richtungen beschleunigen kann. Schon bei dem Studium des ersten isoHerten Enzyms, der Malzdiastase, nahmen Payen und Persoz wahr, daß ein Teil ihres Diastasepräparates 2000 Teile Stärke umzuwandeln vermochte. Später dargestellte Enzym- präparate waren noch bedeutend wirksam. O'Sullivans Invertin wirkt noch im Verhältnis 1 : 200 000; Hammarstens Labpräparat 1 : 800 000; Tammanns Mandelemulsin im Verhältnis 1 : 25 000. Es wirken demnach auch noch ganz minimale Mengen in nachweis- barem Grade. Brücke hat zuerst für die Fibrinproteolyse durch Magen- pepsin festgestellt, daß die Reaktion durch Verwendung größerer Enzym- mengen namhaft beschleunigt wird. Alle folgenden Experimentalunter- suchungen haben dies für die verschiedensten Enzyme bestätigt. Kjeldahl hat gezeigt, daß es nicht auf die absolute Menge des vorhandenen Enzyms ankommt, sondern auf die Enzymkonzentration. Dieselbe Enzymmenge wirkt in verdünnter Lösung langsamer als in konzentrierterer Lösung (bis 12 %) auf die gleiche Menge Maltose ein. Bei der Fermentdosierung wäre es natürlich fehlerhaft, gewogene Mengen fester Präparate zu vergleichen, nach- dem der aktive Stoff in keinem bestimmten Verhältnisse zur Menge des Roh Präparates zu stehen braucht (1). Beim Vergleiche der Wirkung verschiedener Enzymkonzentrationen hat man sich an den Grundsatz zu halten, die zu gleichem Umsätze in verschiedenen Versuchen erforderlichen Zeiträume zu messen, was leider in vielen vorhandenen Untersuchungen nicht beachtet worden ist. Für zahh-eiche Fälle ist behauptet worden, daß Enzjrmkonzentration und Wirkung miteinander in proportionalem Verhältnisse stehen. Durch neuere Untersuchungen weiß man jedoch, daß diese Beziehung angenähert nur für geringe Enzymkonzentrationen gilt. Nach Duclaux (2) existiert für das Labenzym ein derartiges Wirkungsgesetz, und es gilt auch für das Invertin, wie früher bereits Kjeldahl, Ad. Mayer (3), sowie O'Sul- LIVAN und Thompson angenommen hatten. Für Invertin gilt Proportionahtät nur so lange, bis 10—20 % des Rohrzuckers hydrolysiert sind, und nur für sehr kleine Enzymmengen. Für Diastase war Proportionahtät zwischen Enzymkonzentration und Wirkung schon von Paschutin (4) angegeben, und sie ist später durch die schöne Arbeit Kjeldahls genau bekannt ge- worden. Als Beispiel für das Ansteigen der Wirkung mit vermehrter Enzym- menge diene folgender Versuch Kjeldahls: Malzauszug in ccm 1 Gebildete Maltose in g 0,1 Auf der Erfahrung, daß bei der Einwirkung von verschiedenen Mengen desselben Malzextraktes auf eine bestimmte gleiche Menge einer Stärke- lösung bei bestimmter Temperatur die Reduktionskraft des Substrates proportional der Malzauszugsmenge ist, hat Kjeldahl seine bekannte Methode der Diastasebestimmung begründet. Dabei darf das Reduktions- 3 5 10 15 20 30 0,31 0,49 0,82 1,1 1,1 i;2 1) Vgl. hierzu J. Düclaux, Compt. rend., 143, 344 (1906). — 2) J. Duclaux, 1. c.p. 162. — 3) Ad. Mayer, Enzymologie (1882). — 4) Paschutin, Dubois' Arch. (1871), p. 359. / / . § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. 117 vermögen von 100 g Trockensubstanz nicht größer sein, als das Reduktions vermögen von 30 g Traubenzucker oder 45 g Maltose. Nach A. Meyer (1) arbeitet man am sichersten bei 60". Medwedew(2) fand bei der Unter- suchung der Leberaldehydase die Oxydationsgeschwindigkeit von Salicyl- aldehyd ebenfalls der Fermentkonzentration proportional, KxVSTLE und LoEVENHART (3) dehnten diese Beziehung auch auf das Gebiet der Lipaseu aus, und bezüghch der Katalasen kann dasselbe berichtet werden. Wir erinnern uns, daß eine Proportionalität zwischen Menge von inorganischen Katalysatoren und dem Effekt gleichfalls verbreitet aufgefunden worden ist. Nun haben E. Schütz, Borissow und J. Sohütz (4) schon 1885 für die Pepsinwirkung ein ganz anderes Abhängigkeitsgesetz zwischen Ferment- menge und Wirkung aufgedeckt, welches außerhalb des Gebietes der Enzym- lehre bisher nirgends beobachtet worden ist, bei den Enzymen aber, wie wir auf Grund unserer heutigen Erfahrung sagen können, jedoch eine sehr weitgehende Gültigkeit besitzt. Die ScHÜTZsche Regel sagt, daß die in einer bestimmten Zeit umgesetzte Substanzmenge innerhalb gewisser Grenzen der Quadratwurzel der wirksamen Fermentmenge proportional ist. Nach Mett kann man dieses Gesetz für das Pepsin sehr anschaulich zeigen, indem man mit festem Eiweiß gefüllte Capillaren in verschieden konzentrierte Pepsinlösungen bringt und den Fortgang des Abschmelzens vergleichend feststellt. Auch in neuester Zeit hat Grützner (5), wenn er auch für Pepsin und Trypsin das einfache Proportionalitätsgesetz als maßgebend ansieht wieder bestätigt, daß während einer gewissen Zeit die ScHÜTZsche Regel zutrifft. Daß nun dieses eigenartige Abhängigkeitsverhältnis nicht etwa eine spezielle Eigenart der Enzym Wirkungen berührt, sondern vom reaktions- kinetischen Standpunkte aus ohne weiteres verständlich ist, geht insbe- sondere aus den von Arrhenius (6) gegebenen Darlegungen hervor. Alle Erfahrungen bezüghch der ScHÜTZschen Regel sprechen dahin, daß sie nur so lange gilt, als erst ein sehr kleiner Teil des Reaktionsmaterials umgesetzt ist, also nur im Beginn der Reaktion, so lange die Gesamtmenge der rea- gierenden Stoffe annähernd unverändert bleiben. Nun kann man aus der dx k^ 1 ScHÜTZschen Regel x = k /t die Beziehung ableiten -Tr=7r — » d. h. dt 2i X die Reaktionsgeschwindigkeit ist indirekt proportional der umgesetzten Substanzmenge. Dies ist offenbar dasselbe als wenn wir die wirksame Menge eines der reagierenden Stoffe der Menge von Reaktionsprodukten x indirekt proportional setzen. Arrhenius hat nun darauf aufmerksam gemacht, daß ein solcher Fall tatsächlich bei Verseifungen von Estern durch Ammoniak vorliegt, wo im Anfang der Reaktion die wirksame Menge der OH -Ionen indirekt proportional sein muß der Menge der NH^-Ionen des entstehenden Ammoniumfettsäuresalzes. Bei der Pepsinwirkung wird das Pepsin von den entstehenden Peptonen größtenteils gebunden, und es gilt die Beziehung Pepsin X Peptone = k (gebundenes Pepsin). Es ist also die Pepsinmenge den Reaktionsprodukten (Pepton) umgekehrt proportional. 1) A. Meyer, Stärkekörner (Jena 1895), p. 65. — 2) A. Medwedew. Pflüg. Arch., 65, 249 (1896). — 3) Kastle u. Loevenhart, Amer. Chein. Journ., 24, 491 (1900). — 4) E. Schütz, Ztech. physiol. Chem., 9, 577 (1885). Borissow, zit. bei SsAMOiLOW, Arch. Scienc. Biol., 2, 705. J. Schütz, Ztsch. physiol. Chem., jo, 1 (1900). — 5) P. V,. Grützner, Pflüg. Arch., 141, 63 (1911). A. Palladin, Ebenda, 134, 337 (1911). Über das Proportionalitätsgesjetz bei d. tryptischeu Caseinverdauung ferner S. G. Hedin, Ztsch. physiol. Chem., $7, 468 (1908); 64, 82 (1910). Sind Hemmiiugskörper zugegen, so versagt das Enzymzeitgesetz oft völlig. — 6) Sv. Arrhenius, Medd. Nobel Inst., /, Nr. 9 (1908). H. Euler, Ergebn. d. Physiol., 9, 251 (1910). 1 \ 8 ZweiteB Kapitel : Die chemischen Reaktionen im lebenden PflanzenorganismuB. Für manche FälJe, wie für das Pepsin in den Untersuchungen von Brücke (1) hat sich die bei so vielen Katalysen nachgewiesene Eigenschaft, daß sich die wirksame Katalysatormenge während der Reaktion nicht ändert, ohne weiteres auch auf dem Gebiete der Enzyme konstatieren lassen. Doch hat bereits O'Sullivan (2) für das Hefeinvertin und Tammann (3) für das Mandelemulsin überzeugend nachgewiesen, daß diese Enzyme während der Reaktion allmähhch unwirksam werden, und die Reaktion daher bei keiner Temperatur vollständig beendet werden kann. Analoge Erfahrungen wurden später sehr häufig gesammelt. Dieser Verlust an Ferment kann natürhch sehr verschiedenen Ursachen entstammen. Für das Lab haben Reichel und Spiro (4), sowie Fuld und Pincussohn (5) hinreichend dar- getan, daß der Fermentverlust durch die Aufteilung des Enzyms zwischen Lösung und Eiweißniederschlag (Adsorptionsbindung) vöUig erklärt werden kann. In anderen Fällen aber werden die Enzyme, wie besonders Tammann ausgeführt hat, in Nebenreaktionen allmähhch unwirksam gemacht, nie jedoch in der Hauptreaktion, in welcher das Enzym als Katalysator wirkt. Das Unwirksamwerden erfolgt um so schneller, je höher die Temperatur ist. Übrigens büßt Emulsin selbst bei der Aufbewahrung als Trocken- präparat in längerer Zeit beträchtüch an Wirksamkeit ein. Worin der Verlust an Wirksamkeit besteht, kormte für das T-zmulsin nicht festgestellt werden. Man hat die vorzeitige Beendigung der p3aktion durch Zugrunde- gehen des Enzyms in Nebenreaktionen als „falsches Gleichgewicht" be- zeichnet. Analoge Erscheinungen wurden übrigens durch Bredig auch bei der Knallgaskatalyse durch Platinsol und der HgOg-Katalyse durch Silber- sol nachgewiesen. Bei Tammann finden sich auch interessante Beobachtungen über die Gesetze der Geschwindigkeit des Enzymzerfalles. LiCHTWiTZ(6) bezeichnet als „Fermentlähmung" eine Schwächung der Invertinwirkung lebender Hefe durch Invertzucker, die nach Entfernung des Invertzuckers bestehen bleibt. Worin dieser Einfluß begründet ist, läßt sich den Angaben nicht entnehmen. Die Lage des „falschen Gleichgewichtes" kann bei verschiedenen Enzymen und verschiedenen Versuchsbedingungen mehr oder weniger weit vom idealen Endzustande der vollständigen Spaltung entfernt hegen. Beim Emulsin war es schon Liebig und Wöhler(7) aufgefallen, wie entfernt die Wirkung auf das Amygdahn von einer vollständigen Spaltung bleibt. Hingegen gab Piria (8) an, daß SaUcin durch Emulsin vollständig gespalten wird. Labenzym spaltet das Casein, Invertin die Saccharose wenigstens bei höheren Temperaturen praktisch vollständig. Auch bei der tryptischen Verdauung fanden Kutscher (9) und andere Forscher selbst die letzten Reste der Albumosen in Aminosäuren aufgespalten. Weniger weit geht die Stärkehydrolyse durch Diastase. Nun ist aber nach den Erfahrungen Tammanns (10) die Enzymzer- störung nicht die einzige Ursache einer gefundenen Lage des falschen Gleich- gewichtes. Einmal hängt der Endzustand von der Temperatur ab. Eine bei niederer Temperatur zum Stillstande gelangte Emulsinkatalyse kann 1) E.Brücke, Sitz.ber. Wien. Ak., j;, 131. — 2)0'SuLLrvAN, Journ.Chera.Soc. (1890). /, 834 — 3) G. Tammann, Ztsch. physik. Chem., i8, 426 (1895). — 4) H. Feichel u. K. Spiro, Hofmeisters Beitr., 6, 68 (1904); 7, 479 (1906). — 5) E. ZuLD u. L. Pincussohn, Biochem. Ztsch., 9, 318 (1908). — 6) L. Lichtwitz, Rtsch. phyeiol. Chem., 78, 128 (1912). — 7) Liebig u. Wöhler, Lieb. Ann., 22, 19 (1837). — 8) Piria, Lieb. Ann., 5^, 36 (1845). — 9) Kutscher, Die Endprodukte der Trypsinverdauung (Straßburg 1899). — 10) Tammann, Ztsch. physik. Chem,, j, 25 (1889); Ztsch. physiol. Chem., 16, 271 (1892). § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. 119 man durch Temperaturerhöhung wieder in Gang bringen und bis zu dem der neuen Temperatur entsprechenden neuen „falschen Gleichgewichte'* wieder fortsetzen. Tammann fand ferner, daß bei Vermehrung der Amygdahnmenge bei derselben Enzymquantität die absolute Menge der Amygdahnspaltungsprodukte größer ist. So wurden gespalten von 0,51 g Amygdaün 0,11 g, von 1,02 g 0,15 g, von 2,04 g 0,24 g. Die relativen Mengen der Spaltungsstoffe sind geringer, wenn mehr Amygdahn verwendet wird. Setzt man AmygdaHn zu einer bereits im Endzustande befindüchen Lösung zu, so kommt die Reaktion neuerhch in Gang. Von Interesse ist ferner, daß das Ausäthern der Spaltungsprodukte bei der Glucosidkatalyse des Emulsins das falsche Gleichgewicht ebenfalls verschiebt und die Reaktion sehr merkhch der Vollständigkeit näher bringt. Andererseits kann man durch absichtüchen Zusatz von Spaltungsprodukten ein früheres Eintreten eines falschen Endzustandes erzielen. Für die Alkoholgärung wurde bereits durch BoussiNGAULT (1 ) gezeigt, daß Entfernung der bereits gebildeten Kohlen- säure- und Alkoholmengen den Reaktionafortgang stark befördert. Hier- her zählen ferner die biologischen Beobachtungen von Pfeffer und Han- STEEN über die Endospermentleerung von Samen und jene von Saposch- NIKOFF über die Stärkeentleerung der Laubblätter. Der Einfluß der Spaltungsprodukte auf die Enzymwirkung erfährt auch eine wirksame Illustration durch die Beobachtung Tammanns, daß Emulsin nach Er- reichung des falschen Gleichgewichtes in Amygdalinlösung auf Sahein noch einzuwirken imstande ist. Endüch läßt sich das Gleichgewicht durch Verdünnen der Lösung nachträghch verschieben. Legen schon diese Tatsachen in Verbindung mit den oben erwähnten Feststellungen, daß Enzymreaktionen auch durch Vermehrung der Enzym- menge weiter getrieben werden können, die Erwägung nahe, daß das Enzym selbst, und zwar in umkehrbarer Weise, an den „falschen Gleichgewichten" beteihgt ist, so kann man diese Auffassung um so mehr vertreten, wenn man berücksichtigt, daß die Kohlenhydratenzyme streng spezifisch durch Glucose, Galactose und Fructose gehemmt werden. Armstrong (2) hat gezeigt, daß Lactase durch Galactose, Emulsin durch Glucose, Maltase ebenso durch Glucose, Invertin aber durch Fructosezusatz gehemmt wird. Ein derartig spezifischer Einfluß der Reaktionsprodukte ist kaum anders verständhch als durch die Annahme, daß bei Herstellung des falschen Gleichgewichtes eine Bindung des Enzyms an eines der Reaktionsprodukte, den sterischen Verhältnissen des Enzyms entsprechend, erfolgt. Substratkonzentration und die Geschwindigkeit der Enzym reaktionen. — Die großen Analogien der Enzym Wirkungen mit inorganischen Katalysen forderten schon seit längerer Zeit dazu auf, das Zeitgesetz der Enzym Wirkungen näher festzustellen. O'Sullivan und Thompson (1890), die zu den ersten Forschern gehörten, welche sich auf diesem wichtigen Gebiete betätigten, entschlossen sich auf Grund ihrer Erfahrungen über den Verlauf der Invertinspaltung des Rohr- zuckers zu der Annahme, daß das Geschwindigkeitsgese^^. dieser Reak- tion völlig den von Wilhelmy für die Säurekatalyse des Rohrzuckers festgestellten Beziehungen entspreche. Diese Ansicht stidß jedoch lange Zeit auf fast allseitigen Widerspruch. Düclaüx(3), Tammann und 1 ) BoussiNGAULT, Compt. rend., gi, 373 (1880). Einfluß tryptischer Verdauungs- produkte auf Trypsinwirkung: E. H. Walters, Journ. Biol. Chem., 12, 43 (1912). — 2) E. Fr. Armstrong, Proceed. Roy. Soc, 73, 516 (1904). — 3) E. Duclaux, Ann. Inst. I>a8teur, 12, 196 (1898). Tammann, Ztsch. physik. Chem., 3, 33 (1889). 120 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. später besonders Henri (1) haben energisch bestritten, daß die Invertin- wirkung auf Rohrzucker den Charakter einer unimolekularen Reaktion besitzt. Nach Henri könnte man bei Enzymreaktionen überhaupt nie- mals an solche einfache Beziehungen denken, und müßte sich darauf be- schränken, die Reaktionsgesetze durch empirische Formeln möglichst annähernd auszudrücken. Nun war gerade die Invertinkatalyse ein in- struktiver Fall dafür, wie die Eliminierung eines unbeachtet gebliebenen Einflusses auf den Reaktionsverlauf mit einem Schlage klaren Sachverhalt schafft. Die Invertinwirkung ist nämlich tatsächlich eine unimole- kulare Reaktion, wenn man die Mutarotation der entstehenden Glucose vor der Polarisation durch Zusatz von etwas Alkali aufhebt (2). Die Invertin -Rohrzuckerspaltung liefert dann gut stimmende Werte für 1 a k = — In . In neuerer Zeit haben sich noch weitere sichere Fälle t a— X ergeben, in welchen Enzymreaktionen durch die unimolekulare Formel dar- gestellt werden können. Ein sehr gutes Beispiel haben Katalasen ver- schiedener Herkunft in den Untersuchungen von Senter und Euler (3) geliefert. Nach Bach (4) folgt auch die Tyrosinasewirkung unstreitig dem- selben Gesetz. Es sind sodann verschiedene Fälle bekannt, in welchen fett- spaltende Enzyme dem uniraolekularen Wirkungsgesetze entsprechen, und selbst für Kohlenhydrateuzyme (Mandelemulsin nach Hudson und Paine (5), Speicheldiastase nach Taylor) haben sich hier und da unimolekulare Formeln einwandfrei als giltig erwiesen. Sehr häufig sinken die nach der unimolekularen P'ormel berechneten K-Werte mit fortschreitendem Verlaufe der Reaktion stark ab, ein Verhalten, welches auf eine Ver- minderung der aktiven Katalysatormenge bezogen werden muß. Daß hierbei nicht unbedingt eine Zerstörung des Enzyms angenommen werden muß, sondern das Enzym gewiß oft durch Reaktionsprodukte in an- sehnhchem Maße adsorptiv gebunden werden kann, wurde oben bereits ausgeführt. Für Lipasen hat derartige Erwägung Peirce (6) näher aus- geführt. Am kompliziertesten liegen wohl die Verhältnisse bei den pro- teolytischen Enzymen, wo man bisher (von der ScHÜTzschen Regel ab- gesehen) keijie sicheren reaktionskinetischen Daten erlangen konnte. Mit der Feststellung von Henri und Larguier des Bancels(7), daß im BegiHne der Einwirkung von Trypsin auf Gelatine die unimolekulare Formel gut stimmt, ist wohl noch kein näherer Einblick in die Kinetik der Proteolyse gewährt. Man hat unstreitig außer dem Fermentverlust durch Bindung in löslichen und unlöslichen Reaktionsprodukten noch auf die Änderung in der Beschaffenheit des Mediums durch Aciditäts- abnahme usw. Rücksicht zu nehmen (8), wodurch es äußerst schwierig wird, das Reaktionsgesetz klar zu legen. Am besten steht es noch mit der Erforschung der Dipeptidspaltung, die Euler (9) mit der Unter- 1) V. Henri, Ztsch. physik. Chem., 39, 194 (1901); Compt. rend., 133, 891 (1901); 135, 916 (1902); Ztsch. Elektrochem., //, 790 (1905). — 2) Hudson, Journ. Amer. Chem. See, jo, 1160, 1564 (1908). Taylor, Journ. Biol. Chem., 5, 405 (1909). — 3) Senter, Ztsch. physik. Chem., 44, 257. H. Euler, Hofmeisters Beitr., 7, 1 (1905). P. Waentig u. O. Steche, Ztsch. physiol. Chem., 76, 177 (1911). — 4) A. Bach, Ber. Chem. Ges.. 41, 216, 221 (1907). — 5) Hudson u. Paine, Journ. Amer. Chem. Soc., 31, 1242 (1909). Vgl. E. F. Armstrong, Proceed. Roy. Soc. Lond., 73, 500 (1904). — 6) Geg. Pelbce, Journ. Amer. Chem. Soc, j2, 1517 (1910). — 7) V. Henri u. Larguier desBancels, Compt. rend., 136, 1581 (1902). — 8) Vgl. bes. A. W. V18SER, Ztach. phy.sik. Chem., 52, 257 (1905). — 9) H. Euler, Arkiv för Kemi, 2, Nr. 39 (1907). § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. 121 suchung der Wirkung von Erepsin auf Glycylglycin in Angriff genommen hat. Hier ergab sich das Gesetz unimolekularer Reaktionen tatsächlich bis zum Zeitpunkte der Erreichung des halben Umsatzes. Einer Dis- kussion bedurfte endlich auch die Frage, inwieweit die Heterogenität des Mediums die Enzymkinetik beeinflußt, da es ja durchaus nicht von vorneherein sicher steht, ob nicht die Diffusionsverhältnisse in dem heterogenen Medium für die Reaktion mehr in Betracht kommen als die eigentliche chemische Reaktion selbst. In dieser Hinsicht hat Senter(I) hervorgehoben, daß der Temperaturkoeffizient für Enzyme pro 100 c selten unter 1,6 gefunden wird und oft mehr als 2. Würden Diffusionsvorgänge das ausschlaggebende Moment für die Reaktions- geschwindigkeit von Enzymreaktionen sein, so sollte man keinen größeren Koeffizienten als 1,26 erwarten. Für die Lipasenreaktion haben Boden- stein und DiETz(2) dieses Fragengebiet studiert, wobei zu erwähnen ist, daß hier der Katalysator in Form fein zerhackter und gewaschener Pankreasdrüse dem zu spaltenden Ester (Amylbutyrat) zugesetzt wurde, also in unlöslicher Form. Aber auch hier stellte sich heraus, daß die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion mit der Theorie gut im Ein- klänge stand ; nur der Endzustand war nicht identisch mit jenem, welchen die liomogene Katalyse erreicht. Infolgedessen neigen viele Forscher, wie Henri, Euler (3), Senter(4) zu der Ansicht, daß es nicht be- rechtigt sei mit Herzog (5) die Diffusion als maßgebenden Faktor bei den Enzymreaktionen anzusehen, sondern daß die Enzymwirkungen durch die chemischen Reaktionsgeschwindigkeiten beherrscht werden. Senter will nur die Katalase hiervon ausnehmen, da die Parallelität mit der von Bredig studierten mikroheterogenen Platinkatalyse eine vollkommene sei pnd der Temperaturkoeffizient nur 1,7 beträgt. Weiteres über die Endzustände von Enzymreaktionen: Reversion von Enzymreaktionen. Es wurde bereits dargelegt, daß die bei Enzymreaktionen beobachteten Endzustände in der Regel nicht mit dem stabilen Gleichgewichtszustande der betreffenden Reaktion zu- sammenfallen, wie zuerst Tammann in seiner Arbeit über die Amyg- dalinspaltung durch Emulsin hervorgehoben hat. Unseren Auseinander- setzungen ist aber auch zu entnehmen, daß solche Abweichungen unbedingt zu erwarten sind, wenn das Enzym an die spaltbare Sub- stanz ebenso adsorbiert wird, wie es an die Reaktionsprodukte gebunden wird. Denn nur dann wird die Gleichgewichtskonstante durch den bekannten van t HoFFschen Quotienten K = -^ = C (spaltb. Subst.) au drückt werden. In den Versuchen von Dietz C (Reaktionsprodukt) ^ und Bodenstein mit Pankreaslipase ergab sich nun eine befriedigende Übereinstimmung mit der Theorie unter der Annahme des Exponenten 1/2 für die Esterkonzentration : K = -^. Da nun bei Adsorptionsvor- gangen Abweichungen vom HENRYschen Verteilungssatze in diesem Sinne sehr gewöhnlich sind (der Exponent in den Adsorptionsisothermen ist 1) G. Senter, Journ. Physic. Chem., 9. 311 (1905). — 2) M. Bodenstein, Ztsch. Elektrochem., /2, 605 (1906). W. Dietz, Ztsch. physiol. Chem., 52, 279 (1907). — 3) H. Euler, Ztsch. physiol. Chem.. 45, 420 (1905). — 4) G. Senter, Ebenda, 47, 126 (1906). — 5) R. O. Herzoo, Ebenda, 48, 365 (1906). 122 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. meist 0,6—0,7), so darf man hier wohl an eine Adsorption des Esters an die Lipase in dem feinverteilten Katalysator denken (1). Bezüglich der Frage, welchen Einfluß die Temperatur auf die Lage des Gleichgewichtes bei Enzymreaktionen haben kann, haben ^ir zu be- rücksichtigen, daß nach den von van 't Hoff entwickelten theoretischen Grundsätzen bei Enzymreaktionen keine wesentliche Änderung des Reaktionsgleichgewichtes mit steigender Temperatur zu erwarten ist. Nur Reaktionen mit hoher Wärmetönung ändern ihren Gleichgewichts- zustand mit der Temperatur erheblich. Nun gehören die Enzymreaktionen durchaus zu den Reaktionen mit relativ sehr geringem Wärmeumsatz. Die produzierte Wärmemenge ist z. B. für Lipasespaltung 1,2 Cal., In- vertinrohrzuckerspaltung 4.5 Cal., Salicinspaltung 5,3 Cal., Dipeptidspaltung 5,4 Cal. (2). Für peptische und tryptische Verdauung ist die Wärmetönung von Null nur wenig verschieden. Dieses Verhältnis ist von nicht ge- ringer biologischer Bedeutung, nachdem die enzymatischen Spaltungen die wichtigsten Vorgänge im Ernährungsprozeß betreffen, und dieselben nach dem Gesagten in ihrem Reaktionseffekte nur wenig von der Außen- temperatur abhängen können. Erwähnt wurde bereits wiederholt, daß sich die Fermentreaktionen hinsichtlich ihres Temperaturkoeffizienten von chemischen Reaktionen in der Regel nicht unterscheiden. Einer von Ehler (3) gegebenen Zusammenstellung ist zu entnehmen, daß nur bei Lipase, Invertin, Katalase und Tyrosinase Werte um 1,5 pro 10 "'C ge- funden wurden; sonst lag der Koeffizient meist zwischen 2 und 3; Es ist eine 1898 von van 't Hoff (4) zuerst ausgesprochene Konsequenz der Auffassung der Enzyme als Katalysatoren, daß Enzym- reaktionen auch im Sinne von Synthesen denkbar sind, sowie das Gleich- gewicht bei Reaktionen zwischen Estern und Säuren unter bestimmten Bedingungen sich gegen die Spaltung oder gegen die Esterbildung ver- schieben läßt. Praktisch erwiesen wurde die Existenz enzymatischer Synthesen zuerst von A. Croft Hill(B) (1898), indem aus Trauben- zucker bei genügend hoher Konzentration durch Maltase Disaccharid gewonnen wurde. Die Reversion der Enzym Spaltungen ist jedoch, wie die Folge zeigte, ein recht kompliziertes Problem und wir sind heute anscheinend noch recht weit von der Aufklärung der beobachteten Tat- sachen entfernt. Am besten scheinen die Verhältnisse hinsichtlich der Lipasewirkung übersehbar zu sein. Hier haben eine ganze Reihe von Autoren (Hanriot, Kastle und Loevenhart, Bodenstein, Pottevin, Welter (6) u. a.) gezeigt, daß man in wasserarmem und an Fettsäure und Alkohol reichem Substrat ohne Schwierigkeit Synthese von Ester oder Neutralfett erzielen kann, während bei Gegenwart von 40—50 % Wasser das Fett glatt aufgespalten wird. Diese Reaktion reiht sich ziem- 1) Auch W. M. Bayuss, Das Wesen d. Enzymwirkung; deutsch v. Schorr (Dresden 1910), vertritt die Ansicht, daß es sich bei der Bindung zwischen Enzym und Substrat um Adsorptionsvorgänge handle. — 2) Berthelot, Thermochemie (1897). O. Herzog in Oppenheimer, Die Fermente, 3. Aufl., /, 202 (1910). Für proteolyt. Enzyme: F. Tanql, Lengyel u. Hari, Pflüg. Arch., 115, 1, 7, 11 (1906). — 3) H. Euler, Ergebn. d. Physiol., 9, 329 (1910). — 4) J. van 't Hoff, Ztsch. anorgau. Chem., 18, 1 (1898); Sitz.ber. Berlin. Ak. (1909), p. 1065; (1910), p. 963. — 5) A. Croft Hill, Joum. Chem. Soc, 73, 634 (1898). — 6) Hanriot, Compt. rend., 132, 212 (1901). ICastle u. Loevenhart, Amer. Chem. Joum., 24, 491 (1900). H. Pottevin, Compt. rend., 136, 1152 (1903); Bull. Soc. Chim. (3), 35, 693 (1906); Ann. Inat. Pasteur, 20, 901 (1907). M. Bodenstein u. Dietz, Ztsch. Elek- trochem., 12, 605 (1906). W. Diexz, Ztsch. physiol. Chem., 52, 279 (1907). A. Weltee, Ztsch. angewandt. Chem., 24, 385 (1911). § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. X23 lieh gut an umkehrbare inorganische Katalysen an, wenn auch nicht alle Fettsäuren, und nicht alle Alkohole (sekundäre und tertiäre schwer) sich synthetisch vereinigen lassen. Nach Bayliss(I) entsteht in einer Lösung von Hydrochinon und Glucose in Glycerin Glyceringiucosid reichlich und wenig Hydrochinonglucosid (Arbutin). Boürquelot und Bridel(2) ge- wannen durch die synthetische Wirkung von Emulsin auf Alkohol und Glucose yS-Äthylglucosid, und haben gezeigt, daß durch Emulsin auch ^-Glucoside von Propyl-, Amyl- und Benzylalkohol, sowie die entsprechen- den ;Ö- Galactoside gebildet werden. Mittels a-Glucosidase aus unter- gäriger Bierhefe wurde aus Glucose in 30— 35%igem Alkohol a-Äthyl- glucosid hergestellt. Der Fall der Reaktion Traubenzucker-Maltose-Enzym ist bedeutend schwieriger zu deuten. Es hat sich ergeben, daß das von Croft Hill erhaltene Disaccharid nicht mit Maltose, sondern mit Isomaltose identisch war [Emmerling (3)]. Hingegen gelang Armstrong (4) der Nachweis, daß das Emulsin, welches auf Maltose unwirksam ist, Isomaltose leicht spaltet, und aus Glucose Maltose bildet. Wie auch die Arbeiten Rosen- thalers(5) über die komplexe Natur der enzymatischen Amygdalinspaltung durch Emulsin und die Möglichkeit durch Emulsin d-Benzaldehydcyan- hydrin zu synthetisieren gelehrt haben, ist der Begriff „Emulsin" kein einheitlicher, und man kann auch nicht sagen, ob das, was man als „Mal- tase" angewendet hat, ein wohl definiertes Enzym darstellt. Meist wurde nur wässeriger Hefeauszug verwendet. Für die Invertinwirkung liegt einmal die Angabe von Kohl (6) vor, wonach hier Rohrzuckersynthese möglich ist, zum anderen die wesentlich abweichende Auffassung von Pantanelli (7), welcher die Rohrzucker- reversion durch Mucorenzym studierte und zu dem Ergebnis kam, daß die Rohrzuckerbildung nicht durch das Invertin bedingt sei, sondern durch ein spezielles Enzym, welches er Revertase nannte. Es ist nicht aus- geschlossen, daß im Organismus Enzyme wirkHch existieren, welche unter den gegebenen Bedingungen nicht spaltend, sondern synthetisch arbeiten. Man denke an die Koagulasen, von denen man überhaupt nur die Wirkung im Sinne der Kondensation kennt, z. B. Amylokoagulase, welche löshche Stärke fällt. Was es mit dem Entstehen unlösHcher Produkte aus Eiweiß durch Lab, einem Prozeß, welchen man gewöhnUch als „Plasteinbildung" bezeichnet, für eine Bewandtnis hat, bedarf noch der Aufklärung (8). Es sei erwähnt, daß es durchaus unsicher ist, ob Lab und Pepsin wirkhch diffe- rente Enzyme darstellen, und daß koaguherende Wirkungen auch durch Papayotin hervorgerufen werden können (9). Euler (10) hat ein synthetisch wirksames Enzym aus Hefepreßsaft angegeben, welches aus Kohlenhydraten und Phosphorsäure Ester bildet. Der Reaktionsverlauf dieser Synthese ist nach Euler nahezu unimolekular, mit dem Temperaturkoeffizienten 1) W. M. Bayliss, Journ. of Physiol., 43, VI (1912); 44 (1912). — 2) E. Boürquelot u. M. Bridel, Compt. rend., 155, 319 u. 731 (1912); 156, 168, 330 (1913). — 3) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., 34, 600, 2206 (1901). — 4) E. Fr. Armstrong, Pioceed. Roy. Soc. Lond. B., 76, 592 (1905). — 5) L. Rosen- thaler, Biochem. Ztsch., 14, 238 (1908); /;> 257 (1909); 26, 7 (1910). — 6) F. G. Kohl, Beihefte bot. Zentr., 23, I, 64 b (1908). — 7) E. Pantanelli, Atti Acc. Line. (5), rs, I, 587 (1906); 16, II, 419 (1907). —8) Über Plastein: Danilewsey, Lawrow u. Salaskin, Ztsch. physiol. Chem., j6, 277 (1902). — 9) D. Kurajepf, Hofmeisters Beitr., /, 121; 2, 411 (1912). — 10) H. Euler u. S. Kuelberq, Ztsch. physiol. Chem., 74, 15, 13 (1911); 76, 468 (1812). 124 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. 1,8—2,2 pro 10®; die Reaktion verläuft am besten bei schwach alkalischer Reaktion (10-° OH')- Euler hat vorgeschlagen, diese synthetisch wirk- samen Enzyme durch die Namensendung „— ese" zu kennzeichnen und hat das in Rede stehende (recht labile) Enzym Phosphatese benannt. Auf andere interessante Beobachtungen auf diesem Gebiete, wie die Bildung von Isolactose aus Glucose und Galactose durch Kefirenzym [(Fischer und Armstrong (1)J, die von Cremer (2) angegebene Bildung von Glykogen in anfangs glykogenfreiem Hefepreßsaft nach Versetzen mit 30% Fruetose, sei hier nicht weiter eingegangen. Die bisherigen Beobachtungen über synthetisch verlaufende Enzym- wirkungen widerlegen noch nicht den Satz, daß jedes Enzym unter be- stimmten Bedingungen die Reaktion nach beiden Richtungen katalysieren kann. Es scheint, als ob die von Euler(3) ausgesprochene Hypothese, daß jedes Enzym teils aus ausschließhch spaltend und teils aus ausschUeß- lich synthetisch wirksamen Fermentmolekiilen besteht und daß der Aus- fall der Reaktion von der vorwiegenden Fermentart bestimmt wird, als unnötig abgelehnt werden könne. Nicht zu billigen ist es, daß von manchen Autoren die Begriffe „Synthetische Fermenttätigkeit" und ,,Antienzym- wirkung" vermengt werden. Antienzyme haben nach unserer Auffassung mit Synthesen überhaupt nichts zu tun. Hat auch die Enzymforschung noch große Lücken aufzuweisen, so kann man doch das Ergebnis nicht von der Hand weisen, daß die Auf- fassung der Enzymreaktionen als Katalysen, wie sie gegenwärtig von Forschern, wie Bredig, Herzog, Bayliss, Euler, Neilson, Acree(4) und vielen anderen vertreten wird, im letzten Dezennium bedeutende Fortschritte vermittelt Jiat, so daß wir Grund genug haben, diese Theorie als erfolgreich weiter beizubehalten. Auf eine Erklärung der Enzym- wirkung selbst werden wir wohl noch längere Zeit zu verzichten haben. Die Theorie der Zwischenreaktionen hat aber auch hier mancherle' für sich. 0. Nasse (5) stellte die Ansicht auf, daß die Enzyme durch Ver- mehrung der freien Ionen wirken; es bleibt noch unentschieden, wie weit man berechtigt ist, an derartige Vorgänge zu denken. Die von Preisswerk (6) geäußerte Hypothese der Möglichkeit, daß Atomgruppen zwischen Enzym und Substrat verschoben werden könnten, vermeidet nicht den Einwand, daß in solchen Fällen stets die bei Enzymreaktionen vermißten stöchiometrischen V^erhältnisse vorkommen müßten. Viele Enzymtheorien sind überhaupt seit jeher unfruchtbar gebüeben. Insbesondere gilt dies von der seit Liebig und Nägeli wiederholt auf- getauchten Lehre, wonach bei der Enzymwirkung Übertragung von Atom- schwingungen eine Rolle spiele. Rosenthal (7) gibt an, auch durch elek- trische Schwingungen von geeigneter Wellenlänge Effekte von Enzym- reaktionen erzielt zu haben. Weitere Theorien endhch nahmen zu Strah- 1) E. Fischer u. E. F. Armstrong, Ber. Ohem. Ges., 35, 3144 (1902). Arm- strong, Chem. News, 86. 166 (1902). — 2) M. Cremer, Ber. Chem. Ges., 32, 2062 (1899). — 3) H. Euler, Ztsch. physiol. Chem., 52, 146 (1907). — 4) C H. Neil- SON, Amer. Journ. Physiol., 15, 148 (1906). S. F. Acree, Journ. Amer. Chem. See., 30, 1755 (1908). Euler, Ztsch. physiol. Chem., 45, 420 (1905). — 5) O. Nasse, Ztsch. physik. Chem., 16, 748 (1895). A. Rohonyi, Biochem. Ztsch., 34> 176 (1911). - 6) E. Preisswerk, Verhandl. Ges. dtsch. Naturf. (1911), 2, 1. 208. — 7) J. Rosenthal, Biolog. Zentr., 31, 185 (1911). § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. 125 lungen ihre Zuflucht. Nach Lambert (1) sollen lösliche Enzyme während der Dauer ihrer Funktion n-Strahlen aussenden, und Barendrecht (2) meint, daß die Lactase zweierlei Strahlungen aussende, wovon die eine auf Glucose wirksam sei, die andere auf Galactose. Auf die Methodik der Enzymuntersuchung kann hier nicht näher eingegangen werden. Michaelis (3) hat hierüber zuletzt zusammenfassend berichtet. Manche Methoden, wie die Kontrolle der elektrischen Leit- fähigkeit, der Viscosität (4), die dilatometrische Methodik für proteolytische Enzyme, die Formoltitrierung nach Sörensen (5), werden in Zukunft gewiß viel weitgehender verwendet werden, als es bisher geschehen ist. Zum quaütativen Nachweise besonders glucosidspaltender Enzyme ist in der Pflanzenphysiologie die Untersuchung gefrorenen, hernach unter Chloro- formzusatz aufgetauten Materials oft sehr zweckmäßig (6). Produktion der Enzyme im Organismus. Profermente oder Zymogene. Viele Enzyme, wie proteolytische, diastatische, in- vertierende Fermente, Oxydasen und Katalasen scheinen so allgemein vorzukommen, daß man dieselben als fast nie fehlende Bestandteile tieri- schen und pflanzlichen Protoplasmas betrachten kann. In anderen Fällen handelt es sich wieder durchaus nicht um verbreitete Zellbestandteile. Die Beschränkung der MaltDsespaltung auf manche Rassen der Hefe zeigt deutlich, wie sehr hier biologische Anpassungen Einfluß nehmen können. Auch haben Pfeffer und Katz(7), sowie Pantanelli (8) für die Diastasebildung durch Schimmelpilze, sowie Went(9) für Monilia ge- zeigt, daß die Enzymproduktion sehr deutlich regulatorisch vermindert und gesteigert werden kann. Nach Verfütterung von Inulin, Lichenin bei Kaninchen konnte Tschermak(IO) in analoger Weise die Bildung entsprechender Kohlenhydratenzyme im Darm beobachten, die sonst nie vorkommen. Hierbei ist jedoch stets der Mechanismus der Enzym- sekretion, wie insbesonders aus den Arbeiten von Pantanelli (11) hervor- geht, genau zu beachten. Zunächst ist sicherzustellen, inwiefern tat- sächlich Enzymaustritt aus lebenden Zellen in Frage kommt, nachdem tote Zellen in der Regel reichlich Enzyme (Invertin, Diastase) in die Kulturflüssigkeit von Pilzen entleeren. Aus intakten lebenden Wurzel- zellen treten Diastase und Peroxydase in der Regel nicht aus ; hingegen geben Samen allgemein Diastase, selten auch proteolytisches Enzym ab (12). Pantanellis Studien über Invertinsekretion haben ferner gezeigt, daß ein Kolloidgehalt des Mediums, wie 2,5 7o Gummi arabicum, Agar nicht nur die Invertinwirkung selbst hemmt, sondern auch die Enzymproduktion und Enzymsekretion herabsetzt. Leicht durch die Plasmahaut diffun- 1) LAMBEfiT, Compt. rend., 138, 196 (1904) u. p. 1284. — 2) H. P. Barend- recht, Ztsch. physik. Chem., 49, 456 (1904); 54, 367 n905). — 3) L. Michaelis, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., j, I, 16 (lölO). — 4) Hierzu Achalme u. Bresson, Compt. rend., 152, 1420, 1621 (1911). W. M. Bayliss, Jourii. of Physiol., 36, 221 (1908). — 5) S. P. Sörensen, Biochem. Ztsch., 7. 45 (1907). — 6) L. GüiGNARD, Compt. rend., 149, 91 (1909). W. Palladin, Fortechritte d. naturwiss. Forechg., /, 253 (1910). — 7) W. Pfeffer, Ber. sächs. Ges. d. Wiss. (1896), p. 518. Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., /, 506 (1897). J. Katz, Jahrb. wiss. Botan., 3;, 599 (1898). Duclaux, Mikrobiolog., //, 84. W. Benecke, Lafars Handb. d. techn. Myko!., /, 363. — 8) E. Pantanelli, Amali di Bot., 8, 133 (1910). — 9) F. A. C. Went, Jahrb. wiss. Botan., j6. 611 (1901). — 10) A. V. Tschermak, Biochem. Ztsch., 45, 452 (1912). — 11) E. Pantanelli, Annal. di botan., 8, 133 (1910); j, 113 (1905); 5. 229 (1907); Ebenda, 355. Rend. Accad. Line. Roma (5), /j, I, 377 (1906). — 12) F. Czapek, Jahrb. wies. Botan., 29, 374 (1896). H. Wohllebe, Diss. (Leipzig 1911). 126 Zweites Kapitel: Die chemischen Keaktionen im lebenden Pflanzenorganismu3. dierende Stoffe wie Alkohol, Glycerin fördern hingegen die Ausscheidung von Inveitin bei Mucor. In den Versuchen Eulers über die Invertin- bildung in Hefe ergab sich, daß Vorbehandlung des Materials mit Rohr- zucker die Fermentbildung nicht mehr anregt als Behandlung mit Glu- cose. Im übrigen folgt die Enzymzunahme dem Gesetze unimolekularer Reaktionen (1). Da es sichergestellt ist, daß Enzyme auch sich selbst in ihrer eigenen Zersetzung katalysieren wie das Papayotin nach WuRTz(2), und sich manche Enzyme gegenseitig zerstören können (3), so dürfen wir auch Einrichtungen im Organismus erwarten (Antienzyme?), welche solche Vorgänge regeln bzw. zu verhindern vermögen. Unter Umständen können sich natürlich auch Fermentwirkungen unterstützen (4), wofür zahlreiche Fälle denkbar sind. Über die Änderung des Enzymgehaltes bei Mikroben unter ver- schiedenen Lebensbedingungen, sowie über Variationen im Enzyragehalte wären noch Arbeiten von Euler (5) zu vergleichen. Die Enzyme des Organismus sind gewiß nicht alle von Anbeginne der Entwicklung in der Eizelle enthalten, sondern entstehen im Laufe der Individualentwicklung auf „epigenetischem Wege" (6). Hier und da ist man bei der Untersuchung der Enzymreaktionen auf Stoffe gestoßen, welche bereits durch gelinde Einwirkungen, wie Behandlung mit ver- dünnter Essigsäure, leicht und rasch wirksame Enzyme bilden. Man hat solche Stoffe, die namentlich aus der Tierphysiologie bekannt sind, als Profermente oder Zymogene bezeichnet. Hammarsten (7) fand ein Labzymogen, Ebstein und Grützner (8) ein Propepsin in der Magenschleimhaut. Ein Zymogen des Trypsin wurde durch Heiden- hain (9), ein Proptyalin durch Goldschmidt (10) bekannt. Nach Lang- LEY(ll) lassen sich Pepsin und Propepsin dadurch voneinander trennen, daß 0,5 — 1 7o Na^COg das Pepsin rasch zerstört, hingegen das Pro- ferment intakt läßt. Propepsin, mit welchem sich Glaessner(12) sodann näher beschäftigt hat, ist N-haltig, doch von fraglichem Eiweißcharakter; es wird leicht von verschiedenen Stoffen adsorbiert, zeigt keine wahr- nehmbare Diosmose, wird von 0,1 7o HgClj und 1 % Phenol zerstört. Von pflanzlichen Proenzymen ist die Existenz eines Protrypsin durch Vines(13) in Nepentheskannen und durch Frankfurt (14) in Samen wahrscheinlich gemacht worden. Green (15) hat über Proinulase be- richtet, und Pantanelli(16) über Proinvertin bei Mucor. Letzteres ist auch in der Kulturflüssigkeit abgeschieden nachzuweisen. Daß, wie Detmer(17) für Diastase fand, und wie es voraussichtlich auch bei anderen Enzymen sehr häufig der Fall sein dürfte, die Ferment- 1) H. Euler u. D. Johanson, Ztsch. physiol. Chem., 76, 388 (1912). — 2) A. WuKTZ, Compt. rend., p/, 787. — 3) A. Wroblewski, B. Bednarski u. M. Woj- CZYNSKI, Hofmeisters Beitr., /, 289 (1901). Verdauung von Trypsin durch Pepsin wurde schon 1876 durch W. Kühne beobachtet. — 4) J. E. Abelous, Rev. m6d. iiH-m. en l'honneur de Lupine (1911), p. 1. — 5) H. Euler u. Beth af Ugglas, Ztsch. physiol. Chem., 70, 279 (1910); Arkiv för Kerfii, j, Nr. 34. — 6) Vgl. A. Herlitzka, Naturf. Ges. (1906), 2, 2, 296; Zentr. Physiol. (1906), p. 775. — 7) HAM^fABSTEN, Maly Jahresber. Tierchem., 2, 118 (1872). Lörcher, Pflüg. Arch., 69. 141. — 8) Ebstein u. Grützner, Pflüg. Arch., 8, 122, 617 (1874). — 9) Hei- denhain, Ebenda, 10, 557 (1875). — 10) Goldschmidt, Ztsch. physiol. Chem., /o, 273 (1886). — 11) J. N. Langley, Joum. of Physiol., j,- 246 (1881). — 12) K. Glässner, Hofmeisters Beitr., /, 1 (1901). — 13) S. Vines, Journ. Linn. Soc, 15, 427 (1877); Ann. of Botan., // (1897). — 14) S. Frankfürt, Landw. Versuchsstat., 47, 449 (1897). - 15) Fr. Green, Ann. of Botan., 7, 121 (1893). — 18) E. Pan- tanelli, Atti Accad. Line. (5), 15, I, 587 (1906). — 17) W. Detmer, Botan. Ztg. (1883), p. 601. § 7. Iramunreaktionen. 127 bildung von Sauerstoff gegen wart abhängig ist, dürfte wohl auf die Zymogenproduktion zu beziehen sein. § 7. Immunreaktionen (i). Es war in erster Linie das Studium der menschlichen und tierischen Infektionskrankheiten, welches die Aufmerksamkeit auf Stoffe und Reak- tionen eigentümlicher Art lenkte, welche sich trotz der aufgefundenen wesentlichen Differenzen mit Fermenten noch immer am besten an die Darstellung der Enzyme und Enzymreaktionen anschließen lassen. Auch hier tritt allenthalben eine intensive Wirkung minimaler Stoff Quantitäten vor Augen, es handelt sich hier wie dort in der Regel um thermolabile Substanzen kolloider Natur, sowie um das Merkmal der hochgradig speziali- sierten Wirkung; auch das äußerliche Moment, daß man von den an den Immunreaktionen beteiligten Stoffen meist nur die Wirkung genau kennt, die stofflichen Eigenschaften hingegen bisher nicht oder höchst unzureichend feststellen konnte, stellt die Immunochemie an die Seite der Enzymologie. Die Immunochemie ist längst aus jenem Stadium herausgetreten, in welchem sie das Studium der bacteriellen Infektionen als ihre Haupt- aufgabe zu betrachten hatte. So wie das bacteriell infizierte Tier sich der Parasiten und der von jenen produzierten Stoffe dadurch er- wehrt, daß es spezifisch wirksame Gegenstoffe, „Antikörper" besitzt oder infolge der Infektion erzeugt, so vermag der tierische Organismus auch vielfach auf die Einverleibung fremder Eiweißstoffe pflanzlicher oder tierischer Provenienz durch Reaktionen zu antworten, welche die Elimi- nierung jener Proteine zum Ziele haben. Die Immunreaktionen beziehen sich also allgemein auf die Ausschaltung körperfremder Stoffe, unter welchen Eiweißstoffe entschieden die erste Stelle einnehmen. Man bezeichnet alle jene Substanzen, welche „Immunstoffe" im Körper erzeugen, als Antigene. Vom chemischen Standpunkte aus dürfen wir bei aller Vorsicht hinsichtlich der Beurteilung der Bacterien- toxine als Proteinstoffe wohl noch immer sagen, daß bisher keine einzige nicht eiweißartige Verbindung bekannt geworden ist, welche zu den Antigenen gehört. Wenngleich die Immunreaktionen derzeit noch so gut wie ausschließlich auf dem Boden der Tierphysiologie und Patho- logie liegen, so mehren sich die Anzeichen immer mehr, daß eine pflanz- liche Immunochemie in naher Zeit in Ausbau begriffen sein wird. Da in der höheren Pflanze die Assimilation fertiger Eiweißkörper bei weitem nicht jene Rolle spielt wie im Tier, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn bisher vor allem die Bacterien mit ihren staunenswerten Stoff- wechselanpassungen in der botanischen Immunochemie die Hauptrolle spielen und wir von den Immunreaktionen im Stoffwechsel höherer Pflanzen noch kaum etwas wissen. Daß auch im normalen Stoffwechsel sich Vorgänge abspielen dürften, welche sich mit den Immunreaktionen direkt vergleichen lassen, wird wohl gleichfalls als ein Resultat künftiger 1) Zur Orientierung auf diesem biologisch so bedeutsam gewordenen Gebiete dienen in erster Linie die Handbücher von R. Kraus u. C. Levaditi, Handb. d. Technik u. Methodik d. Iraraunforschung (Jena 1908 ff.)- E. P. Pick in Kolle u. Wassermanns Handb. d. pathogen. Mikroorganism., 2. Aufl. (1912), /. W. Kruse, Allgera. Mikrobiologie (Leipzig 1910). Oppenheimer, Toxine u. Antitoxine (1904), ferner besonders Sv. Arrhenius, Ergebn. d. Physiol., 7. 480 (1908). R. P. VAN €alcar, Progress. Botan., /, 533 (1907). 128 Zweites Kapitel: Die chemiechen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Forschungen schon heute vorauszusehen sein. Das darzustellende Gebiet umfaßt zunächst die Erscheinungen, welche sich bei bacteriellen Infek- tionen an Wirt und Parasiten abspielen, Phänomene, welche sich wesent- lich unter dem Bilde einer Vergiftung mit bacteriellen Produkten dar- stellen. Man unterscheidet jedoch nach dem Übereinkommen in der Begriffsbestimmung „Infektion" dadurch scharf von „Intoxikation", daß bei Infektionen eine Quantitätszunahme des Virus im befallenen Orga- nismus stattfindet. Wie Bail(1) ausführt, hat man hinsichtlich der Immunität des befallenen Organismus wieder „Infektionsimmunität" und „Krankheitsimmunität" zu unterscheiden, je nachdem die Invasion der Infektionsträger mit Krankheitssymptomen und unter Bildung von Immun- stoffen, oder ohne weitere Erscheinungen verläuft. Bei Krankheits- immunität handelt es sich um ein einfaches Nebeneinanderleben des be- fallenen Organismus und der Eindringlinge (Parabiose); die Ansiedelung der letzteren wird zwar nicht verhindert, löst jedoch keine Erscheinungen aus. Zwischen den echten Saprophyten und den stark infektiösen Holo- parasiten gibt es wieder Übergänge. Die Necroparasiten Bails können wie die Erreger des Tetanus und Botulismus sehr heftige Vergiftungen er- regen, ohne sich jedoch im Organismus erheblich zu vermehren; sie sind daher stark toxisch, aber wenig infektiös. Als Hemiparasiten mögen jene Mikroben bezeichnet werden, welche sich, um intensive In- fektion zu erregen, sehr stark vermehren müssen; sie sind daher relativ wenig toxisch. Holoparasiten sind endlich jene, welche schon in ge- ringer Zahl zur Ansiedelung gelangend heftige Erscheinungen erzeugen und sich- rapid über den ganzen Organismus ausbreiten. Die von allen diesen Mikroben produzierten Giftstoffe faßt man als Bacteriotoxine zusammen. Sie sind weit verschieden von den- jenigen Stoffen, welche als Stoffwechselprodukte der Eiweißfäulnis er- zeugenden Bacterien auftreten, meist basische Natur haben und toxisch wirken. Diese besonders von Selmi und Brieger(2) näher studierten Stoffe, wozu manche wohldefinierte Eiweißspaltungsprodukte, wie Cada- verin, Putrescin, und Abbauprodukte von Lecithinen, wie Cholin, Neurin,. Muscarin gehören, kann man als „Ptomaine" oder Fäulnisbasen in mikro- biologischem Sinne zusammenfassen. Die Bacteriotoxine hingegen sind meist ausgeprägt thermolabil und haben die Natur von Antigenen. Ihre chemische Natur kennt man der- zeit noch ebensowenig wie jene der Enzyme, an welche sie durch ihre Wirksamkeit in kleinster Menge erinnern. Daß es sich hier wie dort um t}T)ißche Kolloide handelt, dürfte jedoch feststehen. So wie nicht alle Enzyme aus der lebenden Zelle abgegeben werden, und wir Endo- enzyme und Sekretionsenzyme zu unterscheiden hatten, so haben auch viele Toxine ausgeprägt intracellulären Charakter und müssen nach diesem Merkmal mit Pfeiffer (3) als Endotoxine von den Sekretiohstoxinen getrennt werden. So ist das Tetanotoxin leicht im Wasserextrakt zu er- halten, während Choleratoxin echten Endotoxincharakter besitzt. Der Bacillus typhi bildet sowohl ein Endotoxin als ein Sekretionstoxin (4). 1) O. Bail, FoUa serolog., 7, 14 (1911). — 2) Selmi, Ber. Chem. Ges., // (1878). L. Briegeb, Ztsch. physiol. Chem., 7, 274 (1883); Berlin, klin. Wochschr. (1886), p. 281; (1887), p. 469. Krube, AUgem. Mikrobiologie, p. 809. — 3) R. Pfeiitee, Zentr. Bakt. I, 42, Beiheft 1 (1909). — -*) R. Aiuma, Zentr. Bakt. I, 63, 424 (1912). § 7. Immunreaktionen. 129 Die Produktion von Toxinen unterliegt ebenso wie die Enzympro- duktion regulatorischen Einflüssen im Stoffwechsel. Es ist bekannt, daß viele Infektionsträger, wie Cholera Vibrionen, Milzbrandbacillen, Staphylo- cokken, im Laufe der Kultur auf künsthchem Nährsubstrate ihre Virulenz abschwächen und gänzHch verheren(l). Bei Staphylococcus pyogenes dürfte der Zuckergehalt des Nährbodens für den Verlust der Virulenz maßgebend sein (2). Andererseits gelang es, die Virulenz von Bac. coU durch Zusatz proteolytischer Enzyme und anderer Stoffe zu erhöhen (3). Daß die Bacteriotoxine nicht immer leicht von den Zelleibern zu trennen sind, hängt mit ihrem Endotoxincharakter zusammen. Doch genügt es in vielen Fällen, die Bacterienmassen mit wenig warmer Kochsalzlösung bei 60" zu digerieren, um nach Auszentrifugieren der Mikrobenzellen toxisch sehr wirksame und bacterienfreie Lösungen zu erhalten. Wenn die Abtrennung nur schwierig erfolgt, so ist man genötigt, das Bacterienmaterial energisch zu verreiben, um die Zellen zu zerschneiden, eventuell nach dem Vorgange von Macfadyen und Rowland (4) die Bacterien erst durch flüssige Luft in eir^e steinhart gefrorene Masse zu verwandeln, welche sich dann sehr fein zerreiben läßt. Die Toxine werden wie die Enzyme durch Alkohol- behandlung oft merkhch weniger wirksam gemacht. Brieger und Boer (5) haben deswegen Niederschlagen mit Zinksalzen und Aussalzen durch (N 114)2804 bei ihrer Darstellung des Diphtherietoxins verwendet. Briegers reinste Toxinpräparate gaben weder bei Tetanus- noch bei Diphtherie- gift Eiweißreaktionen, so daß es zweifelhaft ist, ob man tatsächhch hier Proteide vor sich hat. Andere Angaben, wie jene Hayashis (6) bezüghch des Tetanotoxins, stehen jedoch hiermit im Widerspruch, und Trypsin soll Tetanusgift zerstören (7). Die kolloiden Eigenschaften der Bacterio- toxine sind noch kaum hinreichend erforscht worden. Arrhenius und Madsen (8) versuchten durch Bestimmung der Diffusionsgeschwindigkeit d"r Toxine Rückschlüsse auf deren Molekulargewichte zu ziehen, da die Diffusionsgeschwindigkeiten den Quadratwurzeln aus den Molekulargewichten umgekehrt proportional sind. Die Diffusionsgeschwindigkeit des Diphtherie- toxins erwies sich als viel größer als jene des Antitoxins. Die Adsorption von Toxinen durch Tierkohle, Kaoün, Ton, BaS04 wurde durch L. Jacque und E. ZuNZ (9) untersucht; Kieselgur adsorbierte Tetanotoxin nicht. Ultramikroskopische Untersuchungen sowie Versuche über Kataphorese stellte Römer (10) an Lösungen von Tetanotoxin und Diphtherietoxin an. Am meisten weiß man über die Wirkung höherer Temperaturen auf die Bacteriotoxine. Die gut bekannten Endotoxine aus Bacillus typhi, pestis und dysenteriae werden nach Besredka(II) bei 127°, 70" und 80" zerstört. Andere Toxine, wie jenes des Rauschbrandbacillus, scheinen noch emp- findhcher gegen Erhitzen zu «ein (12). In lufttrockenem Zustande werden 1) Pasteur, Chambeeland u. Roux, Conipt. rend., 92, 429. — 2) H. Kayser, Ztsch. Hyg., 40, 21 (li^02). Nach Preisz, Zentr. Bakt. I, 44, 209 (1907), haben abgeschwächte Anthraxbacillen viel reichlichere Kapselbildung. Viruienz- steigerung: A. Petersson, Zentr. Physiol. (1906), p. 883. — 3) F. Gal, Ztsch. Imraun.forsch. I, 14, 68.5 (1912). — 4) Macfadyen li. Rowland, Proceed. Roy. Soc, 7/, 77, 351 (1903). — 5) L. Brieger u. Boer, Deutsch, med. Woch..schr., (1896) Nr. 49. — 6) H. Hayashi. Chem. Zentr. (1901), /, p. 411; Arch. exp. Path. Pharm., 47, 9 (1901). — 7) Cl. Fermi u. L. Prrnossi, Zentr. Bakt. 1, 15, 303 (1894). N. Sieber, Ztsch. physiol. Chera., 32, 573 (1901); jö, 244 (1902). — 8) Ar- rhenius u. Madsen, Biochem. Zentr., (1903) Ref. Nr. 479. — 9) L. Jacque u. E. ZuNZ. Arch. int. Physiol., 8. 227 (1909). — 10) P. Römer, Berlin, klin. Woch.schr., (1904) Nr. 9. — 11) Besredka, Ann. Inst. Pasteur, 20, 304 (1906). — 12) Vgl. Grassberger u. Schattenfroh, Das Rauschbrandgift (1904). Czapek, Biocbeiuie der Pflanzen. :? a,,(i 9 130 Zweites Kj^itel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. die Toxine ebenso wie die Enzyme durch hohe Temperaturen viel weniger geschädigt. Ultraviolette Bestrahlung mit der Heraeus- Quarzlampe in- aktiviert Toxinlösungen in ansehnlichem Maße, wobei die Temperatur und der Sauerstoff zutritt nach Cernovodeanu und Henri (1) ohne Be- deutung sein sollen. Die bekannten photodynamischen Wirkungen fluores- cierender Farbstoffe wurden auch hinsichtlich der Toxine festgestellt (2). Die Wirksamkeit von Toxinlösungen übertrifft bei weitem die Wirkung anderer Gifte. Nach einer Zusammenstellung von Kruse (3) tötet Tetano- toxin und Botulin noch das Hundert- bis Tausendmilüonfache seines Ge- wichtes an Meerschweinchen, Diphtherietoxin noch das Ein- bis Drei- miUionfache, während Pest-, Cholera- und andere Toxine schon etwa zehn- mal weniger wirksam sind. Aktivierende Wirkungen sind mehrfach an- gegeben, so für Lipoide (Phosphatide) auf Tuberkulin (4). Indem bezüglich der einzelnen Details hinsichtüch der Untersuchungen über Bacteriotoxine auf die einschlägigen Handbücher verwiesen wird, sei nur erwähnt, daß das zuerst erforschte Toxin jenes der LoEFFLERschen Diphtheriebacillen gewesen ist (5), welches Roux und Yersin (6) und be- sonders Brieger (7) mit seinen Mitarbeitern C. Fränkel, Boer u. a. gründ- hch studiert haben. Das Tetanotoxin des Bacillus tetani, das Botuhn (Wurstgift), die Toxine aus Rauschbrand, Cholera, Typhus, Ruhr, Pest, Milzbrand, ferner aus Pneumocokken, Streptocokken, Staphylocokken, Gono- cokken, Influenza-, Tuberkulose- und anderen pathogenen Mikroben sind sehr ungleichmäßig, zum Teil erst sehr unvollkommen erforscht. Diese Toxine werden auch auf eiweißfreiem Substrate hervorgebracht, wie dies Löwenstein und Pick (8) für das Tuberkuün gezeigt haben ; das von diesen Forschern erhaltene Tuberkulin war angebhch thermostabil, dialysierbar, gab in saurer Lösung Alkaloidreaktionen und wurde diu'ch Behandlung mit Pepsin- HCl oder Trypsinsoda zerstört. Von Interesse sind die von Morgen- roth (9) und DoERR(IO) gemachten Angaben, wonach Behandlung mit verdünnter Säure eine vorübergehende Verringerung der Wirksamkeit von Toxinen erzeugt, die nach Doerr übrigens durch Neutralisation mit Alkah ohne weiteres aufgehoben wird. Diese Erscheinungen sind noch nicht aufgeklärt. Nach Wal bum (11) soll bei Toxinbildung durch Bacterien ein „Prolysin" ausgeschieden werden, welches durch peptonartige Stoffe ak- tiviert wird ; um zymogenartige Stoffe soll es sich aber hierbei nicht handebi. Bemerkt sei, daß es auch ein echtes Protozoentoxin bei Sarcosporidium aus Schafen gibt (12). Viele pathogene Bacterien erzeugen in ihrer Kulturflüssigkeit Sub- stanzen, welche rote Blutzellen energisch angreifen, so daß das Hämo- 1) P. Cernovodeaiju u. V. Henri, Compt. rend., 149, 365, 729 (1909). R. DoERR u. J. MoLDOVAN, Wien. klin. Woch.schr., 24, 555 (1911). V. Baroni u. JoNESCO-MiHAiESTi, C. r. Soe. BioL, 68, 393 (1910). W. M. Scott, Journ. of Pathol. and Bact., /6, 148 (1911). — 2) S. Flexner u. H. Noguchi, Journ. Exp. Med., 8, 1 (1906). A. Jodlbauer u. H. v. Tappeiner, Arch. klin. Med., 85, 399 (1905). — 3) Kruse, AUgem. Mikrobiologie (1910), p. 860. — 4) H. J. Bing u. Ellermann, Biochera. Ztsch., 42, 289 (1912). — 5) Loeffler, Deutsch, med. Woch.schr. (1890), p. 109. — 6) Roux u. Yersin, Ann. Inst. Pasteur (1888) p. 629; (1889) p. 273. — 7) L. Brieger u. C. Fränkel, Berlin, klin. Woch.schr. (1890), Nr. 11. Brieger u. G. Cohn, Ztsch. Hyg., 15, 1 (1893). Brieger, Ebenda, 19, 101 (1893). Brieger u. Boer, Deutsch, med. Woch.schr. (1896), Nr. 49. — 8) E. Löwenstein u. E. P. Pick, Biochem. Ztsch., j/, 142 (1911). — 9) J. Morgenroth, Ebenda, /, 354 (1906); 2, 883 (1907). — 10) R. Doerr, Ebenda, 7, 128 (1908). — 11) L. E. Walbum, Ztsch. Immun. forsch. 1, 3, 70 (1909). — 12) E. Teichmann u. Braun, Arch. Protistenkunde, 22, 351 (1911). M. Knebel, Zentr. Bakt. I, 66, 523 (1912). Bacteriotoxine im Boden: Greig-Smith, Zentr. Bakt. 2, 34, 224 (1912). § 7. Immunreaktionen. 131 globin aus denselben austritt und das Blut „lackfarbig*' wird. Diese Erscheinung nennt man Hämolyse und die wirksamen Stoffe Bacterio- Hämolysine. Seit Ehrlich (l) zuerst die Hämolyse durch das Tetanolysin näher studierte, hat man immer mehr erkannt, daß toxische und hämolytische Wirkungen bei Bacterienkulturen durchaus nicht quanti- tativ parallel gehen, daß die Unwirksamkeit durch steigende Temperatur für das toxische und das hämolytische Agens nicht bei Erreichung der- selben Temperaturgrade eintritt, und daß endlich auch die Immunisierungs- phänomene den Schluß nahe legen, daß die Toxine und Hämolysine verschiedene Substanzen sind. So ist auch das Pyocyanolysin nach Weingeroff (2) nicht mit dem Giftstoff dieses Spaltpilzes identisch, und das gleiche gilt von Staphylocokken- und Cholera-Toxinen und -Hämo- lysinen (3). Die Hämolyse hat als Reaktion, welche in vitro genau quanti- tativ verfolgt werden kann, für die theoretische Immunochemie große Bedeutung erlangt. Als Reagens verwendet man am besten eine 57oig6 Aufschwemmung von Kaninchenblutzellen in 0,85%igem NaCl. Nicht alle Blutarten werden mit gleicher Leichtigkeit- angegriffen. Die colori- metrische Bestimmung des ausgetretenen Farbstoffes geschieht mit Hilfe des Hämometers von Fleischl(4). Bemerkt sei, daß eine Wirkung der Hämolysine im Tierleibe prämortal nur ausnahmsweise (bei schweren Anthrax- oder Staphylocokkeninfektionen) beobachtet wird. Die Hä- molysine sind in der Regel gegen höhere Temperatur bedeutend empfindlicher als die eigentlichen Toxine. Nach Landsteiner und Rauchenbichler (5) soll zunächst keine Zerstörung beim Erwärmen von Staphylolysin erfolgen, sondern die Bildung einer unwirksamen Modifikation. Die moderne Immunitätslehre hat noch weitere Stoffgruppen unter- schieden, welche im Kampfe der eingedrungenen pathogenen Bacterien mit dem infizierten Organismus eine wichtige Rolle spielen. So bezeichnet man nach Kruse und nach Bail (6) und seinen Mitarbeitern als Aggressine Stoffe, welche, ohne selbst toxisch zu sein, die Bacterien vor der Vernichtung durch den Organismus schützen und auf diese Weise die infektiöse Wirkung unterstützen. Auch diese Substanzen wdrken spezifisch und sind thermo- labil. Die Bacterien ihrerseits hingegen werden von Substanzen in be- stimmter Weise angegriffen, welche sie so verändern, daß sie von den poly- nucleären Leukocyten, den Phagocyten Metschnikoffs leichter auf- genommen werden. Diese gleichfalls spezifischen Stoffe werden von Neu- 1) Ehrlich, Berlin, klin. Woch.schr. (1898), Nr. 12. Literatur: L. Aschoff. Ztsch. allgem. Physiol., /, 142 (1902). H. Sachs, Die Hämolysine (Wiesbaden 190.')). Kruse, Mikrobiologie, p. 994 (1910). — 2) L. Weingeroff, Zentr. Bakt. 1, 2g, 777. — 3) Hüntemüller, Ztsch. Hyg., 68, 221 (1911), behauptet Identität von Choleratoxin und Lysin. Proteushämolysin: E. Glaser u. J. Hachla, Ztsch.* Immun.forsch. I, //, 310 (1911). Staphylolysin: L. Maldagne, Arch. int. Pharma- codyn., 18, 409 (1909). Vibriolysin: M. Arinkln, ßiochem. Ztsch., 6, 226 (1907). — 4) Methodisches zur Hämolyse: L. Michaelis, Abderhaldens Handb. d. biochera. üntersuch.meth., 3, H, 1191 (1910). H. Fühner, Ebenda, 5, 24 (1911). — 5) K. Landsteiner u. R. v. Rauchenbichi^r, Ztsch. Immun.forsch. I, /, 439 (1909). — 6) O. Bail, Arch. Hyg., 52, 272 (1905); Zentr. Bakt. I, 36, Nr. 2, 40, 42\ Wien, klin. Woch.schr. (1906), p. 235. G. Salus, Arch. Hyg., 55, 3.S5 (1906). E. Weil, Deutsch, med. Woch.schr. (1906), p. 382. C Titze, Ztsch. Infekttonskrankh. (1906). /, 233. Th. Bürgers u. Kruse, Naturforsch. Ges. (1908), //, 2, 563. Kruse, Mikrobiologie, p. 1023 (1910). Keimtötende Stoffe der Leukocyten: R. Schneider. Arch. Hyg., 75- 167 (1912). 9* 132 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. FELD und RiMPAü(l) als Bacteriotropine, von Wright (2) und seinen Mit- arbeitern als Opsonine zusammengefaßt. Ob diese Stoffe Beziehungen zu den später zu erwähnenden Agglutininen haben, wie manche Forscher behauptet haben (3), muß noch dahingestellt bleiben. Schheßlich wurde seitens mehrerer Forscher (Eijkman, Conradi, Bahn (4) die Ansicht vertreten, daß Bacterien in ihrer Kulturflüssigkeit eigenartige kolloide und thermolabile Hemmungsstoffe von artspezifischer Wirkung produzieren, fiLr welche Conradi den Namen Autotoxine vor- schlug. Nach allen vorliegenden Untersuchungen hierüber sind diese Hem- mungsstoffe sehr problematischer Natur. Den höheren Pflanzen fehlen toxische Antigene, die man hier als Phytotoxine zusammenfassen kann, als vereinzelte Vorkommnisse ebensowenig wie den höheren Tieren, wo man bekanntlich noch bis zu den Reptihen hinauf Produktion solcher Substanzen findet. Unter den Pilzen hat man zunächst Aspergillus fumigatus (und flavescens) in Ver- dacht durch sein Wachstum und seine Toxinproduktion in verdorbenem Maismehl die Pellagrakrankheit zu verursachen (5). Über die hier in Betracht kommenden Giftstoffe ist jedoch noch kaum etwas sicheres be- kannt geworden. Reed (6) hält es für möglich, daß Diplodia-Arten in der Ätiologie der Pellagra eine analoge Rolle spielen. Bessere Kenntnis besitzt man über die toxinartigen Stoffe der giftigen Amanita-Arten. Amanita phalloides enthält nach Kobert, Ford und Rabe (7) ein typisches thermolabiles Hämolysin, das Phallin. Hinsichtlich eines zweiten in Amanita phalloides enthaltenen Giftstoffes wird angegeben, daß er glucosidisch und thermostabil sei; Rabes Meinung, daß es sich um ein muscarinartiges Alkaloid handle, ist wahrscheinlicher als die Meinung Fords, daß man es mit einem Antigen zu tun habe. Amanita mappa, rubescens u. a. sind gleichfalls hämolysinhaltig, und ähnliches dürfte auch für A. muscaria gelten, wo Harmsen(8) ein thermolabiles Pilz- 1) F. Neupelü u. W. RiMPAU, Ztsch. Hyg., 51, 283 (1905). — 2) A. E. Wright u. Douglas, Proceed. Roy. Soc. Lond. (1903). S. Hata, Arch. Hyg., 61, 81 (1908). Wright u. S. T. Reid, Proceed. Roy. Soc. Lond. B., 77, 211 (1906). W. FoRNET, Naturforsch. Ges. (1907), II, (2), 516. E. Centanni, Ztsch. physiol. ehem., 55, 140 (1908). W. Rosenthal, Weichardts Jahresber. Immun.forsch., 2, 45 (1908). Saiterbeck, in Lubarsch-Ostertags Ergebn. /, 690(1906). — 3) R. Greig- Smith, Biochem. Zentr., 5, 950 (1906). — 4) C. Eijkman, Zentr. Bakt. I, 37, 436 (1904); 41. III/IV (1906). H. Conradi u. O. Kurpjüweit, München, med. Woch.schr., 52, 1761 (1905). Manteufel, Berlin, klin. Woch.schr., 43, 313. O. Raun, Bact. Zentr. II, 16, 417 (1906). F. Passini, Wien. khn. Woch.schr. (1906), Nr. 21. — 5) Ceni u. Beste, Zentr. allgem. Pathol., Nr. 23 (1902). E. Bodin u. L. Gautier, Ann. Inst. Pasteur, 20, 209 (1906). C. Ravenna u. G. Pighini, Atti Acc. Line. Roma (5), 19, //, 312 (1910). M. Otto, Ztsch. klin. Med., 59, 322 (19.06). Bodin u. Lenormand, Ann. Inst. Pasteur. (1912), 26, 371. Zur interessanten Ätiologie der als Beri-Beri bezeichneten Polyneuritis, die früher auf Toxine aus verdorbenem Reis bezogen wurde: U. Suzuki, Shimamura u. Odake, Biochem. Ztsch., 43, 89 (1912). — 6) H. S. Reed, New York. med. Journ. (22. Jan. 1910). Der von Fernbach, Compt. rend., 149, 437 (1909), aus Hefe isolierte flüchtige Giftstoff hat mit Toxinen sicher nichts zu tun. — 7) R. Kobert, Chem. Zentr. (1892), //, p. 929; (1899) //, p. 781; Botan. Zentr., 120, All (1912). J. J. Abel u. W. W. Ford, Journ. Biol. Chem., 2, 273 (1907); Arch. exp. Path. Pharm., Schmiedebergbd., p. 8 (1908). H. Schlesinger u. Ford, Journ. Biol. Chem., 3, 279 (1907). Ford, Journ. Infect. Dis., j, 191 (1906); Journ. Exp. Med., 8, 437 (1906); Journ. Pharm, and exp. Ther., 2, 285 (1911). Ferry, Botan. Zentr., 119, 18 (I9l2). Fr. Rabe, Ztsch. exp. Path. Ther., 9, 352 (1911). M. Radais u. A. Sartory, Compt. rend., 153, 1527 (1911); 155, 180 (1912). J. Parisot u. Vernier, Ebenda, 620 (1912). — 8) E. Härmsen, Arch. exp. Path. Pharm., 50, 361 (1903). § 7. Imniunreaktioneii. 133 toxin neben Muscarin nachwies. Sehr fraglich sind die aus Boletus- Arten angegebenen Giftstoffe (1 ). Die in einigen Gruppen der Phanerogamen häufig vorkommenden Brennhaare (Urticaceae, Loasaceae) dürften ihre Wirkung nicht nur der in ihnen enthaltenen Ameisensäure verdanken. Wenigstens fand Haber- LANDT(2) das Nesselgift durch Alkohol aus seiner wässerigen Lösung fällbar und durch kurzes Koclien zerstörbar. Der Ameisensäuregehalt von Laportea gigas, einer tropischen Verwandten unserer Nessel, ist nach Petri(3) bedeutend größer als bei Urtica. Die Loasa-Haare führen nach Tassi(4) Essigsäure, jene von Girardinia palmata nach Hooper(5) Ameisensäure. Perret (6) gibt an, daß Lamium ebenso wie I'rtica toxinhaltig sei. Die besterforschten Phytotoxine finden sich in den Samen der Euphorbiaceen, Leguminosen und weniger anderer Blüten- pflanzengruppen. Die intensiv wirksame Substanz der „Jequiritysamen" von Abrus precatorius wurde zuerst von Martin (7) als giftiges Proteid angesprochen. Doch ist auch hier durch neuere Untersuchungen [Haus- mann (8)] Zweifel an der Eiweißnatur dieses Giftstoffes erhoben worden. Duich eine kombinierte Trypsinaussalzungsmethode wurden Präparate eihalten, welche bei unveränderter Giftigkeit keine Biuretreaktion zeigten. Das Phasin, welches in verschiedenen Leguminosensamen durch Kobert und Wienhaus (9) aufgefunden wurde (Phaseolus, Pisum, Vicia) ist die Ursache der zuerst durch Landsteiner und Raubitschek(IO) sicher- gestellten hämagglutinierenden Wirkung der Extiakte aus diesen Samen. Eiweißfreie Phasinpräparate konnten nicht erhalten werden; die toxischen Wirkungen sind hier nur gering. Aus der Rinde der Robinia Pseud- acacia stellte Power (11) sein „Robin" her, welches er als Nucleoproteid von toxischen Eigenschaften betrachtete. Das erstbekannt gewordene Phytotoxin war wohl das Ricin aus den Samen von Ricinus communis, welches Kobert und Stillmark (12) 1888 darstellten als ein in lO'^/oigem NaCl lösliches toxisches Proteid von Albumosencharakter. An die Ent- deckung des Ricin knüpfen sich wichtige Arbeiten von Ehrlich (13) über das Zustandekommen der Immunität von Tieren nach Vorbehand- lung mit Ricin gegen dieses Gift. Jacoby(14) zog hierauf die Protein- natur des Ricin in Zweifel, doch ist es in sorgfältigen präparativen Arbeiten von 0sborne(15) und seinen Schülern nicht gelungen, das Ricin von einer sehr wirksamen koagulablen Albuminfraktion abzutrennen. Die spezifischen Immunreaktionen mit Abrin und Ricin haben in den Versuchen Ehrlichs mit vollster Sicherheit die Verschiedenheit dieser I) DuPETiT, Chem. Zentr. (1889), /, p. 695. F. ÜTZ, Apothek.-Ztg., 20, 993 (1906). Lactaria torminosa: S. Kawamura, Botan. Mag. Tokyo, 25, 104 (1911). — 2) G. Haberlandt. Sitz.ber. Wien. Ak., 03 (188C). E. ( Jiustiniani, Gaz. chini. ital., 26, I, 1 (1896). — 3) J. M. Petri, Botan. Zentr., 104, 151 (1907). — 4) F. Tassi, Just, botan. Jahresber. (1886), 1, 220. — 5) D. Hooper, Pharm. Joiim., 17, 322 (1887). — 6) A. H. Perret, C. r. Soc. Biol., 50, 602 (1905) — 7) S. Martin. Prooend. Roy. Soc, 42, 331 (1887); 46, 100 (1889). — 8) W. Hausmann, Hofmeisters Beitr., 2, 134 (1902). — 9) R. Kobert, Landw. Versnchf^stat., 71, 257 (1909). O. Wien- HAiTß, Biochem. Ztsch , 18, 228 (1909). — 10) Landsteiner u. Raubitschek, Bact. Zentr., 45, VII (1908). E. C. Schneider, .Journ. of Bio). Chem., //, 47 (1912). — 11) Fr. B. Power, Pharm. Journ. (1901), p. 258. C. Lau, Diss. (Rostock 1901). — 12) H. Stillmark, Chem. Zentr. (1889), //, 978. Osborne u. Mendel, Amer. Journ. PhvBiol., 10, 36 (1903). — 13) P:hrlich, Deutsch, med. Wochschr. (1891), Nr. 44. — *14) M. Jacoby, Hofmei.'^ters Beitr., /. 51 (1902); -', 535(1902); Biochem. Ztsch., 39, 73 (1912). — 15) Tho. B. Osborne, L. B. Mendel u. J. F. Harris, Amer. Joum. Physiol., 14, 250 (1905). C. W. Field, Journ. exp. Med., /-', 551 (1910). 134 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. beiden Phytotoxine ergeben. Andere Euphorbiaceentoxine sind das Curcin aus den Samen der Jatropha Curcas(l); das Crotin aus den sehr giftigen Samen von Croton Eluteria, welches Elfstrand (2) als Proteid erkannte; das Crepitin von Hura crepitans nach Richet (3), sowie ein im Euphorbia- milchsaft vorkommendes Hämagglutinin (4). Echte Phytotoxine enthalten endlich nach Greshoff(5) die javanischen Urticaceen Artocarpus vene- nosa, Ficus Edelfeldtii und Streblus mauritianus. v. Eisler und Port- heim (6) haben sodann nachgewiesen, daß die Samen verschiedener Datura- Arten Stoffe von hämagglutinierender Wirkung enthalten. An Toxine hat mau sodann hinsichtlich der Ätiologie der merkwürdigen infektiösen Hlattfleckenkrankheit der Tabakpflanzen gedacht, bei welcher der Gewebesaft der bleichen Blattstellen, angeblich ohne Mikroben zu enthalten, sicher Wirkung auf gesunde Blattstellen entfaltet (7). Das Virus dieser sog. ,, Mosaikkrankheit" ist leider noch nicht näher bekannt geworden. Die ,,Mosaikki'ankheit" der Tomaten ist hingegen anscheinend nicht in- fektiös (8). Dunbar und Kammann (9) sind der Anschauung, daß das ,, Heufieber" (Heuschnupfen) durch ein in Gramineenpollen und Con- vallariapollen vorhandenes Phytotoxin erzeugt werde. Ebenso ist der in den Vereinigten Staaten verbreitete Herbstkatarrh durch Pollen spät blühender Compositen (Solidago, Ambrosia) bedingt. Jedoch neigt man auf anderer Seite der Ansicht zu, daß nicht so die toxischen Eigenschaften der Pollenproteide hierfür ätiologisch in Betracht kommen, wie die Über- empfindlichkeit (,, Anaphylaxie") bestimmter Individuen gegen die resor- bierten Pflanzenpollens toffe (10). Laurent(II) sammelte bezüghch Viscum eine Reihe vonErfahrungen, welche ihn zu dem Schlüsse bewegen, daß besonders die Keimlinge der Mistel ein Toxin erzeugen, welches die Rindenparenchymzellen der Wirts- pflanze abtötet. Ein weiteres Gebiet der Immunoreaktionen umfassen die Erschei- nungen der Agglutination. Robert hat darauf aufmerksam gemacht, wie stark eine Reihe von Phytotoxinen (Ricin, Abrin, Phasin u. a.) auf Suspensionen von roten Blutzellen wirken. Die Erythrocyten werden in kleinere oder größere Flocken schon auf Zusatz sehr verdünnter Ricin- lösungen zusatamengeballt und setzen sich rasch ab. Nach Michaelis und Steindorff(12) agglutiniert Ricin übrigens ohne Spezifität ver- schiedene Organzellsuspensionen; es wirkt jedoch anderen Erfahrungen 1) A. Siegel, Diss. (Dorpat 1893). Th. Peckolt, Ber. pharm. Ges., i6, 176 (1906). — 2) M. Elfstrand, Chem. Zentr. (1897), /, 936. K. Kobekt, Apoth.-Ztg. (1900), p. 559. — 3) Ch. Richet, Ann. In.st. Pasteur, 23, 745 (1909). — 4) M. V. E18LER u. L. V. Portheim, Zentr. Pakt. I, 66, 309 (1912). — 5) Greshoff, Ber. pharm. Ge.^., 9, 214 (1899). — 6) M. v. Eisler u. L. v. Portheim, Ber. Botan. Ges., 29, 419 (1911); Ztsch. Imraun.forsch., /, 151 (1908). — 7) Vgl. F. W. T. Hunger, Ztsch. f. Pflanzenkrankh., 15, 257 (1905); Ber. Botan. Ges., 23, 415 (1905). J. A. Lodewijks, Rec. trav. bot. Nderl., 7, 107, 208 (1910). — 8) J. Westerdijk, Bacf. Zentr. II, 29, 127 (1910). Infektiöse Panachure: E. Baur, Berlin. Ak. (1906). p. 11. — 9) Dunbar, Berlin, klin. Wochschr. (1903), Nr. 24. Kammann, Hof- meisters Beitr., 5, 346 (1904); Berlin, klin. Woch..' § 7. Immunreaktionen. 135 zufolge auf Hefesuspensionen nicht ein. van Laer(1) hat gezeigt, daß man Hefesuspensionen einfach durch Boraxlösung agglutinieren kann, und verschiedene andere Salze sind gleichfalls wirksam. Überhaupt er- innern die Agglutinationserscheinungen äußerlich ungemein an kolloide Ausflockungen von Suspensionen. Bei den an Bacterien zu beobachten- den Agglutinationen tritt jedoch sofort das augenfällige Merkmal der spezifischen Wirkung hervor, wie es für Iramunoreaktionen charakte- ristisch ist. Seit den Arbeiten von Grub er (2) weiß man, daß Typhus- bacillen und Choleravibrionen durch das Serum von Tieren, welche mit solchen Mikroben vorbehandelt wurden, spezifisch ausgeflockt werden. Diese Reaktion ist so scharf, daß sie seither in der Diagnostik des Typhus eine hohe Bedeutung gewonnen hat; denn nur Typhusimmun- serum wirkt auf den Bac. typhi flockend, und auf keine andere Mikrobe. Hier wirkt also ein bacterieller Stoff als Antigen (Agglutinogen) und das Agglutinin des Serums ist ein spezifischer Antikörper. Zur Technik der wichtigen Methodik der Hämagglutination und Bacterioagglutination sei auf die Arbeiten von Fühner und Woithä(3) verwiesen. Um- gekehrt können Bacterien jedoch auch Agglutinine produzieren, welche Blutzellen ausflocken (4). Nach den übereinstimmenden Angaben der Forscher sind die Bacterioagglutinine thermolabile Substanzen. Der Zer- fall derselben mit ansteigender Temperatur entspricht dem Verlaufe uni- molekularer Reaktionen (5). Gegen ultraviolette Bestrahlung erwiesen sich die Agglutinine resistenter als die Bacterien selbst (6). Durch Kollodiummembranen findet Filtration statt (7). Beijerinck (8) hat gefunden, daß manche Hefen (Sacch. curvatus) bei Anwesenheit von Milchsäurebacterien flockig ausfallen. Die Ursache dieser „syrabionti sehen Agglutination" ist noch nicht klargestellt. Erwähnt sei noch, daß Bernard (9) die Ballungen der Pilzfäden in Wurzelrindenzellen bei endotropher Mycorrhiza mit Agglutinations- erscheinungen vergleichen wollte. Die letzte Gruppe der Immunoreaktionen betrifft schließlich die spezifische gegenseitige Ausfällung von arteigenen Eiweißkörpern, Er- scheinungen, tiie man als Präcipitinreaktionen zusammenfaßt. Dieselben stehen den Agglutininreaktionen offenbar nahe, beziehen sich jedoch nicht auf die Zellen selbst, sondern auf gelöste Proteide. Es hat zunächst R. Kraus (10) das Augenmerk darauf gelenkt, daß bacterienfreie Filtrate von Typhus- und Cholerakulturen durch die betreffenden Immunsera in scharf spezifischer Weise gefällt werden. Zweifellos haben wir wieder eine typische Immunreaktion vor uns. Das von den Bacterien produ- zierte Antigen, hier Präcipitogen genannt, ist bei Typhusbacillen bestimmt vom Typhoagglutinogen verschieden. E. PidK(ll) konnte an dem Typhus- präcipitogen keine Eiweißreaktionen nachweisen. In der Präcipitinreaktion 1) H. VAN Laer, Bull. Soc. Chim. ßelg., /p, 31 (1905); 20, 277 (1906). H. KuPFERATH, Bull. Soc. Roy. Bot. Beige, 45, 392 (1909). — 2) M. Gruber u. Dur- HAM, München, med. Woch.schr. (1896), p. 285; (1899), p. 1329; Zentr. Bakt. I, 19, 579 (1896). — 3) H. Fühner, Abderhaldens Handb. d. biochem. Untersuch.meth., 5, 28 (1911). C. Woithe, Naturf. Ges. (1909), //, (2), 294. — 4) G. Guyot, Zentr. Bakt. I, 47, 640 (1908). Y. Fukuhara, Ztsch. Iramun.forsch. I, 2, 313 (1909). — 6) Th. Madsen u. O. Streng, Ztsch. physik. Chem., 70, II. Arrhenius-Bd., p. 263 (1910). — 6) H. STA88ANO u. L. Lematte, Compt. rend., 152, 623 (1911). — 7) Froüin, C. r. Soc. Biol., 67, 814 (1909). — 8) Beijerinck, Zentr. Bakt. II, 20, 641 (1908). — 9) N. Bernard, Bull. inst. Pasteur, 7, 369 (1909). — 10) R. Kraus, Wien. klin. Woch.schr. (1897), Nr. 16. — 11) E. Pick, Hofmeisters Beitr., /, 371, 464 (1902). 136 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. können jedoch nicht nur Eiweißstoffe pathogener Mikroben, sondern an- scheinend beliebige andere tierische und pflanzliche Proteide als Antigene fungieren, vorausgesetzt, daß sie dem zu immunisierenden Organismus art- fremd sind. Dadurch ist die Präcipitinreaktion zur Erkennung und zur Unterscheidung arteigener und körperfremder Proteinstoffe von hoher Be- deutung geworden. Bordet(I) hat zuerst gefunden, daß im Blute von Kaninchen nach intravenöser Darreichung von Ziegenmilch sich ein Stoff bildet, welcher Ziegenmilch in vitro fällt. In der Hand von Wasser- mann, Myers, Uhlenhüth, Michaelis, Friedenthal und anderer Forscher (2) ist die Präcipitinreaktion als scharfes diagnostisches Hilfs- mittel in der Blutuntersuchung und zu anderen physiologischen Zwecken ausgebildet worden. Nur gegen die eigenen Körpereiweißstoffe bilden die Tiere keine Präcipitine. Bei nahe systematisch verwandten Formen werden die Fällungen schwach ausgebildet, und sie treten intensiv auf, sobald die systematische Stellung eine entferntere ist. Daß man auch pflanzliche Proteide auf diesem Wege differenzieren kann, wurde mehr- fach gezeigt. Magnus und Friedenthal (3) haben speziell für Gra- mineeneiweiß die Präcipitinmethode erfolgreich zur Artdifferenzierung benützt, und Wells und Osborne(4) konnten zeigen, daß das Legumin von Pisum und Vicia, das Vicilin aus denselben beiden Pflanzen, das Gliadin von Weizen und Roggen, das Vignin und Legumin ans Vicia sich vollständig serospezifisch verhalten. Die Reaktion gelingt am schärlsten, wenn man das Immunserum auf die zu prüfende Eiweißlösung vorsichtig schichtet und einige Zeit ruhig stehen läßt (5). Aus dem reichen experimentellen Material, das bereits gesammelt vorHegt, wäre hervorzuheben, daß bei gleichzeitiger Einver- leibung mehrerer Eiweißstoffe ein polyvalentes Serum entsteht, welches auf alle apphzierten Antigene fällend wirksam ist (6). Einer näheren Er- forschung bedarf noch die Beobachtung von Portheim (7), wonach in wässerigen Extrakten verschiedener Pflanzenorgane Trübungen entstehen, wenn man etwas Alkoholextrakt aus Blättern derselben Art zusetzt; diese Trübungen sollen bei Zusatz von artfremdem Blätterextrakt nicht entstehen. Es ist kaum wahrscheinhch, daß diese Reaktion mit den Prä- cipitinoreaktionen irgendwie zusammenhängt. Soweit bekannt, kann man die auf Bacterien spezifisch wirksamen Präcipitine aus dem Serum mit den GlobuUnfraktionen ausfällen (8), wo- mit natürhch noch nichts über deren chemische Zugehörigkeit ausgesagt wird. Die Präcipitine und ihre Antigene sind wohl stets thermolabile Sub- stanzen, nach Schmidt (9) jedoch die Präcipitine selbst deuthch emp- 1) BoRDKT, Ann. Inst. Pasteur, 13, 240 (1899). — 2) Wassermann u. Schütze, Ztsch. Hyg., 36 (1901). Myers, Zentr. Bakt. I, 28, 237 (1900). P. Uhlen- hüth, Deutsch, med. Wochschr. (1900), p. 734; Naturf. Ges. (1905), // (2), 461; Deutsch, med. Woch.schr., j/, 1673 (1905). L. Zupnik, Ztsch. Hyg., 49, 447 (1905), — 3) W. Magnus u. H. Friedenthal, Ztsch. Immun. forsch. I, 4, 505 (1910). Her. Botan. Ges., 24, 601 (1906); 25, 242, 337 (1907); 26a, 532 (1908). Landw. Jahrb., 38, Erg.-Bd. V, 207 (1909). L. Kr. Relander, Zentr. Bakt. II, 20, 518 (1908). M. WiLENKO, Ztsch. Immun. forsch. I, 5, 91 (1910). — 4) H. G. Wells u. Th. B. Osi BORNE, Journ Infect. Diseas., 8, 66 (1911). B. Galli-Valerio u. Bornand, Ztsch. Immun. forsch. I, 15, 229 (1912), für Com positen -Proteine. — 5) Methodisches be- L. Michaelis, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth,, j, 11, 1185 (1910). W. Fornet u. M. Müller, Ztsch, Hyg., 66, 215 (1910). — 6) Vgl. B. Bermbach. Pflüg. Arch., 107, 626 (1905). A. Hunter, Journ. of Physiol., J2, 327 (1905). — 7) L. v. Portheim, Naturf. Ges. (1909), II, (1), 170. — 8) J. Bang, Hofmeisters Beitr., 7, 149 (1905). L. Michaelis, Ztsch. klin. Med., 56, 409 (1905). — 9) W. A. Schmidt, Biochem. Ztsch., 14, 294 (19081; dort weitere Literatur. § 8. Die Kinetik der Immuiioreaktionen. |37 findlicher gegen höhere Temperatur. Verschiedene Arbeiten l)eziehen sich auf die Erforschung, wie weit man Eiweißstoffe abbauen kann, ohne die präcipitogene Wirkung zu zerstören. Während Obermayer und Pick (1) angegeben hatten, daß man die Präcipitinreaktion noch bis zu Polypeptiden ohne Biuretreaktion verfolgen kann, fanden Michaelis und Oppen- heimer (2), daß die durch Pepsin-HCl verdauten Eiweißstoffe durch das auf das unveränderte Eiweiß wirksame Präcipitin nicht mehr gefällt werden; wohl kann man aber durch öftere Injektion des angedauten Eiweißes noch ein Präcipitin gewinnen, welches sowohl auf das angedaute wie auf das native Eiweiß wirkt. Auch Kentzler(3) fand, daß durch Behandlung mit Salzsäure die Antigennatiu- der Eiweißstoffe verloren geht. In ihren Untersuchungen über die Wirkung tryptischer Verdauung auf die Antigen- natur von Eiweiß machen Obermayer und Pick (4) neuerüch darauf auf- merksam, wie weitgehende hydrolytische Spaltung erfolgen kann, ohne daß die artspezifische Gruppierung im Ei^eißmolekel gänzhch verloren geht. Während auch Oxydation mit Permanganat in alkalischer Lösung die präcipitinogene Wirkung nicbt stört, geht bei Nitrierung, Jodierung» Diazotierung die Fähigkeit, Präcipitin zu erzeugen, vöUig verloren. Dem- nach scheinen die aromatischen Gruppen im Eiweißmolekül speziell bei der Antigenwirkung beteiligt zu sein. Nach W. A. Schmidt (5) läßt sich sogar durch Injektion von eine halbe Stunde hindurch auf 70** erhitztem und dann noch 15—20 Minuten lang mit NaOH weiter erhitztem Serum ein Präcipitin erhalten, welches dann mit erhitztem Eiweiß reagiert. Erwähnt sei noch, daß nach Dunbar (6) die Polleneiweißkörper nach ihrem serobiologischen Verhalten sich gegenüber dem somatischen Zell- eiweiß der betreffenden Art verschieden erweisen, eine Angabe, welche jedoch von Magnus und Friedenthal (7) bestritten worden ist. Kraus und Portheim (8) ist es gelungen, nachzuweisen, daß sehr kleine Mengen präcipitierbaien Eiweißes durch die Pflanzenwurzeln unzersetzt auf- genommen werden können. § 8. Fortsetzung: Die Kinetik der Immunoreaktionen. Die Umstände, daß die Immunoreaktionen sowie die Ferment- reaktionen schon durch außerordentlich geringe Substanzmengen bedingt werden können und daß die hierbei in Betracht kommenden Stoffe sowie die Enzyme die Merkmale der Antigennatur und der kolloidalen thermo- labilen Beschaffenheit vereinigen, machten frühzeitig auf die Notwendig- keit eines genauen Vergleiches der Enzyme und Cytotoxine aufmerksam. Doch darf man es bereits als eine erledigte Sache ansehen, daß die Cytotoxine und die Immunstoffe mit Enzymen und Katalysen nichts zu tun haben (9). Vor allem ist es wichtig, festzustellen, daß die Immun- 1) J. Obermayeb u. E. P. Pick, Wien. med. Woch.schr. (1904), p. 2m. — 2) Michaelis u. Oppenheimer, Arch. Anat. u. Physiol., Phys. Abt., Suppl. (1902). Oppenheimer, Hofmeisters Beitr., 4, 259 (1903). L. Michaelis, Ztsch. klin. Med., 56, 409 (1905). — 3) J. Kentzler, Berlin, klin. Woch.schr., 47, 291 (1910). — 4) Fr. Obermayer u. E. P. Pick, Wien. klin. Woch.schr. (1906), Nr. 12. — 5) W. A. Schmidt, Ztsch. Immun. forsch. I, 13, 166 (1912). — 6) W. P. Dunbar, Ztsch. Immun. forsch. I, 7, 454 (1910). Lübbert, Umschau, 7, 136 (1911). — 7) W. Magnus u. H. Friedenthal, Ztsch. Immun. forsch., 5, 504 (1910). — 8) R. Kraus, L. V. Portheim u. T. Yamanouchi, ßer. Botan. Ges., 25, 383 (1907). — 9) Vgl. hierzu bes. L. v. Liebermann, Deutsch, med. Woch.schr., j/, Nr. 33 (1905); 32, Nr. 7 (1906); Ztsch. Immun. forsch. I, n, 295, 355 (1911> 138 Zweites Kapitel: D.ie chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenoiganismus. reaktionen, ohne Zwischentreten der wirksamen Substanz, nicht möglich sind und direkt durch sie bedingt werden ; sodann daß die Toxine, Agglutinine, Präcipitine in der Reaktion verbraucht werden und in den Reaktionsprodukten in irgendeiner Form enthalten sind. Dementsprechend kann von einer „Fennentnatur" trotz aller äußer- lichen Ähnlichkeiten bei den Immunaiitigenen und Immunkörpern nicht die Rede sein. Wir wissen aber seit den grundlegenden Arbeiten von Ehrlioh(I) und seinen Schülern mit Sicherheit, daß die Antigene in der Reaktion nicht verbraucht und zerstört werden, sondern aus ihrer Bindung mit dem spezifischen Immunkörper durch Zerstörung des letzteren in wirk- samer Form wieder erhalten werden können. Wie kommt nun dieser Vorgang der Absättigung zwischen Antigen und Immunkörper zustande? Trotz aller darauf verwendeten Mühe hat dieses offenbar sehr kompli- zierte Problem sich bis heute noch nicht so weit aufheilen lassen, daß eine chemisch befriedigende und allgemein angenommene Auffassung er- langt worden wäre. Man hätte erwarten können, daß bei der Bindung von Antigen und Immunkörper die charakteristischen Eigenschaften des Antigens in demselben Maße sich vermindern, als die Bindung vollzogen wird. Dies ist nun, wie Ehrlichs berühmt gewordene Untersuchung des Diphtherietoxins gezeigt hat, durchaus nicht der Fall. Denn Di- phtherietoxinlösungen verlieren in der Zeit nach ihrer Herstellung nach und nach ganz bedeutend an Giftigkeit, während ihre Fähigkeit sich mit dem Antitoxin zu verbinden, die gleiche bleibt. Im Anschlüsse an die Vorstellungen der Farbstoffchemie über Chromophore, Auxochrome usw. machte Ehrlich diese Sachlage anschaulich durch die Annahme, daß das Toxin eine „toxophore" Gruppe enthält, welche den Träger der Gift- wirkung. darstellt, und eine „haptophore" Gruppe, welche die Bindung an das Antitoxin vermittelt. Die Bildung des Antitoxins bei der Im- munisierung stellt sich Ehrlich in der Weise vor, daß die haptophore Gruppe des Toxins zunächst an bestimmte Gruppen in Zellsubstanz- molekülen (Receptoren) gebunden werde. Diese Beschlagnahme der Receptoren wirke als Reiz für eine abnorm reichliche Neubildung von Receptoren, welche abgestoßen werden und nun das freie Antitoxin des Serums darstellen. Es bleibt aber noch zu erklären, wie so die toxische Wirkung der Giftlösung sich vermindert. Die EHRLiCHsche Theorie nimmt an, daß chemische Veränderungen an dem Toxin unterlaufen, indem daraus ungiftige, jedoch noch gleich gut zu kuppelnde Stoffe ent- stehen, die „Toxoide". Neue Schwierigkeiten ergeben sich sodann daraus, daß die Toxin- Antitoxinabsättigung eine gewisse, nicht zu kurze Zeit braucht: 24 Stunden bei Zimmertemperatur, 1 Stunde bei 40^0, ehe die Bindung völlig voll- zogen ist. Es ist ferner nicht gleichgültig, ob man ein Quantum des Antitoxins auf einmal oder in zwei Teilen zusetzt, denn Danysz(2) hat gezeigt, daß im ersten Falle die Bindung und der Entgiftungseffekt namhaft stärker ist als im letzteren Falle. Ehrlich suchte die all- mähliche AbSättigung durch die Hypothese zu erklären, daß die Toxin- lösungen außer dem eigentlichen Toxin noch eine quantitativ und quali- tativ toxisch differente Substanz enthalten, deren Fähigkeit sich mit dem Antitoxin zu verbinden geringer sei als bei Toxin und Toxoiden. Dies 1) P. Ehrlich, Gesammelte Abhandl. (1901). — 2) Danysz, Ann. Inst. Pasteur, i6, 33 (1902). § 8. Die Kinetik der Immanoreaktiouen. 139 wäre Ehrlichs „Toxon". Aber auch das Toxin selbst ist nicht ein- heitlich, sondern läßt sich in drei Giftportionen einteilen, von denen das „Prototoxin" die stärksten haptophoren Eigenschaften hat, das „Deuterotoxin" wenig starke und das sich an das Toxon anschließende „Tritotoxin" am wenigsten Verwandtschaft zum Antitoxin zeigt. Diese drei Fraktionen sind außerdem ungleich beständig, indem das Tritotoxin am leichtesten ungiftiges Toxoid über den Weg eines „Hemitoxins" liefert, das Deuterotoxin hingegen relativ sehr beständig ist, während das Prototoxin ebenfalls frühzeitig in Hemitoxin und ungiftiges Toxoid übergeht. Die EHRLiCHsche „Seitenkettentheorie", wie sie hier in ihren Haupt- zügen geschildert ist, schließt, anpassungsfähig wie sie ist, natürhch auch nicht jene Fälle aus, in welchen die Absättigung von Toxin und Antitoxin stets proportional zu Bindungs vermögen und Toxicität vor sich geht, wie es beim Rauschbrandgift nach Grassberger und Schattenfroh (1) der Fall ist. Hier fällt nur die Annahme von Toxoiden hinweg. Im wesent- lichen stimmen auch die von Madsen (2) früher vertretenen theoretischen Anschauungen mit den Grundsätzen Ehrlichs überein, während andere Autoren, wie Danysz, Swellengrebel, Bürdet (3), die Toxone als partiell abgesättigte Toxine ansehen. Nach Bürdet würde das Toxinmolekel mehrere haptophore Gruppen besitzen und könnte Antitoxin in variablen Proportionen binden. Daß die EHRLiCHsche Theorie für die chemisch denkenden Physio- logen stets etwas Unbefriedigendes in ihrem Wesen hatte, kann nicht ge- leugnet werden und es sind zahlreiche Versuche unternommen worden, die Toxin-Antitoxinreaktion in einer mehr an die chemische Kinetik an- knüpfenden Weise zu erklären. Die eine Gruppe von Forschern, wie Arrhenius und Madsen, stellen hierbei die Absättigungsphänomene nach dem allgemeinen Gesetze der Massenwirkung in den Vordergrund, die an- deren suchen die Kolloidchemie zu Hilfe zu nehmen und die nun besser bekannt gewordenen Adsorptionserscheinungen heranzuziehen. Arrhenius und Madsen (4) haben in einer sehr glückhchen Weise gezeigt, wie groß die Analogien zwischen der Absättigung Toxin + Antitoxin und der Sätti- gung einer nicht allzu schwachen Base wie Ammoniak mit einer schwachen Säure (Borsäure) sind. In solchen Fällen ist das Reaktionsprodukt in seiner wässerigen Lösung natürhch stark hydrolytisch gespalten und es bedarf eines bedeutenden Überschusses an Borsäure (dem Antitoxin ent- sprechend), um das Ammoniak zu noutraUsieren. Bemerkt sei, daß Angaben vorliegen, daß auch die Toxin + Antitoxinverbindung, frisch hergestellt oder stärker verdünnt, Dissoziationserscheinungen aufweist (5). Borsäure, in der Menge 1 zu NHg hinzugefügt, neutralisiert etwa die Hälfte, in der Menge 2 etwa zwei Drittel, in der Menge 3 etwa drei Viertel, in der Menge 4 etwa vier Fünftel des NH3 usw. Dies macht genau den Eindruck, als ob in einem Gemische mehrerer Stoffe zuerst derjenige mit der stärksten Affinität abgesättigt würde, sodann sukzessive die Stoffe mit schwächerer Affinität wie beim Toxin. Wenn man mit Arrhenius die noch vorhandene 1) R. Grassberger u. A. Schattenfroh, Wien. klin. Wochschr. (1905), Nr. 15. - 2) T. Madsen, Ann. Inst. Pasteur, 13, 568 (1899). — 3) J. Danysz, Ebenda, p. 581. Swellengrebel, Zentr. Bakt. T, 35, 42 (1904). Bordet, Ann. Inst. Pasteur (1903), Nr. 3. — 4) Sv. Arrhenius u. T. Madsen, Ztsch. physik. Cham., 44, ^ (1903). Arrhenius, Ergebn. d. Physiol., 7, 480 (1908). Arrhenius, Immunochemie (Leipzig 1907). — 5) R. Otto u. H. Sachs. Ztsch. exp. Path. Ther., 3, 19 (1906). 140 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden rflanzenorganismus. NHg-Menge durch die hämolytische Kraft des NHg-Boratgemisches mißt, so stellt sich sehr früh schon die von Ehrlich beschriebene abnehmende Ab- sättigung heraus. Im Falle der NH3 X Borsäurereaktion gilt nach dem GuLDBERG-WAAGEschen Gesetze die Gleichung (Freie Säure) x (Freies Ammoniak) = k (Ammoniumborat)^. Für die Toxinabsättigung hätten wir dann zu schreiben Freies Toxin Freies Antitoxin _ /Toxin X Antitoxiny Wöi^ ^ Vdil^ ~ ^ \ Volum I ' und 1 Molekel Toxin muß mit 1 Molekel Antitoxin 2 Molekel der Verbin- dung geben. Die ermittelte Gleichung für die Reaktionsgeschwindigkeit ist i 1 -, =k(t2 — tj), wenn x die zur Zeit t vorhandene Toxin- A— X2 A— Xi Antitoxinverbindung und A die Anfangsmenge des Toxins ist. Die an- fängliche Menge des Antitoxins ist einflußlos. Auch der oben erwähnte DANYSZ-Effekt, welcher darin besteht, daß die Absättigung mit Antitoxin weiter geht, wenn man das Antitoxin auf einmal zusetzt, als wenn dies in zwei Teilen geschieht, läßt sich nach Arrhenius chemisch verstehen, wenn man Fälle betrachtet wie jenen, wo Monochloressigsäure mit Natronlauge im Überschuß versetzt wird, so daß sich allmähhch NaCl bildet. Da die Bindung des Gl in NaCl fester ist als in der Monochloressigsäure, so bedeutet dies eine zeitlich fortschreitende Festerbindung des Gl, wie das Antitoxin an das Toxin allmählich fester gebunden wird. Die Anläufe, welche genommen sind, um die Lehre von der Adsorption für die Toxinreaktion heranzuziehen, sind gleichfalls vielversprechend. Die elektrischen Ladungen von Toxin und Antitoxin sind nach den Er- fahrungen von Field und Teague sowie Bechhold (1) im kataphoretischen Versuch nicht entgegengesetzt; sowohl Toxin als Antitoxin wandern un- abhängig von der Reaktion des Lösungsmittels kathodisch. Hingegen besteht hinsichtlich der Oberflächenspannung wässeriger Lösungen von Toxin und Antitoxin nach Zunz (2) die wichtige Differenz, daß nur Toxin- lösungen oberflächenaktiv sind ; sowohl Antitoxinlösungen als Toxin X Anti- toxingemische erniedrigen die Oberflächenspannung des Wassers nicht. Damit steht im Einklänge, daß die Kombination Toxin-Antitoxin von Knochenkohle nicht adsorbiert wird, während das Toxin bei Salzgegenwart deutlich adsorbiert wird. Es sei auch noch auf die Darlegungen von Zangger und BiLTZ (3) verwiesen. Besonders geeignet für das Studium der Immunoreaktionen sind die Hämolysinvvirkungen auf rote Blutzellen, die man bequem in vitro messend verfolgen kann. Es ist jedoch kaum möglich die Wirkungs- weise der Hämolysine von Bacterien oder aus artfremdem Serum zu verstehen, ohne die bactericiden Wirkungen zellfreien sterilen Serums 1) C. VV. Field u. O. Teague, Journ. exp. Med., 9, 86 (1907). H. Bech- hold, München, med. Woch.schr. (1907), Nr. 39. — 2) E. Zunz, Bull. Acad. Roy. Belg. (Oktober 1910). L. Jacque u. E. Zunz, Arch. intern. Physiol, 8, 227 (1909); Soc. Roy. Sc. mdd. Bruxelle.s, 7, 127 (1909). A. Bertolini, Biochem. Ztsch., 28, 60 (1910). Mentz^von Krogh, Ztsch. Hyg., 68, 251 (1911). — 3) H. Zangger, Ztsch. Immun. forsch. I, /, 193 (1909); Vierteljahrsechr. Nat. Ges. Zürich, 53, 408 (1908). W. Biltz, Med. Naturw. Arch., /, 345 (1908). § 8. Die Kinetik der Iramunoreaktionen. X41 ZU beachten, welche schon seit 1888 durch Nuttall, Behring, Buch- ner (1) und andere Forscher bekannt sind. Durch die von Nuttall an- gestellten Versuche, welche bewiesen, daß das leukocytenfreie Seruni Bacterien vernichtet, war die Alleingültigkeit der METCHNiKOFFschen Phagocytenlehre gebrochen. BuchnEr zeigte, daß die bactericiden Serumstoffe durch Erwärmen auf 60 <* vernichtet werden, sprach sie als Eiweißkörper an und gab ihnen die Benennung der „Alexine". Pfeif- fer (2) führte später den wichtigen Nachweis, daß man ein durch p]rwärnien oder durch bloßes längeres Aufbewahren inaktiviertes Seruni durch Einführung in den Tierkörper wieder aktivieren kann. Es muß sich daher um zwei differente Stoffe im BucHNERschen Alexin handeln, von denen der eine leichter zerstörbar ist als der andere. Die Dualität der Immunstoffe folgt auch aus der von Pfeiffer entdeckten Erscheinung, daß das Serum aus cholera-immunen Tieren allein auf lebende Choleravibrionen nicht in vitro bactericid einwirkt: daß hingegen die Bacterien sehr rasch zugrunde gehen, wenn man das Immunserum zusammen mit lebenden Choleravibrionen einem Tiere in die Bauchhöhle bringt (Phänomen von Pfeiffer 1894). Von großer Bedeutung war ferner die Entdeckung von Bordet(3), daß ganz frisches Immunserum auch im Reagensglase kräftig bactericid wirkt, daß man diese Wirkung durch Erwärmen auf 56*^ aufheben kann, und daß Zusatz von normalem Serum die Wirksamkeit wieder herstellt. Aus der Ver- bindung aller dieser Tatsachen darf man den Schluß ziehen, daß das bactericide Agens aus zwei Komponenten bösteht, von denen die eine nur im Immunserum vorkommt und beständig ist, die andere aber auch im normalen Serum vorhanden ist und beim Aufbewahren und beim Erwärmen leicht unwirksam ist. Bordet nannte die thermostabile Sub- stanz substance sensibilatrice, den zweiten Körper Alexin. Ehrlich und Morgenroth (4), welche die komplexe Natur der bactericiden und hämolysierenden Stoffe voll bestätigen konnten, führten für die thermo- stabile an sich unwirksame Substanz den Namen „Immunkörper'*, Zwischenkörper oder Amboceptor ein, für den thermolabilen auch im normalen Serum vorkommenden Bestandteil den Namen Komplement. Für die Inaktivierung des letzteren beim Erwärmen wurde die Er- klärung gegeben, daß es hierbei in sog. „Komplementoide" übergeht, in denen die zymoloxischen Gruppen völlig zerstört sind, die haptophoren Gruppen jedoch erhalten geblieben sind (5). Die Eigenschaften der Immunkörper (Amboceptor) sind bisher viel weniger aufgeklärt als jene der Komplemente. Arrhenius hebt mit Recht hervor, daß die über Hämolysine bekannt gewordenen Tatsachen nahe- legen, daß der Immunkörper im Verhältnis zum Komplement sehr stark von den Blutzellen adsorbiert wird. Morgenroth (6) hat gezeigt, daß sich diese Eigenschaften beim Erhitzen auf 65° C (14 Stunde) irgendwie ändern 1) Nuttall, Ztsch. Hyg., 4, 353 (1888). v. Fodor, Deutsch, med. Woch.schr. (1887), Nr. 34. Behring u. Nissen, Ztsch. Hyg., 8, 412 (1890). H. Buchner. Zentr. Bakt., 5, 817 (1889); . KoHN, P:benda, /6, 690 (1906); /y, 446 (1906); 23, 126 (1909). F. Czapek, Festschr. f. Chiari (Wien 1908), p. 157. — 3) Ed. Kohn u. F. Czapek, Hofmeisters Beitr., S, 302 (1906). — 4) J. Szücs, Jahrb. wiss. Botan., 52, 85 (1912). § 1. Einleitung. 151 Alkaloiden und Teerfarbstoffen, nach den im Prager Institut von Szücs und Endler (1) ausgeführten Untersuchungen eine große Rolle zu spielen. Bei der physikalisch-chemischen Prüfung der Frage, welche Vor- gänge bei der Aufnahme von Giften in die Zelle hauptsächlich in Be- tracht kommen, hat man besonders die Verteilung des Giftstoffes nach dem Löslichkeitsverhältnis in Außenmedium und. Zellmedien, und die Adsorption durch die Zellsubstanzen einer genaueren Untersuchung unter- zogen. H. Meyer und seine Schüler (2) haben zuerst darauf aufmerk- sam gemacht, wie stark die narkotischen Effekte von Alkoholen usw. mit der Größe des Teilungsquotienten oder des Verhältnisses der Lös- lichkeit des Narkoticums in Öl und Wasser koincidiert, und es wurde bekanntlich darauf eine Theorie der Narkose aufgebaut, welche die An- sammlung der Narkotica im lipoidreichen Zentralnervensystem zur Grund- lage hat. Andererseits war man bereits durch die enorme Giftigkeit von äußerst verdünnten Metall- und Farbstofflösungen auf lebende Zellen (Nägelis oligodynamische Erscheinungen, Giftwirkungen destillierten Wassers durch Cu-Spuren) auf die Bedeutung von Speicherung von Gift- stoffen durch Adsorption hingelenkt worden. Es gelingt auch in der Tat durch Znsatz wirksamer Adsorbentien (Seesand) die Wirkung von Cu herabzusetzen (3) und Eiweiß-Gegenwart vermindert nach Borut- TAü(4) erheblich die Giftwirkung von Arsentrichlorid. Allgemein ist die Wirkung von Giften eine Funktion von Konzentration und Zeit; sehr verdünnte Lösungen gestatten häufig in sehr langer Zeit den letalen Effekt herbeizuführen, ebenso wie konzentriertere in kurzer Zeit. Dabei nimmt bei zunehmender Konzentration die Giftwirkung stark verdünnter Lösungen in exponentiellem Verhältnisse zu. Gerade dieses Verhalten ist aber für Adsorptionskurven charakteristisch. Wo. Ostwald (5) hat es zuerst versucht, eine einfache Adsorptionsformel der Form a = k-c'" auf die Giftwirkungen anzuwenden. Setzt man den reziproken Wert der Lebensdauer t der Zellen, oder die Giftwirkung gleich a, die Konzen- tration einer giftigen Salzlösung gleich c, so stimmt die Gleichung — = k • c"" in ihrer logarithmierten Form log t + m log c = log k sehr gut mit den aus dem Versuchsmaterial gewonnenen graphischen Dar- stellungen überein. Man erhält den geradlinigen Verlauf in beiden Fällen. Wenn auch eine dem Adsorptionsgesetz ähnliche Beziehung das äußere Bild des Vorganges beherrschen sollte, so ist natürlich damit noch immer nicht eine tiefere Einsicht in den Prozeß gewonnen. Ost- wald (6) hat sich denn auch später veranlaßt gesehen für die Wirkung 1 k subnormaler Salzlösungen die Formel -—==—- aufzustellen, während die Gleichung 7p = k (c — n)™ die Wirkung von Salzüberschüssen illustrieren soll; n wäre die in den Geweben normalerweise adsorbierte Salzmenge. Übrigens haben sich Harriet Chick(7) bezüglich des Absterbens von Bacterien in Desinfektionsmitteln, Blackman und Miss N. Darwin (8) 1) J. Endler, Biochem. Ztsch., 42, 440; 45, 359 (1912). -- 2) H. H. Mkyer, Arch. exp. Path. Pharm., 46, 338 (1901). — 3) R. Fitch. Ann. mycol., 4, 313 (1906). — 4) H. BoRUTTAU, Biochem. Ztsch., 43, 418 (1912). — 5) Wo. Ostwald, Pflüg. Arch., 120, 19 (1907). — 6) Wo. Ostwald u. A. Dernoscheck, Koll. Ztsch., ö, 297 (1910). — 7) Harriet Chiok, Journ. of Hyg. (Jan. 1908). - 8) Blackmax, British Association (Sept. 1908). j^52 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. für die Wirkungen auf höhere Pflanzen, Harvey(I) für die Giftwirkungen auf Chlamydomonas gleichfalls für die Parallele mit Adsorptionsisothermen ausgesprochen, und ebenso Herzog (2) hinsichtlich der Giftwirkungen auf Hefe. Identisch mit dieser Auffassung ist auch die Darlegung von Paul, Birstein und Reuss (3) über die Desinfektionswirkung von Säuren auf Bacterien. Diese Autoren formulieren ihr Resultat dahin, daß „die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante K, welche den Verlauf der Ab- tötung der Bacterien durch ein gelöstes Desinfektionsmittel zum Aus- druck bringt, nicht direkt proportional der Konzentration dieses Stoffes sei, sondern einer konstanten Potenz der Konzentration". Den Ex- ponenten dieser Potenz bezeichnen sie als „Konzentrationsexponent'*. Ohne Zweifel wird man die Bedeutung der Adsorptionsvorgänge für die Wirkung chemischer Reizstoffe auch für den oft konstatierten Einfluß der Temperatur auf Vergiftungseffekte im Auge behalten müssen. Dieser Gesichtspunkt ist bisher nur in der Arbeit von Madsen und Nyman(4) über die Wirkung von Desinfektionsmitteln auf Milzbrand- sporen zur Geltung gebracht worden. Mit Hilfe der Formel von Ar- rhenius für Reaktionsbeschleunigungen durch die Temperatur wird die (jleichung — i = ^ t"t^ aufgestellt, worin der Exponent R = 2 gesetzt werden kann. Temperaturerhöhung steigert sehr allgemein die Gift- wirkungen (5), und man kann z. B. die Chloroformnarkose unter An- wendung von Temperaturen nahe an Null derart abschwächen, daß schädliche Nachwirkungen nicht auftreten (6). Zahlreiche Angaben über die Steigerung der Giftwirkung durch höhere Temperaturen hat in neuerer Zeit Zehl (7) geliefert. Nach Brooks (8) kommt es bei Schimmel- pilzen vor, daß in der Nähe des Wachstumsoptimums die Giftwirkung am geringsten erscheint. Versuche von Krehan im Prager Laboratorium lassen für die Blausäure vermuten, daß sehr verdünnte Lösungen bei niederer Temperatur stärkere Effekte äußern als bei höheren Tempe- raturen. Der kolloidale Zustand von Giftlösungen scheint nach Hausmann (9) keine besondere Einflußnahme auf den Effekt zu entfalten. Das kol- loidale Colchicin wirkt bei erhöhter Temperatur bedeutend stärker. Das verschiedene Verhalten lebender Zellen gegen chemische Reiz- stoffe bei verschiedener Temperatur führt uns bereits in das Gebiet jener komplizierten Erscheinungsgruppe, die man als „Resistenz gegen Gifte" bezeichnet. Fraglos spielen kolloidale Zustandsänderungen (Ko- agulation) auf dem Gebiete der Giftwirkung eine große Rolle, und wir dürfen voraussetzen, daß jene Faktoren, welche Koagulationen er- schweren, auch die Resistenz gegen Gifte erhöhen. Dies ist, wie die Untersuchungen von Kürzw^elly(IO) gezeigt haben, bezüglich der Wasser- armut der Organe augenscheinlich richtig, denn in exsiccatortrockenem 1) H. W. Harvey, Ann. of Botan., 23, 181 (1909). — 2) R. O. Herzog u. R. Bretzel, Ztsch. physiol. Cham., ;-#, '^21 (1911). — 3) Th. Paul, G. Birstein u. A. Reuss, Biochem. Ztsch., 29, 202 (19)0). Vgl. auch H. Bechhold, Koll. Ztsch., 5, 22 (1909). Eine andere Auffassung vertritt H. Reichenbach, Ztsch. Hyg., 6g, 171 (1911). — 4) Th. Madsen u. M. Nyman, Ztsch. Hyg., 57, 388 (1907). — 5) W. Korentschewsky, Arch. exp. Path., 4g, 7 (1903). — 6) F. Czapek, Jahrb. wiss. Botan., 27, 211 (1895). — 7) B. Zehl, Ztsch. allgem. Physiol., 8, 140 (1908). — 8) C. H. Brooks, Botan. Gaz., 42, 359 (1906). — 9) W. Hausmann u. W. KoLMER, Biochem. Ztsch., 3, 502 (1907). — 10) W. Kurzwelly, Jahrb. wiss. Botan., j*, 291 (1902). § 1. Einleitung. 153 Zustande lassen sieb Samen, Pilzconidien, Bacterien mit verschiedenen, sonst rasch tödlichen Giften, lange Zeit ohne Schaden behandeln. Dabei wird die Wirksamkeit dampfförmiger Agentien jedoch weniger herab- gesetzt als die Wirkung flüssiger Giftstoffe. Der relativ geringe Einfluß des absoluten Äthylalkohols erklärt sich aus der stark wasserentziehen- den Wirkung dieses Agens: Exsiccatortrockene Hefezellen kann man stundenlang in absolutem Alkohol kochen und sie nehmen, in W^asser gebracht, ihre normale Form wieder an. Trockene Aspergillusconidien wurden ohne Schaden ein Jahr in flüssigem Chloroform aufbewahrt und Phycomycessporen behielten ihre Keimfähigkeit in absolutem Alkohol sogar länger als bei lufttrockener Aufbewahrung. Hier ist allerdings in sämtlichen Fällen das Plasma in einen Starrezustand übergetreten, welcher die Lebensfunktionen auf ein minimales Maß herabgedrückt hat. Man kann aber durch langsame Steigerung des osmotischen Wertes im um- gebenden Milieu, wie wir noch hören werden, auch bei wachsenden Zellen mitunter die Wasserentziehung sehr weit treiben. Leider sind Versucho über Giftresistenz an derartigem, z. B. an konzentrierte Mineral- salzlösungen akkommodiertem Material bisher nicht angestellt worden. W^enn solche Wirkungen auf die Widerstandskraft gegen Gifte ganz gene- relle genannt werden müssen, so gibt es andererseits auch sehr spezifi- zierte Resistenz gegen Gifte. Schon bei den Schwermetallen erfahren wir, wie Clark (1) zeigte, von solchen Differenzen, so daß Silber für den einen Schimmelpilz (Oedocephalum), Quecksilber für den anderen (Asper- gillus) giftiger wirkt. Besonders für das Kupfer ergaben sich merk- würdige Unterschiede, die so weit gingen, daß Pulst (2) Penicillium noch in 21%igem CuSO^ züchten konnte. Für Oxalsäure und Alkohol hat Verschaffelt (3) die Fragen der spezifischen Giftresistenz erläutert. Da es sich sehr allgemein erreichen läßt, daß sich ein Organismus an bestimmte sonst letale Giftdosen durch allmähliche Steigerung der wiederholt dargereichten Mengen gewöhnt oder anpaßt, so kann von einer scharfen Abgrenzung der Begriffe ,.Gift- resistenz" und „Gewöhnung an Gifte" nicht die Rede sein. Die Resi- stenz ist vielmehr veränderlich und kann durch Darreichung der Stoffe auf experimentellem Wege auch künstlich erzielt werden. Die Gewöhnung an Gifte hat eine reiche Literatur auf tier- und pflanzenphysiologischem Gebiete (4). Selten handelt es sich um Erscheinungen, welche sich über das Individualleben hinaus auf eine Reihe von Generationen erstrecken. Man kann an farbstoffbildenden Bacterien, welche ihre Pigmentbildung anfangs unter der Wirkung der Gifte einbüßen, die zunehmende Ge- wöhnung an dem Wiedererscheinen des Farbstoffes bequem verfolgen. Mikroben wurden an eine ganze Reihe von Giften akklimatisiert; diese künstlich erzielte Resistenz bezieht sich jedoch nur auf einen einzelnen bestimmten Gif tstoff (5) und erlischt einige Zeit nach der Überimpfung 1) J. F. Clark, Botan. Gaz., 28, 289 (1899); Journ. Physic. Chem., 3, 263 (1899). — 2) C. Pulst, Jahrb. wiss. Botan., 37, 205 (1902). — 3) E. Verschaffelt, Ann. Jard. Botan. Buitenzorg (2), Suppl. j, 531 (1909). Von weitergehendem In- teresse ist die Giftfestigkeit vieler Tiere gegen Atropin. Bein) Mensöhen zeigt sich die gleiche Resistenz bei Erkrankung an Morbus Ba.sedowii. P. Fleischmann, Ztsch. klin. Med., 73, HI/IV (1912). — 4) W. Hausmann, Ergebn. d. Physiol, 6, 58 (1907). W. Benecke, Lafars Handb. d. techn. Mykologie, /, 482 (1907). Mor- genroth, Zentr. Physiol. (1912), p. 730. — 5) P. W. Butjagin, Zentr. Bakt. II, 27, 217 (1910). H. Neuhaüs, Arch. int. pharniacodyn. (1910;, p. 393. L. Masson, Compt. rend., 150, 189 (1910). 254 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. auf giftfreie normale Nährböden. Nach Regenstein (1) läßt sich die Giftigkeitsgrenze für Phenol bei Staphylocokken auf den 1,7 fachen Be- trag, für Sublimat auf den 1,3 fachen Betrag erhöhen; bei Bact. coli wurde für Sublimat der 1,6 fache Betrag erreicht. Pulst hatte auch bei Schimmelpilzen Erfolg bei seinen Versuchen giftfeste Stämme zu züchten. Doch sind derartige Resultate, wie die widersprechenden Er- fahrungen von Paul und Krönig (2) einerseits und Butjagin anderer- seits beweisen, nur bei bestimmten Arten zu erhalten und nicht allgemein erzielbar. Worauf im einzelnen die Giftfestigkeit beruht, ist Aufgabe spezieller Untersuchungen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in be- stimmten Fällen unter dem Einflüsse des Giftes die Plasmahaut Ände- rungen ihrer Permeabilität erfährt, wie es Pulst aus seinen Versuchen über Kupferdarreichung an Penicillium schloß, weil er im Innern der Zellen kein Cu nachweisen konnte. Man wird diesen Ausführungen entnehmen können, daß der von O. LOEW (3) aufgestellte Begriff ,,verscnieden resistentes Protoplasma" sich in vielen Fällen näher analysieren läßt, und daß viele Faktoren am Zustandekommen der Giftresistenz beteiligt sein müssen. Selbstverständ- lich kann auch nach der Art der Apphkation die Wirkung eines Giftstoffes bedeutend verschieden ausfallen. So sollen nach Barber (4) in der Tat Gifte, wie Hg, Cu-Salze, Chinin, Strychnin, in die Zellhöhlung von Nitella, injiziert, relativ schwache Effekte auf das Plasma äußern, während HgCl^, OSO4, Chloroform sehr intensiv wirkten. Der Chemiker kann natürlich von seinem Standpunkte aus die Giftwirkungen nach chemischen Prinzipien klassifizieren, und wir können so mit O. LoEW(5) von kataly tischen, von durch Salzbildung und durch Substitution wirkenden Giften reden. Damit ist jedoch nur der durch den direkten chemischen Eingriff bedingte Vorgangskomplex näher charak- terisiert, welcher wohl gegebenenfalls an sich den Tod herbeiführen kann, aber nicht direkt töten muß. Die wichtigsten Wirkungen der Gifte dürften wohl verschiedenartige Eiweißfällungen und Koagulationen, sowie Beeinflussung der Oxydationsvorgänge in der Zelle sein (6). Der Tod der Zelle kann jedoch ebensogut erst durch sekundäre Wirkungen ein- treten. Da wir es fast immer mit einem komplizierten Spiele von Wechselwirkungen zu tun haben, wenn sich toxische Einflüsse in der Zelle entfalten, so erscheint es berechtigt, auch die Giftwirkungen in ihrer Gesamtheit als chemische Reizaktionen zu betrachten, bei denen der Effekt nicht nur von dem Stoff und seiner Quantität, sondern eben- sosehr von der affizierten Zelle abhängt. Die Toxikologie ist für das Gesamtgebiet der Biochemie äußerst fruchtbar und lehrreich, da sich im normalen Leben der Zelle zahllose Vorgänge abspielen, welche als chemische Reizprozesse viele Ähnlich- keiten mit den im Experiment künstlich erzielten Erscheinungen haben. Auch im normalen Leben der Zelle dürfte es oft nötig sein, durch passende Einrichtungen, selbstregulatorische Vorgänge, Giftwirkungen 1) H. Regenstein, Zentr. Bakt. I, 63, 281 (1912). — 2) Th. Paul u. B. Krönig, Ztsch. physik. Chem., 21, 414 (1896); Ztsch. Hyg., 25, 1 (1897). — 3) O. LoEW, Pflüg. Arch., 35, 509 (1885). — 4) M. A. Barber, Journ. Infect. Diseas., 9, 117 (1911). — 5) O. Loew, Natürl. System d. Giftwirk. (1887); Pflüg. Arch., 40, 438 (1887). — 6) Vgl. dazu O. Warburg u. R. Wiesel, Pflüg. Arch., 144, 465 (1912). § 2. Chemische Reizerfolge bei der Alkoholgärung. 155 auszuschalten, und wenn toxische Phenole, Terpene in impermeable Vacuolenhäute eingeschlossen werden, damit sie das Protoplasma nicht schädigen, so setzt dies sehr komplizierte Tätigkeiten voraus. Unter Umständen werden aber kleine Mengen toxisch wirkender Stoffe auch im normalen Leben als Stimulantia verwendet werden, welche gewisse Funktionen quantitativ beeinflussen können. Es erscheint bei Beachtung dieser Verhältnisse daher kaum empfehlenswert, mit Reinitzer(I) die toxisch wirkenden Stoffwechselprodukte als „Ermüdungsstoffe" zu be- zeichnen, und ihnen nur die eine Rolle zuzuschreiben, die Lebenstätig- keit des Plasmas der sie erzeugenden Zellen zu hemmen und zu lähmen. Im Gegensatze zu dieser Auffassung muß die Zelle als ein bis zum äußersten selbstregulatorisch wirksamer Organismus gelten. Näher auf das Thema der Giftwirkungen einzugehen, ist hier nicht beabsichtigt, zumal Pfeffer (2) eine treffliche Darstellung der prin- zipiellen Momente der Giftlehre gegeben hat. In viel weniger engem Konnex mit den bisher ausgebildeten Methoden und Problemen der Biochemie stehen die übrigen chemischen Reizwirkungen, welche in neuerer Zeit aufgedeckt worden sind, die chemischen Richtungsreize und formativen Reize. Teilweise, wie beä den Gallenbildungen, welche auf katalytisch wirkende Stoffe zu beziehen sind, welche mit dem Ablegen des Gallinsekteneies in die pflanzlichen Gewebe eingeführt werden, kennen wir nicht einmal die den Reizerfolg auslösende Substanz. Eingehendere Darlegungen über die Prinzipien der Forschung auf dem Gebiete der chemischen Reizphysiologie zu geben, würde vom Zweck des Buches, die Anwendung chemischer Methoden zur Aufhellung physiologischer_ Probleme vorzuführen, viel zu weit ab- lenken. In der vorliegenden Übersicht empfiehlt es sich, bei dem der- zeitigen Stande der Wissenschaft höchstens eine Scheidung in qualitative Reizerfolge, d. h. solche, welche in dem Auftreten neuer Qualitäten, Funktionen, Gestaltformationen gipfeln, und in quantitative Erfolge, d. h. Steigerungen und Lähmungen fortlaufender Funktionen, vorzunehmen. Diese Trennung ist rein äußerlich und bezweckt keine Sonderung tief- greifend differenter physiologischer Vorgänge. Sie gestattet es aber, den Einfluß chemischer Faktoren auf die Tätigkeiten der lebenden Pflanze übersichtlich vorzuführen. § 2. Chemische Reizerfolge bei der Alkoholgärung. Untersuchungen über die Wirkungen verschiedener Substanzen, besonders verschiedener Antiseptika und Gifte auf die Alkoholhefen, liegen schon aus älterer Zeit vor, und bereits Schwann versuchte die Wirkung von Strychninsalzen auf gärende Hefe. Doch wurde bis auf die neuere Zeit, z. B. in der 1879 erschienenen umfassenden Arbeit von Werneke(3) nur die letale Dosis der Antiseptica festgestellt, an- dererseits die Wirkung auf Alkoholgärung, Vermehrungsenergie der Hefe- zellen ungenügend gesondert. Nachdem Heinzelmann (4) eine stimu- lierende Wirkung kleiner Salicylsäurequantitäten auf die Gärkraft der 1) F. Reinitzeb, Ber. Botan, Ges., //, 531 (1893). — 2) W. Pfeffer, Pflanzen- physiologie, 2. Aufl., //, 332 (1901), und die daselbst zitierten Handbücher der Toxi- kologie. — 3) W. Werneke, Just botan. Jahresber. (1879), /, 537; Diss. v. Dorpat. — 4) G. Heinzelmann, Ztsch. Spiritusindustrie (1882), p. 458. j^g Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungeu. Hefe, Marcacci(I) analoge Wirkungen durch sehr kleine Alkaloidgaben festgestellt hatte, konnte 1888 H. Schultz (2) feststellen, daß es eine sehr allgemeine Wirkung toxischer Substanzen ist, in sehr kleinen Dosen die Gärtätigkeit zu erhöhen. Schultz ließ die mit den Zusätzen ver- sehenen Proben bei 21" in geschlossenen Gefäßen keimen und maß den Druck der entwickelten COj. So erzeugte HgClg in einer Kon- zentration von 1:500000 deutliche Erhöhung der Gärtätigkeit, welche nach 3 Stunden etwa auf die normale Höhe zurückkehrte. Jod übte die steigernde Wirkung in Konzentrationen 1:600000 aus, ebenso JK 1:100000, Brom 1:300000. arsenige Säure 1:40000, Chromsäure 1:3000 bis 20000, Natriumsalicylat 1:4000, Ameisensäure 1:10000. Eine Wirkung des Salzgehaltes des Wassers wurde mehrfach beobachtet [Hayduck, Saare(3)], so daß nicht nur Giften eine stimulierende Wir- kung auf die Gäiung zuzuschreiben ist. Die Versuche von Schultz waren noch mehrdeutig in bezug auf die Natur des Reizerfolges und entschieden nicht näher über den Anteil der Vermehrungsenergie und der Gärtätigkeit. Die Gärtätigkeit ohne Zunahme der Zellvermehrung zu steigern vermag aber in erster Linie eine vermehrte Zymaseproduktion. Daß die chemischen Reizmittel die Zymaseproduktion steigern, wird durch die Erfahrungen von Effront(4) über die Wirkung der Fluoride auf Alkoholhefen wahischeinlich gemacht. Denn es schwächen verdünnte Fluoridlösungen mit steigender Konzentration immer mehr die Ver- mehrungsintensität der Hefe. Ein Gehalt von 0,3 g NaFl in 100 ccm Würze hebt die Sprossung der Hefe ganz auf, ohne noch die Alkohol- produktion zu hemmen. Auch ist es böachtenswert, daß sehr viele der als Stimulantia erkannten Stoffe die katalytische Wirkung kolloidaler Platinlösungen hemmen, und wahrscheinlich in erster Linie als Enzym- gifte oder Enzymparalysatoren wirken, und man hätte anzunehmen, daß die Hefezelle auf die Paralysierung ihrer Zymase mit einer Mehrproduktion von Enzym im selbstregulatorischen Wege antwortet. Analoge Erschei- nungen bietet ja auch die von Katz(5) festgestellte Mehrproduktion von Diastase bei Aspergillus, welche eintritt, sobald man durch Tanninzusatz einen Teil des Enzyms dauernd in feste Bindung bringt. Biernacki(6) bestätigte die stimulierende Wirkung kleiner Gaben von Hefegiften voll- ständig und fand, daß die organischen Stoffe hierbei besonders prägnante Resultate geben. Die kritischen Werte für die einzelnen auf Hefe wirksamen Reiz- und Giftstoffe wurden in neuerer Zeit in einer Anzahl experimenteller und zusammenfassender Arbeiten ermittelt, von denen hier nur die Ar- beiten von Wkhmer (7), Will (8) und Bokorny (9) angeführt seien ; bei Wehmer finden sich auch Hemmung der Gärwirkung und Hemmung der Sprossungsenergie sorgfältig auseinandergehalten; der Hemmungs- wert hängt natürlich auch von dem Verhältnis der ausgesäten Zellen- zahl zum Volumen des Nährsubstrates ab, weswegen mit Kulturen von 1) A. Marcacci, Chem. Zentr. (1887), p. 248. — 2) H. Schultz, Pflüg Arch., 42, 517 (1888). — 3) Saare, Woch.schr. f. Brauerei (1885), p. 367. — 4) J. Effront, Bull. Soc. Chim. (3), 5, 705 (1891); Ebenda, p. 476; Compt. rend., 117. 559. Vgl. auch Arthus u. A. Huber, Ebenda, 115, 839. Effront, Mon. scient. (4), /p, 1'9 (1905). — 5) J. Katz, Jahrb. wiss. Botan., 31, 613 (1898). — 6) E. Biek- NACKi, Pflüg. Arch., 49, 112 (1891). — 7) C. Wehmer. Ztsch. Spiritusindustrie, 24. Nr. 14 (1902). — 8) H. Will, Ztsch. ges. Brauweaen, 16, 150, 411 (1893). — 9) Th. Bokorny, Allg. Brauer- u. Hopfen-Ztg., 36, 1573 (1896). § 2. Chemische Reizerfolge bei der Alkoholgäning. 157 gleicher Zellenzahl gearbeitet werden muß, wenn man streng vergleich- bare Resultate erhalten will. Von den einzelnen Daten mögen hier nur wenige bemerkenswerte angeführt werden, und im übrigen muß auf die zusammenfassenden Dar- stellungen in der Literatur (1) verwiesen werden. Aus praktischen Gründen wurde die Wirkung von SO2 auf Hefegärung öfters untersucht und es hat sich ergeben, daß Akkhmatisation stattfinden kann (2). Arseniate und Arsenite beschleunigen die Gärung in Hefepreßsaft (3). Natriumselenit bedingt nach Korsakow (4) wohl bei Zymin Gärungsstillstand, nicht aber bei lebender Hefe. Die Schädigung der Hefegärung durch Metalle hat prak- tische Wichtigkeit für Gärbetriebe und erfuhr von Nathan (5) ein eingehen- des Studium. CUSO4 wurde besonders häufig untersucht [Krüger (6)]. Schon BiERNACKi (7) fand, daß CUSO4 von Verdünnungen zu 1 : 600 000 an stimulierend wirkt, bis zu Konzentrationen von 1 : 4000. Höhere Kon- zentrationen verzögern und hemmen die Gärtätigkeit (8). Nach Kayser (9) fördern verdünnte Mangansalzlösungen Alkoholgärung deuthch. Derselbe Autor (10) studierte Stimulation und Giftwirkung der Uran Verbindungen auf die Alkoholgärung. Die Wirkung freier Säuren, also des Wasserstoff- ions, ist ziemlich intensiv, soweit die Gärung in Betracht kommt. Das Wachstum und die Lebensfähigkeit der Hefe wird erst durch ^/g bis '^'/lo Mineralsäure gehemmt. Die Alkoholgärung sah Kuhn (11) schon durch 0,02%ige HCl unterdrückt. Nach Rosenblatt (12) wird die Hemmungs- grenze von Säure bei Gegenwart von 10—12 % Rohrzucker stark nach oben verschoben, so daß erst konzentriertere Säuren hemmen. Verschiedene organische Säuren wurden von Lafar(13) und von Meissner (14) geprüft. Der erstgenannte Forscher fand von 15 Heferassen in 0,8yoiger Essigsäure alle wirksam, in 0,9%iger Essigsäure alle bis auf eine, in l%iger Säure aber nur noch drei gärtätig. Sehr wertvolle Belege dafür, daß die Säuren die alkohoHsche Gärung parallel ihrem Dissoziationsgrad beeinflussen, hat BiAL (15) gehefert. Zusatz eines Neutralsalzes mit demselben Anion (NaCl bei HCl-Darreichung) setzt die physiologische Wirkung der Säure ebenso herab, wie die H' Konzentration nach der lonentheorie herabgedrückt sein muß. Kieselfluorwasserstoffsäure und Ameisensäure sind zusammen nach Jacquemin (16) stärker wirksam als jede Säure für sich allein. Regnard (17) hat die Wirkung der einwertigen Alkohole auf die Hefe- gärung verghchen und das Gesetz von Rabuteau von der Zunahme der Toxicität der Alkohole mit dem Molekulargewicht bestätigt gefunden. Der kritische Wert wurde unter den angewendeten Bedingungen gefunden für 1) Besonders F. Lafar, Handb. d. techn. Mvkol., IV, 126 (1907). — Z\ P. Martinaud, Compt. rend., 140, 4G5 (1909). E. Po'zzi Escox, Chem. Zentr. (lÖlO), /, 1276. K. Kroemer, Laiidw. Jahrb., Erg.-Bd. / zu 43, 170 (1912), fand Wein- hefen gegen SO.^ resistenter als Apiculatnshefe und Torula. — 3) A. Harden u. W. J. YouNG, Proceed. Roy. Soc. B,, 83, 451 (1911). — 4) M. Korsakow, Ber. Botan. Ges., 28, 334 (1910). — 5) L. Nathan, Zentr. Bakt. II, /5, 349 (1905); 16, 482 (1906). — 6) F. Krüger, Ebenda, II, /. 10 (1895). — 7) E. Biernacki, Pflüg. Arch., 49, 112 (1891). — 8) PiCHi u. Rommier, Compt. rend., /02, 536 (1890); //o, 536. — 9) E. Kayser u. H. Marchand, Compt. rend., 745, 343 (1907). — 10) E. Kayser, Ebenda, 155, 246 (1912). — 11) F. Kuhn, Ztsch. klin. Med., 21, V/VI (1892). — 12) Rosenblatt, Compt. rend., 149, 309 (1909); 150, 1363 (1910). — 13) Lafar, Landw. Jahrb. (1895), p. 445. — 14) R. Meissner, Koch Jahresber. Gärungsorg. (1897), p. 102. — 15) M. Bial, Ztsch. physik. Chem., 40, 513 (1903). — 16) G. Jacquemin, Ztsch. Spiritusindustr., 28, 451 (1905). — 17) Regnard. C. r. Soc. Biol., 41, 171. jgg Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Methylalkohol bei 20 % Amylalkohol bei 1 % Äthylalkohol „ 15 % Capronylalkohol .... „0,2 % Propylalkohol „ 10 % Caprinylalkohol .... „0,1 % Butylalkohol „2,5 % Diese Werte sind verschieden von den Zelltötungswerten der Alkohole für Hefe, worauf weiter unten einzugehen sein wird. ROSENSTIEHL (1) heferte Angaben über die Wirkung von Tannin und Teerfarbstoffen auf die Aktivität von Hefe. Über die Wirkungen eines im Weizenmehl enthaltenen Eiweißstoffes berichtete Hayduck (2). Kolo- phonium wendete Effront (3) als Reizmittel für Alkoholgärung an. Saponin- wirkungen studierte Lundberg (4). Auf die intramolekulare Atmung höherer Pflanzen beziehen sich die Versuche von MoRKOWiN (5), welche gezeigt haben, daß durch Chinin, Morphin oder Äther deutüche Reizwirkungen auf die COg-Produktion bei Og-Ausschluß als Steigerung der abgegebenen COg-Menge hervortreten. Die übrigen Gärungen haben hinsichthch ilirer Beeinflussung durch Wirkungen chemischer Art weit weniger Beachtung gefunden. Richet (6) fand für die Milchsäuregärung, daß sie durch den Zusatz von 1 mg HgClg oder CUSO4 pro Liter Nährlösung verlangsamt wird. Aber auch die giftigsten Salze erzeugen in sehr kleinen Konzentrationen Beschleunigung der Gärung. Die stimuherend wirkenden Werte lagen bei CUSO4 und HgClg bei 0,5 mg, AUCI4 und PtCl4 5,0 mg, FeClg 500 mg, MgClg 20,00 g pro Liter. Die stimulierende und verzögernde Wirkung bilden eine Indifferenzzone bei 2,5 mg CUSO4 oder HgClg pro Liter. Cadmium war viel giftiger als Zink (1 : 100), ebenso Kobalt und Nickel 100 mal so wirksam wie Fe und Mn. Interessant ist es, daß die allerkleinsten angewendeten Dosen von Metallsalzen wiederum hemmend und nicht stimulierend Einfluß nehmen. Durch Zusatz von chloressigsaurem Natron zu Colikulturen ge- lingt es die Milchsäurebildung stark zu vermehren (7). § 3. Chemische Reizerfolge auf die Sauerstoff attnung. Auch die Sauerstoffatmung höherer Pflanzen berühren zahlreiche stimulierende und retardierende chemische Reizeffekte. Allerdings sind •wir derzeit für keinen einzigen Fall im klaren, wo der Angriffs- punkt des Reizes zu suchen ist. Bei dem heutigen Stande der For- schung darf man aber schon die Frage stellen, ob es sich um eine Wirkung auf enzymatische Sauerstoff Überträger (Oxydasen) oder um eine quantitative Änderung in der Produktion von Enzym, oxydabler Sub- stanz oder um Wirkungen sekundärer Art handelt, und es wäre wohl möglich, im speziellen Falle Entscheidungen hierin zu treffen. Wie in manchen anderen Gebieten der Stoffwechselphysiologie, so ist auch hier die Toxikologie ein wertvolles Mittel, um die einzelnen Stadien des 1) A. RosENSTiEHL, Compt. rend. (12. Januar 1902). — 2) Fr. Hayduck, Woch.schr. f. Brauerei 24, 673 (1907); 26, 177 (1909). M. Delbrück, Chem. Zentr. (1907), /, 1444. — 3) J. Effront, Mon. scient. (4), /p, II, 721 (1905). — 4) J. Lundberg, Arkiv f. Kerai, 4, Nr. 32 (1912). — 5) N. Morkowin, Ber. Botan. Ges., 21, 72 (1903). — 6) Ch. Richet, Compt. rend., 114, 1494 (1892); Soc. Biol., 60, 455 (1906); Biochem. Ztsch., //, 273 (1908). — 7) Harden u. Penfold, Proceed. Roy. Soc, 85. B., 415 (1912). § 3. Chemische Reizerfolge auf die Sauerstoffatmung. X59 Prozesses gesondert experimentell beeinflussen zu können, und auf diesem Wege eine bessere Analyse des Vorganges zu gewinnen. Daß Eisen- und Mangansalze auf die Atmung von Aspergillus niger einen stimulierenden Einfluß ausüben, hat Kosinski(1) gezeigt. 0,0012 bis 0,0616 % FeClg, ZnS04 in der gleichen Menge, ebenso 0,05 % Mangan- chlorid steigern die Atmung um 33 %. Weniger intensiv wirken Alkaloide: 0,2 % Cocain und 0,02 % Strychninnitrat. Einer der erstbekannt gewordenen Fälle chemischer Reizerfolge auf Sauerstoffatmung war die Beobachtung von A. Mayer (2), daß schon 0,25 % Blausäure die Atmung höherer Pflanzen völlig hemmt; nach Entfernung des Giftes stellt sich die Atmungstätigkeit in gewissem Maße wieder her. ScHR0EDEK(3) fand für die Atmung von Aspergillus, daß hierbei nur die COg-Produktion sistiert wird, während die Sauerstoffaufnahme fortdauert. Für Chloroform hatte Detmer(4) nur eine retardierende Wirkung auf die Sauerstoffatmung gefunden. Doch unterliegt es nach den Arbeiten von Elfving (5), Lauren (6) und Irving (7) keinem Zweifel, daß Steigerung der Atmungstätigkeit durch Ätherisierung und Chloroformnarkose weit verbreitet zu beobachten ist. Bei Erhöhung der Ätherdosis tritt allerdings eine Verminderung der Atmungsintensität ein, was wahrscheinhch die Ursache davon war, daß Bonnier und Mangin (8) keine Änderung der Sauerstoff- atmung in Narkose beobaehtet hatten. Johannsen (9) fand in allen Fällen, wo nicht schädliche Dosen zur Verabreichung gekommen waren, als Nach- wirkung der Ätherisierung von Keimpflanzen eine starke Vermehrung der Kohlensäureproduktion. Joden (10) konstatierte ferner, daß Laubblätter nach vorsichtiger Ver- abreichung von Quecksilberdampf eine gesteigerte Sauerstoffatmung auf- wiesen. J ACORI (11) konnte die Kohlensäureproduktion von Elodea durch verschiedene chemische Reizmittel steigern. Wirksam waren 0,01% Chinin - salz, Antipyrin, Schilddrüse, Jod. Erbsenkeimhnge zeigten außerdem eine Stimuüerung der Atmung durch 0,67 % Oxalsäure und 0,3% Kupfersulfat. In allen diesen Fällen wurde nur die COg- Produktion kontrolhert, und es bleibt einstweilen noch unbekannt, ob auch der Sauerstoff konsum eine ent- sprechende Steigerung aufweist. Eine geringe Stimulierung der Sauerstoff - atmung scheint nach den Versuchen von Morkowin (12) auch durch viele Pflanzenalkaloide möghch zu sein. Schon in den älteren Beobachtungen von Kellner(1 3), welche allerdings ohne Rücksicht auf die Atmung der an den Samen angesiedelten Bacterien angestellt waren, ergab es sich, daß bei keimenden Erbsen, die mit Salpeter- lösung befeuchtet waren, die COj-Produktion kräftiger war, als bei Keimung in reinem Wasser. Nach Jacobi übt nun in der Tat 0,5% KNOg einen stimuherenden Effekt auf die Atmung von Pisum aus. Auch Chlornatrium wirkt analog, weniger Kahumchlorid. Vielleicht summieren sich beim Kaü- 1) I. KosiNSKi, Jahrb. wiss. Botan., 37, 159 (1902). — 2) A. Mayer, Landw. Veriiuchsstat. (1879), p. 335. — 3) H. Schroeder, Jahrb. wiss. Botan., 44, 409 (1907). — 4) W. Detmer, Landw. Jahrb., //, 213 (1882). — 5) Elfving, Oefv. af Finsk. Vet. See, Forhandl. 28, (1886). — 6) W. Lauren, Diss. (Helsingfors 1891); Just botan. Jahreeber. (1892), /, 92. — 7) A. Irving, Ann. of Botany, 25. 1077 (1912). — 8) Bonnier u. Mangin, Ann. Sei. Nat. (7), j, 16 (1886). — 9) W. Johannsen, Just botan. Jahresber. (1897), /, 143. — 10) V. Joden, Journ. Pharm. etChim. (5), /j, 309 (1887). —11) B. Jacobi, Flora (1899), p. 289. — 12) N. Mor- kowin, Rev. g^n. botan., 8, III (1901). — 13) O. Kellner, Landw. Versuchsstat., /7, 423 (1874). IßQ Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Salpeter die Förderung des Stoffwechsels durch N-Versorgung und die direkte Wirkung auf die Atmung; beim NaCl kommt wohl nur die letztere Wirkung in Betracht. ^ 4. Chemische Reizerfolge auf die Kohlensäureassitnilation. Bisher ist es wohl durch verschiedene Agentien möglich gewesen, die Kohlensäureassimilation herabzusetzen und zu hemmen, jedoch erst in seltenen Fällen gelungen, diese Tätigkeit durch chemische Reize vorüber- gehend zu steigern. Wahrscheinlich werden abei- auch noch solche Reiz- effekte oft gefunden werden. Eine Herabsetzung der Kohlensäureassimilation im Chlorophyll- apparat ist in außerordentlich differenter Weise möglich, und mitunter kommen Effekte durch chemische Reizwirkung in ganz indirekter Weise zustande, ohne oder neben direkter Beeinflussung des assimilatorischen Apparates im Chlorophyllkorn. So findet wohl Herabdrückung der Assimilationstätigkeil, wie Jacobis Vei'suche gezeigt haben, durch Ein- wirkung von Neutralsalzen (0,5 7o KNO3, NaCl, KCl) statt (Eiodea); (loch ist die Herabsetzung der Kohlensäureassimilation durch Salzdar- reichung bei Landpflanzen, wie sie Schimper, Stange, Lesage(I) kon- statiert haben, keine einfache Erscheinung; hier wirkt der Verschluß der Spaltöffnungen nach Stahls (2) Untersuchungen sehr erheblich mit. Treboux(3), welcher die Herabsetzung der Kohlensäureassimilation durch Neutralsalzlösungen bei Eiodea gleichfalls konstatierte, führt auch diesen direkten Einfluß auf osmotische Wirkungen zurück. Jacobi fand, daß ferner salzsaures Chinin, Antipyrin, Jod, Schild- drüse die Kohlensäureassimilation hemmen, ja selbst sistieren können. Nach EwART(4) hemmt CuSO^-Darreichung, Detmer(5) fand eine ener- gische Hemmung der Chlorophylltätigkeit durch verdünnte Alkalilauge. Wie Claude Bernard (6) zeigte, wird auch in der Chloroformnarkose die Kohlensäureassimilation gehemmt, was Bonnier und Mangin(7), später EwART und Treboux, bestätigten. Schwarz (8), welcher andere Befunde erhielt, dürfte wohl durch irgendeinen Umstand getäuscht worden sein. Ebenso sind die Angaben von Kegel (9), welcher eine Stimulierung durch Chloroform und Äther bei der Assimilation von Eiodea angegeben hatte, nicht bestätigt worden. Die Untersuchungen von A. Irving (10) zeigten vielmehr, daß schon so kleine Chloroform- mengen, wie sie im Dunkeln noch keinen sichtbaren Effekt zu erzeugen vermögen, bereits die Sauerstoffabgabe grüner Blätter im Lichte sistieren. Zu den hemmenden Einflüssen gehört schließlich auch zu hohe Kohlen- säurekonzentration sowie die Sauerstoffentziehung. Treboux versuchte für verschiedene Metallgifte vergebens eine Stimulierung der Kohlensäureassimilation durch sehr geringe Konzen- trationen der dargereichten Substanzen zu erzielen. Hingegen übten 1) A. F. W. Schimper, Indomalayi-sche Strandflora (1891), p. 26. Stange, Botan. Ztg. (1892), p. 394. Lesage, Conipt. Vend., 112, 672 (1891). — 2) E. Stahl, Botan. Ztg. (1894), p. 135. — 3) O. Treboux, Flora, 92, 49 (1903). — 4) Ewart, Journ. Linn. Soc, j.', 364 (1896). — 5) W. Detmer, Landw. Jahrb., //. 228. — 6) Claude Bernard, Le§ons sur les ph^n. de la vie (1878), p. 278. — 7) Bonnier u. Mangin, Ann. Sei. Nat. (7), 3 (1886). — 8) Fr Schwarz, Untersuch, botan. Inst. Tübingen, /, 102 (1881). — 9) W. Kegel, Diss. (Göttingen 1905). — 10) Annie Irving, Ann. of Botan., 25, 1077 (1911). § 5. Chemische Reizerfolge auf Protoplasmaströmung. 161 sehr verdünnte Säuren einen deutlich beschleunigenden Einfluß auf die Assimilation von Elodea aus, welcher bei den stärkeren Säuren etwa bei Vioooo Normallösung erreicht ist. Im ganzen ist das Material, welches über chemische Reizwirkungen auf die Kohlensäureassimilation vorliegt, noch viel zu dürftig und wenig systematisch behandelt Von einer sorgfältigen Bearbeitung dieses Ge- bietes dürften auch unsere Kenntnisse über den Assimilationsprozeß selbst noch erhebliche Bereicherungen erfahren. §5. Chemische Reizerfolge auf Protoplasmaströtnung. Eine größere Anzahl genauer Beobachtungen aus neuerer Zeit berechtigt uns zum Schlüsse, daß die Protoplasmaströmung in Pflanzen- zellen durch verschiedene chemische Reize in ihrer Intensität geändert werden kann, und daß es sowohl Beschleunigungen wie Lähmungen der Plasma Strömung durch chemische Reize gibt. An dem am häuflgsten geprüften Objekte, den Blättern von Elodea, konnte schon A. Mayer (1) feststellen, daß 0,2%ige Blausäure die Plasmaströmung in den Blatt- zellen sistiert und daß die Strömung nach Auswaschen der Präparate in Wasser wiederkehrt. Viel untersucht ist in der Folge namentlich der Einfluß der Narkose (Chloroform, Äther) auf die Protoplasma- strömung, und es läßt sich hier sehr leicht sicherstellen, daß bei hin- reichend starker Narkose Stillstand eintritt. Doch geht, wie Demoor(2) für Tradescantia fand, eine vorübergehende Steigerung des Strömungs- phänomens voraus. Auch wird die Verstärkung der Plasmaströmung durch schwache Chloroformwirkung durch die von J. Keller (3), Haüpt- FLEiscH(4) und JosiNG(5) gemachte Erfahrung bestätigt, daß Narkose zum Hervorrufen wahrnehmbarer Plasmaströmung ohne Wundreiz be- nutzt werden kann. Schwach narkotisierte Zellen sind viel empfindlicher gegen mannigfache Beinflussungen der Plasmaströmung: so hat nach JosiNG Verdunklung an normalen Objekten keinen Einfluß auf die Strömung, während die Lichtentziehung an narkotisierten Zellen die Piasmaströmung hemmt. Auch gegen Sauerstoffentziehung und gegen Kohlensäurewirkung sind narkotisierte Zellen empfindlicher, und sie werden durch Temperatursprünge merklich weniger beeinflußt als nor- male Zellen. Eine Beschleunigung der Plasmaströmung kann nach JosiNG aber auch durch verdünnten (1 — 6%igen) Alkohol hervorgebracht werden. Dieselbe Beobachtung wurde bereits früher durch Klemm (6) gemacht, welcher auch vom Wasserstoffperoxyd eine analoge Wirkung beschrieb. Transitorische Beschleunigungen der Plasmaströmung in Narkose beobachteten schließlich auch Farmer und Waller (7). Weitere Aufklärungen über die Wirkung der Narkotica auf die Plasma- strömung wurden durch die im Prager Institute von Helene Nothmann (8) ausgeführten Untersuchungen vermittelt. Dadurch wurde gezeigt, daß das TRAUBEsche Gesetz, welches für die V/irkung der oberflächenaktiven 1) A. Mayeb, Landw. Versuchsstat., 23, 335 (1879). — 2) J. Demoor, Arch. de Biülog., 13 (1894). — 3) J. A. Keller, Protoplancaaströraung im Pflanzenreiche (1890). — 4) Haüptfleisch, Jahrb. wiss. Botan., 24, p. 191 /1892). — 5) E. Josing, Ebenda, 36, 197 (1901). — 6) P. Klemm, Jahrb. wies. Bota.i., 28, 680 (1895). — 7) J. B. Farmer u. A. D. Waller, Bot. Zentr., 74. 377 (1898). -- 8) Hel. Noth- MANW-ZüOKERKANDL, Biochem. Ztsch., 4S, 412 (1912). CLipok, Riochemso der Pflarzeri. I. s. Au(i. -^^ jg2 Drittes Kapitel: Chemische Reiz Wirkungen. homologen Stoffe auf die lebende Plasmahaut gilt, auch auf die Narkose, d. h. die Sistierung der Strömung im Polioplasma annähernd ausgedehnt werden darf. Doch kann man nicht sagen, daß der Eintritt der Strömungs- hemmung stets an einen bestimmten Grad der Oberflächenaktivität der Lösung ohne Rücksicht auf deren chemische Natur geknüpft ist, weil offen- bar sehr heterogene Wirkungen äußerhch als „Narkose" ganz gleichförmig auftreten. Interessant ist es, daß Äthylalkohol, in geringem Maße auch Äthylurethan durch Mangansulfat, Zinksulfat und Aluminiumnitrat in ihrer Wirkung abgeschwächt werden, was aber von Chloroform und Chloral- hydrat nicht gilt. Ob hier eine Permeabihtätsverminderung für Alkohol durch die erwähnten Metallsalze, oder eine stärkere intracelluläre Oxydation des Alkohols bei Darreichung dieser Salze, oder beides im Spiele ist, wurde nicht entschieden. Gleichzeitige Darreichung von Alkohol und Cyankalium bewirkte Summationseffekte, bei Äthylurethan Verstärkung. Bei Zimmer- temperatur konnte keine Verstärkung der Alkoholwirkung durch Sauerstoff- entziehung erreicht werden, wohl aber bei 30—35", was jedoch von allen untersuchten Giften, nicht von Alkohol allein gilt. Sehr verdünnte Lösungen von Ammoniak oder Ammoniumcarbonat sali Klemm auf Plasmaströmung kräftig hemmende Wirkungen ausüben. NHg-Gas wirkt nach Demoor vorübergehend aber auch stimulierend. Bemerkenswert ist die Feststellung von Josing, daß die Strömung des Plasmas der Elodeablattzellen durch dauernde Kohlensäureentziehung im Dunkeln zum Stillstand kommt. Durch die Belichtung tiitt die Be- wegung in COj-freier Atmosphäre jedoch wieder ein. Die Sache wird noch merkwürdiger durch den Umstand, daß die hemmende Wirkung CO2 -freier Luft im Dunkeln nicht eintritt, wenn die Zellen in verdünnten Säuren liegen (Citronensäure 1:20000, Phosphorsäure 1:10000). Mit der Kohlensäureassimilation hat dieses Phänomen offenbar nichts zu tun. Daß sehr kohlensäurereiche Atmosphäre die Protoplasmaströmung hemmt, wurde durch Kühne (1) bereits 1864, sp'iter durch Demoor, Lopriore(2) und Samassa(3) gezeigt Eine zusammenstellende Darstellung der meisten dieser Verhältnisse wurde durch Ewart (4) gehefert, auf die ich hier bezügüch weiterer Details verweisen will. Das nähere Studium der chemischen Reizerfolge bei Proto- plasmaströmung dürfte noch wesentlich zur Aufhellung des Mechanismus dieser Lebenserscheinung beitragen. Chemische Reizerfolge bei Kern- und Zellteilung. Daß chemische Reizerfolge auf den Teilungsvorgang von Zellen möglich sind, geht aus einer Anzahl von Beobachtungen wohl unzweifel- haft hervor. Doch kann man aus den vorliegenden Tatsachen noch schwerlich abschätzen, wie groß die Tragweite der einzelnen Feststellungen ist. 1893 gelang es Demoor (5) zu zeigen, daß unter dem Einflüsse von Kohlensäureatmosphäre, Chloroform, Ammoniakgas in den Zellen der 1) W. KÜHNE, Untersuch, üb. d. Protoplasma (1864), p. 106. — 2) Loprioke, Jahrb. wiss. Botan., 28, 575 (1895); Botan. Zentr., 8g, 118 (1902). — 3) P. Samassa, Verhandl. Naturhist.-Med. Ver. Heidelberg, 6. — 4) A. J. Ewart, On the Physics and Physiol. of the Protoplasmic Streaming (1903). — 5) J. Demoor, Contribut. ä r^tude de la physiol. de la Cellule, Archiv, de Biolog., 13 (1894). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 1(53 Staubfadenhaare von Tradescantia der Kern wohl die Teilung vollzieht, die Ausbildung der Querwand und die vollständige Trennung des Cyto- plasmas in zwei Tochterzellen aber unterbleibt. Da es sich schwer be- stimmen läßt, wie weit die einwirkenden chemischen Agentien in das Innere der Zelle vorgedrungen sind, ist dieser chemische Reizerfolg noch in seinem Wesen unklar, und es läßt sich nicht sagen, ob wir es hier mit einer getrennten Einwirkung des Agens auf Kern und Cyto- plasma oder mit einer größeren Resistenz des Zellkerns zu tun haben. Andrews (1) vermochte die Karyokinese durch Äther, aber auch durch Entziehung des Sauerstoffes zu sistieren; sie begann in seinen Versuchen bei 3 mm Sauerstoffpressung. Stockberger (2) sah Hem- mung der Bildung der Zellwand und der kinoplasmatischen Fäden in Keimwurzelzellen nach Applikation sehr verdünnter Lösungen von CUSO4. Strychninsulfat oder Phenol. Ein sicherer Fall von stimulierender Wirkung auf die Zellteilung liegt vor in der von Sand (3) beobachteten außerordentlich lebhaften Teilung von Stylonichia unter dem Einflüsse von arseniger Säure 1 : 10 Millionen. In der 10 fachen Konzentration dieses Wertes tritt schon Hemmungswirkung auf, welche in Lösungen von 1:100000 binnen mehreren Tagen mit letalem Effekte endet. Ferner wirkt verdünnter Alkohol als Reiz auf die Zellteilung [Maltaux(4)]. Loeb(5) sah, wie in konzentrierten Salzlösungen die Kernzahl in Seeigeleiern stetig zu- nimmt, ohne daß Zellteilung erfolgt. Die Kernteilung scheint trotz Er- scheinens abweichender Typen bei Vergiftungen der Zellen immer mi- totisch zu bleiben. Auch Nathansohns (6^ Beobachtungen an Spirogyra betreffen kaum wirkliche Amitosen. Die amitosenartigen Teilungsstadien, welche von Wasielewski (7) in Wurzelspitzen von Faba nach Chloral- hydratbehandlung erhalten wurden, sind von diesem Autor als „Diatmese" beschrieben worden. Nach Nemec(8) handelt es sich aber doch nur um modifizierte mitotische Teilungen. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung der Gestalt. Inorganische Reizstoffe. Schon 1869 hatte Raulin (9) beobachtet, daß geringe Mengen von Zinksulfat oder kieselsaurem Alkali das Wachstum von Aspergillus niger in bedeutendem Maße fördern. Raulins Deutung, daß der Pilz dieser Substanzen unbedingt bedürfe (deswegen wurden dieselben auch in die vielverwendete „RAULiNsche Nährlösung" aufgenommen), war allerdings nicht zutreffend. Erst als die Beobachtungen von Schultz, Biernacki, RiCHET an Hefe und Bacterien gezeigt hatten, daß sehr viele toxische Substanzen analog das Wachstum in bedeutendem Maße steigern, war es möglich, die Sache generell aufzufassen, wie dies zuerst 1895 durch 1) F. M. Andrews, Ann. of Botan., 19, 521 (1905). — 2) W. Stockberger, Botan. Gaz., 49, 401 (1911). — 3) R. Sand, Biolog. Zentr., 22, 216 (1902). — 4) Maltaux u. Massart, Lex excitanta de la division cellul. (Bruxelles 1906). — 5) J. LoEB, Arch. f. Entwicklungsmech., 2, 298 (1895). — 6) A. Nathansohn, Jahrb. wjss. Botan., 35, 48 (1900). — 7) W. v. Wasielewski, Ebenda, 38, 377 (1902). Über chemische Reizerfolge auf die Kernteilung vgl. auch V. Sabune, Rev. g^n. Botan., 15, 481 (1903). — 8) B. Nemec, Jahrb. wiss. Botan., 39, 645 (1003). — 9) Raülin, Ann. Sei. Nat. (5), //, 91 (1869). 11* 2ß4 Drittes Kapitel: Chemische Ileizwirkur.gon. Pfeffer (1) geschehen ist, welcher, durch reiches experimentelles Material gestützt, den allgemeinen Satz aussprach, daß verschiedene Tätigkeiten des Stoff- und Kraftwechsels durch kleine Mengen inorganischer und organischer Gifte in regulatorischer Weise beschleunigt werden. Hueppe(2) formulierte diese Erfahrung als ein biologisches Gesetz, wonach „jeder Körper, der in bestimmten Konzentrationen Protoplasma tötet, in ge- ringerer Menge die Entwicklungsfähigkeit aufhebt, in noch geringeren Mengen umgekehrt als Reiz wirkt und die Lebenseigenschaften erhöht". Richards (3) hat die Wachstumsbebchleunigung bei Aspergillus niger durch zahlreiche Versuche mit inorganischen und organischen Substanzen auf Pfeffers Veranlassung festgestellt. Mit Kontrollkulturen verghchen, erhielt Richards folgende Trockenerntegewichte nach Zufügung der wirk- samen Stoffe: ohne ZnS04 335 mg ohne Natriumfluorid . . . 250 mg mit 0,016% ZnS04 . . .770 ,,^ mit 0,002 % NaFl . ... 565 „ mit 0,004 % FeSO^ ... 275 „ ohne Lithiumchlorid ... 280 ,. mit 0,130% FeS04 ... 810 „ mit 0,330% LiCl .... 720 ,, ohne C0SO4 245 ,, ohne Natriumsiiicat . . . 350 „ mit 0,008 % G0SO4 ... 405 „ mit 0,004 % NagSiOg . . 575 „ ohne Nickelsulfat .... 265 „ mit 0,033 % NiS04 ... 680 „ Weitere Illustrationen erfuhren diese Reizwirkungen durch die Ver- suche von Ono (4), welche an Algen und Pilzen angestellt wurden ; dieselben Effekte wurden unter anderem auch für Subhmat und arsenige Säure bei Schimmelpilzen aufgefunden. Es heß sich zeigen, daß die chemische Reiz- wirkung den ,, ökonomischen Koeifizienten", d. h. das Verhältnis der ver- brauchten Zuckermenge zum erzielten Erntegewicht, um das 2—3 fache erniedrigt. Dies bedeutet, daß der Pilz durch Vermittlung des Reizstoffes mit einem relativ kleinen Zuckerverbrauch eine größere Körpergewichts - zunähme erzielt, also ökonomischer arbeitet. Aber auch die bacteriellen Prozesse im Boden: Stickstoffbindung durch Azotobacter, Nitrifikation, Denitrifikation, Ammoniakbildung und Eiweißfäulnis werden nach den Untersuchungen von Fred (5) durch ge- ringe Mengen von Äther, CS2, CuSO^ Kaliumbichromat, Salvarsan deut- lich stimuliert. Bezüglich der Reizwirkungen bei Phanerogamen hat Kanda (6) mit Recht betont, daß die Feststellung hier mannigfachen Schwierigkeiten durch die Komplikationen in der Darreichung durch die Wurzeln in Erde oder Nährlösung begegnet. Die ältesten Erfahrungen sammelte man bezüglich der auffallenden Wirkung der zur Bekämpfung pilzlicher Paiasiten viel verwendeten Kupfersulfatkalkmischung (Bordeauxbrühe) auf Größe und Chlorophyllgehalt der Laubblätter. Rumm(7) hat die auf Vitis bezüglichen Daten ausführlich zusammengestellt. Frank und Krüger (8) konstatierten denselben Reizerfolg bei der mit Bordeauxbrühe 1) W. Pfeffer, Jahrb. wies. Botan., 28, 238 (1895); Pflanzenphyeiol., 2. Aufl., 7, 408 ff. (1897). — 2) F. Hueppe, Naturwiss. Einfuhr, in die Bacteriol., p. 55 (1896). — 3) H. M. Richards, Jahrb. wiss. Botan., 30, 665 (1897). — 4) N. Ono, Journ. Ck)ll.' Sei. Imp. Univ. Tokyo, 13, 141 (1900); Zentr. Bakt., II, 9, 155 (1902). — 5) Edw. Br. Fred, Zentr. Bakt., II, j/, 185 (1911). — 6) M. Kanda, Journ. Coli. Sei. Imp. Univ. Tokyo, 19 (1904). — 7) C. Rumm, Ber. Botan. Ges., //, 79, 445 (1893). — 8) B. Frank u. F. KrIjger, Ebenda, 12, 8 (1894). Auch Aderhold, Zentr. Bakt., II, 5, 217 (1899). 7. Chornische WachHtU'nsreize ohne Änderung d. Ge&lalt. Inorgan. Reizntoffe. J (55 behandelten Kartoficlpflanze und sprachcr sich dahin aus. daß nur das Kupfer hierbei beteiligt sei. Später teihe Sandsten(I) mit, daß Stick- oxyduldarreichung als Nachwirkung eine Wachstumsbeschleunigung hervor- bringe. Wichtig ist ferner die stimulierende Wirkung von leichter Äther- und Chloroformnarkose auf das W>4,chstum von Phanerogamen. Nach Sandsten vermag Chloroform in einer Konzentration von 1 : 10000 das Wachstum von Mais zu beschleunigen; die doppelte Konzenaation hemmt bereits. Ruhende Zwiebeln und wachsende Zweige v/erden durch die oben genannte Konzentration von Chlorolorm binnen 10 — 20 Tagen ge- tötet. Die Resistenz ist also wohl spezilisch verschieden. Von Bedeu- tung ist die Äthernarkose und die als Nachwirkung derseiben auftretende Abkürzung der Ruheperiode von Knospen und Wachstumsboschleunigang für das Frühtreiben von Flieder in der Gärtnerei geworden, worüber wir JoHANNSEN (2) wertvolle Untersuchungen verdanken. Übrigens wirkt, wie Lakon(3) fand, auch Einstellen der Zv/eige in Nährsalzlösung in analoger Weise auf die Unterbrechung der Winterruhe. In neuerer Zeit sind zahlreiche Angaben über Reizwirkungen verschiedener, namentlich inorganischer Verbindungen auf das W&,eh3tnra höherer I'flanzen ge- macht worden, über welche nähere Dciails weiter unten zu ersehen sind. So wirken Fluoride, Jodide, Uran-, Rubidium-, Mangansalze und viele andere Verbindungen als Stimulantia. Namentlich Loew(4) und seine Schüler haben hierüber zahlreiche Beobachtungen veröffentlicht und auf die Möglichkeit landwirtschaftlich praktischer Anwendung hin- gewiesen. Eine spezielle Erwähnung verdient die chemischf; Reizwirkung vieler Stoffe auf die Keimung von Sporen uild Samen. Nach Coupm (5) kommt den Kalisalzen eine hervorragende Wirkung auf die Keimung zu. Weizen zeigte noch eine deutliche Beschleunigung der Keimung durch 0,000 0001 g KgCOg, 0,00000025 g Kaliumphosphat, 0,0000008 K2SO4, 0,000003 g KCl und 0,000004 KNO3. Hier handelt es sich sicher um chemische Reizerfolge. In der ziemlich bedeutenden Literatur über den Einfluß chemischer Agentien auf die Samenkeinning finden sich leider fast nur Versuche, welche mit großen Dcsen von Substanzen angestellt sind, und es v/ird ausschheßüch über Hemmungen oder Indifferenz berichtet. Die älteren Arbeiten finden sich zusammengestellt bei Nobbe (6), von sonstigen Studien auf diesem Gebiete seien erwähnt jene von Heckel, Prillieux (SgC), Bruttini, Sig- mund und Vandevelde (7). Die Resultate kennen sehr namhaft alteriert werden, durch die ungleich große Durchlässigkeit der Samenschalen, und man darf aus einer größeren Resistenz bestimmter Samenarten gegen Gifte, wie Di XON (8) näher dargelegt hat, nicht ohne weiteres auf eine größere Widerstandsfähigkeit des Protoplasmas schheßen. Chemische Reizwir- kungen sind vielleicht auch im Spiele bei dem von Hindorf (9) beobachteten 1) E. P. Sandsten, Minnesota Botan. Stud., /, 53 (189S). — 2) W. Johann- SEN, Dasi Ätheryerfahren beim Frühtreiben (Jena 1900). — 3) G. Lakon, Ztsch. f. Botan. (191?), p. 561. — 4) O. LoEW, Landw. Jahrb., 32, 437 (1903). — 5J H. OoupiN, Corapt. rend., 13^, 1582 (1901). — " 6) Nobbe, Sanienkunde, p. 269 (1876). — 7) E. HroKEL, Corapt. rend.. S7, 613 (1878), p/, 129 (1880); Journ. Botan. (1889), p. 288 ff. Prillieux, Bull. Soc. Bot. Fr., 25, (1878); Bruttini, Chem. Zentr. (1895), /, 62. W. Sigmund, Landw. Vereuchsstat., 47, 1 (1896). J. Vandevelde. Botan. Zentr., 69, 337 (1897). Stimulierende Wirkung sehr vd. Chlorwassef s : R. Spatschil, Österr. botan. Ztsck. (1904, Nr. 9. — 8) H. DixoN, Nature, 64, 256 (1901). — 9) Hindorf, Just Botan. J&.resber. (1887), /, 139. jgg Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. günstigen Einflüsse von Magnesium- und Caiciumchlorid auf Keimung und erste Entwicklung mancher Kulturpflanzen. Über den Einfluß von Mineral- salzen auf die Samenkeimung sind auch die Angaben von Jarius (1) zu ver- gleichen. In das Kapitel der chemischen Reizerfolge auf die Samenkeimung zählt aber auch die von L. Koch (2) entdeckte, und besonders von Hein- richer (3) näher studierte Wirkung der Wurzel der \yirtspflanze auf die Keimung von Lathraea und anderen Parasiten. Es wäre hier wohl vielleicht mögüch, die lebende Wurzel durch Extrakte oder bestimmte Stoffe in ihrer chemischen Reizwirkung zu ersetzen, was empirisch festzustellen bleibt. Für die Keimung von Pollenkörnern sind ebenfalls chemische Reiz- erfolge bekannt. Miani (4) wies nach, daß die Keimung von Pollen in Wasser, in dem vorher Kupferstückchen gelegen waren, besser vor sich geht, als in ungekupfertem Wasser oder in Nährlösung. Daß die Stoffe der Narben chemische Reizerfolge auf die Pollenkeimung ausüben, ist schon längere Zeit bekannt [Molisch, Lidforss (5)], und zwar ist dies nicht allein der von den Narben produzierte Zucker, da viele Pollenkörner in Zuckerlösung überhaupt nicht auskeimen. Für die EricaceenpoUen hat Molisch die Apfel- säure als Reizstoff erkannt, in den meisten anderen Fällen üeßen sich aber die wirksamen Stoffe noch nicht sicher identifizieren. Von Pilzsporen, über deren Keimung DuGGAR (6) genauere Unter- suchungen gepflogen hat, keimen manche (Botrytis vulgaris) in destilUertem Wasser ganz gut, nicht aber die Conidien von PenicilUum, Aspergillus, Phycomyces. Man kann letztere aber auch nach DuGGAR leicht in destil- liertem Wasser zur Keimung bringen, welches vorher über Paraffin gestanden war ; dies ist unstreitig eine chemische Reizwirkung. Auch Glycerin, Zucker, ferner Äther und Kampfer sind als Stimulantia für die Pilzsporenkeimung anzuführen. Die Keimung der Sporen des Schleimpilzes Dictyostelium muco- roides wird nach Potts (7) durch sehr kleine Mengen organischer Stoffe, wie sie schon im Leitungswasser vorkommen, sehr gefördert. Für Moos- sporen sind ebenfalls chemische Keimungsreize bekannt (8). Von neueren Angaben sind hier besonders die Beobachtungen von Benecke (9) von Inter- esse, welche für die Keimung der Lunulariabrutkörper zeigten, daß sie auf ganz reinem Wasser ausbleibt, während schon die geringen, aus dem Glase stammenden Spuren von Mineralstoffen einen sehr wirksamen Reiz für die Keimung bilden. Hier muß Licht mitwirken, während bei Darreichung der gleichfalls als Keimungsreiz wirkenden Zuckerlösung die Keimung auch im Dunkeln eintreten kann. Die zum Absterben verschiedener Pilzsporen nötigen Giftkonzentrationen hat Lode (10) für viele toxische Substanzen bestimmt; auch Stevens (11) hat wertvolle Angaben hierzu gehefert. 1) M. Jariüs, Landw. Versuchsstat., 32, 149 (1885). — 2) L. Koch. Ent- wicklungsgeschichte d. Orobanch. (1887); Ber. Botan. Ges., /, 188 (1883). — 3) E. Hetnricher: f. Lathraea, Ber. Botan. Ges., 12; Gen.-Vers.-Heft (1894), p, 117; 16, 1 (1898); f. Tozzia, Ebenda, 17, 244 (1899); Jahrb. wiss. Botan., 36, IV, (1901). Bei Euphrasia u. Verwandten: [Ebenda, 31, I (1897); 32, III (1898); jö; 1. c. 37, II (1902)] erfolgt wohl Keimung ohne Wirt, aber keine_Hau8torienentwicklung, wo- durch die Entwicklung später gehemmt, werden kann. Über Euphrasia auch Wett- STZIN, Monographie d. Gatt. Euphrasia (1896) ; Jahrb. wiss. Botan., 31, IL — 4) D. Miani, Ber. Botan. Ges., 19, 461 (1901). — 5) Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak., 102, (I), 428 (1893). Lidforss, Jahrb. wiss. Botan., jj, 240 (1899). — 6) B. M. DuGGAR, Botan. Gaz., j/, 38 (1901); Clark, Journ. Phys. Ghem., 5, 263 (1899). — 7) G. P0TT8, Flora (1902), Erg.-Bd., p. 288. — 8) Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysio- logie, 2. Aufl., //, 130 (901). — 9) W. Benecke, Botan. Ztg. (1904). Abt. I, p. 22. 10) A. Lode, Arch. Hyg., 42, 107 (1902). — 11) H. L. Stevens, Botan. Gaz., 26, 377 (1898). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inoi^gan. Reizstoffe. 167 Daß bereits überaus große Verdünnungen verschiedener Stoffe stimulierende und deletäre Wirkungen ausüben können, ist durch viele Untersuchungen bekannt. Schon Raulin stellte für seinen Aspergillus fest, daß AgNOj Vieooooo' HgClg ^/saoooo wirksam sind. Sehr instruktiv sind die Angaben von Coupin (l) über die Dosen, welche das Wachstum von Triticumkeimwurzeln bereits hemmen. Dies sind CuSO^ V700 Millionen; HgClj VsOMilUonen, CdClj VlO Millionen, AgjSO^ V2 Millionen; AgNOg Vi MilHoU; ZnSOi V40000; KMn04 Visooor ^aCl V260 Sehr deutlich sind die außer- ordentlich stark verdünnten Lösungen von Metallstücken, die einige Zeit hindurch in Wasser gelegen waren, wirksam. Nägeli(2) hat eine Reihe solcher Wirkungen als „oligodynamische Erscheinungen" be- schrieben. Deherain und Demoussy(3) beobachteten, daß Keim- wurzeln in destilliertem Wasser, welches in Metallapparaten hergestellt war, nicht weiter wuchsen; die Wurzeln entwickelten sich aber kräftig weiter, als das Wasser in einem Glasapparate umdestilliert worden war. Kontrollversuche lehrten, daß Silber, Blei, Zinn dem Wasser keine schäd- lichen Wirkungen erteilten, wohl aber Kupfer. Nach Deherain und Demoussy reichen 1—2 Zehnmilliontel Cu-Gehalt bereits hin, um Wachs- tumshemmung zu erzeugen, und wahrscheinlich ist Kupfergehalt das schädliche Moment des in Metallapparaten destillierten Wassers. Es erinnern diese Erscheinungen lebhaft an die von Titoff neuerdings aufgedeckten Ursachen der negativen Katalyse. Übrigens können Wasser- pflanzen nach Devaux(4) auch durch den aus Bleiröhren stammenden Bleigehalt des Wassers geschädigt werden. Der letztgenannte Forscher hat gezeigt, daß beim Zustandekommen der Wirkung so außerordentlich verdünnter Metallösungen die Speicherung des Metalles in den Zellhäuten und im Protoplasma eine Rolle spielt. Kupfer läßt sich unter Zuhilfe- nahme von Pflanzenzellen noch in Lösungen, welche im Hektoliter weniger als 1 mg enthalten, durch sukzessive Adsorption nachweisen- Mit Ferrocyaukalium entsteht eine deutliche Braunfärbung der Zellwände, wenn man das kupferhaltige Wasser einige Stunden lang an den Ob- jekten vorbeifließen ließ. Wie empfindlich Pflanzen gegen Spuren von Quecksilberdampf sind, ist jedem Experimentator bekannt, welcher mit luftverdünuten Räumen in Verbindung mit Hg-Schlüssen oder Hg- Manometer gearbeitet hat, und wurde auch durch die Studien von Dafert (5) illustriert. Am wirksamsten hindert die Hg- Verdampfung eine dünne Schicht von Glycerin. Überhaupt sind viele dampf- und gasförmige Agentien außerordentlich wirksam. Ammoniakdampf von Va4— 32000 NHg-Gehalt hemmt bereits die Keimung von Faba: für Phaseolus und Zea liegt die Grenze bei V20000' Liliaceenzwiebeln sind aber selbst gegen ^/goog NHg-Gehalt der Luft noch resistent (Sandsten). Schwefelkohlenstoff hemmt schon in Spuren. Alkoholdampf entfaltet unter ^/loooo keine Wirkung. Zahlreiche Angaben über Verdünnungs- grenzen verschiedener Giftstoffe für Algenzellen und Bacterien lieferte noch Bokorny (6), für Mucor Wenckiewicz (7), für Diatomeen Miquel (8), 1) H. Coupin, Compt. rend., 132, 645 (1901). — 2) Nägeli, Oligodynamische Erschein. (1893). Vgl. auch O. Loew, Landw. Jahrb., 20, 235 (1891). — 3) Dehe- rain u. Demoussy, Con»pt. rend., 132, 532 (1901). — 4) H. Devaux, Compt. rend., 132, 717 (1901). — 5) F. W. Dafekt, Chem. Zentr. (1901), /, 331. — 6) Th. Bo- korny, Ztsch. angewandt. Chem. (1897), p. 336, 364; ßiolog. Zentr., 17, 417 (1897). — 7) B. Wenckiewicz, Just botau. Jahresber. (1882), /, 205. — 8) P. Miquel, Ann. de Micrograph. (1892), p. 273. jgg Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. für Bacterien u. a. Richet und Chassevant (1). Von Stoffen, die in hoher Verdünnung noch wirksam sind, wären auch verschiedene Teer- farbstoffe namhaft zu machen, worüber nähere Angaben bei Pfeffer (2) zu finden sind. Eine Reihe von Giftwirkungen wird durch die nachfolgende Tabelle illustriert, welche auf Grund von Versuchen von Bokorny (3) mit Hefe, die auf 10 g Hefe wirksame Menge in zeimtausendstel Grammäquivalenten nach Berechnungen von Kanitz anführt: Kupfersulfat 0,08-0,2 Salzsäure 14—28 Subhmat 0,4-0,75 Kobaltnitrat 17-20 Silbernitrat 0,6—1,2 Strychninnitrat < 25 Bleizucker 0,95-3,0 Nickelsulfat < 28 Kahumpermanganat . . 1,2—3,1 Milchsäure HgBrg i> Hg(NC)2 gilt ebensowohl von der Leitfähigkeit als von der Giftwirkung. Wenn man durch Zusatz von Alkohol die Dissoziation herabdrückt, so sinkt die Giftwirkung dem- entsprechend. Für Verbindungen mit komplexen Ionen, welche weniger wirksam sind, gilt das Gesetz, daß die Wirkung parallel mit der Disso- ziation der komplexen Ionen selbst geht. Daher fällt die toxische Wir- kung von Sublimat mit steigendem NaCl-Zusatz. Kahlenberg und True (5) fanden, daß Lupinenwurzeln durch alle stark dissoziierten Sibersalze in ihrem Wachstum gehemmt werden, wenn die Konzentration 1 Mol auf 204 600 Liter beträgt, durch Cu-Salze aber bei dem Verdünnungswert ^/256oo- ^^^^ ^^^^ ^'^^ ^^^ durch die Annahme ver- stehen, daß die Wirkung von den Kationen abhängt. Versetzt man AgNOg mitCNK,so daß komplexe lonenAgCN' entstehen, so ändert sich der Wirkungs- wert bis über den Betrag Vi280o'^o'- ^^ ähnhcher Weise läßt sich die Wir- kung von Hg-Salzen durch alkaüsche Dextrinlösung auf Yi, die Kupfer- wirkung durch Zufügung von Rohrzucker und etwas Alkali sogar auf weniger als ^liQQ herabdrücken. Bei den Schwermetallsalzen, wo die Kationen an Reizwirkung den Anionen meist sehr beträchtlich überlegen sind, kann man in der Regel leicht die Wirkungen der positiven und negativen Ionen sondern. Weniger gut gehngt dies bereits bei den Säuren, wo sich der Einfluß des Anions im Effekte unter umständen bemerkbar machen kann. Sind mehrere Kationen gleichzeitig zugegen, so kann der physio- logische Effekt sowohl kleiner als die Wirkung eines der Kationen, als auch ein gesteigerter sein. Nach True und Gies(6) wird die Wir- kung von Hg" durch Ca" verstärkt, während Cu" und Ca" antagoni- stisch sind. Na* verstärkt aber wieder die Giftwirkung von Cu". Ver- schiedene Beobachtungen zeigen, daß der Ionen-Antagonismus eine recht komplizierte Erscheinung sein kann. Nach Loeb(7) kann man die Gift- 1) R. H. True, Botan. Gaz., 26, 407 (1898). — 2) H. Micheels, Bull. Soc China. Belg., 21, 198 (1907); Jon, 2, 195 (1910); Arch. intemat. Physiol., 4, 410 (1907); Acad. Belg., //, 1076 (1909). — 3) Dreser, Arch. exp. Path. Pharm., 32, 456 (1893). — 4) Paul u. Krönig, Ztsch. physik. Chera., 21, ^114 (1896); Ztsch. Hyg., 25, 1 (1897). — 5) L. Kahlenberg u. R. H. True, Jorrn. Amer. Med. Ass. (July 1896); Botan. Gaz., 22, 81 (1896). — 6) R. True u. W. Gies, Bull. Torr. Bot. Club, 30, 390 (1903). — 7) J. Loeb, Biochem. Ztech., 32, 155 (1911). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 171 Wirkung von KCl auf tierische Eier durch Hinzufügen von etwas NaCl erhöhen. Ist jedoch viel NaCl und wenig KCl vorhanden, so wird um- gekehrt das KCl entgiftet. Die bekannte entgiftende Wirkung des Ca auf NaCl ist bei alkalischer Reaktion am deutlichsten, während man bei neutraler oder schwachsaurer Reaktion besser die NaCl-Wirkung durch Kalium aufhebt (1). Eine definitive Entscheidung in der Frage, worauf dieser Antagonismus der Ionen beruht, ist derzeit schwer allgemein zu geben. Am wahrscheinlichsten erscheint die Annahme, daß die Permea- bilität der Plasmahaut sich unter dem Einflüsse verschiedener Ionen ändert, so daß die Plasmahaut z. B. für Na bei Gegenwart von Ca schwerer durchlässig wird (2). Osboene(3) wollte die antagonistischen lonenwirkungen durch die Annahme komplexer Na-, K- und Ca- Verbin- dungen im Plasma verständlich machen; das eindringende Na sollte die Ca-Plasmaverbindungen zerlegen. Höber (4) hat in verschiedenen Unter- suchungsreihen darauf aufmerksam gemacht, daß bei der Alkalikationen- wirkung auf Flimmerepithelien eine ähnliche Abstufung hervortritt, wie bei den Neutralsalzwirkungen auf Kolloide; es gelten die Reihen Na>> NH4>>Rb>K, Li^Cs; ferner bezüglich der Anionen J, Br^NOg^ CI, SO4. So ist es ganz gut möglich, daß der Durchgang bestimmter Ionen durch die Gegenwart anderer Ionen, welche den Quellungszustand der Plasmakolloide beeinflussen, konform der lyotropen Reihe, gehemmt oder wenigiotens eingeschränkt wird. Vielleicht gehören Vorkommnisse wie die Steigerung der Giftwirkung von Rhodanat bei Gegenwart von Ba auch hierher (5) Bemerkt sei, daß der zuerst von O. LoEW richtig erkannte Antagonis- mus von Mg und Ca nach der hier vertretenen Auffassung kein vereinzelt dastehendes Vorkommnis, sondern einen der vielen bekannten lonen- antagonismen darstellt (6). Weitere einschlägige Studien betreffen die Wirkung einzehier Salze auf Laubblätter [Maquenne und Demoussy (7)], Meeresalgen [Duggar(8)]. Richter (9) hat die stimuherenden Wirkungen sehr verdünnter Metallgiftlösungen als lonenwirkungen, den hemmenden Effekt konzentrierterer Lösungen aber als Molekelwirkung deuten wollen. Allgemein ist jedoch eine derartige Auffassung kaum richtig, weil viele Metallsalzlösungen in Verdünnungen, in welchen sie praktisch völUg in Ionen zerfallen sind, schon intensiv hemmend wirken. Daß manchmal die nicht dissoziierten Molekel giftiger sein können als die Ionen, kann man den An- gaben von Clark (10) entnehmen, welcher zeigte, daß Mono- und IDichlor- essigsäure als Molekel giftiger sind, während Trichloressigsäure in ihren Ionen stärker toxische Effekte hervorruft. Von den chemischen Reizwirkungen, welche Ionen und Molekülen einzelner Stoffe zukommen, haben wir die Wirkungen des osmotischen Druckes, die von der Konzentration, d. h. der Teilchenzahl des gelösten 1 ) LoEB, Biochem. Ztsch. 28, 176 (1910). Antagonismus von NaCl und CaCL bei der Wirkung auf die Stielkontraktion von Vorticella: N. K. Koetzoff, Arch. f. Zellforsch., 7, 344 (1911). — 2) Vgl. W. J. V. OSTERHOUT, Science, 34, 187 (1911). — 3) \V. A. OsBORNE, Journ. of Physiol., jj, 10 (1905). — 4) R. Höber, Biochem. Ztsch., 17, 518 (1909); Püüg. Arch., 106, 599 (1905); Hofmeisters Beitr., //, 35 (1908); Ztsch. physik. Chem., 70, 134 (1910). R. S. Lillie, Amer. Journ. Phvsiol., /;, 89 (1907). S. Maxwell, Ebenda, 13, 154 (1905). — 5) Wo. Pauli u. a". Fröhlich, Wien. Akad., 115, III (1906). — 6) Vgl. W. Benecke, Ber. Botan. Ges., 25, 322 (1907). — 7) L. Maquenne u. E. DEinousSY, Compt. rend., 151, 178 (1910). — 8) B. M. DuQGAB, Ref. Botan. Zeitg. (1907), 2, 312. — 9) A. Richter, Zentr. Bakt. II, 7, 417 (1901). — 10) Clark, Botan. Gaz., 28, 393 (1899). 172 Drittes Kapitel: Chemische Reiz Wirkungen. Stoffes in der Raumeinheit des Lösungsmittels (wobei es . belanglos ist, wie viele der Teilchen Molekel oder Ionen sind) wohl auseinander- zuhalten. Bei den Neutialsalzen der Alkalien ist dies nicht immer leicht, da auch konzentriertere Lösungen spezifische Wirkungen haben können; deshalb wird es von Vorteil sein, sich bei Untersuchung osmotischer Reizwirkung „physiologisch ausbalancierter Lösungen" zu bedienen, wie des Salzgemisches der „vän 't HoFFschen Lösung", in dem auf 100 M. NaCl, 2 M. CaCla, 2,2 M. KCl und 7,8 M. MgCls kommen. Für die meisten Zellen von Landpflanzen ist 0,12 — 0,15 Mol per Liter, für die Meerespflanzen 0,4—0,5 Mol per Liter isosmotisch. Osmotische Reize können sowohl durch einen plötzlichen Wechsel des äußeren osmotischen Wertes als auch durch eine konstante äußere Salzkonzentration gesetzt werden. Osmotische Druckschwankungen sind unter Umständen für Meeresalgen, wenn das Seewasser wechselnden Salzgehalt aufweist, ver- hängnisvoll (1). Trüe(2) sah bei Wurzeln vorübergehende Wachstums- hemraung eintreten, wenn sie plötzlichen osmotischen Druckschwankungen ausgesetzt wurden. Die Anpassung an hyper- und hypotonische Lö- sungen erfolgt aber, wie bekannt, leicht und in weiten G'renzen, wenn der Übergang allmählich erfolgt, und die meisten Pflanzen müssen zu den „poikilotonischen" Organismen gerechnet werden. Insbesonders ver- tragen Bacterien kolossalen Salzgehalt des Mediums: Nach Jörns (3) wachsen Bacterien bis zu 49,2% Wassergehalt der Nährgelatine. Doch bestehen zwischen den einzelnen Arten Differenzen »,4). Sehr empfind- lich sind die in destilliertem un,d Quellwasser lebenden Formen, welche 5 — 10% Glucose nicht mehr vertragen, was nicht alif Rechnung des Zuckers, sondern nachweislich auf Rechnung des osmotischen Wertes des Milieu zu setzen ist. Penicillium konnte von Eschenhagen (5) noch in 20 7o KNO3 zum Wachsen gebracht werden, und auch Aspergillus, wie Saccharomyces sind recht adaptionsfähig (6). Ein osmophiler Zygo- saccharomyces wächst noch in Honig und muß wenigstens einen Druck von 70 Atmosphären entwickeln (7). Für Chlorellen bestimmte* Ar- TARi(8) als Wachstumsgrenze 80/0 KNO3 oder 27 «/o MgSO^ oder 25»/^ Traubenzucker. Niedere Algen sind nach Richter (9) überhaupt anpassungsfähiger als höhere Formen; Diatomeen vertragen bis 7^0 NaCl. Auch Flagel- laten und Ciliaten sind sehr adaptionsfähig (10). lu allen diesen Fällen muß somit zur Herstellung des osmotischen Gleichgewichtes eine aus- giebige Turgorerhöhung als Reizerfolg in den Zellen herbeigeführt werden. Bei der Untersuchung der Abhängigkeit der Giftwirkung von Seewasser auf Süßwasserorganismen ergab sich im allgemeinen eine durch eine Adsorptionsisotherme wiederzugebende Beziehung zwischen Konzentration 1er Lösimg und der Lebensdauer der Tiere (11). Damit 1) F. Oltmanns, Jahrb. wiss. Botan., 23; Flora (1895), p. 46. P. Drevs, Just (1896), /, p. 11. — 2) R. H. True, Ann. of Botan., 9, 369 (1895). — 3) A. Jörns, Arch. Hyg., 63, 123 (1907). — 4) M. v. Eisler, Zentr. Bakt. I, S', 546 (1909). Für Milzbrand: C. J. UE Freitag, Ztseh. Hyg., //, 60. Halophile Bacterien: A. Sperlich, Zentr. Bakt., 34, 406 (1912). — 5) EscHENiiAaEN, Diss. (Leipzig 1888). — 6) Ch. Clerfeyt, Chem. Zentr. (1901), 2, 704. Errera, Bull. Ac. Roy. Belg., (1899), p. 95. — 7) A. v. Richter, Mycol. Zentr., ;, 67 (1912). — 8) A. Artari, Jahrb. wiss. Botan., 43, 177 (1906); ^(J, 443 (1909)., Über Salzwirkung auf Algen femer Gerneck, Beiheft, bot. Zentr., 21, II, 274 (1907). — 9) A. Richter, Flora (1892), p. 4. Klebs, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, i, 489 (1886). J. Comebk, Bull. Soc. Bot. Fr., 52, 226 (1905). — 10) A. Yaeuda, Colleg. Sei. Tokyo', 13, 101 (1900). Fürth, VergL Physiol. d. nied. Tiere (1903), p. 622. — 11) Wo. OsTwald, Pflüg. Arch., 120, 19 (1907). A. Dernoscheck, Diss. (Leipzig 19in. §7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 173 sind natürlich die näheren Ursachen der Salzwirkung noch nicht be- stimmter definiert. Bei den marinen Organismen schädigen im allge- meinen hypotonische Lösungen leichter als hypertonische (1). Angaben über die Beziehungen von Salzwirkung und Temperatur finden sich in einer Arbeit von Tovv^le(2). Für Phanerogamen sind einschlägige Angaben aus älterer Zeit be- sonders von Stange (3) zusammengestellt und bearbeitet worden. In der Regel wirken Salzlösungen von 0,2—0,4 % Salpeterwert günstig, 1—2 % schon hemmend. Die an hohen Sakgehalt gewöhnten Halophyten fand Stange bei mehr als 3 % NaCl gehemmt. Exorbitant hohe Salpeterwerte (bis 3,0 Mol!) gibt Fitting (4) für manche Pflanzen der nordafrikanischen Wüste an, wobei allerdings noch kritisch zu untersuchen wäre, ob nicht KNOg in diesen Fällen die Plasmahaut merkhcher passiert als sonst. Das Wurzelwachstum von Landphanerogamen wird noch durch hypo- tonische Salzlösungen völhg unterdrückt (5). Bei den meisten starken Säuren wird der Wirkungswert durch die Wasserstoffionenkonzentration wesentlich bestimmt. Die Versuche von Kahlenberg und True (6) haben ergeben, daß das Wachstum der Keim- wurzeln von Lupinus albus durch alle untersuchten stärker dissoziierten Säuren bei einer Konzentration von 1 Mol auf 6400 1 sistiert wird; dies gilt für HCl, HNO3, HBr, H^SO,, KHSO,, H3PO4, CH2O2, Fumarsäure, o-Nitrobenzoesäure , Monochloressigsäure, Benzoesäure, Salicylsäure und Weinsäure. Boeseken und Waterman gaben die Grenzkonzentration für Penicillium mit 1-10-^ Grammäquivalenten H'-Ionen an (7). Bei weniger dissoziierten Säuren ist die Konzentration höher zu nehmen. In einzelnen Fällen, wie bei Chromsäure (8), Blausäure, kommt noch eine wesentliche toxische Wirkung der Anionen hinzu. Überhaupt ist die Wirkung der Säureanionen durchaus nicht in allen Fällen praktisch zu vernachlässigen und mehr oder weniger stark wohl immer vorhanden. Daß unter Umständen die unzersetzten Säuremolekel stärker wirksam sind, wurde bereits erwähnt, und muß bezüglich der organischen Säuren (Fettsäuren) lan einer späteren Stelle noch eingehender berührt werden. Für die starken Mineralsäuren geht jedoch auch aus den Erfahrungen von Paul und Krönig sowie Heald(9) die Prävalenz der Wasserstoff- ionenwirkung hervor, für die sauren Alkalisalze ebenso aus den Angaben von Kahlenberg und Austin (10). Für verdünnte wässerige Salzsäure haben die Untersuchungen vouPaul, Birstein und Reuss(II) ergeben, daß die desinfizierende Wirkung auf Staphylocokken, welche auf Granaten angetrocknet waren, langsamer als die Wasserstoffionenkonzentration zu- nimmt. Der Wirkungszuwachs läßt sich vielmehr gut durch die Pro- portionalität zur Quadratwurzel der Konzentration ausdrücken. Eine 1) Vgl. W. E. Garry, Zentr. Physiol. (1905), p. 605. — 2) E. W. Towle, Amer. Journ. Physiol., 12, 220 (1904). — 3) B. Stange, ßotan. Ztg. (1892), p. 253. M. Jarids, Landw. Versuchsstat., 32, 149 (1885). Pfeffer, Physiologie, 2. Aufl., /, 414.; //, 137 (1901). O. Reinhardt, Festschr. f. Schwendener (1899), p. 430. - A) H. Fitting, Ztech. f. Botan., 3, 209 (1911). — 5) Vgl. E. Riehm, Ztsch. Naturwiss., 77, 281 (1905). — 6) L. Kahlenberg «. R. H. True, Botan. Gaz., 22, 81 (1896); Journ. Amer. Med. Assoc. (18. July 1896). — 7) J. Boeseken u. Waterman, Kgl. Akad. Amsterdam (April 1912). — 8) Über CrO,: A. Szir.i, Pflüg. Arch., 130, 134 (1909). — 9) Heald, Botan. Gaz., 22, 125 (1896). — 10) L. Kahlenberg u. R. M. Austin, Journ. Phys. Chem., 4, 553 (1900). Wirkung saurer Salze auf Aspergillus: A. Kiesel, Ctompt. rend., 155, 193 (1912). — 11) Th. Paul, G. Birstein u. A. Reüss, Biochem. Ztsch., 2g, 202 (1910). 174 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. einwandfreie Erklärung für dieses Verhältnis, welches an die ScHÜTZsche Regel der Fermentchemie erinnert, ließ sich bisher jedoch noch nicht geben. Nach Harvey (1) würde hingegen die Salzsäurewirkung auf Chlamydomonas dem Gesetze unimolekularer Reaktionen entsprechen. Durch Zusatz von Neutralsalzen kann man nach Paul, Birstein und Reuss(2) die Desinfektionswirkung der Säuren erhöhen, und zwar proportional zur zugefügten Salzkonzentration. Nach den drei genannten Autoren, sowie nach den im hiesigen Laboratorium gesammelten Erfahrungen steigt bei allen Säuren die Wirkung mit der Temperatur. Der Tem- peraturquotient pro 10° ist für die niedrigeren Temperaturen 2 — 3, für höhere Temperaturen aber bedeutend größer. Das gleiche gilt aber auch für andere Stoffe, z. B. Alkohole. Die Angriffsweise der Säuren ist bisher nicht aufgeklärt. Es ist bei Versuchen mit höheren Organismen möglich, daß der Säuretod nicht durch allgemeine Zellvergiftung, sondern vorerst durch lokale Wirkung auf ein bestimmtes Organ zustande kommt; dieses Bedenken gilt auch für die von LoEB (3) mitgeteilte Entgiftung von HCl und organischen Säuren durch hinzugefügtes NaCl oder CaClg. Der von Kahlenberg und True für die Wirkung stark dissoziierter Säuren auf Keimwurzeln angegebene Grenz- wert 1 M. auf 6400 1 dürfte nach den im hiesigen Institute gemachten Er- fahrungen größere Bedeutimg haben, wenn auch die Arbeiten über die ge- naue Festlegung dieses Wertes noch abgewartet werden müssen. Nach eigenen Versuchen (4) wird die Läsion der Plasmahaut von Zellen höherer Pflanzen durch Säuren in dem Maße, daß Austritt von Zellcontentis (Gerbstoff, Anthocyan) erfolgt, bei 1 Mol. auf 12 800 1 und 1 Mol. auf 6400 1 noch nicht, hingegen deutüch bei 1 Mol. auf 5000 und 3200 1 beobachtet; daher dürfte allgemein der KAHLENBERG-TRUEsche Wert der Säurevergiftung auf eine Wirkung auf die Plasmahaut der Zellen zu beziehen sein. Da weiter mit der abnormen Durchlässigkeit auch eine Aufhebung des normalen Zell- turgors verbunden ist, und das Längenwachstum mit dem Zellturgor in nahen Beziehungen steht, so muß die Hemmungsgrenze für das Wurzel- wachstum nahezu denselben Wert ergeben. Durch weitere hierorts ange- stellte Untersuchungen hat sich ergeben, daß die Säurekonzentration 1 Mol auf 6400 1 für die starken Säuren eben imstande ist eine Natrium- oleatlösung zu übersäuren, welche äquicapillar mit der Oberflächenspannung der Plasmahaut [0,68 für (HgO)© = Ij ist. Dies könnte möglicherweise auf eine Wirkung der Säure auf die Fettemulsion in der Plasmahaut deuten. Andererseits haben Versuche von Endler gezeigt, daß der isoelektrische Punkt der Plasma- hautkolloide, gemessen durch die Exosmose von aufgenommenem Methylen- blau unter Zusatz von OH und H-Ionen, gleichfalls ungefähr bei 1 : 64001 Säure hegen dürfte (zwischen 1,56 • 10~* und 0,78 • 10~* H '-Konzentration) ; hier mag es sich wohl um die Umladung der amphoteren Plasmaproteide han- deln. Die kritische H '-Konzentration ist für Penicilhum durch Boeseken und Waterman wie oben erwähnt mit I-IO— ^ Grammäquivalenten be- stimmt worden. Nach Michaelis und Takahashi (5) beträgt sie für die Säurehämolyse der roten Blutzellen ebenfalls 1 • 10~^. Die Wirkungsgrenze 1) H. W. Harvey, Ann. of Botan., 23, 181 (1901). — 2) Th. Paul, Bik- 8TEIN u. A. Reuss, Biochem. Ztsch., 29, 249 (1910). — 3) J. Loeb u. H. Wasten^ys, Biochem. Ztsch., 33, 489 (1911); 39, 167 (1912). — 4) F. Czapek, Ber. Botan. Ges., 28, 161 (1910). Methode z. direkt. Best. d. Oberflächenspannung d. leb. Plasmahaut, p. 72 (Jena 1911). — 5) L. Michaelis u. D. Takahashi, Biochem. Ztsch., 29, 439 (1910). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 175 für die Säuren ist aber sicher nicht für alle Zellen von Pflanzen dieselbe. Nach den hierorts von KisCH(l) ausgeführten Versuchen ist für Hefezellen erst 1 Mol HCl, H2SO4, HNO3 auf 9—10 1 deletär wirksam, für Bacterien erst vielleicht noch höhere Konzentrationen. Diese Resistenz hängt mög- licherweise mit einer viel höheren Oberflächenaktivität der Plasmahaut- stoffe zusammen, indem die Plasmahaut der Hefe, wie auch der unter- suchten Schimmelpilze erst durch Alkohole in Konzentrationen von der halben Oberflächenspannung (Wasser — Luft = 1) zerstört wird, während der Grenzwert der tödhchen Oberflächenaktivität bei Phanerogamenzellen bei 0,68 liegt. Daß Schimmelpilze relativ viel Säure vertragen, geht auch aus den Erfahrungen von Friedel (2) und Wächter (3) hervor ; bekannt- lich werden mitunter große Mengen Oxalsäure in der Kulturflüssigkeit gefunden. Noch größere Säurekonzentrationen werden nach den Versuchen von KiSCH von Bacterien vertragen, was noch genauerer Feststellung bedarf. In der Literatur wird in der Regel nur über Wachstumshemmimg durch be- stimmte Konzentrationen berichtet, die allerdings oft schon in größerer Verdünnung der Säure erfolgt. Schon Lingelsheim (4) zeigte, daß hierbei die Art der Säure gänzhch gegenüber dem Aciditätsgrad zurücktritt. Für verschiedene Bacterienarten wurden die antiseptischen Säure-Grenzkon- zentrationen von Sieber (5) bestimmt. Prodigiosus gedeiht noch wohl in 0,1 %iger Milchsäure (6), auch Diphtheriebacillen (7) und Eiterstrepto- cokken (8) wachsen noch auf saurem Substrat, und besondere Aufmerk- samkeit erregte die Fähigkeit des Tuberkuloseerregers auf saurem Sub- strat eine Begünstigung seines Gedeihens zu zeigen (9). Man weiß übrigens wie verbreitet die ausgiebige Erzeugung organischer Säuren, wie Milchsäure, Buttersäure, Oxalsäure bei Bacterien ist, die besonders aus Kohlenhydrat- nahrung so massenhaft entstehen, daß das Wachstum eine Hemmung er- fahren kann (10). Bei Bacterienkulturen tut man bekannthch im allgemeinen gut, die Reaktion des Substrates im Beginne genau neutral zu stellen. Algen sind gegen verdünnte Säuren allgemein sehr empfindhch; in Endlers Versuchen war nur eine marine Vaucheria-Form relativ stark resistent. Migula(II) gibt an, daß Spirogyra orbicularis Kütz. schon durch 0,05 % freie Phosphorsäure getötet wird. Sehr kleine Säuremengen stimu- lieren das Längenwachstum dieser Alge, stören aber bereits den Zellteilungs- vorgang. Bringt man die Alge in reines Wasser zurück, so erfolgt rapide Zellteilung, bis die in dem sauren Medium abnorm verlängerten Zellen wieder ihre normalen Dimensionen erreicht haben. Für eine Süßwasser- Vaucheria fand Klebs (12) völüge Hemmung des Wachstums durch 0,05% freie Säure. 1) B. KiscH, Biochem. Ztsch., 40, 152 (1912). — 2) J. Friedel, Bull. Soc. Bot. France, 52, 182 (1905). — 3) W. Wächter, Zentr. Bairt. II, 19, 176 (1907). Vgl. ferner Cl. Fermi u. Pomponi, Ebenda, 2, 574 (1896). Wehmer, Ztsch. Spiri- tusindustr. (1901), Nr. 14. — 4) v. Lingelsheim, Ztsch. Hyg., 8, 201. Säure- agglutination bei Bacterien: M. Beniasch, Ztsch. Immun. forsch. I, 12, 268 (1912). — 5) N. Sieber, Journ. prakt. Chemie, 19, 433 (1879). Für Paramaecium: Barrat, Proceed. Roy. Soc. Lond. (10. Aug. 1904). — 6) G. Schlüter, Zentr. Bakt., //, 589 (1892). — 7) L. CoRBETT, Ann. Inst. Pasteur, //, 251 (1897). — 8) R. TuRRö, Zentr. Bakt., 17, 865 (1895). — 9) Proskauer u. Beck, Ztsch. Hyg., 18, 128 (1894). G. Jochmann, Hyg. Rdsch., //, 3 (1901). E. de Schweinitz u. Dobset, Un. St. Dep. Agric. Bull. (1896). — 10) F. v. Sommaruga, Ztsch. Hyg., 15, 291 (1893). Rolly, Arch. Hyg., 41, 406 (1902). A. Capaldi u. Proskauer, Ztsch. Hyg., 23, 452 (1896). — 11) W. Mioüla, Diss. (Breslau 1889). — 12) G. Klebs, Beding, d. Fortpflanz., p. 68 (1896). Für Algen noch O. Loew, Giftwirkungen, p. 33. 176 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Für Phanerogamen ist die günstige Wirkung schwach saurer Reaktion auf die in Wasserkultur gehaltenen Pflanzenwurzeln wohlbekannt. Max- well (1) versuchte mit Zusatz verschieden starker Citronensäurelösungen in Topfkulturen die Resistenz der Pflanzen gegen Säure zu prüfen. Schon 0,02 % bedingte in den meisten Fällen Hemmung;0,l% war nicht wesentlich giftiger. Eine merkwürdig hohe Widerstandsfähigkeit bewies die Perlhirse, welcher selbst Begießen mit 1,0% Citronensäure wenig anhaben konnte; die Pflanzen zeigten bloß einen vorübergehenden Wachstumsstillstand und wuchsen später, an den Säuregehalt gewöhnt, ziemhch rasch heran. Die Tentakel- zellen von Drosera vertragen nach Darwin (2) noch 0,23 % Weinsäure oder Citronensäure, sind jedoch gegen viele andere Säuren empfindlicher. Über die Wirkung der Säuren resp. der Wasserstoff ionen als Keimungsreize bei Samen hat A. Fischer (3) eingehende Studien angestellt. Nicht zu ver- wechseln mit derartigen Stimulationen sind selbstverständüch die fördernden Wirkungen, welche Säurebehandlung bei hartschaligen Samen durch Zer- störung der Samenschale zur Folge hat (4), Angaben über Säurewirkung bei Pollenkörnern hat Sabachnikoff (5) geliefert. Daß organische Säuren nicht nur durch die Wasserstoffionenkonzen- tration wirken, sondern auch durch die Anionen, und nicht dissoziierten Molekel, ihre Diffusionsgeschwindigkeit usw., wird noch weiter unten aus- zuführen sein (6). Länger nicht erneuerte Zuckerlösung kann nach Loeb (7) gleichfalls durch Säurebildung toxische Wirkungen hervorrufen, und man kann durch Zufügung von Salzen («"/g NaCl, KCl, CaClg) diesen Effekt erheblich herabsetzen. Die Giftwirkung der Laugen ist, wie Paul und Krönig (1. c.) zuerst gezeigt haben, durch die OH'-Ionenkonzentration ebenso bestimmt wie die Säurewirkung durch die H'-Konzentration. Äquivalente Lösungen starker Basen dürfen in hinreichend hoher Verdünnung als gleich wirk- sam angesehen werden. Paul und Krönig ließen, um die Abhängigkeit der Alkaliwirkung von der elektrolytischen Dissoziation der Base zu zeigen, eine Lösung von 1 Grammolekel jeder Base in 1 1 auf Bacterien 8V4 Stunden einwirken, wuschen die Bacterien aus und legten von ihnen Plattenkulturen an. Es gingen auf: bei Anwendung von KOH 31 Kolonien, von NaOH 33 Kolonien, von LiOH 44 Kolonien und von NHg äußerst zahlreiche Kolonien — völlig parallel mit der elektrolytischen Dissozia- tion. Kahlenberg und True gewannen analoge Ergebnisse für das Wachstum von Lupinenwurzeln, F. Loew(8) für Maiswurzeln. Das Eindringen von sehr verdünnten Alkahen in lebende Zellen ist bei stark gerbstoffhältigen Zellen (Spirogyra, Echeveria, Saxifraga sarmen- tosa) äußerst leicht an der tropfigen intravitalen Ausfällung des gerbstoff- hältigen Zellsaftes („Aggregation" von Chs. Darwin, „Proteosomen" von 0. LoEW xmd Bokorny) zu verfolgen. Mit diesem intracelluiären Aus- fällungsphänomen tritt gewöhnhch eine, wenn auch leichte und vorüber- 1) W. Maxwell, Landw. Versuchsstat., 50, 325 (1898). — 2) Ch. Darwin, Insektenfress. Pflanzen, p. 175 (1876). — 3) A. Fischer, Ber. Botan. Ges., 25, 108 (1907). Für organ. Säuren: G. Ppomsy, Compt. rend., 152, 450 (1911). — 4) Hierzu z. B. A. Zimmermann, Pflanzer, 2, 305 (1906). H. LovE u. Leightt, Cornell Univ. Coli. Agric. Exp. Stat. Bull. (Iöl2), p. 312. — 5) v. Sabachnikoff, Soc. Biol., 72, 191 (1912). — 6) Vgl. J. LoEB, Biochem. Ztsch., 15, 254- (1909). H. Braeüning, Pflüg. Arch., 102, 163 (1904). I.. Klocmann, Diss. (München 1911). — 7) J. Loeb, Journ. of Biol. Chem., //, 415 (1912). — 8) Fred A. Loew, Science, 18, 305 (1903). §7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 177 gehende Hemmung des Wachstums durch das verdünnte Alkali ein. An Keimpflanzen wurden diese Wirkungen verdünnter Alkahen zuletzt von BoKORNY(l) näher verfolgt. Alle diese Erscheinungen gehen jedoch, wenn durch Einlegen in reines Wasser für die Möglichkeit einer exosmotischen Abgabe des OH' gesorgt wird, wieder zurück, ohne bleibende Alterationen zu hinterlassen. Verschiedene Erfahrungen beweisen, daß die Permeabihtät der Plasmahaut bei Gegenwart geringer OH '-Konzentrationen für viele Stoffe wesenthch erhöht ist. Für (basische) Farbstoffe hat dies Endler im hiesigen Laboratorium näher experimentell dargetan. Bemerkenswert sind die durch manche verdünnte Alkalien (Chinin, NHg, Phenylendiaminbase) in lebendem Plasma erzeugbaren Erscheinungen, welche sich im Auftreten von Tröpfchen mit lebhafter BnoWNscher Be- wegung und in Vibrationen der Chloroplasten äußern. Diese von Boresch im hiesigen Institute aufgefundene Erscheinung, welche an Plasmaballen aus angeschnittenen Vaucheriaschläuchen in van 't Hoff scher Lösung ^0,l) beobachtet wurde, ist sicher reversibel. Außer der von Eiweiß und Kohlenhydraten her wohlbekannten Wirkung von OH'-Ionen auf die Quell- barkeit wissen wir sehr wenig über die Natur der AlkaHgiftwirkungen. Her- vorzuheben ist die Hemmung der OH '-Wirkung durch CyankaUum und durch Sauerstoffmangel, welche zunächst für das unbefruchtete Seeigelei durch LoEB (2) sichergestellt worden ist. So wie die Resistenz gegen H '-Ionen, so ist auch die Widerstands- fähigkeit der einzelnen Organismen gegen OH '-Giftwirkungen sehr verschie- den. Es gibt Pflanzen, welche gegen OH' empfindlicher sind als gegen H', und solche, welche das entgegengesetzte Verhalten zeigen. Bacterien ver- tragen mitunter nicht wenig Alkali. Typhusbacillen sterben nach Kitasato(3) zwischen 0,1—0,14% KOH; Choleravibrionen werden aber erst durch 0,18 % getötet. Alkaücarbonat wird meist bis 0,5 % vertragen, von typhi bis 0,8%, von cholerae bis 1,0% K2C03(4). Deeleman(5) fand meist zwischen 0,34-1,7% Normal NaOH oder 0,39-1,95% Normal Nsl^CO^ das Wachs- tumsoptimum; einige Formen ertrugen aber bis 5,85 % NagCOg. Heiße Sodalösung ist ein treffüches Abtötungsmittel für Bacterien, welches zu 5 % 1 Stunde lang angewendet, sicher wirkt (6). Ca(0H)2 ist für typhi und cholerae viel toxischer als die Ätzalkalien (Liborius), da auch Kationen- wirkung hinzutritt. Aus den Untersuchungen von Blumenthal (7) geht deutlich hervor, welchen außerordenthchen Einfluß Alkahgehalt des Sub- strates auf den ganzen Gang des bacteriellen Stoffwechsels entfalten kann; speziell die Bildung von Indol, HjS, Methylmercaptan bei der Eiweißfäuhiis wird sehr merkhch durch die alkahsche Reaktion des Substrates quantitativ beeinflußt. Übrigens produzieren Bacterien auch AlkaH, wie die NHg- Entwicklung bei der Eiweißfäulnis, die steigende Alkalescenz bei der KNO3- Zersetzung durch denitrifizierende Bacterien zeigt. Fermi und PoMPONi, sowie Bokorny (8) gaben Daten bezügüch der Resistenz von Hefe und Oidium gegen Alkali. Hefe wird durch 0,5 %ige 1) Th. Bokorny, Zentr. Bakt. II, 32. 587 (1912). — 2) J. Loeb, Biochem. Ztsch., 26, 289 (1910). — 3) Kitasato, Ztsch. Hyg., 3, 418. — 4) Liborius. Ebenda, 2. Pfuhl, Ebenda, 6, 97; 7, 363; 12, 509. Auch Loew, 1. c, bezügi. Algen. — 5) M. Deeleman, Arb. kais. Gesundh.amt, 13, III (1897). W. Hesse, Ztsch. Hyg., 15, 183 (18ft4). Für Streptoeokken : Ph. Rahtjen, l)is8. (Rostock 1906). — 6) Simon, Biochem. Zentr. (1903), Ref. Nr. 1793; Ztsch. Hyg., 43, U KuRP.iuwEiT, Ebenda (1903). — 7) F. Blümenthal, Ztsch. klin. Med., 28, 222 (1895). — 8) Th. Bokorny, Chem.-Ztg., jo. 1249 (1906). C 7: apek, Biochemie dei Pflanzen. I. 3. Aufl. 12 17g Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. NaOH getötet und 1-2,5% K2HPO4 wirkt schädlich. Schimmelpilze werden leicht durch alkaüsche Reaktion ihres Mediums gehemmt. Das Wachstum von Vaucheria wird nach Klebs durch 0,1 % K2CO3 noch nicht unterdrückt, während die Zoosporenbildung schon in der 20 mal schwächeren Lösung leidet. Da O. LoEW im stark alkahschen Wasser des Owens Lake in Nordamerika mit 2,5 % Sodagehalt noch viele Tiere und Schimmelpilze in Lebenstätigkeit sah, so ist zu vermuten, daß hohe An- passungen an alkaüsche Medien vorkommen, worüber Untersuchungen noch erwünscht wären. Daß auch kolloidale Magnesiumlösung physiologische Wirkungen (Stimulation des Wachstums von Weizenkeimlingen) zu erzeugen vermag, hat MiCHEELS(l) gezeigt. Über die praktisch wichtigen Schädigungen der Vegetation durch Sodastaub und Ammoniakgas sind die Angaben von BÖMER, Haselhoff und König (2) zu vergleichen. Angaben über die Stimu- lation von Samenkeimung durch Alkaüen hat A. Fischer (3) gehefert. Während von den Kationen Na*, K", Mg", Ca" kaum eine stimu- lierende Wirkung auf das lebende Protoplasma bekannt ist, gehören die Kationen der Rubidium-, Caesiuin- und Lithiumsalze in geringen Kon- zentrationen entschieden zu den Stirn ulantien. Rubidiumsalze, ebenso Caesiumsalze fördern nach Bokorny(4) das Wachstum von Hefe und von Phanerogamenkeimlingen. Auch nach Nakamüra (5) entfalten Lithium- und Caesiumsalze auf das Wachstum von Phanerogamen eine leicht stimu- lierende Wirkung. Ravenna und Maugini(6) fanden übrigens verschie- dene Blutenpflanzen gegen Lithium verschieden resistent; im ganzen sind aber Lithiumsalze nicht so giftig als es älteren Angaben zufolge scheinen könnte. Von den zweiwertigen Kationen Sr" und Ba" sind gleichfalls Reizwirkungen bekannt; besonders Barytsalze wirken auf alle Pflanzen- zellen in geringen Dosen stimulierend und in größeren hemmend und tödlich. Strontiumsalze können die Darreichung von Kalksalzen in keiner Weise ersetzen [Loew(7)]. Die relative Giftwirkung reiner Metalle im Kontakt mit Wasser auf Pbanerogamenwurzeln wurde von Copeland und Kahlen- berg(8) näher untersucht. Die relative Toxicität stimmt gut überein mit der Stellung der Metalle in der von Neümann (9) bestimmten Reihen- folge hinsichtlich ihres Potentials im Vergleich zum Wasserstoff: Mg, AI, Mn, Zn, Cd, Tl, Fe, Co, Ni, Pb, H, Bi, As, Sb, Sn, Cu, Hg, Ag, Pd, Pt, Au. Bis zu Hg waren alle Metalle, mit Ausnahme von AI, Sn, vielleicht auch Mg, schädlich und, mit Ausnahme von Mn und Bi, während der Versuchsdauer tödlich. Hg und Ag waren manchmal schädUch, Pd, Pt, Au schienen nie schädliche Wirkungen zu entfalten. Die meisten Erfahrungen besitzt man über die Wirkung metallischen Kupfers, welches, wie Nägeli in seinen „oligodynamischen Wirkungen" zuerst beschrieb, Wasser stark toxische Eigenschaften erteilt. Das destil- lierte Wasser verdankt seine Giftwirkung auf Spirogyra und andere 1) H. MiCHEELS u. P. DE Heen, BuU. Ac. Roy. Belg. (1907), p. 119. — 2) BÖMER, Haselhoff u. König, Landw. Jahrb., 21, 407 (1892). — 3) A. Fischer, Ber. Botan. Ges., 25, 108 (1907). — 4) Th. Bokorny, Biochero. Ztsch., 43, 453 (1912); Zentr. Bakt., 35, 118 (1912). — 5) M. Nakamüra, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 6, 153 (1904). — 6) C. Ravenna u. A. Maugini, Rend. Acc. Lincei Roma (5), 21, II, 292 (1912). — 7) O. Loew, Flora, 102, 96 (1911). — 8) Copeland u. Kahlen- BERG, Transact. Wiscons. Ac. Sei., 12, 454 (1899). Für Bacterien: Bolton, Internat, med. Mag. (1894). — 9) Neümann, Ztsch. physik. Chem., 14, 193 (1894). Vgl. auch V. LusiNi, Real. Accad. dei Fisiocritic. (20. März 1910). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 179 Pflanzen wohl ausschließlich den darin enthaltenen, aus der Destillierblase stammenden Cu-Spuren(l); damit stimmen die Erfahrungen über „nega- tive Katalyse" durch Bindung dieser Cu-Spuren gut überein. Kraemer (2) zeigte, daii Bacterien in wenigen Stunden sterben, wenn ein Stückchen Cu-Folie in die Nährflüssigkeit gelegt wird. Diese Metallwirkungen sind keine Effekte sui generis, sondern beruhen auf der Bildung von Metall- ionen in Gegenwart des Wassers. Kolloidale Metallösungen wirken be- deutend stärker infolge der außerordentlich großen Oberflächenentfaltung. Näheres hierüber ist besonders am Silbersol (Collargol), Quecksilbersol, Kupfersol experimentell in Erfahrung gebracht worden. Die älteren Erklärungsversuche für das Zustandekommen der Metall- giftwirkung sind sämthch unzureichend. Beziehungen zwischen Giftwirkung und Atomgewicht haben sich in wissenschaftlich brauchbarer Weise kaum ergeben (3). Schultz dachte an Oxydations- und Reduktionsprozesse in den Zellen. O. Loew (4) stellte die Schwermetalle zu seiner Gruppe der durch Salzbildung wirkenden Gifte; die Metalle sollen auf die Amine- oder COGH- Gruppe der Aminosäuren einwirken. Kunkel (5) meinte, es handele sich um eine Bindung der aufbauenden Proteinstoffe durch die toxischen Schwer- metalle. Von modernen Ansichten ist besonders die Heranziehung von Kolloidreaktionen (Adsorptionserscheinungen) und von katalytischen Wir- kungen zur Erklärung der Metallwirkungen zu nennen. Die biologische Auswertung von Adsorptionsphänomenen auf diesem Gebiet nahm besonders von der Erfahrung Loebs (6) ihren Ausgang, daß die schädhchen Wirkungen des reinen NaCl, oder von K-,Li-, NH4-Chloridlösungen sofort paralysiert wer- den, wenn man CaClg in kleiner Menge hinzufügt; andere zweiwertige Ionen (Zn, Pb) wirken ebenso wie Ca, und zwar kann 1 Mol ZnS04 ^^^ Mol NaCl entgiften, wälu-end 50 Mol NaCl nötig sind, um 1 Mol ZnS04 zu paralysieren. Hg und Cu-Ionen zeigen diese entgiftenden Wirkungen nicht. Spuren von dreiwertigen Ionen vermögen die schädhchen Einflüsse einwertiger Ionen gleichfalls zu äquiUbrieren. Es ist kaum anders mögüch, als diese viel zi- tierten „antagonistischen lonenwirkungen" als Verdrängungserscheinungen aufzufassen, indem die mehrwertigen Ionen die einwertigen aus ihrer Ad- sorption im Plasma verdrängen. Damit steht es im Einklang, wenn Szücs (7) fand, daß man Kupferlösungen durch das dreiwertige Aluminium entgiften kann. Die Kurven, welche sich aus der graphischen Darstellung der experi- mentellen Daten ergeben, stimmen völlig mit gewöhnUchen Adsorpoions- isothermen überein. Die Entgiftung von Alkaloiden (Chinin) und von Farb- stoffen (Methylviolett) geschieht gleichfalls durch dreiwertige Metalhonen (AI'"), wie Szücs fand, am intensivsten. Da die ScHULZEsche Wertigkeits- regel beim Ausflocken von Kolloiden, Aussalzen usw. allgemein gilt, so wird es sich auch bei der Schwermetalhonenwirkung auf das Zellplasma zunächst um Zustandsänderungen von Kolloiden handeln müssen. Bei Eiweißkörpern werden, wie wir wissen, derartige Fällungen sehr rasch irreversibel und so werden auch im Plasma rasch einsetzende Denaturierungsprozesse bei Schwermetallwirkungen anzunehmen sein. 1) Th. Bokorny. Chem.-Ztg., 29, 687 (1905). — 2) H. Kraemer, Amer. Journ. Pharm., 77, 265 (1905); 78, 140 (1906); Amer. Med., 9, 275 (1905); Proceed. Amer. Phü. See, 49, 51 (1905). Moore u. Kellermann, ü. S. Dep. Agric. Washingt. (1905). — 3) Vgl. W. Sigmund, Programm Realschule Karolinental (1902). — 4) O. LoEW, Giftwirkungen (1893), p. 35. — 5) Kunkel, Handb. d. Toxikol. (1890), p. 118. — 6) J. Loeb, Pflüg. Arch., 88, 68 (1901); 93, 246 (1902); 97, 394 (1903) u. spätere Bde. A. Moore, Amer. Journ. Physiol., 4, 386 (1900). — 7) J. Sztfcs, Jahrb. wis.s. Botan.. 52, 85 (1912). 12* IgQ Drittes Kapitsl: Chemische Reizwirkungen. MiCHEELS(l) hat diese Verhältnisse an Keimlings material völlig be- stätigen können, und man wird zweifelsohne die allgemeine Bedeutung der ScHULZEschen Wertigkeitsregel und der Adsorption für Schwermetallwir- kungen bei Pflanzen bestätigt finden. Da sich nach Hardy (2) nur entgegen- gesetzt geladene Teilchen ausflocken, so wäre es möglich, daß sich die Schwermetallwirkungen durch Umladung der elektronegativen Plasma- kolloide schwächen lassen. Analoge Verhältnisse für die Adsorption von Farbstoffen wurden bereits von Endler im hiesigen Laboratorium wahr- scheinhch gemacht. Wenig Anhaltspunkte haben sich bisher in der Richtung ergeben, daß die Schädlichkeit aufgenommener Schwermetalhonen in der Erzeugung katalytischer Reaktionen beruht; eventuell könnte man Versuchsergebnisse von Rankin (3) dahin deuten, daß AI, Zn und Cu, welche bei Gegenwart von Sauerstoff stark bactericid wirken, durch Peroxydbildung und freie Sauerstoff ionen oxydative Wirkungen auf katalytischem Wege hervorrufen. Dem Gesagten ist auch zu entnehmen, daß sich Angaben über Metallgift- wirkungen nur auf Lösungen mit einer Art Metallionen beziehen sollten, und daß überall, wo verschiedene Ionen gleichzeitig vorhanden sind, die Wirkungen wegen des „Antagonismus" sehr different ausfallen können. Dies hat man bei der Beurteilung der Literaturangaben wohl zu beachten, und manche Widersprüche werden sich durch den dargelegten Sachverhalt verstehen lassen. So bleibt zu erforschen, inwieweit die Giftigkeit der Lithiumsalze, welche in den Arbeiten von Nobbe, Gaunersdorfer, Richards, Feodoroff(4) und aüderen Forschern behandelt wurde, durch die Ver- suchsbedingungen modifiziert werden kann. Das Gleiche gilt von Rubi- dium, bei dem Benecke (5) für Aspergillus ungünstigen Einfluß beob- achte und Loew(6) für Phanerogamen in sehr kleinen Mengen eine stimulierende Wirkung auf das Wachstum fand, ebensowohl für das nach Benecke noch giftigere Caesium. Auch die Kontroversen über die RoUe des Strontiums zählen hierher (7), desgleichen die so verschie- denen Ergebnisse, welche mit Mg-Salzen unter differenten Bedingungen erzielt worden sind. Endlich stimmen die Autoren im Hinblick auf das Baryum nicht ganz überein. Manche zweiwertigen Kationen wirken wohl spezifisch giftig, was selbst für den Kalk nicht ausgeschlossen ist (8). Aber auch die Wechselwirkungen mit dem zweiwertigen Zinkion gehören nach den erwähnten Feststellungen von Loeb hierher. Baü- MANN(9) fand 1 mg Zn pro Liter (ZnS04) noch für die verschiedensten Pflanzen unschädlich; bei der fünffachen KoKzentration gingen bereits 1) H. MlCHEELS, Comot. rend. (24. Dez. 1906). — 2) Hardy. Journ. of Physiol., 24, 301 (1899); Zisch, physik. Chem., jj, 385 (1900). — 3) A. C. Rankin, Proceed. Roy. Soc. Lond. B., 82, 78 (1910). — 4) Nobbe, Landw. Versuchsstat., 13, 374 (1871). J. Gaunersdorfer, Ebenda, 34, 171 (1887). Richards, Jahrb. wies. Botan., jo, 665 (1897). Feodoroff, Just (1898), /, 53. — 5) W. Benecke, Jahrb. wiss. Botan., 28, 508 (1895). — 6) O. Loew, Bull. Coli. Agricult. Tokyo, 5, 461 (1903). — 7) Vgl. Haselhoff, Landw. Jahrb., 22, 851 (1893). Suzuki, BuU. CoU. Agricult. Tokyo, 4, 69 (1900). O. Loew, Landw. Jahrb., 32, 509 (1904). P. Bruch, Ebenda, p. 517. Früher Nägeli, Untersuch, üb. d. niederen Pilze (1882), p. 73. MouiscH, Wien. Ak., 103, /, 568 (1894). H. CouplN, Compt. rend., 130, 791 (1900). Haselhoff, Landw. Jahrb. (1895), p. 962 (Baryum). — 8) Vgl. G. Deloöu, Biochem. Zentr. (1903), E^f. Nr. 332. J. Aloy u. Bardier, Ebenda, Nr. 129. R. WiNDjscH, Landw. Versuchsstat., 54, 283 (1901). H. Coupin, I. c H. Deetjen, Berlin, klin. Woch.schr. (1904), Nr. 16. — 9) A. Baumann, Landw. Versuchsstat.. 31, 1 (1884). Nobbe, Bässler u. Will. Ebenda. 30, V/VI (1884). König, Biedermanns Zentr. (1879), p. 564. § 7. Chemische WachstiiniBreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 181 einige der untersuchten Gewächse zugrunde; Coniferen vertrugen jedoch noch die 10 fache Konzentration schadlos. Die Giftwirkung auf Bacterien stellte Dienert (1) fest. Eine Reihe neuerer Autoren befaßt sich mit der seit Raulin bekannten stimulierenden Wirkung des Zinks auf das Wachstum von Schimmelpilzen und Phanerogamen (2). Bei Aspergillus soll sich die Reizwirkung des Zinks so intensiv gestalten, daß 1 Teil Zn sich zu 1 Teil N hinsichtlich der Wirkung verhält wie 22:100000 [„Nützlichkeitskoeffizient" nach Javillier (3)]. Die Invertinbildung soll nach demselben Autor bei Weglassung des Zn stark vermindert sein (4). Hefe wird durch l^o ZnSO^ nach Bokorny(5) vöUig gehemmt. Bei P^Idversuchen ergab sich das Zink als ausgesprochenes Reizmittel; Mais zeigte eine Mehrproduktion von 18 — 25 7o an Trockensubstanz [Javil- lier (6)]. Das Beryllium ist noch sehr wenig toxikologisch kekannt, ebenso ist das Cadmium noch zu untersuchen (7). Von den Erdmetallkationen ist das Ion Aluminium hinsichtlich seiner Reizwirkungen am besten bekannt. Wir haben von diesen dreiwertigen Ionen von vornherein starke adsorptive Wirkungen zu erwarten. Dies hat sich in der Tat in den Untersuchungen von Fluri (8), Szücs (9) und MiNES(lO) voll bestätigt gefunden. Der erstgenannte Autor hat zuerst die merkwürdige Tatsache beschrieben, daß die Plasmahaut nach Ein- wirkung verdünnter Aluminiumsalzlösungen eine eigentümliche Starre gewinnt, so daß die Zellen nicht mehr plasmolysierbar sind. Nach Szücs ist jedoch diese Wirkung nicht etwa auf eine Erhöhung der Permeabilität für plasmolysierende Stoffe zurückzuführen, sondern auf eine Zustandsänderung des Plasmas, welches starrer wird und sich be- deutend schwerer zentrifiigieren läßt. Bemerkenswert ist es, daß diese Kongelation durch Auswaschen des AI in Wasser rückgängig zu machen ist. Methylviolett, Rhodamin und andere Farbstoffe, sowie Chinin und andere Alkaloide (nicht jedoch Coffein) zeigen ähnliche Effekte, die wohl nicht so leicht reversibel sind. Wendet man stärkere Lösungen von AI- Salzen an, so tritt der beschriebene Effekt nicht ein, so daß man be- stimmte Kongelationszonen, der Fällungszonen bei Kolloiden entsprechend, anzunehmen hat. Stimulierende Effekte von AI sind mehrfach be- schriebenen). Wachstumshemmung durch AI-Salze bei Bacterien gibt Aufrecht (12) an. Verringerung des Keiraperzents von Samen bei Ap- plikation von Tonerde fand Micheels(13). Lanthan und Yttrium ver- halten sich nach Fluri in ihren Wirkungen dem AI ganz analog. Lanthan stimuliert Bacterien Wachstum (14). 1) F. Dienert, Compt. rend., 136, 707 (1903). — 2) G. Bertkand u. Ja- villier, Compt. rend., 152, 900 (1911). M. Javillier. Ebenda (9. Dez. 1907). B. SILBERB2RG, BuU. Torr. Bot. GL, jö, 489 (1909). P. Eurlnberg, Landw. Ver- Buchsstat., 72, 15 (1910). Naturf. Ges. (1908), 2, (T), 142. — 3) Javillier, Compt. rend., 155, 190 (1912); Bull. Sei. Pharm., 19, 513. — 4) Javillier, Corapt. rend., 154, 383 (1912). — 5) Th. Bokorny. Zentr. Bakt., 35, 152 (1912). — 6) Javili.ier, Orig. Com. 8th Int. Congr. Appl. Chem. New York, 15, 145 (1912). — 7) Cadmium: Molisch, Wien. Ak. (1893), /, 572. Kuop, 1. c. (1885). Für Hefe: Th. Bokorny, Zentr. Bakt., 55, 152 (1912). — 8) M. Flurl Flora, 99, 81, 1908) — 9) J. Szücs, Jahrb. wiss. Botan., 52, 271 (1913)r — 10) G. R. Mines, Journ. of Physiol., 42, 309 (1911). — 11) J. Stoklasa, Compt. rend., 152, 1340 (1911). A. Hebert, Ebenda (29. Juli 1907). — 12) Aufrecht, Botan. Zentr., 87, 113 (1901). — 13) H. MiCHEELS u. P. DE Heen, Bull. Ac Roy. Belg. (1905), p. 520. Y. Yamano, Bull. Coli. Agricult. Tokyo 6, 429 (1905). - 14) Tuberkelbacillus : A. Frouin. Soc. biol., 72, 10S4 (1912). ^g2 Drittes Kapilel: Chemische Reizwirkungen. Stimulierende Wirkungen sind von den Metallen der ErdmetaJl- reihe mehrfach bekannt geworden. So berichten Dryfuss und Wolf(1) über die mit zunehmendem Atomgewicht steigende Wirkung der Chloride) von Lanthan, Praseodym und Neodym, Albertoni, Garelli und Bar- BIERI (2) über die bactericide Wirkung der Cersalze, Hebert (3) über die Effekte von Aluminium, Lanthan und Cer auf Aspergillus, und Böttcher (4) über das Didyra. Nach Bokorny (5) sind Gero- und Ceri-Verbindungen für Mikroben zieroHch stark, toxisch, hingegen für Algen nur schwache Gifte. Bei Phanerogamen fand A30(6) kein ausgesprochenes Ergebnis mit Geri- sulfat. Samarium ist nach Frouin ein Stimulans für Tuberkelbacillen. Die Kationen der Eisengruppe wirken in sehr geringen Kon- zentrationen allgemein typisch stimulierend. Für das Eisenchiorid gibt Bokorny (7) als untere Wirkungsgrenze etwa 1 : 100 000 an. Eisen- vitrioldüngung hat auch in Feld- und Topfversuchen bei Phanerogamen deutliche Stimulationsvvirkungen auf das Wachstum ergeben, wie aus den Resultaten von Katayama, Uchiyama und N\zari(8) hervorgeht. Die Essiggärung aber wird nach Rothenbach und Hoffmann (9) jedoch weder durch Ferro- noch durch Manganosulfat beschleunigt. Größere Eisenkonzentrationen erzeugen leicht Wachstumsbemmungen, wie u. a. A. Mayer (10) sie beschrieben hat. Das komplexe Ferrocyanion im Ferrocyankalium kann nach Suzuki (11) in wässeriger Nährlösung bei grünen Phanerogamen nicht als Eisenquelle zur Verhütung der Chlorose dienen. In Topfkulturen, wo es im Bodensubstrate gespalten wird, scheint es jedoch die Chlorose zu heilen. Immerhin hemmt es gleichfalls, in größeren Dosen angewendet, das Wachstum [Knop(12)]. Das in den rohen Humussäuren enthaltene Eisen soll nach Remy und RösiNG(l3) auf das Wachstum von Azotobacter Reizwirkungen ausüben. Reizwirkungen von sehr kleinen Mengen Ferrocyan wurde von Loew und KozAi(l4) wohl bei Prodigiosus beobachtet, jedoch nicht bei anderen Bacterien. Die Wirkung von kolloidalem Eisen auf Mikroben wurde durch FoA und Aggazzotti(15) studiert. Bei Aspergillus scheint das Eisen noch eine spezielle Wirkung auf die Erzeugung des dunklen Conidienpigmentes zu besitzen, welches nach den Angaben von Li- NossiER(16) sich durch Eisengehalt auszeichnet. Durch Eisenmangel wird die Conidienbildung unterdrückt und durch Eisendarreichung wieder hervorgerufen, wobei jedoch nach Sauton (17) der Einfluß des Luftsauer- stoffes in Betracht kommt, da sich die Sporen zuerst an jenen Stellen 1) B. J. Dryfuss u. C G. Wolf, Amer. Journ. Physiol., i6, 314 (1906). Für Bacterien: Frouin, Soc. Biol., 72, 1034 (1912). — 2) Albertoni, Garelli u. Barbieri, Biochera. Zentr., 5, 460 (1905). — 3) A. Hebert, Compt. rend. (29. Juli 1907). — 4) BÖTTCHER, Zentr. Bakt. II, 16, 272 (1906). — 5) Th. Bokorny, Chem.-Ztg., 18, 89 (1894). Für Hefe: Zentr. Bakt., J5. 152 (1912). Drossbach, Zentr. Bakt. I, 2/, 57 (1898). Frouin, 1. c. (1912). — 6) K. Aso, Bull. Coli. Agrie. Tokyo, 6, 143 (1904). — 7) Th. Bokorny, Chem.-Ztg., 29, 1201 (1905). — 8) T. Katayama, Bull. Coli. Agric. Tokvo, 7, 91 (1906). S. Uchiyama, Bull. Imp. Centr. Agr. St. Japan, /, 37 (1907). V. Nazari, Rend. Acc. Line. Roma (II), 19, II, 361 (1910). — 9) F. Rothenbach u. W. Hoffmann, Dtsch. Essi^industr., //, 125 (1907). — 10) A. Mayer, Journ. f. Landwirtsch., 40, 19 (1892). — 11) S. Suzuki, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 203, 517 (1903). — 12) Knop, Ber. Sachs. Ges. Leipzig, 35, 39 (1885). — 13) Th. Remy u. G. Rösing, Zentr. Bakt. 11, 30, 349 (1911). — 14) O. LoEW u. Y. KozAi, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 137 (1903). — 15) C FoA u. A. Aqgazzotti, Biochem. Ztsch., 19, 1 (1909). — 16) G. Linossier, Compt. rend., 151, 1075 (1910). — 17) B. Sauton, Ebenda, p. 241 (1910). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 183 bilden, welche mit der Luft in Berührung stehen. Für Hefe ist Ferro- sulfat nach Bokorny nicht besonders schädlich. Eine besonders reiche Literatur knüpft sich an die Wirkungen des Mangans an. Wie Loew in Gemeinschaft mit Sawa, Aso und Nagaoka(I) dargetan hat, wird das W^achstum von Phauerogamen durch Manganosalze un- verkennbar stimuliert. Dies ist durch zahlreiche neuere Arbeiten bestätigt worden. Die Wirkung ist jedoch nicht bei allen Pflanzenaiten gleich stark, denn Takeuchi (2) fand bei Topfkulturen von Spinacia 41 ^Iq Mehrertrag, bei Pisum 19,4 7o und Hordeum 5,3 7o- Nach Bertrand (3) erhält man in Feldkultur von Pisum, Hordeum, Raphanus 10— 20% Mehrertrag b-^i Darreichung von Mangan, während Pfeiffer und Blanck(4) eine prak- tische Bedeutung von Mangandüngung in Abrede stellen. Acqua(5) gibt an, daß spezifische Wirkungen des Mangans (wie bei Thorium und Uran) auf die Kernstoffe und Kernteilung anzunehmen seien. Daß auch kolloidale Manganmetallösung stimulierend wirkt, zeigte Micheels(6). Nach den Feststellungen von Salomone(7) steigerte sich die Wirkung auf Triticum und Phaseolus bei den drei lonenarten, welche das Mn bildet: Mangano-Ion Mn"*. Mangani-Ion Mn"" und Permanganat-Ion MnO/, in der angegebenen Reihenfolge. Das Ion MnO^' ist das wirksamste. Bei der Wirkung von KMnO^ auf Typhusbacillen liegt nach Garner und King (8) die Grenze bei 1/408 normal. MnS04 erzeugt nach hier gemachten Versuchen bei Verdünnungen von 1 Mol auf 3000 — 6000 1 ausgeprägte Stimulation; die Grenzen dürften von jenen bei ZnSO^ nicht merklich abweichen, doch äußert Zn' bei zunehmender Konzentration früher Hemmungen. Bertrand und Javillier(9) berichten bezüglich Aspergillus über ähnliche Resultate; hier tritt Stimulation bei Anwen- dung von 1 mg bis 2 g MnS04 auf 100 ccm ein. Javillier(IO) illu- striert die Wirkung des Mangans durch seinen „Nützlichkeitskoeffizienten" bei Aspergillus. Die Wirkung des Mangans ist 1000000, wenn die Wirkung von Zn 100000, von Mg 2700, von S 653, P 322, K 61 und N 22 ist. Schon 1 mg Mangansalz auf 10000 1 zeigt stimulierende Wirkung (11). Die Hauptrolle scheint in der Begünstigung der Conidien- bildung zu liegen. Zn und Mn, gleichzeitig dargereicht, sind kumulativ wirksam (12). Hefe wird nach Bokorny durch 3% MnSOi noch nicht getötet. Für die Beurteilung der Manganwirkung wären genauere quanti- tative Vergleiche mit den Eisenwirkungen erwünscht, die heute noch fehlen. Nicht ohne Interesse ist die im hiesigen Institute von Hel. Nothmann gemachte Erfahrung, daß die MnS04-Wirkung bei höherer Temperatur (38'^) offenbar nicht in demselben Verhältnis steigt wie die 1) O. LoEW, Flora, 91, 264 (1902). Loew u. Sawa, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 161 (1902). Aso, Ebenda, p, 177. M. Nagaoka, p. 467 u. 7, 77 (1906). O. Loew, Ebenda, ö, 161 (1904). J. Gössl, Beihefte botan. Zentr., 18, I, 119 (1904). G. Masoni, Staz. spar. agr. ital., 44, 85 (1911). W. F. Sutherst, Botan. Zentr., /;/, 320 (1909). — 2) T. Takeuchi, Journ. Coli. Agric. Tokyo, /, 207 (1909). — 3) G. Bertrand, Orig. Com. 8^^ Int. Congr. Appl. Chem. New York, 15, 39 (1912). — 4) Th. Pfeiffer u. Blanck, Landw. Versuchsstat., 77, 33 (1912). — 5) C. ACQUA, Arch. Farm, sper., 14, 81 (1912). — 6) H. Michefxs u. P. de Heen, Bull. Ac. Roy. Belg. (1906), p. 288. — 7) G. Salomone, Staz. sper. agr. ital., j5, 1015 (1906); 40, 391 (1907). — 8) J. B. Garner u. W. E. King, Amer. Chem. Journ., 35, 144 (1906). — 9) G. Bertrand u. Javillier, Compt. rend-, 152, 225, 900 (1911). Bull. Sei. Pharm., 18, 65 (1911); vgl. auch Compt. rend., 141, 1255 (1905). — 10) Javillier, Compt. rend., 155, 190 (1912). — 11) G. Bertrand, Ebenda, 154, 381, 616 (1912). — 12) Bertrand u. Javillier, Ann. Inst. Pasteur, 26, 515 (1912). 2g4 Drittes Kapitel: Chemische Reiz Wirkungen. Wirkung von Alkohol, weil die Entgiftung von verdünntem Alkohol durch gleichzeitig dargereichtes MnSO^ bei höherer Temperatur be- deutend weniger markiert ist als bei Zimmertemperatur. Es wäre mög- lich, dies dahin zu deuten, daß das Mn** die Wirkung von oxydierenden Fermenten unterstützt, welche bei der höheren Temperatur jedoch rasch zerfallen. Bereits Loew(1) hat versucht, die Erfahrungen, welche hin- sichtlich des Mangangehaltes von Oxydasen gemacht worden sind, all- gemein zur Theorie der Manganwirkung heranzuziehen. Manchmal scheint das Mn eine Mehrproduktion von Chlorophyll hervorzurufen (2). Die wichtigen Reizwirkungen auf die Atmung berührt Montemartini(3). Adsorption von kolloidalen Mn-Verbindungen (MnOg?) bei Darreichung von Mangansalzen in den Zellmembranen konnte Molisch (4) an der tiefen Bräunung der Membranen von Wasserpflanzen (Elodea) bei Be- lichtung der Kulturgläser konstatieren. Die Verbindungen von Chrom bieten chemisch manche Analogien mit den Manganverbindungen und man kann physiologische Wirkungen von den Chromionen in ähnlicher Weise erwarten, wie sie beim Mangan sich ergeben. In der Tat sind nach P. KOENIG (5) die Ionen des Chroms in der Reihe Cr" <;^ Cr"" v Orthokresol '/soo " •' " + lNaOH 7,„„ „ „ „ Metakresol V«oo " » " + 1 NaOH 7,00 „ .. n Parakresol 7i6oo " • " + 1 NaOH 7,eoo » „ „ Carvacrol 73,00 .. - » 1) H. Hammerl, Hyg. Rdsch., p, 1017 (1899). C. N. Mo Bryde, Chem. Zentr. (1907), //, 1435. H. Schneider, Arch. Hyg., 67, 1 (1908). — 2) Thymol: L. LEwm, Zentr, med. Wiss. (1875), Nr. 21. C. Guillaümin, Bull. Sei. Pharm., /7, 373 (1910). E. W. Schmidt, Ztsch. physiol. Chem., 07. 412 (1910). — 3) Bo- korny, Chem. -Ztg., 20, 963 (1896). ~ 4) H. Bechhold, Ztsch. angewandt. Chem., 22, 2033 (1909). H. Schneider, Ztsch. Hyg., 52, 534 (1906). — 5) H. W. IIarvey, Ann. of Bofcan., 23, 181 (1901). — 6) R. H. True u. C. G. Hunkel, Botan. Zentr., 76, 289 (1898). — 7) C. Wehmer, Chera.-Ztg. (1897), p. 73. - 8) Bokorny, Pflüg. Arch., 64, 306 (1896). — 9) Th. Carnelley u. W. Frew, Journ. Chem. Soc, 57y 636 (1890). Harvey, 1. c Carbolsäure 7,00 Mol pro Liter Carbolsäure + 1 NaOH V400 >. -- " + 1 NaCl V.oo .. '. '. + 2 NaCl V400 V V ,. + 3 NaCl V400-\'800Molp.L. Pyrocatechol 7800 Mol pro Liter Resorcin 7,00 V -. .. + 1 NaOH /4CO " '' " + 2 NaOH V«00 " " . Hydrochinon V1600 . -> . Nitrobenzol 1:3200 Mol pro Liter Anisol 1:400 Guajacol 1:800 „ „ „ Orcin 1:400 „ „ „ SalicylBäure 1:6400 „ „ „ 206 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Carvacrol + 1 NaOH ^/^^^ Mol pro Liter Thymol 7«2oo " •• >• „ +lNaOH V,,„o „ ., „ Orthonitrophenol Vi>5oo >' •> " „ + 1 NaOH 7,2,, ,. „ „ Paranitrophenol 1 : 6400 ., „ ,, Natriumsalicylat 1 : 100 bei 1 : 200 M. p. L „ + 1 NaOH 1 : 6400 „ ,. „ Methylsalicylat 1 : 1600 Mol pro Liter Trinitrophenol 1:3200 „ „ „ „ + INaOH 1:800 ., „ ,. Reizwirkungen auf das Wachstum kommen auch dem Tannin und vielen Gerbstoffen zu, obgleich Tannin eine sehr gute Kohlenstoff quelle für Schimmelpilze darstellt, ebenso wie Gallussäure. Bacterien können schon durch 0,5 % Tannin stark gehemmt werden; Algen werden durch 1 % geschädigt, Kartoffeltriebe durch 0,5—2,5 % gehemmt (1). Wehmer (2) hebt hervor, daß das Wachstum von MeruUus lacrimans durch 1 % Tannin gehemmt wird, woraus sich die Resistenz gerbstoffreicher Hölzer, wie Eichenholz, gegen den Hausschwamm erklären läßt. Anilinwasser {20%ig) hemmt Bacterienwachstum (3), während AcetaniUd nur wenig wirksam ist (4). Saccharin hat wachstumshemmende Wirkungen; es läßt zu 0,2% noch Vermehrung der Essigbacterien zu und hemmt zu 1 % deren Wachs- tum, während für Penicilhum die Grenzkonzentration höher liegt (5). Phenyl- propiolsaures Natron wirkt zu 1 % stark bactericid (6). Cumarin und VaniUin hemmen das Wachstum von Weizenkeimhngen und diese Wirkung kann durch Oxydationswirkung von Bodenbestandteilen auf diese Stoffe aufgehoben werden (7). Chinon (Benzochinon) ist allgemein auch in starker Verdünnung sehr giftig (8). Maltol ist für Hefe schwach hemmend (9). Naphthalin, noch mehr a- und /5-Naphthol, wirken auf Bacterien sehr stark ein; a-Naphthol hemmt noch zu ^/ioqqq Milzbrandbacillen (10). Auch das naphtholsulfosaure Aluminium („Alumnol") hemmt Mikroben schon zu 0,01 %(11). Furfurol hemmt Hefe zu etwa 0,3% Grenzwert (12). Die Dämpfe von Pyridin und seinen Homologen sind für Bacterien sehr giftig(13), und auch Chinolin (0,2%ig) wirkt toxisch. Thalhnsulfat hemmt zu 0,5% (14), Kairin und Antipyrin entfalten beide starke Reizwirkungen auf das Wachstum. Bei den Teerfarbstoffen tritt die enorme Adsorptionsfähigkeit zu den spezifischen chemischen Wirkungen der einzelnen Stoffe (Methylgrün, Methylviolett, Pyoctanin u. v. a.)- in dem Maße verstärkend auf, daß schon Verdünnungen von 1 : 1 MiUion Liter in längerer Zeit töten können. Dabei hat man in der fortschreitenden Färbung der Zellen oft ein be- quemes Mittel, um die tatsächliche Stoffaufnahme zu kontrollieren (15). Wie sehr die Adsorption hier in Betracht kommt, kann man dadurch zeigen, daß mehrwertige Ionen die Farbstofflösungen innerhalb be- 1) Walliczek, Zentr. Bakt., 15, 891 (1894). G. Ai.bo, Nuov. Giorn. bot. Ital., // (1904). — 2) C. Wehmer, Mycolog. Zentr., /, 138 (1912). — 3) Riedlin, Diss. (München 1887). — 4) Lepine, Just (1887), /, 380. — 5) Macheleidt, Woch.schr. Brauerei, 15, 365 (1898). — 6) Y. KozAi, Bull. Exp. Stat. Tokyo (1906), /, 1. — 7) O. Schreiner u. Skinner, Botan. Gaz., 54, 32 (1912). — 8) T. Fü- ruta, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 4, 407 (1902). — 9) Will, Ztsch. gee. Brauwesen, 21, 307 (1898). — 10) Bouchard, Flügge, Mikroorganismen, /, 472. MAXiMOwrrsCH, Compt. rend. (1888). — 11) Heintz u. Llebrecht, Ber. Chem. Ges., 25, 1158 (1892). — 12) Will, Ztsch. ges. Brauwesen, 25, 33 (1902). — 13) Falkenberq, Just (1891), p. 449. — 14) Schultz, Zentr. med. Wiss. (1886), p. 113. — 15) Vgl. Th. Bokorny, Pflüg. Arch., iio, 174 (1905); Chem.-Ztg., 30, 217 (1906); Zentr. Bakt. II, 35, 191 (1912). Grundlegend war Pfeffer, Unters. Bot. Inst. Tübingen, //. Für Tiereier vgl. E. Cooke u. L. Loeb, Biochem. Ztsch., 20, 167 (1909). S. G. Kriegler, Zentr. Bakt. I, 59, 481 (1912). C. Revis, Proceed. Roy. Soc, 85 B., 192. § 8. Wachstumsreize durch Kohlenstoffverbindungen. 207 stimmter Grenzen entgiften (1). Infolgedessen sind oberflächenaktive Farbstoffe sehr häufig, jedoch nicht immer von starker Wirkung; Zusatz von Natriumcarbonat verstärkt die Wirkung in manchen Fällen (2). Be- sonderes Interesse beanspruchen die von Tappeiner (3) aufgefundenen „photodynamischen Wirkungen" der fluorescierenden Farbstoffe, welche die Eigentümlichkeit zeigen, daß sie sich nur im Lichte äußern und im Dunklen ausbleiben. Zweifellos handelt es sich um Wirkungen, welche den „sensibilisierenden Effekten" fluorescierender Farbstoffe anzureihen sind (4). Da ferner Gegenwart von Sauerstoff eine unentbehrliche Be- dingung zum Zustandekommen der photodynamischen Wirkungen dar- stellt (5), so müssen Oxydationsprozesse bei diesen Effekten im Spiele sein, Protozoen (Paramaecium, Amoeba) sind zu solchen Versuchen ge- eigneter als Bacterien, Pilze oder Algen. Methylenblau, Eosin, Dichlor- anthracendisulfonsäure, anthrachinondisulfosaures Natron geben die Reak- tion am stärksten, in Lösungen von 1 Mol : 2000—10000 1. Es ist unbedingt nötig, den Farbstoff der Kulturflüssigkeit zuzusetzen, und es tritt keine Wirkung ein, wenn das Licht nur eine Schicht des betreffen- den Farbstoffes passiert (6). Hingegen ist, sobald gleichzeitig Farbstoff in der Kulturflüssigkeit vorhanden ist, die Lichtwirkung dieselbe, wenn man eine Schicht des Farbstoffes als Filter verwendet; Rubinglasfilter heben die Wirkung auf (7). Da Eosin bei Paramaecium die Wirkung äußerst rasch herbeiführt, so meint Tappeiner (8), daß bei diesem Farbstoffe schon eine Aufnahme in die äußersten Plasmaschichten ge- nüge; bei anderen Stoffen dauert die Sensibilisierung viel länger. Wenn zwei fluorescierende Farbstoffe gleichzeitig im Tierkörper ultravioletten Strahlen ausgesetzt werden, so können sich die Wirkungen entweder verstärken oder schwächen (9). Daß bei der kombinierten Wirkung mit Alkohol eine Verstärkung eintritt, wurde bereits erwähnt (10). Die Terpene und andere in ätherischen Ölen der Pflanzen ent- haltene Substanzen pflegen starke Reizwirkungen auf das Wachstum auszuüben. Terpentinöl hemmt schon zu V75000 (Koch), Terpentinhydrat zu 0,1 % nach Behring. l%ige Terpentinölemulsion hemmt stark. Aber auch Abietinsäure ist nach Effront (11) sehr merkhch auf Mikroben wirk- sam. Bezüghch der ätherischen Öle stellte Coupin (12) Versuche an, indem er Weizenkeimlinge den Dämpfen dieser Stoffe aussetzte ; sowohl Stimulationen als Hemmungen, als auch rasche letale Effekte wurden beobachtet. Nach K0BERT(13) dürfte bei der antiseptischen Wirkung ätherischer Öle jedoch die Wirkung der Terpene nicht im Vordergrunde stehen. Übrigens gehen bei 1) Vgl. J. Szücs, Jahrb. wiss. Botan., 52, 85 (1912). — 2) J. Traube, Biochem. Ztsch., 42, 496 (1912); DeutRcb. med. Woch.schr. (1912), Nr. 31. H. Tscherno- RUTZKY, Biochem. Ztsch., 46, 112 (1912). — 3) H. v. Tappeiner, Zentr, Phvsiol. (1900), p. 162; München, med. Woch.schr. (1900), p. 5; (1904), p. 1096; Arch.'klin. Med., 82, 217 (1905); 86, 466 (1906); Ebenda, p. 478. Asher-Spiro, Ergebnisse d. Physiol, 5, 698 (1908). H. v. Tappeiner u. A. Jodlbauer, Die sensibil. Wirkung fluoresc. Subst. (Leipzig 1907). Tappeiner in Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth. III, 2, 1171 (1910). — 4) B. Hannes u. A. Joplbauer, Biochem. Ztsch., 21, 110 (1909). O. Hanssen, Kgl. Akad. Kopenhagen (1908), p. 113. — 5) A. Jodlbauer u. v. Tappeiner, Arch. klin. Med., 82, 520 (1905). — 6) H. Huber, Aroh. Hyg., 54, 52 (1905). — 7) E. Mettler, Ebenda, 53, 2 (1905). — 8) H. V. Tappeiner, Biochem. Ztsch., 12, 290 (1908). — 9) A. Perutz, Wien. klin. Wochschr. (1912), Nr. 2. — 10) J. Szücs u. B. Kisch, Ztsch. Biol., 5S, 558 (1912). — 1.1) J. Effront, Compt. rend. (22. April 1903). — 12) H. Coupin, Compt. rend., 151, 1066 (1910); 152, 529 (1911). — 13) K. Kobert, Chem. Zentr. (1907), /, 419; (1907), //, 1257. 2Qß Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. ätherischen Ölen die narkotische (hemmende) und die bactericide (letale) Wirkung durchaus nicht immer parallel (1). Auf die ältere Detailliteratur (vgl. I.Auflage, 11,927) kann hier nicht eingegangen werden. Reizwirkungen von Kampfer, stimulierende Wirkungen auf die Keimung usw. sind schon seit geraumer Zeit bekannt (2). Senföl hemmt nach Koch Milzbrandbacillen bereits zu 1 : 330 000; auch Benzylsenföl ist sehr giftig (3). Unter den basischen organischen Stoffen wirken sehr viele als Wachstumsreize, vor allem die Pflanzenalkaloide, aber auch die Salze mancher aromatischer Amine (Diphenylamin, Naphthylamin), welche nach Lutz (4) recht giftig sind und kein Wachstum gestatten. Die Giftwir- kungen der natürlichen Pflanzenalkaloide können hier nur im allgemeinen behandelt werden, ohne auf die Spezialliteratur erschöpfend einzugehen. In der Eigenschaft bereits in hochgradiger Verdünnung binnen längerer Zeit zu wirken, verrät sich die ausgeprägte Adsorption dieser Stoffe durch die Zellsubstanzen. Wir werden es auch daher begreifen, wenn Gegenwart von Salzen, besonders mehrwertiger Metallionen die Alkaloid- wirkung merklich herabsetzt (5). Andererseits läßt sich durch Beigabe von Natriumcarbonat die Alkaloidwirkung in der Regel steigern (6). Dabei kommt einmal eine Erhöhung der Oberflächenaktivität, dann aber auch die starke Lipoidlöslichkeit der freigemachten Basen in Betracht. Da man vielfach diese Adsorptionseinflüsse nicht beachtet hat, so divergieren die Angaben der Grenzwerte in der Literatur. Immerhin kann man sagen, daß Chinin, Strychnin auf Bacterien stark wirken, ebenso Atropin, weniger Morphin. Nach Ssadikow(7) vertragen Staphylocokken und Schimmel- pilze 2% Strychnin, während andere gegen weniger als 0,5% nicht mehr resistent sind. Oft beobachtet man Verlust der Pigmentbildung und Hinderung der Gärwirkung. 1% essigsaures Strychnin tötet nach Loew Schimmelpilze noch nicht, in 1% Morphinchlorhydrat findet noch Wachs- tum statt; die Conidien keimen nicht mehr in 0,25% salzsaurem Chinin. Daher kann es vorkommen, daß in manchen Alkaloidlösungen noch kümmerliche Mycelflocken ausgebildet werden. Für Euglena und Phacus ist 0,05% Strychninsalz erst nach längerer Zeit schädlich (8). Cocain und Veratrin sind allgemein heftig wirksam. Auf Vorticellen wirkt Strychnin am stärksten, dann Veratrin, Atropin, Cocain, am wenigsten Morphin (9). Zu beachten bleibt, daß der Lipoidgehalt der Zellen bei Verabreichung der typisch fettlöslichen Alkaloide ebensowenig außer Einfluß bleiben kann, wie bei der Narkose, und eventuell dürften individuelle Differenzen zwischen Zellen einer Kultur durch derartige Verhältnisse zu verstehen sein (10). Säuregegenwart schwächt die Alkaloidwirkungen wohl allgemein ab, während Alkaligegenwart dieselben erhöht (11). Die Wirkungen des viel untersuchten Chinin (12) sind nach Tappeinee(13) an 1) R. Greinitz, Sitz.ber. Naturf. Ges. Rostock, 4 (1913). — 2) R. Bürger- STEIN, Zoolog. Botan. Ges. Wien (1884). Landw. Versiichsstat. (1881), p. 1. — 3) Beijerinck, Zentr. Bakt. (1900), p. 72. — 4) L. Lutz, Ann. Sei. Nat. (7), /, (1899). — 5) M. V. Eisler u. L. v. Portheim, Biochem. Ztsch.. 2/, 59 (1909) J. Szücs. Jahrb. wiss. Botan., 52 (1913). — 6) H. TacHERNORüTZKy, Biochem. Ztsch., 46. 112 (1912). J. l^AUBE, Ebenda, 42, 470 (1912). — 7) W. Ssadikow, Zeotr. Bakt., öd, 417 (1912). — 8) Klebs, Organisation einiger Flageliatengrupp — 7) L. Marx, Österr. bot. Ztsch., 61, 49 (1911). — 8) H. MÖLLER, Land- .aürb., /j, :67 (1884). Frank, Pflanzenkrank- heiten, /, 271 (1895). — 9) S. i^EMSTRÖM, Elektroknltur (Berlin 1902). — 10) E. Laurent, Compt. rend., 137, 689 (1903). — 11) Vgl. hierzu Pfeffer, Phy.siologie, 2. Aufl., //, 251 (1901). 21g Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Gallbildungen, Cecidien, anderweitige Deformationen durch parasitische Pilze usw. abgesehen werden. Die Annahme von Beijerinck (1), daß von dem Galhnsekt sezernierte Reizstoffe den Anlaß zu den oft so mächtigen Gewebswucherungen geben, welche seitens der Pflanze als Gallen um das abgelegte Ei herum gebildet werden, ist in der Tat sehr wahrscheinhch ; doch ist es gänzüch unbekannt, welche Substanzen etwa in Frage kommen könnten. Für die biochemische Behandlung ist dieses Thema kaum reif, noch weniger die anderen durch mutuaUstische und feindliche Wechsel- wirkungen verschiedener Tiere und Pflanzen erzeugten formativen Reiz- erfolge, über welche die leitenden physiologischen Gesichtspunkte durch Pfeffer (2) ausführlich entwickelt worden sind. § 10. Chemische Reizerfolge beim Befruchtungsvorgange. Die großen Erfolge der morphologisch-histologischen Methodik auf dem Gebiete jener Vorgänge, welche sich bei der Vereinigung der männlichen und weiblichen Geschlechtszelle abspielen und die schließlich zur Entwicklung des Embryos als Produkt der Vereinigung führen, haben es mit sich gebracht, daß andere Untersuchungsmethoden bis in die neueste Zeit wenig in Aufnahme gekommen waren. Wie die Studien zahlreicher Forscher, ihnen voran Hertwig und Boveri auf zoologischem, Strasburger auf botanischem Gebiete gezeigt haben, bietet der Be- fruchtungsvorgang histologisch ein außerordentlich merkwürdiges und kompliziertes, in seinen wesentlichen Grundzügen sehr gleichförmig bei Tier und Pflanze wiederkehrendes Bild dar, in welchem die Zellkerne, deren Chromosomen, die dominierende Rolle spielen, so daß Hertwig (3) die Stoffe der Chromosomen, die Nucleoproteide als das wichtigste Agens bei der Übertragung der erblichen Eigenschaften auf die Tochtergene- ration ansprach. Doch zeigt die von Boveri und Strasbürger stu- dierte wichtige Rolle der Centrosomen und des Kinoplasmas, daß der Befruchtuugsprozeß nicht von einem einzigen Faktor allein abhängt, sondern daß er ein kompliziertes System von Reizphänomenen darstellt, von denen wir bisher den kleinsten Teil kennen. Daß chemische Reizerfolge, ausgelöst durch Stoffe der Samenzellen, bei der Befruchtung in Frage kommen, konnte erst in jüngster Zeit durch exakte Forschungen näher belegt werden. Folgenreich war namentlich die Entdeckung, daß unbefruchtete Eizellen durch verschieden- artige chemische Reizungen zur parthenogenetischen Weiterentwicklung angeregt werden können. Während die Versuche von Hertwig, Morgan, Herbst und anderen Forschern (4) sich meist kleiner Giftmengen als Reizstoffe bedienten, jedoch hierbei eine parthenogenetische Entwicklung von Tiereiern nicht über die ersten Teilungsstadien hinaus erreichen 1) Beijerinck, Botan. Ztg. (1888), p. 20. — 2) Pfeffer, 1. c, //, p. 209 ff . — 3) O. Hertwig, Jeuaische Ztsch. Naturwiss., i8, 2 (1885). — 4) O. u. R. Hert- wig, Zelle u. Gewebe, /, 289. Morgan, Arch. Entwickl.mech., 8, 448 (1899). Dewitz, Biol. Zentr., 7, 93 (1887). K. Herbst, Mitteil. zooIog. Stat. Neapel, 16, 445 (1905). A. P. Mathews, Amer. Journ. Physiol., 18, 39, 89 (1907). Y. Belage, Compt. reod., 140, 1275; 141, 1201; 145, 218, 448, 541, 735; 147, 553; 148, 453; 149, 890. ZUNTZ, Zentr. Physiol., 22, 710 (1908). § 10. Chemische Reizerfolge beim Befruchtungevorgange. 219 konnten, zeigte 1899 Loeb(1), wie man die Eier des Seeigels Arbacia bis zum Pluteusstadium zur parthenogenetischen Weiterentwicklung bringen kann, wenn man sie auf mehrere Stunden in eine ''78 m-Lösung von MgClg in Seewasser legt. Da sich das MgClg durch viele andere Stoffe von passender Konzentration (wobei die Ionisierung keine Rolle spielt) ersetzen läßt, so kann es sich nur um osmotische Reize durch das hypertonische Außenmedium handeln. Später ließ sich diese Methode noch dadurch verbessern, daß man den OH'-Gehalt des Seewassers be- achtete und eine Vorbehandlung der Eier mit stark verdünnten Fett- säuren (Buttersäure) einschob. Letztere Behandlung ermöglicht eine sichere und normale Bildung der „Befruchtungsmembran" an den Eiern. Aber auch Sauerstoffmangel, Behandlung mit Cyankalium oder mit art- fremdem Serum vermag als Entwicklungsreiz zu dienen (2). Auf die Speku- lationen LoEBS, welcher auf die Nucleinsynthese bei der Furchung und auf die intensiven Oxydationsprozesse im befruchteten Ei besonderes Gewicht legt, soll hier noch nicht eingegangen werden, weil sich bei pflanzlichen Objekten voraussichtlich differente Verhältnisse ergeben werden. Die botanische Forschung wird auch die natürlich vorkommenden Fälle der Neigung zur Parthenogenesis näher zu berücksichtigen haben. Bei manchen Sapro- legnien kommen kaum jemals Oogonien zur Befruchtung, und sie ent- wickeln sich trotzdem regelmäßig und normal weiter. Aber selbst bei höheren Pflanzen hat sich durch neuere Forschungen Parthenogenesis häufiger ergeben, als man noch bis vor kurzem angenommen hatte. Eine Neigung zur Parthenogenesis unter bestimmten Lebensbedingungen liegt jedoch auch vor, wenn sich in Spirogyrafäden bei Einwirkung von Zucker- oder Salzlösungen Förderung von Parthenosporenbildung zeigt [Klebs (3)]. In allen diesen Fällen mögen gewisse Hemmungen für die Entwicklung mehr oder weniger wegfallen, die sonst in den Fällen, wo natürliche Parthenogenesis nicht vorkommt, vorhanden sind. Loeb(4) hat die An- sicht geäußert, daß in den Fällen normal stattfindender Parthenogenesis der Reifungsprozeß selbst Stoffe produziert, welche analog den oben an- geführten osmotischen und chemischen Reizursachen eine Weiterentwick- lung der Eier ohne Befruchtung veranlassen. Loeb führte sodann den interessanten Nachweis, daß man den schon nach wenigen Stunden in Seewasser erfolgenden Tod unbefruchteter reifer Seesterneier aufhalten kann, wenn man den geringen Gehalt des Seewassers an OH-Ionen durch etwas Säurezusatz äquilibriert. Die Eier vollenden dann ihre normale Reifung, ohne daß sie getötet werden. Loeb meint deshalb, daß der normale Reifungsprozeß der Eier ein Vorgang ist, welcher zum Tode führt, wenn nicht die Befruchtung oder ein derselben analog wir- kender Reiz diese Vorgänge paralysiert. Wenn unreife Eier auf geringe Mengen von H-Ionen mit Reifungseinstellung, reife Eier hingegen aber im Gegenteil mit parthenogenetischer Weiterentwicklung antworten, darf man daraus entnehmen, daß die Reizstimmung in verschiedenen Aus- 1) J. Loeb, Amer. Journ. Physiol., j, 434; 4, 178, 423 (1901); Pflüg. Arch., 103, 257 (1904); Studies in General Physiol. (Chicago 1905); Ztsch. physikal. Chera., 70, II, 220 (1910); Zentr. Physiol., 21, 130 (1907); Pflüg. Arch., 118, 181 (1907); Ebenda, p. 572; Cham. Charakter des Befruchtungsvorgange.s (1908); Biochem. Ztach., /, 183 (1906); 2, 34 (1906); Chem. Entwicklungserreg. d. lier. Eies (Berlin 1909): Methodik in Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth. III, 2, 1179 (1910). — 2) Loeb, Pflüg. Arch., 122, 196, 448 (1908); Arch. Entwickl.mech., 30, 44 (1910); Pflüg. Arch., 113, 487 (1906); 118, 30(1907). — 3) Klebs, Beding, d. Fortpfl. (1896), p. 245. — 4) J. Loeb, Pflüg. Arch., 93, 59 (1902). 220 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. bildungsstadien nicht gleich ist. Will man Loebs obige Auffassung der natürlich stattfindenden Parthenogenesis aufrecht erhalten, so muß an- genommen werden, daß die wirksamen Stoffe hier nur auf die reifen Eizellen einzuwirken vermögen. Wie jeder ontogenetische Entwicklungs- prozeß, so ist auch die Ausbildung der Eizelle und ihre Entwicklung zum Embryo ein außerordentlich verwickeltes Wechselspiel zwischen reagierendem Organismus und äußeren Reizen, welches durch die variable Reaktionsfähigkeit des ersteren Aufhellungsversuchen große Schwierig- keiten entgegenstellt. Das Gelingen künstlicher Parthenogenesis durch chemische Reize fordert natürlich auf, die Möglichkeit zu prüfen, ob nicht auch bei der natürlichen Befruchtung chemische Reizerfolge eine Rolle spielen. Schon 1785 hatte Spallanzani(I) beobachtet, daß eine Sperma enthaltende Wasserprobe nach starkem Schütteln verminderte Wirksamkeit zeigt. Über diesen großes historisches Interesse bietenden Versuch sagt Spallanzani: „J'ai pense que peutetre Tagitation faisoit sortir de l'eau les particules spermatiques volatilisees: mais, quoique la bouteille oü Ton agite l'eau spermatisee soit bouchee hermetiquement, la vertu fecondante n'en est pas moins ötee." In weiteren Versuchen stellte er fest, daß das spermahaltige Wasser, auf verschiedene Art filtriert, sehr an Wirksamkeit einbüßt, und durch mehrfache Papierlage filtriert, die Wirksamkeit ganz verliert. Es ist bekannt, wie in der Folge bei allen vielzelligen Tieren und Pflanzen die Existenz von Samenzellen als Träger der Befruchtung festgestellt worden ist, und wie das Befruchtungs- probleni ausschließlich der Morphologie zufiel. Erst die Erfolge mit künstlicher Parthenogenesis wiesen wieder auf die Anstellung von Ver- suchen hin, welche entscheiden sollten, ob im Sperma chemische Be- fruchtungsreizstoffe vorkommen. In der Tat gelang es Winkler (2) zu zeigen, daß Seeigelsperma an destilliertes Wasser Stoffe abgibt, welche die Eier zur Furchung anregen; die Wirksamkeit des Spermaextraktes wird durch Kochen, sowie durch 10— 15%ige Kochsalzlösung aufgehoben. Alsbald nahmen einzelne Forscher Enzyme im Sperma an, welche als Befruchtungsreize wirken; dahin gehört die wasserlösliche „Ovulase'* von PiERi(3) und die „Spermase" von Dubois(4), welche auf die im Ei vorhandene „Ovulose" einwirken sollten. Doch hat sich die Existenz dieser Befruchtungsenzyme nicht bestätigen lassen (5). Auch der von Robertson (6) studierte Reizstoff aus Säugetierblut, welcher Membran- bildung bei Seeigeleiern veranlaßt, hat seine ursprüngliche Benennung als „Oocytase" aufgeben müssen und ist gewiß nicht enzymatischer Natur. FiS muß demnach die von Loeb vertretene Meinung, daß kata- lytisch wirksame Stoffe des Spermas als Befruchtungsreiz mit in Be- tracht kommen, noch weiter geprüft werden. Der Magnesiagehalt von Samen und Eiern des Seeigels bietet nach Delage(7) keine Differenzen. Da nun nach Miescher und Schmiedeberg (8) über 96% des Lachs- sperma aus nucleinsaurem Protamin besteht, so hat Winkler in Er- 1) Spallanzani, Exp^rienc. pour serv. a l'histoire de la g^ndration des animaux et des plantes (G^nfeve 1785), p. 309. — 2) H. Winkler, Nachricht Kgl. Ges. Wise. Göttingen, math.-phys. Kl. (1900), II; Jahrb. wiss. Botan., 36, 764 (1901). — 3) J. R PiERi, Arch. Zool. Expör. et Gön. (3), 7, 29 (1899). — 4) DuBOis, Soc. Biol., 52, 197 (1900). — 5) W. J. Gies, Amer. Joum. Physiol, 6, 53 (1901). A. PizoN, Compt. rend., 141, 908 (1905). — 6) Er. Eobertson, Journ, Biol. Chem., //, 339; 12, 1, 163 (1912). — 7) J. u. M. Belage, Compt. rend., 131, 1227 (1901;. — 8) Schmiedeberg in Miescher, Histochem. u. physiol. Arbeit, 2, 386 (1897). § 10. Chemische Reizerfolge beim Befruchtungsvorgange. 221 wägung gezogen, ob nicht die chemische Reizwirkung des Sperma auf solchen Stoffen beruht. Loeb sieht in der autokatalytischen Natur der Kernmateriaibildung die Ursache der Weiterentwicklung. Lange Zeit bevor die Identität der Hauptmasse der Chromosomen mit Nuclein ausgesprochen war(l), hatte bereits Sachs (2) 1882 die Ansicht verfochten, daß die Befruchtung auf Nucleinzufuhr zur Eizelle hinauslaufe. Später wurde jedoch die 1887 von Hertwig (3) gemachte und von Boveri(4) aus- gebaute Beobachtung bedeutungsvoll, daß kernlose Fragmente der Ei- zelle durch Sperma zur Furchung angeregt werden können und völlig normale Embryonen liefern. Da nunmehr die Kernverschmelzung nicht mehr als zum Befruchtungseffekt unentbehrlich gelten konnte, nahm BovERi an, daß das Centrosom der Spermazelle das leitende Agens bei der Weiterentwicklung darstellt. In Fällen von Parthenogenesis muß das Centrosom aber aus dem Cytoplasma der Eizelle neu entstehen und seine Funktion in analoger Weise antreten. Für uns hier haben die Effekte der Vereinigung des Sperma mit kernlosen Eizellfragmenten, welche später noch von Delage(5) als „Merogonie", von Rawitz(6) als „Ephebogenesis" beschrieben worden sind, jedenfalls die Bedeutung, daß Reaktionen zwischen männlichen Kernsubstanzen und weiblichen Kernsubstanzen zur Befruchtung nicht notwendig stattfinden müssen. Hertwig (7) gelang es sodann, zu zeigen, daß Vorbehandlung des Sperma mit Radiumstrahlen, Anilinfarben, Sublimat, Alkohol usw. die Spermatozoon zwar noch zur wirksamen Vereinigung mit der Eizelle befähigt, daß jedoch die weitere Embryonalentwicklung nicht ungestört verläuft. Verwandte Erfahrungen machte Mac Clendon durch Anwen- dung osmotischer, chemischer und mechanischer Reize (8). Vielleicht wird es auf diesem Wege gelingen experimentell bis zu einem gewissen Grade die Prozesse bei der ersten Embryonalentwicklung zu analysieren. Eine weitere wichtige Seite des so überaus interessanten Be- fruchtungsproblems ist die Spezifität der Spermawirkung auf die Eizelle derselben Art oder höchstens sehr nahe verwandter Species. Für die Tatsache, daß fremdes Sperma unwirksam ist, sind die schönen Unter- suchungen von Dungern (9) von Bedeutung, welche feststellten, daß die Spermatozoon von Seeigelarten ihre Bewegungsfähigkeit sofort einbüßen, wenn man ihnen eine genügende Menge Seestern-Eisubstanz darreicht. Diese Gifte sind keine durch Hitze leicht zerstörbaren Stoffe ; sie werden durch Stoffe des normalen Kaninchenserums wie Toxine durch Anti- toxine gebunden und unwirksam gemacht. Man kann in der Tat denn auch hier und da nach Zusatz von Seeigelspermatozoen und Kaninchen- serum zu Asteriaseiern an letzteren einige Zellteilungen wahrnehmen, ohne daß aber ein richtiger Bastardierungseffekt zutage treten würde. Das Asteriasgift ist übrigens auch im Hautschleim dieses Seesternes 1) KossEL, Arch. Anat. u. Physiol. (1893), p. 158. — 2) J. Sachs, Vorles. üb. Pflanzenphyeiol., 1. Aufl., p. 943 (1882). — 3) O. u. R. Hertwig, Jenaische Ztsch. Naturwiss., 20, 120 (1887); Ebenda, p. 477: — 4) Th. Boveri, Sitz.ber. Ges. Morph. Phye. München, 5, 73 (1889). — 5) Y. Delaoe, Compt. rend., 127, 528 (1898); Arch. Zool. Exp. (3), 7, 383, 511 (1899). — 6) P. Rawitz, Arch. Entwickl.- mech., 12, 454 (1901). Winkler, 1. c. (1901), erzielte Merogonie bei Cystosira bar- bata: bisher der einzige Fall auf botanischem Gebiete. — 7) O. Hertwig, Berlin. Ak. (1912), p. 554. O., G. u. P. Hertwig, Arch. raikrosk. Anat., 77, 97, 165, 301; 79. 201 (1912). — 8) J. F. Mac Clendon, Amer. Journ. Phvsiol., 29. 289 (1912). — 9) E. V. Dungern, Ztsch. allgem. Phvsiol., /, 34 (1901). 222 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. enthalten. Nach v. Dungern enthalten die Seesterneier in ihrem Plasma aber auch Agglutinine, welche auf Seeigelspermatozoen wirken und auf das eigene Sperma wirkungslos sind; schließlich sollen in den Eiern Stoffe vorhanden sein, welche die Reaktionsfähigkeit der eigenen Sper- matozoen etwas herabsetzen, so daß sie auf verschiedene Bewegungs- reize nicht so stark reagieren wie fremdes Sperma: dadurch werden die eigenen Spermatozoen eher in die Lage versetzt, ohne Ablenkung auf die Eizelle zuzueilen, während die fremden leicht abgelenkt werden können. Nun ist aber die wirkliche Befruchtung von Seeigeleiern mit Seesternsperma experimentell tatsächlich möglich, wie durch Loeb(1) gezeigt wurde. Loeb stellte zunächst fest, daß Eier von Strongylo- centrotus mit dem eigenen Samen nur dann künstlich befruchtet werden können, wenn eine geringe Konzentration von OH-Ionen geboten wird. Man nimmt Seewasser oder van 't HoFFsche Lösung [100 Grammmolekel NaCl, 7,8 MgCig, 3,8 MgS04, 2,2 KCl, 2,0 CaClg in der Konzentration von 0,5 Mol per Liter] mit 0,1—0,2 ccm Vio-Normal-NaOH oder 0,4—2,0 ccm Vs Mol NaHCOg auf 100 ccm Lösungsmittel. Steigert man aber die OH- Konzentration auf 0,3—0,4 ccm Vjo-Normal-NaOH, so sind die Eier gegen eigenes Sperma immun, lassen sich jedoch durch Asteriassperma erfolg- reich befruchten. Die entstehenden Larven sind, ähnlich wie die partheno- genetisch gebildeten, kurzlebig und nicht widerstandsfähig. Die normale Befruchtung scheint demnach Bedingungen zur Erzielung erhöhter Resi- stenz zu schaffen. Übrigens haben Versuche von Rondeau-Luzeau (2) auch für unbefruchtete Froscheier ergeben, daß Veränderungen in der umgebenden Flüssigkeit auf dieselben weit energischer wirken, als auf befruchtete Eier. Unerläßlich für die Befruchtung fand Loeb die Ka- tionen Ca und Na, von Anionen Cl und OH; die übrigen Bestandteile der VAN 'T HoFFschen Lösung kann man ohne Schaden weglassen. Auch Hertwig konnte durch Radiumbestrahlung die Fähigkeit zur wirk- samen Befruchtung artverschiedener Sexualzellen in manchen Fällen wesentlich erhöhen. Wie man sieht, bietet die junge „Biochemie des Befruchtungs- vorganges" bereits eine Fülle anregender Probleme, welche uns ein viel besseres Verständnis der biologischen Bedeutung der Befruchtung zu verschaffen bestimmt sind, als es bisher durch die einseitige mor- phologische Bearbeitung geliefert werden konnte. Daß zur weiteren erfolgreichen Fragestellung aber morphologische und physiologisch- chemische Methodik Hand in Hand herangezogen werden müssen, halte ich allerdings für unerläßlich. § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, eine eingehende Behand- lung der chemischen Reizerfolge, die als Reaktionsbewegungen von Pflanzen zutage treten, nach dem Stande der modernen Physiologie zu liefern, da die chemische Methodik bisher nicht in allen Gebieten dieses reizphysiologischen Themas anwendbar war und sich eigentlich bisher darauf beschränkt hat, gesetzmäßige Beziehungen zwischen der Natur 1) J. Loeb, Pflüg. Arch., gg, 323 (1903); Univ. Californ. Publ. Physiol., /, Nr. 1], p. 83 (1904); 2, 83 (1905). Vgl. auch C. Herbst, Mitteil. zool. Stat. Neapel. /6, 445 (1904). — 2) Rondeau-Luzeau, C. r. Soc Biol., 53, 433 (1901). § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. 223 der Reizursache als chemischen Stoff und dem physiologischen Reaktions- erfolg auszumitteln. Zum guten Teile bringt unsere Schilderung nur Hinweise über Dinge, welche experimenteller Bearbeitung bereits fähig sind, derselben aber leider noch völlig entbehren. Die durch chemische Faktoren bedingten Reizbewegungen sind hier nach ihrer äußeren Er- scheinungsform zu gliedern, und wir werden dasjenige, was von Krüm- mungsbewegungen ohne Orientierung zur Reizursache (chemonastische Reizbewegungen), Krümmungsbewegungen, welche durch Längenwachstum in bestimmter Orientierung zur Reizquelle erfolgen (Chemotropismus), ferner dasjenige, was von Ortsveränderungen freibeweglicher Pflanzen durch chemische Reize (Chemotaxis) usw. zu sagen ist, in Einzeldarstel- lungen hier anzufügen haben. 1. Chemische Reizwirkungen an den Tentakeln der Drosera- blätter und andere chemische Reizerfolge bei Insectivoren. BekanntUch werden die Einkrümmungsbewegungen der Fangorgane an den Blättern des Sonnentaues durch verschiedene Reizursachen in sehr gleichartiger äußerer Erscheinung ausgelöst, und es scheint, als ob die Krümmung, ähn- lich wie es durch Fitting für Ranken gezeigt worden ist, durch Wachstums- vorgänge vermittelt wird. Darwin (Insectivorous Plants, 1875) hat zuerst sehr ausführlich bewiesen, wie verschiedene chemische Reize eine intensive Einkrümmung der Tentakel erzeugen. Er bewies auch, daß die Auf- nahme oder Perception des Reizes im Köpfchen der Tentakel, ebenso wie bei mechanischer Reizung geschieht, und schied im übrigen scharf die chemische und die Kontaktreizbarkeit der Fangorgane. Die chemische Reiz- barkeit ist außerordenthch groß und intensiv. Ein Milchtröpfchen bringt nach 45 Minuten die Einkrümmung hervor ; von Ammoniaksalzen reichten außerordentlich geringe Mengen ziu- Erzielung des Reizeffektes hin, so daß ein Tröpfchen von Ammoniumphosphat von 3 MilHonstel Milügramm Salzgehalt noch starke Wirkung auslöste. Die Empfindhchkeit gegen einige Ammoniumsalze bei verschiedener AppUkation illustrieren nachstehende Versuchsergebnisse Darwins: Es waren wirksam in MilUgramm: Ammonium- Carbon at Auf die Drüsen der Scheibe gebracht, so daß die äußeren Tentakel indirekt beeinflußt wTirden 0,0675 Einige Sekunden lang direkt den Drüsen äußerer Tentakel dargereicht .... 0,00445 Das Blatt eingetaucht und Zeit gelassen zur Absorption 0,00024 Die von einer Drüse absorbierte Menge, die zur Erzeugung der Aggregation in den Nachbarzellen hinreichte . . . 0,00048 Größere Mengen von Ammoniumsalzen können schädüch wirken. Als wirksame Reizstoffe stellte Darwin (1. c, p. 156) außerdem folgende fest: NaaCOg, NaNOg, Na2S04, NaH2P04, Na-Citrat, -Oxalat, NaCl, NaJ, NaBr; Kahumoxalat, LiaCOg, CsCl, AgNOg, CdClg, HgClg, AICI3, AuClg, SnClg, Brechweinstein, AsgOg, FeClg, CrOg, CuClg, NiClg, PtCl4. Unwirksam waren: KgCOg, KNO3, K2SO4, KH2PO4, K-Citrat, KCl, KBr, KJ, Li-Acetat, RbCl, Ca-Acetat, Ca(N03)2, Mg-Acetat, Mg(N03)2, MgClg, Baryt- und Strontiumsalze, ZnClg, PbClg, Alaun, Ammonium- Nitrat - Ammonium- Phosphat 0,0270 0,0169 0,0025 0,000423 0,0000937 0,00000328 224 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Da seit Darwins Untersuchungen die chemische Reizbarkeit der Drosera überhaupt nicht mehr mit genügender Ausführhchkeit und Rück- sicht auf die neuere Chemie studiert worden ist, so wäre es eine ebenso lohnende als wünschenswerte Aufgabe, diese Ergebnisse zu erweitern und kritisch zu prüfen. Von Interesse ist in Darwins Angaben die Wirksamkeit des Na-Ions und die Unwirksamkeit des K-Ions. Ferner der Befund, daß die allermeisten Säuren stark verdünnt intensive Reizwirkungen ausüben, woraus eine Wirkung des H-Ions zu erschließen wäre. Doch fehlen hier überall Versuche mit äquivalenten Konzentrationen. Bei Darwin sind aber auch etwa existierende hemmende Wirkungen nicht genügend berücksichtigt, und es wurde erst durch Correns (1) das (bereits Darwin in den Tatsachen bekannt gewesene) Vermögen von Kalksalzen klar festgestellt, die chemische Reizbarkeit der Droseratentakcl aufzuheben. Läßt man die Blätter in 0,l%igem Calciumnitrat einige Zeit liegen, so reagieren sie nicht mehr auf so starke Reizmittel, wie Ammoniumphosphat. Es wäre zu prüfen, ob mehr- wertige Ionen allgemein diese Wirkung zeigen und ob nicht die Aufnahme des Ammoniumsalzes durch diese Ionen gehemmt wird. Narkotica wirken hem- mend. In Darwins Ergebnissen tritt ferner eine Reizwirkung vieler Metallgifte zutage. Einbiegung der Tentakel verursachen aber auch viele Alkaloid- salze, wie jene des Strychnin, Chinin, Nicotin; auch Curare war wirksam. Als unwirksam zeigte sich essigsaures Morphin, Atropin, Veratrin, Colchicin und auch Coffein. Digitahn wirkte als Reizstoff, ebenso Kampfer- und Kümmelölemulsion. Unwirksam waren Nelkenöl und Terpentinöl. Glycerin bewirkte Einkrümmung Die Bewegungen der Tentakel, welche auf Be- rührung mit festem Eiweiß hin erfolgen, sind sowohl durch mechanische Reizung wie durch chemische Ursachen bedingt; letztere kommen durch Entstehung peptischer Verdauungsprodukte unter dem Einflüsse des Drüsen- köpfchensekretes hinzu. In dem von Morren (2) untersuchten Falle von Drosera pinnata Labill. scheint das Blatt ohne gleichzeitige chemische Reizung durch den Fremdkörper gegen rein mechanische Reizung über- haupt nicht zu reagieren. Dionaeablätter kann man nach den Erfahrungen Darwins (1. c, p. 265) durch mäßig konzentrierte Zuckerlösung zum Zu- sammenklappen anregen. Übrigens ist hier die Reizbewegung nach bloß chemischer Reizung durch Absorption geeigneter Substanzen durch die Drüschen bedeutend träger, als die bekannte Reaktion, welche auf Be- rührung der Filamente hin erfolgt. Über die chemischen Reizerfolge bei den Blättern von Drosophyllum lusitanicum hat nach Darwins Untersuchungen besonders Dew^ivre (3) eine Reihe weiterer Erfahrungen gesammelt. 2. Die chemonastischen Reizbewegungen der Ranken hat zuerst Correns (4) völHg außer Zweifel gerückt. Es handelt sich um Einkrümmungen in einer durch die Struktur und Symmetrie des Orgeins bestimmten Weise, gleichviel, ob der Reiz diffus oder auf irgend einer Flanke einwirkt. Bei Drosera fanden wir ganz analoge Reizerfolge. Bei den Ranken wird die Reizreaktion nach Fittings Feststellungen sicher durch Wachstumsvorgänge vermittelt. Nach Correns lassen sich Ranken von Sicyos, Cyclanthera sehr gut mit verdünnter Jodlösung reizen, ohne daß Schädigung eintreten muß. Die Ranken empfinden noch eine Konzentration von 0,00155 % Jod. Wirksam 1) C. E. Correns, Botan. Ztg. (1896), /. 25. — 2) E. Morren, Bull. Acad. Roy. Belg. (II), 40, 10 (1875). — 3) A. Dewevre, Ann. Sei. Nat. Bot. (8), /, 19 (1896). — 4) Correns, 1. c., p. 14. § 11 Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. 225 sind auch 2%ige Essigsäure, 20 Sekunden langes Verweilen in absolutem Alkohol, l%ige arsenige Säure, Ammoniakdämpfe oder 10%iges Chloroform- wasser. Von früheren Beobachtungen sei erwähnt, daß schon Mohl(1) bei Pisumranken geringe Einkrümmungen nach leichtem Bestreichen mit Salz- säure, Opiumlösung oder arseniger Säure beobachtete, und daß E. G. MÜLLER (2) Einrollung von Cucurbitaceenranken sah, wenn er die Organe in sehr verdünnte Lösungen von Essigsäure, Kahlauge oder Jod brachte. 3. Chemische Reizerfolge bei Mimosa sind besonders hinsicht- Hch der Starrezustände festgestellt, welche nach Einwirkung von Anästhe- ticis oder nach Sauerstoffentziehung auftreten. Dies ist sehr ausführUch in den Handbüchern der Physiologie behandelt und braucht hier nur kurz erwähnt zu werden. Krutitzky (3) apphzierte durch Einschnitte in die Blattkissen auch Cocainlösungen, und sah, daß die dem operierten Blatt- polster benachbarten Fiedern ihre Reizempfindüchkeit gegen Kontakt verloren. Nähere kritische Analysen dieser Erscheinung wurden jedoch kaum geliefert. Man kann die chemischen Reizerscheinungen bei Mimosa nach der von Pfeffer vorgeschlagenen Nomenklatur als ,,Chemonastie von Blättern" zusammenfassen. Hierher gehören auch die von Wächter (4) und von Mo- lisch (5) beschriebenen unter dem Einflüsse von differenten gasförmigen und flüchtigen Stoffen auftretenden Einkrümmungsbewegungen an Blättern. 4. Chemotropismus ist die Bezeichnung für die (in der Regel durch Längenwachstumsprozesse vermittelten) Krümmungen, welche zu einer Orientierung des Organes zur Diffusionsrichtung des Reizstoffes führen. Diese Krümmungen können positiv chemotropisch sein, d. h. zum Hinwenden und Hinwachsen gegen den diffundierenden Stoff führen, oder als negativer Chemotropismus das Organ nach der Richtung der Konzentrationsabnahme lenken. Wie bei allen Tropismen handelt es sich um Unterschiedsempfind- hchkeit und Wahrnehmung von Konzentrationsdifferenzen von einem be- stimmten Minimum angefangen. Auf den Chemotropismus von Pilzhyphen hat Büsgen(6) aufmerksam gemacht, als er darauf hinwies, daß beim Eindringen parasitischer Pilze in die Wirtspflanze chemische Reizung und Reizkrümmungen der Keim- hyphen eine Rolle spielen dürften. Nach den experimentellen Studien von Pfeffer und Miyoshi (7) kann man die chemische Anlockung der Pilz- hyphen verfolgen, wenn man Blattstückchen unter der Luftpumpe mit Zuckerlösung injiciert und dann darauf Botrytis-Conidien zur Aussaat bringt. Die Keimhyphen wachsen dann sämtHch auf die Spaltöffnungen zu, welchen der osmotische Zuckerstrom entquillt. Arilockend wirken auch Ammonium- phosphat, Dextrin, Fleischextrakt, Lecithin, Asparagin, während alle Säuren und Alkalien, ferner Alkohol, Weinstein, KCIO3, KNO3, KCl, NaCl, Ca(N03)2, MgS04 repulsiv wirken. Bei der durch Miyoshi näher studierten Durch- bohrung dünner Häutchen durch Pilzhyphen spielt Chemotropismus als ein die Wachstumsrichtung anweisender Faktor eine wesentliche Rolle. Daß Anlockungswirkungen für Pilzhyphen in vielen anderen Fällen fehlen, scheint aus den Erfahrungen Fultons (8) her vorzugehen, welcher nur 1) H. MoHL, Bau u. Winden d Banken (1827), p. 66. — 2) E. G. O. Mi^LLER, Cohns Beitr. Biol., 4, 108. — 3) P. Krütitzkv, Script. Hort. Petropol., //, 1 (1887). — 4) W. Wächter, Ber. Botan. Ges., 23, 379 (1905). — 5) H. Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak. (1911). — 6) M. Büsgen, Botan. Ztg. (1893), /, 53. — 7) W. Pfeffer, Ber. Kgl. Sachs. Ges. (1893). M. Miyoshi, Botan. Ztg. (1894), /, 1; Jahrb. wisf. Botan., 28, 269 (1895). — 8) H. F. Fülton, Botan. Gaz., 41, 81 (1906). Czapek, Biochemie der Pflanzen. .'».Aufl. 15 226 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. trophische Wachstumsbeeinflussung durch einseitig dargebotene Nährstoffe fand. Eine Anlockung von Keimhyphen (Mucorineen) durch Sauerstoff konstatierte La Garde (1) im hiesigen Laboratorium. Die Fruchtträger von Mucor, Phycomyces u. a. sind nach den übereinstimmenden Angaben ver- schiedener Beobachter (2) nicht chemotropisch reizbar. Nachdem Strasburger (3) an die Wahrscheinlichkeit erinnert hatte, daß die Lenkung des Pollenschlauches in das Leitungsgewebe des Griffels durch chemische Reize bedingt werde, wiesen Correns (4) und Molisch (5) gleichzeitig nach, daß die Pollenschläuche wirkhch chemotropisch reizbar sind. Die wirksamen Stoffe wurden später von Miyoshi (6) nälier definiert. Sehr gut wirkt 0,25 — l,0%ige Rohrzuckerlösung, auch Traubenzucker und Dextrin, weniger gut Fructose und Lactose. Von den chemotropischen Erscheinungen bei wachsenden Phanero- gamenwurzeln kennt man die Anlockung und Repulsion durch verschiedene Gase am längsten. Molisch (7), welcher diese Tropismen zuerst genauer verfolgte, bezeichnete diese Krümmungen als Aerotropismus. Ohne weiteres läßt sich feststellen, daß sich Wurzeln in Wasser wachsend nach der Seite des größeren Sauerstoffgehaltes hinkrümmen, ebenso auch in sauerstoffarmer Luft nach jener Seite, von welcher ein Strom 0-reicherer Luft auf die Wurzeln hindiffundiert. Die tatsächliche Existenz eines Wurzelaerotropismus kann auch nach neueren Feststellungen nicht bezweifelt werden (8) und die Ver- suche, diese Erscheinungen durch Hydrotropismus zu erklären, sind wohl als widerlegt zu bezeichnen (9). Repulsion wurde beobachtet, wenn einseitig eine genügende Konzentration von CO 2, Äther- oder Kampferdampf dar- geboten wurde. Die Frage, ob Lösungen von Salzen oder Nichtelektrolyten imstande sind, chemotropische Krümmungen an Keimwurzeln hervorzu- rufen, bietet große experimentelle Schwierigkeiten, wie die Arbeiten von Newcombe, Lilienfeld, S ahmet, Cholodny und Porodko(IO) gezeigt haben. Dem letztgenannten Autor zufolge sollen überhaupt nur die negativen Krümmungen sicher chemotroper Natur sein, und positiv chemotropische Krümmungen, wie sie von anderen Autoren angegeben wurden, ander- weitige Ursachen haben. Da aber nach Porodko alle als wirksam befundenen Stoffe eiweißfällend sind, so wäre die Grenze gegenüber dem Traumatropis- mus nur schwer abzustecken. Übrigens fehlen auch noch nähere Studien über relativen Wirkungswert von Mineralsalzen und deren Ionen, so daß die Frage des Wurzelchemotropismus in den meisten Dingen noch eine voll- ständig offene ist. 5. Chemotaxis. Die bekannten schönen Versuche Engelmanns über sauerstoffempfindliche Bacterien und deren Anlockung durch Luftbläschen oder 0-produzierende Grünalgen haben zuerst erwiesen, daß man bei frei- schwimmend beweghchen Pflanzen durch gewisse chemische Reize ebenso auffallende Ansammlungen der reaktionsfähigen Organismen in bestimmten 1) R. LA Garde, Zentr. Bakt. II, j/, 24 (1911). — 2) R. Sammet, Jahrb. wibs. Botan., 41, 611 (1905). R. LA Garde, 1. c. — 3) E. Strasbürger, Jahrb. wiss. Botan., /;, 92 (1886). — 4) Correns, Ber. Botan. Ges., 7. 265 (1889). — 5) H. Molisch, Österr. botan. Ztsch., 39, 120 (1889). Sitz.ber. Wien. Ak., 120, I (Juli 1893); Botan. Ztg. (1893). 2, 378. Pfeffer, Tübing. Unters., 2, 656 (1888). — 6) M. Miyoshi, Botan. Ztg. (1894), /, 1; Flora (1894), p. 76. — 7) H. Molisch, Ber. Botan. Ges., 2. 160 (1884); Wien. Ak.. 90. I, 194 (1884). — 8) W. Polowzoff, Ber. Botan. Ges., 26, 50 (1908). — 9) E. Bennett, Botan. Gaz., 37, 241 (1904). — 10) Newcombe u. Anna L. Rhodes, Botan. Gaz., 37, 23 (1904). M. Lilienfeld, Ber. Botan. Ges., 23; Beihefte bot. Zentr., 19, 131 (1905). R. Sammet, Jahrb. wisa. Botan., 41, 611 (1905). N. Cholodny, Verhandl. Nat. Ges. Kiew, 20, 244. Th. PoRODKO. Ber. Botan. Ges., 28, 50 (1910); 30, 16 (1912). Jahrb. wiss. Botan., 49, 307 (1911). 5 11. Chemische ReizerfoJge in Form von Reaktionsbewegungen. 227 Regionen des Mediums hervorrufen kann, wie es von der Liohtwirkung auf Algenschwärmsporen schon lange bekannt war. Bald darauf konnte Pfeffer (1 ) in seiner fundamentalen Arbeit über die von ihm als Chemotaxis bezeichneten Erscheinungen beweisen, daß Richtungsbewegungen bei freibewegüchen niederen Pflanzen und Fort- pflanzungszellen (Spermatozoiden) außerordenthch oft durch chemische Reize hervorgerufen werden, und für das Leben der Pflanze große Bedeutung be- sitzen. Dies zeigte besonders die berühmt gewordene Entdeckung Pfeffers, daß die Samenfäden der Farne auf Äpfelsäure und deren Salze in sehr großer Verdünnung reagieren, wenn man das Reiznjjttel aus einer sehr feinenCapillare in das Wasser des mikroskopischen Präparates hineindiffundieren läßt; die Spermatozoiden der Laubmoose reagieren aber ausschheßhch auf Rohrzucker. Es ist nun überaus wahrscheinlich, daß es gerade diese Stoffe sind, welche bei der Befruchtung der Archegonien die Anlockung der Samen- fäden bewerksteUigen. Aber auch für verschiedene Protisten und Bacterien konnte Pfeffer alsbald in weiter Verbreitung die chemotaktische Reiz- barkeit nachweisen. 1884 gelang es .Stahl (2) zu zeigen, daß die Plasmodien von Myxomyceten ebenfalls chemotaktisch reizbar sind. Die Plasmodien fliehen Kochsalzlösung, Kaliumcarbonat, KNO3, Zuckei-, Glyoerin, und werden durch Loheextrakt angelockt. Wie Pfeffer, so konstatierte auch Stahl, daß dieselbe Substanz in differenten Konzentrationen attraktiv, sowie repulsiv wirken kann. An 0,25— 2%ige Glucose gewöhnen sich die Plasmodien mit der Zeit, obwohl sie die Lösung anfangs fliehen. Das Fuhgo- plasmodium reagiert ferner auf Sauerstoff mit positiver Chemotaxis. Frank (3) erbrachte den Nachweis, daß die Alge Chlamydomonas tingens durch ver- schiedene Stoffe, wie KNO3, NH4NO3, COg, Fleischextrakt chemotaktisch angelockt wird. Pfeffer hat ausführhch dargelegt, wie wir in chemotaktischen Reiz- reaktionen eine Wahrnehmung von Konzentrationsdifferenzen oberhalb eines bestimmten Minimums zu erbhcken haben. Die kleinste Menge Äpfel- säure, auf welche in reinem Wasser schwimmende Farnsamenfäden noch durch Hinzueilen reagieren, ist eine Konzentration von 0,001 %iger Äpfelsäure. Die absolute Menge des anziehenden Stoffes ist, da in dem Volumen der Glascapillare bei dieser Konzentration nur 1 Zweihundertmilliontel Milhgramm Substanz gelöst ist, eine außerordenthch kleine, kommt aber bezüghch der geringen Körpergröße der chemotaktisch sensiblen Organismen noch immer ansehnlicher in Betracht, wie die Menge von Riechstoffen, welche das mensch- liche Geruchsorgan im Verhältnisse der menschlichen Körpergröße noch wahrnehmen kann. Aus den Untersuchungen von Pfeffer geht auf das deutUchste hervor, daß die in einer verdünnten Lösung von äpfelsaurem Salz schwimmenden Spermatozoiden eine konzentriertere Malatlösung in der Capillare dann zu unterscheiden beginnen, wenn die Konzentration in der Capillare beiläufig 30 mal so groß ist, wie die Konzentration in der umgebenden Flüssigkeit. Diese Konstanz der Unterschiedsschwelle gilt übrigens allgemein für alle chemotaktischen Organismen und alle wirksamen Substanzen. Die Analogie mit dem bekannten WEBERschen „psycho- physischen Gesetze" für das Unterscheidungsvermögen der menschhchen Sinnesorgane ist vollkommen vorhanden und da die jeweils vorhandene Konzentration, um als höhere Konzentration wahrnehmbar zu werden, 1) W. Pfeffer, Ber. Botan. Ges., /, 524 (1883); Untersuch, botan. Inst. Tübingen, /, III, 363 (1884); Ebenda, 2, 582 (1888). Methodisches: E. G. Prings- HEiM, Abderhaldens Handb. biochem. Arbmeth., 5, H, 1263 (1911). — 2) E. Stahl, Botan. Ztg. (1884), p. 145. — 3) Th. Frank, Botan. Ztg. (1904), /, 153. 15* 228 Drittes Kapitel: ChemiKche Reizwirkungen. immer auf den Betrag R + kR (wobei k lur Äpfelsäure und Farnsperma- tozoiden 30 ist) steigen muß, so erhellt leicht, daß die Reizgröße in geo- metrischer Progression zunimmt, wenn die Reaktion in arithmetischer Pro- gression ansteigt. Bezeichnet man die Reaktion (Empfindungsgröße) mit E, die zugehörige Reizstärke mit R, und die Reizschwelle, für welche E = 0 wird, mit s, so ist das Gesetz durch die Formel E = C • log — wiedergegeben. Das WEBERSche Gesetz ist für die verschiedensten pflanzhchen Reizbewe- gungen in derselben Art gültig. Wie es bei Reizbewegungen oft gefunden wird, so schlägt auch b e der Chemotaxis sehr häufig die positive Reaktion (Anlockung) bei einer gewissen kritischen Konzentration in die gegenteihge negative Reaktion (Abstoßung) um, und das obige Gesetz der Reaktionsz anahme gilt daher nur innerhalb spezifisch bestimmter Grenzen. Für die Anlockung der Farn- spermatozoiden durch Äpfelsäure hegt die kritische Konzentration nach Pfeffer (1. c. 1884, p. 386) etwa bei 5,0 % Natriummalat. Wie zu erwarten, ist dieser kritische Punkt für eine Substanz nicht bei allen chemotaktisch reizbaren Organismen gleich, und es wird z. B. Bacterium termo durch 2 % Natriummalat angezogen, Spirillum hingegen schon abgestoßen. Es läßt sich ferner gar nicht voraussagen, welcher Effekt bei vermischter Dar- reichung einer repulsiv wirkenden Substanz mit einem attraktiv wirkenden Stoff eintreten wird. Rohrzucker, 12 %, wirkt für sich allein schon stark abstoßend, auch noch nach Zusatz von 0,003 % Äpfelsäure, aber nicht mehr bei Anwesenheit von 0,01 % Äpfelsäure. Ferner ist bereits 1 % Salpeter imstande, neben 0,003 % Apfelsäure kräftige Repulsion zu erzielen. Gibt man aber dem Farnsperma 0,5 y^ Äpfelsäure mit 15,5 % KNO3, so über- wiegt die Äpfelsäurewirkung so stark, daß die Samenfäden direkt in die Salpeterlösung hineinstürzen, woselbst sie natürhch sofort getötet werden. Besonders bekannt ist jener Versuch Pfeffers geworden, in welchem die Samenfäden selbst durch einen Zusatz von 0,01 % Quecksilberchlorid oder Strychninnitrat zu 0,01 % Äpfelsäure nicht abgehalten wurden, sich in die tödlich wirkende Capillarflüssigkeit hineinlocken zu lassen. Für Reizung von Bacterien durch Fleischextrakt fand Pfeffer die Reizschwelle bei 0,04 %, die Unterschiedsempfindhchkeit bei der fünffachen Konzentration der Capillarflüssigkeit gegenüber der Außenflüssigkeit, und den kritischen Punkt bei 25 %; letztere Konzentration wirkt stärker repulsiv als die os- motisch kräftiger wirksame 20%ige Kahsalpeterlösung. Für die Theorie der Chemotaxis ist ferner die Beobachtung von Ro- thert(I) sehr wichtig, daß man viele beweghche Mikroben aus verschiedenen Verwandtschaftskreisen durch Äther- oder Chloroformlösungen in geeigneter Konzentration chemotaktisch anästhesieren kann, ohne ihre Beweghchkeit zu beeinträchtigen. Damit ist bewiesen, daß man chemotaktische Reizbar- keit und Geißelbewegung durch auswählende Beeinflussung experimentell trennen kann. Übrigens soll nach Rothert (2) 0,8 % Äther auf Bacillus amylobacter deuthch attraktiv wirken. Die chemotaktische Reizbarkeit muß ferner nicht in jedem Lebensstadium freibeweghcher Organismen gleich ausgebildet sein. Rothert konstatierte, daß die diplanetischen Zoo- sporen von Saprolegnia nur in ihrem zweiten Schwärmerstadium chemo- taktisch reizbar sind. 1) W. Rothert, Jahrb. wies. Botan., 39, 1 (1903). — 2) Rothert, Flora (1901), p. 381. Umkehrung der Phototaxis durch chemische Reize: J. Loeb, Biochem. Zentr., 3, Ref. 1204 (1905). Umkehr der Fhmmerbewegungen : G. H. Parker, Amer- Joum. Phys., /j, 1 (1905). § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reakfionibowegungcn. 229 Aus den Untersuchungen von Rothert goht weiter hervor, daß die chemotaktischen Reizbewegiingen durchaus nicht einheithcher Natur sind. Es gibt einmal eine Beschleunigung oder Hemmung der Beweglichkeit durch Reizstoffe, ähnhch wie sie Dungern für die Beeinflussung des Seeigel- spcrmas durch Eisubstanzen festgestellt hat. So werden Saprolegniazoo- sporen durch Phosphat mehr od-^^r weniger schnell zur Ruhe gebracht. Man kann diese Art von Reizbarkeit als Chemokmesis von der Chemotaxis scheiden. Diejenigen Reizwirkungen, welche wirklich mit der Fortbewegung in Beziehung stehen, und die als tatsächliche Chemotaxis zu gelten haben, sind nun nach den scharfsinnigen Untersuchungen Rotherts ebenfalls nicht einheithch. Es gibt Reizreaktionen, welche in einer verstärkten Drehung des Mikrobenkörpers bestehen: strophische Ch(!motax)s; und sodann Reiz- reaktionen, welche in einer plötzlicheii Umkehr der Bewegungsrichtung nach Überschreitung einer bestimmten Konzentrationszene bestehen, also in einer Rückzugsbewegung: apobatische Chemotaxis. Wie Kniep(I) näher ausgeführt hat, steht weiter die Frage offen, wie es sich verhält, wenn zwei oder mehrere Substanzen mit gleicher Unter- schiedsschwelle den Bacterien dargeboten werden. Man sollte erwarten, daß sich zwei solche Substanzen gegenseitig ebenso abstumpfen , wie es eine größere Dosis der einen Substanz allein tut. Dies ist jedoch in emer Reihe untersuchter Fälle sicher nicht vorhanden, und so ist es möglich, daß es verschiedene chemotaktische Sensibihtäten gibt, welche ohne sich zu stören, gleichzeitig funktionieren können, so wie es etwa mit menschlichen Ge- schmacksquahtäten der Fall ist. Die chemotaktische Reizbarkeit von Pflanzenzellen ist quahtativ außerordenthch verschieden. Für die meisten saprophytischen Bacterien pflegt jeder gute Nährstoff anlockend zu wirken, während nach Miyoshi (2) für Chromatium Weissii der Schwefelwasserstoff allein als wirksames Agens befunden wird. Ein von Molisch (3) geprüftes marines Chromatium rea- gierrte hingegen gar nicht auf SHg, wogegen Rhodospirillum giganteum und andere Formen sehr stark angelockt wurden. Ein anderes Schwefel- bacterium, ein von Lidforss (4) beobachtetes großes Thiospirillum, benahm sich besonders abweichend von dem gewöhnlichen chemotaktischen Ver- halten. Es wurde nicht nur durch SHg und Thiosulfat angelockt, sondern auch von Alkohol, Chloroform, Benzol, Phenol, Benzaldehyd, Aceton und Äthyläther, während Kohlenhydrate wirkungslos waren. Äthylenglykol wirkte ebenso wie Alkohol anlockend. Vielleicht gibt dieses Verhalten einen Fingerzeig für die Bedeutung einfach gebauter Kohlenstoffverbindungen für diese merkwürdige Mikrobe. Übrigens spielen auch Umstimmungen eine große Rolle. Bei Bacterien würde man selbst durch die besten Anlockungs- mittel, wie Fleischextrakt, nur Repulsionen erzielen, wenn man nicht nach Pfeffers Vorgang durch Einschließung einer Luftblase im unteren Teil des die Lösung enthaltenden Capillarröhrchens dafür Sorge tragen würde, daß die absorbierte Sauerstoff menge stets hinreichend groß bleibt. Von inorganischen Salzen wirken auf Bacterien im allgemeinen Kah- salze am besten anlockend, doch werden die empfindhchsten Organismen durch alle Neutral-Alkahsalze und Salze der alkahschen Erden mehr oder weniger angelockt, wälu'end minder reizbare Arten auf viele dieser Salze nicht merkhch reagieren. CaCla und MgClg fand Pfeffer nur bei „Bact. termo" attraktiv. Es sei erwähnt, daß das als „lermo" bezeichnete Bac- 1) H. Kniep, Jahrb. wiss. Botan., 43, 215 (1906). — 2) M. Miyoshi, Journ. Coli. Sei. Tokyo, lo (1897). — 3) H. Molisch, Die Purpurbacterien, 63, Jena (1907). — 4) B. Lidforss, Ber. botan. Ges., jo, 262 (1912). 230 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. terium immer reichlich erhalten wird, wenn man eine abgekochte Erbse für 1—2 Tage in Leitungswasser legt und sodann Plattenkulturen an- fertigt; dieselben sind dann reich an Kolonien von lebhaft beweglichen chemotaktisch stark reizbaren Mikroben aus der Proteusgruppe. Bei den Kahsalzen fand Pfeffer nicht allein das Kah (K-Ion) für die Wirkung entscheidend; denn von äquivalenten Mengen KCIO3 und KH2PO4 wirkt ersteres merklich schwächer, und auch KCl wirkt bei der gleichen Konzen- tration an Kali schwächer als KH2PO4 und K3PO4. Allerdings dürfte bei dem Phosphate die Wirkung der H- und OH-Ionen in noch näher zu be- stimmender Weise eingreifen. Saure und alkahsche Reaktion erzeugen schon in geringen Graden Repulsionswirkungen. Erwähnenswert ist die gute Reiz- wirkung der Rubidiumsalze. Für Trikaliumphosphat war der Schwellenwert bei verschiedenen Mikroben 0,001%. Konzentriertere Lösungen wirken auf Termo weniger ein als auf Spirillen und den Flagellaten Bodo saltans. Stark attraktiv wirken auf Bacterien Witte-Pepton und Albumosen aller Art mit und ohne Zuckerzusatz, Conglutin, schwächer Asparagin, 1% Leucin (auf Termo), Kreatin, Taurin, Sarkin, Carnin. Harnstoff kann indifferent sein, während er mit Zuckerzusatz, der für sich allein noch nicht zu wirken braucht (0,5 %), mäßig anlockende Eigenschaften gewinnt. Glycerin ist ohne Wir- kung. Anlockend wirkt 5—8% Rohrzucker; die untere Rohrzuckergrenze liegt bei Termo bei 1 %, für Spirillen höher. Ferner ist Traubenzucker und Dextrin wirksam, ebenso 5 % Ammoniumtartrat. 2 % Natriummalat lockte Termo an und stieß Spirillen ab. Attraktiv waren noch 0,1 % Kaliumlactat, 0,5 % Lecithin. Milchsaures Eisenoxydul 1 % oder 0,1 %, ferner 1 % Zink- sulfat Ueßen eine Wirkung nicht erkennen. Indigkarmin, ebenso 1 % Anilin- blau lockten Termo deuthct in die Capillare, Spirillen jedoch nicht. Trotz ihrer giftigen Eigenschaften sind Natriumsalicylat, Morphinsalze, ferner, wie schon erwähnt, Rb- Salze bemerkenswerterweise starke Anlockungs- mittel. Phosphorsäure scheint für Bacterien keinen besonderen Reizwert zu haben. Für die Zoosporen von Saprolegnia jedoch hat sich in den Ver- suchen von Stange (1 ) herausgestellt, daß freie Phosphorsäure und deren Salze die besten chemotaktischen Reizmittel sind, besonders das K-, NH4- und das Na-Phosphat. Die Myxamöben von Chondrioderma difforme und Fuligo varians werden durch die Salze organischer Säuren, Äpfelsäure, Milchsäure, Butter- säure, ferner das (Milchsäure enthaltende) Lohedekokt, auch Asparagin angelockt. Äthylalkohol wirkt repulsiv. Kusano (2) fand, daß allgemein für die Schwärmsporen von Myxomyceten H-Ionen attraktiv und OH'-Ionen repulsiv wirken ; gegen letztere sind diese Schwärmer sehr empfindHch. Bei der Chemotaxis der Zoosporen von Chytridium und Saprolegnia sind Eiweißstoffe und Nuclein nach Fr. Müller (3) sehr gut wirksam; freie Säuren und Alkalien wirken repulsiv. Hier Heß sich auch die Wirkung der Narkotica gut ver- folgen; Zusatz von 0,5 Mol Äthylalkohol erzeugt Indifferenz gegen die ge- nannten Reizstoffe. Die lonenwirkung bei der Chemotaxis von Flagellaten hat Garrey (4) über LoEBs Anregung näher studiert. Er brachte Kulturen von Chilomonas in eine flache Kammer und ließ aus einem kleinen Kanal der Wand die Lösung des zu untersuchenden Stoffes hineindiffundieren. Um die Einfluß- 1) Stange, Botan. Ztg. (1890), p. 107. — 2) S. Kusano, Bot. Mag. Tokyo, 21, 143 (1907); Journ. CoU. Agric. Tokyo, 2, 1 (1909). — 3) Fr. Müller, Jahrb. wies. Botan., 49, 421 (1911). — 4) W. E. Garrey, Amer. Journ. Physiol., j, 6, 291 (1900). Für Paramaecium: J. O. W. Barratt, Ztsch. allgem. Phyeiol., 5, 73 (1905). T. B. Robertson, Journ. Biol. Chem., 1,. 185 (1906). § 11. Chemieche Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. 231 stelle entstand dann häufig ein von einem Infusorienringe umgebener heller Hof, woran die Wirksamkeit der Substanz erkannt wurde. Schon ""/öqo Alkalihydroxyd und Erdalkahhydroxyd rufen durch Repulsion diese Erschei- nung hervor. Da bei dieser Konzentration fast nur dissozierte Moleküle vor- handen sind, kann es sich nur um eine Wirkung der Hydroxyl-Ionen handeln. Auch beim H-Ion tritt eine ähnhche Wirkung zutage: HCl, HNO3, H2SO4 erregen die Hofbildung bei ^/looo Normallösung. Man kann daraus auch schheßen, daß die repulsive Wirkung des H'-Ions und OH'-Ions sich wie die Wanderungsgeschwindigkeit dieser Ionen: 2 : 1 verhalten. Organische Säuren erwiesen sich bald mehr, bald weniger wirksam als ihrem Gehalt an H-Ionen bei der betreffenden Verdünnung entsprechen würde. Hier tritt offenbar die Anionenwirkung ein, so daß sich Chilomonas gegen sehr verdünnte Essigsäure, Milchsäure, Buttersäure positiv chemotaktisch ver- hält. Die Halogensalze der Alkalien und der Erdalkalien haben relativ schwache Wir kungs werte. Alkaüsalze besitzen ihre Grenze bei ^/j, bis i/g© Normal, Erdalkahsalze aber bei 1/75 bis 1/215 Normal. Die Wirkung von Gl, Br, J verhält sich wie 2:3:5. Li und Na sind etwa gleich wirksam, K er- hebhch stärker. Die Wirkung von Mg, Ca, Ba, Sr verhält sich wie 3 : 5 : 5 : 7. Ca wirkt doppelt so stark wie K. Schwerraetallsalze wirken schon bei ^/looo Normal. Hier summieren sich in manchen Fällen die Wirkungen der Metall- Ionen mit der H-Ionenwirkung. Erwähnt sei, daß Frank (1) bei der grünen und farblosen Form von Euglena gracihs keine Differenzen bezüghch der anlockenden Stoffe kon- statieren konnte. Die chemotaktischen Erscheinungen bei Algen sind fast gar nicht untersucht. Für Chara konnte schon Pfeffer die Wahrscheinüchkeit einer chemotaktischen Reizbarkeit der Sperma tozoiden finden; für die Fucaceen wird man wohl mit der gleichen Vermutung gleichfalls nicht fehl gehen. Die Anlockung der männlichen Sexualzellen durch den Eiapparat geschieht, wie man seit den Arbeiten von Pfeffer weiß, von den Moosen aufwärts, regelmäßig durch chemotaktische Reizbarkeit. Während die Spermatozoiden der Laubmoose, soweit bis jetzt bekannt, durch Rohrzucker attraktiv reiz- bar sind, reagieren nach Lidforss und Akerman (2) die Spermatozoiden von Marchantia ausgesprochen auf verschiedene Eiweißkörper; aber auch K', Rb , Cs '-Ionen wirkten bei Marchantiaspermatozoiden anlockend. Pfeffer konnte schon in seinen ersten Versuchen über Chemotaxis zeigen, daß bei der Anlockung der Farnspermatozoiden die Äpfelsäure eine ganz ausgezeichnete Rolle spielt. Dies ist bei Pteridophyten überhaupt häufig der Fall, denn auch bei Equisetum werden nach Lidforss und Shibata (3) die Samenfäden stark durch Malate gereizt, und der letztgenannte Autor konstatierte ebenso für Salvinia, Isoetes die Wirkung der Äpfelsäure (4). Interessanterweise werden die Salviniaspermatozoiden durch Maleinsäure angelockt, während die stereoisomere Fumarsäure nur auf Isoetessamenfäden attraktiv wirkt. Equisetumspermatozoiden reagieren weder auf Fumar- noch auf Maleinsäure. Die Isoetesspermatozoiden werden durch H'-Ionen von der Konzentration ""/eoo ^^ repulsiv beeinflußt; auch Schwermetall- ionen, Alkali- und Erdalkahmetall- Kationen wirken repulsiv. Mit Vi m Äthyl- alkohol und ™/2o Chloralhydrat kann man diese Samenfäden gegen Äpfel- 1) Th. Frank, Botan. Ztg. (1904), /, 153. — 2) B. Lidforss, Jahrb. wies. Botan., 4r, 65 (1904). A. Äkerman, Ztsch. Botan., 2, 94 (1910). — 3) B. Lidforss. Ber. Botan. Ges., 23, 314 (1905). K. SmBATA, Bot. Mag. Tokyo, /p, 79 (1905). — 4) K. SmBATA, Bot. Mag. Tokyo, 19, 39 (1905); Jahfb. wiss. Botan., 41, 561 (1905); Ber. Botan. Ges., 22, 478 '(1904). 232 Drittes Kapitel: Chemische Reiz Wirkungen. säure indifferent machen. Equisetumspermatozoiden werden nach Shibata(I) auch durch manche Alkaloidsalze angelockt. Sehr wichtig ist die Entdeckung Bruchmanns (2), daß die Spermato- zoiden von Lycopodium nur durch Citronensäure und keine andere organische Säure, auch nicht durch Äpfelsäure, angelockt werden. Im Anschluß an die erwähnten Arbeiten von Kniep über differente chemotaktische SensibiUtäten unterscheidet Shibata (3) bei den Pterido- phytenspermatozoiden dreierlei SensibiUtäten: eine für die Anionen der Oxysäuren , ferner jene für HydroxyHonen , welche nur für die Isoetes- samenfäden konstatiert werden konnte, endhch jene für die Kationen der Alkaloide. Bei den Spermatozoiden der echten Farne ist nach Voegler (4) die Reizbarkeit gegen Äpfelsäure bei den einzelnen Arten annähernd gleich stark; am besten untersucht man gleich nach dem Ausschlüpfen aus den Antheridien bei 15—28° C. Maleinsäure, ferner 1 yo^ges monobrombernstein- saures Natron erwiesen sich in zahlreichen Fällen als attraktiv, nicht aber Asparagin, Aminoäpfelsäure und Fumarsäure, auch nicht Äpfelsäure- diäthylester. Da die letztere Substanz nur sehr geringe Ionisierung be- sitzt, so liegt es nahe, daran zu denken, daß das wirksame Agens über- haupt nur das Anion der Äpfelsäure ist (5). Bessere Vergleiche konnte Buller (6) an den Samenfäden von Gymnogramme Martensii anstellen, welche nicht nur durch Äpfel- und Maleinsäure, sondern auch von Wein- säure, Oxalsäure, Essigsäure und Ameisensäure angelockt werden, ferner von H3PO4, KNO3 und KCl. Hier ergaben sich Anhaltspunkte dafür, daß diese Stoffe Reizeffekte durch lonenwirkung auslösen, und es scheint sich um die Anionen der erwähnten Säuren, aber auch von SO4, PO4, ferner um die Kationen K* und Rb* als wirksame Agentien zu handeln. Bei den vielen chemotaktisch wirksamen Nichtelektrolyten, wie Zucker, Albumosen, Aminosäuren, Dextrin usw. kann es sich natürhch nur um eine Wirkung der Molekel selbst handeln. Hier wie bei konzen- trierten Salzlösungen hat man die Chemotaxis scharf von osmotischen Wir- kungen zu trennen. Schwimmen Bacterien aus einer osmotisch wirksameren Zuckerlösung, z. B. in verdünnten Fleischextrakt hinein, so ist dies nicht negative Osmotaxis, und die Reizreaktion ist nur durch die chemische Eigen- art des anlockenden Stoffes ausgelöst worden. In anderen Fällen wird wiederum das Bestreben, eine osmotisch stärker wirksame Flüssigkeit zu fliehen, überwunden, durch den Zusatz eines intensiv chemotaktisch an- lockenden Agens, wie es der PpEFFERsche Versuch mit 15 ^/q KNO3 und Fleischextrakt zeigt, welcher bereits oben erwähnt wurde. Die durch Konzentrationsdifferenzen erzeugten osmotaktischen Reizbewegungen hat uns besonders Massart (7) näher kennen gelehrt. Osmotaktisch können natürlich nur solche Stoffe wirken, welche hinlängUch Zeit brauchen, um in das Innere der Zelle zu gelangen, nicht aber Substanzen, welche äußerst rasch die Plasmahaut passieren. Bemerkt sei noch, daß die Spermatozoiden von Cycas bisher keine Resultate bezüglich chemotaktischer Reizbarkeit ergeben haben (8); ebenso weiß man nicht inwiefern der Übertritt der generativen Pollenschlauchkerne bei den Angiospermen durch chemotaktische Einflüsse bestimmt wird. 1) K. Shibata, Bot. Mag. Tokyo, 19, 126 (1905). — 2) H. Bruchmann, Flora 99, 193 (1909). — 3) K. Shibata, Jahrb. wiss. Botan., 49^ 1 (1911). — 4) C. Voegler, Botan. Ztg. (1891), p. 641. — 5) W. Ostwald, Ztsch. physik. ehem., 13, 378 (1894). — 6) R. Buller, Ann. of Botan., id, 543 (1900). — 7) J. Massart, Arch. Biol.. 9, 515 (1889); Bull. Soc. Roy. Belg. (3), 22, 148 (1891). — 8) K. MiYAKE, Bot. Mag. Tokyo (1905). § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. 233 Man muß sich natürlich auch die Frage vorlegen, ob nicht Zellkerne allgemein chemotaktisch reizbar sind, wofür in der Tat Anhaltspunkte vor- handen sind (1). Selbstverständhch ist es mögUch, daß chemotaktische Reizerfolge an gewissen Zellen und Organismen erst auftreten können, wenn durch die Gegenwart anderer an sich nicht chemotaktisch reizend wirkende Sub- stanzen die Vorbedingung geschaffen wird (2); eventuell kann Chemotaxis auf diesem Wege gefördert werden. Indirekt wirken manche Substanzen als chemische Reizmittel bei anderen Tropismen mit, indem ihre Gegenwart z. B. heUotropische Reizbewegungen aus negativen in positive umwandelt. Solche Umstimmungen von Phototaxis hat in der Tat Loeb (3) bei Gopepoden durch verdünnte Säuren und Salze feststellen können. Inwieweit Galvanotropismus und Galvanotaxis als chemische Reiz- erfolge zu gelten haben, ist noch immer nicht entschieden. Für die als galvano- tropische Reaktionen beschriebenen Krümmungen an Keimwurzeln scheint es mir aber in der Tat wahrscheinUch, daß wesenthch chemische lonenwir- kungen im Spiele sind. Ewart und Bayliss (4) neigen dazu, vor allem den H*- und OH'-Ionen diese Wirkungen zuzuschreiben. Bei den galvanotaktischen Erscheinungen an Protozoen und einzelhgen Pflanzen sehen Loeb und Budgett (5) die Reizursache darin, daß an der Anodenseite der Zellen die OH'-Ionen einwirken und repulsiv die katho- dische Ansammlung der Organismen erzeugen. Da angegeben wird (6), daß Volvox unter der Wirkung von Säuren, Alkalien, Salzen normal kathodisch wandert, hingegen anodisch, wenn vorher das Material einige Tage im Dunkebi aufbewahrt wurde, so ist die Frage, inwieweit Kataphoreie, und inwieweit etwa chemotaktische Einflüsse ins Spiel kommen, nicht einfach zu entschei- den. Erstere ist nicht ohne weiteres auszuschheßen, da Umladungen mög- lich sind (7). Daß die chemotaktische Reaktionsfähigkeit für die verschiedensten Organismengruppen eine sehr hohe biologische Bedeutung besitzt, ist kaum zu bezweifeln, obwohl hier mancher Punkt strittig ist. Die Chemotaxis der Bacterien ist diesen Organismen beim Aufsuchen von Nahrungsstoffen ge- wiß von Nutzen. Man hat ihr aber auch im Leben parasitischer Mikroben eine Rolle zugeschrieben, und Hertwig (8) hat die Wirkung des Tuberkuhn Koch als chemotaktische aufzufassen gesucht. Ob nun wirkhch die Chemo- taxis im Kampf der Leukocyten und anderer Körperzellen mit Bacterien die dominierende Rolle spielt, die ihr von manchen Seiten zugeteilt wurde, ist. noch immer fragUch. Übrigens fand schon Pfeffer, daß nicht bei allen Bacterien die chemotaktische Reizbarkeit stark entwickelt ist, und Bacillus typhi, Vibrio cholerae asiaticae, sowie der Finkler-Priorsche Bacillus sind chemotaktisch anscheinend wenig empfindlich. Bei Paramaecium fand Jennings (9), daß die im natürhchen Medium angesammelten organischen 1) G. Ritter, Ztsch. Botan., ,?. 1 (1911). — 2) Chemotaxis u. Kalkionen: H. .1. Hamburger, Biochem. Ztsch., 26, 66 (1910). — 3) J. Lorb, Pflüg. Arch., 7/5, 11 (1907); Ebenda, p. 564. G. BoHN, Soc Biol., 71, 587 (1911); Compt. rend., 14h 1260 (1905). W. F. Ewald, Jouru. Exp. Zool., /j, 591 (1912). - 4) A. J. Ewart u. J. S. Bayliss, Proceed. Roy. Soc, n, B., 63 (1905). Bayliss, Ann. of Botan., 21, .387 (1907). Ferner A. B. Plowman, Amer. Journ. Sei., / I 0 I Q J^ — CH20H.CH0H-CHCH0H.CH0HCC(OH) . CHOH . CH . CHgOH Ein anderer interessanter Zerfallsprozeß mit nachfolgender Kondensation betrifft die zuerst von Wind aus und Knoop (1) beobachtete Bildung von yNH-CCHg Methylimidazol CHl_ II aus Traubenzucker beim Behandeln ^N CH mit Ammoniak unter Zusatz von Zinkhydroxyd oder Kalilauge. Sowohl bei der Saccharinbildung wie bei der anderen Reaktion dürfte nach WiND- AUS zunächst Spaltung der Glucose zu Glycerinaldehyd, Umlagerung des letzteren zu Methylglyoxal anzunehmen sein, worauf Methylglyoxal sich mit Glycerinaldehyd zu Saccharinsäure umsetzen, resp. mit Formaldehyd -|- NHg Methylimidazol Hefern könnte. Saccharinsäure : ^^^jJ^>C(OH).(CHOH)2.CH20H ^ ^^j^^>COund COH-CHOH-CH^OH Methylglyoxal: CHg-CO CHg-C-NHx + 2 NH3 -I- COH2 -> II /CH + SHgO COH CH-N^ Salpetersäure oxydiert Traubenzucker zu der zweibasischen d-Zucker- säure, deren gut krystalHsierendes y-Lacton O OH H OH COOH .C.G.C-G.C:0 H H OH H zur Identifizierung der d-Glucose Verwendung finden kann (2); die Reduktion dieses Lactons gibt nach Boutroux (3) eine Ketonsäure GjaHioOii- Nach Neuberg (4) entsteht bei der HNOg-Oxydation des Traubenzuckers auch noch eine bedeutende Menge einer Carbonylsäure der Cg- Reihe, welche die für alle Garbonylsäuren charakteristische Reaktion mit HCl-Naphthoresorcin intensiv gibt. d-Zuckersäure ist nach Gorter (5) ein bisher isohertes merk- würdiges natürhches Vorkommnis im Milchsaft von Ficus elastica, wo sie sich als Mg-Salz findet. Zwischen Gluconsäure und Zuckersäure steht die biochemisch wichtige Aldehydsäure COH •(CH0H)4- COOH oder Glucuronsäure. Deren gut krystalHsierendes Lacton, das Glucuron: O OH H OH COH .CC.C-CC:0 H H OHH 1) A. Windaus u. F. Knoop, Hof meist. Beitr , 6, 392 (1905); Ber. Chem. Ges., 38, 1166 (1905); 39, 3886 (1906); 40, 799. K. Inouye, Ebenda 1890 (1907). — 2) Gans, Stone u. To;.leN8, Ber. Chem. Ges., 21, 2148 (1888); Landw. Versuchsst., 39, 408 (1891). — 3) L. BouTEOUX, Compt. rend., ///, 185 (1890). — 4) C. Neuberg, Biochem. Ztsch., 28, 355 (1910). — 5) K. Gorter, Reo. trav. chim. Pays-Bas, j/, 281 (1912). § 2. Kurze CharakterlBtik der natürlichen Zuckerarten usw. 257 darstellbar ist und aus Zuckersäurelacton durch Reduktion mit Natrium- amalgam erhalten wird. Während man diese Aldehydsäure aus dem tierischen Harne schon lange kennt, wo sie als Paarling nach Ver- fütterung zahlreicher hydroaromatischer und aromatischer, aber auch aü- phatischer Stoffe reichlich auftritt, ist sie im Pflanzenreiche erst in neuester Zeit, nachdem auf die hohe Wahrschein hchkeit ihres Vorkommens aufmerk- sam gemacht wurde (1), zuerst als Paarling im Glycyrrhizin durch Gold- SCHMIEDT (2), duTch Smolenski (3) in der Zuckerrübe und durch Dmo- CHOWSKi und ToLLENS (4) im Blumenkohl aufgefunden worden. Offenbar handelt es sich um eine weiter verbreitete Pflanzensubstanz. Als quali- tative Erkennungsproben auf Glucuron benützt man die intensive Rot- färbung mit HCl und Naphthoresorcin nach Tollens (5), eine übrigens allen Carbonylsäiu-en zukommende Reaktion ; die Grünfärbung mit a-Naph- thol und H2SO4 nach Goldschmiedt (6) (nur bei Abwesenheit von Nitraten beweisend); die reichhche Furfurolbildung nach Kochen mit HCl (7); auch die Isolierung als Osazon (s. u.) läßt sich verwenden (8). Glucuronsäure und manche ihrer Verbindungen reduzieren alkahsche Kupferlösung. Die Säure selbst ist rechtsdrehend, die Verbindungen jedoch sind Hnksdrehend. Nach J olles (9) werden kleine Mengen von Glucuronsäure auch bei der Einwirkung von H2O2 auf Glucose bei 37" C gebildet. In den Verbren- nungsgasen von Zucker fand Trillat (10) Formaldehyd, Acet- und Benzal- dehyd, Aceton, Methylalkohol, Essigsäure und Phenolderivate. Die wohl gleichfalls den Oxydationswirkungen anzureihende zer- setzende Wirkung von Licht auf Glucoselösungen ist besonders von Berthe- lot (11) in neuester Zeit unter Benützung intensiver ultravioletter Bestrah- lung als Photolyse näher beschrieben worden. Glucose und andere Al- dosen, zerfallen merkUch erst durch die Strahlen des mittleren Ultraviolett der Wellenlänge A 0,30—0,25 (x, während Ketosen schon im beginnenden Ultraviolett (A ) 0,30 (jl) zersetzt werden. Die Zuckeralkohole widerstehen allen Strahlen von X > 0,25 fx. Die Aldosen üefern 2 Vol. CO auf 1 Vol. H, die Ketosen nur CO, die Zuckeralkohole gleiche Volumina CO und H. Sodann wird die Lösung sauer, reduziert Fehling in der Kälte, spaltet CH4 und COj ab und enthält Formaldehyd und Methylalkohol. Nach Jodlbauer(12) ist Gegenwart fluorescierender Farbstoffe auf die Photolyse von Zucker ohne Effekt. I) Vgl. Biochemie, 1. Aufl., /, 202. — 2) G. Goldschmiedt, Ztsch. phyBioI. Chem., 65, 389 (1910). — 3) K. Smolenski, Ebenda, 71, 266 (1911). — 4) R. Dmo- CHOWSKi u. Tollens, Journ. f. Landw. 58, 27 (1910). — 5) B. Tollens, Ber. Chem. Ges., 41, 1788 (1908). C. Tollens, Ztsch. physiol. Chem., 56, 115 (1908); Münch. med. Woch.schr., 56, 652 (1909). Neubebg, Biochem. Ztsch., 24, 436 (1910); 44, 502 (1912). Tollens, Abderhaldens Handb. biochem. Arb.meth., 2, 68 (1909); ebenda, p. 101. — 6) Goldschmiedt, Ztsch. physiol. Chem., 67, 194 (1910). Udranszky, Ebenda, 68, 88 (1910). Codeinreaktion : Deniges, Biochem. Zeatr., ro, 686 (1910). — 7) C. Tollens, Ztsch. physiol. Chem., 61, 95 (1909). Lefevre u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 40, 4513 (1907). — 8) C. Neuberg u. Saneyoshi, Biochem. Ztsch., 36, 56 (1911). A. J0LLE8, Ber. Chem. Ges., 45, 3280 (1912). Goldschmiedt u. Zerner, Ebenda, 46, 113 (1913). — 9) A. Jolleb, Biochem. Ztsch., 34, 242 (1911); Mon. f. Chem., j., 623 (1911). — 10) A. Trillat, Biochem. Zentr., 4, Ref. 2042; Bull. Assoc. Chira. Sucr., 23, 649 (1906). Ein wenig Formaldehyd entsteht schon beim Erhitzen von Glucose auf etwas über 100°: Ramsay, Chem. News, 98, 288 (1908). — 11) Berthelot u. Gaudechon, Compt. rend., 75/, 395, 478 (1910); 153, 383 (1911); ISS, 401, 831, 1153 (1912); /50, 68 (1913). H. Bierry, V. Henri u. Rang, Ebenda, 75/, 316 (1910). Henri u. Ranc, Ebenda, iS4, 1261 (1912). P. Mayer, Biochem. Ztsch., 32, 1 (1911). — 12) T. KüDO u. A. Jodlbauer, Arch. Internat. Pharm, et Th4r., 19, 229 (1910). Cz»p«k, Biocbami» der Pflaiuon. I. 3. Aufl. !• 253 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Traubenzucker reduziert leicht eine große Zahl von Kohlenstoff- verbindungen, was insbesonders von der Entfärbung vieler Farbstoffe be- kannt ist und praktisch benützt wird. So wird Safranin von alkaüscher Traubenzucker lösung beim Kochen entfärbt (1), ebenso Methylenblau (2) und Indigotin. Malachitgrün (Zinksalz) und Strontiumhydroxyd geben zusammen eine schwach rosa Lösung; mit Zucker gekocht tritt Grünfärbung ein [Clacher (3)]. Die Entstehung von Indigotin bei der Reduktion von o-Nitrophenylpropiolsäure bei Gegenwart von NagCOa läßt sich bequem zum Zuckernachweis verwenden (4), Pikrinsäure wird von Glucose zur rot- gefärbten Pikraminsäure reduziert. Eine Reihe von Farbenreaktionen der Glucose betrachtet man seit langem als „Furfurolreaktionen" des Traubenzuckers, doch ist der Reaktions- mechanismus erst in neuerer Zeit vollkommen aufgeklärt worden. Foerster(5) hat festgestellt, daß die Rotfärbung von Fuselöl mit Anihn -f HCl durch beigemengtes Furfurol bedingt wird, und er wies auch nach, daß sich Furfurol bei Destillation von Zucker und Kohlenhydraten mit Säuren bilde, was Guyard (6) bestätigte. Schiff (7) gab zum Furfurolnachweis eine Mischung von Xyhdin, Eisessig und etwas Alkohol an. Mylius (8) zeigte, daß die bekannte PETTENKOFERsche Gallensäurereaktion (9) mit Rohrzucker -|- HaSOi auf eine Farbenreaktion des aus dem Zucker abgespaltenen Furfurols hinausgeht. Udranszky(IO) Ueferte ein umfangreiches Verzeichnis jener Stoffe, welche mit Furfurol + H2SO4 Farbenreaktionen geben. Die von IHL (11) und von Molisch (12) herrührende kirschrote Reaktion von Zucker und Zuckerderivaten mit a-Naphthol (oder Thymol) und konz. HaS04 schließt sich nach Udranszky hier an. Die Reaktion nach Ihl-Molisch hat sich als wertvolles diagnostisches Hilfsmittel bei der Feststellung von Kohlenhydratgruppen in zusammengesetzten organischen Verbindungen, z. B. Eiweißstoffen, eingebürgert. Nach Neuberg (13) gehngt sie außer mit Hexosen auch mit Glykolaldehyd, Glycerinaldehyd, Dioxyaceton, l-Ery- throse, i-Tetrose, d-Lyxose, d-Oxygluconsäure, Aldehydschleimsäure und Formose, van Ekenstein und Blanksma(14) haben nachgewiesen, daß Glucose unter dem Einflüsse starker Schwefelsäure zunächst Oxymethyl- furfurol CgHgOa liefert, und dieses unter Wasseraufnahme in Ameisensäure und die lange bekannte Lävulinsäure zerfällt: Oxymethylfurfurol CeHeOgH- 2HgO = H • COOH -fCjHgOa (Lävulinsäure). 1) L. Crismer, Chem. Zentr. (1888), //, 1510. Zur quantitativen Bestimmung: Hasselbalch u. Lindhard, Biochem. Ztsch-, 27, 273 (1910). — 2) A. Wohl, Chem. Zentr. (1888), /, 739. Wender, Ebenda (1893), //, 670. — 3) W. Clacher, Internat. Sugar Ind., 14, 461 (1912). — 4) J. Fritzsche, Joum. prakt. Chem., 28, 193 (1843). Baeyer, Ber. Chem. Ges., 14, 1741 (1880). Hoppe Seyler, Ztsch. physiol. Chem., /;, 83. Arnold, Chem. Zentr. (1902), //, 232. — 5) K. Foerbter, Ber. Chem. Ges., IS, 230, 322 (1882). — 6) A. Guyard, BuU. Soc. Chim., 4h 289 (1887). — 7) H. Schiff, Ber. Chem. Ges., 20, 540 (1887). — 8) H. Mylius, Ztsch. physiol. Chem., //, 492 (1887). — 9) M. Pettenkofer, Lieb. Ann., 52, 90 (1844). — 10) L. v. Ud- ranszky, Ztsch. physiol. Chem., /2. 358 (1888). — 11) A. Ihl, Chem.-Ztg. (1885), p. 231, 451, 485. Ihl u. A. Pechmann, Ber. österr. Ges. Förder. chem. Industr. (1884), p. 106. — 12) H. Molisch, Mon. Chem., 7, 198 (1886); Dingl. Polytechn. Joum., 261, 135 (1886). Die Reaktion wird heute meist als „Reaktion von Molisch" benannt. — 13) C. Neüberg, Ztsch. physiol. Chem., 3U 564 (1901). über die Re- aktion auch B. Reinbold, Pflug. Arch., 103, 581 (1904). — 14) A. van Ekenstein u. J. Blanksma, Chem. Weekbl., ö, 217 (1909); 7, 387 (1910); Chem. Zentr. (1910), //, 292; Ber. Chem. Ges., 43, 2355 (1910). Kiermayer, Chem.-Ztg. (1895), p. 1004. ViLLE u. Derrien, Bull. Soc. Chim. (4), 5, 895 (1909). H. Fenton, Ber. Chem. Ges., 43, 2795 (1910). Ost u. Brodtkorb. Chem.-Ztg. (1911), J5, 1125. Angelico u. COPPOLA. Gazz. Chim. Ital., 42, II. 583 (1912). § 2. Kurze Charakteristik der natürlichen Zuckerarten usw. 259 Das Oxymethylfurfurol ist die Ursache der erwähnten verschiedenen Farbenreaktionen von Glucose mit starker Säure und Phenolen. Als Kon- stitutionsformel des hier gebildeten Stoffes kommt von den drei möghchen Isomeren ausschließhch jene des co-Oxymethylfurfurols HG GH HO.GHa.ct^^'GGOH O in Betracht. Pentosen (und Glucuronsäure) hefern unter den gleichen Verhält- nissen Furfurol, Methylpen tosen hingegen Methylfurfurol. Von hierher gehörigen Zuckerreaktionen sei noch erwähnt die Rotfärbung beim Er- wärmen von Natriummalonester in Alkohol bei Gegenwart von Bromwasser- stoff: beim Eingießen des Reaktionsproduktes in Wasser entsteht blaue Fluorescenz [Fenton(I)]. Diese Reaktion beruht auf der Bildung von Brommethylfurfurol. Farbenreaktionen treten ferner auf mit Indol, Carbazol [Fleig (2)], Methylindol [Gnedza (3)], Orcin [Neumann (4)]. Allgemeinere Betrachtungen über diese Reaktionen vergleiche man bei Guärin (5) und Steensma (3). Zuckeroxydation diu-ch inorganische sauerstoffhaltige Verbindungen hat insbesonders in der Reduktion von Metalloxydsalzen hervorragende praktische Bedeutung. Bekannte Erscheinungen sind die Rötung beim Ein- dampfen von Glucoselösung mit arsensauren Salzen (6), die Schwärzung alkaüscher Wismutlösungen oder von Suspensionen basischen Wismut - nitrates bei Gegenwart von NaOH (7). Auch Bleisalze, molybdänsaures Ammonium, welches letztere blaue Färbung gibt, sind anwendbar (8). So wie andere Aldehyde wirkt Traubenzucker auf AgNOj in ammoniakahscher Lösung stark reduzierend. Goldchlorid wird mit violetter Farbe reduziert, und BeUchtung beschleunigt den Prozeß (9). Alkahsche Quecksilber lösung wird grau gefällt; eine bekannte Quecksilbermethode zur quantitativen Zuckerbestimmung rührt von Sachsse (10) her. Eisenchlorid unter Zusatz von NagGOg und Natriumtartrat gibt mit Glucose erhitzt eine dunkelbraune Fällung (11). Auch alkahsche Nickel- oder Kobaltlösung läßt sich zum Zucker- nachweise gebrauchen (12). Das wichtigste Reagens ist jedoch alkahsche Kupferlösung, deren Reduzierbarkeit durch Glucose 1815 durch Vogel (13) entdeckt wurde. Trommer (14) stellte fest, daß Traubenzucker, nicht aber Rohrzucker redu- 1) H. J. Fenton, Proceed Cambridge Phil. See., 14, 24 (1907). — 2) C. Fleig, Journ. Pharm, et Chim. (6), 28, 385 (1908). — 3) J. Gnedza, Corapt. rend., 148, 485 (1909). Vgl. auch Steensma, Biochem. Ztsch., 8, 203 (1908). Spectro- skopie: E. PiNOFF, Ber. Chem. Ges., 38, 3308 (1905). — 4) A. Neumann, Berlin, klin. Woch.schr. (1904), p. 1073. — 5) G. Guerin, Journ. Pharm, et Chim. (6), 21, 14 (1905). — 6) L. Elsner, Schweigg. Journ., 61, 350 (1831). — 7) Böttger, Journ. prakt. Chem., 70, 432. Quantitative Methode von E. Nylander, Ztsch. physiol. Chem., 8, 175 (1884). Goldsobel u. Sonnenberg, Chem. Zentr. (1910), //, 1095. — 8) Bleizucker als Zuckerreagens: M. Rubner, Ztsch. Biol., 20, 397 (1885). Molybdat: Ventre, Chem. Zentr. (1902), //, 1555. Pozzi-Escot, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 27, 179 (1910). — 9) Vanino, Koll. Ztsch., 2, 51 (1908). — 10) R. Sachsse, Sitz.ber. Naturf. Ges. Leipzig, 4, 22 (1877). Knapp, Lieb. Ann., 154, 252. — 11) LoEWENTHAL, Journ. prakt. Chem., 73, 71. J. H. Long, Chem. Zentr. (1897), //, 894. — 12) Sollmann, Zentr. Physiol., 15, 34 u. 129 (1901). Pa- pasogli u. Dupont, Chem. Zentr. (1895), //, 663. — 13) Vogel, Schweigg. Journ. Chem., /j, 162 (1815). — 14) Trommer, Lieb. Ann., 39, 360 (1841). 260 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. zierend wirkt. Barreswil(I) erfand den Zusatz von weinsaurem Salz zur Verhütung des Cu(0H)2-Niederschlages. Fehling (2) verdankt man die Einführung des Seignette- Salzes, sowie die ersten Grundlagen zur quanti- tativen Anwendung der Kupferreduktionsmethodik. Sachs wendete noch die „TßOMMERsche Probe" bei seinen mikrochemischen Untersuchungen an. A. Meyer (3) gab eine gute Modifikation der FEHLiNGschen Probe zu mikroskopischen Zwecken. Bei Luftabschluß wird die FEHLiNGsche Probe viel empfindhcher und gelingt bei mehrtägigem Stehen selbst bei Zimmer- temperatur (4). Durch Anwesenheit von Pepton und anderen organischen Substanzen wird wieder die Empfindhchkeit der Probe stark herabgesetzt, worauf beim Nachweise sehr geringer Zuckermengen Rücksicht zu nehmen ist (5). Als Oxydationsprodukte treten beim Erhitzen von Traubenzucker mit alkahscher Kupferlösung (nach vorheriger partieller Überfülirung in isomere Hexosen) auf: Gluconsäure, Mannonsäurelacton, aber keine Pentonsäuren [Nef (6)], nach Habermann und König (7) sodann COg, HCOgH, Glykol- säure und andere nicht näher festgestellte Säuren. Verdünntes alkahsches Silberoxyd erzeugt nach Nef Bildung von CO2, H-COOH, Oxalsäure. Bei Anwendung von Kupferacetat werden nur sehr kleine Zuckerroengen voll- ständig oxydiert (8). Mit Kupferoxydhydrat läßt sich Glucose gänzHch ausfällen [Sal- KOWSKI (9)]. Zahlreiche Abänderungen der Kupfermethode haben sich als sehr brauchbar erwiesen: Kupferacetat [Barfoed, Worm-Müller (10)]; Kupfercarbonat [Soldaini, Ost (11)]; Kupfersulfat und Natriumeitrat [Benedict (12)]; Kupferlactat [Carrez (13)]. SoxHLET(14) zeigte 1878, daß die frühere Annahme, wonach 1 Äquiv. Glueose 10 Äquiv. CuO reduziere, unrichtig ist, und daß vielmehr 1 Ge- wichtsteil Zucker je nach dem Kupferreichtum der Lösung ganz ver- schiedene Mengen CuO reduziert. 1880 gab SoxHLET die Vorschriften zu der in der Folge so allgemein angewendeten Titriermethode, welche sich in allen analytischen Hand- büchern ausführlich dargestellt findet und bei genauester Erfüllung der Vorschriften ihres Autors höchst verläßliche Resultate gibt. Soxhlet wies ferner nach, daß nicht alle Zuckerarten gleich stark reduzieren. Eine genaue 1) A. BARRE8WIL, Journ. Pharm, et Chim. (3), 6, 301 (1844). Vgl. auch B. Hebstein, Journ. Amer. Chem. Soc, 32, 779 (1910). — 2) H. Fehling, Lieb. Ann., 72, 106 (1849); 106, 75 (1858). Herstellung von FEHLiNQscher Lösung: H, Pellet, Ztsch. Ver. Rübenzuckerindustr. (1906), p. 1012. Wirksamer Bestandteil: Fb. Mabbe, Rev. gön. Chim. (7), 8, 256 (1905). Komplexe Cu-Verbindungen : Pickebing, Journ. Chem. Soc., loi, 1614 (1912). — 3) A. Meyeb, Ber. Botan. Ges., j, 332 (1885). ~ 4) J. Moitessieb, Soc. Biol., 60, 435 (1906). — 5) J. Lewinski, Berlin., klin. Woch.schr., 43, 125 (1906). A. Bernabdi, Biochem. Ztsch., 41, 160 (1912). — 6) J. U. Nef, Lieb. Ann., 357, 214 (1908). — 7) J. Habebmann u. M. Hoenig, Mon. f. Chem., 5, 208 (1884). — 8) Hinkel u. Shebman, Journ. Amer. Chem. Soc, 2g, 1744 (1907). Matthews u. Mc Guigan, Amer. Journ. Physiol., 19, 199 (1908). — 9) Salkowski, Pflüg. Arch., 5, 220 (1872). Yobhimoto, Ztsch. physiol. Chem., s6, 425 (1908). — 10) C Barfoed, Ztsch. analyt. Chem., 12, 27 (1873). Wobm- Mülleb, Pflüg. Arch., 16, 551 (1878). Sjollema, Ohem.-Ztg., 21, 739 (1897). Hinkel u. Shebman, Journ. Amer. Chem. Soc., 29, 1744 (1907). — 11) A. Sol- daini, Ber. Chem. Ges., 9, 1126 (1876). H. Ost, Ebenda, 23, 1035 (1890). Wood u. Bebry, Chem. Zentr. (1903), /, 1378. — 12) St. R. Benedict, Journ. Biol. Chem., j, 485 (1909). N. Schoobl, Chem. Weekbl., 9, 678 (1912). — 13) C. Cabbez, Ann. Chim. anal, appl., 14, 332 (1909). — 14) F. Soxhlet, Chem. Zentr. (1878), p, 219; Journ. prakt. Chem., 21, 227 (1880). Titration: Repiton, Monit. Bcient. (4), 21, II, 451 (1907). Conti, BoU. Chim. Farm., 46, 609 (1907). Menghebt, Deutsch, med. Wochr.schr. (1908), p. 1544. § 2. Kurze Charakteristik der natürlichen Zuckerarten usw. 261 gewichtsanalytische Kupfermethode gab Allihn (1), und Pflüger (2) hat dieselbe wesentUch verbessert. Hier wird das ausgeschiedene CugO als solches getrocknet und gewogen. Früher war es vielfach übhch, eine Re- duktion zu Cu vorzunehmen. In neuerer Zeit wurde eine Anzahl treff hoher Methoden ausgearbeitet, welche einen Überschuß an zugesetzter Kupfer- lösung zur Voraussetzung haben, und das nicht reduzierte Kupfersalz in der genau hergestellten FEHLiNGschen Lösung bestimmen. Hierher gehört die Methode von Ivar Bang (3), wobei der Kupferoxydsalzrest mit Hydroxyl- ammsulfat bis zur Entfärbung titriert wird (sehr einfach und sicher); die Methoden von Lehmann (4), Lavalle (5), Benedict (6) u. a. Das Prinzip der ausgezeichneten Methode von Pavy (7) beruht auf der Verhinderung der Ausscheidung des reduzierten CugO durch Zusatz von Ammoniak; man bemißt den Endpunkt der Reaktion nach der gänzhchen Entfärbung der tiefblauen Lösung durch den Zuckerzusatz. Kjeldahls (8) sehr scharfe Methode beruht auf der jodometrischen Bestimmung des durch Oxydation von 1 Mol Zucker gebildeten Säureäquivalentes. Bertrand (9) löst das ab- geschiedene CugO in einer schwefelsauren Lösung von Ferrisulfat und titriert das gebildete FeS04 mit Kahumpermanganat. Auch bei den besten Methoden kommt es sehr auf die richtige Konzentration der Zuckerlösung an, als welche meist 0,2% gelten kann (10). Anwesenheit von Alkohol ist bei Zuckerbestim- mungen zu vermeiden wegen Esterbildung (11). Eine Zucker bestimmungs- methode mit alkahscher Permanganatlösung durch Ermittlung der ge- bildeten Oxalsäure haben Greifenhagen und König (12) ausgearbeitet. Von den Aldehydreaktionen des Traubenzuckers ist vor allem seine Fähigkeit wichtig, sich mit Phenylhydrazin NHg— NH— CgHg leicht zu ver- binden. Die Umsetzung erfolgt bei Wasserbadtemperatur rasch sowohl mit der freien flüssigen Base als durch Umsetzung mit deren krystalhsierten Salzen. Je nach der angewendeten Hydrazinmenge erhält man zwei Reihen von Verbindungen mit Aldosen: 1. Hydrazone, welche durch Verbindung von 1 Äquiv. Zucker und 1 Äquiv. Phenylhydrazin entstehen. Glucose-Phenylhydrazon GHgOH- (GH0H)4-GH : N-NH-CßHg in Wasser leicht lösUch, existiert in mindestens zwei Stereo-isomeren Formen (1 3). 2. Osazone, entstehend durch Verbindung von 2 Äquiv. Phenylhydrazin mit 1 Äquiv. Zucker, auch in der Wärme in Wasser wenig löshch und gut 1) Allihn, Journ. prakt. Chem., 22, 55. — 2) Pflüqer, Pflüg. Arch., 6g, 399 (1898). MuNSON u. Walker, Journ. Amer. Chem. Soc, 28, 663 (1906). — 3) Iv. Bang, Biochem. Ztsch., 2, 270 (1907); //, 538 (1908). H. Jessen-Hansen, Ebenda, /o, 249 (1908); C. r. Lab. Carlsberg, 7, 218 (1909). — 4) K. B. Lehmann, Chem. Zentr. (1897), //, 233. Rupp u. F. Lehmann, Arch. Pharm., 247, 516 (1910). F. Lehmann, Diss. (Marburg 1908). Grimbeet, Journ. Pharm, et Chim. (7), ;, 105 (1913V — 5) Fr. P. Lavalle, Chem.-Ztg., jo, 1301 (1907); Ber. Chem. Ges., 38, 2170(1905). — 6) Benedict, Journ. Biol. Chem., 9, 57 (1911). Maqüenne, Bull. Soc. Chim. (3), 19, 926 (1898). — 7) Pavy, Physiol. of the Carbohydrates (London 1894). Vernon, Journ. of Physiol., 28, 156 (1902). Kumagawa u. Suto, Festschr. f. Salkowski (1904), p. 211. — 8) Kjeldahl, Carlsberg Labor. Med. (1895), p. 4; Chem.-Ztg., 19, Rep. 218; Ztsch. analyt. Chem., J5. 344 (1896). Jessen- Hansen, Carlsberg Labor. (1899), p. 193. R. O. Herzog u. Hörth, Ztsch. physiol. Chem., 60, 152 (1909). — 9) G. Bertrand, Bull. Soc. Chim. (3), jj, 1285 (1906). M. Rosenblatt, Biochem. Ztsch., 43, 478 (1912); Bull. Sei. Pharm., 19, 411 (1912). Beyersdorfer, Ztsch. ges. Brauwes., J5, 556 (1912). — 10) Kinoshita, Biochem. Ztsch., 9, 208 (1908). — 11) Talon, Ann. Chim. anal., //, 244 (1906). — 12) W. Greifenhagen, J. König u. A. Scholl, Biochem. Ztsch., jj, 169 (1911). — 13) R. Behrend, Lieb. Ann., 353, 106 (1907); 362, 78 (1908). A. Hofmann, Ebenda, 366, 277 (1909). Behrend u. Reinsberg, Ebenda, 317, 189 (1910). Reclaire, Ber. Chem. Ges., 4t, 3665 (1908). 262 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zackerarten. krystallisierend. Für d-Glucose kommt ausschließlich das Glucosazon als diagnostisches Hilfsmittel in Betracht. 1 g Traubenzuckeranhydrid gibt nach dem Verfahren von Maquenne (1) genau 0,32 g Osazon, was zur quanti- tativen Glucosebestimmung benützt werden kann. Mit der Osazonprobe lassen sich noch 0,03—0,05% Traubenzucker sicher erkennen (2). Das in sternförmig angeordneten feinen Nadeln krystalhsierende d- Glucosazon schmilzt in ganz reinem Zustand je nach der Art des Erhitzens zwischen 205 und 217° C (3). Die Osazone lösen sich merküch in Aminosäuren, Säure- amiden und manchen heterocyklischen Verbindungen [Neuberg (4)]. Wichtig ist die Untersuchung der optischen Eigenschaften der Osazonlösungen ; als Lösungsmittel empfiehlt sich hierzu besonders Pyridinalkohol (5). Beim Erhitzen mit salzsaurem Phenylhydrazin, Natriumacetat und Alkali gibt Zucker eine rotviolette Färbung (6). Kalte konzentrierte HCl, aber auch Benzaldehyd spaltet Phenylosazone in Phenylhydrazin und Glucosone [Fischer (7)]. Das d-Glucoson ist ein Aldehyd der Fructose: CHgOH- (CH0H)3-G0C0H. Die Osazonprobe wurde wiederholt auch zu mikro- chemischen Zwecken herangezogenes). Außer Phenylhydrazin ist eine ganze Reihe seiner Substitutionsprodukte zur Abscheidung des Traubenzuckers ebenso gut oder noch besser verwendbar, so Benzylphenylhydrazin, Allyl- phenylhydrazin (9), Äthyl- und Methylphenylhydrazin (10); die Hoffnung Glucose von Fructose auf diesem Wege nebeneinander nachweisen zu können, hat sich bisher nicht erfüllt, da beide Zucker mit den Hydrazinverbindungen zu reagieren pflegen; ferner wurden verwendet Diphenylhydrazin (11), Benz- hydrazin und p-Brombenzhydrazin (12); mit Diphenylmethandimethyl-di- hydrazin reagiert Glucose im Gegensatz zu Mannose und Galactose sehr träge (1 3), Traubenzucker gibt auch die Aldehydreaktion mit Diazo-Benzol- sulfosäure (14): man fügt die mit verdünntem Alkah versetzte Zuckerlösung und ein Körnchen Natriumamalgam zu dem Reagens (1 Teil Diazo-Benzol- sulfosäure, 60 Teile kaltes Wasser mit ein wenig NaOH) und läßt 10— 20 Mi- nuten stehen, worauf sich die Lösung rotviolett färbt. Auch alkahsche m- Dinitrobenzollösung gibt mit Glucose Violettfärbung (15). Hingegen gehngt die Aldehydreaktion mit Fuchsin + Natriumbisulfit bei Glucose und Fructose nicht. Semicarbazone der Hexosen wurden durch Maquenne und GooD- WIN(18) dargestellt. 1) Maquenne, Compt. rend., 112, 799. — 2) E. Salkowski, Arbeit. Pathol. Inst. Berlin (1906), p. 573. Sherman u. Williams, Journ. Ämer. Cham. Soc, 28, 629 (1906). Bierry, Henri u. Rang, Soc. ßiol., 70, 877 (1911). — 3) Fr. Tutin, Proc. Cham. Soc., 23, 250 (1907). E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 4', 73 (1908). — 4) Neuberg, Ztsch. physiol. Chem., 29, 274 (1900). — B) Neuberg, Ber. Chem. Ges., 32, 3384 (1899). — 6) E. Riegler, Zentr. Physiol., /j, 180 (1901). — 7) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 21, 2631 (1888); 22, 87 (1889). Fischer u. Fr. Arm- strong, Ebenda, 35, 3141 (1902). P. Mayer, Biochera. Ztsch., 40, 455 (1912). Oßonentstehung aus Glucose durch elektr. Gleichstrom: Neuberg, Ebenda, 17, 270 (1909). — 8) E. Senkt, Ztsch. alldem. Ö8t«rr. Apoth.-Ver. (1904), Nr. 12. W. C DE GrAaff, Pharm. Weekbl. (1905), p. 346. Tichomtroff, Ann. Jard. bot. Buiten- zorg (2), 3, 537 (1910). — 9) Lobry de Bruyn u. A. van Ekenstein, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 15, 97, 227 (1896). — 10) R. Ofner, Mon. f. Chem., 26, 1165 (1905); 27, 75 (1906). — 11) Stahel, Lieb. Ann., 258, 242. — 12) Wohl, Ber. Chem. Ges., 28, 160. Kendall u. Sherman, Journ. Amer. Chem. Soc, 30, 1451 (1908). — 13) J. V. Braun, Ber. Chem. Ges., 41, 2169 (1908); 43, 1495 (1910). — 14) Pentzoldt u. E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 16, 657 (1883). — 15) Cha- VASsiEU u. Morel, Compt. rend., 143, 966 (1906). — 16) Maquenne u. Goodwin, Bull. Soc. Chim. (3), j/, 1075 (1904). § 2. Kurze Charakteristik der natürlichen Zuckerarten usw. 263 Dieselben Forscher stellten durch die Reaktion mit Phenylisocyanat ein Pentaphenylurethan der Glucose: GeH,Oe-(CONHCgH5)6 dar (1). Diesen wichtigen Reaktionen zur Diagnose und Bestimmung des Traubenzuckers gesellt sich noch als eine der allerbrauchbarsten Methoden die Polarimetrie zu, auf deren Einzelheiten einzugehen jedoch nicht im Zwecke dieses Werkes hegt. Bei Gegenwart so vieler optisch aktiver Stoffe, wie sie in Gewebesäften, Kulturflüssigkeiten u. a. Materialien biochemischer Studien verbreitet vorkommen, ist es wichtig, dieselben so weit als mög- lich ohne Ausfällung des Zuckers zu entfernen, bevor man optische Methoden anwendet. Hierzu sind Mercuriacetat (50%) oder Phosphorwolframsäure (20%) wohl am meisten geeignet (2). Bekanntlich stellt auch die Gärungs- probe eine sehr sichere, wenn auch nicht ganz exakte Werte Hefernde quanti- tative Methode zur Glucosebestimmung (Fructose und Mannose sind gleich gut gärungsfähig) dar; man hat die hierzu nötigen Apparate in neuerer Zeit sehr vollkommen gestaltet (3). In alkahscher Lösung erleidet Glucose so wie andere Zuckerarten teil- weise Umlagerung in isomere Aldosen und Ke tosen. Dabei geht binnen 24 Stunden das Drehungsvermögen von Glucose bis auf Vio ^^^ ursprüng- Hchen Betrages herab (4). Glucose geht bei diesem Prozesse, welcher zu einem stabilen Gleichgewichtszustande führt, teilweise in Mannose und Fructose über [Lobry de Bruyn und A. van Ekenstein (5)]. Fructose entsteht auch durch Säurewirkung aus Glucose (6). Daß sich Glucose gerade in Mannose und Fructose umlagert, kann man mit Wohl und Neuberg (7) durch die Annahme verständhch finden, daß allen drei Zuckern derselbe ungesättigte Alkohol CH20H-(CHOH)3. C(OH) : CHOH zugrunde Hegt, welcher vermöge seiner Enolkonstitution eine desmotrope Ketoverbindung in der Fructose liefern kann. Gleichzeitig können die zusammengehörigen Gruppierungen OH H C-COHund CCOH H OH in der Glucose und Mannose leicht ineinander übergehen, wenn man mit Michaelis (8) annimmt, daß die Glucose H*-Ionen abspaltet und das H"-Ion beim Wiederentstehen von Hexosemolekeln seine Stelle wechselt. Die Beziehungen der drei Hexosen lassen sich ausdrücken durch die Formel- bilder : -0 OH H OH H OH H H OHH 1) Maquenne u. Goodwin, Compt. rend., 138, 633 (1904). — 2) C. Neü- BERG u. IsHiDA, ßlochem. Ztsch., 37, 142 (1911). — 3) Vgl. B. Wagner, Münch. med. Woch.schr. (1905), p. 2327. — 4) L. Michaei-is u. Rona, Biochem. Ztsch., 23, 364 (1910). — 5) C. A. Lobry de Bruyn u. A. van Ekenstein, Reo. trav. chim. Pays-Bas, 14, 203 (1905). — 6) H. Ost, Ztsch. angewandt. Chem., 18, 1170 (1905). — 7) Wohl u. Neuberg, Ber. Chem. Ges., jj, 3099 (Anm.) (1900). — 8) Michaelis u. RoNA, Biochem. Ztsch., 47, 447 (1912). 264 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. 0 OH H H I CHaOH . C . G . G . C . CC(0H).CH0H.C0H. Sie ist unvergärbar; mit Brom oxydiert liefert sie die Apionsäure, eine Tetraoxy-Valeriansäure. F. Zuckeralkohole. Die den natürlich vorkommenden Aldosen und Ketosen entsprechen- den primären mehrwertigen Alkohole kommen zum größten Teile in der lebenden Zelle gleichfalls, manchmal in großer Menge, zur Bildung. Ins- besondere Mannit reicht an physiologischer Bedeutung wohl an die Hexosen heran. Als Ester kommen aber die Zuckeralkohole im Gegen- satz zu den Aldosen nur sehr selten vor. Es sind vier-, fünf-, sechs- und siebenwertige Zuckeralkohole als native Pflanzenstoffe bekannt. Ein Tetrit ist der Erythrit oder Phycit, von Lamy 1852 in Proto- coccus vulgaris gefunden. Er dürfte in Algen nicht selten sein. In Flechten findet sich derselbe Erythrit häufig genug, aber allermeist nicht frei, sondern als Ester der Orsellinsäure. Der natürliche Erythrit ist optisch inaktiv; er gibt auch mit HNGj Mesoweinsäure (7), muß also als Mesoerythrit bezeichnet werden. Racemischer Erythrit mit extramole- kularer Kompensation soll angebhch aus manchen Roccella- Arten zu ge- winnen sem(8). Die chemischen und physikalischen Eigenschaften des 1) E. Fischer u. C. Liebermann, Ber. Chem les., 26, 2415 (1893). — 2) Kiliani, Arch. Pharm., 234, 446 (1896). — 3) Lkvene, Jacobs u. Medi- GRECEANU, Journ. Biol. Chem., //, 371 (1912). — 4) Kiliani, Ber. Chem. Ges., 25, 2116 (1893); 31, 2454 (1899); Arch. Pharm., 230, 250 (1899). — 6) H. Kiliani, Ber. Chem. Ges., 38, 4040 (1905). — 6) E. Vongebichten, Lieb. Ann., jj/, 71 (1902); Ber. Chem. Ges., 39, 235 (1906). — 7) E. Pbibytek, Ber. Chem. Ges., 14, 1202 (1881). — 8) Hesse, Journ. prakt. Chem., 73. 134 (1906). GoRis u. Roncenay, Bull. Sei. Pharm., 13, 463 (1906). § 2. Kurze Charakteristik der natürlichen Zuckerarten usw. 273 Erythrits sind bereits jenen der Zuckerarten sehr ähnlich, doch ist er durch Hefe, wie die Pentosen, wohl assimilierbar aber nicht vergärbar. Bacterium xylinum oxydiert Erythrit zu einer Ketose: d-Erythru- lose(l); ebenso entsteht mit Bromwasser dieselbe Ketotetrose(2). Beim Abbau der Erythrulose durch Reduktion kommt man zunächst zu d- Erythrit. 1-Erythrit ist wieder nach dem WoHLschen Abbauverfahren von der 1-Xylose aus zugänglich (3). Der Meso-Erythrit ist nach mehreren Verfahren synthetisch dargestellt worden (4). Erythronsäure und Oxy- erythronsäure sind von Neuberg (5) aus Mesoeiythrit bei der Oxydation durch HNOg erhalten worden: Mesoerythrit OH OH OH OH CH2OH— I 1— CH2OH -^ CH2OH-I l—COOH Erythronsäure (d, 1) ^ CH2OH.CHOH.CO.COOH ) Oxy- OH OH } erythron- oder COH— I 1— • COOH J säure Der einzige unzweifelhafte Pentit natürlichen Vorkommens ist der von Merck (6) im Kraut von Adonis vernalis entdeckte Adonit; er ist optisch inaktiv, nicht reduzierend. Fischer (7) erkannte seine Identität mit dem Alkohol der synthetisch erhaltenen Ribose. Seine Konfiguration H H H ist daher: CHjOH — | 1 1— CHgOH. Im Pflanzenreiche ist dies OH OH OH bisher der einzige Vertreter der Ribogruppe. Nach Morelle (8) soll der von Garreau 1850 in Sprossen von Saxi- fraga (Bergenia) sibirica gefundene und ^ergenin genannte Stoff CgHjQOg, HgO ein fünfwertiger Alkohol sein. Der Bergenit ist hnksdrehend. Ebenso wie dieser, so bedarf auch der zuletzt von Seidel (9) studierte Catharto- mannit der Sennesblätter oder Sennit CgHjgOg einer näheren Unter- suchung. Er gehört wohl zu den hydroaromatischen Verbindungen. Aus der Reihe der 10 stereoisomeren Hexite fehlen bisher nur die Gruppen des Talit(IO) und des Allodulcit in den natürlich gebildeten Zuckeralkoholen ganz, und dürften auch kaum vorkommen. Drei der natürlichen Hexite sind sehr wichtige Stoffwechselprodukte: d-Sorbit, welcher durch Reduktion aus Glucose und Fructose entsteht, wurde bei Rosaceen häufig gefunden, sonst aber höchst vereinzelt. Aus dem Fruchtsafte von Sorbus Aucuparia wurde er zuerst durch Boussin- QAULT(ll) dargestellt und als Isomeres von Mannit und Dulcit erkannt Sein Schmelzpunkt liegt tiefer als der von Mannit und Dulcit; seine Lösung ist inaktiv, nicht reduzierend, und gibt bei der Oxydation keine 1) ßERTEAKD, Compt. rend., 130, 1472 (1900). — 2) G. Deniges, Ann. Chim. et Phys. (8), 18, 149 (1909). — 3) L. Maquenne, Compt. rend., 130, 1402 (1900). — 4) Lespieaü, Compt. rend., 144, 144 (1907J. H. Pariselle, Ebenda, 150, 1343 (19)0). G. Griner, Ebenda, 116, 723 (1893); 117, 553 (1893). — 5) C. Neuberg, Biochera. Ztsch., 24, 166 (1910). — 6) E. Merck, Chem. Zentr. (1893), /, 344. — 7) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 26, 633 (1893). — 8) E. Morelle, Compt. rend., 93, 646 (1881). — 9) A. Seidel, Diss. (Dorpat 1884). Just (1884), /, 152. Tollens, Handb. d. Kohlenhydr., /, 270 (2. Aufl.). — 10) Talit: Bertrakd u. Brüneaü, Compt. rend., 146, 482 (1908). — 11) Boüssingaült, Agronomie, 5. 95 (1874). Ber. Chera. Ges., j, 325 (1872). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 18 2'74 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Schleimsäure wie Dulcit. Vincent und Delachanal(I) wiesen den Sorbit in Pomaceen- und Prunaceenfrüchten zu etwa 0,5 % Ausbeute verbreitet nach. Bacterium xylinum, das „Sorbosebacterium", welches Pelouze auch in gärendem Vogelbeersaft entdeckt hatte, oxydiert ihn zu d-Sorbose. Der Nachweis von Sorbit kann durch Herstellung seines unlöslichen Dibenzoyl-Acetals mit Benzaldehyd und H2SO4 geführt werden (2), d-Idit, welcher auch bei der Reduktion der d-Sorbose durch Natriumamalgam neben d-Sorbit entsteht, findet sich tatsächlich auch in Rosaceenfr lichten in Gesellschaft des Sorbits, und wurde von Vincent und Meunier(3) als angeblicher Octit „Sorbierit" aus den Mutterlaugen der Sorbitdarstellung gewonnnen. Bertrand (4) erkannte, daß man es H OH H OH hier mit d-Idit: CH2OH— | \ 1 1 CHjOH zu tun habe. OH H OH H Der natürliche Mannit ist d-Mannit, derselbe, welcher aus Fructose oder Mannose bei Reduktion mit Natriumamalgam erhalten wird (5). Dies ist eine bei niederen und höheren Gewächsen äußerst verbreitete Substanz, welche bei Pilzen, bei den Oleaceen, Evonymus und einigen anderen Blütenpflanzengruppen an Quantität den Traubenzucker übertrifft und diesen gleichsam vertritt, sonst aber auch vielfach mit anderen Zuckerarten geraeinsam vorkommt (6). Er entsteht auch als bacterielles Stoffwechselprodukt in der Mannitgärung und Milchsäuregärung. Mannit schmilzt bei 166^; seine Lösung schmeckt stark süß, reduziert Fehling bei kurzem Kochen nicht. Das Auftreten starker Kupferreduktion nach vorheriger Oxydation mit Chromsäuremischung läßt sich zum Mannit- nachweis verwenden (7). Mit konzentrierter H2SO4 erhitzt bildet Mannit kein Furfurol(8). Dulcit oder Melampyrit ist nicht selten bei Blütenpflanzen, be- sonders in Scrophulariaceen und Celastraceen (9) gefunden worden. Er bildet derbe, asparaginähnliche Krystalle (F 186^), seine Lösung ist optisch inaktiv, nicht reduzierend, nicht gärungsfähig und gibt bei der Oxydation mit HNO3 Schleimsäure. Dulcit ist der zur d-Galactose ge- hörige Alkohol. AsAHiNA(lO) gewann aus der Fruchtschale von Styrax Obassia S. et Z. einen eigentümlichen neuen Hexit, den Styracit CßHiaOg. DieLösungdiesesAlkohols ist stark linksdrehend ([a]D= -71,72°) 1) C. VmcENT u. Delachanal, Bull. Soc. Chim. (2), 34, 218 (1880); Compt. rend., 108, 354; 109, 676 (1889); 116, 486 (1892). — 2) Meüniee, Compt. rend., 108, 148; Ann. Chim. et Phys. (6), 22, 431. Vincent u. Delachanal, Bull. Soc. Chim. (2), 22, 264. — 3) Vincent u. Meunier, Compt. rend., 127, 760 (1898). — 4) G. Bertrand, Ebenda, 139, 802, 983 (1904); Bull. Soc. Chim., 33, 264; Ann. Chim. et Phys. (8), 10, 450 (1907). Synthetischer 1-Idit: Compt. rend., 143, 291 (1906). — B) Krusemann, Ber. Cham. Ges., p, 1465 (1876). — 6) Vorkommen von Mannit: A. Vogel, Schweigg. Journ., j;. 365 (1823) (Apium). Power u. Tutin, Journ. Amer. Chem. Soc, 27, 1461 (1905) f. Aethusa. Husemann-Hilger, Pflanzenstoffe, p. 179. A. Meyer, Botan. Ztg. (1886), p. 129. Pelouze, Ann. de Chim. et Phys., 47, 419. J. Kachler, Monatsh. Chem., 7, 410 (Fichtencambialsaft). H. Paschkis, Pharm. Zentralhalle, 23, 193 (Evonymus). Monteverde, Ann. Agron., 19, 444 (1893) (Scrophulariaceen). B. Grützner, Arch. Pharm., 223, 1 (1895) (Basanacantha). Th. Peckolt, Ztsch. österr. Apoth.-Ver. (1896), VI (Geiiipa). — 7) H. Wefers-Bettink, Chem. Zentr. (1901), //, 1320. — 8) O. Carletti, BoU. Chim. Farm., 46, 5 (1907). — 9) Eichler, Chem. Zentr. (1859), p. 522. Monteverde, Ann. Agron., 19, 444 (1893). Gilmer, Lieb. Ann., 123, 372. Borodin, Botan. Zentr.. 43, 175 (1890). KUBEL, Journ. prakt. Chem., 85, 372. — 10) Y. Asahina, Arch. Pharm., 245, 325 (1907); 247, 157 a909); Ber. Chem. Ges., 45, 2363 (1912). § 3. Verbindungen der- Zuckerarten. 275 nicht reduzierend; wohl aber erhält man nach Oxydation, wie bei Mannit, eine stark reduzierende Lösung. Der Styracit ist zweifellos ein zu einer Anhydrohexose gehöriger Alkohol, dessen Konfiguration noch näher zu erforschen bleibt; von dem durch E. Fischer dargestellten Anhydroglucit ist er sicher verschieden. Während siebenwertige Zucker aus dem Pflanzenreiche noch nicht bekannt sind, ist es gelungen, zwei Heptite aus Pflanzen zu isoüeren. Der eine, der Persei t, welcher in unreifen Samen, Blättern und Pericarp von Persea gratissima vorkommt, wurde vom Mannit von Muntz und Mar- CAN0(1) als different erkannt. Seine Natur als Heptit stellte Maquenne(2) fest. Fischer und Passmore (3) fanden seine Identität mit dem Heptit, welchen man bei Reduktion der Mannoheptose mit Natriumamalgam erhält. Perseit bildet feine Nadehi von F = 183,5», gibt bei der Oxydation Oxal- säure und keine Schleimsäure. Durch die Einwirkung des Sorbosebacteriums gibt Perseit die reduzierende hnksdrehende Ketose Perseulose (4); letztere hefert bei ihrer Reduktion durch Natriumamalgam den neuen Heptit Per- seuüt neben Perseit Perseit spielt in Persea dieselbe biochemische Rolle, wie sonst Zucker oder Mannit. Der Volemit wurde entdeckt und richtig als Heptit bestimmt durch Bourquelot (5), welcher ihn zuerst in Lactaria volema konstatierte. Bougault und Allard (6) fanden denselben Heptit später auch in den Rhizomen mancher Primula-Arten. Volemit schmilzt schon bei 154—155®, also erhebhch niedriger als Perseit, und gibt bei seiner Oxydation nicht Mannoheptose, sondern Volemose, eine Heptose von noch unbekannter Konfiguration. §3. Verbindungen der Zuckerarten. Von der außerordentlich großen Zahl der möglichen und bekannten Zuckerverbindungen besitzen drei Gruppen ein weitergehendes Interesse für die Biochemie: die Verbindungen mit Basen, die Aminoderivate der Zucker und die Ester der Zuckerarten. Mit Basen reagieren die Zuckerarten als höhere Alkokole unter Bildung alkohoiatai-tiger Verbindungen. So sind durch Behandlung alkoholischer Traubenzuckerlösung mit Natriumäthylat oder mit alkoho- lischer Alkalilauge (7) leicht Natriumglucosate zu erhalten. Praktisch haben die unlöslichen Ca-, Ba- und Sr-Verbindungen der Zuckerarten größere Bedeutung. Im Organismus sind Metallglucosate bisher nicht nachgewiesen, doch ist wohl an die Möglichkeit des Vorkommens solcher Verbindungen der Zucker sowie deren Kondensationsprodukte zu denken. Aminozucker scheinen für den Pflanzenorganismus von hoher Be- deutung zu sein. Vor allem gehören Ammoniakderivate der Zucker zu 1) A. Muntz u. Marcano, Compt. rend., 99, 38 (1884); Ann. de Chim. et Phys. (1884), p. 279. — 2) Maqüenne, Compt. rend., 106, 1235 (1888); 107, 583 (1888). — 3) E. Fischer u. Passmore, Ber. Chem. Ges., 23, 2231 (1890). G. Hart- mann, Lieb. Ann., 222, 190 (1893). — 4) G. Bertrand, Compt. rend., 147, 201 (1908); Bull. Soc. Chim. (4), 5. 629 (1909); Compt. rend., 149, 225 (1909). — 5) Bourquelot, Joum. Pharm, et Chim. (6), 2, 385 (1896). — 6) J. Bougault u. G. Allard, Compt. rend., 135, 796 (1896). Über Volemit und Volemose ferner E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 28, 1973 (1895). Glucoheptit: Philippe, Compt. rend., 147, 1481 (1908). — 7) Th. Pfeiefeh u. Tollens, Lieb. Ann., 210, 285 (1881). HONIG u. Rosenfeld, Ber. Chem. Ge:., 10. 871 (1877); r2, 45 (1879). Aluminium: Chapman, Proc. Chem. Soc, 19, 74 (1903). 18* 276 Zweites Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. den wichtigsten Spaltungsprodukten der Eiweißsubstanzen. Eine Amino- glucose ist ferner, wie Ledderhose (1) zuerst fand, als Hauptprodukt der Spaltung des Chitins, des hauptsächlichen Zellmembranstoffes der Pilze anzusehen; dieser Forscher nannte den Stoff „Glucosamin'-. Tie- MANN(2) stellte daraus durch Oxydation die der Zuckersäure isomere Isozuckersäure dar; die dem Glucosamin entsprechende Aminosäure wurde von Fischer und Tiemann(3) gewonnen. Daß diese „Chitos- aminsäure" tatsächlich mit d-Glucosaminsäure identisch ist, folgt aus der Synthese des a-Glucosamins aus derselben durch Fischer und Leuchs(4). Irvine und Hynd(5) ist schließlich die Rückverwandlung des a-Gluco- samins in d-Glucose gelungen. a-Glucosamin hat die Konfiguration H H OH CHgOH— I 1 1— GHNHg-COH, wobei die sterische Anordnung der OHOHH Arainogruppe noch unbestimmt geblieben ist. Das Osazon ist zur Identifizierung des Glucosamins nicht verwend- bar. Nach Steudel(6) läßt sich hingegen die Ausfällung durch Phenyl- isocyanat benützen. Die entstehende Glucosaminverbindung ist in Wasser sehr wenig löslich, kann aus verdünnter Essigsäure krystallinisch er- halten werden und schmilzt scharf bei 210". Von Glucosamin sind eine Reihe von Derivaten dargestellt: durch Blausäureanlagerung zwei isomere Aminoglucoheptonsäuren (7), durch Alkylierung Aminomethylglucoside (8). „Osamine" sind die von Franchimont, Lobry de Bruyn und van Ekenstein (9) dargestellten Zuckerverbindungen, die aus einer Lösung von Zucker in methylalkohohschem Ammoniak entstehen. Als „Glucamine" bezeichneten Maquenne und Roux(10) Verbindungen, in welchen die Aldehydgruppe von Aldosen durch die Gruppe NHgCHg ersetzt ist. Sie entstehen durch Reduktion der Zuckeroxime mit Natriumamalgam. Harnstoff reagiert mit Glucose in der Weise, daß unter Bindung einer Amidgruppe an die Aldehydgruppe die Verbindung NHa-CO-NiCH- (CHOH)4.CH20H oder Gliicose-Ureid formiert wird (11). Auch Guanidin- verbindungen sind bekannt (12). Möghcherweise könnten solche Verbin- dungen biochemische Bedeutung besitzen. Angaben über eine Adenin- Hexose aus Hefe rühren von Mendel (1 3) her. Eine dem Ureid analoge Struktur sollten auch die Zuckerverbindungen aromatischer Amtnoniak- derivate, z. B. Glucose-Anilid, nach der bisher vertretenen Auffassung be- 1) Ledderhose, Ztsch. physiol. Chem;, 2, 213 (1878). H. Steudel, Ebenda, 34, 353 (1902). — 2) F. TiEMANN. Ber. Chem. Ges., 17, 241 (1884); 19, 49, 1257. — 3) TiEMAiSN u. E. FisCELEE, Ebenda, 27, 138 (1894). — 4) E. Fischeb u. Leuchs, Ebenda, 36, 24 (1903). — 5) J. C. Irvine u. A. Hynd, Proc. Chem. Soc, 28, 54 (1912). — 6) Steudel, Ztsch. physiol. Chem., jj, 221 (1901). Paal, Ber. Chem. Ges., 27, 974. — 7) Neuberg u. C. Wolff, Ber. Chem. Ges., jö, 618 (1903). — 8) E. Fischer u. Zach, Ebenda, 44, 132 (1911). Hamlin, Journ. Araer. Chem. Soc, jj, 766 (1911). Irvine u. Hynd, Journ. Chem. Soc, 99, 250 (1911). — 9) C. A. Lobry de Bruyn u. Franchimont, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 12, 286 '(1894); 14, 134 (1895); 15, 81 (1896); 18, 72, 77 (1899). — 10) L. Maquenne u. E. Roux, Compt. rend., 132, 980 (1901); 137, 658 (1903). Roux, Ebenda, /J5, 691 (1902); 136, 1079 (1903); 138, 503 (1904). — 11) N. Schoorl, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 22, 31 (1903). P. Mayer, Biochem. Ztsch., /;, 145 (1909). — 12).. R. S. Morrell u. Bellars, Proc. Chem. Soc, 23, 87 (1907). L. Radlbergee, Österr.-Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 41, V (1912). — 13) J. A. Mendel, Journ. Biol. Chem, //, 85 (1912). § 3. Verbindungen der Zuckerarten. 277 sitzen, doch hat Irvine(I) für dieses Derivat und ähnhche nachgewiesen, daß die Kuppelung der NHg-Gruppe nicht der Aldehydkondensation, sondern einer y-Oxydkondensation nach dem Schema: .1 0 1 CeHgNHiH OH;CH .(CHOH)2.CH.CHOH.CHaOH entspricht, weil man nur Tetramethyl- und nicht Pentamethylglucose bei der erschöpfenden Methyherung und nachfolgenden Hydrolyse als End- produkt erhält. Glucose-Aniüd ist somit Ester der Zuckerarten. Entsprechend ihrem Alkoholcharakter gehen die Zucker leicht esterartige Verbindungen mit den verschieden- sten Säuren ein und man kennt solche Säureester in überaus großer Zahl. Mit einwertigen Säuren, z. B. Essigsäure, sind theoretisch fünf Esterstufen möglich, die von der Acetylglucose auch tatsächlich bekannt sind. Pentaacetylglucose hat Lactonstruktur: (C2H30)OHC . CHOCC^HsO) • CHOCCaHgO) • CH • CHOCC^HgO) • I Q 1 .CH20(C2H30)(2). Triacetylglucose soll nach Ackee und Hinkins(3) durch Pankreasenzym, Maltase und Diastase, nicht aber durch Emulsin verseift werden, und Pankreasenzym soll auch die Bildung des Triacetylderivates aus Zucker und Essigsäure vermitteln. Für die Zuckerchemie waren mehrere Säure- ester von Bedeutung, so die Benzoylderivate, welche mitunter für die Isolierung der Zuckerarten gut verwendbar sind (4), und die Acetochlor- glucose und Acetobromglucose, die in den Händen E. Fischers wert- volle Dienste bei der Synthese von Zuckerverbindungen leisteten; letztere sind Tetraacetylglucosen, in deren endständiger CHOH-Gruppe ein Halogenatom eingetreten ist. Wegen ihrer bedeutsamen Rolle als Hilfs- stoff bei der Alkobolgärung haben die Phosphorsäureester der Glucose in neuester Zeit besonderes Augenmerk auf sich gelenkt. Nach Lebe- DEw(5) und Euler (6) kommt im Gärungsgut ein Glucosediphosphat vor. Künstlich dargestellt wurden Glucosephosphate mehrfach, so be- sonders von Neuberg (7) durch Phosphoroxychlorid in Gegenwart von CaCOg, CoNTARDi(8) u. a. Wahrscheinlich ist die Phosphorsäure in der Nucleinsäure gleichfalls an Zuckerreste gebunden. Glucophosphat ist durch Säuren und Alkalien, wie alle anderen Glucosesäureester, leicht spaltbar. Auch tierische und bacterielle Enzyme wirken hydrolysierend ein [Euler (9)]. Man kann diese Enzyme als Phosphatasen oder 1) IRVINE u. GiLMouR, Journ. Chetn. Soc, 93, 1429 (1908); 95, 1545 (1909). Ikvine u. Mc Nicoll, Ebenda, 97, 1449 (1910). Benzidinverbindungen: O. Adler, Ber. Chem. Ges., 42, 1742 (1909). — 2) Franchimont, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 12, 310 (1894). — 3) S. F. Acree u. Hinkins, Araer. Chem. Journ., 28, 370 (1902), — 4) L. KuENY, Ztsch. physiol. Chem., 14, 330 (1889). Udranszky, Ber. Chem Ges., 19, 3220; 21, 2744 (1888). Skraup, Monatsh. Chem., 10, 389. — 5) A. v. Le- BEDEW, Biochem. Ztsch., 28, 213 (1910); 36, 248 (1911). — 6) H. Eüler u. Kull BERG, Ztsch. physiol. Chem., 74, 15 (1911). — 7) Neuberg u. Pollak, Ber. Chem Ges., 43, 2060 (1910); Biochem. Ztsch., 23, 515 (1910); 26, 514 (1910). Neubebg u. Kretschmer, Ebenda, 36, 5 (1911). — 8) A. Contardi, Atti Aoc. Line. Roma (5), /p, I, 823 (1910). Langheld, Ber. Chem. Ges., 43, 1857 (1910). - 9) H. Euler, Ztsch. physiol. Chem., 77, 488; 79, 375 (1912). 278 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Ilexosepbosphataseu mit HARDENund Young(I) bezeichnen. Nach Euler (2) produziert Hefe auch ein besonderes Enzym, welches Hexose und Phosphorsäure kuppelt, die Phosphatese, In den angeführten Arbeiten Neubergs und Eulers wird man ferner Angaben über Glucose- sulfate finden. Mit Glucosesulfaten hängen wohl die gepaarten Kohlen- hydratschwefelsäuren tierischer Nucleine [Glucothionsäure (3)] zusammen. Nach Brunner und Chuard(4) kommt ein Glucosebernsteinsäure- ester im Safte unreifer Früchte vor. Fettsäureester von Mannit und Glucose sind künstlich von Bloor(5) gewonnen worden. Es ist leicht möglich, daß auch organischsaure Ester von Glucose im Stoffwechsel eine bedeutsame Rolle spielen, speziell beim Umsatz von Fetten und Oxycarbonsäuren. Die zweite Gruppe von Estern bilden Zuckerarten durch Eintritt von Alkyl, wobei der Zucker die Rolle einer schwachen Säure spielt. Methylester von Glucose bildet sich leicht, wenn in eine methylalko- holische Lösung von Traubenzucker gasförmiger HCl eingeleitet wird. E. Fischer (6) zeigte, daß hier zwei stereoisomere Ester entstehen: a-Methylglucosid und /?-Methylglucosid ; letzteres ist leichter hydrolysier- bar und läßt sich durch Säure in die a-Form umlagern. Nach den Reaktionen ist die Konfiguration der Alkoholgruppen beider Glucoside dieselbe, und Aldehydeigenschaften fehlen. Deswegen muß die ent- ständige CHOH-Gruppe substituiert sein und es ist dieses C-Atom bei Annahme der Lactonformel des Zuckers dann tatsächlich ein „assym- metrisches", wodurch die Existenz zweier stereoisomerer Glucoside sich in einfachster Weise verstehen läßt: ptr n ♦--'"''^ ^^^^ a-Glucosid : ^^^^ • ^ -> c • (CHOH)^ • CH • CHOH • CH^OH ^-Glucosid: ^^ q>C • (CH0H)2 • CH • CHOH • CH^OH. Das a-Methylglucosid schmilzt bei 164°, daß /?-Glucosid bei 104 <>. Ersteres ist rechtsdrehend, das /5-Glucosid linksdrehend; auch die Lös- lichkeit ist verschieden (7). Ein biologisch äußerst wichtiger Unterschied beider Stereoisomeren liegt in dem ganz abweichenden Verhalten der- selben gegenüber tierischen und pflanzlichen Enzymen. Diese Beobach- tungen waren es, welche E. Fischer (8) zu seinen berühmten Unter- suchungen über die Beziehungen der Enzymwirkung zur sterischen Konfiguration von Enzym und spaltbarer Substanz führten. Während Hefeauszug auf das a-Glucosid regelmäßig stark hydrolysierend einwirkt und /9-Glucosid unzersetzt läßt, wirkt Mandelenzym (gewöhnlich als Emulsin bezeichnet) nur auf das letztere stark ein, während a-Methyl- glucosid ungespalten bleibt. Die a-Glucosidase der Hefe scheint nach 1) Harden u. Yoüng, Proceed. Roy.- Soc, 8o, B, 299 (1908). — 2) H. Eüler u. KULLBEBQ, Ztsch. physiol. Chem., 74, 13, 15 (1911). Lebedew, Biochem. Ztsch., jp, 155 (1912). — 3) Vgl. Mandel u. Levene, Ztsch. physiol. Chem., 4s, 386 (1905). — 4) Brunner u. Chuard, Ber. Chem. Ges., 19, 600 (1886). — B) W, R. Bloor, Journ. Biol. Chem . 7, 427 (1910); //, 141 (1912). Chem. Abstracts (1912), p 2940. — 6) E. Fischer, Ber. Chem Ges., 26, 2400 (1893); Ebenda, p. 2478; 27, 2985 (1894). — 7) A. van Ekenstein, Rec. trav. chim. Pays-Bas, /j, 183 (1894). Maquenne, Bull. Soc. Chim. (3), 33, 469. — 8) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 27, 2985 (1894); 28, 1429 (1895); Ztsch. physiol. Chem., 26, 66 (1898). § 3. Verbindungen der Zuckerarten. 279 Armstrong (1) weder mit dem Invertin noch mit der Maltase identisch zu sein, und auch im Mandelenzym ist wohl die /5-Glucosidase nicht mit dem eigentlichen Emulsin identisch. Die beiden Methylglucoside der 1-Glucose (die Spiegelbilder der d-Glucoside) werden von keinem der genannten Enzyme angegriffen und auch die Methylxyloside sind trotz ihrer weitgehend parallelen Eigenschaften durch Hefeenzym und Mandel- euzym nicht spaltbar. Sehr wichtig ist die zuerst von Armstrong (2) beobachtete Tatsache, daß bei der Spaltung durch a-Glucosidase aus dem Glucosid die a-Glucose Tanrets entsteht mit der höchsten Drehung, und durch /?-Glucosidase wieder die /5-Glucose gebildet wird. Daraus wäre zu schließen, daß die beiden Lactonformen des Traubenzuckers in den Glucosiden schon präexistieren. Bourquelot und Bridel(3) haben endlich den Nachweis geführt, daß durch Mandelenzym in methylalkohol- wässeriger Lösung (85 %ig) aus Glucose /5-Methylglucosid synthetisch ge- bildet werden kann. Ebenso waren /?-Glucoside und auch /?-Galactoside von Propyl-, Amyl- und Benzylalkohol mit Mandelferment zu syntheti- sieren (4). Bourquelot (5) hat ferner gezeigt, daß die a-Glucosidase aus untergäriger Bierhefe in 30— 35%igem Alkohol Glucose in a-Äthyl- glucosid überführt. Die Arbeiten von Irvine(6) und seinen Schülern haben ferner eine größere Zahl von mehrfach methylierten Glucosiden, Mannosiden und Galactosiden kennen gelehrt, welche durch die Reaktion von Purdie: Einwirkung von Jodmethyl und Silberoxyd in methvlalkoholischer Lösung aus den einfachen Methyl glucosiden erhalten wurden. Esterartige Zuckerverbindungen existieren sodann in großer Zahl mit verschiedenen cykhschen Kohlenstoffverbindungen: einfachen und Poly- phenolen, Phenolsäuren, Aldehyden, hydroaromatischen Verbindungen, Terpenen usw., die besonders durch die Verwendung von Acetochlorglucose und Acetobromglucose [E. Fischer (7)] in ausgedehntem Maße leicht zu- gängHch geworden sind. Manche derselben sind physiologisch- chemisch von Interesse, so die Phloroglucide von Zucker, die von Councler (8) und Vongerichten (9) dargestellt worden sind. d-Glucosephloroglucin: 1) E. F. Armstrong, Proc. Chem. Soc, 74, 188 (1904). Für tierische En- zyme BiERBY, Compt. rend., 749, B14 (1909). — 2) Armstrong, Journ. Chem. Soc, 83, 1305 (1903). The simple carbohydrates and the glucosides (London 1910). — 3) Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 755, 86 (1912); Journ. Pharm, et Chim. (7), ö, 97 (1912). — 4) Bourquelot, Herissey, Bridel, Soc. ßiol. 72, 958 u. 1004; Compt. rend., 155, 731 (1912); 156, 330 (1913); Journ. Pharm, et Chim. (7), 6, 442 (1912). — 5) Dieselben, Compt. rend., 156, 168 (1913). — 6) J. C. Irvine u. J. Purdie, Proc. Chem. Soc, 19, 192 (1903); Journ. Chem. Soc, 83, 1021, 1027 (1903); 55, 1049 (1904). Irvine n. C.\meron, Proc Chem. Soc, 2/, 191 (1905). iRvrNE u. MooDiE, Ebenda, p. 227. Purdie u. Rose, Ebenda, 22, 201 (1906). Irvine u. MooDiE, Ebenda, 2j, 303 (1907). Irvine, Biochem. Ztsch., 22, 357 (1909). Irvine u. Moodie, Transact. Chem. Soc, 8g, 1578 (1906), 87, 1462 (1905). Irvine u. Cameron, Ebenda, 8$, 1071 (1904); 87, 900. Irvine, Memor. Vol., St. Andrews Univ. (1912). YouNG, Ebenda. Darstellung auch W. A. Jacobs, Journ. of Biol. Chem., /2, 427 (1912). Refraktion: Obermayer u. Pick, Hofmeisters Bcitr., 7, 339 (1905). — 7) E. Fischer u. Jennings, Ber. Chem. Ges., 27, 1355 (1894). A. Michael, Chem. Zcntr. (1879), p. 614, (1881), p. 726; (1885), p. 305. Fischer u. Armstrong, Ber. Chem. Ges., 34, 2885 (1901); 35, 833, 3153 (1902). Fischer u. Helferich, Lieb. Ann., 383, 68 (1911). Fischer u. Raske, Ber. Chem. Ges., 42, 1465 (1909). Fischer u. Delbrück, Ebenda, 1476 (1909); 43, 2.521 (1910). F. Mauthner, Journ. prakt. Chem., 5j, 564 (1912). E. Fischer u. H. Strauss, Ber. Chem. Ges., 45, 2467 (1912). IMorphinglucosid: Mannich, Lieb. Ann., 394^ 223 (1912). — 8) C. Councler, Ber. Chom. Ges., 28, 24 (1895). — 9) E. Vongerichten u. MIjller, Ebenda, jp, 241 (1906). 280 Fänftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Durch die Einwirkung der Natronlauge bei der Darstellung aus Glucose- apigenin geht interessanterweise ein Teil des Zuckers über in die bereits von Tanket (1) bei der Behandlung von Picein, Salicin und Coniferin mit Barytlajige erhaltene cyklische Verbindung CgHjoOg, yö-Glucosan (Lävo- glucosan), ein cykhsches Anhydrid der Glucose: l-O-i HOCH HC • CHOH welches möglicherweise als solches auch in manchen Glucosiden als Paarling vorkommen kann. Auf die Resorcinglucoside gründeten E. Fischer und Jennings (2) eine Nachweismethode für einfache Aldosen und deren Deri- vate. Die Substanz wird mit Wasser fein zerrieben oder in Wasser gelöst; 2 ccm hiervon werden mit 0,2 g Resorcin versetzt, mit HCl- Gas gesättigt, und dann verdünnt man mit Wasser. Nach 1 — 12 stündigem Stehen setzt man NaOH und FEFUNGsche Lösung zu; bei Gegenwart von Aldose ent- steht eine rotviolette Färbung, die bei starker Verdünnung nach einiger Zeit schwindet. Die Acetohalogenzucker läßt man in ätherischer Lösung auf den Paarlingskörper bei Gegenwart von Silbercarbonat einwirken und erhält zunächst Tetraacetylderivate der darzustellenden Glucoside. So gelang es zu den biologisch interessanten Menthol- und Borneolglucosiden, sowie zum Glucovanillin zu gelangen. Da die Acetochlorglucose der a-Reihe, die Acetobromglucose der /?- Reihe angehört, so bietet sich mögücherweise ein Mittel, die entsprechenden a- und /?- Glucoside darzustellen. Ein Diphenyl- sorbit wurde von Paal (3) synthetisch gewonnen. Solche aromatische Glucoside sind bekanntlich im Pflanzenreiche verbreitete natürliche Vorkommnisse. In manchen Fällen bieten sich keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Stoffe noch im Umsätze des Stoff- wechsels stehen, sondern man darf eher daran denken, daß die Glucosid- bildung ein Mittel bietet, um Substanzen in der Zelle passend zu immo- bilisieren resp. unschädlich zu machen, und vielleicht handelt es sich in den Glucosiden öfters um Intermediärprodukte. In anderen Fällen scheint es wieder, daß diese Glucoside wieder gespalten werden und ihre Be- standteile fn den Stoffkreislauf wieder aufgenommen werden können. Manche dieser Verbindungen sind auch durch längeres Kochen mit Säure kaum vollständig zu ''erlegen, ohne daß sich hierfür eine Er- klärung finden ließe. Es braucht nicht nur ein einziger Zucker als Konstituent aufzutreten; manche Glucoside enthalten zwei verschiedene Zuckergruppen, z. B. d-Glucose und d-Rhamnose, Die Verbindungsweise der Zucker mit ihren Paarlingen variiert sehr. Manche Glucoside geben Aldehydreaktionen, andere nicht. Die meisten natürlichen Glucoside werden durch MariHelenzym oder andere auf /5-Methylglucosid wirksame Enzyme leicht gespalten, jedoch nicht durch Hefeauszug. Man schreibt 1) Tanket, Bull. Soc. Chim. (3), //, 949 (1894); Compt. rend., iig, 158 (1894). — 2) E. Fischer u. Jennings. Ber. Chem. Ges., 27, 1355 (1894). — 3) C. Paal u. Hörnstein, Ber. Chem. Ges., 39, 1361 (1906). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 281 ihnen deswegen einen dem /?-Glucosid entsprechenden sterischen Bau, resp. die Präexistenz von /3-Glucose zu. Vom Amygdalin spaltet jedoch Hefeauszug einen Glucoserest ab. In vielen Fällen ist aber der Aufbau der Glucoside noch ganz unbekannt. Neben dem Glucosid findet sich häufig in den Pflanzenorganen das wirksame Enzym, z. B. in Mandeln das Emulsin neben Amygdalin, in Senfsamen das Myrosin neben Sinaibin, in Ecballium Elaterase neben Elaterin als Begleiter. Es liegt nahe an die Mitwirkung solcher Enzyme bei der Glucosidsynthese zu denken. Glucosidspaltende Enzyme fehlen den saprophytisclien Pilzen in der Regel nicht und dienen hier zum Aufschließen der Nahrung (1). Viele natürliche Glucoside geben durch Kernkondensationen, Furfurolbildung usw. mit konzentrierter Schwefelsäure allein charakteristische rote oder violette Farbenreaktionen, welche praktisch verwendbar sind und auch mikro- chemisch zur Feststellung der Lokalisation der betreffenden Stoffe dienen können (2). Beim Erhitzen von Aminosäuren mit Zucker erfolgt nach Maillard (3) Dunkelfärbung („Melanoidinbildung") unter Entwicklung von COg und Bindung der Aminogruppe am N dm-ch die Aldehydgruppe nach Analogie der Ureide. Die Aldehydgruppe ist ferner direkt beteihgt an der Bindung von anderen Aldehyden an Aldosen („Acetalbildung"), z. B. beim Ent- stehen der Dibenzalpentosen und Dibenzalhexosen nach van Ekenstein und Blanksma(4): CH2OH . (GH0H)4 . CH<^>CH • CgHg. Aus Fruetose gewannen Irvine und Hyno (5) eine Diacetonverbin- dung: 1 0—1 CH2 . C • GH • GH • CH . CH2OH I I I I O 0 0 0 G{CH3)2 G(GH3)2 §4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. Durch die Arbeiten von Kirchhoff, Braconnot, Payen und anderen Forschern hatte man schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Stärke, Cellulose, Inulin Substanzen kennen gelernt, welche, mit Säure behandelt, einfache Zucker liefern und sich so als Zuckerderivate ver- rieten. Von diesen Stoffen kennen wir aber auch heute nicht ihre Konstitution und ihre Molekulargröße. Wir fassen sie als Polysaccharide oder Kohlenhydrate zusammen. Die letztere Bezeichnung wählte zuerst 1844 C. Schmidt (6). Rohrzucker, Milchzucker und Maltose wurden ebenfalls schon bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts als zusammengesetzte Zucker erkannt, und man 1) A. Brunstein, Beihefte bot. Zentr., 10, 1 (1901). — 2) Palm, Ber. Chem. GeS., 19 (1886). A. Rosoll, Just Jahresber. (1890), /, 83. — 3) L. Maillard, Compt. rend., 154, 66 (1912). — 4) A. van Ekenstein u. Blanksma, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 25, 153, 162 (1906). — 5) J. C. Irvine u. Hynd, Jouru. Chem. Soc, 95, 1220 (1909). Irvine u. Garrett, Ebenda, 97, 1277 (I9l0j. — 6) C Schmidt, Lieb. Aun., 51, 30 (1844). 2g2 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. erfuhr durch Dubrunfaut, daß der Rohrzucker aus Fructose und Glucose, der Malzzucker aber aus 2 Äquivalenten Glucose bestehe, die unter Wasser- austritt vereinigt sind. Später lernte man in der Raffinose einen aus drei Hexosenresten kombinierten zusammengesetzten Zucker kennen, ebenso in Melezitose und einigen anderen. In der Stachyose und Lupeose hat man sogar vierfach zusammengesetzte Zucker vor sich, doch sind höhere Kom- binationen bisher nicht mit Sicherheit bestimmt worden. Nach Wacker (1) bietet sich in einer Lösung von p-Phenylhydrazinsulfosäure in verdünnter Alkahlauge ein Mittel, um die Molekulargröße von Polysacchariden zu eruieren. Dieses Hydrazinreagens vereinigt sich mit Zuckern unter Bildung roter Farbstoffe, und zwar ist die Färbung um so intensiver und geht um so rascher vor sich, je kleiner das Molekulargewicht. Man nennt die zusammen- gesetzten Zucker je nach der Zahl der Konstituenten Di-, Tri-, Tetrasaccharide oder gebraucht nach Scheiblers Vorschlag (2) den Suffix -biose, -triose, -tetrose usw. Zur näheren Kenntnis der natürhch vorkommenden Poly- saccharide waren die verschiedenen Versuche, solche Substanzen synthetisch aus einfachen Zuckern zu gewinnen, bedeutungsvoll. Bereits 1872 stellten Musculus (3) und Gautier (4) Versuche an, Traubenzucker mittels starker Mineralsäuren zu kondensieren, und gewannen amorphe, wieder zu Glucose hydrolysierbare Produkte. Wohl (5) brachte die bekannte Tatsache, daß in konzentrierten Rohrzuckerlösungen ein kleiner Rest Saccharose durch Säure nicht invertiert wird, zuerst mit solchen ,, Reversionsprozessen" in Zusammenhang. Ein unzweifelhaftes Disaccharid erhielt sodann E. Fischer (6) durch Kondensation von Traubenzucker unter dem Einflüsse von kalter rauchender HCl, als er eine 25%ige Lösung einen Tag bei 10—15" stehen ließ und dann mit absolutem Alkohol fällte. Die Substanz erhielt denNamen Isomaltose, da man eine Identität mit gewissen Stärkehydratationspro- dukten [Galhsin (7), Isomaltose (8)] vermutete. Diese Stärkeabbauprodukte sind aber später mehr als fraglich geworden, weswegen die Benennung Iso- maltose am besten für Fischers synthetisches Disaccharid vorbehalten bleibt. Die Reversions-Isomaltose gibt ein krystalhsierendes Osazon und ist un vergärbar. Viel besser erhielten später E. Fischer und Armstrong (9) synthetische Disaccharide durch Einwirkung von Acetochlorglucose auf die Natriumverbindung eines anderen Zuckers. So wurde eine mit der natürhchen Mehbiose wahrscheinhch identische Galactosidoglucose dar- gestellt. Die letzte Phase der einschlägigen Versuche stellen endhch die Bemühungen dar durch Enzymwirkungen Synthesen zusammengesetzter Zucker zu erreichen. Croft Hill (10) beobachtete zuerst Disaccharidbildung durch Hefemaltase aus Glucose ; diese anfänghch für reine Maltose gehaltene Verbindung sprach später Emmerling(II) als Isomaltose an, doch zeigte Croft Hill(12) sodann, daß in dem Reversionsprodukt wohl teilweise wirk- hche Maltose vorhegt, jedoch gemischt mit einem neuen unvergärbaren 1) L. Wacker, Ber. Chem. Ges. 41, 266 (1908); Ztscb. physiol. Chem., 71. 143 (1910). — 2) C. ScHEiBLER, Ber. Chem. Ges., 18, 646 (1885). — 3) Musculus, Ebenda, 5, 648 (1872). Musculus u. A. Meyer, Compt. rend., 92, 528 (1881); Ztech. physiol. Chem., 5, 122 (1881). — 4) A. Gautier, Bull. Soc. Chim., 22, 482 (1874). — 5) A. Wohl, Ber. Chem. Ges.. 23, 2084 (1890). — 6) E. Fischer, Ebenda, pag. 3687; 28, 3024 (189.5). — 7) Schmidt u. Cobenzl, Ebenda, 17, 1000. — 8) C. Scheibler u. Mittelmeier, Ebenda, 23, 3075 (1890); 24, 301 (1891). Lintner u. Düll, Ebenda, 26, 2535. Hiepe, Chem. Zentr. (1894), /, 417. — 9) E. Fischer u. E. Fr. Armstrong, Ber. Chem. Ges., J5, 3144 (1902). — 10) A. Croft Hill, Jonrn. Chem. Soc. (1898), p. 634; Ber. Chem. Ges., 34, 1380 (1901). — 11) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., 34, 600, 2006 (1901). — 12) A. Cr. Hill, Journ. of PhysioL, 28, 4 (1902); Journ. Chem. Soc, 83, 578 (1903). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 283 Disaccharid, der Revertose. Die letztere wurde auch durch Einwirkung von Takadiastase und Pankreasenzym auf 60%ige Glucoselösung gewonnen. Revertose ist rechtsdrehend, krystallisierbar, reduziert Fehling, gibt ein optisch inaktives Biosazon, vom Schmelzpunkt 173 — 174". An das merkwürdige Auftreten von Revertose unter dem Einflüsse verschiedener Enzympräparate hat Pantanelli (1) die Frage geknüpft, ob nicht spezielle synthetisierende Enzyme in den angewendeten Präparaten vorhanden waren, die mit der hydrolysierenden Maltase nichts zu tun haben. Durch Kefirlactase konnten Fischer und Armstrong (2) Glucose und Galactöse zu einem ,,Isolactose" genannten Disaccharid kuppeln; Lactose entstand hier nicht. Auch die bisherigen Bemühungen, Rohrzucker durch Invertin zu synthetisieren, sind erfolglos gebheben. Den Ansatz zur wirkHchen Lösung dieser Unklarheiten scheint die Beobachtung von Arm- strong (3) zu liefern, wonach Hefemaltase aus Traubenzucker wirkhch nur Isomaltose liefert, Emulsin hingegen nur Maltose. Bis zur definitiven Ent- scheidung in der Frage der Reversionsenzyme darf man wohl den Verdacht hegen, daß man bisher weder genau definierte Enzyme benützt, noch die Zugehörigkeit der Disaccharide zur a- resp. />-Reihe gebührend beachtet hat; nach Armstrong wäre Maltose entschieden ein Glucose-/?- Glucosid, Isomaltose aber das zugehörige a-Glucosid, welches immer entstehen muß sobald man ein zur a- Reihe gehöriges Enzym, wie jenes in Hefeauszug, zur Synthese verwendet. Die Annahme spezieller synthetisierender Enzyme wird wohl in Hinkunft entbehrlich werden. Die Hydrolyse der zusammengesetzten Zucker folgt praktisch dem Gesetz unimolekularer Reaktionen. Neutralsalze sowohl als Nonelektrolyte beschleunigen die spaltende Wirkung von Säuren, nur Zusatz von Alkohol beschleunigt nicht (4). Auch Wasserstoffperoxyd wirkt hydrolysierend, besonders stark bei alkalischer Reaktion (5). Schon Trommer war es bekannt, daß alkalische Kupferlösung durch Rohrzucker nicht reduziert wird. Man lernte hingegen in anderen Disacchariden, wie Maltose und Lactose, reduzierende Zucker kennen. Fischer konnte wohl von diesen beiden Zuckern, ni^ht aber von Rohr- zucker und Trehalose ein Osazon gewinnen. Sodann entdeckten Fischer und Meyer (6), daß man durch Einwirkung von Bromwasser aus Lactose und Maltose Säuren der Form C12H22O12 erhält, welche nur durch Oxy- dation von in diesen Disacchariden vorhandenen Aldehydgruppen ent- standen sein können: Lactobionsäure und Maltobionsäure. Demnach gibt es unter den Polysacchariden Zucker ohne freie COH-Gruppe und solche mit Aldehydcharakter. Da sich Lactobionsäure in Gluconsäure und Galactöse spalten läßt, so muß die COH-Grnppe dem Glucoserest des Milchzuckers angehören. Es ist für die Konstitutionsforschung wichtig, daß auch die Osazone von Polysacchariden noch durch Enzyme an- gegriffen werden, ebenso wie die Bionsäuren. So wird Maltosazon durch Hefeauszug unter Traubenzuckerbildung gespalten, Isomaltosazon jedoch nicht, wie die freien Zucker (7). Sogar partieller oxydativer Abbau ist 1) E. Pantaneli,! u. G. Fauee, Atti R. Acc. Line. Roma (5), 19, I, 389 (1910). - 2) E. Fischer u. E. Fr. Armstrong, Ber. Cham, Ges., 35, 3144 (1902). — 3) E. F. Armstrong, Froceed. Roy. Soc, yß, B. 592 (1905). — 4) R. J. Cald- WELL, Ebenda, 78, A, 272 ri906). — 5) C. Neuberg u. Miura, Biochem. Ztsch., 36, 37 (1911). Gramenitzky, Biochem. Zentr., 13, 113 (1912). — 6) E. Fischer u. J. Meyer, Ber. Chem. Ges., 22, 361, 1941 (1889). — 7) Neuberg u. Saneyoshi, Biochem. Ztsch., 36, 44 (1911). H. Bierry u. Giaja, Soc. Biol., 64, 653 (1908). H. Bierry, Recherches sur les diastases qui concourent ä la digestion etc. (1911). 284 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. bei Bionsäuren möglich, da man bei der Behandlung von lactobion- saurem Kalk mit HgOj und Eisensalz eine Aldose mit HC erhielt, welche bei der Hydrolyse Galactose und Arabinose lieferte [Ruff und Ollendorff(I)]. Neüberg(2) berichtete über ähnliche Erfahrungen bei Elektrolyse von Melibionsäure. Alle diese Materialien haben die Grundlinien zur Kenntnis der Kon- figurationsformeln von Di- und Trisacchariden gehefert (E. Fischer, Arm- strong), die namentlich auch dm-ch die Untersuchung der Alkylderivate durch PuRDiE und Irvine (3) eine volle Bestätigung erfahren haben. I ^ 1 Saccharose: CHjOH • CHOH • CH • (CH0H)2 • GH (Fructose) CHgOH • GH • (GH0H)2 • G I r^ I Q (Glucose) ^^GHaOH Maltose : Lactose : GH2OH • GHOH . GH . (GH0H)2 • GH^^ (Glucose) GH0H.(GH0H)2-GH -GHOH -GHa -^^ (Glucose) 1 0 ' GH2OH . CHOH • CH . (GH0H)2 • CH ^ ^ (Glucose) GHOH . (CH0H)2 . CH • CHOH • CHg ^^ (Galactose) I 0 1 1 0 -I Isotrehalose CHjOH • CHOH • CH • (CH0H)2 • GH ^ (Glucose) (synthetisch): CHgOH • CHOH • CH • (CH0H)2 • CH^^^ (Glucose) In den natürlichen Polysacchariden spielen Hexosen, vor allem der Traubenzucker, die Hauptrolle als Konstituenten; die meisten Poly- saccharide sind Di-, Tri- oder Polyhexosen. Als natürliche Pentoso- hexose ist die Vicianose erkannt, ferner kommen auch sonst Mischzucker verschiedener Art in den natürlichen Glucosiden vor, worunter Rhamnose und Glucose als Konstituenten besonders häufig auftreten, im Strophan- thus-Glucosid ausnahmsweise ein Rhamnomannosid, im Apiin eine Gluco- methyltetrose (Glucoapiose). Dipentosen, analog dem von O'Sullivan (4) bei der Hydrolyse des arabischen Gummi dargestellten Arabinon (Di- arabinose) dürften wohl gelegentlich noch als natürliche Pflanzen Stoffe gefunden werden. A. Disaccharide. Vicianose, ein von Bertrand und Weisweiller(5) entdecktes Disaccharid ist bisher ausschließlich aus Wickensamen bekannt, als Konstituent des glucosidischen Vicianins. Vicianose ist ein rechts- drehendes, durch Emulsin spaltbares Disaccharid CnHjoOio, welches hydrolysiert d-Glucose und 1-Arabinose liefert. Saccharose, Rohrzucker, deren empirische Formel CiaHjgOn 1834 durch Liebig festgestellt worden ist, kann als fast ubiquitär vor- kommender Pflanzenstoff bezeichnet werden. In ihrem Vorkommen tritt 1) O. Ruff u. G. Ollendorff, Ber. Chem. Ges., 33, 1798 (1900). — 2) Neu- BBKG, Scott u. Lachmann, ßiochem. Ztsch., 24, 152 (1910). — 3) Th. Pürdie u. J. C. Irvine, Journ. Chera. Soc, 87, 1022 (1905). Irvine, Biochem. Ztsch., 22, 366 (1909). — 4) O'Sullivan, Chera. News, 61, 23 (1890). — 5) G. Bertrand u. G. Weisweiller, Compt. rend., 150, 180; 151, 325 (1910). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 285 gegenüber den Hexosen schon mehr der Charakter als Reservestoff hervor. Sie ist so gut wie ausschließhches Reserveraaterial im Zucker- rohr und anderen Gramineen, in der Zuckerrübe, und in kleinen oder größeren Mengen wohl ein steter Begleitstoff der Stärke. Sehr oft ist sie mit Glucose und Fructose, ihren Konstituenten, gemengt. Auch in den Assimilationsorganen selbst fehlt Saccharose nicht, und im Zucker- rohr dürfte sie wenigstens teilweise in den Blättern selbst gebildet werden (1). Verbreitungsangaben über Rohrzucker haben in großer Zahl Schulze und Frankfurt (2), Husemann und Hilger(3), Bourque- lot(4), sowie V. Lippmann (5) gesammelt. Die von Michaud und Tristan (6) beschriebene „Agavose" ist nach Stone und Lotz(7) mit Rohrzucker identisch. Geringe Mengen Rohrzucker lassen sich nach Schulze (8) nachweisen, indem das trockene Material mit 90% Alkohol ausgezogen, und das Extrakt mit heißgesättigter wässeriger Strontiumhydroxydlösung gefällt wird. Den Niederschlag kocht man mit wässeriger Sr (OH)2-Lösung aus, zerlegt ihn mit GOg und gewinnt die Saccharose daraus mittels Krystalhsation aus ver- dünntem Alkohol. Mikrochemisch kann man die Hydrolyse mit Hefeinvertin zur Diagnose der Saccharose anwenden und dieselbe selbst neben Hexosen hinreichend sicher nachweisen (9). Der reinste Rohrzucker des Handels ist erfahrungsgemäß in den besten Hutzuckersorten geboten, in denen noch höchstens eine Spur von Raffinose und etwas Kalk zugegen ist. Die chemischen Eigenschaften seien hier nur kurz berührt. Wichtig ist, daß die Löslichkeit durch die Gegenwart von Invertzucker (10) und von Salzen beeinflußt wird (11). Der osmotische Druck von Saccharoselösungen soll nach Morse (12) durch unbekannte Ursachen von der Theorie abweichen. Die Wirkung von Rohrzuckerlösung auf polari- siertes Licht war schon 1819 Biot bekannt. Eine konstante spezifische Drehung besitzt Rohrzucker- nicht. Die Drehung wird in Gegenwart alka- lischer Uranyhiitratlösung (wahrscheinhch im Verlaufe der hydrolytischen Spaltung anfänglich gebildeter Komplexverbindungen) aus der anfänghchen Rechtsdrehung in Linksdrehung umgewandelt; dieser Prozeß ist durch An- säuern rückgängig zu machen (1 3). Natriumchloridzusatz erniedrigt die Drehung proportional der Salzkonzentration (14). Mit wenig Wasser auf 150—160° erhitzt, gibt Rohrzuckci einen farblosen optisch inaktiven Zucker der Fehlings Lösung reduziert. Maumene (15) erhielt durch Einwirkung von AgNOg auf Saccharose eine „Inactose". Nach Muntz(16) kommt in- 1) F. A. C. Went, Just Jahresber. (1896), /, 416. — 2) E. Schulze u. Frankfürt, Ber. Chena. Ges., 27, 62 (1894); Ztsch. physiol. Chem., 22 (1894). — 3) HüSEMANN u. HiLGER, Pflanzen stoffe, p. 164. — 4) E. Bourquelot, Journ. Pharm. Chim. (6), /5, 241 (1903). — 5) v. Lippmann, Chemie der Zuckerarten, 3. Aufl. (1904). Hier die vollständigste Monographie der Saccharose. — 6) G. Michaud u. J. F. Tristan, Amer. Chem. Journ., 14, 548 (1892). — 7) W. E. Stone u. D. Lotz, Ebenda, /;, 368 (1895). — 8) E. Schulze, Landw. Versuchsstat., 34, 403, 408 (1887); Ber. Chem. Ges., 2/, 299 (1888); Ztsch. physiol. Chem., 52, 404 (1907). — 9) C. Hoffmeister, Jahrb. wiss. Botan., j/, 687 (1898). Bourquelot, Journ. Pharm, et Chim. (1903); Arch. Pharm., 245, 164 (1907). — 10) H. Pellet u. Fribourg, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 24, 304 (1006). Girol, Ebenda, 25. 120 (1907). — 11) R. J. Caldwell u. R. Whymper, Proceed. Roy. Soc, «/, A, 117 (1908). — 12) H. N. Morse, Frazer u. a., Amer. Chem. Journ., j6, 39 (1906); 37, 425 (1907); j5, 175 (1908); jp, 667 (1908); 40, 194 (1908); ^/, 1 (1908) u. ebenda, p. 257; 48, 29 (1912). — 13) H. Grossmann u. Rothgiesser, Ber. Chem. Ges., 43, 676 (1910). — 14) E. W. Washburn. Ztsch. Ver. deutsch. Rübenzucker- industr. (1910), d. 381. — 15) E. Maumene, Bull. Soc. Chim., 4S, 773 (1887). — 16^ MuNTZ, Compt. rend., 82, 210; 88, 150. 286 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. aktiver Zucker reichlich in getrocknetem Zuckerrohr vor, nach Hooper(I) im „Manna" aus Musa superba. Die Natur aller dieser Produkte ist noch nicht aufgeklärt. Fehlings Lösung wird durch Rohrzucker erst nach längerem Kochen bei beginnender Inversion reduziert; ammoniakahsche Silberlösung wird bei Erhitzen reduziert. Ein Osazon gibt Rohrzucker nicht. Vollständig in- vertiert hefert 1 g Rohrzucker nach Maquenne (2) genau 0,71 g Osazon. Von Hefe wird Rohrzucker unter Inversion sehr intensiv vergoren. Eine ganze Reihe von Farbenreaktionen sind für Saccharose angegeben (3), von denen die meisten keine weitere Bedeutung haben. Als Fructosederivat gibt Rohrzucker die Resorcinprobe von Seliwanoff. Tannin + HCl erzeugt Rosafärbung (3). Sesamöl + HCl soll eine für Rohrzucker charakteristische Farbenreaktion geben (4). Von den Saccharoseverbindungen mit Metall- basen sind insbesonders die schwerlöshchen Erdalkahverbindungen (Sr, Ca) wichtig (5). Eine krystallinische Octoacetyl-Saccharose erhielt Herzfeld (6). Oxydation mit Bromwasser liefert aus Rohrzucker keine Bionsäure, sondern es entstehen Gluconsäure und Fructose. Mit HNOg entstehen Zuckersäure, dann d-Weinsäure und Oxalsäure. Bei der Photolyse im ultra- violetten Licht erhielt Bierry zunächst Hydrolyse des Rohrzuckers, dann Bildung von Formaldehyd, COg, CO und Säuren (7). Beim Kochen mit Natronlauge wird reichhch Milchsäure gebildet (8). Versuche, Rohrzucker- glucoside durch alkoholische HCl zu gewinnen, lieferten nur Traubenzucker- glucoside unter gleichzeitiger Spaltung der Saccharose [Foerg (9)]. Über die Veränderungen der Saccharose beim Erhitzen vergleiche man die Unter- suchungen von DuscHSKY (10). Wie bekannt, ergibt Saccharose bei der Hydrolyse Fructose und d-Glucose. Merkliche Inversion erfolgt schon durch längeres Kochen in Glasgefäßen. Quantitativ erfolgt Hydrolyse bei 125® und 20 Atm. Druck in 2y^ Stunden (1 1 ). Fein verteiltes Platin oder Palladium wirkt in wässeriger Rohrzucker lösung als Katalysator der Spaltung (12). Am wirksamsten sind Säuren durch das Wasserstoffion ; schon bei gewöhn- licherTemperatur und schon in großerVerdünnung(z.B. als mitCOa gesättigtes Wasser) können sie in längerer Zeit vollständige Inversion bewirken (13). — Da Saccharose zuerst die a-Form der Lactonstruktur von Glucose und Fructose liefert, und die a-Formen, wie durch die Mutarotation sicher zu stellen ist, allmähhch in die /^-Formen übergehen, so ist die Reaktion theoretisch komphzierter als die gewöhnhche Annahme des unimolekularen Schemas erkennen läßt (14). Die stärkeren Abweichungen vom unimolekularen Ver- laufe liegen nur im Anfange der Inversion. Versuche, Unterschiede in der Hydrolyse durch optisch aktive Säuren antipodischer Struktur (d- und 1) HooPER, Chem.-Ztg., 14, Ref., p. 343. — 2) Maquenne, Compt. rend., 112, 799. — 3) Zusammenstellung: C Reichabd, Pharm. Zentr. Halle, 5^ 979 (1910). — 4) H. Leffmann, Chem.-Ztg., jo, 638 (1906). — 5) Kalk: H. Claassen, Ztsch. Ver. deutsch. Rübenzuckerindustr. (1911), p. 489. — 6) A. Herzfeld, Chem. Zentr. (1887), p. 749. — 7) H. Bierry, Henri, Ranc, Compt. rend., 152, 1621 (1911); Soc. Bio!., 68, 821 (1910); Journ. de Physiol., /j, 700 (1911). — 8) P. Schützen- berger, Ber. Chem. Ges., 9, 448 (1876). — 9) R. Foerg, Monatsh. Chem., 24, 357 (1903). — 10) J. E. DusCHSKY, Ztsch. Ver. Deutsch. ZucKerindustr. (1911), p. 581. — 11) B. Pfyl u. Linne, Ztsch. Unt. Nähr.- u. Genußmittel, 10, 104 (1905). — 12) Rayman, Ztsch. physik. Chem., 21, 481 (1896). O. SULC, Ebenda, 33, 47 (1900). — 13) V. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 13, 1822 (1880). — 14) J. Meyer, Ztsch. physik. Chem., 62, 59 (1908); 72, 117 (1910). C. S. Hudson. Journ. Amer. Chem. Soc, 32, 885 (1910). Kühl, Apoth.-Ztg., 24, 193 (1909). Vgl. auch WoR- LEY u. Armstrong, Proceed. Roy. Soc, 87, A, 555, 563, 604 (1912). Rosanoff u. Potter, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 248 (1913). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 287 1-Camphosulfonsäure) aufzufinden, sind nicht gelungen (1). Borsäure för- dert die Säureinversion (2). Chlorammonium wirkt auf Saccharose spaltend ein (3). Ultraviolette Bestrahlung hydrolysiert nach Euler (4) und Berthe- lot (5) Saccharose auch bei neutraler Reaktion, dabei tritt später durch Säurebildung Autokatalyse der Spaltung ein. Auf Rohrzucker spezifisch einwirkende Enzyme (die nur noch vielleicht immer auch auf das Trisaccharid Raffinose einwirken) oder „Invertine" sind in Pflanzen- und Tierzellen äußerst verbreitet (6). J Das beststudierte Invertin ist jenes aus Hefe. Sehr konzentrierte Invertinlösung spaltet Rohrzucker so gut wie momentan. Magnesiumsalze sollen nach Tribot (7) deutUch fördern. Die Invertin- spaltung des Rohrzuckers ist praktisch eine unimolekulare Reaktion, doch treten auch hier die a-Formen der Glucose und Fructose zunächst auf und werden in die /5- Formen allmählich übergeführt (8). Inversion durch Glycerin beobachtete Donath (9). Erwähnenswerte Umsetzungen von Rohrzucker sind die Bildung von cü-Oxymethylfurfurol durch Oxalsäure unter Druck (10); die Bildung von Benzol und Benzaldehyd bei der Destillation mit Ätzkalk; die von Hoppe-Seyler festgestellte Bildung von Brenzcatechin, Protocatechu- säure neben Huminstoffen beim Erhitzen von Zucker in zugeschmolzenen Glasröhren auf 200". Die bei Inversion von 1 Mol Saccharose gelöst in 140 Mol Wasser ent- wickelte Wärmemenge bei 58,5" C ist gleich 2,639 Calorien [Petit (11 )J. Auf eine Kritik der quantitativen Rohrzuckerbestimmungsmethoden, die manchen schwierigen Fragenkomplex umfassen, kann hier nicht ein- gegangen werden. Auch hier beherrschen gegenwärtig mit Recht die polari- metrischen Methoden das Feld. In neuerer Zeit wurde mehrfach versucht, die den Rohrzucker begleitenden Hexosen durch Alkaliwirkung oder Wasser- stoff peroxyd zu zerstören, um die Saccharose allein bestimmen zu können (12). Auch die Invertinmethode ist einer Ausbildung wert (13). Trehalose oder Mycose ist wie Rohrzucker ein nicht reduzierendes Disaccharid, welches weder Osazon noch Bionsäure liefert, daher keine freie Aldehydgruppe enthält. Sie hat die größte Verbreitung bei den Pilzen. Trehalose erhielt ihre Benennung von einem auf ostpersischen Echinops- Arten auf Stengel und abgeblühtem Blütenboden durch Rüsselkäfer erzeugten, 1) R. J. Caldwell, Proceed. Roy. Soc, 74, 184 (1904). — 2) K. Arafuru, Ztsch. physik. Chem., 72, 117 (1910). Säureinversion ferner: Armstrong u. Cald- well, Proceed. Roy. Soc, 74, 195 (1904). Deerr, Chera. Abstr. (1911), p. 1203. — 3) Strohmer u. Fallada, Österr.-Üngar. Ztsch. Zuckerindustr., J5. 168 (1906) ; 41, VI (1912). — 4) H. Euler u. Ohlsen, Journ de Chim. phys., p, 416 (1911). 5) Berthelot u. Gaudechon, Compt. rend., 155, 1016, 1506 (1912). H. Bierry, Henri u. Ranc, Ebenda, p. 1151. — 6) Kastle u. Clark, Amer. Chem. Journ., jo, 422 (1903). Martinaud, Compt. rend., /j/, 808 (1900). — 7) J. Tribot. Compt. rend., 148, 788 (1909). Salzwirkung: Cole, Journ. of Physiol., 30, 281 (1903). ~ 8) C. S. Hudson, Journ. Amer. Chem. Soc, j/, 655 (1909). A. E. Taylor, Journ. of Biol. Chem., 5, 405 (1909). — 9) E. Donath, Journ. prakt. Chem., 49, 546 (1894). - 10) Kiermayer, Chera.-Ztg., /p, 1003 (1895). — 11) P. Petit, Compt. rend., 134, 111 (1902). H. T. Brown u. Pickering, Proc Chem. Soc. (1896/97), Nr. 181. — 12) Lit.: H. Pellet, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 22, 1041 (1905); 2j, 1140 (1906). A. Jolles, Ztsch. Unt. Nähr.- u. Genußmittel, 20, 631 (1910). P. Lemeland, Journ. Pharm, et Chim. (7), 2, 298 (1910). Bates u. Blake, Journ. Amer. Chem. Soc, 2g, 286 (1908). Cross u. Taggart, Internat. Sug. Ind., 14, 444 (1912). — 13) C. S. HuDSON, Ztsch. Ver. Deutsch. Zuckerindustr. (1910), p. 526. 288 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. die Puppencocons umhüllenden Sekrete: „Trehala-Manna", in welchem sie Berthelot (1) entdeckte. Die Trehalose aus diesem Produkte ist bezügüch ihrer Entstehungsgeschichte noch nicht geklärt. Muntz(2) fand ihre Identität mit der von Wiggers im Mutterkorn entdeckten Mycose. Trehalose ist rechts- drehend; sie wird durch die enzymatische Trehalase (auch in Hefeauszug vorhanden) oder Säuren in zwei Äquivalente d-Glucose gespalten (3). Ak Isotrehalose bezeichnen Fischer und Delbrück (4) ein aus ätherischer Lösung von /5-Acetobromglucose durch Schütteln mit AggCOg neben Tetraacetylglucose als Octacetylderivat erhaltenes synthetisches Disaccharid, welches zwar ähnUches analytisches Verhalten zeigt wie Treha- lose, jedoch linksdrehend ist. Lactose oder Milchzucker, ein reduzierendes Disaccharid, wurde in Pflanzen bisher nicht aufgefunden. Sie soll nach de Graaff (5) eine charakte- ristische Grünfärbung mit Diphenylhydrazin in Eisessiglösung gekocht Maltose ist ein wichtiges, 1847 von Dübrunfaüt (6) entdecktes Abbauprodukt der Stärke sowie des tierischen und pilzlichen Glykogens, welches in kleinen Mengen zweifellos in Pflanzenorganen auch als freier Zucker ziemlich verbreitet vorkommt. Sie ist neben Stärke und Saccha- rose in der Sojabohne nachgewiesen (7) und von Brown und Morris in den Blättern von Tropaeolum. Die Eigenschaften der Maltose wiu-den besonders durch O'Sulli- VAN(8) erforscht. Maltoselösungen sind rechtsdrehend [od^® ==+ 138,29 nach Herzfeld (9)] und zeigen Mutarotation (10). FEHLiNGsche Lösung wird reduziert; als Produkte der Einwirkung alkaüscher Kupferlösung werden Oxj^ethylribonsäure, Glucosidomannonsäure und Ameisensäure genannt (1 1 ). Maltosazon scheidet sich nach 1^4 stündigem Kochen von Maltose mit Phenylhydrazin im Überschuß in einzelnen gelben Nädelchen beim Erkalten ab; es ist in Eisessiglösung hnksdrehend, F 206®. Bei der mikrochemischen Anwendung der Probe (in Glycerinlösung angestellt) soll es möghch sein, aus der Krystallform des Osazons die Diagnose auf Maltose zu stellen (12). Eine Unterscheidung von Maltose und Glucose mit Hilfe der Osazonprobe ist im allgemeinen nicht leicht (1 3). Man kann aus Gemischen beider Zucker diwch Saccharomyces Marxianus, der Maltose nicht angreift, den Trauben- zucker vergären lassen und so die Maltose isoHeren (14). 1) Berthelot, Compt. rend., 46, 1276 (1858); Ann. de China, et Phys. (1859), p. 273. Draggendorff, Chem. Zentr. (1887), p. 1374. G. Apping, Diss. (Dorpat 1885). C. ßöNiNG, Diss. (Dorpat 1888). Nacli C. Scheibler u. Mittelmeier, Ber. Chem. Ges., 26, 1331, enthält Trehalanaanna 16% eines in Trehalose spaltbaren Kohlenhydrates Trehalum Cj^H.jOgi. — 2) Muntz, Compt. rend., 76, 648. — 3) Ma- quenne, Compt. rend., 112, 947. E. Winterstein, Ztsch. physiol. Chem. 19, 70 (1894). - 4) E. Fischer u. K. Delbrück, Ber. Chem. Ges., 42, 2776 (1909). — 5) W. C. de Graaff, Pharm. Weekbl., 42, 685 (1905). — 6) Dübrunfaüt, Ann. de Chim. et Phys. (3), 21, 178 (1847). — 7) Stingl u. Morawski, Monatsh. Chem., 7, 188. Levallois, Compt. rend., 90, 1293; 93, 281. — 8) O'Sdllivan, Ber. Chem. Ges., 5, 485 (1872); 9, 281 (1876). E. Schulze, Ebenda, 7, 1047 (1874). — 9) A. Herzfeld, Ber. Chem. Ges., 28, 440 (1895). — 10) G. Schliephacke, Lieb. Ann., 377, 164 (1910). — 11) W. L. Lewis, Amer. Chrm. Joum., 42, 301 (1909). ~ 12) 8. Manqham, New Phytologist, 10, 160 (1912). /-Bromphenylosazon: E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 44, 1898 (1911). — 13) L. Grimbert, Journ. Pharm, et Chim. (6), /7, 225 (1903). J. L. Baker u. Dick, The Analyst, 30, 79 (1905). — 14) A. Croft Hill, Proc. Chem. Soc., 17, 45 (1901). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 289 Oxydation mit Bromwasser liefert Maltobionsäure ; dieselbe ist (ebenso wie Lactobionsäure) durch die Verdauungsenzyme nur schwer angreifbar (1 ). Energische Einwirkung von Gl und AggO gibt d-Gluconsäure und Zucker- säure. Bei Einwirkung von Alkalien auf Maltose entsteht Glucose und ein unvergärbarer, durch verdünnte Säuren in Glucose übergehender Stoff, welcher eine Anhydroglucose zu sein scheint (2). Säureinversion bildet aus Maltose nur Traubenzucker. Hierbei kommt nach Kopaczewski (3), (wie bei anderen Zuckerhydrolysen, wesentUch der Grad der elektrolytischen Dissoziation der Säure für die Geschwindigkeit des Vorganges in Betracht. Verdünnte Citronensäure spaltet nach Pieraerts (4) Saccharose weit schneller als Maltose, so daß man dadurch beide Zucker behufs quantitativer Bestimmung trennen kann. Maltose spaltende Enzyme oder Maltasen (früher vielfach auch „Glucase" genannt), sind für Pilze (z. B. „Takadiastase" von Aspergillus Oryzae, Hefe) aber auch für Phanerogamen (Zea Mays) nachgewiesen. Das Geschwindigkeitsgesetz der Hydrolyse dürfte in allen Fällen dem unimolekularen Gesetz entsprechen (5). Auf Grund des Ver- haltens zu Enzymen kam Armstrong (6) zu der Auffassung, daß Maltose ein Glucose-a-Glucosid sei, die Isomaltose aber das stereoisomere /J-Glucosid. Aus Trisacchariden künstlich gewonnene Doppelzucker sind Meli- biose, Gentiobiose und Turanose, so wie man die Cellobiose beim Abbau der Cellulose erhalten hat. In den reifen Früchten von Astragalus caryocarpus soll nach Frank- forter (7) eine Biose vorkommen (Astragalose), deren Natur aber noch unsicher ist. Das gleiche gilt von der von Kromer (8) aus den Samen der Pharbitis Nil dargestellten Pharbitose. B. Trisaccharide. Raffln ose oder Melitriose wurde 1876 zuerst von Loiseau(9) aus Rübenmelasse isoliert. Später erwies sich damit die „Melitose" aus Eucalyptusmanna(lO), und der durch Ritthausen (11) aus Baumwollsamen dargestellte Zucker identisch. Aus Gerste gewann 0'Sullivan(12) Raffi- nose. Die Raffinose zählt wohl unter die weit verbreitet vorkommenden zusammengesetzten Zucker. Scheibler (1 3) bewies, daß die Raffinose ein Trisaccharid der Formel CigHggOig sein müsse, was mit Hilfe der plasmolytischen Methode von de Vries(14) bestätigt werden konnte. Raffinose läßt sich durch ihre starke 1) H. BiERRY u. J. GiAJA, Compt. rend., 147, 268 (1908). — 2) Lobby de Bbuyn u. A. van Ekenstein, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 18, 147 (1899). — 3) W. Kopaczewski, Bull. Soc Chim. (4), //, 850 (1912). — 4) J. Pieraekts, Bull. Aseoc. Chim. Sucr., 26, 562, 650 (1909). — 5) A. E. Taylor, Jour6. of Biol. Chem., 5, 405 (1909). V. Henri u. Ch. Philoche, Soc. Biol., S7, 170 (1904). — 6) E. F. Armstrong, Proceed. Roy. Soc, 76, B (1905), Nr. 513. — 7) G. B. Frankforteb, Amer. Journ. Pharm., 72, 320 (1900). — 8) N. Kromer, Arch. Pharm., 234, 459 (1896). — 9) D. LoiSEAU, Compt. rend., 82, 1058 (1876); Chem. Zentr. (1897), //, 520. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 18, 3087 (1885). A. Herzfeld, Ztsch. Ver. Deutach. Zuckerinduetr. (1910), p. 1204. Zikowski, Amer. Sug. Ind.. /j, 8 (1911). — 10) Eukalyptusmanna: Berthelot, Ann. de Chim. et Phya. (3V 46, 66. J. JoHNSTON, Journ. prakt. Chem., 29, 485 (1843). Th. Anderson, Ebenda, 47, 449 (1849). F. W. Passmore, Chem. Zentr. (1891), /, 575. P. Rischbiet u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 18, 2611 (1885). — 11) H. Ritthausen, Journ. prakt. Chem., 29, 351 (1884), „Gossypose". — 12) C. O'Sullivan, Journ. Chem. Soc. (1886), p. 70. — 13) C. Scheibler, Ber. Chem. Ges., 18, 1409, 1779 (1885); /p, 2868 (1886). - 14) H. de Vries, Botan. Ztg. (1888), p. 393; Compt. rend. (1888), p. 751. Kryo- skopische Bestimmung: Tollens u. F. Mayer, Ber. Chem. Ges., 21, 1566 (1888). Czapek, Biochemie der Pflanxen. I. .s. Aufl. ^" 290 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Löslichkeit in Methylalkohol von Rohrzucker trennen (1), ebenso durch die größere Löshchkeit ihres Monostrontiumsaccharates. Wässerige Raffinose- lösungen sind stark rechtsdrehend, [a]D+ 104 bis 105 », ohne Mutarotation; sie reduzieren nicht und hefern kein Osazon. Tollens mit seinen Schülern RiscHBiET, Gans und Haedicke fanden zuerst, daß bei der Hydrolyse von Raffinose zunächst Fructose abgespalten wird, und sodann Galactose und d-Glucose entstehen. Passmore (2) isolierte die Osazone. Daß tatsäch- hch zwei scharf trennbare Phasen der Raffinosespaltung existieren, bestätigten auch Scheibler und Mittelmeier (3). Zuerst entsteht d-Fructose und das Disaccharid Mehbiose; letzteres zerfällt weiter in Glucose und Galactose. Ähnhches dürfte auch bei anderen Trisacchariden stattfinden (4). Später fand man, daß durch manche Hefen (Oberhefe) die Raffinose nur in Meli- biose und Fructose gespalten wird, die Mehbiose aber nicht weiter zerlegt werden kann (5). Mehbiose krystalhsiert, ist stark rechtsdrehend [a]D+129,64<', gibt ein Osazon von F 178—179"'. Fischer und Armstrong (6) gewannen Mehbiose synthetisch. Dies ist jedoch nicht die einzige Art von enzymatischer Aufspaltung der Raffinose. Neuberg (7) fand, daß Raffinose durch Emulsion zu Saccharose und Galactose hydrolysiert wird, so daß gerade die in der Mehbiose vorhandene Kuppelung gelöst wird. Man kann die Raffinose dem- nach auch als ^Ö-Galactosid der Saccharose betrachten. Nach allem wird es also ein einheithches Raffinose spaltendes Enzym nicht geben. Die bio- logisch bedeutsamere Spaltung der Raffinose ist die in Fructose und Mehbiose. Man hat in allen Fällen, wo Raffinose biologisch angegriffen wird, rapide Abspaltung von Fructose beobachtet (8). Da es sich hierbei um eine Lösung einer Saccharosebindung handelt, könnte man daran denken, daß jedes In- vertin diese Hydrolyse zu bewirken vermag; doch ist die Geschwindigkeits- konstante der Melibioseabspaltung eine geringere als jene der Saccharose- spaltung (9). Dies gilt auch für die Säurehydrolyse, wo Armstrong (10) das Verhältnis der Geschwindigkeitskonstanten bei der Hydrolyse von Sac- charose und Raffinose verghch. Saccharose: HNO3 464; HCl 500; H2SO4 549 Raffinose: „ 390; „ 419; „ 446 Die quantitative Bestimmung der Raffinose erfolgt polarimetrisch, eventuell kombiniert mit Invertin und Emulsineinwirkung (11), oder vor und nach Spaltung mit Citronensäure (12). Nach D avoll (13^ ist die Methode von Clerget mit einigen Modifikationen die beste. Zum Nachweise dient ferner die Galactosebildung bei der Spaltung, mit Bestimmung der Schleimsäure (14) oder der Abscheidung als Methylphenylhydrazon (15). 1) H. Pellet, Ztsch. Ver. deutsch. Rübenzuckerindustr. (1910), p. 1200. — 2) Passmore, Chem. Zentr. (1891), /, 575. — 3) C. Scheibler u. H. Mittelmeier Ber. Chem. Ges., 22, 1678 (1889). J. Pieräerts, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 2.3, 1143 (1906). — 4) A. WOGRIKZ, Ztsch. physik. Chem., 44, 571 (1903). — 5) A. Bau, Chem.-Ztg., 26, 69 (1902). — 6) Fischer u. Armstrong, Ber. Chem Ges., 35, 3146 (1902). Eigenschaften der Melibiose: A. Bau, Chem.-Ztg., 21, 186 (1897); Woch.schr. Brauerei, 16, 397 (1899). Loiseau, Chem. Zentr. (1903), //, 1243. A. Bau, Ztsch. Ver. deutsch. Rübenzuckerindustr. (1904), p. 481. — 7) C. Neuberg, Biochem. Ztsch., j, 519, 535 (1907); Ztsch. Ver. deutsch. Rübenzuckerindustr. (1907), p. 440, 458, 456. — 8) H. Biebry, Biochem. Ztsch., 44. 426 (1912). — 9) E. Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 752, 1060 (1911). — 10) H. E. Armstrong u. W. H. Glover, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 312 (1908). — 11) E. Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 149, 361 (1909). — 12) J. Pieräerts, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 23, 1261 (1906). — 13) D. Davoll, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 1019 (1903). — 14) R. Creydt, Ber. Chem. Ges., 19, 3115 (1886). — 15) R. Ofner, Ztsch. Zucker- industr. Böhm., 31, 326 (1906). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 291 Melezitose ist ein nur von wenigen pathologischen Pflanzen- produkten bekanntes Trisaccharid : Lärchenmanna nach Berthelot (1), Alhagimanna nach Villiers(2) und Honigtau der Linde nach Maquenne(3) sind bisher die einzigen Fundorte. Man gewinnt sie am besten aus der „Manna" der zentralasiatischen Alhagi camelorum Fisch. Melezitose ist unvergärbar, nicht reduzierend, dreht rechts, nach Tanret(4) mit [a]D-j-88,6<>. Wie Alekhine(5) fand, spalten sie verdünnte Säuren zunächst in d-Glucose und das Disaccharid Turanose. Endprodukt ist ausschließlich Traubenzucker. Turanose ist eine Aldobiose von unbe- kannter Konstitution, durch Hefe und die gewöhnlich benützten Enzyme nur sehr wenig angreifbar, reduzierend; ihr Osazon schmilzt bei 215 bis 220° (6). Gentianose, bisher nur vom Rhizom der Gentiana lutea (wohl auch anderer Gentiana- Arten) bekannt, von A. Meyer (7) als neues Polysaccharid entdeckt und von Bourquelot und Herissey(8) als Triose bestimmt. Sie ist krystallisiert bekannt; ihre Lösung dreht rechts. Durch Säurehydrolyse oder Hefeauszug zerfällt sie analog der Raffinose in Fructose und Gentiobiose. Letztere ist nach Bourquelot eine krystallisierbare Aldobiose, rechtsdrehend, aus zwei Glucoseresten konstituiert, doch von der Turanose und Maltose sicher verschieden. Die Bindung der Glucosereste dürfte nach Art der /S-Glucoside anzu- nehmen sein, da Aspergillusenzym und Emulsin nachweislich angreifen, während Hefeinvertin wirkungslos ist Mann in o triose ist ein durch Tanret(9) in der Manna von Fraxinus Ornus entdecktes Trisaccharid, welches bei der Hydrolyse 1 Äqu. d-Glucose und 2 Äqu. Galactose liefert. Die Konstitution ist unbekannt. Manninotriose soll durch Hefe langsam angegriffen werden. Sie ist rechtsdrehend, reduzierend, gibt, mit Bromwasser oxydiert, Manninotrionsäure; letztere kann zu Glucon- säure und Galactose gespalten werden. Rhamninose ist ein durch Ch. u. G. Tanret(IO) bei der Spaltung des natürlichen Glucosids Xanthorrhamnin aufgefundenes Trisaccharid, welches bei der Hydrolyse 2 Äqu. Rhamnose und 1 Äqu. Galactose gibt. Tanret spricht weniger passend von „Rhamnobiose", während wir es mit einer Triose in Glucosidbindung zu tun haben. In Rhamnusfrüchten fand Tanret ein gleichzeitig vorkommendes und auf Rhamninose wirk- sames Enzym, Rhamninase. Die Rhamnustriose ist unvergärbar, redu- ziert Fehling, dreht links, gibt kein Osazon. Mit Brom oxydiert liefert sie Rhamnotrionsäure CiaHgjOiß , die bei der Hydrolyse in Galacton- säure und 2 Äqu. Rhamnose zerfällt. C. Tetrasaccharide. Unter diesen Polysacchariden scheint die Stachyose bei Bluten- pflanzen in Speicherorganen nicht allzu selten vorzukommen. Planta 1) Berthelot, Ann. de Chim. et Phys. (3), 46, 87; 55, 282. Biot, Journ. prakt. ehem., 27, 60 (1842). — 2) A. Villiers, Compt. rend., 84, 35 (1877); in einer von Orloff [Chera. Zentr. (1897), //, 1068] untersuchten Alhagimanna fand sich nur Saccharose. — 3) L. Maquenne, Compt. rend., 117, 127 (1893). — 4) G. Tanret, Compt. rend., 142, 1424 (1906); Bull. Soc. Chim. (3), 35, 816 (1906). — 6) A. Alekhine, Ann. de Chim. et Phys. (6), 18, 532 (1889); Ber. Chem. Ges., 22, Ref. 759 (1889). — 6) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 27, 2486 (1894). — 7) A. Meyer, Ztsch. physiol. Chem., 6, 135 (1882). Bourquelot, Compt. rend., 126, 280, 1045 (1898). — 8) Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 132, 571 (1901); 135, 290 (1902); Journ. Pharm, et Chim. (6), 16, 417, 513, 578 (1902); Compt. rend., 136, 762, 1143 (1903V — 9) Tanret, Compt. rend., 134, 1586 (1902); Bull. Soc. Chim. (3), 27, 947 (1902). — 10) Ch. u. G. Tanret, Compt. rend., 129, 725 (1899); Bull. Soc. Chim. (3), 21, 1065, 1073 (1899). 19* 292 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. und Schulze (1) entdeckten diesen Zucker 1890 zuerst in den Knollen der japanischen Stachys tuberifera, Tanket (2) wies später nach, daß das von ihm in Eschenmanna aufgefundene Tetrasaccharid mit Stachyose völlig identisch ist. Sie ist bei Labiaten verbreitet, jedoch ist sie auch in Jas- minum und anderen Pflanzen gefunden worden. Stachyose ist krystallisiert bekannt, dreht rechts (-j-l48<'9') und liefert bei der Hydrolyse zu- nächst Fructose und Manninotriose , sodann aus letzterer Glucose und Galactose. Invertin spaltet Fructose nach Vintilesco (3) wohl ab, doch könnte es nach Bierry(4) immerhin sein, daß alle analog gebauten Fructoside des Raffinosetyps durch eine „Lävulopolyase" ein von In- vertin verschiedenes Enzym gespalten werden. Die Galactosebindung läßt sich nach Neuberg (5) auch hier durch ;ö-Glucosid-Enzyme, am besten durch Kefirlactase, Hefemaltase, weniger gut durch Mandelemul- sin lösen. In der Wurzel von Verbascum Thapsus fand Bourquelot (6) ein sehr ähnliches Polysaccharid, welches sich durch etwas stärkere Rechts- drehung und höheren Schmelzpunkt unterscheidet; es wurde als Ver- bascose bezeichnet. Die Lupeose, von Schulze und Steiger (7) zuerst aus den Samen von Lupinus luteus dargestellt, aber in Leguminosensamen ver- breitet, ist ein der Stachyose gleichfalls in vieler Hinsicht sehr ähn- liches Polysaccharid. Es liefert, wie Stachyose bei der Spaltung, Fruc- tose, Glucose und Galactose und gehört zu den Tetrasacchariden. Lupeose kennt man nur amorph; die Lösung dreht rechts und reduziert Fehling nicht. Nach Tanret dürfte die Lupeose nur unreine Stachyose sein. Alle höheren Kohlenhydrate sind in ihrer Konstitution noch völüg unbe- kannt. Sie entsprechen sämtlich der Zusammensetzung (CßHiQ05)n-H20(8) und sind, soweit man weiß, Derivate von d-Glucose, d-Fructose und d-Galac- tose unter den Hexosen und 1-Arabinose und 1-Xyiose unter den Pentosen, wozu noch Methylpentosen (Rhamnose, Fuco?e) als Stammsubstanzen kommen. Sie finden ihren Platz in der speziellen Organchemie, da allgemeines über sie kaum zu sagen ist. §5. Anhang: Bildung von Huminstoffen aus Zucker. Unter verschiedenen Umständen entstehen aus Zucker und Kohlen- hydraten amorphe, dunkel gefärbte Produkte, die seit langem wegen ihrer äußerlichen Ähnlichkeit mit dem „Humus" der Ackererde als „Huminstoffe" bezeichnet werden. Man sprach andererseits auch von „Ulmin", eine Benennung, die von Vauquelin (1797) (9) herrührt, welcher die ähnlich aussehenden Stoffe aus erkrankten Ulmenrinden untersuchte. 1) A. V. Planta u. E. Schulze, Ber. Chem. Ges., 23, 1692 (1890); 24, 2705 (1891). E. Schulze, Ebenda, 43, 2230 (1910). — 2) 0. Takket, Compt. rend., 134, 1586 (1902); 136, 1569 (1903). — 3) J. Vintilesco, Journ. de Pharm, et Chim. (6), 30, 167 (1909). — 4) H. BiERRY, Biochem. Ztsch., 44, 446 (1912); Compt. rend., 152, 465, 904 (1911). — 5) C. Nkuberg u. Lachmann, Biochem. Ztsch., 24, 171 (1910). — 6) E. Bourquelot u. M. Bridel, Compt. rend., 151, 760 (1910). — 7) Schulze u. Steiger, Ztsch. physiol. Chem., //, 372. E. Schulze, Ber. Chera. Ges., 25, 2213 (1892); 43, 2230 (1910); Ztsch. physiol. Chem., 61, 279 (1909); 69, 366 (1910). — 8) KiLiANi, Chem.-Ztg., 32, 366 (1908). — 9) Vauquelin, Ann. de Chim., 21, 39 (1797). Klaproth, Gehleus Journ., 4, 329 (1804). § 5. Bildung von Huminsloffen aus Zucker. 293 Schon die älteren Chemiker, wie Braconnot, Mitscherlich, BouLLAY, Malaguti Und Mulder (1), wußten, daß man durch an- dauernde Einwirkung von Alkalien und Säuren solche dunkelgefärbte Massen aus Zucker wie aus Kohlenhydraten erhält. Mülder benannte die in Wasser und Alkali unlösliche Fraktion dieser Stoffe als „Humin" und „Ulmin", während der in Alkali lösliche Anteil als „Humin- und Ulminsäure" geführt wurde. Daß die letzteren Stoffe tatsächlich Säure- charakter haben, wurde auch in den genauen und kritischen Studien von Hoppe-Seyler (2) über die Huminsubstanzen in neuerer Zeit bestätigt. Mulder hatte angenommen, daß bei der Bildung dieser Produkte Auf- nahme von Luftsauerstoff eine Rolle spiele. Hoppe-Seyler fand dies nicht zutreffend. Die Hurainbildung aus Zucker erfolgt auch bei Luft- abschluß. Auf eine Wiedergabe der Formeln, welche Mulder für seine Präparate aufstellte, können wir heute wohl verzichten. In den Unter- suchungen von Sestini(3), ferner jenen von Conrad und Guthzeit(4), wird gezeigt, daß diese Stoffe bei schärferem Trocknen Wasser, CO, und Ameisensäure verlieren. Die Präparate von Conrad und Güthzeit hatten 62,3—66,5 % C und 3,7-4,6 % H. Hoppe-Seyler hat in seinen erwähnten umfassenden Studien Huminstoffe aus Cellulose, Zucker, aber auch aus Gerbstoffroten und Phlobaphenen dargestellt und gefunden, daß Erhitzen mit reinem Wasser auf 180-^2000 bei diesen Stoffen noch nicht genügt, um Huminstoffbildung zu erzielen; es ist vielmehr Gegenwart von etwas Alkali nötig. Es entstehen in der Regel außer Humin noch Protocatechusäure, Brenzcatechin, Oxalsäure, Wasserstoff und Methan. Bei Methangärung von Cellulose und anaerober Gärung von Holzgummi werden keine Huminstoffe gebildet. In der Kalischmelze von Gerbstoff- roten, Phlobaphenen, Huminsäure aus Rohrzucker erhielt Hoppe-Seyler dunkelbraune, in Wasser quellbare, aber nur sehr wenig lösliche Produkte, welche in Alkali leicht löslich sind, durch Säure flockig gefällt werden, sich aber auch in Alkohol lösen. Hoppe-Seyler nannte diese Stoff- gruppe Hymatomelansäuren; sie enthielten 65,4—65,5% C und 4,2—4,7 % H. Auch die Huminsubstanzen aus abgestorbenen Pflanzen- teilen, sowie aus Torf und Braunkohlen, gaben solche Hymatomelan- säuren. Sowohl von den Gerbstoffroten als von Huminstoffen unterschied Hoppe-Seyler drei Gruppen: 1. Stoffe, die unlöslich in Alkali und Alkohol sind, sich mit Alkali zu schleimigen Massen verbinden und mit Ätzkali geschmolzen in Substanzen der beiden anderen Gruppen über- gehen; diese Gruppen umfaßt Mulders Humine und Ulraine. 2. Stoffe, die in verdünntem Alkali auch bei starker Verdünnung völlig löslich sind und durch Säuren als voluminöse Niederschläge gefällt werden, die sich in Alkohol nicht lösen; hierher zählt ein Teil der Gerbstoffrote und die Humin- und Ulminsäure. 3. Stoffe, die in Alkali löslich sind, durch Säure aus der Lösung gefällt werden; der Niederschlag ist nach Aus- waschen leicht löslich in Alkohol; bei Abdestillieren des Alkohols aus diesen Lösungen entsteht bei genügender Konzentration an der Ober- fläche eine sich runzelnde Haut; nach dem Erkalten hat man gallert- 1) Bracoknot, Ann. de Chim. et Phys., 12, 191. Mitscherlich, Lehrbuch, 3. Aun., /, 534. P. BouLLAY, Ann. de Chim. et Phys. (2), 43, 273 (1830). Mala- guti, Ebenda(2), 59, 407 (1835). G.J. Melder, Journ. prakt. Chem., 21, 203 (1840). Berzelius Jahresber.. 21, 443 (1842). J. Moleschott, Physiol. d. Stoffwechsele (1851), p. 9. — 2) F. Hoppe-Seyler, Ztsch. physiol. Chem., 13, 92 (1889). — 3) F. Sestini, ßer. Chem. Ges., /j, 1877 (1880); Landw. Versuchsstat., 27, 163 (1881); 26, 285. — 4) M. Conrad u. Güthzeit, Ber. Chem. Ges., 19, 2844 (1886). 294 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. artige brüchige Massen vor sich, die beim Erwärmen auf dem Wasser- bade wieder schmelzen; sie sind nach dem Trocknen in Alkohol gar nicht oder sehr unvollkommen löslich. Hierher gehören die Phloba- phene der Rinden, ein Teil der Humin- und Ulminsäuren und die Hymatomelansäuren. Bei Bildung der Hymatomelansäuren spielt nach Hoppe-Seyler sicher energische Oxydation mit, während bei der Bil- dung von Huminstoffen aus Gerbstoffen und Kohlenhydraten Sauer- stoffzutritt nicht nötig ist. Neben Hymatomelansäuren entstehen in der Kalischmelze der Huminstoffe Ameisensäure, Essigsäure, Oxalsäure, Protocatechu säure, etwas Brenzcatechin. Den Hymatomelansäuren würden nach der elementaren Zusammensetzung die Formeln CjeH-j^Og und C26H20O9 entsprechen. Sie sind Säureanhydride. Auch Berthelot und Andre (1) betrachten die Zuckerhuminstoffe als ein Gemenge von kondensierten Säureanhydriden. Udranszky(2) erhielt bei Anwesenheit von Harnstoff durch mäßige Säurewirkung auf Zucker N-haltige Humin- stoffe. Über die chemische Natur der Huminstoffe, in denen wohl ge- schlossene Kohlenstoffringe anzunehmen sind, läßt sich heute noch nicht das mindeste sagen (3). Berthelot (4), von dem eine der jüngsten Arbeiten über Zueker- humine herrührt, nimmt an, daß die aus Zucker mit konzentrierter HCl frisch bereitete Huminsäure der Formel CigHiiOg entspricht; in ihr sei eine Alkoholsäure enthalten, die ein lösliches Barytsalz bildet und kein Fur- furol abspalten kann. Robertson und Irvine(5) geben einer aus Rohr- zucker dargestellten Huminsäure die Zusammensetzung CggHggOii, die konstant wiedergefunden wurde. Anschließend sei auch das Nötigste über die Huminstoffe der Acker- erde und der Torfmoore erwähnt, die als Substrat für die Pflanzendecke der Erde ernährungsbiologisch eine wichtige Rolle spielen. Die von Pflanzen bewachsene Erdschicht istbekannthch sehr reich an organischen Verbindungen. Man findet darin harzartige, fettartige und wachsartige Substanzen, sowie Fettsäuren und noch deren Glyceride (6), wie auch Paraffinkohlenwasser- stoffe (7); sodann stickstoffhaltige Stoffe wie Eiweißderivate und etwas Aminosäuren (8) und endUch N-hältige imd N-freie dunkelgefärbte Stoffe, die großenteils in Alkali löshch sind und seit Berzelius als ,, Humussäuren'* im engeren Sinne geführt werden. Die Annahme hegt nahe, daß diese äußer- lich den Zuckerhuminsäuren ähnUchen Bodensubstanzen sich aus den Kohlen- hydraten abgestorbener Pflanzenteile herleiten, doch muß man sagen, daß ein chemischer Vergleich der natürüchen und künsthchen Humusstoffe wesentHche Unterschiede ergibt und deutliche Beziehungen zu den Zucker- huminen bisher nicht zutage treten (5). Übrigens sind manche Kohlenhydrate, 1) Berthelot u. Andre, Compt. rend., 112, 916, 1237 (1891); 114, 41 (1892); 123, 567 (1896). — 2) L. v. Udranszky, Ztsch. physiol. Chem., 12, 33 (1887). — 3) Zur chemischen Konstitution der Huminstoffe: F. Sestini, Chem. Zentr. (1902), /, 182. Huminsubstanzen aus Lävulose: Ratman u. Öülc, Chem. Zentr. (1895), //, 593; aus Arabinose: Berthelot u. Andre, Compt. rend., 123, 625 (1896). Die Meinung von St. Benni [Ztsch. Naturwiss., 6g, 145 (1897)], daß bei Oxydation von mäßig konzentrierter Zuckerlösung mit verdünnter neutraler KMnO^- Losung Humin, mit alkalischem KMnO^ Huminsäure entsteht, trifft nicht zu [v. Feilitzen u. ToLLENS, Ber. Chem. Ges., jo, 2581 (1897)]. — 4) Berthelot, Compt. rend., 141, 433 (1905). — 5) R. A. Robertson, J. C. Irvine u. Dobson, Biochem. Journ., a, 458 (1907). Zusammenfassung bei V. Gräfe in Abderhaldens biochem. Handlex., 2, 94 (1911). — 6) Mulder, Ackerkrume, /. 527; 2, 64 (1861). O. Schreiner u. Shorey, Journ. Amer. Chem. Soc, 33, 78 (1911). — 7) O. Schreiner u. Shorey, Ebenda, p. 81 (1911). — 8) Suzuki, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 7; 513 (1907). § 5. Bildung von Huminstoffen aus Zucker. 295 besonders Pentosane und Methylpentosane im Humusboden noch unver- ändert auffallend reichlich vertreten (1). Bestimmte Tatsachen über die charakteristischen Stoffe des Ackerhumus sind leider erst sehr spärüch vorhanden. Studien darüber rühren bereits von Achard, Saussure und Sprengel (2) her. Berzelius (3) beschrieb in seiner bekannten Untersuchung über die Deposita des Wassers der Porlaquelle seine „Quellsäure" und „Quellsatzsäure", denen Mulder (4) noch die Geinsäure, Humussäure und Ulminsäure hinzufügte — Angaben, die heute nur mehr historisches Interesse besitzen. Reinitzer (5) machte in neuerer Zeit darauf aufmerksam, daß Huminstoffe Fehlings Lösung kräftig reduzieren, und er denkt an ein etwaiges Vorkommen von Kondensationsprodukten aldehydartiger Körper. Daß auch ohne Mitwirkung von Mikrobien Huminsäuren und ihre Salze bei Zutritt von freiem Sauerstoff sich unter GOg-Abspaltung zersetzen, hat Niki- TiNSKY(6) gezeigt. Vermehrte Feuchtigkeit begünstigt diese Oxydations- prozesse sehr, auch Lichtzutritt scheint zu fördern. Wahrscheinhch bestehen die Huminsäuren aus einem leicht oxydierbaren Anteil und einem stabilen Rest. In jüngster Zeit hat es nicht an erfolgreichen Bemühungen gefehlt, die Errungenschaften der Kolloidchemie für das Studium der in ihrem ganzen Verhalten typisch kolloidalen Humussubstanzen heranzuziehen. Besonders die Forschungen von Baumann und Gully (7) für die Humussäuren aus Torf haben ergeben, daß es sich hier um Kolloidlösungen von elektronegativem Charakter und unmeßbar kleinem Leitvermögen handelt, die bis zu einem gewissen Grade durch Adsorptionsbindungen das Vorkommen wirklicher Säuren vortäuschen können. Ob man das Recht hat mit Baumann die Existenz von Humussäuren überhaupt in Frage zu stellen, ist nach den Ergebnissen von 0Di;N(8) noch zweifelhaft, welcher ans Sphagnumtorf Alkahverbindungen nicht kolloider Natur darstellte, welche möghcher- weise Säureverbindungen im chemischen Sinne bedeuten. Interessant sind die Beobachtungen von Baumann, daß die kolloiden Eigenschaften der frischen Sphagnumblätter, resp. deren Zellmembranen bereits in allen wesentUchen Stücken dem Charakter der Torfkolloide entsprechen (9). Die Kolloidchemie der Ackererde ist kaum erst in Angriff genommen und verspricht wichtige Aufklärungen zur Ernährungslehre der Landpflanzen zu geben (10). Zweifellos spielen verschiedenartige Bodenmikrobien eine wichtige Rolle bei der Humifizierung des Pflanzenabfalles, doch könnten auch Oxy- dationsprozesse im Zusammenhange mit dem Wachstum höherer Pflanzen nach Schreiner (1 1 ) in Betracht kommen. Von verschiedenen Pflanzen haben Fadenpilze nach dem übereinstimmenden Urteile einer Reihe von Forschern 1) Vgl. E. MiCHELET u. Sebelien, Chem.-Ztg., jo, 356 (1906). — 2) C. Sprengel, Lehre v. Dünger (1839), p. 404, 413. Saussube, Recherch. chim., p. 162. — 3) Berzelius, Pogg. Ann., 2p, 1 (1833); Ann. de Chim. et Phys. (2), S4, 219 (1833). — 4) Mülder, Journ. prakt. Chera., /p, 244; 20, 265 (1840); Physiol. Chem. (1844), p. 153; Chem. d. Ackerkrume, /, 308, 442 (1861). — 5) F. Keinitzer, Botan. Ztg. (1900), /, 59. — 6) J. Nikitinsky, Jahrb. wiss. ßotan., 37, 365 (1902). — 7) A. Baumann, Mitteil. kgl. bayr. Moorkult.-Anst., III u. IV (1910). van Schermbeck, Journ. prakt. Chem., 75, 517 (1907). Stremme, Ztsch. prakt. Geol., 17, 353 (1909). A. Stutzer, Ztsch. angewandt. Chem., 23, 1760 (1910). — 8) Sv. Oden, Ber. Chem. Ges., 45, 651 (1912); Arkiv f. Kemi (1912), Nr. 24. R. Albert, Ztsch. prakt. Geol., /;, 528 (1909); 19, 72 (1911). Br. Tacke u. Süch- TLNG, Landw. Jahrb., 41, 717 (1911). H. Süchting, Landw. Versuchsstat., 70, 1 (1909). — 9) Baumann, 1. c, auch A. Wieler, Ber. Botan. Ges., 30, 394 (1912). — 10} Vgl. Rohland, Landw. Jahrb., jö. 473 (1907); Ztsch. physiol. Chem., S9, 325 (1909). W. Thaer, Journ. Landwirtsch., 60, 1 (1912). — 11) O. Schrelnke u. Reed, Journ. Amer. Chem. Soc, 30, 85 (1908). 296 Secbstee Kapitel: Zucker und Kohlenhydrate bei IMlzen und Bacterien. einen viel größeren Anteil an der Humusbildung als die Bodenbacterien (1). Näheres Interesse könnte endlich die Torfbildung für die Pflanzenbio- chemie gewinnen (2). Noch in der Braunkohle finden sich Hurainsubstanzen in größerer Menge (3). Über den Prozeß der Torf- und Kohlebildung ist biochemisch eigenthch so gut wie gar nichts bekannt. Für die im Boden lebenden Organismen ist die Rolle der Huminstoffe noch ungewiß. Nach Nikitinsky verarbeiten Bodenmikroben Huminsäuren, allein als Kohlenstoffquelle dargereicht, nicht, doch wirkt die Gegenwart von Mikroben sehr stark fördernd auf die Huminsäureoxydation. Robert- son und Irvine (4) fanden hingegen die natürhchen und künstüchen Humin- säurepräparate durch Penicilüum ausnützbar. Möghcherweise wirken Humusverbindungen oft nicht als Nahrungsmaterial, sondern als chemische Reizstoffe (5). Nach Molliard (6) können aber auch höhere Pflanzen Humin- kohlenstoff direkt aufnehmen und ausnützen, was jedoch höchstens eine minimale Bedeutung für das Pflanzenleben haben kann. Erwähnt sei schließ- lich, daß die in den Blattnischen humussammelnder Epiphyten sich ansam- melnden humifizierbaren Reste nach Miehe (7) ganz ähnhche Prozesse der Veränderung durchmachen wie im Erdboden selbst. Abschnitt 2: Die Saccharide im Stoffwechsel der niederen Pflanzen. Sechstes Kapitel: Zucker und Kohlenhydrate bei Pilzen und Bacterien. § 1. Zuckeralkohole, Hexoseti und Hexobiosen. Die Zucker und Kohlenhydrate der Pilze bieten viel Interesse, nachdem Stoffe, welche sonst im Pflanzenreiche, selbst bei saprophy- tischen oder parasitischen Gewächsen sehr selten sind oder ganz fehlen, hier sehr verbreitet auftreten (Glykogen, Trehalose, Mannit) und anderer- seits sonst sehr häufig vorkommende Stoffe, wie Stärke, Rohrzucker, vermißt werden. Bisher wurden bei Pilzen nachgewiesen: Mannit, Sorbit und Volemit, Traubenzucker, Trehalose, Glykogen und einige Kohlen- hydrate wenig bekannter Natur, wie Mycodextrin, Mycoinulin, Mycetid. 1) D. Carbone u. Marincola-Cattaneo, Arch. Farm. Sper., 7, 265 (1908). O. Schreiner u. Shorey, Joum. Araer. Chem. Soc, 32, 1674 (1910). C. J. Koning, Arch. N^erland (2), p, 34 (1904). ß. Heinze, Landw. Mitteil. Prov. Sachsen (Halle 1909), p. 145. — 2) Lit. W. Zailer u. Wilk, Ztsch. Moorkult. (1907), p. 1. L. Roger u. E. Vulquin, Compt. rend., 147, 1404 (1908). Miklauz, Ztsch. Moorkult. (1908), p. 285. — 3) BouDOüARD, Compt. rend., 147, 986 (1908). E. Donath, Ztsch. angewandt. Chem., 22, 1491 (1909). O. Manouschek, Braunkohle, 8, 73 (1909). — 4) B. A. Robertson u. Irvine, Biochem. Journ., 2, 458 (1907). — 6) Für Hefe: Dzierzbicki, Anzeig. Akad. Krakau (1909), p, 651. Höhere Pfl. Schreiner, Skinner u. Reed, U. S. Dept. Agric. (1907). — 6) M. Molliard, Compt. rend., 154, 291 (1912). — 7) H. Miehe, Math.-physik. Klasse d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss. Leipzig, 32, 376 (1911). § 1. Zuckeralkohole, Hexosen und Hexobiosen. 297 Mannit, und zwar d-Mannit, ist bei Pilzen äußerst verbreitet, und bildet häufig die Hauptmasse des stickstoffreien Reservematerials. Sein Aldehyd, die d-Mannose, wurde bisher in Pilzen noch nicht kon- statiert. In Hutpilzen findet sich bis 20% des Trockengewichtes an Mannit. Sein Vorkommen bei Pilzen kannten schon Vauquelin und Braconnot(I), und es war in neuerer Zeit besonders Muntz(2), welcher seine große Verbreitung kennen lehrte. Wertvolle analytische Unter- suchungen über die Verteilung des Mannits im Fruchtkörper von Hut- pilzen verdanken wir namentlich Margewicz (3). Der mannitreichste Teil ist meistens das Hymenium, seltener der Stiel. Doch sind die Differenzen im Mannitgehalt nicht so scharf ausgeprägt wie die Diffe- renzen im Fettgehalte der einzelnen Teile des Fruchtkörpers, So be- rechnet sich aus den von Margewicz angegebenen Zahlen der Mannit- gehalt in Stiel, oberem Teile des Hutes, Hymenium von Boletus scaber Bull, im Verhältnisse 1:1,09:1,16, während sich die entsprechenden "Werte für Fett auf 1 : 1,16 : 1,66 stellen. Die absoluten Werte für Mannit- gehalt fand Margewicz meist zwischen 10 und 15% der Trocken- substanz. BouRQUELOT (4) machte zuerst darauf aufmerksam, daß sich im eingesammelten Pilzmaterial sehr schnell die Trehalose in Mannit um- wandelt, so daß man viel mehr Mannit findet, wenn man die Pilze bei mäßiger Temperatur langsam trocknet, als wenn man eine rasche Tötung des Materials durch kochendes Wasser oder Chloroform vorausgeschickt hat. Jugend- liche Fruchtkörper von Lactaria, Boletus und Amanitaarten enthalten nach BouRQUELOT nur Trehalose, während in den reifen Fruchtkörpern fast aller Hymenomyceten und Ascomyceten bis zu Vs des Trockengewichtes Mannit vorhanden ist. Häufig ist aber auch in den jungen Fruchtkörpern von allem Anfange an nur Mamiit vorhanden und Trehalose nicht nachweis- bar. Den Angaben Bourquelots seien folgende Zahlen entnommen: junge, ausgewachsene Fruchtkörper Mannit Trehalose Mannit Trehalose in Prozent der Trockensubst. 15,30 Proz. - _ _ 19,75 „ - 19,85 Proz. - 23,30 „ - - - 13,07 „ - 10,2 „ - — nachgew. — nachgew. — nachgew. nachgew. nachgew. — nachgew. Cantharellus tubiformis Bull. Russula Queletii Fr. . Russula adusta Pers. . Acetabula vulgaris Fr. Phohota mutabihs Schaeff. CoUybia fusipes. . . . CHtocybe laccata Scop. Mannit wird behufs Nachweis und Bestimmung aus dem trockenen Material mit siedendem Alkohol extrahiert ; das Extrakt wird mit Tierkohle gereinigt, eingeengt, worauf der Mannit auskrystalÜsiert. 1) Vauqdelin, Ann. de China., 8s, 1 (1813). Braconnot, Ebenda, 79. So, 87, 237 (1813). — 2) A. Müntz, Ann. dtf Chira. et Phys., 8, 56 (1876): Ber. Chera. Ges., 7, 1788 (1874). Sonstige Lit. J. Schlossberqer u. O. Doepping, Lieb. Ann., 52, 106 (1844). Knop u. Schnedermann. Lieb. Ann., 49, 243 (1844); Journ. prakt. Chem., 32, 411 (1844). W. Thörner, Ber. Chem. Ges., 12, 1635 (1879). Th. Bis- singer, Atch. Pharm., 221, 321 (1883). R. Boehm, Arch. exp. Pathol., 19, 60 (1885). O. Mattirolo, Malpighia, 13, 154 (1899). A. Zega, Chem.-Ztg., 24, Nr. 27 (1900). Zopf, Die Pilze (1890); Schenks Handb. d. Botanik, IV. — 3) K. Margewicz, Just Jahresber. (1885), /, 86. — 4) E. Boürquelot. Compt. rend., 108, 568 (1889); Bull. Soc. Mycol., 5, 34, 132 (1889); 6, 150, 185 (1890); Compt. rend., ni, 534 (1890). R. Ferry, Rev. Mycolog., 12, 136 (1890). Boürquelot, Bull. Soc. Mycol., 7, 50 (1891); 8, 13 (1892). 298 Sechstes Kapitel: Zucker nnd Kohlenhydrate bei Pilzen und Bacterien. Auch Penicillium- und Aspergillusarten wurden reich an Mannit ge- funden (1). Von Interesse ist ein bisher vereinzelt gebliebener Befund von d-Sorbit in den Fruchtkörpern von Boletus bovinus [Lippmann (2)] und die Angabe Zellners (3), wonach der sonst nur in Algen und Flechten vorkommende Erythrit das Hauptkohlenhydrat von Maisbrand (Ustilago Maydis) bildet, wo er an Menge den gleichzeitig vorkommenden Mannit übertrifft. Volemit, ein von Boürquelot (4) in Lactaria volema zuerst auf- gefundener Heptit unbekannter Konfiguration, fehlt sonst gleichfalls; bei dem genannten Hutpilz vertritt er den Mannit. Man stellt ihn dar durch Alkoholextraktion des getrockneten und zerkleinerten Pilzmaterials; beim Erkalten des Extraktes fällt der Volemit krystallinisch aus und kann nach 14 Tagen vollständig ausgeschieden sein. Glucose. Die Hexosen sind bei Pilzen noch sehr lückenhaft unter- sucht und eine Identifizierung des in vielen Fällen(5) angegebenen Trauben- zuckers ist in den meisten Fällen unterblieben. Möglicherweise kommt bei Pilzen auch Fructose vor, oder eine der anderen einfachen Zuckerarten. Boürquelot (6) gab reichliches V^orkommen von Glucose in Arten von Lactaria an, Muntz (7) in Boletus extensus (0,87 % des Frischgewichtes). Nach Naegeli und Loew enthält Bierhefe Traubenzucker (8). Ferry(9) fand in vielen Hutpilzen Glucose, ebenso Zellner (10) in Armillaria mellea, Lactaria piperata und Pholiota squarrosa neben Mannit. Beim langsamen Trocknen von Hutpilzen (Lactaria) tritt Glucose wahrscheinlich durch Spaltung der Trehalose auf (Boürquelot). Zu untersuchen bleibt, welcher Art die Zuckersubstanz ist, welche von den Spermogonien der Uredineen(ll) und von den Conidienlagern der Claviceps purpurea aus- geschieden wird. Die Trehalose, eine Hexobiose, die man im Gewächsreiche außer- halb der Reihe der Pilze als normales Stoff Wechselprodukt überhaupt nicht kennt, spielt im Kohlenhydratstoffwechsel der Pilze eine außer- ordentlich wichtige Rolle. 1832 im Mutterkorn durch Wiggers(12) ent- deckt, durch MiTSCHERLiCH(13) als „Mycose" benannt, wurde dieser Zucker durch Muntz (7) als mit dem Zucker der Trehalamanna identisch befunden. Seitdem ist unserer Hexobiose der Namen der „Trehalose" geblieben. Durch die Studien von Winterstein, Boürquelot, Schukow und Harang (14) ist die Kenntnis der Trehalose in chemischer und physio- 1) L. Alsberg u. Black, Int. Congr. Appl. Cham., ig, 15 (1912). C Ra- VENNA u. PiGHiNi, Accad. Linc. Roma (5), ig, II, 312 (1910). — 2) E. O. v. Lipp- mann, Ber. Chem. Ges., 45, 3432 (1912). — 3) J. Zellner, Monatsh. Chera., j/, 617 (1910). — 4) Boürquelot, Bull. Soc. Myco!., 6, p. VII (1890); Journ. Pharm, et China. (6), 2, 385 (1895). E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 28, 1973 (1895). — B) Margewicz, 1. c. A. v. Lösecke, Arch. Pharm. (1876), p. 133. Schmieder, Arch, Pharm., 224 641 (1886); Keller, Just Jahresber. (1876), /, 118. — 6) Boür- quelot, Bull. Soc. Mycol. (1889), p. 132; Compt. rend., ///, 578 (1890). — 7) Muntz, Boussingault Agronomie, 6, 216 (1876). — 8) Naeoeli u. 0. LoEW, Lieb. Ann., 193, 322 (1878). — 9) Ferry, Rev. Mycol., 12, 136 (1891). — 10) J. Zellner, Wien. Akad. (24. Okt. 1912). — 11) Rathat, Spermogonien der Rostpilze (1882). — 12) H. A. L. WiGGERS, Schweigg. Journ., 64, 158 (1832); Lieb. Ann., /, 173 (1832). — 13) E. MiTSCHERUCH, Lieb. Ann., 106, 15 (185S). — 14) E. Winterstein, Ber. Chem. Ges., 26, 3094 (1893); Ztsch. physiol. Cheri., ig, 70 (1894). Boürquelot, Bull. Soc. Mycol., 7, 208 (1891); Journ. Pharm, et Chim. (5), 24, 524. J. Schukow, Ztsch. Ver. Rübenzuckerindustr. (19(X)), p. 818. P. Harang, Journ. Pharm, et Chim. (6), 23, 16 (1906). § 1. Znckeralkohole, Hexosen und Hezobioaen. 299 logischer Hinsicht sehr gefördert worden. Zur Trehalosegewinnung ex- trahiert man das rasch getrocknete und abgetötete Pilzmaterial nach vorheriger Erschöpfung mit Äther, durch siedenden 90yoigen Alkohol; beim Erkalten scheidet sich der Zucker krystallinisch ab; er wird in Wasser gelöst und durch Behandlung mit Bleiessig und Tannin gereinigt. Oder man kann auch den Preßsaft aus den Pilzen mit basisch essig- saurem Blei fällen und gewinnt den Zucker aus dem entbleiten einge- engten Filtrat. Einimpfen von Trehalosekryställchen oder Reiben mit dem Glasstab beschleunigt die Krystallisation. Trehalosc bildet farblose glasglänzende rhombische Krystalle, ist rechtsdrehend, nicht reduzierend und gibt kein Osazon(l). Bei der Hydrolyse entsteht ausschließlich Traubenzucker. Schon MuNTZ fiel die weite Verbreitung derTrehalose und das wechselnde Verhältnis auf, in dem Mannit und Trehalose vorkommen. Er wies nach, daß Penicilhum wohl Mannit, aber keine Trehalose bildet. Hingegen ist Trehalose in Aspergillus, Mucor, wie auch in FuUgo varians vorhanden. Hefe enthält weder Mannit noch Trehalose. BoIjrquelot wies nach, wie rasch die Trehalose unter gleichzeitiger Mannitbildung beim Trocknen der Hutpilze verschwindet. Durch Aufkochen oder Chloroformieren läßt sich dieser Prozeß hindern, was man sich bei Trehalosebestimmungen zunutze machen muß. Besonders die jugendHchen Fruchtkörper sind sehr reich an Trehalose, die hier 10—16 Proz. der Trockensubstanz ausmachen kann. Mit zunehmender Ausreifung der Sporen nimmt der Trehalosegehalt ab und es werden Mannit und Fett abgelagert. Manche Pilze, wie CoUybia butyracea und Amanita Mappa bilden überhaupt sehr wenig oder gar keine Trehalose, während Boletus eduhs und Phohota adiposa auch in vorgerückteren Stadien Trehalose enthalten (2). Für Aspergillus niger gibt Bourquelot (3) folgende Zahlen: Trehalose Mannit 48 Stdn. alte Kulturen, noch nicht fructifizierend — 6,6 Proz. Dieselben in beginnender Fructification .... 4,4 Proz. 9,1 „ 96 Stdn. alte Kulturen — 10,5 „ Ferner für Phallus impudicus L.: Trehalose Mannit Glucose Jung, vor dem Aufbrechen der Volva Spur 0,6 Proz. 0,4 Proz. 6—8 Stdn. nach dem Aufbrechen 2,3 Proz. 1,1 ,, 9,8 „ 28—36 Stdn. nach dem Aufbrechen 1,0 „ 1,2 ,, 9,6 „ Sehr alt, nach Entleerung der Sporen 0 2,1 ,, 7,7 ,, Die Geschwindigkeit der Umwandlung der Trehalose in Mannit illu- striert folgender Versuch (4): 4 kg Agaricus piperatus wurden zwischen 7—8 Uhr morgens gesammelt, die eine Hälfte um 9 Uhr vormittags, die andere 5 Stunden später mit kochendem Wasser behandelt. Die erste Partie gab 20 g Trehalose, die zweite nur Mannit. — Einwirkung von Chloroform auf den Prozeß (5): Eine Ernte von 6 kg junger frischer Agaricusexemplare woirde in drei gleiche Portionen geteilt; die erste sofort mit kochendem Wasser extrahiert, die zweite nach 16 stündigem Trocknen, die dritte nach 1) Mikrochem. Osazonprobe b. Pilzen: TiCHOMiROW, Arch. Pharm., 246, 582 (1908). — 2) BOUKQDELOT, Compt. read., ///, 578 (1890); 113, 749 (1892). — 3) BouRQUEtOT, Bull. Soc. Mycol., p, 11 (1893). — 4) Bourquelot, Ebenda (1890), p. VII— VIII. — 5) Bourquelot, Compt. rend., ///, 534 (1890). 300 Sechstes Kapitel: Zucker uad Kohlenhydrate bei Pilzen nnd Bacterien. 16 stündigem Verweilen in Chloroformdampf. Die beiden ersten gaben 15,25 g Trehalose resp. 13,95 g Mannit. Bei der dritten Portion hatten sich 452 ccm eines dunkelbraunen Saftes gebildet, ebenso waren die Pilze dunkelbraun geworden. Beides zusammen gab 14,55 g Trehalose und einige Dezigramm Mannit. Inwiefern Enzyme bei diesen Vorgängen im Spiele sind, harrt noch der Entscheidung (1). Sicher ist aber bei der einfachen Spaltung der Trehalose in Traubenzucker ein Enzym im Spiel, welches Bourquelot (2) bei Pilzen weit verbreitet nachwies. Die Trehalase aus Aspergillus benützte Harang erfolgreich als Hilfsmittel bei der quantitativen Bestimmung der Trehalose, indem er die polarimetrische Beobachtung vor und nach der Spaltung mit Trehalase vergüch. Soll im weiteren Mannit entstehen, so muß der Traubenzucker zunächst eine Umlagerung zu Mannose (oder Fructose) erfahren, aus der durch Reduktion Mannit entsteht. Kohlenhydrate ; Glykogen. Stärke und stärkeähnliche Kohlenhydrate werden in Pilzen wohl kaum vorkommen. Belzung(3) hatte für keimende Mutterkornsclerotien und für Coprinus Vorkommen von Leukoplasten und Amylumkörnern angegeben, doch dürften in Hinblick auf Berichtigungen in der letzten Arbeit Belzungs diese Angaben am besten zurückgezogen werden. Einen interessanten Fall des Vorkommens Jod bläuender Kohlenhydrate bei Pilzen hat Bourquelot (4) bei Boletus paehypus Fr. aufgefunden. Die fragliche Substanz läßt sich aus dem wässerigen Dekokt des Pilzes mit Alkohol fällen, gibt bei der Hydrolyse reduzierenden Zucker, und ist im übrigen noch zu erforschen: besonders ist nicht sichergestellt, ob sie dem Hypheninhalt oder der Zellmembran entstammt. Glykogen (5). Dieses für tierische Organismen charakteristische Reservekohlenhydrat spielt auch bei den Pilzen eine überaus bedeutungs- volle Rolle. Es ist hoch wahrscheinlich, daß das Pilzglykogen mit dem Leberglykogen wirklich identisch ist, und ebenso, daß alle Pilze dasselbe Glykogen enthalten. Schon 1868 konnte Kühne (6) in dem Schleimpilz Fuligo varians Glykogen nachweisen, und Behrend sowie Reinke und Rodewald behaupteten dessen Identität mit dem Glykogen der Säuge- tierleber (7); das Plasmodium von Fuligo enthält nach Reinke 4,7% Gly- kogen. Im „Epiplasma" der Asci der Discomyceten fand Errera(8), daß die stark lichtbrechende Vacuolensubstanz die rotbraune Jodreaktion des Glykogens zeigt. Alsbald wurde von demselben Forscher Glykogen auch in Hefe, in Pilobolus und anderen Phycomyceten, sodann bei vielen Basidiomyceten nachgewiesen. Aus Masseakulturen von Phycomyces, sowie aus mehreren Asco- und Basidiomyceten wurde nach der Methode 1) Vgl. J. Zellner, Monatsh. Chem., 27; 281 (1906). — 2) Bourquelot, Bull. Soc. Mycol., 9, 189 (1893). — 3) E. Belzüng, Bull. Soc. Botan. (2), 8, 199 (1886); Journ. Pharm, et Chim. (1890), p. 283; Journ. de Botan. (1892), p. 456. — 4) Bourquelot, Bull. Soc. Mycol., 7. 155 (1891); Journ. Pharm, et Chim., 24, Nr. 5 (1891). — 5) Bibliographie: B. Heinze, Zentr. Bakt. II, 12, 43 (1904). L. Erreri, Recueil Instit. Botan. Bruxelles, / (1905). — 6) W. Kühne, Lehrb. d. physiol. Chem. (1868), p. 334. — 7) Behrend, zit. bei Krukenberg, Vergl. phj'siol. Stud., 2, 55 (1880). Reinke u. Rodewald, Studien üb. d. Protoplasma (1881), p. 34, 54, 169. — 8) L. Errera, L'Epiplasme des Ascomycfetes (Bruxelles 1882); Bull. Ac. Roy. Bruxell. (3), 4 (1882); 8, 602 (1884); Botan. Ztg. (1886), p. 316. Krafkoff, Script, botan. hört. Petropol., j, 17. § 2. Kohlenhydrate; Glykogen. 301 von Brücke Glykogen isoliert Später hat Clautriau(I) erfolgreiche Darstellungen von Glykogen aus Pilzen unternommen, die bei Pilzen wegen der reichlichen Gegenwart anderer schleimiger und gefärbter Stoffe auf große Schwierigkeiten stoßen. Man kann durch Erzeugung von Kalkphosphatniederschlägen nach Zusatz von CaClg und Soda einen großen Teil der Schleimstoffe beseitigen und auch das Glykogen mechanisch durch Eisenhydroxydniederschläge (Zusatz von FeClg und NH3) nieder- reißen. Hefe formte Clautriau mit Zusatz von Wasserglas zu einem Stein, der zu feinem Pulver geschliffen wurde, das sich nun wie die gepulverten Pilze weiter behandeln ließ. Das tierische Glykogen wurde 1856 gleichzeitig durch Hensen und Gl. Bernard entdeckt (2). Brücke (3) gab die erste brauchbare Bestimmungs- methode für Leberglykogen an, wobei er das Eiweiß durch Ausfällen mit Jodquecksilberkahum und HCl entfernte. Es kostete in der Folge den Tier- physiologen viele Mühe, eine quantitative Gewinnung und Reindarstellung des Glykogens zu erreichen. Pflüger (4) fand, daß man durch konzen- trierte Kaülauge (30%) im Gegensatze zu verdünnter Lauge, das Glykogen quantitativ extrahieren kann, ohne Verlust, während viele Begleitstoffe so zerstört werden oder zurückbleiben. Daran kann man die polarimetrische Untersuchung direkt anschheßen oder dieselbe erst nach vorhergegangener Inversion durch Säure vornehmen. Man hat ferner versucht, die Jod- reaktion des Glykogen zu einer colorimetrischen Bestimmungsmethodik zu verwenden (5). Mikroskopisch benutzt man zum Glykogennachweise die Jodreaktion, die Färbung mit gesättigter alkahscher Karnünlösung nach vor- heriger Fixation (6), oder die Tannin- Safranin-Methode nach A. Fischer (7). Von Pilzglykogen ist das Hefeglykogen am meisten studiert. Clautriau befaßte sich außerdem eingehend mit Glykogenpräparaten aus Amanita und Boletus. Cremer (8) gewann das Hefeglykogen nach der Methode von Brücke als weißes amorphes Pulver, dessen wässerige Lösung auch noch in verdünntem Zustande opalesciert. Mit Ba(0H)2 ist Glykogen fällbar; es reduziert Fehlings Lösung nicht und besitzt eine spezifische Drehung [a]D+ 198,9. Huppert(9) fand für Leber- glykogen [ajp + 196,63*', sehr nahe übereinstimmend mit „Erythrodextrin" aus Stärke. Auch die durch Harden und Young(IO) geprüften Gly- kogene verschiedener Herkunft zeigten dasselbe Drehungsvermögen. Die Eigenschaften kolloidaler Glykogenlösung kennt man bisher nur vom 1) C. Clautriau, fitud. Chim. du Glycogfene chez les Champign. (Bruxelles 1895). — 2) Hensen, Arch. Pathol. Anat., //, 395 (1856). PFLtJGER, Pflüg. Arch., 95, 17 (1903). Cl. Bernard, Compt. rend., 44, 578 (1856); Ann. de Chim. et Phys. (5), 8, 376 (1876). — 3) Brücke, Sitz.ber. Wien. Ak., 63, II, 214 (1871). — 4) Lit. bei Cremer, Ergebn. d. Physiol., I, /, 803. E. Pflüger, Pflüg. Arch., 114, 231 (1906); 12g, VI— VII (1909); 121, 641 (1908). Grube, Ebenda, p. 604. Schöndorff, Ebenda, 126, 578, 582 (1909). Starkenstein, Biochera. Ztsch., 27, 53 (1910). Pflüger u. Grube, Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 159 1070 (1909). Bierry u. Gruzewska, Compt. rend., 135, 1559 (1912). Allgemeine Verbreitung im Tier- reich: Erhard, Verhandl. Deutsch, zool. Ges., 22, 344 (1912). Starkenstein u. Henze, Ztsch. physiol. Chem., 82, 417 (1912). — 5) Clautriau, 1. c. P. Jensen, Ztsch. physiol. Chem , 35, 525 (1902). — 6) F. Best, Ztsch. wiss. Mikrosk., 23, 319 (1906). P. Mayer, Ebenda, 26, 513 (1910). Fichera, Driessen, Ebenda. Zieql- wallner. Ebenda, 28, 152 (1911). — 7) A. Fischer, Botan. Ztg. (1905), /, 66; Anatom. Anzeig., 26, 399 (1905). — 8) M. Cremer, München, med. Woch.schr., I (1894). — 9) H. HUPPERT, Ztsch. physiol. Chem., 18, 137 (1893). — 10) A. Harden u. Younq, Journ. Chem. Soc, 81, 1224 (1902). Hefeglykogen: Ebenda, loi, 1928 (1912). 302 Sechstes Kapitel: Zucker und Kohlenhydrate bei Pilzen und Bacterien. Leberglykogen. Nach Bottazzi(I) zeigt Glykogen bei der elektrischen Überführung anodische Wanderung und ist in schwach saurer Lösung streng isoelektrisch. Viscosität und Konzentration nehmen nicht in stetigem Verhältnis zu. Viel Mühe hat man auf die kryoskopische Be- stimmung des Molekulargewichtes verwendet, jedoch sehr verschiedene Zahlen erhalten. Aber auch die Untersuchung der Chloracetylderivate zeigte, daß das Molekulargewicht ein sehr hohes sein muß (2). Die empirische Zusammensetzung des Glykogens wird mit [CgHioOjJn angegeben. Das Endprodukt der Hydrolyse ist Traubenzucker. Die intermediär entstehenden Hydratationsstufen sind noch unzureichend be- kannt. Knaffl-Lenz (1. c.) erhielt ein dextrinartiges Produkt von sehr schwachem Reduktionsvermögen, rechtsdrehend und in 50%igem Alkohol viel leichter löslich als Glykogen bei der Verseifung von Chloracetyl- Glykogen, ebenso berichtet Z. Gruzewska(3) über dextrinartige Körper, die keine Jodreaktion mehr gaben, aus der HgOg-Hydrolyse des Gly- kogens. Glykogenspaltendes Enzym, Glykogenase, ist in tierischen Or- ganen und Sekreten reichlich zugegen (4) und auch in Hefezellen als Endoenzym (5) nachgewiesen und wirkt zweifellos überall bei der Glykogen- spaltung mit, wo dieses Kohlenhydrat vorkommt. Doch bedarf die gegen- seitige Stellung der Diastase und Glykogenase noch einer Klärung. Während Malzdiastase auf Glykogen nur sehr laugsam einwirkt, hydro- lysiert Pankreasferment Glykogen fast ebenso schnell wie Stärke (6). Nach Musculus und Mering soll das Endprodukt der fermentativen Spaltung des Glykogens, wie bei Stärke, Maltose sein (7), doch konnte Cremer Maltose nicht finden und hielt Isomaltose für ein Produkt des Glykogen abbaues, was von Osborne und Zobel (8) wieder bestritten wurde. Hier haben also noch weitere Untersuchungen das Verhältnis des Glykogens, der „tierischen Stärke", wie es auch genannt wurde, zum pflanzlichen Amylum endgültig festzustellen. Die rotbraune Reaktion des Glykogens mit Jodiodkaüum ist das wich- tigste Hilfsmittel beim Nachweise von Glykogen in Zellen und Geweben. Doch ist diese Färbung bei Gegenwart sehr geringer Glykogenmengen unzuverlässig, und negative Befunde beweisen nicht Abwesenheit von Glykogen. Empfindhcher soll die Modifikation der Jodprobe unter Anwendung von Ferricyankahum nach Kato (9) sein. Vom Epiplasma der Asci kannten schon Tulasne und De Bary diese Jodreaktion. Die Jodreaktion des Glykogens verblaßt ebenso wie die Jod- stärkereaktion beim Erwärmen und kehrt beim Erkalten wieder. Speziell die Jodreaktion wurde vielfach benutzt, um das Auftreten und Verschwinden von Glykogen bei Pilzen zu studieren, und es hat sich in allen Fällen unzwei- deutig der Charakter des Glykogens als Reservestoff herausgestellt. Errera (1. c.) studierte eine Reihe von Hutpilzen in verschiedenen Lebensstadien 1) F. BoTTAZzi, Atti Accai Line. Rom. (5), i8, II, 87 (1909); Pflüg. Arch., US, 359 (1906). — 2) E. v. Knaffl-Lenz, Ztsch. physiol. Chem., 46, 293 (1905). Skraup, Monatsh. Chem., 26, 1415 (1905). Die colorimetrische Methode von Wacker, Ber. Chem. Ges., 42, 2679 (1909) würde viel geringere Werte anzeigen. — 3) Z. Gruzewska, Bull. Soc. Chim. (4), 7, 744 (1910); Soc. Biol, 68, 274 (1910). — 4) F. Pick, Hofmeisters Beitr., j, IV— VI (1902). Macleod u. Pearce, Amer. Journ. of Physiol., 25, 255 (1910). — 5) Cremer, 1. c. E. Büchner u. Rapp, Ber. Chem. Ges., 31, 214 (1898). — 6) Cremer, 1. c; Ztsch. Biol., j/, 183 (1894). Ch. Philoche, Soc. Biol., 59, 260, 263 (1905). — 7) Musculus u. Merino, Ztsch. physiol. Chem., 2, 413. — 8) W. A. Osborne u. S. Zobel, Journ. of Physiol., 29, 1 (1903). — 9) K. Kato, Pflüg. Arch., 127, 125 (1909). Bleibtreu, Ebenda, p. 118. § 2. Kohlenhydrate; Glykogen. 303 hinsichtlich Glykogenverteilung in Mycel, Stiel und Hut und kam zu Er- gebnissen, welche sich nicht anders deuten lassen als daß Glykogen ein Reservekohlenhydrat der Pilze ist, welches gespeichert und bei der Sporen- bildung verwendet wird. In den Sporen selbst aber wird anscheinend nur Fett aufgestapelt. Die näheren Beziehungen von Mannit, Glucose, Trehalose zum Glykogenstoffwechsel sind auch heute noch unbekannt, und zu erfor- schen bleibt selbst, welcher Zucker bei der fermentativen Glykogenspaltung als Diffusionsmaterial formiert wh-d. Nach Clautriau (1) enthält Phallus impudicus vor der Streckung nach der Streckung an Glykogen 20,0 % 1,50% „ Fett 3,38% 2,37% „ Trehalose 20,72% 30,89% „ Mannit 1,07% 5,07% Die fetthaltigen Mucorineensporen bilden schon in dem ersten Keim- schlauche wieder Glykogen (2). Auch fetthaltige Sclerotien, wie das Mutter- korn, lassen die Glykogenbildung schon während der Keimungsstadien eintreten; andere Sclerotien (Sclerotium stipitatum, Coprinus niveus) enthalten nach Errera aber bereits im ruhenden Zustande sehr viel Glykogen. In Aspergillus niger wies Fernbach (3) Glykogen nach. Auch Phycomyces nitens enthält nach Laurent (4) Glykogen als Reservestoff, welches zur Sporenbildung verbraucht wird. Üppig wachsende und gut genährte Hefe bildet sehr reichlich Glykogen und die Glykogenbildung geht völlig parallel mit dem normalen Leben und Wachstum der Zellen; die Glykogenbildung erfolgt bei Saccharomyces und Ustilagohefe nach Laurent (5) ebenso auf festem Gelatinenährboden wie in flüssigem Substrat. Auch Hefearten, die man, wie Saccharomyces exiguus und Milchzuckerhefe, früher als stets glykogenfrei angesehen hatte, lassen sich nach Henneberg (6) durch bestimmte Kulturbedingungen zur Glykogenspeicherung bringen. Nach Pavy und Bywaters (7) enthält Hefe meist 5% ihres Frischgewichtes oder 25% der Trockensubstanz an Glykogen während kräftigen Wachstums in zuckerhaltigem Substrat, doch kann nach Henneberg (8) der Glykogengehalt bis auf 40% der Hefetrockensub- stanz ansteigen. Säuren, besonders Weinsäure, sind der Glykogenbildung hinderlich (9). Auftreten und Verschwinden des Hefeglykogens in den Zellen ist oft untersucht worden (10). Wenn man die Hefezellen durch Aus- hungern glykogenfrei gemacht hat, so läßt sich nach dem Einbringen der Hefe in Glucoselösung schon nach 2—3 Stunden reichUch Glykogen nach- weisen. Auch Galactose, Mannose und Fructose sind treffhdies Material zur Glykogenbildung, nicht aber Arabinose, Rhamnose, Sorbose, Glycerin, Lactose und Leberglykogen. Letzteres kann wahrscheinlich in die Zellen 1) Clautriau, Les r&erv. hydrocarbonöes des Thallophytes (1899), p. 125. — 2) Errera, Compt. rend. (3. Aug. 1885). — 3) A. Fernbach, Ann. Inst. Pasteur (1890), p. 1. — 4) Laurent, Bull. Acad. Roy. Belg., w (1887). Für Tuberaceen: W. A. Tichomirow, Bull. Sei. Pharm., 15, 189 (1908). — 5) Laurent, Ber. Botan. Ges., 5, P- LXXVII (1887). — 6) W. Henneberg, Woch.schr. f. Brauerei, 19, 781 (1902). — 7) F. W. Pavy u. Bywaters, Journ. of Physiol., 36, 149 (1907). — 8) Henneberg, Ztsch. Spiritusindustr., 33, 242 (1910). Verhandl. Nat. Ges. (1911), II, /, 240. — 9) E. Kayser u. Boullanger, Koch Jahresber. (1898), p. 75. Pavy, 1. c. — 10) H. Will, AUg. Brauer- u. Hopfenztg. (1892), p. 1088. P. Lindner, Zentr. Bakt. II, 2, 537 (1896). R. Meissner, Ebenda, 6, 517 (1900). F. G. Kohl, Ber. Botan. Ges., 25, 74 (1907). D. Bruschi, Atti Acc. Line. Roma, 21, I, 54 (1912). 304 Sechstes Kapitel: Zucker und Kohlenhydrate bei Pilzen und Bacterien. nicht eindringen. Zerriebene Hefe und Hefeautolyseflüssigkeit wirken sicher auf zugesetztes Leberglykogen spaltend ein. Verschwinden des Glykogens aus den Hefezellen kann man binnen 3—4 Stunden herbeiführen, wenn man die abgepreßte und gesiebte Hefe in dünner Schichte bei höherer Temperatur ausbreitet, ohne daß damit eine Abnahme der Gärkraft ver- bunden wäre(1). Nach den Untersuchungen von Harden imd Row- LAND (2) hat es nicht den Anschein, als ob es sich um eine glatte Oxy- dation des Glykogens zu GOg und H^O handeln würde. Für die Glykogenbildung ist endhch von Interesse eine (allerdings noch weiter zu verfolgende) Beobachtung von Gremer(3), wonach glykogenfreier Hefepreßsaft auf Zusatz von Fructose oder Glucose nach 12 Stunden deutliche Glykogenreaktion erkennen läßt; der wirksame glykogenbildende Stoff des Preßsaftes ist aber bisher nicht isoUert worden. Bei Schleim - pilzen fand Ensch (4) Glykogen bei allen Arten, die er zur Untersuchung erhielt, in den Plasmodien. In Schwärmsporen und Amöben war Glykogen nicht enthalten. Kohlenhydrate, welche der Reservecellulose der Blütenpflanzen entsprechen, sind in einzelnen Fällen bei Pilzen zu finden. So finden sich solche als Membranverdickungen abgelagerte Kohlenhydrate, welche im Bedarfsfall aufgelöst und saccharifiziert werden, in dem als Pachyma Cocos bezeichneten, wahrscheinlich zu einem Polyporus gehörenden Scle- rotium (5) und in dem „Mylitta lapidescens" genannten Sclerotium von Agaricus lapidescens. Pachyma Cocos enthält nach Winterstein (6) 80% des von Champion (7) entdeckten und als Pachymose bezeich- neten Kohlenhydrates. Pachymose ist in Wasser und sehr verdünnten Säuren unlöslich; es wird von stärkeren Säuren und von Alkali gelöst; die 4%ige Alkalilösung ist optisch inaktiv. Die Substanz ist weiß, amorph, gibt keine Jodreaktion und liefert bei der Hydrolyse Trauben- zucker. Myhtta enthält 90% „Saccharokolloide". Die von Dox(8) für Aspergillus und Penicillium angegebenen Pentosane. könnten immerhin wirkliche Zellmembranstoffe sein; ihre Menge beträgt 0,9—1,2% des Materials. Verschiedene schleimartige Kohlenhydrate aus PUzen sind als „Myco- dextrin" aus Elaphomyces guttulatus (9), als „Mycoinulin" gleichfalls in Elaphomyces, und als „Viscosin" aus Amanita muscaria (10) beschrieben. Über ihre chemischen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften ist ebenso- wenig bekannt, wie über das gummiähnliche „Mycetid", das man aus verschiedenen Pilzen dargestellt hat (11). Die von Zopf zuerst bei Erisyphaceen gefundenen „Fibrinkörperchen" kommen nach Foex(12) in den Conidien vieler Pilze vor. Sie sind in Alkali nicht löslich, färben sich mit Rosazurin. Ihre Kohlenhydratnatur ist ungewiß. 1) E. Büchner u. Mitscherlich, Ztsch. phyeiol. Chem., 47, 554 (1904). Henneberg, Ztsch. Spiritusinduetr. (1902), Nr. 35; (1904), p. 96. — 2) A. Harden u. RowLAND, Journ. Chem. Soc, Tg, 1227 (1901). — 3) M. Creaier, Ber. Chem. Ges., j2, 2062 (1899). — 4) N. Ensch, Botan. Zentr., 86, 8 (1901). — 5) E. Fischer, Hedwigia (1891), p. 61. — 6) E. Winterstein, Ber. Chem. Ges., 28, 114. (1895); Arch. Pharm., 233, 398 (1895). — 7) Champion, Ber. Chem. Ges., 5, 1057 (1872). — 8) A. W. Dox u. Neidig, Journ. of Biol. Chem., 9, 267 (1911). — 9) Ludwig u. Busse, Arch. Pharm., 189, 24. — 10) J. Zei.lner, Monatsh. Chem., 27, 281 (1906). — 11) Boudier, vgl. Husemann, Die Pilze (1867). Zellner, 1. c. — 12) E. FoEx, Compt. rend., /f5, G61 (1912). $ 3. Kohlenhydrate bei Bacterien. 305 Ähnliches gilt aber auch von den kleinen geschichteten Körnchen im Zellinhalte der Hyphen der Saprolegnien, die Pringsheim(I), ihr Entdecker, als „Cellulinkörnchen" beschrieben hat. Sie geben keine Jodreaktion, sind in Alkali nicht quellbar, lösen sich aber leicht in starker H2SO4 oder in Chlorzinkjodlösung. Pringsheim hielt sie für eine celluloseähnliche Substanz, die im Stoffwechsel nicht mehr ausgenützt wird. Möglicherweise gehören die „Dictydinkörner", welche Jahn (2) als Inhaltskörperchen des Schleimpilzes Dictydium umbilicatum auffand, zu den Kohlenhydraten. Bei der den Myxomyceten nahestehenden Vampy- rella (Leptophrys) vorax konstatierte Zopf (3) das Vorkommen von Para- mylon, einem von Euglena schon lange bekannten kohlenhydrat- artigen Stoff, welcher im Kohlenhydratstoffwechsel der Algen behandelt werden soll. §3. Kohlenhydrate bei Bacterien. Von Bacterien wurden mehrfach Inhaltstoffe angegeben, welche als Reservekohlenhydrate zu deuten sind. Treculs jodbläuende Körner in Bacillus Amylobacter gehören wohl hierher (4). Van Tieghem (5) schildert genau das Auftreten dieses „amidon amorphe" bei Amylobacter auf Substraten, welche Stärke, Zucker, Mannit oder Calciumlactat enthalten, und sein Verschwinden bei der Sporenreife. Beijerinck(6) wies nach, daß bei Granulobacter butylicum diese jodbläuende Substanz durch Säure oder Amylase verzuckert wird, und hält sie daher für Granulöse. Andererseits sind die Inhaltsmassen von Nebenarten des Granulo- bacter Polymyxa durch Beijerinck als Glykogen erkannt worden, nachdem schon Errera (7) auf Glykogenreaktion im Zellinhalt von Bacterien aufmerksam gemacht hatte. Bei Bacill. subtilis fand A.Meyer (8) ein Kohlenhydrat, welches sich zwar mit Jod rot färbt, aber eher in die Stärkegruppe als zu Glykogen gehören dürfte. In dem nach Beijerincks Vorschrift gezüchteten Grahulobacter butylicum war in Meyers Kulturen eine Mischung von viel jodrötendem Kohlenhydrat mit wenig jodbläuendem vorhanden, und man erhielt Blaufärbung mit verdünnter Jodlösung unter sehr wenig Jodzusatz, aber rotbraune Färbung unter Anwendung von mehr Jod. Hier ist also gewiß Vorsicht in der Glykogen- und Erythro- dextrindiagnose geboten, zumal diese beiden Stoffe in ihrem chemischen Verhalten manche Beziehungen aufweisen. Glykogen ist nach Heinze (9) in den N-fixierenden Azotobacterarten konstatiert, und auch die Wurzel- knöUchenbacterien der Leguminosen dürften nach Hiltner(IO) Glykogen enthalten. Paraglykogen könnte nach Errera (11) vielleicht in den „Amylin- körnern" der Zellen von Beggiatoa mirabilis vorliegen, die sich nach Hinze (12) wie Glykogen mit Jod färben, doch in Wasser unlöslich sind. Das Paraglykogen kommt bei Protisten mehrfach vor. Das Endoplasma 1) N. Pkingsheim, Ber. ßotan. Ges., /, 291 (1883). — 2) E. Jahn, Ebenda, 19, 104 (1901). — 3) W. Zopf, Morphol. u. Biol. d. nied. Pilztiere (1885), p. 4. — 4) Trecul, Compt. rend., 61, 159, 465 (1865). — 5) Van Tieghem, Ebenda, 89, 1 (1879); Bull. Soc. Botan., 26, 65 (1879). — 6) M. Beijerinck, Butylalkohol- gärung (1893), Kgl. Akad. Amsterdam, — 7) L. Errera, Bull. Soc. Belg. de Microsc. (1892), p. 154. — 8) A. Meyer, Flora (1899). p. 440. — 9) B. Heinze, Zentr. Bakt. II, 12, bl (1904); 14, 84 (1905). — 10) Hiltner, Arbeit. Biolog. Abt. kais. Gesundh.amt, j, 151 (1903). Heinze, 1. c. — 11) L. Errera, Recueil trav. Inet. Botan. Bruxelles, / (1905). — 12) G. Hinze, Ber. Botan. Ges., 19, 372 (1901). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. S. Aufl. 20 306 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. der Gregarinen enthielt die von Maupas (1) als „Zooamylum" bezeichneten Körnchen, deren Substanz Bütschli(2) als ein dem Glykogen nahe- stehendes Kohlenhydrat auffaßte und als Paraglykogen benannte. Man kann diesen Stoff aus dem Gregarinenmaterial mit kochendem Wasser extrahieren. Paraglykogen ist in kaltem Wasser unlöslich, in der Wärme quellbar, gibt eine braunviolette Jodreaktion, und wird durch mehr- stündiges Kochen mit verdünnter H2SO4 verzuckert. Die Coccidiumarten führen neueren Angaben zufolge wirklich Glykogen (3), während ßus- CALiONi(4) hier und bei Gregarinen Stärke oder Amylodextrin an- genommen hatte. Echtes Glykogen ist übrigens bei Protozoen verbreitet, so bei Ciliaten(5) und auch in den „Glanzkörpern" aus dem Plasmaleib der amöbenartigen Pelomyxa palustris nach Stolc(6). Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker und Kohlenhydraten durch Pilze und Bacterien. Einleitung. Resorption von Zuckeralkoholen. Die Tatsachen, welche in diesem Kapitel darzulegen sind, betreffen einerseits Aufzehrung und Schicksal der im Organismus durch dessen eigene Tätigkeit gebildeten Reservestoffe, andererseits die Resorption von Substanzen, welche fertig von außen kommen; sei es, daß dieselben irgendwie im natürlichen Leben der Pilze und Bacterien dargeboten werden, oder daß im Experiment eine Fütterung mit den betreffenden Stoffen eingeleitet wird. Bei der Leichtigkeit, auf dem letzteren Wege ein reiches experi- mentelles Material zu erhalten und bei der Fülle der in neuerer Zeit bekannt gewordenen einschlägigen Beobachtungen ist die Frage, inwie- weit in diesen Versuchen natürliche interne Stoffwechselvorgänge nach- geahmt und analysiert werden können, von besonderer Bedeutung. Es besteht wohl kein Zweifel, daß z. B. beim chemischen Abbau von Stärke dieselben Vorgänge in Betracht kommen, ob nun die Substanz vom Organismus einem seiner Reservebehälter entnommen und aufgezehrt wird, oder ob die Substanz von außen her dargereicht wird. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß innerhalb des Organismus diesem Resorptionsvorgange stets zahlreiche andere mit ihm mehr oder weniger eng verknüpfte Stoffwechselprozesse zur Seite laufen, deren Komplex sehr wechselt, wenn sich die Existenzbedingungen des Organismus ändern. Einen bekannten Fall stellt der Verlust der Virulenz bei pathogenen Bacterien dar, sobald diese Organismen eine Reihe von Generationen auf künstlichem Nährboden im Reagensglase durchgemacht haben. Durch wiederholtes Überimpfen auf Tiere kann aber in vielen Fällen ein neuer- liches Ansteigen der Virulenz erzielt werden. Dies ist nicht als bloßes 1) E. Maupas, Compt, rend., /02, 120 (1886). — 2) O. Bütschli, Ztsch. Biol., 21, 602 (1885). — 3) Bkault u. Loepek, Journ. Physiol. et Pathol. g4n., ö, 720 (1904). — 4) L. Büscalioni, Malpighia, 10, 535 (1896). — 5) A. Certes, Compt. rend., 90, 11 (1880). — 6) A. Stolc, Ztsch. wiss. Zool, 68, 625 (1900). § 1. Einleitung. Resorption von Zuckeralkobolen. 307 Ausbleiben der Bildung eines bestimmten Stoffwechselproduktes, sondern als äußerer Ausdruck tiefgehender Änderungen des Gesamtstoffwechsels aufzufassen. Eine analoge Auffassung ist auch für die Produktion von Enzymen auf bestimmten Nährsubstraten festzuhalten; denn wir sehen auf anderen Nährböden häufig die Produktion dieser Enzyme unter- bleiben. So bildet Penicillium nicht Diastase in nachweisbarem Grade aus, wenn man es direkt mit Zucker versorgt, während amylolytisches Enzym reichlich produziert wird, wenn man den Pilz auf stärkehaltigem Substrate kultiviert. Man darf daher von den Resulü?.ten unter be- stimmten Kulturbedingungen keine allgemeinen Schlüsse auf die Eigen- schaften und Fähigkeiten des Organismus ziehen, sondern hat stets die Ergebnisse bei möglichst variierten Versuchsbedingungen zu berück- sichtigen, wenn man sich über den normalen Stoffwechsel von Pilzen und Bacterien ein richtiges Urteil bilden will. Gleichzeitige Darreichung von Reizstoffen kann z. B. eine wesentlich günstigere Ausnützung der dargebotenen Nährung herbeiführen (1 ). Schließlich ist bei der experi- mentellen Untersuchung die Erscheinung der Gewöhnung an abweichende Lebensbedingungen zu berücksichtigen, wodurch öfters ernährungsphysio- logische Differenzen zustande kommen können. So vermag man Hefe zur Vergärung von d-Galactose tauglicher zu machen, wenn man sie auf galactosehaltigem Substrate längere Zeit hindurch züchtet. Andere Erscheinungen, welche lehren, daß bei Erweiterung der durch Er- nährungsversuche gewonnenen Resultate stets Vorsicht geboten ist, werden uns noch häufig entgegentreten. Wir hatten schon Gelegenheit, auf die äußerst vielseitige Eignung der Zucker und ihrer Derivate im Bau- und Betriebsstoffwechsel aller Pflanzen hinzuweisen. Speziell bei den Pilzen kann man sich von der Überlegenheit der Zuckerarten über alle anderen Kohlenstoffquellen leicht überzeugen. Sehr lehrreich sind ferner die noch näher darzustellenden hochgradigen Differenzen zwischen isomeren Hexosen und Hexiten be- züglich ihrer Resorptions- und Nährfähigkeit, welche wir nach dem heutigen Stande des Wissens nur auf Einflüsse sterischer Konfigura- tionen zurückführen können. Wie schon in der Struktur und Kon- figuration der einfachen Zucker biologisch hochbedeutsame Differenzen zutage treten, so ist dies fast noch mehr bei zusammengesetzten Zuckern und Kohlenhydraten der Fall. Wir sehen dann häufig die merkwürdige Er- scheinung, daß sich ein Pilz die ihm so wertvolle Zuckernahrung, welche ihm als Di- oder Polysaccharid geboten ist. deswegen nicht zugänglich machen kann, weil ihm zur Gewinnung des Zuckers „der Schlüssel" in dem zur Spaltung nötigen Enzym fehlt. Die Enzyme spielen eine äußerst wichtige und interessante Rolle bei der Resorption von zusammengesetzten Zuckern durch Pilze und Bacterien. Im Betriebsstoffwechel sind die Zuckerarten nicht nur im aeroben Leben unter Oxydation durch den atmosphärischen Sauerstoff, sondern auch im anaeroben Leben zur Gewinnung von Betriebs- energie im Organismus hochgeeignet, und zwar stellt sich immer mehr heraus, daß dies auch für die höheren Organismen weitgehend gilt. Die Zuckerarten gehören zu den Sauerstoff reichsten organischen Verbindungen, welche in der Biochemie Bedeutung besitzen, und werden bereits durch gelinde Oxydation in einfachere Verbindungen unter Freiwerden von Betriebsenergie aufgespalten. Eine Reihe von Spaltungsvorgängen, zu welchen die biologisch so wichtige Alkoholgärung und Milchsäuregärung 1) Vgl. Javillier, Bull. Sei. Pharm., /p, 513 (1912). 20* 308 Siebentes Kapitel: Die Resorption Ton Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. gehören, kann selbst ohne Sauerstoffzutritt von außen leicht stattfinden. Wir werden auch diese biochemisch bedeutsame Seite der Zucker- verarbeitung hier ins Auge zu fassen haben, während alle Prozesse, welche nur unter Sauerstoffaufnahme von außen erfolgen können, unter den Atmungsvorgängen ihren Platz finden mögen. Die Zuckeralkohole führen uns sofort in überzeugender Weise die Überlegenheit der nahen Verwandten der Hexosen über die niedrigeren Alkohole vor Augen: Aspergillus niger, welchem ich als Stickstoff quelle l%ige Asparagin- lösung dargereicht hatte, erzeugte unter sonst ganz gleichen Verhältnissen folgende Trockensubstanzmengen binnen 21 Tagen bei 28** G Außentem- peratur (1). )ietung von Äthylalkohol — g Erntetroc Icengewi „ Äthylenglykol 74,3 g ,, „ Glycerin 288,6 g »» , Erythrit 323,8 g »j , d-Mannit 416,1 g »» , d-Sorbit 542,5 g >5 , Dulcit 27,3 g »1 , d-Glucose 477,1 g M , d-Fructose 523,7 g Man sieht, daß der Sprung vom Glycerin zum Erythrit lange nicht so bedeutungsvoll ist, wie der Sprung von Erjthrit zu den Hexiten. Die Pentite, deren Prüfung noch fehlt, dürften, nach dem Verhältnisse der Pentosen zu Hexosen zu schließen, an Nährwirkung den Hexiten fast gleich- kommen. Der auffällig geringe Resorptionswert für Dulcit illustriert die Wirksamkeit der sterischen Konfiguration bei den einzelnen Hexiten. Differenzen zwischen einzelnen Pilzformen sind bezügüch dieser Ver- hältnisse bereits nachgewiesen und auch noch zu erwarten. Für den Soor- pilz fanden Linossier und Roux(2) den Nährwert von Traubenzucker und Mannit im Verhältnisse 100:63. Für Hormodendron Hordei ist nach Bruhne (3) Mannit eine der besten Kohlenstoff quellen ; auch für Euro- tiopsis wirkt nach Laborde (4) Mannit gut. Hingegen assimihert nach Beijerinck (5) Schizosaccharomyces octosporus Mannit nur sehr wenig, Dulcit gar nicht. Für die Saccharomyceten ist Mannit wahrscheinüch allgemein viel weniger günstig als Traubenzucker. Die von Kayser (8) untersuchten Milchzuckerhefen vergoren weder Mannit noch Sorbit, Dulcit oder Perseit. Bei Bacterien wurden bezüglich Verarbeitung von Zuckeralkoholen sehr mannigfache Verhältnisse angetroffen. Schon Fitz (7) konstatierte Verarbeitung von Mannit und Dulcit durch Bacterien; Erythrit wurde von den untersuchten Gärungserregern nicht konsumiert. Tuberkelbacillen ver- arbeiten Mannit nach Hammerschlag (8) nicht, hingegen fanden Frank- 1) F. Czapek, Hofmeisters Beitr., j, 62 (1902). — 2) Linossier u. Roux, Compt. rend., iio, 355 (1890). — 3) K. Bruhne, Zopfa Beitr., IV, 1 (1894). — 4) Laborde, Ann. Inst. Pasteur, //, 1 (1897). — 5) Beijerinck, Zentr. Bakt., 15, 49 (1894). — 8) E. Kayser, Ann. Inst. Pasteur, j, 395 (1891). — 7) A. Fitz, Ber. Chem. Ges., 10, 276 (1877); 16, 844 (1883). — 8) A. Hammerschlag, Monatsh. ehem., /o, 9. § 1. Resorption von Znckeralkoholen. 309 LAND, Stanley und Frew(1) beim FRiEDLÄNDERschen PneLimoniebacillus Mannit viel leichter verarbeitbar als Glucose. Von sonstigen Mannit ver- arbeitenden Bacterien seien angeführt Bacillus ethaceticus [Frankland und Fox (2)] und ethacetosuccinicus [Frankland und FaEW(3)]. Bac- terium coli verarbeitet nach Chantemesse und Widal(4) Erythrit und Mannit; desgleichen Bacillus tartricus [Grimbert und Ficquet (5)]; Bacillus orthobutylicus verarbeitet nach Grimbert (6) wohl Mannit, nicht aber Erythrit; Mannit verarbeiten nach Pere (7) Tyrothrix tenuis, Bacillus Bubtilis und mesentericus vulgatus; ferner ein Bacillus von unreifen Beeren [Täte (8)]. Ein guter Mannitverarbeiter ist nach Duclaux (9) Amylobacter butylicus. Dulcit ist auffäUig seltener zur Resorption durch Bacterien geeignet als Mannit und Sorbit. Bacillus ethacetosuccinicus ist aber nach Frankland und Frew (10) zur Mannit- und Dulcitverarbeitung gleich gut befähigt. Auch der fakultativ anaerobe Pneumobacillus Friedländer ver- arbeitet nach Grimbert (1 1 ) sowohl Dulcit als Mannit. Wie schon erwähnt, ist d-Mannit bei überaus zahlreichen höheren Pilzen ein sehr wichtiger Reservestoff, welcher bis zu 20% der Trocken- substanz des Pilzes ausmachen kann. Es ist deshalb das Schicksal, welches der Mannit bei seiner Verarbeitung erfährt, von großem Interesse. Nach den Versuchen von Kostytschew(12) findet die Aufzehrung von Mannit in der Atmung bei Hutpilzen sowohl, als auch in Scb'ramelpüz- kulturen in sauerstoffreier Atmosphäre ebensowohl wie bei Luftzutritt statt. Intermediärprodukte sind nicht aufgefunden worden und es bleibt die Frage offen, ob immer oder unter welchen Verhältnissen der Mannit in Hexosen übergeführt wird. Die auf ältere Angaben von Succow(l3) und A. V. Humboldt (14) zurückgehenden Befunde von Muntz(15), wonach Hutpilze im anaeroben Leben Mannit unter Wasserstoffentwicklung ver- arbeiten, sind nach den von Kostytschew angestellten Untersuchungen gewiß auf Infektion mit anaeroben Bacterien zurückzuführen, nachdem sich die Hg- Entwicklung erst nach längerer Versuchsdauer und in recht schwankenden Beträgen einstellt Bei aerober Mannitverarbeitung entsteht auch nach Muntz und nach Diakonow(16) in Scbimmelpilz- kulturen kein Wasserstoff. Von Bacterien wird Mannit sowohl aerob als anaerob verarbeitet. Bei aerober Mannitverarbeitung beobachtete Fitz Bildung von Äthyl- alkohol, Essigsäure und etwas Bernsteinsäure. Nach Frankland und LuMSDEN (17) bildete Bacillus ethaceticus aus 400 ccm 3%iger Mannitlösung: 1,221 g Alkohol, 0,3463 g Essigsäure, 1,4085 g Ameisensäure, 0,1454 g 1) P. F. Frankland, A. Stanley u. W. Frew, Journ. Chera. Soc. (1891), /, 253. — 2) P. F. Frankland u. J. Fox, Proceed. Roy. Soc, 46, 345 (1889). P. F. Frankland, Grace Frankland u. J. Fox, Chem. News, 60, 187. — 3) Frankland u. Frew, Journ. Chexn. Soc. (1892), /, 254. — 4) Chantemesse u. Widal, Koch Jahresber. (1892), p. 80. — 5) L. Grimbert u. L. Ficquet, C. r. Soc. Biol. (1897), p. 962. — 6) L. Grimbert, Ann. Inet. Pasteur, 7, 353 (1893). — 7) Pere, Ann. Inst. Pasteur, w. All (1896). — 8) G. Täte, Journ. Cheni. Soc. (1893), /, 1263. — 9) E. Duclaux, Ann. Inst. Pasteur, 9, 811 (1896). — 10) Frank- land u. Frew, Journ. Chem. Soc. (1892), /, 254. — 11) Grimbert, Ann. InBt. Pasteur, 9, 840 (1895). — 12) S. Kostytschew, Ber. Botan. Ges., 25, 178 (1907). — 13) Succow, Grelle Ann. (1789), /. 291. — 14) A. v. Humboldt, Flora fri- bergecsis (1793). — 15) A. Muntz, Boussingault Agronom., 6, 211 (1878); Compt. rend., 80, 178 (1875); Ann. de Chim. et Phys. (5), 8, 56 (1876). — 16) Diakonow, Ber. Botan. Ges., 4, 4 (1886). — 17) P. Frankland u. J. S. Lumsden, Journ. Chem. Soc. (1892), /, 432. 310 Siebeutes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Kohlensäure. Bacillus ethacetosuccinicus formierte in den Versuchen von Frankland und Frew aus Mannit und Dulcit Alkohol, Essigsäure, Bern- steinsäure, Ameisensäure, Kohlensäure, Wasserstoff. Über Milchsäure- bildung durch mannitverarbeitende Bacterien berichteten Chantemesse und WiDAL, sowie Pere(1) (für B. coU), Kayser(2) für ein Milchsäure- bacterium aus Sauerkraut auf Mannitlösung. Grimbert (3) fand für den fakultativ anaeroben FRiEDLÄNDERschen Pneumoniebacillus, daß 100 g Mannit ei 100 g Dulcit 100 g Traubenzucker 100 g Galactose 100 g Milchzucker an Alkohol Essig- I-Milch- Bernstein- säure säure säure g g g en: 11,40 10,60 36,63 — 29,33 9,46 — 21,63 Spur 11,06 58,49 — 7,66 16,60 53,33 — 16,66 30,66 Spur 26,76 Ein Überblick über die hierbei stattfindendeii Zerfalls- und Oxy- dationsvorgänge ist noch kaum möglich. Für anaercbe Mannitverarbeitung, welche von Grimbert (4), 0. Emmerling (5) und Cbudjakow (6) beobachtet wurde, fehlt die genauere Kenntnis der Stoffwechselprodukte. Emmer- ling fand für Bac. butyricus Bildung von Butylalkohol und Buttersäure. Die von Schattenfroh und Grassberger (7) untersuchten Buttersäure- gärungserreger verarbeiteten Mannit nicht. Hingegen gedeihen nach Beijerinck (8) die N-fixierenden Azotobacterformen trefflich auf einem Mannitnährboden, welche Buttersäuregärung nur sehr schwierig unterhält. Mehrfach sind Hexite, in erster Reihe Mannit, als bakterielle Stoff- wechselprodukte bei der Verarbeitung von Zucker sichergestellt worden. Strecker (9) konstatierte schon 1854 bei einer Spaltpilzgärung von Zucker die Bildung von Mannit und Propionsäure, und Draggendorff(IO) fand Mannit bei einer Milchsäuregärung der Saccharose. Hier wäre auch der Mannitgärung des Weines zu erwähnen, welche besonders von Gayon und Dubourg(11), Malbot(12), Peglion(13) und MüLLER-THURGAU(l4)ein eingehendes Studium erfahren hat. Nach Müller-Thurgau und Oster- walder ist das Bacter. mannitopoeum für die Mannitgärung in Trauben- und Obstwein verantwortlich zu machen. Der Erreger der ,,Mannitkrank- heit" des Weines vermag nach den Feststellungen von Gayon und Dubourg nur aus Fructose Mannit zu bilden; gleichzeitig entstehen Alkohol, COg, Glycerin und Bernsteinsäure. Bei Verarbeitung von anderen Hexosen treten wohl die letztgenannten Produkte, auch Milchsäure, auf, nicht aber Mannit. Müller-Thurgau findet jedoch, daß immer große Mengen von Milchsäure, Essigsäure und deren Estern gebildet werden. Nach Paris (15) 1) Pere, Ann. Inst. Pasteur, 7, 737 (1893). — 2) E. Kayser, Ebenda, 8, 737 (1894). — 3) Grimbert, Ebenda, 9, 840 (1895). — 4) L. Grimbert, Ebenda, 7, 353 (1893). — 5) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., 30, 451 (1897). — 6) CuuD- JAKOW, Zentr. Bakt. II (1898), p. 389. — 7) A. Schattenfroh u. R. Grass- berger, Ebenda (1899), p. 697. — 8) Beijerinck, Ebenda, 7, 561 (1901); Arch. N^erland. (II), 8, 190, 319 (1903). — 9) Strecker, Lieb. Ann., 92, 80 (1854). — 10) Dragqendorff, Arch. Pharm., 215, 47 (1879). — 11) U. Gayon u. E. Du- bourg, Ann. Inst. Pasteur, 8, 108 (1894); 15, 527 (1901). — 12) H. u. A. Malbot, Bull. Soc. Chitn. (3), //, 87, 176, 413 (1894). — 13) V. Peqlion, Zentr. Bakt. II, 4, 473, (1898). — 14) H. Müller-Thurgau, Landw. Jahrb. d. Schweiz (1907). Müller-Thurgau u. Oster walder, Zentr. Bakt. II, jö, 129 (1912). — 15) G. Paris, Staz. sper. agrar., 42, 237 (1909). § 2. Verarbeitung von Heiosen und Pentosen. 311 tritt bei der Mannitgärung auch ein schleimiges Kohlenhydrat (Manno- dextran) auf. Der chemische Prozeß der Mannitgärung ist noch nicht klar- gelegt worden. Die Ansicht von Malvezin(I), wonach ein reduzierendes Mannit bildendes Enzym („Mannitase") dabei eine Rolle spielt, muß als unzureichend gestützt angesehen werden. Meunier(2) erhielt durch anaerobe Bacterien aus Glucose nicht Mannit, sondern Sorbit. Über die Resorption der Pentite und Heptite, auch des natürüch vor- kommenden Volemit fehlen bisher Untersuchungen. § 2. Verarbeitung von Hexosen und Pentosen. Das Schicksal der Reservestoffe in den Speicherorganen der höhereu Pilze und ihre Verwendung im Stoffwechsel hat bisher relativ wenige Untersuchungen erfahren und ist in vieler Beziehung noch gänzlich un- aufgeklärt. Ein desto reicheres experimentelles Material liegt aber be- züglich der Resorption und Verarbeitung von natürlich vorkommenden und künstlich dargestellten Zuckerarten durch Schimmelpilze, Sproßpilze und Bacterien vor. Diese ernährungsphysiologischen Untersuchungen waren vor allem dadurch lehrreich, daß sie zeigten, welche unerwartet großen Differenzen bezüglich der Eignung so nahe verwandter und im allge- meinen so weitgehend brauchbarer Nährstoffe, wie sie die Zucker sind, obwalten können. So sehen wir die Pentosen und die Rhamnose in hohem Grade für Bacterien, Schimmelpilze und Hefen an Tauglichkeit verschieden. Aber auch unter den Hexosen bestehen große Differenzen, welche besonders hinsichtlich der Hefen von E. Fischer ausführlich studiert worden sind. Von allen bekannten und dargestellten Hexosen war nur d-Glucose, d-Mannose, d-Galactose und d-Fructose von ver- schiedenen Heferassen vergärbar; alle anderen Hexosen konnten von den untersuchten Hefen nicht angegriffen werden. Unter Kenntnis dieser Verhältnisse war es Fischer möglich, aus Gemischen von optisch antipodischen Zuckern durch elektive Vergärung die gesuchten Anti- poden der Fructose und Glucose zu isolieren. Von Interesse war auch Fischers Entdeckung, daß nicht nur Pentosen, sondern auch Heptosen und Octosen nicht angegriffen werden, hingegen Nonosen wieder gär- fähig sind. Daß andere Pilze wieder ganz andere Verhältnisse auf- weisen, geht u. a. auch aus meinen Feststellungen (3) für Aspergillus niger hervor, welcher unter sonst gleichen Umständen auf verschiedenen Zuckernährböden folgende Erntegewichte hervorbrachte: d-Fructose 1-Xylose . d-Galactose d-Glucose . Rhamnose 1-Arabinose 523,7 mg Quercit . 512,7 489,3 477 1 391,2 350,0 d-Mannose . . d-Gluconsäure . d-Zuckersäure . Dioxyaceton a-Glucoheptose 325,0 mg 286,8 253,8 249 8 196,8 35,4 Hier fällt auf: die Gleichwertigkeit der Pentosen, insbesondere der Xylose gegenüber den Hexosen, die auffälhg geringe Nährwirkung der 1) Ph. Malvezin, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 22, 1064 (1905). — 2) Meüniee, Koch Jahresber. (1894), p. 191. — 3) F. Czapek, Hofmeieters Beitr., j, 62 (1902). 312 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker n. Kohlenhydraten durch Pilze. Heptose, endlich der nicht unbedeutende Rückgang des Nährwertes, wenn die Zucker zu Hexonsäuren oxydiert werden. Daß man es aber nicht mit allgemeingültigen Werten in der obigen Tabelle zu tun hat, lehren die eben- falls für Aspergillus niger gesammelten Daten von Ekman (1 ), welche folgende Reihenfolge in der Nährwirkung ergaben: Glucose / Fructose ^ Galactose und Xylose / Arabinose / Glucose ^> Quer'cit. Die Ergebnisse differieren besonders hinsichtlich Galactose und Quercit. Aber selbst bei dem so allgemein günstig wirkenden Traubenzucker stoßen wir auf weitgehende Unterschiede, wenn wir verschiedene Pilze und Bacterien in ihrem Verhalten zu d-Glucose untersuchen. Die meisten gedeihen wohl auf Zuckerlösungen der Verschiedensten Konzentration bis zu 30 und 40%. Andererseits wachsen nach Winogradsky und Omelianski (2) die salpetei Dildenden Mikroben nicht mehr bei 1 %, ja selbst 0,1% Glucosegehalt ihres Substrates; 0,025% Glucose wirkt jedoch wiederum ausgesprochen günstig auf das Wachstum dieser Orga- nismen. Nach Jensen (3) ist für Bac. denitrificans II Glucose (und auch Glycerin) nicht günstig, während Citronensäure, Milchsäure, Buttersäure sehr gute C-Quellen darstellen. Wie die über meine Veranlassung von Ed. Kohn(4) unternommenen Untersuchungen gezeigt haben, kommen in reinem Quellwasser verbreitet Bacterienformen vor, welche nur ge- ringe Glucosekonzentrationen vertragen. 5% Glucose war die Grenze für Bac. cuticularis, violaceus, ochraceus, Micrococcus candicans und Sar- cina flava; Micrococcus aquatilis vertrug nur 4% Glucose, während Uro- bacillus Pasteurii nur bis 2 % Glucose aushielt. Man darf diese Formen wohl als saccharophobe Organismen den gewöhnlichen sac- charophilen gegenüberstellen. Tuberkelbacillen gedeihen, wie man weiß, weit besser auf Glycerin- nährboden als auf Traubenzuckersubstrat (5). Man verfügt ferner über Beobachtungen an verschiedenen, Bacterien, welche zeigen, daß sich die Zusammensetzung dieser Mikroben mit steigendem Zuckerreichtum des Substrates nachweislich ändert [Lyons (6)]. Der Zucker des Substrates kann sowohl bei Bacterien als auch bei Pilzen durch die Erzeugung von verschiedenen Säuren das Wachstum beeinflussen und eventuell nachteilige Wirkungen hervorrufen (7). Diese Störungen äußern sich bei Staphylococcus pyogenes aureus nach Kayser (8) außerdem in Abschwächung der Virulenz. Auch Sproßpilze formieren aber häufig Säure auf Zuckersubstrat, so manche Torulaformen nach Will (9) und verschiedene Hefeformen, die flüchtige Säuren erzeugen [Weinhefen, die bei Umgäruug 0,01^0,04 % hervorbringen (10)]. Von Schimmelpilzen ist Rhizopus nigricans durch seine Bildung von Fumarsäure bemerkens- wert, welche nach Ehrlich (11) sicher als Produkt des Kohlenhydrat- 1) G. Ekman, Finska Vet. See. Förh., 53, Nr. 16 (1910/11). — 2) Wmo- GKAD8KY u- Omeliakski, Zentr. Bakt. II (1899), p. 329. — 3) Hj. Jensen, Ebenda, 3, 622 (1897). — 4) Ed. Kohn, Ebenda, 15, 690 (1905); /;, 446 (1906). F. Czapek, Festschr. f. Chiari (1908). — 5) A. Hammerschlag, Monatsh. Chem., 10, 9. — 6) R. Lyons, Arch. Hyg., 28, 30 (1896). — 7) Th. Smith, Zentr. Bakt. I, 18, 1 (1895). F. E. Hellstböm, Ebenda, 25, 170, 217 (1899). — 8) H. Kayser, Ztsch. Hyg., 40, 1 (1902). — 9) H. Will, Zentr. Bakt, 34, 6 (1912). — 10) C. VON der Heide u. Schwenk, Biochem. Ztsch., 42, 281 (1912). Osterwalder, Zentr. Bakt., 32, 481 (1912). V. BiRCKNER, Journ. Amer. Chem. Soc., 34, 1213 (1912). — 11) F. Ehrlich, Ber. Chem. Gee., 44, 3737 (1911). § 2. Verarbeitung von Hexosen und Pen tosen. 313 abbaueß auftritt und durch reichliche Darreichung von Glucose oder Fructose hervorgebracht wird. Die größten Schwankungen im Nährwerte scheinen bei der Ga- lactose vorzukommen, was schon bei der Vergärung dieses Zuckers durch verschiedene Heferassen hervortritt. Ustilago-Sproßmycel assimi- liert nach Herzberg (1) Galactose gar nicht, hingegen verwendet Asper- gillus, nach Wehmer(2) ebenso Mucor Rouxii, Galactose sehr gut. Bac- terien verarbeiten Galactose gewöhnlich sehr leicht, ebenso nach Bechamp(3) auch Schleimsäure. Sorbose wird nach Gayon und Du- BOURG (4) vom Erreger der Mannitkrankheit des Weines ausgenützt, von Hefen aber nicht. Für Hefen finden sich zusammenfassende Versuche von Armstrong (5) hinsichtlich der Frage, welche Zucker von einer bestimmten Rasse verarbeitet werden. Interessant ist die Angabe von Lindner (6), daß die heterothallischen Stämme von Phycomyces nitens sich verschiedenen Zuckerarten gegenüber nicht gleich verhalten, jedoch ohne daß tiefergreifende Unterschiede zu beobachten wären. Die Produkte der Zuckerspaltung sind äußerst verschiedenartig, und viele hierher gehörende chemische Vorgänge finden als Teilerscheinungen der Sauerstoffatmung und als Oxydationsprozesse besser ihren Platz in dem Abschnitte über Aufnahme und Verwendung des Sauerstoffes. In erster Linie gilt dies von der aerob6n Zuckerverarbeitung. Manche Vor- gänge, welche hier ihre Darlegung finden könnten, wie die Schnelligkeit der Aufnahme verschiedener Hexosen durch den Organismus (7) sind von allgemeineren Standpunkten aus noch nicht behandelt worden. Hohe Be- deutung kommt ferner den Zuckerarten als Sauerstoffquelle im anaeroben Stoffwechsel zu und es wurde von verschiedenen Seiten, besonders von Ritter (8) näher ausgeführt, wie sehr die Lebenserscheinungen, z. B. die Geißelbewegungen anaerober Organismen von der Darbietung von Zucker abhängen. Auch die anaerobe Zuckerspaltung ist hier nur insoweit in Be- tracht zu ziehen, als sie nicht auf Sauerstoffentziehung (z. B. in der Butter- säuregärung) hinausläuft. Betriebsenergie Uefernde Spaltungen des Zuckers ohne Aufnahme und Abgabe von Sauerstoff kennen wir aber in der Al- koholgärung, Milchsäuregärung, weitverbreiteten und wichtigen Vorgängen, welche im folgenden darzulegen sein werden. Daneben gibt es jedoch auch Zuckerverarbeitung ohne Bildung von Alkohol, z. B. bei Mycodermaformen(9) und ohne Bildung von Milchsäure oder sonstiger charakteristischer Pro- dukte, so daß es nicht leicht ist, diese Vorgänge irgendwo einzuordnen. Sehr abwechslungsreich sind die Befunde bei der Hexosenverarbeitung durch Bacterien. Bildung von kleinen Mengen Alkohol oder mehr oder weniger Milchsäure kehrt oftmals wieder, ohne daß die Vorgänge sich sicher an die charakteristischen Gärungen anschüeßen lassen ; von flüchtigen Säuren kehren wechselnde Mengen von Ameisensäm-e, Essigsäure immer wieder, von nichtflüchtigen außer Milchsäure oft Bernsteinsäure. Ein klares Bild vom Chemismus dieser Zuckerspaltungen kann man kaum in einem einzigen Falle 1) P. Herzberg, Zopfs ßeitr. (1895). — 2) C. Wehmer, Zentr. Bakt. II (1900), p. 353. — 3) A. Bechamp, Chem. Zentr. (1890), //, 64. — 4) Gayon u. DüBOURG, Ann. Inst. Paeteur, 8, 108 (1894); ij. 527 (1901). — B) E. F. Arm- strong, Proceed. Roy. Soc., 76, B, 600 (1905). — 6) P. Lindner, Woch.echr. f. Brauerei, 29, 277 (1912). — 7) Für die Resorption im Dünndarm solche Versuche von J. Nagano, Pflüg. Arch., 90, 389 (1902). — 8) Ritter, Flora (1899), p. 329. — 9) H. Will u. Leberle, Zentr. Bakt,, 28, 1 (1910). 314. Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. mit Sicherheit geben. Harden und Young(I) versuchten für die Zucker- verarbeitung durch Bact. coh den Vorgang durch die folgende Gleichung anschaulich zu machen: 2 Hexose + 1 Wasser = 2 Milchsäure + 1 Essigsäure + 1 Alkohol + 2 CO, + 2 Hg. Doch haben neuere Untersuchungen durch Euler und Meyer (2) be- zügüch der Säuren und der COg zu ganz anderen Zahlenverhältnissen ge- führt. Hier muß offenbar noch die Methodik zur Ausbildung genau definier- barer Wachstumsbedingungen und Rassenkontrolle führen. Bact. coli zeigt übrigens nach Harden und Penfold (3) bei Gegenwart von 0,5% chloressigsauren Natrons bemerkenswerte Stoffwechselabweichungen, indem da mehr Milchsäure, aber weniger Alkohol und Essigsäure und gar keine Bernsteinsäure entsteht. Harden vermutet, daß drei Enzyme bei coli anzunehmen sind; eines derselben bildet Milchsäure, ein anderes bildet Al- kohol, Ameisensäure und Essigsäure, ein drittes zerlegt Ameisensäure in COg + Hg. Durch verschiedenen Gehalt an diesen Enzymen und verschie- dene Beeinflussung der Wirkung derselben könnten die beobachteten Diffe- renzen in den Stoffwechselprodukten zu erklären sein. Die vorüegenden Untersuchungen beziehen sich meist auf Bact. coü commune (4), typhi (6), cloacae (6), lactis aerogenes (7), vulgare (7), Bac. Fitzianus (7), ethaceticus (Frankland und Lumsden) und Pneumobacillus Friedländer (Frank- land, Stanley und Frew). Quantitative Daten sind in größerer Zahl in der zitierten Arbeit von Mendel gegeben. Auf die analytischen Methoden zur Säurebestimmung (8) kann hier ebensowenig eingegangen werden wie auf die Behelfe zur Untersuchung der produzierten Gase: COg, Hg und Methan (9). Bac. aerogenes parädoxus soll auf Milchzucker Gas bilden, nicht aber auf Glucose (10). Von höheren Alkoholen, welche in Zuckerlösung wachsende Bacterien bilden, ist vor allem der Isoamylalkohol zu erwähnen (11). Nicht selten beobachteten Harden und seine Mitarbeiter (12) als bacterielles Stoffwechselprodukt kleine Mengen eines zuerst bei Bac. lactis aerogenes sichergestellten Glykols, des (2) (3) Butylenglykols CHj-GHOH-CHOH-CHj und ferner des Acetylmethylcarbinols CHj-CO-CHOH-CHg; letzterer ist wohl ein Oxydationsprodukt des Butylenglykols. Die Angaben von Fern- bach (13) über Bildung von Dioxyaceton aus Zucker durch getötete Bacterien oder Bacterienextrakte dürften wohl noch einer genauen Nachprüfung wert sein. Gluconsäure soll nach Revis(14) durch Bact. coh in der gleichen Weise 1) Harden u. Young, Journ. Cham. Soc., 7p. 679 (1901). — 2) H. Euler u. H. Meyeb, Ztsch. physiol Cham., 8o, 241 (1912). — 3) A. Harden u. W. J. Penfold, Proceed. Roy. Soc, 85, B, 415 (1912). — 4) Chantemesse u. Widal, Koch Jahreeber. (1892), p. 80. Ch. B. Schmidt, Schweiz. Woch.schr. Pharm., 49, 577 (1911). J. Mendel, Zentr. Bakt., 29, 290 (1911). — 5) Y. Sera, Ztsch. Hyg., 66, 141, 162 (1910). — 6) J. Thompson, Proceed. Roy. Soc., 84, B, 500 (1911). — 7) Mendel, 1. c. — 8) Vgl. Pringsheim in Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 20 (1909). Für Ameisensäure: H. Franzen u. Eqger, Journ. prakt. Chem., 83, 323 (1911). Foüchet, BuU. Sei. Pharm., 6g, 149 (1912). Mäder, Apoth.-Ztg., 27, 746 (1912). Buttersäure: Seliber, Compt. rend., 150, Nr. 20 (1910). — 9) Hempel, Ztsch. angewandt. Chem., 25, 1841 (1912). O. Hauser u. Herzfeld, Ber. Chem. Ges., 45, 3515 (1912). C. A. Herter u. Ward, Journ. of Biol. Chem., ;, 415 (1906). BuRRi u. DÜGGELi, Zentr. Bakt. I, 49, 145 (1909). — 10) F. Wobth- mann, Chem. Zentr. (1907), //, 1645. — 11) Perdrix, Ann. Inst. Pasteur, 5. 286 (1891). O. Emmebling, Ber. Chem. Ges., 37, 3535 (1904). H. Pringsheim, Ebenda, 38, 486 (1905); Zentr. Bakt. II, 15, 300 (1905). — 12) A. Harden u. Walpole, Proceed. Roy. Soc, 77, B, 399, 424 (1906); 83, B, 272 (1911). Harden u. Norris, Ebenda, 84, 492 (1912), Thompson, Ebenda, p. 500. Harden u. Norris, Ebenda, 85, 73 (1912). Für Bac. subtilia: Lemoigne, Compt. rend., 155, 792 (1912). — 13) A. Fern- bach, Compt. rend., 151, 1004 (1910). — 14) C. Revis, Zentr. Bakt-, jj, 424 (1912). § 2. Verarbeitung von Hexosen und Pentosen. 315 verarbeitet werden wie Glucose, aber Schleimsäure und Zuckersäure nicht mehr. Die Alkoholbildung ist auf Gluconsäure geringer als auf Gluoose. Übrigens heben auch Harden und Walpole hervor, daß die Alkoholbildung auf Glucose von Mannitkulturen um das Doppelte übertroffen wird, offenbar weil die wirksame Gruppe CHgOH-CHOH im Mannit zweimal vorhanden ist. Das Sorbosebacterium bildet nach Crismer(I) Hexonsäure nur auf Glucosenährboden ; Ketosen, auch Sorbose, werden verbraucht ohne Auf- treten charakteristischer Produkte. Die synthetisch gewonnenen Hoxosen sind bisher für Bacterien nicht geprüft worden, die vorhandenen Ver- suche (2) beziehen sich nur auf Hefen. Reichliche Zuckerzufuhr lenkt unter allen Verhältnissen den Stoffwechsel in andere Bahnen, als auf zucker- armem Substrat, und verschiedene Erscheinungen, wie Rücktreten der NHg-Bildung, Indolbildung usw., zeigen an, daß die Spaltung von Eiweiß- körpern bei reichhcher Zuckerzufuhr sehr vermindert wird (3). Angebüch soll auch Lecithindarreichung zur Zuckerverarbeitung bei Bact. coli in gewissen Beziehungen stehen (4). Bact. coh spaltet nach Euler (5) Glucose- Phosphorsäureester. Bei der Darreichung von Pentosen und Methylpentosen (l-Arabinose, 1-Xylose und Rhamnose) konnte man zwar bei Aspergillus und verschiedenen Heferassen (6) leichte Assimiherbarkeit, jedoch niemals unter Bildung von Alkohol beobachten. Der Soorpilz verarbeitet wohl 1-Xylose, nicht aber Arabinose (7), während eine von Hanzawa (8) untersuchte Rhizopus-Art Xylose nicht ausnützt. Für Bacterien wirken Pentosen allgemein als günstige Kohlenstoffnahrung, während Glucoheptose und Quercit von Segin (9) als unverwendbar gefunden wurden. Fäulnisbacterien verarbeiten, wie Sal- KOWSKi(IO), Bbndix(II) und Ebstein (12) fanden. Pentosen sehr leicht; dies ist für die Zersetzung der Nucleine, welche Pentosen enthalten, von Wichtigkeit. Aber auch im Boden finden sich unter den Zersetzungs- produkten der Pflanzen pentosenhaltige Materiahen in den pentosanhaltigen Zellmembranen, welche von Bodenbacterien gleichfalls verarbeitet werden. Stoklasa(13) gab an, daß Xylose für den-Alinitbacillus die beste Kohlen- stoff nahrung sei. Nach Frankland und Mac Gregor (14) wird Arabinose durch Bac. ethaceticus verarbeitet, Grimbert(15) fand Arabinose und Xyloseverarbeitung beim FRiEDLÄNDERschen Bacillus; Bact. coU ist nach Chantemesse und Vidal (16) und Pere (17) mit Arabinose und Rhamnose ernährbar; Täte (18) konstatierte für einen Mikroben von reifen Birnen Verarbeitung von Rhamnose, Henneberg(19) Arabinoseernährung bei Bact. 1) L. Crismek, Botan. Zentr., 104, 90 (1905). Sorbose: Th. Bokorny, Chem.- Ztg., 34, 220(1910). — 2) E. Fischer u. H. Thierfelder. Her. Chem. Ges. (1894), p. 2031. — 3) Vgl. A. J. Kendall u. Farmer, Joum. of Biol. Chem., 12, 13, 19; 13, 63 (1912). Böhnke, Arch. Hyg.. 74, 81 (1911). — 4) H. A. Epstein u. Olsan, Journ. of Biol. Chem., //, 313 (1912). — B) H. Eüler, Ztsch. physiol. Chem., 79, 375 (1912). — 6) Bokorny, Dinglers polytechn. Journ., 303, 115 (1897); Chem.-Ztg., 34, 220 (1910). Schöne u. Tollens, Joum. f. Landwirtsch., 49, 29 (1901). Cross u. Tollens, Ebenda, 59, 419 (1911). — 7) P. Lindner, Wochschr. f. Brauerei. 28, 61 (1911). H. Euler u. Meyer, Ztsch. physiol. Chem., 80, 247 (1912). — 8) J. Hanzawa, Mycol. Zentr., /, 76 (1912). — 9) A. Segin, Zentr. Bakt., II, /2, 397 (1904). — 10) E. Salkowski, Ztsch. physiol. Chem., 30, 478 (1900). — 11) Bendix, Ztsch. f. diät. u. physik. Therapie (1899), VII, j. — 12) E. Ebstein, Ztsch. physiol. Chem., 36, 478 (1902). — 13) J. Stoklasa, Zentr. Bakt. II, 4, 817 (1898); 5. 351 (1899). — 14) P. F. Frankland u. J. Mac Grkqor. Journ. Chem. Soc. (1892) p. 737. — 15) L. Grimbert, C r. Soc. Biol. (1896) p. 191; Ann. Inst. Paateur, 9, 840 (1895). — 16) Chantemesse u. Widal, Koch Jahresber. (1892), p. 80. — 17) A. Pere, Ann. Inst. Pasteur (1898), p. 63. — 18) G. Täte, Journ. Amer. Chem. Soc, 63, 1263; Chem. Zentr. (1893), //. 1006. — 19) W. Henneberq, Zentr. Bakt. (1898). p. 20. 316 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. oxydans. Auch anaerobe Arabinoseverarbeitung ließ sich von Bact. ortho- butylicuß in Versuchen von Grimbert(I) feststellen. Die beobachteten Stoffwechselprodukte waren für Bact. ethaceticus Äthylalkohol, Essigsäure, Ameisensäure, Kohlensäure, Wasserstoff; andere Bacterien wie der Fried- LÄNDERsche Bacillus produzieren Bernsteinsäure und Milchsäure. Tates Bacillus bildete i-Milchsäiure aus Rhamnose. Essigsä'jre und Milchsäure wurden auch durch Schöne und Tollens bei Hefe unter Pentosedarreichung als Stoffwechselprodukte nachgewiesen. Milchsäurebildung aus Arabinose und Xylose beobachtete ferner Kayser (2), Der Erreger der Mannitgärung bildet nach Gayon und Dubourg aus Pentosen Essigsäure und Milchsäure, aber keinen Mannit. Von den durch Müller-Thurgau (3) aus Obstweinen isoüerten Mikroben verarbeitete das Bact. mannitopoeum wohl Arabinose, Xylose, aber nicht Rhamnose, und das Bact. gracile keinen dieser drei Zucker. §3. Die Alkoholgärung (4). Pilze, welche unter allen Lebensverhältnissen dazu befähigt sind, Spaltung von dargereichte?! Zucker oder auch von Zucker ihres eigenen Körpers in Alkohol und Kohlensäure auszuüben, kennt man in beträcht- licher Zahl; an Intensität der Alkoholgärung überragen allerdings die verschiedenen Rassen der Bier- und Weinhefe (Saccharomyces cerevisiae und ellipsoideus), welche seit den ältesten Kulturperioden dem Menschen als Alkoholerzeuger dienlich sind, aUe übrigen, und man kann sie als einen Typus von Organismen ansehen, welche hochgradig an diese eigen- artige Form der Energiegewinnung angepaßt sind. Ebenso ist die japanische Sak6-Hefe einer der wirksamsten Alkoholbildner (5). Daran reihen sich Hefeformen, welche alkoholische Gärung der Milch erzeugen, femer die Rassen des Sacch. Pastorianu§, Marxianus, exiguus, Saccharo- mycodes Ludwigii (6) und vieler anderer sporenbildender Hefen, darunter Willia anomala(7), deren Studium von Pasteur(8) angebahnt udd von E. Chr. Hansen (9) mit großem Erfolge ausgebaut worden ist. Sacch. apiculatus vergärt schwach (10), ebenso die parasitische Saccharomycopsis guttulata(ll); gar keinen Alkohol bildet der rote S. (Torula?) glutinis(l2), Pichia membranaefaciens mit den verwandten Formen, einige Arten der Gattung Willia. Schizosaccharomyces octosporus hingegen und seine beiden Gattungsgenossen sind Alkoholbildner (13). Schwache Gärung er- regen sodann verschiedene zu Torula gerechnete Sproßpilzformen, nicht 1 ) L. Grimbkrt, Ann. Inst. Paeteur, 7, 353 (1893). — 2) E. Kayser, Ebenda, 8, 737 (1894). — 3) H. Müller-Thurgau u. Osterwalder, Zentr. Bakt., j6, 129 (1912). — 4) Lit. DucLAUX, Trait^ de Microbiologie, 3 (1900). E. Buchner, Zymase- gärung (1903). C. Oppenheimer, Die Fermente, 3. Aufl. Ad, Mayer, Gärunge- chemie, 6. Aufl., V. Meisenheimer (Heidelberg 1907). A. Harden, Alcoholic Fermen- tation (London 1911). Lafar, Handb. d. techn. Mycol., 4 (Jena 1907). Delbrück u. SCHROHE, Hefe, Gärung u. Fäulnis (1904) enthält Abdruck der Quellenwerke von Schwann, Cagniard-Latour und Kützing. — 5) R. Nakazawa, Zentr. Bakt., II, 22, 529 (1908). — 6) C. Mensio, Staz. eper. agrar. ital., 44, 829 (1912). — 7) Anomalus: Steuber, Koch Jahresber., //, 130 (1900). — 8) L. Pasteur, Etudes Bur la bifere (1876). — 9) E. Chr. Hansen, Meddel. Carlsberg Laborat. Ausführt. Wiedergabe der Resultate in den Handbüchern von Klöcker, Jörgensen, Llndner, Lafar und anderen Gärungsphysiologen. — 10) H. Müller-Xpurgau, Lafars Handb., 4, 322 (1907). — 11) Buscalioni u. Casagrandi, Malpighia, 12, 59 (1898). — 12) E. Pringsheim u. Bilewsky, Beitr. Biol. d. Pfl., 10, 119 (1910). — 13) Beijerinck, Zentr. Bakt., 16, Nr. 2 (1894). § 3. Die Alkoholgärung. 317 aber Mycoderma(l). Zu nennen sind sodann Monilia Candida und java- nica, der Soorpilz [Oidium albicans] (2), nach neueren Angaben in ge- ringem Grade alkoholbildend auch Oidium lactis(3); ferner Endomyces fibuliger nach Lindner (4) und Monascus purpureus nach Saito(5). Wichtig ist sodann die Alkoholgärung bei den Mucorineen, welche 1857 durch Bail(6) an den untergetauchten Sproßmjcelien aufgefunden worden ist. Spätere, mit reinen Kulturen angestellte Beobachtungen er- wiesen Alkoholgärung bei Mucor Mucedo, racemosus, circinelloides, spinosus, erectus und Cambodja(7). Daß aber nicht nur die „Kugelhefe" von Mucorarten im submersen Wachstum Alkohol aus Zucker bildet, sondern auch das fädige Luftmycel, wurde erst in neuerer Zeit durch Wehmer(8) erwiesen. Die Rhizopusarten gären nur schwach, anderen Mucorineen fehlt das Gärungsvermögen gänzlich. Die erwähnten Mucor- arten vergären Zucker so wie die Hefen auch bei Luftzutritt. Geringe Alkoholmengen werden nach Gosio(9) in dem „Arsenschimmelpilz" Peni- cilUum brevicaule gebildet; Laborde und Maze(IO) wiesen für Allescheria (Eurotiopsis) Gayoni reichliche Gärung bei beschränktem Luftzutritt nach. Hingegen sind die verschiedenen Schimmelpilze aus den Gattungen Aspergillus und Penicillium trotz gegenteiliger Angaben keine eigent- lichen Alkoholgärungspilze, da sie nur, wie auch höhere Pflanzen, bei Sauerstoffabschluß Zücker in CO2 und Alkohol in der anaeroben Atmung spalten (11). Bei Schleimpilzen ist Alkoholgärung nirgends gefunden worden (12). Daß Bacterien häufig auf Zuckernährboden Alkohol und Kohlensäure in verschiedener Menge bilden und daß nicht nur Hexosen, sondern auch Mannit oder Pentosen hierbei als Material dienen können, wurde bereits im vorigen Paragraph erwähnt. Wie diese bacterielle Alkoholbildung gegen- über der typischen Alkoholgärung der Hefe aufzufassen ist, muß noch un- entschieden bleiben. Gewiß ist es, daß hier reichhch Ameisensäure, Essig- säure, Milchsäure, Wasserstoff meistens, manchmal auch Buttersäure neben Alkohol und COg vorkommen, was bei der Hefegärung nicht der Fall ist, wo 95% des Zuckers in Alkohol und CO2 gespalten werden. Der Bac. aethylicus von Fitz bildete auch aus Glycerin Äthylalkohol (13). Die bio- logische Hauptbedeutung der Alkoholgärung kann nur in der Gewinnung von Betriebsenergie gesucht werden. Die gegen diese Meinung erhobenen Einwände sind sämtUch nicht überzeugend. Daneben kann allerdings sehr 1) H. Will. Ztsch. ges. Brauwea., 29, 241 (1906); 33, 309 (1910); Zentr. Bakt., 34, 1 (1912). — 2) G. Linossier u. Roux, Compt. rend., //o, 868 (1890); Bull. See. Chim. (3), 4, 697 (1890). — 3) E. Schnell, Zentr. Bakt.. 35, 23 (1912). — 4) P. Lindner, Verhandl. Naturf. Ges. Dresden 1907, II, /, 215 (1908). — 6) K. Saito, Botan. Mag. Tokyo, 22, Nr. 252 (1908). — 6) Bail, Flora (1857). — 7) Lit. A. Fitz, Ber. Chem. Ges., 6, 48 (1873); 8, 1540 (1875); 9, 1352 (1876). Gayon, Ann. de Chim. et Phys., 14, 258 (1878). Hansen, Trav. Labor. Carlsberg, 2, V (1888). Wehmer, Lafars Handb., 4. 506 (1907). - 8) C. Wehmer, Zentr. Bakt., 14, 556; 15, 8 (1905); Ber. Botan. Ges., 23, 122; 25, 44 (1907). S. Kosty- TßCHEW, Zentr. Bakt., 13, 490, 577 (1904). — 9) B. Gosio, Botan. Zentr., 87, 131 <1901). — 10) Laborde, Ann. Inst. Pasteur, //, 1 (1897). P. Maze, Ebenda, 16, 433 (1912); Compt. rend., 134, 191; 135, 113 (1902). — 11) Borchardt, Biochem. Zentr., 10, 608 (1910). Kostytschew, Ber. Botan. Ges., 25, 44 (1907). Junitzky, Ebenda, p. 210. Krassnosselsky, Zentr. Bakt., II. 13, 673 (1904). Wehmer, Lafars Handb., 4, 254. — 12) Vgl. C. Schümann, Ber. Chem. Ges., 8, 44 (1875). — 13) Frrz, Ber. Chem. Ges., *, 1348 (1876). Lit. bei Bau in Lafars Handb., 4^ 399 (1907). 318 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. wohl die von Wortmann (1) betonte Bedeutung des Alkohols als Schä- digungsmittel gegen Mitbewerber um die Zuckernahrung und als wirksame Waffe im Konkmrenzkampfe mit anderen Mikroben in Betracht kommen. Zur Prüfung des Gärvermögens unter Anwendung von kleinen Material- mengen hat Lindner (2) entsprechende Methoden als Tropfenkultur und Adhäsionskultiu* ausgearbeitet. Will man dauernd den Gärungsvorgang quantitativ untersuchen, so empfiehlt es sich, eines der graphischen Verfahren zu benützen, welche den Druck der entwickelten COg manometrisch bestimmen und mit einem passenden Manometerschreiber automatisch registrieren (3). Der gebildete Alkohol läßt sich capillarimetrisch nach eigener Erfahrung rasch und sicher auch in geringen Mengen von Kulturflüssigkeit bestimmen, was man wenigstens zur Kontrolle der Ablesungen des COg-Druckes heran- ziehen kann. Die Gärungsprobe auf Zucker ist so empfindhch, daß sie bei geeigneter Anstellung noch ^/2o% Glucose sicher erkennen läßt (4). Bei allen Alkoholgärung erregenden Pilzen ist die Wirkung, wie besonders die Untersuchungen von Fischer und Thierfelder be- wiesen haben, streng auf vier Hexosen begrenzt: d-Glucose, d-Fruetose, d-Mannose und d-Galactose, wozu noch die Mannononose (und wohl noch andere noch nicht dargestellte Nonosen) kommt, sowie, wie neuere Unter- suchungen Buchners und Lebedews(5) bestimmt ergeben haben, auch die dreiwertigen Zucker Dioxyaceton und Glycerinaldehyd. Bei der Mehr- zahl der Alkoholgärungshefen wird d-Galactose am langsamsten vergoren, ja für manche Formen wurde früher behauptet, daß sie Galactose über- haupt nicht angreifen, was jedoch wohl nur bei schwachen Alkoholbildnern scheinbar der Fall sein dürfte. In Kleingärversuchen nach Lindner (6) pflegt die Galactosevergärung nach einigen Tagen einzusetzen, während die anderen gärfähigen Hexosen schon nach sehr kurzer Zeit COj-Ent- wicklung erkennen lassen. Saccharomycodes Ludwigii greift nach Thomas(7> Galactose so wenig an, daß man diese Hefe zur Isolierung der Galactose aus hydrolysiertem Milchzucker verwenden kann. Bei Pastorianus, Mar- xianus, cerevisiae I und Hefe Frohberg fanden Fischer und Thierfelder nach Galactosedarreichung nach 8 Tagen keine Reduktion mehr in der Nährlösung. Leicht und rasch wird Galactose von den Milchzuckerhefen und von Monilia Candida vergoren (8). Boürquelot (9) meinte, daß die Galactosevergärung durch die Gegenwart von Glucose oder Fructose er- leichtert wird. Dienert (10) fand zuerst, daß sich Hefen an Galactose- vergärung gewöhnen lassen. Aber auch bei maximaler Akklimatisierung an diese Hexose wird dieselbe 1,6 mal schwächer vergoren als Glucose. Durch Zufügung von Kaliumphosphat oder auch Natriumarseniat konnte Harden(II) diesen Gewöhnungsprozeß beschleunigen. Aus den eingehen- 1) Wortmann, Weinbau und Weinhandel (1902). Sep. P. Lindner, Woch.schr. f. Brauerei, 77, 173 (1900). — 2) P. Lindner, Jahresber. Verein, f. angew. ßotan. (1907); Woch.schr. f. Brauerei, 29, 252 (1912). — 3) H. Schulz, Pflüg. Arch., 120, 51 (1907). A. Slator, Journ. Soc. Chem. Ind., 27, 653 (1908). L. Iwanow, Zentr. Bakt., 24, 429 (1909). H. Franzen, Ebenda, jo, 232 (1911). C. Fol, Biocheni. Ztscb., //, 382 (1908). — 4) E. Salkowski, Berlin, klin. Woch.schr., 42, 48 (1905). — 5) E. Büchner, Ztsch. allgem. österr. Apoth.-Ver. (1909), p. 505. A. v. Lebedew, Ber. Chem. Ges., 45, 3256 (1912). — 6) P. Lindner, Woch.schr. f. Brauerei, 29, 252 (1912). — 7) P. Thomas, Compt. rend., 134, 610 (1902). — 8) A. Bau, Zentr. Bakt., II, 2, 653 (1896). Weigmann, Lafars Handb., II, 124 (1908). — 9) Boür- quelot, Compt. rend.. 106, 283; Journ. Pharm, et Chim. (5), 18, 337 (1888). — 10) Fr. Dienert, Ann. Inst. Pasteur, 14, 1.39 (1900). — 11) A. Harden u. Norris, Proceed. Roy. Soc. B, 82, 645 (1910). § 3. Die Alkoholgärung. 319 den Beobachtungen von Euler (1) geht hervor, daß die Gewöhnung an Galactose erst sehr langsam, dann aber mit wachsender Geschwindigkeit sich ihrem Maximum nähert. Eulers Vorschlag, den wirksamen Stoff als „Galactase" zu führen, halte ich noch für verfrüht, da es sich möglicherweise um anderweitige bereits chemisch bekannte Hilfsstoffe handeln könnte, deren Bildung zur GaJactosevergärung nötig ist. Viel schneller und ganz allgemein wird nach mehreren Erfahrungen (2) Mannose durch Alkoholhefen vergoren, jedoch immer deutlich langsamer als Glucose und Fructose, und Zusatz von NaHjPO^ beschleunigt nicht. Nach Herzog (3) verhält sich darin lebende und abgetötete Hefe gleich. Für Fructose und Glucose liegen seit Dubrunfaut (4) Erfahrungen vor, welche zeigen, daß beide Zuckerarten aus Invertzucker nicht gleich rasch verschwinden: „elektive Gärung" von Dubrunfaut. Daß Glucose rascher vergoren wird, fand Hiefe(5) gleichmäßig für alle untersuchten Hefen; bei Glucose ist das Gärungsmaximum am zweiten Tage, bei Fructose erst nach 3 — 5 Tagen erreicht. Für Oidium albicans, Allescheria Gayoni und Mucor circinelloides findet sich in der Literatur ein analoges Gärungs- verhältnis angegeben. Von Interesse ist es, daß in Versuchen von Herzog lebende Hefe die Glucose, abgetötete Hefe aber die Fructose am stärksten vergor; auch nach Harden und Young(6) vergärt Hefe- preßsaft Fructose am intensivsten. Übrigens berichtet Dubourg (7) über eine Weinhefe, die gleichfalls Fructose besser angreift, und Sacch. exiguus soll sich ähnlich verhalten. Gewiß wird dabei das Eingreifen anderer Stoffe, sei es durch Modifikation der ganzen Ernährungsweise, wobei man vor allem auf den Einfluß der Stickstoffnahrung zu sehen haben wird (8), sei es durch direkte Wirkung auf die Gäningsreaktion, eine Rolle spielen. Nach Iwajiowski (9) kann man durch Darreichung größerer Mengen geeigneter Stickstoffnahrung selbst in Glucoselösung ein Wachs- tum der Hefe ohne nachweisbare Alkoholgärung erzielen. Zuckerkonzentration. Zwischen 5—20% Zuckerkonzentration ist nach den Feststellungen von Brown (10) bei verschiedenen Hefen kein Einfluß des Zuckergehaltes der Gärflüssigkeit auf den Fortgang des Prozesses zu beobachten. Auch ist nach Dumas (11) zwischen 10 und 12% Zuckergehalt die Gärungsdauer ungefähr proportional der vor- handenen Zuckermenge. JoDLBAUER(l2) gab als Optimalkonzentration für Hefegärung 8% Zucker an, doch handelt es sich nicht um ein scharf begrenztes Optimum. Bei weiterer Konzentrationszunahme erfolgt langsames Absinken der Gärungsintensität, bis bei 30 % Zucker nur noch träge Gärung vor- handen ist. Bei 35% Zucker gab Wiesner (13) Gärungsstillstand an, während andere Autoren (14) spurenweise Gärung noch bis 60% Zucker nicht vermißten. Nach Fitz tritt aber bei Mucorhefe die Verlangsamung 1) H. Euler u. D. Johannsson, Ztsch. phyBiol. Chem., 78, 246 (1912); Arkiv f. Kemi, 4, Nr. 23 (1912). Mechanismus: E. F. Armstrong, Proceed. Roy. Soc. B, 70, 600 (1905). — 2) H. Euler u. Lundeqvist, Ztsch. physiol. Chem., 72, 97 (1911). — 3) R. O. Herzog u. O. Saladin, Ebenda, 73. 26.3 (1911). — 4) Du- brunfaut, Compt. rend., 25, 307 (1847). — 5) W. L. Hiepe, Koch Jahreeber. (1895), p. 142. — 6) A. Harden u. Young, Proceed. Roy. Soc. B, 8u 336 (1909). — 7) E. Dubourg, Rev. Viticult. (1897), p. 467; Compt. rend., //o, 865 (1890). — 8) W. Knecht, Zentr. Bakt, II, 7, 161 (1901). — 9) Iwanowski, Ebenda, /o, 151 (1903). — 10) Brown. Journ. Chem. Soc, 61, 369 (1892). — 11) Dumas, Ann. de Chim. et Phys. (5), j, 57 (1874). — 12) Jodlbauer. Ztpch. Verein Rübenzuckerindiistr. (1888), p. 308. — 13) J. Wiesner, Sitz.ber. Wien. Akad., 59 (1869). — 14) Th. BoKORNY, Zentr. Bakt, II, 12, 119 (1904). B20 Siebentes Kapitel: Die Resorption ron Zacker u. Kohlenhydraten durch Pilze. der Gärung bereits oberhalb 7 Zuckerprozenten ein. Schon Wiesner erkannte, daß osmotische Wirkungen bei dieser Hemmung durch höhere Zuckerkonzentrationen ausschlaggebend sind. Unter Rohrzuckerzusatz (am besten 10% Saccharose bei 45 — 60'') läßt sich Hefe haltbar ein- trocknen (1). Über den Einfluß der Zuckerverdünnung auf die Hefe- gärung liegen Erfahrungen von Slator(2) vor, wonach die Kefe durch Diffusion noch ausreichend mit Zucker versorgt wird, wenn noch 1,3 mg pro Liter in Lösung ist; durch Umrühren kann man noch zwei Drittel dieses Betrages ersetzen. Den osmotischen Einfluß höherer Neutralsalz- konzentrationen auf Hefegärung (im Sinne der Hemmung) hat Vande- VELDE(3) näher studiert. Die günstigste Temperatur für die Alkoholgärung dürfte bei 30° C gelegen sein; nach Nägeli(4) vergärt Bierhefe bei dieser Tempe- ratur binnen 24 Stunden das 40 fache ihres Gewichtes an Rohrzucker. Aber noch unter 40^ erfolgt Verminderung der Gärtätigkeit und ein Überschreiten von etwa 53° hebt die Gärung völlig auf. Die untere Temperaturgrenze liegt erst unterhalb des Eispunktes, denn bei 0° konstatiert man noch langsame Gärung. Dies gilt nur für kräftig vege- tierende Hefe. Lufttrockene Hefe hält noch — 113° aus (5) und wird selbst bei -t- 100° noch nicht abgetötet. Gegenwart von Zuckerlösung verschiebt nach Tüllo(6) wider Erwarten die Tötungstemperatur vege- tierender Hefe nicht. Bei der Temperaturwirkung auf gärende Hefe hat man natürlich, wie bei der Wirkung anderer, die Zellvermehrung be- einflussender Faktoren die Wirkung auf das Wachstum und die Wirkung auf den Gärungschemismus zu sondern, und es ist klar, daß alle Wachstum hemmenden Faktoren auch die Gärungsintensität beeinflussen müssen. Dies gilt auch von den hemmenden Wirkungen durch Licht und Elek- trizität auf Alkoholhefe. Starke Belichtung hemmt nach Lubimenko(7), doch ist Gewöhnung an intensives Licht bis zu einem gewissen Grade möglich. Daß die chemisch wirksamen, besonders die ultravioletten Strahlen nicht allein das Wachstum, sondern auch direkt den Gärungs- chemismus hemmen werden, ist wohl zu erwarten (8). Auch die bekannten Wirkungen fluorescierender Farbstoffe bei Belichtung sind bei Gärung wiedergefunden (9), Die Wirkung elektrischer Ströme auf die Gär- kraft des Hefepreßsaftes ist von Resenscheck(IO) studiert worden; die Flüssigkeit zeigte um die Kathode herum Zunahme der Gärkraft. Bis zu einer Quantität von 150 Millionen Zellen pro Kubikzenti- meter ist nach Slator(II) die Menge der entwickelten COj der Hefe- menge direkt proportional. Die von einer einzelnen Zelle pro Sekunde vergorene Zuckermenge F fand Slator in folgendem Verhältnis von der Temperatur abhängig: 1) Hayduck u. Bulle, Woch-schr. f. Brauerei, 29, 489 (1912). — 2) A. Slator u. A. J. Sand, Joum. Chem. See, 97, 922 (1910). — 3) A. J. Vandevelde, Chem. Zentr. (1903), /, 414; (1904), /, 527; Koch Jahresber. (1902), p. 243; Bull. Assoc. Gand, 13, 83 (1907). — 4) Nägeli, Theorie der Gärung (1879), p. 32. Temperatur u. Alkoholgärung: J. T. van Amstel, Proefschr. Delft (1912). — 5) P. Bert, Compt. rend., 80, 1579. — 6) F. W. Tullc, Woch.schr. f. Brauerei, 22, 155 (1905). — 7) W. LuBiMENKO u. Frolow-Bagrel'.w, Compt. rend., 154, 226 (1911). — 8) J. E. Pur vis u. W. A. Wilke, Proeeed. Cambridge Phil. Soc., 14, 361 (1907). Maurain u. Warcollier, Compt. rend., 14g, 155 (19C^). — 9) H. v. Tappeiner, Biochem. Ztsch., 8, 47 (1908). — 10) Fr. Resenscheck, Ebenda, 9, 255 (1908). — 11) A. Slator, Woch.schr. f. Brauerei, 28, 141 (1911). § 3. Die Alkoholgärung. 321 Celsius 5 10 15 20 25 30 35 40» F. 101* 0,14 0,345 0,68 1,30 2,08 3,0 4,05 5,05. Daraus ergibt sich als Temperaturkoeffizient: kio_2o==3,6; k3o_4o=l,6- Unter der Voraussetzung, daß der vergorene Zucker glatt in COg und CaHßO zerfällt und kein Alkohol und keine COj anderweitig ver- braucht wird, müßten im Gärungsvorgange für 100 Teile vergorenen Zucker 48,6 Gewichtsteile CO« und 52,4 Gewichtsteile Alkohol entstehen. Nun werden aber, wie Pasteur(I) fand, und Jodlbaüer(2) in neuerer Zeit bestätigte, 46,4% CO2 und 48,3% Alkohol als Gärungs- produkte gefunden. Pasteur wollte diese Differenz durch die von ihm entdeckte Bildung von Glycerin und Bernsteinsäure erklären, und kam zu der Ansicht, daß die bereits durch Gay Lussac(3) und Döber- einer (4) aufgestellte Gleichung der Aikoholgärung 1 Äqu. Glucose = 2 Äqu. CO2 + 2 Äqu. Alkohol durch eine andere Gleichung zu ersetzen sei, die auch die Bildung von Glycerin und Bernsteinsäure berücksichtigt. Es wird im folgenden zu begründen sein, daß die Gay LussACSche Gärungsgleichung tatsächlich zu recht besteht. Da die von der gärenden Hefe produzierte Gesamt-COa nicht ausschließlich der Zuckerspaltung entstammt, so ist es nicht auffallend, wenn gewisse Schwankungen des 100 200 300 »00 500 600 700 «00 900 1000 1100 Fig. 4 (nach Lebedew). Kurve AB: Zuckermengen berechnet nach der entwickelten COj; Kurve AC: Zucker- mengen nach direkter Bestimmung. Quotienten CjHeO/COj während des Gärungsvorganges stattfinden. Nach LiNDET und Marsais (5) übersteigt anfangs die Bildung des Alkohols um ein geringes die COg-Produktion, wie es der Gärungsgleichung ent- spricht; später wird aber relativ mehr COj gebildet. Aus der bei- stehenden Kurve nach Lebedew ist zu ersehen, daß die ermittelten COg-Mengen den tatsächlich zersetzten Zuckermengen nicht entsprechen (Fig. 4), sondern mehr Zucker verbraucht wird, als man nach der ge- fundenen COg-Quantität anzunehmen hätte. Bezüglich des Alkohols hat man zu bedenken, daß stets ein gewisser Anteil der weiteren oxydativen Verarbeitung zum Opfer fällt (6). Der Nachweis des Äthylalkohols als Gärprodukt und sein Einfluß auf den Gärungsverlauf sind von besonderer Wichtigkeit. V^ie schon Pasteur und Duclaux (7) angaben, sind die im Destil- lationsbeginne bei alkoholhaltigen Flüssigkeiten im Halse des Destillations- 1) L. Pasteur, Corapt. rend., 52 (1861). — 2) Jodlbauer, Ztsch. Ver. Rüben zuckerindustr. (1888), p. 308. — 3) Gay Lussac, Ann. de Chim., 76 (1810); 95 (1815). — 4) Döbereiner, Schweigg. Journ., 20, 213 (1817). — 6) Lindet u. P. Marsais, Con^pt. rend., 139, 1223 (1904). — 6) Vgl. P. Lindner u. Cziser, Woch.schr. f. Brauerei, 29, 1 (1912). — 7) Duclaux, Microbiologie, 3, 6. Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 21 322 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Eohlenbydräten durch Pilze. kolbens auftretenden öligen Streifen und Tropfen, welche durch den wieder kondensierten Alkohol entstehen, eine brauchbare Reaktion auf Alkohol. Hansen und Klöcker(I) fanden diese Probe sehr zweckentsprechend und empfindüch; die Grenze des Nachweises geht bis zu 0,002 Volumprozent herab; Aceton gibt die Probe gleichfalls, jedoch nicht Acetaldehyd und Essigsäure. Gewöhnhch benützt man zur Aufsuchung des Äthylalkohols in den ersten Teilen des Destillates die Jodoformprobe von Lieben (2): Die Probe wird mit Jod und NagCOg (Vermeidung von Alkaüüberschuß 1) vorsichtig erwärmt, worauf eine schwefelgelbe Trübung durch das charak- teristisch riechende, mikroskopische hexagonale Kryställchen bildende Jodo- form CJgH auftritt. Beim Schütteln von alkoholhaltigen Lösungen mit Benzoylchlorid und Natronlauge entsteht der charakteristisch riechende Benzoesäureäthylester (3). Weitere Methoden zum Nachweise des Äthyl- alkohols beruhen auf der Überführung in Acetaldehyd durch Oxydations- mittel und Erkennung des Aldehyds durch die Rosanihndisulfitprobe (4). Farbenreaktionen auf Äthylalkohol sind mehrfach empfohlen. Verdünnte Methylviolettlösung mit Alkahpolysulfid üefert bei Alkoholgegenwart eine violettrote Färbung [v. Bittö (5)]. 50% HNO3 auf 90% Alkohol geschichtet, gibt einen grünen Farbenring (6). Farbenreaktionen treten bei Gegenwart von Alkohol (aber auch von Oxysäuren) ein mit alkalischer Diazobenzol- sulfonsäure sowie mit Sulfanilsäure + NaNOg (7). Bei hoher Verdünnung findet sich fast der gesamte Alkohol im ersten Viertel des Destillates (8). Gewöhnhch bestimmt man den Alkohol des Destillates aräometrisch, doch kann man den Alkoholgehalt rasch und genau auch durch das Capillari- meter bestimmen. Colorimetrische Methoden zur Alkoholbestimmung be- ruhen z. B. auf der Fuchsindisulfitprobe nach vorheriger Überführung in Aldehyd (9), auf der Benutzung der Grünfärbung mit Chromat (10); andere Methoden basieren auf derÄthoxylbestimmung(ll) oder auf der Überführung in Essigsäure (12). Bekannt ist der hemmende Einfluß, welchen höhere Alkoholkonzen- trationen der Gärflüssigkeit auf den Fortgang der Gärung entfalten. Be- sonders hat sich Mucorhefe gegen Alkohol empfindhch gezeigt. Hier Üegt die Schädüchkeitsgrenze nach Fitz bei 3,b—^% Alkohol und die Gärung von Rhizopus nigricans sistiert schon bei 1,3% Alkohol (13). Hefe zeigt nach Kochmann (1 4) bei ^Izw— ^/soo Alkoholgehalt eine Förderung der Gärung, welche auf einer Begünstigung der Fermentproduktion beruhen dürfte. Bis zu 3% wird die Reproduktion der Hefe nicht behindert; 4,2% Alkohol 1) A. Hansen. C. r. Carlsberg, /, 175 (1881). A. Klöcker, Ebenda, /o, 99 (1911). — 2) Lieben, Ber. Chem. Ges., 2, 549 (1869). — 3) Berthelot, Compt. rend., 73, 496. Palladin, Ber. Botan. Ges. (1906), p. 276. — 4) E. de Stoecklin, Compt. rend., 150, 43 (1910). G. Deniges, Bull. See Chim. (4), 7, 951 (1910). — 5) B. V. BiTTÖ, Chera.-Ztg., /;, 611. — 6) J. Kössa, Pharm. Zentr. Halle, 46, 893 (1905). — 7) L. Rosenthaler, Chem.-Ztg., 36, 830 (1912). — 8) Nicloux u. Baüduer,-Bu11. See. Chim. (3), /;, 424, 455 (1897). — 9) Argenson, Ebenda, 27, 1000 (1902). — 10) H. Agulhon, Ebenda (4), g, 881 (1911). — 11) Stritar, Ztsch. physiol. Chem., 50, 22 (1906). — 12) Boürcart, Ztsch. analyt. Chem., 2g, 608 (1890). Sonst: R. Gaunt, Ztsch. analyt. Chem., 44, 106 (1905), kryoskopisch ; Landsberg, Ztsch. physiol. Chem., 4t, 506 (,1904). Kapeller, Öst.-ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 38, 817 (1909). Herzog, Lieb. Ann., 35', 263 (1907). Prlngsheim, Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 1,^(1909). A. Baudrexel, Ztsch. Spiritusindustr., 35, 379 (1912). Darstellung reinsten Äthylalkohols: Winkler, Ber. Chem. Ges., 38, 3612 (1905). — 13) Pasteur, fitudes sur la bifere (1876), p. 133. Brefeld, Landw. Jahrb., 5, 305 (1876). Hansen, Med. Carlsberg Labor., 2, 160 (1888). Lesage, Ann. Sei. Nat. (7), j, 151 (1897). — 14) M. Kochmann, Biochem. Ztsch., 16, 391 (1909). § 3. Die Alkoholgärung. 323 zeigt schon deutlichen Einfluß (1). Bei mehr als 14% wird die Gärung nach vielen Erfahrungen völUg sistiert (2). Manche Hefen, wie Sacch. apiculatus (3) und Bierhefe Typus Saaz (4) sowie die Kojihefe (5) sind besonders alkoholempfindhch, während die aus Brasilien stammende „Lagos"- Hefe gegen höheren Alkoholgehalt sehr resistent ist. Auf die Methoden zur Bestimmung der COg in den Gärprodukten braucht nicjit näher eingegangen zu werden. Man hat eine Reihe von sehr vervollkommneten Apparaten zur Bestimmung der Gärungs^gase zur Ver- fügung (6). Im Gesamteffekt wirkt ein gesteigerter COg-Gehalt der Flüssig- keit hemmend auf die Gärtätigkeit (7). Doch hat es sich in Ortloffs Ver- suchen ergeben, daß zwar die Vermehrungsenergie der Zellen durch COg gehemmt wird, das Gärungsvermögen jedoch im Gegensatze zu den früheren Angaben von Foth (8) und Delbrück eine erhebUche Steigerung durch COg erfährt. LiNDET (9) findet einen vermehrten Kohlensäuredruck bis zu 280 cm Hg ohne Wirkung auf die Gärung. Die theoretisch vorauszusehende günstige Wirkung der Entfernung der Gärprodukte auf den Fortgang des Prozesses haben Untersuchungen von BoussiNGAULT (10), welcher sich zur Entfernung des Alkohols und der COg verminderten Druckes bediente, tatsächhch bestätigt. 1858 zeigte Pasteur(11) zuerst, daß' bei der Alkoholhefegärung ein kleiner Teil des Zuckers zur Bildung anderer Produkte als Alkohol und CO2 verwendet wird, und er wies unter diesen besonders Glycerin und Bernsteinsäure als konstante Befunde nach. Nicht nur Saccharomy- ceten, sondern alle and'ereii Alkohol gäi'ungspilze formieren diese beiden Stoffe. So wurden sie für die Gärung durch Soorpilz durch Linossier und Roux nachgewiesen, für Mucorgärung durch Fitz und Emmer- LiNG(12). Es ist bekannt, daß Pasteur sich durch diese Tatsache zur Aufstellung einer neuen Gärungsgleichung bewogen sah, welche die Ent- stehung von Glycerin und Bernsteinsäure jnit berücksichtigte. Doch wissen wir heute, daß außerdem noch eine Keihe anderer Substanzen in kleiner Menge als konstante Gärungsprodukte auftreten, und daß einige der wichtigsten derselben, wie die Bernsteinsäure, sicher nicht auf Kosten des Zuckers gebildet werden. Claudon und Morin(13) fanden, daß durch Saccharomyces elhpsoideus bei 18—20° C aus 100 kg Zucker folgende Stoffe gebildet werden. Glycein 2120 g Isobutylenglykoll58 g Isobutylalkohol 1,5 g Beristeinsäure 452 g Önanthäther 2,0 g n-Propylalkohol 2,0 g Essigsäure 205,3 g Amylalkohol 51 g und Spuren von Acetaldehyd. 1) A. J. Brown, Joum. Chera. See, 87, 1395 (1905). — 2) Blankexhorn, Ann. Öuol., 4, 168 (1874). M. Traube, Ber. Chem. Ges., 9, 1239 (1876). Hayduck, Ztsch. Spiritusindustr. (1882), p. 183. — 3) Müller-Thuroau, Chem. Zentr. (1899), /, 916. — 4) Prior, Zentr. ßakt. II, /, 432 (1895). — 5) Kosai-Yabe, Ebenda, p. 619. — 6) E. Hofstädte A, Zentr. Bakt. TI, 12, 765 (1904). Th. Lohnstein, Biochem. Zentr., 4, Nr. 1326; AUgem. Med. Zentr.-Ztg., 81, 16 (1912); W. Frieber, Zentr. Bakt. II, 36, 438 (1913). — 7) Hansen, Zentr. Bakt., / (1887); Ztsch. ges. Brauwes. (1887), p. 304. H. Ortloff, Zentr. Bakt. II, 6, 676 (1900). — 8) G. FoTH, Woch.schr. f. Brauerei (1887), p. 74; 6, 263 (1889). — 9) L. Lindet, Bull. Soc. Chim. (3), 2, 195 (1890); ebenda (4), //, 953 (1912); Chem. Abstracts Am. Chem. Soo. (1912), p. 3155. — 10) J. Boubsingault, Compt. rend., 9/, 373 (1880); Agro- nomie, 7, 82 (1884). Hemmender Einfluß der Gärprodukte: F. Thibaut, Zentr. Bakt. II, p, 743 (1902). — 11) L. Pasteur, Compt. rend., 46, 857 (1858); Lieb. Ann., 106, 338. — 12) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., jo, 454 (1897). — 13) E. Clau- don u. Ch. Morin, Compt. rend., 104, 1109 (1887). 21* 324 SiebentcB Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze- Von Glycerin werden etwa 3 % der Zuckermenge gebildet, von Bernsteinsäure etwa ^%. Alle Stoffe zusammen pflegen etwa 6% der vergorenen Zuckermenge zu entsprechen. Ähnliche Verhältnisse herrschen nach Emmerling bei der Schiramelpilzgärung. Pasteur dampfte zum Nachweise von Glycerin und Bernsteinsäure die Gärflüasigkßit behutsam ein und extr^ihierte den Rückstand mit Äther- alkohol. Aus dem Extrakt läßt sich die Bernsteinsäure durch Herstellung ihres Kalksalzes gewinnen. Durch nochmahge Extraktion mit Ätheralkohol erhält man das Glycerin. Von den bisher zur Glycerinbestimmung in Gär- flüssigkeiten angewendeten Methoden befriedigt keine ganz(1). Da nach Buchner (2) auch bei der „zellfreien Gärung" nicht wenig Glycerin gebildet wird, so muß doch wohl wenigstens teilweise eine nähere Beziehung der Glycerinbildung zum Gärungsmechanismus angenommen werden. Bei lang- samer Gärung und niederer Temperatur (3), ferner bei wenig Alkohol er- zeugenden Hefen (4) fand man mehr Glycerin. Zusatz von Nährstoffen fördert die Glycerinbildung. Nach Seifert und Reisch (5) ist bei Weinhefe zur Zeit der intensivsten Gärung und Zellvermehrung auch die Glycerin- bildung am stärksten. Für die Bestimmung der von Pasteur (6) gleichfalls 1858 als Gärungs- produkt aufgefundenen Bernsteinsäure hat man neuerdings verbesserte Methoden angegeben (7). Sehr viel Bernsteinsäure entsteht nach Goupil (8) bei der durch Mucor („Amylomyces") Rouxii bedingten Gärung, wo zu Be- ginn der Gärung über 25%, am Ende 6% des verbrauchten Zuckers an Bern- steinsäure vorhanden ist. Bernsteinsäure entsteht nach Buchner (2) und Ehrlich (9) bei der zellfreien Gärung nicht, und muß somit einen anderen Ursprung haben als das Glycerin. Die Forschungen Ehrlichs haben gezeigt, daß die Muttersubstanz der Bernsteinsäure ein Spaltungsprodukt der Hefe- eiweißkörper, die Glutaminsäure ist, welche sich wahrscheinhch auf dem Wege über Oxyglutarsäure, Aldehydbernsteinsäure in Bernsteinsäure um- wandelt : Glutaminsäure COOH-CHNHg-CHg-CHg-COOH -> Oxyglutarsäure COOH-CHOH-CHaCHgCOOH und NHg -> Bernsteinsäurealdehyd COOH-CHaCHaCOH und Ameisensäure H-COOH Bernsteinsäure COOH-CHg-CHg-COOH. Es ist mehrfach schon früher gezeigt worden, daß die Hefen selbst und nicht anderweitig eingedrungene Mikroben die Produzenten der Bern- steinsäure sind. Von weitergehendem Interesse ist sodann die Bildung von Acetaldehyd bei der Alkoholgärung, die zuerst durch Schützenberger (10) beobachtet und sodann durch Roeser, Kruis und Rayman sowie Trillat(11) näher 1) Z. B. O. Friedeberg, Chem. Zentr. (1890), /, 838. Nicloux, Bull. Soc. Chim. (3), /;, 455 (1897). — 2) E. Buchner u. Meisenheimer, Ber. Chem. Ges., 39, 3201 (1906). - 3) THYiJtfANN u. HiLGER, AtcL. Hyg., 8, 451 (1889). — 4) R. Stoppel, Ztsch. f. Botan. (1912), p. 625. — 5) Seifert u. Reisch, Zentr. Bakt. II, 12, 574 (1904). R. Reisch, Ebenda, i8, 396 (1907). — 6) L. Pasteur, Compt. rend., 46, 179 (1858). — 7) Rau, Arch. Hyg., 14, 225 (1892). Laborde u. Moreau, Ann. Inst. Pasteur, 13, 657 (1899). R. KuNZ, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 12, 641 (1906). — 8) R. Goupil, Compt. rend., 153, 1172 (1911). — 9) F. Ehruch, Biochem. Ztsch., 18, 391 (1909). — 10) P. Schützenberger, Compt. rend., 88, 595 (1879). — 11) Roeker, Ann. Inst. Pasteur, 7, 41 (1893). Kruis u. Rayman, Zentr. Bakt. II, /, 637 (1895). A. Trillat u. Sauton, Compt. rend., 146, 645, 996 (1908); 147, 77 (1908); Ann. Inst. Pasteur, 24, 302, 310 (1910). E. Kayser u. Demolon, Ebenda, 146, 783; 148, 103 (1909); J49, 152 (1909); Ann. sei. agron. (3), 2, 161 (1909). § 3. Die Alkoholgäning. 325 studiert worden ist. Da Trillat sowie Kayser und Demolon ebenso wie frühere Autoren bei aug^ebiger Lüftung reichlichere Bildung des Aldehyds sahen, so schien die Meinung begründet, daß der Acetaldehyd sekundär durch Oxydation des Äthylalkohols entstände. In neuester Zeit ist man jedoch aus manchen Gründen anderer Ansicht geworden. Von besonderer Wichtigkeit war der Befund von Kostytschew (1), daß Hinzufügen von Zinkchlorid (wahrscheinHch durch Polymerisation) eine starke Anhäufung von Acetaldehyd im Gärungssubstrat herbeiführt, was man durch die Oxy- dationshypothese nicht erklären kann. Es ist leicht möglich, daß der Acet- aldehyd zu den Intermediärprodukten das Gärungsprozesses zählt, zumal er durch fermentative Spaltung aus Brenztraubensäure CHg-COCOOH neben GOjentstehen könnte, und der BrenztraubensäurealdehydCHg-CO-COH, wie noch auszuführen sein wird, vielleicht tatsächüch mit dem Gärungs- vorgange in naher Beziehung steht. Von einschlägigem Interesse sind so- dann die Versuche von Ashdown und Hewitt (2), welche fanden, daß sich besonders dann eine reichliche Bildung von Acetaldehyd durch Hefe er- reichen läßt, wenn man außer Zucker als Stickstoff quelle Alanin: CHg- CHNHj-COOH darreicht. Dazu kommt noch, daß von Embden (3) nach- gewiesen worden ist, daß im Tierkörper aus Acetaldehyd Alkohol gebildet wird. Auch bei der Gärung durch Soorpilz ist durch Linossier und Roux die Bildung von ziemüch viel Acetaldehyd beobachtet worden. In ana- lytischer Hinsicht ist zu bemerken, daß Acetaldehyd im Gegensatz zu Formaldehyd nur eine vorübergehende Rötung mit dem Fuchsinreagens hefert (4). Aceton ist als Gärungsprodukt nicht gefunden. Weiter haben wir der Bildung flüchtiger Fettsäuren durch gärende Hefe zu gedenken, von denen man Ameisensäure und Essigsäure schon längere Zeit als Gärungsprodukte kennt (5). Die Menge der flüchtigen Säuren steht zur Alkoholmenge in keinem bestimmten Verhältnis (6). Die Ameisen- säurebildung ist jüngst durch ausführhche Untersuchungen von Franzen und Steppuhn (7) näher aufgeklärt worden; diese Forscher sehen sich zu der Annahme genötigt, daß die Ameisensäure nur als Intermediärprodukt der Alkoholbildung gedeutet werden könne. Die Bildung von Formaldehyd ist von Lebedew (8) für die zellfreie Gärung, allerdings nur auf Grund von Farbenreaktionen, behauptet worden. Daß Essigsäure leicht aus dem ge- bildeten Acetaldehyd sekundär entstehen kann, ist veretändUch. Da bei der zellfreien Gärung ebenfalls stets kleine Mengen von Essigsäure zu be- obachten sind, 0,01—0,33%, so dachten Buchner und Meisenheimer (9) an die MögUchkeit, daß ein besonderes, aus Glucose Essigsäure bildendes Enzym im Spiele sei, die Glucacetase. Doch sind die beigebrachten Gründe keine zwingenden. VouChafman (10) wurde ferner Äthylacetat als Gärungs- 1) S. Kostytschew, Ber. Chem. Ges., 45, 1289 (1912); Ztsch. physiol. Chem., 79, 130 (1912); 83, 93 (1913). — 2) O. E. Ashdown u. Hewitt, Journ. Chem. Soc., 97, 1636 (1910). — 3) G. Embden u. Baldes, Biochem. Ztsch., 45, 157 (1912). — 4) G. Deniges, Compt. rend., 150, 529 (1910). Vgl. auch Pring8Ueim, Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 1 (1909). — 5) Khoudabachian, Ann. Inst. Pasteur, 6, 600 (1892). Ameisensäure: P. Thomas, Compt. rend., 136, 1015 (1903). Essigsäure: MAiTMENE, Ebenda, 57, 398 (1863). P. Reisch, Zentr. Bakt. II, 14, 572 (1905). R. Meissner, Ztsch. Gär.pHysiol., 2, 129 (1913). — 6) R. Stoppel, Ztsch. f. Botati. (1912), p. 625. BiouRGK, La CeUule, //, I (1896). — 7) H. Franzen u. O. Steppuhn, Ztsch. physiol. Chem., 77, 129; 78, 164; 80, 274 (1912); Ber. Chem. Ges., 44, 2915 (1910). — 8) A. Lebedew, Biochem. Ztsch., w, 454 (1908). — 9) E. Buchner u. Meisenheimer, Ber. Chem. Ges., 38, 622 (1905). — 10) Chapman, Koch Jahresber. (1897), p. 101; Chem. Zentr. (1898), /, 72. 326 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Eoblenbydraten durch Pilze. produkt vorgefunden; nach Kayser(I) sollen gewisse, auf Früchten Schleier bildende Hefen besonders viel Essigsäureäthylester formieren. Von höheren Alkoholen kennt man aus Gärungsflüssigkeiten Propyl- alkohol, Isoamylalkohol und Hexylalkohol. Ferner fand Henninger (2) Isobutylenglykol CH20H-C(CH3)20H unter den Gärungsprodukten, und Acetylmethylcarbinol CHg- CO • CHOH • CH3 hat Browne (3) in fermen- tiertem Zuckerrohrsirup konstatiert. Endlich werden Spuren von Acetal gebildet: CH3-CH.(OC2H6)2. Nach Lindet (4) erfolgt die Bildung der höheren Alkohole besonders erst nach Schluß der Hauptgärung. Beson- deres Interesse beansprucht die Bildung des Gärungsamylalkohols, dessen Ursprung zu verschiedenen Malen auf Bacterien zurückgeführt worden ist (5), welcher jedoch sicher durch die Hefe selbst entsteht (6). Wir wissen jedoch derzeit auch, daß die Fuselölbildung durch Hefe nichts mit dem Gärungszerfall des Zuckers selbst zu tun hat. Es ist Ehrlich (7) der Nach- weis gelungen, daß die Fuselölbildung gewiß mit dem aus den Eiweiß- spaltungsvorgängen stammenden Leucin oder der l-a-Amino-Iso-Capron- Bäure im Zusammenhange steht, aus der es durch Kohlensäureabspaltung hervorgeht : ^23>CHCH2.CH(NH2) . COOH + HgO = ^!]3>CH • CHg • CHgOH + CHg \ tihlg + CO2+NH3 Bei künstlicher Zufuhr von Leucin läßt sich die Amylalkoholbildung der Hefe denn auch entsprechend steigern. Ferner gelingt es durch Ver- fütterung von Isoloucin an Hefe in ganz analoger Weise den sonst nicht gebildeten normalen d-Amylalkohol darzustellen, wo der Prozeß offenbar durch die folgende Gleichung wiedergegeben werden kann: i^J]3>CH-CH(NH2)-COOH + H2O =- „^?J3>CH-CH20H + CO2 + NHg. Mit dieser Theorie steht im Einklänge, daß es bei anderen Amino- säm-en gleichfalls gelingt die Abspaltung von COg durch Hefe zu erreichen, so daß man aus Tyrosin (4)OH-CeH4.CH2-CHNH2-COOH den p-Oxy- phenyläthylalkohol (4)OH-CgH4-CH2-CH20H auf dem genannten bio- logischen Wege darstellen konnte (8). Eine Reaktion des Amylalkohols ist die blauviolette Fäi'bung mit einem Gemisch von a-Naphthol, p-Phenylen- diamin und Natriumcarbonat (9). Abgetötete Hefe ist im Einklänge mit der Th3orie von Ehrlich über die Fuselölentstehung bei der Gärung nicht imstande, mehr als Spuren von Iso-Amylalkohol zu erzeugen (1 0). Den gleichen Ursprung wie das Fuselöl dürfte auch das von Stoehr(11) bei Hefegärung nachgewiesene Pyrazin und 2,5-Dimethylpyrazin haben, welche aus Gly- kokoU resp. Alanin entstehen können über die Aldehyde dieser Amino- säuren (12). Pyrazin ist 1) E. Kayser, Compt. rend., 155, 185 (1912). — 2) Henninger u. Sanson, Ebenda, 106, 208 (1888); 95, 94 (1882). — 3) C. A. Browne jun., Joum. Amer. Chem. Sog., 28, 453 (1906). — 4) L. Lindet, Compt. rend., '107, 182 (1888); 112, 102 (1891). — 5) Gentll, Monit. sei., //, 568 (1897). H. Pringshetm, Biochem. Ztsch., 10, 490 (1908); 16, 243 (1909). — 6) B. Ratman u. Kruis, Chem. Zentr. (1904), /, 736. — 7) F. Ehrlich, Ztsch. Ver. Rübenzucker! ndustr. (1905), p. 539; Biochem. Ztsch., 2, 52 (1906); Ber. Chem. Ges., 40, 1027 (1907). Effront, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 23, 393 (1905). — 8) F. Ehrlich, Jahrb. Versuchsanst. Brau. Berlin, w, 515 (1907). — 9) H. v. Wtsb Herzfeld, Ztsch. physiol. Cham., 64, 479 (1910). — 10) H. Pringsheim, Ber. Chem. Ges., 39. 3713 (1906). Ehrlich, Ebenda, p. 4072. — 11) C. Stoehr, Journ. prakt. Chem., 54, 481 (1897). — 12) T. KiKKOJi u. Neuberg, Biochem. Ztsch., 20, 466 (1909). § 3. Die Alkoholgärung. 327 N^ 7N \CH = GH/ Manche Hefen zeichnen sich durch besonders reichhche Bildung von Fettsäureestern aus und werden nach diesen Riechstoffen als Fruchtäther- hefen bezeichnet. Dahin zählen u. a. Formen der Wilüa anomala und Myco- derma- Arten, önanthäther wurde von Ordonneau(I) beobachtet. Über die Bildung von Furfurol bei der Gärung haben Kruis und Rayman (2) Mitteilungen gemacht. Andererseits wird von Lintner (3) be- richtet, daß Hefe imstande ist, anwesendes Furfurol zu Furylalkohol zu reduzieren. Die von Pozzi-Escot (4) studierte Schwefelwasserstoffbildung durch gärende Hefe hängt nicht mit der Alkoholbildung zusammen. Daß unter Umständen kleine Mengen von Mercaptan entstehen, ist bei der gleich- zeitigen Gegenwart von SHg und Alkohol nicht zu verwundern (5). Die von Taverne (6) beobachtete sehr geringe Menge von Palmitin- säure ist natürlich auf das Fett zugrunde gegangener Hefezellen zu beziehen. Ebenso dürften die von Pasteur erwähnten geringen Reste bisher noch nicht untersuchter stickstoffhaltiger Substanzen unter den Gärprodukten nichts direkt mit der Gärung zu tun haben. Die wechselvolle Geschichte der Kenntnis von der Alkoholgärung hat ihre ausführliche Darstellung so oft in trefflichen Schriften erfahren, daß hier nur kurz darauf verwiesen sein mag, wie durch die Studien von Lavoisier, Fourcroy, Gay Lussac besonders der chemische Grund- charakter der Gärung aufgeklärt ward, wie sich später die Erkenntnis von der Pflanzennatur der Hefe, deren Zellen schon 1695 Leeüwen- H0EK(7) wahrgenommen hatte, sowie von dem ursächlichen Zusammen- hange der Gärung mit vitalen Prozessen der Hefepilze durchrang: in erster Linie angebahnt durch die Arbeiten von Schwann (8) 1837, Cagniard Latour (9) 1838; wie andererseits 1839 Liebig (10) den Versuch unternahm die Gärungsvorgänge molekularmechanisch zu erklären und in richtiger Vorahnung des Sachverhaltes Mitscherlich(II) Kontakt- reaktionen an unbelebten Stoffen mit der Gärung verglich. Es ist dann bekannt, wie weiter in erster Reihe die Arbeiten Pasteurs unsere Kenntnisse von dem Lebensprozesse der Alkoholgärungspilze mächtig gefördert haben, während bis in die neueste Zeit die chemische Auf- fassung keine wesentlichen Fortschritte machte, bis es 1896 E.Buchner(12) 1) Ch. Ordonneau, Bull. Soc. China., 45, 332 (1886). Bedingungen der Fruchtätherbildung: Bokorny, Chem.-Ztg., 28, Nr. 24 (1904). — 2) Kruis u. Ray- man, Zentr. Bakt. II, /, 637 (1895). — 3) C. J. Lintner, Ztsch. ges. Brauwes., 33, 361 (1910)- Lintner u. H. J. v. Liebig, Ztsch. physiol. Chem., 72, 449 (1911). — 4) E. Pozzi-EscOT, Bull. Soc. Chim. (3), 27, 692 (1902). — 5) L. Mathieu, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 28, 971 (1911). — 6) H. J. Taverne, Chem. Zentr. (1897), //, 48. — 7) Leeuwenhoek, Arcana naturae (1695). — 8) Th. Schwann, Pogg. Ann., 41, 184 (1837). — 9) Cagniard Latour, Compt. rend., 7, 227 (1838); Ann. de Chim. et Phys. (2), 68, 206 (1838); ferner Quevenne, Joarn. Pharm, et Chim., 24, 265, 329 (1838); Döpping u. Struve, Journ. prakt. Chem., 41, 255, stellten noch 1847 die He/ebildung als sekundären Vorgang hin. Die Möglichkeit, keim- dichten Abschluß durch Baumwollpfröpfe zu erzielen, zeigten 1854 H. Schröder u. Th. V. Dusch, Lieb. Ann., 8g, 232. — 10) J. Liebig, Journ. prakt. Chem., / 417 (1907) f. Zymasebildung. BiERNAC?:i, Pflüg. Arch. (1891). Mann, Ann. Inst. Pasteur, 8, 785 (1895). — 7) E. Kayser, Compt. rend., 755, 246 (1912). — 8) Lührig u, Sartori, Pharm. Zentr. Halle, 49, 934 (1908). — 9) G. Gimel, Compt. rend., 147, 1324 (1908). — 10) Lührig u. Sartori, 1. c. — 11) F. Johannessohn, Biochem. Ztsch., 47, 97 (1912). — 12) G. Heinzelmann, Ztsch. Spiritusindustr. (1882), p. 458. H. Dreser, Arch. int. Pharm., 15, 365 (1906); f. Preßsaft Duchacek, Biochem. Ztsch., 18, 211 (1909). — 13) P. Carles u. Niviere, Compt. rend., 125, 452 (1897). — 14) A. Dzierzbicki, Bull. Acad. Cracov. (1909), p. 651. — 15) Bourqdelot u. Herissey, Soc. Biol. (1895), p. 632. — 16) S. Lwow, Ztsch. Gär.physiol., /, 19 (1912). — 17) Vgl. A. Dorner, Ztsch. physiol. Chem., 81, 99 (1912). § 4. Milchsäuregärung. 339 auch das Gärungsprodukt, die Milchsäure, bereits in den ersten Tagen der wissenschaftlichen Chemie durch Scheele 1780 kennen. Die bei der Gärung von Rüben, Reis usw. auftretende Säure hatte Braconnot anfänglich als „acide nancöique" beschrieben, bis sie von Vogel (1) als mit der Milchsäure identisch erkannt wurde. Die Umwandlung des Rohrzuckers in Milchsäure nach Infektion mit keimender Gerste oder tierischen Membranen beschrieben 1 840 Boutron-Charland und Fremy(2). Diese Forscher, deren Untersuchungen 1844 durch v. Blücher be- stätigt wurden, dürfen als die Entdecker der Milchsäuregärung des Zuckers betrachtet werden. Das Verdienst von Louis Pasteur(3) aber ist es die Ätiologie der Milchsäurebildung zuerst aufgehellt zu haben. Früher wurden z. B. von Blondeau(4) Sproßpilze als die Gärung§- erreger angesehen. Pasteur aber erhielt zuerst Stäbchenbacterien als Erreger von Milchsäuregärung. Die ersten Reinkulturen wurden aller- dings erst 1877 durch Lister (5) angelegt. Die Milchsäuregärung des Zuckers (6) ist im Pflanzenreiche ein typisch bacterieller Prozeß. Dabei ist es aber nicht ausgeschlossen, daß Milchsäure auch von Pilzen gebildet werden kann. Speziell für Mucorineen: Mucor Rouxii und Rhizopus chinensis hegen aus neuerer Zeit Angaben vor, welche die Milchsäurebildüng bei diesen Pilzen beweisen (7). Ja vielleicht kommt Milchsäure hier und da selbst bei Blütenpflanzen vor, denn nach Mc George (8) soll der Blättersaft von Agave Sisalana viel Milchsäure enthalten, und auch im Extrakt von Erythraea Centaurium ist Milchsäure nach einer Angabe enthalten (9). Es ist natürhch die Frage, ob wir es in allen diesen Fällen mit typischen Milchsäuregärungen zu tun haben, wie sie bei Bacterien vorkommen und wie sie ihr Seitenstück in der Milchsäure- bildung im tierischen Muskel und im Autolysengemisch aus tierischen Organen besitzen. Bei der Autolyse kann übrigens die Milchsäure nicht nur aus Kohlenhydraten, sondern auch aus Eiweißstoffen hervorgehen (10). Roberts (11) und Meissner (12) zeigten zuerst, daß in steriler Milch keine Gärung auftritt. Boutroux(13) und Pirotta(14) suchten sodann bestimmte Bacterienarten als Milchsäurebildner sicherzustellen. Van- develde (15) sah irrigerweise Bac. subtilis als Bildner von Milch- und Butter- säure an. Hueppe (16) war aber wohl der erste Forscher, welcher besser 1) Vogel, Schweigg. Journ., 20, 425 (1817). Bbaconnot, Ann. de Chim., 86, 84. — 2) Boutron-Charland u. E. Fremy, Compt. rend., 12, 728 (1841); Ann. de Chim. et Phye. (3), 2, 257 (1841); Lieb. Ann., jp, 181 (1841). H. v. BlÜCHER, Pogg. Ann., 63, 425 (1844). — 3) L. PasteüR, Compt. rend., 45, 913 (1857); 47, 224 (1858); 48, 337 (1858); 52, 344 (1861). — 4) Blondeau, Journ. Pharm, et Chim., 12, 244, 336 (1847). — 5) Lister, Quart. Journ. Micr. Sei., /j, 380 (1873); Pharm. Journ. Transact. (1877), p. 285. — 6) Zusammenfassende Übersichten in den zu Beginn von § 3 näher bezeichneten Handbüchern von Düclaüx, Green- W indisch, Effront, Oppenheimer, sowie bei Weigmann in Lafars Handb. d. techn. Mycol., //, 48. — 7) K. Saito,. Zentr. Eakt., 2g, 289 (1911). Calmette, Ann. Inst. Pasteur, 6, 605 (1892). Boullanger (1901) gab Milchsäurebildung durch Schimmelpilze von Rumexarten an. -- 8) W. Mc George, Journ. Amer. Chera. Soc, 34, 1625 (1912). — 9) J. Habermann, Chem.-Ztg., 30, 40 (1906). — 10) R. Türkel, Biochera. Ztsch., 20, 431 (1909). K. Inouye u. Kondo, Ztsch. physiol. Chem., 54, 481 (1908). SSOBOLEW, Biochem. Ztsch., 47, 367 (1912). — 11) Roberts, Phil. Trans., 164, 465 (1874). — 12) Meissner, zit. bei Hueppe, Mitteil. kais. Gesundh.amt, 2, 309 (1885). — 13) L, BouTROUX, Compt. rend., 86, 605 (1878). — 14) R. Pirotta u. G. Ri- BONi, Just Jahtesber. (1879), /, 557. — 15) G. Vandevelde, Ztsch. physiol. Chem., 8, 367 (1884). Berichtigt von E. Buchner, Ebenda, 9, 398. Bac. anthracis bildet jedoch wirklich Milchsäure: Napias, Ann. Inst. Pasteur (1900), Nr. 4. — 16) F. Hueppe, Mitteil. kais. Gesundh.amt, 2, 309 (1885); auch H. G. Beyer, Med. News, 49, 511 (1886). Grotenfelt, Fortschr. Mediz. (1889), Nr. 4, p. 121. 22* 340 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. definierte Arten von Milchsäurebacterien isoliert hat. Die Anzahl der seit 1885 beschriebenen Milchsäuregärungsbacterien ist eine sehr bedeutende geworden und es ist nicht leicht, eine Übersicht über diese Formen zu ge- winnen (1). Zwei wichtige Formenreihen von Bacterien der Milch werden vertreten durch die Begriffe Bac. lactis aerogenes Escherich, welcher nach Kruse wesentüch mit dem HuEPPEschen Bac. acidi lactici zusammen- fällt, und Streptococcus lacticus, auch Bac. Guentheri genannt. Die erstere Form ist stark sauerstoffbedürftig und bildet Stäbchen, die zweite besteht aus kettenförmig geordneten rundhchen Zellen und ist fakultativ anaero- bisch. Das Bact. lactis acidi von Leichmann ist mit Streptococcus lacticus zu vereinigen. Ein verbreiteter Milchsätirebildner ist ferner Leichmanns Bac. Delbrückii (2). Praktisch wichtig und interessant ist der von Lindner (3) aufgefundene Pediococcus acidi lactici. Auf die in den verschiedenen Milch- säuregärungen, die bei der Konservierung von Nahrungsmitteln eine Rolle spielen, vorkommenden Bacterienformen kann hier unmögUch näher ein- gegangen werden und es darf auf die größeren Handbücher, in erster Linie Lafars Handbuch der technischen Mykologie verwiesen werden. Manche der hier vorkommenden Formen sind sicher identisch mit den oben an- geführten Hauptarten, andere, wie das Bact. Brassicae der Sauerkraut- gärung (4) oder Bac. bulgarieus im Yoghurt (5), Bac. Mazun (6), sollen besondere Formen darstellen. Im Gegensatze zur rechtsdrehenden Fleischmilchsäure oder Para- milchsäure, welche man aus tierischen Muskeln stets erhält, ist die bei der Milchsäurebildung aus Zucker durch Bacterien entstehende Milchsäure sehr oft optisch inaktiv. Erst Nencki und Sieber (7) fanden rechts- drehende Milchsäure als Produkt eines anaeroben Micrococcus. Später wies Schardinger (8) nach, daß die bis dahin unbekannt gewesene 1-Milch- säure als Stoffwechselprodukt des Bac. acidi laevolactici bei Rohrzucker- verarbeitung auftritt. Es können somit alle optischen Modifikationen der racemischen a-Oxypropionsäure oder Äthylidenmilchsäure: bei der bacteriellen Milchsäuregärung auftreten. Dies kann nur dadurch erklärt werden, daß primär optisch inaktive Milchsäure gebildet wird, und durch eiektive Verarbeitung der Komponenten ein größerer Teil bald der einen, bald der anderen optisch aktiven Form verschwindet. Günther und Thierfelder wiesen bei spontaner Milchsäuerung öfters i-Milchsäure und d-Milchsäure gleichzeitig nach (9). Auch 1-Milchsäure und d-Milch- säure können gleichzeitig vorkommen (10). Ein von Frankland und 1) Vgl. Weigmann, 1. c. F. LöHNis, Zentr. Bakt. II. i8, 97 (1907); 22, 553 (1909). W. Kruse, Ebenda, I, 34, 737 (1903). Leichmann u. Bazarewski, Ebenda, II 6, 245 (1900). BONSKA, Koch Jahresber., 14, 340 (1903). Epstein, Arch. Hyg., 37, IV (1900). — 2) Vgl. Henneberg, Zentr. Bakt.,' 15. 260 (1905). — 3) P. Lind- ner, Woch.schr. f. Brauerei (1887), p. 437. — 4) Th. Grubee. Zentr. Bakt., 22 555 (1909). C. Wehmer, Ber. Int. Kongreß angewandt. Chem. Berlin, VI, j. 712 (1903). — 5) G. Bertrand u. Duchacek, Compt rend., 148, 1338 (1909). Güerbet, Soc. Biol., 60, 650 (1906). — 6) Weigmann, Gruber u. Huss, Zentr. Bakt., ig, 70 (1907). Veränderlichkeit der Milchsäurebacterien: R. BüRRi, Zentr. Bakt. II, 23, 23 (1909); Ztsch. Unters. Nähr.- u. Genußmittel, 18, 449 (1909). — 7) Nencki u. Sieber, Monatsh. Chem., 10, 532 (1889). — 8) F. Schardinger, Ebenda, n, 545 (1890). — 9) C. GÜNTHER u. H. Thierfelder, Hyg. Rdsch., 4. 1105 (1895); Arch. Hyg., 25, 164 (1896). - 10) Kozai, Arch. Hyg., j/, 337 (1899). § 4. Milchsäuregärung. 341 Mc Gregor (1) kultiviertes Bacterium ließ aus i-milchsaurem Kalk d-Milchsäure übrig. Elektive Verarbeitung von Gärungsmilchsäure unter Rücklassung von d-Milchsäure wurde übrigens auch bei Penicillium glaucum durch Lev^^kowitsch und Linossier festgestellt (2). Früher meinte man, daß allgemein bestimmte Milchsäuregärungs- erreger eine bestimmte Milchsäuremodifikation bilden, und auch aus neuerer Zeit hegen Angaben vor, wonach Bac. lactis aerogenes sehr die Bildung von 1-Milchsäure hervortreten lasse, während der Strept. lacticus d-Milchsäure in der Kulturflüssigkeit zur Ansammlung bringt (3). Für viele Fälle wird dies gewiß zutreffen. Doch kann man bei zahlreichen Formen sicher durch Variation der Zuckernahrung und der Stickstoffversorgung die Neigung zur Hinterlassung der einen oder der anderen optisch aktiven Milchsäure abändern. So fand Pere (4), daß Bact. coU aus dem Darm des Erwachsenen nur 1-Milchsäure gibt, während die gleiche Art aus Säughngsdarm je nach der Ernährung sowohl d- als 1-Säure liefern kann. Die rasch vergärenden Zucker geben d- Säure, die weniger rasch vergärenden, wie Invertzucker, Mannose, Galactose aber i-Milchsäure. Arabinose und Lactose ergeben 1-Säure. In Glucose-Peptonlösung hinterläßt coh d-Säure, in Glucose -f- Ammonsalz 1-Säure, in i-Calciumlactat + Ammonsalz ebenfalls 1-Milchsäure. Cholera- vibrio bildet nach Gosio (5) 1-Milchsäure, und viele andere Angaben lauten gleichfalls dahin, daß die Art der Milchsäure wechseln kann (6). Aus che- mischen Gründen ist es wahrscheinlich, daß in allen Fällen primär i-Milch- säure entsteht. Wenn eine oder die andere Komponente zurückbleibt, so haben wir hierfür eine Parallele in der Darstellung optisch-aktiver Milch- säuren aus i-Säure durch fraktionierte KrystaUisation der Lactate optisch aktiver Alkaloide, wie Morphin (7). Die Angabe Hilgers (8) aus älterer Zeit über die Bildung von ^-Oxy- propionsäure oder Äthylenmilchsäure bei Vergärung von Inosit durch Bacterien aus faulendem Käse ist unbestätigt geblieben. Man erhielt bei Wiederholung dieser Versuche nur Gärungsmilchsäure (9). Nachweis und Bestimmung der Milchsäure. Milchsäure gibt, wie Uffelmann(IO) zeigte, mit einer schwachblauen Mischung von Eisen- chlorid und Phenol einen grünen Farbenuraschlag. Diese Reaktion wird zum Nachweise von Milchsäure im Magensaft häufig angewendet. Äthyl- alkokol gibt jedoch diese Reaktion ebenfalls, sowie auch verschiedene Oxysäuren. Uffet.manns Probe läßt sich statt mit Phenol auch mit 1) P. Frankland u. Mc Gregor, Trans. Chem. Soc. (1893). — 2) G. Li- nossier, Bull. Soc. Chim. (3), 5, 10 (1891). — 3) P. G. Heinemann, Journ. of Biol. Chem., 2. 603 (1907). — 4) A. Pere, Soc. Biol. (1896), p. 446; Ann. Inst. Pasteur, 5, 512 (1892); 7, 737 (1893); ii, 63 (1898). Auch Harden, Journ. Chem. Soc. (1901). E. Kayser, Ann. Inst. Pasteur, 8, 737 (1894). — 5) B. Gosio, Arch. Hyg., 21, 114 (1894); 22, I (1894). — 6) Blachstein, Koch Jahresber. (1892), p. 80. KUPRIANOW, Arch. Hyg., 19, 282, 291 (1893). Täte, Journ. Chem. Soc. (1893), /. 1263. Grimbert, Ann. Inst. Pasteur, /o, 708 (1896). Für Bac. bulgaricus: Bertrand u. Duchacek, Compt. rend., 148, 1338 (1909). J. N. Currie, Journ. of Biol. Chem., 10, 201 (1911). — 7) Vgl. J. C. Irvine, Proceed. Chem. Soc, 22, 159 (1906); Journ. Chem. Soc, 89, 935 (1906). AssymmetriscLe Synthese der Milch säure: A. Mc Kenzie, Journ. Chem. Soc, 87, 1373 (1905). Racemisierung der opt aktiv. Milchsäure bei Erhitzen: R. O. Herzog u. Slansky, Ztsch. physiol. Chem., 73, 240 (1911). — 8) HiLGER. Lieb. Ann., löo, 336 (1871). — 9) Vohl, Maly's Jahresber. Tierchem. (1876), p. 274. — 10) J. Uffelmann, Ztsch. klin. Med., 8, 392 (1884). G. Kelung, Ztsch. physiol. Chem.. 18, 397 (1894). 342 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Salicylsäure anstellen (1). Behrens (2) schlug vor, die charakteristischen Sphärite des schwerlöslichen Yttriumlactates zum Milchsänrenachweis zu benützen. Man schüttelt die angesäuerte Probe mit Äther aus, dunstet den Äther ab, neutralisiert den Rückstand mit NHg und setzt etwas Yttriumsalzlösung zu. Vournasos (3) führt die Milchsäure mit Jod und Kalilauge in Jodoform über und weist letzteres durch die Isonitrilbildung mit Methylamin nach, wobei man nach Croner(4) statt Methylamin Anilin benützen kann, um das charakteristisch riechende Isocyanphenyl zu erhalten. Sonst sind noch als Erkennungsproben angewendet die Reduktion von Ammonmolybdat und Chromat (5); ferner die Spaltung mit H2SO4 unter Bildung von Acetaldehyd und der Nachweis des letzteren durch die Farbenreaktionen mit Nitroprussidnatrium und Piperidin, mit Guajacol oder mit Codein (6). Mit Alkali erhitzt gibt Milchsäure Glieder der Essigsäurereihe und höhere ungesättigte Fettsäuren (7). Wasserstoff- peroxyd verwandelt Milchsäure vollständig in Essigsäure (8). Die Isolierung der Milchsäure erfolgt gewöhnlich aus dem Alkohol- extrakt des Untersuchungsmateriales, indem man dieses eindunstet, sodann nach vorherigem Ansäuern mit Äther extrahiert, und die Herstellung des Zinksalzes aus dem ätherlöslichen Anteil vornimmt. In wässeriger Lösung ist das Zinksalz der d-Säure linksdrehend, das Zinksalz der 1-Milchsäure hingegen rechtsdrehend (9). Ferner hat man die Bildung von Acetaldehyd bei der Oxydation von Milchsäure und die quantitative Bestimmung des Aldehyds herangezogen (10). Im Licht zerfällt bekanntlich Milchsäure gleichfalls in Acetaldehyd und Kohlensäure, und auch Brenztraubensäure ist unter den Spaltungsprodukten. In allen Fällen läßt sich Acetaldehyd qualitativ leicht nachweisen, indem man als Reagens Filtrierpapierstreifen benützt, die erst mit 10% Nitroprussidnatrium getränkt und dann mit 5% Piperazin befeuchtet wurden. Acetaldehyd gibt damit eine blau- violette Färbung, die sonst nur noch mit Propionaldehyd erzielbar ist (11). Als Material der Milchsäuregärung sind allgemein die vier gärungs- fähigen Hexosen: Glucose, Fructose, Mannose und Galactose anzusehen, doch sind viele Fälle bekannt, in denen auch Hexite, wie Mannit, ferner Pentosen und Methylpentosen (Rhamnose) unter reichlicher Bildung von Milchsäure umgesetzt werden. Es scheint, als ob noch verschiedenartige Prozesse unter dem Begriffe der bacteriellen Milchsäuregärung zusammen- gefaßt würden. Dafür spricht auch der Umstand, daß die Milchsäuremikroben nicht wahllos Glucose, Mannit und Pentosen verarbeiten, sondern z. B. Bac. bulgaricus wohl Glucose und Galactose vergärt, nicht aber Mannit (12). 1) H. KÜHL, Pharm. Ztg., ss, 120 (1909). — 2) J. Behrens, zit. von Beijerinck, Zentr. Bakt. II. p, 21 (1902). — 3) A. Ch. Vournasos, Ztsch. an- gewandt, ehem., 15, 172 (1902). — 4) W. Croner u. Cronheim, Berlin, klin. Woch.schr., 42, 1080 (1905). W. Thomas, Ztsch. physiol. Chem., 50, 540 (1907). — 5) C. Reichard, Pharm. Zentr. Halle, 53, 1 (1912). — 6) R. O. Herzog, Lieb. Ann., J5^ 263 (1907). G. Deniges, BuU. See. Chira. (4), 5. 647 (1909). — 7) H. S. Raper, Journ. of Physiol., 32, 216 (1905). — 8) Effront, Compt. rend., 154, 1296 (1912). — 9) Vgl. u. a. S. Suzuki u. Hart, Journ. Amer. Chem. Soc, j/, 1364 (1909). — 10) O. v. Fürth u. Charnas, Biochem. Ztsch., 26, 199 (1910). E. Jerusalem, Ebenda, 12, 361, 379 (1908). W. Sobolewa u. Zaleski, Ztsch. physiol. Chem., 6g, 441 (1910). J. Mondschein, Biochem. Ztsch., 42, 91, 105 (1912). — 11) D. Ganassini, BoU. Chim. Farm., 48, 785 (1909); Giom. Farm. Chira., 61, 540 (1912). — 12) Bertrand u. Duchacek, Compt. rend., 14S, 1338 (1909); Biochem. Ztsch., 20, 100 (1909). § 4. Milchsäuregärung. 343 Glycerin wird gleichfalls von manchen Milchsäuremikroben verarbeitet. Die künstlich dargestellten Hexosen und höherwertigen Zucker sind bisher hinsichtlich ihrer Eignung noch nicht geprüft worden. Eine Zusammen- stellung der vergärbaren Substanzen hat Weigmann(I) verfaßt. Zahlreiche Angaben sind in den Arbeiten von Pere, Kayser, Grimbert (2) sowie be- zügHch Bac. bulgaricus bei Bertrand und Duchacek enthalten. Aus der nachfolgenden Tabelle Kaysers geht hervor, welche Art von Milchsäure von dem betreffenden Bacterium aus den Kohlenhydraten gebildet wurde: •£•33333 = = = .2 cnW= 3 ^ ^ ? := S T. = ? ^ 2 X I I I I ^ « ||:|-c « |g«|«tg:g.|=.| äs e« rt CS ca d S ■" SlJ rt £ i< 3 m 'S 45 'S ^ M M P5 n pqcqS (üW M M «*^.2«.o Arabinose in Seinewasser, Pepton 1 . . Xylose, Pepton 1 . . Mannit, Malzkeiminfus 1 . . Glucose, „ 1 1 1 1 1 r. i 1 r r 1 i+1 1 1 Fructbse, ,, 1 ... i .... 1 . . Galactose, ,, 1 1 . . . 1 . i Maltose, Bierwürze 11. . . i r 1 i i i i ,, Peptonwasser 1 . . Milchzucker, peptonisierte Milch .1 . 1 1 r . 1 r i 1 . . 1 ,, Malzkeiminfus i . . . 1 . . 1 Saccharose ,, 1 . . . i . r . 1 1 i i Melezitose, Peptonwasser 11.. Trehalose, „ 1 . . Stärke, Malzkeiminfus 11.. Bact. Bischleri (eine coli sehr ähnliche Form) verarbeitet nach Nencki(3) Glycerin zu i-Milchsäure, Bact. coli aber zu d-Säure. Ein Milchsäurebacillus von Benedix (4) verarbeitete unter Darreichung von Pankreaspulver Xylose leicht, etwas weniger gut Rhamnose, noch weniger gut Arabinose, gar nicht Saccharose. Ein Bacillus von reifen Birnen, welchen Täte (5) untersuchte, bildete aus Dextrose und Mannit 1-Milchsäure, aus Rhamnose i-Säure. Über die Milchsäurebacterien aus Brennereimaischen und Brau- produkten finden sich ferner Angaben bei Henneberg (6). Dies möge ge- nügen, um die obwaltenden hochgradigen Verschiedenheiten zu illustrieren. Nach Kayser werden im günstigsten Falle 95% des zugesetzten Zuckers in Milchsäure gespalten. Es finden sich jedoch bei den Milchsäure- gärungen alle möglichen Verhältnisse bezüglich der Milchsäuremenge, bis zu ganz geringen Mengen herab. Daneben treten als Gärungsprodukte auf: Äthylalkohol, Essigsäure, Bernsteinsäure, Ameisensäure, Aceton, ferner Kohlensäure; auch Wasserstoff und Methan wurden bei Milchsäuregärern gefunden, so beim Bacterium lactis aerogenes, nach Baginsky (7), welches aus Milchzucker Essigsäure, Aceton, COg, CH4, Hg, etwas Milchsäure bilden 1) Weiqmann, Lafars Handb., 2, 91. — 2) Pere, Sog. Biol. (1896), p. 446; Ann. Inst. Pasteur, 6, 512 (1892); 7. 737 (1893); 12, 63 (1898). E. Kayser, Ebenda, 8, 737 (1895). L. Grimbert, Ebenda, 10, 708; Soc. Biol. (1896), p. 260. — 3) M. Nencki, Zentr. Bakt., p, 304 (1891). — 4) E. Benedix, Zentr. Bakt. II, 6, 503 (1900). — 5) G. Täte, Journ. Chem. Soc. (1893), /, 1263. — 6) W. Henneberg, Woch.schr. Brauerei, 18, Nr. 30 (1901); Zentr. Bakt. II, 8, 184 (1902). — 7) A. Ba- ginsky, Ztsch. physiol. Chem., 12, 434; 13, 353 (1888). 344 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. soll. Es ist sehr schwierig, das G^ebiet der Milchsäuregärung scharf abzu- grenzen. Zur Illustration des Stoffwechsels bei Milchsäuregärung mögen die Angaben von Grimbert(1) über den fakultativ anaeroben Friedländer- schen Pneumoniebacillus dienen, welcher auf vielen Nährböden 1-Milch- säure bildet. 100 g von: gaben als Stoffwechselprodukte: g Alkohol Essigsäure 1-] Milchsäure 3 Bernsteinsäure Traubenzucker. . . Spur 11,06 58,49 — Galactose . .... 7,66 16,60 53,33 — Arabinose — 36,13 49,93 — Saccharose .... Spur 29,53 43,50 wenig Maltose 35,53 wenig nicht >) bestimmbar Mannit . . 11,40 10,6 36,63 — Dulcit . . . . . . 29,33 9,46 — 21,63 Glycerin 10,0 Spur und 11,82 27,32 — Dextrin etwas höhere ! 10,13 13,96 Alkohole Kartoffeln ■ • • ' Vorhanden, doch nicht bestimmbar " nicht bestimmt Lactose in destill. n Wasser . 16,66 30,66 Spur 26,76 „ in 2% Pept. 15,0 19,53 ,, 30,73 „ in Salzlös. u .2% Pept. 13,33 21,36 >> 23,16 Für eine Reihe von Produkten, die häufig bei Milchsäuregärung er- scheinen, wie Äthylalkohol, Ameisensäure, Essigsäure und Propionsäure, liegt die Möglichkeit sehr nahe, daß sie aus Milchsäure durch sekundäre Um- setzungen entstanden sind. Nach Raper(2) entstehen in der Tat bei der Behandlung von Calciumacetat mit fixem Alkali oder Magnesia Ameisen- säure, Essigsäure, Propionsäure, Butter- und Isobuttersäure und höhere ungesättigte Säuren. Manche Formen von Gärung lassen soviel Propion- säure entstehen, daß man von einer Propionsäuregärung gesprochen hat. Dies tut namentlich das von Freudenreich studierte Bact. acidi propionici aus Milch (3). Verbreitet ist die Bildung von Bernsteinsäure, bei der man nicht sagen kann, ob sie einem Umsätze von Zucker entstammt oder anderweitige Quellen hat. Man sondert sie in den Gärungsprodukten von der Milchsäure ab durch Herstellung der Barytsalze (4). Essigsäure soll nach Bartel (5) besonders unter ungünstigen Wachstumsbedingungen entstehen, doch sind gewiß auch spezifische Differenzen nicht ausgeschlossen, da von coh an- gegeben wird, daß er ein besserer Essigsäurebildner ist als Bac. typhi (6). Eine Form der Milchsäuregärung soll nach Draggendorff (7) Mannit 1) L. Grimbert, See. Biol. (1896), p. 192, 684. — 2) H. S. Raper, Journ. of Physiol., 32, 216 (1905). — 3) E. v. Freudenreich u. O. Jensen, Zentr. Bakt. II, 17, 529 (1906). A. Wolff, Ebenda, 34, 494 (1912). — 4) Guerbet, Sog. Biol., 60, 168 (1906). — 5) Bartel, Zentr. Bakt. II, 6, 417 (1900). — 6) F. Duchacek, Biochera. Zentr., 4, Nr. 1223. — 7) Draggendorff, Arch. Pharm., 12, 47 (1879). § 4. Milchsäuregärung. 345 liefern. Hinsichtlich der quantitativen Schwankungen der gebildeten Milch- säure sei auf die Untersuchungen von Schierbeck (1) verwiesen. Auch bezüghch der gebildeten gasförmigen Produkte herrschen große Verschiedenheiten, die teilweise sicher artspezifischer Natur sind. So bildet die Sammelart Bac. lactis aerogenes meist ziemHch reichHch Gas, während die Formen des Streptococcus lacticus sehr schwache Gasbildner sind. Den Hauptbestandteil des entwickelten Gases pflegt COg darzustellen; außer- dem wird Wasserstoff gebildet. Micrococcus Sornthalii von Adametz (2) bildet etwa ®/4 der produzierten Gase an COg und 1/4 an H2. Bei Bact. coU amindohcum werden die beiden Gase nach Lembke (3) in dem Verhältnisse 3:5 formiert. Bact. coli anaerogenes bildet gar kein Gas. Obwohl es bisher nicht gelungen ist, aus Milchsäurebacterien einen auf Zucker im Sinne der Milchsäuregärung wirksai^eji Preßsaft zu er- halten und mit dem zellfreien Preßsaft nach Analogie der Zymase Gärungsversuche anzustellen, so dürfte es doch als sicher betrachtet werden können, daß die Milchsäuregärung der Glucose ein enzymatischer Vorgang ist. Buchner und Meisenheimer(4) haben gleichzeitig mit ihren erfolglosen Versuchen, einen wirksamen Preßsaft aus den Bacterien zu gewinnen, Dauerpräparate durch die Acetonmethode aus Bacillus Delbrückii hergestellt, welehe imstande waren, Milchsäure aus Zucker zu bilden. Herzog hat gleichfalls über positive Versuche in dieser Richtung Mitteilung gemacht (5). Nur bei tierischen Organen gelingt es nach Stoklasa(6) Preßsäfte zu gewinnen, welche aus Zucker Milchsäure bilden. Durch Chloroform läßt sich an lebenden Bacterien geradesowenig die Milchsäuregärung von den übrigen Lebenserscheinungen trennen, wie es bei der Alkoholgärung möglich ist. Natürlich darf man dies nicht als ein Gegenargument gegen die Enzymtheorie der Milchsäuregärung benützen (7). Vielleicht ist auch die Beobachtung von Chassevant und Richet(8), wonach verdünnte Metallsalzlösungen die Vermehrung der Milchsäuremikroben schon sistieren, wo sie die Gärung noch gar nicht beeinflussen, für die Enzymtheorie mit ins Treffen zu führen. Das frag- liche Milchsäure bildende Enzym hat bereits verschiedene Namen er- halten: von Buchner als Lactacidase, von Stoklasa als Lactolase be- zeichnet, von Malvezin(9) wieder als Pastorase benannt, entbehrt es noch immer einer rationellen Benennung, wie sie der üblichen Enzym- nomenklatur entsprechen würde. Vielleicht wäre „Glucolactacidase" ein zutreffender Ausdruck. Da nach Embden(10) im Tierkörper leicht aus Glycerinaldehyd und ebenso aus Dioxyaceton Milchsäure gebildet wird, und nach Oppen- heimer (11) der gleiche Vorgang durch Natronlauge erzielbar ist, so wäre daran zu denken, daß die Überführung der Glucose in Milchsäure auf dem Wege über Triosen erfolgt, aus denen Methylglyoxal und Milchsäure hervor- 1) N. P. Schierbeck, Arch. Hvg., 38, 294 (1901). — 2) S. Adametz, Zentr. Bakt. II, /, 465 (1895). — 3) W. Lembke, Arch. Hyg., 27, 384 (1897). — 4) E. Büchner u. Meisenheimer, Lieb. Ann., 34g, 125 (1906); Ber. Chem. Ges., 36, 634 (1903); jhy8iol. Chem., 40, 1G7 (1903). — 3) Büchner, Zymasegärung (1903). Wroblewski, Jouru. prakt. Cbem., 64, 1 (1901). — 4) F. RÖHMANN, Ber. Chem. Ges., 27, 3251 (1894). — 5) Pantanelli, Accad. Line. Rom. (5), 75, I, 587 (1906). Visser, Ztsch. physik. Chem., 52, 257 (1905). — 6) Prings- heim u. Zemplen, Ztsch. physiol. Chem., 62, 307 (1909). G. E. Ritter, Biochem. Ztsch., 42, 1 (1912). — 7) Wroble^vski, Ber. Chem. Ges., j/, 1130 (1898). — 8) O'Sullivan u. Thompson, Journ. Chem. Soc (1890), /, 834. — 9) Euler u. Kullberg, Ztsch. physiol. Chem., 73, 335 (1911). Eüler, Lindbero u. Melander, Ebenda, 69, 152 (1910). — 10) C. S. Hudson, Ztsch. Ver. deutsch. Zuckerindustr. (1910), p. 526; Journ. Amer. Chem. Soc, jo, 1564 (1908). — 11) E. Salkowski, Ztsch. physiol. Chem., j/, 305 (1900); 61, 124 (1909). 23* 356 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. an Stickstoff und Asche hat man unter Einhaltung dieser Methoden sehr bedeutend herabgedrückt, so daß Matthews und Glenn (1) in ihren aktivsten Präparaten nur 2,2% N und 1% Asche, hauptsächUch PO4, Euler sogar nur 0,36% N und 2,07% Asche konstatierten. Dabei erreichte das EuLERsche Präparat in einer Mischung von 0,05 g Enzym auf 5 ccm 0,5 norm. NaH2P04 und 20 ccm 20%ige Saccharose bei 20^ den Nullpunkt der Polarisation in 14 Minuten. Ein großer Antöil der so dargestellten Invertinpräparate be- steht jedoch aus einem gummiartigen Kohlenhydrat, das bei der Hydrolyse Mannose liefert, so daß beim Kochen 70% reduzierender Zucker entstehen. Dieses Mannan (2) scheint an der Invertmwirkung direkt nicht beteihgt zu sein, obwohl von Masuda angegeben wird, daß gummihaltige Präparate stärker wirksam waren und man eine gewisse Aktivierung durch den Mannan- zusatz erreichen konnte (3). Wenngleich eine Reihe von Forschern, wie OsBORNE, KÖLLEj Salkowski und Euler (4), der Ansicht zuneigen, daß das Invertin kein Proteinstoff sein dürfte, so berichten wieder andere, dar- unter in letzter Zeit auch Matthews und Glenn, daß die Präparate solange aktiv sind als sie Eiweißreaktionen zeigen, insbesonders jene auf die Tyrosin- gruppen (5). Die Beobachtung von Panzer (6), daß gasförmiger HCl von Invertin gebunden wird, wobei das Ferment seine Wirksamkeit verUert, läßt keine bestimmten Schlüsse zu. Erwähnt sei noch, daß O'Sullivan und Thompson ihre Invertinpräparate in sieben Fraktionen zerlegten, welche „Invertane" eine Reihe von ebensoviel homologen Stoffen von ver- schiedenem N-Gehalt und Kohlenhydratgehalt darstellen sollten. Nach Michaelis (7) ist Invertin ein amphoterer Elektrolyt, hat aber doch bei der Kataphorese ausgesprochenen Säurecharakter, mehr als alle anderen untersuchten Enzyme (8). Es wird von elektronegativen Adsor- benti(/n, wie Kaolin, Mastix, AsgSg, gar nicht, hingegen von Eisenhydroxyd und Tonerdehydrogel stark adsorbiert (9). Erikson(IO) fand, daß Kohle Invertin stark adsorbiert, und daß das an Kohle gebundene Enzym noch bis zu einem gewissen Grade wirksam ist. Die Hemmung fiel stärker aus, wenn das Enzym vor dem Zufügen des Rohrzuckers einige Zeit bereits mit der Kohle in Berührung gestanden war. Einige Elektrolyte, wie Ammonium- chlorid und Magnesiumsalze fördern Invertin ausgesprochen, während Kahum- chlorid stark hemmt (11). Verdünnte Säuren aktivieren alle Invertinpräparate energisch, und zwar liegt nach Michaelis ein breites Säure-Optimum ent- sprechend einer H"-Ionenkonzentration von 5,6-10-^ bis 2,2-10-* oder nach SöRENSEN bei pjj 5,25—3,67. Für das Aspergillusinvertin berechnete Kanitz(1 2) die optimale Konzentration mit ^/aooo—Vaoo Normal oder H'-Ionenkonzen- tration von 3,3 • 10-* bis 3,3 • 10-^. Da Invertin amphoter ist, so nimmt Hud- 1) A. P. Matthews u. Glenn, Journ. Biol. Chem., 9, 29 (1911). — 2) Sal- kowski, 1. c. OSHIMA, Ztsch. physiol. Ghera., 36, 42 (1902). Wroblewski, 1. c. Hafner, Ztsch. physiol. Chem., 42, 1 (19Ü4). — 3) N. Masuda, Ebenda, 66, 145 (1910). — 4) W. A. OsBORNE, Ztsch. physiol. Chem., 28, 399 (1899). Eölle, Ebenda, 29, 429 (1900). Salkowski, 1. c. Euler, Ebenda, 69. — 5) Vgl. auch Wroblewski, 1. c. — 6) Th. Panzer, Ztsch. physiol. Chem., 82, 377 (1912). — 7) L. Michaelis u. Davidsohn, Biochem. Ztsch., 35, 386 (1911). — 8) Michaelis, Ebenda, 16, 81 (1909). V. Henri, Ebenda, p. 473. ~ 9) Michaelis, Ebenda, 7, 488 (1908). — 10) A. Erikson, Ztsch. physiol. Chem., 72, 313 (1911). — 11) F. Heffter, Zentr. Physiol. (1909), p. 295. Für Mg.: J. Tribot, Compt. rend., 14S, 788 (1909). PO4: Euler u. Kullberg, Ztsch. physiol. Chem., 71, 14 (1911). — 12) A. Kanitz, Pflüg. Arch., wo, 547 (1903); Biochem. Ztsch., 37, 50 (1911). Ferner Euler u. Beth af Ugglas, Ztsch. physiol. Chem., 05, 124 (1910). Früher Kjeldahl, Medd. Carlsbcrg (1881). Fernbach, Fermi, l. c. § 6. Verarbeitung von zusammengesetzten Zuckerarten und Glucosiden. 357 S0N(1) an, daß es Säure Verbindungen und Alkaliverbindungen liefern kann, wobei die Säure-Invertinverbindungen besonders wirksam sind. Bei der Säurewirkung tritt nach den Untersuchungen von Bertrand und Rosen- blatt auch der Einfluß des Anions deutlich hervor, so daß sich die Säuren in eine Reihe ordnen lassen, welche nicht ganz mit der Abstufung der elektro- lytischen Dissoziation übereinstimmt (2). Aspergillusinvertin besitzt für einige Säuren ein anderes Optimum als Hefeinvertin, für manche Säuren aber dasselbe, was sich wohl aus der Anionenwirkung erklären ließe. Starke Säuren zerstören das Invertin ebenso wie starke Alkalien und Hudson fand, daß diese Reaktionen sich nach dem unimolekularen Gesetze vollziehen. Für Invertin aus Takadiastase fanden Bertrand und Rosenblatt das Säureoptimum bedeutend tiefer, schon sehr nahe der Hehanthin-Neutralität. Manche Bacterieninvertine sollen nach Fermi noch bei alkahscher Reaktion wirken, doch ist sonst allgemein der hemmende Einfluß von OH'-Ionen sehr intensiv. Kleine Zusätze von Kalkhydrat sind stark hemmend (3). OH'-Ionen in der Konzentration von 1 • 10-*^ wirken nach Euler bei 50° fast augenbhckHch hemmend. In Hefeextrakt finden sich vielleicht nach Pavy und Bywaters außer der aktivierenden Säure noch andere bisher nicht sicher gestellte Invertin aktivierende Substanzen (4). Die Inaktivierung des Invertins durch Alkohol wurde von Hudson (5) erschöpfend untersucht. Hier ist dargelegt, wie die Alkoholwirkung nicht proportional, sondern in einem logarithmischen Abhängigkeitsverhältnis mit der Konzentration zu- nimmt, und wie die Reaktion der Zerstörung einer unimolekularen Reaktion entspricht, mit einem Maximum bei 50%. Darüber hinaus wird das Invertin ausgefällt. Sowohl bei der Alkoholeinwirkung als auch besonders bei der Alkahwirkung tritt die Schutzwirkung von Zucker auf Invertin nach Hudson eklatant hervor. Andere inaktivierende Einflüsse sind in neuerer Zeit von Euler (6) studiert worden, ohne daß sich im allgemeinen bedeutsame Befunde ergeben hätten. Interessant ist der Umstand, daß obwohl Invertin gegen Chloroform, Toluol, Thymol in Lösung nicht raerkhch empfindhch ist, das Enzym innerhalb der lebenden Moniliazellen doch durch diß genannten Narkotica gehemmt wird. Gegen Gifte ist Invertin recht empfindhch. Das Temperaturgesetz des Invertins wurde von Euler (7) neuerdings aus- führüch behandelt. Nach diesen Angaben wird bei 63 ±0,2^ in ^ Stunde die Hälfte des Invertins zerstört. Natürhch wirken in längerer Zeit schon beträchtUch niedrigere Temperaturen schädUch. Reines Invertin wird in wässeriger Lösung bei höherer Temperatur viel rascher zerstört als es in Gegenwart von Kohlenhydraten der Fall ist, welche als ausgezeichneter Schutz des Enzyms dienen. Konzentriertes, sehr aktives Invertin wirkt nach Hudson (8) selbst bei O'' fast momentan. Die Lichtwirkungen auf In- vertin wurden in neuerer Zeit durch Jodlbauer (9) behandelt, wobei auch die 1) C. S. Hudson, Joum. Amer. Chem. Soc, 32, 774, 985, 1220 (1910). — 2) G. Bertrand u. Rosenblatt, Compt. rend., 153 1515 (1911); 154, 837 (1912); Bull. Soc. Chira. (4), //, 176 (1912); Ann. Inst. Pasteur, 26, 321 (1912). Fr. Sto- ward, Biochem. Joum., 6, 131 (1911). — 3) Bourquelot u. Herissey, Soc. Biol. (1903), p. 176. — 4) Pavy u. Bywaters, Joum. of Physiol., 41, 168 (1910). — 5) C. S. Hudson u. Paine, Journ. Araer. Chem. Soc, 32, 985, 1350 (1910). ^— 6) Euler u. Kullberg, Ztsch. physiol. Chem., 73, 93 (1911); 71, 14 (1911). Alt. Lit.: MoRAT, Soc. Biol. (1893), p. 116. Kjeldahl, I. c. Bokorny, Chem. -Ztg. (1901), p. 502. DüCLAUx, Ann. Inet. Pasteur, // (1897). — 7) Euler u. Beth af Ugglas, Arkiv f. Kemi, 3, Nr. 30 (1910); Ztsch. physiol. Chem., 65, 124 (1910). Euler u. Kullberg, Ebenda, 71, 14, 134 (1911). Hudson u. Paine, 1. c. — 8) Hudson, Joum. Amer. Chem. Soc, j/, 655 (1909). — 9) A. Jodlbauer, Biochem. Ztsch., j, 488 (1907); Münch. med. Woch.schr., 5J. 653 (1906). 358 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Wirkung der fluorescierenden Farbstoffe Berücksichtigung fand. Auch hier trat die schützende Wirkung zugesetzter Kohlenhydrate hervor. Bei der Untersuchung der Kinetik der enzymatischen Rohrzucker- inversion hat man zu beachten, daß zunächst die a-Modifikationen der Glu- cose und Fructose entstehen, welche sich je nach den Versuchsbedingungen mit größerer oder geringerer Geschwindigkeit zu den /^-Modifikationen mit beständiger Drehung umlagern. HuDSON hat ein Verfahren angegeben, um mit Hilfe von AlkaHzusatz diese Umlagerung momentan eintreten zu lassen. lOccm einer 0,2 mol. Lösung von NagCOa ^u 100 ccm Zucker bei 30° zugesetzt, bedingt binnen 7 Minuten konstante Drehung. So kann man unabhängig von der Hexosenumlagerung feststellen, daß die Rohrzucker- spaltung einen unimolekularen Verlauf besitzt (1). Die günstigste Konzen- tration des Rohrzuckers, bei der man in kürzester Zeit den größten Umsatz erzielt, ist nach O'Sullivan und Thompson 20%. Verdünntere Lösungen sind erheblich ungünstiger und konzentriertere nur wenig günstiger. Bei 48% Saccharose hört die Wirkung praktisch auf, ohne daß das Enzym zerstört wird (2). Die früher verschieden lautenden Angaben über das Ab- hängigkeitsverhältnis von Wirkung und Rohrzuckerkonzentration erledigen sich nach den Erfahrungen von Henri und Achalme (3) dadurch, daß in viscösen Medien tatsächhch Proportionalität zur Zuckerkonzentration besteht, in reiner Zuckerlösung aber nicht. Ob in ganz konzentrierten Invertzuckerlösungen eine Synthese von Rohrzucker durch Invertin eintritt ist nicht sicher bekannt. Dafür könnte sprechen, daß in jenen Dattelvarie- täten, welche nur Invertzucker enthalten, kein Invertin vorkommt, während sich in den saccharosehaltigen Varietäten Invertin findet (4). Pantanelli(5) nimmt jedoch an, daß die Rohrzuckersynthese nicht durch Invertin, sondern durch ein selbständiges Enzym, die Revertase, bedingt ist. Der Einfluß der Hefemenge auf die Inversionsgeschwindigkeit ist nach Eüler nicht ein- fach durch eine Proportionahtät definiert, doch sind hier weitere Unter- suchungen nötig (6). Quantitative Bestimmungen von Invertin sind von Euler (7) vorgenommen worden. Umgekehrt kann man natürlich die In- vertinwirkung auch bei der quantitativen Saccharosebestimmung ausnützen, wofür Hudson Vorschriften gegeben hat (8), Die Wirkungssphäre des Invertins erstreckt sich lediglich auf die Bindung der Fructose im Rohrzucker und in höheren Polysacchariden, wie Raffinose, Gentianose, Stachyose, Verbascose (9). Doch ist die Wirkung auf die genannten höheren Zucker bedeutend langsamer als auf Saccharose, so daß nach Bourquelot in derselben Zeit wo Rohrzucker völlig gespalten war, nur 32% der Raffinose, 25,5% der Gentianose, 11,1% der Stachyose und noch weniger von der Verbascose hydrolysiert war. Dies kann an stcrischen Hemmungen durch die entstehenden Doppelzucker, oder selbst durch ein- fache Zucker liegen. Die frühere Ansicht, daß Amygdalin durch Invertin 1) Hudson, Journ. Amer. Chem. See., jo, 1160 (1908). Euler u. Kull- BERG, Ztsch. physiol. Chem., 7/. 14 (1911). — 2) Bokorny, Chem.-Ztg., 27. 1106 (1903); Zentr. Bakt. II, 12, 119 (1904); 14, 527 (1905). — 3) V. Henri, Compt. rend., 142, 97 (1906). P. Achalme u. Bresson. Ebenda, 152, 1420 (1911). — 4) A. E. ViNSON, Botan. Gaz., 43, 393 (1907). — 5) E. Pantanelli, Rend. Accad. Line. Roma (5), 15, I, 587 (1906); Ebenda, 16, II, 419 (1907); Ber. Botan. Ges., 26, 494 (1908). — 6) Euler u. Kullberg, Ztsch. pliysiol. Chem., 7h 23 (1911). —7) Euler, Arkiv f. Kemi, j, Nr. 30 (1910). — 8) Hudson, Journ. Industr. and Eng. Chem., 2, 143 (1910). — 9) E. Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 152, 1060 (1911); Journ. Pharm, et Chim. (7), j, 569 (1911). § 6. Verarbeitung von zusammengeaetzten Zuckerarten und Glucosiden. 359 angegriffen wird, scheint nicht korrekt zu sein(1), und es ist offenbar ein anderes Enzym im Hefeextrakt vorhanden, welches auf AmygdaHn einwirkt. Selbst a-Äthylglucosid wird nach Bourquelot durch Invertin nur bei untergäriger Hefe angegriffen, so daß es auch für dieses Glucosid zweifelhaft ist, ob das Invertin selbst beteiligt ist. So bedarf die Wirkung des Invertins auf glucosidische Bindungen einer erneuten Untersuchung, und vor Erledi- gung dieser Frage kann auch die Streitfrage bezüglich der synthetischen Wirkung auf Invertzucker nicht entschieden werden. Das tierische Invertin im Darmsaft unterscheidet sich nach Bierry (2) von dem Hefeinvertin dadurch, daß es durch Ausdialysieren unwirksam wird, während Pilzin vertin auch im elektrolytfreien Zustande wirksam bleiben soll. Im übrigen ist die Frage nach der Verschiedenheit und Identität der ein- zelnen Invertine noch nicht spruchreif. Verarbeitung der Maltose spielt im Leben der Pilze und Bac- terien eine ebenso große Rolle wie die Rohrzuckerverarbeitung, und dem- entsprechend sind Maltose hydrolysierende Enzyme außerordentlich ver- breitet. Man bezeichnet sie als Maltase, früher auch weniger gut als „Glucase" oder „Maltoglucase". Bei Bacterien wurde in den mehrfach zitierten Untersuchungen von Grimbert, Kayser, Frankland u. a. Resorption von Maltose verbreitet festgestellt, darunter auch bei anaeroben Formen (3). Das von M. Ward und Green (4) untersuchte Zucker- bacterium griff hingegen Maltose nicht an. Von den höheren Pilzen sind als Maltose spaltend und verarbeitend bekannt die Arten von Asper- gillus und Penicillium (5), Allescheria Gayoni(6), Hormodendron hordei(7), sodann Phycorayces nitens, für den Maltose entschieden die beste Zucker- art darstellt (8), Endomyces (9), und endlich wurde Maltose spaltende Wirkung am Gewebssaft verschiedener Hutpilze durch Zellner (10) be- obachtet. Weniger gut wird nach Herzberg durch Ustilago-Arten Mal- tose ausgenützt (11). Mucor Rou.kü wurde von Wehmer als Maltose spaltend und verarbeitend erkannt (12). In der Kulturflüssigkeit von Asper- gillus fand Bourquelot ein auf Maltose wirksames Enzym ausgeschieden, und von der aus Aspergillus Oryzae bereiteten Takadiastase ist es be- kannt, daß sie ein kräftig Maltose spaltendes Enzym enthält (13). Hier dürfte es sich wohl um Sekretionsmaltase handeln. Die interessantesten Verhältnisse bieten die Hefen bezüglich der Maltose dar. Unter den Sproßpilzen sind nicht viele, welche Maltose ungespalten zurücklassen. Die Bier- und Weinhefen (14), ferner Willia anomala(l5^ sind alle gute 1) Bourquelot u. Herissey, Journ. Pharm, et Chim. (7), 6, 246 (1912). L. Marino u. Sericano, Gazz. chim. ital., 37, I, 45 (1907) halten an der älteren An- sicht fest. — 2) H. Bierry, Biochem. Ztg., 44, 415 (1912). — 3) Grimbert, Ann. Inst. Pasteur, 7, 353 (1893); Soc. Biol. (1897), p. 962. Frankländ, Stanley u, Frew, Journ. Chem. Soc. (1891), /, 253. Ferner J. Brückner, Soc. Biol, 64, 765 (1908). Watabiki, Journ. Med. Research, 20, 365 (1909). — 4) M. Ward u. Green, Proceed. Roy. Soc, 64, 65 (1899). — 5) Bourquelot, Compt. rend., 97, 1000 (1883); Bull. Soc. Mycol., 9, IV (1893); Journ. Pharm, et Chim. (6), 2, 97 (1893). Für Asp. Oryzae: Kellner, Mori u. Naoaoka, Ztsch. physiol. Chem., 14, 297 (1890). Ek- man, Finska Vet. Soc. Förh., 5J, Nr. 16 (1910). — 6) Laborde, Ann. Inst. Pasteur, //, 1 (1897). — 7) Brühne, Zopfs Beitr., 4, 1 (1894). — 8) P. Lindner, Zentr. Bakt. II, 35, 304 (1912). — 9) L. Rose, Wochschr. f. Brauerei, 27, 525 (1910). — 10) J. Zellner, Monatsh. Chem., 30, 655 (1910). — 11) Herzberg, Zopfs Beitr., j. 1 (1895). — 12) Wehmer, Zentr. Bakt. II, 6, 353 (1900). Went u. Prinsen Geerligs, Koch Jaliresber. (1894), p. 152. — 13) Bourquelot, Journ. Pharm, et Chim. (6), 2, 97 (1895). — 14) Lindner u. Saito, Woch.schr. f. Brauerei, 27, 509 (1910). — 15) C. J. BoYDEN, Journ. Amer. Chem. Soc, 24, 993 (1902). 360 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Maltosehefen. Hingegen hat man im S. apiculatus, Ludwigii, exiguus, Zopfii, Marxianus, Kefir (1) Formen kennen gelernt, für welche Maltose unverwendbar ist. Monilia Candida bildet hingegen gleichfalls Maltase, ebenso Torularassen(2); in keinem dieser Fälle wird jedoch die Maltase in die Kulturflüssigkeit sezerniert. oder ist leicht im Hefeextrakt zu er- halten. Sie ist überall ein Endoenzym. Schon Digerieren der lebenden Hefe mit Chloroform oder Toluol bringt etwas Maltase durch das Ab- sterben der Zellen zum Austritt, noch besser erhält man sie durch Zer- reiben oder Auspressen. Maltase ist nach älteren Angaben sowohl als nach den letzten Unter- suchungen von Euler (3) viel empfindlicher als Invertin, und wird schon durch Chloroform und Toluol deuthch gehemmt, auch Hegt das Temperaturoptimum für Maltase nach Lintner und Kröber (3) tiefer als für Invertin. Aspergillusmaltase ist nach HifcRissEY (4) widerstandsfähiger als Hefemaltase. Bei der Einwirkung von Säuren auf die Maltase Wirkung tritt, wie bei Invertin, eine Aktivierung durch geringe Konzentrationen zu- tage, wobei das H-Ion wohl die Hauptrolle spielt, die Anionen jedoch nicht ganz ohne Einfluß sind (5). Die Kinetik der Maltasewirkung haben besonders Henri und Mlle Philoche eingehend behandelt, in deren Arbeiten man auch näheres über die hemmende Wirkung von Glucose und Fructose auf diese Reaktion finden wird (6). Eine Vorschrift zur Herstellung haltbarer Maltaselösungen hat Cr. Hill (7) gegeben. Die Wirkungssphäre der Maltase wurde früher nicht richtig erkannt, bevor man durch die Untersuchungen von Armstrong und seinen Schülern (8) erfahren hatte, daß das Amygdalin spaltende Enzym der Hefe von Maltase verschieden sei. Das Amygdahn spaltende Hefeenzym ist hingegen identisch mit dem auf a-Methylglucosid einwirkenden Hefeenzym, das seinerseits ebenfalls nicht mit Maltase zu ver- wechseln ist. Bresson zeigte, daß Oberhefe a-Methylglucosid spaltet, hingegen Unterhefe nicht, während beide Rassen Saccharose und Maltose vergären. Diese Verhältnisse hat man zu beachten, wenn die von A. Cr. Hill entdeckte synthetische Wirkung der Maltase beurteilt werden soll. Hefe- extrakt, wie er zur Synthetisierung verwendet wurde, enthält offenbar nicht nur Maltase, sondern auch die a-Glucosidase. Wenn dieselbe auf Traubenzucker einwirkt, so entsteht, wie Cr. Hill fand, nicht Maltose, sondern Isomaltose oder das a-Glucosid der Glucose. Bourquelot (9) fand, daß die Maltaseproduktion regulatorisch durch die Art der Kohlenhydraternährung beeinflußt wird, und Went (10) hat für MoniUa sitophila diese Verhältnisse bestätigt. Nicht allein Maltosefütterung 1) Beuerinck, Zentr. Bakt., //, 68 (1892); 15, 49 (1894). E. Fischer u. P. Lindner, Ber. Chem. Ges., 28, 984 (1895). Fischer u. Thierfelder, Ebenda, 27, 2031 (1894). Amthor, Ztsch. physiol. Chem., 12, 563 (1888). Steckhoven, Koch Jahresber. (1891), p. 136. Artari. Ebenda (1897), p. 101. — 2) A. Bau, Ebenda (1892), p. 108. Fischer u. Lindner. Ber. Chem. Ges., 28, 3034 (1895). Went, Koch Jahresber. (1894), p. 152; Jahrb. wiss. Botan., j5, 611 (1901). Für Torula: Hartmann, Woch.achr, f. Brauerei, 20, 113 (1903). — 3) H. Eüler u. Kullbero, Ztsch. physiol. Chem., 73, 85 (1911). Fischer, Ber. Chem. Ges., 28, 1429 (1895). Lintner u. Kröber, Ebenda, p. 1050. Bokorny, Zentr. Bakt. II, 9, 775 (1902). — 4) Herissey, Soc. Biol. (1896), p. 915. — 5) W. Kopaczewski, Ztsch. physiol. Chem., 80, 182 (1912); Biochem. Ztsch., 44, 349 (1912). — 6) V. Henri u. Philoche, Soc. Biol. (Juli 1904). Ch. Philoche, Journ. de Chim. phys., 6 (1908); Compt. rend., 138, 1634 (1904). — 7) A. Cr. Hill, Journ. Chem. Soc, 73, 634 (1898). — 8) Armstrong u. Horton, Proceed. Roy. Soc, 82, B, 349 (1910). Caldwell u. COURTAULD, Ebenda, 79, B, 350 (1907). Bresson. Compt. rend., 151, 485 (1910). — 9) Bourquelot, 1. c. — 10) Went, Jahrb. wiss. Botan., 36, 611 (1901). § 6. Verarbeitung von zusammengesetzten Zuckerarten und Glucosiden. 361 fördert die Maltaseproduktion, sondern auch Raffinose, Dextrin usw., aber nur wenn die angewendete Konzentration keine zu hohe ist. HinsichtUch Verarbeitung von Isomaltose liegen nur einige Angaben für Hefen vor(1). Im allgemeinen wird dieses Disaccharid vergoren, doch viel langsamer als die Maltose, und es gibt selbst Hefen, welche wohl die Maltose, nicht aber Isomaltose angreifen. Als dasjenige Enzym, welches die Isomaltose spaltet, wird am ehesten die a-Glucosidase in Betracht kommen. Die Verarbeitung der Trehalose und die enzymatische Spal- tung dieses Zuckers hat wegen der großen Verbreitung der Trehalose in den höheren Pilzen spezielles Interesse, und es haben Bourquelot und Herissey(2) das allgemeine Vorkommen einer Trehalase in Pilz- geweben gezeigt. Aspergillustrehalase wird erst bei 63° zerstört und kann daher von der leichter zersetzlichen Malfase abgetrennt werden. Sie läßt sich auch aus dem Wasserextrakt des Schimmelpilzes durch Alkohol fällen. Verdünnte Säuren aktivieren auch dieses Enzym. Tre- halosespaltung ist ferner für Monilia durch Went, und für Allescheria Gayoni durch Laborde nachgewiesen. Aus Hefe konnte bisher keine Trehalase isoliert werden (3). Bei Bacterien konnte Kayser für manche Milchsäurebildner Trehaloseverarbeitung nachweisen, während der anaerobe Bac. orthobutylicus nach Grimbert Trehalose unberührt läßt (4). Grün- malzdiastase spaltet nach Befunden von E. Fischer die Trehalose merk- lich, ohne daß entschieden wäre, welches der Enzyme hierbei in Frage kommt. Die Verarbeitung der Melibiose, des aus Raffinose durch Fructoseabspaltung erhaltenen Disaccharides wird von den Brauefeihefen im allgemeinen nicht vollzogen. Nach Bau (5) lassen Oberhefen Meli- biose unverändert, während die Unterhefe Frohberg Melibiose spaltet. Die Melibiase, wie das hier wirksame Enzym genannt wurde, läßt sich mit Wasser aus Frohberghefe auslaugen, doch geht davon nicht viel in Lösung, und es ist besser, die Hefe unter Toluolzusatz mit der Melibiose zu digerieren, wenn man Melibiase feststellen will (6). Meli- biase ist nach Bau (7) gegen chemische Einflüsse widerstandsfähiger als Maltase. Dienert gab an, daß man Hefen an Melibiosedarreichung akklimatisieren kann (8). Bei Aspergillus niger fanden Bourquelot und Herissey(9) Spal- tung und Verarbeitung von Gentiobiose und es wurde als das wirk- same Enzym damals Emulsin angesehen. Die Aspergillusmaceration spaltet ferner nach den Feststellungen von Bertrand und seiner Mit- arbeiter (10) das aus Cellulose darstellbare Disaccharid Cellobiose. Die 1) A. Bau, Woch.schr. f. Brauerei (1894), Nr. 43. C J. Lintner, Ztsch. ges. Brauwesen, 15, 106. Krieger, Koch Jahresber. (1893), p. 146, Prior, Zen^r. Bakt. II, /, 432 (1895). — 2) Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 139. 874 (1904). Lycoperdon: Blanksma, Chera. Weekbl., 10, 96 (1913). — 3) A. Bau, Woch.schr. f. Brauerei (1899), p. 305. Kalanthar, Ztsch. physiol. Chem., 26, 97 (1898). E. Fischer. Ber. Chem. Ges , 27, 1429 (1895). — 4) E. Kayser, Ann. Inst. Pasteur, 8, 737 (1894). Grimbert, Ebenda, 7, 353 (1893). — 5) A. Bau. Chem.- Ztg., 19, 1873(1895). GiLLOT, Chem. Zentr. (1902), //, 811; (1903) /, 242. P. Lind- ner, Woch.schr. f. Braueroi, 28, 561 (1911). — 6) E. Fischer u. Lindner, Ber. Chem. Ges., 28, 3034 (1895); Woch.schr. f. Brauerei (1895), p. 959; Zentr. Bakt. II, i, 889 (1895). — 7) A. Bau, Ztsch. Spiritusindustr., 27, 2 (1904). — 8) Dienert, Compt. rend., 129, 63 (1899). — 9) Bourquelot u. Herissey, Ebenda, jjs, 399 (1902). — 10) G. Bertrand u. Holderer, Compt. rend., 149, 1385 (1909; 150, 230; 151, 402 (1910; Ann. Inst. Pasteur, 24, 180 (1910). Bertrand u. Compton, Compt. rend., 153, 360 (1911); Bull. Soc. Chim. (4), 7, 995 (1910). 362 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilxe. hierbei mitwirkende Cellase ist ein Enzym, welches von Emulsin be- stimmt verschieden ist; sie entfaltet die beste Wirkung bei einer H'- lonenkonzentration von 1 • 10-^. Von Bacterien spaltet Azotobacter die Cellobiose(l). VerarbeitungL von Milchzucker ist nicht nur auf die Mikroben- flora der Milch beschränkt, sondern ist in weitem Umfange bei Bacterien und höheren Pilzen möglich. Die bei der Milchzuckerspaltung mit- wirkenden Enzyme werden als Lactasen bezeichnet. Bei Bacterien ist die Produktion von Lactase direkt noch nicht nachgewiesen, doch muß sie vorkommen, da Milchzucker sehr häufig und glatt verarbeitet wird. In erster Linie sind die zahlreichen Milchsäurebacterien hier zu nennen (2), dann die anaeroben Buttersäuregärer, jedoch nicht die Essig- bacterien, der Bac. boocopricus von Emmerling (3), die von Pool (4) untersuchte Sarcina. Bact. coli vermag sich an die Verarbeitung von Lactose zu gewöhnen (5). Von höheren Pilzen werden als Verarbeiter von Milchzucker angegeben Oidium lactis(e) aber nicht Oidium albicans, manche Torulaarten (7), Allescheria Gayoni (8) und Hormodendron hordei(9). Sodann können sich einige Arten von Rhizopus(lO) sowie Penicillium digitatum(ll) von Milchzucker ernähren. Hingegen wurden Mucor racemosus, Chlamydomucor Oryzae, Ustilago mit negativem Er- gebnis untersucht (12). Milchzucker verarbeiten aber noch Cladosporium(13) und Mucor Rouxii (14). Daß manche Hefen Milchzucker vergären können, wurde schon 1837 durch Hess (15) gezeigt, doch sind die gewöhnlichen Brauerei- und Brennereihefen, wie Fischer und Lindner durch genaue Untersuchungen gezeigt haben (16), nur in ganz vereinzelten Fällen im- stande, Milchzucker zu verarbeiten, und auch Schizosaccharomyces octo- sporus ist nach Beijerinck(17) kein Lactose verarbeitender Pilz. Hin- gegen wirken gut auf Milchzucker ein Sacch. Kefir, tyrocola, fragilis, lactis von Adametz, acidi lactici von Grotenfeld und andere weniger gut bekannte Milchzuckerhefen (18). Da die entstehende Galactose im Ver- gleich zur Glucose nur sehr langsam vergoren wird, so vollzieht sich die Assimilation der Lactose in vielen Fällen nicht unter dem gewöhnlichen Bilde der Hefegärung, sondern der Milchzucker verschwindet allmählich, ohne daß in der Kultur auffällige Erscheinungen wahrnehmbar wären (19). 1) A. Koch u. Seydel, Zentr. Bakt., j/, 567 (1911). — 2) P. Haacke, Arch. Hyg., 42, 16 (1902). Adametz, Zentr. Bakt. II, /, 465 (1895). Margaillan, Compt. rend., 150, 45 (1910). — 3) Emmerling, Ber. Chem. Ges., sg, 2726 (1896). — 4) J. F. Pool, Pharm. Weekbl., 44, 664 (1907). — 5) R. Bürei, Zentr. Bakt. II, 28, 331 (191Ü). Vgl. auch Thaysen, Mitteil. Lebensmitt.-Ünters. u. Hyg., 3, 342 (1912). — 6) Lang u. Freudenreich, Koch Jahresber.( 1893), p. 184. — 7) H. Will, Ztsch. ges. Brauwes., 33, 309 (1910). — 8) Laborde, Ann. Inst. Pasteur, //, 1 (1897). — 9) K. Bruhne, Zopfs Beitr., IV, p. 1 (1894). — 10) Nakazawa, Zentr. Bakt. II, 24, 482 (1909). Hanzawa, Mycol. Zentr., /, 76 (1912). — 11) Ch. Thom, Studies of Spec. of Penicillium Dept. Agric. (Washington 1910). — 12) A. FiTZ, Ber. Chem. Ges., p, 1352 (1876). Went u. Prinsen Geerliqs, Herzberg in ihren mehrfach zitierten Arbeiten. — 13) Grotenfeld, Fortschr. Med. (1889), Nr. 4. — 14) Wehmer, Zentr. Bakt. II, 6, 353 (1900). — 16) H. Hess, Pogg. Ann., 4/, 194 (1837). — 16) E. Fischer u. Thierfelder, Ber. Chem. Ges., 27, 2031 (1894). Lindner u. Saito, Woch.schr. f. Brauerei, 27, 509 (1910). Lindner, Ebenda, 28, 561 (1911). - 17) Bei- JERINCK, Zentr. Bakt. 15, 49 (1894). — 18) Duclaux, Ann. Inst. Pasteur, /, 573 (1887). Adametz, Zentr. Bakt., 5. 116 (1889). Martinaud, Compt. rend., 108, 1067 (1889). Käyser, Ann. Inst. Pasteur, 5. 395 (1891). Schuurmans-Stekhoven, Just Jahresber. (1891), /, 201. BocHiccHio, Zentr. Bakt., 15, 546 (1894). Maze, Ann. Inst. Pasteur, 18, 11 (1903). Heinze u. E. Cohn, Ztsch. Hyg., 46, 286 (1904). — 19) Vgl. Euler u. Palm, Ztsch. physiol. Chem., 81, 59 (1912). § 6. Verarbeitung von zusammengesetzten Zuckerarten und Glucosiden. 363 E. Fischer (1) war der erste, welcher Versuche über die Hefelactase angestellt hat, und bewies, daß sowohl ein wässeriger Auszug aus der mit Glaspulver zerriebenen Hefe als auch die unzerkleinerte Hefe unter Toluol- zusatz auf Milchzucker einwirkt. Eine völlige Trennung der Lactase vom Invertin konnte damals noch nicht erreicht werden. Hefelactase aus Kefir ist resistenter als Hefemaltase und läßt sich aus ihrer wässerigen Lösung mit Alkohol fällen. Ein Acetondauerpräparat aus Milchzuckerhefe vergor in Versuchen von Buchner (2), Lactose ebenso rasch wie Traubenzucker, auf Rohrzucker war es aber nur spurenweise wirksam. Fischer stellte so- dann fest, daß ein Extrakt aus Mandeln den Milchzucker spaltet. In der Folge war es nicht leicht, die Frage zu beantworten, welcher Anteil des Emulsins für die Milchzuckerspaltung in Betracht kommt. Hier war die Beobachtung von BOURQUELOT von Wichtigkeit, daß Enzympräparate aus Aspergillus wohl auf AmygdaUn, nicht aber auf Lactose einwirken (3). Deshalb muß wohl im Mandelextrakt ein Gemisch von mehreren Enzymen vorliegen, was Armstrong sodann endgültig bewiesen hat (4). Nach den Befunden von Armstrong wird Kefirlactase durch Galactose, die Mandellactase hingegen durch Glucose stärker gehemmt. Armstrong unterscheidet daher beide Enzyme als Galactolactase und Glucolactase (5). -Aspergillus soll nach Pottevin (6) durch Kultur auf Lactosenährboden dazu gebracht werden können, ein Lactose spaltendes Enzym zu produzieren. Dann wirkt er auf /5-Methylgalactosid ein. Auf a-Methylgalactosid gezüchtet soll er nur dieses zerlegen. Die Aktivität der Hefelactase wurde von Porcher vergleichend untersucht (7). Bourquelot(8> gelang die Synthese von /S-Äthyl- galactosid durch Kefirlactase. Die EmpfindUchkeit des Enzyms gegen Alkohol und Säuren berühren Angaben von Bokorny (9). Spaltung von Glucosiden ist für die saprophytisch lebenden Bacterien und Pilze bei der großen Verbreitung solcher Stoffe zur Aus- nützung des in abgestorbenen Pflanzen enthaltenen Materials von großer Bedeutung. Dabei kommt es allerdings meist nur auf die Gewinnung des Glucosidzuckers an, da die Paarlinge gewöhnlich nur einen geringen Nährwert haben. Zweifellos werden bei Bacterien glucosidspaltende En- zyme sehr häufig produziert, wenngleich Erfahrungen hierüber erst in geringerer Zahl vorliegen. Fermi und Montesano(IO) fanden einige der von ihnen untersuchten Bacterien auf AmygdaUn wirksam ; bezüglich des Bäct. coli gehen die Meinungen auseinander (11), Typhusbacillen sollen AmygdaUn und Arbutin nicht spalten. Dabei tat es nichts zur Sache, ob anderweitig Zucker geboten war oder nicht. Nach Hinkins(12) wird Triacetylglucose durch Bacterien gespalten. Besser untersucht sind die I) E. Fischer, Ber. Cbem. Ges., 27, 3479 (1894). Dienert, Compt. rend., 12g, 63 (1899). — 2) E. Buchner u. Meisenheimer, Ztsch. physiol. Chem., 40, 170 (1903). — 3) Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 121, 693 (1895); /J7, 56 (1903); Journ. Pharm, et Chim. (1903). Armstrong, Proceed. Roy. Soc, 74, 188 (1904). — 4) Armstrong u. Horton, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 321 (1908). — B) Armstrong u. Horton, I. c. M. Stephenson, Biochera. Journ., ö, 250 (1912). — 6) Pottevin, Ann. In.«rG8HEiM, Ebenda, 26, 222 (1910). 374 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. der Bac. Nenckii von Biernacki auf Malagatrauben gefunden wurde. In- teressant ist die Wirkung von Azotobacter auf Agar in den Beobachtungen von Pringsheim. Gran nannte das hierbei in Betracht kommende Enzym, dessen Wirkung auch vom Leben der Mikroben getrennt sichergestellt wurde, Gelase. Die Wirkungen der Bacterien auf Holz sind nach den vorUegenden Mitteilungen, die noch sehr unzureichend sind, nicht sehr merkUch, doch werden sich wohl noch bessere Beispiele für die bacterielle Holzzersetzung auffinden lassen (1). Das Chitin, welches als Membranstoff der Pilze im Pflanzenreich bedeutungsvoll ist, wird nach Benecke (2) durch ein Meer- wasserbacterium, Bac. chitinovorus, das aber auch auf faulenden Hutpilzen vorzukommen scheint, gelöst und zersetzt. Bemerkt sei, daß durchaus nicht alle Buttersäurebildner Cellulose verarbeiten. Die Wärmetönung aller dieser Zersetzungsprozesse ist relativ sehr gering (3). Bei den höheren Pilzen sowohl saprophytischer als parasitischer Lebens- weise beobachtete man lösende Wirkungen auf Zellhäute infolge der Pro- duktion zellhautlösender Enzyme sehr häufig. Auch hier hat man zwischen Cellulasen, Cytasen und Pectosinasen zu unterscheiden. Cytase ist be- sonders häufig aufzufinden. De Bary (4) machte zuerst darauf aufmerksam, daß die auf vielen Gartenpflanzen parasitisch lebende Sclerotinia Libertiana (Peziza sclerotiorum) so reichhch Cytase erzeugt, daß der Preßsaft aus in- fizierten Rüben deutlich die Zellwände von Fabasamen auflöst. Das Sclero- tiniaenzym läßt sich aus dem Glycerinauszuge von erkrankten Geweben mit Alkohol fällen. Besonders die Mittellamellen, wie es bei der Wirkung parasitischer Pilze die Regel ist, werden von dieser Cytase sehr energisch angegriffen. Später gelang es M. Ward (5), aus einer auf Lilium schma- rotzenden Botrytis gleichfalls eine wirksame Cytaselösung darzustellen, und diese Tatsachen haben sich in neuerer Zeit so sehr gemehrt, daß man Cytase, die auf Mittellamellen und Reservecellulose von Samen wirkt, zu den allgemeinsten Pilzenzymen zu rechnen hat. Ein sehr wirksames cyta- tisches Enzym ist in der Takadiastase aus Aspergillus Oryzae enthalten (6), und andere Aspergillus- und Penicilliumarten wirken in der gleichen Weise (7). Sodann sind solche Enzyme vielfach in Mucorineen: Mucor und Rhizopus, nachgewiesen (8), in Ustilagoarten durch Herzberg und Grüss, in Coprinus- arten von Weir (9). Eine spezielle Wirkung auf Pectinstoffe ist seitens der auf Früchten lebenden Fusarium- und Monihaarten von Bruschi (10) hervor- gehoben worden, und auch Mucor hiemahs, der nach Wehmer (11) haupt- sächhch als Agens bei der Tauröste in Betracht kommt, dürfte reichhch Pectosinase produzieren. Die eigenthche Cellulosezersetzung durch Pilze 1) PasqüAle, Nuov. Giorn. Bot. Ital., 23, 184 (1891). B. MalenkoviÖ, Ztsch. landw. Versuchswes. Österr., 8, 852 (1905); Bakt. Zentr. II, 15, 651 (1906). — 2) W. Benecke, Botan. Ztg. (1905), /, 219. — 3) Vgl. O. Jensen, Zentr. Bakt., 22, .305 (1908). — 4) DE Bary, Botan. Ztg. (1886), p. 419. — 5) M. Ward, Ann. of Botan., 2, 817 (1888). — 6) F. Newcombe, Ann. of Botan., 13, 49 (1899); Botan. Zentr., 73, 105 (1898). — 7) Aspergillus: Wehmer, Zentr. Bakt. II, 2, 140 (1896). Saito, Ebenda, 18, 30 (1907). Penicilliura: MlYOSHl, Jahrb. wiss. Botan., 28 (1895). GRÜSS, Festechr. f. Schwendener (1899), p. 191. M. Ward, 1. c. Schellenberg, 1. c. — 8) Rhizopus: Kean, Botan. Gaz., 75, 173 (1890). Mucor: Schellenberg, Flora, 9S, 257 (1908): Arch. Sei. phys. Genfeve, 20, 574 (1905). — 9) J. R. Weir, Flora, 103, 263 (1911). — 10) D. Brüschi, Atti Acc Line. Roma (5), 21, I, 225 (1912). — 11) C. Wehmer, Ann. Mycol., /, 37 (1903). Hauman, Ann. Inst. Pasteur, 16, 379 (1902). Aspergillus: BouRQUELOT u. Herissey, Joum. Pharm, et Chim. (6), 8, 145 (1898). § 7. Verarbeitung hochzuBamraengesetzter Kohlenhydrate. 375 ist erst in neuerer Zeit besser bekannt geworden. Nachdem Kissling und Behrens auf die Verarbeitung der Gellulose durch Pilzparasiten aufmerk- sam gemacht hatten (1), ist es Kohnstamm und sodann Euler gelungen (2), im Preßsaft von Merulius lacrimans eine Cellulase sicher nachzuweisen und nach Pringsheim kann man ferner im Preßsaft von nicht näher bezeichneten Schimmelpilzen ein derartiges Enzym sicherstellen, welches zu den Endo- enzymen gehören soll (3). Schimmelpilze spielen als Gellulose verarbeitende Organismen im Humusboden sicher eine sehr wichtige Rolle (4). Holzbewohnende Pilze dürften eine ganze Reihe von Enzymen brauchen, um ihr Substrat vollständig aufzuschheßen. Einmal ist es wahrscheinlich, daß die Pentosane des Holzes (Xylan) von diesen Pilzen ausgenützt werden, und für die Xylaria hypoxylon hat Molliard (5) djese Fähigkeit nach- gewiesen. Doch war in den Versuchen von Malenkowic an Reinkulturen von Coniophora cerebella Xylan nur ein mäßig guter Nährstoff (6). Daß die verholzten Zellwände direkt aufgelöst werden, hat schon Hartig gezeigt (7), und es ist eine bekannte Tatsache, daß das angegriffene Holz schon in den ersten Stadien der Veränderung Cellulosereaktionen gibt. Dies dürfte durch eine Abspaltung der aromatischen Paarhnge der Holzsubstanz (Hadromal) Zustandekommen, wobei ein esterspaltendes Enzym, die Hadromase, eine RoJle spielt (8). Sodann wird die abgespaltene Gellulose hydrolysiert (9), eventuell fallen andere vorher verestert gewesene Kohlenhydrate der Zell- haut diesem Schicksal anheim. Schon bei der Keimung der Gonidien scheinen diese enzymatischen Wirkungen nach Freeman zutage zu treten. VAN Iterson(IO) hat gezeigt, daß vor allem Hyphomyceten bei der Gellulose- zersetzung im Erdboden beteiligt sind, und er hat die wirksamen Arten durch Kultur auf Filtrierpapier, welches mit Mineralsalznährlösung befeuchtet und mit Erde geimpft wurde, in reicher Auswahl zu isolieren vermocht. Für die holzzerstörende Tätigkeit der Bodenmikroben hat Majmone(11) gleichfalls in erster Linie Fadenpilze verantwortlich machen können. Agargallerte wird von Pilzen sehr wenig ausgenützt, wie Thom (12) für Penicilliumarten fand. Ob Pilze oder Bacterien bei den Prozessen der Torf- und Kohlenbildung mit beteiligt sind, und in welchem Ausmaße dies der Fall ist, müssen noch künftige Untersuchungen erläutern (1 3). 1) KissLiKG, Hedwigia (1889), p. 227. Behrens, Zentr. Bakt. II, 4, 549 (1898). — 2) Kohnstamm, Beihefte bot. Zentr., lo, 116 (1901). H. Euler, Ztsch. angewandt. Chem., 25. 250 (1912). Biffen, Ann. of Botan., 15, 127 (1901) f. Bul- garia inquinans. — 3) H. Pringsheim, Ztsch. physiol. Chem., 78, 266 (1912) f. Merulius; Woch.schr. f. Brauerei, 27, 222. — 4) D. Carbone, Biochem. Zentr., //, 438 (1911); ebenda (1912), p. 821. — 5) Molliard u. Gatin, Bull. Soc. Botan., 97, 127 (1910). ScHORSTEiN, Zentr. Bakt. II, 9, 446 (1902). Baumaterialienkunde, //, Nr. 5 (1906). — 6) B. Malenkovic, Zentr. Bakt., 16, 405 (1906). Holzkonservierung im Hochbau (1907), p. 73. — 7) R. Hartig, Zersetzungserschein, d. Holzes (1878); Lehrb. d. Baurakrankh., 2. Aufl. (1889), p. 161. — 8) F. Czapek, ßer. Botan. Ges., /;, 166 (1899). BüLLER, Ann. of Botan., 20, 51 (1906). — 9) Biologie der holzbewohnend. Pilze: TuBEüF, Lafars H^ndb., 3, 286. Rumbold, Naturwiss. Ztsch. f. Land- u, Forstwirtsch., 6, 81 (1908). J. TozsON, Zersetzung u. Konservierung d. Rotbuchen- holzes (Berlin 1905). J. Lindroth, Naturwiss. Ztsch. f. Land- u. Forstwirtsch., 2, 398 (1904). R. Falk, Hausschwamraforschungen, /, 53 (1907). Fresman, Ann. Mycol., 8, 192 (1910). — 10) van Iterson jun., Zentr. Bakt., //, 689 (1904). Kgl. Akad. Amsterdam (1903), p. 807. — 11) B. Majmone, Arch. Farm, sper., 8, 221 (1909). Zur Biologie des Vorganges: C. Kratz, Diss. (Berlin 1906). S. Suzuki, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 7, 95 (1906). — 12) Ch. Thom, Cultural Stud. on Peni- cillium. U. S. Dept. Agric. Washington (1910). — 13) Vgl. Lumiere, Biochem. Zentr.. 4, Nr. 2107. 376 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. Achtes Kapitel: Die Kohlen stoöassimilation und Zucker- bildung bei Pilzen und Bacterien. § 1. Allgemeines. Wenn wir nun an die Frage herantreten, wie sich die Versorgung der Bacterien und Pilze in jenen Fällen stellt, wo andere Kohlenstoff- verbindungen als Zucker zur Ernährung geboten werden, so stehen wir an einem fast unerschöpflich weiten Gebiete der Experimentalphysiologie, in welchejrn zurzeit 'eben die ersten Ansätze zur tiefergehen den Bearbei- tung vorhanden sind. Zweifellos ist Zucker, und zwar der Trauben- zucker und seine nächsten Verwandten in der Zuckerreihe, für die weit- aus größte Zahl der bekannten Pilze und Bacterien nicht gut vollständig zu ersetzen, aber wenn man die organischen Verbindungen in bezug auf ihren Nährwert ordnet, so findet man, daß die mit dem Zucker in naher chemischer Beziehung stehenden Substanzen dennoch in der Regel sehr gute Nährstoffe sind. Da Traubenzucker zum Aufbau der Körpersub- stanzen nun unter allen Umständen bei sämtlichen Lebewesen nötig ist, so ist es wohl gerechtfertigt, wenn in die Überschrift dieses Kapitels der Begriff der ZuckerbiMung mit aufgenommen erscheint. Höchstwahrschein- lich ist die Zuckerbildung eines der chemischen Hauptziele aller jener Vorgänge, welche mit der Assimilation dargebotener Kohlenstoffverbin- dungen verknüpft sind. Wenn wir zu beurteilen haben, ob eine Substanz mehr oder weniger leicht Zuckerbildungsmaterial darstellen kann, so sind wohl in erster Reihe chemische Überlegungen von Bedeutung, doch ist leicht einzusehen, daß man damit die Sache nicht erschöpft, da nur die physiologische Eigenart und der jeweilige Zustand des Organismus dafür entscheidend sein kann, wie viel von der Substanz in die Zelle aufgenommen wird, ob überhaupt etwas davon aufgenommen werden kann, und inwieweit eine Verarbeitung in der Zelle stattfindet. So besteht selbst die Möglich- keit, daß gewisse Substanzen nur bis zu einer gewissen Grenzkonzen- tration nach abwärts oder nach aufwärts als Nährmaterialien fungieren, nicht a]t»er außerhalb dieser Grenzen. Es ist noch unzureichend für die einzelnen Stoffe bekannt, wie verdünnt sie sein dürfen, damit noch Nähr- wirkung eintritt (1). Andererseits gedeihen manche Wassermikroben auf ihrem besten Nährsubstrate nicht, wenn die Konzentration 2% über- steigt, was uns die über meine Anregung von E. Kohn(2) angestellten Untersußhungen über saccharophobe Bacterien gelehrt haben. Hier ist die empirische physiologische Forschung vorderhand das wichtigste Hilfs- mittel, da allgemeine gesetzmäßige Beziehungen nur zum geringen Teile aufgedeckt werden konnten. So ist das Glycerin eine Substanz, welche relativ leicht Zuckersynthese erlaubt, und die auch für sehr zahlreiche Bacterien und Pilze eine ausgezeichnete Kohlenstoffnahrung darstellt. Doch gibt es eine Anzahl von Bacterien, welche viel besser mit ein- 1) Von mancher Seite [Pütter, Pflüg. Arch., /J7, 595 (1911)] behauptet man, daß die im Wasser in Verdünnungen von 1 : 30 — 100000 vorhandenen organischen Stoffe für Wassertiere eine dominierende Rolle als Nahrung spielen. Vgl. hingegen Kerb, Interqat. Rev. Hydrobiol., j, 49G (1911). — 2) E. Kühn, Zentr. Bakt. II, 15, 690 (1905); 17, 446 (1906). § 1. Allgemeines. 377 fächeren Kohlenstoffverbindungen ernährt werden können, sogar, wie das Beispiel der Nitrit bildenden Nitrosomonaden lehrt, aus kohlensaurem Ammoniak. Sodann ist es eine nicht seltene Tatsache, daß eine Kohlen- stoffverbindung für verschiedene Vegetationsstadien von Pilzen ungleichen Wert als Nährstoff besitzt. So fand Duclaux(I), daß Essigsäure, Gly- cerin und Milchsäure in den ersten Keiraungsstadien des Aspergillus viel schlechter verarbeitet werden, als durch das voll ausgebildete Mycel. Nach Thiele (2) ist ferner der Temperatureinfluß manchmal sehr merk- lich, so daß Penicillium bei Temperaturen unter Sl'^ besser auf Glucose wächst, während es bei 35 — 36" entschieden besser auf Glycerin ge- deiht ^Is auf Traubenzucker. Wie aus den Untersuchungen von Nencki(3) hervorgeht, kann auch das Nebeneinandervorkommen ver- schiedener Pilze in Mischkulturen den Nährwert einzelner Verbindungen erheblich beeinflussen. Sehr wichtig ist schließlich der Schutz und der Mehrverbrauch bestimmter Stoffe bei gleichzeitiger Darbietung der- selben in einer Kultur. Pfeffer (4), der sich zuerst mit diesen be- merkenswerten Verhältnissen beschäftigte, konnte feststellen, wie mit steigendem Glucosegehalte der Nährlösung gleichzeitig dargereichtes Glycerin immer mehr von dem Verbrauche geschützt wird, so daß bei üppigem Wachstum von Aspergillus, welchem 8% Glucose geboten wurden, vom Glycerin nach 20 Tagen die gesamte ursprüngliche Menge von 0,92 auf 100 wiedergefunden werden konnte, während die Hälfte des Zuckers verschwunden war. Ähnlich wird Milchsäure durch Glucose geschützt, nicht aber Essigsäure, welche neben Zucker in großer Menge ver- arbeitet wird. Natürlich wird es eine weitere Aufgabe bilden müssen, die Ur- sachen dieser Differenzen näher zu analysieren, wobei man schon auf die Verschiedenheiten in der Aufnahme der einzelnen Substanzen in die Zelle unter verschiedenen Bedingungen zu achten haben wird. Eine Änderung der Adsorptionsverhältnisse in der Plasmabaut muß unter allen Umständen eine Alteration des Nährwertes einer Verbindung zur Folge haben, da sich die aufnehmbaren Substanzmengen ändern. Ein lehr- reiches Beispiel liefern die Wirkungen von Salzen, Blausäure und Licht auf die Permeabilität der Plasmahaut für Zucker, die sich in zahlreichen Untersuchungen im hiesigen Institute ergeben haben. Selbstverständlich können auch bei der verschiedenen physiologischen Eignung chemischer Isomerer solche physikalische Faktoren entscheidend wirken. Die be- deutende Verschiedenheit in der Wirkung der drei isomeren Oxybenzoe- säuren(5) dürfte sich nach den Versuchen von Böeseken und Water- MAN(6) zum Teil wenigstens durch die Löslichkeitsverhältnisse dieser Säuren verstehen lassen. In zahlreichen anderen Fällen sind aber sicher nur chemisch-strukturelle Differenzen für den verschiedenen Nährwert isomerer Verbindungen verantwortlich zu machen. Besonders oft findet man, daß Stoffe mit einfacher Kohlenstoffkette viel besser verarbeitet werden, als Substanzen mit verzweigtem Aufbau. Sodann ist eine Reihe von Fällen bekannt, welche den hervorragenden Einfluß sterischer 1) DuCLAUX, Ann. Inst. Pasteur, j, 67 (1889). — 2) R. Thiele, Temperatur- gren/en d. Schimmelpilze; Dies. (Leipzig 1896). — 3) M. Nencki, Zentr. Bakt., //, 225 (1892). — 4) W. Pfeffer, Jahrb. wi-^ts. Botan., 28, 215 (1895). — 5) Wehmer, Chera.-Ztg. (1897), 21, Nr. 10. Czapek, Hofmeisters Beitr., j, 52 (1902). — 6) J. Böeseken u. Waterman, Ztsch. KoIl.Chem., ;/, 58 (1912); Kerl. Akad. Amsterdam (1912). 378 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. Differenzen bei sonst ähnlichen Verbindungen deutlich vor Augen führen. Der klassische Fall der Malein- und Fumarsäure hat sich auch in der Ernährungsphysiologie als treffliches Beispiel verschiedener Taug- lichkeit als Nährstoffe bei sterischer Isomerie bewährt. Während die Fumarsäure ein allgemein gut verwendbarer Nährstoff ist, wird die Maleinsäure nicht, oder nur spärlich angegriffen (1 ). Methylieren wir beide Säuren, die Fumarsäure zur Mesaconsäure, die Maleinsäure zur Citraconsäure, so erhalten wir in beiden Fällen untaugliche Produkte, während die mit beiden Derivaten isomere Itaconsäure wenigstens in geringem Maße von Penicillium ausgenützt wird (2). Die elektive Verarbeitung optisch aktiver Komponenten racemischer Verbindungen ist in chemischer wie in physiologischer Hinsicht von be- sonderem Interesse. Bekanntlich war der erste einschlägige Fall dieser Art, welchen man kennen lernte, die Zerlegung der Traubensäure durch Penicillium [Pasteur, 1858(3)], und Bacterien unter Verarbeitung von d- Weinsäure und Rücklassung von 1- Weinsäure. Pfeffer hat sodann diese Erscheinung als elektive Verarbeitung unter relativer Deckung der 1-Weinsäure richtig gekennzeichnet und hat zahlreiche Pilze namhaft gemacht, welche annähernd beide Weinsäuren gleich verarbeiten. Anderer- seits gibt es eine Bacterienart, welche vorwiegend 1-Weinsäure konsu- miert, bevor sie an die d-Säure herangeht. Nach Böeseken und Water- MAN(4) gelingt es durch Kultur von Aspergillus niger in Traubensäure in 6 Tagen 60% der theoretischen Linksweinsäuremenge zu erhalten. Später wird auch die 1-Weinsäure verbraucht. Analog ist auch die Ver- arbeitung von d- und 1-Milchsäure durch Penicillium und durch Bac- terien zu beurteilen (5), ferner von Glycerinsäure und Phenylglycerin- säure (6), sodann von einer Reihe Alkyloxyfettsäuren (7), Mandelsäure (8), Methylpropyl- und Äthyl propylcarbinol (9), Äpfelsäure und einigen Amino- säuren wie Leucin, Alanin, Asparagin und Glutamin. Dieses umfassende Tatsachenmaterial ist an einigen Orten ausführlich wiedergegeben (10). Methodische Winke sind in den Arbeiten von Ulpiani und Condelli einzusehen (11). 1) Büchner, Ber. Chem. Ges., 25, 1161 (1892). Wehmer, Beitr. z. Kenntn. einheim. Pilze, 2, 87 (1895). Ishizuka, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 2, 484 (1897). Czapek, Hofmeistere Beitr., 2, 584 (1902). Dox, Journ. of Biol. Chem., 8, 265 (1910). — 2) Le BEL, Bull. Soc. Chim. (3), //, 292 (1894). Dox, 1. c. — 3) L. Pasteur, Compt. rend., 46, 617 (1858); 51, 298 (1860). — 4) Böeseken u. VVater- MAN, Akad. Amsterdam (29. Juni 1912). — 5) Linossier, Bull. Soc. Chim. (3), 5, 10 (1891). Lewkowitsch, Ber. Chem. Ges., 16, 2720 (1883). Pere, Ann. Inst. Pasteur, 7. 737 (1893). Kayser, Ebenda, 8, 737 (1894). Frankland u. Mc Gregor, Journ. Chem. Soc. (1893), /, 1028. Blachstein, Koch Jahresber. (1892), p. 80. Nencki, Zentr. Bakt., 9, 304 (1891). Tier. Oxydation: Parnas, Biochem. Ztsch., 38, 53 (1912). — 6) Lewkowitsch, Ber. Chem. Ges., 16, 2720 (1883). Frankland, Zentr. Bakt., 15, 106 (1894). Plöchl u. Mayer, Ber. Chem. Ges., 30, 1600 (1897). Frankland u. Done, Proc. Chem. Soc, 21, 132 (1905). — 7) Purdie u. Walker, Chem. News, 67, 36 (1893). Mac Kenzie u. Harden, Proc. Chem. Soc, ig, 48 (1903). — 8) Lewkowitsch. Ber. Chem. Ges., 15, 1505 (1882); 16, 1569 fl893). Mac Kenzie u. Harden, Journ. Chem. Soc, 83, 424 (1903). — 9) Le Bel, Bull. Soc. Chim. (3), //, 292 (1894); 33, 206. Combes u. Le Bel, Chem. Zentr. (1892), //, 451. Propylglykol : PfeRÄ, Ann. Inst. Pasteur, //, 600 (1897). — 10) Winther, Ber. Chem. Ges., 28, 3000 (1895). S. Fränkel, Ergebn. d. Physiol., 3, l, 290 (1904). O. Emmerlinq, Lafars Handb., /, 429. Pringsheim, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., 2, 190 (1909). — 11) C. Ulpiani u. Condelli, Gaz. chim. ital., 30, I, 344 u. 382 (1900). Condelli. Ebenda, j^, II, 86 (1904). § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen. 379 § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen. Bei der kritischen Zusammenfassung der auf dem in voranstehen- dem in allgemeinen Zügen gegebenen Verhältnissen ist zu berücksichtigen, daß in der älteren Literatur viele wichtige Umstände unbeachtet ge- blieben sind, wodurch der Wert dieser Arbeiten erheblich herabgesetzt werden muß. Das Interesse an solchen . ernährungsphysiologischen Studien wurde in erster Linie durch die erfolgreichen mikrobiologischen Untersuchungen Pasteurs wachgerufen, und in der Folge zeichneten sich auf diesem Gebiete Raulin, Nägeli, Reinke, Loew u. a. Forscher besonders aus (1). Man be- gnügte sich anfangs vielfach, die spontane Besiedelung der offen aufgestellten Proben abzuwarten, um zu beurteilen, ob eine Kohlenstoffverbindung nährt oder nicht. Die moderne Methodik verlangt natürhch eine bestimmte Zahl von Sporen oder Conidien aus einer Reinkultur als Impfmaterial zu nehmen, und das Nährsubstrat vorher zu steriHsieren. Letzteres geschieht, wo Er- hitzen nicht angängig, durch Filtration mittels Chamberlandkerzen oder PuKALLscher Ballonfilter. Die Erfahrung hat gezeigt, daß der Kohlenstoff- gehalt der Pilzernte bei normalem Gedeihen und normaler Fruktifikation innerhalb enger Grenzen prozentisch schwankt, so daß man ohne erhebhchen Fehler aus dem Erntetrockengewicht einen Rückschluß auf die Assimilation der Kohlenstoffverbindung ziehen darf, natürhch unter der Voraussetzung, daß die Atmungsintensität und Kohlensäureproduktion ebenfalls annähernd gleich ist. Der letztere Faktor erschwert selbstredend die Bilanz und man hat womöghch die während des Versuches produzierte COg mitzubestimmen, um die G-Assimilation genau zu kontrolheren. Auch wird es gut sein, gleiche Kulturen derselben Art in verschiedenen Zeitabschnitten zu untersuchen, damit man nicht das Maximum der Entwicklung, welches nach verschieden langer Zeit erreicht sein kann, übersieht, und zu niedrige Werte einsetzt (2). Schimmelpilze, allenfalls auch Hefen, sofern sie rasch wachsen und zur Trockensubstanzbestimmung leicht gewaschen und abfiltriert werden können, sind zu solchen Versuchen das geeignetste Material. Unter günstigen Be- dingungen bringt Aspergillus niger binnen 3—4 Wochen etwa ein Drittel des Gewichtes der gesamten dargereichten organischen Nahrung an Trocken- gewicht hervor (3). Man hat zu beobachten, daß Mindererträgnisse durch Produktion schädhcher Stoffwechselprodukte, z. B. Säuren, vorkommen können. Auch sind die verschiedenen Wachstumsformen und Vermehrungs- arten bei verschiedener Ernährung im Resultate mit zu berücksichtigen, und es besagt vom heutigen Standpunkte der Ernährungsphysiologie wenig, wenn gesagt wird, eine Mikrobe zeige unter diesen oder jenen Verhältnissen spärhches Wachstum usw., wie man häufig in Literaturangaben findet. Praktisch empfehlenswert ist der Vorschlag Pfeffers (4) zur Be- urteilung der Nährwirkung jene Substanzmenge anzunehmen, welche der Pilz an Trockengewicht hervorbringt, wenn er 1 g eines Nährstoffes verzehrt 1) Raulin, Ann. Sei. Natur. Botan. (5), //, 93 (1870). Nägeli, Untersuch, über nied. Pilze (1882). Reinke, Untersuch, a. d. botan. Labor, d. Uuiv. Göttingen, 3 (1883). O. LoEW bei Nägeli 1. c. — 2) G. Ekman, Finska Vet. Soc. Förh., 53, Nr. 16 (1910). — 3) Czapek, Hofmeisters Beitr., /, 538 (1902). Bokorny, Pflüg. Arch., 89, 454 (1902). — 4) Pfeffer, Jahrb. wiss. Botan., 28, 257 (1895). H. Kunst- mann, Diss. (Leipzig 1895). 380 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffasßimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. hat. Das Verhältnis der verbrauchten Nährstoffmenge zum Erntetrocken- gewicht gilt als „ökonomischer Koeffizient". Die Zahl jener Organismen, welche mit einfach gebauten Kohlen- stoffverbindungen ihre Lebensbedürfnisse vollständig decken können, ist viel größer als man je erwartet hatte, und es erscheint derzeit nicht mehr gerechtfertigt, in der Physiologie die chlorophyllgrünen Pflanzen als Organismen mit inorganischer Nahrung allen anderen Lebewesen gegenüber zu stellen. Die ersten COj-verarbeitenden Mikroben, die man kennen lernte, waren die Nitrifikationsbacterien [Hueppe und Heraeus, 1886(1)], welche alle Stoffe ihres Körpers aus Ammoniumcarbonat auf- zubauen vermögen, und wie Winogradsky (2) später zeigte, dabei das Ammoniak zu Nitrit oxydieren. Nathansohn hat sodann gezeigt, daß bestimmte marine Schwefel bacterien, welche H^S oder Thiosulfat oxydieren, gleichfalls imstande sind CO^ zu reduzieren und dieselbe als alleinige C-Quelle auszunützen (3). Dies hat Beijerinck(4) bestätigt und zu- gleich nachgewiesen, daß der von ihm neu aufgefundene Thiobacillus denitrificans im anaeroben Leben bei Darreichung von Schwefel als Pulver, KNO3, CaCOg und NagCOg den Schwefel oxydiert, den Salpeter zerlegt und das Calciumcarbonat zur Bildung der Kohlenstoffverbindungen seiner Leibessubstanz verwendet. Der Hauptsache nach soll folgendes Formelbild dem Wesen des Prozesses gerecht werden: 6 KNO3 + 5 S + 2 CaCOg = 3 K^SO^ + 2 CaSO^ + 2 CO, + 3 N,. Endlich findet nach Lebedeff (5) bei den Wasserstoff oxydierenden Bodenbacterien im Wesen derselbe Vorgang statt wie im Chlorophyll- kom, indem die CO2 unter Entbindung des gleichen Volums von Sauer- stoff zerlegt wird. Beijerinck und van Delden(6) haben diesen kohlensäurefixierenden Mikroben weitere merkwürdige Formen hinzu- gefügt, welche auf festem Agar- und Si0.2-Substrate lebend, ohne Zusatz löslicher Kohlenstoffverbindungen zu existieren imstande sind, indem sie die in der Atmosphäre enthaltenen Spuren gasförmiger C- Verbindungen aufnehmen, ohne aber imstande zu sein, die CO5J auszunutzen. Diese angeblich in Gartenerde sehr verbreitete als Bac. oligocarbophilus be- zeichnete Mikrobe dürfte wohl auf die nach Henriet und Trillat(7) in der Luft regelmäßig vorkommenden Spuren von Formaldehyd und Ameisensäureverbindungen oder auf die von Gautier gefundenen Spuren kohlenstoffhaltiger Gase (8) angewiesen sein. Formaldehyd dürfte nach Trillat bei jeder unvollständigen Verbrennung in Spuren entstehen, und nach diesem Forscher sind in der Pariser Stadtluft pro JOO cbm 47 — 55 mg Formaldehyd enthalten, was mit den Angaben von Wol- PERT (9) übereinstimmt, der in der freien Außenluft von Berlin mindestens 0,015 pro Mille, oder etwa 4,5% des Gesamt-COj-Gehaltes an verbrenn- lichen gasförmigen C-Verbindungen konstatierte. Von nicht geringer 1) F. Hueppe, Zentr. Bakt.. 3, 420 (1888). W. Heraeus, Ztech. Hyg., /, 193 (1886). — 2) S. Winogradsky, Ann. Inst. Pasteur, 6, 270 u. 462 (1891). — 3) Nathansohn, Mitteil. zool. Stat. Neapel, 15, 655 (1903). — 4) Beijerinck, Zentr. Bakt. II, //, 593 (1904). — 5) A. J. Lebedeff, Biochera. Ztsch., 7. 1 (1907); Ber. Botan. Ges., 27, 598 (1909). — 6) Beijerinck u. van Delden, Akad. Amsterdam (1902); Zentr. Bakt. II, 10, 33 (1903;. — 7) Henriet, Cbmpt. rend., 13s, 101 (1902); 136, 1465 (1903); 138, 203 (1904). A. Trillat, Bull. Soc. Chim., jj, 393 (1905). — 8) A. Gautier, Compt. rend., 137, 693 (1898). — 9) H. Wolpert, Arch. Hyg., 5a, 151 (1904). § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen. 381 Bedeutung im Kreislaufe des Kohlenstoffes in der Natur dürfte sodann die Verarbeitung von Methan sein, dessen Brauchbarkeit für die als Bac. methanicus bezeichneten Mikrobe und andere Bacterienformen nach den Untersuchungen von Söhngen und Kaserer(I) außer Zweifel steht. Methan entsteht in der Natur durch die bacteriellen Prozesse der Buttersäuregärung und Cellulosezersetzung häufig und in großen Mengen. Es wird durch die Methan verarbeitenden Bacterien schließlich zu CO2 oxydiert. Methylalkohol ist gleichfalls noch in seiner Verwend- barkeit auf bestimmte Bacterien beschränkt, doch soll der von Loew und seinen Schülern (2) als Methylalkohol verarbeitende Mikrobe erkannte Bac. methylicus in Erde sehr verbreitet vorkommen. Bokorny(3) fand noch eine kleine Sproßhefe Methylalkohol assimilierend, sonst aber ist diese Substanz für die Mehrzahl der Bacterien und für alle Pilze- noch immer nicht als Nährstoff zu bezeichnen. Für Pichia membranaefaciens und Oidium lactis ist er nach Lindner (4) ungeeignet. In weit größerem Maßstabe wird Ameisensäure von Pilzen und Bacterien verarbeitet. Nachdem schon vor längerer Zeit für eine Reihe von Bacterien durch Maassen(5) diese Erscheinung erkannt worden war, hat Franzen(6) durch genaue Untersuchungen an Proteus vulgaris, Bacill. kiliensis und Prodigiosus die Ameisensäureassimilatjon analytisch verfolgt und dieselbe völUg sichergestellt. Aber auch verschiedene Sproßpilze vergären Ameisen- säure diesem Forscher zufolge in namhafter Menge. Von verschiedenen Seiten ist selbst für Schimmelpilze die Verarbeitung von Ameisensäure beobachtet worden, doch reicht für die Keimung der Aspergillusconidien Ameisensäure als alleinige C-Quelle noch nicht aus (7). Es gibt einige bacterielle Zersetzungsprozesse der Ameisensäure, welche Erwähnung verdienen. Dies ist einmal die von Hoppe-Seyler und Popoff (8) be- schriebene bacterielle Spaltung von Calciumformiat in Carbonat und Wasserstoff, ferner die von Pakes und Jollyman(9) beobachtete Ver- arbeitung von Natriumformiat unter Bildung von Bicarbonat und Hg. Der von Kaserer(IO) beschriebene Bac. azotofluorescens soll Ammonium- carbonat in N und Ameisensäure zerlegen und letztere verarbeiten. Harnstoff, welcher als Amid der Kohlensäure auch noch in die Verwandt- schaft der einfachen C-Verbindungen zählt, ist bereits für viele Bacterien und Pilze ein gutes Nahrungsmittel (11). Von den zweigliederigen C-Verbindungen sind Äthylalkohol und noch mehr die Essigsäure bereits sehr allgemein Pilznährstoffe. Äthyl- alkohol vermag in 2 — 4%iger Lösung oder in Dampfform dargereicht das Wachstum von Saccharomyceten, Oidium, Torulaceen, Mucor und 1) N. L. SÖHNGEN, Kgl. Akad. Amsterdam (1905); Zentr. Bakt. II, 15, 513 (1905); Di88. (Delft 1906); Rec. trav. Chim. Pays-Bas. 29, 238 (1910). H. Kaserer, Ztsch. landw. Versuchswea. Österr., 8, 789 (1905). — 2) O. Loew. Zentr. Bakt, 12, 462 (1892), Katayama, Bull. Agr. Coli. Tokyo, 5, 255 (1902); 6, 185, 191 (1904). Takeuchi, Ebenda. — 3) Bokorny, Zentr. Bakt., '29, 176 (1911). — 4) P. Lind- ner, Ztsch. Spiritusindustr., 35, 185 (1912). — 5) A. Maassen, Arb. kais. Gesundh.- amt. 12, 390 (1896). Jaksch, Ztsch. physiol. Chem., 5. 405. — 6) H. Franzen u. Braun, Biochem. Ztsch., 8, 29 (1908). Franzen u. Greve, Ztsch. physiol. Chem., 64, 169 (1909). Franzen u. Steppuhn, Ebenda, 77, 129 (1912); 83, 226 (1913). — 7) DiAKONOW, ßer. Botan. Ges., 5, 386 (1887). — 8) Popoff, Pflüg. Arch., w, 142; Hoppe-Seyler, Ebenda, 12, 1. — 9) Pakes u. Jollyman, Proc. Chem. Soc, 17, 29 (1901). — 10) H. Kaserer, Ztsch. landw. Versuchswes. Österr., 10, 37 (1907). — 11) DiAKONow, 1. c; Czapek, 1. c. (1902). Basidiobolus : Raciborski, Flora, 82, 115 (1896). 382 -Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. anderen Schimmelpilzen zu unterhalten (1) und ist bekanntlich für dieEssig- bacterien das gewöhnliche Oxydations- und Nährmaterial. Für Bacterien liegen weniger Daten vor, doch dürfte auch da Alkohol allgemein aus- nützbar sein. Nach Duclaux wirkt Alkohol noch besser, wenn er mit anderen C-Quellen zugleich dargereicht wird, was für Allescheria durch Laborde(2) bestätigt wurde. Acetaldehyd wurde für Bacterien sowie für eine Torula als verwendbar angegeben (3). Essigsäure darf bereits für höhere und niedere Pilze ganz aligemein als brauchbai-er Nährstoff be- zeichnet werden. In der Literatur sind speziell Oidium lactis, Mycoderma, Penicillium, Aspergillus (4) als Acetat verarbeitend angegeben, und ebenso ist wohl für Bacterien anzunehmen, daß sie Essigsäure in den aller- meisten Fällen gut ausnützen können (5). Methylacetat ist nach Will (6) für Mycoderma, Willia, Pichia ein mäßig guter Nährstoff. Selbst neben Glucose werden Acetate durch Aspergillus verbraucht, doch übt nach Reichel(7) Zucker auf gleichzeitig anwesendes Acetat eine Schutz- wirkung aus. Die Keimung von Aspergillus findet bei alleiniger Gegenwart von Ammoniumacetat (nach eigenen Erfahrungen) nicht statt, und auch bei der Weiterkultur auf Acetaten hat man zu berücksichtigen, daß die E^sigsäureanionen rascher verarbeitet werden, als die Kationen der Salze, so daß leicht Alkalescenz auftritt und das Wachstum gehemmt wird. Auf Zusatz von Essigsäure setzt das Wachstum sofort wieder ein (8). Einer der interessantesten Umsetzungsprozesse der Essigsäure durch Bacterien ist die von Hoppe-Seyler (9) geschilderte anaerobe Methan- gärung der Essigsäure, wobei sie glatt in CH^ und COg zerfällt. Essig- säure ist ein weitverbreitetes Intermediärprodukt bei der Verarbeitung von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißstoffen und spielt in jeder Hinsicht im Zellstoffwechsel eine allgemein wichtige Rolle. Sonst sind die niederen Glieder der Reihen aliphatischer Kohlenstoff- verbindungen zum großen Teile mäßig gute Nährstoffe, allerdings nicht in gleichem Maße für alle Pilzformen. Während Hefe nach Laurent aut Methylamin und Acetamid nicht wächst, gedeiht Aspergillus nach eigenen Erfahrungen besonders auf letzterem nicht allzuschlecht, ebenso auf Acetonitril und Guanidin, noch besser auf vielen Aminen mit zwei, drei und mehr Kohlenstoffatomen. Die Derivate der Ameisensäure sind fast alle stark giftig, noch mehr gilt dies von der Cyanwasserstoff säure, doch soll selbst diese nach Kaserer(IO) von einem Bac. Hiltneri in COj und Stickstoff gespalten werden können. Bei den höheren aliphatischen Verbindungen steigt der Nährwert verbreitet mit dem Sauerstoffgehalt, doch finden sich selbst unter den 1) H. Will, Zentr. Bakt., 34, 9 (1912). Schnell, Ebenda, 35, 24 (1912). Wehmer, Bar. Botan. Ges., 23, 216 (1905). P. Lindner u. Cziser, Woch.schr. f. Brauerei, 2g, 1 (1912); Ber. Botan. Ges., 29, 403 (1911). Stockhausen, Chem.-Ztg., 35, 1197 (1912). HoYER, Zentr. Bakt. II, 4, 873 (1898). Wehmer, Mycol. Zeotr., /, 285 (1912). Kroemer, Landw. Jahrb., 43, Erg.bd. /, 172 (1912). — 2) Maz6, Botan. Zentr., 89, 536 (1902). — 3) A. Perrier, Compt. rend., isr, 163 (1910). Bokorny, Zentr. Bakt., 29, 176 (1911). — 4) Mycoderma: Will u. Leberle, Zentr. Bakt., 28, 1 (1910). Basidiobolus: Raciborski, Flora, 82, 115 (1896). Penicillium: Hassel- ERING, Botan. Gaz., 45, 176 (1908). Molisch, Wien. Ak., 103, I, 562 (1894). Nägeli, Untersuch, üb. nied. Pilze (1882), p. 5. Rose, Just Jahresber. (1885), /, 279. Zöller, Wien. Ak. (1874). — 5) Jaksch, 1. c. Essigbacterien : C. A. Browne, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 16 (1903). — 6) Will u. ß. Heuss, Ztsch. ges. Brauwes., 35, 128 (1912). — 7) J. Reichel, Biochem. Ztsch., 30, 152 (1910). Pfeffer, 1. c. Duclaux, L c. — 8) E. KOHN u. Czapek, Hofmeisters Beitr., 8, 302 (1906). — 9) Hoppe- ÖEYLER, Ztsch. physiol. Chem., //, 561 (1887). — 10) H. Kaserer, Ztsch. landw. Versuchswes. Österr., w, 37 (1907). § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen. 383 0-freien Verbindungen nicht wenige, welche ungiftig sind und deutliche Nährwirkungen haben. Überraschend wirkte die Entdeckung, daß selbst Paraffinkohlenwasserstoffe von Schimmelpilzen etwas ausgenutzt werden können (1). Zwei solche Formen (Macrosporium, TrichaegumV) sah Gola in flüssigem Vaselinöl sehr gut gedeihen. Der Ernährungsvorgang ist hier noch näher aufzuhellen, insbesonders ob die Verarbeitung der Kohlenwasserstoffe intracellulär erfolgt. Propylamin und Dipropylamin wirken bei Aspergillus günstig. Bei den höheren Alkoholen nimmt die Giftwirkung zu stark zu, als daß ihre Nährwirkung in einigem Maße in Betracht kommen könnte, doch nutzen die Essigbacterien immerhin noch Propyl-, Isopropyl- und Butylalkohol aus (2). Hier, wie bei den höheren Fettsäuren, kommt wohl auch die stark abnehmende Wasser- löslichkeit als hemmender Faktor in Betracht. Auffallend ist die Steigerung der Nährwirkung, wenn wir die Oxyfettsäuren mit der Essig- säurereihe vergleichen. So wirkt die Milchsäure viel allgemeiner und besser als Propionsäure (3), /5-Oxybuttersäure ungleich besser als Butter- säure. In einem ähnlichen physiologischen Verhältnisse stehen die ein- wertigen zu den zweiwertigen Alkoholen, so daß Äthylenglykol bereits weitaus den Äthylalkohol an Nährtauglichkeit überragt. Ähnliches gilt auch für den Tierkörper (4), Mit weiterer Zunahme der Hydroxyle, z. B. vom Glykol zum Glycerin und von da zum Erythrit nähert sich die Nährwirkung mit großen Sprüngen der vollen Zuckerwirkung. Die Fettsäureester stehen in ihrer physiologischen Wirkung ihren Alkoholen näher als den Stammsäuren und werden nicht immer so gut benützt wie die letzteren. Doch verarbeiten verschiedene Sproßpilze gut Äthyl- acetat, nicht aber Penicillium (5). Aldehyde sind vielfach ausgeprägt Giftstoffe, das Aceton ist in verdünnten Lösungen ungiftig und gestattet Bacterien Wachstum (6). Seit Pasteurs Untersuchungen über die Weinsäure kennt man den hohen Nährwert der verschiedenen ein- und mehrbasischen Oxysäuren für viele Bacterien und Pilze und weiß auch, daß von einer all- gemein gültigen Rangordnung hier, wie in anderen Fällen, nicht die Rede sein kann. So verarbeiten Hefen nach Schukow(7) am besten Citronen- säure, dann Äpfelsäure, viel weniger Weinsäure und sehr wenig Bernstein- säure, während Mycoderma nach Will und Leberle am besten Essig- säure, dann Bernsteinsäure, Äpfelsäure und Milchsäure benutzt, so gut wie gar nicht Citronensäure und Weinsäure. Auch für den Bac. perli- bratus ist entgegen den gewöhnlichen Befunden nach Beijerinck(8) Weinsäure ein schlechterer Nährstoff als Essigsäure. In verdünnter Citronensäure siedelt sich nach Wehmer(9) besonders Verticillium glaucum, in Weinsäure Citromyces an. Streptothrix odorifera verarbeitet 1) O. Rahn, Zeutr. Bakt. II, /ö, 382 (1906). H. Kühl, Pharm. Ztg., 52, 487 (1907). Gola, Bull. Soc. Botan. Jtal. (19. Okt. 1912). — 2) Seifert, Zentr. Bakt. II, j, 337 (1897). — 3) Propionsäure: Troili-Peterson, Zentr. Bakt., 24, 333 (1909). Im Tierkörper: Ringer, Journ. of Biol. Chem., 12, 511 (1912). Milch- säure: Oidium: Schnell, Zentr, Bakt. II, 35, 24 (1912). Mycoderma: Will u. Leberle, Ebenda, 28, 1 (1910). Troili-Peterson, 1. c. Fettsäuren: Bokorny, Chem. Zentr. (1897), /, 327. — 4) Parnas u. Baer, Biochem. Ztsch., 4f, 386 (1912). MiüRA, Ebenda, jö", 25 (1911). — 5) Will u. Heuss, Ztsch. ges. Brauwes., 35, 128, (1912). Hasselbring, Botan. Gaz., 45, 176 (1908). — 6) H. Coüpin, Compt. rend., 13S, 389 (1904). Bokorny, Zentr. Bakt. II, //, 343 (1903>. — 7) J. Schukow, Zentr. Bakt. II 2, 601 (1896). — 8) Beijerinck, Ebenda, 14, 834 (1893). — 9) Wehmer, Beitr. z. Kenntn. einheim. Pilze, 2, 143 (1895). 384 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. nach Salzmann (1) außer Zucker am besten die zweibasischen Oxysäuren, nicht aber Acetate, Propionate, Lactat und Oxalat. Für Bact. denitri- ficans II ist nach Jensen (2) Citronensäure noch besser als Glucose selbst. Der häufigste Fall bei saprophytischen Pilzen ist aber der, daß, wie bei Aspergillus, an der Spitze der tauglichen Säuren Citronensäure, Aconitsäure und Äpfelsäure stehen, welchen Bernsteinsäure und Wein- säure folgen, sodann Maleinsäure und Glycerinsäure, endlich Malonsäure und Milchsäure (3). Die bei der Verarbeitung der organischen Säuren entstehenden Stoffwechselprodukte sind sehr verschieden und von vielfachem physio- logischen Interesse. Man dürfte aus den entstehenden Intermediär- produkten und Endprodukten manchen wichtigen Schluß auf den Chemismus der Pilzzelle ableiten können. Hoppe-Seyler (4) lehrte schon 1878 die Spaltung von glykolsaurem Kalk durch anaerobe Fäulnisbacterien kennen, welche daraus COg und CH4 formieren, so daß der Schluß nahe liegt, daß intermediär eine Reduktion zu Essigsäure stattfindet, welche weiter in die genannten Endprodukte zerfällt. Bei der Oxypropionsäure oder Milchsäure liegen die Verhältnisse bereits wesentlich anders, indem einmal bei der bacteriellen Verarbeitung ein stufenweiser Abbau zu Propionsäure und Essigsäure vorzukommen scheint, wobei allerdings außerdem Buttersäure, CO2, H2, Äthylalkohol bei der Verarbeitung von Calciumlactat gefunden wurden (5). Keyes und Gillespie(6) fanden bei der Verarbeitung von Ammoniumlactat durch Bact. coli und typhi den Quotienten CO2 : Hg von 1 wenig verschieden, während er bei An- wendung von Glucose viel größer als 1 war. Andererseits ist eine Spaltung der Milchsäure zu Acetaldehyd und CO2 möglich, die bei Allescheria vorzukommen scheint, da Maze hier Äthylalkohol und CO2 als Produkte der Lactatverarbeitung angibt (7). /?-Oxybuttersaures Calcium zerfällt nach Araki(8) in der Spaltung durch Fäulnisbacterien zunächst unter Bildung von 2 Äqu. Essigsäure, CO2 und H2, worauf das Calcium- acetat COg, CaCOg und CH4 liefert. Als Produkte der Spaltung von Oxyvaleriansäure fand Giacosa (9) Valeriansäure , Buttersäure, COj und Hg. Die Oxalsäure ist im Hinblick auf ihre Verarbeitung durch Pilze und Bacterien noch wenig bekannt. Proskauer gibt an, daß sie vom Tuberkelbacillus gut ausgenutzt wird (10). Bei aerober Kultur wird wohl unzweifelhaft ein erheblicher Teil zu CO2 und HjO verbrannt, doch ist ebensowenig zu bezweifeln, daß Intermediärprodukte noch aufzufinden sein werden. Auch für die Malonsäure fehlen noch Untersuchungen. Aus Bernsteinsäure bilden nach Bechamp Bacterien Propionsäure, CO2, aber keinen Wasserstoff (1 1 ). Methylbernsteinsäure oder Brenzweinsäure COOH.CHCH3.CH2.COOH lieferte CH^, COj und keine flüchtigen 1) Salzmanüt, Zentr. Bäkt. II, 8, 349 (1902). — 2) Hj. Jensen, Ebenda, 3, 622 (1897). Bact. coli und typhi verarbeiten nach Duchacek, Biochem. Zentr., 4, ßef. Nr. 1223, Weinsäure besser als Zucker. — 3) Czapek, Hofmeisters Beitr., 1. c. Für Monilia, Mycodernia, Oidium: R. O. Herzog, Ztsch. physiol. Chem., 73, 284, 290 (1911). — 4) Hoppe-Seyler, Ztsch. physiol. Cham., 2, 1 (1878). — 5) Hoppe- Seyler, 1. c. Fitz, Ber. Chem. Ges., //, 1890 (1878); 12, 474 (1879); 13, 1309 (1880). DuCLAUX, Ann. Inst. Pasteur, p, 811 (1896). Bechamp, Bull. Soc. Chim., //, 531 (1894). Perdrix, Soc. Biol., 57, 481 (1904). — 6) Keyes u. Gillespie, Journ. Biol. Chem., 13, 291 (1912). — 7) P. MAzfi, Ann. Inst. Pasteur, 16, 446 (1902); Compt. rend., 134, 241 (1902). — 8) Araki, Ztsch. physiol. Chem., 18, 1 (1893). — 9) P. Giacosa, Ebenda, j, 52 (1878). — 10) Proskauer u. Beck, Ztsch. Hyg., 18, 128 (1894). — 11) B6champ, Bull. Soc. Chim., //, 418 (1894). § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen. 385 Säuren. Vielgestaltige Vorgänge haben sich bei der Verarbeitung der Oxydicarbonsäuren ergeben. Schon Dessaignes(I) kannte die reichliche Bildung von Bernsteinsäure bei der Vergärung von Äpfelsäure. Die Untersuchungen von Emmerling über die Malatgärung durch Bac. lactis aerogenes (2), die Erfahrungen von Fitz und Bechamp haben bestätigt, daß dieser bacterieUe Reduktionsprozeß verbreitet vorkommt (3). Als weitere Abbauprodukte der Bernsteinsäure werden Propionsäure, Essig- säure und CO2 gefunden. Hefe verarbeitet Malate nicht in dieser Weise. Weinhefen bilden nach Meissner (4) Milchsäure und flüchtige Säuren aus Äpfelsäure, Bernsteinsäure, Weinsäure und Citronensäure. Bern- steinsäure wurde auch als Intermediärprodukt bei der Verarbeitung von Fumarsäure und Asparaginsäure beobachtet. Die von Müller-Thurgau und 0sterwalder(5) untersuchten Obstweinbacterien: Bact.mannitopoeum, gracile, Micrococcus acidovorax und variococcus verarbeiten alle Äpfel- säure gut unter Milchsäurebildung, jedoch weder Bernsteinsäure noch Weinsäure. Besonders oft ist die Verarbeitung von Weinsäure unter- sucht worden (6), in Form der Vergärung des Calciumtartrates, und soweit sich diesen Daten entnehmen läßt, scheint der Prozeß über eine Reduktion zu Bernsteinsäure und Propionsäure zu gehen; außerdem ent- stehen aber Oxypropionsäure und die gewöhnlichen Produkte des Milchsäure- abbaues: Acetaldehyd, Alkohol, Essigsäure, Wasserstoff. Hejfe führt hier ähnliche Spaltungen aus wie die Bacterien. Bildung von Äthylmethyl- carbinol bei Tartratgärung wurde durch Grimbert beobachtet. An der Verarbeitung von Brenztraubensäure CHj ■ CO • COOK durch Hefe haben Neuberg und seine Mitarbeiter (7) zuerst die wichtige Beobachtung ge- macht, daß Bier- und Weinhefen dieselbe glatt in COj und Acetaldehyd aufspalten, und daß man diese Wirkung nicht nur an der lebenden Hefezelle, sondern auch an Acetondauerpräparaten feststellen kann, so daß kein Zweifel besteht, daß ein bestimmtes COa-abspaltendes Enzym, für welches der Name Carboxylase gewählt wurde, dabei als Kata- lysator wirkt. Es ist wohl sicher, daß die gleiche Erscheinung sich auch bei anderen Pilzen auffinden lassen wird, nachdem man bereits in tierischen Organen Carboxylase nachgewiesen hat. Auf verschiedene Ketosäuren wirkt die Hefecarboxylase in der gleichen Weise, und be- sonders die a-Ketosäuren, wie Oxalessigsäure COOH • CO • CH, • COOH, Dioxoweinsäure COOH • CO • CO • COOH, Benzoylessigsäure CgHs • CO • CHa • COOH, werden rasch gespalten, aber auch Acetondicarbonsäure, Chelidonsäure u. a. Bei Verwendung freier Säuren vollzieht sich die Spaltung unter Aldehydbildung glatt; wenn die Alkalisalze angewendet werden, so tritt starke Alkalescenz der Lösung ein, welche den Vorgang 1) DE88AIQNES, Ann. de Chim. et Phyis. (3), 25, 253 (1849). — 2) EmmeE- LING, Ber. Chem. Ges., 32, 1915 (1899); jj, 2477 (1900). — 3) Fitz, Ebenda, //, 1890 (1878). B6CHAMP, 1. c (1894), p. 466. — 4) R. Meissner, Ztsch. Gär.physiol., 2, 129 (1913). — 5) Müller-Thubqaü u. Osterwalder, Zentr. Bakt. II, 36, 129 (1912). — 6) Lit.: König, Ber. Chem. Ges., 14, 211 (1881); 15. 172 (1882) Fitz, Ebenda, 12, 474 (1879). Grimbert u. Ficquet, Joum. Pharm, et Chim. (6), 4, Nr. 3 (1898); Soc. Biol. (1897), p. 962; Compt. rend., 132, 706 (1901). Emmerling, Zentr. Bakt., 21, 317 (1908). Nijdam, Dies. (Delft 1907). Karczaq, Biochem. Ztsch., 43, 44 (1912). — 7) Neuberg u. Hildesheimer, Biochem. Ztsch., j/, 171 (1911). Ferner: Neuberg, Ebenda, 32, 323; j<5, 60, 68 u. 76; 37, 170 (1911). Karczag, Ebenda, 3S, 516 (1912). Tschernorutzky, Ebenda, 43, 486 (1912). Neuberg, Ebenda, 43, 491 (1912); Zentr. Physiol. (1912), p. 715. Neuberg u. Karczag, Ber. Chem. Ges., 44, 2477 (1911); Ztsch. Gär.physiol., /, 114 (1912). Neuberg \i. Kerb, Biochem. Ztsch., 47. 405, 413 (1912). Czapek, Biochemie der Pnanten. I. S. Aufl. 25 386 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. bald hemmt. Auch kondensieren sich im letzteren Falle teilweise Acet- aldehydmolekel zu /3-Oxybutyraldehyd oder Aldol 2CH3'COH = CHg • CHOH . CHg . CHO. a-Ketobuttersäure CH3 • CHg • CO • COOH wird glatt in CO2 und Propionaldehyd gespalten. Citronensäure liefert in der bacteriellen Vergärung wesentlich die- selben Produkte wie Weinsäure. Hoppe-Seyler, Fitz, Bechamp fanden Bernsteinsäure, Essigsäure, Buttersäure, CO2, etwas Alkohol, Hg. Bei der Vergärung von Citrat durch Bac. lactis aerogenes soll nach Bos- WORTH(I) ein Molekel Citronensäure 2 Äqu. Essigsäure liefern. Glycerin- saurer Kalk ergab bei der Zersetzung durch Spaltpilze Bernsteinsäure, Essigsäure, Ameisensäure und Alkohol. Der von Frankland unter- suchte Bac. ethaceticus verbrauchte zunächst die 1-Glycerinsäure(2). Zu untersuchen wird auch noch sein, ob im Pflanzenorganismus das im Tierkörper geltende Gesetz gleichfalls Gültigkeit hat, daß Fettsäuren mit gerader Kohlenstoffzahl bevorzugt sind (3). Die Aminosäuren geben als alleinige C-Quelle dargereicht, ebenso gute oder noch bessere Nährerfolge als die Oxyfettsäuren. Insbesondere ist das Alanin oder a-Aminopropionsäure für Aspergillus noch besser tauglich als die Milchsäure. Aus den Erfahrungen von Wehmer, But- kewitsch und meinen eigenen ist zu schließen, daß diese Pilze durch fermentative N Hg -Abspaltung aus den Aminosäuren Oxysäuren gewinnen, wenn auch ein Teil der Aminosäuren direkt weiterverarbeitet werden mag (4). Glycerin und die 'bei dessen Verarbeitung entstehenden Stoffwechsel- produkte haben für das Verständnis der biologischen Zuckersynthese eine besondere Bedeutung. Glycerin wirkt sehr allgemein als treffliche Kohlenstoffnahrung, wenn es auch in manchen Fällen weniger tauglich ist als Glucose, wie bei Hefen (5), für anaerobe Buttersäuregärer (6), auch für Bac. ethaceticus (7). Essigsäurebacterien wachsen nach Henne- berg auf l%igem Glycerin gar nicht (8). Hingegen ist der Tuberkel- bacillus ein bekanntes Beispiel eines starken Glycerinzehrers (9). Hier kann das Glycerin nicht einmal mehr durch Zucker ersetzt werden. Aspergillus und Penicillium bevorzugen zw ir unter gewöhnlichen Ver- hältnissen Glucose, gedeihen aber noch in 40 %igem Glycerin (10). Als Stoffwechselprodukte der bacteriellen Glycerinverarbeitung kennt man Äthylalkohol, Propylalkohol, Butylalkohol, von den zugehörigen Säuren Ameisensäure, Essigsäure, seltener Propionsäure (11), dann Buttersäure und Milchsäure. Bac. subtilis bildet reichlich Alkohol (12). Auch Granulo- bacter saccharobutylicus Beijerinck(13) produziert aus Glycerin Äthyl- alkohol. Bac. butylicus bildet nach Fitz und Emmerling(14) 6,3% 1) A. W. BoswoRTH u. Prucha, Journ. of Biol. Cham., 8, 479 (1911). — 2) Frankland u. Frew, Journ. Cham. Soc, /, 81, 96 (1891). — 3) Vgl. Fried- mann, Med. Klin. (1909), Nr. 36. — 4) Wehmer, Just Jahresber. (1892), /, 192. BüTKEWiTSCH, Jahrb. wiss. Botan., 38, 147 (1902). Im Tierkörper: Neuberg u. Lanqstein, Arch. Anat. «. Physiol. (1903), p, 514;.Ztsch. physiol. Chem., 44, 134 (1905). — 5) Beijerinck, Zentr. Bakt., //, 68 (1892). — 6) Schattenfroh u. Grassberger, Ebenda, II, 5. 697 (1899). — 7) Frankland u. Fox, Proceed. Roy. Soc, 46, 345 (1889). — 8) Henneberg, Zentr. Bakt. II, 4, 20 (1898). — 9) C. Siebert, Ebenda, I, su 305 (1909). Sauton, Compt. rend., 155, 860 (1912). — 10) H. KÜHL, Pharm. Ztg., 52, 487 (1907). — 11) Y. Sera, Ztsch. Hyg., 66, 141 (1910). G. Troili-Peterson, Zentr. Bakt., 24. 333 (1909). — 12) Viele Befunde bei Fitz. Ber. Chem. Ges., p, 1348 (1876); 10, 276 u. 2226 (1877); //, 42 (1878); 13, 36 u. 1309 (1880); 15, 867 (1882). — 13) Beijerinck, Zentr. Bakt., 15, 171. — 14) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., 30, Abi (1897). Vignä, Ebenda, 16, 1438 (1883). Duclaux, Ann. Inst. Pasteur, 9, 811 (1896). § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen. 387 n-Butylalkohol und auch Buttersäure. Bac. boocopricus von Emmerling soll Methylalkohol bilden, ferner Essigsäure, Buttersäure, etwas Ameisen- säure, Bernsteinsäure, aber keinen Butylalkohol(l). Bei Bac. butylicus fand MoRiN auch Bildung von n-Amylalkohol (2). Ein Bacillus in Wein soll nach Voisenet(3) bitteren Geschmack durch Oxydation des Glycerins zu Acrolein hervorrufen. Schulze konstatierte neben Butylalkohol Bildung von Phoron, C9Hi40(4). Unbekannt ist es hierbei, wie die Bildung der Stoffe aus der Buttersäuregruppe zustande kommt, wobei einerseits an sekundären Abbau primär gebildeter Hexosen, andererseits an Synthesen aus dreigliederigen C-Ketten zu denken wäre. Dem bisher Gesagten ist auch zu entnehmen, welche Bedeutung man der Bildung dreigliederiger C-Ketten für die Zuckersynthese bei- zulegen hat, Vorgänge, welche in der Tat zu den wichtigsten Vorstufen der Zuckersynthese zu rechnen sind. Dabei scheinen Oxydations-, Reduktionswirkungen und COj-Abspaltung, alles Prozesse, welche durch Enzvme bewerkstelligt werden können, hauptsächlich in Betracht zu kommen. Von den Ureiden wurde die Parabansäure schon durch Reinke(5) als taugliche Kohlenstoffnahrung für Pilze angegeben, und bei Aspergillus wirkt Alloxan noch besser. Benzolderivate sind vielfach als gute Nahrung befunden worden. So wächst Aspergillus nach eigenen Erfahrungen gut auf p-Oxybenzoesäure, dagegen weder auf m-Oxybenzoesäure (die aber nach Waterma.n(6) gleichfalls verwendbar sein kann), noch auf Salicyl- säure, noch auf Benzoesäure. Sehr gut wirkt Gallussäure, während Phthalsäure ungeeignet ist. Spurenweises Wachstum tritt ein auf Mellith- säure, sehr schönes auf Chinasäure und Quercit Daß aber andere Pilze Salicylsäure verarbeiten, geht aus den Versuchen von Lott(7) hervor. Angaben über Bacterien Wachstum auf Arhutin, Salicin und anderen aromatischen Glucosiden lieferte Fermi(8); nach Herissey(9) soll das glucosidische Aucubin ebenfalls verarbeitet werden, wobei jedoch vielleicht nur die Zuckerkomponente verwendet wird. Nach Laurent soll Hefe selbst Colchicin und Atropinsulfat merklich assimilieren. Nach Pfeffer läßt sich Aspergillus mit Re&orcin und Hydrochinon bis zu einem ge- wissen Grade mit Kohlenstoff versorgen. Man kann behaupten, daß bei Phenolen und Phenolsäuren die Eignung mit der Zahl der OII-Gruppen im allgemeinen wächst und daß hydroaromatische Verbindungen ungleich besser wirken als nichthydricrte Benzolderivate. So vermag Aspergillus das mellithsaure Amnion C.COONH4 NH400CC^^^C.C00Nn4 NH400C.c'l^^lc-COONH4 CCOONH4 nur sehr wenig zu assimilieren, während Quercit: 1) Emmerling, Ber. Chem. Ges., 29, 2726 (1896). — 2) E. Morin. Compt. rend., 105, 816 (1887). — 3) Voisenet, Ebenda, 75/, 518 (1910). — 4) K. E. Schulze, Ber. Chem. Ges., /5, 64 (1882). — 5) J. Reinke, Untersuch, a. d. botan. Labor, d. Univ. Göttingeu, 3 (1883). — 6) H. J. Watermak, Diss. (Delft 1913). — 7) F. E. LoTT, Chem. Zentr. (1903), /, 1026. — 8) Cl. Permi u. Monte:sano, Zeutr. ßakt., /5, 722 (1894). — 9) H. Herissey u. Lebas, Journ. Pharm, et Chim. (7), j, 521 (1912). 25* 388 Achte» Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbilduog bei Pilzen. CHa HOHCr^^CHOH HOHCL^^CHOH CHOH in meinen Versuchen mit Aspergillus selbst Glycerin an Nährwert übertraf, in Ekmans Versucheo allerdings viel weniger wirksam war(1). In Nägelis Versuchen trat die Eignung der Chinasäure sehr hervor. Von Interesse ist die Bildung von Protocatechusäure durch Bacterien aus Chinasäure, welche schon Loew(2) beobachtete und die nach Emmer- LiNG und Abderhalden (3) dem Micrococcus chinicus in besonderem Maße eigen ist. Die Ringsprengung bei der Verarbeitung von Benzol- derivaten ist für die bacterielle Kohlenstoffassimilation noch sehr wenig bekannt. Möglich daß in manchen Fällen eine Hydrierung des Benzol- ringes und nachfolgende Ringsprengung stattfindet, es könnte aber auch nach dem von Jaffe (4) angegebenen Falle der Überführung des Benzol- ringes in Muconsäure im Tierkörper: CH CH HC|-^"^|CH OHOC-^^CH HC'I^^CH "^ OHO-C^^CH CH CH CHiCHCOOH oder • Muconsäure CH:CH.COOH eine Überführung in ungesättigte aliphatische Verbindungen auf oxy- dativem Wege stattfinden. Erwähnt sei noch, daß Inosit von Bacterien verarbeitet wird (5). Zum Schlüsse mag noch angeführt werden, daß die Huminstoffe des Bodens nach den Feststellungen von Reinitzer und Nikitinsky (6) für Pilze und Bacterien keine besondere Bedeutung als Nahrungsstoffe haben können. Für Schimmelpilze wurde nur eine ganz minimale Ver- wendbarkeit eruiert, wobei noch immer ungenügende Reinheit oder sekundäre Umsetzungen nicht ausgeschlossen sind. Nach Nikitinsky können Bodenbacterien zwar Huminsäure unter COg-Entbindung zersetzen, doch ist auch hier eine Ernährung mit der Huminsäure allein nicht möglich. Künstlich aus Zucker hergestellte Huminsäure erwies sich für Penicillium gleichfalls als Kohlenstoffquelle unbrauchbar. Im Gegensatze hierzu fanden Robertson und Irvine natürliche und künstliche Humin- stoffpräparate für Penicillium verwendbar (7). Da jedoch die Reinheit solcher Präparate nur schwierig oder gar nicht zu kontrollieren ist, und überdies die Möglichkeit chemischer Reizwirkungen durch Humus- substanzen nicht außer acht zu lassen ist (8), so erscheinen diese Diffe- renzen leicht möglich. 1) G. Ekman, Finska Vet. See. Förh., S3 A, Nr. 16 (1910/11). — 2) O. LoEW, Ber. Chem. Ges., 14, 450 (1881). — 3) Emmerling u. Abderhalden, Zentr. Bakt. II, 10, 337 (1903). — 4) Jaffa, Ztsch. physiol. Chem., 62, 58 (1909). — B) G. Meillere, Soc. Biol., 62, 1096 (1907). — 6) F. Reinitzer, Botan. Ztg. (1900), p. 58. Nikitinsky, Jahrb. wies. Botan., 37, 365 (1902). — 7) R. A. Robertson u. Irvine, Biochem. Journ., a, 458 (1907). — 8) Für Hefe: Dzierzbicki, Anzeig. Akad. Krakau (1909), p. 651. Neuntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. 389 Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. § 1. Speicherung von Kohlenhydraten bei Algen. Soweit sich nach dorn heutigen sehr lückenhaften Stande des Wissens beurteilen läßt, herrscht bei den verschiedenen Algengruppen auf dem Gebiete der Reservekohlenhydrate entsprechend den großen phylogenetischen und physiologischen Gruppentrennungen große Mannig- faltigkeit, und die Verhältnisse sind hier noch weit entfernt von der großen Einheitlichkeit, die wir bei den Blütenpflanzen finden. Über- sichten über die einschlägigen Verhältnisse sind ausführlicher in den Werken von Clautriau, Oltmanns und 0. Richter gegeben (i). Bei den sich holophytisch ernährenden Flagellaten sind mehrere Stoffe aus der Kohlenhydratreihe als Reservestoffe nachgewiesen. Hiervon ist das Paramylum, welches 1850 von Gottlieb (2) bei Euglena entdeckt und näher studiert worden ist, am besten bekannt. Man kennt es nicht nur aus dem ZelHnhalte der grünen und farblosen Eugleniden, darunter durch Chawkin von Astasia ocellata (3), sondern auch von einer Monadinee, der Leptophrys vorax nach Zopf(4). Mit dem Paramylum aus Euglena befassen sich besonders Arbeiten von Klebs, Schmitz und BIjtschli (5), Es bildet geschichtete scheibenförmige Körner des Zelhnhaltes von verschiedener Größe, manchmal in einer für die Spezies charakteristischen Form, mitunter ringförmig gestaltet. Die Körner geben keine Jodreaktion, sind in 6% KOH, sowie in Kupfer- oxydammoniak löslich, namenthch aber in Formalin quellbar und lösUch. Wahrscheinlich entstehen die Paramylumkörner bei Euglena viridis nicht im Chromatophor, sondern im Cytoplasma. Daß die Körner vielfach den Chromato- phoren anhegen, ist in dieser Frage kein entscheidender Umstand. Es ist auch noch nicht definitiv entschieden, ob die Paramylumkörner bei lange fortgesetzter Verdunkelung verbraucht werden und schwinden. Diastase greift sie nicht an. Größere Mengen von Paramylum gewann Gottlieb dadurch, daß er Euglenen mit viel Wasser angerührt, durch ein feines Draht- sieb goß, mit Äther, Alkohol und schheßHch mit kochendem Alkohol und HCl behandelte, hierauf in Wasser verteilte und durch ein Baumwolltuch kolierte. Aus der Flüssigkeit setzt sich das Paramylum ab, das in KOH gelöst und mittels HCl. unter Alkoholzusatz wieder gefällt wird. Es soll bei der Hydrolyse Glucose liefern, hat die Zusammensetzung CgHujOg und gibt mit Br und AggO oxydiert nach Habermann (6) Gluconsäure. Als Leu CO sin wurde von Klebs (7) ein Inhaltsstoff bei Dinobryon bezeichnet, der nach Meyer jedoch nicht wie Klebs annahm, eiweißartiger Natur ist, sondern ein Kohlenhydrat zu sein scheint. Es bildet sich bei F. Oltmanns, Morphol. u. Blol. d. Algen (1905), //, 147. O. Richter, Die Er- nährung d. Algen (Leipzig 1911) [Monogr. u. Abhandl. d. Internat. Eevue d. ges. Hydrobiologie, //). — 2) J. Gottlieb, Lieb. Ann., 75, 51 (1850). — 3) Chav7- KIN, Just Jahresber. (1888), /, 169. — 4) Zopf, Schenks Handb. d. Botan., j, II, 17 (1887). — B) Klebs, Untersuch, a. d. botan. Inst. Tübingen, /, 270 (1883); Botan. Ztg. (1884), p. 567. Schmitz, Jahrb. wiss. Botan., is, I (1884); Botan. Ztg. (1884), p. 809. O. BÜTSCHLi, Arch. Protistenkunde, 7. 197 (1906). Ch. Ternetz, Jahrb. wiss. Botan., 51, 441 (1912). — 6) Habermann, lieb. Ann., 77:?, 14. — 7) Klebs, Ztsch. wiss. Zoolog., 55. Lemmermann, Ber. Botad. Ge«., t8, 506 (1900). 390 Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. reichlicher Versorgung der Organismen mit Kohlenhydraten unabhängig von der Behchtung. Nicht viel sicheres weiß man bezügHch der Kohlenhydrate der Bacillaria- ceen, Peridineen und Cyanophyceen. Bei der erstgenannten dieser Gruppen findet vielleicht überhaupt nur Speicherung von Fett statt und nicht von Reservekohlenhydraten. Doch ist das Vorkommen von Glykogen hier nicht ganz ausgeschlossen. Bei den Peridineen wurde Vorkommen von Amylum- körnchen beobachtet. Da sich verschiedene Cyanophyceen, wie Nostocaceen und Oscillarien mit Jod braun färben, so hat schon Ereera (1) daran gedacht, daß hier Glykogen oder ähnhche Kohlenhydrate vorhegen könnten, und auch für eine grüne Euglenacee, Colacium vesiculosum, wurde dieselbe Ver- mutung ausgesprochen. Nach Hegler (2) ist in der Tat hier Glykogen vor- handen und man kann dasselbe durch anhaltende Verdunkelung zum Schwinden bringen. Beijerinck (3) hat auch für eine Grünalge, Chlorella variegata die Gegenwart von Glykogen festgestellt. Das Paraglykogen der Zooprotisten hat Errera bei der Merismopedia glauca Näg. und elegans A. Br. nachgewiesen. Im übrigen sind die Reservestoffe der Blaualgen noch wenig geklärt. Nach A. Fischer (4) ist in Anabaena ein besonderes Kohlen- hydrat, Anabaenin, enthalten, welches durch Enzymwirkung (,,Ana- baenase") löshch ist. Das japanische Nostoc Phylloderma soll angebhch über 50% Stärke enthalten (5). Die von BoRzi und Hieronymus als „Cyano- phycin" bezeichneten Körnchen, welche oft in großer Menge im parietalen Plasma vorkommen, wurden von Zacharias und Nadson für Kohlen- hydratsubstanzen gehalten, während sie durch Chodat und Manilesco, sowie A. Fischer für eiweißartige Inhaltsstoffe erklärt wurden. Palla (6) hatte die Cyanophycinkörner bei Gloeotrichia Pisum für das erste sichtbare Assimilationsprodukt gehalten. In den Sporen sollen sie als Reservestoffe fungieren. Bei den höheren Algengruppen tritt sehr häufig Stärke als Reserve- stoff in den Chloroplasten auf, schon von den niederen Chlorophyceen an- gefangen. Doch fehlt anscheinend die Phanerogamenstärke den großen Formenkreisen der Braun- und Rotalgen vollständig. Von Interesse ist das anscheinend nicht seltene Vorkommen von optisch inaktivem Tetrit, Erythrit, bei den Protococcaceen. Bamberger und Landsiedl wiesen Enythrit auch in TrentepohHa loUthus nach (7). Es ist zu vermuten, daß der Ery- thrit auch in den Flechten, wo er wie in Roccella Phycopsis mitunter reichlich vorkommt, an die Algenzellen gebunden ist (8). Mannit ist zuerst von Stenhouse (9) in verschiedenen Laminariaarten nachgewiesen worden, wo er den getrockneten Thallus oft als weißer Überzug bedeckt. Nach den Untersuchungen von Kylin (10) ist der Mannit bei Braunalgen eine sehr verbreitete Substanz. Stärke fehlt in den Chloroplasten mancher Grünalgen gänzhch, wie von Vaucheria und anderen Siphoneen wohlbekannt ist. Es bleibt noch zu untersuchen, ob hier irgendwie löshche Kohlenhydrate außer Fett vorkommen. Bei parasitischen Chlorophyceen, wie Phyllosiphon und Phytophysa kommen Körnchen vor, welche in ihrem Verhalten zu Jod 1) Errera, Ber. Botan. Ges. (1887), p. LXXVII, Anna. Glycogfene et Para- glycogfene (Bruxelles 1905). — 2) R. Regler, Jahrb. wies. Botan., jö, 229 (1901). Heinze, Zentr. Bakt. II, 12, 56 fl904). — 3) Beijerinck. Rec. trav. botan. N^er- land. (1904), Nr. 1. — 4) A. Fischer, Botan. Ztg. (1905), /, 65. — B) Nami- kawa, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 7. 123 (1906). — 6) Palla, Jahrb. wisa. Botan., 25, 511 (1893). — 7) Bamberger u. Landsiedl, Monatsh. Chem., 21, 571 (1900). — 8) 0. Hesse, Journ. prakt. Chem., 73, 113 (1906). — 9) J. Stenhouse, Lieb. Ann., 5^ 349 (1844). — 10) H. Kylin, Ztsch. physiol. Chem.. 83, 174 (1913). § 1. Speicherung von Kohlenhydraten bei Algen. 391 Ähnlichkeit mit Florideenstärke oder mit „ Amylodextrinstärke" zeigen (1 ). Sie wurden bei Phytophysa als „CelluUnkörner" beschrieben, doch ist es un- sicher, ob sie mit den gleichnamigen von Saprolegnia bekannten Gebilden etwas zu tun haben ; dasselbe gilt von den durch Schaarschmidt (2) von Vaucheria angegebenen Celluhnkörnern, die durch Chlorzinkjod und durch verdünnte H2SO4 nicht verändert werden, und gut mit Nigrosin, im inneren Teile auch mit Eosin, färbbar sind. Die Dasycladaceen enthalten, wie Nägeli und Gramer (3) zuerst mitgeteilt haben, meist Inulin als Reservekohlen- hydrat im Zellsaft gelöst. So ist eS bei Botryophora, Acetabularia und Polyphysa peniculus. Stärke fand Gramer nur in der letztgenannten Art sowie bei Neomeris Kelleri. Nach Ernst (4) führen auch manche Derbesia- arten Stärke. Die Kohlenhydrate der Florideen und Braunalgen weichen in vieler Hinsicht stark von den bei Grünalgen vorkommenden ab. Die stärkeartigen Inhaltskörper der Florideenzellen sind schon von Nägeli und van Tieghem behandelt und später von Schmitz und Schimper, in neuerer Zeit besonders von Hansen, Bruns, Kolkwitz und Kylin studiert worden (5). Die Körner sehen den Phanerogamenstärkekörnern meist sehr ähnhch, verhalten sich jedoch gegen Jodlösung ganz anders. In starker Jodlösung werden sie nach Kylin und Bruns zunächst gelbbraun, quellen sodann stark auf unter Annahme einer violetten Färbung, welche beim Liegen in Wasser wieder schwindet. Daher sieht man in den Präparaten oft verschiedene rote und violette Farbentöne nebeneinander. Im polar-sierten Lichte zeigen die Körner dieselben Erscheinungen wie die gewöhnlichen Amylumkörner. Kolkwitz wies nach, daß diese Stärkekörner bei den Florideen in sehr allgemeiner Verbreitung vorkommen. Zweifellos besitzen sie hier die Bedeutung von Reservekohlenhydraten, wie die Phanerogamenstärke. Nach Henckel und Kylin ist es gegenüber früheren Angaben ganz sicher, daß die Florideen- stärkekörner an der Oberfläche der Chromatophoren entstehen und sich später ablösen, woher es kommt, daß sie oft eine schalenartige, einerseits konkave, andererseits konvexe Form haben. Kylin hat nachgewiesen, daß die Florideenstärke bei der Hydrolyse Glucose hefert und daß sie in warmem Wasser verkleistert, durch Malzdiastase leicht angegriffen wird, während die unveränderten Körner nicht gelöst werden. Die Kenntnis der Kohlenhydrate der Braunalgen war bis auf die neueste Zeit in sehr ungeklärtem Zustande und ist erst in der aller jüngsten Zeit durch die an- geführte Arbeit von Kylin beträchtUch gefördert worden. Die schon von Bauer (6) stammende Angabe über das Vorkommen von reduzierendem Zucker in Braunalgen wurde bestätigt, so daß Glucose und Fructose auch bei diesen Pflanzen als normale Assimilationsprodukte angesehen werden dürfen. Hingegen fehlt Stärke vollständig. Nach Kylin dürfte ein in vier weit verbreiteten Formen nachgewiesenes lösliches dextrinartiges Kohlen- 1) Schmitz, Botan. Ztg. (1882), p. 541. Just, Ebenda, p. 23. Mme Weber- VAN Bosse, Ann. jard. bot. Buitenzorg, 8, 165 (1890). — 2) J. Schaarschmidt, Just Jahresber. (1884), /, 220; (1885), /, 390. — 3) Nägeli, Sitz.ber. bayr. Akad. (1862). C. Gramer, Denkschr. d. Schweiz. Gesellsch., jo (1887). — 4) A. Ernst, Botan. Zentr., 99, 485 (1905). -- 5) Nägeli, Die Stärkekörner (1858), p. 533. van Tieghem, Compt. rend., 61, 804 (1865). Mer. Bull. Soc. Botan., 22, 146 (1875). Schmitz, Chromatophoren d. Alg. (1882), p. 151. Schimper, Jahrb. wiss. Botan., 16, 199. Belzung, Ann. Sei. Nat. (7), 5, 224. Hansen, Mitteil. Zoolog. Stat. Neapel, //, II. E. Bruns, Flora (1894), Erg.-Bd., p. 173. Kolkwitz, Ber. Botan. Ges., 17, Generalvers., p. 173. Wiss. Meeresuntersuch., Abt. Helgoland (1900); Ztsch. wiss. Mikr., 17, 263 (1900). Henckel, zit. bei Kylin, 1. c. (1913). Bütschli, Verhandl. Naturhistor. med. Ver. Heidelberg, 7, 519 (1904). — 6) Bauer, Ber. Chem. Ges., 22, 618 (1889). 392 Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. hydrat, das Laminarin, die Stärke vertreten. Laminarin ist in seiner Lösung linksdrehend und scheint bei der Hydrolyse ausschließlich Glucose zu liefern. Dieses Laminarin wurde schon von Schmiedeberg vor längerer Zeit angegeben, doch wurde damals auf die physiologische Rolle dieser Substanz nicht eingegangen (1). Die stark üchtbrechenden Bläschen, welche in Fucaceenzellen sehr verbreitet sind, sind kleine Gerbstoffvacuolen. Den Inhalt derselben hatte Hansteen (2) als „Fucosan" bezeichnet und ihn erst als Kohlenhydrat, sodann als Glucosid mikrochemisch bestimmt. Nach Kylin(3) kann darüber kein Zweifel sein, daß es sich um eine phenol- artige Substanz handelt, die oxydabel ist und postmortal jenen Farbstoff liefert, welcher schon seit langem als ,,Phycophaein" in der Algenchemie eine große Rolle spielt und früher meistens als nativer Chromatophoren- farbstoff angesehen wurde, bis besonders Molisch und Tswett (4) zeigten, daß es sich um ein postmortal entstandenes Produkt handle. Nach den Analysen von König und Bettels (5) beträgt der Gehalt der Meeresalgen an wasserlöshchen Kohlenhydraten nicht selten 40—50% der Trockensubstanz, wobei es aber nicht leicht zu sagen ist, ob nicht ein größerer Anteil derselben auf Rechnung von Membranschleimen fällt. §2. Resorption von Kohlenhydraten und Kohlenstoffgewinnung durch Algen. Soweit in der Natur bei Algen saprophytische und parasitische Ernährungweise in Betracht kommt, darf wohl auch die Bildung von verschiedenen auf Kohlenhydrate einwirkenden Enzymen durch diese Organismen angenommen werden. Doch ist auf diesem Gebiete noch recht wenig bekannt. Für eine farblose Euglenidenform, die Astasia ocellata, hat Chawkin die Produktion von Amylase sichergestellt, die bei Protozoen ja weit verbreitet nachgewiesen ist. Die künstliche Kultur von verschiedenen niederen Algen, ebenso auch von Algen, welche als Flechtengonidien leben, hat zuerst Beijerinck erfolgreich durchgeführt und gezeigt, daß man dieselben ganz gut auf Zuckerpeptonagar gedeihen lassen kann (6) Übrigens scheint nach späteren Erfahrungen von Artari (7) die Gonidienalge der Flechte Xanthoria parietina auf Zucker- peptongelatine besser zu wachsen, als die höchstwahrscheinlich zu derselben Art gehörige freilebende Chlorococcum infusionum. Es schienen nach Artari übrigens auch bei freilebenden Algen Rassendifferenzen be- züglich der Neigung zur saprophytischen Lebensweise zu existieren. Chlorella vulgaris bleibt nach Artari und Radais (8) auch bei Zucker- darreichung schön grün, während Stichococcus in Lichtkultur auf Zucker- nährboden weniger Chlorophyll ausbildet und sogar farblos wird (9). 1) Schmiedeberg, Tageblatt. Vers. Naturf. u. Ärzte Straßburg (1885). — 2) Hansteen, Jahrb. wiss. Botan.. 24, 317 (1892); jj (1900). Crato, Botan. Ztg. (1893), /, 157. Bruns, 1. c. Für Dictyota: Hunger, Jahrb. wiss. Botan., 38, 70 (1902). — 3) Kylin, Arkiv f. Botan., //, Nr. 5 (1912); 1. c. (1913). — 4) H. Mo- lisch, Botan. Ztg., 63, I, 131 (1905). M. Tswett, Ber. Botan. Ges., 24, 2,35 (1906). — 5) J. KÖNIG u. Bettels, Ztsch. Unters. Nähr.- u. Genußmittel, 10, 457 (1905). — 6) Beijerinck, Botan. Ztg. (1890), p. 725; Zentr. Bakt., 13, 368 (1893). Lit. bei O. Richter, Ernährung d. Algen (Leipzig 1911). — 7) A. Artari, Ber. Botan. Ges., 20, 172 (1902). — 8) Radais, Compt. rend., 130, 793 (1900). — 9) Matruchot u. MoLLiARD, Ebenda, 131, 1248 (1900); Rev. g^n. Botan., 14, 113 (1902). Auch Beij- erinck, 1. c. Krüger, Zopfs Beitr., 4 (1894). Charpentier, Ann. Inst. Pasteur, 77, 369 (1903). Pampaloni, Nuov. Giorn. Botan. Ital., 10, 602 (1903). § 2. Resorption von Kohlenhydraten und Kohlenstoffgewinnung durch Algen. 393 Artari fand den Scenedesmus acutus besonders geeignet um das Ver- schwinden des Chlorophylls bei saprophytischer Lebensweise zu zeigen. Nach Chodat(I) verliert Hormococcus sein Chlorophyll nur in Glucose- kulturen, nicht aber in Glycerinkulturen, die viel weniger üppig sind als die ersteren. Besonderes Interesse beanspruchen die bei Reinkulturen von Dia- tomeen erzielten Ergebnisse, die sich allerdings vorläufig nur auf eine farb- lose und eine farbstofführende Art der Gattung Nitzschia sowie eine l^avicula beschränken. Nach O. Richter (2) nützen die rein gezüchteten braunen Arten Navicula minuscula und Nitzschia Palea Glucose, Inuhn, Saccharose, Mannit und Dulcit sehr gut aus, darunter die beiden erstgenannten Stoffe am besten, und können Milchzucker und Galactose nicht verwerten. Glycerin ist ein mäßiger Nährstoff. Dasselbe gilt von der farblosen Nitzschia putrida Ben. Alle Arten wirken auf Agar lösend und produzieren offenbar ein auf Agar hydrolysierend einwirkendes Enzym, Gelase. Amylase aufzufinden gelang bei ihnen nicht. Nostoc punctiforme wird nach Bouilhac (3) im Dunkebi auf zucker- haltigem Nährboden nicht farblos. Diese Alge verarbeitet gjiit Glucose, Maltose, Saccharose und Stärke, hingegen nicht Fructose, Galactose, Sor- bose, Trehalose, Melezitose, Raffinose, Mannit, Dulcit, Arabinose, Xylose, Dioxyaceton, Perseit, Dextrin und Gummi arabicum; Milchzucker unter- hielt geringes Wachstum. Manche dieser Angaben müssen wohl noch mit reinen Präparaten nachgeprüft werden ; dasselbe gilt von der Angabe Richters über die schlechte Wirkung von Fructose bei Diatomeen. Daß Cyano- phyceen bei heterotropher Kultur im Dunkeln nicht farblos werden, hat neuerdings Pringsheim (4) für reinkultivierte Formen bestätigt. Die Resorption von Kohlenhydraten durch verschiedene Grünalgen ist oft untersucht worden. Nach Klebs(5) bilden entstärkte Zygnema- fäden im Dunkeln lebhaft Stärke in 5%igem Glycerin, aber nicht in Rohr- zuckerlösung. Hydrodictyon hingegen zeigt ebenso wie Phanerogamen- blätter Stärkebildung in Lösungen von Maltose und Saccharose. Nach den Erfahrungen von Nadson(6) ist beim Einlegen von Spirogyra-, Hydrodictyon-, Oedogonium- und Cladophoraarten in Saccharose, Glucose oder Glycerin in allen Fällen Stärkebildung zu erzielen. Daß speziell Glycerin zur Stärkeformation bei Algen sehr verbreitet geeignet ist, vielleicht häufiger als bei Phanerogamenblättern, geht auch aus Be- obachtungen von DE Vries und von Assfahl hervor (7). Die Poly- saccharide wurden noch wenig untersucht. Cystococcus humicola speichert nach Charpentier(8) gleichfalls reichlich Stärke, wenn er im Dunkeln auf Glucose kultiviert wird. Nachdem Zumstein(9) für Euglena gracilis angegeben hatte, daß sie Citronensäure als alleinige Kohlenstoffnahrung ausnützt, ist es Tre- BOux(IO) gelungen nachzuweisen, daß eine ganze Reihe von Chloro- 1) Chodat, Bull, de THerb. Boissier (1903), Nr. 7, p. 648. — 2) O. Richter, Ber. Botan Ges., 21, 493 (1903); Sitz.ber. Wien. Ak., 115, I (Januar 1906); Denk- schrift Wien. Ak., 84 (1909). — 3) R. Bouilhac, Compt. rend., 125, 880 (1897); 133, 55 (1900). — 4) E. PRINGSHEI^f, Beitr. Biol. d. Pfl., 12, 49 (1913). — 5) Ki.ebs, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, //, 538 (1888); Botan. Ztg. (1891), Nr. 48. — 6) Nadson, Botan. Zentr., 42, 48 (1890). — 7) H. de Vries, Botan. Ztg. (1888), p. 229. Assfahl, Diss. (Erlangen 1892). — 8) Charpentier, Compt. rend., .134, 671 (1902). — 9) H. Zumsteix, Jahrb. wiss. Botan., 34 (1899). H- Pringsheim, Beitr. Biol. d. Pfl., 12, 1 (1913) erzielte weniger gute Nährerfolge mit Citrat. — 10) O. Treboux, Ber. Botan. Ges., 23, 432 (1905). 394 Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. phyceen im Dunkeln Oxysäuren und auch Glieder der Essigsäurereihe als Kohlenstoffnahrung verwenden. Auf essigsaurem Kali gediehen Chlorella, Scenedesmus, Raphidium, Kirchneriella, Coelastrum, Westella, Protococcus, Microthamnium, Haematococcus und Chlamydomonas. Für eine Art der letztangeführten Gattung war Zucker sogar schlechter als Acetat. Scenedesmus und Coelastrum verarbeiten Lactat, während die Ausnützung von Butjrat bei Euglena viridis sichergestellt werden konnte. Nach Tobler(I) ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Kohlen- stoffnahrung der Flechtengonidien teilweise in organischen Säuren besteht, welche der Pilzsymbiont hervorbringt. LoEW und BOKORNY (2) haben sehr zahlreiche Versuche an Spirogyren über die Möglichkeit einer Verwertung verschiedener Kohlenstoffverbin- dungen angestellt, die größtenteils bisher nicht wiederholt und bestätigt worden sind. Bei Lichtversuchen dürfte es in vielen Fällen nicht leicht sein, die Kohlensäureassimilation völhg auszuschließen. Jedenfalls werden Algen, die längere Zeit währende Verdunklung ohne Schaden aushalten, bei Nach- prüfungen besonders zu berücksichtigen sein. Bokorny konnte bei Dar- reichung von Methylal an verdunkelte Spirogyren keine Nährwirkung und Stärkebildung konstatieren, während im Licht unter möghchst gutem COg-Ausschluß reichUch Stärke auf Kosten des Methylais entstanden sein soll. Welche Rolle das Licht hierbei spielte, läßt sich nicht beurteilen. Asparaginsäure soll Spirogyren auch im Dunkebi Kohlenstoffversorgung bieten können, weniger gut Hexamethylente tramin. Beide Stoffe dienten auch als N- Quellen. Nach späteren Angaben der genannten Autoren bildet Spirogyra auch aus formaldehydschwefhgsaurem Natron bei mäßiger Beleuch- tung viel Stärke, und positive Ernährungserfolge sind ferner erzielbar bei Darreichung von Glykol, Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure 0,l%,Valerian- säure 0,1%, Milchsäure 0,1%, Acetessigester, Bernsteinsäure 0,1%, Citronen- säure, saurem Calciumtartrat, saurem Calciummalat, Glykokoll, Trimethyl- amin 0,05 %, Tyrosin, Leucin, Urethan, Harnstoff 0,05%, Hydantoin, Kreatin und Pepton. Hartleb (3) fand Stärkebildung aus Methylalkohol bei Spirogyren und erzielte ungünstige Ergebnisse mit Essigsäure und Oxal- säure. Maleinsäure ist für Spirogyra nach ISHIZUKA (4) viel giftiger als Fumarsäure. Jedenfalls geht aus dem bisher an Algen gewonnenen Materiale hervor, daß häufig Zwischenformen zwischen autotropher, streng auf der photosynthetischen Kohlensäureassimilation fußender Ernährung und hemi- saprophytischen Ernährungsformen zu beobachten sein werden. Die Ver- hältnisse sind hier sicher weit variabler als bei den autotrophen Blüten- pflanzen. Damit hängt natürUch die Frage zusammen, inwieweit wir dem Cytoplasma der Algen die Fähigkeit zusprechen dürfen, Zucker zu bilden, eine Fähigkeit, die, wie aus den Versuchen von Laurent hervorgeht, bei den Moosen, Farnpflanzen und Phanerogamen möghcherweise auf die den Hexosen zunächststehenden Stoffe, wie das Glycerin, beschränkt ist. Doch wären umfassende Untersuchungen im HinbHck auf diese spezielle funda- mental wichtige Fragestellung dringend geboten. 1) ToBLER, Ber. Botan. Ges., 2g, 3 (1911). — 2) O. LoEW u. Th. Bokorny, Journ. prakt. Chera., 144, 272 (1887). Bokorny, Ber. Botan. Ges., 6, 116 (1888). BouiLHAC, Botan. Zentr., 89, 463 (1902). LoEW, Ebenda, 94, 315 (1890). Bo- korny, Ber. Botan. Ges., 9, 103 (1891); Biolog. Zentr., /;, 1 (1897). — 3) Hart- leb; Beihefte botan. Zentr., 5, 490 (1895). — 4) Ishizdka, Botan. Zentr., 71, 367 (1897). Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. 395 Anhang: Bemerkungen über den Kohlenhydratstoffwechsel bei Moosen und Farnen. Die Verhältnisse nähern sich bei den Moosen schon so stark den bei den Blütenpflanzen zu besprechenden Grundzügen, daß sich eine gesonderte Darstellung der Befunde bei diesen Pflanzen nur auf die Hervorhebung einiger weniger Dinge im Anhang an die übrigen Kryptogamen beschränken kann. Sowohl Moose als Farne führen in ihren Sporen neben sehr viel Fett nur wenig Kohlenhydrat als Reservestoff. Moossporen sind nach dieser Richtung noch kaum analysiert. Lycopodiumsporen enthalten nach Bucholz und Rebling gegen 3% Zucker, nach Langer 2,1% Saccharose neben viel Fett (1). In den unterirdischen Teilen ist bisher nur Stärke als Reservestoff bekannt. Ebenso gehören die Blätter zu jenen Organen, welche typisch Stärke als Reservestoff bilden. Für Moosblätter hat Pfeffer (2) die Bildung von Stärke aus dargereichtem Zucker nachgewiesen. Marchal (3) fand Stärke- bildung bei Moosblättern nach Darreichung von Glucose, Saccharose, Mal- tose und Lactose, sowie auch Dextrin, hingegen nicht aus organischen Säuren. Das Verschwinden der Stärke aus den Blattzellen bei Verdunklung ist binnen einer Nacht nicht vollständig zu erreichen, sondern bedarf längerdauernder Verdunklung. Auch Protonemen lassen sich auf Glucosesubstrat gut kulti- vieren. Dabei beobachtete GoEBEL (4), daß starke Stärkespeicherung in den Zellen einsetzt und die Bildung von Moosknospen unterbleibt. Man kann solche Erscheinungen mit Goebel der Ausbildung von Jugendformen vergleichen. Auch Laage (5) berichtete über die Ernährung von Moos- protonemen mit Glucose. Analoge Untersuchungen stellte Perrin (6) mit der Ernährung von FarnprothaUien durch Zuckerlösung an. Abschnitt 3: Die Saccharide im Stoffwechsel der Blütenpflanzen. Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. § 1. Zuckerarten. Wenn auch Hexosen in ruhenden Samen sich in manchen Fällen sicher nachweisen lassen, so ist ihre Menge doch so klein, daß ihre Bedeutung nur die eines Intermediärproduktes sein kann. In der Gerste fand O'SuLLivAN (7) 0,62—1,1% an Glucose, Fructose und Maltose; Glucose und Fructose sind ferner durch Castoro aus den Samen von Cicer arietinum angegeben (8) und von Bourdet (9) aus der Kolanuß. 1) Vgl. Flückiger, Pharmakognosie, 3. Aufl. (1891), p. 252. — 2) Pfeffer, Arbeit, a. d. botan. Inst. Tübingen, 2, 310 (1886). — 3) P^l. et Em. Marchal, Soc. Roy. Botan. Belg., 43, 115 (1906). — 4) K. v. Goebel, Beihefte botan. Zentr., 21, 1, 325 (1907). — 5) A. Laage, Ebenda (1907), p. 76. — 6) C Perrin, Thfese Paris (1908). — 7) O'SULLIVAN, Journ. Chem. Soc. (1886), /. 58. — 8) Castoro, Gez. chira. ital., jp, I, 608 (1909). — 9) L. Bouroet, Bull. Sei. Pharm., 16, 650 (1909). Die gegenteiligen Angaben von Poehl, Pharm. Ztg. f. Rußland, 13, 321 (1874) und AsBOTH, Chem. -Ztg., 12, 25, 53 (1888) enthalten unbegründete Zweifel. 396 Zehntes Kapitel: Die Reserrekohlenhydrate der Samen. Saccharose hingegen kann bereits als ein wichtigeres Samen- kohlenhydrat angesehen werden, und ihre Verbreitung ist nach den Untersuchungen von Schulze und dessen Mitarbeitern (1) eine sehr allgemeine in Stärke- und Fettsamen. Als Reservestoff darf sie direkt beim Zuckermais angesprochen werden, wo die Rohrzuckermenge bis zu 11% ansteigt (2). Viel Rohrzucker enthalten auch die Sojabohne (3), ferner 4% Saccharose die Samen von Aleurites moluccana (4), 3% die Samen von Xanthium strumarium (5) und ähnhche Werte dürften häufig erreicht werden. In Pinus Cembra fanden Schulze und GoDET (6) 6% und vermißten überhaupt Rohrzucker nur in dem ein- zigen Falle des Samens von Lupinus. Im Kastanienmehl fand Leoncini (7) über 26% Rohrzucker. In Getreidesamen ist Saccharose mehrfach nach- gewiesen: für Hordeum durch Kühnemann (8), für Oryza und Triticum durch Marcacci(9). Im ruhenden Gerstenkorn soll die untere dem Em- bryo benachbarte Hälfte weniger Saccharose enthalten als die obere (10). Von Leguminosen sind mit positivem Erfolge geprüft Phaseolus (1 1 ), Cicer (12), Arachis(13), Pisum und viele andere. Weitere Angaben beziehen sich auf Coffea (14), Camellia und Ginkgo (15), Myristica (16), Strychnos (17). Val- lee (18) fand bei süßen Mandehi 2,97 % Saccharose 0,09 % reduzierenden Zucker bitteren „ 2,94 % „ 0,12 % Ricinussamen 1,06 % Cucurbita 1,37 % Pistacia 3,26 % Sesamum 0,64 % Kokkelskörnern 0,61 % 0,12 % 0,12 % 0,20 % 0,14 % 1,05 % Zum Nachweise von sehr geringen Rohrzuckermengen ist vor allem das von Schulze (?9) ausgebildete Verfahren der Fällung mit heißer Strontian- lösung zu empfehlen. Doch kommt man bei Vorhandensein etwas größerer Mengen schon mit der Extraktion durch 95% Alkohol bei 50° aus. Zum quahtativen Nachweis kann man die Behandlung mikroskopischer Schnitte mit Invertinlösung heranziehen (20). Nach Papasogli (21 ) sollen Rohrzucker und Raffinose mit alkalischer verdünnter Kobaltlösung eine amethyst- fa^bige Reaktion geben, während Maltose und Glucose eine himmelblaue Färbung erzeugen. 1) E. ScHur^zE u. Frankfürt, Ztech. physiol. Chem., 20, 511 (1895); 27, 267 (1899); Ber. Chem. Ges., 27. 62 (1894); ZtJ^ch. physiol. Chem., 52, 404 (1907). — 2) Washburn u. T0LLEN8, Ber. Chem. Ges., 22, 1047 (1889). — 3) Stinql u. M0RAW8KI, Monatsh. Chem., 8, 82 (1887). — 4) Charles, Jahresber. Agrik.chem. (1879), p. 106. — 5) A. Zander, Ber. Chem. Ges., 14, 2587 (1881). — 6) E. Schulze u. Godet, Ztsch. physiol. Chem., 61, 279 (1909). — 7) G. Leoncini, Staz. sper. agric. ital., 44, 113 (1911). — 8) G. KtJHNEMANN, Ber. Chem. Ges., 8, 387 (1875). — 9) Marcacci, Just Jahresber. (1889), 7, 41. — IQ) Hermanauz, Ebenda (1876), /, 877. — 11) W. Maxwell, Amer. Chem. Journ., 12, 265 (1890). — 12) Castoro, Gaz. chim. ital, jp, I, 608 (1909). — 13) Andouard, Compt. rend., 117, 298 (1893). — 14) Schulze, Chem.-Ztg., 17, 1263 (1893). Ewell, Amer. Chem. Journ., 14, 473 (1892). Graf, Chem. Zentr. (1901), //, 1237. — 15) Suzuki, Chem. Zentr. (1902), //, 379. — 16) Brachin, Journ. Pharm, et Chim. (6), i8, 16 (1903). — 17) J. Laurent, Ebenda (7), 15, 225 (1907). — 18) Vallee, Ebenda (6), 17, 272 (1903). — 19) Schulze u. Seliwanoff, Landw. Versuchsstat., 34, 408 (1887); 73, 35 (1900); Ztsch. physiol. Chem., 53, 404 (1907). — 20) C. Hoff- meister, Jahrb. wiss. Botan., j/, 687 (1898). — 21) Papasogij, Jahresber. Agrik.chem. (1895), p. 501. § 2. Starke. 397 Raffln ose ist schon wiederholt in ruhenden Samen nachgewiesen. Ritthausen fand sie im Gossypiumsamen(l), 0'SuLLiVAN(2i im Gersten- endosperm, Schulze und Frankfurt (3) im Embryo von Triticum. In neuerer Zeit wurde sie in Samen von Entada und Erythrina durch BouRQUELOT konstatiert (4). Raffinose wird zugleich mit Saccharose durch Strontianlösung gefällt und die beiden Zucker werden durch ihre ungleiche Löslichkeit in Weingeist getrennt. Die Raffinose bleibt im Rückstande nach wiederholtem Auskochen zurück. Die Reaktion nach Seliwanoff mit Resorcin und HCl haben Rohrzucker und Raffinose gemeinsam. Das in Viciasamen enthaltene Glucosid Vicianin liefert bei der Hydro- lyse nach Bertrand und Weisweiller (5) eine Hexopentose, die Vicianose, deren Lösung rechtsdrehend ist und nicht durch Hefe vergoren wird. Ihre Komponenten sind Glucose und Arabinose. Endhch v^äre die Lupe ose zu erwähnen, welche zuerst durch Schulze in den Samen einiger Lupinus- arten aufgefunden wurde (6) und von Tanret (7) als Strontian Verbindung auch aus Phaseolus, Lens, Trifohum, Galega, Soja isoliert werden konnte. Wahrscheinhch ist die Lupeose mit Stachyose identisch. Noch ungeklärt ist die Natur einiger anderer durch Schulze isoherter Kohlenhydrate aus den Samen von Phaseolus, Onobrychis, Sinapis und Picea. §2. Stärke. I. Vorkommen. Wenngleich die Reservestoffe des reifen ruhenden Samens meist aus Fett bestehen, so ist doch sehr reichliche Speicherung von Stärke im Nährgewebe kein seltenes Vorkommnis und nach den ausführlichen, durch mikroskopische Untersuchung belegten Angaben von Nägeli(8) dürfte etwa Vio aller Gattungen der Phanerogamen Stäi-ke- samen besitzen. Im unreifen Zustande pflegen allerdings auch Fettsamen Stärke zu führen, was bei der mikroskopischen Untersuchung von ge- trocknetem Material beachtet werden muß. Von Gymnospermen und Monocotyledonen hat ungefähr die Hälfte der Familien und Gattungen Stärkenährgewebe; von den Dicotylcdonen besitzt nur Ve. von der Ab- teilung der Sympetalen nur Vu der Familien und ein noch viel kleinerer Bruchteil der Gattungen Stärkesamen. Sehr häufig ist das Vorkommen von Stärke im Samennährgewebe ein durchgreifendes Gattungs-, ja Familien-, selbst Ordnungsmerkmal (Farinosae, Centrospermae). Stärke und Fett verteilen sich oft auf Nährgewebe und Embryo (Gramineen, Caryophyllaceen), sind aber in manchen Fällen, wie bei vielen Papilio- naceen miteinander in denselben Zellen vorhanden. Unter den Gymnospermen sind die Cycadeen, Gnetaceen und Ginkgo als Stärkeendosperm führende Pflanzen anzuführen, während bei 1) Ritthausen, Journ. prakt. Cheni., 2g, 351 (1884). Scheibler, Ber. Chem. Ges., 18, 1779 (1885). Rischbiet u. ToixENS, Ebenda, p. 2611. Sacc, Chem. Zentr. (1885), p. 125. — 2) O'SULLIVAN, Journ. Chem. Soc. (1886), /, 70; Chem. News, 52, 293 (1885). — 3) E. Schulze u. Frankfürt, Ber. Chem. Ges.. 27, 64 (1894). Schulze u. Godet, Ztsch. physiol. Chem., 61, 279 (1909). — 4) Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 149, 361 (1909); Journ. Pharm, et Chim., 30, 162 (1910). — B) G. Bertrand u. Weisweiller, Compt. rend., 150, 180 (1910). — 6) Schulze u. Steiger, Landw. Versuchsstat., 4', 210. Merlis, Ebenda, 4S, 419. Schulze, Ztsch. physiol. Chem., 61, 294 (1909); 69, 366 (1910). — 7) G. Tanret, Compt. rend., 155, 1526 (1912). — 8) Nägeli, Die Stärkekörner (1858), p. 378 u. 535. 398 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. den Coniferen nur in einzelnen Fällen neben Fett auch etwas Stärke vorzukommen scheint (l). Von den monocotyledonen Gruppen sind die Gräser, Cyperaceen, Farinosen, Bromeliaceen, Juncaceen, Musaceen hervor- zuheben; von den Dicotyledonen die Piperaceen, Loranthaceen, Quercus, Castanea, die Polygonaceen, Centrospermen, die Nymphaeaceen, Drose- raceen, Anacardiaceen, Aesculus, Bombacaceen und Sterculiaceen, Diptero- carpaceen, Cistaceen, Myrtaceen als Stärke in ihren Samen enthaltend zu nennen. Von den Sympetalen, bei denen nur sehr selten Stärke im Samennährgewebe gefunden wird, seien erwähnt die Plumbagaceen, Aegiceras, wenige Sapotaceen, Avicennia und Acanthus. II. Quantitative Verhältnisse. Bei reichlichem Stärkegehalt kann die Menge des Amylums bis 80% des Trockengewichtes betragen und 60 — 70% ist die Regel bei reichlich Stärke enthaltendem Nähr- gewebe. Die zahlreichen in der Literatur vorhandenen Angaben sind teilweise recht unverläßlich, da nicht immer ausreichende Methoden zur Bestimmung der Stärke in Anwendung kamen. Aus der als „stickstoffreie Extraktivstoffe" bezeichneten Zahl der praktischen Analyse kann man nur mit großer Vorsicht Rückschlüsse auf den Stärkegehalt machen, da diese Zahl nicht selten auch bei notorisch stärkefreien Samen in einem ziemlich hohen Prozentsatze ausgewiesen wird. Außerdem ist sehr häufig auf den Wassergehalt des lufttrockenen Materials und auf die Samenschale keine Rücksicht genommen, so daß die Sammlung genauer, nicht nur dem praktischen Bedarf genügender Analysen des Stärke- gehaltes für verschiedene biochemische Arbeiten von erheblichem Werte wäre. Das Gleiche gilt auch für die übrigen Reservekohlenhydrate von Samen. Die in der Literatur angegebenen Zahlen bewegen sich zwischen 50 und 85% der Samentrockensubstanz und erreichen in den Gras- endospermen sowie bei Aesculus ihre höchsten Beträge (2). Für die Kenntnis der Verteilung der Stärke im Samen sind die Unter- suchungen von Hopkins, Smith und East (3) an Zea Mays von Interesse. Die Körner wurden in sechs Teile zerschnitten und in jedem die Kohlen- hydrate bestimmt. Es fand sich (bei drei Maissorten) an Kohlenhydraten: I II III in Spitzenkappe 90,57 % 87,76 % 91,50 % Hülle 93,29% 94,36% 94,30% Hornige Kleberschicht .... 75,87 % 69,09 % 69,07 % Stärkeschicht 91,54% 89,32% 88,58% weiße Bodenstärkeschicht . . . 92,27 % 91,67 % 90,50 % „ Spitzenstärkeschicht . . 93,31 % 91,62 % 90,75 % Keim 33,07% 35,46% 36,73% Ganzes Korn 85,11 % 83,17 % 80,12 % III. Historisches (4). Die ersten mikroskopischen Beobachtungen über Stärkekörner stammen bereits von Malpighi (5) und besonders von Leeuwenhoek (6), der sich schon bemühte, die Erscheinungen beim Er- 1) Vgl. Burgerstein, Ber. Botan. Ges., i8, 180 (1900). — 2) Vgl. die Tabelle auf p. 308, Bd. I der 1. Auflage dieses Werkes. — 3) C G. Hopkins, Smith u. East, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 1166 (1903). — 4) Hierzu u. a. B. Hersteen, Journ. Industr. and Engin. Chem. (1911), p. 158. — 5) Malpighi bildet auf Taf. IV, Fig. 15 seiner Anatorae plantarum Stärkekörnchen in Stengelparenchymzellen ab. — 6) Leeuwenhoek, vgl. Mulder, Physiol. Chem. (1844), p. 215. § 2. Stärke. 399 hitzen von Stärkekörnchen und bei der Verdauung der Stärke durch Tiere näher zu ergründen. Mirbel (1) sprach sich 1815 dahin aus, daß das Stärke- mehl eine krystalhnische Substanz sei und gleichzeitig bildete Villars, vor allem aber seit 1824 Raspail (2) noch die von Leeuwenhoek herrührenden Vorstellungen weiter aus, wonach die Stärkekörnchen bläschenartige Ge- bilde wären ; auch die Arbeiten von GuiBOURT (3) und von Guerin Varry (4) bewegen sich in dergleichen Anschauungen. In einer bewundernswerten Arbeit stellte Fritzsche (5) 1834 den wahren Bau der Stärkekörner, Schich- tung, Kern, vollständig klar und zeigte die Unrichtigkeit der RASPAiLschen Theorie. Auf die eigentümhchen Erscheinungen an Stärkekörnern im pola- risierten Lichte wies 1844 Biot (6) und später Ehrenberg (7) zuerst hin. Elementaranalysen der Stärke rühren aus älterer Zeit von Berzelius, Marcet (8) und von Payen (9) her; der letztere machte auch auf die gleiche chemische Zusammensetzung der Stärke bei verschiedenen Formverhält- nissen der Körner aufmerksam. 1815 entdeckten Colin und Gaulthier de Claubry(IO) die Jodreaktion der Stärke. Ein sehr bedeutsamer Fort- schrittwar die 1812 durch Kirchhoff (11) entdeckte Überführung der Stärke in Zucker durch Kochen mit verdünnten Säuren, wozu wenig später die Entdeckung desselben Forschers von der amylolytischen Wirksamkeit des Klebers kam. Schon Davy(12) fand, daß die Säure hierbei nicht zersetzt werde und Saussure (1 3) erkannte bereits 1815, daß die Stärke bei der Zucker- bildung Wasser aufnehme und gleichsam in einer festen Verbindung fixiere. Braconnot(14) studierte 1833 die Wirkung der Salpetersäure auf Stärke. Biot und Persoz(15) entdeckten in demselben Jahre die Entstehung einer rechtsdrehenden Substanz bei der Säurehydrolyse der Stärke, welche sie als Dextrin bezeichneten. In die gleiche Zeit fällt sodann auch die erste Darstel- lung von Diastase durch Payen und Persoz(16). Payen (17) zeigte ferner, daß Stärke und Lextrin isomer seien. Erwähnt sei noch, daß Fritzsche auch der Entdecker der weinroten Jodreaktion in den ersten Stadien der Stärke- hydrolyse war und daß er sich gegen die Ansicht aussprach, daß Jodstärke eine chemische Verbindung sei. IV. Darstellung reiner Stärke ist nur schwierig und mit großem Materialverlust zu bewerkstelligen. Um im Laboratorium ein größeres Quantum möglichst reiner Stärke zu gewinnen, knetet man am besten das feingemahlene Samenmaterial in einer Menge von einigen Kilogramm 1) C. F. Brisseaü- Mirbel. Elömens de phys. v^g4t. (1815), /, 185. — 2) Raspail, Ann. Sei. Nat. (Mars 1826); M^m. soc. d'hist. nat., j, 17 (1827); femer Caventou, Ann. de China, et Phys. (2), j/, 337 (1826). — 3) GmBOURT, Ann. de China, et Phys. (2), 40, 183 (1829). — 4) R. T. Guerin- Varry, Compt. rend., 2, 116 (1836); Ann. de Chim. et Phys. (2). 61, 66 (1836); vgl. auch Candolle, Phy- siologie, deutsch V. Röper, /, 149 (1833). — 5) J. Fritzsche, Pogg. Ann., 32, 129 (1834). Eine Übersicht über die ältere Stärkeliteratur ist von Poqgendorff gegeben in dessen Annalen, 37, 114 (1836). — 6) Biot, Compt. rend., 18, 795 (1844). — 7) Ehrenberg, Jouru. prakt. Chem., 49, 490 (1850). — 8) Berzeliüs, zit. Mulder, 1. c, p. 216. Marcet, Ann. de Chim. et Phys. (2), jö, 27 (1827). — 9) Payen, Compt. rend., j, 224 (1836); Ann. de Chim. et Phys. (2), 65, 225 (1837); Ann. Sei. Nat. (1838), p. 5. — 10) Colin u. Gaulthier de Claubry, Schweigg. Journ., 13, 453 (1815). Stromeyer, Gilb. Ann., 49, 146 (1815). — 11) Nasse, Schweigg. Journ., 4, 111 (1812). J. C. Schrader, Ebenda, p. 108. Vogel, Gilb. Ann., 42, 125 (1812); Schweigg. Journ., 5, 80 (1812). Gehlen, Ebenda, p. 32. — 12) Davy, Elem. d. Agrik.chem. (1814), p. 146. — 13) Tu. Saussure, Gilb. Ann., 49, 129 (1815); Schweigg. Journ., 27, 323 (1819). — 14) Braconnot, Ann. de Chim. et Phys. (2), 52, 290 (1833). — 15) Biot u. Persoz, Ebenda (2), 52, 58. 72 (1833). — 16) Payen u. Persoz, Ebenda, 53, 73 (1833); 60, 441 (1835). — 17) Payen, Ebenda (2), 61, 355 (1836). 400 Zehntes Kapitel: Die Reserrekohlenhydrate der Samen. in einem Tuche unter einem Wasserstrahle aus, schlemmt die aus- gewaschene Stärke mit ammoniakhaltigem Wasser aus, so daß nur größere Stärkekörner zurückbleiben, und wäscht zuletzt mit destilliertem Wasser. Dieses Verfahren ist z. B. bei Bohnen, Erbsen, Weizen, Roggen u. a. möglich, versagt jedoch z. B. bei Reisstärke und in anderen Fällen. Bei der fabriksmäßigen Herstellung von Reisstärke werden die Körner in Y4 %iger Natronlauge eingequellt, gewaschen und gemahlen. Das Mehl wird wieder mit Alkali behandelt, man beseitigt die schwereren Verunreinigungen durch Absitzenlassen und verarbeitet die Stärkemilch weiter. Über diese und andere technisch, angewendeten Methoden zur Herstellung von Samenstärke im großen, besonders die Methoden unter Zuhilfenahme von Milchsäuregärung, findet man Näheres in den Werken von Wiesner (1), A. Meyer (2) und den technisch-chemischen Hand- büchern. Bau und Entstehung der Stärkekörner. Soweit die dies- bezüglichen Tatsachen und Forschungen in den Rahmen einer allgemein physiologischen Darstellung fallen, muß auf die Lehrbücher der Physio- logie, in erster Linie die Ausführungen Pfeffers (3) verwiesen werden, wo man auch das Nähere über die Entwicklung des heutigen Wissens von den molekularmechanischen Spekulationen Nägelis(4) angefangen bis zu den durch die Entdeckung der farblosen protoplasmatischen Stärke- bildner durch Schimper(5) angebahnten und besonders von A. Meyer (6) ausgebauten modernen biologisch-chemischen Ansichten finden wird. Hin- sichtlich der Detailfragen ist für jeden, welcher sich eingehender mit dem Studium der Stärkebiochemie beschäftigen will, das umfassende Werk des letztgenannten Forschers ein unerläßliches Hilfsmittel. Wie Meyer ausführlich gezeigt hat, ist der bekannte morphologische Aufbau der Stärkekörner ein Ausdruck der Wachstumsgeschichte dieser Gebilde. Die Substanz der einzelnen Schichten des Stärkekorns kann hierbei sowohl bis zu einem gewissen Grade chemisch different sein, als auch verschiedenen Wassergehalt besitzen. Meyer hat zuerst die theoretische Forderung aufgestellt, daß das wachsende Stärkekorn an allen Punkten der Peripherie, wo es noch Zuwachs durch Anlagerung von Stärkesubstanz erfährt, mit seinem Mutterorgan, dem Amyloplasten, überkleidet sein müsse. Tatsächlich sind die Stärkekörner (wenigstens während der Dauer voller Lebensfähigkeit der beherbergenden Zellen) gänzlich in Amyloplastensubstanz eingehüllt (Meyer, p. 162—67), was auch durch cytologische Untersuchungen von Salter (7) bestätigt worden ist. An Orten, wo der Gehalt des Organs an Kohlenhydraten und Zucker ein schwankender ist, infolge periodisch oder in unregelmäßigen Z^tintervallen vermehrter Zuckerzufuhr und Stärkebildung sowie ver- stärkten Zuckerverbrauches und beschleunigter Stärkelösung, drückt sich dies, wie Meyer an sehr lehrreichen Beispielen gezeigt hat, in dem Bau der 1) Wiesner, Die Rohstoffe des Pflanzenreiches, 2. Aufl., /, 571 (1900). — 2) A. Meyer, Untersuchungen über die Stärkekörner (1895), p. 78—79. Trocknen von Stärke: Maquenne. Compt. rend., 141, 609 (1905). — 3) W. Pfeffer, Pflanzen- physiologie, 2. Aufl., //, 39 (1901). — 4) Nägeli, Die Stärkekörner (1858); Botan. Ztg. (1881), p. 633. — 5) A. F. W. Schimper, Botan. Ztg. (1880), p. 881; (1881), p. 185. — 6) A. Meyer, Ebenda (1881), p. 841. Untersuchungen über die Stärke- körner (1895). Dort ausführlicher Literaturnachweis. Von den Spezialarbeiten sei insbesondeie die Studie von A. Dodel, Flora (1892), p. 267 und A. BiNZ, Ebenda, Erg.-Bd. (1892), p. 34 namhaft gemacht. — 7) J. H. Salter, Jahrb. wiss. Botan., 32, 127 (1898). § 2. Stärke. 401 Stärkekörner vielfältig aus. Derartige Verhältnisse herrschen jedoch nie in Samennährgeweben, wo vielmehr die Stärkebildung ruhig und un- gestört, doch häufig langsam vor sich geht und wo wir denn auch im Einklänge mit Meyers Darlegungen runde, zentrisch geschichtete Körner (Meyers „monotone" Stärkekörner, 1. c. p. 189) am häufigsten finden. Nach Meyer (1. c. p. 175) ist beim Entstehen exzentrisch ge- schichteter Stärkekörner auch der Druck des zähflüssigen protoplasma- tischen Wandbelages auf das Chromatophor von Einfluß, wodurch die Amyloplastensubstanz eine ungleiche Verteilung an der Peripherie des Stärkekorns erfahren kann. Da die Amyloplasten gleichzeitig oder sukzessive mehrere oder sehr viele Stärkekörner in sich zu bilden vermögen, so kommt es häufig zur Formation derjenigen Körner, welche man meist mit Nägeli als „zusammengesetzte" Stärkekörner bezeichnet, und für die Meyer die Benennung „adelphische" Körner (oligadelphische, polyadelphische) vor- geschlagen hat. Meyer hat die Entwicklung der polyadelphischen Stärkekörner (1) im Oryzaendosperm eingehend verfolgt und ebenso die Ausbildung der „Großkörner" und „Kleinkörner" im Endosperm von Hordeum. Der morphologische Aufbau der Stärkekörner ist ein schönes Bei- spiel für das Entstehen struktureller Differenzen ohne erkennbare chemische Unterschiede unter dem leitenden Einflüsse lebender Zellorgane. Offenbar ist es auch die Eigenart der Amyloplasten einer bestimmten Species, Gattung oder Familie, wenn bei dieser eine übereinstimmende morpho- logische Beschaffenheit der Stärkekörner vorkommt (Centrospermae, Con- volvulaceae), oder wenn in allen Teilen einer Pflanze die Stärkekörner eine charakteristische Form haben, wie in Beere, Knollen und Stengel der Kartoffelpflanze. Ebenso werden wir für gewisse Familien eine hervor- ragende Neigung der Amyloplasten zur Bildung adelphischer Stärke- körner anzunehmen haben usw. Selbst gewisse Varietäten einer Art können sich durch bestimmte Eigentümlichkeiten ihrer Amylumkörner unterscheiden. So haben nach Darbishire (2) die runden und kantigen Erbsenformen verschieden ge- formte und verschieden quellende Amylumkörner; Bastarde zwischen beiden Formen besitzen Stärkekörner, welche Mittelbildungen darstellen. Über Größe, Formverschiedenheiten der Amylumkörner wolle man im übrigen die zitierten Handbücher vergleichen. Besonders große, bis 27.5 fx messende Körner finden sich nach Eichler (3) bei Lathraea Squamaria (Rhizomschuppen !). — Buscalioni (4) fand merkwürdige, an die RosANOFFschen Oxalatkapseln erinnernde Einkapselungen von Amylum- körnern bei Juncus und in den Samenschalen von Vicia narbonensis. VI. Physikalische Eigenschaften. Mit Wasser vollständig imbibierte Amylumkörner enthalten wenigstens Ys ihres Trockengewichtes an Wasser. Kartoffelstärke nimmt nach Meyer bis 40% Wasser auf. In frischen keimfähigen Samen dürften die Stärkekörner durchschnittlich etwa 15% Wasser enthalten, Kartoffelstärke des Handels enthält nach SoxHLET meist etwa 20% Wasser, Getreidestärke weniger. Folgende Zahlen entstammen Bestimmungen von Bloemendal (5): 1) Für Avena auch Gris, Ann. Sei. Nat., 13, 116 (1860). — 2) Darbishire, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 122 (1908). — 3) B. Eichler, Botan. Zentr., 99, 17 (1905). — 4) L. Buscalioni, Malpighia, 13, 1 (1899). — 5) Bloemendai; Pharm. Weekbl., 43, 1249 (1906). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. s. Aufl. 26 402 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. Dichte i.W. Dichte i. Alkoh. 96 % Asche Wasser Verbrenn. Wärme Arayl. Solani 1,458 1,488 0,26 19,88 4000 cal Amyl. Oryzae 1,498 1,485 0,58 13,23 4001 „ Amyl. Tritici 1,476 1,484 0,40 15,95 4004 „ Amyl. Marantae 1,474 1,495 0,22 16,61 4027 „ Über die Quellungswärme, welche bei Stärkekörnern durch Wasser- aufnahme entwickelt wird, hat besonders Rodewald (1) Untersuchungen angestellt. Wenn Weizenstärke beim Quellen 32,6 % Wasser aufnimmt, so wird eine Quellungswärme von 23,4 Calorien entwickelt; 1 g trockene Stärke entwickelt beim Quellen einen Druck von 2523 Atmosphären. Die Dichte der Stärkekörner beträgt mit Schwankungen nach der Pflanzenspezies ± 1,5. Weizenstärke hat nach Rodewald 1,4860 bis 1,5072 spezifisches Gewicht; völlig trocken würde sie die Dichte 1,6122 haben (2). Der Wassergehalt hat natürlich auch großen Einfluß auf die spezifische Wärme. Nach Rodewald ist sie für 0% Wasser 0,2697, für 33,66 %, für den Sättigungspunkt 0,3054. Auch der Brechungsexponent der Stärke muß wesentlich vom Wassergehalt bestimmt werden. Er ist für lufttrockene Stärke etwas höher als 1,535 und dürfte nicht weit von 1,560 liegen. Für wassergesättigte Stärke bestimmte Meyer n mit 1,475. Er bediente sich des Salicylsäuremethylesters mit n= 1,535 als Ver- gleichsflüssigkeit, indem er verschiedene Mischungen desselben mit Alkohol und Wasser herateilte. E. Ott (3) in Wiesners Laboratorium wendete das ExNERsche Mikrorefraktoraeter an. Die Erscheinungen, welche Stärkekörner im Polarisationsmikroskop aufweisen, sind bekannt. Bei Kreuzstellung der beiden Nicols erscheint in jedem Korn ein orthogonales schwarzes Kreuz, dessen Arme mit den Schwingungsrichtungen in den Nicols zusammenfallen. Lange Zeit galt diese Erscheinung mit Unrecht als eine der Hauptstützen der von Nägeli begründeten Anschauung von der krystallinischen Natur der Grundelemente des Aufbaues der Amylumkörner. Nägeli hatte auf Grund der Polarisationserscheinungen angenommen, daß die Stärkekörner aus krystallinischen „Micellen" konstruiert seien, welche radial angeordnet sind, gerade auslöschen, und deren kleinere optische Elastizitätsachse in die Längsrichtung der Krystalle fällt. In der Tat würde natürlich ein derartiges Krystallaggregat (Sphärokrystall) ein analoges Bild im Polarisationsmikro- skop liefern müssen, wie wir es an den Stärkekörnern beobachten. Diese zuletzt noch von A. Meyer verfochtene Anschauung von den Polarisations- erscheinungen an Stärkekörnern ist jedoch definitiv aufzugeben, da in jedem kolloiden Gel-Aggregat, in welchem die Spannungsverhältnisse symmetrisch verteilt sind, das gleiche Bild zustande kommen muß, wie man es tatsächlich nach H. Fischer (4) bei dem in Alkohol erhärteten Orchideenschleim oder bei den Membranen von Spaltöffnungsschließzellen, welche das Stoma in Form eines Ringes einschließen, beobachten kann. Zugunsten der Theorie vom krystallinischen Aufbau der Stärkekörner wm-den weiter besonders durch Meyer die „radialtrichi tischen" Struk- 1) EODEWALD, Landw. Versuchsstat., 45, 201 (1895); Ztsch. physik. Chem., 33, 540 u. 593 (1900). — 2) Auch Flückiger, Ztsch. analyt. Chem., 5, 302 (1867). Parow, Ztsch. Spiritusindustr., 30, 432 (1907). Hysteresis bei der Quellung: A. Rakowski, Ztsch. KoU.chem., //, 269 (1912). — 3) E. Ott, Österr. botan. Ztsch., 39, 313 (1899). Wiesner, Rohstoffe, 2. Aufl. (1900), /, 560. — 4) H. Fischer, Beiträge z. Biolog. d. Pfl., 8, 74 (1898). Die Beobachtungen an Spaltöffnungen (un- veröffentlicht) stammen von Dr. Strecker im hiesigen Institute. Boutaric, Journ. de Physique (5), i, 891 (1911). § 2. Stärke. 403 turen verwertet, die mitunter schon an frischen Amylumkörnern angedeutet sind, bei Sorghum durch konzentriertes Caiciumnitrat sichtbar werden, nach BuscALiONi bei Maisstärke nach Kochen mit Chloroform und etwas Chromsäure hervortreten (1 ). Doch werden derartige Radialstrukturen, die sich bis zum Auftreten feiner Sprünge steigern, keinem erstarrten Gel fehlen und können als eine Eolge der tangentialen Zugspannungen betrachtet werden. Daher ist auch die von Meyer angenommene „Porenquellung", welche wesentlich in einer capillaren Wasseraufnahme in solchen ultra- mikroskopischen Spalten besteht, keine wirkhche Quellungserseheinung. Die Geschichte der Erforschung der Natur der Stärkekörner zeigt, wie sich zahlreiche Schwierigkeiten daraus ergeben habpn, daß die Körner in kaltem Wasser nicht merkliche Quellungserscheinungen zeigen und erst oberhalb der Verkleisterungstemperatur plötzlich in einen flüssigen Zustand über- gehen, der an der kolloidalen Natur der Stärkekohlenhydrate keinen Zweifel übrig läßt. Da Meyer überdies das Amylodextrin, ein der Stäike relativ nahestehendes Kohlenhydrat in Sphäriten und in gut ausgebildeten Krystallen darstellen konnte, so ist es begreiflich, daß man zunächst an Amylosekryställ- chen als Bauelemente dachte, welche etwa Eiweißkrystallen bezügüch ihrer physikalischen Natur vergleichbar wären. Damit wäre es durchaus verein- bar, daß diese Kryställchen einer kolloidalen Substanz angehören und steht auch mit der Beobachtung nicht im Widerspruche, daß mit zunehmendem Wassergehalt die Polarisationserscheinungen sich in gewissem Ausmaße ändern. Doch sind manche Punkte noch ungeklärt. So ist kein Zweifel, daß energisches Verreiben der Stärke bis zu einem gewissen Grade Stärke auch in kaltem Wasser zur Lösung bringen kann (Meyer), ja Kraemer (2) gibt an, daß mit Sand verriebene Stärke mit kaltem Wasser eine wirkliche Kolloidlösung gibt. Es scheint nicht, als ob die beim Verreiben entwickelte Wärme allein hinreichend wäre, um diesen Vorgang zu erklären. Anderer- seits müßte, wenn, wie Kraemer annimmt, nur das Zerreißen der peri- pheren Schichten der Körner die Schuld trägt, doch mehr von der inneren Substanz in Lösung gehen, als man tatsächlich beobachtet. Ganz in Ab- rede stellen kann man aber die Annahme einer Differenz zwischen den äußeren und mneren Schichten der Amylumkörner nicht, nachdem die bekannten Blasenbildungen beim Verkleistern der Körner auch auf solche Verhältnisse hinzudeuten scheinen. Beuerinck (3) denkt sich, daß die den Stärkekörnern außen anhaftenden Leukoplastenreste die Beschaffenheit der Außenschicht verändern. BüTSCHLi (4) hat seit 1893 eine von der Krystalltheorie ganz abwei- chende Ansicht von der feineren Struktur der Amylumkörner verfochten, zu welcher er auf Grund seiner Studien an künstlich gewonnenen Stärke- körnern gekommen war. Diese Vorstellungen stehen in innigem Zusammen- hange mit seinen sonstigen Vorstellungen über den wabenartigen Aufbau von Gelen und unterliegen denselben Bedenken wie diese. Sowohl gegen die künstlichen Stärkekörner Bütschlis, welche dieser Forscher 1897 beschrieben hat, als auch gegen die später durch Rodewald und Kattein (5) erhaltenen künsthchen Amylumkörner, welche durch 1) L. BuscALiONi, Nuov. Giorn. Butan. Ital., 23, Nr. 1 (1891). Auch H. FiecHER, Beiheft bot. Zentr., 12, 226 (1902); Ber. Botan. Ges., 21, 107 (1903). — 2) H. Kkaemer, Botan. Gaz., 40, 30f> (1905). — 3) M. Beuerinck, Kgl. Akad. Amsterdam (1912), p. 1252. — 4) O. BtJTSOHLl. Verh. Nat. Med. Ver. Heidelberg, T, I, 89 (1893): (1897) p. 457. Vorlauf. Bericht üb. Untersuch, an Gerinnungs- schäurrea (1894)- Verh. Nat. Med. Ver. Heidelberg. 7, 420(1904). — B) Rodewald u, Kattütn, Ztsch. physik. Chein., 33, 579 (1900); Berlin. Akad., 24, 62 (1899). 26* 404 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenbydrate der Samen. Lösen von Weizenstärke in Jodjodkalium durch Erhitzen auf 130°, Ab- dialysieren des überschüssigen Jodkali, Vertreibung des Jods aus der Stärke durch Erhitzen und nachheriges langsames Abkühlen erhalten war, läßt sich einwenden, daß sie mit der natürüchen Stärke nicht mehr identisch sind, denn sie weichen in ihrem Verhalten mehrfach von der natürUchen Stärke ab. Maquenne(I) hat schließlich die interessante Erscheinung wahrgenommen, daß der in üblicher Weise bereitete Stärkekleister die Eigenschaft hat, bei längerem Stehen unter antiseptischen Kautelen sich zu trüben und Klümpchen auszuscheiden, welche der genannte Forscher mit der natürUchen Stärke vergleicht; er spricht deswegen von Rückbildung ( Retrogradation) der Stärke. Wenn man bei 0° und neutraler Reaktion arbeitet, so erreicht man im Maximum die Ausscheidung von 30% der Stärke bei diesem Rückgange. Die Retrogradation verläuft um so schneller, je höher die Konzentration des Kleisters ist. Maquenne stellt sich direkt vor, daß die natürlichen Stärkekörner mit den Ausscheidungen aus altem Stärke- kleister zu vergleichen seien. Sollte diese Anschauung in ihren wesentlichen Punkten zutreffen, so wäre wohl davon abzusehen, in den Amylumkörnern krystalhnische Elemente anzunehmen. VII. Allgemeine chemische Eigenschaften. Auf 110° erhitzt bleibt trockene Stärke unverändert. Bei 150 — 160° färbt sie sich gelblich und geht in wasserlösliche Produkte (Röstgummi) über, deren Natur noch nicht bekannt ist (2). Auf 200 ° im geschlossenen Rohr erhitzt gibt Stärke Brenzcatechin, vielleicht auch Protocatechusäure (3). Mit Wasser zusammen erwärmt, erfolgt bei einer Temperatur, die in der Regel zwischen 60 und 70° C liegt, die bekannte Erscheinung der Kleisterbildung: Umwandlung der Einzelkörner in eine formlose Masse, die sich mit Wasser entsprechender Temperatur in jedem Ver- hältnis zu einer Kolloidlösung mischt. Es ist nicht leicht die Quellungs- temperatur scharf zu bestimmen, doch finden sich gewiß kleine Unter- schiede in der Verkleisterungstemperatur bei den einzelnen Stärkesorten. Nyman(4) suchte durch die mikroskopische Beobachtung der Licht- brechungsverhältnisse die Verkleisterungstemperatur zu bestimmen; für Getreidestärkesorten ergab sich 57 — 59° C. Der Sprung von der capil- laren Wasseraufnahme zu der rapiden Aufquellung der Körner bei der Verkleisterungstemperatur ist ein ziemlich unvermittelter und der Charakter der Erscheinung legt den Schluß nahe, daß hierbei bereits geringfügige Hydratationsprozesse unterlaufen (5). Beim Gefrieren des Stärkesols scheidet sich die Kolloidsubstanz als schwammartige Masse aus, die beim Erwärmen mit Wasser wieder löslich ist (6). Bekannt ist es, daß eine Reihe von Stoffen die Stärke dazu befähigen, sich bereits bei gewöhn- licher Temperatur in Wasser kolloidal zu lösen. Solche Mittel sind Ca(N03)2, JK, ZnClj, SnClz, Natriumacetat u. a. Femer wirkt Chloral- hydrat stark quellend; auch Chloroform mit wässeriger ZnClj -Lösung, wobei wohl das Chlorzink den wirksamen Falitor bildet (7). Sehr wirksam 1) L. Maquenne, Compt. rend., 137. 88, 797, 1266 (1903); /j5, 49, 213, 375 (1904); 140, 1303 (1905); Bull. Soc. Chim. (3), 29, 1218 (1903); jj, 723 (1905). RoTJX, Compt. rend., 140^ 943 (1905). — 2) Vgl. St. Schubeet, Monatsh. Chem., 5, 472 (1884). — 3) F. Hoppe-Setlek, Ber. Chem. Ges., 4, 15 (1870). — 4) M. Nyman, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 24^ 673 (1912). — 5) Vgl. V. Syniewski, Lieb. Ann., p. 309, 282 (1899). — 6) Ambronn, Ber. Sachs. Gea. Wies. (1891), p. 28. Molisch, Erfrieren d. Pfl. (1897), p. 9. Malfitano u. Moschkoft, Compt. rend., /jo, 710 (1910). — 7) Mauch, Chem. Zentr. (1902), /, 1199. Müsset, Ebenda (1896), //, 703. § 2. Stärke. 405 sind verdünnte wässerige Alkalien, während konzentriertes KjCOg auch bei 100 <> nach Meyer keine Kleisterbildung hervorruft. Erhitzen mit Alkalien leitet so wie das Erhitzen mit Säuren, rasch tiefgreifende Hydrolyse ein. Stärkekleister unter Alkoholzusatz, mit Kalk- oder Barytwasser versetzt, gibt einen Niederschlag, der aus Kohlenhydrat- Erdalkaliverbindungen besteht; analog tritt auch mit basischem Bleiacetat eine Fällung auf(i). Heißes Glycerin bedingt intensive Hydrolyse, wie ZuLKOWSKi fand (2), Bei allen Widersprüchen auf dem Gebiete der Stärkechemie leuchtet doch aus den meisten Untersuchungen die Wichtigkeit eines früher ganz vernachlässigten Faktors hervor, nämlich die Wirkung der anwesenden Elektrol3rte. Daß sowohl in der natürlichen als in der löshchen Stärke Aschenstoffe nie fehlen, haben Fernback und Fouard (3) gezeigt. Be- sonders PO4 wurde nie vermißt. Als man die Aschenstoffe aus der Stärke- lösung durch Ausdialysieren und Auafrierenlassen möglichst beseitigte, erhielt man Stärkelösungen, welche viel leichter Gerinnungen ausschieden als die ursprüngliche Stärke, und FouARD gelang es, durch Dialyse daraus zwei Fraktionen zu gewinnen, von denen die durch Kollodium nicht filtrier- bare sehr unbeständig ist, die andere sich in ihren Eigenschaften den echten Lösungen annähert (4). Nach den ausführlichen Untersuchungen von Samec (5) wird die Quellungstemperatur der Stärke durch die Gegenwai-t von Salzen zum Teil sehr stark beeinflußt, v/obei wieder die bekannten lyotropen Reihen der Anionen in der relativen Wirkungsintensität hervor- treten. Auf die Kationen kommt es bei der Entscheidung des Sinnes der Quellungsänderung weniger an. Neutralsalze wirken erst in jenen größeren Konzentrationen stärker ein, von denen man lyotrope Wirkungen zu er- warten hat. Laugen sind in geringsten Konzentrationen weitaus am wirk- samsten. Wahrscheinlich sind bei diesen Effekten lonenadsorptionen im Spiele, vielleicht auch wirkliche chemische Verbindungen, wie insbesonders von den Alkahen vielfach angenommen wird, daß sie Stärke Verbindungen eingehen (6). Als Kolloidlösung verhält sich Stärkeklcister ausgeprägt elektronegativ, adsorbiert Alkalien viel stärker als Säuren (7) und zeigt in alkalischer Lösung manche Eigenschaften geändert (8). Botazzi(9) fand, daß Stärke in saurer Lösung kathodische Konvektion zeigt. Umladung in alkalischer Lösung ist jedoch wie bei Eiweiß möglich, so daß dann ano- dische Kataphorese stattfindet. Osmotischer Druck sowie Leitfähigkeit wurden von Fouard (10) geprüft. Sic sind unmeßbar klein. Ultramikro- skopisch sind Stärkelösungen nicht auflösbar. Daß auch bei der Maqüenne- schen Retrogradation des Stürkeklsisters der Elektrolytgehalt eine große Rolle spielt, wird schon durch die erwähnten Kollodiumfiltrationsversuche 1) Vgl. AsBOTH, Chem.-Ztg. (1887), Eef. 147. Lintnee, Zt8ch. angewandt. Chem. (1888), p. 232. — 2) Zulkowski. Ber. Chem. Ges., 13, 1398 (1880); 23, 3295 (1890). - 3) Fernbach, Compt. rcnd., 138, 428 (1904). Fouard, Ebenda, /4-^. 501 (1907 . - 4) Malfitano u. Moscekoff, Ebenda, 15/, 817 (1910). E. Fouard, Bul. Öoc. Chim. (4), j. 836 u. 1170 (1W8); Compt. rend., 146. 285; 147, 813. 931 (1908). - 6) M. Samec, KoU.chem. Be?heft.. 3, 123 (1911). - 6) Vgl. A. Meyer. 1. c, p. 21. Pfeiffer u. Tollens, Lieb. Ann., 210, 288 (1881). - 7) Luoyd, Journ. Amer. Chem. Soc, jj, 1213 (1911). Demoussy. Compt. rend.. 142, 933 (1906V - 8) Fouard, Compt. rend.. 14S, 502 (1909); Bull. Soc. Chim. (4), 5, 828 (1909J. Reychler, ßuU. Soc. Chim. Belg., 23, 378 (1909). - 9) F Bottazzi, Atti Aocad. Line. Rom (5), t8, II, 87 (1909); 19, H, 7 (1910). - 10) Fouard, Compt. rend., 146, 978 (1908). ^QQ Zehntes Kapitel: Die ReBervekchlenhydrate der Samen. von FouARD erwiesen, und besonders Samec(I) hat vor kurzem gezeigt, daß bei den Veränderungen, die sich beim Altern von Kleister abspielen, Elektrolyte die Geschwindigkeit des Vorganges stark ändern. Besonders im Anfange der Altersveränderungen, welche wesenthch durch die Abnahme der Viscosität und Zunahme der elektrischen Leitfähigkeit charakterisiert sind, tritt dieser Einfluß hervor. Salzsäure erniedrigt die anfängliche Vis- cosität der Kleisterlösung, wirkt jedoch später retardierend und stabili- sierend auf den Vorgang ein (2). Entsprechend niedere Konzentrationen von Laugen haben hingegen den entgegengesetzten Effekt und erhöhen die Viscosität; höhere Laugenkonzentrationen wirken wieder verringernd, während noch höhere einen enormen Viscositätsanstieg herbeiführen. Von Salzen wirkte sowohl das quellungshemraende Ammoniumsulfat als das quellungsfördernde Rhodanat im gleichen Sinne der Verringerung der Viscosität. Ähnlich sind auch die Versuche von Fouard über die Koa- gulationsgeschwindigkeit von Stärke und deren Beeinflussung durch Säuren und Basen zu beurteilen (3). Nonelektrolyte sind hinsichthch ihres Einflusses auf die Quellungs- temperatur durch Samec geprüft worden und es ergab sich, daß Glycerin und Glucose die Quellungstemperatur erhöhen, während Harnstoff und Chloral- hydrat dieselbe herabsetzten. Auch Formaldehyd wirkt erniedrigend (4). Einige Bemerkungen seien noch den Altersveränderungen von Stärke- kleister gewidmet, deren Kenntnis besonders durch die oben erwähnten Arbeiten von Maquenne und Samec gefördert worden sind. Der Arbeit des letztgenannten Autors sei die folgende Übersicht über die Verringerung der Viscosität und der Zunahme der Leitfähigkeit während 70 Tagen sterilen Aufbewahrens der Kleisterlösung entnommen: Dauer des Alterns . . Viscos.-Zeitverhältnis . Leitfähigkeitswert . . Dauer des Alterns . . VJscos. -Zeit Verhältnis . Leitfähigkeitswert . . Die Vidcositätsabnahme kann ohne weiteres, " ie es die genannten For- scher, allerdings unter verschiedener Begründung, taten, mit den Aas- flockungserscheinungen beim Altern in Zusammenhang gebracht werden. Die Erscheinung ist völhg parallel mit den Trübungen, welche in Eiweiß- lösungen beim Stehen auftreten und die besonders bei salzarmen Lösungen zur Ausscheidung des größten Teiles des Eiweißes führen können. Der Prozeß dürfte in einer Umwandlung des gelösten Kolloids in ein wasser- ärmeres, schwer lösliclies bestehen, also in einer Art Anhydridbildung. Gleichzeitig kann, wie Samec ausführt, bei hinreichender Lösungskonzen- tration eine Agglutination der ausflockenden Teilchen erfolgen, so daß die miteinander verklebenden Teilchen die Viscosität erhöhen, was bei der Wii'kung konzentrierter Laugen sehr in Betracht kommt. Schwieriger ist die Leitfähigkeitszunahme zu verstehen, welche sich Samec durch ein Freiwerden von ursprünglich gebundenen Ionen, vielleicht PO4'", erklärt. . 0 . 5,96 . 0,202 1 2 3 5,48 5,12 4,64 0,222 0,233 0,246 6 Tage 3,72 0,258 . 15 . 2,30 . 0,272 29 51 1,72 1,42 0,288 0,322 90 Tage 1,16 0,345 1) M. Samec, Koll.chem. Beiheft., 4, 132 (19l2)t — 2) Vgl. auch Woi-ff u. Febnbace, Compt. rend., 140, 1403 (1905). Fouard, Compt. rend., 144, 501 (1907). — 3) Fouard, Ebenda, 144, 501, 1366 (1907); 147, 813 (1908). — 4) Reichard, ZtBch. gee. Brauwes., j/, 161 (1908). Natriumsalicylat: W. Lenz, Ztsch. öffeatl. ehem., 20, 224 (1909). § 2. Stärke. 407 In den betreffenden Versuchen war die Aufnahme von Elektrolyten aus der Gefäßwand sorgfältig ausgeschlossen. Die Hypothese einer Amy- lose-Phosphorsäurebindung in dem ursprüngUchen Kleister würde in der Tat insbesondere mit dem elektrischen Verhalten von Stärkelösungen in gutem Einklänge stehen, ist jedoch noch nicht so weit experimentell gestützt, als daß man bestimmt mit einer solchen Sachlage rechnen könnte. Gewiß ist nur, daß Elektrolyte sowohl bei dem Prozeß der Kleisterbildung, Quellung, Lösungsquellung, Entflockung (1), wie die verschiedenen Aus- drücke hierfür lauten, ebenso eine Rolle spielen wie bei der Ausflockung oder Entquellung der Stärkesole. Gleichzeitig wollen wir es als wahrschein- hch ansehen, daß Dehydratisierungen und Hydratisierungen in verschiedenen Abstufungen dabei im Spiele sind, welche bei stärkerer Intensität des Lösungsvorganges wohl ohne scharfe Grenze in die eigenthche Hydrolyse übergehen. Bemerkt sei, daß die Ausflockung beim Altern des Kleisters so wie bei Eiweiß keinen reversiblen Vorgang darstellt. Die bekannte Blaufärbung von Stärkelösung rait Jod ist nach Harrison(2) auf das Bestehen einer kolloidalen Jodlösung, in welcher Stärke die Rolle eines Schutzkolloides spielt, zurückzuführen. Alle Einflüsse, welche das Jod in echte Lösung überführen, bringen die Jod- stärkereaktion zum Schwinden. Daher hemmen Alkalien, ferner organische Solventien für Jod, wie Chloralhydrat und Chloroform (3), Tannin (4), viele Phenole, so nach eigenen Versuchen Brenzcatechin, Hydrochinon, Resorcin, Pyrogallol, aber nicht Carbolsäure. Andererseits müssen alle jene Stoffe, welche die Schutzwirkung der Stärke vermindern, hemmen, woraus sich die Aufhebung der Jodstärkereaktion durch Erwärmen (5), Alkohol, Jodkalium erklärt. Die roten und blauvioletten Farbennuancen, welche bei Stärkekörnern und bei der Stärkehydrolyse auftreten, haben eine viel geringere Bedeutung als man früher angenommen hatte. Selbst mit unverändertem Stärkekleister kann man durch verschieden starken Zusatz von Jodkali und Schwefelsäure verschiedene blaue und rote Farben- töne erzielen (6). Bei Gegenwart \on viel JK wird Jodjodkalium in verschieden großen Komplexen adsorbiert, wodurch rote und rotbraune Färbungen entstehen. Durch Verdünnen mit Wasser läßt sich die blaue Farbe wiederherstellen. Nach Harrison spielt bei den Farben unterschieden selbst bei Hydratationsprodukten der Stärke der Dispersitätsgrad des kolloiden Jod eine größere Rolle als die Differenz zwischen der nativen Stärke und den betreffenden dextrinartigen Abbauprodukten. Nachdem bereits Küster (7) gefunden hatte, daß sich die Abhängigkeit der Jod- menge in Jodstärke von der Konzentration des Jod in der wässerigen 6 Lösung Kw durch den Quotienten }/Kw/Kst ausdrücken läßt, haben die Untersuchungen von Barger (8) und Harrison zur Evidenz erwiesen, 1) Vgl. Malfitano u. Moschkow, Bull. Soc China. (4), //, 606 (1912). WOLFF u. Fernbach, Compt. rend., 20 u. 27, VIII (1906). A. Boidin, Compt. rend., 143, 511 (1906). — 2) W. Harrison, Ztsch. KoU.chem., p, 5 (1911); Proceed. Chem. Soc, 26, 252 (1911). Vgl. auch Castoro, Gaz. chim. ital., 39, I, 603 (1909). — 3) E. Schär, Pharm. Zentr. Halle, 37, 540 (1896). — 4) Heintz, Jahresber. Agr. Chem. (1879), p. 499. Hemmung durch Eiweiß: Püchot, Ber. Chem. Ges , 9, 1472 (1876). Gekochter Malzextrakt: Grüss, Jahrb. wiss. Botan., 26, 379 (1896). — 5) Schon beobachtet von Lassaigne, Ann. de Chim. et Phys. (2), 53, 109 (1833). Leroy u. Raspail, Schweigg. Journ., 68, 179 (1833). — 6) A. Burgstaller, Chem.-Ztg. (1912), p. 589. Rivat, Ebenda, 34, 1041 (1910). — 7) F. W. Küster, Lieb. Ann., 283, 360 (1894); Ber. Chem. Ges., 28, 783 (1895). — 8) G. Barger u. Ell. Field, Journ. Chem. Soc, 101, 1394 (1912). 408 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. daß es sich um ein Adsorptionsgleichgewicht handelt und daß man bei variierender Stärkemenge und konstanter Jod- und Jodkalimenge den Verlauf nach dem Gesetze der Adsorptionsisothermen graphisch wieder- geben kann. Durch die Untersuchungen von Harrison ist auch die früher allgemein vertretene Meinung gefallen, daß die Gegenwart von Jod- wasserstoff zur Jodstärkereaktion nötig wäre (1 ). Früher war die Meinung vorherrschend, daß es sich in der Jodstärke um eine chemische Ver- bindung, eine Additionsverbindung handle (2). Küster und nach ihm A. Meyer hatten von einer festen Lösung des Jod in Stärke gesprochen. Bromjod und Chlorjod färben Stärke violett (3). Brom allein gibt einen gelben Farbenton. Ester sind aus Stärke mehrfach dargestellt und besonders die Acetyl- derivate öfters studiert worden. Michael stellte solche aus Weizen- und Maisstärke unter Beibehaltung der Körnerstruktur her (4). Die niedrigsten Acetylderivate haben eine gelatineartige Beschaffenheit (5). Die eingehendsten Untersuchungen über Acetylstärke und Acetochlorstärkederivate stammen von Skraup und Pregl (6). Auch Stärke-Ameisensäureester sind bekannt(7). Über die Einwirkung von Formaldehyd auf Stärke hat Syniewski (8) Mit- teilungen gemacht. Die Oxydation der Stärke mit KMn04 erfolgt nach Lintner (9) unter Bildung kolloidaler „Dextrinsäuren", welche den Huminsäuren nahestehen sollen, der Zusammensetzung C12H22O11 oder CigHgoOio entsprechen und mit Bleiessig und Barytwasser fällbar sind. Durch Einwirkung von Brom und AggO auf Stärke wird Gluconsäure erhalten (10). Einwirkung von Wasser- stoffperoxyd ergibt nicht nur Oxydationseffekte, sondern auch Hydrolyse nach den Feststellungen von Asboth und Gatin-Gruzewska(II). Der Abbau geht bis zu Maltose und Oxalsäure. Mit Natriumperoxyd wurden von Sy- niewski ähnhche Besultate erhalten (12). VIII. Die Kohlenhydrate der Stärkekörner. Auf Grund der von dem normalen blauen Ton verschiedenen Jodreaktion mancher Stärke- körner hat man bisher ziemlich allgemem angenommen, daß die stoffliche Beschaffenheit der natürlichen Amylumkörner nicht in allen Fällen dieselbe sei. Amylumkörner, die sich mit Jod nicht blau, sondern rot- braun färben, fand schon Nägeli(13) im Arillus von Chelidonium, Gris(14) im Reisendosperm, später Meyer (15) im Sorghumendosperm und Genti- 1) Myliüs, Ber. Chem. Ges., 20, 688 (1887). Daß AgNO, die Jodstärke- reaktion aufhebt und HCl dieselbe wiederherstellt, kann ebensogut auf einer Wirkung auf das Stärkekolloid als auf das Jod beruhen. Vgl. Roberts, Chem. Zentr. (1894), //, 147. — 2) Lit. vgl. 1. Aufl. dieses Werkes p. 316. Padoa, Chem. Zentr. (1905), /, 1593; (1908) /, 1457. Fest« Lösung: Katayama, Ztsch. anorgan. Chem., 56, 209 (1907). — 3) Beckürts u. Freytag, Pharm. Zentr.- Halle, 27, 231 (1886). — 4) Michael, Amer. Chem. Joum., 5, 359 (1884). — 5) CROSf Bevan u. Traquaie, Chem.-Ztg., 29, 527 (1905). — 6) SKRAm», Ber. Chem. Ges., 3-. 2413 (1899). Pregl, Wien. Akad. (1902), IIb, p. 881. Skraup. Monatsh. Chem., 26, 1415 (1905). — 7) A. Kedlaschwili, Chem. Zentr. (1904), //, 1029. — 8) Syniewski, Chem. Zentr. (1902), //, 986. — 9) C. J. Lintner, Ztsch. angewandt. Chem. (1890), p. 546. — 10) J. Habermann, Lieb. Ann., 772, 11 (1874). — 11) Asboth, Chem. Zentr. (1892), //, 867. Z. Gatin-Gruzewska, Compt. rend., 14S, 578 (1909); Soc. biol., 68, 1084 (1910). C. Gerber, Compt. rend., 154, 1543 (1912). — 12) Syniewski, Ber. Chem. Ges., 30, 2415 (1897); j/, 1791 (1898). — 13) Nägeli, Stärkekörner (1858), p. 192. — 14) Gris, Bull. Soc. Botan., 7, 876 (1860). — 15) A. Meyer, Arch. Pharm., 21, VII— VIII (1883); Ber. Botan. Ges., 4, 337 (1886); 5, 171 (1887). § 2. Stärke. 409 anarhizom, spätere Forscher(l ) in Orchideenembryonen, in Malaxis, Goodyera, Monotropa, Sweertia, Myristica. Besonders auffallend ist das Vorkommen solcher Stärke in den als Klebreis und Klebhirse bezeichneten Varietäten dieser Getreidearten. Der bei A. Meyer niedergelegten Ansicht, daß diese Stärkekörner als Hauptbestandteil das von Meyer als Produkt des Stärkeabbaues krystallisiert gewonnene Amylodextrin enthalten, einen Stoff, welcher nach Meyer typisch eine weinrote Jodreaktion gibt, stehen neuere Befunde von Tanaka(2) gegenüber, wonach Amylodextrin in der Klebreisstärke ganz fehlt. Letzteres wäre ganz gut möglich, nachdem die rote Jodreaktion durchaus nicht auf jene dextrinartigen Stoffe bezogen werden muß. Da nach Meyer und Shimoyama(3) die Klebreissiärke substanzärmer zu sein scheint als die gewöhnliche Stärke, und vielleicht auch wasserlösliche Kohlenhydrate enthält, so könnte die rote Jodfärbung einfach von einer geringeren Jodadsorption und einer höheren Dispersität des kolloiden Jod herrühren. Nach Shimoyama gibt die Klebreisstärke nach 4 stündiger Digestion mit Wasser bei 30° reichlich ein wasserlösliches, sich mit Jod nicht färbendes, durch Alkohol fällbares kolloides Kohlen- hydrat, welches bei der Hydrolyse Glucose liefert Tanaka fand, daß die Klebreisstärke schnell in Dextrin übergeht und weniger Maltose liefert als die gewöhnliche Stärke. Meyer meint, daß die gewöhnlichen Amylumkohlenhydrate auch in der Klebreisstärke niemals fehlen. Ältere Angaben über das Vorkommen dextrinartiger Kohlenhydrate in ruhenden Endospermen und Getreidekörnern, sowie im Sojasamen sind zweifelhaft (4). Die meisten Forscher nehmen gegenwärtig an, daß die Stärke- körner in der Regel mindestens zwei, einander allerdings sehr nahe- stehende Kohlenhydrate enthalten, doch bestehen sehr viele Unklarheiten bezüglich der einzelnen Befunde, so daß es gegenwärtig kaum möglich ist ein abschließendes Urteil über den Stand der Forschungen zu fäUen. Nägeli(5) war der Erste, welcher einschlägige Beobachtungen machte. Er bewies, daß man durch lange andauernde Behandlung der Stärke- körner in der Kälte mit Salzsäure oder durch Digestion mit Speichel die jodbläuende Substanz aus den Amylumkörnem entfernen könne, wodurch man ein substanzarmes vollständiges Skelett der Körner zurückbehält, welches nur eine schwach rötliche Jodreaktion gibt. MoHL(e) berichtigte die anfängliche Meinung Nagelis, daß der restierende Stoff mit Cellulose identisch sei und schlug vor diesen Bestandteil mit dem Namen „Fari- nose" zu belegen. Von Nägeli(7) stammt der in der Folge allgemein gebrauchte Ausdruck „Stärkecellulose". Die extrahierbare jodbläuende Substanz, welche den Hauptbestandteil der Amylumkörner ausmacht, nannte Näqeli Granulöse. Eine Zeitlang schwankte A. Meyer (8) be- züglich der Richtigkeit der Annahme zweier nativ vorgebildeter Amylum- kohlenhydrate, doch haben seine späteren Arbeiten, sowie diejenigen von 1) Treub, Embryogönie de quelqu. Orchid. (1879), p. 22. Rüssow, Sitz.ber. Dorpat. Naturforech. Ges., 7, I (1884). Keeuöler u. Dafert, Landw. Jahrb., /j. 767 (1884). Dafert, Ebenda, 15, 259 (1886); Ber. Botan. Ges., 5, 108 (1887). Beütell u. Dafert, Chera.-Ztg., //, 136 (1887). Tschirch, Ber. Botan. Ges., 6, 138 (1888). OVERHAGE, Just Jahresber. (1888), /, 745. — 2) Y. Tanaka, Journ. Industr. and Engin. Chem. (1911), p. 823. — 3) SmMOYAMA, Diss (Straßburg 1886); Botan. Zentr., 32, 6 (1887). — 4) Oüdemans, Mülder, Chemie d. Bieres, p. 26, zit. bei Kühnemann, Ber. Chem. Ges., 8, 202 (1875). Pellet, Compt. rend., go, 1293 (1880). Levallois, Ebenda, pj. 281 (1881). Saito, Botan. Zentr., 88, 125 (1901). — B) Näqeli, 1. c. (1858), p, 121. — 6) H. v. Mohl, Botan. Ztg. (1859), p. 225. — 7) NlGELi, Botan. Mitteil. (1863), p. 387, 415. — 8) A. Meyer, Botan. Ztg. (1886), p. 697. 410 Zehntes Kapitel: Die Reßervekohlenhydrate der Samen. Brown und Heron(I) neuerlich nahegelegt, daß wirklich zwei differente Kohlenhydrate nebeneinander in den natürlichen Amylumkörnern vor- gebildet sind. Meyer nimmt an, daß sie miteinander sehr nahe verwandt sind und gab dieser Meinung dadurch Ausdruck, daß er sie beide al& Amylose bezeichnete und das jodbläuende, die Granulöse, als /5-Amylose von der mit der Stärkecellulose identischen als a-Amylose benannten Substanz unterschied. Die a-Amylose wäre als ein anhydridartiges, zur ^-Amylose gehöriges Produkt anzusehen, welches durch verschiedene Mittel in /?- Amylose oder Granulöse übergeführt werden kann. Durch Auf- lösen in warmer KOH, auch durch Erhiucn mit Wasser auf 140", geht a-Amylose in /5-Amylose über (2) und beim weiteren Abbau liefern beide dasselbe Amylodextrin. Doch bemerkt man zwischen den Angaben von Brown u. Heron und Meyer manche Unstimmigkeiten bezüglich der Ausbeute an a-Amylose, indem man nach Brown und Heron davon aus Stärkekörnern nur 2 — 2,5 % erhalten kann, während Meyer aus ausgefrorenem Kleister nicht weniger als 30% erhielt. Dies deutet auf das Vorhandensein eines ungeklärten Punktes. Hier setzen nun die Untersuchungen von Maquenne(3) mit Erfolg ein. Wie oben erwähnt, beobachtete dieser Forscher, daß beim Stehen von Stärkekleister im Laufe der Zeit Ausscheidungen von Klümpchen erfolgen. Diese Ab- scheidung soll nun damit im Zusammenhange stehen, daß die in der Lösung befindliche Amylose einen Retrogradationsprozeß erleidet, wobei sie teilweise in jenen Stoff übergeht, welchen die früheren Forscher als Amylocellulose oder a-Amylose bezeichneten. Dieser Vorgang ist fort- schreitend, woraus es sich erklärt, daß so differente Zahlenwerte in früheren Untersuchungen angegeben worden sind. Durch ein in Malz enthaltenes Enzym, die Amylokoagulase, läßt sich dieser Umwandlungs- vorgang beschleunigen, so daß man die Substanz in größeren Mengen rein darstellen kann. Sie unterscheidet sich durch ihre Löslichkeits- verhältnisse von der löslichen Amylose, aus der sie durch Retrogradation entstanden ist. Die feste Form der Amylose gibt auch keine Jodreaktion und „wird durch Diastase nicht angegriffen". Die natürlichen Stärke- körner sollen aber noch einen anderen Bestandteil enthalten, welcher als schleimige Masse in Lösung geht, mit Malzextrakt zwar verflüssigt wird, jedoch keinen Zucker liefert. Diesen Stoff nannte Maquenne Amylo- pektin. Auch durch Kochen mit hypertonischer Salzlösung ließ sich das Amylopektin von der Amylose absondern, indem nur die letztere in Lösung geht. Natürliche Stärke '^^oll zu etwa 80 — 85% aus Amylose und zu 15 — 20% aus Amylopektin bestehen (4). Gatin-Gruzewska (5) berichtete hierauf über gelungene Darstellung des reinen Amylopektins, welches durch sehr verdünnte Lauge von der so in Lösung gebrachten Amylose befreit wurde. Diese Forscherin hält dafür, daß das Amylo- pektin in komplexer Bindung an Mineralstoffe hauptsächlich in den äußeren Schichten der Körner vorkomme, während die Amylose in den inneren lokalisiert sei. Die Grundlagen dieser Versuche sind jedoch 1) H. T. Brown u. Heron, Lieb. Ann., 199, 165 (1879). — 2) Vgl. auch Roüx, Compt. rend., 140, 410 (1905). — • 3) L. Maquenne u. Roux, (Dompt. rend., 140, 1303 (1905); Bull. Soc. Chim. (3), 33, 723 (1905); Compt rend.. 146, 542 (1908); Ann. de Chim. et Phys. (8), 9, 179 (1906); Bull. Soc. Chim., 35, 1 (1908). Castoro, Gaz. chim. ital., 39, I, 603 (1909). Roux, Compt. rend., 142, 95 (1906); Bull. Soc. Chim., 33, 471 u. 788 (1905). Wolff, Ann. Chim. anal, appl., 10, 389 (1905). — 4) Vgl. auch J. Wolff, Ann. Chim. anal, appl., //, 166 (1906). — B) Z. Gatin-Gruzewska, Compt. rend., 146, 540 (1908); 152, 785 (1911); Journ. Physiol. et Pathol. g^n., 14, 7 (1912). § 2. Stärke. 411 nicht unbestritten geblieben. Maqüenne selbst hatte im Ansciilr.sse an seine Retrogradationsversuche angenommen, daß in den Starkekörnorn nicht zwei scharf getrennte Kohlenhydrate vorliegen, sondern die Amy- lose alle möglichen Stufen von leichter und schwerer löslicheu Kohlen- hydraten liefere und hatte nur das Amylopektin scharf hiervon zu scheiden versucht Nach Fouard (1 ) ist es aber selbst nicht einmal aus- geschlossen, daß das Amylopektin eine komplexe Verbindung von Amy- lose mit Aschenstoffen darstelle, welche durch Verlust der Ascheabestand- teile in Amylose übergehen könne. Samec hat sich in seiner letzten Arbeit gleichfalls dazu geneigt, diese Auffassung für möglich zu hriitcn, doch ist diese Angelegenheit derzeit noch durchaus nicht spruchreif. Auf die Hypothese von Jentys (2), welcher die Stärke für ein Gemenge von Zucker mit aromatischen kolloiden Stoffen hält, brauchen wir angesichts ihrer Haltlosigkeit nicht einzugehen. Erwähnt sei, daß de Vries und Sy- NIEWSKI (3) sich der Auffassung von einem einheitüchen Stärkekohleniiydrat zuneigen, während Bourquelot (4) bereits vor langer Zeit die Ansicht aus- sprach,daß die Stärkekörner aus einer großen Zahl von zahlreichen einander sehr nahestehenden Kohlenhydraten aufgebaut seien. Das von O'Sulli- VAN (5) in kleiner Menge aus Gerste dargestellte a-Amyium und /S-Amylum betrifft wahrscheinhch Kohlenhydrate, welche mit Stärke nichts zu tun haben. IX. Hydrolytischer Abbau der Stärke durch Säuren. Nach dem heutigen Stande des Wissens sind wir genötigt, beim Studium der Stärkehydrolyse uns auf die möglichst genaue Charakterisierung be- stimmter Fraktionen und die Gewinnung von womöglich krystallisierten Präparaten von konstanten Eigenschaften zu beschränken. Es ist nicht bekannt, ob der Stärkezerfall mit der Bildung von wenigen und großen Komplexen beginnt und die Zerfallsprodukte allmählich in einfachere Stoffe übergehen oder ob bereits im Beginn der Hydrolyse neben großen, sehr komplexen Abbauprodukten schon einfachere abgespalten werden. 1. Mehrtägige Einwirkung von verdünnter kalter oder mäßig warmer Salzsäure auf Stärke. Unter den auf diesem Wege erhälthchen Hydratations- produkten ist die lösliche Stärke nach Lintner zu nennen (6). Reine Kartoffelstärke bleibt mit 7,5%igem HCl 7 Tage bei Zimmertemperatur oder 3 Tage bei 40° stehen, worauf man die Säure sorgfältig auswäscht und das Präparat trocknet. Solche Piäparate Uefern keinen weißHch gefärbten trüben Kleister, sondern lösen sich in heißem Wasser klar und filtrierbar auf. Bei Konzentrationen über 2% tritt nach einigen Tagen Trübung ein; 10%ige Lösung gesteht beim Erkalten zu einer salbenartigen Masse. Nach Fouard (7) ist die Asche phosphorhältig. Die Lösung verhält sich als schwache Säure (8) und zeigt infolge ihres Gehaltes an Dextrinen, welche sich entfernen lassen, mehr oder weniger Kupfarreduktion (9). Über ihre nähere Zusammensetzung läßt sich wohl nichts weiter sagen, als daß darin die höheren Amyloseanhydride bereits fehlen dürften. Ein einheitliches Präparat stellt die Lintnerstärke gewiß nicht dar . Ähnliche Präparate erhält man durch Erhitzen von Kleister 1) Fouard, Compt. rend,. 146, 285 (1908); Bull. Soc. Chim. (4), j, 836 u. 1170 (1908); Thfese Taris (Laval 1911). — 2) E. Jentys, Anzeig. Akad. Krakau (1907), p. 203. — 3) De Vries, Jutt Jahresber. (1885), /, 122. Syniewski. Lieb. Ann., 309, 282 (1899). — 4) E. Bourquelot, Compt. rend., 104, 71, 177 (1887). — 5) C. O'SuLLrvAN, Pharm. Journ. Trans., /.', 451 (1881). — 6) C. J. Lintner, Joum. prakt. Chem., 34, 378 (1886). — 7) Fouard, Ann. Inst. Paeteur (1907), p. 475. ~ 8) Ford u. Guthrie, Journ. Chem. Soc., 89, 76 (1906). — 9) E. D. Cl-ARK, Biochem. Bullet., 1, 194 (1911). 412 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. bei 2—3 Atmosphären Überdruck (1). Auch Einwirkung von 2%iger Lauge führt nach Wroblewski (2) den Prozeß wesentlich bis zu dieser Grenze. ZuLKOWSKi (3) gewann lösliche Stärke durch Behandlung mit heißem Glycerin, Syniewski (4) durch Behandlung mit Natriumperoxyd. Wroblewskis Prä- parate waren bis zu 3—4% in Wasser mit schwacher Opalescenz lösüch und durch MgS04 und (NH4),S04 aussalzbar. Fernbach und Wolff(5) stellten Präparate auf einem dem LiNTNERschen Verfahren ähnlichen Wege her; man erhält nach diesen Forschern auch eine in heißem Wasser lösliche Stärke, wenn man 1— 2%igen Kleister in überschüssiges Aceton eingießt. Die Lösung dieses Niederschlages wirkt nicht reduzierend. Nach Beijerinck (6) mischt sich die Lösung von Lintnerstärke nicht mit Gelatinelösung. 2. Wochenlange Einwirkung von verdünnten kalten Mineralsäuren oder einstündige Einwirkung von 4%iger Schwefelsäure bei 80® hat wohl schon stets die Bildung eines kleinen Anteiles von Dextrin und Zucker zur Folge. Jedoch erweist sich ein erheblicher Anteil der Stärke übergegangen in ein von A. Meyer näher charakterisiertes, der Stärke noch sehr nahestehendes Kohlenhydrat, das Amylodextrin. Dieses Produkt ist als wasserunlöshches Dextrin oder lösliche Stärke 1870 durch Musculus entdeckt worden (7), und erhielt seine Benennung durch W. Nägeli, der es zuerst krystalHsiert gewann und seine Eigenschaften angab (8). Auch Brown und Morris (9) gewannen es in Sphäriten. Nach Meyer (10) ist es schwierig die letzten Spuren von Amylose aus den Präparaten zu beseitigen, was nur durch oft- mahges Umkrystallisieren gelingt. Amylodextrin löst sich in kaltem Wasser sehr wenig, in heißem in jedem Verhältnisse. Die Lösung diffundiert langsam durch Pergamentpapier. Jodlösung erzeugt rein rote Färbung. Barytwasser fällt. Fehlings Lösung wird schwach reduziert. Die spezifische Drehung ist nach Meyer [ajo + 193,4®. Meyer nimmt an, daß das Erythrodextrin von Brücke (11) und die gleichbenannten auch in mehreren Modifikationen unterschiedenen Substanzen späterer Autoren wie von LiNTNERund DtJLL(12), verschieden zusammengesetzte Gemenge von Amylose, Amylodextrin und Dextrinen darstellten. Die mit dem Amylodextrin gleichzeitig entstehenden Hydratationsprodukte aus Stärke dürften dextrinartige Stoffe und Zucker sein, doch ist ihre Natur noch festzustellen. Aus Amylodextrin bestand vor- wiegend auch das von L. Schulze (1 3) durch vierstündiges Kochen unter Druck im Kochsalzbade mit 20%iger Essigsäure erhaltene Produkt. Die lösliche Stärke nach Salomon(14) war wohl ein Gemenge von Amylose und Amylodextrin. 3. Einwirkung von kochender 1 %iger Oxalsäure durch 1 ^ Stunden zerstört nach Meyer das Amylodextrin noch immer nicht vollständig, doch vermag man 1) H. Ost, Chem.-Ztg., ig, 1501 (1895). — 2) A. Wroblewski, ßer. Chem. Ges., 30, 2108 (1897); Chem.-Ztg., 22, 375 (1898). — 3) Zulkowski, Ber. Chem. Ges., 13, 1398 (1880). — 4) Syniewski, Ebenda, 30, 2415 (1897); 31, 1791 (1898). — 5) J. WoLFF u. Fernbach, Compt. rend., 140, 1403 (1905). Fernbach, Ebenda, 15s, 617 (1912). Ch. Tanret, Ebenda, 148, 1775 (1909); Bull. Soc. Chira. (4), 5, 902 (1909). W. J. G1E8, Biochem. Bull., 2, 172 (1912). — 6) Beijerinck, Zentr. Bakt. II, 2, 697 (1896). — 7) Musculus, Compt. (rend., 70, 857 (1870); Ber. Chem. Ges., 3, 430 (1870); 7, 824 (1874); Bull. Soc. Chim., 22, 26 (1874). — 8) W. NlGELi, Beitr. z. näh. Kenntn. d. Stärkegruppe (1874), Lieb. Ann., 173, 218 (1874). — 9) Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc. (1889). — 10) A. Meyer, Die Stärkekömer (1895), p. 31. — 11) Brücke, Wien. Ak., 6$, 3. Abt. (1872). — 12) LiNTNER u. DÜLL, Ber. Chem. Ges., 26, 2533 (1893); 28, 1522 (1895). Skraup, Monatsh. Chem., 26, 1415 (1905). — 13) L. Schulze, Journ. prakt. Chem., 28, 311 (1883). — 14) Salomon, Ebenda, p. 82. Angebliche Reversion der Erythro- dextrine beim Erhitzen ihrer konzentrierten Lösung: E. T. Reichert, Univ. Pennsylv. Med. BuU., 23, 57 (1910). § 2. Starke. 413 dasselbe aus der Lösung durch Ausfrieren lassen zu beseitigen. In der Lösung verbleiben erhebliche Mengen von Stoffen, die man mit Meyer als Dextrin zusammenfassen kann und welche durch den Mangel der Jodfärbung und ihre Fällbarkeit mit Alkohol abgegrenzt werden. Wesentlich identisch mit dieser Fraktion ist das Achroodextrin von Brücke und späteren Autoren. Die Dextrinfraktion von MEYER^besaß, vom Amylodextrin und Zucker mögüchst befreit, eine spezifische Drehung [oJd + 190° und Reduktion (R)d = 10,8. Krystallisierbare Produkte haben sich hier nicht ergeben. Alkohol fällt in Tröpfchen, die sich nie in Sphärite verwandeln. Nur konzentrierte Lösungen werden durch Barytwasser gefällt. Eine Molekulargewichtsbestimmung KÜSTERS ergab den Wert 1223 ± 25. Für die Dextrinfraktion ist eine ein- heithche Zusammensetzung nicht sehr wahrscheinhch, und alle früheren Autoren, wie Musculus und Gruber, die drei Dextrine annahmen (1), O'Sulli- VAN, welcher vier Dextrine unterschied und Brown und Heron, welche sogar sieben Dextrine getrennt haben wollten (2), sind der Ansicht gewesen, daß der Begriff der Achroodextrine kein einheitlicher sein könne. Auch die gärungs- physiologischen Erfahrung /^ über die Dextrinverarbeitung durch den Schizo- saccharomyces Pomb6 weisen darauf hin, daß es tatsächüch mehrere Achroo- dextrine gibt. Man weiß natürhch nicht wie viele der beobachteten Diffe- renzen durch beigemengten Zucker veranlaßt waren. Man hat Acetochlor- verbindungen (3) und Osazonpräparate (4) aus Dextrinen gewonnen. Dextrin- artige Derivate werden auch schon nach scharfem Trocknen aus Stärke er- halten (5). Erwähnt sei, daß Maquenne und Roux die Entstehung der Dextrine nicht von der Amylose herleiten, sondern vom Amylopektin, während die Amylose schnell in Maltose übergehen soll (6). Fernbach und Wolff (7) wiesen speziell nach, daß die Dextrine bei weiterer Hydrolyse fast vollständig in Maltose übergehen. 4. Einwirkung verdünnter oder konzentrierter Mineralsäuren bei hohen Temperaturen führt die Stärke, wie bekannt, rasch in Glucose über. Allihn(8) fand, daß 2%ige HCl beim Kochen binnen 1^4 Stunden 95,05% eines ver- dünnten Stärkekleisters in Glucose überführt und man kann dieses Resultat durch starke H2SO4 auch binnen einigen Minuten erhalten (9). Wenn auch früher von manchen Forschern in Abrede gestellt worden ist, daß die Glucose hierbei über Maltose entsteht, so ist doch nach älteren und neueren Angaben (10) nicht daran zu zweifeln, daß aus Dextrin zuerst Maltose hervorgeht, welche zu Glucose hydrolysiert wird. Hingegen ist nach Ost (11) die Annahme der intermediären Entstehung von Isomaltose definitiv aufzugeben, entgegen der Ansicht von Lintner und Dierssen (12). Nach Gatterbauer soll ein bisher nicht beachtetes Disaccharid, das den Namen Glykosin erhielt und durch Hefe sehr langsam vergoren wird, neben Maltose im Stärkezucker vorkommen (13). 1) Musculus u. Gruber, Ztsch. physiol. Chem., 2, 184. — 2) Brown u. Heron, Lieb. Ann., 19g, 165 (1879). — 3) Kediaschwili, Chem. Zentr. (1905), //, 401, _ 4) ßcHEiBiJER u, Mittelmeier, Ber. Chem. Ges., 23, 3060 (1890). A, Meyer, L c. (1895), p. 46. — 5) Hierüber Malfitano u. Moschkow, Compt. rend., 154, 443 (1912). — 6) Maquenne u. Roux, Ebenda, 142, 1387 (1906). — 7) Fernbach u. Wolff. Ebenda, 142, 1216 (1906); 144, 1368 (1907). — 8) F. Allihn, Journ. prakt Chem., 22, 46 (1880). — 9) Olson, Journ. Ind. aud. Eng. Chem., /, 445 (1909). — 10) Musculus, Journ. prakt. Chem., 28, 496 (1883). Effront, Monit. Scient (1887), p. 513. Fernbach u. Schoen, Bull. Soc. Chim. (4), //, 303 (1912). Defren, Chem. Abstr. (1912), p. 3034. Maltoeebeetimmung: Wolff, Ann. Chim. appl., to, 193 (1905). Rolfe, Geromanos u. Haddock, Journ. Amer. Chem. Soc, 25y 1003, 1015 (1903). — 11) H. Ost, Verhandl. Naturforsch. Ges. (1904), II, /, 139. — 12) H. D1ERB8EN, Ztech. angewandt. Chem., 16, 121 (1903). — 13) J. Gatter- BAUBB, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 22. 265 (1911). 414 Zebntea Kapitel: Die Reservekoblenhydrate der Samen. Es ist aber nicht unter die Stärkeabbauprodukte im engeren Sinne zu stellen, da es durch die Säurewirkung bei der technischen Stärkezuckerdarstellung durch Reversion aus Glucose hervorgeht. Bei der Glucosebildung am Ende der Hydrolyse hat man zu beachten, daß zunächst die instabile a-Glucose entsteht, und sich die endgültige Drehung erst nach Übergang in die stabile Glucoseform einstellt (1). Wie zu erwarten, hat die Art der Säure, abgesehen von dem Grade ihrer Stärke keinen spezifischen Einfluß auf den Vorgang der Säurehydrolyse der Stärke gezeigt, was eine Reihe von Arbeiten speziell festgestellt hat (2). Wenn auch gefunden wurde, daß die einzelnen Stärke- sorten nicht immer gleich rasch angegriffen wurden (3), so besteht kein Zweifel, daß in allen Fällen die Abbauprodukte dieselben sind (4). Die Kinetik der Amylum-Säurehydrolyse ist besonders durch van Laer(5) untersucht worden, mit dem Ergebnisse, daß der Vorgang ebenso wie die Rohrzuckerspaltung dem Gesetze unimolekularer Reaktionen ge- horcht. Unter sonst gleichen Verhältnissen ist die Reaktionsgeschwindig- keit proportional der Konzentration der Säure. Die zahlreichen Versuche, welche mit dem Abbau der Stärke durch andere Hydratationsmittel unternommen wurden, wie mit Chlorwasser, Ammoniak, Ätzalkalien (6), heißem Glycerin (7), alleiniger Anwendung von höherer Temperatur (8), von Neilson (9) auch mit Platinmohr, ergaben keine anderen Resultate als die Säurehydrolyse, so daß man annehmen kann, daß die erwähnten Abbauprodukte unter allen Umständen entstehen müssen. Die Platinkatalyse der Stärke führte bis zur Maltose. Auch die künstliche Stärke, welche Maquenne und Roux durch Retrogradation der Amylose gewannen, liefert dieselben Abbauprodukte (10). Die Photolyse der Stärke unter dem Einflüsse von ultravioletten Strahlen ist in neuerer Zeit von mehreren Seiten genauer untersucht worden. Hierbei findet einmal ein hydrolytischer Abbau bis zur Glucose, unter intermediären Bildung von Dextrinen statt, außerdem aber die an Zucker sich einstellenden Oxydationen, so daß Pentosen, Formaldehyd, Säuren auftreten (11). Nach CcLWELL und RüSS(12) erzeugen X-Strahlen gleichfalls Stärkehydrolyse, welche aber nur bis zur Bildung von Dextrinen gehen soll. Den Stärkeabbau unter dem Einflüsse der stillen elektrischen Entladung hat LÖB(13) unter- sucht. Man erhält auch hier keine Jodreaktion mehr und es entstehen redu- zierende Produkte. X. Konstitution der Stärkekohlenhydrate. Man hat sich bis in die neueste Zeit viel bemüht, das Molekulargewicht der Stärke zu bestimmen, ohne daß man jedoch sagen könnte, daß diese Ergebnisse «ine größere Sicherheit haben. Friedenthal gab für lösliche Stärke 1) Vgl. RössiNG, Ohem.-Ztg., 2g, 867 (,1G05). — 2) W. Oechsner de Coninck, BuU. Acad. Roy. Belg. (1910). p. 515; (1911), n. 213, 335, 438, 592, 839: Bull. Soc. €him. (4), g, 586 (1911). Tollens, Ber. Cb^m. Ges., jp, 2190 (1906). — 3) Vgl. S. Lang, Ztsch. exp. Pathol., 8, 279 (1910). — 4) Ford a. Guthrie, Journ. Soc. Chem. Ind., 24, 605 (1905). O'Sullivan, Jourr.. Chera. Soc, 85, 616 (1904). — B) H. VAN Laer, Bull. Acad. Roy. Belg. (1910), p. 613, 707; (1911), 84, 305, 362. 795; Zentr. Bakt. II, jo, 433 (1911). Oechsneb de Coninck u. Raynaud, Rev. g^n. Chim. appl., 14, 169 (1911). — 6) Oechsner de Coninck, Bull. Acad. RcJy. Belg. (1910), p. 586. — 7) Zulkowski, Chem. Zentr. (1888), //, 1060; (1894), //, 918. — 8) R. GscuwENDNEE, CheiTi.-Ztg., jo, 761 (1906). — 9) C. H. Neu.son, Amer. Journ. of Physiol., 75, 412 (1906). — 10) E. Roux, Compt. rend., 140, 1259 <1905). — 11) J. BlELECKi u. WüRMSER, Compt. rend., 154, 1429 (1912); Biocheui. Ztsch., 43, 154 (1912). Massol, Compt. rend., 152, 902 (1911); 154, 1645 (1912). — 12) H. A. CoLWELL u. Russ, Le Radium, g, 230 (1912). — 13) W. Lob, Biochem. Ztsch., 46, 121 (1912). § 2. Stärke. 415 als kryoskopisch gefundenes Molekulargewicht den Wert 9450 an(l). Pfeiffer und Tollens, ferner Mylius (2) wollten die Formel CgHioOj viermal nehmen, Brown und Heron, Sachsse sowie W. Nägeli, Skraup entschlossen sich bereits zu höheren Werten und neuere Forscher, wie Brown und Morris, sowie Rodewald kamen zu der Annahme von Molekulargewichten zwischen den Grenzen 32 400 und 62000, wie insbesondere Rodewald (3) aus seinen Untersuchungen über die Be- ziehungen der Entwicklung der Quellungswärrae und der benetzten Oberfläche folgert. Viel kleiner sind wieder die Molekulargewichte, welche Wacker (4) auf Grund seiner durch eine colorimetrische Methode erlangten Ergebnisse für die Stärke und ihre nächsten Abbauprodukte in Anspruch nimmt. Da es ganz unsicher ist, ob wir ein Recht haben Kohlenhydrate von einheitlicher Zusammensetzung als Konstituenten der Amylumkörner anzusehen, so sind alle diese Untersuchungen nur mit großem Vorbehalte hinzunehmen, höchstens als Ausdruck für die un- gefähren Grenzwerte, zwischen denen sich etwa das Molekulargewicht einer bestimmten Fraktion bewegen dürfte. Bei der großen Lückenhaftigkeit der chemischen Erfahrungen über die Stärkekohlenhydrate läßt sich natürhch bezüghch der Konstitution des Amylums nichts weiter sagen, als daß eine große Zahl von Glucoseresten in maltoseartiger Paarung als Konstitutionselemente anzunehmen sind. Die Gesamtformel istriclitig(CgHio05)n— (n— 1)H20 oder mit (CeH^oOs)« + HgO zu schreiben (5). Darin denkt sich A. Meyer zunächst große Amylodextrin- komplexe, welche sich schrittweise in Dextrin- und Maltosekomplexe gliedern. Andere Forscher meinten wieder, daß der Stärkekomplex einer Struktur entspreche, welche schon am Beginn der Hydrolyse große und kleine Bruch- stücke ergibt. Effront (6) üeß die Säurehydrolyse sich von der Enzym- hydrolyse dadurch unterscheiden, daß bei der ersteren gleichzeitig Dextrin und Maltose abgespalten werde, während bei der letzteren sukzedan Dextrin und Maltose gebildet würden. Mittelmeier (7) vertrat die Anschauung, daß die Stärke zunächst in zwei Moleküle chemisch differenter Amylodextrine zerfalle, wovon das eine zersetzücher ist, und welche verschiedene Dextrine hefern. Auf die Ansichten von Lintner und Düll, von Scheibler und Mittelmeier, von Brown und Morris („Amylointheorie"), von Johnson (8), welcher annahm, daß bei der Säurehydrolyse keine Amyloingruppen, sondern Verbindungen der Glucose mit Amyhngruppen (CjgHaoOio)«! oder „Gluco- amyünen" auftreten, auf die Amylogentheorie von Syniewski sei hier nur kurz hingewiesen. Pringsheim und Langhans (9) haben auf Grund gewisser Abbauprodukte, die sie aus Stärke durch Mikroben erhielten, geschlossen, daß in der Stärke ringförmige Amylosekomplexe anzunehmen seien. XL Quantitative Stärkebestimmung. Es ist nicht leicht, eine Methode zur Stärkebestimmung zu finden, welche den Fehler vermeidet andere Kohlenhydrate mit aufzuschUeßen und so als Stärke mitzu- 1) H. Fkiedenthal, Zentr. Physiol., 12, 849 (1899). — 2) Pfeiffer u. Tollens, Lieb. Ann., 2/0, 295. Mylius, Ber. Chem. Gea., 20, 694 (1887). — 3) Rodewald, Ztsch. physik. Chem., jj, 593 (1900). — 4) L. Wacker, Ber. Chem. Ges., 4t, 266 (1908); 42, 2675 (1909). — 5) Kiliani, Chem.-Ztg., 32, 366 (1908). A. R. LiNG, Journ. Soc. Chem. Ind., 2S, 731 (1909). — 6) Effront, Monit. Scient. (1887), p. 513. — 7) Mittelmeifr, Jahresber. Agrik.chem. (1895), p. 199. — 8) H. Johnson, Proc. Chem. Soc. (1897^98), p. 106. — 9) H. Pringsheim u. Langhans, Ber. Chem. Ges., 45, 2533 (1912). 416 Zehntes Kapitel: Die Reßervekohlenhydrate der Samen. bestimmen, und dabei eine für wissenschaftliche Zwecke hinreichende Genauigkeit besitzt. Insbesondere sipd die älteren Methoden, welche sich der Inversion der Stärke mit Säuren in verschiedenen Modifikationen und der Bestimmung der entstehenden Glucose bedienen (1) sämtlich ungenau. Besser steht es mit jenen Methoden, welche die Stärke mit Diastase verzuckern und so den Fehler der allgemeinen Aufschliei^ung vermeiden. PoLLACCi (2) fand es am besten, das Material zunächst mit Trocknen bei niederer Temperatur vorzubereiten, hierauf mit Pepsinbehandlung auf- zuschließen, eine Probe nun zur Bestimmung des direkt vorhandenen redu- zierenden Zuckers zu verwenden, die andere zur Stärkebestimmung mit Säure oder Takadiastase zu hydrolysieren und aus der Differenz der gefundenen beiden Zuckerwerte auf den Stärkegehalt zu schheßen. Ein sehr brauch- bares Verfahren von Baumert und Bode (3) zur Bestimmung der Kartoffel- stärke benützt die Verkleisterung durch Kochen mit Natron mit nachfolgen- der Fällung durch Alkohol, wobei eine Reihe von Fehlerquellen glückUch vermieden werden. Auch colorimetrische Methoden, die sich der Stärke- Jodreaktion bedienen, dürften bis zu einem gewissen Grade ausbildungs- fähig sein. Nach Dennstädt und Voigtländer (4), welche eine solche Methode ausgearbeitet haben, soll die Genauigkeitsgrenze derselben bei 0,5% hegen. Als Vergleichsmaterial wählten sie Weizenmehl, in welchem Wasser, Asche, Protein, Fett genau bestimmt waren. Das Verbleibende wurde (allerdings nicht zur vollen Genauigkeit des Verfahrens) als Stärke angenommen. Es wm-de eine 0,5 g reiner Stärke entsprechende Mehlmenge auf 4 Dezimalen genau abgewogen, diese Probe in einem 2 Liter- Kolben mit 1 Liter Wasser 1 Stunde gekocht, abgekühlt, sodann im Meßzyhnder auf 1 Liter aufgefüllt und absetzen gelassen. In mehrere 100 ccm fassende Meßzyhnder gibt man nun 4,9 und 5,1 ccm der Lösung, färbt mit 1 Tropfen 2%igem Jodkah und füllt auf 100 auf. Von den ersten Zyhndern ward der hellste, von den zweiten der dunkelste ausgesucht. In dem zu prüfenden Produkt wird die Trockensubstanz genau bestimmt, die 0,5 g entsprechende Menge wird genau abgewogen und so behandelt wie oben. Es werden nun. eine Reihe von Portionen zu 5 ccm abgemessen, mit Jod gefärbt und nun. in Wasser bis zu jenem Farbentone aufgefüllt, welcher in der Mitte zwischen den zwei Vergleichsproben liegt. Man üest so direkt Stärke in Prozenten der Trockensubstanz ab. Falls Violettfärbung entstanden ist, so kann man diese durch Waschen des Materials mit Alkohol und Äther beseitigen. Das, Verfahren ist aber sehr umständhch. Kaiser (5) schlug vor, die verkleisterte Stärke in Gegenwart von Natriumacetat durch Jod zu fällen. 1) Näheres über diese Verfahren in dem Handbuche von König. Ferner: Parow u. Neumann, Ztsch. Spiritusindustr., jo, 561 (1907). Pellet u. Metillon,. Ann. Cliim. anal, appl., /j, 9 (1908). BuissoN, Bull. Absoc. Chim. Sucr., 26, 980' (1909). — 2) G. PoLLACCi, Atti. Instit. Botan. Pavia, //, 1 (1906). Ferner Frank- Kamenetzky, Chem.-Ztg., 32, 157 (1908). O'Sullivan, Journ. Chem. Soc. (1884),. p. 1. Faulenba CH, Ztsch. physiol. Chem., 7, 510 (1883). Noyes, Jumper, Flort u. Arnold, Journ. Amer. Chem. See, 26, 266 (1904). Lindet, Chem. Zentr. (1901), //, 1322. Zempijen, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., 6, 1 (1912). .- 3) Baumert u. Bode, Ztsch. angewandt. Chem. (1900), p. 1074; Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 18, 157 (1909). — 4) Dennstädt u. Voigtländer, Jahresber. Agrik.chem. (1885), p. 627. Witte. Chem. Zentr. (1903), //, 528. Girard, Compt. rend., 104, 1629 (1887). Das colorimetrische (Salicylsäure-) Verfahren von C. Cassel». Ztsch. Spiritusinaustr., 35, 591 (1912) erscheint wenig empfehlenswert. — B) Kaiser Chem.-Ztg. (1902), p 180. § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen. 417 Gegenwärtig ist die polarimetrische Bestimmung der Stärke, haupt- sächlich nach den von Lintner(1) und Ewers (2) angegebenen Verfahren die bevorzugte Methode. Nach Lintner hat man 2,5 g Substanz mit 10 ccm Wasser zu verreiben, den Brei mit 15—20 ccm HCl zu mischen und 30 Minuten stehen zu lassen. Man wäscht dann die Masse mit HCl von der Dichte 1,125 in ein 100 ccm-Kölbchen, fügt 5 ccm 4%ige Phosphorwolframsäure zu, füllt mit der HCl auf, filtriert und polarisiert. Das Verfahren von Ewers unter- scheidet sich hauptsächhch durch die Anwendung einer bestimmten Koch- dauer oder Erwärmungsdauer während der Behandlung mit HCl. Deswegen ist hier der molekulare Drehungswinkel ein kleinerer, als er beim Lintner- Verfahren bestimmt wird. Wenn man nach Lintners Vorschrift arbeitet, so ergibt sich ein Winkel von 205—209'', während bei dem anderen Ver- fahren in den einzelnen Modifikationen Werte von 182—196° molekularer Drehung gefunden werden. Hemicellulosen und Pentosane beeinflussen nach KÖNIG beide Methoden nicht. Die LiNTNERsche Methode ist theoretisch exakter, Hefert jedoch weniger gut zur Polarisation geeignete Filtrate. Dextrine lassen sich von der Stärke durch Alkoholfällung oder Tannin- niederschläge trennen, wobei die Stärke zunächst niedergerissen wird (3). § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen. Neben Stärke wurden in dem Nährgewebe verschiedener Samen geringe Mengen von wasserlöslichen höheren Polysacchariden gefunden, welche jedoch in der Regel gewiß nur untergeordnete Bedeutung im Stoffwechsel besitzen. Schulze und Godet (4) bemerken, daß bei allen von ihnen untersuchten Samen nur lösliche Derivate von Glucose, Fruc- tose und Galactose vorkamen, während lösliche Mannane vermißt wurden. Hier sei das von O'Sullivan in Getreidesamen aufgefundene Amylan erwähnt (5), welches in Gerste hauptsächlich in einer schwerer löshchen, in Roggen und Weizen besonders in einer leichter löshchen Modifikation vor- kommt, die als a- und yS- Amylan unterschieden wurden. In kaltem Wasser ist nur das ^-Amylan löshch. Beide sind hnksdrehend, reduzieren Fehhng nicht und geben bei der Hydrolyse Glucose. Die Zusammensetzung entspricht der Formel CgHipOg. In Getreidesamen ist aber auch Fructose heferndes Polysaccharid enthalten. Hierher zählt das von Tanret (6) angegebene Lävosin aus Triticum, das Cerosin aus Roggen, Weizen und Gerste, von Maquenne (7), welches aber wahrscheinhch ein Gemenge mit Amylan ist, sodann könnte das durch Schulze und Frankfurt (8) in jungen Roggen- pflanzen gefundene, anfangs /?-Lävuün, sodann Secalose genannte Kohlen- hydrat auch in den ruhenden Samen vorkommen. Secalose ist krystalüsier- 1) C. J. Lintner, Ztech. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 14, 205 (1907). Schubert, Österr. Ztsch. Zuckerindustr., 39, 411 (1910). Greifenhagen, König u. Scholl, Biochem. Ztsch.. J5. 194 (1911). Porst u. Crown, Chem. Abstr, (1912), p. 3034. Baumert, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 24, 449 (1912). Weng- lein, Ztsch. ges. Brauwes., j/, .^3 (1908). — 2) E. Ewers, Ztsch. öffentl. Chera., //, 407 (1905); 14, 8 u. 150 (1908); Österr. Ztsch. Zuckerindustr., 38, 213 (1909). F. Schubert, Ebenda, p. 218. Scholl. Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, (1909) 18, 157. — 3) G. Burckhardt. Chem.-Ztg., //, 953. — 4) E. Schulze u. Godet, Ztsch. physiol. Chem., 61, 279 (1909). — 5) O'Sullivan, Journ. Chem. Soc. (1882), /, 26. Vgl. auch Lintner, Ztsch. angewandt. Chera. (1890). p. 519. — 6) Tanret, Bull. Soc. Chira. (3), 5, 724. — 7) Maquenne, Compt. rend., 112, 293 (1891). — 8) Schulze u. Frankfürt, ßer. Chem. Ges., 27, 62 u. 3525 (1894). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 27 418 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. bar, linksdrehend, hat die Zusammensetzung GjgHggOig und geht bei der Säurehydrolyse leicht und vollständig in Fructose über. Das Sinistrin von KÜHNEMANN (1) betrifft wohl derartige Stoffe. Als Secalin wurde durch Ritthausen (2) ein optisch inaktiver dextrinartiger Stoff aus Roggen- mehL beschrieben, welcher der Formel C^Hj^Og entspricht und bei der Hydrolyse in Glucose übergeht. Noch nicht aufgeklärt ist der von Ritt- hausen (3) in dem Nährgewebe von Lupinus luteus aufgefundene Galactit, welcher in sechsseitigen Täfelchen krystalüsiert, beim Kochen mit Säure Galactose Uefert und eine nicht der Kohlenhydratformel entsprechende Zusammensetzung CjHjgO, haben soll. Die Substanz ist von Schulze vergebens gesucht worden und von keinem späteren Forscher wieder ge- funden worden. Ulmensamen enthalten nach Passerini (4) ein dextrin- artiges wasserlösliches Kohlenhydrat zu 14—20%, welches mit basischem Bleiacetat fällbar ist. Die Lösung ist rechtsdrehend, Hydratationsprodukte werden nicht angegeben, die Formel entspricht dem Schema GgHjQOg. WasserlösUche Pentosane fanden Schulze und Godet nur in Lupinensamen in eben bestimmbarer Menge. Es dürfte sich in solchen Fällen um keine Reservestoffe, sondern um Konstituenten gewisser Glucoside (Vernin, Vi- cianin usw.) handeln. Die Samen von Diospyros Kaki enthalten nach ISHii (5) ein Mannan als feste halbweiche Masse, Dieser Befund leitet uns zu jenen Fällen, in welchen den Zellwänden des Nährgewebes schleimige Membranschichten aufhegen, wie in den Schleimendospermen- der Leguminosen, auf deren Bedeutung als Reservestoffe Nadelmann (6) aufmerksam gemacht hat. Doch ist zu berücksichtigen, daß nach Lindinger (7) bei den Podalyrieen eine Ernährungsfunktion des Schleimendosperms nicht wahrscheinhch ist, sondern daß es sich da eher um ein Quellungsgewebe handeln dürfte, welches bei der Sprengung der Testa bei der Keimung mitwirkt. Die Samen von Gassia occidentahs enthalten nach Möller (8) 36,6% Pflanzenschleim, welcher zum großen Teile diesen Schleimmembranen entstammen mag. Sodann zählt hierher das Gar o bin aus den Samen der Geratonia SiUqua (9), von dem van Ekenstein (10) nachwies, daß es bei der Hydrolyse Mannose liefert, während Bourquelot und Herissey(II) zeigten, daß außerdem Galactose entsteht. Es handelt sich somit um ein Galactomannan. Nach Göret (12) besteht das Samennährgewebe der Gleditschia triacanthos aus einer analogen Substanz. Reservecellulose nennt man mit einem Sammelnamen alle jene Reservekohlenhydrate, welche als feste Ablagerungen an den Zellwänden der Nährgewebe erscheinen. Äußerlich leitet häufig die auffallend harte, oft elfenbeinartige Konsistenz des Nährgewebes auf derartige Vorkomm- nisse hin, während man in anderen Fällen, wie in den Getreidesamen, selbst durch die mikroskopische Untersuchung schwer zur Annahme solcher Stoffe hingeleitet wird und erst durch die Veränderungen der 1 ) KÜHNEMANN, Her. Chem. Ges., 8, 202 u. 387 (1875); g, 1385 (1876). — 2) Ritt- hausen, Chem.-Ztg., 21, 717 (1898). — 3) Bitthausen, Ber. Chem. Ges., 29, 896 (1896). — 4) N. Passerini, Gaz. Chim. ital.. 37, I, 386 (1907). — 5) Loew u. Ishii, Landw. Versuchsstat, 45, 435 (1894). — 6) H. Nadelmann, Ber. Botan. Ges., 7, 248 (1889). Tschirch, Angewandt. Pflanzenanat. (1889), p. 193. — 7) Lindlnger, Beihefte botan. Zentr., 14, 33 (1903). — 8) J. Möller, Chem. Zentr. (1880), p. 539. — 9) Effront, Compt. rend. (2. Aug. 1897). — 10) A. van Ekenstein, Ebenda, «5. 719 (1897). — 11) Bourquelot u. Herissey, Ebenda, 129, 228 u. 391 (1899). — 12) Göret, Ebenda, /j/, 60 (1900). § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen. 419 Zellwände bei der Keimung darauf aufmerksam wird. Stärke ist in jenen Fällen, wo dicke Ablagerungen von Reservecellulose bestehen, meist nicht vorhanden, doch fehlt Fett in reichlicher Menge auch in solchen Fällen nicht. Bei der Keimung werden diese Wandmassen er- weicht und gelöst Schon Malpighi(I) sagt „natura nam in palmis nucleum solidissimum et cartilagineum vegetatione emoUit" von der Keimung der Dattel. Treviranus (2) erwähnt, daß die harten Kerne von Borassus flabelliformis beim Keimen eßbar und wohlschmeckend werden. MoHL(3) führte das Weichwerden des Palmenendosperms nur auf die Quellung in Wasser zurück und stellte andere chemische Vorgänge in Abrede. Er sagt aber ausdrücklich, daß der Embryo sowohl Zellhäute als Zellinhalt des Albumens resorbiert. Sachs (4) sprach sich zuerst direkt dahin aus, daß bei der Keimung der Dattel die Zellwände in Zucker und Stärke umgewandelt werden. Die Auflösung der Wand- verdickungen in dem Tropaeolumsamen wurde von Frank (5) sichergestellt. Von ScHLEiDEN(e) Stammen die ersten Angaben über die blaue Jod- reaktion mancher Reservecellulosen, welche Anlaß zu der Benennung als Amyloid gab. Erst in neuerer Zeit lieferten Arbeiten von Reiss, Green und von Brown und Morris (7) die wichtigsten Grundlagen zur Biochemie der Reservecellulosen. Die morphologischen Tatsachen über Reserve- cellulose dürfen hier als bekannt vorausgesetzt werden. Manchmal, wie bei den Gräsern, handelt es sich um dünne homogene Membranen, die bei der Keimung fast vollständig gelöst werden. In anderen Fällen finden wir buckelige, im Durchschnitt rosenkranzförmige Membranver- dickungen, welche weite Tüpfel oder scharf einspringende enge Tüpfel- kanäle in sehr dicken Wänden einschließen. Die leicht nachweisbaren Plasmodesmen, welche diese Tüpfel durchsetzen, dürften vielleicht auch bei der enzymatischen Lösung der Reservecellulose eine Rolle spielen. Über die Entstehungsgeschichte dieser Ablagerungen (welche optisch anisotrop sind) ist noch nichts bekannt, ebenso wissen wir nichts über plasmatische Organe, welche an der Bildung der Reservecellulose be- teiligt wären. Von Familien, bei welchen Reservecellulose als Vorratsstoff im Samen vorkommt, sind zu nennen die Gräser, Palmen, zahlreiche Liliaceen, Ama- ryllidaceen und Iridaceen; von Dicotyledonen manche Rubiaceen, Oleaceen, Loganiaceen, manche Gonvolvulaceen, die Hydrophyllaceen, Primulaceen, Myrsineen und manche Sapotaceen; manche Ranunculaceen, Saxifragaceen, Anonaceen, vielleicht auch Malvaceen; die Pittosporeen, Zygophyllaceen, Balsaminaceen, Tropaeolaceen, manche Myrtaceen und Papilionaceen, denen sich wohl noch viele andere Pi'lanzengruppen anreihen, wie denn Pirotta und Longo (8) Reservecellulose auch in den Samen von Cynomorium cocci- neum nachwiesen, Schellenberg (9) bei Plantagaceen. 1) Malpighi, Opera Posthuir-a, Venetiis (1698). Folio, p. 72. — 2) Tre- ViRANüS, Physiologie, 2, 589 (1838). — 3) H. v. Mohl, Histor. natur. palraarum § 136. - 4) J. Sachs, Botan. Ztg. (1862). — 5) A. B. Frank, Jahrb. wiss. Botan., 5 (1866). GoDFRiN, Ann. Sei. Nat. (6), 19, 1. — 6) Schleiden, Wiogmanns Arch. (1838), /, 59; Meyens Jahresber. (1838), p. 20. Th. Vogel u. Schleiden, Pogg. Ann., 46, 327 (1839). — 7) R. Reiss, Diss. (Erlangen 1889); Ber. Botan. Ges., 7, 322 (1889); Ber. Chcm. Ges., 22, 009 (1880). Green, PhU. Tr. Roy. Soc., 178, 38 (1887). H. F. Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc. (1890), p. 458. — 8) R. Pirotta u. B. Longo, Botan. Zentr, S6, 93 (1901). — 9) H. C. Schellenberg, Ber. Botan. Ges., 22, 9 (1904). 27* 420 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. Auf Grund der Jodreaktion wollte Nägeli (1) von den „geschichteten Kohlenhydraten", wie er sie nannte, 3 Stufen unterscheiden: das sich mit Jod bläuende Amyloid, das Mesamylin, welches eine gelb- bis braunrote Reaktion gibt, und das Dysamilin, welches sich goldgelb färbt. In neuerer Zeit hat sich Heinricher(2) und in chemischer Hinsicht Winterstein(3) mit dem Amyloid beschäftigt. Die Cellulosereaktion mit Jodschwefelsäure und mit Chlorzinkjodlösung ist bei Reservecellulose sehr häufig; deshalb wäre ihre tiefgreifende Verschiedenheit von der gewöhnlichen Cellulose durch die mikrochemische Untersuchung allein nie entdeckt worden. Ebenso ist die Löslichkeit in Kupferoxydammoniak ein verbreiteter Charakter. Die erwähnten Kohlenhydrate von Schleimendospermen quellen stark in Wasser und färben sich mit den Cellulosereagentien gelb. Die Chemie der Reservecellulose wurde vor allem durch das Stu- dium der Hydratationsprodukte gefördert. Muntz(4) konnte zuerst aus vielen Pflanzensamen Galactose darstellen. Reiss(5) konstatierte, daß bei der Hydrolyse von Reservecellulosen eine bislang unbekannte Zuckerart entsteht (Seminose), welche sich alsbald aber mit der kurz vorher durch Fischer und Hirschberger(6) dargestellten d-Mannose identisch erwies. Späterhin haben E. Schulze und dessen Schüler (7) in einer langen Reihe umfassender Untersuchungen gezeigt, daß Galactose und Mannose sehr verbreitete Produkte bei der Hydrolyse der Reservecellulosen sind, und daß auch eine Pentose, die Arabinose, häufig unter den Abbau- produkten dieser Kohlenhydrate erscheint. Hingegen hat man die Xylose bisher nur aus den Zellwänden der Samen- und Fruchtschalen erhalten können. Schulze hob auch hervor, daß die'se Zellhautkohlenhydrate relativ rasch durch Säure hydrolysiert werden, weswegen er dieselben chemisch als Hemicellulosen von der eigentlichen Cellulose abtrennte. Wahrscheinlich bilden Mannane und Galactane in den Reservecellulosen häufig Mischkohlenhydrate, Mannogalactane. Galactane fanden Schulze und seine Schüler sehr oft: Lupin us, Cicer, Soja, Pisum, Faba, Tropae- olum, Impatiens, Paeonia, Theobroma, Coffea, Cocos, Elaeis, Phoenix seien als Beispiele angeführt. Dazu kommen nach Schulze und Godet noch Amygdalus, Ricinus, Corylus, Cucurbita, Pinus, Helianthus und Juglans, deren Samen kleine Quantitäten von Galactose bei der Säurehydrolyse lieferten. Maxwell gibt von Phaseolus 5,36 % Galactan an und der Gehalt an N-freien unlöslichen Extraktivstoffen aus den mit verdünnter KOH und dann mit Diastase behandelten Samen stellte sich bei Pisum auf 20.02%, bei Faba auf 14,41%, Vicia sativa auf 15,16% und Phaseolus vulgaris auf 8,2 %. In zahlreichen Fällen begleitet ein Mannan das Galactan oder ist mit demselben als Mischkohlenhydrat verbunden. So 1) C. VON Nägeli, Stärkekörner (1858), p. 209. — 2) E. Heinricher, Flora (1888). p. 163, 179. — 3) Winterstein, Ztsch. physiol. Chem., /7, 353 (1892); Ber. Chem. Ges., 25, 1237 (1892). — 4) Muntz, Compt. rend., 94, 454; 102, 681 (1886). — 5) S. Anm. 7, p. 419. — 6) Fischer u. Hirschberöer, Ber. Chem. Ges., 22, 1155 (1889); 21, 1805 (1888). — 7) E. Schulze u. Steiger, Ebenda. 20, 290 (1887). Steiger, Ebenda, 19, 827 (1886). Schulze, Ber. Botan. Ges., 7, 355 (1889). Schulze u. Steiger, Landw. Versuchsstat., 36, 391 (1889). Schulze, Steiger u. Maxwell, Ztsch. physiol. Chem., 14, 227 (1890); Ber. Chem. Ges., 23, 2579 (1890). W. Max- well, Amer. Chem. Journ., 12, 51, 265 (1890). Schulze, Ber. Chem. Ges., 24, 2277 (1891); Landw. Jahrb., 21, 72 (1892); Landw. Versuchsstat., 41, 207 (1892); Ztsch. physiol. Chem., 16, 387 (1892); 19, 38 (1893); Landw. Jahrb., 23, 1 (1894); Chera.-Ztg., /;, 1263 (1893). Ewell, Ber. Chem. Ges., 26, 59 (1893). Schulze, Ber. Botan. Ges., 14, 66 (1896). M. Castoro, Gaz. Chim. ital., 39, 1, 608 (1909). Schulze u. Godet, Ztsch. physiol. Chem., 61, 279 (1909). Galactanbestimmung: MiYAKE, Journ. CoU. Agr. Tohoku, 4, 337 (1912). § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen. 421 ist es bei den Reservekohlenhydraten im Samen von Ceratonia, Medicago sativa und Trigonella Foenum graecum nach Bourquelot und Heris- SEY(1), nach Hf rissey (2) auch bei Trifolium repens, bei Umbelliferen- endospermen nach Champenois(3), nach demselben Autor (4) auch bei Aucuba japonica, sodann bei Strychnosarten (5), bei Coffea (6) und besonders bei den harten Monocotyledonensamen, wie den Palmen, wo allgemein reichlich Mannan vorkommt, und bei Liliaceen, wo man es von Ruscus und Asparagus kennt (7). Vielleicht sind in Palmensamen, wie Bourquelot vermutet, eine Reihe von verschieden leicht hydrolysier- baren Mannanen vorhanden. Baker und Pope fanden, daß in dem aus Phytelephassamen dargestellten Zuckergemisch etwa 5% Fructose der Mannose beigemischt waren, was sie auf die Präexistenz eines Lävulo- mannans beziehen. Sonst ist allerdings, namentlich in den Arbeiten von Schulze nach Fructose stets vergebens gesucht worden. Nur Castoro gab Fructose aus Cicer arietinum an und ist der Ansicht, daß ein Lävulan präformiert sei. Araban ist in recht ungleichen Mengen und nicht immer in den Reservecellulosen enthalten. Das Amyloid der Balsaminaceensamen liefert sehr reichlich neben Galactose Arabinose bei der Spaltung und keine Mannose (8). Auch manche Leguminosen- samen führen reichlich Araban. So dürfte bei der gelben Lupine etwa Vs der Hemicellulosen aus Araban bestehen, bei Lupinus angustifolius Y^ (Schulze). Kleinere Mengen Arabinose ließen sich nach Schulze und Godet auch aus Soja, Amygdalus und Ricinus gewinnen, nach Castoro aus Cicer, während in einer größeren Zahl anderer Fälle danach ver- geblich gesucht wurde. Araban ist auch im Kakao enthalten, und wahr- scheinlich in Piper (9). Die Reservecellulosen kennt man bisher nur als amorphe Präparate, deren gänzliche Reindarstellung noch aussteht. Winterstein gewann das Amyloid der Balsaminaceensamen durch Extraktion des entfetteten und mit Ammoniakwasser behandelten Samenpulvers durch ^%ige NaOH und Auskochen mit Wasser unter Druck. Die heiß kolierte Lösung wurde durch Alkohol gefällt. Der getrocknete Niederschlag gibt mit kochendem Wasser schleimige Lösungen, die blaue Jodreaktion zeigen und mit Neutralsalzen fäll- bar sind. Die Substanz ist rechtsdrehend; Diastase wirkt auf sie nicht ein. Die bei der Hydrolyse der Reservecellulose entstehenden Zucker- arten sind zur Charakterisierung besonders wichtig. Mannose wird durch ihr schon in der Kälte schwer lösUches Phenylhydrazon erkannt. Mannose wird ferner durch Bleiessig auch in neutraler Lösung gefällt. Galactose besitzt ein Osazon von F 193° (Traubenzucker 205"), welches in eisessigsaurer Lösung optisch inaktiv ist. Die Schleimsäurebildung bei der Oxydation von Galac- tose mit Salpetersäure ist ebenfalls ein wichtiges Erkennungsmerkmal. 1) Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 130, 42 u. 731 (1900); Journ. Pharm, et China. (6), g, 104 u. 589 (1900). — 2) Herissey, Compt, rend., 130, 1719 (1900). — 3) Chämpenois, Journ. Pharm, et Chim. (6), 15, 228 (1902). — 4) Cham- PEN018, Compt. rend., 133, 895 (1901). — 5) Bourquelot u. Herissey, Ebenda, 130, 1411; 131, 276 (1900). Baker u. Pope, Proc. Chera. Soc, 16, 72 (1900). — 6) Schulze, 1. c — 7) Palmen: Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 133, 302 (1901). Baker u. Pope, 1. c. Lienard, Journ. Pharm, et Chim. (6), 16, 429 (1902); Compt. rend., 135, 593 (1902). Ruscus: Castoro, Ztsch. physiol. Chem., 4p, 96. DuBAT, Compt. rend., 133, 942 (1901). Asparagus: Peters, Arch. Pharm., 240, 53 (1901). — 8) WiNTERSTEtN, Ztsch. physiol. Chem., /;, 353 (1892). — 9) Kakao: Maurenbrecher u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 3g, 3576 (1906). Piper: Böddener u. Tollens, Journ. Landw., 58, 229 (1910). 422 Elftes Kapitel: Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. Elftes Kapitel: Die Resorption von Zncker und Kolilen- liydraten bei keimenden Samen. Resorption der einfachen und zusammengesetzten Zuckerarten. Die Reservekohlenhydrate und zusammengesetzten Zucker der ruhenden Samen sind, wie aus den Darlegungen des vorigen Kapitels hervorgellt, fast ohne Ausnahme Hexosenderivate, und gehen bei der Keimung unter Mitwirkung von Enzymen offenbar zunächst in ihre Stammhexosen über. Doch kann man auch in jenen Fällen, wo be- deutende Mengen von Galactan und Mannan gespeichert sind, bei der Keimung nie etwas anderes als Glucose als Reaktionsprodukt nachweisen, so daß man annehmen muß, daß die Umlagerung der diesen Kohlen- hydraten zugrunde liegenden Hexosen zu Glucose, die ja durch anderweitige chemische Erfahrung wohlbekannt ist, im Momente des Entstehens erfolgt. Das Schicksal der Glucose ist im normalen Keimungsgange vor allem die Oxydation zu Kohlensäure und Wasser als Material der Sauer- stoffatmung. Wie dieser Prozeß erfolgt, wissen wir nicht mit Be- stimmtheit. Es wird auf diese Fragen bei der Behandlung der Sauerstoff- resorption im zweiten Bande dieses Buches einzugehen sein. Bei Sauerstoffmangel scheint der Traubenzucker auch bei den höheren Pflanzen allgemein einem ausgiebigen Zerfalle in Alkohol und CO2 zu unterliegen. Pasteür(I) äußerte sich schon 1876 bezüglich der Alkoholgärung: „La fermentation est un phenomfene trfes g6n6ral". Die ersten Beobachtungen über Alkoholbildung bei Phanerogamen unter Sauerstoffabschluß rühren von Lechartier und Bellamy her (2), welche feststellten, daß Alkohol in Früchten, die im sauerstoffreien Räume auf- bewahrt werden, auftritt. Daß bei solchen Früchten die Kohlensäure- produktion fortdauert, war bereits Saussüre und anderen älteren Forschern bekannt gewesen (3). Übrigens war auch die Alkoholbildung gelegentlich beobachtet worden, ohne daß man diese Erscheinung beachtenswert ge- funden hätte. Erst Pasteür(4) betonte 1872 nachdrücklich den Paral- lelismus dieser Erscheinung mit der Hefegärung und ihm schlössen sich auch Lechartier und Bellamy (6) an, die im weiteren quantitative Bestimmungen von CO, und Alkohol bei Birnen, die monatelang unter Luftabschluß gehalten wurden, vornahmen. Die Gewichtsmengen von Alkohol und COj erwiesen sich etwa gleich, so wie es die chemische Gleichung der Alkoholgärung verlangt. Traube (6) stellte bei Wein- trauben Alkoholbildung unter den gleichen Verhältnissen fest, selbst wenn dieselben stark verletzt waren; jedoch trat am ausgepreßten Safte diese Wirkung nicht ein. Bis in die neuere Zeit wurden diese Be- obachtungen vermehrt und erweiterte?). Die Arbeiten von Brepeld, 1) L. Pasteür, fitudes sur la bifere (1876), p. 261. — 2) Lechartier u. Bellamy, Compt. rend., 69, 366 u. 466 (1869). — 3) Rollo, Ann. de China., 25, 42 (1798). Saussure, llecherch. china. (1804), p. 121. Berard, Ann. de Chim. et Phys., 16, 174 (1821). — 4) Pasteür, Compt. rend , 75, 1056 (1872); Her. Chein. Ges., 5, 880. — 5) Lechartier u. Bellamy, Compt. rend., 75, 1204 (1872); 79. 949 u. 1006 (1874). — 6) M. Traube, Ber. Chena. Ges., 7, 872 (1874). — 7) Le- chartier, Bellamy u. Gayon, Compt. rend., 84, Nr. 19 (1877). P. Bert u. Regnard, Soc. Biol. (1885), p. 462. § 1. Resorption der einfachen und zusammengesetzten Zuckerarten. 423 MuNTZ, DE LucA(l) zeigten besonders die allgemeine Verbreitung der anaeroben Alkoholbildung auch für Samen und in der Folge wurde durch die Studien von Godlewski, Nabokich, Maz^, Stoklasa, Lubi- MENKO, Iwanoff u. a.(2) die weittragende Bedeutung der Alkoholbildung aus Zucker bei höheren Pflanzen nicht nur für die Samen, sondern für alle Organe der höheren Pflanzen dargelegt. Auch geht aus den Be- obachtungen von Berthelot an Weizenkeimlingen und denjenigen von Devaux an Baumzweigen hervor, daß die Alkoholproduktion in geringerem Maße auch im aeroben Leben stattfindet und nicht streng an Luftabschluß gebunden ist (3). Insbesonders hat Iwanoff hervorgehoben, daß manche Samen, wie Erbsen, durch Sauerstoffzutritt geradezu in ihrer Alkohol- gärung gefördert werden, während bei anderen Samen, wie Triticum, es nichts ausmachte, ob die Keinllinge sich im Vakuum befanden oder nicht. Es ist möglich, daß dort, wo nicht schon reichliche Vorräte an Gänmgs- enzym vorhanden sind, die Bildung des Enzyms durch vorherigen Luft- zutritt gefördert wird. Godlewski, Iwanoff und andere Forscher haben nachgewiesen, daß im anaeroben Leben keimender Samen das Gewichtsverhältnis der ausgeschiedenen CO2 und des gebildeten Alkohols ganz gut mit den theoretischen Werten der Gärungsgleichung übereinstimmen. Für keimende Erbsen fanden Godlewski und Polszeniusz auf 100 Teile ausge- schiedener CO, für Alkohol die Werte 133,8; 103,3; 109,3; 100,5; 102,5; 96,9; 100,7; 97,0, während der aus der Gärungsgleichung geforderte Wert 104,5 beträgt. Nicht alle Keimlinge zeigten gleich starke Zucker Vergärung. Sie war bei Gerste viel schwächer als bei Pisum und Faba. Daß der gebildete Alkohol und die COj dem Zucker entstammt, wurde besonders deutlich durch die Tatsache erwiesen, daß auch zugeführter Zucker glatt vergoren wird. Inbesondere sind die kohlenhydratarmen Lupinensamen hierzu sehr geeignet. Hier findet unter Ausnützung des zugeführten Zuckers sogar Keimung im sau er Stoff reien Räume statt. Glucose schien rascher vergoren zu werden als Fruc- tose. Daß bei der Hefegärung Acetaldehyd bei der anaeroben Zucker- verarbeitung durch höhere Pflanzen auftritt, hat Kostytschew (4) für Populusblüten bewiesen. Um den Nachweis der Zymase in diesen Fällen haben sich vor allem Palladin und Kostytschew, Stoklasa und Iwanoff Verdienste erworben (6). Besonders ist die von Palladin 1) O. Brefeld, Landw. Jahrb., 5. 327 (1876). Muntz, Compt. rend., 86, Nr. 1 (1878); Ann. de Chira. et Phys. (5), 13, 543 (1878). De Luca, Ann. Sei. Nat. Bot., 6, 286 (1878). — 2) Godlewski u. Polszeniusz, Anzeig. Akad. Krakau (Juli 1897); Akad. Krakau (1. April 1901 und 1. März 1904); Allgera. Brauer- und Hopfenztg., 44, Nr. 199 (1904); Akad. Krakau (Oktober 1911). Nabokich, Ber. Botan. Ges., 19, 222 (1901); 2/, 467 (1903). Maze, Compt. rend., 128, 1608 (1899); Chera. Zentr. (1902), //. 459; Ann. Inst Pasteur, j8, 378 u. 535 (1904). Stoklasa, Ber. Botan. Ges., 22, 460 (1904); Bull. Assoc. Chim. Sucr., 24. 160 (1906); Chem.- Ztg., j/, 1228 (1908); Ztsch. physiol. Chem., 50. 303 (1907); 5^ 156 (1907); 62, 47 (1909). Jttnitzky, Rev. g6n. Botan., 19, 208 (1907). Lubimenko, Compt. rend., 143, 130 (1906). L. Iwanoff, Ber. Botan. Ges., 29, 622 (1911); Biochem. Ztsch., 25, t83. Gola, Accad. Real Torino, 40 (1905). Takahashi, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 243 (1902); 6, 439 (1905). — 3) Berthelot, Compt. rend, 128, 1867 (1899). Devaux, Ebenda. Claude Bernard, zit. bei Stoklasa. Gerber, Ann. Sei. Nat. (8), 4. — 4) Kostytschew, Hübbenet u. Scheloumoff, Ztsch. physiol. Chera.. 83, 105 (1913). — 5) Palladin u. Kostytschew, Ber. Botan. Ges. (1906), p. 273; Ztsch. physiol. Chem., 48, 214 (1906). Stoklasa, Hofmeisters ßeitr., j. 460 (1902); Zentr. Physiol, 16, 652 (1902); Ber. Chera. Ges., jtf, 622 u. 4058 (1903); Zentr. Bakt. II, 13, 86 (1904). Blumenthal, Dtsch. med. Woch.schr., 51, 961 (1903). Iwanoff, 1. c. 424 Elftes Kapitel : Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. eingeführte Methode, die Pflanzen unzerkleinert durch Gefrieren ab- zutöten und dann in Toluolatmosphäre aufzutauen und der Gärung zu überlassen, sehr geeignet um die Zymasewirkung festzustellen. Anders steht es mit der Behauptung von Stoklasa, daß gleichzeitig in den Geweben höherer Pflanzen ein Milchsäure bildendes Enzym tätig sei. Hier stehen die Bestätigungen noch aus, wenn sich auch die verschieden- fach gegen Stoklasa erhobenen Einwände, daß Mikroben Wirkungen im Spiele gewesen seien, wohl nicht aufrecht erhalten lassen. Fettsamen produzieren im anaeroben Leben nur außerordentlich wenig COg, was auf die Bedeutung des Zuckers als Gärungsmaterial hin- weist, welcher aber aus dem Fett nur bei Sauerstoff zutritt entstehen kann; GoDLEWSKi fand den Höhepunkt der Alkoholgärung bei Keimlingen meist am dritten Tage erreicht, worauf sich die Intensität des Prozesses 1 bis 2 Wochen lang auf dieser Höhe erhält und schließhch langsam abfällt. Bei höherer Temperatur wird das Maximum der Gärungskurve erhöht, dafür erfolgt aber der Abfall früher und vollständiger. Auch Chudjakow fand wesentHch dieselben Verhältnisse für die intramolekulare Atmung auf Kosten von Kohlenhydraten (1). Zu berücksichtigen ist, daß vielfach im Innern von Organen die Luft relativ sauerstoffarm ist, so daß daselbst die Alkohol- gärung des Zuckers keine unwichtige Bolle spielen mag. Die Binnenluft der Zuckerrübe fand Heintz (2) sehr 0-arm und reich an COg und N. Bender bestimmte für die Binnenluft von Äpfeln die Zusammensetzung mit 40,2% CO2, 0,43% 0 und 59,37% N und konnte auch im Destillate des Apfelsaftes Alkohol nachweisen (3). Nach Heintz enthält die Binnenluft der Zucker- rübe nur 0,06-2,10% 0, 11,49-78,9% CO2 und 21,04-86,98% N. Selbst die Binnenluft von Laubblättern ist nach Grehoult und Peyrou (4) sauerstoffärmer als die Außenluft. Die Gewebe der Sumpfpflanzen bieten nach GoLA gleichfalls Bedingungen, unter denen die Alkoholgärung des Zuckers als anaerobe Betriebskraft eine höhere Bedeutung besitzt. God- lewski sowie Nabokich (5) konnten zeigen, daß das Wachstum von Keim- ungen tatsächlich innerhalb gewisser Grenzen durch die Zuckervergärung aufrechterhalten werden kann. Die Wärmeentwicklung bei der Alkoholgärung keimender Samen ist nach den Untersuchungen von Eriksson (6) relativ sehr gering. Bei 125 ccm Material, welches aus verschiedenen Keimpflanzen, Blüten, Früchten be- stand, ergab sich eine Temperaturerhöhung von 0,1—0,3" C. Die älteren Angaben von de Luca über Wasserstoffentwicklung bei der anaeroben Mannitverarbeitung durch Mannit führende Früchte und Blätter konnten von Kostytschew (7) nicht bestätigt werden. Vielleicht waren Buttersäuregärungsmikroben die Ursache der Wasserstoffentwicklung gewesen. Saccharose ist nicht nur in ruhenden Samen fast allgemein ver- breitet, sondern wird auch in Keimlingen regelmäßig gefunden. Es macht den Eindruck, als ob wenigstens ein Teil des Rohrzuckers ein 1) N. V. Chudjakow, Landw. Jahrb., 23, 332 (1894). Vgl. auch A. Amm, Ebenda, 25, 1 (1894). — 2) A. Heintz, Ber. Cham. Ges., 6, 670 (1873). — 3) Bender. Ebenda, 8, 112 (187.5). — 4) N. Grehoult u. Peyroü, Compt. rend., 100, 1475 (1885); loi, 1023 (1885). Auch Palladin, Botan. Zentr., 59. 243 (1894). — 5) Nabokich, Ber. Botan. Ges., ig, 222 (1901). — 6) J. Eriksson, Untersuch, botan. Inst. Tübingen, /, 105 (1881). — 7) Kostytschew, Ber. Botan. Ges., 24, 436 (1906). § 1. Resorption der einfachen und zusammengesetzten Zuckerarten. 425 Intermediärprodukt des Kohlenhydratstoffwechsels wäre. In gekeimter Gerste, wo Kühnemann Saccharose neben reduzierendem Zucker zuerst nachwies(l), steigt nach den übereinstimmenden Befunden von Kjeldahl, O'SuLLiVAN, LiNDET, Brown Und MoRRis(2) im P^ortgange des Keiraungs- prozesses die Saccharose bedeutend an. Schon während des Einweichens der Körner erfolgt nach Petit die Vermehrung der Saccharose, während der Glucosegehalt annähernd gleich bleibt. Nach den Resultaten von Brown und Morris, welche den Saccharosegehalt in Endosperm und Embryo getrennt bestimmten, wurde nach 24 stündiger Quellung im Endosperm 0,3 %, im Keim 5,4 % Rohrzucker gefunden. Nach 10 Tagen enthielt das Endosperm 2,2 %, der Embryo 24,2 % Saccharose. Der Zuwachs betrifft also vorwiegend den Embryo. O'Sullivan fand in ungekeimter Gerste 0,8 — 1,6%, in Malz 2,8—6% Saccharose. Kjel- dahl gab eine Totalvermehrung des Rohrzuckers von 1,5 bis 4,7% an. Vermittels der Invertinreaktion wies Grüss mikrochemisch die Gegenwart der Saccharose im Scutellum und* in der Aleuronschichte nach (3). Redu- zierender Zucker fehlt darin. Sowohl Brown und Morris, als auch Grüss konnten bei der Kultur isolierter Gerstenembryonen in Glucose und Maltose die Saccharosebildung sicher nachweisen. Daß bei der Saccharosebildung Oxydationsprozesse indirekt eingreifen, scheint aus den Ergebnissen von Boysen- Jensen (4) hervorzugehen, welcher bei Gersten- und Erbsenkeimlingen in Wasserstoffatmosphäre ein Herabgehen der Saccharoseproduktion beobachtete, welche nach Zulassung von Sauerstoff wieder einer Steigerung Platz machte. Übrigens beeinträchtigte höhere Temperatur die Bildung von Rohrzucker ebenfalls. Auch im Saugorgan von Phoenix fand Grüss Saccharose. Ferner ist sie von Washburn und Tollens aus Mais dargestellt worden (5). Lupinus luteus enthält nach Schulze (6) im ungekeimten Samen überhaupt keine Saccharose, während sich aus 6tägigen Keimlingen nach dem Strontianverfahren pro 800 g Trockensubstanz 3 g reiner Rohrzucker herstellen ließ, offenbar nur ein Teil der vorhandenen Gesamtmenge. Es wird nicht wunder nehmen, daß Invertin überall, wo Rohrzucker in Keimhngen vorkommt, gleichfalls vorgefunden worden ist. Doch weiß man über etwaige Beziehungen von Invertin zur Rohrzuckerbildung auch hier noch nichts. Im Gerstenmalz ist Invertin vielfach nachgewiesen worden (7), doch scheint das Ferment nicht sehr kräftig wirksam zu sein. LiNTNER-Diastase enthält gleichfalls Invertin. In keimendem Weizen fand Johannsen (8) Invertin. Der Sitz des Fermentes scheint der Embryo 1) G. KtJHNEMANN, Ber. Chem. Ges., 8, 202 u. 387 (1875). — 2) Kjeldahl, Compt. rend. Labor. Carlsberg (1881). O'Sullivan, Journ. Chem. Soc. (1886), p. 58. LiNDET, Compt. rend., 117, 668 (1893); 137, 73 (1903). Petit, Ebenda, 130, 687 (1895). Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc. (1890), p. 459. Jalowetz, Chem. Zentr. (1895), /, 934. Nur Invertzucker fand in Malzkeimen Yoshimura, Biochem. Ztsch., j7, 221 (1911). Märcacci. Just Jahreaber. (1889), /, 41. — 3) J. Grüss, Woch.schr. f. Brauerei (1897), Nr. 33; (1898) Nr. 7. — 4) P. Boysen-Jensen, Biochem. Ztsch., 40, 420 (1912); Biolog. Arbeiten, Warming zugeeignet, p. 139 (1911). — 5) Washburn u. Tollens. Ber. Chem. Ges., 22, 1047 (1889). — 6) E. Schulze, Ber. Botan. Ges., 7, 280 (1889). — 7) Brown u. Heron, Journ. Chem. Soc, 35, 609 (1879). HoLDRRER, Journ. Soc. Chem. Ind., 28, 733 (1910). Vandevelde, Biochem. Ztsch., 28, 131 (1910), Kröber. Ztsch. ges. Brauwes. (1895), p. 325 wollte die Existenz des Malzinvertins in Abrede stellen. — 8) W. Johannsen, Just Jahrea- ber. (1886). /, 134. 426 Elftes Kapitel: Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. zu sein. Grüss (t) nimmt eine Invertinsekretion durch das Schildchen an, während Kjeldahl in der Keimwurzel das meiste Ferment konstatiert hatte. Weiter ist vom Crotonsamen Invertin angegeben, sowie von Cocos nucifera und Phoenix (2). Das Invertin der Dattel bietet während der Frucht- reife nach ViNSON interessante Änderungen in seiner Löslichkeit. Während es unmöglich ist, aus unreifen Datteln Enzym durch Auslaugen mit Wasser in Lösung zu bringen, gelingt dies bei reifen Früchten ohne weiteres. Zeit- lich fällt diese Änderung zusammen mit dem Verschwinden kolloider Gerb- stoffmassen im Fruchtfleische. Doch dürfte ein ursächUcher Zusammen- hang mit der LösHchkeit des Invertins nicht anzunehmen sein, da man durch Glycerin das Enzym aus dem Tannin-Invertin Niederschlage extrahieren kann, während dies bei den unreifen Früchten nicht gehngt. So muß ein Übergang von einem Endoenzym in ein Ektoenzym durch anderweitige Änderungen der Fermenteigenschaften angenommen werden. Maltose ist als Endprodukt der ^tärkehydrolyse natürlich äußerst verbreitet in keimenden Samen. Sie wird sodann aber durch Maltase in allen Fällen in Glucose übergeführt. Nachdem zuerst durch Cuisinier (3) die Maltase aus keimendem Mais bekannt gegeben worden war, sind solche Enzyme aus anderen Getreidearten, sowie überhaupt von Nähr- geweben mit reichlichem Stärkegehalt vielfach angegeben worden. So kennt man eine Gerstenmaltase (4), nach Beijerinck(5) eine Maltase aus Reis, Hirse, Sorghum, Carex, Luzula und Sparganium, nach Huerre eine wirksame Maltase aus Fagopyrum(e) und vielleicht kommt auch in dem fetthaltigen Crotonsamen nach Scürti und Parrozzani eine Maltase vor. Die Maltase aus Mais hat nach Huerre (7) bei den einzelnen Mais- rassen ein verschiedenes Temperaturoptimum, indem bei einigen weißen Maissorten die Wirkung schon bei 0^ beginnt, während gelbsamige Sorten erst von 20'' an Maltasewirkung zeigen. Für die Maltase aus Gerste und aus Fagopyrum wird von den Autoren das gleiche Temperatur- optimum bei 550 angegeben. Fagopyrum enthält eine lösliche und eine unlösliche Form der Maltase. Die von Schulze und Frankfurt (8) aus jungen grünen Roggen- pflanzen gewonnene Secalose (früher von den Entdeckern /5-Lävulin genannt) schließt sich ihren Eigenschaften nach an die zusammengesetzten Zuckerarten an. Sie ist krystalhsierbar, leicht löslich in Wasser, ünks- drehend und gibt bei der Hydrolyse Fructose. Die Zusammensetzung ist wahrscheinlich GigHgaOjg. Herkunft und Schicksal dieses Kohlenhydrates ist noch nicht bekannt. § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen und die hierbei tätigen Enzyme. Das Verschwinden der Stärke bei der Keimung von Samen und das Auf- treten von Zucker an ihrer Stelle ist gewiß eine seit sehr langer Zeit und 1) Grüss, Woch.schr. f. Brauerei (1897), Nr. 26. — 2) Croton: Scurti u. Parbozzaki, Gaz. chim. ital., J7, I, 486 (1907). Cocos: Kruyff, Bull. D^p. Agr. Ind. N^erland, 4 (1908). Phoenix: A. E. Vinson, Journ. Amer. Chem. Soc, 30, 1005 (1908). — 3) Cuisinier, Chem. Zentr. (1886), p. 614. — 4) Kröber, Ztsch. ges. Brauwes. (1895), p. 325. Lintner, Ebenda (1892). Issaew, Ebenda, 23, 796 (1900). Marino u. Fiorentino, Gaz. chim. ital., j6, II, 395 (190ö). — 5) Beij- ERiNCK, Zentr. Bakt. II, /, 329 (1895). — 6) R. Hderre, Compt. rend., 148, 1526 (1909). — 7) Huerre, Ebenda, p. 300 u. 505; Thfese Paris (1910). — 8) E. Schulze u. S. Frankfurt, Ber. Chem. Ges., 27, 62, 3525 (1894). § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 427 allgemein bekannte Erscheinung; doch findet man in den ältesten Ver- suchen die Bestandteile der Samen vor und nach der Keimung zu bestim- men, z.B. beiPROUST(l) (1817) die Stärkehydrolyse noch nicht hinreichend berücksichtigt, und erst Saussures Arbeiten (2) haben das Wechselverhält- nis von Stärke und Zucker richtig dargestellt. Davy(3) verglich die Verzuckerung der Stärke beim Keimen einem Gärungsprozeß, welcher sich nicht chemisch erklären ließe. Von Bedeutung war die Beobachtung KiRCHHOFFs (4) (1815), daß Stärke beim Stehen mit Weizenkleber bei 40*' verzuckert wird. Kirchhoff faßte infolgedessen die Zuckerent- stehung bei der Keimung als rein chemischen Prozeß auf. Saussure (5) sah anfänglich ebenfalls den Kleber für die Ursache der Zuckerbildung beim Keimen an. Übrigens soll schon 1785 Irvine(6) Vermehrung des Zuckers im Malz durch Hinzufügen von Mehl aus gekeimten Samen beobachtet haben. In das Jahr 1833 fällt die folgenreiche Entdeckung von Payen und Persoz(7), daß man das stärkeverzucKernde Agens aus dem Malzextrakte durch Lösen in Wasser und Alkoholfällung isolieren könne, und alsbald entdeckten die genannten Forscher ihre „Diastase" auch in keimenden Kartoffeln, Ailanthuszweigen und anderen Objekten. Sie erkannten auch im wesentlichen die Lokalisation der Diastase, ihre allmähliche Vermehrung bei der Keimung und die wichtigsten Abbau- produkte der Stärke bei Einwirkung des Enzyms, sowie endlich die Unbeständigkeit des Fermentes bei höheren Temperaturen. Quantitative Untersuchungen über den Fortgang der Stärkclösung im Verlaufe der Keimung hegen noch nicht zahlreich genug vor. Nach LiNDET (8) sind bis zur Erreichung des in der Malzbereitung erwünschten Keimungsstadiums bei Gerste etwa 20% der vorhandenen Stärke hydro- lysiert. G. Andre (9) fand bei Phaseolus multiflorus während der Keimung folgende Änderungen im Stärkegehalte: 26. Juni 1899 100 Samen 116,95 g Trockengewicht, 62,07 g Stärke 3. Juh 1899 100 Pflänzchen 98,50 g „ 53,84 g 52,40 g 34,49 g 20,18 g 16,40 g 14,6' ^ Die Keimung fand in Erde bei Lichtzutritt statt. Zweifellos ist Diastase bereits im ruhenden Samen in einer allerdings nicht zu großen Menge vorhanden und nach den zahlreichen Befunden von WortmanSt (10) muß man annehmen, daß nicht nur Stärkesamen, sondern auch Fettsamen schon im Ruhezustand diastatisches Enzym enthalten. Die amylolytischeWirkung ist jedoch bei Fettsamen geringer. Wortmann wies Dia- stase nach bei Phaseolus, Pisum, Lens, Hordeum, Seeale, Triticum, Avena, Zea, 5. , 1899 100 99,71 g 8. , 1899 100 84,34 g 11. , 1899 100 77,89 g 15. , 1899 100 105,66 g 19. , 1899 100 133,55 g 1) Proust, Ann. de Chim. et Phys (2), 5, 337 (!8l7). — 2) Saussure, Pogg. Ann., 32, 194 (1834). — 3) H. Davy, Elemente d. Agrik.chem. (1814), p. 243. - 4) C0NSTANTIN Kirchhoff, Schweigp. Journ., 14, 389 (1815). — 5) Saussure, Schweigg. Journ., 69, 188 (1833). — 6) Zit. bei Payen u. Persoz, Ann. de Chim. et Phye. (2), 53, 73 (1833). — 7) Payen u. Persoz. Ann. de Chim. et Phvs. (2), 53. 73 (1833); 56, 337 (1834); 60, 441 (1835); Schweigg. Journ., 68, 177, 22ü (1833), 6g, 36 (1833). A. Lat^ipadius, Journ. prakt. Chem., 2, 457 (1834) — 8) L. Lindet, Compt. rend , 137, 73 (1903). — 9) G. Andre, Ebenda. 130, 728 (1900). — 10) Wort- mann, Botan. Ztg. (1890), p. 581. 428 Elftes Kapitel: Die Resorption t. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. Linum, Cucurbita und Ricinus; Will und Krauch (1) bei Pinie, Kürbis, Gerste und Mais ; Baranetzky (2) in Pisum, Aesculus und Mirabilis ; end- lich Brasse (3) bei Papaver, Kruyff (4) in der Cocosmilch, ScURTi und Parozzani (5) bei Croton Tiglium. Die ruhenden Samen von Medicago sativa enthalten wohl Diastase und Emulsin, aber kein Invertin (6). Stingl und Morawski fanden sehr wirksame Diastase in Sojabohne (7). Mehrfach wurden diastatisch wirksame Glycerinauszüge aus Samen gewonnen (8). Eine Reihe weiterer Arbeiten befassen sich speziell mit der Diastase in ruhen- den Getreidekörnern (9), wo die Lokalisation näher erforscht worden ist. Für den ruhenden Maissamen gaben bereits Will und Krauch an, daß das Endosperm bedeutend weniger Diastase enthält als der Embryo. Nach Ford und Guthrie wirkt aus dem ersteren wieder die periphere Schichte mit den Aleuronzellen am intensivsten. Verschiedene Angaben lassen ferner vermuten, daß die im ruhenden Samen vorhandene Diastase von der Kei- mungsdiastase in manchen Punkten abweicht. So ist nach Lintner das Temperaturoptimum hier schon bei 45—50" gelegen, während Malzdiastase am besten bei 50—55" wirkt. Es wird sodann von der Samendiastase be- hauptet, daß sie wohl rasche Verflüssigung von Stärkekleister hervorrufe, die zuckerbildende Wirkung hingegen relativ gering sei. Schon im Beginne der Quellung vermehrt sich die Diastase sehr merk- lich. Effront sowie Glimm (10) fanden bei der Verfolgung des Vorganges der Diastasebildung während des Keimungsprozesses, daß die zuckerbildende Wirkung kontinuierüch lange Zeit zunimmt und erst am 11. bis 22. Tage bei keimender Gerste das Maximum erreicht. Darauf erfolgt allmähliche Abnahme. Dabei zeigt sich nach Effront deutlich, daß die zuckerbildende und verflüssigende Wirkung in ihrer Zunahme nicht ganz parallel gehen. Die letztere nimmt langsamer zu und verharrt noch auf ihrer Höhe, wenn die zuckerbildende Wirkung abzusinken beginnt. Nach Hayduck und Wrede (11) ist die diastatische Wirkung am größten, wenn die Blattkeime der Gerste etwa dreimal so lang sind wie die Frucht. K jeldahl (1 2) gab für den Fortgang der Verzuckerungswirkung bei der Malzdiastasebildung folgende Zahlen, welche sich auf die erzielte Kupferreduktion durch gleiche Trockengewichte beziehen: Direkt nach der Quellung 1 Tag alt 70 2 Tage alt 73 3 „ „ 80 4 „ „ 105 ( Keimung am lebhaftesten) 5 „ ,, 150 6 „ „ 190 7 „ „ 220 8 „ „ 226 1) Will u. Krauch, Landw. Versuchestat, 23, 77 (1879). — 2) BaeAnetzky, Stärke umbildende Fermente (1878). — 3) Brasse, Corapt. rend., 99, 878 (1884). — 4) E. DE Kruyff, Bull. D6p. Agr. Ind. N^erland., 4 (1908). — B) ScURXl u. Par- ROZZANi. Gaz. chim. ital., 37, I, 486 (1907). — 6) C. A. Jacobson, Journ. Amer. Chem. Soc, 34, 1730 (1912). — 7) Stingl u. Morawski, Monatah. Chem., 7, 176 (1886). — 8) GoRUP Besanez, Ber. Chem. Ges., 7, 1478, 1875, 1510 (1874). Van DER Harst, Biedermanns Zentr. (1878X _p- 582. — 9) Lintner u. Eckhardt, Journ. prakt. Chem., 41, 91 (1890). Lintner, Ztsch. ges. Brauwes., //, 497 (1889). Detmer, Pfianzenphysiol. Untersuch, über Fermentbildung (1883). Johannsen, Just Jahres- ber. (1886), /, 184. Ford u. Guthrie, Woch.schr. f. Brauerei, 25. 164 (1908). Eisenberg, Flora, gr, 347 (1907). Y. Tanaka, Journ. Coli. Eng. Tokyo, 4, 39 (1908). — 10) Effront, Compt. rend., 141, 626 (1905). E. Glimm, Ztsch. ge«. Brauwes., 31, 439 (1908). — 11) Hayduck u. Wrede, zit. bei Meyer, Stärkekömer (1895), p. 62. — 12) Kjeldahl, Compt. rend. Carlsberg (1879), p. 138. $ 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 429 Nach Verlauf einer Keimungswoche ist sowohl im Endosperm als im Embryo Diastase vorhanden, doch konstatierte schon Krauch, daß die Ver- zuckerungswirkung durch das Extrakt aus Maisembryonen bedeutend wirk- samer ist als das Extrakt aus den Endospermen. Ältere und neuere Angaben haben erwiesen, daß das Scutellum der Gramineensamen die größte Tätig- keit bei der Ausbildung des stärkeverzuckernden Enzyms entfaltet (1). Im Endosperm entsteht sowohl in den inneren Zellen als in den peri- pheren Lagen Diastase, doch findet die weitaus stärkere Zunahme, wie Haberlandt und Tschirch (2) nachgewiesen haben, in der Aleuronzell- schichte statt. In den Zahlen von Grüss tritt allerdings die Überlegen- heit der Aleuronschicht nicht deuthch hervor. Er gibt als Werte für die Reduktionswirkung bei Scutellum 0,177, bei Aleuronschicht 0,09, bei Endo- sperm 0,084 an. Nach Brown und Morris verhält sich die Reduktions- wirkung der oberen und unteren Hälften von Hordeum sowie 0,610:1,715. Für die einzelnen Teile des Gerstenkorns wurden folgende Zahlen erhalten: aus 50 halben Endospermen: die dem Embryo anliegende Schicht . . 9,7970 g CuO die andere Hälfte 3,5310 g „ 50 Würzelchen 0,0681 g „ 50 Plumulae 0,0456 g „ 50 Schildchen 0,5469 g „ 50 ganze Früchte 13,9886 g „ 50 ungekeimte Früchte 2,4860 g „ Linz, welcher unter Meyers Leitung mit Hilfe eines modifizierten Kjeldahl- Verfahrens die Diastasebestimmung vornahm, fand bei Maissamen nach zweitägiger Quellung folgende Reduktionswerte: Frischsubstanz: 1 g Embryo ohne Schildchen .... 5,9 Diastasewert 1 g Schildchen , 48,6 1 g Endosperm 5,8 „ 1 g ganze Embryonen 41,2 „ 9 Tage über Schwefelsäure getrocknete Substanz: 1 g Embryonen ohne Schildchen . . 24 „ 1 g Schildchen 128 1 g Endosperm 9,6 „ 1 g ganze Embryonen 115,6 ,, Bei 105" getrocknete Substanz: 1 g Embryonen ohne Schildchen . . 26 „ 1 g Schildchen 134 1 g Endosperm 10,1 „ Die Schildchen enthalten demnach weitaus die relativ größte Diastase- menge. Es ist allerdings bei solchen Vergleichen der diastatischen Kraft ver- schiedener Teile des Samens zu bedenken, daß durch die Reduktionsmethoden nur die Zuckerbildung zum Vergleiche herangezogen wird und die stärke- verflüssigende oder dextrinbildende Wirkung, die möghcherweise der Endo- spermdiastase und der Embryodiastase in verschiedenem Maße eigen ist, 1) Tangl, Sitz.ber. Wien. Ak., 92 (1885). Brown u. Morris, Journ. Chem. See., 57, 508 (1890). GRÜSS, Ber .Botan. Ges., ;/, 288 (1893); Landw. Jahrb. (1896). Linz, Jahrb. wies. Botan., 29, 267 (1896). — 2) Haberlandt, Ber. Botan. Ges., 8, 40 (1890). Tschirch, Angewandt. Pflanzenanat., p. 81, Fig.-Erkiär. Stoward, Ann. of Bot, 25, 799 u. 1147 (1911). 430 Elftes Kapitel : Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. gänzlich unbeachtet bleibt. Mit diesem Vorbehalte seien noch die anderen Zahlen von Linz angeführt, welche sich auf den weiteren Fortgang der Dia- stasebildung beziehen. Je 1 g von Material, 10 Tage bei gewöhnlicher Temperatur über Schwefelsäure getrocknet, enthielt an Diastase: Embryo Schild- ohne ch«n Schild- ohne eben Epithel Schild- TT -^u^i Endo- chen Epithel ^^^^ Ganzer Embryo 2 Tage Quellung: 24 5 Tage Keimung: Wurzeln durchschnitthch 128 . 9,6 115,6 7 cm lang, Blätter 4 cm Vers. I Vers. II 384 2080 1960 460 1175,3 10 Tage Keimung: Wurzeln 14 cm, Blätter 7,5 cm lang 147 Blatt 264 Wurzel 304 ,^„ J Blatt 480 lÖ^Ö \Wm«zel 112 Doo / Blatt 176 IWurzel 32 Danach findet entschieden die stärkste Diastasezunahme im Schildchen und zwar besonders im Epithel desselben statt. Reed(1) hat die histo- logischen Veränderungen im Zelhnhalte des Scutellarepithels während der Enzymproduktion näher verfolgt. Bei keimenden Pisumsamen beobachtet man die Lösung der Stärke zuerst in den peripheren Anteilen der Cotyledonen, was nachweislich auf einem größeren Gehalt von Diastase in diesen Gewebspartien beruht (2). GrüSS(3) hat ferner die Verteilung der Diastase in den Cotyledonen und Keimpflanzen von Phaseolus untersucht. Von Bedeutung für die Beurteilung des ganzen Ganges der Enzym- bildung ist es, daß es sowohl geUngt, isoüerte Embryonen auf Stärkebrei zu ernähren, als auch isolierte Endosperme zur Entleerung ihres Stärke- vorrates zu bringen, wenn man sie nach dem Vorgange von Pfeffer und Hansteen 4) auf Gipssäulchen befestigt, im Kontakt mit genügend großen Wassermengen hält, so daß der gebildete Zucker kontinuierhch abströmen kann. Manche Maissorten entleeren ihre Reservestoffe aus dem isoherten Endosperm ebenso vollständig als wenn sie mit dem Embryo in Verbindung wären. Bei anderen wird die Stärke nur teilweise gelöst. In der Literatur haben solche Erfahrungen zu ausgedehnten Diskussionen Anlaß gegeben, ob man das Endosperm als totes oder lebendes Gewebe betrachten solle. Auch Diana Bruschi (5), welche sich mit diesen Fragen eingehend befaßte, macht einen physiologischen Unterschied zwischen jenen Endospermen, 1) H. S. Reed, Ann. of Botan., i8, 267 (1904). E. Sargant u. A. Robert- son, Ebenda, ig, 115 (1905). — 2) W. R. Jones, The Plant World, 15, 17Ö (1912). — 3) J. Grüss, Jahrb. wiss. Botan., 26, 424 (1896). van der Harst, Bieder- maüHß Zentr. (1878), p. 582. — 4) Pfeffer, Ber. Kgl. sächs. Ges. (1893), p. 422. Hansteen, Flora, Erg.-Bd. (1894), p. 419. Puriewitsch, Jahrb. wiss. Botan., 31, 1 (1897); Ber. Botan. Ges., 14, 207 (1896). Die von Grüss und Linz erhobenen Einwände wind von dem letzteren Autor näher diskutiert und widerlegt worden. — 5) D. Bruschi, Rend. Acc. Line. Roma, 15, II, 384 u. 563 (1906); 16, I, 785 (1907); Annali di Botan., 5. 569 (1906); Ann. of Botan., 22, 449 (1908). § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 431 welche sich so verhalten wie Mais, und jenen Fällen, in welchen, wie bei Ricinus, das Endosperm seine Reservestoffe nicht in das umgebende Wasser entleert, sondern selbständig weiterwächst. Fraglos ist das Endosperm- gewebe in beiden Fällen als lebendes Organ anzusehen und nur die Anpassung an eine bestimmte Lebensweise kann zu den erwähnten Differenzen im Ver- halten Anlaß geben. Bei der Ernährung isoherter Embryonen durch Stärke- brei, Versuche, welche seit van Tieghem und Blociszewski (1) durch Brown und Morris, Grüss, Linz, Lefevre, Lubimenko und andere Forscher häufig angestellt worden sind (2), tritt wohl die Enzymsekretion durch das Schildchenepithel als hauptsächUch wirksamer Faktor in Erscheinung. Bei allen Samen gelingt jedoch dieser Versuch nicht. Stingl (3) suchte ferner den Einfluß fremder Endosperme auf die Ernährung von Grasem- bryonen sicherzustellen und es ergab sich, daß tatsächUch auch mit artfremden Endospermen die Ernährung der Embryonen gehngt, wenn auch nicht in allen Fällen so gut, wie mit dem arteigenen Nährgewebe. Das Zymogen der Samenamylase ist noch sehr wenig untersucht. Die Beobachtung von Reychler(4), daß beim Behandeln von Weizen- kleber mit verdünnter Säure wirksame Diastase entsteht, was Reychler irrigerweise als künsthche Diastasebildung bezeichnete, ist mehrfach bestätigt worden und solche Beobachtungen sind eigenthch bis auf Kirchhofes Arbeiten zurückzuleiten. Jegoäow und Lintner (5) vermuten, daß dem Kleber Proamylase anhaften dürfte. Daß zur Diastasebildung bei der Keimung Sauerstoffzutritt nötig ist, wird durch manche Beobachtungen gezeigt (6), doch bedarf dies einer wiederholten Untersuchung, da doch bei der anaeroben Atmung von Stärkesamen das Zuckermaterial der Alkohol- gärung der Stärke entstammen muß und es nicht sicher ist, ob nur die bereits im ruhenden Samen vorhanden gewesene Diastase für die Ver- zuckerung verantworthch zu machen ist. Übrigens wirken nach Eisen- berg Wachstumshemmung resp. Beschleunigung, Temperatur usw. allge- mein als Diastasebildung hemmende bzw. beschleunigende Faktoren. Eine große physiologische Bedeutung hat die Frage nach dem Dif- fusionsvermögen der Diastase. Nach Effront (7) hat es nicht den Anschein als ob Wanderungsvorgänge bei der Ausbreitung der Enzymwirkung wesent- üch in Betracht kämen. Doch scheint nach verschiedenen Angaben Diastase nicht unbeträchthch zu diffundieren. Brown und Morris zeigten die Dif- fusion in Gelatine ; Krabbe (8) wies nach, daß im Gegensatze zu früheren Angaben Hirschfelds, deuthche Diffusion auch durch Pergamentpapier sowie durch Porzellanröhrchen stattfindet. Ferner gehngt es bei höherem Druck das Enzym dm-ch Tonzellen oder Tannenholzzyhnder hindurch- zupressen (9j. Doch stößt das Eindringen des Fermentes in feste Stärke- körner anscheinend oft auf große Schwierigkeiten, worauf die früher häufig vertretene Ansicht, daß unverkleisterte Stärkekörner überhaupt nicht an- gegriffen werden können, zurückzuführen ist. Allerdings kann es bei Kartoffel- 1) VAN Tieghem, Ann. Sei. Nat. (6), 4, 183 (1876). Th. Blociszewski, Landw. Jahrb. (1876), p. 145. — 2) Frühere Zitate und J. Lefevre, Compt. rend., 147, 93.Ö; 148, 1533 (1909). Lubimenko, Ebenda (8. Okt 1906). Zaleski u. Tu- TORSKi, ßiocheiu. Ztsch., 43, 7 (1912). — 3) G. Stingl, Flora, 97, 308 (1907). — 4) A. Reychler, Ber. Chcm. Ges., 22, 414 (1889); Bull. See. Chim. (3), /, 286 (1889). — 5) Jegorow, Koch Jahresber. (1893). p. 279. Lintner u. Eckhardt, Journ. prakt. Chera. (1890), p. ül. — 6) Baranetzky, Stärke umbildende Fermente (1878), p. 19. Detmer, Botan. Ztg. (1883), p. 601; Just Jahresber. (1886), /. 74. Eisen- berg, Flora, 97, 347 (1907). — 7) J. Effront, Bull. A.ssoc. Chim. Sucr., 23, 508 (1905). — 8) Krabbe, Jahrb. wiss. Botan., 21, IV (18'J0). Hirschfeld, Pflüg. Arch., 39, 513 (1886). — 9) Krabbe, 1. c, ÜRÜss, Ebenda, 26, 384 (1896). 432 Elftes Kapitel : Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. stärke monatelang dauern, ehe deutliche Lösungserscheinungen wahrnehmbar sind. Doch gelingt es nach A. Meyer immer und bei jeder Temperatur durch Malzdiastase Stärkekörner zu verändern. Gewiß kann Dichtigkeit der Struktur, insbesondere in den äußeren Schichten, und die durch mangel- hafte Abfuhr der Lösungsprodukte bedingte Hemmung der Abfuhr der Hydratationsprodukte verzögernd eingreifen. Andererseits weiß man aber nicht, ob die Malzdiastase das geeignetste Enzym ist und ob nicht stärker verflüssigend wirkende Diastasepräparate viel schneller einwirken. Stone (1) hat gezeigt, daß verschiedene Stärkesorten sehr ungleich durch ein be- stimmtes Diastasepräparat attackiert werden und auch für die Pankreas- amylase des Tierkörpers ist es bekannt, daß Hafer- und Reisstärke leichter angegriffen werden als andere Amylumkörner (2). Die bekannten Minier- gänge und andere Korrosionserscheinungen, die bei diastatischer Stärke- lösung zu beobachten sind, müssen wohl durch strukturelle Momente, wie capillare Risse, bedingt sein. Der Versuch von Grüss (3) aus der Verteilung der Oxydasereaktion mit Guajac-HgOg auf ein Nichteindringen der Diastase in Amylumkörner zu schheßen, berücksichtigt nicht, daß die Oxydase und Diastase nicht in gleichem Maße diffundieren müssen. Der erwähnte Forscher schreibt allerdings die Guajac- Reaktion der Diastase direkt zu. Die Diffusionsverhältnisse führen uns zur Betrachtung der Adsorptionen bei Diastase. Dieselben sind manchmal sehr beträchtlich und können bei Gegenwart von Organpulvern, wie Starkenstein (4) gezeigt hat, empfind- lich in die Wagschale fallen. Daß Stärke als Adsorbens wirkt, hat Bang (5) gezeigt, doch fehlen auf botanischem Gebiete Untersuchungen über diese fundamentale Frage noch ganz. Kohle, weniger Kaolin adsorbieren deut- lich. Die durch Kohle adsorbierte Diastase wird schon nach kurzer Zeit weniger wirksam und verliert schließhch ihre Aktivität irreversibel und völhg. Die Kataphorese zeigt Diastase als ein amphoteres Kolloid (6), welches je nach der Reaktion der Lösung anodisch oder kathodisch wandert. BiERRY (7) hatte allerdings behauptet, daß Diastase im Gegensatze zu anderen Enzymen sich elektropositiv verhalte. Diastaselösungen verheren relativ rasch offenbar infolge (mikrobischer ?) Zersetzung ihre Wirksamkeit. Doch hat man andererseits in 50 Jahre alten Getreidekörnern die Diastase noch aktiv gefunden (8). Nach Maquenne soll die Wirksamkeit eines schnell auf kaltem Wege hergestellten Malzextraktes beim Stehen zunehmen, wobei möghcherweise Proteolyse, Wegfall von Hemmungen oder Entstehen von aktivierenden Stoffen im Spiele ist (9). Darstellung und chemische Eigenschaften der Amylase. Seit den Arbeiten von Payen und Persoz waren die Fortschritte auf diesem Gebiete bis in die neuere Zeit nur sehr gering. Mulder (10) wollte allen Eiweißstoffen eine diastatische Wirkung zuschreiben, und noch Gorup Besanez(II) schrieb die proteolytische und amylolytische Wirkung dem- selben Enzym zu. Dieser Forscher bediente sich zur Darstellung der 1) W. E. Stone, U. 8. Dept. of Agric. (1896), Bull. No. 34. — 2) S. Lang, Ztsch. exp. Pathol., 8, 279 (1910). Nagao, Ebenda, 9, 227 (1911). — 3) Grüss, Fünfstücka Beitr. wiss. Botan., /, 295 (1895). — 4) Starkenstein, Biochem Ztsch., 24, 191 (1910). — 5) Iv. Bang, Ebenda, 32, 417 (1911). — 6) L. Michaelis, Ebenda, 17, 231 (1909). — 7) BiERRY, Henry u. Schaeffer, Soc. Biol., 63, 226 (1907). — 8) Brocq-Rousseu u. Gain, Compt. rend., 148, 359 (1909). — 9) Maquenne u. Roux, Ebenda, 142, 1387 (1906). — 10) Mulder, Chem. d. Bieres (1858). Histori- sches bei Fuhrer, Die Diastase (1870). Dubrunfaut, Ztsch. ges. Brauwes. (1880), p. 90. — 11) Gorup Besanez, Ber. Chem. Ges. (1874), p. 1478; (1875) p. 1510. Methode von Wittich, Pflüg. Arch., 2, 193; 3, 339. § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 433 WiTTiCHschen Glycerinextraktionsmethode. Baranetzky wieder begnügte sich bei seinen Untersuchungen mit der rohen Alkoholfällung. Nach zahl- reichen späteren Versuchen zu reineren und wirksamen Fermentpräparaten zu kommen (1), hat erst 1886 Lintner(2) ein gutes, seither viel benutzte^ Rezept zur Bereitung einer Rohdiastase aus Malz gegeben. Hierzu wird 1 Teil Gerstengrünmalz oder abgesiebtes Luftmalz 24 Stunden oder länger mit 2—4 Teilen 20%igem Alkohol (um Milchsäuregärung zu verhindern) digeriert, das Extrakt abgesaugt, und mit 2, höchstens 2^2 Volumina ab- soluten Alkohols gefällt. Der Niederschlag wird abgesaugt, unter absolutem Alkohol zerrieben, abfiltriert, unter Äther zerrieben, abgesaugt und endUch über Schwefelsäure im Vakuum getrocknet. 1 g LiNTNER-Diastase wirkt so stark wie 50 g Malz. Eine Bleiessigbehandlung, wie sie LoEW empfahl, bewirkt schwächere Leistung der Präparate. Durch Dialyse konnte Lintner den Aschengehalt auf 5% herabdrücken. Das LiNTNERsche Präparat ent- hält noch Invertin und gibt die Gnajac-HgOa-Probe. Es gelingen sämt- hche Eiweißreaktionen damit. Die Elementaranalyse ergab 44,33% C, 6,98% H, 8,92%, N, 1,07% S und 32,91% O. Lintner hat auch die Irr- tümhchkeit der von Cohnheim und Hirschfeld geäußerten Ansicht, daß die Diastase ein gummiartiger Stoff sei, bewiesen (2). Von den neueren Untersuchern der Diastase halten die meisten das Enzym für einen Eiweiß- stoff: Jegorow für ein Nuclein (3), Osborne (4), der die Malzdiastase durch Aussalzen mit Ammonsulfat reinigte, findet, daß Ähnhchkeiten mit albumin- artigen Eiweißstoffen aus Getreide (Leucosin) bestehen und meint, daß es sich möghcherweise um ein Gemenge von Albumin und Proteose handelt. Auch die Diastase von Wroblewski (5) hatte proteosenähnhche Eigenschaften und einen N- Gehalt von 16,53%. Der letztgenannte Forscher suchte eine Trennung der Diastase von den begleitenden Kohlenhydraten (Araban) zu erreichen, was früher nicht geschehen war. Nach Osborne und Ca^iIpbell nimmt die Wirkung der Präparate mit fortgesetzter Reinigung stark ab. Die letzten Arbeiten über Malzdiastase von Fränkel und Hamburg (6) sowie von Pribram (7) suchten die begleitenden kohlenhydratartigen Stoffe durch Vergären mit Hefe zu entfernen und bedienten sich ausgiebig der' Hilfsmittel der Dialyse und Filtration. Pribrams Präparat enthielt schHeß- lich noch einen polypeptidartigen Stoff und einen reduzierenden kohlen- hydratartigen Körper. Weniger rein scheint das Präparat von Pankreas- diastase gewesen zu sein, welches Sherman und Schlesinger gewannen, da es von Maltase und Protease nicht frei war (8). Die meisten Diastase- präparate geben deutüch die Peroxydasenreaktion mit Guajacwasserstoff- peroxyd. Man kann aber, ohne die amylolytische Wirkung aufzuheben, diese anhaftende Peroxydase zerstören, indem man bis zu einer bestimmten Temperatur erwärmt oder mit verdünnter H2SO4 behandelt, wie Jacobson 1) ZuLKOWSKi u. KÖNIG, Wien. Ak., 71, II, 453 (1875). Krauch, Landw. Versuchsstat., 23, 83 (1879). Duquesnel, Bull, de Th^rap., 87, 20. Musculus, Bull. Soc. Chim., 22, 26 (1874). O. LoEW, Pflüg. Arch., 27, 203 (1882). Wilson, Chem. Zentr. (1891), /, 33. — 2) Lintner, Pflüg. Arch., 40, 311. Cohnheim, Virchows Arch., 28, 241 (1863). Hirschfeld, Pflüg. Arch., 39, 513 (1886). — 3) Jegoroff, Chem. Zentr. (1894), //, 868; Ber. Chem. Ges., 26, 386 (1894). — 4) Th. ß. Osborne, Journ. Amer. Chem. Soc, 17, Nr. 8 (1895); Chem. Zentr. (1895), //, 571. Osborne u. Campbell, Journ. Amer. Chem. Soc, 18, 536 (1896); Ber. Chem. Ges., j/, 254 (1898). — 5) Wroblewski, Ztsch. physiol. Cham., 24, 173 (1898); Ber. Chem. Ges., jo, 2289 (1897); j/, 1127 (1898). — 6) S. Fränkel u. Hamburg. Hofmeisters Beitr., 8, 389 (1906). — 7) E. Pribram, Biochem. Ztsch., 44, 293 (1912). — 8) Sherman u. Schlesinger, Journ, Amer. Chem. Soc, jj, 1195 (1911); 34, 1104 (1912). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3, Aufl. *^0 434 Elftes Kapitel: Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten h. keimenden Samen. sowie Nasse und Framm gezeigt haben (1). Grüss (2) hält allerdings noch an der Annahme fest, daß die Guajacreaktioü eine manchen Diastasen eigentümliche Reaktion sei. Nach Panzer (3) bindet gereinigte Malzdiastase viel HCl-Gas und läßt sich im Vakuum davon wieder trennen. Die HCl- Verbindung, deren Natur unbekannt ist, ist unwirksam; nach Trennung des HCl soll das Ferment wieder wirksam werden. Messung der amylolytischen Wirksamkeit. Hierbei ist in den meisten Fällen ausschheßhch die verzuckernde Kraft der Diastase- präparate berücksichtigt. Kjeldahl (4) fand zuörst, daß verschiedene Mengen desselben Malzextraktes bei gleicher Temperatur und gleichlanger Einwirkung auf feine bestimmte Stärkelösung proportional der angewendeten Menge Malzextrakt Zucker bilden, vorausgesetzt, daß das Reduktionsvermögen von 100 g nicht größer ist als das Reduktionsvermögen von 30% Glucose oder 45% Maltose. Statt des von Kjeldahl verwendeten Stärkekleisters wendet man besser Lintnerstärke an. Brown und Morris Ueßen das Enzym bei 30" auf 2% Lintnerstärke durch 48 Stunden imter Chloroformzusatz einwirken. Meyer und Linz arbeiteten bei 60° Thermostatentemperatur. Die Stärkelösung wurde bereitet, indem 2 g Lintnerstärke mit 10 ccm Wasser 5 Minuten lang angerührt wurden und dann 90 ccm kochendes Wasser hinzukam, mit welchem die Probe 2 Minuten lang in vollem Kochen er- halten wurde. Je 50 oder 100 ccm wurden zu einer Probe genommen. Nach Linz erhscht die Proportionaütät schon bei einer Reduktionskraft gleich 10% Glucose. Nach 24stündigem Stehen unter Toluolzusatz wurde das Enzym durch Aufkochen zerstört und die Zuckerbestimmung vorgenommen. Bei Linz findet man eine ausführhche Tabelle zur Feststellung der relativen Diastasemengen. Das von Lintner angegebene Verfahren ist weniger zu empfehlen. Sykes und Mitchell haben die Verfahren von Kjeldahl und Lintner kombiniert (5). Oberhalb 65" gilt nach Wirth das Propor- tionaütätsgesetz nicht mehr (6). Man hat endhch sorgfältig die Gegenwart aktivierender Stoffe bei solchen Versuchen zu beachten (7). Die Viscositätsabnahme von Stärkelösungen ist bisher sehr wenig zur Kontrolle der amylolytischen Wirksamkeit von Diastasepräparaten benützt worden. Methodische Angaben findet man in den Arbeiten von Fernbach und Wolff sowie von Chrzaszcz (8). Das Enzym macht man vorteilhaft durch Zufügen von AlkaU unwirksam, wobei die Menge des- selben nur so groß sein darf, daß die Maltose nicht verändert wird. Die Viscosität nimmt sehr schnell bis zum Endwert ab, wobei man sehen kann, daß sie in den allerersten Stadien schneller absinkt als der Zuckergehalt zunimmt. Chrzaszcz empfiehlt bei höheren Temperaturen (60—65") zu 1) JacobhOU, Ztsch. physiol. Chem., i6, 340 (1892). 0. Nasse u. FrAMM, Pflüg. Arch., 63, 203 (1896). - 2) J. Grüss, Biologie u. Kapillaranalyse der En- zyme (Berlin 1912). — 3) Th. Panzer, Ztsch. physiol. Chem., 82, 276 (1912). Jod- einwirkung: Buraczewski m, Kraüze, Anzeig. Akad. Krakau (1911), A, 369. — 4) Kjeldahl, ßesumö Compt. rend. trav. Labor. Carlsberg (1879). Ford, Joum. Chem. Soc, 85, 980 (1904), Baker u. Hülton, Joum. Soc. Chem. Ind., 27, 368 (1908). — 5) Sykes u. Mitchell, Chem. Zentr. (1896), //, 108. H. Seyffert, Ebenda (1898), //, 73 u. 1225. A. Ling, Ebenda (1896). //, 642. — 6) Chr. Wirth, Ztsch. ges. Brauwes., j/, 421 (1908). — 7) Effront, Koch Jahresber. (1893), p. 281. Mohr, Woch.schr. f. Brauerei, 19, 313 (1902). Zur Kjeldahlmethode ferner: Egloff- STEIN, Chem. Zentr. (1903), //, 153. H. T. Brown, Ztsch. Spiritusindustr., jo, 3.55 (1907): Sherman, Kendall u. Clark, Joum. Amer. Chem. Soc, 32, ia73,(1910). — 8) A. Fernbach u. J. Wolff, Compt. rend., 145, 261 (1907). T. Chrzaszcz u. PlEROZEK, Ztsch. Spiritusiudustr., jj, 66 (1910). Lintner u. Sollied, Ztsch. ges. Brauwes., 26, 329 (1903). § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 435 arbeiten. Der Endwert der Viscositätsabnahme und der Verzuckerung wird in sehr verschiedenen Zeiten erhalten. In neuerer Zeit hat man schließ- lich auch mit Erfolg die Jodstärkereaktion zur Messung der amylolytischen Wirkung verwendet. Dabei ist wohl zu beachten, daß das Verschwinden der Jodreaktion durchaus nicht streng der Zuckerbildung parallel geht. WOHLGEMUTH hat ein expeditives Verfahren ausgearbeitet, welches gegen- wärtig in physiologischen Laboratorien viel gebraucht wird(1). Man be- schickt eine Anzahl von Reagensröhrchen mit einer bestimmten Menge l%iger Stärkelösung und verschiedenen Mengen der enzymhaltigen Lösung, und stellt die Proben in Eiswasser. Sodann werden die Proben gleichzeitig auf 40° erwärmt, bleiben 30—60 Minuten bei dieser Temperatur stehen, worauf man die Reaktion durch Einstellen in Eiswasser unterbricht. Nun prüft man mit je 1 Tropfen 0,1 norm. Jodjodkalium auf Stärke und niiümt jene Probe als Grenzwert, in der die blaue Farbe eben verschwunden ist. Dabei ist auf Anwesenheit von Adsorbentien und aktivierenden Stoffen die Aufmerksamkeit zu lenken. Unter Benützung solcher Methoden kann man bei Beobachtung an- gemessener Vorsicht in der Beurteilung die diastatische Wirksamkeit ver- schiedener Samen vergleichen. Nach Windisch ist besonders Roggen sehr diastasereich, weniger Weizen und Fagopyrum, noch weniger Gerste, Hafer, Mais und Reis, am wenigsten Ferment enthält die Kartoffelknolle (2). Temperatureinfluß. Wie bei den meisten Fermenten, ist auch bei der Diastase schon bei niederen Temperaturen eine schwache Wirkung vorhanden. Nach Kkabbe (3) wirkt Diastase noch deuthch bei — 3° auf Kleister. Abkühlung auf — 15° schädigte das ßnzym nicht. Mit steigender Temperatur nimmt die amylolytische Wirkung bis zu einem Optimum zu und sinkt dann rasch bis zur Vernichtungstemperatiu". Die Autoren stimmen überein in der Angabe, daß dieses Maximum zwischen 60—70° hegt (4). Nach Kjeldahl nimmt die' zuckerbildende Wirkung trotz der zunehmenden Zerstörung des Enzyms stetig bis 63° zu. 8 ccm vorher nicht erhitzten Malzextraktes wirkten 15 Minuten lang auf reinen Kleister aus 10 g Stärke und 200 g Wasser bei verschiedener Temperatur mit folgendem Ergeb- nisse ein: Temp. Temp. 19° 17,3 mg Cu 67° 34 mg Cu 350 30,5 mg Cu 69° 29 mg Cu 54° 41,3 mg Cu 71° 18 mg Cu 63° 42,0 mg Cu 77° 8 mg Cu 64° 40,0 mg Cu 86° 0 mg Cu Davis und Ling fanden das Maximum erst bei 68—70°. Doch hat man zu berücksichtigen, daß zahlreiche Faktoren die Hitzeresistenz der Diastase stark beeinflussen. So wirkt Maltose als kräftiger Schutz (5) und nach Fernbach ist der Neutrahtätsgrad von Bedeutung, indem bei Phenol- 1) J. WoHLGEMUTH, Biochem. Ztsch., p, 1 (1908). Schirokauer u. Wilenko, Ebenda, 33, 275 (1911). Levatt, Journ. of PhyBiol., 44, 220 (1912). Frühere Lit.: A. Kleemann, Landw. Versuchsstat., 63, 93 (1905). Dunbtan u. Dimmock, Die- terich, Helfenberger Ann. (1888), p. 17. Davoll, Chem. Zentr. (1898V //, 135. Wohi.gemuth, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., 6, 231 (1912). — 2) K. Windisch u. Jetter, Ztsch. Spiritusindustr., 30, 541 (1907). Differenzen bei Gerstensorten : Ellrodt, Woch.echr. f. Brauerei, 23, 423 (1906). — 3) Krabbe, Jahrb. wiss. Botan.. 21, IV, 61 (1890). — 4) Kjeldahl, 1. c. Davis u. Ling, Journ. Chem. Soc, 85, 16 (1904). Klempln, Zentr. Physiol. (1908), p. 326. — 5) H. VAN Laer, BuU. Soc. Chim. Beige, 26, 18 (1912). 28* 436 Elftes Kapitel: Die Resorption t. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. phthaleinneutralität die Hitzeresistenz bedeutender ist als bei Methyl- orangeneutralität (1). Erwärmen auf 55" aktiviert Malzextrakt wohl in- folge solcher Nebenwirkungen merklich (2). Daß die Diastase auch bei inframaximalen Temperaturen einem langsamen Zerfallsprozeß durch Ein- flüsse des Reaktionsmediums unterworfen ist, wurde mehrfach sicher- gestellt (3) und man kann ungezwungen das Zustandekommen des Tem- peraturoptimums durch Superposition der Kurve des Enzymzerfalls und der Temperaturreaktionsbeschleunigung deuten. Kjeldahl hat ferner den schädigenden Einfluß einer Vorwärmung für Malzdiastase festgestellt, wie aus den nachstehenden Zahlen hervorgeht: Malzdiastase vorher erwärmt auf 73° durch 6 Min. gab (R)d = 11,6 73» „ 15 4Mirde eine Stimulation durch minimale Dosen ge- funden. HgCla wirkt bereits im Verhältnis von 1:200,000. Borsäure ist wie sonst häufig indifferent (9). Formaldehyd soll gleichfalls in sehr geringen Mengen die diastatische Wirksamkeit von Malz erhöhen, ist aber schon in niedrigen Gaben ein Enzym- gift (9). Behandlung mit HgS und folgende Alkoholeinwirkung schädigt vielleicht infolge von Mercaptanbildung (10). Chloroform, Benzol, Toluol, Alkohol sind weitgehend indifferent. Asparagin und andere Aminosäuren sowie Eiweißstoffe fand Effront von günstigem Einflüsse auf die Amylolyse, doch ist die Wirkung der Aminosäuren nach Ford nur als Balancierung vorhandener schädhcher Einflüsse anzusehen (11). Zusatz von Phenol setzt nach Kjeldahl zu 0,4% bei 60» die Wirkung um 30% herab und 5% Garbol- säure sistiert die Diastasewirkung völhg. Die Wirkung der Salze organischer 1) Maquenne u. Roux, Compt.rend., 142, 124 u. 1059 (1906). — 2) Fernbach, Ebenda, p. 285; isu 894 (1910). — 3) Detmer, 1. c. (1883); Ztsch. physiol. Chera., 7. Baswitz, Ber. Chem. Ges., //, 1443 (1878). Detmer, Botan. Ztg. (1881), p. 609; Landw. Jahrb., /o, 731 (1881). Müller-Thurgau, Ebenda, 14, 795 (1885). Schier- beck, Zentr. Physiol., 8, 210 (1894). Mohr, Ber. Chem. Ges., 35, 1024 (1902); Zentr. Bakt. II, 8, 601 (1902). Petit, Compt. rend., 138,, 1231 u. 1716 (1904). — 4) E. Heüsch, Arch. Farm, sper., 13, 307 (1912). Sonst über Säurewirkung: van Laer, Chem. Abstr. (1912), p. 3156. Schlicht, Zentr. Bakt. II, jj, 494 (1911). Zimmermann, Journ. Ind. and Eng. Chem. (1911), p. 823. — 5) Duggan, Jahresber. Agrik.chem. (1886), p. 275. Lintner, Ztsch. ges. Brauwes. (1891), p. 281. Quinan, Journ. of Biol. Chem., 6, 53 (1909). — 6) Effront, Bull. Soc. Chim. (3), 4, 627 (1890); 5. 149 (1891). Die Diastasen, übersetzt von Bücheler (1900). — 7) Bou- chardat, Compt. rend., 20, 107 (1845); Ann. de Chim. et Phys. (3), 14, 61 (1845). 8) Kjeldahl, 1. c. O. Loew, Journ. prakt. Chem., 37, 101 (1888). Mrotsch- KOVSKY, Koch Jahresber. (1891). p. 249. Lintner, Journ. prakt. Chem., jö, 481 (1887). Chittenden, Maly Jahresber., 15, 256 (1885). H. Mac Guigan, Amer. Journ. of Physiol., /o, 444 (1904). Gigon u. Rosenberg, Skand. Arch. Physiol., 20, 423 (1908). Gerber, Soc. Biol, 70, 139, 391, 547, 724, 726, 728 (1911); Compt. rend., 154, 1543 (1912). Ando, Chem. Abstr. (1912), p. 3097. — 9) O. LoEW, 1. c. S0ML6 u. La8zi.6ffy. Österr. Chem. Ztg., 7, 126 (1904). - 10) H. Seyffert, Chem. Zentr. (1898), //, 74. — 11) Ford u. Guthrie, Journ. Chem. Soc, 89, 76 (1906). § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 439 Säuren findet man in den Arbeiten von Gerber mehrfach behandelt; be- kannt ist sodann die hemmende Wirkung von Tannin, welches wohl als Fällungsmittel anzusehen ist(1). Strychnin ist nach Kjeldahl indifferent, das Atropin fand Detmer schädUch (2). Viel diskutiert wurde in den letzten Jahren die Frage, ob Lipoide bei Diastase als Aktivatoren fungieren können, doch scheinen solche Wirkungen nicht vorhanden zu sein (3). Tierische Dia- stase wird durch Gallenstoffe gefördert (4). Für die Kinetik der Diastasewirkung sehr bedeutungsvoll ist die spezifisch hemmende Wirkung einer Reihe von Zuckerarten und Kohlen- hydraten, die zu der Fermentaktion in Beziehung stehen. Wohl und Glimm (5) haben gefunden, daß Maltose die Amylolyse sehr stark beein- flußt. Schon bei einem Maltosegehalt von 15% ist die Hemmung des Fort- ganges so stark, daß die Wirkung auf Stärke unmerkhch wird. 10% Glucose wirkt gleichfalls stark; Dextrin hemmt auch, aber weniger als die genannten beiden Zucker. Saccharose und Fructose sind jedoch gänzlich wirkungslos. Auch ist Maltose imstande, die Adsorption durch Kohle teilweise zu ver- hindern, so daß nach jeder Richtung hin die Ansicht wahrscheinhch wird, daß die Maltose eine Adsorptionsverbindung mit dem Enzym ein- geht, welche es verhindert, daß die Stärke weiter angegriffen wird. Nach VAN Laer kann man in der Tat unter der Voraussetzung, daß ein Teil des Enzyms Adsorptionsverbindungen mit Reaktionsprodukten eingeht, die fermentative Amylolyse als Reaktion erster Ordnung auffassen (6), während Philoche (7) die unimolekulare Konstante nur im zweiten Teil der Reaktion annähernd unverändert fand, wogegen sie im ersten Teile der Reaktion stark herabsinkt. Klempin(8) fand bei der Hydrolyse der Haferstärke die ScHÜTZsche Regel befolgt. Daß bei nicht zu großen Enzymmengen, kurzer Wirkungsdauer und reichlicher Stärkedarbietung zwischen Enzymwirkung und Enzymmenge eine hneare Beziehung gemäß dem oben erwähnten Gesetze von Kjeldahl obwaltet, ist von verschiedenen Seiten bestätigt worden (9). Die Frage, ob wir in der Malzdiastase ein einheithches Enzym vor uns haben, oder ein Enzymgemisch, dessen Komponenten ungleich stark auf Stärke und die löshchen Dextrine einwirken, läßt sich derzeit noch nicht abschließend beantworten. Viel Beachtung haben Versuche von WiJSMAN(IO) und von Beijerinck (11) gefunden, wonach durch Diffusion der Malzdiastase in Gelatinestärkeplatten festgestellt werden kann, daß bei Anstellung der Jodreaktion rings um die diastasehaltige Zone eine farb- lose Zone folgt, hierauf ein violettroter Ring, endhch eine blaue Umgebung. Die genannten Forscher schlössen daraus, daß zwei Enzyme zugegen sind, ein rascher diffundierendes, welches Erythrodextrin bildet und ein langsamer diffundierendes, welches mit Jod keine Färbung gebende Produkte er- zeugt. Ich halte es jedoch nicht für ausgeschlossen, daß diese Farbenerschei- 1 ) Schon Paten bekannt gewesen. G. Warcoltjer, Compt. rend. (21. Aug. 1905). — 2) Detmer, Landw. Jahrb., 10, 757 (1881). — 3) Lapidus, Biochem. Ztsch., 30, 39 (1910). Starkenötein, Ebenda, 33, 423 (1911). Minami, Ebenda, jp, 355 (1912). Centanni, Ebenda, 29, 389 (1910). — 4) Wohlgemuth, Ebenda, 21, 447 (1909). — 5) A. Wohl n. Glimm, Ebenda, 27, 349 (1910). — 6) Van Laer, Bull. Soc. Chim. Beige, 21, 8 (1907): 26, 223 (1912).. Brown u. Glendinning, Journ. Chem. Soc, 81, 388 (1902). — 7) Ch. Philoche, Journ. de Chim. physique, ö. 212 u. 35.5 (1908); Soc. Biol., 58, 953 (1905). R. C. Heyl, Journ. prakt. Chem.. 86, 433 (1912). — 8) P. Klempin, Zentr. Physiol. (1908). p. 326. — 9) Z. B. Ptyalin: C J. Evans, Journ. of Physiol., 44, 191 (1912). — 10) Wmsman, Koch Jahresber. (1890). p. ir)5; Rec. trav. chim. Pays-Bas, 9, 1; Ber. Chem. Ges.. 23, Ref. 347 (1890). — 11) Beij- erinck, Zentr. Bakt. II, /, 329 (1895). 440 Elftes Kapitel : Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. nungen auf succedanen Veränderungen durch dasselbe Enzym beruhen. Beijerinck unterschied eine „Glucase", welche auch löshche Stärke an- greift, vorübergehend Isomaltose und Maltose erzeugt und schheßlich Glucose bildet, ferner eine ,,Maltase", die aus Stärke erst Erythrodextrin und dann Maltose bildet, endüch eine „Granulase", welche aus Stärke vorübergehend Isomaltose und dann Maltose formiert. Je nach der Be- günstigung durch Säure oder AlkaU will der genannte Forscher die Granu- lasen in Säure- und in Alkahgranulasen einteilen. Zu den letzteren rechnet er das Ptyaün und Pankreasdiastase, zu ersteren die meisten pflanzlichen Granulasen. Wusmans Ansicht, daß es eine „Maltase" gibt, die aus Stärke Maltose und Erythrodextrin bildet, und eine „Dextrinase", die Isomaltose und Maltose formiert, teilt Beijerinck nicht. Die drei unterschiedenen Fermente sollen auch eine besondere Lokalisation im Samen haben. In der Folge sind die Ansichten der beiden holländischen Forscher nicht wahr- scheinhcher geworden, doch hegen manche Tatsachen vor, die es nahelegen, daß der von den Gärungschemikern unterschiedene Prozeß der Stärke- verflüssigung und die Überführung der Dextrine in Maltose wirküch diffe- rente Enzymwirkungen betreffen. Verwerten kann man dafür die Tatsache, daß das Vorv/ärmen der Diastasepräparate vor allem die zuckerbildende Kraft des Enzyms schwächt und daß manche Hefen sehr energisch auf Dextrin verzuckernd einwirken, während sie Stärke unberührt lassen, wie der Schizosaccharomyces Pombe. Aus neuerer Zeit hegen Angaben vor, wonach bei fraktioniertem Aussalzen von Malzdiastase mit Ammonium- sulfat nur die ersten Fraktionen die Stärke verflüssigen, während die letzten Fraktionen eine bedeutende Verzuckerungswirkimg haben, ohne zu ver- flüssigen (1 ). Doch stehen Forscher wie Lintner auf dem Standpunkte, daß die Malzdiastase ein einheithches Enzym sei. Viel diskutiert wurde insbesonders die Frage, ob Schildchen und Schild- chenepithel eine von der Endospermdiastase differente Diastase hervor- bringen. Lintner und Eckhardt (2) gaben an, daß die Endospermdiastase am besten bei 45—50", die Schildchenepitheldiastase bei 50—55*' wirke. Die erstere solle viel weniger das Vermögen haben Stärke zu verflüssigen als die letztere, welche aber kräftig Zucker bilde. Brown und Morris unterschieden die Schildchendiastase als Sekretionsdiastase von der Endo- spermdiastase oder Translokationsdiastase. Im ungekeimten Samen sei nur die letztere vorhanden. Sekretionsdiastase vermag den genannten Forschern zufolge Stärkekörner zu korrodieren und Stärkekleister zu ver- flüssigen, die andere Diastase soll nur gelöste Stärke verzuckern. Auch Kjeldahl gab an, daß ein Auszug aus ungekeimter Gerste eine Stärke- lösung sehr rasch verzuckert, Stärkekleister jedoch nur sehr wenig an- greift. Nach Brown und Escombe (3) wird bei der Keimung der Gerste die Stärke am Schildchen in etwas anderer Weise aufgelöst als die Stärke in der Nähe der Aleuronschicht. Ganz fehlen kann jedenfalls die Stärke lösende Fähigkeit auch der Endospermdiastase nicht, da in isoherten Endo- spermen sowohl Lösung wie Verzuckerung der Stärke stattfindet. Zugunsten der Theorie, daß Sekretions- und Translokationsdiastase differente Enzyme sind, haben sich Grüss, Jalowetz und andere Forscher (4) erklärt, während 1) T. Chrzaszcz, Woch.8chr. f. Brauerei, 28, 510 (1911); 29, 590 (1912). Lyalin, Chem. Abstr. (1911), p. 3833; Chem. Zentr. (1910), //, 1545. — 2) Lint- ner u. Eckhardt, Ztech. ges. Brauwes. (1883). — 3) Brown u. Escombe, Proceed. Key. Soc, 63 (1898). — 4) J. Grüss, Biologie u. Kapillaranalyse der Enzyme (Berlin 1912) und zahlreiche daselbst zitierte frühere Arbeiten. Jalowetz, Koch Jahresber. "~" p. 143. § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 44x Chrzaszcz(I) nicht imstande war, Unterschiede zwischen beiden Diastasen aufzufinden. Seyffert (2) kommt sogar zu dem Ergebnis, daß mindestens drei diastatische Enzyme in Malzdiastase zu unterscheiden sind, von denen das eine besonders Erythrodextrin verzuckern soll. Pottevin (3) nimmt zwei Enzyme an, eine Dextrinase, welche Stärke in Dextrin überführt, und eine Amylase, welche dieses in Maltose überführt. Er stützt sich besonders auf die Tatsache, daß bei 80° 5 Minuten langes Erhitzen der Dia- stase die zuckerbildende Kraft nimmt, ohne die stärkelösende Wirkung zu zerstören. Fernbach nimmt drei amylolytische Enzyme an (4), ein Stärke lösendes, ein Dextrin erzeugendes und ein verzuckerndes. Alle diese Angaben sind aber erst kritisch zu prüfen. Beachtenswert ist jedenfalls auch, daß die Takadiastase aus Aspergillus Oryzae viel kräftiger verzuckernd und relativ weniger lösend wirkt als Maltodiastase, was gleichfalls für die Annahme eines Enzymgemisches spricht. Unterschiede zwischen den Phanerogamendiastasen aus verschiedenen Samen haben sich bisher nicht ergeben und Lintner hält speziell die Diastase aus Triticum und Hordeum für sicher identisch. Haferdiastase soll nach SziLAGYi(5) etwas wirksamer sein als Gerstenmalzdiastase. Bourquelot(6) geht andererseits wieder entschieden zu weit, wenn er sogar die Speichel- und Pankreasdiastase mit der Samendiastase für identisch erklärt. Während das Pankreasferment das Glykogen etwa ebenso leicht hydrolysiert wie Stärke, kann das Malzferment nur sehr wenig Glykogen angreifen (7). Durch Benützung der Antienzymreaktion wird man imstande sein, noch viel weit- gehendere Differenzen zwischen Diastasen herauszufinden als es gegenwärtig der Fall ist. Unwahrscheinhch ist es aus verschiedenen Gründen, daß die Hydrolyse von Reservecellulose und Stärke durch dasselbe Enzym bedingt werde, wie manche Forscher angenommen haben (8). Die Abbauprodukte der diastatischen Stärkehydrolyse. Zweifellos nimmt der Prozeß der enzymatischen Stärkehydrolyse denselben Weg, wie die Stärkehydrolyse durch Säuren, doch ist es hier, wie meistens bei Enzymhydrolysen, relativ leichter, gewisse Zwischenprodukte sicherzustellen, weswegen die diastatische Hydrolyse der Stärke zu einem sehr wichtigen Hilfs- mittel in der Stärkechemie geworden ist. Schon Payen und Persoz suchten die beim diastatischen Stärkeabbau entstehenden Produkte zu eruieren und studierten die Fraktion der dextrinartigen Produkte. Schulze (9) beobachtete 1836 die Abnagung der Stärkekörner unter der Wirkung der Diastase. Jedenfalls müssen auch die höchst zusammengesetzten Kohlenhydrate der Amylumkörner, wie das Amylopektin Maquennes und die als Amylo- cellulose bezeichneten höheren Anhydrostufen der Amylose, in lösliche Stoffe und schHeßhch in Zucker übergeführt werden, und die Ansicht von A. Meyer, wonach seine a- Amylose zunächst in die jodbläuende /3- Amylose übergeht, dürfte im wesenthchen die zutreffende sein. Genauere Unter- suchungen über diese Vorgänge stehen allerdings noch immer aus. Wenn 1) Chrzaszcz, Ztsch. Spiritusindustr., j/, 52 (1908); 32, 520 (1909). — 2) Setffert, Chem. Zentr. (1898), //, 1224 11. 1291. — 3) Pottevin, Monit. Scient. (1900), p. 116; Ann. Inst. Pasteur, 13, 665 (1899). — 4) A. F'ernbach, Ann. Brass. Distill., 14, 73 (1911). Fernbäch u. Wolff, Compt. rend., 145, 80 (1907). — B) J. SziLAGYi, Hilger Vierteljahrssch., 6, 242. Für Gerat«: Ddci.aux, Ann. Inst. Pasteur, 4, 607 (1890). — 6) BouRQUELOT, C r. See. Biol. (1885), p. 73. Hingegen Vernon, Journ. of Physiol., 28, 156 (1902). — 7) Ch. Philoche, See. Biol. (4. Aug. 1905). Pankreasenzym: Blosse n. Limbosch, Arch. Fisiol., 7. 100 (1909). — 8) Z.B.: Grüss, Jahrb. wiss. Botan., 26, 407 (1892). Reinitzer, Ztsch. physiol. Chem., 23, 202 (1897). — 9) F. Schulze, Pogg. Ann., 39, 489 (1836). 442 Elftes Kapitel: Die Resorption t. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. nicht gewisse mit Wasser leicht kolloide Lösungen gebende und rein blaue Jodreaktion liefernde Kohlenhydrate, die wir in der lösüchen Stärke vor uns haben und die derzeit zur Amylose gerechnet werden, die nächsten Abbauprodukte sind, so haben wir es im Amylodextrin von W. Nägeli und A. Meyer mit der nächsten wohl charakterisierten Abbaustufe der Stärke zu tun. Meyer (1) charakterisiert /?- Amylose oder Stärkegranulose und Amylodextrin nebeneinander durch folgende Merkmale: /S- Amylose Amylodextrin Verhalten zu Bleiessig Fällung in 0,05%iger Lösung Keine Fällung in 6%iger Lösung Verhalten zu Tannin Fällung in 0,005 %iger „ Keine Fällung in kal- ter 5 %iger Lösung Jodreaktion Verdünnte Lösung rein blau Rein rot Fehüngs Lösung Wird nicht reduziert 100 g reduzieren so stark wie 5,6 g Glucose Drehung in Calciumnitratlösung + 230" -f 195" Meyer hat gezeigt, daß die Amylodextrinpräparate früherer Forscher wie von Musculus (2), sämthch Gemenge von Amylose, Amylodextrin und Dextrin waren. Auch erklärte Meyer die von Lintner und Düll (3) unterschiedenen Produkte: Amylodextrin, krystalHsierend und blaue Jod- reaktion gebend ; Erythrodextrin, mit rotbrauner Jodreaktion und der spez. Drehung [a]D+ 196", für Gemenge. Baker (4) unterschied ein jodbläuendes a- Amylodextrin. Es ist allerdings mögüch, daß es mehrere krystalüsierende, jodbläuende und jodrötende Abbauprodukte gibt, doch genügen die gegen- wärtig gebräuchhche Methode der Charakterisierung durch die Jodreaktion und andere chemische Merkmale augenscheinhch noch nicht und man wird erst die kolloidchemische Charakterisierung abwarten müssen, ehe man über die von Lintner unterschiedenen Erythrodextrine, ferner die von Mittelmeier (5) beschriebenen beiden Amylodextrine ein endgültiges Urteil fällen kann. Skraup hält ebenfalls noch in neuester Zeit daran fest, daß außer Amylodextrin ein Erythrodextrin zu unterscheiden ist (6). Fast noch unsicherer sind die derzeitigen Kenntnisse bezüglich der Dextrine oder Achroodextrine im Sinne Brückes (7), beim diastatischen Stärkeabbau. Die meisten Präparate der älteren Zeit waren Gemische von wenig Amylose und Amylodextrin und viel Dextrin mit Maltose, und die Mehrzahl der Angaben ist sehr kontrovers (8). Man versuchte in neuerer 1) A. Meyer, Ber. Botan. Ges., 5, 171 (1887). Nach Maqüenne, Bull. Soc. Chim. (3), 35 (1906) besteht Kleister aus vollständig gelöster Amylose und einer un- löslichen schleimigen Masse (Amylopektin). — 2) Musculus, Compt. rend., 78, 1413 (1874); Ztsch. physiol. Chem., 4, 451 (1880); 2, 176 (1878). — 3) Lintner u. Düll, Ber. Chem. Ges., 26, 2533 (1893); 28, XII (1895); Chem.-Ztg., 21, 737 (1897). — 4) Baker, Chem. Zentr. (1902), //, 191. — 5) Mittelmeier, Mitteil, österr. Ver- suchsstat. f. Brauerei Wien (1895), V/I. Barytverbindung von Amylodextrin: BÜLOW, Pflüg. Arch., 62, 131 (1895). Formel: Brown u. Morris, Chem. News, S9, 295 (1889). — 6) Zd. Skraup, Monatsh. Chem., 26. — 7) Brücke, Sitz.ber. Wien. Akad., 65, III (April 1872). — 8) Von älteren Arbeilen über Dextrin seien erwähnt: L. Bondonneau, Ber. Chem. Ges., 9, 61, 69 (1876); Bull. Soc. Chim., 21, 50 (1874); 23, 98 (1875). Musculus u. Gruber, Ber. Chem. Ges., 12, 287 (1879). Musculus, Journ. prakt. Chem., 28, 496 (1884). Grimaux u. Lefevre, Arch. Pharm. (1886), p. 940. Honig u. Schubert, Monatsh. Chem., 7, 455 (1886). Effront, Monit. Bcient. (1887). p. 513. Ein arger Mißgriff von Bechamp, Compt. rend., 50, 211 (1856), welcher die sich mit Jod rotfärbenden Stoffe als Dextrin bezeichnete, hatte lange Zeit Verwirrung angerichtet. § 2. Die Resorption von St&rke in keimenden Samen. 443 Zeit die fraktionierte Barytfällung zur Gewinnung brauchbarer Präparate zu verwenden (1), stellte Acetochlorderivate her (2), doch ist eine Entschei- dung in der Dextrinfrage noch nicht erreicht worden. Lintner und Düil (3) kamen ziu* Ansicht, daß zwei Achroodextrinc zu unterscheiden wären, wozu Prior (4) noch ein drittes hinzufügte. Potte vin dachte daran, daß die Dextrine verschiedene physikaUsche Modifikationen derselben chemischen Substanz darstellen könnten (5). Brown und Heron (6) vertraten die Theorie, daß alle bei Temperaturen über 40" in kurzer Zeit auftretenden Produkte, welche keine Jodreaktion geben, als Gemenge von Maltose und einem nicht reduzierenden Stoff vom Drehungsvermögen (a)D + 194,8" aufgefaßt werden können. In der Tat ist oft daran gezweifelt worden, ob es wirkhch reduzierende Dextrine gibt und ob nicht immer nur beigemengte Maltose die Reduktion bedingt. Nach Entfernung der Zuckerarten aus dem Reaktionsgemisch erhielten Brown und Morris (7) ein Produkt von der spez. Drehung + 194,8°, welches nicht reduzierte und welches sie für ein Gemisch verschiedener polymerer Dextrine erklärten. Viele neuere Forscher wie Meyer, Ost, Schifferer, auch Brown und Morris (8), neigen der Ansicht zu, daß vielleicht nur ein einziges Dextrin anzunehmen sei. Meyer hat die Dextrin- bildung aus seinem Amylodextrin nachgewiesen. Dextrin reduziert Fehüng- sche Lösung, ist mit Hefe nicht vergärbar, und es dürfte nach Scheibler und Mittelmeier eine Aldehydgruppe enthalten, da es mit Brom Säure und bei der Reduktion mit Na-Amalgam einen Alkohol (Dextrit) hefert (9). Brown und Millar gewannen durch HgO eine Dextrinsäure (10). Nach YouNG(11) sind die Dextrine der Hauptsache nach nicht mehr aussalzbar, während die Amylodextrinfraktionen ausgesalzen werden können. Ob der von Petit (12) mittels elektiver Hefegärung isoUerte Stoff reines Dextrin war, bleibt zu bestätigen. Als Zwischenprodukt zwischen Dextrin und Maltose hat 1891 Lintner (13) die Isomaltose angegeben. Wenn man 250 g Kartoffelstärke und 500 ccm Diastaselösung 3 Tage hindurch bei 67—69° hält, so ent- stehen nach Lintner Dextrin und 20% der Stärke an Isomaltose. Damit soll das von Schmitt und Cobenzl (14) als un vergärbarer Stoff aus Stärke- zucker beschriebene Galhsin identisch sein, doch ist es wahrscheinücher, daß es sich dort um ein Reversionsprodukt handelt, das mit dem neuer- dings angegebenen Glykosin in Beziehung steht. Nach Lintner und Schifferer geht Isomaltose im weiteren Verlaufe in Maltose über. Bau (15) wollte sogar zwei Isomaltosen unterscheiden. Es ist wahrscheinhch, daß jene Forscher, welche die Entstehung von Isomaltose bei der Diastase- 1) J. MOREAU, Woch.schr. f. Brauerei, 22, Nr. 3—5 (1905). — 2) A. Ke- DIASCHWILI, Chem. Zentr. (1905), //, 401. — 3) Lintner u. Düll, Ztach. ges. BrauwBB., /;, 339 (1894). — 4) Prior, Zentr. Bakt. II, 2, 271 (1896); Ztsch. an- gewandt. Chem. (1900), p. 464. — 5) Pottevin. Compt. rend., 126, 1218 (1898). — 6) Brown u. Heron, Ber. Chem. Ges., 12, Uli (1879). — 7) Brown u. Morris, Lieb. Anir., 231, 72 (1885). — 8) A. Meyer, Stärkekörner (1895). Ost, Chem. -Ztg.. 19, 1501 (1895V SCHIPTERER, Woch.schr. f. Brauerei, 9, 1114 (1892). — 9) Scheib- ler u. Mittelmeier, Ber. Chem. Ges., 23, 3060 (1891). — 10) H. T. Brown u. Millar, Proceed. Chem. Soc, 15, 13 (1899). — 11) R. A. Young. Journ. of Phyeiol., 22, 401 (1898). — 12) Petit, Compt. rend., 125, 355 (1897). — 13) Lintner. Ztsch. ges. Brauwes., 15, 145 (1891); 16, Nr. 1 (1892); Ztsch. angewandt Chem. (1892), p. 263; Woch.schr. f. Brauerei, 10, 1093 (1893); Ber. Chem. Ges. (1893). p. 2533; Chem.-Ztg., 21, 737 u. 752; Ztsch. ges. Brauwes., 18, 70 (1895). - 14} C ScHMrrr u. Cobenzl, Ber. Chem. Ges., 17, 1000 (1884). — 15) A. Bau. Woch.schr. f. Brauerei (1895), p. 431. Lintner. Ztsch. ges. Brauwes., /*, 173 (1895). 444 Elftes Kapitel: Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. Stärkehydrolyse in Abrede stellen, im Recht sind (1), und die Isomaltose, wie DiERSSEN (2) annimmt, wohl bei der Säurehydrolyse als Reversions- produkt unter geeigneten Verhältnissen entsteht, nicht aber bei der enzy- matischen Hydrolyse. Doch halten Meyer und andere Forscher daran fest, daß Isomaltose ein reguläres Zwischenprodukt sei (3). Herzfeld (4) fand beim diastatischen Stärkeabbau bei 65" neben Maltose eine amorphe gummiartige Masse gebildet, die er Maltodextrin nannte. Später haben sich Brown und Morris (5) bemüht, dasselbe Präparat wieder herzustellen, doch erhielten sie ein anderes Produkt, welches optisch aktiv war, Fehhng in einem Maße reduzierte, wie es einem Gemische von Maltose und Dextrin entspricht, mit Hefe nicht vergor, durch die gewöhn- lichen Mittel nicht in Maltose und Dextrin überzuführen war und mit ge- ringen Mengen kalten Malzauszuges völhg in Maltose überging. Molekular- gewicht und spez. Drehung stimmten gut zur Annahme, daß es aus 1 Teil Maltose und 2 Teilen Dextrin aufgebaut war. Nach den genannten For- schern entstehen aber beim Stärkeabbau eine ganze Reihe Maltodextrin- artiger Stoffe von verschiedener Zusammensetzung, die „Amyloine". Das Stärkemolekül soll aus 5 „Amyhngruppen" von gleicher Größe aufgebaut werden, welche sich bereits im ersten Stadium der Hydrolyse voneinander trennen. Die zentrale widerstandsfähige Gruppe wird zum beständigen Dextrin, die vier peripheren zerfallen weiter unter Bildung der verschie- denen „Amyloine". Andere Autoren, wie Schifferer und A. Meyer, erklären die erwähnten Maltodextrine einfach für Gemische von Maltose und Dextrin. Nach der heute geltenden Auffassung ist Maltose das letzte Abbau- produkt bei der Einwirkung von Diastase auf Stärke, wobei man sich auf ältere und neuere kritische Untersuchungen stützen kann (6). Früher war allerdings die Ansicht vorherrschend, daß die Hydrolyse bis zum Trauben- zucker weiterschreite (7) und auch Davis und Ling (8) haben noch be- hauptet, daß eine 15—30 Minuten lang auf 68—70° erhitzte Diastase Glucose aus Stärke abspalte. Doch wird man hier wie in anderen abweichenden Fällen an eine Beimengung von Maltase zu denken haben, die in Keimlingen aus Stärkesamen kaum jemals fehlen wird und deren Wirkung wir jetzt von der diastatischen Wirkung scheiden. Wie bereits bei Besprechung der Säurehydrolyse der Stärke betont wurde, ist die Reihenfolge der auftretenden Produkte aiJch beim diasta- tischen Prozeß: Amylose, Amylodextrin, Dextrin, Maltose, wobei es kontro- 1) Ost, Chem.-Ztg. (1895), p. 1501. Ulrich, Ebenda, p. 1523. Ling u. Baker, Journ. Chem. Soc., 67, 702 (1895). Pottevin, Ann. Inst. Pasteur, 13, 796 (1899). F. GrÜters, Ztsch. angewandt. Chem., 17, 1169 (1904). Jalowetz, Ebenda, 18, 171 (1905). Ost, Ebenda, /;, 1663 u. Verhandl. Ges. Naturf. (1904), II, /, 139. — 2) H. Dierssen, Ztsch. angewandt. Chem., 16, 122 (1903). — 3) A. Meyer, 1. c. Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc. (1895), p. 709. — 4) A. Herzfeld, Ber. Chem. Ges., 12, 2120 (1879). — 5) Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc. (1885), /, 527; Ber. Chem. Ges., 18, 615 (1885); Jahresber. Agrik.chem. (1885), p. 293; (1890) p. 769; Ztsch. Spiritusindustr., 13, 185 (1890); Chem. News, 7/, 123 (1895); Lieb. Ann., 231, 72 (1885); Journ. Chem. Soc. (1895), /, 309; Ber. Chem. Ges., ig, 433 (1886). Gegen die Amylointheorie: Lintner u. Düll, Ber. Chem., 26, III, 2533 (1893). — 6) H. Ost, Chem.-Ztg., 21, 613 (1897). O'Süllivan, Ber. Chem. Ges., 9, 949 (1876). Fernbach u. Wolff, Compt. rend., 142, 1216 (1906). — 7) Mus- culus u. Gruber, Ztsch. physiol. Chem., 2 (1878). Merino, Ebenda, 5. 185 (1881). Musculus u. Merino, Ebenda, 2, 403 (1878). Petit, Ber. Chem. Ges., 8, 1595 (1875). Löwberg, Just Jahresber. (1874), //, 798. KÜLZ, Ber. Chem. Ges., 14, 365 (1881). — 8) B. F. Davis u. Ling, Proc. Chem. Soc. Lond. (11. Dez. 1903); Journ. Chem. Soc., 85, 16 (1904). § 3. Resorption der ReserrecelluloBen bei der Keimung. 445 vers ist, ob zu Beginn der Hydrolyse mehrere Molekel Amylodextrin auf- treten, oder ob z. B. Maltose, wie Moreau(I) annimmt, schon zu Beginn der Hydrolyse neben Amylodextrin und den weiteren Abbauprodukten entsteht. Lintner und Düll nahmen succedane Entstehung von Amylo- dextrin, Erythrodextrin I, Achroodextrin I, Achroodextrin II, Isomaltose und Maltose an, doch erfolge die Umwandlung nicht zugleich in der ge- samten Stärke, so daß alle Produkte nebeneinander erscheinen (2). Nach A. Meyer soll zunächst nur Amylodextrin aus der teilweise erst aus a-Amylose hervorgehenden /5-Amylose entstehen und das Amylodextrin solle gleich- zeitig partiell in Dextrin und Isomaltose übergehen ; Isomaltose und Dextrin geben sodann beide Maltose, womit der Prozeß sein Ende erreicht. Für die gleichzeitige Entstehung von Dextrin und Isomaltose spreche der Umstand, daß Amylodextrin bei 55" schon in 1 Stunde vollständig gespalten werde, während Dextrin zur Spaltung die SOfache Zeit für den Übergang in Maltose brauche. Amylodextrin tritt schon wenige Minuten nach Zusatz der Diastase- lösung auf. Nach Brown und Heron kann bei 60" schon nach 5 Minuten die ganze Amylose hydrolysiert sein und dafür eine große Menge Amylo- dextrin und auch bereits Dextrin vorhanden sein. Effront (3) nimmt eine Spaltung der Stärke in Dextrin und Maltose an. Alle diese Vorstellungen tragen aber nur der Theorie von der einheithchen Natur der Diastase Rech- nung. Wenn wir eine Dextrinase und Amylase oder gar drei diastatische Enzyme zu unterscheiden hätten, so müßte das Spaltungsschema ein ganz anderes sein. Beuerinck dachte sich, daß seine „Maltase" die Stärke in Amylodextrin und Maltose zerlege; die ,,Granulase" aber vorübergehend Isomaltose, dann Maltose bilde. Die Glucase endhch sollte ebenfalls Stärke angreifen und über Isomaltose und Maltose Glucose bilden. § 3. Resorption der Reservecellulosen bei der Keimung. Die als Zellwandmassen abgelagerten Reservekohlenbydrate werden bei der Keimung ebenfalls durch Mithilfe von Enzymen hydrolysiert und in Zucker übergeführt. Solche cytohydrolytische Enzyme kommen in ruhenden Samen höchstens in geringen Mengen vor (4), werden aber in der Keimung sehr reichlich gebildet. Über Zymogene solcher Fermente weiß man noch nichts. Auch ist bezüglich der physiologischen Verhält- nisse der Bildung und Sekretion, ferner hinsichtlich der Verteilung in Endosperm und Embryo nicht genügendes Tatsachenmaterial bekannt. Aktive Entleerung des isolierten Schleimendosperms von Tetragonolobus hat Puriewitsch beobachtet. Anderweitige Versuche bezüglich der echten Reservecellulosen gelangen ihm nicht in überzeugender Weise. Auch PoND(5) konnte die Selbstverda\iung des Dattelendosperras nicht erreichen. Zuerst haben wohl Brown und Morris (6) cytolytische Enzyme von der Diastase als Cytasen unterschieden und nachgewiesen, daß durch solche Enzyme die Auflösung der Zellwände bei der Keimung von Hordeum im Endosperm erfolgt. Die Tatsache des Lösungsvorganges selbst ist aber schon 1850 durch Mitscherlich beschrieben worden (7). Brown 1) J. MOREAU, Woch.schr. f. Brauerei, 22, 37 (1905). — 2) Z. B.: Luttner, Chem. Zentr. (1894), //, 426. — 3) Effront, Jahresber. Agrik ohera. (1887), n. 346. — 4) Vgl. Nature (1905), p. 170. — 6) Pond, Ann. of Botan., 20, 61 (19U6). - 6) H. T. Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc., S7, 548 (1890); Nature, 43, 45 (1890); Botan. Ztg. (1892), p. 462. — 7) Mtischerlich, Berlin. Akad. (März 1850X p. 102; Lieb. Ann., 7S, 305 (1850). 446 Elftes Kapitel: Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. und Morris nahmen an, daß die Cytase mit der Diastase vom Schildcheh- epithel sezerniert werde. Man kann aus Luftmalzextrakt die Cytase durch Alkohol gleichzeitig mit der Diastase fällen. Die wässerige Lösung des entstandenen Niederschlages löst bei schwach essig- oder ameisensaurer Reaktion die Zellwände an Schnitten aus Gerstenendosperm auf, und zwar rascher als die Stärkekörner selbst. Nach Brown und Morris wird die Cytase durch halbstündiges Erhitzen auf 60° zerstört, während GRÜSS sowie Reinitzer die Wirkung bei dieser Temperatur erst ge- schwächt sahen (1). Eine Trennung der Cytase von der Diastase ließ sich bis jetzt nicht durchführen. Gegen Gerstencytase verhalten sich die Zellwände des Endosperins verschiedener Gräser, ja selbst verschiedener Gerstenvarietäten verschieden. Die Aleuronzellwände heßen sich durch das Gerstenenzym nur bei Bromus secalinus mitauflösen, die Zellwände des Runkelrübenparenchyms wurden nur unbedeutend, jene des Apfels gar nicht, jene der Kartoffel, Topinambur, Möhre und Steckrübe bis auf eine dünne Lamelle angegriffen. Die Reserve- cellulose von Phoenix, Asparagus, Cpffea, AlUum, Impatiens, Tropaeolum und Primula Webbii werden durch Gerstencytase nicht angegriffen. Baum- wolle wird durch diese Cytase nach Reinitzer ebensowenig gelöst wie reine Cellulose. GRÜSS fand durch Malzextrakt die Endospermzellwände von Oryza am leichtesten angegriffen, am schwierigsten jene der Dattel. Angreifbar waren sodann die Zellwände des Endosperms von Canna und Zea, der Cotyledonen von Phaseolus und das Amyloid von Tropaeolum. Als Brown und Morris dünne Schnitte aus Gerstenendosperm auf das freipräparierte Schildchen von Gerstenembryonen legten, heß sich Lösung der Zellwände feststellen, woraus man auf eine Sekretion der Cytase durch das Scutellum schheßen kann. Diese Wirkung bbeb nach vorherigem Ab- präparieren des Epithels aus. Grüss und ReiNitzer nahmen an, daß die diastatische und cytatische Wirkung einem einzigen Ferment zuzuschreiben sei. Dies ist, obwohl eine Trennung beider Enzym Wirkungen noch nicht erreicht werden konnte, nicht recht wahrscheinlich, indem nach New- COMBE (2) bei manchen Samen, wie bei der Dattel und Lupine,, die cyto- hydrolytische Wirkung- im Vergleiche zur amylolytischen so stark ist, daß man das Enzym eher eine Cytase als eine Amyla^e nennen könnte. Auch, sonst variiert die relative Stärke der beiden Wirkungen häufig. ÄhnUche Effekte scheinen sich selbst in Versuchen von Grüss ergeben zu haben, wo überdies eine Wirkung von Malzenzym auf Traganth angegeben ist (3). Über die Cytasen aus Leguminosensamen haben Bourquelot u. I^erissey (4) berichtet. Weil es sich in den Reservecellulosen und den Schleimendosperm- kohlenhydraten der Leguminosen um Mannogalactane und Mannane handelt (auch das „Carobin" von Effront (5) aus Johannisbrotsamen gehört wohl dazu, da der daraus entstehende, von Effront „Carobinose" genannte Zucker nach A. van Ekenstein (6) mit d-Mannose identisch ist), so haben die genannten Forscher das cytolytische Enzym dieser Samen als „Semi- 1) Grüss, Woch.schr. f. Brauerei (1895), Nr. 52. F. Reinitzer, Ztsch. physiol. ehem., 23, 202 (1897). — 2) F. Newcombe, Botan. Zentr., 73, 105 (1898); Ann. of Botan., /j, 49 (1899). — 3) J. Grdss, Ber. Botan. Ges., 20, 36 (1902); Woch.schr. f. Brauerei, ig, 243 (1902). — 4) Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 12g, 614 (1899); 130, 42 u. 340 (1900); 131, 903 (1900); Journ. Pharm, et Chim. (6), g, 104; //, 357 (1900). — 5) J. Effront, Compt. rend., 125, 116, 309 (1897). — 6) A. vaN Ekenstein, Ebenda, p. 719. § 3. Resorption der Reservecellulosen bei der Keimung. 447 nase" bezeichnet, der älteren REissschen Bezeichnung „Seminose" für Mannose folgend. Auch Effronts ,,Carobinase" aus Ceratoniasamen ist eine solche Seminase. Herissey (1) fand, daß Gegenwart von Fluornatrium die Wirkung der Ceratonia- Seminase sehr begünstigt. Weiterhin haben Bourquelot und Herissey (2) es auch wahrschein- hch zu machen versucht, daß die Seminasen verschiedener Reservecellulose führender Samen nicht identisch sind. So vermag die Leguminosenseminase wohl die Reservecellulose der Leguminosen und Salepschleim zu spalten, jedoch nicht die Reservecellulose der Palmensamen. Digeriert man aber die pulverisierten Samen von Phoenix canariensis oder Phytelephas macro- carpa 24 Stunden hindurch in 60%iger H2SO4 und beseitigt sodann durch Neutralisieren und Auswaschen die Säure, so kann das Produkt zum Teil durch Leguminosenseminase hydrolysiert werden. Bourquelot und Herissey schüeßen daraus, daß die cytolytischen Enzyme keine einheit- üchen Substanzen sind und der Seminase gleichsam ein in den Palmen- samen vorhandenes Enzym fehlt, durch dessen Gegenwärt auch die Palmen- kohlenhytlrate hydrolysiert werden können. Die spezifisch differente Beschaffenheit der Cytasen bedarf jeden- falls noch weiterer eingehender Pi-üfung; auch ist es noch unbekannt, in- wiefern die Natur der den Kohlenhydraten zugrunde hegenden Zucker (Mannose, Galactose) und inwiefern die chemische Struktur der Kohlen- hydrate eine Rolle bei der Angreifbarkeit der Reservecellulose durch ver- schiedene Cytasen spielt. Die sichtbaren Auflösungsvorgänge bei der Cytasenwirkung auf die Zellmembranen wurden schon von Reiss(3), sodann von Grüss(4), Elfert(5), Michniewicz (6) mikroskopisch näher verfolgt; bei Grüss(7) finden sich auch Angaben über das Verhalten der in Lösung begriffenen Membranen zu gewissen Farbstoffen. Schulze und Steiger (8) haben die Abnahme des Galactans bei der Keimung von Lupinus luteus quantitativ verfolgt. Dieses Kohien- hydrat wird während der Keimung vollständig verbraucht. Die Cotyle- donen 14 Tage alter etiolierter Keimpflanzen von Lupinus angustifolius lieferten nur Vio der Glucose und V26 der Schleimsäüremenge, die man aus ungekeimten Samen erhält. Bei dreiwöchentlichen etiolierten Keim- lingen von Lupinus luteus war aus den Cotyledonen nur Vs der Glu- cose und Yio der Schleimsäure zu erhalten, welche ungekeirate Samen liefern (9). Hinsichtlich der intermediären Produkte, welche bei der Enzym- hydrolyse der Reservecellulosen entstehen, sind noch eingehende Unter- suchungen nötig. Leclerc du Sabi:on(10) spricht von einem Kohlen- hydrat aus der Verwandtschaft der Dextrine, welches bei der Resorption des Schleimendosperms von Sophora und Gleditschia als Hauptprodukt 1) Herissey, Compt. rend., 133, 49 (1901). — 2) Bouquelot u. Herissey, Compt. rend., 133, 302 (1901)5 Journ. Pharm, et Chim. (6), 14, 193 (1901); Compt. rend., 136, 1143, 1404 (1903). Herissey, E«v. g^n. Botan., 15, Nr. 176 (1903^. — 3) REISS, Über die Natur der Reservecellulose, Disc. (Erlangen 1889), p. 19—32. — 4) J. GRÜSS, Botan. Zentr.. 70 (1897); Woch.schr. f. Brauerei (1896), p. 28;„ Botan. Zentr.. 60, 162 (1894); Ber. Botan. Ges., 12, 60 (1894V — 5) Th. Elfert. über die Auflösungsweise der sekundär. Zellmembranen. Biblioth. Botan., Heft 30 (1894). Botan. Zeutr., 62, 238. — 6) A. R. Michniewicz, Sitz.ber. Wien. Akad., 112, I (1903). — 7) GRÜSS, Botan. Zentr., 70, 242 (1897). — 8) E. Schulze u. Steiger, Landw. Versuchsstat., j/J, 391 (1889). — 9) Schulze, Ber. Botan. Ges., 14, 66 (1896). — 10) Leclerc du Sablon, Rev. g6n. Botan., 7. 401 (1895). 448 ^ftes Kapitel: Die Resorption t. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. auftritt und sofort direkt vom Embryo assimiliert wird. Auch Grüss(I) nimmt die Entstehung derartiger dextrinartiger Stoffe an. Chemische Untersuchungen sind aber in allen diesen Fällen nicht angestellt worden. Die Reservecellulosen sollten nach ihrer chemischen Natur zunächst in Galactose oder Mannose übergehen, doch ist bis auf eine Angabe von Gatin(2), der in keimenden Samen von Borassus flabelliformis sehr viel Mannose auffand, nirgends in der Literatur von eihem Nachweise dieser Zucker in keimenden Samen die Rede. Im Gegenteil ist anzunehmen, daß frühzeitig und rasch eine Umlagerun g derselben zu Glucose, eventuell zu Fructose erfolgt. Glucose und Saccharose wurde in geringer Menge durch Leclerc du Sablon bei Sophora und Gleditschia während der Keimung konstatiert Für die Transformation der Mannose in Glucose nimmt Gatin Enzymkatalyse in Anspruch und benennt das in Frage kommende Ferment Mannoisomerase. Doch ist diese Anlegenheit noch völlig hypothetisch. Die Pentosane und Methylpentosane fand Miyake bei der Keimung von Glycine und Phaseolus nicht verbrauchtes). In Gerste und Malz sollen naöh Holderer (4) von Enzymen auch Emulsin, Cellase und Trehalase vorkommen. Es ist unbekannt, ob diese Enzymwirkungen selbständigen Fermenten zukommen und was ihr etwaiger Nutzen ist. §4. Resorption von Zucker und Kohlenhydraten bei künstlich ernährten Embryonen. Es hat zuerst van Tieghem(5) gezeigt, daß die Ernährung von isolierten Embryonen aus verschiedenen Samen bis zu einem gewissen Grade auch in künitlicher Kultur auf einem Endospermbrei gelingt; so wuchsen Keimlinge von Mirabilis Jalappa auf ihrem eigenen Endosperm- brei, ferner auf Kartoffelstärke und auf Endospermbrei aus Buchweizen. Blociszewski (6) gab hierauf an, daß man unter Umständen aus solchen isolierten Embryonen normale Plauzen wirklich erziehen kann. Er be- obachtete Korrosion von Stärkekörnern, welche auf das Schildchen iso- lierter Roggenembryonen gelegt worden waren; auch sah er, daß das Scutellarepithel seine Zellstreckung wie im normalen Samen an isolierten künstlich ernährten Embryonen fortsetzt. Systematische Versuche über die künstliche Ernährung von Gras- embryonen verdanken wir weiterhin Brown und Morris (7). Dieselben stellten fest, daß sich isolierte Gerstenembryonen auf einem anderen gut passenden Gerstenendosperm weiter entwickeln, in geringem Grade auch auf Weizenendosperm. Getötete Endosperme waren ebenso gut als Nährstoffquelle verwendbar. Der darauf von Brown und Morris basierte Schluß, daß das Endosperm vom Embryo rein passiv ausgesaugt werde, ist späterhin durch die Versuche von Pfeffer, Hansteen und 1) GRÜSS, Woch.8chr. f. Brauerei (1895), Nr. 52; Biblioth. Botan., Nr. 39 (1896). — 2) C. L. Gatin, Bull. Soc. Botan., 52, 558 (1905); (4) 8, 383 (1908). — 3) M. Miyake, Journ. Coli. Agr. Sapporo. 4, 8 (1912). — 4) Holderer, Joum. Soc. Chem. Ind., 28, 733 (1910). — 5) Ph. van Tieghem, Ann. Sei. Nat. Botan. (5). 17, 205 (1873). — 6) Th. Blociszewski, Landw. Jahrb. (1876), p. 145. — 7) H. T. Brown u. G. H. Morris, Joum. Chem. Soc, 57, 458 (1890); femer vgl. Brown u. F. EscoMBE, Proceed. Roy. Soc., 63, 3 (1898). Auch G. Stinql, Flora, 97, 308 (1907). Zwölftes Kapitel: Die Bildung der Reservekohlenhydrate in Samen. 449 PüRiEwiTSCH widerlegt worden. Es ist vielmehr eine aktive Endo- spermtätigkeit bei der Entleerung desselben anzunehmen, da sich auch isolierte Endosperme bei gehöriger Versuchsanordnung vollständig ent- leeren. Noch aktiver sind nach van Tieghem(I) die Cotyledonen von Ricinus, welche auch nach ihrer Loslösung weiterwachsen und ihre Reservestoffe aufbrauchen. Die Versuche von Brown und Morris beweisen direkt, daß seitens des Embryos Enzyme sezerniert werden. Übrigens hat auch Hansteen an Amylumkörnern, welche auf das Scu- tellum aufgelegt werden, die Korrosionen nachgewiesen. Exosmose von Diastase bei Keimpflanzen hat ferner Laurent (2) angegeben. Isolierte Gerstenembryonen ließen sich in den Versuchen von Brown und Morris auch auf zuckergetränkter Glaswolle oder auf 5 %iger Zuckergelatine zum Wachstum bringen Am besten nährte Rohrzucker, und es gelang unter Hinzufügen von Nährsalzen am Lichte bei Rohrzuckerdarreichung normale Pflanzen zu erziehen. Weniger gut waren Invertzucker, Glucose, Fructose, Maltose und Raffinose, schwach wirksam waren Galactose und Glycerin, gar nicht nährten Mannit und Milchzucker. Stärke von verschiedenen Pflanzen wurde korrodiert und verzuckert. In den Versuchen von Grüss(3) bildeten isolierte Gersten- embryonen bei Darreichung von Glucose in ihrem Schildchen Rohrzucker und Stärke. Bei der künstlichen Ernährung von Erbsenkeimlingen fanden Zaleski und Tutorski(4) gleichfalls Rohrzucker am besten wirksam. Milchzucker war unbrauchbar. Auch Pinienkeimlinge in Versuchen von Lefevre und Lubimenko verarbeiteten Saccharose sehr gut und ver- mochten noch bei einer zur Kohlensäureassimilation vollkommen unzu- reichenden Lichtintensität bei Zuckerdarreichung zu wachsen (5). Stärke konnte im letztangeführten Falle nicht verarbeitet werden. Erwähnt sei noch, daß es Hannig(6) gelang, sogar bei unreif dem Samen entnommenen Embryonen von Raphanus durch Zuckerdarreichung Wachstum zu erzielen. Zwölftes Kapitel: Die Bildung der Reservekohlenhydrate in Samen. Die Ausbildung der im reifen Samen gespeicherten Reservekohlen- hydrate umfaßt ein interessantes, noch wenig bekanntes Forschungs- gebiet. Am meisten hat man sich bemüht bei verschiedenen Getreide- arten den Fortgang der Stärkeablagerung während der Samenreife mikro- skopisch und chemisch näher zu studieren. Für das Gerstenendosperra liegen eingehende entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen von A.Meyer vor (7). Es wurde dadurch festgestellt, daß die „Kleinkörner" stets mit 1) VAN TiEGHEM, Compt. rend., 74, 578 (1877); Ann. Sei. Nat. (6), 4. 180 (1876). — 2) J. Laurent, Compt. rend., Si, 848 (1900). — 3) J. GrÜss. Woch.schr. f. Brauerei, 15, 81 u. 269 (1898). — 4) Zaleski u. Tutorski, Biochera. Zlech., 43, 7 (1912). — 5) W. Lubimenko, Compt. rend. (8. Okt. 1906). J. Lefevre, Ebenda, 147, 935; 148, 1533 (1909). — 6) E. Hanniq, Botan. Ztg (1904), /. 51. — 7) A. Meyer, Stärkekörner (1895), p. 272. Für Triticum auch Brenchley, Ann. of Botan., 23, 117 (1909). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. .3. Autl. 29 450 Zwölftes Kapitel: Die Bildung der Reservekohlenhydrate in Samen. einem großen Stärkekorn zusammen in einem Amyloplasten auftreten und offenbar später angelegt werden als die bezüglichen „Großkörner". Die chemischen Untersuchungen beziehen sich meist auf den all- gemeinen Fortgang der Stärkeablagerung. Lucanus (1 ), der wohl der erste Bearbeiter dieses Gebietes gewesen ist, untersuchte die Reifung der Roggen- körner in fünf Zeitabschnitten. Leider fehlen die frühen Stadien, und es zeigte sich am 28. Juni, obgleich in den grünen, sehr weichen, kleinen, von klarem Safte erfüllten Körnern mit freiem Auge noch keine Stärke wahr- genommen werden konnte, dennoch bei der Analyse angebhch eine be- deutende Menge von Amylum angesammelt. In den ersten Stadien der Reifung, welche untersucht wurden, waren 64,7—68,94% Stärke vorhanden, welche sich bis zur Vollreife nur bis 75,68% erhöhte. In Analysen von Storer und Lewis (2), welche die Körner von Sorghum vulgare betrafen, ergaben sich folgende Zahlen: N~frGiG Rohprotein gxtraktstoffe Zellulose Asche In der Blüte 7,38% 59,93% 28,26% 4,43% Nach der Blüte . . . 9,65% 58,40% 25,42% 6,53% In der Milchreife . . . 9,72% 69,18% 16,32% 4,78% Reife Samen 7,84% 82,37% 7,51 % 2,28% Für Mais gab Poetele (3) folgende analytische Daten, Zucker und Kohlenhydrate betreffend : N-haltige Stoffe Stärke Fructose Saccharose Unmittelbar nach der Blüte 32,25% 27,9 % 13,61% 12,207% Körner mehhg 25,75% 48,88% 6,13% 8,619% Körner hart und gelb werdend 20,04% 54,23% 2,72%, 5,827% Zeitpunkt des Ent- fahnens 18,50% 54,87% 1,43% 2,451% Vollreife und Ernte . . . 16,51% 64,26% ? 0,035% Hier tritt das wechselseitige Verhältnis zwischen Zuckergehalt und Stärkeansammlung deuthch hervor. Aus den weiteren Untersuchungen in dieser Richtung ist hervorzu- heben, daß wiederholt konstatiert wurde (4), daß noch während der Gelb- reife des Getreides eine Amylumspeicherung erfolgt, wenn bereits der Eiweiß- gehalt seine definitive Höhe erreicht hat. Im letzten Reifestadium ändert sich nur der Wassergehalt und das Korn trocknet ein. Die Ablagerung der Stärkekörner beginnt am Chalazaende des Nährgewebes und setzt sich gegen den Embryo weiter fort (5). Nach Thatcher und Watkins (6) ist der Einfluß der Beschattung auf die Stärkebildung recht bedeutend. Der zur Stärkebildung nötige Zucker dürfte vor allem in den oberen Halm- 1) B. Lucanus, Landw. Versuchsstat., 4, 147 (1862). — 2) Storer u. Lewis, Zentr. Agrik.chem. (1879), p. 73. — 3) Portele, Landw. Versuchsstat., 32, 241 (1885). — 4) Balland, Compt. rend., 106, 1610 (1888). Hebert, Ann. agronom., /;, 97 (1891). D6HERAIN u. Dupont, Compt. rend., 133, 774 (1901). C Janson, Dies. (Jena 1907). Brenchley u. A. D. Hall, Journ. Agric. Sei., 3, 195 (1909). — 5) Brenchley, Ann. of Botan., s6, 903 (1912). — 6) R. W. Thatcher u. Wat- kins, Journ. Amer. Chem. Soc, 2p, 764 (1907). Zwölftes Kapitel: Die Bildung der Reservekohlenhydrate in Samen. 45] teilen und Blättern erzeugt werden. Die Reifung der Frucht von Phaseolus hat Pfenninger (1) behandelt. Das Verhalten von abgelösten unreifen Samen, die sog. Nachreife derselben, wurde schon von Lucanus geprüft und späterhin namenthch von JoHANNSEN (2) näher untersucht. Dieser Forscher erwähnt auch das Yorjcommen von Invertin und Diastase in unreifer Gerste und Erbse. Die Natur der in unreifen Samen auftretenden Kohlenhydrate ist mehrfach untersucht worden, ohne daß abschließende Ergebnisse zu ver- zeichnen wären. Müntz(3) fand in Roggen, Weizen, Gerste und Hafer vor der Reifung große Mengen von Lävulin oder Synanthrose. Un- reifer Roggen enthielt hiervon bis 45%. Dieses Kohlenhydrat ist ge- schmacklos, optisch inaktiv, nicht reduzierend und gibt bei der Hydrolyse Glucose und Fructose. Es wird von seinen Inversionsprodukten begleitet Mit zunehmender Reife verschwindet es in dem Maße als die Stärke auftritt. Nur reifer Roggen enthielt noch etwas Synanthrose, die anderen Gräser Rohrzucker. Dextrin wurde in unreifen Samen nicht gefunden. Tanret(4) gibt sein Lävosin nicht nur von reifen Getreidekörnern an, sondern auch von verschiedenen Reifungsstadien. Dieses Kohlenhydrat ist linksdrehend, reduziert nicht, ist nicht gärfähig und wird durch Diastase nicht verändert. Nach Jessen-Hansen (5) sind in unreifem Roggen mindestens 5 Kohlenhydrate enthalten, die in Alkohol löslich sind: Glucose, Fructose und Rohrzucker, sodann wahrscheinlich die von Schulze und Frankfürt in jungen grünen Roggenpflanzen entdeckte Secalose, endlich ein amorphes linksdrehendes Kohlenhydrat der Zu- sammensetzung (CijH220io)2, welches Jessen als Apopeponin bezeichnet. Es gibt bei der Spaltung Fructose, zeigt die Probe nach Seliwanoff, reduziert Fehling nicht und ist unvergärbar. In Nacktgerste und Weizen kommt das Apopeponin ebenfalls vor, jedoch nicht in Avena. Rohrzucker spielt als Intermediärstoff im Kohlenhydratstoffwechsel reifender Samen oft eine sehr wichtige Rolle und findet sich z. B. in Pisum in großen Mengen gehäuft, wo man 5 — 28 % des Frischgewichtes auf Rohrzucker rechnen kann und 26—53% auf Stärke (6). Plato(7) fand eine ausgesprochene Wirkung der Kalidüngung auf die Saccharose- bildung bei Pisum, die durch folgende Zählen illustriert wird: Kaligehalt 18,0 Kaligehalt 5,9 Unreif Reif Unreif Reif Wasser . . . 77,33 75,28 81,64 79,84 Saccharose . . 5,49 7,10 1,22 1,72 Glucose- . . . 2,90 2,53 0,98 0,85 Bemerkenswert ist es, daß bei der Reifung Amylum führender Samen bisher noch kein einziges der beim Stärkeabbau entstehenden Kohlenhydrate aufgefunden werden konnte, so daß es völlig zweifelhaft bleiben muß, ob die auch in unreifen Samen vorkommende Diastase als synthetisches Enzym die Stärkebildung aus Glucose über Maltose, Dextrin, Amylodextrin katalysiert. Die einzigen Beobachtungen, die ein Licht auf 1) U. Pfenntnger, Ber. Botan. Ges., 27, 224 (1909). — 2) W. Johannsen, Just Jahresber. (1897), /, 143. — 3) A. Müntz, Ann. Sei. Nat. (7), jj, 45 (1886); Compt. rend., 87, 679. — 4) Tanret, Compt. rend., 112, 293 (1891). — 5) H. Jessen- Hansen, Carlsberg Labor. Meddel., 4, 145 (1897). — 6) Frerichs u. Rodenberg, Arch. Pharm., 243, 675 (1905). — 7) G. de Plato, Ann. staz. chim. agric. sper. Roma (2), j, 195 (1909). 29* 452 Zwölftes Kapitel: Die Bildung der Tleservekohlenhydrate in Samen. die Genese der Stärke zu werfen imstande ist, sind die interessanten Feststellungen von Maquenne sowie Wolff und Fernbach über die Amylokoagulase(l). Nachdem Maquenne die an anderer Stelle bereits ausführlich gewürdigte Tatsache aufgefunden hatte, daß klarer Stärke- kleister nach längerer aseptischer Aufbewahrung Klümpchen abscheidet, welche mit der Stärkecellulose der natürlichen Stärke korrespondierende Eigenschaften haben, entdeckten Wolff und Fernbach, daß grüne Getreidekörner eine Substanz enthalten, die diese Veränderung der lös- lichen Stärke bedeutend beschleunigt und welche die Eigenschaften von Enzymen besitzt. Dieses Stärke zur Ausscheidung bringende Enzym wurde als Amylokoagulase bezeichnet. Es ist auch in verschiedenen reifen und keimenden Samen, Blättern und anderen Organen nach- gewiesen. Die Amylokoagulase ist also ein Katalysator der Retro- gradation der Stärke oder der Umwandlung der Amylose in die früher sogenannte Amylocellulose. In einem gewissen Sinne gehört sie zu den synthetisch wirkenden Enzymen. Da die Amylokoagulase durch niedrigere Temperaturen zerstört wird als die Diastase, so kann man dem Malzauszug durch o Minuten langes Erhitzen auf 65*^ wohl seine stärkekoagulierende Wirkung, nicht aber die Stärke verzuckernde Wirkung nehmen. Ma- quenne meint zwar, daß das entstehende Produkt wefentlich mit Amylo- cellulose zusammenfällt, die direkt keine Jodrenktion gibt, wohl aber durch Ätzalkalien leicht in jodbläuende Amyli-sa verwandelt werden kann; doch hebt er hervor, daß voraussichtlich eine ganze Reihe ver- schiedener einander sehr ähnlicher Dehydratationsprodukte entstehen dürfte, die in dem Niederschlage enthalten sind. Bei Keimblättern von Phaseolus und Lupinus albus konnte Purie- wiTSCH(2) erreichen, daß sie ihren Stärkevorrat, auf einem Gipssäulchen befestigt und mit größeren W^assermengen im Kontakt, entleerten, sich aber wieder mit Stärke füllten, wenn man das Gipssäulchen in Zucker- lösung stellte. Eine Wiederfüllung künstlich entleerter Endosperme von Mais gelang jedoch nicht, sondern nur die einmalige Entleerung. Offenbar hängt dies mit der Organisation und Lebensdauer dieser Organe zu- sammen, da die Cotyledonen der genannten Pflanzen normal einige Zeit weiterwachsen und selbständig assimilieren, während das Grasendosperm seine Lebensfunktionen mit der Erschöpfung seiner Inhaltsstoffe durch den Embryo abschließt. Erwähnt sei noch, daß Maze (3) in unreifen Samen von Mais und Pisum Acetaldehyd nachgewiesen hat, welcher in reifen Samen fehlt. Jedenfalls wird nicht, wie dieser Forscher meint, allein dadurch das Auskeimen im unreifen Zustand verhindert werden. Vielleicht hängt die Aldehydbildung mit der Zuckerveratmung zusammen. Die von Albo(4) in unreifen Samen regelmäßig aufgefundene Substanz, die sich durch ihre Bräunung beim Zusammenbringen mit Alkali aus- zeichnet, ist offenbar ein aromatischer Stoff, der mit dem Kohlenhydrat- stoffwechsel näheres nicht zu tun hat. 1) Maquenne, Compt. rend., 137, 88 u. 797 (1903); /j5, 49, 213 u. 375. Wolff u. Fernbach, Ebenda, 137, 718 (1903); 138, 819 (1904); Ann. Inst. Pasteur, / »5 Scorzonera hispanica 9,66% 35,66% 26,19% 57,7 % 44 0 0/ 19^0 % im Frühjahr 35,1 % 5,55% 9,7 % 58,0 % 17.4 % 17,87% 46,25% 58,0 % 18.5 % 57,79% 39,65% 24,0 % im Oktober 1,74% im März 31,64% Rundqvist, 1. c. Koene, 1. c. Draggendorff, 1. c. Rundqvist, 1. c. Draggendorff. König, Zusammensetzung der Nahrungsmittel usw. Rundqvist. Kellner. Landw.-Vers., jo» 42 (1881). Rundqvist. A. Mayer, Jahresber. Agr. Chem. (1883), p. 352. Rundqvist. ,, Draggendorff. Rundqvist, 1. c. 1) Leucojum: Ehrhakdt, Juet Jahresber. (1894), /, 392. Galanthus: Fischer, 1. c. p. 87. Scilla: Keegan, Naturalist, 28, 229 (1903). Canna: DiCKSTElN, Just Jahresber. (1875), p. 828. Die von Schmidt, Ebenda (1879), /, 11 bei Polygonaceen beobachteten Sphärite haben mit Inulin nichts zu tun. — 2) C. v. Nägeli, Sitz.ber. Münch. Akad. (1862), /. Gramer, Denkschr. Schweiz. Naturf. Ges , jo, 16 (1887). — 3) V. Rose, Gehlens Neues allgem. Journ. d. Chem., j, 217 (1804). — 4) Funcke, Ann. de Chim. et Phys., 7Ö, 98. Gaultier de Claubry, Ebenda, 94, 200 (1815). — 5) Thomson, Systeme de Chim., 8, 82. — 6) G^utier, Ann. de Chim. et Phys. (2), 8, 101 (1818). KoENE, Ebenda (2), S9, 327 (1885). — 7) Payen, Journ. de Pharm., 7 (1823); Schweigg. Journ., jp, 338 (1823). — 8) Braconnot, Ann. de Chim. et Phys. (2), 25, 358 (1824). — 9) Parnell, Lieb. Ann., 39, 213 (1841). Crookewit, Ebenda, 45, 184 (1843). WoskIvESSENSKY, Journ. prakt. Chem., 37, 309 (1846). — 10) J. Sachs, Botan. Ztg. (1864), p. 77. § 2. Die Polysaccharide der Inulingruppe. 459 Der qualitative Nachweis von Inulin wird gewöhnlich durch die Bil- dung der Inulinsphärite beim Einlegen der Schnitte in absoluten Alkohol geführt oder auch durch Einlegen in Glycerin nach Kraus. Doch hat Tunmann (1) mit Recht auf die leicht mögUchen Verwechslungen mit an- deren Substanzen aufmerksam gemacht. Man kann auch die Probe mit Resorcin-HCl nach Seliwanoff gut verwenden, doch ist eine Vorbehand- lung der Ausscheidungen mit Weinsäurealkohol und längere Härtung des Inulins erforderhch. Die früher allgemeine Auffassung der Inuhnausscheidungen mit ihrem radialstrahhgen Bau, ihrer Schichtung und der ausgeprägten optischen Anisotropie als wahre Sphärite ist erst in neuerer Zeit, besonders auf Grund ihrer deuthchen Quellbar keit, von H. Fischer in Frage gestellt worden und es sind in der Tat manche Bedenken gegen die herkömmhche Auf- fassung geltend zu machen. Einmal scheint es, als ob die Substanz der Inuhnausscheidungen nicht einheitüch wäre, sondern als ob, ähnhch wie bei Stärke, eine größere Reihe nahe verwandter Anhydrierungsstufen kolloider Kohlenhydrate vorhanden wären. Die Inuünkugeln nehmen an Wasser löshch- keit allmähüch während des Liegens in Alkohol ab und werden schheßUch von Wasser bei Zimmertemperatur nur sehr langsam gelöst, während das na- tive Inuhn in jedem Verhältnis mit Weisser sofort in Lösung gebracht werden kann. Ferner hat Fischer hervorgeholDen, daß man in dem frisch bereiteten Saft aus Dahüa- oder HehanthusknoUen beobachten kann, wie sich Trü- bungen und Ausscheidungen bilden, die auch in viel kaltem Wasser nicht wieder löshch sind. Dies alles erinnert an die von Maquenne an Stärke- lösungen beobachtete Retrogradation und man wird die dort gezogenen Folgerungen auch auf das Jnuhn übertragen können. Vielleicht sind auch die von Tanret (2) durch fraktionierte Barytfällung aus Topinambur- knollen erhaltenen Kohlenhydrate der Inuhngruppe, Pseudinuhn, Inulenin, Hehanthenin und Synanthrin nur solche Fraktionen von verschiedenen Anhydrierungsprodukten des Inulins. Größere Mengen von Inuhn gewann Kiliani (3) aus Dahhaknollen im Herbst durch Zerreiben des Materials und Auskochen desselben unter Zusatz von Calciumcarbonat. Das eingeengte Extrakt hefert durch Aus- frieren Inuhnabscheidungen, die man durch nochmahges Ausfrierenlassen und Waschen mit Alkohol und Äther schheßhch rein erhält. Das native Inuhn ist in Wasser unbegrenzt löslich, in trockenem Zustand sehr hygroskopisch. Die wässerige Lösung reduziert ammoniakah- sches Silbernitrat, jedoch nicht FEHLiNGsche Lösung; sie gibt keine Jod- reaktion und ist hnksdrehend. Nach Lescoeur und Morell ist für Topi- nambur-InuUn [ajo = — 36,57" (4). Die Bestimmung des Molekulargewichtes des Inuhns ist oft versucht worden, doch sind die von Kiliani, Tanret, DÜLL, Brown und Morris angenommenen Werte wohl alle zu klein und die kryoskopische Methode hat hier ebenso wie die osmotische nur sehr unsichere Werte ergeben (5). H. Fischer schheßt aus plasmolytischen Beobachtungen an inuhnhaltigen Zellen, daß das Molekulargewicht etwa dem 300 fachen der Fructose entsprechen dürfte. Jedoch können dem Oben- gesagten zufolge dies im besten Falle Mittelwerte sein, da Inuhn wohl nur 1) O. TüNMANN, Ber. Pharm. Ges., 20, bll (1910). — 2) C Tanret, Compt. rend., ji6, 514; 117, 50 (1893). — 3) H. Kiliani, Lieb. Ann., 250, 147 (1880). — 4) Lescoeur u. Morels, Compt. rend., 87, 216 (1878); Bull. Soc. Chim., 32, 418 (1878). — 5) Tanret, Ebenda (3), 9, 227. Kiliani, 1. c. G. Düll, Chera.-Ztg. (1895), Nr. 9. Brown u. Morris, Jahresber. Agrik.chem. (1889), p. 369. 460 Dreizehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel unterirdischer Speicherorgane. eine Gruppe von nahe verwandten Kohlenhydraten einer Reihe darstellen wird. Dies hat man sich auch bei der Beurteilung der Hydrolyse vor Augen zu halten. Fructose wird aus InuUn bereits beim Kochen mit Wasser ab- gespalten. Verdünnte Mineralsäm'en zerlegen das Inuhn rasch und voll- ständig zu Fructose. Daß neben Fructose kleine Mengen von Glucose ent- stehen, ist wiederholt behauptet worden ; doch sind die Methoden zum Nach- weise so geringer Glucosemenge nicht sicher genug und dann könnte Glucose durch Umlagerung aus Fructose bei der Inulinzerstörung hervorgehen. Invertin greift nach Kiliani das Inulin nicht an, sondern nur die in keimen- den Knollen und bei Pilzen vorkommende Inulase kann als das typische inuhn^paltende Enzym angesehen werden. Honig und Schubert (1) haben angebhch aus Inuhn verschiedene dextrinartige Produkte beim Erhitzen erhalten, die sich voneinander durch ihr Drehungsvermögen, die Wasser- löshchkeit, Alkohollösüchkeit und ihre Fällbarkeit durch Ba(0H)2 unter- scheiden. Auch bei der Säurehydrolyse oder Spaltung mit heißem Glycerin sollen analoge Produkte zu beobachten sein, bevor die vöUige Spaltung zu Fructose eingetreten ist. Doch hält es Düll nicht für ausgeschlossen, daß es sich dabei nur um Reversionsprodukte handelt, wenigstens bei der Oxalsäurehydrolyse, und daß die Spaltung direkt zu Fructose führt. Die von Draggendorff (2) erhaltenen Fraktionen Metinulin, Lävinuhn und Pyrinulin, die durch verschieden langes Erhitzen im Autoklaven erhalten waren, sind Präparate von problematischer Bedeutung und sie dürften alle Gemische von Inulin, Fructose und verschiedenen Abbau- und Reversions- produkten gewesen sein. Daß die bei Compositen als Inulin bezeichneten Stoffe bei verschie- denen Arten als identisch betrachtet werden können, wurde durch mehrere Arbeiten der neueren Zeit wohl zur Genüge bewiesen (3). Ältere Forscher hatten öfters angenommen, daß diese Substanzen nicht in allen Fällen identisch seien. Vom Inuhn sicher zu unterscheiden ist die Synanthrose (Lä- vuUn), die gleichzeitig von Lefranc (4) und Popp (5) in den Knollen von Hehanthus tuberosus nachgewiesen worden ist. Lefranc hatte die Sub- stanz als „Inulose" bezeichnet. Dieses Kohlenhydrat ist nach Dieck und ToLLENS (6), welche es näher untersuchten, wohl im Oktober in den Knollen zugegen, jedoch nicht mehr im Dezember, wo nur Inuhn gefunden wurde. Es ist nur amorph bekannt, die wässerige Lösung ist optisch inaktiv, redu- ziert Fehhng nicht und hefert bei der Hydrolyse Fructose. Es ist so wie das Inuhn ein hochkolloidaler Stoff und wird von Bechamp (7) in seinem Verhältnisse zum Inuhn mit dem Dextrin im Verhältnis zur Stärke ver- ghchen. Monocotyledone Pflanzen enthalten häufig Polysaccharide, welche wie Inulin bei der Hydrolyse Fructose ergeben, jedoch sicher vom InuUn different sind. Dazu gehört zunächst das Sinistrin, von Schmiedeberg in der Zwiebel von Urginea Scilla entdeckt (8), identisch mit dem Scilhn 1) M. HONIG u. Schubert, Monatsh. Chem., 8, 529 (1887). — 2) Draggen- dorff, i. c. (1870). DuBRüNFAUT. Jahresber. Chem. (1867), p. 768. Ville u. JouLiE, Bull. Soc. Chim., 7, 262. — 3) Tanret, Journ. Pharm, et Chim. (5), 28, 57 (1893). BouRQUET,OT, Ebenda, p. 60. A. L. Dean, Amer. Chem. Journ., 32, 69 (1904). — 4) Lefranc, vgl. Fournier, Bull. Soc. Botan., 21, 60 (1874). — 5) G. Popp, Lieb. Ann., 156, 181 (1871). — 6) E. Dieck u. Tollens, Ebenda, 198, 228 (1879); Journ. f. Landw., 24, 117 (1876); 26, 187 (1878). Weyher von Eeide- meister, Diss. (Dorpat 1880); Jahresber. Agrik.chem. (1880), p. 106. — 7) BeohAmp, Bull. Soc. Chim. (3), 9, 212 (1893). — 8) O. Schmiedeberg, Ztsch. physiol. Chem., 3, 112 (1879). § 3. Stärke in unterirdiBchen Speicherorganen. Vorkommen von Mannan. 461 von RiCHE und Remont(I). Es kommt nach A. Meyer (2) bei Liliaceen wahrscheinlich weiter verbreitet vor, auch in Laubblättern, die Stärke vertretend. Das Rhizom von Polygonatum biflorum enthält nach Gorell (3) 39,8% der Trockensubstanz an Sinistrin. Vielleicht ist mit Sinistrin identisch das Irisin aus dem Rhizom mancher Irisarten, von Wallach (4) bei Iris Pseudacorus entdeckt, in I. sibirica durch BlezinCiER(5) gefunden, jedoch vermißt in itaüenischem Florentina-Rhizom. Keller (6) erklärte das Irisin, welches bei Iris in Gesellschaft reichhcher Stärkeablagerungen vorkommt, für identisch mit Sinistrin. Jedenfalls ist Irisin aber zu vereinigen mit dem in der knoUigen Halmbasis von Phleum pratense vorkommenden und auch im Rhizom von Phalaris arundinacea gefundenen Kohlenhydrat, welches Ekstrand und Johanson ursprünghch als Phlein bezeichnet hatten (7), Sinistrin wie die folgenden Stoffe sind vom Inuhn durch ihre viel geringere Neigung die sphäritartigen Ausscheidungen in Alkohol zu bilden, ver- schieden sowie auch durch ihre stärkere Linksdrehung in wässeriger Lösung. Die sonstigen Eigenschaften stimmen mit dem Inulin überein, auch darin, daß sie nicht durch Diastase angegriffen werden. Eine weitere Substanz dieser Gruppe ist das von H. Müller (8) als Tri ticin bezeichnete Reservekohlenhydrat der Queckenwurzel, mit dem sich später Reidemeister befaßte (9). Es spaltet bereits mit Wasser ge- kocht Fructose ab. Im knolligen Rhizom der Dracaena austrahs findet sich nach Ekstrand und Johanson ein sehr ähnlicher Stoff. Dieselben Autoren (10) gewannen aus den Rhizomen verschiedener Gräser: Trisetum alpestre, Agrostis, Calamagrostis, Festuca, Avena, ein in Sphäriten erhält- liches linksdrehendes Kohlenhydrat, das Graminin. Nach Harlay(11) enthalten die KnöUchen des Arrhenatherum bulbosum 7,5% desselben Stoffes. Graminin schmilzt bei 209". Nach den kryoskopischen Molekular- gewichtsbestimmungen von Ekstrand und Mauzelius (12) wären die For- mebi der angeführten Kohlenhydrate folgende: Triticin aus Dracaena ^36^62031, Graminin C48H80O40, Irisin CjgHieeOgo, Phlein C90H160O76. AnschUeßend sei noch erwähnt, daß von Lippmann (13) in der Rüben- zuckermelasse ein amorphes . wasserlösliches, bei der Hydrolyse Fructose heferndes Kohlenhydrat nachgewiesen worden ist. Ob dieses „Lävulan", dessen Lösung stark ünksdrehend ist, bereits präformiert in der Rübe vorkommt, ist nicht bekannt. § 3. Stärke in unterirdischen Speicherorganen. Vorkommen von Mannan. Stärke ist der am häufigsten vorkommende Reservestoff in Rhizomen, Knollen usw. In vielen Fällen wird sie höchstens von kleinen Mengen Rohrzucker begleitet und ist der einzige N-freie Reservestoff der Speicher- 1) A. RiCHE u. Remont, Journ. Pharm, et Chim. (5), 2, 291 (1880V — 2) A. Meyer, Botan. Ztg. (1885), p. 490. — 3) Gorell, Ju.st Jahresber. (1892), //, 378. — 4) Wallach, Lieb. Ann., 234, 3G4 (1886); Ber. Cheni. Ges., 2/, 39t) (1888). — 5) Th. Blezinger, Diss. (Erlangen 1892); Botan. Zentr., 59, 279. — 6) H. Keller, Botan. Zentr.. 60, 114 (1894). — 7) A. Ekstrand 11. Johanson. Ber. Chem. Ges., 20, 3310 (1887). — 8) H. Müller, Arcb. Pharm. (3). 2, bW (1873). — 9) A. W. V. Reidemeister, Just Jahre.^ber. (1880). /, 438. — 10) Ekstrand u. Johanson, 1. c. (1887); Ber. Chem. Ges., 21, 594 (1888) — 11) Haklay, Chcm.-Ztp. (UlOl), p. 217. — 12) A. G. Ekstrand u. R. Mauzelius, Chem.-Ztg., /j, 1302, 133^. — 13) Lippmann, Ber. Chem. Gea., 14, 1509 (1881). 462 Dreizehntes Kapitel: Der Kohleiüiydratstoff Wechsel unterirdischer Speicherorgane. Organe; in anderen Fällen ist außerdem Rohrzucker, Inulin, schleimiges Kohlen hydrat, wie Mannan, aber auch Fett, z. B. in den Knollen von Cyperus esculentus, in erheblicher Menge zugegen. In den perennierenden Rhizomen pflegen die Stärkekörner regel- mäßig eine Reihe von Lösungs- und Wachstumsvorgängen durchzumachen, und im Zusammenhange damit sind Ungleichheit der Schichten und Unter- brechung von Schichten der Körner hier sehr häufige Erscheinungen. Schon Nägeli(I) hob das Vorkommen exzentrisch gebauter Stärkekörner in unterirdischen Organen hervor und später hat Meyer (2) diese Verhältnisse sehr eingehend studiert. Meyer nennt derartige Stärkekörner „polyton", im Gegensatz zu den allseits mit geschlossenen Schichten versehenen „mono- tonen" Körnern von Samennähr ge weben. Fälle von ausgeprägt polytonen Stärkekörnern zeigen u. a. die mehrjäJirigen Speichersprosse von Adoxa, die Zwiebeln von Hyacinthus, der Sproß von PeUionia. Es gibt aber auch genug typische Speicherwurzeln, -sprosse und -knollen, welche sich niemals erhebhch entleeren und in denen typisch monotone Stärkekörner aus- gebildet werden, z. B. in der Kartoffelknolle und im Irisrhizom. Stark polyadelphisch gebaute Stärkekörner sind bei unterirdischen Speicher- organen nicht häufig zu finden (Beispiele: Cypripedilum, Dorstenia, Arundo, Epimedium, Ghiococca). Einfache und zusammengesetzte Körner können auch in demselben Organ gemeinsam vorkommen und es zeigen diesbezüg- hch Arten derselben Gattung Differenzen. Manchmal ist die Form der Stärkekörner in Frucht und Knolle derselben Pflanzenart sehr ähnhch (Solanum tuberosum), während in anderen Fällen, z. B. bei Nymphaea, die Körnerform in den verschiedenen Organen nicht übereinstimmt. In der Regel zeigen die Stärkekörner in unterirdischen Speicher- organen chemisch völhg normales Verhalten, d. h. geben die gewöhnhche blaue Jodreaktion und bestehen zum größten Teil aus der löshchen Amylose, j5-Amylose Meyers, und zum geringeren Teile aus Amylocellulose. Die Stärkekörner der MarantaknoUen führen nach Meyer relativ sehr viel Amylocellulose. Rotfärbung durch Jod beobachtete Mac Dougal (3) bei den Stärkekörnern der Knollen von Isopyrum biternatum, HüSek bei den Amylumkörnern in der Wurzelhaube von AUium Cepa (4). Über die Verbreitung von Stärke in unterirdischen Speicherorganen finden sich sehr zahbeiche Angaben in Nägelis umfassendem Werke. Die Gruppen von Farnpflanzen, Monocotyledonen, Eleutheropetalen und Sym- petalen, in deren unterirdischen Organen reichhch Stärke vorkommt, sind so zahlreich, daß hier eine Übersicht zu weit führen würde und auf Nägelis Angaben verwiesen werden darf. Interessant ist es, daß unter gewissen Bedingungen Stärke in Speicherorganen auftritt, wo sie normal sonst fehlt. So ist es bekannt, daß bei der Zuckerrübe infolge von Spaltenbildung im Gewebe bei abnorm reichem Zuckergehalt Stärke vorkommt (5). MoL- LIARD (6) fand, daß die sonst stärkefreien Radieschenwurzeln in Nähr- lösung gezogen reichhch Amylum ablagern. Es braucht nicht hervor- gehoben zu werden, wie stark die Steigerung der Stärkeablagerung zunimmt, wenn Pflanzen aus dem wilden Zustand in Kultur genommen werden. Peckolt(7) konstatierte, daß wilde holzige Manihotwurzeln nm* 5,193% 1) Nägeli, Stärkekörner (1858), p. 391. — 2) A. Meyer, Stärkekörner (1895), p. 189. — 3) D. T. Mac Dougal, Minnesota Botan. Stud. (March. 1896). — 4) G. HusEK, Botan. Zentr., go, 549 (1902); Sitz.ber. Kgl. böhm. Ges. d. Wiss. Prag (1902). — 5) Peklo, Ztsch. f. Zuckerindustr. Böhmen, jj, 438 (1909). — 6) Molliakd, Compt. rend., 139, 885 (1904). — 7) Th. Peckolt, Ber. Pharm. Ges., 16, 22 (1906). § 3. Stärke in unterirdischen Speicherorganen. Vorkommen von Mannan. 463 Amylum enthielten, während dieselben nach vierjähriger Kultur 13,469% Amylum aufwiesen, wobei sich gleichzeitig der Blausäuregehalt verminderte. Bei unseren Kulturrassen hat sich diese Steigerung des Stärkegehaltes vielleicht zur erblichen Eigenschaft entwickelt. Beziehungen zur Stärkeablagerung im Samennährgewebe sind für die Stärkebildung in Rhizomen nicht aufzufinden. Oft wird im Samen reichhch Fett, im Rhizom aber reichhch Amylum gespeichert. Die Reindarstellung der Stärke erfolgt nach A. Meyer durch Aus- waschen des zerriebenen Materials mit Wasser, Absetzenlassen und wieder- holtes Waschen mit ammoniakhaltigem, schheßhch mit reinem Wasser. Das westindische Arrow- Root aus den Knollen der Maranta arundinacea ist ein sehr reines Produkt, welches für biochemische Zwecke vollständig rein erhalten werden kann. Fernbach nimmt an, daß Stärke aus Kartoffel- knollen immer organisch gebundenen Phosphor enthält (1). HinsichtUch der quantitativen Bestimmung der Stärke in unterirdischen Speicherorganen sei die von Baumert und Bode (2) ausgearbeitete Methode zur Bestimmung der Kartoffelstärke namhaft gemacht. Die lufttrockenen feingemahlenen Knollen (3 g) werden mit 50 ccm kalten Wassers digeriert, dann mit einer neuen Portion von 50 ccm Wasser 3^ Stunden bei drei Atmosphären erhitzt; sodann wird verdünnt, aufgekocht, ein gemessener Anteil hiervon mit NaOH versetzt, unter Zusatz von feinflockigem Asbest mit Alkohol gefällt und durch eine Asbeströhre filtriert. Der Niederschlag wird in HCl gelöst, durch Alkohol wieder gefällt. Es wird neuerhch filtriert, der Rückstand mit Alkohol und Äther gewaschen, getrocknet und gewogen. Endhch wird verascht und der Gewichtsverlust als Stärke in Rechnung gebracht. Man findet so in Kartoffeln 62,30—62,52% der Trockensub- stanz an wirklicher Stärke. Auch die polarimetrische Stärkebestimmung nach LiNTNER hat man auf die unterirdischen Speicherorgane angewendet (3). Praktisch kann man den größten Teil der Zahl für stickstoffreie Extraktstoffe in den älteren Analysen bei reichlicher Gegenwart von Stärke als Amylum rechnen. Ohne weitere Zahlenbelege hier beizubringen, sei bemerkt, daß in stärkereichen Rhizomen und Knollen ein Gehalt der Trocken- substanz von über 60% und der Frischsubstanz von 6—7% an Stärke nichts Seltenes ist. Als Dpxtrane wurden gummiartige Kohlenhydrate bezßichnet, welche bei der Hydrolyse Glucose liefern. Ein solches Dextran wurde in der Zuckerrübe aufgefunden (4). Auch beschrieb Yoshimüra(B) einen analogen Stoff aus den Wurzelknollen von Colocasia antiquorum. Von Mannose ableitbare Reservekohlenhydrate, die also als Mannane zu bezeichnen sind, haben sich in den unterirdischen Speicherorganen von Monocotyledonen mehrfach auffinden lassen. Im Rhizom von Hydrosme (Amorphophallus) Rivieri var. Konjaku (Araceae) wurde Mannan zu 50% der Trockensubstanz durch Tsuji (6) konstatiert. Kinoshita und Tsuka- MOTO (7) fanden, da^ hier sowohl ein mit Wasser zu einem Schleim lösliches wie ein in W^asser unlösliches Mannan vorkommt. Nach Parkin (8) ist 1) A. Fernbach, Compt. rend.. 138, 428 (1903). — 2) G. Baumert u. H. Bode, Ztsch. angewandt. Chem, (1900), p. 1074. — 3) Fr. Schubert, Osterr.-Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 40, VI (1911). — 4) Scheibler u. Dümichen, Jahresber. Agnk.chem. (1890), p. 250. - 5) K. Yoshimura, Coli. Agr. BuU. Tokyo, 2, 207 (1895). - 6) C Tsuji, Landw. Verguchsstat., 44, 436 (1894). O. Loew, Ebenda (1895), p. 433. — 7) Kinoshita, Bull. Coli. Agr. Tokyo. 2, 206 (1895). M. Tsukamoto. Chem. Zentr, (1897), /, 933. — 8) Parkin, Botan. Ztg. (1901), //, 303. 464 Dreizehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel unterirdischer Speicherorgane. ein Mannan als Reservestoff in Liliumzwiebeln vorhanden. Die Schleim- zellen der Orchideen endlich, deren anatomische Verhältnisse durch HART\yiCH(l) und Birger (2) studiert worden sind, enthalten schleimige Kohlenhydrate, die in manchen Fällen, wie bei Herminium Cellulose- schleime sind, die der Zellmembran entstammen, in anderen Fällen hin- gegen aus Zellinhaltstoffen entstehen. Gans und Tollens(3) fanden, daß bei der Hydrolyse von Salepschleim Glucose und Mannose entstehen. Hingegen zeigt das Ausbleiben der Schleimsäurebildung nach Oxydation mit HNO3, daß Galactane abwesend sind. Salepschleim ist in Wasser löslich, ist nach Pohl (4) durch Na^SOi, MgSO^ und (NH4)2S04 aus- zusalzen, wodurch man fraktionierte Fällungen von verschiedenen Kohlen- hydraten des Salepschleimes darstellen kann. Nach Draggendorff (5) enthalten die Orchideenknollen 48 % Schleim, 27 % Stärke und 1 % Zucker. Orchideenmannan wird nach Herissey(6) durch ein Enzym aus Leguminosensamen (Seminase) hydrolysiert. Von Mannan spaltenden Enzymen ist bislang nichts bekannt ge- worden. Sie finden sich im Tierreiche bei niederen Tieren (Gastro- poden) und werden bei höheren Tieren vermißt (7). Durch PoLiTis(8) ist die Angabe gemacht worden, daß im Schleim von Orchideen, z. B. der Knollen von Orchis Morio, und ferner auch bei Bromeliaceen, wie Bletia, Pitcairnia und Billbergia, Glykogen vor- kommt. Doch ist diese auffallende Verbreitung des Glykogens noch zu bestätigen. Galactan ist wohl im Althaeaschleim vorhanden, da derselbe, mit HNO3 oxydiert, Schleimsäure liefert. Dieser Schleim ist im Inhalte dünnwandiger Zellen enthalten, welche im stärkereichen Parenchym- gewebe zerstreut liegen. Althaeaschleim ist unlöslich in Kupferoxyd- ammoniak und gibt keine Reaktion mit Jodjodkalium oder Ghlorzink- jodlösung. Buchner fand in Althaeawurzel 35 % Schleim und 37 % Stärke (9). Seignette gab an (10), daß die Knollen vonStachys affinis Bge. 75% Galactan enthalten, womit wahrscheinlich die Stachyose gemeint war. Ungewiß ist es hinsichtlich der von Boürquelot und Heris- SEY(ll) erwähnten Schleimsubstanz aus den Gentianarhizomen, die bei der Hydrolyse Galactose und Arabinose liefert, ob es sich im Sinne dieser Autoren um einen pektinartigen und nicht in Lösung gehenden Zellwandbestandteil handelt oder um einen Reservestoff. Die gleiche Frage ist auch bezüglich des von Lippmann (12) in der Zuckerrübe nach- gewiesenen Galactans noch offen. Eine wirkliche Reservecellulose, welche in Form von Zellwandver- dickungen auftritt, ist nach den Angaben von Schellenberg, sowie Schulze und Castoro(13) in dem untersten Halminternodium von Molinia coerulea 1) C. Hartwich, Arch. Pharm., 228, 563 (1890). — 2) S. Birger, Arkiv f. Botan., 6, Nr. 13 (1907). — 3) Gans u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 21, 2150 (1888); Lieb. Ann., 24g, 254 (1888). Hilger, Ber. Chem. Ges., 36, 3199 (1903). Vgl. auch Payen, Compt. rend., 25, 380 (1847). — 4) J. Pohl, Ztsch. physiol. Chem., 14, 151 (1889). — 5) Zit. in Flückiger, Pharmakognosie, 3. Aufl., p. 347. — 6) Herissey, Compt. rend., 134, 721 (1902). — 7) Vgl. Gatin, C. r. Soc. Biol. (20. Mai 1905). — 8) J. POLITIS, Atti Accad. Line. Rom. (5), 20, II, 431 (1911). — 9) FlÜckiger, Pharmakognosie (1891), p. 374. — 10) A. Seignette, Bull. Soc. Botan. (1889), p. 189. — 11) Boürquelot u. Herissey, Journ. Pharm, et Chim., 8, 49 (1898). — 12) Lippmann, Ber. Chem. Ges., 20, 1001 (1887). — 13) H. C Schellenberg, Ber. Schweiz, botan. Ges. (1897). VII. Schulze u. Castoro, Ztsch. physiol. Chem., 39, 318 (1903). § 4. Veränderung d. KohlenhydratreBerren w&hrendd. Ruhezeit v. Speicherorganen. 465 enthalten, wo sie im Markparenchym auftritt. Bei Hydrolyse liefert sie Xylose, Fructose und Glucose. Auch für Phleum wurde eine Hemi- cellulose angegeben (1). § 4. Veränderungen der Kohlenhydratreserven während der Ruhezeit von Speicherorganen. So wie in den holzigen oberirdischen Achsenteilen während der Winterruhe auf Kosten des vorhandenen Vorrates an Kohlenhydraten Bildung von Fett erfolgt, so finden wir auch in Knollen und Rhizomen Veränderungen der aufgestapelten Kohlenhydrate infolge niederer Tempe- raturen, welche hier allerdings, soweit bekannt, nicht in Fettbildung, sondern nur in einer Überführung von Stärke in Rohrzucker bestehen. Hiervon ist bisher übrigens nur ein einziger Fall, das Süßwerden der Kartoffeln infolge von niederen Temperaturen, näher untersucht, eine alt- bekannte Erscheinung, welche früher direkt auf das Erfrieren der Knollen bezogen wurde (2). Payen (3) war der Ansicht, daß die Vegetation bereits vor der Kältewirkung ihren Anfang genommen habe und daher die Zucker- bildung eingetreten sei. Nachdem auch neuere Arbeiten (4) hierin keine wesenthchen Aufklärungen gebracht hatten, gelang es 1882 MtJLLER- Thurgau (5) zu zeigen, daß die Zuckerbildung mit pathologischen Er- frierungsvorgängen nichts zu tun hat, sondern Temperaturen von 0—6" C vollständig ausreichen, um das „Süßwerden" der Knollen hervorzurufen. Die Erscheinung ist übrigens nicht bei allen Kartoffelsorten gleich intensiv ausgeprägt. Wichtig ist ferner der von MÜLLER konstatierte Umstand, daß der Versuch an im Herbst frisch ausgegrabenen Knollen nicht gelingt, sondern erst an Knollen, welche nach der Ernte mindestens einmonat- hches Lagern überstanden haben. Es hängt die in Rede stehende Erscheinung demnach unstreitig mit dem Vegetationsrhythmus und der Ruheperiode der Kartoffelpflanze zusammen. Bei Temperaturen oberhalb 9" C tritt das Süßwerden überhaupt nicht ein. Bringt man bereits süß gewordene Knollen in höhere Temperatur, so verschwindet der Zuckergehalt wieder. MÜLLER fülirte den Nachweis, daß die Zuckerbildung nur auf Kosten der vorhandenen Stärke erfolgen kann. Die Zuckeranhäufung währt unter Umständen mehrere Monate hindurch und kann so weit gehen, daß 3% des Frischgewicbtes der Knollen oder 12% der Trockensubstanz aus Zucker bestehen. Bringt man die süß gewordenen Kartoffeb wieder in gewöhn- hche Temperatur zurück, so werden nach Müller-Thurgau bei 20—30" C 80%, nach Bersch(6) 62% des gebildeten Zuckers wieder in Stärke zurück- verwandelt. Daß Lagern bei gewöhnhcher Temperatur Zuckerbildung in der Regel nicht erzeugt, haben auch Versuche von Saare (7) erwiesen. Der Zucker, welcher beim Süßwerden der Kartoffeln entsteht, ist nach Müllers Feststellungen besonders Rohrzucker. 1) Frear, Carter u. Browne, Peanaylv. Agr. Exp. Stat. Anuual Rep. (1905). — 2) Vgl. z. B. Meyen, Jahresber. physiol. Botan. (1838). p. 120. — SV Paykn, Compt. rend., 6, 275 (1838). Boussingault, Die Landwirtschaft in ihrer Beziehung zur Chemie, /, 256. Deutsche Übersetzung von Gräqer (1851). — 4) Z. B. : Paokl u. Maercker, Biedermanns Zentr. (1877), //, 263. — 5) Müller-Thüroaü, Landw. Jahrb., //. 744 (1882); 14, 909 (1885); Flora, loi, 309 (1910); 104, 387 (1912). Apple- MAN, Botan. Gaz., 52, 306 (1911); vgl. auch Marcacci, Just Jahresber. (1891), /, 47. — 6) W. Bersch, Chem. Zentr. (1896), //, 1121. - 7) O. Saark, Ztach. öpintus- industr. (1885), p. 454. Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. S. Aufl. ^^ 466 DreiKehntes Kapitel : Der EohlenhydratBtoffwechsel unterirdiBcher Speicherorgane. Die Bildung von Zucker aus Stärke bei Einwirkung niederer Tem- peraturen auf ruhende Speicherorgane ist gewiß eine sehr verbreitete Lebens- erscheinung und wurde auch an anderen Objekten (z. B. Brassica) konstatiert [Pagel und Maercker(I)]. Rosenberg (2) berichtete in neuerer Zeit über winterhches Verschwinden der Stärke in Knollen. Umfassende Unter- suchungen hierüber sind gewiß wünschenswert und würden wahrscheinüch auch zeigen, inwiefern die Vermutung berechtigt ist, daß die niedere Tem- peratur bei geeigneten Objekten Anwachsen der Fettbildimg auf Kosten der Reservestärke auszulösen imstande ist. §5. Die Resorption der Reservekohlenhydrate beim Austreiben von Speicherorganen. Wenn nach Ablauf der Ruheperiode von Rhizomen, Zwiebeln usw. das Wachstum der Pflanze wieder aufs neue anhebt, so geschieht be- kanntermaßen die Materialbeschaffung für die Lebenstätigkeiten auf Kosten der im Speicherorgan angehäuften Reservestoffe in derselben Weise wie das Wachstum der Keimpflanzen auf Kosten der Stoffe des Samen- nährgewebes eine Zeit hindurch unterhalten wird. In Versuchen von PuRiEwiTSCH (3) entleerten sich denn auch Zwiebelschuppen von Allium oder Hyacinthus, Rhizomstücke von Curcuma, Iris, Rudbeckia, Speicher- wurzeln von Ranunculus asiaticus, auf Gipsblöckchen befestigt, in das umgebende Wasser genau so, wie es bei isolierten Endospermen zu beobachten war. Nach quantitativ erfolgter Entleerung war es durch Einstellung in Zuckerlösung andererseits möglich, die Wiederanfüllung der Speichergewebe mit Stärke zu erreichen. Im natürlichen Laufe der Vegetation geht die Entleerung der Reserven sehr oft nicht so weit, daß der ganze Vorrat erschöpft wird. Die neu ausgetriebenen Blattsprosse führen bald wieder so viel an Kohlenhydrat zu, daß neuerlich ein Überschuß an Assimilaten über den Verbrauch resultiert. Diese biologischen Verhältnisse drücken sich darin aus, das teilweise bereits korrodierte Amylumkörner neue sekundäre Schichtenkomplexe anlagern, wie A. Meyer des näheren in seinen bio- logischen Monographien von Dieffenbachia, Adoxa und Pellionia aus- geführt hat In anderen Fällen hat das Speicherorgan nach vollendeter Entleerung seine Rolle ebenso ausgespielt, wie es bei Samennährgeweben die Regel ist, und es vollzieht sich in der folgenden Vegetationsperiode die Speicherung in einem neu angelegten Organ, wie es uns die Wurzel- knollen der Erdorchideen vor Augen führen. Für die Zuckerrübe gab GiRARD(4) an, daß der Zuckervorrat nicht merklich alteriert wird, wenn die Vegetationsverhältnisse Schwankungen unterliegen oder neue Blätter gebildet werden. Auf den gesamten Ursachenkomplex beim Austreiben, welcher nicht nur in chemischen und physikaüschen Einflüssen, die direkt einwirken, sondern auch in der Vorgeschichte des Organs, in den vererbten Organisa- tionseigentümhchkeiten zu suchen ist, kann hier unmöghch eingegangen werden. Soweit stoffüche Momente in Betracht kommen, sei erwähnt, 1) Pagel u. Maercker, Biedermanns Zentr. (1877), //, 263. — 2) O. Rosenberg, Botan. Zentr., 66, 337 (1896). — 3) Puriewitsch, Ber. Botan. Ges., 14, 207 (1896); Jahrb. wiss. Botan., j7, 1 (1898). — 4) A. Girard, Compt. rend., 102, 1489 (1886). § 5. Die Resorption d. R€servek<^hlenhy(lrale beim Austreiben v. Speicherorganen. 467 daß nicht die Masse der gespeicherten Stoffe die Wachstumsenergie beim Austreiben bestimmt, sondern der Zusammenhang offenbar ein sehr weiter ist(1). Bei den durch Lubimenko (2) erwähnten Beeinflussungen der Ver- arbeitung der Vorratstoffe durch selu" schwaches Licht, welches die Kolilen- säureassimilation an sich noch nicht ausreichend erhält, mögen chemische Prozesse wohl noch nicht als wesentlich bestimmendes Moment in Betracht kommen. Die Untersuchungen von Müller-Thurgaü und Schneider- Orelli (3) über den Einfluß des Vorerwärmens durch kurzo Zeit auf den Stoffumsatz bei Kartoffelknollen und Convallariakeimsprotseu haben er- geben, daß hierdurch sicher der Vorgang der Kohlenhydratumsetzung getroffen wii-d, namentlich tritt eine viel geringere Saccharoisespeicherang bei nachheriger Lagerung bei 0" ein, als bei nicht erwärmten Knollen. Diese Wii'kung ist ganz analog dem Zustande im Frühling, wo die Knollen ebenfalls die Saccharosespeicherung beim Einkühlen nicht mehr zeigen. Die Vorgänge der Stärkeresorption austreibender Knollen und Rhizome sind sehr oft näher studiert worden und es läßt sich hier leicht das Ver- schwinden der Amylummassen und das Auftreten von Zucker verfolgen. Daß hierbei amylolytische Enzyme in Betracht kommen, wußten schon Payen und Persoz. Baranetzky (4) konstatierte die Anwesenheit von Diastase in dem Rhizom von Iris, in Batatenknoilen, in austreibenden Stöcken von Daucus und Brassica. Das amylolytische Enzym wurde be- sonders reichlich in den den entstandenen Keimtiieben benachbai-ten Teilen der Speicherorgane gefunden (5). Ruhende Kartoffelknollen enthalten aber auch bereits Diastase, was Baranetzky noch nicht nachweisen konnte, später jedoch durch GrÜss (6) und Müller-Thurgau (7) dargetan wurde. Weitere Angaben über Diastasebefunde betreffen Rapbanus (8), Dioscorea (9) und andere Fälle, von denen nur noch die Zuckerrübe erwähnt sei, die wieder- holt mit positivem Erfolge auf Diastase geprüft worden ist (10). Die bei dem Austreiben der Knollen und Zwiebehi aus der Stärke entstehenden Zwischenprodukte sind noch wenig untersucht. Leclerc DU Sablon(11) gibt an, daß bei Ficariaknollen die Stärke von April bis Mai in Dextrin übergeht, letzteres weiter in Zucker, so daß im Sommer etwa die Hälfte der Reserven aus Zucker besteht. Dann nimmt die Amylummenge wieder zu. Nach Marcacci(12) ist in treibenden Kartoffelknollen reichhch Saccharose enthalten. Die Stärkelösung schreitet relativ rasch vor, so daß in Knollen mit 3— 4 cm langen Trieben bereits etwa ein Neuntel der vor- handen gewesenen Stärke verbraucht ist (13). Die Angaben, daß Rhizomtriebe Diastase sezernieren und z. B. Triebe von Cynodon beim Durchwachsen von Kartoffelknollen durch Enzymwirkung 1) Vgl. P. Christensen, Bull. Acad. Danemark (1908). — 2) VV. Lubimenko, Conipt. rend. (13. Mai 1907). — 3) Müller-Thtogau u. Schxkider-Orelli, Flora, iGi, 309 (1910); 104, 387 (1912). — 4) Baranetzky, Die stürkeumhildenden Fer- mente (1878), p. 17, 30, 57. A. ÄUyer, Joum. f. Landw., 48, 67 (1900). — 5) A. Prünet, Compt. rend., 7/5, 751 (1892); 114, Nr. 19 (1892). — 6) J. GrÜss, Jahrb. wi88. Botan., 26, 388 (1894). — 7) Müller-Thurgau, 1. c. (1910), p. 369. — 8) Saiki, Ztsch. physiol. Chem., 4S, 469 (1906). - 9) Bourquelot u. Bridel, Joum. Pharm, et Chim., j ichen Strom aus den Blättern Zustande- kommen könne. Die Untersuchun •, der Permeabiütät des Plasmas in den Blattzellen von Beta hat gewisse Unterschiede hinsichthch Glucose und 1) H. VöCHTiNG, Sitz.ber. Berlin. Akad., 34, 705 (1894). H. Fischer, Beitr. z. Biol. d. Pü., 8, 92 (1898). V. Gräfe u. Vouk. Biochem. Ztsch., 43, 424 (1912). — 2^ K. Andrlik u. Urban, Ztsch. Zuckerindustr. Böhm., jj, 83 (1908); 34, 335 (1910). — 3) Fr. Strohmer, Österr.-Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 35, 23 (1906); 37, 18 (1908); 40, I u. VI (1911); Wiesner-Festechrift, p. 479 (Wien 1908). S. Stra- kosch, Wien. Akad., 116, I, 155 (1907); Österr.-Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 35, 1 (1906); 41, U (1912); Ztsch. Ver. Deutsch. Zuckerindustr. (1907), p. 1057. — 4) H. DE Vries, Landw. Jahrb. (1879), p. 417. — 5) A. Girard, Compt. rend., p7. 1305 (1884); 99, 808 (1885); 102, 1324, 1489 u. 1565 (1886); 103, 72 u. 159 (1886). — 6) W. Ruhland, Ztsch. Ver. Deutsch. Zuckerindustr. (1912), p. 1 ; Österr.-Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 41, 713 (1912); Jahrb. wiss. Botan., 50, 200 (1911). — 7) W. Stephani, Kuhn-Archiv, /, 107 (1911). — 8) Gonnermann, 1. 0. (1898). Stoklasa, Hofmeisters Beitr., j, 493 (1903). Ruhland, 1. c. 470 Dreizehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel unterirdischer Speicherorgane. Saccharose zutage gefördert, die jedoch nach meiner Meinung zu gering sind, um eine Verwertung in unserer Frage zu finden. Ich glaube nicht, daß sich bisher eine Entscheidung zu Ungunsten der Rohrzuckerwanderung ergeben hat. Betreffs der Einwände Ruhlands gegen die Anwendung des von Ma- QUENNE (1 ) angeführten Prinzipes, daß der niedrigere osmotische Druck der Saccharoselösungen im Vergleich zu gleichkonzentrierten Glucoselösungen ein Agens bei dem Zuströmen des Traubenzuckers nach den Orten der Um- formung zu Rohrzucker darstellt, ist zu sagen, daß ich 1. c. selbst hervor- gehoben habe, daß die Saccharosebildung in den Blättern die Bedeutung dieses Faktors sehr herabsetzt. Ein Konzentrationsgefälle kann aber, wie ich gleichfalls bereits angeführt habe und worauf Ruhland nicht weiter zurückkommt, durch Zellsubstanzen der Wurzel gesetzt werden, welche Saccharose leichter lösen, analog der von Hofmeistek und Spiro so ge- nannten ,,physikahschen Selektion" (2), die bei der Adsorptionsspeicherung von Farbstoffen in gequollenen Leimplatten den ausschlaggebenden Faktor spielt. Inwieweit das nachgewiesene Invertin mit dem Rohrzuckertransport in Beziehung steht, läßt sich derzeit nicht sagen, wie überhaupt die ganze Frage, die vielleicht mehr praktisches als theoretisches Interesse besitzt, noch einer giündhchen Durcharbeitung bedarf. Stoklasa (3) hat auf die Bedeutung der KaUdarreichung für die Zuckerbildung bei Beta aufmerksam gemacht. Daß Kali die Saccharosebildung sehr fördert, hat man aber auch bei reifenden Samen gesehen (vgl. p. 451). Die Hypothese von Stoklasa, daß OH'-Ionenwirkungen hierbei im Spiele sind hätte zur Voraussetzung, daß Natrondüngung in gleicher Weise wirkt, was nicht der Fall zu sein scheint. BezügUch der Entwicklungsgeschichte der Stärkekörner in Speicher- sprossen sei nochmals auf die erwähnten monographischen Studien A.Meyers verwiesen, wo sich viele Angaben über die hierbei stattfindenden Wachstums- vorgänge finden. In den Untersuchungen von Vries (4) über den Transport von Kohlenhydraten in neuangelegte Kartoffelknollen wurde gezeigt, in- wiefern ältere Knollen einen Teil ihrer Reservemateriaüen an jüngere Reservestoffbehälter abtreten und nach Erschöpfung der Mutterknolle die assimilatorische Tätigkeit der Blätter die jungen Knollen mit Reservestoffen versieht. Der Gang des Stoffwechsels der heranreifenden Kartoffelknollen wurde durch Kreusler(5) und von Hungerbühler (6) verfolgt,; der letzt- genannte Autor gibt für den Gang der Stärkespeicherung vvährend des Sommers folgende Zahlen in Prozenten der Trockensubstanz: Reduzierender Zucker Nach Inversion reduzierender Zucker . Stärke 56,7 PrunET (7) fand, daß die Reservestoffe der Kartoffel sich besonders in der Nähe der vorderen Knospen ablagern, die später auch bei der Keimung besonders rasche Entwicklung zeigen. Daß in unreifen Kartoffelknollen tatsächhch reichhch Saccharose vorkommt, haben Schulze und Seliwa- 23. Juni 30. Juni 7. Juü 6,40 0,33 0,72 — 4,50 4,69 56,7 61,3 66,3 1) L. Maquenne, Compt. rend., 121, 834 (1896); Ann. agron., 22, 5 (1896). Bkasse, Ebenda, 12 (1886). — 2) Fr. Hofmeisteb, Arch. exp. PathoL, 28, 210 (1898). K. Spiro, Über physikal. Selektion: .HabiUt. -Schrift (Straßburg 1897). — 3) J. Stoklasa, Ztsch. landw. Versuchswes. Österr., 15, 711 (1912), — 4) Vries, Landw. Jahrb. (1878), p. 591. Vgl. auch Befunde von A. GIrard, Compt. rend., 116, 1148 (1893). — 5) U. Kreusler, Just Jahresber. (1886), /, 157. — 6) F. Hungerbühler, Landw. Versuchsstat., 32, V, 381 (1886). — 7) Prunet, Rev. g^n. Botan., 5, 49 (1893). Vierzehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel in Sproßorgan, u. Laubknospen. 47 1 N0FF(1) erwiesen. Auch hat Leclerc du Sablon (2) Saccharose bei der Stärkespeicherung in Orchideeuknollen (Ophrys) vorgefunden. Die Inuünspeicherung in Reservestoffbehältern ist noch wenig bekeinnt. Nach den erwähnten Untersuchungen von Vöchting und H. FisCHER wird wenigstens ein Teil des Inuhns bereits fertig, oder als ein dem Inulin sehr nahestehender Stoff, den Knollen aus den oberirdischen Teilen zu- geführt. Jugendhche Knollen von Dahha und Helianthus enthalten aber auch viel Fructose und optisch inaktive, leicht in Fructose überzuführende amorphe Kohlenhydrate, wie Lävinuhn [Draggendorff (3)] und Inuloid [Popp (4)]. Inwieweit die Beobachtung von H. Fischer (5), daß der Preßsaft aus halbwüchsigen Topinamburknollen, welcher deutlich Zuckerreaktion zeigt, nach einiger Zeit ruhigen Stehens keinen Zucker mehr nachweisen läßt, zum Verständnis der Kondensation des Zuckers zu Inuün verwertbar sein kann, ist noch nicht näher untersucht. Vierzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel in Sproßorganen und Laubknospen. § 1- In Sprossen vorkommende Kohlenhydrate. Als Speichergewebe für Kohlenhydrate in holzigen Stämmen fungiert das Phloemparenchym mit den phloemständigen Markstrahlen; wenn noch vorhanden, meist auch das primäre Rindenparenchym ; im Holze die Xylemstraiden und die Parenchymzellgruppen des Holzes. A.Fischer (6) sowie Strasburger (7) haben gezeigt, daß im Bedarfsfalle selbst wasser- leitende Elemente, die Tracheiden und Gefäße, wenigstens temporär als Behälter und Transportwege für Zucker in Stämmen herangezogen werden. Gelöste Stoffe, welche mit dem aufsteigenden Wasserstrom befördert werden können, vermögen auch in plasmaleeren Zellen zu ruhen und zu wandern, während natürlich die Entstehung der Stärkekömer an die Gegenwart von Protoplasma und plasmatischer Organe der Zelle geknüpft ist. Vielleicht gilt überhaupt für die Enzymwirkungen ähnliches, wenn auch noch zu untersuchen bleibt, wie weit etwa sezernierte Enzyme in tote Zellen der Umgebung vordringen können. Man kennt eine ganze Reihe von Zuckern und Kohlenhydraten als Reservestoffe der oberirdischen holzigen Achsenteile, und diese Stoffe zeigen in ihrem biochemischen Verhalten weitgehende Übereinstimmung mit dem, was von unterirdischen Speicherorganen in den vorangehenden Kapiteln dargelegt wurde. 1) E. Schulze u. Seliwanoff, Landw. Vereuchsstat., 34, 403 (1888). — 2) Leclekc du Sablok, Compt. rend., 125, 134 (1897). — 3) Draggendorff, Mater, z. Monogr. d. Inulin (1870); ferner Dubrünfaut, Jahresber. d. Cham. (1867), p. 768. Vn.LE, JouLiE, Bull. Soc. Chim., 7, 262. — 4) Popp, Lieb. Ann., 156, 190. — 5) Fischer, 1. c. p. 93. — 6) A. Fischer, Botan. Ztg. (1888): p. 405; Her. Botan. Ges., 4 (1886); Jahrb. wies. Botan., 22, 73 (1890). — 7) Ötrasbüroer, Bau u. Verrichtung d. Leitungsbahnon (1891), p. 877. 472 Vierzehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel in Sproßorgan, u. Laubknospen. Mannit kommt in holzigen und krautigen Sprossen vielleicht öfter vor, als in Rhizomen und Knollen. Vor allem ist Mannit typisch bei den Oleaceen, z. B. Olea, Fraxinus, Jasminum, in der Rinde zu finden (1), bei Evonymusarten (2), im Cambialsaft der Fichte (3), in der Zimt- rinde (4), in der Rinde von Canella alba (5, und von Warburgia Stuhl- manni(6), bei Genipa brasiliensis Mart.(7) und l^ei Basanacantha spinosa(8); außerdem noch in der Rinde von Platanus orientalis (9). Nach Tollens(IO) enthält frischer Saft aus Asparagus-Sprossen keinen Mannit, wohl tritt aber nach einigem Stehen darin Mannit auf. Wahrscheinlich spielen hierbei bereits mikrobische Zersetzungsprozesse eine Rolle (11). Dulcit wurde von einer Reihe von Beobachtern in der Rinde vieler Evonymusarten konstatiert (12), ebenso bei Celastrusarten und Schaefferia. Monteverde(13) berichtet, daß der Dulcit in Evonymus- zweigen während der Winterruhe aus den Geweben verschwindet, analog der Stärke in anderen Fällen, wahrscheinlich in Verbindung mit Fett- bildung. Die Befunde Fischers zeigen, daß viele Bäume in ihrem Holze selbst zur Winterszeit viel Zucker enthalten, so daß man hier die Hexosen mit zu den Reserven zählen darf. Doch soll nach den, allerdings nicht quantitativen, Untersuchungen Fischers der Glucosegehalt im Winter allgemein kleiner sein. Traubenzucker darf gewiß als allgemein ver- breitet gelten, wenn man sich auch meist damit begnügt hat, den Zucker- nachweis auf die Reduktionsprobe zu beschränken. Besonders in sac- charosereichen und stärkearmen Sprossen kommt regelmäßig viel redu- zierender Zucker vor, voraussichtlich Invertzucker. So ist es im Zucker- rohr, wo neben Saccharose stets Invertzucker vorhanden ist, nach Beeson(14) in den Knoten weniger als in den Internodien. Ganz junges Zuckerrohr enthält nach Prinsen-Geerliqs(15) etwa 3,5% Gesamtzucker, alle drei Zuckerarten zu gleichen Teilen. In den jungen Teilen des reiferen Rohres waren 1 7,3 % Gesamtzucker, wobei sich Fructose, Glucose und Saccharose verhielten wie 1 : 3 : 82. Im vöHig reifen Rohr kann die Fructose ganz verschwinden, ja selbst der gesamte reduzierende Zucker, wie WiLEY(l6) für manche Fälle konstatieren konnte. Ähnlich liegen wohl die Verhältnisse für Zea Mays, Panicum(l7) und andere Gramineen, unter diesen besonders bei den Bambuseen, deren Sprosse nach einer Untersuchung von Miyake und Tadoroko(18) keine Stärke, wohl aber 50% der Trockensubstanz an reduzierendem Zucker und Saccharose enthalten, unter denen Traubenzucker am reichlichsten vertreten zu sein 1) J. Stenhouse, Lieb. Ann., gi, 255 (1854). Jasminum: J. Vintilesco, Journ. Pharm, et Chim. (6), 25, 373 (1907); 29, 336 (1908). — 2) Paschkis, Pharm. Zentr. Halle, 25, 193 (1884). — 3) Kachler, Monatsh. Chem., 7. 410 (1886). — 4) Hanus u. Bien, Ztsch. Unters. Nähr.- u. Genußmittel, 12, 395 (1906). — 5) W. Meyer u. Reiche, Lieb. Ann., 47, 234 (1843). — 6) W. Lenz, Ber. Pharm. Ges., 20, 351 (1910).'— 7) KwASNiK, Chem.-Ztg., 16, 109 (1892). — 8) Grützner, Arch. Pharm., 233, 1 (1895). — 9) Jandrier, Just Jahregber. (1893), //, 461. — 10) B. TOLLENS, Journ. f. Landw., 5p, 429 (1911). — 11) JE. Busolt, Ebenda, 60, 393 (1912). — 12) Borodin, Just Jahresber. (1890), //, 299. Höhnel, Ebenda (1900), //, 42; Chem. Zentr. (1900), /, 869. Rogerson, Journ. Chem. Soc, loi, 1040 (1912). — 13) MoNTEVERDE, Just Jahresber. (1892), /, 442. — 14) Beeson, Amer. Chem. Journ., 16, 454. — 15) '^rinsen-Geekliqs, Chem.-Ztg., 20, 721 (1897). — 16) H. W. WiLEY, Journ. Amer. Chem. Soc., 25, 855 (1903). — 17) Zea: Istrati u. Oettinger, Compt. rend., 128, 1115 (1899); Chem. Zentr. (1900), /, 43. Panicum: Perrot u. Tassillt, Bull. Soc. Chim. (4), 3, 740 (1908). — 18) K. Miyake u. Tadoroko, Journ. Coli. Agric. Sapporo, 4, 251 (1912). § 1. In Sprossen vorkommende Kohlenhydrate. 47S scheint. Vom Stamme der Xanthorrhoea Preissii gibt Mann(1) 50,87% Kohlenhydrate bei 9,19% Wassergehalt an, worunter 10,25% redu- zierender und 15,86% nicht reduzierender Zucker waren. Auch junge Zweige von Taxaceen wurden als Glucose und Saccharose führend an- gegeben (2). Der Saft von Betula soll nach. Lenz (3) keine Glucose, wohl aber Fructose enthalten. Die Saccharose ist in Stämmen nicht selten in eriieblicher Menge angesammelt. Der Zucker aus dem Safte der Palme Arenga saccharifera hat nach den Analysen von D^ON (4) einen Gehalt von 87,97% Saccharose, 1,53% Glucose und 0,18% Fructose, womit die Angaben von Kendall überein- stimmen (5). Reichhcher Rohrzuckergehalt ist ferner bekannt von dem Safte der Stämme mancher Ahornarten, wie Acer saccharatum Marsh., bar- batum Michx., Floridanum Chapm., grandidentatum Nutt. in Nord- amerika (6). Reiner Ahornsaft enthält nach Wiley (7) keine Spur von reduzierendem Zucker. Nach Meiliäre (8) ist in der Rinde von Quillaja Saponaria Saccharose zugegen imd das dort früher angegebene Lactosin ist nur mit Saponin verunreinigter Rohrzucker gewesen. Beim Weinstock fanden Roos und Thomas (9) in den ersten 12 Wochen des Wachstums Saccharose in Blättern und Holz, später aber hauptsächhch Glucose. Mar- TINAND (10) fand, offenbar in späteren Lebensstadien, bei Vitis nur in der Wurzel sein* wenig, im Stamm gar keine Saccharose, wohl aber reichlich in Blatt und Fruchtfleisch, während Invertin in allen Organen nachzuweisen war. Saccharose fand sich sodann in Ranunculaceen (11), Ctaiferen und häufig überhaupt beiMonocotyledonen. Agavensaft enthält 9,55% Zucker (12). Bei Gräsern ist Saccharose der gewöhnhchste Reservestoff. Frisches Zucker- rohr enthält nach Vandesmet (1 3) 12—18% Rohrzucker und bis 0,7% reduzierenden Zucker. In den einzelnen Halmteilen (ein Halm wog durch- schnittlich 4,4 kg, war 48 mm dick und 2,6 m hoch) war an Zucker enthalten : Weiße Spitze Oberer Teil 0,4 m 0,525 m Saccharose . . 1,914% 7,790% Glucose . . . 2,367% 0,945 Der Stengel von Sorghum saccharatum enthält nach Wachtel (14) im unteren und mittleren Stengelteile 15,3% Rohrzucker, im oberen 16,9%. Im Sorghumzucker selbst fand HouCK(15) 92% Saccharose und 4,5% Glucose. Daß auch der Maisstengel viel Rohrzucker enthält, ist schon lange bekaimt(16). Panicum stagninum führt 10% Rohrzucker und 7% Mittlerer Teil Unterer Teil 1,05 m 0,525 m 14,055% 14,700% 0,207% 0,175% 1) E. A. Mann, Journ. Soc. Chem. Ind., 25, 1076 (1906). — 2) Ch. Le- FEBVRE, Arch. Pharm., 245, 493 (1907). — 3) W. Lenz, Ber. Dtsch. Pharm. Ges. /p, 332 (1909). - 4) P. H. Deon, Bull. Soc. Chim. (2), 32, 125 (1879). — 5) Ken dall, Chem. Zentr. (1910), /, 1622. Bourquelot, Journ. Pharm, et Chim. (6) 20, 193 (1904). — 6) W. Trelease. Missouri Botan. Gard., 5. Ann. Rep. (1894) p. 88. Hamilton, Tropenpflanzen, /j, 419 (1909). — 7) Wilet, Chem. News, 5^ 88 (1885). Lindet, Chem. Zentr. (1905), /, 827. — 8) Meillere, Bull. ßoc. Chim (3), 2s, 141 (1901). — 9) Roos u. Thomas, Compt. rend., 104, 593. — 10) Mar- TiNAND, Ebenda, 144, 1376 (1907). — 11) Remeanp, Soc. Biol., 61, 400 (1906). — 12) HouQH, Botan. Ztg. (1909), 2, 88. — 13) Vandesmet, Zentr. Agrik.chem (1878), p. 295. Ferner H. Winter, Botan. Zentr., 47, 46 (1891). Kobds, Med Proefstat. Ost-Java (1897). — 14) A. v. Wachtel, Zentr. Agrik.chem. (1880), p 344. Vgl. auch F. Meunier, Biederm. Zentr. (1880), p. 629. — 15) Houck, Pharm Journ. Transact. (1884), p. 969. — 16) Vgl. Pallas, Compt. rend., 2, 461 (1836) 474 Vierzehntes Kapitel : Der Eohlenltydratstoffwechsel in Sproßorgan, u. Laubknospen. Invertzucker (Perrot und Tassily). Daß in Bambusen reichlich Saccharose vorkommt, wurde schon erwähnt. Bei Mais, auch bei Panicum, fand man nach Kastrierung eine starke Zuckeransammlung im Halm (1 ). Raffinose wurde bisher nur in jungen Zweigen und Blättern von Taxus und verwandten Coniferengattungen gefunden (2). Stachyose kommt nach Vintilesco (3) neben Mannit in der Rinde von Jasminum vor. Von Interesse ist die Auffindung der Glucuronsäure durch Dmochowski und Tollens(4) in den Sproßteilen des Blumenkohls. Die Bedeutung der Stärke als Reservestoff in Baumstämmen wurde schon 1835 durch Th. Hartig(5) gebührend hervorgehoben. Manche Stämme, wie es von den Sagopalmen und Cycas bekannt ist, enthalten zu gewissen Lebensperioden außerordentlich viel Stärke. Das Mark der Palme Medemia nobilis enthält 66% Amylum(6). Hartig wußte bereits, daß die Stärkevorräte der Bäume (Fagus) nur zum kleinen Teile sofortige Verwendung im Frühling finden und daß eine erhebliche Abnahme von Reserven nur bei sehr reichlicher Samenproduktion eintritt. An anderer Stelle wurde bereits der winter- lichen Abnahme der Stärke und deren Überführung in Fett gedacht. Die Schwankungen des Gehaltes an Stärke und Zucker hat besonders Leclerc DU Sablon(7) in einer Reihe von Arbeiten behandelt. So ergaben sich für Castanea folgende Zahlen in Prozenten der Trockensubstanz: Zucker: Stärke: Stamm Wurzel Stamm Wurzel 11. Januar 4,0 1,9 20,7 25,3 26. Februar 4,3 4,7 20,4 21,0 28. März 2,7 3,3 18,8 21,4 20. Mai 2,3 3,1 17,6 16,7 22. Juni 2,1 3,6 18,3 18,2 27. Juli 2,6 3,6 18,5 20,7 12. September 2,2 1,8 23,7 28,5 19. Oktober 2,2 1,6 24,2 27,5 22. November 3,2 1,1 2r,5 27,8 26. Dezember 3,7 1,9 19,3 25,4 Während sich bei den laubwechselnden Bäumen das Stärkemaximum im Herbst ergab, liegen die Verhältnisse bei immergrünen Holz- pflanzen nach demselben Autor verschieden. So haben Eiche und Pinus austriaca ihr Maximum zu verschiedenen Jahreszeiten, Pinus im Mai das Maximum und für Anfang Juli das Minimum. Evonymus japonica hat ein Stärkemaximum im März. Über die Verhältnisse der Stärke in Obstbäumen, besonders Holz und Rinde des Birnbaumes haben Mana- resi und ToNEGUTTi Mitteilungen gemacht. Während die Rinde hier 7,41 % Amylum enthielt, wies das Holz 3,07 % auf (8). Diese Arbeiten enthalten auch nähere methodische Angaben über die Stärkebestimmung 1) E. Heckel, Compt. rend., iS5, 686 (1912). — 2) Heeissey u. Lefebvke, Joum. Pharm, et Chim. (6), 26, 56 (1907); Arch. Pharm., 245, 493 (1907). — 3) Vintilesco, Journ. Pharm, et Chim. (6), 29, 336 (1909). — 4) Dmochowski u. ToLLENS, Journ. Landw., 5«?, 27 (1910). — 5) Th. Hartig, Journ. prakt. Chera., 5, 217 (1835). Aüch Famiktzin u. Borodin, ßotan. Ztg. (1867), p. 385. Russow, Botan. Zentr., 13, 272 (1883). Grebnitzky u. Baranetzky, Ebenda, 18, 157 (1884). — ö) Gallerand, Compt. rend., 138, 1120 (1904). — 7) Leclerc du Sablon, Ebenda, 135, 865 (1902); 140, 1608 (1905); Rev. gön. Botan., 18, Nr. 205 (1906). — 8) Manaresi u. ToNEOUrrr, Staz. sper. agr. ital., 43, 705. 714, 758 (1910). § 2. Resorption und Bildung der Reservekohlenhydrate in Sproßorganen. 475 in holzigen Achsen. Über die Stärke im Periderm hat Pirotta Angaben gemacht (1). Die Stärkebewegung während des ersten Lebensjahres von Holzpflanzen hat für Acer Hämmerle (2) näher verfolgt. Die besonders morphologisch viel untersuchte und erwähnte Stärkescheide in der primären Rinde krautiger Sprosse ist nach Usslepp(3) nicht als eine Leitungs- formation, sondern als ein Depot aufzufassen, welches wohl mit dem Wachstum der Leitbündel in Beziehung zu bringen ist. Inulin kommt auch bei holzigen Compositen vielfach als Reserve- stoff vor (4). Nach Penzig ist dieses Kohlenhydrat auch im Stamm des Drosophyllum lusitanicum anwesend (5). Etti (6) meinte, daß die in Dahlia- und Helianthusknollen neben Inulin vorkommende Syuanthrose oder das Lävulin auch in der Eichenrinde vorkomme. Daß dies nicht der Fall ist, geht schon aus der Angabe hervor, daß das Eichenrindenlävulin bei der Hydrolyse außer Fructose noch Glucose liefert. Der Stoff ist optisch inaktiv, amorph, nicht süß schmeckend, Reservecellulosen dürften nach den Be(Ä)achtungen von Schellen- berg (7) als Reservestoffe in Holzpflanzen eine viel größere Rolle spielen als man bisher meist angenommen hatte. Sowohl die Zellwände der primären Rinde als die Membranen der Leptomparenchymzellen sind bei vielen Holzgewächseu im Winter stark verdickt und lassen im Frühling deutliche Auflösungserscheinungen erkennen. Weniger bestimmt ist die Bedeutung der als Hemicellulosen anzusprechenden Membran- bestandteile in den unverholzten Innenlamellen der Libriformfasern, die aber nach Schellenberg gleichfalls Lösungserscheinungen zeigen können. Über die Chemie dieser Stoffe ist noch sehr wenig bekannt. Storer(8) betrachtet auch die im Holze und in der Rinde der Bäume vorkommenden Pentosane allgemein als Reservematerial. Die Menge derselben ist aller- dings erheblich, doch ist es noch unbekannt, in welchem Ausmaße sie wirklich verbraucht werden können. Nach anderweitigen Analogien hätte man wohl für die Arabane, nicht aber für die Xylane die Rolle von Reservestoffen in Anspruch zu nehmen. Über Mannane und Galactane in holzigen Achsen ist noch sehr wenig bekannt. Freie Mannose gibt Tsukamoto (9) als exzeptionellen Befund in den Blattstielen der Hydrosme Rivieri var. Konjaku an, was anhangsweise hier erwähnt sei. §2. Resorption und Bildung der Reservekohlenhydrate in Sproß- organen. Aul diesem Gebiete überwiegen bisher weitaus die anatomisch- physiologischen Untersuchungen gegenüber dem chemisch-analytischen Wissensmaterial. Selbst die immer wiederkehrenden Angaben über Vor- kommen von Kohlenhydratenzymen sind hier nur spärlich. So werden 1) Pirotta, Malpighia, j. 61 (1889). — 2) Hämmerle, Ber. Botan. Ges., ig, 538 (1901). — 3) K. Usslepp, Beihefte botan. Zentr., 26, I, 341 (1910). Sonst ToNDERA, Sitz.ber. Wien. Ak., 118, I, 1581 (1909). V. Gregoire. Ann. See. Sei. Bruxell., 34, 5 (1910). — 4) G. Kraus, Botan. Ztg. (1877). p. 333. H. Fischer, Beitr. Biolog. d. Pfl., S, 89 (1898). — 5) Penzig, Untere, üb. Drosophyllum, Diss. (Breslau 1877). — 6) C. Em, Ber. Chem. Ges., 14, 1826 (1881). ~ 7) H. C Scheli.enberg, Ber. Botan. Ge.s., 23, 36 (1905). Vgl. auch Leclerc du Sablon, Rev. g^n. Botan. (Sept. 1901). Potter, Ann. of Botan., iS, 121 (1904). — 8) F. H. Storer, Bull. Bussey Inst. Boston, 2, 386, 437 (1897 u. 1900). — 9) Tsuka- moto, Bot. Mag. Tokyo, 10, Nr. 116, p. 74 (189G). 476 VierzehnteB Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel in Sproßorgan, u. Laubknospen. Invertin von Vitis(l), Maltase von Bambu-Schößlingen (2) angegeben, als vereinzelte Untersuchungsresnltate. Über die Diastase von Baumzweigen hat BuTKEWiTSCH (3) eine der wenigen Untersuchungen mit moderner chemischer Methodik geliefert; m der das Auftreten der Stärkehydrolyse in chloroformierten Zweigen bei höherer Temperatur bei Unterbrechung der Winterruhe behandelt wltu jind auch über Darstellungsversuche des Enzyms berichtet wird. Diastase ist von Kato in den stärkefreien Bambu- Schößlingen gleichfalls angetroffen worden, Nach Püriewitsch (4) bildet auch bei Zweigen der Austritt des Zuckers resp. Verbrauch der Reserven den Anstoß zur vollständigen Entleerung der gespeicherten Stoffe, und man kann z. B. durch Einstellen von Lindenzweigen in Wasser künstlich einen großen Teil der Reservestoffe als Glucose in daE. Wasser übertreten lassen und so eine Entleerung des Zweiges herbeiführen. Das Material, welches die anatomische Methodik geliefert hat, ist naturgemäß nur quali- tativer Art und bezieht sich auf die Feststellung der leitenden Bahnen, als welche, wie oben erwähnt, im Notfall auch die wasserleitenden Gefäße und Tracheiden in Anspruch genommen werden; ferner auf den Einfluß der Reservekohlenhydrate auf die Bildung neuer Gewebe, auf den cambialen Zuwachs und die Jahrringbildung (5), Auch der Zu- sammenhang mit der Bildung anderweitiger Stoffe des Stammes, so der reichlich vorhandenen Gerbstoffe mit den Reservemateriaüen, ist unter- sucht worden, allerdings bisher ohne bestimmtes Ergebnis (6). Klein- stück (7) gab an, im Cambialsafte Formaldehyd nachgewiesen zu haben und bringt diesen Stoff mit der Zellhautablagerung in den neuen Ge- weben in Beziehung. Vor allem wäre jedoch der Nachweis von Formal- dehyd durch sichere Methoden zu erbringen, nachdem die qualitativen Reaktionen sämtlich nicht verläßlich sind. Ausgedehnte Beobachtungen über den Gang der Reservestoff- verarbeitung und Verteilung bei Nadelhölzern und Fraxinus findet man in Arbeiten von H. Bauer (8), wo die Verhältnisse in den vier Haupt- stadien während des jährlichen Vegetationsganges behandelt werden. Das Zuckerrohr mit den Umwandlungsprozessen der Saccharose und Stärke ist durch Prinsen-Geerligs (9) ausführlich studiert worden, und von Interesse sind endlich die Versuche von Leclerc du Sablon(IO) über den Einfluß von Ringelungen auf den Stofftransport, die zu ver- schiedenen Jahreszeiten ausgeführt und von Analysen der betreffenden Stammteile begleitet wurden. Sehr häufig untersucht wurde (iie Zusammensetzung des zu den jungen Trieben aufsteigenden „Frühjahrssaftes" der Bäume, dessen Zucker- 1) Martinand, Compt. rend., 144, 1376 (1907). — 2) Kato, Ztsch. physiol. ehem., 75, 465 (1911). — 3) W. Butkewitsch, Biochem. Ztsch., 10, 314 (1908). — 4) K. PuKiEWiTSCH, Jahrb. wiss. Botan., 31, 29 (1898). — 5) Vgl. hierzu A. Wieler, Ebenda, 18, 70 (1887); Tharander forstl. Jahrb., 47, 172 (1897). JosT, Botan. Ztg. (1893), p. 89 (dort die ältere Literatur nachzusehen). R. Hartig, Botan. Ztg. (1892), p. 177. Lutz, Fünfstücks Beitr., /, 19 (1895). Ferner E. Wotczai-, Botan. Zentr., 41, 99 (1890). Tr. Müller, Botan. Zentr., 39, 31 (1889). J. Pässler, Tharander forsü. Jahrb., 2, 652 (1893). Für Bambusa: Shibata, Jouro. Coli. Sei. Imp. Un. Tokyo, 13, Pt. III, 427 (1900). Hartig, Botan. Ztg. (1862), p. 73. O. Reichardt, Landw. Versuchsstat., 14, 323 (1871). — 6) Z. B.: Renvall, Beihefte botan. Zentr., 28, I, 282 (1912). — 7) Kleinstück, Ber. Chem. Ges., 45, 2902 (1912). — 8) H. Bauer, Naturwiss. Ztsch. Forst- u. Landw., 8, 457 (1910); 9, 409 (1911). — 9) H. C. Prinsen-Geerligs, Arch. Java Suiker Ind. (1908), p. 267. — 10) Leclerc du Sablon, Rev. g^n. Botan., 18, 5 (1906); ig, 465 (1907); Compt. rend. (5. Juni 1905). § 3. Die VerhältniBse in Laabknoapen. 477 gehalt bereits von Vauquelin (1800) (1) festgestellt wurde. Spätere Ana- lysen des Birkensaftes rühren von Geiseler (2) her. Von den neueren Ar- beiten sind zunächst die Untersuchungen des Frühjahrssaftes von Betula alba und Acer platanoides durch Schroeder (3) zu erwähnen ; dieser Autor fand im Birkensaft nur Fruchtzucker, keinen Rohrzucker, während der Ahornsaft nur Saccharose enthielt. Sowohl in verschiedenen Baumhöhen als zu verschiedenen Zeiten entnommen, wies der Saft verschiedenen Zucker- gehalt auf. Bei der Birke war der Saft aus den Bohrlöchern des oberen Baumteiles zucker ärmer, während beim Ahorn im Gegenteile der Saft daselbst zuckerreicher war als in den unteren Partien des Stammes. Der Birkensaft zeigte maximal 1,92%, minimal 0,34% Zuckergehalt. Bei Acer lagen die Grenzen zwischen 3,71% und 1,15%- Bei Acer Negundo fand Harrington (4) im April den Rohrzuckergehalt des Saftes etwa 2,4%, während Acer saccharinum und rubrum 5,15% resp. 2,81% Saccharose aufwies. Für Birke und Hainbuche stellte Hornberger (5) einschlägige Untersuchungen an. Der Betulasaft war der zuckerreichere. Der Zucker- gehalt nahm vom Beginn der Untersuchung an erst zu, sodann wieder ab. In den oberen Teilen erwies sich diesmal der Saft des Baumes viel zucker- reicher. Die Bildung der Reservekohlenhydrate in Stämmen ist nach bio- chemischen Methoden wohl noch kein einziges Mal in ausführücherer Weise studiert worden und Angaben über den Gang dieses Prozesses fehlen noch vollständig. §3. Die Verhältnisse in Laubknospen. Auch die Laubknospen sind während ihrer winterlichen Ruhezeit reichlich mit Reservestoffen erfüllt, von denen besonders die Stärke in ihrer Verteilung in den Knospengeweben durch Schroeder (6) und in den erwähnten Arbeiten A. Fischers studiert worden ist. Geradeso wie bei den Achsenorganen teils periodische Erscheinungen mit erblicher Grundlage, andererseits direkte Einflußnahme äußerer physikalischer Be- dingungen auf die Stoffbewegung wirksam sind, so ist es auch bei den Laubknospen selbst, deren periodische Erscheinungen von Berthold (7) behandelt wurden. Fischer zeigte, wie auch bei Knospen die Stärke- bildung durch Wärmezufuhr auf Kosten des vorhandenen Fettes während der Ruheperiode erzielt werden kann. Man kann bei Knospen wie bei anderen Reservestoffbehältern durch Einstellen in Wasser die selbst- tätige Entleerung herbeiführen. Außer Glucose, Fructose, Stärke, welche auch hier weit verbreitete Reservematerialien darstellen, wäre als erwähnenswertes Vorkommnis Reservecellulose anzuführen, die "von Schaar(8) in den Knospentegu- menten von Fraxinus nachgewiesen worden ist. Jedoch steht die che- mische Untersuchung der hier vorhandenen und beim Austreiben resor- 1) Vauquelin, CreUs Ana. (1800), /, 406; Ann. de China., j/. Die übrige ältere Literatur bei Treviranüs, Physiologie, /, 417. — 2) Geiseler, Journ. prakt. ehem., //, 437 (1837). Brandes, Ebenda, p. 440. — 3) J- Schroeder, Jahrb. wiao. Botan., 7, 261 (1869); Landw. Versuchestat., 14, 118 (1871). — 4) Harrinoton, Just Jahresber. (1888), /, 49. — 5) R. Hornberger, Botan. Zentr., jj, 227 (1888); Ber. Chem. Ges., 21, Ref. 481 (1888). — 6) Schroeder. Jahrb. wies. Botan., j, 305. Auch GRÜSS, Ebenda, 23, IV (1892). — 7) G. Berthold, Untersuch, z. pflanzl. Organisation II. /, 208 (1904). — 8) F. Schaar, Sitz.ber. Wien. Ak., gg, I (1890). 478 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter, bierten Zellhautmassen noch aus. Blütenknospen wurden reicher an Reservestoffen befunden als Blattknospen (1). Eine Reihe von Untersuchern hat sich mit der Resorption der Vorratsstoffe beim Austreiben der Knospen beschäftigt. Daß Diastase bei der Lösung der Stärke auch hier beteiligt ist, konnten für Ailanthus schon 1833 Payen und Persoz nachweisen. Nach den Untersuchungen von Leclerc du Sablon (2) tritt bei der Stärkeresorption in Knospen Saccharose auf. Der allgemeine Gang der Resorptionsvorgänge bei Entfaltung der Knospen wird durch folgende Zahlen, die Desbarres(3) für Rhus aromatica- Zweige ermittelte, illustriert. Trockensubst. Protein Stärke Asche darin PjOj K^O CaO Proz. Winter 72,16 9,42 17,31 1,60 4,56 22,76 42,62 Frühling 66.70 2,25 1,57 1,23 3,42 21,47 41,41 Andre (4) lieferte Angaben über die Entwicklung der Knospen von Aesculus. Mikroskopische Untersuchungen über den Gang der Stärke- umsetzung während der Blattentwicklung stammen von Glatzel(5), Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubhlätter. Die Bedeutung der Stärke in Laubblättern. Durch die schöne Untersuchungsmethode, welche J. Sachs in seiner „Jodprobe" geliefert hat, ist der Beweis leicht zu erbringen, daß energisch assimilierende Laubblätter bei genügender Lichtintensität und Temperatur im Laufe eines Tages in ihren Chloroplasten oft relativ sehr groQe Stärkemengen ansammeln. Viele Pflanzen entleeren in unserem Klima in warmen Nächten diese aufgespeicherten Stärkemassen voll- ständig und es erscheinen die Blätter am folgenden frühen Morgen gänzlich stärkefrei. Es ist daher nicht schwer, die Überzeugung zu ge- winnen, daß es sich bei der tagsüber stattfindenden Stärkeansammlung um einen Überschuß an assimiliertem Material handelt, welcher den bei Tag und bei Nacht stattfindenden Abfluß von Zucker stark überwiegt und daß daher die Stärke der Chlorophyllkörner, wie anderwärts Stärkekörner, als Reservestoff zu betrachten sei. Nach vielen irrigen Anschauungen der älteren Zeit (noch Meyen hatte z. B. die Einschlüsse der Chlorophyllkörner für Sporen der letzteren erklärt!) erkannte zuerst H. v. Mohl (6) (1837) die Stärkenatur dieser 1) Manaresi u. Tonegutti, Staz. sper. agr. ital., 44, 960 (1911). — 2) Le- clerc DU Sablon, Compt. rend., 727, 968 (1898). Saccharose in den Blutenknospen von Pirus communis: Schulze u. Frankfurt, Ztsch. physiol. Chem., 20, 511 <1896). — 3) Desbarres, Biedermanns Zentr. Agrik.chem. (1879), p. 946. — 4) G. Andr6, Compt. rend., 3', 1222 (1900). — 5) R. Glatzel, Diss. (Göttingen 1912). - 6) H. v. MoHL, Untersuch, üb. die anatom. Verhältnisse des Chlorophylls, Diss. (1837); Ann. Sei. Nat. Botan., p, 150; Vermischte Schriften (1845), p. 349; Meyens Jahresber. für 1837, p. 61; später Botan. Ztg. (1855). § 1. Die Bedeutung der Stärke in Laubblattem. 479 Körnchen, und wenigstens für Zygnema konnte Mohl sicherstellen, daß sich die Stärkeeinschlüsse erst im fertigen Chlorophyllkorn dieser Alge ausbilden, während er bei Phanerogamen anfangs noch nicht schlüssig werden konnte, ob nicht das Stärkekorn ersl nachher seine Chlorophyll- hülle erhalte. Im Gegensatze zu Mulder (1), welcher das Amylum als Mutter- substanz des Chlorophylls ansah, behauptete Mohl die Reservestoffnatur der Stärkeeinschlüsse. Er stellte fest, daß es Pflanzen mit relativ großen soütären Stärkeeinschlüssen gebe (VaUisneria, Tradescantia discolor) und andererseits Pflanzen mit vielen kleinen, oft schwer sichtbaren Körnchen: Differenzen, wie sie sich z. B. auch in Endospermen finden und zur Ent- stehung solitärer und polyadelphischer Körnchen in den Amyloplasten führen. Sehr kleine Stärkeeinschlüsse kann man nach Schimper (2) viel leichter nachweisen, wenn man die durch Alkohol entfärbten Blätter einige Zeit in konzentriertem Chloralhydrat mit Jodzusatz hegen läßt. Nägeli (3) gab in seinem Buche über die Stärkekörner (1858) weiterhin viel genaue Daten über Verbreitung und Entwicklung der Chloroplastenstärke. 1857 erkannte Gris (4), daß bei Verdunklung der Blätter die Ein- schlüsse der Chlorophyllkörner verschwinden. Sachs (5) bewies hierauf, daß in den stärkefreien Chloroplasten etiolierter Pflanzen bei Behchtung Stärkekörner auftreten, und zwar zuerst in den Laubblättern (1862). Er sprach infolgedessen die Stärke als-ein Produkt der Kohlensäureassimilation der Blätter an. Weiterhin (1864) dehnte Sachs (6) diese Erfahrungen durch neue Versuche aus, auf Grund welcher er sagte: „Die Chlorophyll- körner haben die Fähigkeit, zuerst Stärke zu erzeugen, dieselbe im Finstern aufztilösen und endhch abermals Stärke in sich zu bilden, je nach der Art der Beleuchtung, der sie ausgesetzt sind." Im wesentlichen war damit unsere heutige Auffassung begründet. Allerdings heß Sachs noch die Frage offen, ob die gebildete Stärke ein direktes Produkt der Assimilation sei, oder ob sie aus überschüssigen primär gebildeten Stoffen als Vorratsstoff gebildet werde. In der Tat fand sich späterhin in J. Boehm (7) ein Forscher, welcher den richtigen Schluß von Sachs, daß es sich in der normalen Chloroplasten- stärke um ein an Ort und Stelle aus CO2 und HgO gebildetes Assimilat handle, nicht anerkannte und allzu einseitig der Meinung nachgab, daß jedes im Blatte vorhandene Zuckermaterial zu Stärkespeicherung in den Chloroplasten Anlaß geben könne. Doch verdanken wir dieser Betrachtungs- weise BoEHMs die wichtige Entdeckung dieses Forschers, daß künstliche Zuckerzufuhr bei Laubblättern Stärkeanhäufung in den Chloroplasten hervorruft. In seiner berühmten Arbeit „Ein Beitrag zur Kenntnis der Er- nährungstätigkeit der Blätter" (1884) bereicherte Sachs (8) die Kennt- nisse von den in Rede stehenden Vorgängen um wichtige Methoden und Tatsachen. Zum makroskopischen Nachweise der Stärke in Laubblättern tötete Sachs zunächst die frischen Blätter durch 10 Minuten langes Kochen in Wasser, legte sie behufs Extraktion des Farbstoffes für V'* bis V2 Stunde in 96% Alkohol von 50— 60° Temperatur (wobei 1—2 Liter 1) G. J. MuLDEB, Versuch ein. allg. physiol. Chem. (1844), p. 294—297. — 2) Schimper, Botan. Ztg. (1885), p. 739. — 3) Nägeli, 1. c. p. 398. — 4) Qris, Ann. Sei. Nat. Botan., 8, 179 (1857). — 5) Sachs, Botan. Ztg. (1862), Nr. 44. — 6) Sachs, Ebenda (1864). — 7) J. Boehm, Ebenda (1883), p. 33. — 8) Sachs. Arbeiten d. boten. Inst, in Würzburg, j, 1 (1884). Vgl. auch Eckerson, Botan. Gaz., 48, 224 (1909). 480 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. Flüssigkeit anzuwenden sind) und brachte sodann die völlig weiß ge- wordenen Blätter in braune Jodjodkaliumlösung, in welcher sie mehrere Stunden liegen blieben. Es lassen sich in dieser Weise brauchbare Schätzungen beim Vergleiche des Stärkegehaltes von Blättern anstellen. Die Blätter bleiben hellgelb oder ledergelb, sobald keine Stärke in den Chloroplasten vorhanden ist; sie werden schwärzlich, wenn sehr wenig Stärke zugegen ist; mattschwarz bei reichlichem Stärkegehalt und metallisch schwarz glänzend, wenn der Stärkereichtum maximale Grade erreicht. Durch diese „Jodprobe" lassen sich folgende Tatsachen demon- strieren: 1. Daß etiolierte, sich im Dunkeln entwickelnde Blätter von Pflanzen, die einen anderen Teil ihrer Blätter am Lichte ausbilden können, keine Stärke in den Chlorophyllkörnern enthalten, obwohl diese etiolierten Blätter bei partieller Verdunklung der ganzen Pflanze fast oder ganz normale Größendimensionen besitzen. 2. Daß panachierte Blätter nach kräftiger Assimilationstätigkeit nur in den grünen Blattpartien Stärke speichern, und zwar massenhaft, wie sonst normal grüne Blätter, während die weißen Partien nichts davon enthalten. 3. Daß man durch partielle Verdunklung einer Blattlamina, z. B. durch Umwicklung mit einem Stanniolstreifen, die Stärkebildung in den Chloroplasten daselbst lokal und total unterdrücken kann, während die Stärkespeicherung in den beleuchteten Nachbarpartien normal vor sich geht. 4. Kann man mittels der Jodprobe die „Auswanderung" der Stärke während des Aussetzens der Kohlensäureassimilation nachweisen, wie sie normal in der* Nacht erfolgt. Die Blätter einer großen Zahl unserer heimischen und Garten- gewächse entleeren ihre Stärke in warmen Nächten vollständig; man findet sie bei Sonnenaufgang gänzlich stärkefrei, während sie am Abend vorher mit Hilfe der Jodprobe als maximal stärkeerfüllt erkannt worden waren. 5. Kann man nach Molls(I) Vorgang zeigen, daß reichlich Stärke führende Laubblätter sich ihrer Stärke gänzlich entledigen, wenn man die betreffende Pflanze in kohlensäurefreie Luft bringt und so die Assimilation unterbricht. Weitere Versuche von analogem Ergebnisse in kohlensäurefreier Luft rühren von Menze(2) her und die gegenteiligen Erfahrungen von Boehm(3) betreffen Crassulaceenblätter, für die wenigstens die Möglichkeit besteht, daß Kohlensäure aus organischen Säuren ge- bildet worden ist und daher trotz der Absperrung des Luftraumes mit Kalilauge Kohlensäureassimilation stattgefunden haben kann. Nach den zu Buitenzorg durch Costerus(4) gesammelten Er- fahrungen zu urteilen, findet in den Tropen eine gänzliche Entleerung der Stärke zur Nachtzeit viel seltener als in unseren Klimaten statt. Die Ursachen sind in mancher Hinsicht noch aufzuklären; es liegt aber nahe anzunehmen, daß der Überschuß an assimiliertem Material bei tropischen Pflanzen viel erheblicher ausfallen kann als in gemäßigtem Klima und daß die Verwendung der Stärke deshalb sich weniger im Verschwinden der Blattstärke ausprägt. Für Nicotianablätter fand Hunger (B) in den Tropen, daß zur nächtlichen Stärkeentleerung eine Mindesttemperatur von 22 ^ bei älteren Pflanzen von 21° nötig ist. 1) Moli,, Arbeiten d. botan. Inst, in Wiirzburg, 2, |110. Andere Versuche, z. B. bei S. Bain, üniv. of Tervessee Rec., 5. 259 (1902). — 2} O. Menze, Dias. (Halle 1887); Botan. Ztg. (1888), p. 465. — 3) Boehm, Botan. Zentr., J7. 198 (1889). — 4) J. C. C08TERU8, Ann. jard. botan. Buitenzorg, 12, 72 (1894). — 5) F. W. Hunger, Med. s'Landa Plantentuin, 66 (1903). § 1. Die Bedeutung der Stärke in Laubblftttem. 481 Auch tritt die Entleerung bei entgipfelten Pflanzen, so lange nicht neue Sprosse sich entwickelt haben, nicht ein. Die durch Sachs festgestellten Tatsachen lehren jedenfalls, daß die Stärkespeicherung normal funktionierender Laubblätter streng an die Assimilationstätigkeit der stärkeführenden Chloroplasten selbst gebunden ist und nicht durch Abströmen von Zucker aus anderen Blatteilen oder Organen zustandekommt; sie lehren außerdem sehr klar, daß^ die Stärke- füllung der Chloroplasten nur die physiologische Folge eines Überschusses an assimiliertem Material sein kann und daß die Chloroplastenstärke als Reservestoff aufzufassen ist. Für den Assimilationsprozeß selbst mag die Stärkespeicherung die Bedeutung eines Vorganges haben, welcher die Reaktionsprodukte in dem Maße als sie gebildet werden, bindet, so daß eine Hemmung des Prozesses durch angehäufte Endprodukte nicht eintreten kann. Die chemische Unabhängigkeit der Stärkebildung in den Chloro- plasten von der Assimilation der Kohlensäure selbst, wird dadurch illustriert, daß nicht alle Chlorophyllkörner Stärke bilden, obwohl sie kräftig assimi- lieren. Schon 1857 hatte Boehm gefunden, daß die Chloroplasten von AUiumarten, Galan thus, Hyacinthus, Ornithogalum, die meisten Ghloro- phyllkörner von Iris germanica, normal nie Stärke bilden. Briosi(I) kon- statierte dasselbe für Musa und Strelitzäa. Nach A. Meyer (2), der diese Verhältnisse einem sorgfältigen Studium unterzog, wird bei den Dicotyle- donen meist reichhch Stärke in den Chloroplasten abgelagert, sehr wenig Stärke jedoch bei Gentiana, Asclepias Cornuti, den graminiformen Eryn- giumarten. Von Monocotyledonen speichern am reichhchsten Stärke die Dioscoreaceen und Juncaceen. Die Liliaceen, Amarylhdaceen, Iridaceen und Erdorchideen pflegen hingegen nur sehr wenig Stärke zu speichern. Meyer zeigte ferner, daß bei manchen stärkefreien oder stärkearmen Chloro- plasten die Stärke durch andere Kohlenhydrate vertreten wird. So führen die Chlorophyllkörner von Alhum porrum Trauben- und Fruchtzucker, die Chloroplasten von Yucca filamentosa Sinistrin. Der Befund von Glucose als Reservestoff von Chloroplasten legt die Frage nahe, wodurch bei solchen Pflanzen der hemmende Einfluß von Endprodukten des Assimilations- prozesses vermieden wird. In den Blättern von Cichorium fanden Gräfe und VoUK (3) reichlich InuHn, anscheinend das Amylum völUg vertretend, und so dürfte es auch bei anderen Inuhnpflanzen sein. Die Blattspreiten enthielten 2,9% Hexose und 2,9% Inuhn, die Mittelrippen 9,4% Zucker und 4,24% InuHn. Der Inuhngehalt wies morgens und abends keinen Unter- schied auf. Stahl (4) hat interessante, vergleichend biologische Betrach- tungen über das Vorkommen von „Stärkeblättern" und „Zuckerblättern" und Beziehungen des Zuckerreichtums zur Transpiration angestellt. In manchen Blättern ist reichhch Mannit zugegen, z. B. bei den Oleaccen, Catha eduhs (5), Genipa brasiliensis (6), Basanacantha spinosa (7); diese Blätter scheinen jedoch allgemein in ihren Chloroplasten Stärke zu führen. Bei manchen Pflanzen, vne besonders Rendle (8) für AUium Cepa zeigte, läßt 1) Briosi, Botan. Ztg. (1873), p. 529. — 2) A. Meyer, Ebenda (1885). p. 449; für Gentiana lutea auch Arch. Pharm., 221, VII— VIII (1883). — 3) V. Gräfe u. VouK, Biochem. Ztsch., 47, 320 (1912). — 4) Stahl, Jahrb. wiss. Botan., 34, 558 (1900). — 5) Schär, Just Jahresber. (1899), //, 57. — 6) W. KwASNiCK, Chem.- Ztg., 16, 109 (1892). — 7) B. Grützner, Arch. Pharm., 233, 1 (1895). Lanolois, Ann. de Chim. et Phys. (3), 7, 348 (1843) gab auch für Lindenblätter neben Trauben- zucker Mannit an. — 8) A. B. Rendle, Ann. of Botan., 2, 224 (1888). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. s. Aut]. 31 482 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubbl&tter. sich durch kein Mittel Stärkebildung in den Chloroplasten erzwingen. Hin- gegen fand BoEHM(l), daß die normal keine Stärke speichernden Ghloro- phyllkörner von Galanthus, Hyacinthus, Ornithogalum und Iris reichlich Stärke bilden, wenn man die Blätter dieser Pflanzen 8—10 Tage lang auf 20%iger Rohrzuckerlösung schwimmen läßt. Bei diesen Gewächsen be- sitzen demnach die Chloroplasten nachweisbar die Fähigkeit, Stärke zu speichern, üben dieselbe jedoch im normalen Lebenslaufe niemals aus. ScHiMPER(2) hat auf Grund einer Reihe zum Teil einschlägiger Erwägungen, unabhängig von A. Meyer 1885 zuerst den Gedanken ausgesprochen, daß Glucose das der Stärke vorangehende Assimilations- produkt sei und daß die Stärkebildung erst oberhalb einer bestimmten Konzentration der in der Zelle enthaltenen Glucoselösung eintritt. Diese Grenzkonzentration kann spezifisch verschieden sein, so daß es im nor- malen Leben mancher Gewächse gar nie bis zur Stärkebildung kommt, während bei anderen Pflanzen die Grenzkonzentration der Glucose regel- mäßig erreicht wird und zur Stärkebildung Anlaß gibt. Später stellte es sich heraus, daß man künstliche Stärkebildung bei Rohrzuckerzufuhr selbst in den chlorophyllfreien Amyloplasten der weiJßen Stellen panachierter Blätter erreichen kann [Saposchnikoff (3), Zimmermann (4)]. Nach den umfassenden vergleichenden Studien Wink- lers (5) darf man annehmen, daß überhaupt alle Chloroplasten und alle Leukoplasten mit seltenen Ausnahmen zur Bildung der Stärke befähigt sind, wofern sie hinreichend weit entwickelt und noch nicht desorganisiert sind. So bilden normale und etiolierte Chloroplasten auf Zuckerlösung schwimmender Laubblätter gleich rasch und intensiv Stärke. Die Minimalkonzentration wirksamer Zuckerlösungen hegt nach Winkler meist bei 0,2% Saccharose. Bei 10% Saccharose ist das Optimum fast erreicht und die Wirkung wird bei weiterem Ansteigen der Zucker- konzentration nur unerhebüch vermehrt; höhere Konzentrationen sind weniger wirksam und 30%ige Zuckerlösung bedingt niemals Stärkebildung. Die untere Grenztemperatur des Vorganges fand Winkler für die ein- heimischen Pflanzen meist bei + 6 bis 8» G, für Moose + 2 bis 3" C; für tro- pische Pflanzen 12 bis 15" C. Im Winter persistierende Blätter von Primula elatior, Rhododendron hirsutum, Valeriana hatten im Sommer 7" C als Minimaltemperatur; als sie im Winter bei + l'^ C geerntet waren, erzeugte Zuckerzufuhr schon bei -f 3° C Stärkebildung. Bis 20° C findet Steigerung des Vorganges statt. Weiter hinauf bis zur Temperaturgrenze des Lebens ist eine wesentüche Änderung nicht zu beobachten. Lichtzutritt ist gleich- gültig; Sauerstoff zutritt unerläßhch. Äther und Chloroform hemmen Stärke- bildung wie die Assimilation (6). Herbstüch verfärbte Chloroplasten speichern Stärke, solange sie nicht desorganisiert sind. Chlorotische Chlorophyll- körner konnte Zimmermann bei Versuchen rhit Zea Mays und Canna nicht zur Stärkebildung veranlassen, während Winkler bei Mais, Cucurbita, Fagopyrum und Pisum in beschränktem Maße selbst in chlorotischen Chloro- phyllkörnern Stärkespeicherung durch Zuckerzufuhr beobachtete. Bei 1) BoEBaf, Botaa. Ztg. (1883), p. 34. — 2) Schimper, Ebenda (1885) p. 786. — 3) Saposchnikoff, Ber. Botan. Ges., 7, 259 (1889). — 4) A. Zimmermann, Beitr. zur Morphol. u. Physiol. d. Pflanzenzelle (1893), p. 39). — 5) H. Winkler, Jahrb. wiss. Botan., j2, 525 (1898). — 6) Puriewitsch (1898), zit. bei Reinhard u. SuscHKOW, Beih. botan. Zentr., 18 (1), 133 (1904). Dort auch über sonstige Gift- und Salzwirkungeu auf den Vorgang. § 1. Die Bedeutung der Stärke ia Laubblattern. 483 Allium Cepa mißlangen aber auch die Bemühungen Winklers, Stärke- bildung zu erzwingen. Für Leukoplasten waren die Ergebnisse im ganzen ähnlich. Negative Resultate üeferten die noch nicht ausgebildeten Amylo- plasten in Fettcotyledonen, ferner jene im Urraeristem von Vegetations- spitzen. Stärkespeicherung war hingegen möglich bei Leukoplasten albi- kanter Blattpartien und bei den normal stärkefreien Leukoplasten in Wund- calluszellen sowie bei den Leukoplasten in vielen Blumenblättern und Früchten. Auch die Chromoplasten von Blüten und Früchten besitzen noch weitverbreitet die Fähigkeit, Stärke zu speichern, und außerdem war es für die unter dem Einflüsse der Winterkälte rotgefärbten Chloroplasten von Coniferen, welche ihre Assimilationstätigkeit temporär ausgesetzt hatten, möglich, die Fähigkeit zur Stärkebildung nachzuweisen. LlDFORSS(l) hat gezeigt, daß die winterüberdauernden Laubblätter in unseren Breiten sich von Anfang Dezember an völlig stärkefrei erweisen, eine Beobachtung, welche Mer(2) sowie Schulz (3) schon früher in be- schränkterem Umfange gemacht hatten. Im Frühjahr erscheint neuerdings Stärke in den Chlorophyllkörnern. Daß es sich um eine den mehrfach er- wähnten Veränderungen in winterüchen Baumzweigen analoge Umsetzung handelt, ist nach den Versuchen von Lidforss nicht zu bezweifeh. Durch Einbringen der Blätter in höhere Temperatur kann man während des ganzen Winters beliebig oft rasche Amylumbildung hervorrufen. Die Blätter sind während des Winters sehr reich an Zucker und zeigen öfters auch erhöhten Fettgehalt. Lidforss (4) nahm an, daß diese Umsetzung einen Kälte- schutz durch die angesammelte Glucoselösung bedeutet, was Maximow(5) bestätigte unter dem Hinweis, daß offenbar die tiefe Lage des eutektischen Punktes bei Glucose die Ursache ihrer hervorragenden WiA'kung als Schutz- mittel gegen Frost ist. Im Übergangsgebiete der mitteleui-opäischen Flora in Oberitaüen zeigen nach Badalla (8) die einheimischen Gewächse keinen vollständigen Stärkeverlust im Winter, während die nicht akklimatisierten Pflanzen ihre Stärke während der kalten Zeit verheren. In Japan scheinen nach MiYAKE(7) die biologischen Verhältnisse der wintergrünen Blätter ganz analog zu sein. Moosblätter verhalten sich ebenso wie Phanerogamen- blätter. Nach Lidforss enthalten hingegen untergetaucht lebende Blätter, die den Winter überdauern, auch in der kalten Jahreszeit stets reichüch Stärke. Nach eigenen Versuchen (8) beruht die winterUche Stärkelösung darauf, daß die Zuckerkonzentration in den Zellen bei niederer Temperatur größer sein muß, um Stärkebildung eintreten zu lassen als bei höherer Tem- peratur. Keines der von mir untersuchten Blätter vermochte bei niederer Temperatur in Zuckerlösung unterhalb einer Konzentration von 7% Saccha- rose Stärke zu formieren, während bei gewöhnhcher Temperatur bereits weniger als 1% Saccharose genügt. Diese Erscheinung scheint bei allen Speicherorganen dieselbe zu sein, so daß bei winterlichen Temperaturen nicht nur die Grenzkonzentration des Zuckers für Stärkebildung erhöht, sondern auch eine vermehrte Zuckerbildung auf Kosten der schon ab- gelagerten Stärke eingeleitet wird. 1) B. LiDFOKSS. Botao. Zentr., 68, 33 (1896). - 2) E. Mer. Bull Soc. Botan.. 23, 231 (1876). Coniferennadeln: Fliche u. Grandeau, Ann. de Chi m^ et Phys. (5), //, 224 (1877). - 3) E. Schulz, Flora (1888), p. 233, 248. - 4) B. Lidforss, Linds Univ. Ärskrift, N. F., 2, Afd. 2, Nr. 13 (1907). " B) Maximow Ber Boun. Ges., 30, 52. 293, 504 (1912). - 6) L. Badalla. Ann di Botan., 8, 549 (1910^^ 7) K. MiYAKE. Botan. Magaz. Tokyo. 14, Nr. 158 (1900); Botan. Gaz., jj, 321 (1902). — 8) F. Czapek, Ber. Botan. Gea., 19, 120 (1901). 484 Fünfzehntes Kapitel: Der Eohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. Angaben über die Lebenszeit, während welcher junge Blätter vor ihrer völHgen Entwicklung noch keine Stärke in den Chloroplasten speichern, liegen für Vitis von CuBONi (1) vor. Es bleibt übrigens noch zu untersuchen, ob die Zucker- Grenzkonzentration für Stärkebildung bei jugendlichen Chloroplasten nicht eine andere ist als bei voll entwickelten. Die Stärkemenge in assimiherenden Laubblättern bestimmten Brown und Morris (2) nach Extraktion des getrockneten Blattpulvers mit Äther und Alkohol und Verkleistern der Stärke, durch Verzuckerung der letzteren mittels Diastase. Nach Brown und Morris ist es nur ein kleiner Teil der neugebildeten Trockensubstanz, welcher als Stärke abgelagert wird. In einem ihrer Versuche nahmen die Blätter von Helianthus in 12 Stunden um mehr als 12 g pro Quadratmeter an Trockensubstanz zu und davon war nur 1,4 g abgelagerte Stärke. Ähnhche Resultate ergaben sich für Tropaeolum. Für den Gewinn an Trockensubstanz durch die Assimilations- tätigkeit liegen bereits Angaben von Sachs vor, wonach in einem Versuche Helianthus durchschnittlich pro Stunde 1,648 g „Stärke" pro 1 qm Blatt- fläche gewann, und in 10 Nachtstunden pro 1 qm Spreite 9,64 g ,, Stärke" abgab. Im allgemeinen schätzt Sachs den Stärkegewinn für 1 qm Blatt- fläche tägüch unter günstigen Bedingungen auf 24 g + 1 g Atmungsverlust. Für Tabakblätter gab später Müller-Thurgau (3) folgende Zahlen: 2 noch grüne Blätter 3 zieml. reif. Blätter 2 ganz reife Blätter ß^ p. m. 7*1 a. m. G^ p. m. 7^ a. m. 6^» p. m. 7*» a. m. Oberfläche qcm . . 463,5 442 996,6 1003 454 450 Trockensubstanz g . 2,2 1,96 5,63 5,42 2,97 2,72 Zucker in 100 g Trockensubstanz . 1,25 0,60 1,05 0,63 0,81 0,41 Zucker in 12 qm Blattfläche . . . 0,59 0,27 0,59 0,34 0,53 0,23 Stärke in 100 g Trockensubstanz . 31,39 26,74 38,42 33,3 42,62 36,95 Stärke in 12 qm Blattfläche . . . 14,89 11,81 21,71 17,87 27,84 22,31 Danach kann in reifen Tabakblättern der Stärkegehalt abends bis zu 42% der Trockensubstanz ansteigen. Die unteren Blätter enthalten durchschnittlich weniger Stärke als die darüber stehenden, vielleicht wegen partieller Beschattung. In Untersuchungsreihen von Schultze (4) bei Acer Negundo stieg die Gewichtsdifferenz zwischen Morgen und Abend bis zu 16,2 g. Der Wassergehalt war am größten im Mai, am geringsten im September. Der Glucosegehalt betrug im Mai 8—9%, im Juni 3—4%, im JuU weniger als 2%, im September 2—3%. Nicht reduzierender Zucker war im Mai nicht vorhanden, später höchstens 0,3%. Der Stärkegehalt beüef sich auf 5—10%, Ende September auf 7,5%. Saposchnikoff (5) unternahm es, die maximale Anhäufung der Stärke in Blättern zu bestimmen. Für abgeschnittene Blätter von Vitis vinifera glaubte er die Grenze bei 27,5% des Trockengewichtes der Blätter annehmen zu dürfen, während seine Zahlen für Vitis Labrusca zwischen 17 und 25% des Blattrockengewichtes an Stärke schwanken. 1) G. CuBONi, Rivieta di Viticoltura et Enolog. Ital., i (1885). — 2) H. T. Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc (1893), p. 604, — 3) Müller -Thuköau, Land. Jahrb., 14, 465 (1885). — 4) B. Schultze, Verhandl. Ges. Naturf. (1904), II, /, 175. — 5) Saposchnikoff, Ber, Botan. Ges., 9, 293 (1891); ;/, 391 (1893). § 2. Lösung d. Chloroplastenst&rke u. Transport des Zuckers aus den Blättern. 485 Ähnlich waren auch die Ergebnisse, wenn die Blätter mit ihren Stielen nicht in Wasser, sondern in Nährsalzlösung eintauchten. Hingegen lassen sich die gespeicherten Stärkemengen vergrößern, wenn man die Blätter in eine kohlensäurereichere Atmosphäre bringt. Es steigt dann die Maximal- grenze für den Stärkegehalt bis auf 30—35% der Trockensubstanz. Der Zuckergehalt kann bei Anwesenheit von Stärke bis zur Konzentration 6,8% steigen. §2. Lösung der Chloroplastenstärke und Transport des Zuckers aus den Blättern. Aus den hier entwickelten, besonders auf den Arbeiten von Sachs und ScHiMPER fußenden Anschauungen geht hervor, daß Tag und Nacht ein stetiges Abströmen von Zucker aus den assimilierenden Blättern stattfindet und ein Aufspeichern von Stärke in den Chloroplasten nur einen Überschuß der assimilatorischen Tätigkeit über den Verbrauch anzeigt. Wie anderwärts, so erfolgt die Stärkelösung auch in den Chico- phyllkörnern der Blätter durch amylolytische Enzyme. Meyer (1) nimmt an, daß diese Diastase im Stroma der Chloroplasten gebildet werde. Die Extraktion des Enzyms aus frischen Blättern stößt auf Schwierig- keiten, indem das Enzym fast gänzlich in dem Blätterbrei beim Ab- pressen adsorbiert bleibt und im Filtrate nur spurenweise vorhanden ist; es stören ferner manche gleichzeitig anwesende Substanzen, wie Jentys(2) gezeigt hat, z. B. Gerbstoffe, welche die Diastase aus der Lösung fällen. Durch diese Umstände ist es wohl auch zu erklären, warum Wortmann (3) zur Meinung kam, daß Laubblätter kein amylo- lytisches Enzym enthielten. Andere Forscher, wie Brasse (4), Schimper (5). Baranetzky (6), ViNES(7), Brown und Morris (8) haben übrigens die Existenz amylolytischer Enzyme in Blättern zur Genüge erwiesen und A. Meyer hat für die Gegenwart von Diastase in den Chloroplasten manche wichtige Momente bei den Lösungserscheinungen an den Stärke- körnern daselbst geltend gemacht. Nach Eisenberg (9) ist in Stärke- blättern mehr Diastase enthalten als bei Zuckerblättern, doch gibt es Ausnahmen von dieser Regel. Stärkereiche gut besonnte Blätter sind am reichsten an Diastase. Brown und Morris bereiteten ihre Blätterdiastase aus fein ge- pulvertem trockenen Material. Die Wirkung wurde vergleichend bestimmt, indem 0,5 g trockenen Blattpulvers mit 50 ccm 2%iger LiNTNER-Stärke 48 Stunden bei 30° digeriert wurden, unter Zusatz von 5 ccm Chloroform pro Liter. Zur Kontrolle wurde eine gleiche Probe derselben Mischung 1—2 Minuten lang gekocht und darin der im Blattpulver präexistente redu- zierende Zucker bestimmt. Die Differenz beider Proben diente als Maß der amylolytischen Wirkung. Die höchsten Werte erzielten Brown und Morris bei Leguminosen; bei Pisum sativum erzeugten 10 g Blattpulver 240,3 g Maltose. Die Solanaceen ergaben im Vergleiche nur 6,56—8,16 g, 1) Meyer, Stärkekömer (1895), p. 168. — 2) Sx. Jentys, Botan. Zentr.. 54, 193 (1893). — 3) J. Wortmann, Botan. Ztg. (1890), Nr. 37—41. — 4) L. Brasse. Compt. rend., 99, 878 (1884). Dort Dubrunfaut zitiert. — 5) Schimper, Botan. Ztg. (1885), p. 742. — 8) Baranetzky, Die etärkeumbildenden Fermente (1878). p. 16. — 7) S. H. ViNES. Ann. cf Botan., 5, 409 (1891). — 8) H. T. Brown u. Morris, Joum. Chem. Soc. (1893), p. 604. — 9) Eisenberg, Flora, 97, 347 (1907). 486 FfinfzehnteB Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. Hydrocharis nur 0,267 g Maltose. Gerbstoffreiche Blätter gaben aber über- haupt kleinere Zahlen, und es ist wohl kaum mögüch, in allen Fällen einen richtigen Schluß auf die tatsächUch vorhandene Diastasemenge zu ziehen. Als die genannten Forscher den Diastasegehalt gut assimilierender Blätter am frühen Nachmittag und am Abend verglichen, ergab sich ein höherer Enzymgehalt der am Abend gesammelten Blätter. Auch stieg der Diastase- gehalt bei abgeschnittenen Blättern von Tropaeolum, welche kräftig assi- miüerl hatten, vor dem Zeitpunkt der Ernte während einiger Stunden Liegens im Dunkehl um 118,5%. Auffallend viel Diastase war ferner vorhanden in Blättern, welche mehrere Tage hindurch verdunkelt und hierdurch stärkefrei gemacht worden waren, gegenübM* normal assimiherenden Ver- gleichsblättern. Es scheint demnach, daß die Enzymproduktion regula- torisch beeinflußt wird. Darauf läßt auch das Resultat weiterer Versuche von Brown und Morkis schheßen, wonach Blattstücke im Dunkeln, auf Zuckerlösung schwimmend, weniger Diastase enthalten, als gleiche Blätter, welche auf Wasser lagen. Mit dem Einflüsse des Lichtes auf die Blätter- diastase hat sich Green (1) beschäftigt. Derselbe fand in stark beleuchteten lebenden Blättern binnen 14 Tagen bis zu 68% Diastaseverlust, und be- sonders die ultravioletten Strahlen schienen auf die Diastase stark einzu- wirken. Green hat auch einige Angaben über das Proferment der Blätter- amylase gemacht. Als nächstes Lösungsprodukt der Stärke gaben Brown und Morris auch hier Maltose an, und wiesen dieselbe in den Blättern neben Saccharose, Glucose und Fructose direkt nach. Frühere Arbeiten, ins- besondere die Studien von Schimper, hatten bereits gezeigt, daß sich bei der Auflösung der Blattstärke, insbesondere in den Leitscheiden der Blattnerven, große Quantitäten von reduzierendem Zucker finden. Die Existenz eines maltosespaltenden Enzyms in Blättern ist zwar recht wahr- scheinlich, wenn auch dieselbe experimentell noch nicht erwiesen ist. Beijerinck(2) hat verschiedene Blätter auf Maltase mit negativem Er- folge untersucht, doch können die Versuche an der bekannten Schwer- löslichkeit der Maltase leicht scheitern und man hätte jedenfalls die Be- mühungen unter Zuhilfenahme von Acetondauerpräparaten zu erneuem. Die meisten quantitativen Zuckerbestimmungen in Blättern sind eines großen Teiles ihres Wertes dadurch beraubt, daß auf Tageszeit, Tem- peratur und andere die Assimilationstätigkeit beeinfhissende Momente in den Resultaten nicht Rücksicht genommen wurde. Die nachgewiesenen Zuckerarten sind Saccharose, Glucose und Fructose. In den Blättern von Vitis und Amygdalus persica gibt Petit (3) folgenden Zuckergehalt an: Rohrzucker Glucose 1 kg Weinblätter I 9,2 g 26,55 g 1 kg „ II ... . 15,8_ g 17,49 g 1 kg Pfirsichblätter 33,0 g 12,0 g Macagno (4) bestimmte für je 1 kg Weinblätter an Zuckergehalt : Blätter am Ende der Fruchtreben .... 14,24 g , „ an der Basis der Fruchtreben . . 10,81 g „ am Ende der Holzreben 11,93 g „ an der Basis der Holzreben . . . 11,65 g 1) J. R. Green, Phil. Trans. Roy. See. London, i88, 167 (1897). — 2) M. Beuerinck, Zentr. Bakt. II, /, 338 (1895). — 3) A. Petit, Compt. rend., 77, 944 (1873). — 4) H. Macagno, Compt. rend., 8s, 810 (1877). § 7. Lösung d. ChloroplastenBtftrke u. Transport des Zuckers aus den Blättern. 487 Ferner für 1 kg Blätter am Ende der Fruchtreben: Am 20. Juni . . . 14,24 g Am 15. September 20,50 g „ 4. August . . 15,31 g „ 5. Oktober . . 23,70 g „ 16. „ . . 15,96 g „ 22. „ . . 19,04 g „ 31. „ . . 16,62 g Der Rohrzucker von Vitisblättern scheint jedoch nach den neueren Untersuchungen von Deleano(I) recht fraglich zu sein. Auch die von BoETTiNGER aus Weinblättern beschriebene Racefoloxybiose, welche ein Hydrat einer oxydierten Biose darstellen soll, ist von späteren Forschern nicht mehr wiedergefunden worden (2). Ebenso zweifelhaft^ bleibt die Tabacose, die von Attfield (3) als gärungsfähiger und inaktiver Zucker aus Nicotianablättern angegeben wird. Tabakblätter enthalten zwischen 8,2 und 12,8% Zucker. Saccharose ist unstreitig in vielen Blättern reichUch enthalten und man darf sie bereits in ihrer physiologischen Rolle als Zuckerkondensations- produkt auffassen, welches die Konzentration der gebildeten Glucose herab- setzt und so die hemmenden Wirkungen des Reaktionsproduktes auf den Fortgang der Zuckerbildung eliminiert. Rübenblätter, in denen Coren- winder(4) die Saccharose noch übersehen hatte, enthalten, wie Girard(5) zuerst fand, wechselnde Mengen von Saccharose. Tagsüber nimmt der Rohrzuckergehalt deuthch zu, und zwar stärker als der Glucosegehalt, wie aus den folgenden Zahlen Girards hervorgeht: 24. September 26. September 26. September 4^ p. m. 4"» a. m. 4^* p. m. Wasser 86,24% 87,62% 85,15% Saccharose 1,04% 0,60% 1,83% Reduzierender Zucker 3,17% 2,72% 2,66% Saccharose auf 100 Teile Glucose . 33 % 22 % 68 % Ähnliche Erfahrungen machten sodann Brown und Morris. Auch Perrey (6) scheint für Phaseolus analoge Beobachtungen gesammelt zu haben. In Galanthusblättern sind nach Parkin (7) 20—30% der Trocken- substanz an Kohlenhydraten enthalten, darunter keine Stärke und kein Inuhn. Die Rolle als Speicherstoff hat hier wohl Saccharose, die zu Beginn der Vegetationstätigkeit überwiegt, während später mehr Hexosen zugegen sind, und zwar immer mehr an Fructose. Sonst ist Saccharose noch mit Sicherheit bei Viburnum nachgewiesen (8) sowie in Kalmia latifoha (9). Das auf Saccharose wirksame Enzym, Invertin, ist nach Marcacci(IO) in Laubblättern allgemein vorhanden. Bourquelot erwähnt Invertin speziell für Viburnum und Sambucus. Der Gehalt der Laubblätter an Fruc- tose und Glucose wäre noch näher zu verfolgen. Angaben bezügüch Beta lieferte Lindet(11), für Galanthus Parkin. Die Kohlenhydrate und Zucker der Farnblätter behandelte Baesecke (12). 1) N. T. Deleano, Ztsch. nhyeiol. Chem., 8o, 79 (1912). — 2) C. Bobtttnoeb, Chem.-Ztg., 52, 6 (1901). — 3) Attfield, Pharm. Journ. (1884). Ampola u. Scurti, Staz, sper. agr. ital., 41, 668 (1908). — 4) Corenwinder, Compt, rend., 83, 1238 (1876). - 5) A. GiRARD, Ebenda, 97, 1305 (1883); 99, 808 (1884); 103, 1489 (1886). — 6) A. Perrey, Ebenda, 94, 1124 (1882). — 7) J. Parkin, Biochem. Journ., 6, 1 (1911). — 8) BoTJRQUELOT u. Danjou, Soc. Biol., 60, 83 (1906) r Arch. Pharm., 245, 200 (1907). — 9) BoTTRQUELOT u. Fichtenholz, Compt. rend., 153, 1500 (1912). — 10) Marcacci, Juflt Jahresber. (1889), /, 27. Kastle u. Mary E. Clark, Am. Chem. Journ,, 30, 422 (1903). — 11) Lindet, Ann. Agron. (1900), p. 103). — 12) P. Baesecke, Botan. Ztg. (1908), /, 45. 488 Fünfzehntes Kapitel: Der Eohienhydratstoffwechsel der Laubblätter. Nach BellüCCI(I) vermag die Zuckerzunahme bei Tage die Stärke- zunahme zu übertreffen. In der Nacht sinkt der Stärkegehalt rascher ab als der Gehalt an Zucker. Saposchnikoff (2) hat die Entleerung der Kohlen- hydrate gleichfalls quantitativ verfolgt. Im Einklänge mit den Angaben von Bellucci ergab sich, daß die Abnahme an Stärke und Zucker bei ab- geschnittenen Blättern mindestens fünfmal geringer ist als die Abnahme der Kohlenhydrate bei Blättern im Zusammenhange mit der Pflanze. Heli- anthus annuus zeigte pro 1 qm Blattfläche in 1 Stunde eine Kohlenhydrat- abnahme von 0,225 g in den an der Pflanze befindüchen Blättern und von 0,042 g bei abgeschnittenen Blättern. Vermindert man durch Abtrennen von Blättern die Blätterzahl einer Pflanze, so steigt die Geschwindigkeit der Entleerung bei den zurückgebliebenen Blättern namhaft. Ebenso zeigt sich eine Proportionalität zwischen Stoffverbrauch im Wachstum der Pflanze und der Schnelügkeit des Verschwindens der Kohlenhydrate aus den Blättern. Auch eine Tagesperiode in der Geschwindigkeit der Entleerung der Kohlenhydrate aus den Blättern hat sich herausgestellt. Das Maximum fällt in die ersten Stunden der Nacht. Aus unseren Darlegungen geht hervor, in welcher Weise die „tran- sitorische" Stärkebildnng, wie sie in verschiedenen Geweben vorkommen kann, aufzufassen ist. Ein sehr prägnantes Objekt hierfür sind nach ScHiMPER die Leitscheiden der Blattnerven von Hydrocharis morsus ranae, wo Stärke sehr lebhaft regeneriert wird, femer die von A. Meyer (3) in dieser Hinsicht näher studierten jugendlichen Blätter innerhalb der Laubknospen von Tilia. Hier wie im Stengelparenchym usw. zeigt uns die transitorische Stärkebildung nichts anderes an als einen reichlichen Zuckerzufluß zu Amyloplasten führenden Zellen, welchem kein genügend rascher Zuckerabfluß entgegensteht, so daß die Amyloplasten durch Über- schreitung der Zuckergrenzkonzentration zur Stärkebildung veranlaßt werden. Diese Stärkespeicherung (man sprach auch früher von „Wander- stärke", ein Ausdruck, welcher besser aufzugeben ist) ist in der Regel sehr gering und temporär, weil die Zuckerkonzentration über einen mäßig hohen Grad nicht hinausgeht und der Zuckerbedarf sehr wechselt. Steigt der Zuckerkonsum in der Nachbarschaft, so überwiegt die Stärkelösung in den Amyloplasten und die transitorische Stärke schwindet. Daß die in den Blättern häufig vorkommenden roten Farbstoffe in biologischen Beziehungen zur „Stärkeauswanderung" stehen, wurde von H. Pick (4) behauptet, doch fehlen zu dieser Annahme sowohl genügend theoretische als experimentelle Grundlagen. Für das in Cichoriaceenblättern reichlich nachweisbare Inulin ist die Bedeutung als Speicherstoff kaum so weitgehend, wie für die Stärke. Eine Entleerung des Inulins während der Nacht und eine Aufspeicherung während des Tages wurde nicht gefunden, sondern der Inulingehalt ergab sich morgens und abends ungefähr gleich (5). Unbekannt ist es, ob die von Betting(6) in den Blättern von Erythrina nachgewiesene Bildung von Aceton irgendwie mit dem Zucker- stoffwechsel in Beziehung steht. Hemicellulosen scheinen in Blättern, obwohl sie regelmäßig vor- kommen, nach Deleano nicht als Reservematerialien aufzufassen zu sein. 1) G. Bellucci, Just Jahresber. (1888), /, 35. — 2) Saposchnikoff, Ber. Botan. Ges., 8, 234 (1890). — 3) A. Meyer, Botan. Ztg. (1885), p. 438. — 4) H. Pick, Botan. Zeatr., i6, Nr. 9 (1883). — 5) Gräfe u. Vouk, Biochem. Ztsch., 47, 320 (1912). - 6) M. Betting, Pharm. Weekbl.. 46, 1089 (1909). Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflanzungssystem. 489 Teeblätter führen nach Maurenbrecher und Tollens(I) Araban und Galactan; auch von Gräsern ist Hemicellulose angegeben (2), ohne daß man wüßte, ob darunter sich Reservestoffe befinden. Einer gründlichen Revision sind offenbar die herrschenden An- sichten über das Verhalten der Kohlenhydratreserven beim herbstlichen Laubfall zu unterziehen. Während lange Zeit infolge der von J. Sachs (3) stammenden Lehre von der Entleerung der Blätter im Herbste angenommen wurde, daß ein Rückströmen der Reserven aus den Blättern in die holzigen Achsen in sehr ausgiebigem Maße stattfinde, stimmen neuere Arbeiten mit dieser Auffassung gar nicht überein. So fand Harter (4) im ab- gefallenen Laube amerikanischer Baumarten noch namhafte Stärkemengen: bei Liquidambar styraciflua 10,79%, bei Platanus occidentalis 9,89%, bei Styrax americana 5,91 %. Auch Combes (5) vermißte im Herbstlaub nie reichlichen Inhalt an Zucker und Kohlenhydraten, was übrigens auch aus den bereits angeführten Untersuchungen von Schultze über Ahornblätter hervorgeht. So dürfte wohl eher die Meinung von Wehmer(6) zutreffen, welcher der Theorie von der herbstlichen Entleerung der Blätter sehr skeptisch gegenübersteht. Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflauziingssystem. § 1- Pollenkörner. Die Pollenkörner der Blütenpflanzen sind seit Vauquelin(7), welcher 1802 den reifen Pollen der Dattelpalme untersuchte und darin Calcium- und Magnesiumphosi)hat, Äpfelsäure und „tierische Materie" angab, oft Gegenstand von Analysen gewesen. Braconnot (8) analysierte den Pollen der Typha latifolia und fand darin Zucker und Stärke. Der Pollen von Pinus silvestris enthält nach Schulze und Planta (9) 11,24% Saccharose und 7,06% Stärke, nach Kresling(IO) 12,075% Saccharose und 7.4% Stärke. Im Pollen von Corylus Avellana ist nach Planta (11) 14,7% Saccharose vorhanden und 5,26% Stärke. Hingegen wurde von Stift (12) im Zuckerrübenpollen nur eine ganz geringe Menge von Rohrzucker ge- funden; Stärke und Dextrin bildeten 0,80 — 0,82% der Pollensubstanz. Bei der Reifung machen die Pollenkörner allgemein ein stärkereiches 1) Maurenbrecher u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 39, 3581 (1906). — 2) Frear u. Browne jun., Ann. Rep. Pennsylv. Agr. Exp. Stat. (1905). — 3) Sachs. Flora (1863), p. 200. — 4) L. Harter, The Plant World, /j, 144 (1910). — 5) R. Combes, Assoc. Franc. Avanc. Sci.Congr. Lille (1910), p. 525. — 6) Wehmer. Ber. Bi^tan. Ges., 10, 152 (1892); Landw. Jahrb. (1892), ///. Ferner Fruhwirth u. Ziei.storfk, Landw. Versuchsstat., 55, 9 (1901). Tucker u. Toi.lens, Journ. f. Landw., 4^'^, 39 (1900); Ber. Chem. Ges., 32, 2575 (1899). — 7) Fourcroy u. VAUQrEUN, Gilb. Ann., 15, 298 (1803). — 8) Braconnot, Ann. de Chim. et Phys. (2), 42, 91 (1829). — 9) E. ScHUi^E u. Planta, Ztsch. physiol. Chem., 10, 326 (1886). — 10) Kres- ling, Arch. Pharm., 22p, 389 (1891). — 11) Planta, Landw. Versuchsstat., j/, 97 (1884); 32, 215 (1885). — 12) Stift, Just Jahresber. (1895), /, 304; Chem. Zentr. (1896), /, 45; (1901) /, 903. 490 Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflanzungssystem. Stadium durch, welches nach Tischler (1) auch beim Pollen tropischer Pflanzen nicht fehlt. Es gibt Pflanzen, wo der Pollen in ökologischer Hinsicht als Beköstigungsmaterial für die Blütenbesucher dient. Dort persistiert die Stärke reichlich auch im ausgebildeten Pollen, z. B. bei Cassia fistula. Nach Tischler ist hier im reifen Pollen keine Diastase vorhanden. Viel Stärke enthält nach Mangin (2) der Pollen von Coniferen und Nymphaeaceen. Dort ist die Resorption erst beim Austreiben der Pollenschläuche zu beobachten. Übrigens sind nach Molisch (3) auch in den Pollenschläuchen noch Amylumkörnchen zu sehen und bei Kultur in Zuckerlösung verfolgte Mangin die Bildung neuer Stärke im Pollen- korn und Pollenschlauch in reichlichem Maße. Die Beobachtungen von Strasburger (4), wonach die Pollenschläuche von Agrostemma Githago häufig die Membran an Narbenpapillen durch- bohren, sowie die gleichen Beobachtungen von Rittinghaus (5) weisen auf die Bildung von Cytase durch Pollenschläuche hin. Von anderen Enzymen hat van Tieghem(6) im reifen Pollen verschiedener Pflanzen Invertin festgestellt. Außer Invertin fand Green (7) auch noch Diastase in Pollenkörnern und -schlauchen. Sie ließ sich aus diesem Material mit Glycerin extrahieren. § 2. Kohlenhydrate in Früchten. Das Fleisch von saftigen Früchten ist in der Regel reich an Kohlen- hydraten, unter denen im unreifen Zustande die Stärke, im reifen Zu- stande verschiedene Zuckerarten, vor allem Glucose und Fructose, den Hauptbestandteil bilden. Durchschnittswerte für den Gehalt einheimischer Obstsorten an Zucker sind nach Königs Chemie der menschlichen Nah- rungs- und Genußmittel folgende Zahlen: In Prozenten der Trockensubstanz Apfel . . 47,50 Mirabelle . 19,42 Erdbeere 49,97 Birne . . 48,49 Pfirsich . 22,39 Himbeere 28,19 Zwetsche 32,35 Aprikose . 24,98 Heidelbeere 23,28 Pflaume . 23,51 Kirsche . 50,69 Brombeere 32,67 Reineclaude 16,16 Weintraube 65,88 Maulbeere 60,10 Stachelbeere 49,30 Johannisbeere 41,71 Preißelbeere 14,71 Einzelne Apfelsorten haben aber über 72% der Trockensubstanz an Zucker. Nach Otto (8) ist der zuckerreichste Apfel der „Königliche Kurzstiel" mit 19,24 g Gesamtzucker in 100 ccm Most, die zuckerreichste Birne „Löwenkopf" mit 12,58 g Gesamtzucker in 100 ccm Most. Ein größerer oder geringerer Gehalt an Saccharose ist sehr häufig zu konstatieren. Im weißen Calville- Apfel wurde 5,6% Rohrzucker ge- funden gegenüber einem Invertzuckergehalt im Safte von 13—14%. 1) G. Tischler, Jahrb. wiss. Botan., 47, 219 (1910). — 2) L. Mangin, Bull. Soc. Botan., 32, 337 (1886). — 3) Molisch, Sitz.ber. Wien. Akad., 102, I, 428 (1893). — 4) Stkasburger, Neue Untersuch, üb. d. Befruchtungsvorg. b. Phanerogam. (1884), p. 42. — 5) Rittinghaus, Verhandl. Nat.hist. Ver. d. preuß. Rheinlande, 43, 105 (1886). — 6) Ph. van Tieghem, Bull. Soc. Botan., 33, 216 (1886). — 7) J. R. Green, Ann. of Botan., 5, 511 (1891); Phil. Trans , 185, 385 (1894). — 8) R. Otto, Just Jahresber. (1899), //, 187. § 2. Kohlenhydrate in Früchten. 491 Einige weitere analytische Daten sind folgende: Paris quadrifolia: der Beerensaft enthält Saccharose: Kromer(I). Ananassa sativa: Saft enthält 9,15—15,23% Zucker nach Kellet (2). Berberis vulgaris: Früchte enthalten 3,57% Zucker nach Lenssen (3). Saft aus unreifen Morusfrüchten : 2,74% Zucker: Wright und Patterson (4). Hagebutten enthalten 10,2-13,76% Invertzucker und 0,59-2,43% Rohr- zucker nach Wittmann (5). Saft aus fast reifen Fragariafrüchten führt 1,28—3,04% reduzierenden Zucker und 0,34—1,23% Saccharose nach Paris (6). Eriobotrya japonica führt Saccharose und Invertzucker, Sorbus domestica und Mespilus germanica nur reduzierenden Zucker nach Born- träger (7). Das Fruchtmus von Gymnocladus canadensis enthält je 15% an Saccharose und reduzierendem Zucker nach Stone und Test (8). Ceratonia sihqua: in den Früchten bis über 43% Gesamtzucker nach Balland (9). Citronensaft enthält 2,45% Glucose nach Carles(10). Vitis vinifera: Rohrzucker ist in manchen Sorten von Weinbeeren tat- sächlich enthalten nach Gore und Alwood (1 1 ). Fruchtsaft von Punica Granatum enthält nach Bornträger u. Paris (12) 7,81 — 13,69% reduzierenden Zucker. Opuntia-Früchte : Fructose, Glucose, vielleicht auch Pentose, nach H ARE (1 3). Arbutus Unedo sowie Diospyros virginica, Lotus und Kaki enthalten Invert- zucker nach Bornträger (7). Vaccinium macrocarpum führt im Saft 2,23% Zucker nach Prescott (14). Vaccinium Myrtillus, Fruchtsaft: 8,84% Invertzucker; Oxycoccos: Frucht- saft 8,20% Invertzucker nach Feder (15). Solanum Lycopersicum enthält 3,105% Glucose nach Bote (16). Coffea ai'abica, reife trockene Früchte enthalten nach Boussingault(17) 8,73% Invertzucker und 2,37% Rohrzucker. Symphoricarpus racemosa enthält in den Beeren 5,9% Invertzucker nach Hermann und Tollens(18). Viburnum dentatum. Beeren enthalten 35,74% Zucker nach Blake (19). Viburnum Lentago führt Invertzucker nach Gillette (20). Citrullus vulgaris, führt im Saft der reifen Frucht, der 43 Gewichtsprozente ausmacht, 5,5% reduzierenden Zucker und meist mehr als 1% Saccha- rose: Sherwin und May (21). 1) Kromer, Arch. Pharm., 239, 393 (1901). — 2) W. P. Kelley, Journ. Ind. and Eng. Chem. (1911), p. 403. — 3) E. Lenssen, Ber. Chem. Ges., j, 966 (1870). — 4) A. Wright u. Patterson, Journ. Chem. Soc., jj, 78 (1878). — 5) Wittmann, Chem. Zentr. (1904), /, 820. - 6) G. Paris, Chem.-Ztg., 26, 248 (1902). - 7) A. Bornträger, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 5, 145 (1902). — 8) Stone u. Test, Amer. Chem. Journ., 15, 660 (1893). — 9) Balland, Journ. Pharm, et Chim. (6), 19, 569 (1904). — 10) P. Carles, JuBt Jahresber. (1878), /, 251. - 11) H. C. Gore, Journ. Ind. and Eng. Chem. (1909), p. 436. Alwood, Ebenda (1910), p. 481. — 12) Born- TRlGER u. Paris, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel (1898), p. 158. — 13) R. F. Hare, Biochem. Bull., 2, 173 (1912). — 14) Prescott, Just botan. Jahresber. (1878) / 251. — 15) E. Feder, Pharm. Zentr. HaUe, 5J, 1321 (1912). — 16) Both. Just botan. Jahfesber. (1890), //, 429. — 17) Boussingault, Compt. rend.. p/, 639 (1880); Agronomie, 7, 77. — 18) Hermann u. Tollens, Lieb. Ann., 230, 50 (1885). — 19) C. R. Blake, Chem. News, wo, 210 (1910). — 20) Gillette, Ebenda, 103, 205 (1911). — 21) Sherwin u. May, Journ. Ind. and Eng. Chem. (1912), p. 585. 492 Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflanzungssy stein. Eine große Anzahl tropischer Früchte hat Prinsen Geerligs(I) analysiert, wonach 100 Teile des Fruchtfleisches an Zucker die nachstehenden Mengen aufwiesen: Saccharose Glucose Fructose Gesamtzucker 0/ 0/ 0/ 0/ /o /o /o /o Achras Sapota 7,02 3,7 3,4 14,12 Ananassa sativa 8,61 1,0 0,6 10,21 Anona muricata 2,53 5,05 4,04 11,62 reticulata - 6,20 4,22 10,42 „ squamosa 0,5 5,40 3,6 9,50 Artocarpus integrifol 3,7 1,14 — 4,84 Averrhoea Garambola .... 0,82 5,50 3,7 10,02 Carica Papaya 0,85 2,60 2,1 5,55 Cicca nodiflora — 0,33 1,0 1,33 Citrullus eduhs 2,13 — 2,75 4,88 Citrus Aurantium 3,06 2,40 1,60 7,06 Durio zibethinus 8,07 1,80 2,20 12,07 Flacourtia sapida 0,50 0,41 0,70 1,61 Garcinia Mangostana .... 10,80 1,0 1,20 13,0 Jambosa alba 0,53 3,2 3,20 6,93 Lansium domesticum .... 9,98 1,67 2,50 14,15 Mangifera indica dulcis . . . 9,48 0,62 1,98 11,98 „ acida ... 3,60 - 1,90 5,50 Musa paradisiaca 13,68 4,72 3,61 22,01 Nöpheüum lappaceum . . . 7,80 2,25 1,25 11,30 Persea gratissima 0,86 0,40 0,46 1,72 Psidium Guajava 1,66 2,00 0,50 4,16 Spondias mangifera 2,94 1,68 1,84 6,46 Tamarindus indica — 5,81 2,51 8,32 Zalacca eduHs 8,07 2,40 — 10,47 Mannit wurde durch Boüssingault in den reifen Coffeafrüchten zu 2,21% der Trockensubstanz gefunden; auch die Beeren der Hippophae rhamnoides enthalten nach Erdmann (2) Mannit. Reife Früchte von Prunus Laurocerasus führen nach Vincent und Delachanal(3) Mannit und Sorbit in gleicher Menge. Sorbit ist bei Pomaceen verbreitet: in den Früchten von Sorbus Aucuparia nach Boüssingault (4), in Birnen, Äpfeln und Mispeln nach Vincent und Delachanal (5). Als Beispiele für den Gang der Reifung und die damit ver- bundenen Änderungen im Zuckergehalte seien noch einige Daten bei- gefügt. Für Pirus saücifolia macht Johanson(6) folgende Angaben: 15. Juli 30. Juli 14. Aug. 28. Aug. 14. Sept. 28. Sept. 12. Okt. 0/ 0/ 0/ 0/ 0/ 0/ 0/ /o /o /o /o /o /o /o Trockensubstanz . . 47,29 49,29 46,58 49,06 39,59 36,30 38,01 Wassergehalt . . . 52,79 50,71 53,42 50,94 60,42 63,69 61,99 Asche 1,18 2,05 2,43 1,37 1,80 1,57 1,73 Zucker 1,32 1,58 2,13 3,67 9,06 9,28 11,31 Stärke 3,50 7,04 5,96 8,30 6,53 6,40 6,84 1) Pbinsen Geerligs, Chem.-Ztg., 21p 719 (1897). — 2) Erdmann, Ber. Chem. Ges., 32, 3351 (1899). — 3) Vincent u. Delachanal, Compt. rend., 114, 486 (1892). — 4) Boüssingault, Ann. de Chim. et Phys. (4), 26, 376. — 5) Vin- cent u. Delachanal, Bull., Soc. Chim. (2), 22, 264. — 6) E. Johanson, Apoth.- Ztg., 6, 369 (1891). f 2. Kohlenhydrate in Früchten. 493 Für die Reifung von Prunus Avium gab Keim (1) die folgenden Zahlen: DurchachnittB- rr. 1 /-, gewicht von 10 Früchten Wasser irocKen subst. uesami- säure Zucker Asche g % % 0/ /o 0/ 0/ /o /o Grün, erbsengroß, 15. Mai 6,375 88,88 11,12 0,213 2,93 0,478 Wenig größer, 21. Mai . . 8,259 83,73 16,27 0,310 3,13 0,516 Größer, gefärbt, 28. Mai . . 13,210 82,13 17,87 0,412 4,42 0,646 Annähernd reif, 10. Juni . 30,800 83,63 16,35 0,421 9,12 0,356 Vollreif, 19. Juni 37,190 81,22 18,78 0,462 10,26 0,739 Früchte von Vaccinium wurden durch Omeis und Oelze (2) unter- sucht. Für die Heidelbeere konstatierte Omeis folgenden Gang der Zucker- bildung: Acidität /o 0,65 1,62 1,82 1,58 1,07 Vaccinium Vitis Idaea zeigt nach Oelze analoge Veränderungen. Indem auf die Untersuchungen der Reifung der Früchte von Amyg- dalus persica durch Bigelow und Goke (3) sowie auf die Arbeit von Leclerc DU Sablon (4) über Reifung von Cucurbitaceenfrüchten verwiesen werden soll, seien noch die von Scurti und de Plato (5) an reifenden Orangen ermittelten Zahlen angeführt; die hier vorkommenden Zuckerarten sind Glucose, Fructose und Saccharose. Reduzierender Zucker 7ü Nichtreduzierender Zucker % Wasser % Trocken- substanz % 9. Juni: Beeren grün . . . 82,55 17,45 25. „ Beginn der Rötung 76,87 23,13 25. „ rote Beeren . . . — — 7. JuU: Übergang in Blau . 79,47 20,53 12. „ Blaureife Beeren . 83,50 16,50 Invert- Rohr- zucker zucker % % 0,02 0,17 0,42 0,74 1,90 — 1,90 — 5,06 — süße gewöhnl. bittere süße gewöhnl. bittere 16. November 6,13 2,38 1,56 0,57 2,76 0,94 1. Dezember 6,85 2,64 1,77 1,25 3,32 1,13 16. „ 6,85 3,00 2,37 0,71 3,23 0,65 1. Januar . . 7,95 2,92 2,32 1,05 3,78 1,97 18. „ . . 3,33 2,93 — 3,13 2,05 Die Reifung der Frucht von Solanum Lycopersicum verfolgte Alb.\- HARY (6). Invertin, welches von Martinand (7) für Traubenbeeren speziell nach- gewiesen ist, dürfte wohl in keiner Frucht, wo Saccharose und Invertzucker gemeinsam auftreten, fehlen, doch sind generelle Untersuchungen hierüber nicht vorhanden. Von besonderem Interesse sind die durch Vinson (8) an der Dattelfrucht aufgefundenen Verhältnisse, wo das Invertin der un- reifen Früchte als Endoenzym zurückgehalten wird und auf den Rohr- 1) W. Keim, Ztsch. analyt. Chem. (18911. p. 401. — 2) Th. O.meis, Just botan. Jahresber. (1889), /, 30. Oelze, Ebenda (1890). 7, 89. — 3) Bigelow u. GoßE, Joum. Amcr. Chem. Soc., 27, 915 (1905). — 4) Leclerc du Sablon, Compt. rend., 140, 320 (1905). Amylaae im Fruchtsaft von Ecballium: A. Berg, Compt. reud., 154, 370 (1912). — 5) F. Scurti u. G. de Plato, Ann. Staz. Chim. agr. spez. Rom. (2), 2, 225 (1907). — 6) Albahary, Compt. rsnd., 147. 140 (1908). — 7) Martinand, Ebenda, /j/, 808 (1900). — 8) A. E. VrssoN, Annual Rep. Univ. Arizona Agr. Exp. Stat. (1907); Plant World, 13, Nr. 1 (1910). 494 Siebzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel bei phanerogamen Parasiten. Zucker nicht einwirkt, in der reifen Frucht aber von den Zellen leicht ab- gegeben wird und die Saccharose hydrolysiert. Invertin ist durch Mierau (1), sowie durch Tallarico (2) ferner in reifenden und reifen Bananen gefunden. Bananenfrüchte enthalten im unreifen Zustande große Massen von Stärke, bis zu 85%, bei 12—19,6% Wassergehalt (3). Diese Stärke schwindet in der Reife und Nachreife durch die Einwirkung des diastatischen Fermentes, welches Tallarico, solange die Früchte grün sind, vorfand. Da Prinsen Geerligs (4) bei der Zuckerbildung in der Nachreife von Pisang und Mango- pflaume das Enzym nicht nachweisen konnte, so wäre wohl an ein Endo- enzym zu denken. In der Nachreife verschwindet die Stärke völlig und es treten große Rohrzuckermassen auf. Lindet (5) fand in brasihanischen Früchten 8,2% Saccharose und 2,6% reduzierenden Zucker, während in den an importierten Bananen durch Ricciardi (6) angestellten Analysen, offenbar infolge Inversion, nur mehr 0,2 des Gesamtzuckers Saccharose war. Nach Bailey (7) zeigen folgende Zahlen die stoff heben Unterschiede zwischen unreifen und reifen Bananenfrüchten: Eeduzier. Zucker Zucker nach Inversion Dextrin usw. Stärke Kohlenhydrate total Unreif . Reif. . . 0,08% . 4,21% 0,15% 5,82% 0,5 % 3,43% 13,99 % 0,71% 16,93% 14,92% Der in Früchten abgelagerte Zucker wird zum größten Teil nicht an Ort und Stelle, sondern in den Blättern gebildet. Nach Entblätterung von Wein- stöcken sah Marescalchi (8) den Zuckergehalt der Beeren von 21,0% auf 17,5% sinken und die Säure von 14 "/q^, auf 17,5 ^/q^ ansteigen. Siebzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel bei phanerogamen Parasiten und Saprophyten. Die merkwürdigen Ernährungsverhältnisse der grünen und chloro- phyllfreien Parasiten und Saprophyten unter den Blütenpflanzen sind selbst bei den mitteleuropäischen Formen trotz vieler umfassender Unter- suchungen, die im Laufe der Zeit über die Lebensweise dieser Gewächse sowie über den anatomischen Bau und den Zusammenhang mit der Wirtspflanze angestellt wurden, in den meisten Stücken noch unbekannt. Speziell der Kohlenhydratstoffwechsel bedarf noch bei fast allen phanero- gamen Saprophyten und Parasiten einer eingehenden Aufklärung. Früher hatte man sich damit begnügt, den chlorophyllführenden sich durch Wurzelhaustorien ernährenden Parasiten aus den Gruppen der Santalaceen und Rhinanthaceen selbständige Kohlensäureassimilation zuzuschreiben und hatte eine Bedeutung des Parasitismus für den Kohlenhydratstoffwechsel gänzlich in Abrede gestellt. Sodann behaup- 1) Mierau, Chem. Zentr. (1893), //, 535. — Z) G. Tallarico, Arch. Farm. Sperim., 7, 27 (1908). — 3) Schellmann, Der Pflanzer, 2, 353 (1906). — 4) Prinsen Geerligs, Archief voor de Java Suik. Ind. (1908), IjTr. 5, p. 267. — 5) Lendet, Bull. Soc. Chim., 40, 65 (1882). Marcano u. Muntz, Ber. Chem. Gea., 12, 668 <1879). — 6) KICCL4.RDI, Compt. rend.^ 95, 393; Ber. Chem. Ges., 15, 2389 (1882). — 7) Bailey, Joum. Amer. Chem. Soc, 34, 1706 (1912). — 8) A. Marescalchi, Staz. sper. agr. ital., 45, 940 (1912). Siebzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel bei phanerogamen Parasiten. 495 tete aber Bonnier (1), daß die Chlorpplasten der Euphrasia- Arten trotz ihres Chlorophyllgehaltes viel weniger aktiv seien als bei anderen grünen Gewächsen. Dies hat sich jedoch nicht bewahrheitet. Pfeffer und EwART(2) zeigten, daß die Chlorophyllkörner der Euphrasien ebenso lebhaft Sauerstoff ausscheiden wie andere Chloroplasten , und Hein- richer (3) erbrachte durch die an abgeschnittenen Euphrasiasprossen angestellte Jodprobe den Nachweis, daß in den Blättern auch ohne Zusammenhang mit der Wirtspflanze sehr reichlich Stärke entsteht. Ähnlich verhält sich nach Heinricher auch Bartschia alpina. Daß es jedoch wirklich grüne Wurzelparasiten gibt, die nachweislich schwächer Kohlensäure assimilieren als andere grüne Pflanzen, konnte Heinricher an Tozzia alpina konstatieren, einer Pflanze, welche übrigens eine lange Lebensperiode als unterirdischer Holoparasit durchläuft. Tozzia hat nach Heinricher stets einen etwas gelblichen Ton in ihrer Laubfarbe und bestätigt so die ältere Meinung, daß der Chlorophyllgehalt ein deutlicher Hinweis auf die Intensität der selbständigen Kohlensäureassimilation sei. Heinricher (4) wies ferner nach, daß unsere heimischen Melampyrum- arten typische Wurzelparasiten sind, so wie es von Alectorolophus und Euphrasia schon lange feststeht. Nach L. Koch (5) sind bei diesen Gewächsen die Haustorien in einen resorbierenden Teil und einen extra- matrical gelegenen, als Reservestoffbehälter fungierenden Teil physiologisch gegliedert. Doch dürften in dem als Speicherorgan dienenden knopf- artigen Teil des Haustoriums kaum Kohlenhydrate in erheblichem Maße vorhanden sein. Die ähnlichen Verhältnisse der Santalaceen sind durch Barber für die Wurzelhaustorien von Santalum (6) sowie durch Fraysse für Osyris in neuerer Zeit erläutert worden (7). Kusano hat sich mit dem Parasitismus von Aeginetia befaßt (8). Die chlorophyllarmen und chlorophyllfreien Formen der Parasiten und Saprophyten sind in ihren Hauptvertretern meist anatomisch sehr ausführlich untersucht worden, bezüglich ihres Kohlenhydratstoffwechsels aber sind nur gelegentlich gefundene Einzelheiten bekannt geworden. Cuscuta monogyna wurde durch Molliard(9) in zuckerhaltiger Nähr- lösung mit Erfolg gezogen und darin auch zur Blüte gebracht. Die Haustorienbildung wurde jedoch durch diese Ernährungsweise nicht be- einträchtigt. Beim Vordringen der Haustorien von Cuscuta in den Ge- weben der Wirtspflanze spielen nach den Feststellungen von Peirce(IO) neben der mechanischen Wirkung zellwandlösende Enzyme eine wichtige Rolle, wie Koch (11) vor längerer Zeit vermutet hatte. Die sekretorischen Vorgänge an den Cuscutahaustorien hatte übrigens bereits Mohl(12) nicht unbeachtet gelassen. Peirce fand zweifellos eine Cytase in dem Haustorialsekret und konnte auch eine starke amylolytische Wirkung des Sekretes durch Korrosion von Starkekörnern nachweisen. I) G. BONNIEB, Compt. rend., //j. 1047 (1891). - 2) Pfeffer, Ber math- phys. Kl. d. Sachs. Ges. d. Wiss. (1896). Ewart, Journ. Linn. boc j/. 446 (1896). -3) Heinricher, Jahrb. wiss. Botan., 32, 438 (1898); jö. 706 (1901)^ -,f)E- Heinricher, Her. Botan. Ges., 22, 411 (1904); Jahrb. wiss. Botan., 46, 2.3 (1909). L. Gautier, Rev. g6n. Botan., 20, 67 (1908). - 5) L. Koch, Ber Botan. Ges., 5. 350 (1887); Jahrb. wiss. Botan., 20, I (1889). - 6) C. A Barber Dept. Agr. India, Bot. Ser. (1907), /, 1. — 7) A. Fraysse, Diss. (Moatpelher 190b). — 8) b. i^usANO, Beihefte botan. Zentr., 24, I, 286 (1909). - 9) Molliard, Corapt. rend., 147, 685 (1908). - 10) Peirce, Ann. of Botan., 8, 105 (1894). - 11) Koch, Die Klee- u. Flachsseide (1880), p. 56. - 12) Mohl, Bau u. Winden der Ranken (1827). 496 Siebzehntes Kapitel: Der EohlenhydratstoffwechBel bei phanerogamen Pflanzen. Über die Reservestoffablagerungen bei Holoparasiten sind wir durch Heinricher (1) für Lathraea clandestina und Squamaria näher unterrichtet. In dem großzelligen Rindenparenchym der Lathraea clandestina-Haustorien sind meist viele Stärkekörner vorhanden, die sich gewöhnlich mit Jod rein blau färben, jedoch öfters auch einen rötlichen Ton bei der Jodreaktion geben. In dem Tracheiden führenden zentralen Teil findet sich oft reichlich kleinkörnige Stärke, die sich mit Jod rein rot färbt. Lathraea Squamaria enthält die erwähnte Rindenstärke nicht, wohl aber die kleinkörnige jodrötende Form. Bemerkenswert ist es, daß eine ganze Reihe von chlorophyllfreien und chlorophyllhaltigen saprophytischen Phanero- garaen, wie unter den Orchideen Epipogon, Limodorum, Goodyera, Ma- laxis u. a., femer Gentianaceen, wie Sweertia, Cotylanthera (2) kleine Stärkekörner, die sich mit Jod rot färben, in reichlicher Menge enthalten. Über die Stärkespeicherung im Rhizom von saprophytischen Erdorchideen, Coralliorhiza, hat Mac Dougal(3) Mitteüungen gemacht, und der Stärke- gehalt des unterirdischen Stammes und anderer Teile der Neottia Nidus wurde bereits durch Drude (4) festgestellt. Monotropa Hypopitys enthält nach Russow(5) jodrötende Stärke. Nach W. Magnus (6) führen im Wurzelsystem der Neottia selbst die von dem endotrophen Mycorrhiza- pilz bewohnten Zellen der Rinde oft kleinkörnige Stärke. Neottia neigt sehr stark zur vegetativen Vermehrung, so daß diese Stärkevorräte eine physiologische Notwendigkeit darstellen (7). Für die Orobanchen und verwandte Parasiten fehlen Angaben. Die Aufnahme der Kohlenhydrate durch alle diese parasitisch und saprophytisch lebenden Pflanzen ist ein schwieriges experimentelles Problem und erst in wenigen Punkten einigermaßen bestimmbar. In neuerer Zeit ist die bereits durch Frank (8) geäußerte Ansicht, daß die mit endotropher Mycorrhiza ausgerüsteten Saprophyten durch die Ver- dauung der Pilzhyphen und Resorption der aus den zugrundegehenden Teilen des Mycels gelieferten KohlenstofEverbindungen mindestens einen wesentlichen Teil ihres Kohlenstoffbedarfs decken, durch W. Magnus und Shibata(9) sehr wahrscheinlich gemacht worden. Doch sind wir weit davon entfernt, einen einigermaßen befriedigenden Einblick in den Chemismus dieser Vorgänge zu besitzen, nachdem einstweilen vorzüglich morphologische Methoden zur Untersuchung dieses Problems heran- gezogen worden sind. Die ektotrophe Mycorrhiza scheint nach den Untersuchungen von Stahl (10) keine Bedeutung für die Kohlenstoff- gewinnung aus dem Humussubstrate zu besitzen, sondern vor allem einen Ersatz für die mangelhafte Wurzelhaarbildung darzustellen. 1) Heinricher, Beitr. Biol. d. Pfl., 7, 342 (1896). — 2) Figdor, Ann. jard. botan. Buitenzorg, 14, 224 (1896). — 3) Mac Dougal, Contrib. New York. Botan. Qard. (1899). Symbiose and Saprophytism, p. 520. — 4) Drude, Biol. v. Monotropa u. Neottia (1873). — 5) Russow, Auskleidung d. Intercellularen. Sitz.ber- Dorpater Naturf. Ges., 7, I (1884). Drudes „Monotropin" ist wohl mit der jodrötenden Stärke identisch. — 6) Wern. Magnus, Jahrb. wias. Botan., 35, II (1900). — 7) Vgl. J. Peklo, Flora, 9Ö, 260 (1906). — 8) A. B. Frank, Ber. Botan. Ges.. 9 (1891). — 9) SmBATA, Jahrb. wiss. Botan., 37, 644 (19(^). — 10) Stahl, Ebenda, 34> IV (1900). Achtzehntes Kapitel : Resorption von Kohlenstoffverbindungen durch Wurzeln usw. 497 Achtzehntes Kapitel: Resorption von Kohlenstoffverbin- dungen durch Wurzeln und Blätter von Phanerogamen. § 1- Wurzeln. Die Resorption von Kohlenstoffverbindungen durch Phanerogamen- wurzeln ist tatsächlich möglich und hat sich sowohl für stickstoffreie als stickstoffhaltige Substanzen erweisen lassen. Es steht mithin der An- nahme nichts im Wege, daß auch im normalen Leben der Pflanzen eine Aufnahme von Kohlenstoffverbindungen durch das Wurzelsystem vor- kommen kann. Es bleibt jedoch noch zu bestimmen, ob in der Natur faktisch Verhältnisse existieren, unter denen grüne Pflanzen mit Vorteil von Kohlenstoffverbindungen des Wurzelsubstrates Nahrung ziehen und wenigstens teilweise neben der normalen Kohlensäureassimilation regel- mäßigen Nutzen hiervon haben. Bezüglich der Saprophyten wurden die wenigen einschlägigen Erfahrungen im Voranstehenden dargelegt und die Verhältnisse autotropher Pflanzen finden besser bei der allgemeinen Behandlung des Verhältnisses der Pflanzen zum Boden gelegentlich der Besprechung der Aschenstoffaufnahme Erörterung. Hier geqüge der Hinweis, daß erfahrungsgemäß Landpflanzen in völlig kohlenstoffreiem Boden ihr normales Fortkommen finden können, und wie schon Liebig überzeugend dartat, die allgemeinen Verhältnisse der Humusbildung durch Pflanzenreste sehr dagegen sprechen, daß die Kohlenstoffausnutzung eine erhebliche sein kann. Hierzu kommen die neueren Erfahrungen der Bodenbacteriologie, welche die Überlegenheit der Konkurrenz der Mikroben des Bodens bei der Ausbeutung der Humusstoffe hinreichend erwiesen haben. Immerhin sind die Versuche, welche die Möglichkeit einer künst- hchen Versorgung mit Kohlenstoffverbindungen mittels der Wurzel- tätigkeit erwiesen haben, von hohem Interesse. Nachdem Boehm(I) zum ersten Male die Möglichkeit einer Zuckeraufnahme durch die Wurzeln gezeigt hatte, gelang es Acton(2) bei Pflanzen, die in Nähr- lösung kultiviert waren, auch im Dunkeln Stärkebildung in den grünen Teilen zu beobachten, sobald 1% Glucose, 0,5% Glycerin, 0,5% Sac- charose, 1 % Inulin oder 1 % lösliche Stärke durch die Wurzeln dar- gereicht worden war. Hingegen war das Resultat ein negatives bei Darreichung von Dextrin, Glykogen, Lävulinsäure, Humusextrakt, Acrolein, Allylalkohol, Acetaldehyd oder Aminoäthylalkohol. Laurent (3) kultivierte Maispflanzen am Licht in Nährlösung, welcher Glucose oder Invertzucker zugesetzt war, unter Beachtung sorgfältigen Fernhaltens von Bacterien. Auch dieser Forscher konnte an den Kulturen mit Zucker eine stärkere Zunahme an Trockengewicht, eine dunklere Farbe der grünen Blätter im Gegensatz zu den zuckerfreien Kontrollkulturen sowie eine Abnalnne des Zuckergehaltes der Nährlösung feststellen. Die Pflanzen hatten demnach Zucker aufgenommen und verarbeitet. Die moderne Versuchs- technik verlangt allerdings zur Beweiskraft derartiger Experimente voll- ständige Abwesenheit von Mikroben, welche die dargereichten organische 1) J. BOEHM, Botan. Ztg. (1883), p. 54. - 2) H. Acten Proceed.I^y 4T, 150 (1890). — 3) J. Laurent, Compt. rend., 125, 887 (1897); 127, 78b /35, 870 (1902); Soc. Biol. (1905), Nr. 3. Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. "^ 498 Achtzehntes Kapitel : Resorption von Eohlenstoffverbindungen darch Wurzeln usw. Stoffe verändern könnten. Viele Untersuchungen haben gezeigt, daß dies nicht so leicht zu erreichen ist. Trotz aller verbesserten Methoden zur sterilen Kultur von höheren Pflanzen (1) ist es erfahrungsgemäß am schwersten das Aussaatmaterial bacterienfrei zu machen, so daß es am besten zu sein scheint, Antiseptica anzuwenden und auf die vollständige Entfernung der den Samen anhaftenden Mikrobenkeime zu verzichten (2). Nach Arcichovskij (3) sind jedoch Samen innerhalb ganz unverletzter Früchte sicher keimfrei, und man hat bei Benützung solcher reifer Früchte dann tatsächlich das gewünschte sterile Aussaat- material zur Hand. In neuerer Zeit haben sich besonders Molliard, LuBiMENKO und Lefevre(4) mit Erfolg bemüht, die Resorption von Kohlenstoffverbindungen durch Phanerogamenwurzeln zu studieren. Dabei ergab es sich, daß grüne Pflanzen ohne Kohlensäurezufuhr durch zucker- oder mannithaltige Nährlösung versorgt werden können. Jedoch ist Zutritt von schwachem Licht nötig, das so wenig intensiv zu sein braucht, daß es merkliche Kohlensäureassimilation nicht unterhalten kann. Es ist nicht völlig aufgeklärt, wie diese Ergebnisse zu verstehen sind, doch wäre es immerhin möglich, daß eine, wenn auch außerordentlich schwache, Ausübung der normalen Blattfunktion nötig ist, um ungestörte Ernährung aufrecht zu erhalten. Bemerkenswert ist es sodann, daß nicht alle Zucker- arten unterschiedslos von beliebigen Pflanzenspezies verarbeitet werden, sondern z. B. Saccharose von Nasturtium nicht ausgenutzt wird, während Rhaphanus diese ebenso verarbeitet wie Glucose. Lübimenko gibt an, Alkoholgärung des Zuckers durch die aufnehmenden Wurzeln beobachtet zu haben. Stickstoffhaltige Verbindungen sind besonders in den Ver- suchen von Lefevre berücksichtigt worden, und Fütterung mit Amiden konnte das Anfangsgewicht der Pflanzen binnen 10 — 14 Tagen verdrei- fachen. Rhaphanuswurzeln nehmen nach Molliard Pepton oder Asparagin gut auf. Nach Ravin(5) sind organische Säuren in verdünnter Lösung trefflich geeignet, besser als die Neutralsalze derselben. Nach Lövin- SON werden Formiate, Acetate und Propionate von Phanerogamenwurzeln wohl aufgenommen, entfalten jedoch selbst bei allmählicher Steigerung der Dosis kaum jemals einen nennenswerten Nährerfolg (6). Nach Zaleski und Marx (7) zersetzen Keimlinge von Pisum, Lupinus, Faba (nicht aber unreife Erbsen) Brenztraubensäure, gerade so wie Hefe, in COj und Acetaldehyd, enthalten also Carboxylase. Bokorny(8) nimmt an, daß Methylalkohol von grünen Pflanzen durch die Wurzeln in einem gewissen Ausmaße nicht nur aufgenommen, sondern auch ausgenutzt werden kann. Für den Äthylalkohol hingegen soll das gleiche nicht gelten. Wenn in der Natur wirklich verschiedene Kohlenstoffverbindungen durch die Wurzeln aufgenommen werden sollten, so hätte man wohl die Ausscheidung von hierzu dienlichen Fermenten durch die Wurzeln zu erwarten. Nach den vorliegenden Erfahrungen kann es sich jedoch bei 1) Apparate zur sterilen Kultur höherer Pflanzen: R. Combes, Compt. rend., 154, 891 (1912). V. Gräfe, Abderhaldens Handb. biochem. Arb.meth., 6, 139 (1912). — 2) Vgl. R. DE Zeeuw, Zentr. Bakt., 31, 4 (1911). — 3) V. Akcichovskij, Ebenda, 36, 421 (1912). — 4) Molliard, Compt. rend., 141, 389 (1905): 142, 49 (1906); BuU. Soc. Botan., 56, 382 (1909); 55, 636 (1908); 53, 61 (1906); Rev. gin. Botan., 19, 242 (1907). W. Ltjbimenko, Compt. rend., 143, 130 u. 516 (1906). J. Lefevre, Ebenda, 141, 211, 664, 834, 1035 (1905); 142, 287 (1906); 143, 322 (1906). Maze, Ebenda, 128, 185 (1899); 139, 470 (1904). — 5) Ravin, Ebenda, 154, HOC <1912). — 6) O. LöviNSON, Botan. Zentr., 83, 1 (1900). — 7) W. Zaleski u. E. Marx, Biochem. Ztsch., 48, 175 (1913). — 8) Th. Bokorny, Zentr. Bakt., 30, 53 (1911). § 2. Blätter und Laubsproaae. 499 Enzymausscheidungen von Wurzeln von Blütenpflanzen höchstens um vereinzelte Vorkommnisse, jedoch nicht um allgemein verbreitete Ein- richtungen handeln. Schon Duclaux(1) wies auf Grund kritischer Ver- suche die Ansicht ab, daß Phanerogamenwurzeln Invertin, Diastase oder Emulsin sezemieren. Auch die später von Molisch (2) vertretene Meinung, daß bei Wurzeln tatsächlich invertierende und diastatische Wirkungen vorkommen, hat sich nach eigenen unter sorgfältiger Ver- meidung von Verletzungen und Bacterienwirkungen angestellten Ver- suchen (3) nicht beibehalten lassen, so wie auch Wohllebe (4) höchstens eine gelegentliche Enzymausscheidung durch Wurzeln zugestehen kann. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß es derzeit noch unbekannte Fälle von wirklicher und biologisch bedeutsamer Enzymausscheidung durch manche Wurzeln gibt. Mit großer Reserve nehme ich auch die älteren Angaben auf, wonach beim Durchbrechen der Seitenwurzeln Enzymwirkungen auf das Gewebe der Mutterwurzel entfaltet werden und der Durchbruch nicht nur auf Rechnung von mechanischen Wir- kungen zu stellen ist (5). So wird auch die im natürlichen Boden häufig vorkommende Durch- bohrung von Pflanzenbestandteilen durch wachsende Wurzeln voraus- sichtlich nur durch mechanische Mittel zustande kommen und die An- nahme zellhautlösender Enzyme (6) ist durch nichts gerechtfertigt. Über- haupt stimmen alle diese Befunde darin überein, daß eine Verarbeitung von Humusstoffen durch Phanerogamenwurzeln, wie dieselbe früher allgemein angenommen wurde (7), und selbst in neuerer Zeit in der Literatur noch hier und da immer wieder auf taucht (8), nicht stattfindet. Die kritischen Untersuchungen von Molliard(9) kamen zu dem Er- gebnisse, daß bei Rhaphanus wohl Kohlensäure aus Humusstoffen auf- genommen wird, nicht aber eine Ausnützung von Humusstoffen statt- findet oder höchstens in unbedeutendem Maße. Die Abwesenheit von Enzymen in den von Wurzeln ausgeschiedenen Sekreten, verhindert es nach MAzfe(10) nicht, daß selbst kolloidale Stärkelösung aufgenommen wird, so daß also Bodenkolloide immerhin als direkt aufnehmbar er- scheinen. §2. Blätter und Laubsprosse. Die Entdeckung, daß in Chloroplasten von Blättern, für deren vorherige Entstärkung durch hinreichend lange Verdunklun;; gesorgt wurde, im Dunkeln durch künstliche Zuckerzufuhr Stärkebildung hervor- gerufen werden kann, verdanken wir J. Boehm(II). Normale und etio- lierte Blätter sind hierzu gleich gut geeignet und es hängt, wie spätere Forschungen ergaben, das Gelingen des Versuches nur von der ver- 1) DUCLAUX, Compt. rend., wo, 66 (1885). — 2) H. Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak., 96, 1 (1887). — 3) R Czapek, Jahrb. wies. Botan., 29, 321 (1896). — 4) Wohl- lebe, Diss. (Leipzig 1911). — 6) Reinke, Hansteina botan. Abhandl., /. 3. VoN- HÖNE, Flora (1880), p. 227. Ph. van Tieghem u. Douliot, BuU. Soc. Botan., 33. 252 (1886). — 6) Z. B.: Höveler, Jahrb. wies. Botan., 24, 283 (1892). — 7) Vgl. Moleschott, Physiol. d. Stoffwechsels, p. 58 (Erlangen 1851). — 8) Z. B.: Cailletet. Compt. rend., 152, 1215 (1911). In den Versuchen von Coppin. Biochem. Joum., 6, 416 (1912) dürfte es sich wohl um Verwechslung mit Reizwirkungen auf da« Wurzel- wachstum handeln. — 9) Molliard, Compt. rend., 154, 291 (1912). — 10) Maze. Ebenda, 152, 783 (1911). — 11) J. Boehm, Botan. Ztg. (1883), p. 36. 32* 500 Achtzehntes Kapitel: Resorption von Kohlenstoff yerbindungen durch Wurzeln usw. wendeten Pflanzenspezies sowie von der dargereichten Kohlenstoffver- bindung ab. A. Meyer (1), der sich in der Folge eingehend mit der Stärke- bildung aus zugeführter Kohlenstoffnahrung bei abgetrennten Laubblättern befaßt hat, fand relativ wenige Stoffe als ein hierbei geeignetes Material. Sehr allgemein erzielt man Erfolge mit Glucose und Fructose; Galactose ist bei Caryophyllaceen nach Meyer in bestimmtem Grade geeignet. Mannose wurde von Meyer noch nicht geprüft, ist jedoch nach eigenen Erfahrungen gleichfalls ein von verschiedenen Pflanzenblättern resorbier- bares und zur Stärkebildung geeignetes Material. Rohrzucker wirkt fast in allen Fällen als ausgezeichneter Nährstoff; Maltose fand Meyer manchmal sehr günstig. Milchzucker gab fast überall negative Resultate und auch Raffinose war unwirksam. Die Blätter sämtlicher Mannit führender Oleaceen, wie Ligustrum, Syringa, Olea, Phillyrea und Fraxinus bildeten auch auf Mannitlösung Stärke. Dulcit war bedeutend ungünstiger, Erythrit ergab nur negative Resultate. Nach Treboux ist für die Blätter von Rosaceen Sorbit zur Stärkebildung sehr geeignet, obwohl er sonst nicht verarbeitet wird (2). Derselbe Forscher fand Adonit in vielen Fällen als ein brauchbares Material zur Stärkebildung (3), Glycerin führte in Meyers Versuchen vereinzelt zur Stärkespeicherung. Saposchni- K0FF(4) untersuchte besonders die Resorption von Saccharose durch Laubblätter und gab quantitative Belege über den Vorgang. Die grünen und weißen Partien panachierter Blätter wiesen anscheinend keine Diffe- renzen in ihrer AmylumbUdung auf. Nach 7 tägigem Liegen auf 20 %iger Rohrzuckerlösung hatte eine Blatthälfte von Astrapaea Wallichii an Glucose von 0 auf 0,06 g, an Stärke von 0 auf 0,052 g oder 5,3 g auf 1 qm Blattfläche zugenommen. Eine Blatthälfte von Nicotiana zeigte unter den gleichen Verhältnissen ein Plus von 0,097 g Stärke. Lindet(5) verfolgte die Amylumbildung an Zuckerrübenblättern bei Darreichung von Glucose und Fructose. Laurent (6) fand in zahlreichen Experimenten mit etiolierten Kartoffel sprossen von allen geprüften Stoffen Stärkespeicherung nur in den Fällen von Glycerin 10,5%, Glucose und Fructose 15%. 10%, 5%, 2,5%, Galactose 10,5%, Saccharose in Konzentrationen zwischen 1—40%, Lactose zwischen 5—25%, und Maltose 5% und 10%. Mannit und Dulcit waren nicht tauglich. Sodann fand Nadson(7) für eine Reihe von Laubblättern Milchzucker, Glycerin, manchmal auch Dextrin tauglich; Inulin ergab nirgends positive Befunde, Mannit nur bei Oleaceen, Dulcit nur bei Ligustrum und Cheiranthus. Mangin(8) injizierte verschiedene Laubblätter mit Lösungen von organischen Säuren, um die Ausnützung dieser Stoffe zu prüfen. Ein positives Resultat ergab sich jedoch in keinem Falle, was bezüglich der früheren durch Liebig verfochtenen Ansicht über die Bedeutung der organischen Säuren für die Zuckerbildung im Assimilationsprozesse vielleicht als Gegenargument in Betracht zu ziehen ist. Aber während das Erscheinen der Stärke in den zur Amylumbildung befähigten Blättern ein sicheres Zeichen für die erwähnte Resorption und Verarbeitung der betreffenden 1) A. Meyer, Botan. Ztg. (1886), p. 105. — 2) O. Tkeboux, Ber. Botan. Ges., 27, 507 (1909). — 3) Treboux, Ebenda, p. 428. — 4) W. Saposchnikofb', Ebenda, 7, 258 (1889). — 5) Lindet, Compt. rend., 152, 775 (1911). — 6) E. Laurent, Bull. Soc. Key. Botan. Belg., 26 (1888). — 7) G. Nadson, Botan. Zentr., 42, 48 (1890). — 8) Mangin, Compt. rend., 108, 716. Neunzehntes Kapitel: Sekretion von Zucker und Kohlenhydraten. 501 Verbindung ist, darf man die negativen Ergebnisse nur mit gewisser Vor- sicht verwerten, da eine Resorption und Verarbeitung ohne nachweisbare Stärkebildung vielleicht nicht für alle Fälle sicher ausgeschlossen ist. Bei Blättern, welche normal keine Stärke bilden, ist übrigens die Zucker- aufnahme gleichfalls experimentell sichergestellt worden. So erwies ScHiMPER(l) für die Blätter der saccharophyllen Impatiens parviflora die Aufnahme von Zucker, und Pfeffer (2) konnte Glucosespeicherung für die zuckerfrei gemachten Keimlingsblätter von Allium Cepa sicher- stellen. An Moosblättern ist Amylumbildung bei Zuckerfütterung von Pfeffer gleichfalls beobachtet worden. Nach Kimpflin(3) soll in Farnprothaliien im Dunkeln sogar aus Acrolein Zucker- und Stärkebildung möglich sein. Für das normale Leben der Blätter ist in bezug auf die Nischen- blätter der Bromeliaceen die Aufnahme von Kohlenstoffverbindungen aus dem in den Blattbasen angesammelten Humus angegeben worden (4), doch müssen noch weitere Untersuchungen entscheiden, in welchem Umfange solche Prozesse für das Gedeihen dieser Humussammler von Belang sind. Neunzehntes Kapitel: Sekretion von Zucker und Kohlen- hydraten. § 1. Physiologische Vorkommnisse. Die Stellen, an welchen physiologischerv/eise zuckerhaltige Sekrete produziert werden, pflegt man als Nectarien zu bezeichnen. Bekanntlich sind dieselben ein außerordentlich häufiges Vorkommnis in Blüten. Conrad Sprengel hat dieselben zuerst in ihrer biologischen Beziehung zur Insektenbefruchtung des eingehenden Studiums gewürdigt. Die an Blättern usw. außerhalb der Blüten ebenfalls verbreitet vorkommenden Stellen von Produktion zuckerhaltiger Sekrete faßt man als ex trän up- tiale oder extraflorale Nectarien zusammen. Schon KoELREUTER (5) sammelte behufs näherer Untf-rsuchung den Nectar aus den Blüten der Kaiserkrone und Hqffmann (6) beschäftigto sich 1788 mit der Analyse des Agavennectars. Doch wurde durch diese und andere ältere Arbeiten (7) noch keine exaktere Fragestellung bezüglich Sekretionsvorgang und Sekrolbildung angeregt. Braconnot (8) konsta- tierte die Gegenwart von Rohrzucker in vielen Blütennectarsäften. Der Sekretionsmechanisrcvs der Nectarien ist erst 1880 durch Pfeffer und Wilson (9) näher studiert worden. Diese Autoren wiesen 1) ScHiurrER, Botan. Ztg. (1885), p. 743 u. 758. — 2) W. Pficffer, Arbeit, botan. Inst Tübingen, 2, 310 (1886). — 3) Kimpfmx, Soc. Biol., 6fi. 176 (1909). — 4) C. PiCADO, Compt. rend., iS4, 607 (1912). — 5) Vgl. St:NP:BiER, Physiol. veg^t., 2, 388. — 6) C. A. Hoffmann, Crells Ann. (1788). /, 51. — 7) Treviranüs, Physiologie, 2, 31 (1838). — 8) Braconnot, .Tourn. prakt. Chcm., 30, 3G3 (1843). — 9) Pffjter, Osmot. Untersuch. (1877). p. 232. Wilson, Untersuch, a. d. botan. Inst. Tübingen, /, 8 (1881). Pfeffer, Pflanzenphyaiologie, 1. Aufl., /. 176 (1880): 2. Aufl., /, 263 (1897). 502 Neunzehntes Kapitel: Sekretion von Zucker und Kohlenhydraten. nachdrücklich darauf hin, daß das Agens bei der Funktion der Nectarien in der Erzeugung osmotisch wirksamer Substanzen liegt, welche, einmal produziert, die Sekretion fortdauernd zu erhalten vermögen. Dadurch ist das Problem der Nectarsekretion auf ein einfaches osmotisches Phänomen zurückgeführt und von den durch andere Wirkungen erzeugten Blutungserscheinungen scharf getrennt Man kann, wie Pfeffer gezeigt hat, leicht ein künstliches „Nectarium" aus einer ausgehöhlten Rübe, in welche konzentrierte Zuckerlösung oder etwas fester Zucker gebracht wurde, herstellen, und bei gehöriger Wasserzufuhr und Verhinderung des Austrocknens längere Zeit in Tätigkeit halten. In den natürlichen Nectarien bleibt es jedoch nicht bei der einmaligen Produktion von Zucker, sondern der Vorgang wiederholt sich. So kann man in jungen Fritillariablüten den Zucker wiederholt wegwaschen, ohne daß die Nectar- bildung sistiert, während in älteren Blüten durch einmalige Entfernung des Zuckers das Nectarium seine Wirksamkeit einstellt Nach Schim- FER(1) soll es bei den extranuptialen Nectarien von Cassia neglecta auch durch täglich wiederholtes Auswaschen nicht gelingen, die Funktion der Nectarien einzustellen. Haupt (2) hat durch seine Untersuchungen über die extrafloralen Nectarien die Kenntnisse vom Sekretionsvorgange der zuckerausscheidenden Drüsen erweitert. Jndem bezüglich der histo- logisch während der Sekretion nachweisbaren Veränderungen in den NectarioLzellen auf die Untersuchung von Stockard (3) verwiesen, und von den bei Pfeffer ausführlich behandelten osmotischen Fragen ab- gesehen wird, sei hier hauptsächlich die chemische Seite der Nectar- sekrBtion behandelt Rohrzucker und Invertzucker sind Stoffe, die in Nectarien äußerst verbreitet sind. Boussingault (4) hat sie für zahlreiche Blütennectarien nachgewiesen, Planta (5) fand dieselben gleichfalls in verschiedenen Nectar- arten. Lippmann (6) erhielt aus den Blumenblättern von Bassia latifoha Invertzucker. Bennett und Anklesaria (7) fanden in den lufttrockenen Blüten dieser Pflanze 18% Wasser, 49,8% Invertzucker und 13,4% Saccha- rose. Rhododendron hirsutum sowie Robinia sollen nach Planta nur redu- zierenden Zucker im Nectar enthalten. Nach Stadler enthält hingegen der Nectar von Pinguicula keinen Zucker, sondern nur schleimartige Stoffe, was noch zu bestätigen ist (8). Der von Poinsettia pulcherrima reichUch produzierte Nectar liefert nach Stone (9) 69,02% krystalhsierten Zuckers. Hiervon sind 57,59% Glucose, 11,23% Saccharose und 30,98% Wasser. Wilson (10) gibt an, daß bei einer Erbsenart bis 9,93 mg Zucker auf den Nectar je einer Blüte entfiel, bei Claytonia alnoides 0,413 mg. In Fuchsianectar war pro Blüte 7,59 mg Zucker enthalten, hiervon 5,9 mg Saccharose. 125000 Kleeköpfchen würden nach Wilson 1 kg Zucker liefern. Um ein Pfund Honig zu sammeln, müssen die Bienen etwa 2% Millionen Einzel- blüten des Klees erschöpfen. In getrockneten Verbascumblüten fand Schnee- gans (11) durchschnittüch 10,4% Invertzucker und außerdem wechselnde 1) ScmMPER, Wechselbezieh, zw. Pflanzen u. Ameieen (1888), p. 72. — 2) H. Haupt, Flora (1902), p. 1. — 3) Ch. R. Stockard, Science, 23, 204 (1906). — 4) Boussingault, Agronomie, 6, 275 (1878); Ann. de China, et Phys. (5), //, 130 (1877). — 5) Planta, Ztsch. physiol. Chem., 10, 227 (1886). Schulze u. Frank- fürt, Ebenda, 20, 511 (1896). — 6) Lippmann, Ber. Chem, Ges., 35, 1449 (1902). — 7) Bennett u. Anklesaria, Pharm. Joum. (4), j/, 141 (1910). — 8) S. Stadler, ßeitr. z. Kenntn. d. Nektarien (1886). — 9) Stone, Botan. Gaz., 17, 192 (1892). — 10) Wilson, Chem. News, 38, 93 (1878); Ber. Chem. Ges., //, 1835 (1878); Just botan. Jahreeber. (1878), /, 602. — 11) A. Schneegans, Ebenda (1898), //, 50. § 1. PhysiologiBche YorkommniBBe. 503 Mengen Rohrzucker. Der Nectar von Rhododendron arborcum enthält nach Tassis(I) Feststellungen im Rückstande 5,36% Glucose. Planta fand den Wassergehalt des frischen Nectars verschieden groß; Fritillaria- nectar hatte 93,4% Wasser, Protea melhfera, Hoya carnosa und Bignonia radicans enthielten 82,34 resp. 59,23 und 84,7% Wasser im Nectariensekret. Einige der Analysenresultate dieses Forschers seien noch nachstehend an- geführt : Im Nectar Prozente: In der Trockensubst. Proz.: Nectar von: Trockensubst. Glucose Saccharose Glucose Saccharose Asche Bignonia . . . 15,3 14,84 0,43 97,0 2,85 3,0 Protea .... 17,66 17,06 - 96,6 - 1,43 Hoya 40,77 4,99 35,24 35,65 87,44 - Entsprechend dem hohen Zuckergehalt ist auch die Dichte der Nectar- flüssigkeit eine hohe. Lippmann (2) fand an Blüten von Carex brunescens Ausscheidungen von Trehalose, ein vereinzelt stehender Befund, bei dem noch zu unter- suchen ist, ob nicht pathologische Erscheinungen dabei beteiügt waren. Invertin ist im Nectar wiederholt, so von Planta und von Bonnier (3) nachgewiesen worden. Nach dem letztgenannten Forscher ist übrigens die Rohrzuckerproduktion nicht in allen Stadien der Nectarsekretion gleich groß und sie scheint im Höhepunkt der Sekretion ihr Maximum zu besitzen. Außer Zucker findet man im Nectar auch öfters Säuren, was schon Hoffmann beim Agavenectar auffiel. Auch stickstoffhaltige Sub- stanzen fehlen in geringer Menge nach den Angaben von Planta nicht. Ferner ist es nicht ausgeschlossen, daß hier und da selbst giftige Begleit- substanzen im Nectar vorkommen können. Der Chemismus der Zuckerentstehung in den Nectarien ist noch nicht näher bekannt Stadler sah bei vielen Pflanzen in der Umgebung der Nectarien lokalisierte Stärke, die während der Sekretion verschwindet. Bei Diervilla rosea sollen im Nectar Stärkekömer vorkommen, welche sich mit Jod nicht blau färben. Daraus, daß beim Auftreten des Zuckers in Nectarien (Septaldrüsen von Narcissus) kein Erythrodextrin nachzu- weisen ist, wollte AcT0N(4) auf Nichtbeteiligung von Kohlenhydraten bei der Zuckerproduktion schließen und brachte andererseits die reichlich anwesenden Proteinkörner mit der Entstehung der Nectarflüssigkeit in Beziehung, was aus verschiedenen Gründen anfechtbar ist. Tatsache ist es, daß fast immer in der Nähe der Nectarien chlorophyllführende assi- milierende Gewebe vorkommen, welche direkt Zucker für die Nectarien liefern können. Auch wäre noch die in der Epidermis von Blumen- blättern vorkommende Stärke (5) in Hinblick auf Zusammenhang mit Nectarbildung in Betracht zu ziehen. Außer der anlockenden Wirkung für die im Dienste der Bestäubung tätigen Tiere wäre nach Burck(6) an die Wirkung der Nectarien als Transpirationsschutz für den Fruchtknoten, wenigstens in bestimmten Fällen, zu denken. Die nach der Blütezeit sezernierenden postfloralen 1) F. Tassi, Just botaii. Jahresbcr. (1890). //, 429. — 2) v. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 45, 3431 (1912). — 3) Bonnler, Anu. Sei. Nat. (6), S, 194 (1878). — 4) ACTON, Aun. of Botan., 2, 53 (1888). — 5) Hiller, Jahrb. wise. Botan., 16, 411 (1884). Septaldrüsen: Grassmann. Flora (1884). Saunders, Ann. of Botan., 5. 11 (1890) gibt auch nähere Details über die Stärkekörner in den Drüsenzellen. Schniewind-Thies, Beitr. z. Kenntn. d. Septalnectarien (1697). — 6) W. Bübck Kgl. Ak. Amsterdam (1908), p. 473, 504 Neunzehntes Kapitel: Sekretion von Zucker und Kohlenhydraten. Nectarien, wie sie bei Lamium entwickelt sind, stehen biologisch nach Sernander(I) mit der Verbreitung der Früchte durch Ameisen in Be- ziehung. Sie produzieren gleichfalls Zucker. Die extrafloralen Nectarien, die nach den Untersuchungen von ScHWENDT (2) Epidcrmalgebilde sind und kein typisches Drüsengewebe enthalten, sind von Rathay(3) bei Melampyrum nemorosum, wo sie sich an den gefärbten Bracteen befinden und wohl bei der Samenverbreitung durch Ameisen mitwirken (4), hinsichtlich der Zuckerausscheidung unter- sucht worden. Ihr Sekret enthält mindestens 2 % Rohrzucker, Der Insektenbesuch ist für die extranuptialen Nectarien an den Viciablättern nachgewiesen worden (5). Interessante weitere Fälle von extrafloralen Nectarien sind u. a. diejenigen, welche an den Hüllschuppen der Compositen zuckerhaltigen Saft produzieren (6), die Nectardrüsen der Cactaceen (7), die zuckerausscheidenden Stellen an den Nischenblättern des humus- sammeluden Farns Platycerium grande(8); Vorkommnisse, für welche sämtlich noch chemisch-physiologische Erfahrungen fehlen. Erwähnt sei noch, daß nach den Feststellungen von Fujii(9) der auf dem Ovulum von Taxus ausgeschiedene Flüssigkeitstropfen wahrscheinlich Glucose enthält. §2. Pathologische Sekretionsvorgänge. Die zuckerhaltigen Sekrete, welche an Pflanzen unabhängig von präformierten Nectardrüsen auftreten, werden meist unter dem Namen „Honigtau" zusammengefaßt. Trockenes Wetter, kühle Nächte und warme Tage scheinen diese Erscheinungen zu begünstigen, die seit alters her sehr viel beachtet und untersucht worden sind (10). Bonnier(II) rief Honig- taubildung hervor, indem er Zweige in Wasser eintauchte und sie sodann in dampfgesättigter Luft hielt. Das Sekret trat in solchen Versuchen aus Spaltöffnungen aus (Coniferen, Quercus, Populus, Acer). Hier war die Honigtaubildung unabhängig von Insekten erfolgt. In der Natur scheint aber, wie BiJSGEN(12) gezeigt hat, in den allermeisten Fällen die Bildung des Honigtaus unter Mitwirkung von Blattläusen und anderen Insekten zustande zu kommen. Die Aphiden stechen die Pflanzengewebe an und produzieren das zuckerreiche Sekret als Stoffwechselprodukt, anscheinend durch Entleerung aus dem After. Die chemische Untersuchung dieser zum Grenzgebiete der Zoologie und Botanik gehörigen Erscheinung wurde von Botanikern wiederholt vorgenommen. Unger(13) analysierte mehrere Honigtauproben und fand darin Traubenzucker. Boussingault (14) fand im Honigtau der Linde Rohrzucker, Dextrin und Invertzucker, und machte auf die ähnUche Zu- sammensetzung der Tamarixmanna von der Sinaihalbinsel aufmerksam. 1) R. Seknander, Bot. Stud. Kjellman (1906), p. 275. — 2) E. Schwendt, Beihefte botan. Zentr., 22, I, 245 (1907). — 3) Rathay, Sitz.ber. Wien. Ak., 81, I, 55 (1880). — 4) KiRCHMAYR, Ebenda, 7/7, I (1908). — 5) Hetschko, Wien, ento- molog. Ztg., 27, 299 (1908). — 6) R. v. Wettstein, Sitz.ber. Wien. Ak., 97, I, 570 (1888). — 7) Lloyd u. Ridgeway, Plant World, 15, Nr. 7 (1912). — 8) R. Dümmer, Ann. of Botan., 25, 1205 (1911). — 9) K. FüJir, Ber. Botan. Ges., 21, 211 (1903). — 10) Ältere Lit. üb. Honigtau b. BÜsgen, Der Honigtau (1891). — 11) G. Bonnier, Compt. rend. (1896), p. 335. Rev. gön. Botan., 8, 22 (1896). — 12) Büsgen, 1. c. — 13) Unger, Sitz.ber. Wien. Ak., 25, 449 (1857). — 14) Bous- singault, Compt. rend., 74, 87 (1872); Agronomie, 5, 33 (1874). § 2. Pathologische Sekretionsvorgänge. 505 Auch nach den letzten Untersuchungen von Hooper (1) enthält die Tamarix- manna als Hauptbestandteil Saccharose und keinen Mannit. F'ür den Honigtau der Linde zeigte später Maquenne (2), daß darin 40% Melezitose enthalten sind. Da derselbe Zucker in der Lärchenmanna von Brian9on, ferner in der Alhagimanna gefunden wurde, so scheint es, daß diese seltene Substanz gerade in Honigtausekreten eine größere Verbreitung besitzt. Übrigens gibt es nach Ebert (3) auch Alhagimanna im Handel, welche 42% Saccharose führt, und nicht Melezitose als Hauptbestandteil enthält. In dem Honigtau von Evonymus japonica fand Maquenne (4) Dulcit und Glucose. Der Honigtau von Acerblättern enthält nach v. Raumer (5) viel Rohrzucker und etwas Invertzucker. Nach Wiley (6) bestehen die zuckerartigen Ausschwitzungen an Pinusnadeln aus Virginien aus einem rechtsdrehenden Zucker, der möglicherweise Arabinose darstellen könnte (?) . Das Exsudat der Nadeln von Pinus Lambertiana ist dadurch merkwürdig, daß es Pinit oder Methylinosit enthält (7). Der von Trimble (8) unter- suchte Honigtau der Larix occidentalis ist bezüghch seiner Zuckerarten noch nicht genauer bekannt; er enthält reduzierenden Zucker, doch wird er zur Hauptmenge von nicht reduzierendem Zucker gebildet. Die wahr- scheinhch durch Cicadenstiche erzeugte Manna-Ausscheidung bei Ölbäumen enthält, wie die spontan an Mannaeschen auftretende Sekretion, reichlich Mannit, wie Trabut und Battandier (9) berichten, neben Glucose, und keine Saccharose. Angaben über verschiedene zuckerhaltige Sekrete, welche durch pflanzenbewohnende Tiere auf ihrem Substrate erzeugt werden und als verschiedene Mannasorten im Handel sind, finden sich von Flückiger (10) sowie in der oben zitierten Arbeit von Ebert zusammengestellt. Bemerkt sei nur, daß auch die durch Rüsselkäfer auf Echinopsarten erzeugte Trehala, welche sich durch ihren Gehalt an Trehalose als merkwürdiges Vorkommnis hinstellt, mit hierher zu zählen ist. Ebert fand in Trehalamanna 11,1% Feuchtigkeit und 17,5% Trehalose. Harang (11) bestimmte den Trehalose- gehalt dieses Produktes mit Hilfe des Pilzenzyms Trehalase. Die Eucalyp- tusmanna enthält nach Berthelot Raffinose. Die Honigtaubildung ist manchmal, besonders bei einigen tropischen Bäumen, so reichhch, daß ein stetiges Abtropfen des Sekretes von den Blättern auf den Boden zu beobachten ist. Als solche, früher fälschlich ab „Regenbäume" bezeichnete Pflanzen führt Thiselton Dyer(12) nach Spruce Pithecolobium Saman und andere Leguminosen an. Hier soll es sich um eine von Cicaden, die auf den jungen Trieben leben, bedingte Er- scheinung handeln. 1) Hooper, Ann. Rep. Asiat. Soc. Bengal (1909). Berthelot, Ann. de Chim. et Phys. (3), Ö7, 82. — 2) Maquenne, Compt. rend., 97, 127 (1893). — 3) A. Ebert, Ztsch. alldem, österr. Apoth.-Ver.. 46, 427 (1908); Diss. (Basel 1908). — 4) L. Maquenne, Bull. Soc. China. (3), 21, 1082 (1899). - 5) v. Räumer, Ztsch. analyt. Chem., jj, 397 '1894). — 6) Wtley, Just Jahresber. (1890), /, i\. — 7) Wiley, Ebenda, Ref. Nr. 104. — 8) H. Trimble, Amer. Journ. Tharm., 70, Nr. 3 (1898). — 9) Trabut, Compt. rend., 132, ^22^ (1901). Battandier, Journ. Pharm. Chim. (6), /j. 177 (1901). - 10) FlÜckioeb, Pharmakognosie 3. Aufl.. p. 31 (1891). — 11) P. Harang, Journ. Pharm, et Chim. (6), aj. 471 (190b). — 12) Thiselton Dyer, Just Jahresber. (1878), /. 326. Ernst, Botan. Ztg. (18<6). p. 35. 506 Zwanzigstes Kapitel : EohlenBäureverarbeit. u. Znckersyntheee im Chlorophyllkorn. Abschnitt 4: Die photochemische Zuckersynthese in der Pflanze. Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäure Verarbeitung und Zucker- synthese im Chlorophyllkom. § 1. Einleitende und historische Betrachtungen. Seit jeher hat unter den vielen Synthesen im pflanzlichen Orga- nismus die Zuckersynthese aus der Kohlensäure der Luft durch die grünen Gewächse die größte Aufmerksamkeit erregt. In der Tat ist dies eine Anpassung zu diemischen Leistungen, welche zu den bedeutungs- vollsten und imponierendsten Etappen im Kreislaufe der Stoffe auf der Erde zu zählen sind. Es werden hierdurch die in zahlreichen inorga- nischen und organischen Verbrennungsprozessen in kolossalen Mengen als Kohlensäure abgeschiedenen Kohlenstoffquantitäten von neuem in die Organismenwelt zurückgeführt, und alle höheren Gewächse, die ja quantitativ die größte Masse der Lebewesen darstellen, vermehren fast ausschließlich auf dem Wege der Kohlensäureassirailation ihre Trockensubstanz. Bekanntlich sind alle grünen Teile (chlorophyllhaltigen Zellen) der Pflanzen zur Vollführung dieses Prozesses befähigt Doch hat es die Arbeitsteilung dahin gebracht, daß sehr allgemein spezielle Organe, die Laubblätter, zum Betriebe des Assimilationsprozesses ausgebildet werden, welche in ihrer Konstruktion bis in das Ueinste Detail auf eine unter den obwaltenden lokalen Verhältnissen möglichst ausgiebig zu gestaltende Produktion auf Kosten der Luftkohlensäure und des Bodenwassers be- rechnet sind. Selbst bei Gewächsen, welche, wie Cytisus scoparius, Spartium junceum neben den Blättern über assimilierende Sproßorgane verfügen, soll nach Versuchen von Bergen (1) die Assimilationstätigkeit der Blätter weitaus kräftiger sein als jene der grünen Sproßteile. Um die Einflüsse aller einwirkenden äußeren Bedingungen stets zu einer möglichst günstigen Resultante zu bringen, ist eine äußerst komplizierte Einrichtung der Assimilationsorgane nötig; eine Abstimmung der Schutz- vorrichtungen gegen zu große Transpiration, gegen starke Insolation, andererseits eine günstige Ausgestaltung und Ausnützung der kohlen- säureabsorbierenden Flächen; ferner möglichst expeditive Ableitung der gebildeten Assimilationsprodukte und anderweitige Beseitigung der Endprodukte die etwa hemmend auf den Reaktionsvorgang einwirken könnten usw. Alle diese Dinge haben seit Aufnahme der anatomisch-physiologischen Forschungsrichtung durch Schwendener ein- gehende Behandlung gefunden und ess wurde die Auffassung des Assi- milationsprozesses durch eine Reihe einschlägiger ^^rbeiten bedeutend gefördert. Die Blattanatomie behandelte besonders Haberlandt(2), die biologischen und pflanzengeographischen Verhältnisse Schimper(3) und 1) J. Y. Bergen, Botan. Gaz., 36, 464 (1903). — 2) G. Haberlandt, Pringsheims Jahrb. wiss. Botan., /j, 74 (1882); Ber. Botan. Ges., 4, 206 (1886); Physiolog. Pflanzenanatomie, 4. Aufl. (1909), p. 240 ff. — 3) Schiaiper, Pflanzen- geographie auf physiologischer Grundlage (1898). Hier auch die einschlägige frühere Literatur. § 1. Einleitende and historiBche £etrachtungen. 507 in physiologischer Hinsicht wurde durch die Arbeiten von Darwin, Wiesner, Schwendener und Krabbe, Vöchting und anderer Forscher eine klarere Sachlage geschaffen. In biochemischer Hinsicht ist aller- dings der Erkenntnis, daß im Laubblatte alles darauf hinzielt, um den Zweck der Kohlensäureassimilation möglichst vollkommen zu erfüllen, noch viel zu wenig Rechnung getragen worden, und Organanalysen haben etwas einseitig dem grünen Farbstoffe ihr ausschließliches Interesse zugewendet. Deshalb weiß man über die Proteide der Laubblätter usw. noch sehr wenig, und die Stromasubstanz der Chlorophyllkörner z. B. ist bis jetzt ganz ununtersucht geblieben. Es ist nicht zu bezweifeln, daß von organchemischen Untersuchungen, wie sie in der Tierphysiologie seit langem eine hervorragende Rolle spielen, viele wichtige Aufschlüsse auf unserem Gebiete zu erwarten sind; auch dürfte die Anwendung der Autolysenmethodik in vieler Hinsicht Erfolge herbeiführen. Die historische Entwicklung des Assimilationsproblems wurde von J. Sachs (1) durch eine Darlegung erläutert, deren Studium für jeden Biologen unerläßlich genannt werden darf; noch eingehendere Behandlung fand der Gegenstand durch Hansen (2), so daß es hier kaum nötig er- scheint, in großer Ausführlichkeit historische Betrachtungen anzuknüpfen. Nur wiclitigere, in den genannten Schriften weniger berührte Daten mögen sich hier anschließen. Ahnungen über die wahre Funktion der Laubblätter greifen bis in die patristische Zeit unserer Wissenschaft zurück. Malpighi (3) lieferte schon 1671 einschlägige Betrachtungen, welche sich auf Beobachtungen an ergrünenden und wachsenden Keimblättern stützen. Vielleicht geht jedoch Sachs zu weit mit der Annahme, daß Malpighi dem richtigen Sach- verhalte sehr nahe gekommen ist; doch erkannte Malpighi immerhin sicher, daß die Blätter bei der Ernährung der Pflanze irgend eine Rolle spielen. Mehr als 60 Jahre später äußerte sich Hales (4) über die Bedeu- tung der Laubblätter, jedoch gleichfalls ohne bestimmtere Meinung über die Ernährungsfunktion dieser Organe; er hielt die Blätter in erster Linie 1) J. Sachs, Geschichte d. Botanik, p. 494 ff. (1875). — 2) A. Hansen, Ge- Bchichte d. Assimilation. Arbeiten d. botan. Inst, zu Würzburg, 2, 537 (1882). Ferner zur Geschichte d. Assimilation: Eauwenhoff, UnterBuch. d. grün. Pflanzen- teile UBw. (Amsterdam 1853). W. C. Wittwer, Geschichtl. Darstellung d. verschied. Lehren üb. die Respiration d. Pflanzen (München 1850). — 3) Malpighi, Anatomes plantarum idea (Opera orania [Londini 1686], p. 14) sagt: „. . . Deducam folia a Natura in hunc usum institui, ut in ipsorum utriculis nutritivus succus contentus, a ligneis fibris delatus excoquatur; frequenti enim anaatomosi vasorum in longo itinere commixtus humor, solarium etiam radiorum vi attritus, dum antiquae in utri- culis adhuc perennanti materiae miscetur, uovam subit partium compageni. et trans- piratum non dispari ritu, ac accidit novo animalium alimento, quod reliquo sanguini in vasis a nutritione relicto affusum, ab eodem in sanguinis naturam exaltatur." — 4) Steph. Hales, Statick der Gewächse [deutsche Übersetz.], (Halle 1748). p. 182 heißt es: „Es ist aber auch glaublich, daß ein Theil von dieser Nahrungämaterie eben durch die Blätter in die Pflantzen dringe, weil die Blätter den Ragen und den Thau, davon beydes Saltz, Schwefel etc. in sich hat, häufig einziehen. Denn die Luft ist mit schweflichen und sauren Particuln angefüllet . . . AVir können demnach heut zu Tage mit Gewissheit sagen, was man vorhin lange Zeit gemuthmas.set hat, dass die Blätter dem Pflantzenwerke eben die Dienste thun, als die Lunge dem thierischen Geschlechte . . . Sollte aber niciit auch das Licht durch seine Wirkung in die breite Fläche der Blätter und Blumen und nach der Freyheit, die es hat durch sie zu dringen, des Pflantzwerks Bestandtheile annoch veredlen." Zum letzten Passus zitiert Hales eine Stelle aus Newton (Optic. quaest., p. 30), in welcher der Möglichkeit einer reziproken Umwandelbarkeit von Körpern und Licht ge- dacht wird. 508 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Ghlorophyllkom. für Transpirationsorgane (1 ). Von Malpighis Ansichten erwähnt Hales gar nichts; hingegen suchte Chr. Wolff (2) Malpighis Anschauungen zu erhalten und zu stützen. Hales äußert sich bezügUch der angebUchen Hauptfunktion der Blätter als Transpirationsorgane jedoch viel vorsich- tiger als späterhin Bonnet (3); dieser letztgenannte Forscher suchte außer- dem eine unglückUche Idee von Calandrini zu bestätigen, wonach die Unterseite der Blätter dazu bestimmt sei, ,,den von der Erde aufsteigenden Tau" aufzusaugen. Die Ernährungsphysiologie verdankt infolgedessen Bonnet keinen Fortschritt. Duhamel du Monceau (4) verhielt sich in der Frage nach der Bedeutung der Blätter nur referierend. Priestley gebührt das Verdienst, den Gaswechsel grüner Pflanzen im Lichte, und die Produktion von Sauerstoff hierbei zuerst festgestellt zu haben, und wir haben schon in der historischen Einleitung diesen be- deutsamen Fortschritt näher gewürdigt (5). Diese Entdeckung führte bei einem Forscher, wie Ingen-Housz, die erste klare Vorstellung über die Funktion der Laubblätter herbei. Ingen-Housz (6) erfaßte die Bedeu- tung der PRiESTLEYschen Entdeckung, daß die Sauerstoffabgabe nur im Lichte erfolgt; er erkannte, daß nur grüne Pflanzenteile dieses Verhalten zeigen, und daß hierbei die Blattunterseite besonders beteiügt ist; ferner, daß ganz junge oder zu alte Blätter nicht so viel Sauerstoff liefern; daß alle Pflanzen während der Nacht ,,die Luft verderben", ebenso bei Tag im Schatten; daß auch Moose und Flechten im Lichte Sauerstoff produ- zieren, die Pilze aber nicht; er wußte, daß umgekehrte Blätter weniger assimilieren als normal orientierte; kurzum, eine erstaunliche Kenntnis der wichtigen Tatsachen tritt uns in geradezu klassischer knapper Form in der INGEN-Houszschen Schrift entgegen. Schon im 1. Kapitel weht ein ganz anderer Hauch als in den Schriften Bonnets. Ingen-Housz trennt hier scharf die Gasblasenausscheidung an untergetauchten Blättern infolge Sauerstoffproduktion im Licht von der bloßen Luftadhäsion an der Blattoberfläche, während es in Bonnets Buche, wo analoge Erscheinungen schon erwähnt werden, kaum zu erkennen ist, welche von beiden Ursachen eher in Betracht zu ziehen sei. In einer später erschienenen Schrift (7) teilt Ingen-Housz mit, daß es ihm gelungen sei, im Sommer 1779 zu entdecken, daß alle Pflanzen unaufhörhch Kohlensäure abgeben, jedoch die grünen Blätter und Schößhnge allein im Lichte Sauerstoff produzieren. Doch dürfte Ingen-Housz Kohlensäureassimilation und Sauerstoffatmung noch nicht so scharf auseinandergehalten haben, wie Sachs und Wiesner meinen. Ebenso findet sich bei Ingen-Housz noch nicht klar ausgesprochen, daß die Sauerstoffabgabe im Licht direkt mit der Kohlensäureaufnahme zu- sammenhängt. Dies erkannt zu haben, ist vielmehr ein Verdienst von 1) Vgl. 1. c, p. 182: „Jedoch eben diese Blätter bringen den Pflantzen noch viel mehr Nutzen . . . Diese sondern die überflüssigen Feuchtigkeiten ab, und schaffen sie weg; da sie ansonsten, wenn sie in der Pflantze Gefässen lange bleiben müssen, verfaulen und der Pflantze zugleich schaden würden." — 2) Chr. Wolff, Vernünftige Gedanken von den Wirkungen der Natur (1723), zit. nach Hansen, 1. c, p. 544. — 3) Ch. Bonnet, Untersuch, üb. d. Nutzen d. Blätter. Übersetzt v. Aenold (Nürnberg 1762), p. 2. — 4) Duhamel du Monceau, La physique des arbres, Ime partie (Paris 1758), p. 133. — 5) Über Priestleys Verdienste vgl. H. T. Brown, Address to the ehem. sect. Brit. Assoc. (Dover 1899). — 6) Ingen- Housz, Experiments upon Vegetables (London 1779); Versuche mit Pflanzen. Über- setzt von Scherer, 3 Bde. (Wien 1786—1790). Vgl. J. Wiesner, Jan Ingen-Housz, sein Leben u. Wirken als Naturforscher u. Arzt (Wien 1905). — 7) Inqen-Housz, An Essay on the Food of Plauts and the Renovation of Solls (1796). Deutsche Über- setzung (Leipzig [1798]) von G. Fischer mit einer Einleitung von A. v. Humboldt. § 1. Einleitende und hietorische Betrachtungen. 509 Senebier(I). Senebier entdeckte, daß die Blätter im Lichte um so mehr „reine Luft" liefern, je stärker das Wasser, in welchem er sie untergetaucht hielt, mit „fixer Luft" gesättigt war. Für den natürHchen Assimilations- prozeß hegte Senebier allerdings die irrtümHche Ansicht, daß die Kohlen- säure durch die Wurzeln aus dem Boden den Blättern zugeführt werde. In den Schriften dieses Forschers begegnet man noch manchen interessanten Beobachtungen auf dem Gebiete der Assimilationslehre, wie z. B. bezüg- lich der entfärbenden Wirkung des Lichtes auf Chlorophyllösungen, und wenn auch in Senebiers Physiologie die Darlegungen über Chlorophyll- tätigkeit und Kohlensäureassimilation von den übrigen Partien dieses Werkes nicht entfernt an Bedeutung erreicht werden, so findet man doch häufig genug, daß der Verfasser offenen Bhck hatte für die mächtigen Anstöße, welche die Physiologie zum Ausgange des 18. Jahrhunderts von der Chemie erhielt. Daher ist Senebier an der Entwicklung der Assimilationslehre ein bedeutenderer Anteil einzuräumen, als der Darstel- lung bei Hansen entspricht (2). Ein außerordenthch großer Fortschritt wurde weiterhin durch Saus- SURE (3) vermittelt. In knappster Darstellung, ohne weitläufigere kritische Diskussion über die Verwertung der erzielten Resultate, berichtet Saus- SURE 1804 über eine Reihe grundlegender Tatsachen. Er behandelt in seinem Werke zubächst die Wirkung gasförmiger Kohlensäure auf ent- wickelte Pflanzen; ^/^g Volumen Kohlensäure der umgebenden Luft bei- gemengt, Heß die Pflanzen in der Sonne besser gedeihen als gewöhnüche Luft, und es wurde reichhch Sauerstoff produziert: ,,die Pflanzen verwandeln fast alle Kohlensäure in Sauerstoff". Weiter wird die bis dahin unbekannte Tatsache festgestellt, daß Blätter in kohlensäurefreier Luft zugrunde gehen; sodann wird der wichtige Umstand erörtert, daß Pflanzen, in einer genau bekannten Menge Luft wachsend, das Volumen der Atmosphäre nicht ändern ; sie brauchen die ganze Kohlensäure auf und nehmen an Kohlenstoff zu. Der § 5 der „Recherches" hat zur Überschrift: „Die in freier Luft mit reinem Wasser ernährten Pflanzen gewinnen Kohlenstoff aus der kleinen Menge kohlensauren Gases, welches natürhch in unserer Atmosphäre vor- kommt" und enthält den denkwürdigen ersten Nachweis dieser fundamen- talen Tatsache. Saussure erzog Pfefferminzpflanzen, ferner keimende Bohnen in destilhertem Wasser am Licht in freier Luft und bestimmte die in den Pflanzen zu Anfang und zu Ende des Versuches enthaltene Kohlen- stoffmenge. Weiterhin wird hervorgehoben, daß die Menge der verarbeiteten Kohlensäure von der Oberflächengröße der Blätter abhängt. Die nächtüche Sauerstoffaufnahme der Blätter bezeichnet Saussure ausdrückhch als Atmung. Hochoriginell ist das 7. Kapitel „Von der Bindung und Zersetzung des Wassers durch die Gewächse". Ingen-Housz sowie Senebier kannten zwar schon die Zerlegbarkeit des Wassers in 0 und H, kamen aber nicht dazu, diese Vorgänge für die Kohlensäureassimilation zu verwerten; 1) Senebier, Recherches sur Tinfluence de la lumi^re solaire etc. (1783). Nach Krutzsch, Bodenkunde (1847), p. 168 soll übrigens schon 1764 Mackbride erkannt haben, daß fixe Luft durch Pflanzen im Lichte verbraucht werde. Vgl. ferner Senebier, Phvsiolog. vög^t., /, 178, 430, 434; //. 307; ///. 7, 14S, 151, 158 176, 184, 206. Wie "aus V, 193 erhellt, faßte auch Senebier die Sauerstoffatraung der Pflanzen nicht ganz richtig auf. — 2) Vgl. hierzu Pringshei.m, Jahrb. wiss. Botan. (1882); Gesammelte Abhandl., 4, 322. Ferner Pfeffer, Pflanzenphysiologie, 1. Aufl., /, 186; 2. Aufl., /, 289. — 3) Tu. Saussure, Recherches chimiques sur la Vegetation (Paris 1804). Im folgenden ist die von Wieler besorgte Übersetzung in „Ostwalds Klassikern-' zitiert. Volle Würdigung dieses epochalen Werkes bei Berthollet, Ann. de Chim., 50, 125 (1804). 510 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. Berthollet hatte sich aber bereits dahin geäußert, daß bei der Vegetation der Pflanzen „Wasser zersetzt werde". Saussure zeigte nun, daß Pflanzen in einem Gemische von Luft und Kohlensäure vegetierend ihre Trocken- substanz stärker vermehren, als dem gebundenen Kohlenstoff allein ent- spricht: auf Kosten des aufgenommenen Wassers. Wie gut Saussure das Wesen des chemischen Vorganges hierbei erfaßte, erhellt aus seinen Worten: „Aber in keinem Falle zersetzen die Pflanzen direkt das Wasser, indem sie seinen Wasserstoff assimilieren und seinen Sauerstoff in der Ge- stalt von Gas ausscheiden; sie hauchen das Sauerstoffgas nur bei unmittel- barer Zersetzung des kohlensauren Gases aus." In den erwähnten histori- schen Bearbeitungen des Assimilationsproblems durch Sachs und Hansen findet sich ausführlicher dargelegt, wie wenig die durch Ingen-Housz und Senebier begründete und durch Saussure so hoch ausgebildete Lehre und richtige Auffassung in der Folge fruchtbaren Boden fand. Eine Anzahl von Forschern, wie Woodhouse(I) (1802), Gilby(2) (1821), Gri- SCHOW (3) (1821), Gmelin (4) (1830), später Vogel und Wittwer (5) (1851) bestätigte die Pvesultate Saussures, aber erst Boussingault (6) brachte von 1844 an, als im Ganzen bereits eine bessere Zeit für die Physiologie angebrochen war, namhaften weiteren Fortschritt. Doch verteidigte noch 1851 Moleschott (7) die Ansicht, daß die Luftkohlensäure nicht die Hauptquelle der Kohlenstoffnahrung bei grünen Pflanzen sei. Andere Autoren, wie Mirbel (8), Berzelius (ö), Decandolle (10) referierten einfach Saussures Ansichten; der letztgenannte Verfasser läßt jedoch deutlich erkennen, wie wenig wirkhches Verständnis Saussures Forschungen gefunden hatten ; noch mehr tritt dies in dem sonst vielfach guten Werke von Treviranus (11) hervor, und selbst bei einem Autor wie Meyen (12). Es fehlte auch nicht an Forschern, welche, wie Grell (13), Ruhland (14) und früher Hassenfratz die Richtigkeit der iNGEN-Housz-SAUSSUREschen Auffassung direkt be- stritten. Mulder (15) hat durch seine unglücküche Idee, daß Protein in den Wurzelspitzen aus Humusstoffen entstehe, gezeigt, wie wenig er die Wichtigkeit der Kohlensäureassimilation durch die Blätter erkannte — abgesehen von einigen irrigen Vorstellungen über die Bedeutung des Chloro- phylls. Um das Jahr 1840 trat eine Besserung der Sachlage ein, indem J. V. Liebig energisch und mit größtem Geschicke die Bedeutung der Ent- deckung Saussures, daß die Pflanzen ihre Kohlenstoffnahrung der atmö- 1) J. WOODHOUSE, Ann. de Chim., 43, 194 (1892); Gilberts Ann., 14, 348; auch Davy, Elem. d. Agrik.chem. (1814), p. 251, schloß sich Saüssüre an. — 2) GiLBY, Schweige. Journ., 32, 326 (1821). — 3) C. Gbischow, Ebenda, j/. 449 (1821). Physikal.-chem. Untersuch, über die Atmungen der Gewächse (1819). — 4) L. Gmelin, Schweigg. Journ., 58, 372 (1830). — 5) Vogel u. W. C. Wittwee, Über den Einfluß der Vegetation auf die Atmosph. (München 1851). Ferner Crfofiz u. Gbatiolet, Ann. de Chim. et Phys. (3), j2, 41. — 6) Boussingault, Compt. rend., ig, 945 (1844); Agronomie usw., j, 378; 4. 267; 5. 7 (1874); Die Landwirt- schaft usw., /, 40 (1851). — 7) J. Moleschott, Physiol. des Stoffwechsels d. Pfl. u. Tiere, p. 58 (Erlangen 1851). — 8) Brigseau-Mirbel, El^mens de physiol., /, 160 (1815). — 9) Berzelius, Lehrb. d. Chem., /, 137; 3, 211 (1821). — 10) de Candolle, Pflanzenphysiologie, Deutsch v. Köper, /, 97, 128, 407, 418 (1833). — 11) Tkevtranus, Physiologie, /, 398, 514. — 12) Meyen, Pflanzenphysiologie, ^ 372 (1837); 2, 133. — 13) L. v. Grell, Schweigg. Journ., 2, 281(1811). Früher FagrIus, Crells Ann. (1785), 2, 50. — 14) R. L. Ruhland, Schweigg. Journ., 14, 356 (1815); 20, 455 (1817); Ann. de Chim. et Phys. (2), 3, 411 (1816) mit einer ablehnenden E[ritik (Berthollets?). Von gänzlich haltlosen Auffassungen, wie z. B. jene von C H. Schultz, Pogg. Ann., 64, 125 (1845) sei hier ganz abgesehen. — 15) G. J. Mulder, Versuch einer allgem. physiol. Chem. (1844), p. 712, 732, 737, 848, 855; p. 273 behauptet Mulder auch, „Die Blätter geben Sauerstoffgas nicht weil sie grün sind, sondern indem sie grün werden". § 1. Einleitende und historische Betrachtungen. 511 sphärischen Luft entnehmen, und Dumas (1) in Frankreich in derselben Richtung eintraten und andererseits Boussingault das experimentelle Material der Assimilationslehre namhaft vermehrte; auch sind die grund- legenden Versuche von Wiegmann und Polstorff, sowie des Fürsten zu Salm-Horstmar (2) über Vegetation ohne natürlichen Humus bei Dar- reichung von künstüch hergestellten Mineralsalzlösungen von einschneiden- dem Einflüsse bei der Änderung der allgemeinen Anschauungsweise gewesen. Daß Liebig die Bedeutung der Sauerstoffatmung nicht erkannte, und einige nicht haltbare Theorien hinsichtlich des Assimilationsvorganges selbst vertrat, fällt angesichts seiner außerordentUchen Verdienste um die richtige Erkenntnis der allgemeinen Sachlage nicht sehr in die Wagschale. Bous- singault hat durch seine mehrere Dezennien hindurch (bis 1868) fort- gesetzten Experimentaluntersuchungen die Grundlagen der Assimilations- lehre wesentlich verbessert, namenthch auch die Aufnahme der Kohlen- säure aus der Luft durch Freilandpflanzen genauer festgestellt und die Richtigkeit des von Saussure aufgefundenen Verhältnisses, daß die auf- genommene Kohlensäuremenge und die abgegebene Sauerstoffmenge gleich seien, bestätigt. Ferner hat Boussingault das Verdienst, zuerst kupp und klar die Synthese von Zucker als Ziel der Kohlensäureassimilation bezeichnet zu haben: ,,Que la feuille est la premiere etappe des glucoses. . . que c'est la feuille qui les elabore aux depens de l'acide carbonique et de l'eau" (3). Rochleder (4) brachte eine in ihren Grundzügen meist treffende Darstellung des Assimilationsproblems, ferner finden wir bei Schleiden (5) die richtigen Anschauungen nachdrückUch hervorgehoben, während bei Schacht (6) die Erkenntnis des wahren Sachverhaltes nicht in den Vorder- grund tritt. In den grundlegenden Arbeiten von Mohl (7) brach sich nun all- mähhch die zutreffende Ansicht über die Entstehung der Stärkekörner in den Chlorophyllkörnern Bahn, und es ist von Interesse, wie die anfangs zögernd für eine Reihe von Fällen angenommene Meinung bei Mohl immer festeren Fuß faßte. Es war nun ein äußerst glückhcher Griff, als Sachs (8) auf Grund der von Mohl und Nägeli vorbereiteten Erkenntnis die all- gemeine Ansicht formulierte, daß die Stärke in den Chloroplasten durch die assimilierende Tätigkeit der letzteren gebildet werde. Nur im Chloro- phyllkorn entsteht die Stärke ursprünghch durch den Assimilationsprozeß, sonst allenthalben aus fertigem organischen Material. In der Folge zeigte Sachs die Abhängigkeit des Stärkebildungsprozesses vom Licht und lehrte bessere Methoden zum Nachweise der Stärkekörneben kennen. Schüeß- hch gelang es Godlewski (9) Yiachzuweisen, daß auch in kohlensäurefreier Luft die Stärkebildung in den Chlorophyllkörnern ausbleibt, ob Lichtzutritt gestattet ist oder nicht; ferner, daß im kohlensäurefreien Räume, selbst bei hellster Beleuchtung, die Chloroplastenstärke ebenso verschwindet, 1) Dumas, Ann. de Chim. et Phys. (3), 4, 120 (1842). - 2) Salm-Horstmae^ Joum. prakt. Chem., 38, 431 (1846). — 3) Boüsbinoault, Agronomie, 4^ 399—400 (1868). 1870 äußerte sich A. v. Baeyer, Ber. Chem. Ges., j, 67 in dem.^elben Sinne. Frühere Äußerungen (schon von Davy) hatten dies noch nicht so bestimmt hin- gestellt. — 4) Rochleder, Chemie u. Physiol. d. Pfl. (1858), p. 104. Hier ist auch das Verhältnis zur Sauerstoffatmung zutreffend dargelegt. — 5) Schleidex, Grund- züge (1861), p. 580. — 6) Schacht, Der Baum (1853), p. 293; Lehrb. d. Anat. u. Physiol. (1856), p. 373. - 7) H. v. Mohl, Vegetab. ZeUe (1851), d. 46; Botan. Zt«^, /j. 89 (1855). - 8) J. Sachs, Flora (1862), p. 167; Botan. Ztg. (1862); (1864), M. 38. Experimentalphysiologie (1865), p. 18. — 9) Godlewski, Flora (1873), p. 383. 51 2 Zwanzigstes Kapitel : KohlenBäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. wie bei verdunkelten Pflanzen in gewöhnlicher Luft. Im Anschlüsse daran sagt Sachs (1): „Man darf daher annehmen, daß die zu irgend einer Zeit im Chlorophyll enthaltene Stärke nur der noch nicht aufgelöste Über- schuß der ganzen durch Assimilation gewonnenen Stärke ist." Damit war das Wesen der Stärkespeicherung in den Chloroplasten als Ablagerung von Vorratsstoffen richtig gekennzeichnet. Der Gaswechsel bei der Kohlensäureassimilation. Die ältesten Versuche über Kohleusäureassimilation von Priestley, Ingen-Housz, Senebier wurden durchgängig an beleuchteten Wasser- pflanzen oder untergetauchten Zweigen sowie an untergetauchten abge- schnittenen Blättern von Landpflanzen angestellt und konnten nichts anderes als die Entwicklung von Sauerstoffgas am Lichte sowie den günstigen Einfluß eines reichlicheren Gehaltes an Kohlensäure im dar- gebotenen Wasser feststellen. Auch wurde der etwaige Einfluß von Sauerstoffmangel unter gewissen Versuchsbedingungen unbeachtet ge- lassen. Erst Saussüre unternahm es, Versuche im abgeschlossenen Luft- räume mit bewurzelten Pflanzen anzustellen, und kam auf Grund' derselben zur Überzeugung, daß die Landpflanzen ihren gesamten Kohlenstoffbedarf aus der Kohlensäure der atmosphärischen Luft decken: ein kühner Ge- danke in Anbetracht der geringen in der Luft enthaltenen Menge von Kohlensäure, deren Bestimmung zu Saussures Zeiten überdies noch unsicher war, so daß sich Saussure selbst um die Eruierung einer Bestimmungsmethode bemühen mußte. Die Kohlensäure der atmosphärischen Luft(2) war in ihrer Existenz schon Lavoisiers Zeitgenossen (3) bekannt, und 1799 wurden durch A. von Humboldt (4) die ersten Versuche zu ihrer quantitativen Bestimmung unternommen. Etwas später bemühte sich Dalton eben- falls, ein Verfahren zur Bestimmung der Luftkohlensäure ausfindig zu machen; doch war es erst Saussure (5), welcher umfassende Arbeiten in dieser Richtung in Angriff nahm und die zeitlichen und örtlichen Verschiedenheiten des Gehaltes der Atmosphäre an COj zu erforschen trachtete. Die älteren Methoden ergaben jedoch sämthch zu hohe Werte, und erst das von Pettenkofer (6) 1858 begründete Verfahren bedeutete eine entscheidende Verbesserung. Diese wichtige Methode findet man in allen analytischen Handbüchern ausführhch dargelegt. In eine kubizierte Flasche, welche die zu untersuchende Luft enthält und etwa 6 1 faßt, bringt man eine bekannte Menge frisch titrierten BaClg-hältigen Barytwassers (im Über- 1) Sachs, Lehrbuch, 4. Aufl., p. 720 (1874). — 2) Über die Kohlensäure der Luft vgl. R. Blochmann, Lieb. Ann., 2j7, 39 (1887). Dammer, Handb. d. anorgan. ehem., / u. Erg.-Bd., p. 155. Hempel, Gasanalyt. Methode (1900). H. Bitter, Ztsch. Hyg., p, 1 (1890). — 3) Z. B.: Gren, Beyträge zu Crells Ann., ///, 234 (1787). MoRVEAU, Dictionaire Encyclop., Artikel Air. Seguin, Ann. de China., 7, 46 (1790). — 4) A. V. Humboldt, Gilberts Ann., j, 77 (1800). — 5) Saussure, Ebenda, 54, 217 (1816); Ann. de Chim. et Phys. (2), 2, 199 (1816); 38, 411 (1828); Pogg. Ann., 14, 390 (1828); 19, 391 (1830); Schweigg. Journ., ö/, 17 (1831). — 6) M. V. Pettenkofer, Lieb. Ann., Suppl.-Bd. II, 236 (1861). Vgl. auch F. Schulze, Landw. Versuchsstat., 14, 366 (1871). Blochmann, 1. c. Willla.ms, Ber. Chem. Ges., 30, 1451 (1897). Ferner A. Levy u. Henriet, Compt. rend., 127, 353 (1898). J. Walker, Journ. Chem. See, 77, 1110 (1900). A. G. Woodman, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 150 (1902). A. Wohl, Ber. Chem. Ges., 36, 1412 (1903). § 2. Der Gaswechsel bei der Kohlens&areafisimilation. 513 schuß), verschließt mit einer Kautschukkappe und läßt unter öfterem Umschwenken 2 Stunden stehen. Hierauf gießt man das Barytwasser in eine kleine Flasche ab, läßt absetzen und titriert einen ahquoten Teil der geklärten Flüssigkeit mit Oxalsäure. Eine neuere gute volumetrische Methode rührt von Petterson und Palmqvist (1) her. Brown und Es- COMBE (2) erzielten gute Resultate durch Uberstreichenlassen einer freien Oberfläche von titrierter Lauge durch ein großes mit einer Gasuhr gemessenes Luftquantum. Sehr rasch bestimmt man angenähert den Inhalt der Luft an CO 2 nach dem minimetrischen Verfahren von Lunge (3). In ein Fläsch- chen, welches mit einem Ventil versehen ist und mit ^/^qq Normal-NajCOj, die mit Phenolphthalein bis zur deuthchen Rotfärbung versetzt wurde, beschickt ist, treibt man mittels eines Gummiballons Luft ein und zählt die Kompressionen, die nötig sind, bis der Zeitpunkt der völügen Ent- färbung eben erreicht ist. Mackie (4) erreicht dasselbe Resultat durch die Messung der Zeit, die bis zur Entfärbung einer bekannten Alkahmenge durch die atmosphärische Kohlensäure verstreicht. Nach den besten der vorliegenden Untersuchungen dürfen wir den Mittelwert des Kohlensäuregehaltes der Luft auf nahe an 3 Volum- teilen auf 10000 annehmen. Der Wert ist über Meeren und Festland derselbe. Bis zu 3000 m Meereshöhe ist eine Änderung des COj- Gehaltes der Atmosphäre nach einer Reihe von Angaben nicht zu kon- statieren (5). Ältere Untersuchungen der Brüder Schlaginwait (6) hatten für die höheren alpinen Lagen eine Vermehrung des GOg-Gehaltes der Luft (bis zu 3400 m) angegeben. Die Schwankungen des COg-Gehaltes (7) bewegen sich meist zwischen 2,5 und 3,5 Volumteilen COg auf 10 000. Doch diffe- rierten in Beobachtungen von Brown und Escombe (8) zu Kew die Werte in einzelnen Jahren um 10%, und betrugen im Minimum 2,43, im Maximum 3,60% auf 10 000 Volumteile. In England erwies sich der GOa-Gehalt der Luft im Winter größer als im Sommer. Nebel und Schnee erzeugen nach Williams ein deuthches Ansteigen des COg-Gehaltes, wogegen Regen ohne Einfluß ist. In Städten treten durch lokale Ursachen Schwankungen ein, Verbrennungs- und Verwesungsprozesse steigern die Luftkohlensäure- menge nur in der unmittelbaren Nachbarschaft. Vulkanische Erschei- nungen verändern den CO g- Gehalt der Luft auch auf größere Strecken hin. Den CO 2- Gehalt der Seeluft fand Legendre (9) mit 33,5 1 auf 100 cbm, wie am Lande. Doch gibt Schröder(IO) an, daß der zu Montevideo zwischen 2,7 und 3,3 in 10000 Teilen schwankende COg-Gehalt der Luft zur Zeit von Seewinden geringer ist als bei Landwind. Geschlossene Wald- komplexe zeigen nach Ebermayer durch die Verwesungsprozesse im Wald- boden bedeutend erhöhten Gehalt der Luft-COj. In einer Höhe von 3—4 Fuß 1) Petterson u. Palmqvist, Ber. Chem. Ges., 20, 2129 (1887); Ztech. analyt ehem., 2S, 479. Gewichtstabellen : S. W. Park, Journ. Amer. Chem. Soc., j/. 237 (1909). — 2) H. T. Brown u. Escombe, Proceed. Roy. Soc., 76, B, 112 (1905). — 3) G. Lunge u. Zeckendorf, Ztsch. angewandt. Chem. (1888), p. 395. — 4^ W. Mackie, Journ. of Hyg., 5, 201 (1904). — B) Ballonfahrten: S.'A. Andrä, Wollnys Forsch. Agrik.physik, / 211 (1907). Stoffwechsel d. Pfl., p. 163 (Leipzig 1910). — 8) F. F. Blackman u. A. iM. Smith. Procced. Roy. Soc., 5j, B, 374 u. 389 (1911). 520 Zwanzigstes Kapitel : Eohlensäureverarbeit. u. Zuckersyntiiese im Chlorophyllkom. Die Abgabe von Sauerstoff durch assimilierende Pflanzen im Sonnenlicht, die durch Priestley 1772 zuerst sichergestellt worden ist, läßt sich mit submersen Wasserpflanzen, wie Fadenalgen, Callitriche, Elodea, leicht zeigen. Die Algen steigen hierbei infolge des Auftriebes der adhärierenden Gasblasen an die Wasseroberfläche. Das Gas sammelt man mit Hilfe einer der wohlbekannten kleinen eudio- metrischen Vorrichtungen, die man in jedem elementaren Lehrbuche der Pflanzenphysiologie beschrieben findet. Will man weitergehende An- sprüche an die Anordnung stellen, so läßt sich die von Hansen (1) an- gegebene Anordnung hierzu benutzen. Die Blätter von Landpflanzen sind zu solchen Versuchen nicht immer geeignet, weil bei leicht benetzbarer Oberfläche die Spaltöffnungen durch capillar festgehaltenes Wasöer ver- legt werden können (2). Dicht behaarte oder mit einer starken Wachs- schicht versehene Blätter, welche im Wasser von einer festhaftenden Luftschicht umgeben bleiben, scheiden auch unter Wasser bei kräftiger Belichtung Sauerstoff aus und formieren Stärke, Unter allen Umständen ist es vorteilhaft, in das Wasser des Versuchsgefäßes etwas, aber nicht zu viel COj einzuleiten. Für mikroskopische Algen hat MoßREN(3) die Sauerstoffausscheidung im Licht gezeigt. Außerordentlich große Vorteile kann beim Nachweise der Sauerstoffproduktion durch mikroskopische Organismen oder Gewebsfragmente die Anwendung von genügend sauer- stoffempfindlichen Bacterien bieten, welche durch ihre chemotaktische Ansammlung um die Stellen der Sauerstoffproduktion ein treffliches Reagens darbieten. Diese Methode, die den Physiologen als „Bacterien- methode" von Engelmann (4) bekannt ist, ist enorm empfindlich, denn man kann damit noch . 1 Billiontel Milligramm Sauerstoff nachweisen. Auf die nähere Beschreibung dieser allerdings nur in der Hand eines geübten und kritischen Untersuchers sehr leistungsfähigen Methode darf hier verzichtet werden (5). Hoppe-Seyler(6) hat gezeigt, daß man Hämoglobin als Reagens auf die 0-Ausscheidung durch Pflanzen benutzen kann, eine Methode, von der in neuerer Zeit wiederholt erfolgreicher Gebrauch gemacht wurde. Elodea- sprosse wurden von Hoppe-Seyler mit V^asser und etwas faulendem Blute in ein Glasrohr eingeschmolzen und hegen gelassen, bis die spektro- skopische Untersuchung keinen Oxyhämoglobinstreifen mehr zeigte, und der Sauerstoff somit gänzüch aufgezehrt worden war. Legt man das Rohr nun kurze Zeit an die Sonne, so lassen sich die Oxyhämoglobinstreifen wieder nachweisen, da durch den von der Pflanze entwickelten Sauerstoff Oxydation des Hämoglobins erfolgt war. Elodea hält diesen Versuch gut aus, und man kann in dieser Weise noch 0,002 ccm 0 nachweisen. Beijerinck sowie Molisch benutzten das von 0- Gegenwart abhängige Leuchten der Photobakterien als Reagens auf die assimilatorische 0-Entwicklung (7). 1) A. Hansen, Flora, 86, 469 (1899). Deherain u. Demoussy, Compt. rend., 85, 274 (1902), — 2) A, Nagamatsz, Arb. botan. Inst. Würzburg, j, 389 (1888). J. ßOEHM, Sitz.ber. Wien. Akad., 66, I (1872). — 3) Möhren, Ann. de Chim. et Phys. (3), /, 456 (1841). — 4) Th. Engelmann, Botan. Ztg. (1881), p. 442; (1882) p. 419, 663; (1883) p. 4; (1886) p. 49; (1887) p. 102; Pflüg. Arch., 25, 285 (1881); 26, 537 (1882); 57, 375 (1894); Kgl. Akad. Amsterdam. (1894). — 5) Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysiol. 2. Aufl., /, 292 (1897), — 6) Hoppe-Seyler, Ztsch, physiol. ehem., /, 121 (1877); 2, 425 (1878). Famintzin, Sitz.ber. St. Petersburg. Nat. Ges. (1880). Th. Weyl, Pflüg. Arch., 30, 374 (1882). Th. Engelmann, Ebenda, 42. 186 (1888); Kgl. Akad. Amsterdam (1887). — 7) Beijerinck, Chem. Zentr. (1890), /, 808; Zentr. Bakt. II, 9, 685 (1902). H. Molisch. Botan. Ztg., (1904) /, 1, § 2, Der Gaswechsel bei der Kohlensänreassimilation. 521 BoussiNGAULT wies den gebildeten 0 mittels des Leuchtens von Phosphor- dämpfen nach(1), und Beijerinck nahm endUch die Oxydation von redu- ziertem Indigotin zuhilfe. Es wäre aber zu prüfen, ob nioht auch andere chemische Nachweismethoden in Betracht kommen, wie die durch Binder und Weinland beschriebene empfindUche Methode des Nachweises von 0 mittels einer alkalischen Lösung von Brenzcatechin und Ferrosulfat, unter Bildung des roten AlkaHsalzes der Tribrenzcatechinferrisäure (2). Den Weg, den der ausgeschiedene Sauerstoff nach außen nimmt, führt bei den Blättern der Landpflanzen zweifelsohne durch die Spalt- öffnungen, während bei submersen Wasserpflanzen die Ausscheidung des 0 durch die ganze Blattfläche im Wege der Diffusion in das umgebende Medium vollzogen wird. Die Diffusionskonstante des Sauerstoffes ist etwas größer als jene der CO2 und beträgt nach Carlson(3) pro Quadrat- zentimeter und Tag bei 16" 1,607, während der entsprechende Wert bei CO2 sich auf 1,378 stellt. Bei abgeschnitten§n Elodeasprossen, wo- selbst der 0 durch die luftführenden Intercellularen des Stämmchens und von der Schnittfläche des letzteren aus entweicht, kann man leicht sicher- stellen, daß der Weg der Gasausscheidung stets der Richtung des ge- ringsten Widerstandes entspricht. Zur vergleichenden Bestimmung der aus- geschiedenen Sauerstoffmenge bedient man sich bei untergetauchten Wasser- pflanzen seit langem der bequemen und genauen GasbIasenzählmethode(4). Man gewinnt natürlich hierdurch nur relative Werte, da ein Teil des entwickelten 0 sofort im Wasser in Lösung geht. Zur absoluten Fest- stellung des entwickelten 0 muß auch die 0-Bestimmung im Wasser zugezogen werden (5). Bei Landpflanzen hat man den zu untersuchenden Pflanzenteil in einen geräumigen Rezipienten einzuschließen, welcher einen steten gleichmäßigen Strom kohlensäurehaltiger Luft von bekannter Zusammensetzung zugeführt erhält. In der abgesaugten Luft, deren Volum bekannt sein muß, bestimmt man in aliquoten Teilen das Plus an Sauerstoff. Für abgeschnittene Blätter gebraucht man eine flache Glaskammer nach dem von Pfeffer (6) angegebenen Modell, die später besonders in den ausgedehnten Untersuchungen von Blackman über den assimilatorischen Gaswechsel Anwendung fand. Die Begründer der Assimilationsphysiologie, Priestley und Ingen- Housz, hatten allen Ernstes daran gedacht, daß die Vegetation der Erd- oberfläche die Atmosphäre verbesserte, d. h. sauerstoffreicher mache. Doch haben sich schon Woodhouse, Grischow (7) und andere ältere Forscher 1) BoussiNGAULT, Ann. Sei. Nat. (5), 10, 330 (1860). — 2) K. Binder u. Weinländ, ßer. Chera. Ges., 46, 255 (1913). Nachweis- durch Cu(NO,)., u. Phos- phortribromid: A. C. Christomanos, Verh. Nat. Ges. (1905) II, /, < 6. — 3) T. Carlson, Journ. Anjer. Chem. Soc. jj, 1027 (1911). — 4) Sachs, Botan. Ztg. (1864), p. 363. Pfeffer, Arb. botan. Inst. Würzburg, /, 1 (1871). Fr. Schwarz, Untersuch, botan. Inst. Tübingen, /, 97 (1881). Die Er.'^cheinung des Blasenaufsteigcns erwähnt schon Dutrochet, Memoir., /, 334 (1836). — 5) Hierzu KoRSCurN, Arch. Hyg., 61, 324 (1907). Jorissen, Chem. Weekbl., 6, 123 (1909). Barcroft u. Hamil, Journ<» of Physiol., 34, 306 (1906). Brodie u. Culus. Ebenda, 36, 405 (1908). — 6) Pfeffer, Pflanzenphysiol. 2. Aufl., /, 292 (1897). Zur gasanalytischen Methodik auch G. Poli.acci, Atti Ist. botan. Pavia (190.") u. 1911). — 7) J. Wood- house, Crells Ann. (1802), //, 218; Ann. de Chim., 43- Daselbst wird crw.1bnl, daß der Graf v. Rumforu 1787 durch die Behauptung, daß auch durch Baumwolle, Glasfäden usw. Sauerstoff entwickelt werde, die PRiESTLEY.>*che Erscheinung- in Zweifel zu ziehen suchte. Grischow, Atmungen der Gewächse (1819). 522 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn gegen diese Auffassung gewendet. In der Tat läßt sich trotz der enormen Sauerstoffentwicklung durch die assimilierenden Pflanzen nicht einmal lokal eine Vermehrung des Sauerstoffgehaltes der Luft nachweisen, während, wie oben bemerkt, der COg- Gehalt der Luft tagsüber durch die Pflanzen- decke etwas vermindert zu werden scheint. Durchschnitthch enthält die Luft 23,16 Gewichtsprozente Sauerstoff (1). Bei uns unterliegt der Sauer- stoffgehalt Schwankungen von 0,1%. In den Tropen ist er um 0,6 bis 0,7% kleiner und die Luft über dem Meere ist, besonders auf offenem Ozean, tagsüber sauerstoffreicher als in der Nacht. Andere Gase als Sauerstoff werden der derzeitigen Anschauung gemäß von Pflanzen im Assimilationsgaswechsel nicht abgegeben. Es ist allerdings das von assimilierenden Pflanzen produzierte Gas nur zu 25—85% reiner Sauerstoff (2) und enthält namhafte Mengen von Stickstoff. Dies gilt sowohl von untergetaucht lebenden Pflanzen als von den Blättern der Landpflanzen, die in Saussures Versuchen ein Gasgemisch von 85% Sauerstoff und 15% N produzierten. Offenbar stammt dieser Stickstoff in den erwähnten Fällen aus der sauerstoffarmen Binnenluft der Pflanzen und der lebhafte Gasaustausch in der Kohlensäureassimi- lation beschleunigt die Diffusion desselben. Die Frage, ob im assimilatorischen Gaswechsel CO oder Kohlenwasser- stoffe entstehen und abgegeben werden, haben bereits Cloez und Gratiolet, CoRENWiNDER und BoussiNGAULT (3) geprüft und in negativem Sinne beantwortet. Die in neuerer Zeit durch Pollacci (4) angestellten Versuche, welche angebhch die Produktion kleiner Mengen von Wasserstoff und von Kohlenwasserstoffen (Methan ?) erwiesen haben, sind später von ihrem Autor nicht mehr fortgesetzt worden und dürften wohl durch die Verwendung von Leuchtgas als Heizmittel bei der Verbrennungsanalyse und durch andere akzidentelle Ursachen ihre Erklärung finden können. Übrigens ist es nicht ausgeschlossen, daß die Analyse sehr großer Gasquanten bei Assimilations- versuchen Spuren von bisher nicht gefundenen Gasen ergeben werden, so daß kritische Weiterführung dieser Versuche wohl am Platze sein dürfte. Kohlenoxyd kann zwar notorisch nicht als Assimilationsraaterial die Kohlensäure vertreten, doch bemerkt Krascheninnikoff (5) mit Recht, daß damit noch nicht bewiesen werde, daß gar kein CO bei der Reduktion der COj entstehe. Das quantitative Verhältnis der Menge der aufgenommenen Kohlensäure und der abgegebenen Sauerstoffquantität wurde schon von Saussure untersucht, und wir verdanken diesen Versuchen die wichtige Erkenntnis, daß sich während der Assimilation grüner Pflanzen im geschlossenen Rezipienten das Luftvolumen nicht wesentlich ändert (6). 1) 0-Bestimmung in der Luft: Dammer, Handb. d. anorgan. Chem., /, 443. W. Hempel, Ber. Chem. Ges., i8, 267 (1885). — 2) Vgl. Decandolle, Physiologie, Deutsch V. RöPER, /. 102. Daubeny, Phil. Trans. (1839), /, 157. Draper, Ann. de Chira. et Phys. (3), //, 114. Clo£z u. Gratiole" , Ebenda (3), 32, 41 (1851). BoussiNGAULT, Agronomie, 3, 271 (1864). — 3) CloEz u. Gratiolet, 1. c, p. 57. CoRENWiNDER, Compt. rend., 60, 120 (1865). BoussiNGAULT, 1. c, p. 271. — 4) G. Pollacci, Atti dell' Ist. Botan. Pavia, 8 (1902). — 5) T. Krascheninnikoff, Rev. gen. Botan., 2/, 177 (1909). — 6) Saüssure, Recherch. Chim., p. 42. Auch J. Tatum, Phil. Mag. (1817), p. 42. § 2. Der Gaswechsel bei der Kohlensäureassimilation. 523 7 Vinca-Pflanzen befanden sich 7 Tage hindurch im Rezipientcn. Vor dem Versu'che enthielt die Luft im Rezipienten : 4199 ccm Stickstoff 1116 ccm Sauerstoff 431 ccm Kohlensäure Zusammen : 5746 ccm Nach dem Versuche waren im Rezipienten enthalten: 4338 ccm Stickstoff 1408 ccm Sauerstoff 0 ccm Kohlensäure Zusammen : 5746 ccm Unter 41 Versuchen, welche Boussingault anstellte (1), war in 15 Ver- suchen das Volumen des abgegebenen Sauerstoffes etwas größer als das Volumen der verbrauchten Kohlensäure; in anderen wurde das Gegenteil gefunden. In 13 Fällen war die Differenz kleiner als 0,5 ccm. Im ganzen fand auch Boussingault nur eine geringe Alteration des Gasvolums während der Assimilation. Mit den Ergebnissen dieses Forschers stimmen ferner die Erfahrungen von Pfeffer (2) überein, welcher als Maximum der Volums- verminderung 0,56 ccm bei 75 ccm Gasraum, als Maximum der Volums- zunahme 0,33 ccm bei 73 ccm Gasraum angibt; im Mittel von 27 Ver- suchen mit 97 Analysen 0,096 ccm Volumabnahme. Volumänderungen von mehr als 0,56 ccm gingen über die Fehlergrenze hinaus. Die Versuche von Holle (3) an Strehtzia Reginae zeigten ebenfalls, daß sich das Gasvolumen bei der Assimilation nur innerhalb sehr kleiner Grenzen ändert. BoNNiER und Mangin (4), welche den Atmungsgaswechsel von dem Assimilationsgasaustausch mögüchst getrennt zu studieren trachteten, fanden übereinstimmend, daß die entwickelten Sauerstoffvolumina etwas größer waren, als das Volumen der aufgenommenen COj. Der Quotient GOo/Og betrug für Hex 0,7, für Genista 0,8. Da in der Atmung das um- gekehrte Verhältnis zu herrschen pflegt, so gleicht sich in praxi diese Diffe- renz fast aus. Doch haben Bonnier und Mangin die Reizwirkungen auf die Atmung durchÄther usw. noch nicht gebührend berücksichtigt, Schloesing (5) fand das Verhältnis COa/Og bei Lepidium 0,75, bei Holcus lanatus 0,82, bei Linum 0,9 und bei Sinapis 0,87. Bei grünen Algen war der Quotient noch etwas niedriger. Es hat den Anschein, als ob dieses geringe Überwiegen der Sauerstoffproduktion im assimilatorischen Gaswechsel eine allgemein zu konstatierende Eigentümlichkeit wäre. Bezüghch des assimilatorischen Gaswechseb bei Flechten hat Jumelle (6) angegeben, daß bei günstiger Beleuchtung auch hier die Sauerstoff abgäbe die COg-Aufnahme erreicht. Krustenflechten zeigten dieses Verhältnis allerdings nur im intensiven Sonnenlichte. Bei den Moosen bewegt sich nach Jönssons eingehenden Studien (7) der assimilatorische Gasaustausch innerhalb derselben Grenzen wie bei den Phanerogamen. 1) BoüBBiNGAULT, Agronomie, j, 378 (1864). — 2) Pfeffer. Arb. d. botan- Inst. Würzburg, /, 36 (1871). Godlewski, Ebenda, p. 349. — 3) H. G. Holle. Flora (1877), p. 113. — 4) Bonnier u. Mangin, Compt. rend.. loo, 13Ü3 (1885); I02, 123 (1886); Ann. Sei. Nat. (7), 33, 1 (1886). Vgl. auch J. Boehm, Sitz.ber- Wien. Ak., 67 (März 1873). — 5) Th. Schloesing f., Compt. rend., 115, 881 u. 1017 (1892); 117, 756 u. 813 (1893). Maqdenne u. Demoussy, Ebenda, 156, 506 (1913). — 6) H. Jumelle, Ebenda, 112, 888 (1891); 113, 920 (1891); Rev. g6n. Botan., 4. 49 (1892). — 7) B. Jönsson, Compt. rend., 119, 440 (1894). 524 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. Die Verarbeitung von Wasser im Assimilationsprozesse. Der erste Forscher, welcher sich den Gedanken vorlegte, daß bei der CO2 -Verarbeitung im Lichte durch assimilierende Pflanzen auch Wasser verbraucht werden muß, war wohl Senebier. Doch hat erst Saüssüre dieses Thema ausführlich experimentell behandelt, nachdem die zugrunde- liegende Idee seitens der Chemiker mehrfach, z. B. von Berthollet, als theoretisch wahrscheinlich hingestellt worden war. Saussure wurde durch seine Versuche überzeugt, daß Pflanzen in COg-freier Luft einerseits ihre Trockensubstanz nach 8 Tagen nur unbedeutend vermehren konnten, also kein Wasser „gebunden" hatten, andererseits Pflanzen in einem Gemische von Luft und Kohlensäure an Trockensubstanz bedeutend stärker zugenommen hatten als der aufgenommenen CO2 -Menge entsprach. Sieben Vincapflanzen hatten in einem dieser Experimente aus der CO2 der Rezipientenluft 217 mg C und 139 mg O assimiliert. Dabei hatten sie aber ihre Trockensubstanz um 531 mg vermehrt, wovon nur 217 mg der CO2 entnommen sein konnten. 315 mg mußten dem aufgenommenen Wasser entstammen. Zwei Menthapflanzen vergrößerten ihr Trocken- gewicht um 318 mg, während sie 309 ccm CO2 entsprechend 159 mg C assimilierten; 159 mg entfielen daher auf den Konsum an Wasser. Solche Versuche sind jedoch äußerst diffizil und es dürfen die Pflanzen nicht im mindesten beschädigt werden, was, wie Saussure selbst be- merkt, nur selten zu erreichen ist. Saussure beurteilt den Charakter des Vorganges vollkommen richtig, indem er sagt: „Aber in keinem Falle zersetzen die Pflanzen direkt das Wasser, indem sie seinen Wasser- stoff assimilieren und seinen Sauerstoff in Gestalt von Gas ausscheiden; sie hauchen das Sauerstoffgas nur bei der unmittelbaren Zersetzung des kohlensauren Gases aus." Und zuvor meint er: „Indem die Pflanzen sich den Sauerstoff und Wasserstoff des Wassers aneignen, verliert dasselbe so seinen flüssigen Zustand. Diese Assimilation tritt nur deutlich hervor, wenn die Pflanzen sich zu gleicher Zeit den Kohlenstoff ein- verleiben." Seit Saussure sind leider einschlägige Untersuchungen nicht wieder ausgeführt worden, und es wäre zur Bestätigung der Ansicht, daß Zucker das primäre Assimilationsprodukt sei, die Ausfüllung dieser Lücke von erhebhchem Wert. Der Hypothese über den Assimilationsprozeß, welche man durch die Gleichung: 6C02+6H20-> CgHiaOe + eOg ausdrückt, würde eine Relation zwischen dem aus der aufgenommenen Kohlensäure stammenden Kohlenstoff und dem verbrauchten Wasser von C/H 30 = 72/108 entsprechen, und die verbrauchten Gewichte der CO2 und des Wassers müßten sich ver- halten wie 264: 108. Nun wurden in dem ersterwähnten Versuche Saussures 217 mg C aus COg assimiliert und dabei 315 mg Wasser verbraucht. Der Quotient 315:217 ist 1,459 und kommt dem theoretisch geforderten Verhält- nis 108:72=1,500 sehr nahe. So könnte dieses Resultat die Richtigkeit der Assimilationshypothese bestätigen. Im zweiten Versuche Saussures beträgt der Quotient HgO/C aber 159:159 oder 1, was wieder nicht über- einstimmt. Neue Versuche in dieser Richtung sind daher jedenfalls als sehr wünschenswert zu betrachten. Die Beschaffung von Kohlensäure auf Kosten organischer Säuren bei Succulenten. Schon die Tatsache, daß an den grünen Teilen von Pflanzen mit cactoidem oder aloeartigem Habitus, überhaupt bei succulenten Xerophyten, relativ spärliche Spaltöffnungen vorhanden § 2. Der Gaswechsel bei der Kohlensäureassimilation. 525 sind(l), legt die Annahme nahe, daß mit der Transpiration auch der assimilatorische Gaswechsel bei diesen Gewächsen herabgesetzt sein dürfte. In der Tat fiel bereits Saussure die relativ geringe Sauerstoffabgabe der Blätter bei Fettpflanzen auf. Zugleich machte Saussure die grund- legende Beobachtung, daß Opuntiazweige in einem mit CO^ -freier Luft gefüllten Rezipienten bei Tag das Mehrfache ihres Volumens an Sauer- stoff produzieren. Auch die richtige Deutung dieses Verhaltens wurde von Saussure geliefert. Das Nächstliegende war, anzunehmen, daß der abgegebene Sauerstoff dem dargebotenen Wasser entstamme. Hierzu meint Saussure: „Doch scheint es, daß die Pflanze nicht direkt diese Zersetzung bewirkte oder daß sie sich nicht unmittelbar den Wasserstoff des Wassers aneignete, indem sie dessei. Sauerstoff ausschied. Ein ver- tieftes Studium führt dazu, zu glauben, daß sie nur in der Sonne aus- schließlich aus ihrer eigenen Substanz Kohlensäure bildete und wieder zersetzte." Saussure ließ ferner eine Opuntia 1 Monat lang in einem Rezipienten wachsen. Wälirend dieser Zeit bildete sie das 3'/.^ fache ihres Volumens an Sauerstoff. Sodann wurde im oberen Teile des Rezipienten ein Gefäß mit Kalilauge angebracht. Von da an vermehrte der Cactus den Sauerstoff der Rezipientenluft nicht mehr und in der Kalilauge ließ sich Kohlensäure nachweisen. 1819 beobachtete B. Heyne (2) zuerst, daß die Blätter des Bryo- phyllum calycinum morgens stark sauer schmecken und daß sich der saure Geschmack tagsüber verliert. Link stellte dasselbe Verhalten auch für andere Fettpflanzen fest. Bei Bryophyllum konstatierte A. Mayer (3), daß es in COj-freier Luft Sauerstoff abgibt, daß ferner durch diese Pflanze selbst bei Untertauchen in ausgekochtes Wasser bei Insolation Sauerstoff abgeschieden wird und daß die Säure der Blätter, deren Zu- nahme im Dunkeln und Abnahme im Licht er quantitativ verfolgte, eine Äpfelsäure ist. Die in neuerer Zeit durch Mayer (4) angestellten. Ver- suche, ob Elodea imstande sei, Äpfelsäure im Licht unter CO.,-Entwicklung zu verwenden, führten zu keinem bestimmten Ergebnis. Kraus (5) fand, daß weniger Säure während der Nacht in den Blättern entsteht, wenn die Pflanze tagsvorher in CO., -freier Luft belichtet worden war. Nach de Vries(6) kann man die nächtliche Säurebildung durch höhere Tempe- ratur verhindern. Man hat sich vorzustellen, daß Säurebildung und Säurezerlegung zwei dauernd Tag und Nacht in der Pflanze gleichzeitig vorsichgehende Prozesse sind und die tatsächlich zu beobachtenden Effekte nur durch das Überwiegen der Säurezerlegung bei Tag und der Säurebildung während der Nacht als Resultierende Zustandekommen. Warburg (7) konnte nun nachweisen, daß die nächtliche Säurevermehrung und die Entsäuerung am Licht überall bei Pflanzen mit speziellem Tran- spirationsschutz vorkommt. Doch kalin man da diesen Prozeß immer 1) Über Zählungen der Stomata bei Succulenten: Krocker, De cpidermide plantarum (1833). Decandolle, Physiologie, /, 92. Auf eine Quadratlinie entfielen bei Pinus haleppensis 19, bei Abies pectinata 25, bei Aloe nigiicans 50, bei Portulaca oleracea 130; hingegen bei Asclepias curassavica 1000, Citrus Aurantium 3116 Stomata. Cereus speciosus hat 18 Stomata per 1 qmni Fläche. — 2) Heyne u. Link, Zit. bei Treviranus, Physiologie, /, 529, und F. Runge, Neueste phytoohem. Ent- deckungen, p. 197 (Berlin 1820). Historische Daten bei G. Kraus, Abhandl. d. naturf. Ges. Halle, i6 (1886). — 3) A. Maver, Landw. Versuchsstat., iS, 410 (1875); 21, '^.ll (1878); 30, 217 (1884); Ber. Chem. Ges., .9, 1088 (1875). — 4) A. Mayer, Landw. Versuchsstat., 51, 336 (1900). — 5) G. Kraus, Stoffwechsel bei don Crassu- laceen (1886). — 6) de Vries, Botan. Ztg. (1884), Nr. 22; Kgl. Akad. Aiuslerdam (1884). — 7) Warburg, Untersuch, d. botan. Inst. Tübingen. 2, 75 (18S6). 526 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersyntliese im Chlorophyllkom. nur in den chlorophyllhältigen Organen und nie bei Hochblättern, Blüten- hüllen usw. konstatieren. Bryophyllumblätter vermögen im Licht aber selbst von außen zugeführte Äpfelsäure (1,5 pro miUe) zu zerlegen und dabei erwies sich der rote Teil des Spektrums wirksamer als die kurz- welligen Strahlen. Alle diese Tatsachen führten Warburg zu dem Schlüsse, daß dieser Stoff Wechselprozeß mit der Chlorophyll tätigkeit zusammenhänge und daß die Succulenten imstande sind, aus den organischen Säuren, die sich infolge geringerer Verarbeitung im Dunkeln vermehren, im Sonnenlichte ^'Oj zu gewinnen, welche nun in der Chloro- phyllassimilation verwertet wird. Die Äpfelsäure dürfte unter diesen Säuren die Hauptrolle spielen. Da bei den Fettpflanzen der Sauerstoff- konsum in der Atmung ein relativ geringer ist, so mag die langsame Oxydation des als Atmungsmaterial dienenden Zuckers die Säurebildung bei diesen Gewächsen erleichtern. Das in Cotyledon konstatierte Trimethyl- amin(1) dürfte dem Umsatz von Lecithiden entstammen und hat mit dem besprochenen Prozeß nichts zu tun. Die Assimilation der Fett- pflanzen ist schließlich auch noch von Aubert(2) ausführlich untersucht worden, besonders hinsichtlich der Bedingungen der Sauerstoffabgabe im CO2 -freien Räume, wobei die Temperatur eine besonders wichtige Rolle spielt. In vielen Fällen ist die Säurebildung im Dunkeln recht gering, manch- mal aber sehr ansehnhch. So fand Gr. Kraus, daß 1 com Blättersaft von verdunkeltem Bryophyllum eine Acidität von 5,5 com 0,001% NaOH hatte, während bei behchteten Blättern nur 0,45 com Aciditätswert, in demselben Maße ausgedrückt, vorhanden war. Nach Mayer geben 28 g Bryophyllum- blätter in der Sonne in COg-freier Luft auf Kosten der organischen Säuren bis 40 ccm Sauerstoff. Vielleicht hegt hier eine fermentative Säurezerlegung vor, und es wäre zu prüfen, ob nicht zellfreier Preßsaft aus Crassulaceenblättern in der Auto- lyse aus Säuren CO2 bildet. Offenbar haben die erwähnten Prozesse die ökologische Bedeutung, den Gaswechsel bei Xerophyten mögUchst sparsam und nutzbringend zu gestalten. Daß bei der Säiu-ebildung in Früchten verwandte Vorgänge ins Spiel kommen, wird an anderer Stelle darzulegen sein. Ebenso wird noch auf die Unhaltbar keit der Ansicht, daß die organischen Säuren Zwischenprodukte in der Zuckerbildung aus Kohlensäure durch die synthetische Tätigkeit der Chlorophyllkörner darstellen, weiter unten zm-ückzukommen sein. Ob die Kohlensäure bei der Assimilation durch andere gasförmige Kohlenstoffverbindungen ersetzbar sei, wurde bereits verschiedenfach untersucht, jedoch fast stets mit negativem Ergebnis. Die Wirkung einer Darreichung von Kohlenoxyd ist nach Saussure dieselbe, wie die eines anderen indifferenten Gases, z. B. Stickstoff. Die Pflanzen gehen darin bei Abwesenheit von COj entweder bald zugrunde oder wachsen eventuell, wie die Succulenten, darin noch einige Zeit unter Sauerstoffabscheidung weiter. Dieser Befund ist später wiederholt, so durch BoussiNGAULT, Stutzer, Just (3) bestätigt worden. In neuerer 1) HöTET, Compt. rend., 5p, 29 (1864), Auch A. Mayer, Landw. Versuchsstat., 18, 430 (1875) fand eine flüchtige organische Base. — 2) E. Aubert, Compt. rend., 112, 674 (1891); Rev. g^n. Hot., 4, Nr. 41 (1892). — 3) Boussingault, Agronomie, 4, 300 (1868). A. Stützer, Ber. Chem. Ges., g, 1570 (1876). L. Just, Wollnys Forsch. Agrik.physik, 5, 79 (1882). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation. 527 Zeit haben jedoch Bottomley und Jackson (1) über Versuche berichtet, welche nach ihrer Beschreibung die Möglichkeit einer Verarbeitung von CO an Stelle von Kohlensäure beweisen würden. Es ist nicht aus- geschlossen, daß es tatsächlich Bedingungen gibt, unter denen CO er- folgreich verarbeitet werden kann, doch ist diese Angelegenheit noch nicht spruchreif. Spuren von CO finden sich häufig in der atmo- sphärischen Luft (2). BoussiNGAULT prüfte die Assimilierbarkeit von Kohlenwasserstoffen durch grüne Pflanzen im Licht mit negativem Erfolge. Wie bei CO, so ist es auch hier ausschlaggebend für den Effekt, ob das Gas rein oder mit Kohlen- säure gemischt dargereicht wird. Das Resultat hängt nur von der Quantität der zur Verfügung gestellten COg ab. Es wäre jedoch zu bedenken, .ob nicht, wie Pfeffer (3) meinte, Sub- stitutionsprodukte der Kohlensäure assimilierbar sind. In erster Linie könnte die Carbaminsäure NHg-CO-OH in Betracht kommen. Möghcherweise ließen sich einschlägige Untersuchungen mit Hilfe der Bacterienmethode durchführen. Stickoxydul fand Vogel (4) in der Chlorophyllassimilation unverwendbar, jedoch nicht giftig. §3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation. A. Konzentration der. dargereichten Kohlensäure. Wie erwähnt, ist bereits Senebier der Entdecker der Tatsache gewesen, daß untergetaucht lebende grüne Pflanzen im Lichte in künstlich kohlensäure- reicher gemachtem Wasser mehr Sauerstoff entwickeln als bei Anwendung gewöhnlichen Wassers.- Es soll übrigens, Saussure zufolge, bereits früher Percival(5) beobachtet haben, wie Minze in kohlensäurereicher Luft besser gedieh als in gewöhnlicher Atmosphäre. Bei Landpflanzen wurden die einschlägigen Verhältnisse durch Saussure genau verfolgt. Es ergab sich, daß die Versuchspflanzen in einer Atmosphäre, welche V4 ihres Volumens an COj enthielt, wenig gut gediehen; bei Vs Volum CO.,-Zusatz war das Wachstum etwas besser, stets gut aber bei Zufügen von Vio Volum Kohlensäure, woselbst das Wachstum sogar günstiger war als" in normaler Luft. Boussingaults Erfahrungen (6) bestätigen diese Ergebnisse. Nicht nur Gemische von Luft und Kohlensäure wirkten günstiger als reine Luft, sondern auch Gemische von N mit CO2 oder Hg mit CO,,; es kommt somit augenscheinlich allein auf die Partiärpressung der Kohlensäure an. Die gute Wirkung des CO., -Zusatzes beobachtet man aber immer nur im Sonnenlicht und nicht im Schatten. Mit einschlägigen Untersuchungen befaßten sich später Cloez und Gratiolet an Potamogeton (7), J. Boehm(8), Sciiützenberger und Quinquaud (9), welche für Elodea als beste COa-Konzentration 5—10% 1) W. B. Bottomley u. H, Jackson. Proceed. Roy. Soc., 72. 130 (1903). Größere Mengen von CO sind nach Richards u. Mac Dougal, Bull. Torrcy Bot. Club, j/, 57 (1904), für Phaiicropamen stark toxisch. — 2) N. Zuntz u. Kostin. Arch. Anat. u. Physiul. (1900), Snppl.-Bd., p. 315. - 3) Pfeffer, Pflanzenphysio- logie. 2. Aufl., /. 311 (1897). — 4) Vogel. Bcrzelius Jahrasber.. 27. 270 (1848V — 5) Percival, Moni. Soc. .Manchester II, zit. von Saussure, Rech. Chim., p. 29. — 6) Bouspingault, Agronomie, 4, 269 (18G8). - 7) S. CloKz u. Gratioi.et, Ann. de Chim. et Phys. (3). 32, 41 (18.'jl). — 8) J. Boehm. Sitz.ber. Wien. Ak.. 66, I (1872); 78, I. 14 (1873). — 9) P. Schützenberg er n. E. Qoinqüaud, Compt. reud., 77, 272 (1873). 528 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. angaben, sodann auch N. J. C. Müller, Pfeffer und Godlewski(I). BoEHM sah, daß ein zu hoher Kohlensäuregehalt selbst das Ergrünen etiolierter Pflanzen im Lichte verzögert oder gänzlich hindert. GoDLEWSKis mitunter recht schwankende Werte zeigen, daß man piit 4,8% CO 2" Gehalt der Luft bei Glyceria spectabiUs bereits nahezu den- selben assimilatorischen Effekt erzielen kann, nämUch die Zerlegung von 10,22 ccm GO2 auf 1 qm Blattfläche, wie mit 15,9% Kohlensäuregehalt der Luft. Übrigens wurde das Optimum nicht für alle Pflanzen ganz gleich gefunden. Auch bei Warburg (2) finden sich Angaben über Differenzen bezüghch dieser Verhältnisse bei verschiedenen Pflanzenarten. Kreusler (3) erzielte dadurch einen Fortschritt, daß er kontinuier- hche Beleuchtung der Pflanzen mit elektrischem Bogenücht verwendete. Die Lichtquelle besaß 1000 Normalkerzen Stärke und war in einer Ent- fernung von 31—45 cm von den Pflanzen aufgestellt. Die Temperatur betrug 25". Unter diesen Bedingungen konnte die Steigerung des Effektes weiter verfolgt werden, als in den Versuchen Godlewskis, offenbar dank den günstigeren Beleuchtungsverhältnissen. Der Assimilationswert hatte sich bei dem siebenfachen Kohlensäuregehalt auf das Doppelte des normalen Betrages erhöht, aber' weiter hinauf ging die Steigerung des Effektes nur sehr wenig, so daß der 2,66 fache Assimilationswert erst bei dem 440 fachen Kohlensäuregehalt erzielt wurde. In den Versuchen von Montemartini (4), welcher schon bei 4% CO 2- Gehalt der Luft das beste Gedeihen der Pflanzen erreicht fand, waren offenbar die Bedingungen der Beleuchtung minder günstig gewesen. Jedenfalls geht aber aus allen diesen älteren Versuchen soviel hervor, daß der in der Luft normal gebotene Kohlensäuregehalt nicht die besten Assimilationsbedingungen schafft, sondern, daß man den Assi- milationseffekt durch reichUchere COg-Darbietung beträchthch steigern kann. Die in den Versuchen Kreuslers bereits sichtbare Mitwirkung der Licht- intensität an diesem Effekt wurde jedoch erst in den neueren Arbeiten von Treboux und Pantanelli aus Pfeffers Laboratorium (5) klarer erkannt. Für niedrigere Konzentrationen der Kohlensäure sah der erstgenannte der beiden Forscher die von Elodea entwickelte Gasblasenzahl deuthch mit der Zunahme der CO 2 proportional zunehmen, wobei eine Beleuchtung durch Gasglühhcht und eine Temperatur von 16° angewendet wurde. Pantanelli konnte aber durch Behchtung mittels sehr hoher Lichtintensitäten sicher- stellen, daß der Effekt der CO g- Steigerung noch viel weiter hinausgetrieben werden kann, als bis dahin geschehen war. Bei ^ der Intensität des Sonnen- hchtes war der günstigste Effekt durch 10 Volumprozente COo erreichbar, bei ^/i der SonnenUchtintensität durch 15% CO 2, bei der vierfachen Sonnen- hchtintensität aber erst durch 20 Volumprozent CO 2- Oberhalb der genannten Grenzkonzentrationen verläuft also für eine bestimmte Lichtintensität die Kurve der Assimilationsintensität gleichmäßig in demselben Niveau. Klare Erkenntnis dieser interessanten Verhältnisse finden wir durch die Arbeiten von Blackman (6) geschaffen. Offenbar ist das Licht bei den Versuchen 1) N. J. C. MtJLLER, Botau. Untersuch., /, 353 (1876). Pfeffer, Arb. bot. Inst. Würzburg, 7, 33 (1870). Godlewski, Ebenda (1873), p. 345; Flora (1873), Nr. 24. — 2) Warburg, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, //, 122. — 3) Kreusleb, Landw. Jahrb., 14, 913 (1885). Deherain u. Maquenne, Ann. agron. (1881). — 4) L. Montemartini, Atti Ist. bot. Pavia (1893) und ebenda (1895); Bull. Soc. Botan., 62, 683 (1895). — 5) O. Treboux, Flora, 92, 49 (1903). E. Pantanelli, Jahrb. wiss. Botan., 39, 167 (1904). — 6) F. Fr. Blackman u. Gabr. Matthaei, Proceed. Roy. Soc, 76, B, 402 (1905). Blackman u. A. M. Smith, Ebenda, 83, B, 389 (1911). § 3. Einflflsse äußerer Faktoren auf die Eohlensaareassimilation. 529 mit steigendem COg-Gehalt des umgebenden Mediums der „limitierende Faktor" im Sinne Blackmans, d. h. es ist für jede Intensität dieses Faktors die obere Grenze der Proportionalität zwischen assimilatorischem Nutzeffekt und Konzentration der Kohlensäure gegeben. Ein Optimum der Kohlensäure- konzentration im Sinne der früheren Forscher gibt es somit nicht, sondern wir können die Assimilationstätigkeit durch Erhöhen der COg- Konzentration um so weiter steigern, je höher die dargebotene Lichtintensität und auch die Temperatur ist. Dementsprechend ist es als rationelle Maßregel zu bezeichnen, wenn man den Vorschlägen von H. Fischer (1) folgend, durch künstUche COj- Zufuhr, z. B. durch Verbrennung von Alkohol, die Gewächshausluft für die Assimilation der daselbst auf engem Räume gehäuften Pflanzen taughcher macht. Doch dürfte man nach den Beobachtungen von Brown und Es- COMBE (2) die C02-Darreichung nicht übertreiben, da sich nach diesen Autoren schon bei mäßiger Steigerung des COg-Gehaltes der umgebenden Luft im Gewächshause an verschiedenen Pflanzen pathologische Erscheinungen be- merkhch machen, die sich namentüch im Unterbleiben normaler Blüten- bildung äußern. Es ist allerdings noch zu untersuchen, ob diese Ubelstände nicht durch eine intensive Beüchtung behoben werden könnten. Demoussy meint, daß auch Unreinheit der COg im Spiele gewesen sein konnte. Struktur- veränderungen an Pflanzen in GOg-reicher Luft sind in verschiedenen Arbeiten von MoNTEMARTiNi, BoNNiER und namenthch Farmer und Chandler beschrieben (3). Manche dieser Veränderungen können als die- Folge ge- steigerter Assimilationstätigkeit gedeutet werden, andere sind entschieden pathologischer Natur. Verschaffelt (4) fand die Transpiration der Pflanzen bei Kohlensäureentziehung größer als normal. Für gesteigerten COg-Gehalt des Mediums scheinen die Verhältnisse noch unbekannt zu sein. Doch" sah Fr. Darwin (5) in kohlensäurereicher Luft langsam Spaltenschluß ein- treten, so daß demgemäß eine Herabsetzung der Transpiration zu vermuten steht. Bei COg-Entziehung tritt Abwerfen des Laubes ein. Man kann aber durch Darreichung von 0,2—1,5% CO^ nach Furlani (6), andererseits wieder den im feuchten Räume sonst eintretenden Laubfall hemmen. Inwieweit die Förderung der Assimilation durch gesteigerte CO,- Zufuhr es gestattet, aus den Resten eines überaus üppigen Pflanzenwuchses in früheren geologischen Epochen der Erde auf einen höheren Gehalt der Atmosphäre an Kohlensäure zu schließen, möchte ich dahingestellt sein lassen (7). Brown und Escombe meinen, daß die gegenwärtig auf der Erde lebenden Gewächse entschieden auf den jetzt in der Atmosphäre gebotenen COg-Gehalt abgestimmt seien. B. Konzentration des zur Verfügung stehenden Sauer- stoffes. Einfluß von Sauerstoffmangel auf den Assimilations- prozeß. Saussure stellte fest, daß Erbsenpflanzen in reinem Sauerstoff- gase im direkten Sonnenlichte fast ebensoviel an Gewicht zunahmen, wie Pflanzen in gewöhnlicher Luft, doch waren die Stengel länger und 1) H. Fischer, Gartenflora, 6i, XIV u. XV (1912); Ber. Botan. Gob., 30, 598 (1912). A. Hansen, Naturwies. Rdach., 27, 547 (19 12). — 2) H. T. Brown u. Escombe, Proceed. Roy. Soc., 70, 397 (1902). Demoussy, Compt. rend., 138, 291; 139, 883 (1904). — 3) BONNIER, Compt. rend. (1898), 2, 33.'). J. Br. Farmer u. Chandler, Proceed. Roy. Soc., 70, 413 (1902). — 4) Verschaffelt, Dodonaea (1890), p. 305. — 5) Fr. Darwin, Phil. Trans., 190, 531 (1898). — 6) J. Furlani, Ö8t«rr. botan. Ztsch., 56, 400 (1906). — 7) Vgl. Sv. Arrhenius, Zentr. Min. u. Geol. (1909), p. 481. Ciapek, Biochemie der Pflanzen. 1. 8. Aun. 34 530 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersyntbese im Chloropbyllkorn. dünner. Im Schatten gehalten, nahmen sie aber binnen 10 Tagen um die Hälfte weniger zu als in normaler Luft. Sie liefern, wie Saussure bemerkt, in reinem Sauerstoffgase stets eine viel größere Menge von Kohlensäure, welche den im Schatten vegetierenden Pflanzen durch ihre Ansammlung schädlich wird, während stark belichtete Pflanzen dieselbe wieder zersetzen. Auch das Verhalten von assimilierenden Pflanzen in sauerstoffreier Luft wurde durch Saussure untersucht. Es ergab sich, daß sich dieselben unter allen Umständen nur durch den in der Assi- milation gebildeten Sauerstoff weiter erhalten können. Bei kleinen Ge- wächsen genügen jedoch bereits sehr geringe Sauerstoffquantitäten zum Fortfristen des Lebens. Im luftleeren Räume treten ganz dieselben Er- scheinungen zutage, wie in verschiedenen sauerstof freien Gasen oder Gasgemischen. Dies ist ein Zeichen dafür, daß es unter allen Umständen nur auf die Partiärpressung des Sauerstoffes ankommt. Auch bei BoEHM(l) finden sich Angaben, welche zeigen, daß schon relativ geringe Sauerstoffmengen hinreichen, um die Assimilation in Gang zu setzen. Nach Friedel(2) wird bei einer Herabsetzung des Sauerstoffdruckes auf den vierten Teil die Art des assimilatorischen Gaswechsels nicht geändert, denn der Quotient CO.. : O3 bleibt nahezu gleich 1. Nur die Intensität der Assimilation nimmt mit sinkender Partiärpressung des Sauerstoffes gesetzmäßig ab. Auch das Ergrünen etiolierter Keimlinge hört bei einer gewissen Grenze des Sauerstoffgehaltes der Luft auf. Bei Helianthus annuus fand CoRRENS (3) 4 % des normalen Sauerstoffgehaltes der Luft, also 30 mm Druck als die zum Ergrünen nötige Sauerstoffzufuhr. Lepidium brauchte sogar 8% oder 60 mm Druck. Um aber binnen 24 Stunden eine schöne Grünfärbung zu erzielen, mußte man den Sonnenblumenkeim- lingen 6% und den Kressenkeim lingen 10% Sauerstoff darreichen. Von älteren und neueren Arbeiten auf diesem Gebiete wären die Studien von Wiesner, ferner jene von Palladin und von Friedel zu nennen (4), Die Angabe von Kohl (5), wonach Ergrünen auch ohne Sauerstoff bei etiolierten Blättern von Scorzonera hispanica möglich sei, könnte immerhin durch Objekte mit sehr niedriger Sauerstoffgrenze ver- ursacht sein; jedoch finden sich in den Protokollen dieser Versuche keinerlei Daten über die Methoden der möglichst vollkommenen Eliminierung des Sauerstoffes. Der minimale Sauerstoffpartiärdruck liegt für das Ergrünen wahrscheinlich in der Regel höher als für das Längenwachstum und den Phototropismus. Eine obere Grenze für die Abhängigkeit der Assimilation vom Sauerstoffgehalt der Luft scheint nicht zu existieren und es hatte auch Friedel Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, daß das Ergrünen in reinem Sauerstoff nicht anders erfolgt als in gewöhnlicher Luft. Doch dürfte nach verschiedenen Erfahrungen, welchen auch die Versuche von Jentys(6) über Längenwachstum in komprimiertem Sauerstoffgas und in komprimierter Luft nicht widersprechen, die Steigerung der Sauerstoff- atmung in reinem Sauerstoff bei unzureichender Behchtung durch Kohlen- säureanhäufung Störungen hervorrufen. 1) J. BoEHM, Sitz.ber. Wien. Ak., 67 (März 1873). — 2) J. Friedel, Compt. rend., 131, 477 (1900); 140, 169 (1905). — 3) Correns, Flora (1892), p. 141. — 4) Wiesner, Entstehung d. Chlorophylls (1877), p. 17. Palladix, Compt. rend., 125, 827 (1897). J. Friedel, Ebenda, 135, 1063 (1902); Rev. gen. Bot., 14, 337 (1902). — 5) F. G. Kohl, Ber. Botan. Ges., 24, 227 (1906). — 6) St. Jentys, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, 2, 419 (1888). § 3. Einflüsse Hußerer Faktoren auf die Kohlensaureassimüation. 531 C. Einfluß des Lichtes. Daß die Assimilationstätigkeit grüner Pflanzen an die Gewährung einer bestimmten, nicht zu geringen Licht- intensität gebunden ist, gehört zu den fundamentalsten Tatsachen der Pflanzenphysiologie. Das Verhalten von bestimmten Bacterien, welche Kohlensäure im Dunkeln unter Verwertung von Energie, die Oxydations- prozessen entstammt, verarbeiten, wie es bei den Ammoniak zu Salpetersäure oxydierenden Nitrifikationsmikroben und den Wasserstoff oxydierenden Mikroben des Bodens der Fall ist, lehrt uns, daß die Energiegewinnung aus dem Sonnenlicht bei den Synthesen im Chlorophyllkorn eben nur einen bestimmten Fall, eine konkrete Form der Anpassung an die normal gebotenen Lebensverhältnisse, darstellt. Während die Aufnahme der Sauerstoffausscheidung und Kohlen- säureverarbeitung ausnahmslos an die Darbietung einer gewissen mini- malen Lichtiiitensität geknüpft ist, kann man bezüglich der Ausbildung des Chlorophylls in den assimilierenden Pflanzen nicht ganz das gleiche sagen. Allerdings ist es den höheren Pflanzen, wie schon Ray(1) wußte, in der Regel nicht möglich, ihren grünen Farbstoff ohne Be- lichtung auszubilden, und Humboldt sowie Decandolle(2) erkannten, daß das Ergrünen bei Kressenkeimlingen schon bei Lichtintensitäten erfolgt, welche zur Sauerstoffausscheidung noch nicht ausreichen. Doch sind bei Algen, wie Nostoc und anderen Formen, ferner bei den Coni- ferenkeimlingen sowie bei einer Reihe von Samen, welche vor ihrer Reifung ergrünen, ohne daß Lichtzutritt hierbei nötig wäre, Fälle genug bekannt, in denen augenscheinlich erhebliche Chlorophyllmengen gebildet werden, ohne daß sich die sonst nötige Lichtwirkung dabei zu äußern brauchte (3). Die Cotyledonen von Ginkgo biloba und von Gnetum vermögen aber im Gegensatze zu den allermeisten Coniferen im Dunkeln nicht zu er- grüneu (4) und wahrscheinhch gilt dasselbe auch für die Cycadeenkeimlinge, unter denen wenigstens für Cycas Rumphii und revoluta, sowie Zamia inte- grifolia durch Burgerstein die Abwesenheit von Chlorophyll bei Dunkel- keimlingen gezeigt worden ist. Bei Laub- und Lebermoosen wird, soweit im Dunkeln Wachstum stattfinden kann, Chlorophyll in allen Fällen ge- bildet, und ebenso ist es bei weitaus der größten Zahl der Pteridophyten, wo nur bei Equisetum und Lycopodium die Gewinnung chlorophyllfrcier Pflanzen durch Dunkelkultur mögUch ist. Selaginella ergrünt im Dunkeln, ebenso ergrünen die echten Farne in allen untersuchten Fällen (5). Bekannte Beispiele von Samen, deren Cotyledonen im Dunkeln ergrünen, sind Pistacia Eriobotrya, Citrus und andere Fälle (6). Daß die Abhängigkeit des Ergrünens vom Licht keine einfache Beziehung ist, zeigt schon die nicht selten zu beobachtende Tatsache, daß 1) John Ray, Historia plantarum, /, 15 (1686). Schon Aristoteles leitet die grüne Farbe der Pflanzen von der Einwirkung des Sonnenlichtes her. Vgl. E. H. Meyer, Geschichte d. Botan., /, 196 (1854). — 2) A. v. Humboldt, Crelis Ann. (1792), /, 71 u. 254. Vassam, Ebenda (1795), //, 80. Decandolle, Gilberts Ann., 14, 366 (1803). Physiologie, Deutsch v. Röper, //, 694. — 3) Coniferen: Sachs, Lotos (1859); f^ora (1864), p 504. A. Buroerstein, Ber. Botan. Ges., iS, l(i8 (1900). Samen v. Eriobotrya: A,. Ernst, Beihefte bot. Zentr., 19, I, 118 (1905). Zusammenstellung: K. Bittner, Östcrr. botan. Ztsch. (1905), p. 302. — 4) Ginkgo: Molisch, Österr. botan. Ztsch. (18S9), p. 98. Gnotum: P. FrÖschel, Ebenda. 61, 209 (1911). — 5) Vgl. Scni.MPER, Jahrb. wiss. Botan., 16, 159 (18S5). Karol. Bittner. 1. c. (1905). — 6) Vgl. G. Lopr.ore, Ber. Botan. Ges., 22, 385 (1904). A. Ernst, 1. c. (1905). Atwell, Botan. Gaz., 15, 46 (1890). 34* 532 Zwanzigstes Kapitel : Eohlens&ureTerarbeit u. Zuckersynthese im Ghlorophyllkorn. das Chlorophyll im Dunkeln zwar in der Spreite oder in Stämmchen entsteht, nicht aber im Blattstiel oder in anderen Teilen. Hier spielen augenscheinlich korrelative Beziehungen mit, die sich auch in den Ver- suchen von Dostal (1) mit unterirdischen, sonst chlorophyllfreien Cotyle- donen ergeben haben. Nicht unbeachtet sind ferner die quantitativen Verhältnisse zu lassen, indem augenscheinlich die reichliche Ausbildung von Chlorophyll, die man als „Ergrünen" bezeichnet, nicht bei allen Pflanzen an die gleichen Bedingungen geknüpft ist, wie die spurenweise Bildung von Farbstoff, die sich noch nicht dem Auge als Grünfärbung erkennen läßt. Auf möglichst vollkommene Abhaltung auch der ge- ringsten Lichtspuren, worauf bisher nur von Friedel(2) geachtet worden ist, wird man in künftigen ' Versuchen besonderes Gewicht zu legen haben. Jedenfalls kann in manchen Fällen Chlorophyllbildung schon bei ungemein geringem Lichtzutritt erfolgen, wie man aus der Angabe von IssATSCHENKO (3) schließen darf, wonach noch im Lichte von Photobacterien Ergrünen von KeimUngen nachgewiesen werden kann. "Wiesner (4) suchte durch Abdämpfen des Lichtes einer Gasflamme mittels aufeinandergeschichteter Lagen von Pauspapier die minimale, noch Ergrünen erzeugende Lichtintensität zu bestimmen. 30 Lagen dämpften das Licht soweit, daß Ergrünen von Keimlingen nicht mehr sichtbar war. Ältere Angaben von Hofmeister (5) zeigen für Hymeno- phyllum, Farnprothallien, Moose und Vaucheria das Ergrünen in sehr schwacher Beleuchtung. Wie schon ältere Autoren (6) betonen, ist jedoch das Lichtminimum für das Ergrünen bei verschiedenen Pflanzen nicht gleich und es müssen, wie Wiesner hervorhebt, bereits die anatomischen Strukturdifferenzen Unterschiede erzeugen. Nicht einmal das ist sicher, ob bei den einzelnen Chloroplasten selbst der Lichtschwellenwert für die Chlorophyllbildung derselbe ist. Offenbar kann der Lichteinfluß auf die Bildung des Farbstoffes aus dem Chromogen, wie uns die Fälle von Chlorophyllbildung im Dunkeln lehren, auch durch chemische Mittel ersetzt werden, und es ist die Frage, ob nicht Licht und chemische Ursachen in bestimmten Fällen zusammenwirken werden, wobei natürlich auf die Lichtkomponente ein größerer oder geringerer Anteil fallen kann. Auch sonst hängt, wie Lubimenko(7) ausführte, die Chlorophyllbildung in einer für die Pflanzenart spezifischen Weise von der Beleuchtungs- intensität ab, so daß in manchen Fällen eine reichere Chlorophyllbildung bei schwächerer Belichtung erfolgt, wie es bei ombrophilen Gewächsen gefunden wurde, welche auf diese Weise die Assimilationsbedingungen für sich vorteilhafter gestalten. Etioherte Blätter sind nach den vorhandenen Angaben wasserreicher als die normalen grünen Organe und weichen auch, wie Church (8) fand, 1) R. Dostal, Ber. Botan. Ges., 28, 193 (1910). — 2) J. Friedel, Compt. rend,, 153, 825 (1911). — 3) B. Issatschekko, Zentr. Bakt. II, /o, 497 (1903). — 4) J. Wiesner, Entstehung d. Chlorophylls (1877), p. 64. Intermittierende Beleuch- tung u. Ergrünen: Mikoboh u. Stöhr, Wien. Ak. (1880). — 5) Hofmeister, Pflanzenzelle, p. 366. — 6) Vgl. Meye-S Physiologie, //, 434. J. Sachs, Flora (1862), p. 213. — 7) W. Lubimenko, Compt. rend., 145, 1347 (1907). — 8) A. H. Church, Joum. Chem. Soc. (1886), p. 839. Etiolierte und grüpe Blätter wurden schon von Hassentratz, Crells Ann. (1789), //, 317, chemisch verglichen. Ana- tomie: F. KüHLHORN, Diss. (Göttingen 1904). Ricöme, Rev. g^n. Bot., 14, 26 (1902). Stoffwechsel: L. v. Portheim, Sitz.ber. Wien. Ak., 116, I, 1360 (1907). Amide: A. Kiesel, Ztsch. physiol. Chem., 49, 72 (1906). Andre, Compt. rend., (1900) /. 1198; 137, 199 (1903). $ 3. Einflfisse äußerer Faktoren auf die Koblensäureaasiinilation. 533 im Stickstoffgehalte und in der Zusammensetzung ihrer Asche beträchtlich von den grünen Blättern ab. Zur Feststellung derjenigen Lichtintensität, welche eben zur be- ginnenden Sauerstoffausscheidung nötig ist, leistet die Bacterienmethode gute Dienste. Mit Anwendung derselben ließ sich zeigen, daß das Mondlicht unter diesen Schwellenwert fällt, während das Licht der Abend- dämmerung bereits hinreicht, um bei Algen schwache Sauerstoffentwick- lung hervorzurufen (1). Die Experimentaluutersuchungen der älteren Zeit, die sich mit der Abhängigkeit der CO^ -Assimilation von der Lichtinten- sität befaßten, wendeten meist die Gasblasenzählmethode an. Schon von den Arbeiten Wolkoffs angefangen, der das Licht mit den RoscoEschen Apparate maß, begegnet man immer wieder der Angabe, daß wenigstens innerhalb bestimmter Grenzen die durch die in gleichen Zeiten aus- geschiedene Gasblasenzahl gemessene Assimilationswirkung der Licht- intensität proportional ist (2). Diese Meinung findet man übrigens schon vor Wolkoff 1844 bei Calvert und Ferrand(3) ausgesprochen. Auch in den Versuchen Kreuslers mit kontinuierlicher elektrischer Beleuchtung stellte sich innerhalb gewisser Grenzen die Proportionalität zwischen Assimilationserfolg und Lichtintensität heraus (4). Erst von den Arbeiten von Reinke und von Timiriazeff angefangen, begann man den Umstand zu beachten, daß von einer bestimmten höheren Licht- intensität an keine weitere Steigerung des assimilatorischen Effektes eintritt, sondern daß sich der Vorgang auf etwa derselben Höhe hält. Man sprach von einem verlängerten optimalen Effekt. Timirazeff (5) sah ungefähr bis zur halben vollen Sonnenlichtintensität starkes An- steigen der Assimilation und von da an nur geringe Erhöhung. In den späteren Versuchen von Brown und Escombe mußte sogar die Sonnen- lichtintensität auf den zwölften Teil herabsinken, bis die Assimilation vermindert wurde (6). Pantanelli fand bei Wasserpflanzen in Brunnen- wasser die optimale Assimüationstätigkeit bis zum vierten Teil der Sonnenlichtintensität, darüber hinaus eine leichte Abnahme (7). Aber schon Pfeffer sprach 1897 bezüglich der Versuche Reinkes die Meinung aus, daß ein weiteres Ansteigen des Assimilationseffektes möglicherweise hätte erreicht werden können, wenn man mehr COj dargereicht hätte. In der Tat haben die letzten von Blackman(8) stammenden Untersuchungen zur Evidenz ergeben, daß das Abschneiden der Kurven bei einer bestimmten Lichtintensität in einem annähernd gleichbleibenden Niveau durch nichts anderes als durch den zu geringen COj-Gehalt des Mediums als limiJerenden Faktor bedingt ist und daß 1) Pfeffer, Physiologie, 2. Aufl., /, 323 (1897). Boüssikgaült, Ann. Sei. Nat. (5), 10, 335 (1869), stellte das gleiche mit Hilfe des Aufleuchtens von Phosphor- danapf fest. — 2) A. v. Wolkoff, Jahrb. wiss. Botan., 5, 1 (1866). van Tieghem, Compt, rend. (1869), p. 482. N. J. C. Müller, Botan. Untersuch., /. 3 u. 374 (1872). Famintzin, Bull. Acad. P^tersb., 26, 296 (1880). J. Reinke, BoUn. Ztg. (1883), p. 697. G0DLEW8KI, Just Jahresber. (1875), p. 787. J. Peyroü, Compt. rend., 105, 385 (1887). — 3) Calvert u. Ferrand, Anu. de Chim. et Phys. (3), //, 477 (1844). — 4) ü. Kreusler, Landw. Jahrb., 14 (1885). — 5) Timiriazeff, Compt. rend., rog, 379 (1889). — 6) H. T. Brown u. Escombe, Proceed. Roy. Soc, 76, B, 55 (1905). — 7) E. Pantanelli, Jahrb. wiss. Botan., jp, 167 (1903). — 8) F. Blackman u. G. Matthaei. Pruceed. Roy. Soc, 76, B, 402 (1905). Blackman u. A. M. Smith, p:benda, Sj, B, 389 (1911). 534 ZwanzigsteB Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. wir nicht das Recht haben von einer optimalen Lichtintensität zu sprechen. Auch im natürlichen Leben der Pflanzen tritt diese Limitierung bei höherer Lichtintensität deutlich zutage. Ist die Außentemperatur ge- nügend hoch, wie bei den Gewächsen warmer Klimate und unseren 1 / o 1 030 B d 1 /' "/ / , 1 JOj assimil 0 / t / i 3- ■> y -■- o 2? f unde / ; , , 005 010 CO2 Darreichung 5° 10° 1S° 20° Temperatur 2 4 6 8 Beleuchtung Fig. 5. Schema der Wechselbeziehungen zwischen Assimilation und den äußeren Faktoren (nach Blackman). ombrophoben Pflanzen, so wird die Assimilation durch den niedrigen CO2 -Gehalt der Luft auf ein gewisses Maximum eingestellt. Ist hingegen die Temperatur niedrig, wie es bei den Pflanzen im Hochgebirge und den zirkumpolaren Gegenden der Fall ist, so wird auch dieser Faktor als Limitationswirkung eintreten können. Blackman meint sehr richtig, daß die in Wiesners Studien über den Lichtgenuß (1 ) ausführhch gewürdigte Tatsache, daß Schattenpflanzen in den Tropen in reicher Menge vorkommen und sich gegen die Pole zu immer spärücher zeigen, bis sie in der arktischen Zone ganz fehlen, sich dadurch verstehen läßt, daß der biologische Vorteil hellsonniger Standorte nicht die größere Lichtintensität, sondern die vermehrte Wärmezufuhr ist. Anderer- seits kann durch die Ausbildung von kleinen ünear geformten Blättern, wie Wiesner ausgeführt hat, ein ausgiebiger Schutz gegen starke Wärme- strahlung erreicht werden, indem sich solche Organe bedeutend weniger erwärmen als größere und flache Blattkörper (2). Abgesehen von Form und Größe wird namenthch die Stellung, die „Lichtlage der Blätter", mag sie nun veränderüch oder fixiert sein, sehr dazu beitragen können, die Wärme- und Lichteinstrahlung in ihrem Wirkungseffekte zu beeinflussen (3). 1) J. Wiesner, Der Lichtgenuß der Pflanzen (Leipzig 1907); Sitz.ber. Wien. Ak., 114, I, 77 (1905). — 2) J. Wiesner, Ber. Botan. Ges., 26a, 702 (1908). — 3) Messende Methodik: Wiesner, 1. c; Sitz.ber. Wien. Ak., 120, 1, 119 (1911). Flora, 105, 127 (1913); Sitz.ber. Wien. Ak., 119, I, 599 (1910). V. VOUK, Ber. Botan. Ges., 30, 391 (1912); Abderhaldens Handb. biochem. Arb.meth., 6, 180 (1912). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensaureassimiiation. 535 Quantitativ messende Untersuchungen über die Wirkung der bei xerophilen Pflanzeü häufig ausgebildeten Schutzmittel gegen zu starke Insolation, wie Haarfilze usw., liegen noch nicht in größerer Zahl vor. Nach den thermo- elektrischen Messungen von Baumert (1) kann durch Entfernen des Haar- filzes die Erwärmung um 37,5% stärker sein, als im normalen Zustande. Bei tropischen Laubblättern dient die stark Hchtreflektierende Cuticula mit ihren Glanzhchtern sehr dem Zwecke, zu schroffe Erwärmung hintanzu- halten, während der rote Farbstoff, der häufig die jungen stärker beschatteten wärmeausstrahlenden jungen Triebe tingiert, nach Smith (2) eher dazu bestimmt ist, die Innentemperatur der Blätter zu erhöhen. Bei der Wirkung kräftiger Beleuchtung ist aber auch die Lichtwirkung auf den Schheßzellen- turgor, somit auf die Weite der Stomata und auf die Transpiration von großer biologischer Bedeutung (3). Bei dicht beblätterten Pflanzen wird die direkte Besonnung der Blätter teilweise durch Selbstbeschattung ver- hindert (4). In dieser Hinsicht ist es wichtig zu wissen, daß das Licht nach seintm Durchtritt durch ein Blatt bereits so geschwächt ist, daß keine Stärkebildung in dem bedeckten Blatte mehr zustande kommt (5). Pflanzen gedeihen auch hinter einem Schirm einer Chlorophyllösung nach Regnard (6) nur schjecht. Bei der Selbstbeschattung greift die weitgehende Zer- teilung des Laubes in vielen Fällen erfolgreich ein (7). Wie tief das Licht in Ge'^ebe,, z. B. in die Stengelrinde, eindringen kann, bevor seine assi- milatorische Wirkung völhg erüscht, ist bereits mehrfach untersucht worden (8). Eine Fülle von Problemen für messende Untersuchungen bietet sudann die Untersuchung der Schattenpflanzen oder ombrophilen Gewächse, deren Befähigung zum Leben in geringer Lichtintensität natürlich auch wieder in verschieden hohem Mal)e ausgebildet sein kann (9). Während in unserer heimischen Flora in der Mehrzahl der Fälle die Befähigung zum ombro- philen Leben eine fakultative ist und die betreffenden Pflanzen auch bei ziemUch hoher Lichtintensität gedeihen können, ist die Zahl der tropischen streng ombrophilen Pfleuizen eine ziemüch große, und für unsere hchtarmen Zimmerkulturen haben die tropischen Wälder Formen, wie Aspidistra, Curcuhgo, CUvia gehefert, die einen so trägen Gasv/echsel haben, daß bei ihnen das Lichtbedürfnis in manchen Fällen gänzHch verkannt worden ist(10). Die im tiefen Schatten lebenden Gewächse suchen sich durch mannigfache Einrichtungen, wozu der Chlorophyllgehalt der Epidermis (11), die Licht- reflexions- und Lichtkonzentrationseinrichtungen gehören, die so weit gehen, daß sie zu scheinbai^em Selbstleuchten im schwachen, diffusen Lichte führen 1) K. Baumert, Beitr. Biol. d. Pfl., 9, 83 (1907). Schutzmittel in den Tropen: Marloth, Ber. Botan. Ges., 27, 362 (1909). — 2) A. M. Smith. Ann. Roy. Bot. Gard. Peradeniya, 4, V, (March 1909). Trop. Laubblätter: M. Miyoshi, Journ. Coli. Sei. Tokyo, 28, 1 (1910). Insolation: P. C. Freer, Phil. Journ. Sei., 5. 1 (1910). EWART, Ann. of Botan., //, 439 (1897). — 3) Leclerc du Sablon, Compt. rend., 155, 847 (1912); Rev. g^n. Bot., 25, 49 (1913). Schellfnberg, Botan. Ztg. (1896) /, 169. Kohl, Botan. Zentr., 64, 109_ (1895). — 4) Öelbstbeschattung: Wiesner, Sitz.ber. Wien. Ak., 102, 291 (1893); 118, I, 759 (1909). Pfeiffer, Bi.anck u. Flügel, Landw. Versuchsstat., 76, 169 (1912). — 5) Naoamatsz, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, 3, 399 (1887). Griffon, Compt. rend,, 129, 1276 (1899). — 6) J. Regnard, Bull. Soc. Bot., 28 (1881). — 7) Hierzu Wiesner, Sitz.ber. Wien. Ak., 117, I, 1251 (1908). — 8) GOLDFLUS, Rev. g(5n. Bot., /j. 49. Blohm, Diss. (Kiel 1896). Balsamo, Just Jahresber. (1892), /, 89. — 9) Vgl. L. Lämmermayr, Jahresber. Staatsgymn. Leoben (1907), p. 3. — 10) Vgl. Mäqdenne, Compt. rend., 152, 1818 (1911). — 11) de Moore, Journ of Botan., 25, 358 (1887). 536 Zwanzigstes Kapitel : EohlensRureTerarbeit. u. Zackersynthese im Chlorophyllkorn . können (1), vor allem auch häufig durch die Blattgröße, Hilfsmittel zur Ausnutzung der spärlich gebotenen Beleuchtung zu verschaffen. Wenn auch, wie bekannt, bei den Schattenblättern die Ausbildung des Palisadengewebes gegenüber den Sonnenblättern in den Hintergrund tritt und beim ombro- philen Blattbau die Ausbildung des Schwammparenchj^ns einen charakte- ristischen Zug in der Struktur bildet (2), so wird doch nach den Fest- stellungen von LuBiMENKO (3) diese Differenz in der Weise wieder ausge- glichen, daß die Chloroplasten der ombrophilen Blätter größer sind und der Farbstoffgehalt die Sonnenblätter übertrifft. Andererseits sind die PaUsaden- zellen und Chloroplasten tropischer Blätter meist noch kleiner als wir es bei den Pflanzen der gemäßigten Klimate finden, und demgegenüber zeigt die nordische Flora die Ausbildung größerer Assimilationszellen deuthch ausgeprägt. Nach Lubimenko hegt bei den Schattenpflanzen das Be- leuchtungsminimum für erfolgreiche Chlorophylltätigkeit viel tiefer als bei Sonnenpflanzen, was mit dem größeren Chlorophyllgehalt zusammenhängen soll. Dafür ist das Optimum der .Lichtintensität bei den Sonnenpflanzen nicht so deuthch ausgeprägt, wie bei ombrophilen Pflanzen, wo offenbar die mit steigender Lichtintensität sich fühlbar machende Wasserabgabe in der Transpiration die assimilatorische Leistung rasch herabdrückt, während sich bei Sonnenpflanzen die Leistung bei starker Bestrahlung durch den Transpirationsschutz immerhin noch auf ansehnhcher Höhe halten kann. Dementsprechend wird es auch verständüch erscheinen, wenn, wie CoMBES (4) fand, nur bei Schattenpflanzen in der ersten Entwicklung ein Beleuchtungsoptimum, d. h. eine Limitierung der Lichtwirkung durch die im Minimum befindUchen gleichzeitig einwirkenden Faktoren zu beobachten ist, und Sonnenpflanzen diese Herabdrückung des günstigsten Helhgkeits- punktes in ihrer Jugend nicht so ausgeprägt hervortreten lassen. In dieser Hinsicht tragen unsere Waldbäume den Typus von mehr ombrophilen Pflanzen, und die ersten Blätter der Sprosse zeigen die biologischen Ver- hältnisse von Schattenblättern (5). Die Verlangsamung der Assimilation bei herabgesetzter Lichtintensität bei trübem Himmel macht sich immerhin nach den Erfahrungen von Muntz (6) bei der natürhchen Vegetation in nicht geringem Maße geltend, so daß die Assimilation bei bedecktem Himmel fünfmal geringer ausfällt, als bei vollem SonnenUchte. Doch drückt diese Helügkeitsverminderung den Ertrag bei weitem nicht so sehr herab als Wassermangel bei anhaltend trockenem Wetter. Durch genügend starke kontinuierhche künsthche Behchtung konnte man andererseits, wie besonders die Versuche von Bonnier(7) unter Anwendung von elektrischem Bogenhcht zeigten, namhafte Assi- 1) Protonema von Schizostega: Noll, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, j, 477 (1888). Algen: MoLiscH, Leuchtende Pflanzen (1904), p. 1. Moose: Gakjeanne, Beihefte bot. Zentr., 26, I, 1 (1910). Phanerogamen blattet: Stahl, Ann. jard. bot. Buitenzorg, /j, 137(1896). Feimmel, Österr. bot. Ztsch., 61, 216 (1911). Biauglanz: Gentnek, Flora, 99, 337 (1909). — 2) Licht- u. Schatten blätter: E. Stahl, Einfluß d. sonn. od. schalt. Standortes auf d. Ausbildg. d. Laubbl. (Jena 1882). Vesque, Botan. Zentr., 18, 259 (1884). Graf zu Leiningen, Naturwiss. Ztsch. Land- u. Forst- wirtsch., j, 207 (1905). — 3) W. Lubimenko, Compt. rend., 141, 535 (1905); 143, 609 (1906); 145, 1191 (1907); Rev. g^n. Bot., n, 381 (1905); 20, 162 (1908); Ann. Sei. Nat. (9), 7, 321 (1908). — 4) R. Combes, Compt. rend., 150, 1701 (1910); C. r. Assoc. Fr. Av. Sei. Lille (1910), p. 531. — 5) M. Nordhaüsen, Ber. Botan. Ges., 30, 483 (1912). BoYSEN Jensen, Tidskr. f. Skovvaesen, 22, 1 (1910). — 6) A. Muntz u. Gaupechon, Corapt. rend., 149, 190 (1909); 156, 368 (1913). — 7) Bonnier, Compt. rend., 115, 447 (1892); Rev. gön. Bot., 7, 241 (1895). Cokbett, Just Jahresber. (1900), //, 287. § 3. EinflüSBe äußerer Faktoren auf die Eohlensaureassimilation. 537 milationsmehrleistungen erzielen, die mit strukturellen Änderungen im Blattbau, aber auch mit pathologischen Erscheinungen verbunden waren. Nach ToLOMEi(l) soll der Einfluß von Magnesiumlicht ein noch kräftigerer sein. In der arktischen Zone dürfte während der ganzen nordischen Sommer- nacht Assimilationstätigkeit dauernd erhalten bleiben (2). Zweifellos wird auch bei den Algen die Anpassung an verschiedene Lichtstärke eine große Rolle spielen und die Verteilung der Meeresalgen auf verschiedene Tiefenzonen muß mindestens teilweise mit der Ombro- philie in Beziehung stehen (3). Nach den Feststellungen von Combes(4) ist aber unter den Grünalgen selbst das Helligkeitsmaximum der Ent- wicklung nicht gleich und Cystococcus und Chlorella haben ein viel geringeres Helligkeitsoptimura als das direkte Sonnenlicht. Die Wirkung der verschiedenfarbigen Strahlengattungen im Sonnen- licht auf Ergrünen und Sauerstoffausscheidung assimilierender Pflanzen war frühzeitig Gegenstand des Interesses der Physiologen, und Sene- BiER(5), der zu solchen Untersuchungen die bekannten, später von Sachs viel benutzten doppelwandigen Glasglocken gebrauchte, behauptete, daß die violetten Strahlen mehr Kraft hätten, das Bleichwerden von Trieben zu verhindern als die anderen Strahlen. Ruhland (6) unternahm 1813 Keim ungs versuche in verschiedenfarbigem Licht, Gilby(7) unter- suchte die Assimilation in rotem und in blauem Licht, und es war ins- besondere DaubEny (8), den eingehende Studien zu dem Ergebnis führten, daß die leuchtenden Strahlen des Sonnenlichtes bei der Assimilation vor allem wirksam seien. In den späteren Arbeiten von Draper (9) wurden die seither so viel benutzten Lösungen von Kaliumbichromat und von Kupferoxydammoniak als Lichtfilter eingeführt, und es ist bekannt, daß dieser Forscher ebensowohl, wie hernach Hunt (10), Cloez und Gratiolet, Sachs und Pfeffer wesentlich auf dem Boden der von Daubeny be- gründeten Lehre standen, wonach die leuchtenden gelben Strahlen den assimilatorisch wirksamsten Anteil des Sonnenlichtes darstellen. Sachs verwendete hierbei die Gasblasenzählmethode, Pfeffer brachte weitere Verbesserungen der Methodik. Auch für die Chlorophyll- bildung wurde durch Gardener(II) 1845 die Behauptung aufgestellt, daß sie am schnellsten im gelben Lichte erfolge, während Guillemin(12) annahm, daß das Ergrünen im dunklen Wärmestrahlenbereiche des Spektrums stattfinde. Nur von der theoretischen Überlegung ausgehend, daß die vom Chlorophyll am stärksten absorbierten Strahlen, nämhch die im Rot zwischen den Linien B und C gelegenen Strahlen, auch beim Chlorophylleffekte die erste Rolle spielen müssen, kam Lommel(13) 1871 zuerst zu der richtigen Erkenntnis, daß das Assimilationsoptimum nicht im gelben Spektralbezirke, sondern im Rot gesucht werden müsse. 1) ToLOMEi, Chera. Zentr. (1893), //. 377. — 2) G. Gürtel, Rev. g^n. Bot., 2, 7 (1890). ScHÜBELER, Natura (1880), p. 311. — 3) Vgl. A. Richter, Bull. Ac. St. P^tersb. (1912), p. 727. — 4) R. Combes, Bull. Soc. Bot., 59, 350 (1912). — 5) Senebier, Mem. phys.-chera., /, p. VII (1785); Physiol. v<5g(?t., 4, 273. — 6) RüHLAND, Schweigg. Journ., p. 232 (1813). — 7) W. H. Gilby, Ann. de Chim. et Phye. (2), 17, 64 (1821). — 8) Daubeny, Phil. Trans. (1836). /, 149; Berzelius Jahresber. (1838), p. 227. — 9) J. W. Draper, Joum. prakt. ehem., j/, 21(1844). — 10) Hunt, Botan. Ztg. (1851), p. 341. Sachs, Ebenda (1864), p. 363; Experira. Physiol., p. 25 (1865). Pfeffer, Arb. botan. Inst. Würzburg. /, 1 (1871). Morgen. Botan. Ztg. (1877). p. 553. —11) Gardener, Berzelius Jahresber., 25, 413 (1846). — 12) Guillemin. Ann. Sei. Nat. (4), 7, 154 (1859). — 13) Lommel, Ann. Chem. u. Phys., 144, 581 (1871). 538 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. Nachdem N. J. C. Müller (1) versucht hatte, diese Theorie experimentell zu stützen, gelang es wohl Timiriazeff(2), auf genauen spektroskopischen Versuchen fußend, die ersten sicheren Tatsachen zugunsten der An- nahme des Optimums im Rot zu liefern. Seine Methode, die Strahlen- bezirke des Spektrums möglichst rein zu sondern und die verschieden- farbigen Strahlen aus ausgewählten Distrikten wieder durch Konzentration zu vereinigen, erwies sich im folgenden, auch in den Arbeiten von Reinke (3) und Engelmann (4) als sehr fruchtbar. Zweifellos sind in den älteren Arbeiten durch partielle Deckung der Spektraldistrikte durch Dispersion schwere Fehler entstanden, indem das Optimum der Assimi- lation durch Beimengung roter Strahlen mehr nach dem kurzwelligen Ende des Spektrums verschoben wurde. Timiriazeff gelang es schließlich ein so scharfes, helles kleines Spektrum auf einem Laubblatt zu ent- werfen, daß an der besonders reichlichen Stärkebildung im Rot ohne weiteres die optimale Wirkung dieser Strahlen zu erkennen war. Noch bessere Erfolge erzielte Reinke durch Verwendung von Gitterspektren für die Untersuchung des Ergrünens von Keimpflanzen und durch die Einführung des als „Spektrophor" bezeichneten Apparates, welcher ein Isoheren und Konzentrieren von Strahlen aus bestimmten Distrikten des Spektrums viel vollkommener gestattete als die früher gebrauchten Vorrichtungen. Engel- manns Methode bestand einerseits in der Erzeugung eines lichtstarken reinen Spektrums im mikroskopischen Bilde mit Hilfe seines ausge- zeichneten, von Zeiss gebauten, Mikrospektralapparates und in der An- wendung von Bacterien als Sauerstoff reagens. Alle diese Methoden führten einhellig zum Ergebnis, daß das Maximum der Wirkung im roten Teile des Spektrums liegt, wenn auch einige Differenzen bezüglich der Lage dieser Zone sich noch nicht beseitigen ließen. Diese Unsicher- heiten liegen aber, wie Pfeffer ausgeführt hat, besonders darin be- gründet, daß die wirksamsten Strahlen beim Durchtritt durch die Schichten der chlorophyllhaltigen Zellen sehr rasch vermindert werden und nun der maximale Effekt auf die Strahlen der angrenzenden Teile des Spektrums übergeht, wodurch Verschiebungen im Resultate bedingt sein müssen. Diese Effekte werden bei dickeren Blättern sehr stark merklich sein, sind aber, wie Engelmann hervorhob, schon beim Durchtritt des Lichtes durch einen Algenfaden nachweisbar. In den eleganten Versuchen Engelmanns wurde ein Cladophora- faden bei ganz engem Spalt des Mikrospektralapparates so in das Ge- sichtsfeld gebracht, daß seine Längsachse zu den FRAUNHOFERschen Linien senkrecht stand. Hierauf wird der Spalt langsam erweitert und man erkennt, wie mit steigender Lichtintensität des Spektrums die Be- wegung der mit eingeschlossenen sauerstoffempfindlicheu Bacterien zuerst im Rot beginnt und sich nach beiden Seiten ausbreitet. Im Rot bleibt das Schwärmen aber immer am stärksten. Auch die neueren Studien über Cblorophyllbildung und Assimilation von Algen von Dangeard und Desroche lassen keinen Zweifel darüber, daß die Region der Hauptabsorption des Chlorop'hylls im Spektrum mit der stärksten Wir- kung auf die Assirailationstätigkeit zusammenfällt (5). Bei Chlorella wurde 1) N. J. C. MtJLLER, Botan. Untersuch., /. 3 (1872); Jahrb. wiss. Botan., 9, 36 (1873). — 2) C. Timiriazeff, Botan. Ztg. (1877), p. 260; Ann. de Chim. et Phys. (5), 12 (1877); Compt. rend., pö, 375 (1884); iw, 1346 (1890). — 3) J. Reinke, Botan. Ztg. (1884), p. 1; Botan. Zentr. (1886), Nr. 42; Sitz.ber. Berlin. Ak., jo, 527 (1893). — 4) Th. EnctELMANN, Botan. Ztg. (1882), p. 419. — 5) P. A. Dangeard, Compt. rencl., 152, 277 u. 967 (1911); Bull. Soc. Botan., 57, 91 u. 116 (1910). P. Desroche, Compt. rend., 153, 1014 (1911); Assoc. Franc. Av. Sei. Dijon (1911), p. 485. § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureaßsimilation. 530 von Dangeard das Maximum bei den Wellenlängen A = 670 — 635 />*// ge- funden, während Engelmann und Timiriazeff die Grenzen zwischen 685 /i/x und 6bb ju/bi angeben. Die blaugrünen Cyanophyceen, auf deren Eigentüm- lichkeiten weiter unten einzugehen sein wird, nutzen auch die orange- und infraroten Teile des Spektrums aus. Bei den beweglichen Eoi-men kann man eine Anhäufung der Algen in diesem Teile des Spektrums konsta '.eren. Daß Nadson(I) bei Stichococcus in farbigem Licht das durch Kaliumbichromat filtrierte Licht auf die Entwicklung ungünstig fanl, während das blaue Licht wohl anfangs verzögerte, dann aber ganz gute Entwicklung gestattete, widerspricht diesen Ergebnissen nicht, da bei längerer Einwirkung farbigen Lichtes leicht sekundäre Einflüsse den Effekt auf die Assimilation gänzlich aufheben können. Erwähnt sei, daß nach den Feststellungen von Kühl (2) die Bewegungen der Spahüffnungs- \mji^' 0.900 0.800 0,700 0,600 0,500 ■ 0,400- a3oo- 0,200 ■ 0,100 0,000 -''"'^"^ -^ 1^^"^^ 1^ i -^ — ^- «r; % *^ — ^^^ ^'"-^_i -^ ^ rir-h-^^ 7 ^^ Fig. 6. Obere Kurve: Energieverteilung im Normalspektrum des direkten Sonnenlichtes (nach Länqley). Kurve links unten: Energieverteilung in dem vom Rotfilter (Rotscheibc Schott F4512) durchgelassenen Spsktralbezirk des direkten Sonnenlichtes. Kurve rechts unten: Energieverteilung in dem vom Blaufilter (Blauscheibe Schott F 3873) durchgelassenen Spektral bezirk des direkten Sonnenlichtes (nach Knikp und Minder). Schließzellen gleichfalls nach der Lichtfarbe verschieden aus^llcn, und ihre Turgorsteigerung im roten Lichte am bedeutendsten ist. Nun ist es auch angesichts der bekannten durch Langley genau studierten Tatsache, daß der Hauptanteil der Sonnenlichtenergie auf den langwelligen Teil des Spektrums mit dem Maximum in der Nähe der Natriumlinie fällt, klar, daß man durch die Sonderung der Strahlen ver- schiedener Wellenlänge Lichtbezirke von verschiedener Intensität erhält, wobei die Versuche von vornherein sehr zu Ungunsten der kurzwelligen Strahlen gestimmt werden. Dieser wichtige Umstand ist erst in letzter Zeit in einer Studie von Kniep und Minder (3) hinreichend beachtet worden und da hat sich in der Tat ergeben, daß Versuche mit roten und blauen Spektral- 1) G. A. Nadson. Bull. jard. bot. r^tersb., lo, 137 (1910). — 2) F. G. Kohl, Beiblatt z. Leopcldiua (1895). — 3) H. Kxiep u. Minder, Ztsch. Botan., /, 619 (U»09). 540 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. anteilen, die sorgfältig auf gleiche Strahlungsintensität unter thermo- elektrischer Kontrolle eingestellt worden waren, zwischen rotem und blauem Lichte einen viel geringeren Unterschied in der assimilatorischen Wirkung ergaben als es nach den älteren Versuchen den Anschein hatte. Wir erkennen daraus auch ohne weiteres, daß die Versuche mit ver- schieden intensivem Lichte von vornherein ein verschiedenes Result«! erwarten lassen müssen, da im intensiven Sonnenlichte die langwelligen Strahlen in ihrem Effekt bedeutend mehr prävalieren als im diffusen Tageslichte, wo auf die blauen Strahlen bereits ein relativ viel beträcht- licherer Anteil fällt. So wird man es verstehen, daß bei Anwendung von sehr hellem Licht der Effekt von Rot viel mehr hervortreten wird, während in schwächerem Lichte bereits die Wirkung von Blau ansehn- lich in Betracht kommt. Daraus erklären sich ohne weiteres die An- gaben von Engelmann über die Existenz eines zweiten kleineren Assi- milationsmaximums in Blau, welches auch Kohl(1) für die Gegend der Linie F wiedergefunden hatte, das aber von Pfeffer(2) nicht bestätigt werden konnte. Nachdem zuerst Hertel (3)- darauf aufmerksam gemacht hatte, daß von allen Strahlen des Spektrums eine wirksame Rolle in der Assimilation erwartet werden könne, daß aber durch die verschiedene Intensität derselben im Sonnenlicht das Verhältnis zu Ungunsten der stärker brechbaren Strahlen von selbst gegeben sei, hat Stahl (4) ein- gehend ausgeführt, welchen wesentlich größeren Anteil die blauen Strahlen an dem Assimilationseffekte nehmen, je mehr die direkte Sonnenbestrah- lung gegen das diffuse blaue Himmelslicht zurücktritt. Daß selbst den ultravioletten Strahlen noch Wirkungen für die Chlorophyllbildung und Sauerstoffausscheidung im Assimilationsvorgange zukommen, ist von einigen Forschern gezeigt worden. So fanden Bonnier und Mangin (5) für beide physiologischen Prozesse das ultraviolette Licht von einem gewissen Wert, womit eine Reihe älterer Untersuchungen über das Ergrünen bestätigt wurde (6), und Stoklasa(7) fand die Strahlen der Wellenlängen 675—300 fifi bei Beleuchtung mit der Queck- silberbogenlampe in einer Entfernung von 30 — 35 cm von der Licht- quelle auf das Ergrünen etiolierter Keimlinge rasch wirksam. Licht von kleinerer Wellenlänge als 300 (jljx hatte keinen Einfluß mehr. Hertel(8) hat mit Recht hervorgehoben, daß die Sauerstoffausscheidung in der Chlorophylltätigkeit geeignet sei, den schädigenden Einfluß der im Sonnen- lichte enthaltenen chemisch wirksamen Strahlen für die Pflanzenzellen zu eliminieren. Es wird nicht überraschen, daß Masulli (9) fand, daß sich das Meso- phyll unter dem Einflüsse derjenigen Strahlen am besten ausbildet, welche die Assimilationstätigkeit am wirksamsten unterstützen. Im blauen und violetten Lichte wurde Verringerung und Verkleinerung der Intercellularen konstatiert. 1 ) F. G. Kohl, Ber. Botan. Ges., is, 361 (1897). — 2) Pfeffer, Physiologie, 2. Aufl., /, 334 (1897).- — 3) E. Hertel, Naturwiss. Woch.schr., 22, 81 (1907). — 4) E. Stahl, Zur Biologie des Chlorophylls (Jena 1909); Naturwiss. Woch.schr. (1906), p. 289., — 5) Bonnier u. Mangin, Compt. rend., 102, 123 (1886). — 6) Cailletet, Ann. de Chim. et Phys. (4), 14, 325 (1868). Prillieüx, Ann. Sei. Nat. (5), 10 (1869). Deherain, Ebenda (5). 12, 5 (1869). Timiriazeff, Botan. Ztg. (1869). Nr. 11. — 7) J. Stoklasa, Sitz.ber. Wien. Ak., 120, 195(1911). L. Rayband. Eev. g6n. Bot., 25, 38 (1913). — 8) E. Hertel, Ztsch. allgem. PhysioL, 4, 32 (1904). — 9) O. Masulli, Bull. Orto Bot. Napoli, 2, 329 (1910). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Eohlensäureassimilation. 541 Aus den Untersuchungen von Lubimenko und von Thelen geht hervor (1), daß der Vergleich der relativen Trockensubstanzproduktion im monochromatischen Licht zu anderen Resultaten führen kann, als uns das Abhängigkeitsverhältnis der Assimilation von der Lichtfarbe anzeigen würde. Der Gesamtnutzeffekt muß sich hier aus mannigfachen Umsetzungen der unter dem Einflüsse des Lichtes primärgebildeten Assimilationsprodukte sowie aus den Abbauvorgängen, wie der Atmung, zusammensetzen, und man kann am Ende eines längeren Versuchszeitraumes nicht erkennen, welchen Anteil der primäre Vorgang an dem Resultat besitzt. Deshalb sind die Trockensubstanzbestimmungen überhaupt nur mit größter Reserve bei der quantitativen Beurteilung der Kohlensäureassimilation zu verwenden. Bieten schon die Verhältnisse der Abhängigkeit der Assimilations- vorgänge von den einzelnen Strahlengattungen nicht geringe Schwierigkeiten dar, wenn das Medium Luft ist, so steigern sich diese Unsicherheiten in derzeit noch nicht überwindlicher Weise, wenn es sich um assimilierende Pflanzen handelt, welche in größerer Wassertiefe leben. Wie weit Licht überhaupt in Wassertiefen eindringt, hängt sehr von der Menge trübender Partikel, von der Reinheit des Wassers ab. Fol und Sarrasin (2) fanden im Genfer See im April bis zu 250 m Tiefe Wirkung auf photographische Platten, im September bis zu 170 m. Über andere Versuche zur Bestimmung der in Wassertiefen herrschenden Lichtintensitäten berichten Kny und auch Linsbauer (3). Manche Algen gedeihen noch in großen Tiefen. Hum- boldt fand bei den Canaren noch bis zu 190 Fuß Tiefe Algenvegetationen (4). ScHiMPER (5) unterschied drei Tiefenregionen des unterseeischen Pflanzenwuchses oder Benthos, als Stufen der abnehmenden Beleuchtung oder Lichtregionen: 1. die photische oder helle Region, in welcher die Licht- intensität für die normale Entwicklung von Makrophyten genügt; 2. die dysphotische oder Dämmerregion, in welcher nur noch genügsame Mikro- phyten fortkommen (Diatomeen); 3. die aphotische oder Dunkelregion, in welcher kohlensäureassimiherende Organismen überhaupt fehlen. Die Grenzen dieser Zonen können natürUch verschieden tief hegen. Nach den Versuchen von Jönsson (6) können grüne Pflanzen (Moose) in geeigneten Apparaten bis 21 m tief unter den Meeresspiegel versenkt werden, ohne daß die Sauerstoffabgabe aufhört. Unstreitig wird bei dieser Verteilung auf die photische und dysphotische Region mit deren Unterabteilungen die Intensität des zur Verfügung gestellten Lichtes sehr in Betracht kommen. Doch ist es eine sehr ansprechende Hypothese, konform mit den Darlegungen von Engelmann und Gaidukov eine Beziehung mit den am meisten ab- sorbierten Lichtstrahlen aufzustellen, da die grünen Algen unstreitig nur in den hellsten Regionen vorherrschen, während Rotalgen in den nJeisten Formen ausgeprägte Tiefenbewohner sind. Nach H üfner absorbiert eine 180 cm lange Wassersäule 50% des Rot, 90% des Grün, 95% des indigofarbenen Lichtes. Rotgefärbte Algen sind daher entschieden in den tieferen Wasserschichtenden grüngefärbten gegenüber im Vorteil. Gaidukov beobachtete ferner, daß in Mischkulturen von verschieden gefärbten Oscillarien in gefärbtem Licht die- jenigen Formen schheßHch überwiegen, welche die komplementäre Farbe 1) W. Lubimenko, Rev. gdn. Botan., 23, 1 (1911); Verhandl. russ. Naturf. Vcrsaminl., /o, 524 (1910). O. Thelen, Diss. (Rostock 1910). — 2) Fol u. Sarrasin, Arch. Sei. Phys. et Nat., 19, 447 (1888). — 3) L. Kny, Sitz.ber. naturf. Freunde Berlin (16. Okt. 1877). L. Linsbaüer, Zool. botan. Ges. Wien (1895). — 4) Hum- boldt, zit. in Üecandolle, Pflanzenphysiologie, 2, 705. — 5) Schimper, Pflanzen- geographie, p. 818. — 6) B. JöNSSON, Nyt Magazin f. Naturvidensk., 41, I (Kristiania 1903). 542 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensälureverarbeit. u. Znckersynthese im Chlorophyllkorn. zu dem zur Verfügung stehenden Lichte tragen (1). Allerdings wäre es wünschenswert für die bereits neuerdings hauptsächlich infolge der Ausfüh- rungen von Stahl viel diskutierte^ Frage hinreichendes Material über die Spektralzusammensetzung des Lichtes in größeren Meerestiefen zur Ver- fügung zu haben, wofür eben erst Ansätze vorhanden sind (2). Wenn man aber mit Stahl die grüne Farbe des Chlorophylls der Landpflanzen mit dem Minimum der grünen Strahlung im Sonnenhcht und Himmelshcht in Beziehung bringt, und die grüne Färbung als Anpassung an das komplemen- täre Licht erklärt, so mag es erlaubt erscheinen, auch die roten und braunen Färbungen bei Algen als eine Adaptation an das infolge der Absorption eigentümUch zusammengesetzte Licht in größeren Tiefen zu deuten. D. Einfluß der Temperatur. Sachs (3) hat gezeigt, daß bei sehr niedriger Temperatur der Prozeß des Ergrünens etiolierter Keimpflanzen bedeutend verlangsamt ist und eo ipso muß da die COg -Assimilation gleichfalls stark herabgesetzt sein. Aber auch an älteren Pflanzen sieht man bei sehr kalter Witterung die jungen Triebe weniger ergrünen als der Norm entspricht. Die Vermutung, daß bezüglich des Temperatur- einflusses auf Chlorophyllbildung und COo-Zerlegung spezifische Diffe- renzen obwalten, haben neuere Arbeiten mehrfach bestätigt. Die Algen im Polarmeere müssen zeitlebens bei Temperaturen nahe an Null assimi- lieren, während nach E wart (4) bei tropischen Pflanzen, wie Epidendrum, Aspidium violascens, Mimosa, der Nullpunkt der Assimilation schon bei + 5** C erreicht ist. Unsere europäische Flora scheint nahe an Null noch sehr allgemein Assimilationstätigkeit auszuüben. Bei Pinus Laricio wies BoussiNGAULT (5) CO., -Zerlegung zwischen 0,5° und 2,5*', bei Wiesengräsern bei 1,5° bis 3,5° mittels des Aufleuchtens von Phosphor- dämpfen nach. In Versuchen von Heinrich (6) schied Hottonia noch bei 4,5" Sauerstoff ans. Picea excelsa soll nach Jumelle(7) selbst bei — 35° C, Juniperus bei — 30° bis — 40° etwas COg zersetzen. Evernia Prunastri hörte bei — 37°, Physcia ciliaris und Cladonia rangiferina bei — 25° auf zu assimilieren. In einer methodisch viel vollkommeneren Untersuchung konstatierte Miss G. Matthaei(8), wobei für jede Tempe- ratur möglichst günstige Versorgung mit Licht und COg geboten wurde, daß bei Prunus Laurocerasus bei — 6 ° eben merkliche Kohlensäure- zersetzung eintritt. Dies stimmt mit den älteren Angaben von Kreus- LER(9) überein, der bei Brombeersprossen, Bohne, Ricinus und Lauro- cerasus noch zwischen 0 und —2,4° deutliche COg-Zerlegung beobachtet hatte. Höhere Werte finden sich bei Sachs (10), der Valhsneria durch Abkühlen auf +6° zum Sistieren der Sauerstoffausscheidung brachte, und Cloez und Gratiolet(II), die für Potamogeton eine Wasser- temperatur von +10° als Assimilationsminimum angeben. Das Er- grünen von etiolierten Keimlingen konnte Wiesner (12) unterhalb -f 4° nicht mehr erreichen. Die kalt gehaltenen Keimlinge sind viel lebhafter gelb gefärbt als Dunkelkeimlinge; ihr Farbstoff wurde von 1) N. Gaidukov, Zentr. Bakt. II, 14, 206 (1905). — 2) Vgl. R. Bertel, Ann. de rinst. Oc^anograph. Monaco, 3, VI (1912). — 3) J. Sacks, Flora (1864); Gesammelte Abhandl., /, 137. — 4) Ewart. Journ. Linn. Soc, j/, 400 (1896). — 5) BoussiNGAULT, Ann. Sei. Nat. (5), 10, 336 (1869); Agron , 5, 16 (1874). — 6) Heinrich, Landw. Versuchs.« tat., 13, 136 (1871). — 7) Jumelle, Compt. rend., 112, 1462 (1891) — 8) Gabr. Matthaei, Phil. Trans. Roy. Soc, 197, B, 47 (1904). — 9) U. Kreusler, Landw. Jahrb., /;, 101 (1888); 16, 711 (1887). — 10) Sachs. Experimentalphysiologie p. 55 (1865). — 11) CLOßz u. Gratiolet, Flora (1851), p. 750. — 12) Wiesner, Entstehung d. Chlorophylls, p. 90 (1877). § 3. Einflüsse Äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation. 543 Elfving(I) als identisch mit Etiolin erklärt. Alle Untersucher kamen zu dem Ergebnis, daß die Assimilationsleistung mit der Temperatur rasch zunimmt und bei Temperaturen von 30 — 35 <> einen optimalen Effekt erreicht. Jedoch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß konform den Ausführungen von Blackman und Matthaei (2) dieses scheinbare Optimum nur durch die limitierende Wirkung von anderen Faktoren, die sich im Minimum befinden, im natürlichen Leben der Pflanze ent- weder Lichtintensität oder CO.,-Zufuhr, bedingt wird. Der Assimilations- vorgang selbst nimmt der Temperatur proportional zu und man kann, wie Kanitz(3) gezeigt hat, aus den Versuchsdaten von Blackman er- kennen, daß hier die Van 't HoFFsche Regel befolgt wird mit einem Temperaturkoeffizienten für lOo = 2,06. Bei den Untersuchungen von Blättern im natürlichen Sonnenlichte hat man zu berücksichtigen, daß die Innentemperatur wesentlich höher ist als die Außentemperatur, so daß Laurocerasusblätter nach Blackman 7— 1G° über der Thermometer- Schattentemperatur haben. Bei tropischen Laubblättern fand Smith (4) ähnliche Temperaturunterschiede, Daß auch noch bei relativ sehr hohen Temperaturen Assimilation stattfindet, sahen schon ältere Forscher, so Kreusler, der bis 46,4 ♦^ CO.-Zersetzung angibt, und Schützenberger und Quinquaud (5), welche bei Elodea noch bei 45 — 50'' Gasblasen- ausscheidung beobachteten, Miss Matthaei konstatierte bei Lauro- cerasus bei 43" ungefähr dieselbe Assimilationstätigkeit wie bei 24°, Wie Blackman gezeigt hat, ist es aber nicht gleichgültig, wie lange bereits die hohe Temperatur eingewirkt hat, wenn man die Ablesungen im Versuche vornimmt, da bei hohen Temperaturen die Werte zwar sehr hoch, der Van 't HoFFschen Regel entsprechend, einsetzen, aber dann sehr rasch absinken, und zwar um so rapider, je höher die Tempe- ratur ist. Man hat also auch einen „Zeitfaktor" zu berücksichtigen, der offenbar auf einer inaktivierenden Wirkung höherer Temperaturen auf die Chloroplastentätigkeit beruht, während der chemische Vorgang der Assimilation der Temperatur einfach proportional ist. E. Einfluß des Wassergehaltes der Pflanzen, Nachdem die gegen Änderungen des Wassergehaltes überaus leicht reagierenden Spalt- öffnungen die Eintrittspforten der Kohlensäure bei der Assimilation darstellen, so ist es erklärlich, daß durch herabgesetzte Wasserzufuhr empfindliche Störungen in der Assimilationstätigkeit eintreten. Besonders Kreusler (6) hat dargelegt, daß die Pflanzen in trockener Luft erheblich schwächer assimilieren als in genügend feuchter Atmosphäre, sofern der Transpiratiousverlust nicht sofort wieder gedeckt wird. So erklärt sich der Vegetationsstillstand bei anhaltend trockenem AVetter, der viel mehr in die Wagschale fällt als der Einfluß anhaltend trüber Witterung. Natürlich hat man die Rolle des Wassers als Assimilationsmaterial mit- zu berücksichtigen. Nach Backhaus (7) sind zur Bildung von 1000 g Pflanzentrockensubstanz 350 Teile Wasser nötig. Selbst die Assimilations- tätigkeit der Moose ist nach Jönsson(8) gegen Feuchtigkeitsschwankungen sehr empfindlich. Hingegen bildet die Herabsetzung des Transpirations- 1) Elfvino, Arb. botan. Inst. Würzburg, 2, 495 (ISSÖ). — 2) F. Blackman u. G. Matthaei, Procecd. Rov. Soc, 76, B, 402 (1905). Matthaki, 1. c. (1904). — 3) A. Kanitz, Ztsch. f. Elektrochem., //, »389 (1905). — 4) A. M. Smith. Proc, Cambridge Phil. Soc. 14, 296 (1907). — 5) Schützknbergkr u. Qi'JNQI^'AUD. Corapt. rend., 77, 272 (1873). — 6) Kreusler. Landw. Jahrb., 14. 913 (18S5). — 7) A. Backhaus, Verhandl. Ges. Naturf., II, /, 123 (190Ö). — 8) B. JöNssox, Corapt. rend., 119, 440 (1894). 544 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Ghlorophyllkom. Stromes in dampfgesättigter Luft, wie erklärlich, kein Hindernis für eine ausgiebige Assimilation. Wie stark die Energie der CO2 -Verarbeitung der Blätter mit dem Wassergehalt der Organe differiert, haben ferner Untersuchungen von Deh6rain und Maquenne(I) gezeigt. Diese Einflußnahme erscheint natürlich, indem energisch assimilierende Pflanzen eine erhebliche Menge des aufgenommenen Wassers sowohl in der Kohlen- hydratsynthese direkt, als auch in den anschließenden synthetischen Pro- zessen verschiedener Art verbrauchen. VAN TiEGHEM (2) hat vorgeschlagen, denjenigen Teil der Wasser- bewegung, welcher das unmittelbar zum Assimilationsvorgang nötige Wasser liefert, als Chlorotranspiration oder Chlorovaporisation zu bezeichnen. Diese Unterscheidung ist jedoch vorläufig noch nicht über die Bedeutung einer theoretischen Einteilung hinausgekommen. Bedeutungs- voll ist es, daß die roten Lichtstrahlen der Region B— G die Transpiration ebenso wie die Assimilation am stärksten unterstützen und der Turgor der Schheßzellen durch diese Strahlen am meisten erhöht wird (3). Auch dies muß als Anpassung an die im Sonnenücht am stärksten vertretenen Energie- anteile aufgefaßt werden, da ein sehr erheblicher Teil der Strahlungsenergie dazu verbraucht wird, die Verdampfung des Wassers in den Assimilations- organen durchzuführen. Manche Moose und viele Flechten vermögen auf ihrem natürhchen Substrate bis zur Pulverisierbarkeit auszutrocknen, wobei sie natürhch ihre Assimilationsfähigkeit temporär verüeren. Bei Eintritt genügender Wasserzufuhr wird jedoch sofort wieder eine energische Assimilation ent- faltet (4). Diese Erfahrungen berechtigen zur Hoffnung, daß es gehngen könnte, wenigstens bei zu einem gewissen Grade bei vt)rsichtig getrockneten Blättern die Assimilationsfähigkeit zu erhalten, zumal es Molisch (5) ge- glückt ist, bei trockenen Lamiumblättern eine ganz schwache Sauerstoff- ausscheidung mit Hilfe der Photobacterien nachzuweisen. Ältere Angaben berichten allerdings, daß trockene Blätter die CO 2- Assimilation für immer vernichtet zeigen (6). Mit der Notwendigkeit einen gewissen Wasservorrat für die ungestörte Assimilation zur Verfügung zu halten, hängen in erster Reihe die vielen merkwürdigen Einrichtungen bei Wüstenpflanzen zusammen, welche den wohlbekannten xerophytischen Habitus dieser Gewächse be- dingen. F. Einfluß des Salzgehaltes des Mediums. Wasserpflanzen, bei denen sich diese Einflußnahme am reinsten studieren läßt, werden nach den vorliegenden Erfahrungen durch einen Salzgehalt des Wassers, welcher von den normalen Bedingungen abweicht, meist ungünstig betroffen. Es handelt sich dabei um osmotische Wirkungen, welche bei Süßwasser- und Meerespflanzen festgestellt wm-den. Daß aber selbst Salzkonzentrationen, die den plasmolytischen Grenzwert erreichen, unter geeigneten Verhält- nissen noch nicht die CO g- Verarbeitung ganz hemmen müssen, haben sowohl 1) D^HfeRAiN u. Maquenne, Compt. rend., 103, 187 (1886). — 2) Ph. van TiEGHEM, Bull. Soc. Botan., jj, 152 (1886). — 3) F. G. Kohl, Beibl. z. Leopoldiaa (1895). J. W1E8NER, Sitz.ber. Wien. Ak., 74 (Oktober 1876). — 4) Vgl. Bastit, Rev. g^Q. Botan., 3, 521 (1891). Tumelle, Ebenr'a, 4, 168 (1892); Compt. rend., 112, 888; 113, 920 (1891). — 5) H. Molisch, Botan. Ztg. (1904), 7, 1. — 6) Bous- SINGAULT, Agronomie, 4, 317 (1868). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Eohlensäureassimilation. 545 Klebs als Kny beobachtet (1). Hingegen waren in den Versuchen von Treboux (2) plasmolytisch wirksame Konzentrationen bereits dauernd schädigend. Jacobi (3) erschloß bei Elodea mit Hilfe der Blasenzählmethode eine Herabsetzung der Assimilationstätigkeit durch isosmotische Lösungen von Salzen: KNO3 0,5%, NaCl 0,29% und KCl 0,37%, und beobachtete bei KCl die relativ stärkste Wirkung. Treboux gibt als die minimale bereits wirksame Salzkonzentration 0,1% KNO3 an. Auch Pantanelli (4) erzielte wesentUch dieselben Ergebnisse unter Beobachtung weiterer experimen- teller Vorsichtsmaßregeln. Doch entbehren alle bisherigen Untersuchungen noch der generellen Gesichtspunkte hinsichthch einer Feststellung be- stimmter lonenwirkungen und deren relativer Wirkungsstärke, so daß es eine dankbare Aufgabe wäre, diese Einflüsse auf die Assimilation einer ein- gehenden Prüfung zu unterziehen, wobei mögUcherweise auch der Assimilations- mechanismus eine instruktive Beleuchtung erfahren könnte. Pantanelli kam zu dem Ergebnis, daß die Salzwirkung das Chloroplastenstroma betrifft. Meeresalgen, Enteromorpha und Ulva wurden von Arber (5) hinsichthch der Wirkung des Salzgehaltes im Medium auf die Assimilationstätigkeit untersucht, ohne daß diesen Versuchen die wünschenswerte Sicherheit in der Erkenntnis der einschlägigen Verhältnisse zu entnehmen wäre. See- wasser übertrifft alle untersuchten Salzlösungen an Eignung und destil- hertes Wasser schädigte vermöge seines unzureichenden Gehaltes an CO2 und der Abwesenheit von Salzen die Assimilation dieser Algen bedeutend. Daß nicht wenige Süßwasseralgen aus den verschiedensten Ordnungen imstande sind, sich an Salzlösungen bis zu einem gewissen Grade zu ge- wöhnen, geht aus den Untersuchungen von A. Richter hervor (6). Wie Oltmanns (7) hervorhebt, ist für Meeresalgen rascher und häufiger Wechsel des Salzgehaltes im Medium, wie er sich im Brackwasser findet, nicht günstig. Bei den Landpflanzen, welche salzhaltigen Boden bewohnen, ist eine Änderung im Salzgehalte des Substrates, soweit die Erfahrungen reichen, selbst bis zur gänzlichen Abwesenheit von NaCl von keinem Ein- flüsse auf die Assimilationstätigkeit, wohl aber auf die anatomische Struktur der Blätter. Besonders Lesage (8) hat sich mit eingehenden Studien in dieser Richtung befaßt. Es scheint, als ob der succulente Charakter vieler Halophyten in einem Zusammenhange mit der Schwächung der Assimilation durch vermehrten Salzgehalt stände. Vielleicht kommt auch für eine Reihe von Halophyten der Verwendung organischer Säuren, die sie in ihrem Stoffwechsel bilden, als CO2- Quelle eine Bedeutung zu. Daß der xerophile Habitus der Halophyten als Transpirationsschutz und Schutz gegen über- mäßige Salzzufuhr aus dem Boden aufzufassen sei, hat Schimper (9) in besonderer Rücksicht auf die indomalayische Strandflora dargelegt. Die Stomata der Halophyten sind nach Stahl (10) häufig nicht zum SchHeßen befähigt, sondern stehen dauernd offen. Allerdings sind von Rosenberg (11) eine Reihe von Salzpflanzen namhaft gemacht worden, welche keineswegs der Befähigung des Spaltenschlusses entbehren. 1) G. Klebs, Biol. Zentr., 7, 166 (1887). Kny, Ber. Botan. Ges.. 13, 396 (1897). — 2) C. Treboux, Flora (1903), p. 49. — 3) B. Jacobi, Ebenda (1899), p. 323. — 4) E. Pantanelli, Jahrb. wiss. Botan., 59, 199 (1903). — 6) E. A. Newell-Arber, Ann. of Botan., 15, 39 u. 669 (1901). — 6) A, IUchteb, Flora (1892), p. 4. — 7) F. Oltmanns, Sitz.ber. Berlin. Ak. (1891), p. 193). — 8) P. Lesage, Compt. rend , 109, 204 (1889); 112, 113, 337, 672, 891 (1891); Rev. g6n. Botan, 2, 55 (1890). — 9) A. F. W. Schimper, Monataber. Berlin. Akad. (1890), p. 1045. Die indomalayische Strandflora (Jena 1891); Pflanzengeographie (1898). — 10) Stahl, Botan. Ztg. (1894), p. 136. — 11) Rosenberg, Svensk. Vet. Akad. Öfv. (1897), p. 531. Czapek, Biochemie der Pfloncen. I. s. Aufl. 35 546 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u . Z uckersynthese im Chlorophyllkom. G. Einfluß der Ansammlung von Assimilationsprodukten oder von künstlicher Zuckerdarreichung. Man darf nach der Analogie anderer chemischer Prozesse auch von der Kohlensäureassimilation vor- aussetzen, daß sie mit der Anhäufung ihrer Reaktionsprodukte yer- laLgsamt wird und vielleicht ganz zum Stillstande gebracht werden kann. Eine solche Hemmung ist namentlich für abgetrennte Blätter, wo die Ableitung der Assimilationsprodukte sistiert ist, mehrfach sichergestellt worden. Schon Boüssingault(I) fand bei abgeschnittenen Blättern an- fänglich energische COj-Zerlegung im Sonnenlicht und sodann allmähliche Abnahme des Prozesses. In einer Reihe von Untersuchungen gelang es später Saposchnikoff (2) festzustellen, daß bei abgetrennten Blättern von Vitis und anderen Pflanzen die Stärkespeicherung nur bis zu einem gewissen Grenzwerte geht und dann die COj-Zerlegung überhaupt auf- hört. In GOj-reicher Luft kann ein Blatt von Vitis Labrusca bis zu 35% seiner Trockensubstanz an Assimilationsprodukten anhäufen, ehe die Kohlensäurezerlegung sistiert Dabei ist zu berücksichtigen, daß, wie die Arbeiten von Brown und Escombe(3) erwiesen haben, bei ab- getrennten Blättern die Spaltöffnungen weiter offen sind, worauf man vielleicht den bemerkenswerten Umstand zurückführen kann, daß solche Blätter etwa um 45% COg mehr zerlegen als normale Blätter. H. Einfluß von Wasserströmungen. Ein solcher wurde bei Wasserpflanzen bezüglich deren Assimilationsgröße durch Darwin und Pertz(4) gefunden. Elodea, Hottonia und Potamogeton schieden in be- wegtem Wasser deuthch mehr Sauerstoff aus, als in ruhendem Wasser unter sonst gleichen Verhältnissen. Daß hierbei die vermehrte Diffusion der Kohlen- säure eine Rolle spielt, ist wohl außer Frage. Doch sind die übrigen Faktoren, welche die Assimilationsförderung bedingen, wenn das umgebende Wasser in Bewegung verbleibt, noch näher zu bestimmen. I. Einfluß von elektrischen Strömen. Zuerst hat Pollacci (5) einen fördernden Einfluß von elektrischen Strömen auf die Chlorophyll- funktion behauptet, und zwar v^nirde diese Wirkung bei Gleichstrom stärker beobachtet als bei Anwendung von Wechselstrom. Diese Versuche wurden an den Blättern von Landpflanzen vorgenommen und der assimilatorische Effekt durch den Vergleich der im elektrisierten und nicht elektrisierten Zustande gebildeten Stärkemengen gemessen. Überschritt die Stromstärke ein gewisses Maß, so verwandelte sich der fördernde Effekt in eine Hemmung der Assimilationstätigkeit. Sehr auffallend ist die Angabe von Pollacci, daß auch verdunkelte Pflanzen bei der Einvräkung elektrischer Ströme geeigneter Stromstärke mit Stärkebildung in den Blättern reagieren. Es ist fraghch, ob Pollaccis Vermutung, daß die elektrische Energie in diesen Fällen die Lichtenergie ersetzt hätte, die richtige ist. Vielleicht fanden Verbrauchshemmungen, oder hydrolytische Zuckerabspaltungen aus anderen Substanzen unter dem Einflüsse der Elektrisierung statt, welche zur reich- hcheren Ablagerung von Stärke führten. Teilweise gleichzeitig mit Pol- lacci stellte Thouvenin(6) Versuche über die Beeinflussung der Assi- 1) BoussiNGAULT, Agronomie, 4, 303 (1868). — 2) Saposchnikoff, Ber. Botan. Ges. (1890), p. 238; (1891), p. 298; (1893), p. 391; Botan. Zentr., 63, 246 (1895). ~ 3) H. T. Brown u. Escombe, Proceed. Roy. Soc., 70', B, 29 (1905>. D. Thoday, Ebenda, 82, 421 (1910). — 4) Fr. Darwin u. Pbrtz, Proc. Cambridge Phil. Soc. 9 (1896). — 5) G. Pollacci, Rend. Istit. Lombard. Sei. (2), 38 (1905); Atti Ist. Bot. Pavia (2), 13 (1907); Bull. Soc. Bot. Ital. (1905), p. 94; Ebenda (1908). — 6) Thouvenin, R«v. g6n. Bot., 8 (1896). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Eohlen&aureassimilation. 547 milation von Elodea durch elektrische Ströme an. Er kam gleichfalls zu dem Ergebnis, daß innerhalb gewisser Grenzen der Stromstärke, eine Vermehrung der Kohlensäurezerlegung bedingt wird. Tote und chloro- formierte Pflanzen zeigten diese Vermehrung der Gasblasenausscheidung durch den elektrischen Strom nicht. Interessant ist die Beobachtung, die auch von Koltonski (1) bestätigt worden ist, daß die fördernde Strom- wirkung bedeutender ist, wenn man die Pflanze von der Basis zur Spitze durchströmt, als dann, wenn man die Stromrichtung von der Spitze zur Basis der Pflanze orientiert. Eine Erklärung dieses Verhaltens ist auch durch die letztgenannte Arbeit nicht gehefert worden, wie überhaupt dieses interessante Thema noch einer umfassenden Behandlung bedarf. K. Einfluß des Lebensalters. Daß ganz jugendliche Blätter noch nicht in dem Maße Kohlensäure zerlegen, wie erwachsene Laub- blätter, fiel bereits Ingen-Housz auf und wurde in späterer Zeit wieder- holt festgestellt. Corenwinder sowie Boussingault fanden den Gas- wechsel jugendlicher Blätter bei der Assimilation weniger intensiv (2) und dasselbe ergab sich in Versuchen von Kreusler(3). Mittels der Anwendung der Bacterienmethode konnte sich Ewart(4) überzeugen, daß die COg-Zerlegung bei ganz jugendlichen Blättern wohl bald be- ginnt, doch muß ein gewisser Vorrat von Chlorophyll und eine gute Ausbildung der Chloroplastenstromata bereits vorhanden sein, ehe die Assimilation einsetzt. Blätter mittleren Alters assimilieren am kräftigsten. Nach CuB0Ni(5) verhält sich die Stärkebildung in Vitiszweigen, von den jüngsten Blättern nach abwärts aufeinanderfolgend, wie 4:5:6:8:9:10: 8:5:2:0. Combes(6) wies nach, daß das Beleuchtungsoptimum für die verschiedenen Entwicklungsstadien der Blätter verschieden ist. Blätter, die in herbstlicher Verfärbung begriffen sind, assimilieren nach den Untersuchungen von Kreusler und Ewart so lange, als sie noch nicht degenerierte Chlorophyllkörner haben. Nach Kreusler soll sich bei alten Blättern der Abfall in der assimilatorischen Leistungs- fähigkeit, besonders bei höheren Temperaturen, verraten. Friedel(7) fand bei Spinatblättern Mitte Oktober die Assimilation nur etwa 7io mal so intensiv wie Mitte Juni und Pelargonium zonale schied im November im Sonnenlicht nur etwa soviel Sauerstoff aus, daß eben der entgegen- gesetzte Atmungsgaswechsel kompensiert wurde. Ähnliche Verhältnisse herrschen auch bei reifenden Früchten. Daß Früchte, so lange sie grün sind, Kohlensäure wie die Laubblätter zersetzen, zeigte bereits Saus- sure (8), der auch die irrige Ansicht von Berard widerlegte, wonach die COj-Assimilation den fleischigen Früchten fehle. L. Einfluß von Narkoticis und anderer chemischer Sub- stanzen. Daß die Assimilation von Wasserpflanzen durch Chloroform gehemmt wird, hat zuerst Claude Bernard (9) angegeben und viele 1) A. Koltonski, Beihefte bot. Zentr., aj, I, 204 (1908). — 2) Coren- winder, M^m. Soc. Lille (1867), p. 22; Ann. de Chini. et Phys. (5), 14, 118 (1878). BoüSSiNQAÜLT, Agronomie, 5, 18 (1874). — 3) Kreusler, Landw. Jahrb., 14, 913 (1885). — 4) Ewart, Journ. Linn. Soc., j/. 4.ö2 (1896). — 5) Cüboni, Botan. Zentr., 22, 47 (1885). E. Griffon, Compt. rend. (25. April 1905). — 6) R. Combes, Ann. Sei. Nat. (9), //, 75 (1910). — 7) J. Friedel, Compt. rend., 133, 840 (1902). Über die Zusammensetzung und den N-Gehalt herb.stlicher Blätter: R O. Kooper, Jahrb. f. Landw., jp, 167 (1910). — 8) Saüsbure, Ann. de Chim. et Phys. (2), 19, 143 (1821). — 9) Claude Bernard, Lefons sur les phönom. de la vie (1878), p. 278. 35* 548 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthe se im Chlorophyllko rn spätere Untersuchungen (1) haben diese Resultate bestätigt. Für die Blätter von Landpflanzen haben die Versuche von Bellucci dasselbe gelehrt (2). Vielleicht mag bei manchen Wasserpflanzen die Wirkung nicht so rasch eintreten wie in anderen Fällen, wie man aus den Er- fahrungen von Frank Schwarz (3) schließen darf, ohne jedoch mit diesem Autor die Richtigkeit der von Claude Bernard beobachteten Hemmung in Zweifel zu ziehen. Sehr widerstandsfähige Objekte muß auch Kny (4) vor sich gehabt haben, der bei Spirogyra crassa noch nach östündiger Einwirkung von Chloroformwasser (1 Teil gesättigte Chloroformlösung auf das 5 fache verdünnt) Sauerstoffausscheidung nach- weisen konnte. Am vollständigsten sind die experimentellen Er- fahrungen von A. Irving, die sicher zeigen, daß schon sehr geringe Chloroformdosen bei Elodea die Sauerstoffausscheidung soweit hemmen, daß sich der Gaswechsel im Lichte von dem Atmungsgaswechsel nicht mehr unterscheidet (5). Diese Hemmung ist, sobald die Chloroform- konzentration nicht zu groß war, wieder rückgängig zu machen. Von einer Stimulierung der Assimilationstätigkeit durch sehr kleine Dosen von Narkoticis berichten die älteren Arbeiten nichts und Treboux fand gleichfalls, daß die Äthernarkose nur Hemmungen erzeugt. Hingegen gab Kegel (6) an, daß bei Elodea bei Applizierung von 0,7 bis 0,4% Chloroform eine Beschleunigung der Gasblasenausscheidung zeige. Dieses Ergebnis ist jedoch in den letzten Untersuchungen von Irving nicht bestätigt worden. Bezüglich der Transpiration hat übrigens Jumel^le (7) eine Steigerung durch Ätherdampf im Licht behauptet, was einer Nach- untersuchung bedarf, da Schneider (8) diese Angabe nicht bestätigen konnte. Assimilationshemmung durch andere Gifte ist vielfach sichergestellt. Als schädUche Stoffe fand Jacobi (9) Chinin, Antipyrin, Jod, Schilddrüse. Nach Pantanelli scheint das Chinin sowohl das Chloroplastenstroma als den Chlorophyllfarbstoff schädhch zu beeinflussen. Boussingault berichtete über Herabsetzung der Assimilation durch Terpentindämpfe (10). Queck- silberdampf vernichtet die Assimilation schnell. Schwefeldampf kann als Gegenmittel gegen diese Vergiftung betrachtet werden. Stimulation der Assimilationstätigkeit wurde von Treboux weder durch Metallsalze, CuSO^ ZnS04 in sehr kleinen Dosen beobachtet, noch auch nach der Darreichung von Alkaloiden. Die Giftwirkung bestand immer nur in einer quantitativen Herabsetzung der Funktion. Bemerkenswert ist aber die beschleunigende Wirkung sehr verdünnter Säuren auf die C02-Assimilation, welche in den früheren Untersuchungen von Wieler und Hartleb (11) und von Ewart übersehen worden war und erst durch Treboux sichergestellt worden ist. Die untersuchten Säuren, inorganische und organische, übten diese Wirkung in einer Konzentration von i Mol auf 10000 Litern aus. Höhere Konzen- trationen sind natürlich hemmend. Nach Detmers Angaben hemmen Alkahen gleichfalls. Dies ist nicht ohne besonderes Interesse, nachdem die 1) BoNNiER u. Mangin, Ann. Sei. Nat. (7), j, 14 (1886). Detmer, Landw. Jahrb., //, 228. Ewart, Journ. Linn. Soc, j/, 408 (1896). Treboux, Flora (1903), p. 49. — 2) Bellucci, Just Jahresber. (1887), /, 149. — 3) Fr. Schwarz, Unter- such, a. d. botan. Inst. Tübingen, /, 102 (1881). — 4) L. Kny, Her. Botan. Ges., 15, 401 (1897). — 5) A. Irving, Ann. of Bot , 25, 1077 (1911). — 6) W. Kegel, Diss. (Göttingen 1905). — 7) Jumelle, Compt. rend., ///, 461 (1890). — 8) A. Schneider, Just Jahresber. (1892), /, 86. — 9) Jacobi, Flora (1899), p. 323. — 10) Boussingault, Agronomie, 4, 336 (1868). — 11) Wieler u. Hartleb, Ber. Botan. Ges. (1900), p. 348. § 4. Die Chloroplasten als ABsimilationBorgane. 549 Erfahrungen von Molisch (1) über die Fällung von Eisen- und Mangan- salzlösungen durch Wasserpflanzen im Lichte unter Ausscheidung von Metallhydroxyd dafür sprechen, daß alkalische Produkte im Assimilations- vorgang gebildet werden. Vielleicht beruht die günstige Wirkung verdünnter Säuren vornehmhch auf der Neutrahsation dieser Stoff Wechselprodukte. Schwache Formaldehydlösung, 0,001%, war in Versuchen von Treboux für Elodea zwar nicht schädlich, doch konnte bei Anwendung dieser Lösung weder im Dunkeln noch im Sonnenhcht Stärkebildung erreicht werden, so daß man auf diesem Wege die bekannte Theorie, wonach Formaldehyd ein Reduktionsprodukt der COg im Assimilationsprozeß sei, nicht stützen konnte. Hingegen beobachtete Gräfe (2), daß gasförmiger Formaldehyd im Licht das Gedeihen von Pflanzen merklich förderte, was bei Dunkelpflanzen nicht der Fall war. Geringe Mengen von äpfelsauren, Oxalsäuren und wein- sauren Salzen sollen nach Puriewitsch (3) die Assimilationstätigkeit von Wasserpflanzen durch COg-Abspaltung begünstigen. Doch konnte Treboux bei Elodea durch 0,2% KaHumtartrat solche Effekte nicht erzielen. Als Gift für die Assimilation führt sodann Weyl (4) 1% Phenol an. 0,25% Phenol hebt aber die Assimilation noch nicht auf. Hemmung erzielt man sodann durch kalt gesättigte Sahcylsäure, Strychnin und NagCOs 0,25%. Marcacci (5) berichtete über die Hemmung der Chlorophyllbildung bei Lemna durch Chinin, Morphin und Strychninsalze. Praktisches Interesse besitzt die Wirkung der Kupfervitriol- Kalk- brühe auf die Pflanzenblätter, die sich in einem verstärkten Wachstum der Blätter und in einer dunkler grünen Färbung kundgibt (6). Daß sich hier- durch indirekt eine Vermehrung der assimilatorischen Leistung ergeben kann, ist wohl möghch. Eine direkte Vermehrung der Assinülationsenergie bei gekupferten Pflanzen stellt Kirchner (7) in Abrede und will den Mehr- ertrag bei gekupferten Kartoffelpflanzen durch eine Verlängerung der Lebensdauer verständhch machen. Die Versuche mit Radiumbestrahlung von assimiherenden Pflanzen haben bisher keine entschiedenen Ergebnisse nach der einen oder der anderen Richtung zur Folge gehabt (8). Die Chloroplasten als Assimilationsorgane. Senebier zeigte zuerst, daß nicht die Epidermis Sitz der grünen Farbe der Blätter ist, sondern das innere Blattgewebe; er wußte auch, daß dieses Gewebe nur dann grün ist, wenn sich das Blatt am Lichte ausgebildet hat. Seither nannte man die Ursache der Grünfärbung „grüne Materie". Candolle bezeichnete sie als „V^iridine", Desvaux als „Chloronit'. Das Mikroskop zeigte bereits den älteren Forschern eine körnige Verteilung des Farbstoffes in den Zellen und man sprach infolgedessen von „grünem Farbmehl", chromule verte, und hielt zunächst 1) H. Molisch, Sitz.ber. Wien, Ak., 119, I (1910). Frühere Angaben bei Klebs und Hassak, Untersuch, a. d. Bot. Inst. Tübingen II (1887). — 2) V. Gräfe, Ber. Botan. Ges., 27, 431 (1909); 2q, 19 (1911); Biochem. Ztsch., ja, 114 (1911). — 3) Puriewitsch, Botan. Zentr., 5S, 368 (1894). — 4) Th. Weyl, Sitz.ber. Phys. med. Sog. (Erlangen 1881). — 5) A. Marcacci, Just Jahresber. (1895). /, 310. — 6) RuMM, Ber. Botan. Ges., //, 79 (1693). Frank u. Krüger, Ebenda, 12, 8 (1894). Berlese u. Sostegni, Just Jahresber. (1895), /, 292. Tschirch, Ebenda, p. 294. Bain, Naturwiss. Rdsch. (1903), p. 23. Griffon, Ann. Sei. Nat. (8), 10, 1 (1899). — 7) O. Kirchner, Ztsch. Pflanzenkrankh., iS, 66 (1908). — 8) A. Hebert u. Kling, Compt. rend., 149, 230 (1909). 550 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. diese Körnchen für eine Farbstoffablagerung in Form eines körnigen Niederschlages. Meyen(I) wußte aber bereits, daß diese „gefärbten Zellensaftkügelchen" eine ungefärbte Masse zur Grundlage haben und letztere vom Farbstoffe nur durchdrungen ist. Nach Behandlung mit Alkohol oder Äther bleiben die ungefärbten Kügelchen, die man später als Stromata der Chloroplasten bezeichnete, ohne Formänderung zurück. Meyen fand die Stromata in kaltem wie in kochendem Wasser unlöslich, er ließ ihre chemische Natur im übrigen in suspenso. Die Genesis der vom Stroma eingeschlossenen Stärkekörner verstand Meyen noch nicht. Mulder (2) nahm an, daß die Chlorophyllkörner immer aus Amylum hervorgehen, indem sie sich in das mit dem grünen Farbstoff verbundene Wachs verwandeln. Die richtigen Ansichten auf diesem Gebiete be- gründete erst MoHL. Eine im ganzen nicht unzutreffende Anschauungs- weise über die Struktur der Chloroplasten sehen wir aber auch bereits durch Treviranus (3) 1814 vertreten, welche die Chlorophyllkörner als Eiweißkügelchen erklärt, denen die grüne Materie beigemischt ist. Die Rolle der Stärkeeinschlüsse als Assimilationsprodukte der Chloro- plasten hat, auf den Feststellungen von Mohl, Gris und Nägeli fußend, bekanntlich Sachs in klarer erschöpfender Weise dargestellt. Auch wurde durch J. Sachs (4) die Entwicklung der Chloroplasten bei der Keimung und die Ausbildung des grünen Farbstoffes in ihnen richtig beobachtet In der Darstellung von Hofmeister (5) aus dem Jahre 1867 vermissen wir überhaupt wenig der bis heute bekannten Tatsachen be- züglich des Baues der Chloroplasten. In der Folge spielte die Auf- fassung der Chloroplasten als lakunär gebaute Gebilde, welche aus einem, schwammförmig porösen Gerüst von farbloser Beschaffenheit und grünen ölartigen Grana diesem Gerüst eingelagert, bestehen, eine große Rolle. Diese besonders von A. Meyer (6) ausgebaute Auffassung stützt sich besonders auf das öfters deutlich granulierte Aussehen der Chloroplasten von Orchideen (Scheinknollen von Acanthephippium silhetense), dürfte aber für viele andere Fälle kaum durch Tatsachen hinreichend belegt werden. Bei der Chloroplastenuntersuchung hat man zu beachten, daß auch in unverletzten Zellen der Schnitte sich nicht selten rasch eintretende Zerstörungen der Chloroplastenstruktur einstellen. Sicher intakte Chloro- plasten zeigen hingegen körnige Strukturen nach den Beobachtungen von E. LiEBALDT(7) im Wesigen Institut nur dann, wenn sie zahlreiche kleine Stärkeeinschlüsse oder Öltröpfchen als Assimilationsreserven führen. Der grüne fettartige Anteil aber ist in kolloidaler Lösung in den voraus- sichtlich eiweißartigen Hydrokolloiden, die man als „Stromata" bezeichnete, verteilt. Erst dann, wenn sich Quellungsprozesse einstellen, findet eine Sonderung der Lipokolloide in Form von Tröpfchen statt, die dann zu größeren Tropfen zusammenfließen. Die Konsistenz der Chloroplasten dürfte aber nach den Untersuchungen von Küster und E. Liebaldt bedeutende Verschiedenheiten darbieten, und es scheinen manche Chromato- 1 ) Meyen, System d. Pflanzenphysiol., /, 201 (1837). — 2) Mulder, Physiol. Chem. (1844), p. 294. — 3) Treviranus, Biologie, IV, 95 (1814). — 4) J. Sachs, Botan. Ztg. (1862), p. 365; (1864), p. 289. — 5) Hofmeister, Pfianzenzelle (1867), p. 362. — 6) A. Meyer, Das Chlorophyllkorn (1883); Botan. Ztg. (1883), p. 489. Tschirch, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884), p. 12. Schmitz, Jahrb. wies. Botan., 15 (1884). SCHIMPER, Ebenda, 16 (1885). Pringsheim, Ebenda, 12, 288(1881). Chmielewsky, Botan. Zentr., j/, 57 (1887). Stokes, Bull. Torr. Botan. Cl., 21, 396 (1894). Chodät, Beihefte bot. Zentr., /, 417 (1891). — 7) E. Liebaldt, Ztsch. Botan., 5, 65 (1913). Vgl. auch Rothebt, Bull. Acad. Cracov. (März 1911). § 4. Die Ghloroplasten als Assimilationsorgane. 551 phoren, wie jene der Orchideen und Florideen, praktisch mehr als flüssige Inhaltskörper der Zelle als wie als feste Gebilde gelten zu können (1). Die Meinung von Priestley und Irving (2), wonach das Chloroplastenpigment nur in den äußeren Anteilen der Ghloroplasten lokalisiert ist, wurde wahrscheinlich durch bläschenartige Quellungszustände, die man häufig sieht, erzeugt. Auch Billings(3), der für Tillandsia usneoides sehr kleine bacterienförmige Ghloroplasten angab, hat sich durch Quellungs- zerfallserscheinungen täuschen lassen. Die intakten Ghloroplasten von Tillandsia weichen nicht von den sonstigen Befunden ab. Von einem Grenzhäutchen ist in der Regel bei Ghloroplasten nicht viel zu sehen. Am deutlichsten tritt eine Grenzschicht nach Haberlandt (4) bei den Ghlorophyllkörnern von Selaginella hervor. Auf die sonstigen Fragen bezüglich der Struktur und Bildung der Ghloroplasten einzugehen, hegt hier kein Grund vor, da sich Beziehungen zur chemischen Leistung daraus bisher noch nicht ergeben haben. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß die Ghloroplasten in den meisten Fällen hnsenförmig abgeplattete rundhche Formen darstellen, deren Flanken keinen Unterschied aufweisen. Nur für Ghromatophoren von Bryopsis wird eine Differenzierung von Innen- und Außenseite angegeben (5). Die feineren Details der Amylumbildung in den Ghloroplasten wäre noch eingehender Untersuchung bedürftig, da Unterschiede in der Lokahsation vorkommen und speziell bei Algen schalenförmige Entstehung an der Außenseite be- obachtet ist (6), was anderwärts nicht vorkommt. Der wenig geklärte phototaktische Bewegungsmechanismus wird wohl durch experimental- physiologische Untersuchungen, besonders in Hinbhck auf die Quellungs- wirkungen von Salzen noch besser zu zerghedern sein (7). Die Vermehrung des Ghlorophyllgehaltes während der normalen Aus- bildung von Blättern geht, soweit bekannt, stets mit Vermehrung der Ghloro- plastenzahl Hand in Hand. So ist es bei immergrünen Blättern im Laufe ihrer fortgesetzten Entwicklung (8), wo sich diese Zunahme am stärksten im März, von da abnehmend bis zum Mai äußert. Die Entstehungsgeschichte der Ghloroplasten, welche durch die ScHiMPERSche Lehre, daß sich die Ghloro- phyllkörner so wie der Zellkern stets durch Teilung vermehj en (9), bis in die neueste Zeit einen anscheinend festen Punkt erreicht zu haben schien, ist durch die Entdeckung der in fast allen Pflanzenzellen nachgewiesenen Ghondriosomen und Ghondriomiten(IO) in ein gewisses Schwanken geraten. 1) E. KÜSTER, Ber. Botan. Ges., 2g, 362 (1911). — 2) J. H. Priestley u. A. Irving, Ann. of Bot., 21, 408 (1907). — 3) F. H. Billings, Botan. Gaz., 38, 99 (1904). — 4) G. Haberlandt, Ber. Botan. Ges., 23, 441 (1905). — B) A. Fa- MINCYN, Ebenda, 30, 431 (1912). — 6) Cryptomonaden : Dangeard, Bull. Soc. Bot., j5, 449(1911). Florideen :Kylin, Ztsch. physiol. Chem., 83, 174 (1913). —7) Chloro- plastenbewegung: G. Senn, Die Gestalts- u. Lageveränderung d. Pflanzenchromato- phoren (Leipzig 1908); Verh. Schweiz. Naturf. Ges. Winterthur (1904), p. 244; Verh. Naturf. Ges. (1906), 2, I, 278. E. KtJSTER, Ber. Botan. Ges., 23, 254 (1905); Ebenda, 24, 255 (1906). Linsbauer, Verh. Naturf. Ges. (1908), 2, I, 193; Wien. Akad., 118, L 137 (1909). Knoll, Ebenda, //;, L 1227 (1909). E. Stahl, Zur Biologie d. Chlorophylls (Jena 1909). Temperaturwirkung: BoRODlN, Botan. Ztg., 67, II, 274 (1909). Kinoplasmat. Verbindungen: Lidforss, Lunds Univ. Arsskrift, N. F., II, 4, Nr. 1 (1908). — 8) VoüK, Sitz.ber. Wien. Ak., 117, I, 1337 (1908). C. Stein, Österr. bot. Ztsch., 5g, 231 (1909). — 9) Schimper, Botan. Ztg. (1883), p. 105. — 10) Literatur: Güilliermond, Ctompt. rend., 153, 290, 1492 (1911); 154, 286, 888 (1912); Soc. Biol., 72, 86. 276, 459; 73, 7, 110 (1912). Pensa, Anatom. Anzeig., 37, 325 (1910); jp, 520 (1911); Arch. f. Zellforsch., 8, 612 (1912). G. Le- wiTSKY, Ber. Botan. Ges., 28, 538 (1910); 2g, 685, 697 (1911). E. W. Schmidt, Progress. rei botan., 4, 163 (1912); Ztsch. f. Botan., 4, 707 (1912). 552 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. Wenn man mit Guilliermond, Lewitsky und anderen Forschern an- nimmt, daß sich alle Chromatophoren aus den kleinen gestreckten bis fadenförmigen Chondriosomen herausbilden, so bleibt es, wie Rudolph mit Recht hervorgehoben hat(l), noch unerklärt, wieso es kommt, daß in der entwickelten Zelle normale teilungsfähige Chloroplasten mit t}'pischen Chondriosomen, aus denen nun gewiß keine Chloroplasten mehr entstehen, zusammen vorkommen. Die Lösung dieser Frage wird wohl auch die noch näherer Untersuchung bedürftige Angelegenheit des Dimorphismus der Chloroplasten (2) fördern. Das Zusammenscharen der Chloroplasten in geschädigten Zellen hat E. LiEBALDT näher studiert. Es handelt sich bei dieser als Aggluti- nation zu bezeichnenden Erscheinung offenbar um Quellungserscheinungen unter Klebrigwerden der äußeren Schichten. Darwins Beobachtungen über die Wirkung sehr verdünnten Amraoniumcarbonates auf die Chloro- plasten von Dionaea gehören wohl ebenfalls hierher (3). Kontraktion der Chloroplasten von Spirogyra rief de Vries durch Plasmolyse hervor (4). Pathologische Veränderungen von Chloroplasten sind früher oftmals fälschlich als Teilungsbilder gedeutet worden (5). Die Frage, ob die Chloroplasten für sich allein die Träger der Kohlensäurezerlegung in der Zelle darstellen, ist besonders durch die schönen Versuche Engelmanns einer Lösung zugeführt worden. Die Bacterienmethode erlaubt mit Bestimmtheit festzustellen, daß in der Spirogyrazelle das Chlorophyllband das einzige Organ ist, welches im Lichte Sauerstoff ausscheidet, weil sich die Bacterien nur an jenen Stellen der Zellperipherie ansammeln, welchen das Chlorophyllband direkt anliegt. Auch hat Engelmann (6) zuerst angegeben, daß einzelne völlig isolierte Chloroplasten unter geeigneten Bedingungen noch einige Zeit fortfahren können im Lichte Sauerstoff auszuscheiden. Diese Beobach- tungen wurden sowohl von Haberlandt als auch von Ewart be- stätigt (7). Demgegenüber hat Kny (8) die Vermutung ausgesprochen, daß auch in den Versuchen mit isolierten Chloroplasten die Mitwirkung des diesen anhaftenden Cytoplasmas mit in Betracht komme. Jedenfalls ist es aber sicher, daß das intakte Cytoplasma zur Assimilation der Chloroplasten nicht nötig ist. Die früher diskutierte Frage, welche Rolle Farbstoff und Stroma der Chloroplasten beim Assimilationsprozeß spielen und ob einer dieser Anteile entbehrlich sei, muß jetzt wohl durch andere Fragestellungen ersetzt werden. Es ist wohl sicher, daß sowohl die kolloidal gelösten Chloroplastenpigmente (und etwa vorhandene nicht farbstoffartige Lipo- koUoide) als auch die als Stroma bezeichneten eiweißartigen Hydro- kolloide der Chloroplasten unentbehrlich sind, weil pur ihr ungestörtes Gefüge das funktionstüchtige Chlorophyllkorn ausmachen kann. Die Tatsache, daß albinotische, nicht grüne Chromatophoren unwirksam sind, würde an sich wenig beweisen, da hier überhaupt abnorme Verhältnisse 1) K. Rudolph, Ber. Botan. Ges., jo. 605 (1912). Vgl. auch A. Meyer, Ebenda, zg, 158 (1911). — 2) Hierzu: J. d'Arbaumont, Ann. Sei. Nat. (9), 14, 197 (1909). Mattei, Malpighia, 23, 380 (1909). Geremicca, Bull. Soc. bot. ital. (1912), p. 98. GiovAiJXOZzi, Nuov. Giern. Bot. Jtal., /p, 39 (1912). — 3) Ch. Darwin, Journ. Linn. Soc, /p, 262 (1882). — 4) de Vries, Ber. Botan. Ges., 7, 19 (1889). — 6) Vgl. KtJSTER, Ztsch. allgera. PhysioL, 4> 240 (1904). — 6) Th. Engelmann, Botan. Ztg. (1881), p. 446. — 7) Haberlandt, Lage des Zellkerns (1887), p. 118. Ewart, Journ. Linn. Soc., j/, Nr. 217 (1896). — 8) Kny, Ber. Botan. Ges.. 75, 388 (1897); Botan. Zentr., 73 (1898) § 4. Die Chloroplasten als Assimilationsorgane. 553 vorliegen. Die von Eijgelmann (1 ) angegebenen Fälle, in denen an- scheinend ganz chlorophyllfreie gelbe Chromatophoren Sauörstoffaus- scheidung im Lichte zeigten, sind nicht vom Verdachte frei, daß auch hier assimilatorisch tätige fluorescierende Pigmente vorhanden waren. Wenn Tammes, Josopait und Kohl (2) angaben, daß etiolierte Chloro- plasten assimilatorisch wirksam waren, so ist zu bemerken, daß sich sofort bei Beginn der Belichtung Chlorophyllbildung einstellt; so daß nach wenigen Augenblicken der Assimilationsvorgang einsetzen kann. Von Interesse wäre es, wirklich inaktive und dabei chlorophyll- führende Chloroplasten genauer kennen zu lernen, die nach Friedel(3) bei Ornithogalum arabicum im Fruchtknoten tatsächlich vorkommen sollen. Auch könnte die vergleichende Prüfung der Assimilationsstätigkeit bei den Chromatophoren in reifenden Früchten, während der zunehmenden Verarmung an Chlorophyll und Anreicherung an Carotin in dieser Richtung vielleicht etwas lehren (4). Chlorophyllarme und an Lipo- chromen reiche Chromatophoren sind nach Rothert übrigens auch in Laubblättern sehr verbreitet und man kann an ihnen feststellen, daß die gelben und orangefarbenen Pigmente hier deutlich als Grana in die Chromatophorensubstanz eingeschlossen sind (5). Voraussichtlich werden sich hier überall Unterschiede in der Chloroplastenaktivität mit dem Chlorophyllgehalt ergeben und es besteht die begründete Vermutung, daß eine Verarmung des Assimilationsgewebes an Stickstoff, vielleicht auch an Magnesium, diese Verfärbungen und Inaktivierung hervorzurufen pflegt. So kann man nach Stahl (8) bei Laubblättern das herbstliche Vergilben hemmen, wenn die Ableitung der Stoffe durch Durchschneiden der Leitungsbahnen verhindert wird und nach den Untersuchungen von Todler an reifenden F'rüchten wird dort wesentlich derselbe Vorgang mitspielen. Auch bei den Winterfärbungen, wie sie an Coniferen häufig vorkommen und in bezug auf die auftretenden Lipochrome durchTswETT(7) untersucht sind, mag eine Verarmung der Blätter an Stickstoff während der winterlichen Vegetationsruhe beteiligt sein. Zu bemerken ist aber, daß auch der entgegengesetzte Fall realisiert sein kann, wo chlorophyll- arme Gewebe stickstoffreicher sind als chlorophyllhaltige Nachbargewebe. So soll es nach Molliard(8) bei panaschierten Blättern und bei Gallen sein, wo man mit dem genannten Forscher wohl einen Vergleich mit heterotroph ernährten Pflanzen ziehen kann und anderweitige Ursachen der Hemmung der Chlorophyllbildung, wie reichliche Zuckergegenwart, vermuten darf. Wiederholt, zuerst von Regnard (9), später wieder von Usher und Priestley(IO), ist behauptet worden, daß dem von den Chloro- plasten abgetrennten Pigment noch immer die Eigenschaft der Kolüen- säurezerlegung zukommen soll. Diese Angaben sind aber stets wieder 1) Engelmann, Botan. Ztg. (1887). p. 418. — 2) Tammes, Flora (1900), p. 205. A. JoßOPAiT, Diss. (Basel 1900). Kohl, Untersuch, üb. d. Karotin (1902), p. 136; Ber. Botan. Ges. (1906), p. 228. — 3) J. Friedel, Conipt. rend., 142, 1092 (1906). — 4) Vgl. Tobler, Ber. Botan. Ges., 28, 496 (1910). — 5) Rothert, Bull. Ac. Cracovie (März 1911). Molisch, Ber. Botan. Ges. (1902), p. 442. — 6) E. Stahl, Ber. Botan. Ges., 25, 530 (1907). Biologie d. Chlorophylls (Jena 1909). Auch Tswett, Ber. Botan. Ges., 26a, 88 u. 94 (1908). — 7) Tswett, Corapt. rend., 152, 788 (1911). - 8) MoLLiARi), Compt. rend., 152, 274 (1911): Bull. Soc. Bot., 59. 341 (1912). — 9) Regnard, Comp. rend. 102, 264 (1886); loi, 1293 (1885). — 10) Ushjsr u. Priestley, Proceed. Roy. See, 78, B, 318 (1906). 554 Zwanzigstes Kapitel : Kohlens&ureverarbeit n. Zuckersynthese im Ghlorophyllkorn. in den Nachunters jchungen unbestätigt geblieben (1) und wir werden noch weiter unten darzulegen haben, daß der Chlorophyllfarbstoff nicht gut die ganze chemische Leistung des Assimilationsprozesses ausführen kann, so daß man den übrigen Anteilen des Chlorophyllkorns ihre wesentliche Rolle hierbei nicht absprechen darf. Anschheßend sei noch einiger wichtiger Färbungsanomahen der Chloro- plasten, größtenteils pathologischer Natur, Erwähnung getan. Die Panaschüre oder Weißfleckigkeit von Blättern ist eine offenbar aus sehr verschiedenen Ursachen, besonders an kultivierten Pflanzen auftretende Erscheinung, die manchmal, wie Sorauer(2) feststellte, dm-ch gewisse Eingriffe erzielbar ist, oder wie die Erfahrungen an einer Kohl- varietät zeigten, die bei Warmhaustemperatur grüne, bei Kalthauskultur aber albicante Blätter hervorbringt, durch bestimmte Kulturbedingungen auslösbar ist (3). Die Färbung der hellen Flecken der Blätter ist je nach dem Gehalte an Chlorophyll bleichgrün, gelb oder bei völHger Abwesenheit der Pigmente rein weiß. Die nicht grünen Blattstellen haben geringere Dicke, ihr Palisadenparenchym ist schwächer oder gar nicht entwickelt, die Chloro- plasten sind scharf begrenzt, ungefärbt und dazu befähigt, im Dunkeln Stärke zu bilden, oder sie sind im extremen Fall in körnige Massen zerfallen (4). Die albinotischen Zellen haben reichlichen Oxydasengehalt und höhere plasmolytische Werte. Die erbhchen Formen der Panaschüre sind nach den umfassenden Untersuchungen von E. Baur (5) schöne Belege für die Erb- lichkeit von Chromatophorenmerkmalen und mithin für die selbständige Existenz der Chloroplasten innerhalb der Zelle. Schließüch ist noch eine interessante Form der Panaschüre in der infektiösen Panaschierung bekannt, welche von Lindemuth an gefleckten Abutilönformen entdeckt und von Baur (6) näher in ihren Eigentümhchkeiten studiert worden ist. Diese Form ist nicht durch Samen vererbbar, wohl aber durch Pfropfung, so daß auch in dem gesunden Anteile der Pfropfunterlage alle nunmehr sich entwickelnden Blätter weißfleckig sind. Jedoch sind nicht alle Formen von Abutilon infizierbar, sondern es kommt auch Immunität gegen die Panaschüre-In- fektion vor. Bei Evonymus japonica wurde eine analoge infektiöse Pana- schüre gefunden. Da Mikroben in den infizierten Organen bisher nicht vor- gefunden worden sind, so hat man die Ansicht aufgestellt, daß es sich um ein eigentümhches Virus handle, welches an Quantität in dem infizierten Organismus zunimmt. Die Mosaik- Krankheit von Nicotiana scheint nach den Erfahrungen von Hunger ein ähnhcher Krankheitsprozeß zu sein (7). Panaschüre ist nicht nur bei Laubblättern, sondern auch bei Früchten (Vitis) beobachtet worden (8). Die Bildung albicanter Blätter der Zuckerrübe 1) JoDiN, Corapt. rend., 102, 767 (1886). Beijrrinck, Botan. Ztg. (1890), p. 742. Pringsheim, Ber. Botan. Ges., 4, (86) (1886). Kny, Ebenda, 15, 388 (1897). — 2) SoRAUER, Forsch. Agrik.physik, ro (1887). — 3) Moltsch, Ber. Botan. Ges., ig, Z2 (1901). — 4) Anatomisches: Rodrigde. Les feuilles panach^es (Genfeve 1900). Pantanelli, Malpighia, 18, 97 (1904); 19, 44 (1905); Ztsch. f. Pflanzenkrankh., 15, I (1905). TiMPE. Diss. Göttingen; Zentr. Bakt. II, 9, 568 (1902). Zimmermann, Ber. Botan. Ges., 8, 95 (1890); Beitr. z. Morphol. u. Physiol. d. Pflanzenzelle, // (1891). G. Krünzlin, Ztsch. f. Pflanzenkrankh., 18, 193 (1908). — B) E. Bauk, Ztsch. indukt. Abstammungslehre, /, 330 (1909); 4, 81 (1910). — 6) Lindemuth, Landw. Jahrb. (1907). E. Baur, Ber. Botan. Ges., 22, 453 (1904): Sitz.ber. Berlin. Ak. (1906). p. 11; Ber. Botan. Ges., 24, 416 (1906); a6a, 711 (1908). — 7) F. W. T. Hunger, Ber. Botan. Ges., 23, 415 (1905). — 8) R. Chodat, Bull. See. Bot. Genfeve (2), / (1909). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 556 hat Fallada (1) mit Kalkarmut und verminderter Ausbildung des Zellhaut- gerüstes in Verbindung gebracht. Als Chlorose bezeichnete man das völlige Ausbleichen von Blättern, wie es typisch bei Mangel an Eisen eintritt und in seiner Ätiologie zuerst richtig durch Gris (2) erkannt worden ist. Auf Darreichung von Eisensalz tritt rasch Wiederergrünen der Pflanzen ein. Von späteren Forschern hat besonders Sachs (3) ein klares Licht auf diese Erkrankung geworfen. Die Einwände, welche Macchiati (4) gegen die ausschlaggebende Bedeutung des Eisens bei diesem Prozeß erhoben hat, sind nicht berechtigt. Zink ver- mag, wie Dementiew (5) bestätigt hat, die Chlorose nicht zu heilen, ebenso- wenig Mangan. Nach Laurent (6) zeigen die Chloroplasten chlorotischer Blätter Veränderungen, die man als fettige Degeneration bezeichnen kann. Äußerhch der Chlorose vollkommen gleichende und bis jetzt von der- selben nicht unterscheidbare Erkrankungen treten, wie man weiß, auch bei Mangel an Phosphorsäure unter Umständen ein, worüber O. LoEW (7) Mitteilung gemacht hat. Ferner reagiert nach Maze (8) Mais auf Mangel an Schwefelverbindungen in derselben Weise wie auf Eisenmangel und man kann die bleiche Farbe durch Darreichung von Sulfat binnen wenigen Tagen wieder zum Verschwinden bringen. Ausbleiben oder Schwächung der Chloro- phyllbildun^ durch Mangel an Magnesium hat Mameli (9) angegeben. Die sogenannte Chlorose der Reben endhch tritt vor allem auf sehr kalkreichem Boden auf, und ist in ihrem Zustandekommen noch nicht völhg aufgeklärt (10). Die Angabe von C. Kraus (11), daß Methylalkohol auch im Dunkeln das Ergrünen der Chloroplasten herbeiführen könne, ist bisher unbestätigt geblieben. §5- Die Pigmente der Chloroplasten. Allgemeine und historische Bemerkungen. Daß sich aus Blättern durch Ausziehen mit Alkohol oder Öl eine grüngefärbte Lösung bereiten läßt, war schon Nehemiah Grew(12) bekannt und vielleicht bereits auch früheren Autoren. Die Chemiker des 18. Jahrhunderts gaben über das „grüne Satzmehl" oder „föcule" der Pflanzen gelegentliche Untersuchungen. Roüelle(13) beschrieb 1770 eine Bereitungsweise der grünfärbenden Substanz der Gewächse; er extrahierte den Farbstoff mit Alkohol, hielt das Pigment aber für verwandt mit dem Kleber des Getreidemehles. Meyer gab an, in dem grünen harzigen Anteil der Pflanzenblätter Phosphorsäure gefunden zu haben (14), Fourcroy be- richtet (15), daß Berthollet im grünen Satzmehl Stickstoff nach- 1) O. Fallada, Österr.-Ung. Ztsch. Zuckerinduetr., jtf, 621 (1907). — 2) E. Gris, Compt. rend., 23, 53 (184G); 25, 276 (1847). — 3) Sachs, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, 3, 433 (1888). DuFOUR, Just Jahresber. (1893), /, 291. — 4) MACCHiATr, Ebenda (1883), /, 42. — 5) Dementiew, Ebenda (1876), //. 925. — 6) Laurent, Botan. Zentr., 90, 408 (1902). — 7) O LoEW, Ebenda, 48, 371 (1891). — 8) P. Maze, Compt. rend., /jj, 902 (1911). — 9) E. Mameli, Atti Soc. Ital. Progr. Sei., j, 793 (1912). — 10) E. MoLZ, Zentr. Bakt. II, 19, 461 (1907). P. Maze, Ruot u. Lemoigne, Compt. rend., 155, 435 (1912). — 11) C Kraus, Landw. Verauchsstat., 20, 415 (1877). — 12) Neh. Grkw, Anatomy of Planta (1682), p. 273. — 13) Roü- ELLE, Journ. de M6d., 36, 256 (1771). Nach Morren (Dissert. sur les feuilies vert. et col. [1858], p. 59) haben die beiden Rouelle die Löslichkeit des Chlorophyll farb- stoffes in Alkohol entdeckt; doch ist dies unzutreffend, da diese Entdeckung schon in die frühere Zeit der Jatrochemie fällt. — 14) Meyer, Crells Ann. (1784), /, 521. — 1B) FoüRCROY, Ann. de China., j, 252 (1790). 556 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkron. gewiesen habe. Tingry nahm eine wachsartige Substanz im grünen Blattfarbstoff an. Nach Senebier(I) ist das Pigment zu den rein harz- artigen Stoffen zu rechnen. Der letztgenannte Forscher entdeckte, daß Luft und Licht den Farbstoff in weingeistiger Lösung zersetzen, Ber- thollet(2) fand die ausbleichende Wirkung von Chlor auf das Blattgrün. Für ihn war der Blätterfarbstoff die Muttersubstanz der Holz- und Rindenfarbstoffe. Weitere Untersuchungen gaben Proust und Vau- QUELiN(3). ScHRADER(4) verglich den Farbstoff aus den Blättern von Kohl und Schierling. Pelletier und Caventou(5) schlugen 1817 vor, den Blätter- farbstoff als Chlorophyll zu bezeichnen und waren damals noch ohne Kenntnis der Tatsache, daß es sich dabei um eine Mischung verschiedener grüner und gelber Farbstoffe handle. Späterhin wurde jedoch von ihnen die zusammengesetzte Natur des Blätterextraktes erkannt (6). Es ist aber doch nicht genügend begründet, wenn neuere Autoren, z. B. Tswett, den Namen Chlorophyll auf das Farbstoffgemisch allein angewendet wissen wollen und für die grünen darin enthaltenen Pigmente die Be- nennung Chlorophyllin wählen. Berzelius(7) gewann beim Behandeln des Blätterextraktes mit Alkali zuerst jenes wasserlösliche schön grüne Chlorophyllderivat, welches von Tschirch als Alkachlorophyll, von Will- stätter als Chlorophyllin bezeichnet worden ist. Mulder gab dem Chlorophyll die Formel CigHigNgOg; er schied das reine Blattgrün aus der salzsauren Lösung tait Calciumcarbonat ab (8). Seine Vorstellungen waren in physiologischer Hinsicht vielfach unzutreffend. Brewster(9) war der Entdecker der Fluorescenz und des Absorptionsspektrums von Chlorophyllösungen (1834) und er gab eine ganz richtige Abbildung des Chlorophyllspektrums. Den späteren Arbeiten von Stokes(10) verdankt man eine Reihe weiterer wichtiger Aufschlüsse auf diesem Gebiete. Andere Forscher, wie Morot, Pfaundler (11), analysierten den Farbstoff von neuem. Der letztgenannte Forscher teilte die Ansicht von Verdeil, daß das Chlorophyll eisenhaltig sei. Übrigens wurde vielfach, so von Gris und Hofmeister (12), auf Grund der Erfahrungen über die Bleich- sucht der Blätter durch Eisenmangel, das Eisen als wichtiger Bestandteil des Chlorophyllfarbstoffes angesehen. Fremy(13) zeigte 1860 zuerst, daß beim Schütteln des alkoholischen Blätterextraktes mit Äther und Salzsäure ein grünblauer Farbstoff („Phyllo- cyanine") und ein gelbes Pigment („Phylloxanthine") abtrennbar sind Es blieb aber unbestimmt, ob beide Pigmente im Rohextrakt präexistieren, oder ob dieselben bei der Säurebehandlung gebildet werden. Timiria- zeff(14) hob jedoch bereits hervor, daß es sich hierbei um Spaltungs- vorgänge handeln müsse. Eine wirklich einwandfreie Trennung von I) Senebier, Physiol. v^g^t., //, 444 (1800); M^ra. Phys. Chim., /// (1782). — 2) Berthollet, Ann. de Chim., 6, 218 (1790). — 3) Proust, Gilberts Ann., is, 278 (1803). Vauquelin, Ann. de Chim., 83, 42 (1812). — 4) Schrader, Schweigg. Journ., 5, 24 (1812). — 5) Pelletier u. Caventou, Journ. de Pharm., j, 486; Ann. de Chim. et Phys. (2), 9, 194 (1818). — 6) Dieselben, Ebenda (2), 51, 182 (1832). — 7) Berzelius, Jahresber, 18, 381 (1839). — 8) Mülder, Ebenda, 24, 502 (1845); Physiol. Chem. (1804), p. 272; Journ. prakt. Chem., 33, 478 (1844). Moleschott, Physiol. d. Stoffwechsels (1851), p. 319. — 9) Brewster, Trausact. Roy. Sog. Edinborough, 12, 538 (1834). — 10) Stokes, Pogg. Ann., Erg.-Bd. 4, 217 (1852). — 11) Morot, Ann. Sei. Nat. (3), 13, 231 (1849). Pfaundler, Lieb. Ann., 112, 37 (1860). — 12) Gris, Ann. Sei. Nat. (4), 7. 201. Hofmeister, Pflanzenzelle, p. 375. — 13) Fremy, Compt. rend., 50, 405 (1860); 61, 180 (1865); Ann. Sei. Nat. (4), 7j, 45 (1860). — 14) TiMiRiAZEFF, Botan. Ztg. (1869), p. 884. § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 557 nebeneinander im Blätterextrakte vorkommenden Pigmenten erreichte zuerst Gr. Kraus (1) durch die Ausbildung einer Ausschüttelungs- methode, wobei sich die grünen und gelben Farbstoffe aus dem Extrakte in befriedigender Weise sondern ließen. Kraus nannte die grüne Phase „Kyanophyll", die gelbe „Xanthophyll". Das erstere geht in den als Ausschüttelungsmittel verwendeten Petroläther über, während das Xantho- phyll im Alkohol zurückbleibt. Später gab Fremy an, daß sein Pliyllo- cyanin Säurecharakter besitze (2). Wichtige Fortschritte bahnten sodann die Arbeiten von Hoppe- SEYLER(3)an. Dieselben brachten zum erstenmal die Gewinnung krystal- linischer Chlorophyllderivate in größerem Maßstabe, nachdem frühere Autoren zwar ähnliche Stoffe bereits in den Händen gehabt (4), jedoch nicht weiter beachtet hatten. Hoppe -Seyler extrahierte frisch ge- pflücktes Gras mit kaltem Äther, sodann mit kochendem absolutem Alkohol und stellte so eine möglichst konzentrierte Farbstofflösung her, Beim Stehen in der Kälte schied sich daraus der Hauptanteil der gelben Chloroplastenpigmente, das Carotin, ab. Das Filtrat von dieser Ab- scheidung wurde verdunstet, mit Wasser ausgelaugt und der im Wasser unlösliche Rückstand in Äther gelöst. Die filtrierte Ätherlösung schied nun im Dunkeln langsam verdunstend krystallinisch-körnige Massen aus, welche im auffallenden Lichte braun aussahen, im durchfallenden Lichte jedoch grün erschienen. Nach Waschen mit kaltem Alkohol wurden die Krystalle aus heißem Alkohol umkrystallisiert(5). Diese von Hoppe- Seyler als Chlorophyllan bezeichnete Substanz war aschenhaltig und schloß Magnesia und Phosphorsäure ein. Durch Kochen mit alkoholischem Kali ließ sich die chromophore Gruppe abtrennen, welche sauren Charakter hatte und als „Chlorophyllansäure" bezeichnet wurde. Die phosphor- haltige Substanz wurde als Glycerinphosphorsäure erkannt. Weil sich außerdem aus dem Reaktionsgemische noch Cholin gewinnen ließ, so leitete Hoppe-Seyler aus diesen Ergebnissen den Schluß ab, daß das Chlorophyllan nicht bloß mit Lecithin verunreinigt sei, sondern eine Verbindung von Chlorophyllansäure und Lecithin oder gar selbst ein Lecithin darstelle. Diese Lecithinhypothese hat bis in die neueste Zeit eine bedeutende Rolle in der Chlorophylliteratur gespielt, kann jedoch nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung nicht mehr aufrecht er- halten werden. In den Präparaten Hoppe-Seylers handelte es sich nur um Adsorptionsverbindungen des Pigmentes mit begleitenden Phospholi- poiden. Als Hoppe-Seyler sein Chlorophyllan mit Kali über 200** erhitzte, ergab sich die wichtige Entdeckung, daß hierbei eine rotgefärbte krystallisierte Substanz auftritt, die als Dichromatinsäure bezeichnet wurde. Mit Salzsäurebehandlung gab diese Säure ein weiteres Derivat, welches in der Folge große Bedeutung in der Chlorophyllchemie gewann, das Phylloporphyrin. Die gleichzeitig angestellten ausgedehnten Untersuchungen von TscHiRCH und von Hansen (6) brachten eine große Zahl neuer Beobach- 1) Gr. Kraus, Untersuch, üb. Chlorophylifarbstoffe (1872). — 2) Fremy, Ber. Chem. Ges., /o, 1175 (1877). — 3) F. Hoppe-Seyler, Ztach. physiol. Chem.. j. 339 (1879); 4, 193 (1880); 5. 75 (1881). — 4) Vgl. Gautier, Bull. Soc. Chim., 28, 147 (1876). FiLHOL, Ann. de Chim. et Phys. (4), 14 (1878); Compt. rend., 79, 612 (1874). Trecul. Ebenda, 61, 635 (1865). Rogalski, Ebenda, 90, 881 (1880). — 5) Vgl. auch A. Meyer, Botan. Ztg. (1882), p. 533. Tschirch, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884), p. 47. Gautier, Bull. Soc. Chim., 32, 499. — 6) Tschirch, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884). A. Hansen, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, j 122. Die Farbstoffe des Chlorophyllkorns (1889). 558 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensänreverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. tiingen, lösten jedoch die gestellte Aufgabe, ein „Reinchlorophyll" darzu- stellen, noch nicht, Tschirch hatte als solches ein Säureabbauprodukt in Händen, Hansen ein durch Alkahwirkung erhältUches Spaltungsprodukt des nativen Farbstoffes. Pringshelms Hypochlorin, welches nach seinem Autor das erste Assimilationsprodukt der Chlor oplasten darstellen sollte, entpuppte sich als wesenthch identisch mit dem Chlorophyllan (1 ). Während man sich in Deutschland hauptsächlich mit dem chemischen Abbau des Chlorophylls befaßte und die wichtigen Fragen, inwieweit das Ausgangsmaterial einheitlicher Natur ist, zu wenig beachtete, be- arbeiteten englische Phytochemiker unter Benützung der spektroskopischen Methodik mit Glück das Gebiet der Farbstoffdifferenzierung im Blätter- extrakt, und es war vor allem Sorby(2), dessen Arbeiten die ersten Anhaltspunkte dafür lieferten, daß die Blätter der höheren Pflanzen regelmäßig zwei einander nahestehende grüne Farbstoffe enthalten und daß es auch eine Anzahl gelber Begleitpigmente der Chlorophyllfarbstoffe gibt. Diese auf dem Kontinent erst in neuerer Zeit voll gewürdigten Ergebnisse, um deren Bestätigung sich besonders Tswett(3) große Ver- dienste erworben hat, führten eine völlige Umgestaltung der Chlorophyll- chemie herbei. Sodann hat sich Schünck im Vereine mit Marchlev?ski(4) erfolgreich um das Studium möglichst gut charakterisierter Chlorophyll- derivate mit Hilfe der Spektroskopie bemüht. Ein großer Erfolg war es, als Nencki und Marchlewski zuerst die nahe Verwandtschaft der bei eingreifender Reduktion des Chlorophylls entstehenden Produkte mit Reduktioasprodukten aus Blutfarbstoff erkannten und so die biologisch äußerst interessante Beziehung zwischen Chlorophyll und Hämatin sicher- gestellt erschien. Die Chlorophyllmethodik erhielt schließlich in neuerer Zeit eine erwünschte Bereicherung durch die von Tswett ausgebildete Adsorptionstechnik zur Trennung der einzelnen Farbstoffe und schließlich einen besonders mächtigen Anstoß durch die wesentlich verbesserten Untersuchungsmethoden, welche Willstätter (5) ausbildete, wodurch die ersten sicheren Grundlagen zur Erforschung der Konstitution des Chlorophyllfarbstoffes geschaffen worden sind. Koexistenz und Abtrennung der einzelnen Chloroplasten- pigmente. Wie besonders die Untersuchungen von Tswett (6) gezeigt haben, hat man sich die einzelnen Farbstoffe der Chloroplasten mit ver- schieden starker Affinität an das Stroma oder die Hydrokolloide der Chromatophoren adsorptiv gebunden zu denken. Alkohole, wenigstens Methyl-, Äthyl- und Amylalkohol, lösen diese Adsorptionsverbindungen bei allen Farbstoffen schnell und vollständig, so daß weder in frischen noch in trockenen Blättern nach dieser Behandlung ein gefärbter Rück- stand zurückbleibt. Ebenso wirken Aceton, Äther, Acetaldehyd, Chloro- 1) A. Meyer, Botan. Ztg. (1882), p. 530. Tschirch, L c. Pringbheim. Monateber. kgl. Ak. Berlin (Nov. 1879, Febr. 1881); Jahrb. wies. Botan., 12, 288 11881). — 2) H. SoRBY, Proceed. Roy. Soc., 21, 442 (1873). — 3) M. Tswett, Les Chlorophylles dans les Mondes V^götal et Animal (Warschau 1910). — 4) Mapch- I^WSKI, Die Chemie des Chlorophylls (1895). Die Chemie der Chlorophylle (Braun- schweig 1909). — 5) ß. Willstätter, Abderhaldens biochem. Handlexikon, 6, 1 (1911); Handb. d. biochem. Arbmeth., 2, 671 (1910). — 6) Tswett, Ber. Botan. »jes., 24, 316 u. 384 (1906); Biochem. Ztsch., 5, 6 (1907); 10, 426 (1908); Rev. g6n. Bot., 20, 328 (1908). Marchlewski, Ber. Chem. Ges., 41, 1858 (1908); Ebenda, 44, 1705 (1911). Tswett, Ebenda, p. 1124. Marchlewski, Ber. Botan. Ges., 25, 225 (1907). Tswett, Rev. g6n. des Sei. (29. Febr. 1912). Jacobson, Journ. Amer. Chem. Soc., 34, 1263 (1912). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 559 for*^ und andere organische Solventien. Hingegen vermag man mit Petroläther oder Benzin aus frischen zerriebenen Blättern oder ge- trocknetem Blattpulver nur einen gelben Auszug zu gewinnen, der aus- schließlich das Carotin enthält, während die übrigen Pigmente in ihrer Adsorptionsbindung verbleiben. Hat man jedoch das Material vorher erhitzt, so wird auch der Benzinauszug grün gefärbt. Es genügt aber auch, dem Petroläther etwas Alkohol zuzufügen, um sofort die grünen Farbstoffe in Lösung zu bringen. Geradeso verliält sich an Filterpapier adsorbiertes Blattextrakt gegenüber den organischen Lösungsmitteln. Als TswETT mit CaCOg gefüllte Glasröhren als Adsorptionsvorrichtung anwendete, konnte er bei der Filtration des Blätterauszuges durch diese Adsorptionsschicht das Carotin ohne weiteres abtrennen, welches gelöst blieb, während die anderen Pigmente, sich schichten weise abtrennend, in dem Calciumcarbonatpulver adsorbiert blieben (chromatographische Methode von Tswett). Hierbei empfiehlt es sich, Schwefelkohlenstoff als Lösungsmittel anzuwenden. Tswett konnte dabei folgende Ad- sorptionszonen unterscheiden: L war farblos; II. enthielt das Xanthophyll /3 von gelber I-orbe; III. enthielt das dunkelolivgrüne Chlorophyllin ß-, IV. enthielt das dunkelblaugrüne Chlorophyllin a. Die V. Zone schloß zwei xanthophyllartige Pigmente ein, die VI. Zone war farblos und die VII. Zone enthielt das orangefarbene Aanthophj'i n. Das Carotin wurde dem Schwefelkohlenstoff überhaupt nicht entzogen. Die Trennung aller dieser Pigmente war immerhin so scharf, daß es möglich war, die spektro- skopischen Unterschiede mit Deutlichkeit zu definieren. Zur Gewinnung größerer Farbstoffmer^^n reicht natürlich die Adsorptionsmethode für sich allein nicht aus. Hier hat, wenigstens zum Teil, die von Will- STÄTTER ausgebildete Methodik erfolgreich eingegriffen. Carotin isoliert man ohne weiteres durch Extraktion von trockenem Blattpulver mit Petrol- äther, indem alle anderen Pigmente ungelöst bleiben. Xanthophyll wurde von WiLLSTÄTTER(l) voHäufig noch nicht in eine Reihe von Fraktionen aufgeteilt. Man erhält es am besten, wenn man das alkoholische Blätter- extrakt mit alkoholischer Natronlauge verseift, die grünen Verseifungs- produkte mit Äther fällt und nun die alkohol-ätherischen Mutterlaugen des Niederschlages mit viel Wasser auswäscht. Da gehen die grünen Pigmente völlig in das Wasser über und es bleibt eine gelbe ätherische Lösung zurück, die hauptsächlich Xanthophyll und ein wenig Carotin enthält. Zur Gewinnung der beiden grünen Farbstoffe, die WillsTätter als das mehr blaugrüne „Chlorophyll a" und das mehr gelbgrüne „Chloro- phyll b" bezeichnet (2), wird das Material nach vorausgegangener Behandlung mit Benzol und Petroläther mit Alkohol extrahiert und nun im wesent- lichen nach dem KRAusschen Entmischungsverfahren mit Petroläther in zwei Fraktionen zerlegt, von welchen die petrolätherische in Arbeit genommen wird. Nach oftmaliger Ausschüttelung mit wasserhaltigem Holzgeist verbleibt das blaugrüne Chlorophyll a im Petroläther, während das etwas gelblichgrüne Chlorophyll b in den Holzgeist übergeht So wurde endlich die bereits von Stokes(3) und besonders von Sorby auf Grund von Entmischungsversuchen mit Alkohol und CS, mittelst spektro- skopischer Untersuchungsmethodik (4), angenommene Unterscheidung von 1) WiLLSTÄTTER u. MiRG, Lieb. Ann., 355, 1 (1907). — 2) Wilustättek u. HüG, Ebenda, 3S0, 177 (1911). WiLLSTÄrrER 11. Isler, Ebenda, 390, '^96 (1912). — 3) G. Stokes, Phil. Trans., 182, I, 4(53; Proceed. Roy. Öoc, 13, 144 (1864); Journ. Chem. Soc., 17, 304 (1864). — 4) H. Sorby, Proceed. Roy. öoc., 15, 433 (1867); 21, 442 (1873). 560 Zwanzigstes Kapitel : Eoblensäureverarbeit. u. Zuckersysthese im Chlorophyllkom. zwei Chlorophyll arten in den Chloroplasten der höheren Pflanzen auf eine gesicherte Basis gestellt. Marchlewski(I) gebraucht für die beiden Chlorophyllmodifikationen die Namen Neo- und Allochlorophyll. Die allioholische Blättertinktur, die man bis in die neueste Zeit als eine bei frischer Bereitung unveränderte Mischung der nativen grünfen und gelben Blattfarbstoffe angesehen hatte, enthält, wie besonders WiLLSTÄTTER orwieseu hat, nur die gelben Pigmente im natürlichen Zustande, während sich die grünen Farbstoffe rasch unter dem Einflüsse von spaltenden Enzymen ohne Alteration ihres Farbtones verändern. Diese Erkenntnis hängt mit der Aufklärung der Unterschiede zwischen dem sogenannten „amorphen" und „krystallisierten" Chlorophyll zusammen. Zuerst erhielt Borodin in ausgedehnten mikroskopischen Untersuchungen bei einer groJ3en Zahl von Pflanzen grüngefärbte Krystalle in den Zellen nach Betupfen der Schnitte mit Alkohol (2). Er meinte, daß diese Krystalle einer noch unbekannten Chlorophyllverbindung angehören. MoNTEVERDE (3) gelang es später, diese Krystalle auch aus dem alko- holischen Blätterauszug darzustellen und er untersuchte das spektro- skopische Verhalten ihrer Lösung, das ihn zu dem Schlüsse führte, daß es sich um wirkliches Chlorophyll handle. E. Liebaldt(4) hat im hiesigen Institute gezeigt, daß man diese Krystalle mit Sicherheit aus den meisten grünen Geweben durch Einlegen der Schnitte in Alkohol von 30 bis 50 % erhalten kann. Der Versuch gelingt außerdem nicht nur mit den höheren wasserlöslichen Homologen des Äthylalkohols, sondern auch mit Aceton, Äthylurethan und anderen Stoffen. Monteverdes Angabe, daß manche Pflanzen vorwiegend amorphes Chlorophyll, andere wie Galeopsis tetrahit vorzüglich krystallisiertes Chlorophyll enthalten, hat Willstätter bestätigt und auch aufgeklärt. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß das amorphe Chlorophyll bei der Verseifung mit methylalkoholischer Kalilauge einen ungesättigten Fettalkohol, das Phytol, liefert, welcher aus dem krystallisierten Chlorophyll nicht entsteht. Daraus muß man schließen, daß das gewöhnliche amorphe Chlorophyll einen Phytolester darstellt, das krystallisierte Chlorophyll hingegen nicht (5). Tswett(6) hat sodann gewisse Löslichkeitsunterschiede beider Chlorophylle hervor- gehoben und kam zur richtigen Erkenntnis, daß die BoRODiNschen Krystalle durch Umwandlungen des nativen Farbstoffes bei der Präparation entstehen, sowie daß sie in gleicher Weise Umwandlungsprodukte von Chlorophyll a und b enthalten müssen. Er nannte die hier vorliegenden Stoffe „Metachlorophyllin a und /S". Das Wesen dieser Chlorophyll- umwandlung unter Abspaltung von Phytol wurde durch Willstätter in einer Umsetzung durch ein in den Chloroplasten enthaltenes Enzym, die Chlorophyllase erkannt, welche in alkoholischer Lösung die Ester- spaltung katalysiert, wobei an Stelle des Phytols sich der im Lösungs- mittel gebotene Alkohol mit dem chromophoren Chlorophyllbestandteil vereinigt. Dieser Prozeß ist somit nach Analogie der sonst vorkommenden Hydrolysen als Alkoholyse zu benennen (7). 1) C. A. Jacobson u. Marchlewski, Biochem. Ztsch., jp, 174 (1912). Vgl. auch Marchlewski u. Schünck, Proc. Chem. Soc, i6, 148 (1900); Journ. prakt. ehem., 62, 247 (1900). — 2) Borodin, Botan. Ztg., 40, 608 (1882). — 3) N. A. MoNTEVERDE, Acta Hort. Petropol, 13, 123 (1893). — 4) E. Liebaldt, Ztsch. f. Botan., 5, 65 (1913). ~ 5) Willstätter u. Benz, Lieb. Ann., 358, 267 (1907). — 6) TswETT, Biochem. Ztsch., 10, 414 (1908); Ber. Chem. Ges., 43, 3139 (1910). — 7) Willstätter u. Stoll, Lieb. Ann., 37S, 18 (1910). Vgl. auch Willstätter, Ebenda, 387, 317 (1912). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 561 Den im amorphen Chlorophyll an Phyto] gebundenen farbstoffartigen Bestandteil des Chlorophylls bezeichnet "Willstätter als Chlorophyllid; das amorphe Chlorophyll ist somit Phytyl-Chlorophyllid. Die BoRO- DiNSchen Krystalle, die mit Äthylalkohol dargestellt sind, müssen als Äthylchlorophyllid bezeichnet werden. Man kennt ferner die analog hergestellten Verbindungen Methylchlorophyllid, Propylchlorophyllid, die nach LiEBALDT möglicherweise auch durch Farbe und Krystallform mikro- skopisch different sind. Da sich außerdem in Aceton Chlorophyllkrystalle bilden, so muß es außer den genannten Alkylchlorophylliden noch andere Chlorophyllidverbindungen geben, die bisher allerdings noch nicht chemisch untersucht sind. Chlor ophy Hase ist nach Willstätter offenbar bei den einzelnen Pflanzen in verschiedener Menge vorhanden und die bei der Alkoholextraktion kry- stallisiertes Chlorophyll in reichhchcr Ausbeute gebenden Pflanzen, wie Galeopsis, müssen offenbar sehr chlorophyllasereich sein. So viel Chloro- phyllase ist übrigens in allen Pflanzen enthalten, daß bei längerem Stehen des Materials mit Alkohol ein erheblicher Teil der natürhchen Phytylchloro- phyllide zersetzt wird. Darauf ist bei der Präparation sehr zu achten. Die Ghlorophyllase von der Chloroplastensubstanz abzutrennen, ist bisher nicht gelungen, und man hat als Enzympräparat das mit Alkohol von den Farb- stoffen befreite Blattmehl zu nehmen. Chlorophyllase wirkt in raethyl- alkohohscher und äthylalkohohscher Lösung gleich gut, wobei Alkoholyse eintritt. In ätherischer Farbstoff lösung ruft aber das feuchte Enzympräparat gleichfalls Spaltung, und zwar hier hydrolytischer Natur, hervor. Das „Temperaturoptimum" für Chlorophyllase hegt ziemlich niedrig, und die Reaktionskonstante ist für 35° niedriger als für 25°. Enzymmenge und Reaktionsgeschwindigkeit hängen miteinander in dem durch die Schütz- sche Regel ausgedrückten Verhältnisse zusammen. Die Reaktionskonstante sinkt proportional der wachsenden Zeit, und ein unimolekularer Verlauf der Reaktion läßt sich nicht feststellen. Die enzymatische Alkoholyse er- fordert wasserhaltigen Alkohol, doch ist das Enzym noch in 80% Alkohol gut wirksam; erst bei 92% Alkoholgehalt zeigt sich die Wirkung stark ver zögert. In kochendem Alkohol wird das Enzym langsam zerstört. Lange Zeit aufbewahrtes Blattpulver zeigt das Enzym deuthch geschwächt. Schheß- hch hat Willstätter gefunden, daß die Chlorophyllase auch den um- gekehrten Prozeß der Phytolveresterung mit Äthylchlorophylhd in alkoho- hscher Lösung katalysiert (1). Lipasen sind auf die Spaltung von Phj^yl- chlorophylhd ganz ohne Einfluß. Bemerkt sei, daß das von Gautier (2) beschriebene krystaUisierte Chlorophyll mit dem Äthylchlorophyllid oder den BoRODlNschen Rrystallen nichts zu tun hat, sondern bereits der Abbaureihe des Chlorophylls angehört. Ferner sind nach den Resultaten der neueren Chlorophyllchemie wohl alle anderen Vorstellungen über die Plurahtät der Chlorophyllfarbstoffe auf- zugeben, von denen besonders i^TARD (3) eine ganze Menge unterscheiden wollte. Physikalische Eigenschaften des Blattgrüns. In früherer Zeit wurden die auffallenden optischen Erscheinungen des Chlorophylls, 1) Willstätter u. Stoll, Lieb. Ann.,,jN NC . . C-Cx /^^\ ^C-C >N 'N^ c-c'^ c ^c— c Wie erwähnt ist die eine Carboxylgruppe im natürlichen Chlorophyll durch Methoxyl, die andere durch Phytol abgesättigt. Die dritte ist, wie Will- STÄTTER ausgeführt hat, in lactamartiger Bindung mit einer NH- Gruppe. Wenn man AlkaU auf Chlorophyll einwirken läßt, so dürfte die vorüber- 1) ScHüNCK, 1. c. Marchlewski, Chemie d. Chlorophylls (18!)5). Kozniewski u. Marchlewski, Lieb. Ann., 35s, 216 (1907); Akad. Krakau, (1908) IV, 247. Marchlewski, ßiochem. Ztech., 10, 472 (1908). Malarski u. Marchlewski, Biochem. Ztsch., 21, 523 (1909); 28, 48 (1910); 42, 219 (1912). — 2) Willstätter u. Pfannenstiel, Lieb. Ann., 358, 205 (1907). — 3) R Willstätter u. Fritzsche, Lieb. Ann., j;/. 33 (1910). 574 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensänreverarbeit u. Zuckersyntheseim Chlorophyllkom. gehende Braunfärbung mit einer Lösung dieser Lactamverbindung ver- bunden sein, worauf sich eine neue alkalibeständige Ringbildung aus einer durch Verseifung freigewordenen Carboxylgruppe unter Grünfärbung herstellt. Durch die Bildung der rotgefärbten Porphyrine, die zuerst von Hoppe- Seyler(I) in seiner Dichromatinsäure bekannt geworden sind, tritt das Chlorophyll in nahe Beziehung zu dem Blutfarbstoff. Die zweibasischen und einbasischen Porphyrine entstehen offenbar aus den Mg-haltigen Phylünen durch Ersatz von Mg durch 2 H-Atome, und ihre Formeln werden dementsprechend lauten für: Glauko- und Rhodoporphyrin : C33H38O4N4 Pyrro- und Phylloporphyrin : C32H3e04N4 Es ist schließhch auch gelungen aufzuklären, wieso zwei isomere ein- basische Porphyrine entstehen. Es ist dies auf die Existenz zweier isomerer Chlorophylüne zurückzuführen, von denen das eine mit Alkah in der Kälte entstellt, das andere, IsochlorophyUin genannt, jedoch nur in der Hitze. Nur aus dem letzteren geht Phylloporphyrin über Phyllophyllin hervor, während das erstere PyrrophylUn und Pyrroporphyrin liefert. Zu bemerken ist noch, daß sich beide natürüch vorkommenden Chlorophyllmodifikationen zu demselben Pyrroporphyrin abbauen heßen, ohne daß sich Differenzen bezüghch der Intermediärprodukte hätten feststellen lassen. Durch die Untersuchungen von Hoppe- Seyler und später besonders durch Nencki und Zaleski (2) weiß man, daß aus der Farbstoffkomponente des Blutpigmentes, dem Hämin, durch Behandlung mit Säure, am besten BrH, sich zwei Stoffe ohne Eisengehalt darstellen lassen, die sich den pflanz- Hchen Porphyrinen aus Chlorophyll unmittelbar anreihen. Dies ist das Hämatoporphyrin C34H38 0eN4 und das Mesoporphyrin C34H38O4N4. Da man nach Marchlewski (3) durch Oxydation des PhylloporphjTins mit Chromsäure nach der Methode von Küster (4) zur Hämatinsäure in ihrer stickstoffreien Form gelangt, so ist an der wirkhchen Verwandtschaft der tierischen und pflanzhchen Porphyrine nicht zu zweifeln, und Blattfarb- stoff und Blutfarbstoff stehen in interessanter und naher Beziehung. Es ist durch Küster gezeigt worden, daß bei der Oxydation von Hämin oder Hämatoporphyrin zwei Hämatinsäuren entstehen, von denen die eine das Imid, die andere das Anhydrid der dreibasischen Säure darstellt, die die Konstitution der l-Methyl-2-Carboxäthyl-Maleinsäure besitzt. CH3-C-C = 0 CH3-C-CO II >N" II > HO2C-CH2-CH2-C-G = 0 HO2C-CH2-CH2-C-CO 1) Hoppe-Seyler, 1. c. Ferner Schunck u. Marchlewski, Lieb. Ann., 284, 81 (1895). Zinkphylloporphyrin; Marchlewski, Ebenda, 372, 252. Willstätter, Ebenda, p. 253 (1910). Marchlewski, Ebenda, 3S8, 63 (1912). Marchlewski u. PiASECKi, Acad. Cracovie, (1908) ///, 127. Marchlewski u. Robel, Biochem. Ztsch., 32, 204 (1911); 39, 6 u. 59 (1912). Ein häminartiges eisenhaltiges Derivat von Phylloporphyrin wurde dargestellt als „Phyllohämin" von Marchlewski u. Robel, Ebenda, 34, 275 (1911); Ber. Chem. Ges., 4', 847 (1908); 45, 816 (1912). — 2) Hoppe-Seyler, Med.-chem. Untersuch., /F, 544 (1871). Nencki u. Sieber, Arch. exp. Pathol., 24, 430 (1888); Monatsh. Chem., 9, 115; 10, 568. Nencki u. Zaleski, Ztsch. physiol. Chem., jo, 390 (1900). Zaleski, Ebenr^a, 37, 59 (1902). Merünowicz u. Zaleski, Akad. Krakau (1907), p. 633. — 3) Marchlewski, Bull. Acad. Cracovie (1902), p. 1; Biochem. Ztsch., j, 320 (1907); Chemie d. Chlorophylle (1909), p. 124. — 4) KÜSTER, Lieb. Ann., j/5, 207 (1900); 345, 1 (1905); Abder- haldens Handb. biochem. Arb.meth., 2, 628 (1910). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 575 Durch COg-Abspaltung geht aus diesem Imid das Methyläthylmalein- CH3-C-C==0 imid I y NH hervor. Küster nimmt an, daß drei, oder CH8-CH2-C-C = 0 sogar vier Moleküle Hämatinsäure aus ebenso vielen Pyrrolkernen des Hämins gebildet werden. Nach Piloty(I) aber sollen nur zwei Moleküle Hämatinsäure entstehen. Nach den Untersuchungen von Willstätter (2) liefert Porphyrin aus Chlorophyll ein Molekül Hämatinsäure, und Maleinimid in einer Menge, die der Entstehung aus zwei Pyrrolkernen entspricht; es müssen somit mindestens zwei von den vier Pyrrolkernen in den Porphyrinen aus Chlorophyll und Hämin verschieden sein. Die Isoüerungder Pyrrolkerne selbst wurde durch Nencki und Zaleski(3) zuerst beim Hämin durch dessen Reduktion mit Jodwasserstoff und Phos- phoniumjodid erreicht, nachdem schon Hoppe-Seyler die Rotfärbung eines mit HCl befeuchteten Fichtenspanes durch Abbauprodukte des Häma- tins gesehen hatte. Nencki und Marchlewski (4) haben hierauf auch die bedeutungsvolle Tatsache aufgefunden, daß man die als ,,HämopjTror' bezeichnete Substanz auch durch Reduktion von Chlorophyllderivaten erhalten kann. Die neuen Arbeiten von Küster, Marchlewski, Piloty, H. Fischer (5) haben erwiesen, daß dieses Hämopyrrol ein Gemisch verschie- dener Pyrrolbasen ist, und das Pyrrolgemisch aus Chlorophyllderivaten stimmt nach Willstätter mit dem Pyrrolgemisch aus Hämin wesent- lich überein, nachdem schon nach Marchlewskis Erfahrungen über Azo- verbindungen aus Chlorophyllpyrrol und Hämopyrrol zu vermuten war, daß mindestens ein Bestandteil beiden Pyrrolgemischen gemeinsam ist. Ursprünglich hatte man das Hämopyrrol beiderlei Provenienz als Methyl- propylpyrrol erklärt, doch war diese Ansicht schon durch die Auffindung des Methyläthylmaleinimids unter den Oxydationsprodukton unwahrschein- lich geworden, und die Auffindung von Methyläthyl-Substitutionsprodukten in Hämopyrrol stand zu erwarten. Nach Willstätter und Asahina ist nun das früher für einheitlich gehaltene Chlorophyllpyrrol ein Gemisch von drei Basen. Die eine, das Phyllopyrrol, ist an allen vier Kohlenstoffen substituiert, und gibt keine der Farbenreaktionen des Pyrrolgemisches ; ihre Zusammensetzung ist CgHjgN (6). Die beiden anderen isolierten Pyrrol- basen sind isomer und entsprechen der Zusammensetzung CgHijN. Sie wurden als Hämopyrrol und Isohämopyrrol bezeichnet und sind beide Dimethyl-äthylpyrrole : 1) PiLOTY, Lieb. Anu., jötf, 237 (1909). — 2) Willstätter u. Asahina, Ebenda, 373, 227 (1910); Ber. Chem. Ges., 44, 3707 (1911). — 3) Nencki u. Za- LESKi, ßer. Chera. Ges., 34, 997 (1901). — 4) Nencki u. Marchlewski, Ebenda, p. 1687. — 5) W. Küster, Ber. Chem. Gea., 40, 2017 (1907); 43, 370 u. 2960 (1910); 45, 1935 (1912); Lieb. Ann., 346, 1 (1906); Ztsch. physiol. Chem., 54, 501; 55, 505 (1908); 82. 463 (1912). O. Piloty, Ber. Chem. Ges., 42, 3253, 3258, 4693 (1909); 43, 489 (1910); 45, 2595, 3749 (1912); 46, 1008 (1913); Lieb. Ann., jöö. 237 (1909); 392, 215 (1912). Marchlewski: Zt»ch. physiol. Chem., 45, 466 (1905); 47, 331 (1906); 5/, 466 (1907); 5Ö, 316 (1908); 6t, 276 (1909); 81, 86 (1912); Biochen). Ztsch., w, 437 (1908); 22, 464 (1909); 2,, 548 (1909); Ber. Chem. Ges., 43, 259 (1910); 45, 453 (1912); Akad Krakau, 8, .5.55 u. 583 (1909). H. Fischer u. Bartholomäus, Ztsch. physiol. Chem., 76, 478 (1912); 84, 262 (1913); Ber. Chem. Ges., 44, 3313 (1911); 45, 466 u. 1979 (HH2); 46, 511 (1913). L. Knorr u. Hess, Ber. Chem. Ges., 45, 2626 (1912). — 6) Synthese von Phyllopyrrol: H. Fischer u. Bartholomäus, Ber. Chem. Ges., 45, 466 (I9l2). Colacicchi, Atti Acc. Line. (5), 21, I, 489 (1912). H. Fischer u. A. Hahu, Ztsch. physiol. Chem., 84, 254 (1913). 576 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chloropbyllkorn. CH3.C— G-CHa-CHa CHgC- II II I! I! Hämopyrrol: HC C-CHg Isohämopyrrol: CHg-C GH NH NH CHg-C G-GHg-GHg II II Phyllopyrrol: GH3.G GGH3 NH Weil sich nach H. Fischers und Pilot ys Untersuchungen bei der Reduktion von Blutfarbstoff noch weitere Pyrrolderivate ergaben, so ist zu erwarten, daß auch die Reihe der aus den Ghlorophyllderivaten dar- stellbaren Pyrrolbasen mit den drei erwähnten noch nicht erschöpft ist. Da die Untersuchungen auf diesem so interessanten Gebiete der Reduk- tionsprodukte von Chlorophyll und Hämin gerade jetzt in vollem Flusse begriffen sind, so ist es noch nicht zeitgemäß, auf die Fragen des Zusammen- hanges der pyrrolartigen Endprodukte mit den größeren Komplexen in den Farbstoffen einzugehen. Was die Ableitung der Pyrrolgruppen überhaupt betrifft, so hat die Ansicht Pilotys viel für sich, daß Eiweißspaltungspro- dukte, und zwar das Tryptophan, diese Gruppierung hefern, und das Chloro- phyll somit seine Entstehung von Eiweißspaltungsprodukten nimmt. Sicher dürfte wohl sein, daß sich die Bildung der Pyrrolbasen unter COg- Abspaltung aus Pyrrolcarbonsäuren vollzieht. Ein Präparat solcher Säuren ist von PiLOTY als „Phonopyrrolcarbonsäure" bezeichnet worden und dürfte eine Säure der nachstehenden Zusammensetzung enthalten haben: CHg-C ^GCHg-CHg-COGH II II CHgC-NH-CH Zwei Pyrrolkerne sind noch in der durch Piloty isoherten Pyrrolidin- säure beisammen, die unter dem Namen Hämatopyrrohdincarbonsäure be- schrieben worden ist: GH 2 . COOH I CHg-G C~CH — C-NH-C-CHg II 11 I! II CHgC-NH-CH H3G-C G.CH2CH3 Im Hämatoporphyrin und in den aus Chlorophyll darstellbaren Porphyrinen müssen zwei solcher Komplexe in einer noch näher zu bestim- menden Weise miteinander verbunden sein. Aus allem ist zu ersehen, daß sich die beiden Chlorophyllkompo- nenten oder Phytylchlorophyllide in ihrem wesentlichen chemischen Aufbau nicht unterscheiden. Der Unterschied liegt nach Willstätter(I) nur in einem Plus an 1 Atom Sauerstoff im Chlorophyllid b, gegenüber dem wasserstoffreicheren Chlorophyllid a. Die von Willstätter aufgestellten Formeln für die beiden Chlorophylle sind: Phytylchlorophyllid a: CgJigoON^Mg • (COOCH3) • (COO • C^oHgg) + V2 HgO, Phytylchlorophyllid b: C32H2802N4Mg • (COOCH3) • (COO • C20H39). 1) Willstätter u. M. Isler, Lieb. Ann., 390, 269 (1912). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 577 Phytylchlorophyllid a hat in der sichtbaren Region des Spektrums nach WiLLSTÄTTER(l) sieben scharf getrennte Absorptionsbänder neben der Endabsorption. Am stärksten tritt je ein Band im Rot, Indigblau und Violett hervor, im Gelb und Grün liegen schwächere Streifen, Das Spektrum von Phytylchlorophyllid b besteht aus neun Bändern. Das Band im Rot und jenes im Orange ist hier in zwei Bänder geteilt, im Grün liegt ein schmaler und schwächerer Streifen, die Absorption im Blau ist sehr intensiv. Sodann wurde im äußersten Rot ein ganz un- deutliches Band gesehen, von dem es noch zweifelhaft ist, ob es dem reinen Chlorophyllid b eigentümlich ist. Die nachstehende Tabelle enthält die von Willstätter beschriebenen spektroskopischen Befunde bei beiden Chlorophylliden im Detail angeführt: (Siehe Tabelle S. 578.) Da nunmehr in der Konstitution der Chlorophyllide die Funktion des Mg, der vier N-Atome sowie die Existenz von drei Carboxylgruppen völlig aufgeklärt sind, so darf man wohl erwarten, in absehbarer Zeit die Konstitutionsformel in den wesentlichen Grundzügen sichergestellt zu sehen, wozu vielleicht die genauere Kenntnis des Hämins erheblich beitragen wird. Somit lassen sich eine Reihe von älterer Hypothesen über die chemische Natur des Chlorophyllfarbstoffes derzeit endgültig ablehnen. Dies gilt einmal für die Ansicht, daß Chlorophyll eine glucosidische Substanz sei, wie früher öfters behauptet worden ist (2), sodann aber auch für die bis in die jüngste Zeit auch in einigen ausgezeichneten physiologischen Werken vertretene Ansicht, daß das Chlorophyll zu den Eiweißkörpern zu zählen sei (3). Auf andere gänzhch unbegründete Anschauungen zur Chlorophyll- chemie brauchen wir nicht mehr einzugehen (4). Während nach den Untersuchungen von Monteverde und LuBi- MENKO (5) der grüne Farbstoff reifer Samen in den meisten Fällen mit Chloro- phyll identisch ist, erwies sich das Pigment der inneren Samenhülle bei den Cucurbitaceen spektroskopisch vom Chlorophyll verschieden, indem es ein Spektrum zeigt, welches mit jenem des später zu erwähnenden Protochloro- phylls identisch ist. Beim Absterben der Zellen verändert das Pigment seine optischen Eigenschaften, jedoch kann man durch rasches Erhitzen der Samenhüllen das Pigment fixieren, so daß es auch nach dem Trocknen der Samenhüllen seine Eigenschaften nicht mehr ändert. Die genannten Autoren nennen den Farbstoff Chlorophyllogen, weil er mit der Chloro- phyllbildung im Zusammenhang stehen soll. Eine für physiologische Zwecke geeignete quantitative Bestimmungs- methüde ist für Chlorophyll noch auszuarbeiten. Seit Timiriazeff (6) zu- erst die spektrophotometrische Methodik zu diesem Zweck verwendet hat, sind wiederholt Versuche in dieser Richtung, zuletzt von Tswett und von 1) Willstätter, Stoll u. Utzinger, Lieb. Ann. 385, 156 (1911). — 2) Z. B.: SCHUNCK, Proceed. Roy. Sog., 26, 183 (1884). Sachsse, Chem Zentr. (1884), p. 113. De WiLDEMAN, Just Jahreeber. (1887), /, 198. Griffiths, Chem. News, 49. 237 (1884). — 3) Die von Tswett, Compt. rend., 129, 607 (1899): Botan. Zentr., St, 81 (1900); 89, 120 (1902), früher vertretene Ansicht, daß das Chlorophyll ein grün- getärbter Eiweißkörper „Chloroglobiu" sei, war unzureichend gestützt und ist von ihrem Autor selbst aufgegeben worden. Vgl. Monteverde, Script. Bot. Horti Petropol., Fase. 15. — 4) Vgl. 1. Aufl., /, 464. — 5) Monteverde u. Lübimenko, Bull. Jard. imp. Petersb., p, 27 (1909). Lübimenko, Compt. rend., 142, 1432 (1906). — 6) Timiriazeff, Just Jahresber. (1881), /, 60. Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. s .\un. 37 578 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit, u. Zuckeraynthese im Chlorophyllkora . 5^ ^ ;:: ^ ;3 ^ <: I o -i I I I I l-l I 00 Ol _.^l 1 1 I I : -I §1 Sil I S-: 05 CO . Cn O", 00 ÜiüiCn0JO05oo' Ol 00 S I <<<fi. §;& § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 579 MARCHLEWSKiund JACOßSON(l), Unternommen Worden. Von den chemischen Verfahren wird wohl die von Willstätter angegebene Methode der Phytol- bestimmung sich zur Chlorophyllbestimmung erweitern lassen, da etwa 33% des nativen Farbstoffes an Phytol gehefert werden. Das von Hansen (2) benutzte Verfahren der bloßen Ather-Alkohol-Extraktion nach Verseifen der alkohohschen Farbstofflösung, ist »icher zu ungenau. Tschirch (3) wendete die Darstellung von Phyllocyaninzinkacotat zur Chlorophyllbestim- mung an. Die- von diesen Autoren erhaltenen Werte scheinen alle viel zu hoch zu sein. Tschirch fand 1,8—4% der Trockensubstanz der Blätter an Chlorophyll, und berechnet 0,35—1,23 g Chlorophyll auf 1 qm Blattfläche, während Hansen gar 5,142 g auf den Quadratmeter angab. In den Arbeiten von Willstätter wurde bei Urticablättcm etwa 7—8 g Chlorophyll in 1 kg trockenem Material vorgefunden. Eine colorimetrische Bestimmungs- methode suchte JöNSSON (4) auszubilden und Willstätter (5) verbesserte dieselbe durch Einführung einer Standardlösung von Äthylchlorophyllid von genau bekanntem Gehalt. Auch diese Bestimmungen ergaben stets einen Chlorophyllgehalv von 0,5 — 1% bei den verschiedensten Pflanzen. Die in etiolierten Blättern enthaltenen Farbstoffe sind in vieler Hinsicht noch unzureichend bekannt. Eine charakteristische Eigenschaft etiolierter Chloroplasten besteht darin, daß dieselben bei Behandlung mit Säure einen blaugrünen Farbenton annehmen. Mit dieser Erscheinung befaßten sich mehrere ältere Autoren, wie Phipson, J. Sachs, welche den Farbstoff etiolierter Blätter als Leukophjll be- schrieben, J. BoEHM, der dieses Pigment als „Chlorogon" benannte, Fremy und andere, ohne daß man über unbestimmte Vorstellungen eines genetischen Zusammenhanges zwischen dem gelben Farbstoff etiolierter Chloroplasten und dem Chlorophyll hinauskam (6). Weitere Arbeiten rühren von Askenasy und von Gr. Kraus her (7). Der letztgenannte Forscher äußerte sich vorsichtiger hinsichtlich der Beziehungen des gelben Farbstoffes zur Chlorophyllgenese und kam auf Grund seiner spektral- analytischen Beobachtungen zu dem Ergebnis, daß der „gelbe Farbstoff des Chlorophylls" und der Farbstoff etiolierter Blätter wesentlich identisch seien. Pringsheim (8) erklärte das Pigment etiolierter Blätter als ver- schieden vom Xanthophyll und führte die Benennung Etiolin dafür ein. Aber auch in einer Folge von weiteren Arbeiten wurden die Schwierigkeiten der Etiolinfrage nicht besiegt. Wiesner (9) sowie Tschirch (10) neigten zu der Auffassung, daß die Entstehung des Chloro- phylls mit dem Etiolin verknüpft sei, doch waren die Versuche Wiesners kaum beweisend für die Annahme, daß sich beim Ergrünen etiolierter Hordeumkeimlinge der Etiolingehalt vermindere, da die gelben Farbtöne nur nach dem Augenschein verglichen wurden und die Prüfung fehlte, ob nicht mehrere gelbe Pigmente bei diesen Veränderungen beteiligt sind. 1) C. A. Jacobson u. Marchlewski, Biochem. Ztsch., 40, 296 (1912). — 2) A. Hansen, Arbeit, bot. Inat. Würzburg, j, 426 (1887). — 3) Tschirch, Just Jahresber. (1887), /, 197; Pharm. Zentr. Halle, 30, 611 (1889). — 4) B. JöxVssoN, Botan. Zentr., 93, 457 (1903). — 5) Willstätter, Hocheder u. Hug, Lieb. Ann., 371, 1 (1909). — 6) L. Phipson, Corapt. rend., 47 (1858). Sachs. Lotos (1859), p. 6; Sitz.ber. Wien. Ak., 37, 1453 (1859). J. Boehm, Ebenda, p. 477. — 7) As- kenasy, Botan. Ztg. (1867), p. 229. (Jiü. Kraus, Untersuchungen usw. (18,2), p. 112. — 8) Pringskkim, Monatsber. Berlin. Ak. (1874); Gesamm. Abhandl., 4, l. — 9) Wiesneu, Entstehung d. Chlorophylls (1877), p. 26; Österr. bot. Zu«ch. (1877), p. 7. — 10) Tschirch, Untersuchungen (1884), p. 94; Abhandl. bot. Vereins Prov. Brandenburg, 24, 131. 37* 580 Zwanzigstes Kapitel : KohlensäureTerarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. Wiesner machte ferner auf dfe gewiß wichtige Tatsache aufmerksam, daß bei der Kartoffelpflanze auch jene Leukoplasten, die im normalen Leben niemals ergrünen, Etiolin führen. Elfving(I) hob hervor, daß Etiolin selbst unter Bedingungen entsteht, die Chlorophyllbildung aus- schließen wie niedere Temperatur, und daß Blätter unter solchen Be- dingungen eine lebhaft gelbe Farbe besitzen. Auch die Berichte über die spektroskopischen Befunde differierten, indem Hansen (2) zwischen dem Spektrum des Carotins der Chloroplasten und dem Etiolinspektrum keinen Unterschied finden konnte, während Tschirch charakteristische Differenzen angab. Hansen und Kohl (3) und andere Forscher haben aber unzweifelhaft festgestellt, daß etiolierte Pflanzen reichlich Carotin enthalten; Kohl ging soweit, daran zu zweifeln, ob überhaupt noch ein an- derer Farbstoff als Pigmentbestandteil etiolierter Chloroplasten in Betracht komme. Hervorzuheben ist aus den Befunden von Kohl, daß der Carotingehalt etiolierter Blätter beim Ergrünen nicht abnimmt, sondern steigt, so daß an eine Umbildung der Lipochrome zu Chlorophyll nicht zu denken ist. Mit der KoHLschen Annahme, daß Etiolin wesentlich mit Carotin identisch ist, stimmt es wenig überein, daß, wie Tschirch fand, die Hypochlorinprobe nach Pringsheim auch bei etiolierten Chloro- plasten zu erzielen ist; allerdings soll der entstehende Farbstoff von dem sonst entstehenden Chlorophyllan different sein. Famintzin(4) unter- suchte das Pigment aus den Cotyledonen reifer Helianthussamen, ohne daß sich für die Etiolinfrage neue Gesichtspunkte daraus ergeben hätten. Einen neuen Faktor brachte die Feststellung von Timiriazeff (5) und von Monteverde (6) in die Angelegenheit, wonach etioherte Blätter auch einen fluorescierenden Farbstoff in kleiner Menge enthalten. Dieses Pigment wurde als Protochlorophyll bezeichnet, nachdem Monteverde erkannt hatte, daß das „Protophyllin" von Timiriazeff, welches angeblich sowohl durch Reduktion des Chlorophylls durch Wasserstoff, als durch Ex- traktion aus etiolierten Cotyledonen erhalten worden war, sich nicht als ein- heitlicher Begriff hatte halten lassen. Die anfängliche Vermutung, daß das Protochlorophyll mit der Genese des Chlorophylls direkt zusammenhänge, mußte, jedoch infolge der Ergebnisse lehrreicher Studien von Liro(7) welche durch Issatschenko(8) sowie Monteverde und Lubimenko bestätigt werden konnten, aufgegeben werden. Die eigentliche Mutter- substanz des Chlorophylls konnte nur nach sehr vorsichtigem Trocknen der Blätter im Dunkeln entdeckt werden, da sie thermolabil ist und durch Licht rasch in Chlorophyll übergeht. Hmgegen wird bei der Präparation aus dieser Substanz leicht ein lichtbeständiges fluorescierendes Pigment gebildet, welches nichts anderes ist, als das von Monteverde schon früher erhaltene Protochlorophyll. Das Protochlorophyll gehört somit nicht in die Reihe der Vorstufen des Chlorophylls hinein, sondern ist ein stabiles Uniwandlungsprodukt des labilen Chlorophyllogens, welches als die eigentliche V'^orstufe des Chlorophylls anzusehen ist. Chloro- 1) Elfving, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, 2, III (1880). — 2) A. Hansen, Ebenda, j, 303. — 3) F. Ü. Kohl, Untersuch, üb. d. Carotin (1902), p. 75. Vgl. auch Immendorff, Landw. Jahrb., i8, 516 (1889). Greilach. Öitz.ber. Wien, Ak., //j, I, 121 (1904). — 4) Famintzin, Mölang. biol. tirfe du Bull. Ac. Sei. St. Pöters- bourg, 13 (1893); Botan. Zentr., 5*, 378. — 5) Timiriazeff, Compt. rend., 102, 686 (1886); log, 414 (1889); Nature, 34, 52 (1886); j2, 342 (1885). — 6) N. A. Monte- verde, Acta Horti Petropol., /j, 201 (1894); Bull. Jard. Imp. Bot. Pötersb., 7. 37 (1907). — 7) J. LiRO, Aun. Acad. Sei. Fenn. (1908), /, I, Nr. 1, p. 1. — 8) B. IssATSCHENKO, Bull. Jard. Imp. Bot. Petersb., p, 105 (1909). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 581 phyllogen hat bereits den Absorptionsstreifen im Rot, ist jedoch spektro- skopisch deuUich vom Chlorophyll zu unterscheiden Wenn man noch chlorophyllfreie Pflanzen mit einer geeigneten Vorrichtung während der ersten Belichtung spektroskopisch untersucht, so läßt sich die Chloro- phyllbildung als sehr rasch einsetzender Vorgang direkt beobachten. Als farblose Vorstufe des Chlorophyllogens ist ein noch unbekannter Stoff anzunehmen, den Monteverde und Lubimenko(I) vorläufig als Leukophyll bezeichnet haben. Jedenfalls ist nunmehr allen Theorien, welche einen Zusammenhang der gelben carotinartigen Chloroplasten- pigmente mit Etiolin und Chlorophyllentstehung angenommen hatten, der Boden völlig entzogen und man wird nach anderen Vorstufen des Chlorophylls zu suchen haben. TswETTs Chlorophyllin d wird wohl wesentlich mit dem Proto- chlorophyll zusammenfallen. Die Farbstoffe der herbstlich vergilbten Blätter waren gleich- falls bis in die neueste Zeit Gegenstand lebhafter Kontroversen. Die ältesten Untersuchungen über das Herbstgelb rühren von GuiBOURT (2) her, welcher 1827 annahm, daß die herbsthche Verfärbung von einem Stoffe herrühre, welcher die Stelle der ,, grünen Chromula" in den Blättern einnehme. So- dann wollte Macaire-Prinsep (3) die Gelbfärbung auf Oxydationen und eine Art Ansäuerung der ,,Chromule" zurückführen. Berzelius (4) wendete sich gegen diese unbegründeten Ideen, und stellte den gelben Farbstoff dm'ch Extraktion mit kaltem Alkohol dar; er führte dafür den Namen Xanthophyll ein. Das Phycoxanthin ist natürhch nicht, wie Fremy annahm (5), mit dem Herbstfarbstoff der Blätter identisch. Sachs (6) berührte die chemischen Fragen der Herbstfärbung nicht, stellte aber aus- führüche mikroskopische Untersuchungen an, wobei er sah, wie an Stelle der Chloroplasten eine größere Zahl von kleinen intensiv gelb gefärbten Körnchen zurückbleibt, welche in Alkohol löshch sind. Gegen den Aus- druck „Auswanderung des Chlorophylls", den Sachs gebraucht, ist mancher- lei einzuwenden, wie Mer (7) hervorgehoben hat. Sorby (8) berührte wieder die chemische Frage des Herbstgelbs und unterschied eine Gruppe wasser- löshcher Farbstoffe aus Herbstlaub als Chrysophyll von dem alkohol- löshchen Xanthophyll. Es ist aber, wie auch die Untersuchungen von TsWETT (9) gezeigt haben, kein Zweifel, daß die wasserlöslichen Farbstoffe keine Chloroplastenpigmente sind, sondern Oxydationsprodukte verschie- dener anderer Zellsubstanzen beim Absterben der Blätter, die allerdings bei dem Zustandekommen des Gesamteffektes der Färbung eine gewisse Rolle spielen. In der Folge war es die Hauptfrage, in welcher Beziehung das Herbstxanthophyll zu den normalen alkohollöshchen Chloroplasten- farbstoffen steht, insbesondere zum Carotin. Gr. Kraus hielt beide Farbstoffe für identisch, während Pringsheim (10) Differenzen annahm. Tschirch(II) schlug zwar vor, beide Pigmente als a- und /S-Xanthophyll zu unterscheiden, 1) Monteverde u. Lubimenko, Biol. Zentr., j/, 44fl (1911); Bull. Ac. Imp. Sei. St. P^tersb. (1912), p. (509; (1911), p. 73. — 2) Guibourt, Journ. de Pharm., 13, 27 (1827). — 3) Macaire-Prinsep, Ann. de Chim. et Phys. (2). 38, 415 (1828). — 4) Berzelius, Pog^. Ann, 42, 422 (1837). — 5) Fr^my, Ann. Sei. Nat. 13, 45 (1860). — 6) Sachs, Flora (1863), p. 193; Exp. Physiol. (1865), p. 333. — 7) E. Mer, Bull. Soc. Bot., 20, 164 (1873). — 8) SoRsy, Quart. Journ. Sei. (1871), p. 64; Nature, 31, I0.ö (1885). — 9) Tswett, Ber. Botan. Ge-s., 26a, 94 u. 88 (1908). — 10) Pringsheim, Monatsber. Berlin. Ak. (1874); Gcsamm. Abhandl., 4, 18. — 11) TscHiRCH, Untersuchungen (1884), p. 88. 582 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. neigte aber doch dazu, Identität derselben zu vermuten. Auch Immen- dorff(I) glaubte, daß v/esentiich Carotin bei dem Zustandekommen der Herbstfärbung beteiligt ist. Erst in neuerer Zeit hat sich die Ansicht Bahn gebrochen, daß das Herbstgelb von den Lipochromen grüner Blätter zu unterscheiden sei. Staats (2) stellte durch siedenden Alkohol aus Herbst- laub intensiv gelbe Extrakte her, welche durch Kahlauge rotbraune wasser- löshche Niederschläge erfuhren. Aus wässerigem Alkohol war die Kah- verbindung von Linden- und Buchenherbstgelb in schönen rotgelben Nadeln zu erhalten. Das Pigment wurde Autumnixanthin genannt. Kohl (3) kam zwar auf Grund vergleichender Untersuchungen des Garotingehaltes zu dem Ergebnis, daß das Carotin für die Herbstfärbung nicht die ihm früher zugeschriebene Bedeutung haben könne, da der Carotingehalt der Herbstblätter faktisch geringer ist, als bei grünem Laub, doch neigt sich dieser Autor zu der \nnahme, daß die anderen gelben Chloroplastenpigmente sowie geringe Mengen eines mit Chlorophyll nahe verwandten gelben Farb- stoffes, für die Herbstfärbung kausal in Betracht kommen. Nun ist jedoch nach den letzten Untersuchungen von Tswett selbst für die xanthophyll- artigen Pigmente grüner Chloroplasten die Verschiedenheit vom Herbst- gelb nicht in Abrede zu stellen, und man kann nur ganz geringe Mengen der normalen Lipochrome in herbsthchem Laube nachweisen. Übrigens ist es auch möghch, daß das Herbstgelb wieder ein Gemisch differenter Pigmente darstellt, worüber Untersuchungen noch nicht vorhegen. Da man weiß, daß intensive Beleuchtung und andere Faktoren das Eintreten der Herbstfärbung begünstigen (4), so wäre wohl noch die allgemeine experi- mentelle Behandlung dieser Fragen aussichtsvoll, zumal interessante Ver- suche Stahls (5) vorhegen, welche zeigen, wie man durch Hemmung der Ableitung der Blattstoffe durch Durchschneiden der als Leitungsbahnen dienenden Blattnerven das Vergilben umschriebener Blattstellen stark verzögern kann. Unbekannt ist es auch, inwiefern das Vergilben von an- haltend verdunkelten Blättern mit den herbsthchen Veränderungen in den Blattpigmenten verghchen werden kann. Doch verHeren manche Pflanzen, wie Sachs (6) gezeigt hat, ihr Chlorophyll selbst nach mehrmonathcher Verdunkelung noch nicht. Die winterliche Rötung mehrjähriger Laubblätter, wie sie auffallend bei manchen Coniferen, wie verschiedenen Cupressineen, in Er- scheinung tritt, wird wesenthch diu-ch den in der niedrigen Temperatur ver- minderten Gehalt an Chlorophyll und das stärkere Hervortreten der Chromo- hpoide in den Chlorophyllkörnern bedingt. Schon Haberlandt (7), der diese seit älterer Zeit wohlbekannte Erscheinung (8) genauer verfolgte, konnte sicherstellen, daß durch Einstellen der Pflanzen in einen höher temperierten Raum auch im Winter diese Rötung rückgängig zu machen ist. Bei Thuja soll nach Tswett (9) ein besonderer Farbstoff, der als Thujorhodin unterschieden wurde, die Winterlaubfärbung verursachen, welcher aber nach seinen Reaktionen mit Carotin sehr nahe verwandt ist. Die bei Aloe und 1) Immendorff, Landw. Jahrb., i8, .507 (1889). — 2) G. Staats, Ber. Chem. Ges., 28, 2807 (1895). — 3) F. G. Kohl, Carotin (1902), p. 107. — 4) Vgl Noll, Sitz.ber. Niederrhein. Ges. (1891), p. 80. Mer, Bull. Soc. Botan., 23, 176 (1876). — — 5) E. Stahl, Ber. Botan. Ge.«., 25, 530 (1907); Biologie d. Chlorophylls (Jena 1909). — 6) J. Sachs, Flora (1862), p. 218; Botan. Ztg. (1864), p. 290. — 7) Haber- landt, Österr. botan. Ztsch. (1876), VIII; Sitz.ber. Wien. Ak. (1876). Mer, 1. c. (1876). — 8) Vgl. Mc Nab, Landw. Versuchsstat, 16, 439 (1874). Askenasy, Botan. Ztg. (1867), Nr. 29. Gr. Kraus, Botan. Ztg. (1874), p. 406. — 9) Tswett, Compt. rend., 152, 788 (1911). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 583 Selaginella vorübergehend auftretende Rötung des Laubes durch intensive Beleuchtung beruht nach Molisch (1) jedoch auf Einschlüssen von Carotin. Ob eine Vermehrung des Carotingehaltes unter allen diesen Umständen stattfindet, wie man aus der Beobachtung von Schimper schheßen könnte, wonach beim Wiederergrünen der gelbgewordenen Chloroplasten im Frühjahr die rubinfarbenen Einschlüsse derselben schwinden, wäre noch näher zu prüfen. Nicht zu vergessen ist es, daß sowohl bei der herbst- Uchen als bei winterhcher Laubfärbung häufig auch dem Anthocyangehalt des Zellsaftes eine wesentliche Bedeutung beim Zustandekommen des Ge- samteffektes zukommt. Von analogen Gesichtspunkten hat wohl auch die Untersuchung der Veränderungen der Chloroplasten zu geschehen, welche sich beim Reifen von Früchten einstellen und welche in einer sukzessiven Verminderung des Chlorophylls und Anreicherung an Lipochromen bestehen. Dies geht so weit, daß in der reifen Frucht lebhaft rot gefärbte Chromatophoren vor- handen sind. Häufig begleitet Ausbildung von Anthocyan diese Verände- rungen, die übrigens nicht mehr rückgängig zu machen sind. Bereits Sachs stellte Untersuchungen über diese Vorgänge an den Früchten von Lycium und Solanum Dulcamara an (2). Der Lichteinfluß auf die begleitende Antho- cyanbildung wurde von Askenasy näher studiert (3). Die gelben Begleitfarbstoffe des Chlorophylls in den Chloroplasten sind erst nach der grundlegenden Entdeckung von Kraus einer näheren Untersuchung zugänglich geworden, wonach man durch Hinzufügen von Petroläther zu dem wässerig-alkoholischen Blätterextrakt das Chlorophyll in den Petroläther überführen kann, während die gelben Pigmente im Alkohol zurückbleiben. Nach mehrmaligem Ausschütteln mit Petroläther zeigt der alkoholische Extrakt keine Spur des charak- teristischen Chlorophyllbandes im Rot. Kraus nannte die gelbe alko- holische Fraktion Xanthophyll. Ihr Spektrum zeigte außer der End- absorption zwei Streifen im Blau und Violett; der intensivere von diesen war gleichbedeutend mit Band V der Blattinktur, mit der Lage gleich hinter F, das zweite schwächere Band lag in der Mitte zwischen F und G. Mit Schwefelsäure gab die KRAussche Xanthophyllfraktion eine dunkelblaue Färbung. Im Sonnenlicht blaßte die gelbe Färbung der Lösung rasch aus. Wir wissen heute, daß das KRAUSsche Xanthophyll mehrere gelbe Pigmente enthält, unter ihnen auch Carotin. Eine früher von Fremy(4) 1865 gemachte Beobachtung hätte wenigstens bis zu einer Isolierung des Carotins führen können: nach diesem Forscher wird aus dem Blätterextrakt durch Tonerdehydrat der grüne Farbstoff mitgerissen, während ein gelber Farbstoff in Lösung bleibt. Letzterer ist wesentlich mit Carotin übereinstimmend, da Tswett gezeigt hat, daß sonst alle anderen grünen und gelben Pigmente durch Adsorbentien aus der Lösung gezogen werden. Nach Kraus wurden die Entmischungsversuche noch durch Conrad (5) sowie durch Wiesner (6) fortgesetzt und andere Autoren zeigten, daß man krystallisierende rotgefärbte Pigmente aus Blattextrakten gewinnen kann, wozu das Chrysophyll von Hartsen(7), das Erythrophyll von Bougarel(8) sowie das Xanthin von Dippel(9) 1) H. Molisch, Ber. Botan. Ge«, 20, 442 (1902). — 2) J. Sachs, Experim. Physiologie (1865), p. 330. — 3) Askenasy, Botan. Ztg. (1875), p. 498. — 4) Fremy, Compt. rend.. 61, 189 (1865). — 5) Conrad, Flora (1872), Nr. 25. — 6) Wiesner, Ebenda (1874), Nr. 18. — 7) Hartsen, Arch. Pharm., 207, 136 (1875). — 8) Boü- GAREL, Ber. Chera. Gee.. 10, 1173 (1877). — 9) Dippel, Flora (1878). p. 18. Auch BORODIN, Botan. Ztg. (1883), p. 577. 584 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. gehörten. Auch an den Nädelchen des HARTSENschen Farbstoffes wurde die blaue Schwefelsäurereaktion beobachtet. Einen weiteren methodischen Fortschritt erzielte Arnaud, indem es sich ergab, daß man aus dem trockenen Blattpulver durch Petroläther mit Leichtigkeit ein gelbes Blatt- pigment gewinnen kann, welches nach Abdunsten des Lösungsmittels und Waschen mit Äther in reinen orangeroten Krystallen resultiert. Nun wurde sichergestellt, daß dieses Präparat völlig mit dem Carotin aus Daußuswurzeln übereinstimmt (1 ). Dies konnte Hansen (2), der die grünen Blattpigmente durch Verseifung der Alkohollösung und Auf- nehmen derselben mit Wasser von den gelben Pigmenten trennte und dann erst die Petrolätherlösung derselben herstellte, vollkommen be- stätigen. Hansen wies nach, daß im Spektrum der Blattinkturen nur die Bänder I, II, III und IV vom Chlorophyll herrühren, während die Bänder der blauen Spektralhälfte durch die gelbe Komponente des Pigmentgemisches verursacht werden. Auf die Chemie des Carotins wird an anderer Stelle einzugehen sein. Seine Zusammensetzung wurde von Arnaud richtig als die eines Kohlenwasserstoffes bestimmt. Die von Arnaud gegebene Formel C.26H38 ist durch die neueren Unter- suchungen von WiLLSTÄTTER (3) in C40H56 umgeändert worden. Daß Carotin nicht das einzige gelbe Chloroplastenpigment ist, wurde zuerst durch die Beobachtung Borodins über die ungleiche Löslichkeit der gelben Blattpigmente in Petroläther und Alkohol wahrscheinlich gemacht, woran sich spektroskopische Beweisgründe in den Arbeiten von Tschirch(4) und ScHUNCK(5) anschlössen. Tschirch zeigte, daß die Absorptions- bänder im Blau sämtlich vom Carotin herrühren (er ließ die Identität des Chloroplastencarotins mit dem Möhrencarotin noch in suspenso und sprach von „Xanthocarotin"), hingegen läßt Carotinlösung das gesamte Ultraviolett durch. Die Lage der Bänder im Blau ist folgende: Band I A = 487— 470 ^ly. II A = 457-439 (xjx „ III^A = 429-417 (ji(x (mit dem Quarzspektrograph untersucht). Fällt man nun aus der alkoholischen gemeinsamen Lösung der gelben Blattpigmente das Carotin als Jodid, so behält die jodfrei ge- machte Lösung ihre gelbe Farbe bei und zeigt Absorption des ultra- violetten Spektralteiles. Für diese restierende Komponente des Farbstoff- gemisches wurde der Namen Xanthophyll beibehalten. Tswett(6) kam auf Grund seiner adsorptionsanalytischen Studien zu dem Ergebnis, daß das Xanthophyll mindestens aus drei verschiedenen Farbstoffen bestehen müsse. Dieselben konnten jedoch bisher noch nicht in hinreichender Menge isoliert werden. Es scheint, als ob die von Tschirch und Schunck(7) unter- suchten Xanthophyllpräparate verschiedene Mischungen dieser Kompo- nenten gewesen wären. Als Xanthophyll haben sodann Willstätter 1) ARNAUD, Compt. rend., 100, 7.51 (1885); 102, 1119 u. 1319 (1886). — 2) A. Hansen, Sitz.ber. phys.-med. Ges. Würzbur^ (1883); Arbeit, bot. Inst. Würzburg, 3, 127 (1884); Farbstoffe d. Chlorophylls (1889). Auch Schunck, Proceed. Roy. Soc. 44, 449. MoNTEVERDE, Act. Hort. Petropol., 13, 123 (1893). — 3) Willstätter u. MiEG, Lieb. Ann., 35s, 1 (1907). — 4) Tschirch, Ber. Botan. Ges., 14, 76 (1896); Botan. Zentr., 67, 78; Flora (1905), p. 383. — 5) C A. Schunck, Proceed. Roy. Soc, 63, 389 (1898); 65, 177 (1899); 72, 165 (1904). — 6) Tswett, Ber. Botan. Ges., 24, 384 (1906). — 7) Schunck, Proceed. Roy. Soc, 72, 165 (1903); 68, 479 (1901); 6s, 177 (1899). § 6. Farbstoffe aus der Gruppe d. Anthocyanine in chlorophyllführ. Pflanzenteilen. 5g5 und MiEG aus den Mutterlaugen von der Chlorophyllverseifung große Mengen von krystallisiertem gelben Farbstoff isoliert, der an Menge das in dem gleichen Material enthaltene Carotin im Alkoholextrakt um mindestens das vierfache übertraf. Dieses vom Carotin durch Krystall- form, Farbe, Löslichkeitsverhältnisse scharf unterschiedene Lipochrom erwies sich als sauerstoffhaltig und unterschied sich in der Formel vom Carotin nur um einen Mehrgehalt von 2 Atomen Sauerstoff. Carotin: C40H56, Xanthophyll: CioHgeOg. Reines Carotin ist leicht löslich in Petroläther und Schwefelkohlenstoff, wo das Xanthophyll nur wenig, in ersterem gar nicht in Lösung geht, und Xanthophyll ist leicht löslich in Aceton, wo Carotin recht schwer löslich ist. Da das Xanthophyll eine recht leicht zersetzliche Substanz ist, so ist es noch nicht möglich ge- wesen, die verschiedenen Modifikationen dieses Farbstoffes voneinander zu sondern. Auch wird die Angabe von Tschirch(I), wonach Carotin schon bei längerem Stehen an der Luft und durch Behandlung mit ver- schiedenen Reagentien in Xanthophyll übergeht, von Willstätter nicht berührt. Mikroskopische Krystalle der erwähnten Farbstoffe sind auf ver- schiedenem Wege in situ in den Zellen zu erhalten. Frank und Tschirch (2) haben dies durch Behandlung der Schnitte mit Säure erreicht, Molisch (3) konnte mit Sicherheit die charakteristischen gelben Krystalle in den Zellen erhalten, als er die Objekte einige Zeit in konzentriertem alkohohschem Kah hegen heß, Tswett (4) erhielt das gleiche Ergebnis durch Resorcin- behandlung, und wie E. Liebaldt C5) hier gezeigt hat, erreicht man schon durch Behandlung mit verdünntem Alkohol in den meisten Fällen dasselbe Resultat. Bei dieser Reaktion hat man nur zu bedenken, daß es sich hier nicht um eine Probe auf Carotin handelt, wie häufig behauptet wurde, sondern daß die Krystalhsation eine Mischung der verschiedenen Lipochrone darstellt (6). Die älteren Angaben über das „Carotin" in etioherten Chloro- plasten sind noch hinsichthch des Xanthophyllvorkommens zu überprüfen, da es nicht ausgeschlossen ist, daß grüne und etioHerte Chloroplasten ge- wisse Differenzen in dieser Hinsicht zeigen. Der Gehalt an Lipochromen dürfte in etioherten Pflanzen geringer sein als bei normal grünen (7). Als „Phyllofuscin" bezeichnete Kohl (8) einen von ihm aus vollkommen chlorophyllfreien gelben Blättern von Sambucus nigra fohis luteis dar- gestellten wasserlöshchen gelben Farbstoff. Ich halte dieses Pigment sowie das von Macchiati (9) aus Blättern von Evonymus japonica gewonnene ,,Xanthophylhdrin", eine nach den Angaben dieses Forschers gleichfalls wasserlöshche in gelben Krystallen erhälthche Verbindung, nicht für Ghloro- plastenfarbstoffe, sondern wahrscheinhch erst bei der Präparation ent- standene Oxydationsprodukte. § 6. Farbstoffe aus der Gruppe der Anthocyanine in chlorophyll- führenden Pflanzenteilen. Obwohl solche Farbstoffe niemals in Chloroplasten lokalisiert vor- kommen und mit dem Assimilationsprozeß nie direkt zu tun haben, so 1) Tschirch, Ber. Botan. Ges., 22, 414 (1904). — 2) Frank, zit. b. Tschirch, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884), p. 92. Tine Tammks, Flora, 87. 204 (1900). — 3) H. Molisch, Ber. Botan. Ges., 14, 18 (1896). — 4) Tswett, Botan. Zentr., /«, 83 (1900). — 5) E. LiEUALDT, Ztsch. f. Botan.. 5. ()•'> (1913). — 6) Vpl. Tswett. Ber. Botan. Ges., 29, 630 (1911). — 7) Vgl. Immendorff, 1. c .Montevepde, Botan. Zentr., 47, 132 (1891). Molisch, 1. c. Kohl, 1. c. (1902). — 8) Kohl, 1. c. (1902), p. 145. - 9) Macchiati, Gaz. chim. ital., /ö, 231 (188ü); Malpighia, /, 478 (1887). 586 Zwanzigstes Kapitel : EohlensäureTerarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. spielen sie doch hinsichtlich der assimilatorischen Tätigkeit der Blatt- organe oft eine wichtige biologische Rolle, so daß ihre Erwähnung in dem Kapitel über Chlorophylltätigkeit nicht ungerechtfertigt erscheint. Allerdings sind solche Farbstoffe in chlorophyllfreien Organen so häufig vorhanden und stehen mit oxydativen Leistungen im Pflanzenkörper in so deutlicher Beziehung, daß man in Hinkunft wohl besser tun wird, ihre Beziehung zur Atmung in den Vordergrund zu stellen und dieselben in den von Palladin begründeten Begriff der „Atmungspigmente" ein- zuordnen. Wir behandeln hier gemeinsam alle jene roten und blauen Farbstoffe in Blättern, Blüten und Früchten, die man durch Wasser dem zerkleinerten Material ohne weiteres entziehen kann. Schon Nehemiah Grew(1) stellte solche Extraktionsversuche mit Wasser und Alkohol an. Senebier wußte, daß der rote Farbstoff besondere in der Epidermis der Blätter lokaüsiert ist und dem inneren grünen Gewebe zu fehlen pflegt. Die späteren Arbeiten gaben sich vielfach unfruchtbaren ideaüstischen Spekulationen über die Bedeutung der Pflanzenfarbstoffe hin, und nur Studien von Schübler und Frank (2) sind einer Erwähnung wert, weil hier die Farbenverände- rungen an den Pflanzenextrakten richtig mit den Veränderungen durch Säure und Alkaü verglichen werden, welche die Pflanzenteile selbst bei dieser Be- handlung erfahren. Macaire (3) erkannte die Beziehungen der Ausbildung von Blattrot zum Licht, begründete aber auf seine Erfahrungen eine irrige Hypothese über Umwandlung von Chlorophyll in rotes Pigment, die lange Zeit in der Literatur eine Rolle spielte und erst durch Mohl (4) widerlegt worden ist. Cl. Marquart (5) faßte 1835 in dem heute gebräuchüchen Sinne alle roten, blauen und violetten Zellsaftpigmente, die die charakte- ristische Farbenänderung mit Säuren und Alkali zeigen und wasserlösUch sind, als „Anthocyan" zusammen. Aus chemisch-nomenklatorischen Gründen empfiehlt es sich, die vielfach gebräuchhche Änderung des Namens in Antho- cyanin vorzunehm'en. Die Meinung des genannten Forschers, daß zwischen Chlorophyll und Anthocyanin ein Zusammenhang bestehe, war auf un- richtig gedeuteten Beobachtungen begründet und wurde schon von MoHL zurückgewiesen. Übrigens vertrat auch Mulder (6) die Ansicht, daß die gelben und blauen Pigmente durch Zersetzung des Chlorophylls entstehen. MeyEN (7) stellt die chemischen Reaktionen des Anthocyanins bereits gut zusammen. Berzelius (8) untersuchte den roten Farbstoff aus Kirschen und Johannisbeeren, den er unter dem Namen „Erythrophyll' beschrieb. Ebenso wie dieses ist natürlich auch das „Erythrogene "von HoPE (9) sowie das „Cyanin" von Fremy und Cloez(IO) nüt Anthocyanin identisch. Wenngleich Anthocyaninfarbstoffe sehr gewöhnlich im Zellsaft gelöst vorkommen, so kann man, wie besonders Molisch (11) gezeigt hat, oft genug diese Pigmente in den Zellen in Krystallform ausgeschieden finden. 1) Neh. Grew, Anat. of Planta (1682), p. 273—274. — 2) G. Schübler u C. A. Frank, Schweigg. Journ., 46, 285 (1826). — 3) Macaire. M4m. Soc. phys Genfeve, 4, 49 (1828). — 4) H. v. Mohl, Vermischte Schriften, p. 375. — 5) Cl Marquart, Farben der Blüten (1835). Elsner, Schweigg. Journ., 65, 165 (1832) Pogg. Ann., 47, 483 (1839), hatte etwa gleichzeitig auf die Identität der roten Blüten, und Blattfarbstoffe hingewiesen. Ferner Morren, Sur les feuilles vertes et color^es (Gand 1858). — 6) Mülder, Physiolog. Chem. (1844), p. 284. — 7) Meyen, Pflanzen- physiologie, /, 185; 2, 442 (1837). — S) Berzelius, Lieb. Ann., 21, 257 (1837). — 9) Zit. b. Meyen, 2, 442. — 10) Fremy u. Clo£z, Journ. prakt. Chem., 62, 269. — 11) H. Molisch, Botan. Ztg., 63, I, 145 (1905). § 6. Farbstoffe aus der Gruppe d. Anthocyanine in chlorophyllführ. Pflanzenteilen. 587 Augenscheinlich gehören manche früher angegebenen Befunde, wie die blauen und violetten Körnchen des Zellinhaltes verschiedener Blüten und Früchte, die Hildebrandt (1) beschreibt, sowie die „Farbstoffkörper" in der Fruchtschale reifer Coffeabeeren (2), in diese Klasse von Vorkommnissen. Sodann läßt sich gelöstes Anthocyanin leicht durch Zusatz von verdünnter Essigsäure nach Molisch oder durch Konzentrierung des Vacuolen- inhal -und 20° steigert sich die Assimi- lation von Laurocerasus um das 2,1 fache, während sie bei Helianthus auf das 2,5 fache anwächst. Nach den Angaben von Arno Müller (1) besitzen jene Blätter, die nur Zucker als Assimilationsreserven ablagern, eine geringere Assimilationsgröße als die stärkebildenden, amylophyllen Pflanzen; hingegen scheint zwischen der assimilatorischen Leistung von Sonnen- und Schattenblättern eines Baumes kein Unterschied in der Assimilationsarbeit zu bestehen. Griffon(2) gibt an, daß zwischen heller und dunkler grünen Blättern einer Art keine Differenz der Assi- milationsenergie bestehen muß. Auch konstatierte Gilbert (3), daß durch reichliche Stickstoff düngung wohl der Chlorophyllgehalt der Pflanzen ver- mehrt wird, jedoch die Produktion an organischer Substanz nicht ansteigt. Für Algen gab auch Engelmann (4) an, daß der sehr blasse Scenedesmus caudatus viel energischer Sauerstoff ausscheidet als chlorophyllreichere Palmellaceen in demselben Wassertropfen. Hingegen stimmt in dem oben angeführten Beispiel spezifischer Assimilationsdifferenzen aus Webers Versuchen die Reihenfolge in der Assimilationsenergie mit der Chloro- plastenzahl überein, da nach Haberlandt (5) die Chloroplastenzahl pro 1 qmm der Blattoberseite bei Phaseolus 283 000, bei Ricinus 403 000 und bei Helianthus 495 000 beträgt. Von Interesse ist die Angabe von Gtltay(6), daß die Assimilationsenergie von Tropenpflanzen sich wesentlich innerhalb derjenigen Grenzen bewegt, die man bei Pflanzen im gemäßigten Klima beobachtet. Helianthus zeigte, in Europa und in Java gezogen, denselben Assimilationsmittelwert. § 13. Ansichten über die chemischen Vorgänge bei der Synthese von Kohlenst'^^fverbindungen aus Kohlensäure und Wasser durch chlorophyllgrüne Pflanzen im Lichte. Wenn wir auch mit großer W^ahrscheinlichkeit dem Chlorophyll- farbstoff eher bei der Energieübertragung in der photosynthetischen Tätigkeit der Laubblätter eine Hauptrolle zuschreiben dürfen, als im eigentlichen chemischen Mechanismus der Kohlensäurereduktion und in dem Aufbau der Assimilate, und dem farblosen Stroma der Chloroplasten die Hauptbedeutung bei dem letzteren Vorgang zuzuteilen geneigt sind, so ist es gar nicht sicher, ob nicht doch dem Chlorophyllfarbstoff wichtige chemische Funktionen zufallen und das Stroma nicht das allein synthetisch 1) Arno Müller, Jahrb. wiss. Botan , 40, 443 (1904). — 2) Griffon, Compt. rend, 127, 253 (1899). — 3) Gilbert. Nature, jj, 91 (1885); Chem. News (1885), p. 263. — 4> Engelmann, ßotan. Ztg. (1888), p. 718. — 5) Haberlandt, Jahrb. wiss. ßotan., 13, 95 (1882). — 6) Giltay, Ann. Jard. Buitenzorg, 75, 43 (1898). § 13. Ansichten üb. d. ehem. Vorg. b. d. Photosynthese v. Kohlenstoff verbind, usw. 621 wirksame Agens ist. Doch wissen wir derzeit über die Rollenverteilung der Chloroplastenbestandteile so wenig, daß man diese Frage nicht gut näher diskutieren kann. Was den chemischen Hauptvorgang anbetrifft, so verfügen wir über eine Reihe von scharfsinnig erdachten, zum Teil recht wahrscheinlichen Hypothesen, ohne daß wir jedoch irgendein Teil- gebiet dieser Vorgänge in den Bereich gesicherter Kenntnisse rechnen dürfen. Alles, was wir berichten können, sind nur unsichere, auf indirekten Schlüssen aufgebaute Folgerungen und Hypothesen von größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit. I. Dasjenige Produkt, welches die Kondensation von Kohlensäure und Wasser zum ersten Ziele hat, sind wahr- scheinlich Hexosen. Diese Meinung hat wohl zuerst Davy aus- gesprochen. Sie geriet später in Vergessenheit, findet sich nur hier und da, z. B. von Mohl zitiert, und erwachte zu neuem Leben durch die grundlegenden Arbeiten von Mohl, Gris und besonders Sachs, durch die bewiesen wurde, daß das Auftreten von Amylumkörnchen in den Chloroplasten mit der Aufnahme der Kohlensäureassimilation kausal verknüpft ist. Sachs nannte die Chloroplasten stärke „das erste sichtbare Assimilationsprodukt". Boehm versuchte später einzuwenden, daß die Stärkebildung nicht nur durch autochthon entstandenen Zucker, sondern auch durch Zucker, der aus anderen Teilen der Pflanze, oder künstlich von außen, zugeführt wird, vermittelt werden könne. Durch diese Ein- wände kam allerdings Boehm zu der wichtigen Entdeckung, daß fast alle Chloroplasten aus zugeführtem Zucker Amylum erzeugen können. Doch werden die Zweifel an der SACHSschen Auffassung schon durch die Tatsache widerlegt, daß die Stärkekörner in den Chloroplasten exakt nach Beginn der Belichtung auftreten. Famintzin(I) fand bei Spirogyra in hellem künstlichen Lichte schon nach 30 Minuten Amylumbildung, Kraus (2) im Sonnenlicht sogar schon nach 5 Minuten. Bei Phanero- gamen sind nach Godlewski(3) in gewöhnlicher Luft zur Entstehung nachweisbarer Stärkemengen 60 Minuten, bei Darbietung von 4 — 8 % COj sogar nur 15 Minuten nötig. Sodann beweist die 1884 durch Sachs dargelegte Lokalisierung der Stärkebildung im Lichte auf die einzelnen direkt beleuchteten Blattpartien überzeugend die Auffassung der Chloro- plastenstärke in Blättern als autochthon gebildetes Assimilationsmaterial. Allerdings läßt sich die Stärkebildung nicht immer als Argument für die primäre Bildung von Kohlenhydraten in Chloroplasten benutzen, da viele Algen, wie Diatomeen, Peridineen, Phaeophyceen, Vaucheria und manche Phanerogamen stets Oleinschlüsse und nie Stärke in den Chloro- plasten aufweisen. Anfangs von Briosi(4) für Musa und Strelitzia und von Borodin (5) für Vaucheria als,direkte Assimilationsprodukte aufgefaßt, haben sich diese Fettröpfchen durch die Studien von Holle, Godlewski, FLEISSIG, Ernst und anderen (6), als Reservestoffe sekundärer Bildung herausgestellt. Speziell für Musa konnte Godlewski zeigen, daß auch hier bei höherem Kohlensäuregehalt der Luft reichlich Chloroplastenstärke auftritt. Andere Blütenpflanzen erreichen zwar im normalen Leben nie eine so hohe Zuckerkonzentration in den Chloroplasten, daß sie Stäikanlage- rungen bilden könnten („saccharophylle Pflanzen"), lassen aber bei künst- 1) Famintzin, Jahrb. wres. Botan., 4, 31 (1867); M^lang. biol, 5. 528 (1865). — 2) Ge. Kraus, Jahrb. wiss. Botan., 6, 511 (I8ü9). — 3) Godlewski, Just, Jahresber. (1875), p. 788. — 4) Briosi, Botan. Ztg. (1873), p. 529. — B) BoRODiN, Ebenda (1878), p. 513. — 6) Holle, Flora (1877), p. 113. Godlewski, L c. 622 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. lieber Darreichung von Zuckerlösung höherer Konzentration ihre Be- fähigung zur Stärkebildung erweisen. Als eine Stütze der Anschauung, daß als Produkt der COa-Assimilation zunächst Zucker entsteht, wird gewöhnlich auch die seit Saussure bekannte und oben bereits dargelegte Tatsache angeführt, daß für ein 1 Volum aufgenommener CO^ ein gleiches Volum Sauerstoff abgegeben wird, so daß das Gasvolumen in einem ab- geschlossenen Räume, in dem sich assimilierende Pflanzen befinden, an- nähernd konstant bleibt. Daraus zog schon Davy den Wahrscheinlich- keitsschluß, daß zunächst in der Pflanze eine Verbindung entsteht, welche auf 1 Äqu. Sauerstoff 2 Äqu. Wasserstoff enthält, so wie es eben bei Zucker und Kohlenhydraten der Fall ist. Schließlich kann man auf Grund der von Boehm(I) und A. Meyer (2) zuerst gewonnenen experimentellen Erfahrungen prüfen, ob bei Blättern, die im Dunkeln auf Lösungen verschiedener Substanzen schwimmen, Zucker in der Tat das beste Material zur Stärkebildung in den Chloroplasten abgibt. Nun sind wirklich die vier Hexosen: GJucose, Mannose, Fructo^e und Galactose, sowie Saccharose, weit verbreitet die einzig geeigneten Materialien zur Stärkebildung, wenn wir von wenigen positiven Erfolgen mit Maunit und Dulcit, sowie von einem vereinzelten Fall absehen, in dem bei Cacaliablättem Glycerin etwas Stärkebildung hervorrief. Am allgemeinsten und besten scheinen Fructose, Saccharose und Glucose zu wirken. Galactose fand Meyer nur bei Caryophyllaceenblättern gut ge- eignet, Mannit nur bei Oleaceen und Dulcit bei Evonymus, entsprechend dem Vorkommen dieser Stoffq als Reservematerial. Daß die genannten Hexosen so allgemein als Substrat der Stärkebildung dienen können, vermag als eines der besten biologischen Argumente für das primäre Entstehen dieser Stoffe im Assimilationsprozesse zu dienen. Wenn manche Forscher, wie Brown, Went, Marcacci oder Perrey(3) den Rohrzucker als primäres Assimilationsprodukt hinstellten, so kann man dies nur insoweit gelten lassen, als daß sehr frühzeitig die Rohrzucker- bildung aus den vorerst formierten Hexosen stattfindet. Da es bekannt ist, daß Glucose, Fructose und Mannose sehr leicht ineinander übergehen, so braucht die Frage, welcher dieser drei Zucker primär entsteht, nicht diskutiert zu werden, weil sich je nach den Bedingungen in der assimi- lierenden Zelle das Gleichgewicht zugunsten der einen oder anderen Hexose neigen kann. Daß Glucose das der Stärke vorangehende Assimi- lationsprodukt ist und eine gewisse Grenzkonzentration derselben zur Stärkebildung benötigt wird, weshalb man die Stärke als Reservestoff auf- zufassen hat, haben zuerst Mer und besonders Schimper(4) in nach- drücklicher Weise hervorgehoben. Während auch in den neueren Untersuchungen von Laurent und von Nadson (5) die ausschüeßliche Eignung der genannten Zuckerarten als Material für die Bildung der Chloroplastenstärke betont wird, liegen für Algen eine Anzahl von Angaben vor, speziell für Spirogyra seitens Bo- korny(6), wonach auch einfachere Kohlenstoffverbindungen zur Amylum- 1) BoEHM, Botan. Ztg. (1883), p. 36. — 2) A. Meybr, Ebenda (1885), p. 435. — 3) H. T. Brown, Meet. Brit. Assoc. Adv. Sei. Nottingham (1893), p. 811. Mar- cacci, Just Jahresber. (1889), /, 26. A. Perrey, Compt. rend., 94, 1124 (1882). — 4) SCHIMPER, Botan. Ztg. (1885), p. 737. Mer, Bull. Soc. Bot., 20, 164 (1873); Compt. rend., 112, 248 (1891). — 6) Laurent, Botan. Ztg. (1886), p. 151. Nadson, Botan. Zentr., 42, 48 (1890). — 6) Bokorny, Biolog. Zentr., 17, 1 (1897); Landw. Vereuchastat. (1889); Chem.-Ztg., 20, 1005 (1896). § 13. Ansichten üb. d. ehem. Vorg. b. d. Photosynthese v. Kohlenstoffverbind, usw. 623 bildung benutzt werden können. So soll Glykol in Betracht kommen, aber auch die verschiedensten anderen Kohlenstoffverbindungen, darunter selbst aromatische, wie Phenol. Bei der durch Jackson gefundenen Stärkebildung aus Glykolaldehyd konnte eine Polymerisierung zu Hexose helfend ein- gegriffen haben. Obzwar für die Pilze die Fähigkeit, Zucker auf Kosten der verschiedensten KohlenstoffmateriaUen zu bilden, feststeht, so bedarf dieser Punkt für die chlorophyllführenden Algen noch einer gründUchen Nachprüfung, besonders hinsichtUch des ümstandes, ob in Bokornys Ver- suchen die Kohlensäureassimilation wirkhch absolut ausgeschlossen war. BoKORNY(l) gab an, daß die Assimilation der Zuckerarten durch Spirogyra überhaupt nur im Licht stattfinden könne. Stärkebildung aus Glycerin beobachtete übrigens auch Klebs an Zygnema (2). Daß Pentosen im Assimilationsprozesse nicht gebildet werden, ist durch eine Reihe von Erfahrungen ziemhch sichergestellt (3). Man findet natürhch niemals die Gesamtmenge der Assimilate als Stärke und Zucker vor, weil sich eine partielle Weiterverarbeitung der- selben unnüttelbar an die Zuckersynthese anschließt. Saposchnikoff (4) schätzt die wirkhch vorgefundene Menge der Kohlenhydrate auf 64 bis 87% der Gesamtassimilate ein. Diese Tatsache steht mit der Annahme einer primären Zuckersynthese im Einklang und muß nicht etwa in dem Sinne einer Annahme einer primär stattfindenden Eiweißsynthese verwertet werden. II. Auf welchem Wege entstehen Hexosen aus Kohlen- säure und Wasser? Von allen in neuerer Zeit hierüber aufgestellten chemischen Hypothesen steht noch immer, und jetzt mehr denn je, die geistvolle 1870 von A. v. Baeyer(5) aufgestellte Idee im Vordergrunde, wonach die Kohlensäure zunächst durch Reduktion in Formaldehjd ver- wandelt wird und dieser Aldehyd durch Kondensation in Zucker übergeht. In ihrer ursprünglichen Form knüpfte die BAEYERsche Hypothese aller- dings nicht nur an die BuTLEROWsche Kondensation des Formaldehyds an, sondern nahm auch an, daß der Chlorophyllfarbstoff, ähnlich wie das Hämoglobin, Kohlenoxyd binde. Durch Sonnenlicht sollte die Kohlen- säure, so wie es bei hohen Temperaturen der Fall ist, sich in CO und 0 dissoziieren, der Sauerstoff sollte entweichen und das CO sich mit dem Chlorophyll verbinden. Diese Hypothese war viel glücklicher kon- zipiert als die ältere, vom chemischen Standpunkte aus jedoch vollkommen plausible Theorie von Liebig (6) aus dem Jahre 1843, wonach die Kohlensäure zunächst zur Entstehung organischer Säuren führe, welche bei weiterer Reduktion Zucker liefern. Es ergab sich aber im Laufe der Zeit, daß sich diese letztere Theorie, die bis in die jüngste Zeit immer wieder vereinzelte Anhänger fand (7), mit vielen physiologischen Tatsachen schwer in Einklang bringen läßt. Im wesentlichen sind die organischen Säuren als Oxydationsprodukte des Zuckers und nicht als Vorstufen der 1) BoKORNY, Chem.-Ztg., 20, 1005 (1896). — 2) Klebs, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, 2, 538; ßotan. Ztg. (1891). Assfahl, ßotan. Zentr., ss, 148 (1893). — 3) G. DE Chalmot, Amer. Chera. See, 15, 618 (1893). — 4) Saposchnikoff, ßer. ßotan. Ges. (189U), p. 241. A. Meyer, ßotan. Ztg. (1888), p. 465. — 5) A. v. ßAEYER, ßer. Chera. Ges., j, 63 (1870). — 6) J. v. Liebiq, Liebigs Ann., 46, 66 (1843). — 7) Ballo, ßer. Chera. Ges., 17, 6 (1884). Stutzer, Landw. Ver- Buchsstat., 21, 93 (1877). Leplay, Compt. rend., 102, 1254 (1886). ßRUNNER u. Chuard, Juat Jahresber. (1887), /, 163. E. ßAUR, Ztsch. physik. Chera., 63, 683 (1908). Hierzu Euler, Ztsch. physiol. Chera., 59, 122 (1909). Inghilleri, Ebenda, 77, 105 (1911); Rend. Acad. Fisiocrit. Siena, 218, VI (1911). H. Moissan, Compt. rend., 140, 1209. 624 Zwanzigstes Kapitel : Eohlensäureverarbeit. u. Zuckiersynthese im Chlorophyllkum. Zuckerbildung aufzufassen. Bei den Succulenten häufen sich die Säuren nicht bei Tage, sondern während der Nacht an. Deshalb ist auch die neuere Theorie von Baur abzuweisen, welche die Reaktion der Oxal- säurebildung aus CO2 und H^O unter der Mitwirkung des Lichtes zur Erklärung der Chlorophyllwirkung heranziehen wollte. Eine Reihe anderer Assimilationshypothesen sind nie zu größerer Bedeutung gelangt, wie die Theorie von Sachsse (1), wonach Chlorophyll das erste sichtbare Assimilationsprodukt sei, welches durch CO2 -Reduktion entstehe und durch weitere Veränderungen fortwährend Fett und Kohlen- hydrate liefere. Ferner die Ansicht Pringsheims (2), wonach das durch Säuren aus den Chloroplasten zum Austritt zu bringende „Hypochlorin" [dessen Natur als Chlorophyllan durch A. Meyer und Tschiech erkannt wurde] das erste Assimilationsprodukt sei. Sodann die Hypothese von Cräto(3), daß zunächst Benzolderivate entstehen, die Ansicht von Ma- QüENNE(4), daß Methan als Zwischenprodukte auftrete usw. Diejenigen Forscher, welche die experimentelle Prüfung der Baeyer- schen Hypothese in Angriff nahmen, begannen zunächst nach der Gegen- wart von Formaldehyd in assimilierenden grünen Pflanzen zu suchen. In der Tat wies Reinke(5) in Blättern flüchtige stark reduzierende Stoffe nach und er konnte auch finden (6), daß verdunkelte Blätter diese Stoffe meist in geringerer Menge enthalten. Reinke und Curtius(7) sahen aber alsbald, daß die Hauptmenge dieser Produkte nicht Formal- dehyd, sondern eine andere aldehydartige Verbindung sei, deren Natur in jüngster Zeit durch Curtius und Franzen(8) aufgeklärt worden ist. Es ist dies mit Sicherheit der a, ^S-Hexylenaldehyd mit der Konstitution CH3 . CH2 • CH2 • CH : CH • COH. Da diese Substanz dasselbe Kohlenstoff- skelett hat wie die Glucose, so ist es wahrscheinlich, daß wir es hier mit einem sekundär entstandenen Reduktionsprodukt des Zuckers zu tun haben. Dieser Aldehyd fand sich in allen untersuchten Blättern, so daß seiner Entstehung ein überall vorkommender Prozeß zugrunde liegen muß. Die flüchtigen Säuren der bisher am ausführlichsten untersuchten Carpinusblätter sind Ameisensäure und Essigsäure sowie geringe Mengen höherer Säuren, unter denen wohl die dem Hexylenaldehyd ent- sprechende Hexylensäure nicht fehlt. Bei der Untersuchung der flüchtigen Aldehyde hat es sich weiter herausgestellt, daß auch Formaldehyd in den Blättern vorhanden ist, wie die Überführung in Ameisensäure un- zweideutig zeigte. Sonst konnten noch Acetaldehyd, n-Butylaldehyd, Valeraldehyd und höhere Homologa des Hexylenaldehyds nachgewiesen werden. Die vorkommenden Alkohole erwiesen sich als Butylenalkohol, Pentylenalkohol, Hexylenalkohol, ein Alkohol C8H14O und mehrere höhere Alkohole. Der ganze Charakter dieses Stoffgemisches läßt darauf schließen, daß alle diese Substanzen mit den photogenen Reduktionsprozessen im Chlorophyllkorn zusammenhängen. Man kann sie sämtlich als Reduktions- 1) R. Sachsse, Sitz.ber. Naturf. Ges. Leipzig (1875), p. 115; Chem. Zentr. (1881), p. 169, 185. — 2) Pringsheim, Monatsber. Berlin. Ak. (1879 u. 1881); Jahrb. wiss. Botan., 12, 288 (1881). — 3) Crato, Ber. Botan. Ges. (1892), p. 250. — 4) Maquenne, Chem. Zentr. (1882), p. 329. — 5) J. Reinke, Ber. Chem. Ges., 14, 2144 (1881); Botan. Ztg. (1882), p. 289. Reinke u. Krätzschmar, Studien üb. d. Protoplasma, 2. Folge, p. 59 (1883). — 6) Reinke u. Bradnmüli-er, Ber. Botan. Ges., 17, 7 (1899). — 7) Reinke u. Curtids, Ebenda, 15, 201 (1897). — 8) Th. Curtius u. Franzen, Lieb. Ann., 390, 89 (1912); Ber. Chem. Ges., 45, 1715 (1912); Sitz.ber. Heidelberg. Ak. d. Wiss., mathem.-naturwiss. Kl. (1910 u. 1912). Franzen, Chem.-Ztg., 34, 1003 (1910). § 13. Ansichten üb. d. ehem. Vorg. b. d. Photosynthese v. Kohlenstoffverbind, usw. 625 stufen der Kondensationsprodukte des Formaldehyds bis zu Hexosen hinauf auffassen. Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt die Auf- findung des Formaldehyds besonderen Wert, da es natürlich nicht aus- geschlossen erscheint, daß dieser Aldehyd anderweitigen Umsetzungen im Stoffwechsel entstammt und nicht unbedingt als Reduktionsprodukt der CO2 zu gelten braucht. Die kritischen Versuche von Fincke(1) fordern allerdings zu einer weiteren Prüfung der Angelegenheit auf. Seit längerer Zeit hat man verschiedene qualitative Reaktionen, in erster Linie Farbenreaktionen, zur Auffindung des Formaldehyds in Blättern, ja zur LokaHsation der Reaktion in den Chloroplasten herangezogen. So hat POLLACCI (2) im Destillate aus zerquetschten Blättern eine Reihe von Reaktionen erhalten, die auf Aldehyde bezogen werden können und welche bei Verdunklung, Kohlensäureentziehung, sowie bei chlorophyllfreien Organen nicht erhalten werden. Die Meinung dieses Forschers, daß gleichzeitig mit Formaldehyd etwas Wasserstoff und Methan von assimilierenden Blättern gebildet werde, ist in neuerer Zeit von ihm selbst nicht mehr wiederholt worden und dürfte auch in der Tat durch die Beimengung von Verbrennungs- gasen in der Versuchsvorrichtung entstanden sein. Pollacci zog besonders die Fuchsinbisulfitreaktion nach Schiff als Beweis für Formaldehyd heran, Gräfe (3) benutzte die mit einer Nitrosoverbindung enthaltenden H2SO4 und Diphenylamin entstehende Grünfärbung, welche für Formaldehyd charakte- ristisch sein soll, Kimpflin (4) führte mit Glaskapillaren eine Mischung von Natriumbisulf it und Methyl-p-amino-m-Kresol in das Gewebe von Agaven- blättern ein und schloß aus der Rötung auf die Formaldehydbildung, GiBSON (B) verwendete die Probe mit Gallussäure und H2SO4, und andere einschlägige Angaben rühren von Bokorny und Gentil her (6). Gleich- gültig ob man diese Reaktionen benutzt oder eine der anderen zahlreichen Farbenreaktionen des Formaldehyds, wie die Reaktion von Rimini: Blau- färbung mit Phenylhydrazinchlorhydrat, Nitroprussidnatrium und NaOH (7), oder die Blaufärbung mit Carbazol-Schwefelsöure (8), oder die Rotfärbung mit Benzoylperoxyd und Schwefelsäure (9), oder die Violettfärbung mit Eiweiß und HCl+KN0a(10) oder eine der anderen (11), immer hat man zu bedenken, daß es sich in den wenigsten Fällen um genügend charakteristische Formaldehydreaktionen handelt und dieselben bei einer größeren oder geringeren Zahl von anderen Aldehyden mdt verschiedener Nuancierung gleichfalls eintreten (12). Es ist auch in der Tat wahrscheinhch, daß der in den Blättern vorhandene Hexylenaldehyd für das Zustandekommen der erhaltenen Reaktionen in hohem Grade verantworthch gemacht wer- den muß. 1) H. FrNCKE, Biochem. Ztsch., 52, 214(1913). — 2) G. Pollacci, Arch. Ital. Biolog., jj, 151; 37, 446 (1902); Atti Ist. bot. Pavia, 7. 45 (1899); Ebenda (1900, 1902); 9 (1904); 10 (1905). Mameli u. Pollacci, Atti Acc. Line. (5), 17, L 739 (1908); Ebenda, 16, I, 199 (1907). — 3) V. Gräfe, Österr. bot. Ztsch., 56, 289 (1906). — 4) Kimpflin, Compt. rend., 144, 148 (1907); Essai sur rassimil. photo- chlorophyllienne (Lyon 1908). — 5) R. H. G1B8ON, Ann. of Botan., 22, 117 (1908). — 6) BoKORNY, Chem.-Ztg., jj, 1141 (1909). Gentil. Bull. Assoc. Chim. Sucr., 27, 169 (1909). — 7) Rimini, Chem. Zentr. (1898), /, 1152; (1901), //. 99. Meth, Chem.-Ztg.. 30, 666 (1906). Balbiano, Atti Acc. Line. Roma (5). 20, II, 245 (1911). Angeli, Ebenda, p. 445. — 8) Gabutti. Boll. Chim. Farm., 46, 349 (1907). — 9) GoLODETZ, Chem.-Ztg., 32, 245 (1908). — 10) Voisenet, Ck)mpt. rend., 150, 40 (1910); Bull. Soc. Chim. (3), 25, 748 (1906). — 11) Die sehr empfiodliche Reaktion mit Atractylis-Glucosid und H^SO^ gestattet nach Angelico und Catalano, Gazz. chim. ital., 43, I, 38 (1913). in verschiedenen Gewebesäften Formaldehyd nachzu- weisen. — 12) Vgl. Plancher u. Ravenna, Acc. Line. (5), 13, II, 459 (1904). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 40 626 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. ZuckersTnthese im Ghlorophyllkom. Einen anderen Weg schlugen zuerst Loew und Bokorny(I) in zahlreichen Untersuchungen ein, um zu beweisen, daß Formaldehyd ein Zwischenprodukt der COj-Assimilation sei. Sie suchten zu zeigen, daß Derivate des Formaldehyds, vor allem formaldehydschwefligsaures Natron und Methylal, geeignet seien, um bei grünen Pflanzen bei Kohlensäure- abschluß Stärkebildung hervorzurufen. In der Tat soll es bei Spirogyren gelungen sein, dieses Resultat zu erzielen. Gasförmiger Formaldehyd wurde grünen Landpflanzen in Versuchen von Gräfe (2) dargeboten und es soll geglückt sein, ein üppigeres Wachstum bei belichteten, in kohlen- säurefreier Luft gehaltenen Pflanzen durch Formaldehyd zu erzeugen. Natürlich hat man die durch den giftigen Formaldehyd zu erwartenden Reizwirkungen dabei wohl zu beachten. Doch wird von Gräfe an- gegeben, daß bei Lichtabschluß der günstige Erfolg durch Formaldehyd nicht zu erreichen sei, sondern derselbe streng an Lichtzutritt gebunden sei. Dies wäre durch die Annahme einer Stimulationswirkung nicht ohne weiteres zu verstehen. Ältere Versuche haben nicht immer der- artige Formaldehydwirkungen festzustellen vermocht. So konnte Tre- B0üx(3) bei Darbietung von 0,001 % Formaldehyd bei Elodea keine Stärkebildüng erreichen, obwohl die Konzentration ganz gut vertragen wurde. In Versuchen von b6üilhac(4) an Algen und jungen Pflanzen von Sinapis alba wurde gutes Gedeihen bei Formaldehydzusatz beob- achtet, ohne daß sich bestimmte Folgerungen aus diesen Erfahrungen ableiten ließen. Manche Keimlinge sind nach Windisch (5) gegen Formaldehyd recht empfindlich und Spirogyren werden nach BoKORNY(e) in ihrer Assimilationstätigkeit bereits durch minimale Formaldehydmengen gehindert. Im ganzen lassen es alle diese Erfahrungen als ziemlich sicher erscheinen, daß Formaldehyd in assimilierenden Blättern gebildet wird und die BAEYERsche Hypothese steht gegenwärtig entschieden besser gestützt da, als vordem. Die Richtigkeit dieser theoretischen Vorstellungen vor- ausgesetzt, hätte man anzunehmen, daß der Vorgang der Kohlensäure- verarbeitung und Zuckersynthese im Lichte aus zwei Teilprozessen be- steht: einmal aus der Reduktion der Kohlensäure zu Formaldehyd und zum anderen der Kondensation des Aldehyds zu Hexosen. Nach ihren chemischen Eigenschaften ist die Kohlensäure in wässeriger Lösung am besten als Oxy- Ameisensäure aufzufassen: OH • COOH. Sie muß bei ihrer Reduktion zunächst Ameisensäure bilden: H • COOH. In der Tat hat Lieben (7) gezeigt, daß Kohlensäure bei der Reduktion durch Natriumamalgam bei gewöhnlicher Temperatur Formiat liefert. Nach LosANiTSCH und Jovitschitsch (8) gibt Kohlensäure und Wasser unter dem Einflüsse dunkler elektrischer Entladung Sauerstoff und Ameisen- säure. MoissAN(9) gelang die interessante Synthese der Ameisensäure 1) O. Loew, Ber. Chem. Ges., 22, 482 (1889); Zentr. Bakt. (1892), Nr. 14. BoKORNY, Landw. Jahrb., 2/, 445 (1892); Biolog. Zentr., 12, 481 (1892); Ber. Botan. Ges., p, 103 (1891); Pflüg. Aich., /2j, 467 (1908); 128, 565 (1909); Biochem. Ztsch., 36, 83 (1911). — 2) V. Gräfe, Zentr. Physiol., 26, 113 (1912); Biochem. Ztsch., 32, 114 (1911); Ber. Botan. Ges., 27. 431 (1909); 2p, 19 (1911); Osterr. bot. Ztsch., jp, 19 (1909). — 3) Tbeboux, Flora (1903), p. 73. — 4) R. Boüilhac, Compt. rend., /jj, 1369 (1902); 136, 1155 (1903). — 5) R. Windisch, Landw. Versuchsstat., S5, 241 (1901). — 6) Th. Bokoeny, Chem.-Ztg. (1903), Nr. 44. — 7) Lieben, Monatsh. ehem., 16, 211 (1895); /p, 333 (1898). Kolbe u. Schmitt, Lieb. Ann., //p, 251. CoEHN u. Jahn, Ber. Chem. Ges., j7, 2836 (1904). — 8) Losanitsch u. Jovitschitsch, Ebenda, jo, 135 (1897). — 9) Moissan, Compt. rend., 134, 18, 261 (1902); 136, 723 (1903). § 13. Ansichten üb. d. ehem. Yorg. b. d. Pbotosyntheee v. Kohlenstoffverbind, usw. 627 aus COj und Kaliumhydrür: CO, + KH = H • COOK. Ehrenfeld hat aus CO2 durch elektrolytische Reduktion Ameisensäure gewonnen (1). Die nächste Reduktionsstufe ist natüriich Formaldehyd: H • CO • H, wenn beide OH-Gruppen der Kohlensäure dureh H ersetzt sind. In neuerer Zeit ist es auf verschiedenen Wegen gelungen, diese weitgehendste Reduktion der COj künstlich zu erreichen. BEkTHELOT und Gaudechon(2) sowie Stoklasa(3) haben durch ultraviolette Bestrahlung diesen Effekt erreicht, W. LOB (4) durch stille elektrische Entladung, und außerdem ist es durch An- wendung der Wirkung von Uranacetat(5) sowie durch Radium (6) gelungen zu dem gleichen Resultate zu gelangen. Es ist sehr schwierig die Trag- weite dieser Erfahrungen für den natürlichen photosynthetischen Prozeß in der Pflanze zu ermessen. Jedenfalls sind die beobachteten Wirkungen durch Ultraviolett essentiell verschieden von der natürlichen Photo- synthese, da das Sonnenlicht keine der verwendeten ultravioletten Strahlen von Wellenlängen unter 300 [jt.|ji enthält (7). Es wäre allerdings zu er- wägen, ob nicht Transformationen der Lichtstrahlen in elektrische Energie im Chlorophyllkorn in Betracht kommt und Putz (8) hat daraufhin eine besondere Assimilationstheorie aufzubauen gesucht. Doch fehlen dies- bezüglich noch alle Anhaltspunkte, inwieweit solche Erwägungen eine tatsächliche Basis haben könnten. Elektrische Veränderungen in be- lichteten Blättern, welche durch rote Strahlen am stärksten angeregt werden, hat übrigens Waller (9) beschrieben. Leider sind diese Unter- suchungen seither nicht wieder aufgenommen worden. Die von Ma- quenne(IO) im Destillate von Blättern oft gemachten Befunde von Methyl- alkohol könnten dadurch ihre Erklärung finden, daß Formaid ehyd nach der CANNizzAROschen Umlagerung Methylalkohol u-hI Ameisensäure liefert. Daß der im Assimilationsprozesse freiwerdende Sauerstoff einer leicht zersetzUchen peroxydartigen Verbindung entstammt, welche intermediär entsteht, ist gar nicht unwahrscheinhch, und es hat schon 1877 Erlen- meyer (11) daran gedacht, daß Wasser und CO2 zunächst Ameisensäure und Wasserstoffperoxyd hefern könnten. In neuerer Zeit hat besonders BAcn(12) die Hypothese aufgestellt, daß die Kohlensäure zunächst Perkohlensäure, Wasser und Kohlenstoff hefere nach der Gleichung: 3 HgCOg = 2 HaC04 -}- HgO + G. Sodann würden 2 H2CO4 in 2 COj + 2 HgOg zerfallen und das Hydroperoxyd Sauerstoff und Wasser hefern. HgO und C aber müssen zusammen Formaldehyd geben. Bach stützte sich, wenn die Perkohlensäure auch nicht nachgewiesen worden ist, darauf, daß Kohlensäure bei Behchtung 1) Ehrenfeld, Ber. Chem. Ges., j5, 4138 (1905). — 2) Berthelot u. Gau- DECHON, Journ. Pharm. Chim. (7), 2, 5 (1910); Compt. rend., 150, 1690 (1910). — 3) J. Stoklasa u. Zdobnicky, Monatsh. Chem., 32, 53 (1911); Chem.-Ztg., 34, 945 (1910); Biochem. Ztsch., jo, 433 (1911); 4t, 333 (1912); 47, 188 (1912). — 4) W. Löß, Ztech. Elektrochem., //, 745 (1905); 12, 282 (1906); Landw. Jahrb., jj, 541 (1906); Chem.-Ztg., 34, 1331 (1910); Biochem. Ztech., 26, 231 (1910); 31, 358 (1911); 43, 434 (1912). — 6) Ü8HER u. Priestley, Proceed. Roy. Soc, B. 77, 369 (1906); 78, 318 (1906). — 6) Herchfinkel, Compt. read., 149, 395 (1909). — 7) Kluyver, Ößterr. bot. Ztsch., 63, 49 (1913). — 8) H. Putz, Die Reduktion der Kohlensäure im pflanzlich. Organismus, Sep.-Abdr. aus d. Jahreeber. d. kgl. Lyceums zu Passau (1885/86). — 9) Waller, Zentr. Physiol. (1900), p. 688; C. r. Soc. ßiol., 52, 1093 (1900). Vgl. auch Tompa, Beihefte bot. Zentr, 12, 99 (1902), — 10) Maqüekne, Compt. rend., loi, 1067 (1886); Delepine, Ebenda, 123, 120 (1896). — 11) Erlen- meyer, Ber. Chem. Ges., 10, 634 (1877). — 12) A. Bach, Compt. rend , 116, 1145 u. 1389 (1893); 119, 1218 (1894); Chem. Zentr. (1898), //, 42. J. Cho, Ebenda (1896), /, 114. BoKORNY, Ber. Botan. Ges., 7. 275 (1889). Perkohlensäure: Riesen- feld u. Reinhold, Ber. Chem. Ges., 42, 4377 (1909). 40* 628 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensaureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. in Uranacetatlösung wirklich Formaldehyd hefert(l). Eine sichere Grund- lage zu geben, sind jedoch diese interessanten Vorstellungen nicht in der Lage Wenn wir der COg- Reduktion etwa das Schema zuteilen: OH -CO« OH + H • OH + H -OH = H • CO . H + OH -OH + OH -OH = H -COH + 2 HgO + O2 so haben wir damit natüi-lich nur eine grobe Annäherungs- vorstellung ohne wirkliche Einsicht in den Vorgang gewonnen. Die Sauer- stoffabspaltung aus dem Peroxyd könnte das Werk einer Katalase sein. Seit den Versuchen von Butlerow, 0. Loew (2) und später E. Fischer und Passemore (3) wissen wir bestimmt, daß Formaldehyd in alkalischer Lösung leicht zu Zucker kondensiert wird. Allerdings hat man Glucose unter den Reaktionsprodukten nie auffinden können, sondern nur gärungs- unfähigen Zucker, wie i-Fructose und i-Arabinoketose [Euler(4)]. Zunächst entsteht nachweishch Glykolaldehyd, welcher weiter kondensiert wird (5). Die Kondensation wurde aber auch durch ultraviolette Bestrahlung erreicht (PribraSi und Franke), nicht nur durch Alkali. Es ist möglich, daß die Kondensation des Aldehyds auch in den Chloroplasten eine durch das Licht bedingte Reaktion ist, doch wissen wir darüber noch nichts bestimmtes. Stoklasa (6) hat andererseits den Alkalien eine kondensierende Wirkung in der Zelle zuschreiben wollen und hat die günstige Wirkung von Kali- düngung durch eine direkte Wirkung auf den Assimilationsprozeß erklären wollen. Dafür besteht jedoch kein hinreichender Grund. Zu untersuchen wäre jedoch, ob die von Tröndle (7) in belichteten assimiüerenden Zellen beobachteten Änderungen der Permeabihtät der Plasmahaut mit der Pro- duktion irgendwelcher Stoffe im Assimilationsvorgange etwas zu tun hat. Das durch Wasserabspaltung aus Ameisensäure entstehende Kohlen- oxyd CO ist bisher stets als unbrauchbar für die Aktion des Chlorophyll- apparates gefunden worden (8), Doch ist es fraglich, ob man nicht doch Bedingungen finden könnte, unter denen CO verarbeitet wird. Insbesondere wäre an Darbietung von Wasserstoff oder Beteiligung von Reduktiöns- prozessen noch zu denken, da CO + Hg Formaldehyd geben würde. Mit der ausführhchen Prüfung der Formaldehydhypothese ist jedoch die eingehende Untersuchung anderweitiger photochemischer Reaktionen, bei deinen COg eine Rolle spielt, zu verbinden, was gewiß in größerem Aus- maße geschehen sollte, als es bisher der Fall war. So ist bekannt, daß Kohlen- säure von vielen organischen Verbindungen addiert wird, insbesondere von Aminosäuren (9), aber auch durch Alkohole, Oxysäuren und Zucker. Sodann gehen bekannthch auch Phenole unter COg-Aufnahme in Carbonsäuren über (10). Wenigstens bei der Kohlensäurebindung in den Chloroplasten könnte eine oder die andere dieser Reaktionen irgendeine Bedeutung haben. Van 't Hoff hat die Frage aufgeworfen, ob nicht in Anwesenheit von Zymase eine Kondensation von Äthylalkohol und Kohlensäure im Licht zu Zucker möghch wäre, was gleichfalls auf eine Kohlensäureanlagerung an eine zur weiteren Kondensation fähige Verbindung hinausgehen würde. 1) Vgl. auch UsHER u. Priestley, Proceed. Roy, Soc, 71, ß, 369 (1906). — 2) ßüTLEROW, Lieb. Ann., 120, 295. O. LoEW, Journ. prakt. Cham., 23, 321; 34, 51 (1886); Bar. Chera. Ges., 20, 141, 3039 (1887); 22, 470 (1889); j*. 1592 (1906); Fflüg. Arch., 128 (1909). — 3) E. Fischer u. Passmore, Ber. Chem. Ges., 22, 359 (1889). — 4) H. u. A. Euler, Ebenda, jp. 39 u. 45 (1906). — 5) R. Pribram u. A. Franke, Monatsh. Chera., 33, 415 (1912). Euler, 1. c. — 6) J. Stoklasa, Ztsch. landw, Versuchswes. Österr., /5, 711 (1912). — 7) A. Tröndle, Ber. Botan. Ges., 27, 71 (1909). — 8) Zuletzt von Krascheninnikoff, Rev. g^n. Bot., 21, 177 (1909). _ 9) Siegfried, Ztsch. physiol. Chem., 44, 85; 46, 401 (1905); 59, 376 (1909). — 10) K. Brunner, Lieb. Ann., 3SU 313 (1907). Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhsutgerüst der Pflanzen. 629 Doch ist die Chemie und Physiologie gegenwärtig noch völUg machtlos, um die zahlreichen MögUchkeiten bei der chemischen Verarbeitung der Kohlensäure im Chlorophyllapparate der Pflanzen einigermaßen zu ordnen und zu überblicken. Mit weitreichenden allgemeinen Theorien, wie jene von JuL. Fischer(I), der das Wesen des Vorganges in einer Überführung der Sonnenlichtenergie in Wärme sieht, ist natürlich ein wirklicher Fortschritt nicht angebahnt. Geradezu unvereinbar mit dem Geiste wahrer wissenschaftÜcher Forschung ist es jedoch, wenn Kassowitz (2) den Prozeß der Photosynthese mit all- gemeinen Betrachtungen über Assimilation und Dissimilation im lebenden Plasma zu erledigen trachtet. Abschnitt 5: Die Saccharide als Skelettsubstanzen des Pflanzenkörpers. Einundz wanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. § 1. Die Zellhaut der Bacterien. Die methodischen Schwierigkeiten bei der Untersuchung der Bac- terienzellmembranen haben es mit sich gebracht, daß die meisten Punkte auf diesem Gebiete derzeit noch kontrovers sind. Sicher ist nur, daß die ältere Ansicht aufzugeben ist, wonach die Zellhäute der Bacterien stets aus derselben Cellulose bestehen, wie sie in den Membranen der höheren Pflanzen enthalten ist. So hatte Mulder (3) für die Kahmhaut der Essigbacterien („Essigmutter") Cellulose angegeben und nach Nägeli und LoEw (4) sollte daraus durch Behandlung mit NaOH und HCl ein in Kupferoxydammoniak löslicher Stoff darstellbar sein, welcher bei der Hydrolyse Zucker liefert. Nencki und Schaffer (5) berichteten über Cellulose aus Fäulnisbacterien, Süringar(6) über Cellulose aus Sarcina. Zuletzt hatte auch A. I. Brown (7) die Membran von Bact. xyhnum für reine Cellulose erklärt. Die Zellhäute dieser Bacterie färben sich jedoch mit Jod direkt blau, weshalb sie Beijerinck(8) mit dem Amyloid aus Samen verglichen hat. Nun konnte Emmerling (9) bei einer wieder- holten Untersuchung der Zellmembranen von Essigbacterien 2 — 3 % N in der Zellhautmasse konstatieren und fand, daß sie, in Salzsäure gelöst, bei anhaltendem Kochen salzsaures Glucosamin liefern, was auf die Gegen- wart von Chitin hindeutet. In Kupferoxydammoniak sind die Mem- branen nach Emmerling nicht löslich. 1) JuL. Fischer, Ztsch. Elektrochem., 12, 654 (1906). — 2) M. Kassowitz, Wies. Ergebn. Internat, bot. Kongr. (Wien 1905), p. 2I6; Naturwiss. Rdsch., 20, 417 (1905). — 3) MüLDER, Lieb. Ann., 46, 207 (1843). — 4) Nägeli n. Loew, Journ. prakt. Chem. (1878), p. 422. — 5) Nencki u. Schaffer, Ebenda, 20, 443. — 6) SuRiNGAR, Botan. Ztg. (1866). — 7) A. J. Brown, Journ. Chem. Soc. (1886), /, 432; (1887), /, 643. — 8) Beijerinck, Zentr. Bakt. II, 2, 213 (1898). E. Chr. Hansen, Mitteil. Carleberg Labor., // (1879). A. Meyer, Ber. Botan. Ges. (1901), p. 428. — 9) Emmerling, Ber. Chem. Ges., j2, 541 (1899). 630 £inundzwanzig8tes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Die Chitinfrage ist jedoch noch immer in Schwebe. Während ge- naue Arbeiter, wie Wisselingh(I), berichteten, daß in keiner der untersuchten Bacterien Cellulose oder Chitin nachgewiesen werden konnte, und Aronson(2) sich bei DiphtheriebacUlen weder von der Anwesenheit von Cellulose noch von Chitin überzeugen konnte, liegen Angaben von Iv<^AN0FF(3) vor, wonach Chitin in Bacterien verbreitet vorkomme und für Tuberkelbacillen seitens Helbing und Panzer (4), wonach hier Chitin wahrscheinlich ist. Auch die Membran von Heubacillen soll be- deutende Mengen von Stickstoff einschließen und keine Cellulose ent- haltenes). Nach den Mitteilungen von Viehoever(6) besteht Hoffnung, daß sich die negativen Chitinbefunde durch Wisselingh nnd Wester (7) durch Modifikationen der angewendeten Methodik aus dem Wege schaffen lassen werden. Aufrecht bleiben jedoch die Widerlegungen der Angaben bezüglich Cellulose, die auch in neuerer Zeit wiederholt aufgetaucht sind (8). Eine Hemicellulose soll sich nach Nishimura(9) in einem Wasserbacillus zu 12,2% der Trockensubstanz finden und solche sehr leicht hydrolysierbare Membransubstanzen sollen diesem Autor zufolge bei Bacterien weiter verbreitet sein, z. B. bei Prodigiosus und Tuberkel- bacillus, wo sie wahrscheinlich mit dem später von Panzer angegebenen „Pektin" identisch sein dürften. Wenig sicheres ist ferner auch bezüglich der in den Gallertkapseln vieler Bacterien vorliegenden Schleim Substanzen zu sagen, welche zum größten Teile den Membranstoffen zuzurechnen sind. Auf die Schwierig- keiten der Abgrenzung solcher Schleim bildungen von der Schleimgärung aus Rohrzucker wurde bereits an einer früheren Stelle hingewiesen. Beij- ERiNCK (10) ist geneigt alle diese Stoffe der Membransubstanzen zuzurechnen und er scheidet die ausschließlich auf Rohrzuckersubstrat gebildeten, übrigens sehr verschiedenartigen Schleimstoffe als Dextran und Levan von dem Cellulan, das auf den verschiedensten Zuckernährböden gebildet wird. ScHEiBLERs(ll) Dextran war aus Leuconostoc mesenterioides als ein wasser- lösliches rechtsdrehendes Kohlenhydrat der Zusammensetzung CgHioOg an- gegeben, welches bei der Hydrolyse Glucose liefert. Die Gelatinöse aus Micrococcus gelatinosus war vielleicht mit Dextran identisch (12). Auch der von Cramer(13) in den Schleimhüllen des Bac. viscosus sacchari gefundene Stoff war ähnlich beschaffen. Der Schleim des Streptococcus hollandicus könnte hingegen nach Beijerinck N-haltig sein und auch Hamm (14) ist geneigt, für die Stoffe aus Bacterienkapseln Eiweißnatur anzunehmen. 1) VAN Wisselingh, Jahrb. wies. Botan., j/, 656, 658 (1898). — 2) H. Aronson, Arch. Kinderheilk., jo, 52 (1894). — 3) Iwanoff, Hofmeistere ßeitr., /, 524 (1902). - 4) Helbing, Ztsch. wies. Mikrosk., i8, 97 (1901). Th. Panzer, Ztsch. physiol. Chem., 7S, 414 (1912). T. Kozniewski hingegen [Bull. Ac. Sei. Cracovie A (1912), p. 942] konnte Glucoeamin aus Tuberkelbacillen nicht gewinnen. — 6) Vandevelde u. Vincenzi, Ebenda, //, 181 (1887). — 6) A. Viekoever, Ber. Botan. Ges., 30, 443 (1912). — 7) D. H. Wester, Diss. (Bern 1909). ^ 8) Tuberkelbacillus: Freund, Chem. Zentr. (1887), p. 248. Hammerschlag, Zentr. med. Wiss. (1891), Nr. 1. G. Baudran, Compt. rend., 142, 657 (1906). Diphtherie- bacillus: Dzierzgowski u. Rekowski, Arch. Sei. Biol. (1892), p. 167. Ferner: Dreyfüss, Ztsch. physiol. Chem., 18, 358 (1894). Hoffmeister, Landw. Jahrb. (1888), p. 239. — 9) Nishimura, Arch. Hyg., 16, 318 (1893); 21, 52 (1894). — 10) Beijerinck, Fol. Microbiolog., /, 377 (1912). — 11) Scheibler u. Dürin, Ztsch. physiol. Chem., 8. — 12) BRÄUTIGAM, Kochs Jahreeber. (1892), p. 68. — 13) Cramer, Monatsh. Chem., 10, 467. Auch Gonnermann, österr.-ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 36, %11 (1908). — 14) A. Hamm, Zentr. Bakt. I, 43, 287 (1907). Eisenberg, Ebenda, 47, 415 (1908). § 2. Die Zellmembranen der Pilze und Flechten. 631 Die Zellmembranen der Pilze und Flechten. I. Myxomyceten. de Bary(1) berichtete seinerzeit, daß bei den Sporenmembranen und Capillitiumfasern meist keine Cellulosereaktion zu erhalten sei; nur in den innersten Schichten junger Sporangienwände von Trichia, Arcyria und Lycogala fanden Wiegand und Bary positiven Ausfall der Cellulosereaktionen. Wisselingh vermochte Cellulose bei Didymium squamulosum nachzuweisen, woselbst sie nach dem Verfahren von Gilson in Sphärriten zur Ausscheidung gebracht werden konnte. Bei Fuligo septica und Plasmodiophora Brassicae fand sich keine Cellulose vor, dagegen zeigten die Sporenhäute von Plasmodiophora deutUch Ghitinreaktion nach der Wisse- LiNGHschen Kahmethode. Dies hat Wester bestätigt und hervorgehoben, daß dies der einzige sichere Fall von Chitin bei Myxomyceten ist. Man sieht, daß die Hauptmembraustoffe dieser eigentümUchen Pilzgruppe eigentlich noch unbekannt sind. II. Sproßpilze, Soviel steht fest, daß der Zellmembran der Hefe sowohl die gewöhnhche Cellulose als Chitin fehlt und daß Kohlenhydrate die bei der Hydrolyse Glucose und Mannose bilden, an dem Aufbau der Zellwand wesenthch teilnehmen. Im übrigen bestehen zahlreiche Unsicher- heiten. Die älteren Untersucher, wie Payen, Schlossberger, Pasteur, Nägeli und LOEW (2), sprachen meist schlechthin von Cellulose oder Hefe- cellulose, weil die prozentische Zusammensetzung mit jener der gewöhnlichen Cellulose übereinstimmte, doch fiel schon einigen dieser Forscher das ab- weichende Verhalten der Hefezellmembran gegen die Jodreagentien und die Unlöshchkeit derselben in Kupferoxydammoniak auf. Der Gehalt trockener Hefe an Membranstoffen wird meist mit 15—25% angegeben. Nach Du- CLAUX (3) sind in alter Hefe 5,9%, in jungen Zellen 15,1% des Trocken- gewichtes an Zellhautsubstanzen enthalten. Nachdem Liebermann und BiTTÖ angegeben hatten, daß man durch sukzessive Behandlung von Hefe mit Säure und Alkaü ein Präparat erhalte, welches die Chlorzinkjod- reaktion gibt (4), hat sich Salkowski (5) mit der Frage der Hefecellulose befaßt. Durch diese Arbeit wurde gezeigt, daß mindestens drei ver- schiedene Zellhautstoffe der Hefe zu unterscheiden sind. Daß schleimige Kohlenhydrate bei der Extraktion der Hefe reichUch erhalten werden, wußte bereits Nägeli, der allerdings annahm, daß durch andauerndes Kochen die gesamten Membranstoffe in einen „Pilzschleim" überzu- führen seien. In neuerer Zeit hat Hessenland diesen schleimigen Stoff als „Hefegummi" beschrieben (6) und nachgewiesen, daß bei dessen Hydrolyse Mannose ent'steht. Salkowski und später Oshima (7) stellten nun bessere Präparate dieses Hefegummis dar und zeigten, daß es ein Mannodextran der Formel (Gi2H220ii)n darstellt und rechtsdrehend mit der speziellen Drehung [oJd + 90,1 ist. Die Formel ist nach Euler 30—40 mal größer zu nehmen, und es dürften die Mannoseanteile zu den Glucoseanteilen 1) DE Bary, Morpholog. g. Pilze (1866), p. 302. — 2) J. Schlossbekgek, Lieb. Ann., 5/, 193 X1844). Pasteur, Compt. rend , 48, 640; Ann. de Chim. et Phys., 58. NlGELi, Lieb. Ann., 193, 322; Joum. prakt. Chem., 17, 403 (1878). SCHÜTZENBERQER u. Destrem, Ber. Chem. Ges., 12, 843 (1879). — 3) DucuAUX, Trait6 de Microbiol., 3, 140. — 4) Liebermann u. Bittö, Zentr. Physiol., 7, 857 (1894). — B) E. Salkowski, Arch. Physiol. (1890), p. 554; Ber. Chem. Ges., 27, 497, 925 u. 3325 (1895). — 6) F. Hessenland, Ztsch. Rübenzuckerindustr. (1892), p. 671. — 7) Oshima, Ztsch. physiol. Chem., 36, 42 (1902). Ferner: Salkowski, Ebenda, 69, 466 (1910); 73, 316 (1911). H. Euler u. Fodor, Ebenda, 7a, 339 (1911). A. Harden u. Young, Joum. Chem. 80c., 101, 1928 (1912). 632 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. im Verhältnisse 4:3 oder 4:4 stehen. Bei der Gärung und Autolyse wird das Hefegummi nicht angegriffen. Es ist jedoch nicht ganz sicher, ob das ganze als Hefegummi isolierte Material aus der Zellhaut allein stammt. Durch Erhitzen der Hefe mit Wasser unter Druck gewann Salkowski außer dem Hefegurami zwei andere Fraktionen, von denen die eine beim Erhitzen in Lösung geht und sich durch eine braunrote Jodreaktion aus- zeichnet. Er nannte diesen Stoff Erythrocellulose. Der sich mit Jod nicht färbende Rückstand wurde als Achroocellulose benannt. Meigen und Spreng (1) haben bestätigt, daß man aus der mit Kali von dem Hefegummi ittögUchst befreiten Hefe durch Hydrolyse mit verdünnter Schwefelsäure einen leichter hydrolysierbaren Teil und einen Rückstand erhält, und sie glauben, daß diese Fraktionen wesentlich mit Salkowskis Substanzen zusammenfallen. Dem nach der Säurebehandlung in Lösung gehenden Anteil dürfte ein hemdcelluloseartiger Membranbestandteil zugrunde hegen; die Substanz gibt mit Jod und Schwefelsäure Braunfärbung und sie hefert bei der Verzuckerung nur Dextrose, ist also als „Hefedextran" zu bezeichnen. Salkowski hatte das seiner Erythrocellulose in der Membran zugrunde liegende Kohlenhydrat als ,, Membranin" benannt. Der nach Extraktion des Dextrans mit Kahlauge zurückbleibende Anteil stellt jedenfalls auch keinen nativen Zellhautstoff dar; er hefert bei der Hydrolyse gleiche Teile Glucose und Mannose. Derivate der Galactose, sowie Pentosane und wohl auch Methyl- pentosane fehlen der Hefezellhaut gänzhch. Chitin wurde sowohl von Tanret (2) als von Wisselingh vergebhch gesucht. Auf Grund des mikro- chemischen Verhaltens wollte Gasagrandi (3) die Substanz der Hefezell- membran für Pektose und Mangin(4) für Callose erklären. Tanret benannte die Membransubstanz der Hefe als Fungose. Bemerkenswert sind die Befunde von Will (5) an jungen Zellen von Wilha anomala, Mycoderma und Ano- malus-Hefe, daß hier starke Osmiumreaktion eintritt, die bei anderen Hefe- arten fehlt. Mit Alkohol läßt sich der wohl fettartige Stoff, welcher diese Reaktion verursacht, entfernen. Die Schleimhüllen von Torula und Willia besitzen manchmal eine zierhche stäbchenartige Struktur (6). III. Höhere Pilze. Das erste sehr unreine Präparat vpn Zell- hautsubstanzen aus Pilzen wurde von Braconnot(7) hergestellt, der es als „Fungin" bezeichnete. Später glaubte Payen(8) auf Grund seiner Elementaranalysen behaupten zu dürfen, daß die Pilze Cellulosemembranen besäßen und daß sich der durch Braconnot angegebene Stickstoff- gehalt der Präparate durch Einfluß fremder Stoffe erklären lasse. Auch Schlossberger und Doepping sprachen von Cellulose bei Pilzen, ebenso Fromberg(9). Fr6my(10) fand jedoch, daß Pilzzellraembranen in Kupferoxydammoniak unlöslich sind, weswegen er die Membran- substanz der Pilze als „Metacellulose" unterschied, de Bary(II) schlug 1) W. Meigen und A. Spreng, Ztsch. physiol. Cham., S5, 48 (1908. Über Erythrocellulose auch G. Dreyer, Ztsch. ges. Brauwes., 36, 201 (1913), wo darauf hingewiesen wird, daß das „Hefegummi" bereits ein Spaltungsprodukt sein dürfte. 2) Tanret, Bull. Soc. Chira. (1897), Nr. 20. — 3) Gasagrandi, Zentr. Bakt. II, 3, 563 (1897). — 4) Mangin, Compt. rend., 107, 816 (1893). — 5) H. Will, Ztsch. ges. Brauwes., 23, 185 (1900). — 6) H. Zikes, Zentr. Bakt. II, jo, 626 (1911). — 7) Braconnot, Ann. de Chim., 79, 265; 80, 872 (1811). — 8) Payen, Compt. rend., , 296 (1839); M6moir. sur les developpements des v^götaux (Paris 1842). — 9) Schlossberger u. Doepping, Lieb. Ann., 32, 106 (1844). Fromrerg, Journ. prakt. Chem., 32. 198 (1844). Mulder, Physiol. Chem. (1844). p. 203. Kaiser, Diss. (Göttingen 1862). — 10) Fremy, Jahresber. f. Chem. (1859), p. 529. — 11) DE Bary, Morpholog. d. Pilze (1866), p. 7—9. § 2. Die Zellmembranen der Pilze und Flechten. 633 sodann vor, die fragliche Substanz wegen ihres Mangels der Cellulose- reaktionen, die erst nach langer Einwirkung von Kali eintreten sollen, als Pilzcellulose von der gewöhnlichen Cellulose zu trennen. Es sind jedoch die Zellhäute der Pilze in chemischer Hinsicht gewiß recht different. Schon frühzeitig fand man Fälle, in denen die Cellulosereaktionen ohne weiteres gelingen. So ist es bei manchen Phy- comyceten, wie Pilobolus nach Coemans(I), Peronospora und anderen Formen nach Caspary(2), angeblich auch bei manchen Schimmelpilzen und nach Hoffmanns alten Angaben (3) selbst an einzelnen Gewebe- stellen von Hutpilzen; in den letzteren Fällen ist allerdings Vorsicht in der Deutung am Platze. Es fiel ferner Tulasne(4) an den Zellen der Perithecien mancher Erysipheen, Mohl(5) an den gallertartigen Massen im Fruchtkörper von Septoria Ulmi auf, daß hier Bläuung durch ein- fache Jodlösung erfolgt. Andererseits wurde durch Schacht und DE Bary(6) Färbung und Härte des Fruchtkörper mancher Pilze, wie der Polyporeen, auf eine Art Verholzung zurückgeführt. Gelatinöse Konsistenz ist endlich gleichfalls keine seltene Erscheinung bei Pilz- zellhäuten. Die Menge von Membranstoffen in der Pilztrockensubstanz ist nach den vorliegenden Analysen von Loesecke, Siegel, Margewicz(7) und anderen Untersuchern wenigstens bei den Hymenomycetenfruchtkörpern eine relativ bedeutende. Nach Margewicz beträgt der Zellstoffgehalt in Prozenten der Trockensubstanz bei: im Stiel im Hut Boletus scaber Bull 42,35 % 20,56 % edulis Bull 40,41 22,54 Agaricus controversus Pers. . . . 31,32 23,17 „ torminosus Schaeff. . . 35,26 28,93 piperatus Pers 38,86 30,30 Cantharellus cibarius Fr 38,04 35,93 Boletus luteus L 35,99 21,05 „ subtomentosus L 41,23 28,29 Agaricus melleus Vahl 44,07 37,58 Boletus aurantiacus Schaeff. . . . 30,56 26,85 Agaricus deliciosus L 31,43 27,42 „ Russula Schaeff 39,27 33,71 Nach Marschall (8) beträgt der „Cellulosegehalt" des Mycels von Aspergillus niger 6,6%, von Penicillium 6,0%, von Rhizopus nigricans 2,5% der Trockensubstanz. Die Untersuchungen de Barys wieder aufnehmend, fand C.Richter (9), daß sich in der Regel bei Pilzmembranen nach langer Einwirkung von starkem Alkali der Eintritt einer Chlorzinkjodreaktion erzwingen läßt; er meinte deshalb, daß Pilze wirkliche Cellulose enthalten, die sich jedoch gewisser Beimengungen halber direkt nicht nachweisen läßt. TscHiRCH(lO), dem ungeklärten Stande der Frage Rechnung tragend, 1) CoEMANS, M6m. S v. Etrang. Acad. Bruxell., 30. — 2) Caspart, Monatsber. Berlin. Ak. (Mai 1855). — 3) H. Hoffmann, Botan. Ztg. (1856), p. 158. — 4) Tu- LA8NE, Ann. Sei. Nat. (4), 6, 318. — 5) Mohl, Botan. Ztg. (1854), p. 771. — 6) Schacht, Lehrb. d. Anat. u. Physiol., /, 35 (1856). — 7) O. Siegel, Wolffs Aschenanalysen, 2, 110. Maroewicz, Just Jahresber. (1885), /, 85. — 8) Mar- schall, Arch. Hyg., 28, 16 (1897). — 9) C. Richter, Sitz.ber. Wien. Ak., 83, I, 494 (1881). Wilhelm, Zur Kenntni8 d. Gatt. Aspergillus, Diss. (Straßburg 1877). 10) Tschirch, Angewandte Pflanzenanat. (1889), p. 191. 634 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhaatgerüst der Pflanzen. schlug vor, den noch unbekannten neben Cellulose vorkommenden Mem- branbestandteil als „Mycin" zu bezeichnen und verglich denselben mit Lignin, Suberin usw. Echte Verholzung konnte Richter bei Pilzen nirgends finden, hingegen beschreibt er die Gewebe von Daedalea quercina als verkorkt. Einen bedeutenden Fortschritt brachten erst die Arbeiten von GiLSON und WmTERSTEiN(l). GiLSON, der unter Hoppe-Seylers Leitung arbeitete, stieß bei Versuchen, aus Pilzen Cellulose darzustellen, zunächst auf Mißerfolge, während es früher Dreyfuss angeblich ge- lungen war, Cellulose daraus zu gewinnen. Die Präparate, die Winter- stein gleichzeitig darstellte, schlössen stets namhafte Mengen von Stick- stoff ein und waren durch Säure nur schwer hydrolysierbar. Als Hydra- tationsprodukt ergab sich nur Glucose. Gilson gewann nun bei seinen weiteren Versuchen aus den Rohpräparaten von Pilzmembransubstanz durch Erhitzen mit Kali auf 180—190° ein Produkt, das sich wohl mit Jod-f-HgSO^ rötlichviolett färbte, im übrigen jedoch von Cellulose gänzlich verschieden war; es löste sich nicht in Kupferoxydammoniak und war in sehr verdünnter kalter HCl auflöslich; außerdem erwies es sich als N-haltig. Dieses „Mykosin", wie Gilson seine Substanz anfangs nannte, war amorph, gab jedoch mit Säuren krystallisierbare Verbindungen. Seine Zusammensetzung Ci^HagNjOio machte ein Stickstoffderivat eines Kohlenhydrates wahrscheinlich. Endlich kamen Gilson und Winter- stein gleichzeitig zu der Überzeugung, daß das fragliche Präparat mit einem schon längere Zeit bekannten Spaltungsprodukte des tierischen Chitins identisch sein müsse, dem Chitosan, und daß man auch aus dem Mykosin durch HCl-Behandlung salzsaures Glucosamin darstellen könne. Zu dem diagnostisch wichtigen Nachweise von Glucosamin rührt man nach Winterstein die Pilzcellulose mit kalter konzentrierter HCl zu einem Brei an und erhitzt gelinde, bis man auf Wasserzusatz keine Fällung mehr erhält. Man dialysiert nun aus und dampft das Diffusat ein. Die mit Tier- kohle zu reinigenden, aus Wasser umzukrystallisierenden Krystalle bestehen aus salzsaurem Glucosamin. Aus dem Rückstande, welcher nach Kochen des entfetteten Pilzpulvers mit verdünnter H2SO4 und NaOH verbleibt,^^ gewinnt man bis 20% an Glucosaminchlorhydrat. Auch die bei Behandlung des tierischen Chitins neben Chitosan entstehende Essigsäure wurde unter den Spaltungsprodukten der Pilz- cellulose nachgewiesen. Damit war die Gegenwart eines mit dem Chitin höchstwahrscheinlich identischen Stoffes in den Pilzzellmembranen sicher- gestellt. Jedenfalls ist die Meinung von Ilkewitsch(2), wonach Pilze nicht. Chitin enthalten, sondern einen ähnlichen Stoff, der als Mycetin zu bezeichnen wäre, nicht begründet. Aus Hutpilzen ist Chitin wiederholt in größerem Mengen dargestellt worden, so von Scholl (3) aus Boletus edulis und von Zellner aus Amanita muscaria(4). Man erhält etwa 4% de& trockenen Rohmateriales an ziemlich reinem Chitin. 1) Gilson, La Cellule, 9, II (1893); ;/, 5 (1894); Bull. Soc. Chim. (1894); Ber, Chera. Gea., 28, 821 (1895); Compt. rend., 120, 1000 (1895). Hoppe - Seyler, Her. Chem. Ges., 27, 3229 (1894); 28, 82 (1895). E. Winteestein, Ber. Botan. Ges., //. 441 (1893); 13, 65 (1895); Ztsch. physiol. Chem., 19, 521 (1894); 21, 134 (1895); Ber. Chem. Ges., 27, 3113 (1894); 28, 167 (1895). — 2) K. Ilkewitsch, Bull. Ac. St. P^tersb (1908), p. 571. — 3) E. Scholl, Monatsh. Chem., 29, 1023 (1908). — 4) J. Zellner, Ebenda, 32, 133 (1911). Coprinus: J. R. Weir, Flora, 103, 280 (1911). § 2. Die Zellmembranen der Pilze und Flechten. 635 Das Chitin der Arthropoden wurde 1823 von Odier zuerst dargestellt und benannt. Lassaigne(I) wies seinen N-Gehalt nach. In neuerer 2^it lehrte Ledderhose (2) die Darstellung von salzsaurem Glucosamin durch Kochen von Chitin mit HCl. Anfangs als Aminoderivat einer neuen Hexose, Chitose, betrachtet, stellte sich das Glucosamin in den Arbeiten von E. Fischer und Tiemann (3) als Traubenzuckerderivat heraus, und es ist das aus Glucose synthetisch gewonnene Glucosamin wirkUch mit dem Stoff aus Chitin identisch. Durch sehr lange Behandlung mit verdünnter Säure verwandelt sich Chitin in ein in Wasser kolloidal löshches Produkt (4). Energische Einwirkung von ÄtzalkaU führt, wie erwähnt, zu Chitosan und Abspaltung von Essigsäure, wie aus den Studien von Rouget und von Araki hervorging (5). Die Eigenschaften des Chitosans .heßen sich an der Unter- suchung seiner gut krystalUsierenden Salze, besonders des Sulfates, fest- stellen und es scheint sich um eine aus zwei Monoacetyldiglucosamin- Kom- plexen zusammengesetzte Substanz C28HßoN40i9 zu bände In (6). Die Konsti- tution des. Chitins selbst ist noch zweifelhaft. Doch ist die Ansicht von Städeler(7) von einem glucosidischen Aufbau des Chitins unrichtig, und es dürfte sich, wie Sundwik(8) bereits annahm, um ein reines Amino- derivat des Traubenzuckers handeln. Die Ansicht, wonach Monoacetyldiglucosamin als Bauelement anzu- sehen sei (9), mußte aufgegeben werden und es ist auch Schmiedebergs (10) Ansicht, daß Acetessigsäurereste im Chitin anzunehmen seien, bereits widerlegt worden. Nach Brach (11) kommen vielmehr im Chitin auf je 4 N-Atome 4 Acetylgruppen, wahrscheinhch in säureanüdartiger Bindung am N zu denken. Beim Übergang in Chitosan würde die Hälfte der Acetylgruppen abgesprengt werden: (CsaHs^N^Oji)^ -f- 2(H20)x = (C«,H3oN40i,)x + 2(CH3-COOH)x Für die Annahme von verschiedenen Chitinen im Sinne von Kbaw- KOW (12) fehlt jeder Anhaltspunkt. Chitin ist sehr widerstandsfähig. Es ließ sich noch in SilurfossiUen nachweisen (1 3). Mit Jodjodkah gibt es eine intensiv braunrote Färbung. Chlorzinkjod liefert sowohl mit Chitin eine Violettfärbung (14), als mit Chitosan eine rotviolette Reaktion, weswegen wohl öfters Verwechslungen mit Cellulose auf Grund mikrochemischer Reaktionen vorgekommen sind. Brom gibt mit Chitosan eine scharlachrote Färbung, die beim Erwärmen wie die Jodstärkereaktion verschwindet. Chitin gibt, wie (Hellulose, eine 1) Lassaione, Journ. prakt. Chem., 2g, 323 (1843). — 2) G. Ledderhose, Ber. Chem. Ges., 9, 1200 (1876); 13, 821 (1880); Ztsch. physiol Cheiu., 2, 213 (1878); 4, 139 (1880). Krukenberg, Ztsch. Biolog., 22, 480 (1887). — 3) E. Fischer u. Tiemann, ßer. Chem. Ges., 27, 138 (1894). Tiemann, Ebenda, 17, 241 (1884). Neübero, Ebenda, 34, 3840 (1901). Fischer, Ebenda, 35, 3789 u. 4009 (1902); jtf, 24 (1903). Fischer u. Andreae, Ebenda, p. 2587. Irvine u. Hynd, Traneact. Chem. Soc,, loi, 1128 (1912). Lävulinsäuredaretellung daraus: H. Hamburger, Biochera. Ztsch., 36, 1 (1911). — 4) Alsberg u. Hedblom, Journ. Bio!. Chem., 6, 483 (1909). — 5) Rouget, Compt. rend., 4S, 792 (1859). Araki, Ztsch. phyeiol. Chem., 20, 498 (1895). — 6) O. v. Fürth, Zentr. Physiol. (1905), p. 1024. v. Fürth u. Russo, Hofmeisters Beitr., 8, 163 (1906). E. LÖWY, Biochem. Ztsch., 23, 47 (1909). — 7) Städeler, Lieb. Ann., ///, 21 (1859). — 8) Sundwik, Ztsch. physiol. Chem., 5, 385 (1881). — 9) Fränkel u. Kelly, Monatsh. Chem., aj, 123 (1902). Th. R. Offer, Biochem. Ztsch., 7. 117 (1907). — 10) Schmiedeberg, Arch. exp. Pathol., 2S, 42. — 11) H. Brach. Biochem. Ztsch., 38, 468 (1912). — 12) Kraw- Kow, Ztsch. Biol., 29, 117 (1893). — 13) O. Rosenheim, Proceed. Roy. Soc., 76, B, 398 (1905). — 14) Zander, Pflüg. Arch., 66, 545 (1897). ig36 Einundzwanzigstcs Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Nitroverbindung (1). Über die physikalischen Konstanten des Chitins sind die Angaben von Sollas und Irvine zu vergleichen (2). VAN WiSSELiNGH hat eine mikrochemische Methode zum Chitinnach- weise angegeben, welche darauf beruht, daß sich chitinhaltige Zellmembranen nach Erhitzen mit Kahlauge im geschlossenen Röhrchen auf 180® und Aus- waschen der Lauge mit 90%igem Alkohol, mit JodjodkaU und sehr verdünnter H2SO4 rotviolett fäxben, indem das Chitin in Chitosan übergeführt wurde. Mit Hilfe dieser Reaktion wurden durch Wisselingh und Wester (3) die Pilze erschöpfend bearbeitet und viele frühere auf Grund mikroskopischer Färbungsversuche aufgestellte Meinungen berichtigt. Nach diesen Unter- suchungen besteht kein Zweifel, daß Chitin im Pflanzenreiche auf die Pilze und Bacterien beschränkt ist, bei den Pilzen aber das weitaus verbreitetste Zellwandmaterial bildet. Nur die Gruppen der Peronosporaceen und Sapro- legniaceen haben nach Wisselingh Cellulosemembranen, während die Muco- rineen, Erysipheen, Aspergillus, die Pyrenomyceten und Discomyceten, sowie Ustilagineen und Uredineen, endlich auch die Hymenomyceten und Gasteromyceten regelmäßig Chitinmembranen ausbilden. Auch die Mem- branen von Synchytrium taraxaci und Empusa muscae sind chitinhaltig. Hingegen führen die stark quellbaren Zellhäute der Tremelhneen und Dacryo- rayceten neben ein wenig Chitin einen noch unbekannten Stoff als Haupt- bestandteil der Zellhaut. Geaster fornicatus enthält nach Wisselingh im äußersten und innersten Peridium und im Capillitium eine Substanz, welche die Cellulosereaktion mit Jod und H2SO4 gibt, jedoch nicht wie Cellulose dem Erhitzen mit Glycerin auf 250® widersteht, das „Geasterin". Unbekannt ist auch noch die Ursache der sogenannten Verkorkung bei Daedalea quercina. Mit diesen Feststellungen fallen namentlich die von Mangin (4) auf die mikrochemischen Färbungen mit Rutheniumrot, Brillantblau usw. ge- gründeten Ansichten hinweg, wonach Callose, ein meist nur mikrochemisch erschlossener, sonst ganz problematischer Stoff, sowie pektinartige Wand- substanzen bei Pilzen verbreitet seien. Zum Teil dürften der Callose sowohl, wie der von Tanret (5) als ein Hydratationsprodukt der Callose angesehenen Fongose, Hemicellulosen und Pentosane zugrunde hegen, die bei den Pilzen noch unzureichend erforscht sind. Die ,, Callose" aus Bornetina Corium be- schreibt Mangin als unlöshch in Kupferoxydammoniak, zerstörbar durch Glycerin bei 300®; sie gibt keine Jodreaktion und liefert bei der Hydrolyse Traubenzucker. Voswinkel gelang es, in Cantharellus cibarius und anderen Hut- pilzen ein Xylose lieferndes Gummi nachzuweisen. Daß Pentosane tat- sächlich bei Pilzen häufig vorkommen, ist durch Wichers und Tollens sichergestellt (6). Es lieferten an Pentosan: Polyporus pinicola 5,25 bis 5,71%, Fernes fomentarius 3,34%, Trametes odorata 2,52%, Daedalea quercina 2,93%, Xylaria polymorpha 1,21%, Schizophyllum commune 3,01%, Paxillus pannoides 2,61,%, Pholiota lucifera 3,27%, Lenzites flaccida 6,73 %, Coniophora cerebella 4,1 %, Polyporus fulvus 2,9 %, pinicola 5,15%, hirsutus 5,87%, Ganoderma applanata 3,24% und Poiy- 1) V. FÜRTH u. Scholl, Hofmeisters Beitr., w, 188 (1907). — 2) Sollas, Proceed. Eoy. Soc, 79, B, 474 (1907). J. C Irvine, Journ. Chem. Soc, 95, 564 (1909). — 3) H. Wester, Diss. (Groningen 1909); Arch. Pharm., 247, 282 (1909); Zoolog. Jahrb. Syst. Abt., 28, 531 (1910); ZtPch. f. ßotan., 2, 510 (1910). Zur Mikro- chemie des Chitins auch O. Tunmann, Pflanzen raikrochemie p. 608 (Berlin 1913). — 4) L. Mangin, Coiupt. rend., 117, 816 (1893); 151, 279(1910); Bull. Soc. Bot., j, Ber. Botan. Ges., 24, 64 (1906); 26, 114 (1908). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. -!. .Aufl. 41 642 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Stoffen verursacht. Vielleicht ist dies eine Hemicellulose. Der restierende Teil ist in Kupferoxydammoniak rasch löshch, färbt sich mit Kongorot und gibt die üblichen Cellulosereaktionen. Mesocarpus, Spirogyra, Chaetophora und Desmidiaceen zeigen nach Klebs ganz analoge Verhältnisse. Bemerkenswerte Abweichungen bieten die Zellmembranen derSiphoneen. Es hat CoRRENS (1) gezeigt, daß nach Einwirkung von konzentrierter H2SO4 auf Caulerpen und folgendem Wasserzusatz, sich aus der Membransubstanz Sphärite bilden. Dieselben lösen sich in Kupferoxydammoniak und in Laugen, bläuen sich nicht in Jodlösungen und dürften einem Hauptbestand- teil der Zellhaut entstammen. Schacht (2) gab an, daß bei Gaulerpa nach Behandlung mit ÄtzalkaH Cellulosereaktion auftritt. Frische Gaulerpa zeigt nach Correns nie Cellulosereaktion. Noll (3) nahm zwei Membran- stoffe an: einen durch HgSO^ extrahierbaren und sich mit Jodlösung bläuenden und einen rückbleibenden Bestandteil. Mirande (4) vermißte bei allen Caulerpaceen, Bryopsis, Derbesiaceen und Codiaceen Cellulose und schreibt diesen Algen Callose und Pektin zu. Cellulose-Pektinmembranen hat nach diesem Forscher nur Vaucheria. VI. Phaeophyceen. van Wisselingh hat gezeigt, daß die Zell- wände von Fueus Cellulose enthalten und daß außerdem noch ein sich mit Jodkalium und 1 % H2SO4 blaufärbendes Kohlenhydrat zugegen ist, welches als „Fucin" unterschieden worden ist. Das Fucin ist in der Mittellamelle lokalisiert. Rutheniumrot färbt die gesamte Wandsubstanz. Fueus ist sodann das klassische Objekt der Pentosan- und Methylpentosan- forschung. Schon 1850 gelang es Stenhouse(5) durch Behandlung von Fueus mit H2SO4 ein flüchtiges Produkt zu gewinnen, welches er als Fucusol beschrieb. Maqüenne (6) erst hat 40 Jahre später nachge- wiesen, daß das Fucusol ein Gemenge von viel Furfurol mit etwas Methylfurfurol darstellt. Wie Maqüenne hervorhob, entsteht das letztere bei Behandlung von Methyl pen tosen und deren Kondensationsprodukten mit starken Mineralsäuren in gleicher Weise wie Furfurol aus Pentosen. Es gibt mit Alkohol und konzentrierter H2SO4 eine grüne Farbenreaktion. Seine Konstitution ist: CH CH II II CH3 ' C— 0— C • COH. Tollens und Günther (7) haben zuerst nachgewiesen, daß man bei der Hydrolyse von Fueus wirklich eine Methylpentose erhält, welche der Rhamnose isomer ist, Fehlings Lösung reduziert und stark links- drehend ist. Diese, als Fueose bezeichnete Menthylpentose liefert beim Kochen mit HCl Methylfurfurol. Ihr Osazon krystallisiert, schmilzt bei 159° und ist sehr leicht löslich. In den folgenden Arbeiten von Tollens und seinen Mitarbeitern (8) wurde die Konstitution der Fueose endgültig 1) Correns, Ber. Botan. Ges., 12, 355 (1894). — 2) Zit. bei Correns, 1. c, p. 358, Anm. — 3) F. Noll, Al)hancll. Senckenberg. Naturf. Ges., 15, 142 (1887). — 4) R. Mirande, Compt. rend., 156, 475 (1913). — 5) J. Stenhouse, Lieb. Ann., 74, 278 (1850). — 6) Maqüenne, Cotnpt. rend., 109, 571, 603 (1889). Vgl. Bieler u. Toi,LENS, Ber. Chem. Ges., 22, 8063. Widsoe u. Tollens, Ebenda, 33, 143 (1900). OsHiMA u. Tollens, Ebenda, 34, 1425. — 7) GIjnther u. Tollens, Ebenda, 23, 2585 (1890); Lieb. Ann., 277, 86. — 8) Müther u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 37, 298, 306 (1904). Mayer u. Tollens, Ebenda, j-S, 302i (1905); 40, 2434 (1907). Tollens u. Rorive, Ebenda, 42. 2009 (1909). Votocek, Ebenda, 37, 3859 (1904). § 3. Die Zellmembranen der Algen. 643 sichergestellt. Sie ist der optische Antipode der Rhodeose und hat den der 1-Galactose entsprechenden Aufbau: OH H H OH CH3-I 1 1 l-COH. H OHOH H Fucosan sowie Pentosane müssen in Fucaceen, Laminariaceen und den verwandten Gruppen überall verbreitete Zellhautstoffe sein, da die Analysen von König und Bettels und von Suzuki (1) für die Trocken- substanz dieser Algen Pentosanzahlen zwischen 6 — 7 % und 1,5 bis 2,2% an Methylpentosan aufweisen. Galactan scheint nie vorhanden zu sein, da Schleimsäure aus Braunalgen nicht dargestellt werden konnte. Der Laminariaschleim gibt nach einer Angabe von Bauer (2) bei der Hydrolyse Glucose. In der Cuticula von Ectocarpus soll nach Sauva- geau Pektin enthalten sein (3). Andere aus Laminaria dargestellte Kohlenhydrate gehören wohl dem Zellinhalte an und sind als dextrinartige Reservekohlenhydrate auf- zufassen. Dies betrifft die von Schmiedeberg (4) beschriebenen beiden Stoffe, das Laminarin und die kolloide stark quellbare Laminarsäure, ferner das von Stanford (5) aus Laminaria dargestellte Algin oder die Algensäure, welche wesentlich mit der kolloiden Laminarsäure identisch gewesen sein dürfte und ihren geringen N-Gehalt Beimengungen ver- danken dürfte. Wenigstens war die von Kreftling in neuerer Zeit gewonnene Tangsäure ein N-freies Präparat, das als Glucosederivat auf- zufassen ist (6). Die Zahlen der „Rohfaser" der Braunalgen sind in den Daten von Warington und König sehr verschieden hoch, betragen für Lami- naria 9 — 12% der lufttrockenen Substanz, steigen bei Cystoseira bis 17%, bei Cystophyllum fusiforme bis über 26% an. VIL Florideen. Nach Wisselingh besteht das Gewebe von Sphaerococcus crispus aus dicken Cellulosewänden mit einer Intercellular- substanz, welche durch Glycerin bei 300^ zerstört wird. Rutheniumrot färbt alle Membran teile rot. Viele Florideen sind reich an Zellwand- stoffen, die mit kochendem Wasser eine schleimige Masse bilden (7). Darauf beruht die Anwendung der Handelsprodukte, die als Carrageen aus Chondrus crispus und Gigartina mamillosa bereitet werden, ferner des von Gracilaria lichenoides stammenden Agar-Agar, endlich des aus Por- phyra laciniata hergestellten japanischen Nahrungsmittels Nori. Carra- geenschleim wird durch Kupferoxydammoniak nicht gelöst und gibt nur eine schwache Rötung mit Jod (8). Mit Salpetersäure eingedampft, liefert Carrageen reichlich Schleimsäure und die Ausbeute beträgt soviel, daß sie 20—28% Galactosegehalt der Muttersubstanz entspricht (9). Neben Galactan sind im Carrageen, nach den Befunden von Sebor zu schheßen. 1) J. König u. J. Bettels, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, lo, 457 (1905). Y. Suzuki, Traneact. Sapporo Nat. Hiet. Soc., / (1905/06). — 2) R. W. Bauer, Her. Chem. Ges., 22, 618 (1889). Vgl. auch Tunmann, Pharm. Zentr.halie, 48, 241 (1907). — 3) Sauvageau, Compt. rend., 122, 896 (1896). — 4) Schmiede- berg, Tagebl. d. Naturf. Vera. (1885), p. 231. — 5) Stanford, Chem. News, 47, 254 (1883); Journ. Chem. Soc. (18S6), p. 218. — 6) A. Kreftung, Just Jahresber. (1897), //, 76; Pharmacia, ö, 151 (1910). Torup, Ebenda, p. 153. — 7) Quellungs- vorgäiige: Fr. Tobler, Ztsch. wi.s8. Mikrosk., 26, 51 (1909). — 8) O. Tunmann, Apoth.-Ztg., 34, 151 (1909). — 9) Haedicke, Bauer u. Tollens, Lieb. Auu., 238, 302 (1887). 41* 544 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Klanzen. noch Derivate von Glucose und Fructose zugegen (1) und es fehlen ferner geringe Mengen von Pentosan und Methylpentosan nicht. Auch die Kohlenhydrate des Agar, die als Gelose bezeichnet wurden, schließen reichlich Galactan ein, so daß etwa Vs des Agars aus Galactan bestehen dürfte (2). Agar gibt eine rotviolette Jodreaktion. Mit Salpetersäure entsteht Schleirasäure und Oxalsäure. Aber auch das japanische Nori enthält nach Tollens und Oshima ^3) viel Galactan, daneben ein Mannan und Fucosan. Daß Florideen regelmäßig viel Galactan enthalten, folgt auch aus den Analysen von König und Bettels. Der Cellulosegehalt dürfte nicht sehr groß sein. § 4. Der Zellmembranen der Moose und Farne. Die Mooszellmembranen enthalten nach den wenigen vor- liegenden Untersuchungen wohl stets einen gewissen Anteil an Cellulose, doch ist dieselbe durch die gewöhnlich angewendeten Reagentien in der Regel nicht direkt nachzuweisen, sondern erst nach Kochen mit ver- dünnten Alkalien (4). Dabei geht aber ein erheblicher Teil der Zeliwand- substanz in Lösung und läßt sich durch Neutralisation als gallertartiger Niederschlag ausfällen. Draggendorff(5) und Treffner führten diese Substanz als „Metarabinsäure". In der Tat scheinen nach K. Müller (6) Araban, Xylan, wohl auch Methylpentosan bei Moosen verbreitet vorzu- kommen und der gallertartige Membranstoff aus Sphagnura scheint speziell ein Xylan zu sein. Polytrichum enthält nur sehr wenig Pentosan. In Bryaceen wies Winterstein (7) Mannan nach. Die Zellwände von Sphagnum geben mit MiLLONschem Reagens eine lebhaft rote Reaktion, und es läßt sich der wirksame Körper, der einstweilen als „Sphagnol" be- schrieben wurde und phenolartiger Natur ist, daraus mit verdünnter Lauge extrahieren. Die Substanz gibt eine rotbraune Eisenreaktion. Sie ist sehr reichhch in den Zellmembranen von Sphagnum, FontinaHs, Trichocolea und Hypnaeeen enthalten, überhaupt bei Moosen von nassen Standorten verbreitet. Da sie ziemhch stark toxisch wirkt, so scheint es sich in biologischer Hinsicht um einen Schutzstoff zu handeln. Ferner sind bei Moosen eisen- bläuende, aromatische Stoffe in den Zellmembranen sehr verbreitet, die ich als „Dicranumgerbsäure" •zusammengefaßt habe. Auch diese Stoffe lassen sich durch verdünntes AlkaU aus den Zellhäuten in Lösung bringen, sind in Wasser leicht lösHch, wenig lösüch in starkem Alkohol und fällen Leimlösung. Man kann durch schwaches Alkah Polytrichumblätter in lebendem Zustande braun färben, ohne daß die Zellen geschädigt werden, weil die erwähnte gerbstoffartige Substanz im alkaHschen Medium leicht oxydabel ist (8). 1) J. Sebor, Oaterr. Chem.-Ztg., j, 441 (1900); Botan. Zentr., 86, 70 (1901). — 2) Greenish, Ber. Chem. Ges., 14, 2253 (1881); 15, 2243 (1882); Arch. Pharm., 17, 241, 321. MoRlN, Compt. rend., 90, 924 (1880). Porümbaru, Ebenda, p. 1081. Bauer, Journ. prakt. Chem., 30, 367 (1885). König u. Bettels, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußraittel, 10, 457 (1905). Cooper, Cantab u. Ndttall, Pharm. Joum. (4), 26, 588 (1908). — 3) Oshima u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 34, 1422 (1901). — 4) F. Czapek, Flora (1899), p. 361. — 5) Draggendorft, Analyse v. Pflanzen (1882), p. 88. Treffner, Just Jahresber. (1881), /, 157. — 6) K. Müller, Ztsch. physiol. Chem., 45, 286 (1905). Über Sphagnum auch Ibele, Ber. Botan. Ges., 31, 74 (1913). ^— 7) E. Winterstein, Ztsch. physiol. Chem., 21, 152 (1895). 8) K. v. ScHOENAü, Flora, 105, 246 (1913). Lebermoose: Garjeanne, Ebenda (1913), p. 370. § 5. Das Zellhautgerüst der Phanerogamen : Die Cellulose. 645 Dicranumgerbsäure findet sich charaktcristischerwcise besonders bei xero- phytischen Moosen wie Grimmia, Barbula, Tortula, Orlhotrichum, Di- cranum, Leucobryum. Sie ist nicht so giftig wie Sphagnol. Mooszellmembranen geben nach Gjokic(1) regelmäßig eine rote Färbung mit Rutheniumsesquichlorür. Die Holzstoffreaktionen fallen stets negativ aus. Gänzlich unbekannt ist die chemische Natur der gelben und braunen Membranfarbstoffe, welche besonders die mechanischen Gewebe der Moose lebhaft tingieren. Bei den Farnen hat Gilson (2) durch die IJcrstellung von Cellulose- sphäriten aus der Lösung der Membranen in Kupferoxydammoniak die Gegenwart der gewöhnUchen Dextrosocellulose außer Zweifel gesetzt. Sodann scheinen nach den Untersuchungen von Winterstein und von Merkel- bach (3) Mannane bei den Pteridophyten verbreitet vorzukommen. Schwerer hydrolysierbare Galactane sind dem letztgenannten Autor zufolge gleich- falls verbreitet. Von Pentosanen konnte nur Araban gefunden werden, während Xylan auffallenderweise in keiner einzigen Farnpflanze zu kon- statieren war. Methylpentosan wird von Lycopodium clavatum erwähnt. Die Pektinverbindungen in den Parenchymzellwänden von Equisetum wurden durch Mangin(4) eingehend studiert. Bei Equisetum arvense bildet Calcium- pektat im Parenchym der Stengelknoten kleine knopfartige, in die Inter- <;ellularräume vorstehende Erhebungen. Konkretionen von Calciumpektat als einfache oder verzweigte, gebogene Stäbchen fand Mangin im Blattstiel- parenchym von Pteridium aquilinum und Blechnum brasiliense. Linsbauer (5) hat die Verbreitung der „Ligninreaktionen" bei den Gefäßkryptogamen untersucht. Die gefärbten Sclerenchymzellwände der Farne geben meist deuthche Holzstoffreaktion, während bei Equisetum die Reaktion an den mechanischen Elementen ausbleibt. Die Tracheiden bei Isoetes geben die Phloroglucinreaktion nicht, jene von Salvinia nur schwach. Manche Farne zeigen die Ligninreaktion an Parenchymzellwänden, die Lycopodien sogar im Mesophyll. Sehr häufig tritt die Reaktion an den Epidermiszellwänden des Blattstieles ein, aber nicht an jenen der Lamina (6). Ligninreaktion erfolgt endhch an den Sporangienwänden. Über das mikro- chemische Verhalten dtjr gefärbten Schutzscheidenzellwände bei den Farnen finden sich bei Rumpf (7) Angaben. Perrin (8) behauptet, daß die Zellwände der Farnprothalhen keine Cellulose enthalten, sondern nur Hemicellulosen, welche von der jungen Farnpflanze ausgenutzt werden. §5- Das Zellhautgerfist der Phanerogamen: Die Cellulose. Die erste Entdeckung auf dem Gebiete der Zellhautchemie war die Beobachtung von Braconnot (9), daß bei der Einwirkung von kochender Schwefelsäure auf Holz und Leinwand Zucker entsteht (1819). Gmelin(IO) fügte hinzu, daß bei der Säurebehandlung von Papier aus 1) Gjokic, Österr. bot. Ztsch. (1895), Nr. 9. — 2) Gii^ON, La Cellule, 9, 397 (1893). — 3) W. Merkelbach, Diss. (Freiburg 1907). — 4) Mangin, Joum. de Botan., 7, 37 (1894). — 5) K. Linsbaüer, Österr. bot. Ztsch. (1899X Nr. 9. Bürgerstein, Sitz.ber. Wien. Ak., 70, I, 9 (1874), Anm. — 6) Lemaire, Ann. Sei. Nat. (6), 15. Thomae, Jahrb. wies. Botan., 17, 99 (1886). — 7) G. Rumpf, Rhizo- dermifi, Hypoderniis u. Endodermis der Farnwurzel (Marburg 1904); Biblioth. botan., Nr. 62. — 8) G. Perrin, Th^se (Paria 1908). — 9) H. Braconnot, Ann. de Chim. et Phys. (1819), p. 172; Schweigg. Journ., 27, 328 (1819). — 10) Gmelin, Ebenda, 58, 374, 377 (1830). 646 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. diesem ein gallertartiger Stoff entsteht, welcher sich mit Jodlösung blau färbt. Das Verdienst, die wissenschaftliche Begründung der physiologischen Chemie des Zellhautgerüstes der Pflanzen geschaffen zu haben, kommt jedoch Payen(I) zu. Dieser Forscher war in seinen seit 1834 fort- laufenden Arbeiten bestrebt, die Zellwände möglichst zahlreicher Pflanzen- teile durch sukzessive Behandlung mit Säuren, Alkalien, Wasser, Alkohol, Äther möglichst rein zu gewinnen und die Präparate zu analysieren. Er kam zur Überzeugung, daß man schließlich immer eine mit Stärke isomere Substanz, CßHioOg erhält, welche er als Cellulose bezeichnete, 1838 beobachtete Schleiden(2) zuerst die Eigenschaft der Zellwände sich mit Jod und H2SO4 blau zu färben, wenngleich ihm anfangs die irrige Ansicht unterlief, daß hierbei Stärke entstehe und er meinte, daß Jod allein zu dieser Reaktion ausreiche. Mohl(3) fand die allgemeine Verbreitung der Jod + H2SO4 -Reaktion bei Cellulose wänden, ebenso Karting (4). Die Einführung des bekannten Chlorjodzinkreagens ver- dankt man Schulze in Rostock (5). Man erfuhr auch bald, daß viele Zellmembranen, wie Cuticula, Kork, Holz, diese Reaktion nicht geben, und Payen meinte, daß die Reaktion trotz nachgewiesener Gegenwart von Cellulose in solchen Zellmembranen deshalb unterbleibe, weü die Cellulose „verschieden aggregiert" und von „inkrustierenden Substanzen" durchdrungen sei. Die Folgezeit brachte einmal zahlreiche Analysen pflanzlicher Zellhäute (6), andererseits bemühte man sich, freilich mit geringem Erfolge, die „Inkrusten" aus den Membranen darzustellen. Die von Fri^my und Terreil(7) eingeführten Namen „Paracellulose", „Cutose", „Vasculose" blieben ziemlich inhaltsleere Begriffe. Der 1842 durch Schleiden(8) geäußerte Gedanke, daß es möglicherweise eine ganze Reihe von Cellulosen geben könnte, welche graduell verschieden sind und von denen nur wenige Glieder bekannt sind, wurde in neuerer Zeit in gewissem Sinne bestätigt, als man endlich dazu überging, die rein qualitativ-mikrochemische Methodik aufzugeben und die Zuckerarten näher zu studieren, welche bei der Hydrolyse der pflanzlichen Zellmem- branen entstehen. Zunächst Muntz(9), sodann Schulze und Steiger (10) zeigten, daß man nicht selten bei der Zellhauthydrolyse aus verschiedenem Pflanzenmaterial Galactose unter den Produkten beobachtet. 1886 fand sodann Koch (11), daß das von Thomsen(12) zuerst dargestellte Holz- gummi bei der Hydrolyse eine neue Zuckerart, Xylose, liefert, welche ebenso wie die aus Pektin und Kirschgummi darstellbare Arabinose als fünfwertiger Zucker aufzufassen sei. Bald lehrte eine stattliche Reihe von Untersuchungen, größtenteils den Laboratorien von E. Schulze und von B. Tollens stammend, daß Galactane wie Pentosane weit 1) Payen, Ann. Sei. Nat. (2), 2, 21 (1839); Ebenda (1840), p. 73: M^moir. 8ur les developpements des v^g^taux (Paris 1842); CJompt. rend., 10, 941 (1840). J. M0LE8OHOTT, Physiol. d. Stoffwechsels (Erlangen 1851), p. 101 ff. — 2) Schleiden, PogK. Ann., 43, 391 (1838). Liebig, Lieb. Ann., 42, 298 u. 306 (1842). — 3) H. V. MOHL, Flora (1840); Vermiachte Schrift. (1845), p. 335; Botan. Ztg. (1847), p. 497. — 4) Harting, Berzelius Jahresber., 26, 613 (1847). — 5) Vgl Radlkofer, Lieb. Ann., 94, 332 (1855) — 6) v. Baumhaüer, Journ. prakt. Chem., 32, 204 (1844); Lieb. Ann., 48, 356 (1843). Fromberg, Ebenda, 4S, 353 (1843). Mulder, Physiol. Chem. (1844), p. 198. — 7) Fremy u. Terreii^ Journ. Pharm, et Chim., 7. 241 (1868). Vgl. auch Schi^iden, Grundzüge d. wiss Bot., 4. Aufl., p. 121 (1861). — 8) Schleiden, Flora (1842), p. 237 — 9) Muntz, Compt. rend., 94, 453 (1882); 102, 624. 681 (1885). — 10) Schulze u. Steiger, Ber. Chem. Ges., 20, 290 (1887). — 11) F. Koch, Ber. Chem. Ges., 20, Blef. p. 145. Tollens, Lieb. Ann., JS4> 304; 260, 289. — 12) Thomsen, Journ. prakt. Chem., /p, 146. § 5. Das Zellhautgerüst der Phanerogamen: Die Cellalose. 647 verbreitete Zellwandbestandteile darstellen müssen. Dazu kam noch 1889 die Entdeckung von Reiss(I), daß eine weitere Hexose, anfangs Seminose genannt, bald aber von E. Fischer mit der synthetischen Mannose identifiziert, häufig an dem Aufbau von Zellwänden Anteil hat. Genaue Untersuchungen von E. Schulze und dessen Schülern sowie anderer Forscher lehrten den Unterschied zwischen denjenigen Zellwandbestand- teilen, welche in Reservestoffbohältern vorkommen und beim Keimen und Austreiben gelöst werden und denjenigen, welche nie verbraucht werden und als typische Gerüstsubstanzen aufzufassen sind, kennen. Die REisssche Reservecellulose, das Mannan der Dattel, war einer der ersten Fälle, in denen der Reservestoff Charakter von Zell wandschichten gezeigt wurde. Weiter bewiesen die Arbeiten von Schulze und Gilson, daß die einzelnen Wandbestandteile bei der Hydrolyse mit verdünnter Mineral- säure ungleich widerstandsfähig sind und man trennte die leicht hydro- lysierbaren Zellhautstoffe, die schon bei Behandlung mit 3% HjSO^ verzuckert werden, als „Hemicellulosen", von den Cellulosen oder schwer angreifbaren Membranstoffen ab. Zu den Hemicellulosen gehören sowohl die Reservecellulosen, Galactan und Mannan, als auch die den typischen Gerüstsubstanzen der Zellhaut zuzurechnenden Pentosane. Schwer angreifbar ist vor allem die vom Traubenzucker herzuleitende eigentliche Cellulose, der Hauptbestandteil der meisten Zellhäute bei den Phanero- gamen. welcher sich vielleicht eine Mannoseceliulose, möglicherweise noch eine Galactocellulose anreihen werden. Die neueren Arbeiten bezüglich Kork, Holz, Cuticula, Schleimmem- branen, Pektin- und Gummisubstanzen sind in den nachfolgenden Paragraphen namhaft gemacht Hier wenden wir uns zunächst der Cellulose zu. In Parenchymzellwänden, Baumwollhaaren und anderen derartigen Zellmembranen macht Cellulose über 90% der Gesamtmasse aus. Sie ist, worauf GiLSON (2) aufmerksam gemacht hat, vielleicht das einzige Wand- kohlenhydrat, das bei der Hydrolyse ausschheßhch Traubenzucker üefert. Cellulose fehlt im Tierreiche nicht ganz, denn wie zuerst von C. Schmidt (3) nachgewiesen wurde, besteht der Panzer der Tunicaten aus Celluloso, die mit der Pflanzencellulose vollkommen identisch ist (4). Für die Kenntnis der Cellulose war in neuerer Zeit das von Gilson entdeckte Verfahren wertvoll, die Cellulose aus ihrer Lösung in Kupfer- oxydammoniak in Sphärokrystallen auszufällen und so von den anderen Wandkohlenhydraten abzutrennen. Auf diese Art kann man sowohl von Schnitten, als aus größeren Mengen gereinigten chemischen Materials die Cellulose durch langsame Abscheidung aus der Lösung rein darstellen (5). Das Kupferoxydammoniak wurde 1857 durch E. Schweizer (6) als Lösungs- mittel für pflanzhche Zellmembranen bekannt gegeben. Man erhält es durch Auflösen von Kupferoxyd in konzentriertem Ammoniak, wobei die Gegen- wart von etwas Ammoniumsalz nötig ist (7), oder durch Lösen von metalü- schem Kupfer in NHg unter Durchleiten von Luft (8), oder auch beim Lösen 1) Reiss, Diss. (Erlangen 1889); Ber. Chem. Gee., 22, 609. — 2) Gilson, La Cellule, 9, 397 (1893). — 3) C. Schmidt, Journ. prakt. Chem., j*. 433 (1846). C. LoEWiG u. KoELLiKER, Compt. rend., 22, 581 (1846). — 4) Franchimont, Ber. Chem. Ges., 12, 1939 (1879). Winterstein, Ebenda, 26, 362 (1893). Abderhalden u. Zemplen, Ztsch. physiol. Chem., 72, 58 (1911). — 5) Vgl. auch Johnson, Botan. Gaz., 20, 16 (1895). Früher hatte Grimaux, Compt. rend., g8, 1434 (1884), Cellu- lose als Kolloid durch Dialyse der Kupferoxydammoniaklösung gewonnen. Auch BtJTSCHLl, Fortgesetzte Untersuch, an Gerinnungsschäumen usw. (1894). — 6) E. Schweizer, Journ. prakt. Chem., 76. 109, 344 (1857). — 7) Maumene, Compt. rend., 95, 223 (1882). — 8) Escombe, Nature (1905), p. 170. 648 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. von Cu(0H)2 in 20% Ammoniak. Man kann schließlich auch nach DE Toni (1) durch Auflösen einer Mischung von 5 Teilen feingepulverten CUSO4 und 1 Teil Soda in konzentriertem Ammoniak ein wirksames Schweizer- sches Reagens herstellen. Vorbehandlung mit Lauge unterstützt die Schnelhg- keit der Lösung der Zellmembranen wesenthch. Auch in einer ammoniakaU- schen Lösung von Kupfercarbonat ist Cellulose löshch (2). Diese Lösungen sind optisch aktiv (3) und enthalten Kupferalkahcellulose (4). GiLSON befreite nicht zu dünne Schnitte aus Betawurzeln mittels, Eau de Javelle oder NaOH von den Zelhnhaltsstoffen, wusch sie aus und ließ sie im verschlossenen Gefäße 5 — 12 Stunden in Kupferoxydammoniak stehen. Sodann kamen dieselben in mehrfach gewechseltes Ammoniak und wurden mit Wasser ausgewaschen. Bei Anwendung von 5% NHg erhielt er dendritische Gebilde. Größere Mengen krystallisierter Cellulose stellte GiLSON aus pulverisiertem Mark von Kohlstengeln her. Dasselbe wurde sukzessive mit ^% NaOH, fünfstündigem Kochen mit 2% H2SO4, 14 Tage langem Liegen in 12 Teilen Salpetersäure von 1,15 D mit 0,8 Teilen KCIO3, einstündigem Liegen in verdünntem Ammoniak bei 60" behandelt und zwischen je zwei Operationen mit Wasser gewaschen. Zuletzt wurde mit Alkohol gewaschen und getrocknet. Nach Behandlung mit Kupferoxydammoniak und Ammon erhielt man dann vollständig krystaUinische Massen. Aus der konzentrierten Kupferoxydammoniaklösung selbst scheiden sich nur kleine Sphärite aus. Dieselben kann man mit Kongorot, einem Cellulose leicht färbenden Farbstoff, tingieren (5). Das gleiche Verhalten ist von keinem anderen Kohlenhydrate der Zellwand bekannt. Ob aber nicht doch eine geringfügige Hydrolyse bei der Kupferoxydammoniakbehandlung unter- läuft, ist nicht sicher. Von verdünnten Mineralsäuren wird Cellulose bei gewöhnhchem Druck sehr wenig angegriffen, erhöhter Druck beschleunigt die Hydrolyse be- deutend, hat jedoch den Nachteil, daß ein erhebhcher Teil des entstandenen Traubenzuckers weiter abgebaut wird (6). Am rationellsten ist es, die Cellulose zuerst mit kalter konzentrierter H2SO4 zu behandeln, in der sie sich glatt auflöst, dann auf 1—2% Säuregehalt zu verdünnen und auf 100—120" zu erhitzen (7). So erhält man die beste Ausbeute an Glucose, welche das einzige Abbauprodukt zuckerartiger Natur darstellt (8). Die Zwischen- produkte des Säureabbaues der Cellulose sind bisher nur zum Teil einer wissenschaftüchen Charakterisierung zugängUch. Wenig bekannt ist die Natur der unlöslichen Produkte, die bei gehnder Schwefelsäurewirkung zunächst entstehen und in der Praxis als „Pergament" (Amyloid) bezeichnet werden. Sodann entsteht eine in Wasser kolloidal lösliche Cellulose (9). Beide Produkte so wie Ekströms Acidcellulose geben mit Jod Blaufärbung (10) ohne Schwefelsäure. Euler beschrieb als „Cellulosedextrine" Produkte, 1) DE Toni, Botan. Zentr., 104, 320 (1907). — 2) Riesenfeld u. Taurke, Ber. Chem. Ges., 38, 2798 (1905). — 3) Levallois, Compt. rend., 98, 732 (1884); 99, 1027. Bechamp, Ebenda, p. 1122; wo, 368, 279 (1885). — 4) Normann, Chem.- Ztg., 30, 584 (1906). — 5) Vgl. Carano, Ann. di Botan., 7. 707 (1909). Mikro- chemie: O. TüNMANN, Pflanzenmikrochemie, p. 545 (Berlin 1913). — 6) Ost u. WiLKENiNG, Chem. -Ztg., 34, 461 (1910). FH: Ville u. Mestrezat, Compt. rend., 150, 783 (1910). BrH: Oechsner de Coninck, Bull. Ac. Roy. Belg. Cl. Sei. (1910), p. 587. Oxalsäure: Knecht, Journ. Soc. Chem. Ind., 28, 700 (1911). — 7) Ost u. Brodtkorb, Chem.-Ztg., 35, 1125 (1911). — 8) Flechsig, Ztsch. physiol. Chem.. 7, 523 (1883). Gilson, 1. c. Ernest, Ber. Chem. Ges., 39, 1947 (1906). — 9) GüiGNBT, Compt. rend., 108, 1258 (1889). v. Weimarn, Ztsch. Koll.Chem,, //, 41 (1912). Schwalbe u. Schulz, Her. Chem. Ges., 43, 913 (1910). — 10) Über direkte Jodbläuung „verkleisterter" Cellulose auch Arcichowskij, Trav. Soc. Imp. Nat. P^tersb., 43, 347 (1912). § 5. Das ZellhantgerüBt der Phanerogamen: Die Cellulose. 649 die er durch Gstündige Behandlung mit 75% H2SO4 bei SO'' erhallen hatte (1). Damit fällt wohl wesentlich auch die Hydrocellulose der Literatur zusammen, welche durch Jodbläuung und Reduktionsvermögen ausgezeichnet ist (2). Vielleicht entsprechen der Zusammensetzung der Cellulose zwei Hydro- cellulosereste. Die Hydrocellulose von Girard (3) war in heißer Kalilauge und kochendem Essigsäureanhydrid löslich. Derartige gelinde Hydra- tationen erzielt man sodann auch durch Metallchloride im Vereine mit Salz- säure (4), und es ist die Hydrolyse je nach der Natur des Metalles mehr oder weniger weitgehend. Antimon, Quecksilber, Wismut und Zinn wirken am stärksten. Mit Wasser läßt sich die Cellulose wieder aus der Lösung fällen. Eine bekannte Anwendung von diesen Reaktionen wird in dem allgemein gebrauchten Chlorzinkjodreagens gemacht, das man auch einfach durch aufeinanderfolgende Behandlung mit JodjodkaU und Zinkchlorid ersetzen kann (5). Schon bei H2S04-Behandlung allein erfolgt Veresterung unter Bildung von Sulfosäuren (6), und man kann bei der Behandlung von Cellulose mit konzentrierter H2SO4 und Säureanhydriden allgemein gleichzeitig hydro^ lytischen Abbau und Esterbildung beobachten. Alle entstehenden Ester sind Derivate von- Hydrocellulosen, so die Acetylcellulose (7), die Aceto- sulfate (8), Benzoyl- und Phenolcellulose (9), Formylcellulose (10), Oxal- säureester (11) usw. Dies hat man auch bezügUch der praktisch-wichtigen Nitroderivate der Cellulose zu beachten, bei deren Gewinnung die Schwefel- säure die zur Nitrierung nötige Hydratationsstufe herstellt. Die Schießbaum- wolle ist höchstens zum kleinen Teil eine Adsorptionsverbindung von Salpeter- säure und Cellulose und zum größten Teile ein Gemisch von Tetra-, Penta- und Hexanitraten der Cellulose (12). Von Interesse ist der Befund von 1) H. Euler, Ztsch. angewandt. Chem., 25, 280 (1912). — 2) Schwalbe, Ber. Chem. Ges., 40, 4523 (1907); Ztsch. angewandt. Chem., 22, 155 (1909); 24, 12 (1911), BÜTTNER u. Neümann, Ebenda, 21, 2609 (1908); 22, 585 (1909). Ost u. Westhoff, Chem.-Ztg., jj, 197 (1909). Jehtgen, Ztsch. angewandt. Chem., 23, 1541 (1910); 24, 11 (1911). Cross u. Bevan, Journ. Chem. Soc, 85, 691 (1904). Briggs, Journ. Soc. Chem. Ind., 28, 340 (1909). — 3) A. Girard, Ann. de Chim. et Phys. (5), 24, 337 (1881); Ber. Chem. Ges., p, 65 (1876); 12, 2085 (1879). - 4) H. G. Deming, Journ. Amer. Chem. Soc., jj, 1515 (1911). — 5) Nowopo- KROWSKY, Bull. Jard. Imp. St. P^tersb., //, 109 (1911); Beihefte bot. Zentr., 28, I, 90 (1912). — 6) Honig u. Schubert, Monatsh. Chem., 7. 455 (1886). — 7) Gross u. Bevan, Ber. Chem. Ges., 23, Ref. 247 (1890). Franchimont, Compt. rend., 92, 1053 (1881); Rec. trav. chim. Pays-Bas, 18, 472 (1899). Skraup, Ber. Chem. Ges., 32, 2413 (1899). Gross u. Bevan, Chem.-Ztg., 29, 527 (1905). Haeussermann, Ebenda, p. 667. Skraup, Monatsh. Chem., 26, 1415 (1905). Schwalbe, Ztsch. angewandt. Chem., 23, 433 (1910); 24, 1256 (1911). Ost u. Katayama, Ebenda, 25, 1467 (1912); Naturf. Ges. (1912), //, 1, 124. — 8) Cross, Bevan u. Briggs, Ber. Chem. Ges., 38, 3531 (1905). — 9) Cross u. Bevan, Chem. News, 65, 77 (1892); 67, 236 (1893). Hauser u. Muschner, Ztsch. angewandt. Chem., 26, 137 (1913). Nastjukow, Chem. Zentr. (1903), /, 139; (1908), /, 821. G. J. Briggs, Ztsch. angewandt. Chem., 20, 255 (1913). — 10) Woodbridge, Journ. Amer. Chem. Soc, j/, 1067 (1909). Berl u. Smith, Ber. Chem. Ges., 40, 903 (1907). Worden, Journ. Soc. Chem. Ind., j/. 1064 (1912). — 11) Briggs, Ebenda, 31, 520 (1912). — 12) Lit. BüMCKE u. Wolffenstein, Ber. Chem. Ges., 32, 2493 (1899). Haeusser- mann, Ebenda, 36, 3956 (1903). Will, Ebenda, 24, 400 (1891). Gross, Bevan n. Jenks, Ebenda, 34> 2496 (1901). Lunge u. Weintraub, Ztsch. angewandt. Chem. (1899), p. 441. Lunge u. Bebie, Ebenda, 14, 483 (1901). A. Müller, Ztsch. Koll. Chem., 2, 173 (1907). Haeussermann, Chem. Zentr. (1908), /, 2024. Rassow u. Bongre, Ztsch. angewandt. Chem., 21, 732 (1908). Kullgren, Chem. Zentr. (1908), /, 2024. Hake u. Bell, Journ, Soc. Chem. Ind., 2*, 457 (1909). Mosenthal, Ebenda, 30, 782 (1911). Jentgen. Ztsch. angewandt. Chem., 35, 944 (1912). Berl u. Smith, Ber. Chem. Ges., 41, 1837 (1908). Tassart, Bull, Soc. Chim. (4), //, 1009 (1912). H. Schwarz, Ztoch. KoU.-Chem., 12, 32 (1913). J. E. Crane, Chem. Abstracts (1913) p. 2113, 650 Einundzwanzigstes Kapitel: Das ZellhautgerOst der Pflanzen. Berl(1), daß man unter den stickstoffhaltigen Abbauprodukten nach der Alkaliverseifung der Nitrocellulose das Pentanitrat einer komplexen Kohlen- hydratsäure, der Gellonsäure, erhält. Die Acetolyse von Cellulose mit Essigsäureanhydrid und konzen- trierter Schwefelsäure war von besonderem theoretischen Interesse, weil Skraup (2) auf diesem Wege zuerst das Octacetylderivat einer neuen Biose erhielt, der Cellobiose oder Cellose, welche offenbar ein wichtiges Struktur- element im Cellulosemolekül ist. Dieses Disaccharid hefert bei der Oxy- dation mit Brom eine Bionsäure (3) und gibt ein schwerlöshches Osazon, muß also eine freie Aldehydgruppe enthalten. Bei der Hydrolyse entsteht nur d-Glucose. Es scheint nach Bertrand (4) ein besonderes auf Cellose wirksames Enzjrm zu geben, welches in Mandeln, Gerste, Aspergillus niger gefunden wm-de. Diese Cellase muß wohl auch im Verdauungssaft der Weinbergschnecke vorkommen, welcher Cellulose auflöst (5). Die Cellobiose dürfte nach E. Fischer so wie Isomaltose und Gentiobiose, dem Typus der ^-Glucosidoglucosen entsprechen. Ihre Konfiguration ist aber noch unbe- kannt. Zemplen (6) gelang es neuestens Produkte der partiellen Hydro- lyse der Cellulose zu isolieren, die auch nach längerer Säureeinwirkung noch ungespaltene Cellobiosekomplexe enthalten. Da in der vollständig acetyherten Cellulose auf je einen Hexosenrest konstant drei Acetylgruppen kommen, so hat A. Green (7) die Vermutung aufgestellt, daß in der Cellulose Gruppen von der Form CHOH -CHr CHOH. I >o >o CHOH-CH^ CHg-^ als Strukturelemente anzunehmen seien. Cellulose erleidet bei Behandlung mit kalter Kalilauge Veränderungen, die praktisch in der Mercerisierung der Baumwolle (John Mercer, 1844) verwendet werden. Dabei dürfte ein Natriumcellulosat der Form CigHjgOjflNa entstehen (8). Gewiß handelt es sich bereits um eine Spaltung des ursprüng- lichen Cellulosemoleküls. Diese Umwandlung in stark quelibare Massen erfolgt durch konzentrierte Ätzlaugen, auch durch alkoholische Laugen (9), jedoch nicht durch Ammoniak. Sachs(IO) zeigte bereits, daß solche gequol- lene Zellmembranen sehr stark Cu(0H)2 auflösen. Gross und Bevan(II) gaben an, daß man aus dieser gequollenen Cellulose durch mehrstündige Behandlung mit Schwefelkohlenstoff ein in Wasser lösliches Celiulosederivat 1) E. Berl u. Fodor. Ztsch. f. Schieß- u. Sprengatoffwesen, 5 (1910). — 2) Skraup u. König, Ber. Chem. Ges., 34, 1115 (1901); Monatsh. Chem., 22, 1011 (1902); 26, 1415 (1905). Fenton, Proc. Chem. Soc, 17, 166 (1901). Klein, Ztsch. angewandt. Chem., 25, 1409 (1912). Schliemann, Lieb. Ann., 378, 366 (1911). — 3) Maquenne u. Goodwin, Bull. Soc. Chira. (3), 31, 854 (1904). Hardt-Stremayr, Monatsh. Chem., 28, 63 (1907). — 4) Bertrand u. Holderer, Bull. Soc. Chim. (4), 7. 177 (1910). Bertrand u. Compton, Ebenda, p. 995; Compt. rend., 151, 402 u. 1076 (1910): 153, 360 (1911); Ann. Inst. Pasteur, 24, 180 u. 931 (1910). Fischer u. Zemplen, Ber. Chem. Ges., 43, 2538 (1910); Lieb. Ann., 365, 1 (1909); 372, 254 (1910). — 5) G. Seilliere, Soc. Biol., 61, 204 (1906). — 6) G. Zemplen, Ztsch. physiolog. Chem., 85, 180 (1913). — 7) A. Green, Ztsch. Färb.- u. Textilchem., 3, 97 u. 309 (1904). Green u. Perkin, Proc. Chem. Soc, 22, 136(1906). Cross u. Bevan, Ztsch. Farb.chem., j, 197 (1904). Ost, Ztsch. angewandt. Chem., ig, 993 fl906). — 8) W1CHELHAÜ8 u. Vieweg, Ber. Chem. Ges., 40, 441, 3876 (1907); 41, 3269 (1908). TiEHLE, Chem.-Ztg., 25. 610 (1901). Schwalbe u. Robinow, Ztsch, angewandt. Chem., i4, 256 (1911). O. Miller, Ber. Chem. Ges., 40, 4903 (1907); 41, 4297 (1908); 43> 3430 (1910). Briggs, Chem.-Ztg., 34, 455 (1910). —9) Mangin, Corapt. rend., //j, 1069 (1892). — 10) Sachs, Sitz.ber. Wien. Ak. (1859), p. 1. — 11) Cross, Bkvan u. Beadle, Botan. Zentr., 63, 60 (1895). Ost, Westhoff u. Gessner, Lieb. Ann., 38z, 340 (1911). Thiocyanate: DußOSQ, Caoutchuc, /o, 6895 (1912). § 5. Dss ZellhautgerüBt der Phanerogamen : Die Gellulose. 651 erhalte, die „Viscose", ein heute technisch verwendeter Artikel, welcher ein Xanthogenat der Alkahcellulose darstellt. Dieselben Forscher be- schrieben nicht reduzierende „Hydratcellulosen", die durch mehrmonatüche Einwirkung von Alkali erhalten waren- (1). In der Ätzalkalischmelze ist Gellulose, wie besonders Hoppe-Seyler gezeigt hat (2), sehr beständig, und bleibt bis zu Temperaturen von 180° unverändert. Bei noch höheren Temperaturen entstehen aus Gellulose Huminstoffe, Protocatechusäure und Brenzcatechin. Mit Glycerin erhitzt bleibt Gellulose nach Wisselingh bis zu 300° unzersetzt und sie kann hierdurch von verwandten Kohlenhydraten unterschieden werden. Bei der trockenen Destillation hefert Gellulose Formaldehyd, Furfurol, co-Oxymethylfurfurol, Maltol, y-ValeroIacton (3). Die Oxycellulosen, von denen schon Vignon (4) eine durch Erhitzen von Gellulose mit Kaüumchlorat und HGl gewann, und die auch durch HNOg- Behandlung entstehen (5), haben für uns hier weniger Bedeutung, ebenso die durch Ozon, Ammoniumpersulfat und andere Mittel dargestellten peroxyd- artigen Gelluloseabkömmlinge (6). Inwieweit bei allen diesen Präparaten partielle Hydrolyse unterlaufen ist, bleibt noch zu prüfen. Den hier vorgebrachten Daten wird zu entnehmen sein, daß über die Konstitution der Gellulose sich derzeit wenig Sicheres aussagen läßt. Gross und Bevan haben in einer langen Reihe von Arbeiten ihre Ansicht dahin ge- äußert, daß die Gellulose wegen ihres Überganges in co-Oxymethylfurfurol oder bei der Behandlung mit Bromwasserstoff in das Bromid dieses Furolkörpers (7) eine Ketonkonstitution haben müsse, und nicht als Polyaldosenderivat auf- zufassen sei. Außerdem sollte in Gellulose eine Furfuroidmethylenverbindung 0 QHgOs GH, O ^orüegen (8). Dies ist alles unsicher und es scheint gegenwärtig die auf der Untersuchung der Acetyherungsprodukte begründete Meinung von Green (9) vorzuziehen zu sein, daß ein inneres Anhydrid des Traubenzuckers der Form CHOH-GH-GHOH I >o >0 GHOH-GH-GH2 das Bauelement der Gellulose bilde. Als Maßstab des Abbaues kann man nach Ost (10) die „Kupferzahl", d. h. die gebildete Meage der Kupferalkah- cellulose verwenden. 1) Gross u. Bevan, Chem.-Ztg., 33. 368 (1909). — 2) Hoppe-Seyler, Ber. Chera. Ges., 4, Ifi (1870); Med.-chem. Untersuch. (1868), p. 587; Ztsch. physiol. ehem., 13, 66 (1889). — 3) E. Erdmann, Ber. Chem. Ges., 43, 2391, 2398 (1910). Klason, Heidenstam u. Norlin, Ztach. angewandt. Chem., 22, 1205 (1909). — 4) Vignon, Compt. rend., 12s, 448 (1897). — B) Faber u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 32, 2589 (1899). Gross u. Beyan, Joum. Chem. Soc., 43, 22 (1883). Bull, Ebenda, 71, 1090 (1897). Nas tukow, Ber. Chem. Gea., jj, 2237 (1900); 34, "19 (1901). MüRUMOW, Sack u. Tollens, Ebenda, p. 1427. Wolffenstein u. Bcmcke, Ebenda, p. 2415; j2. 2493 (1899). — 6) GROSS u. Bevan, Ztsch. angewandt. Chem., ao, 570 (1907). Zimmermann, Ebenda, p. 1280. H. Ditz, Chem.-Ztg., 31, 83,S (1907). L. Meyer, Ebenda, p. 902. H. Ditz, Journ, prakt. Chem., yS, 343 (1908). CüNNiNQHAM u. DoREE, Joum. Chem. Soc, loi, 497 (1912). R. Oertel, Ztsch. angewandt. Chem., 2ö, 246 (1913). —7) Gostlino, Proc. Chem. Soc., 18, 250 (1903). — 8) Gross, Bevan u. Beadle, Ber. Chem. Ges., 26, 2520 (1893); 29, 1457 (1896); Journ. Chem. Soc. (1895) /, 433; Researche» on Gellulose. ///(London 1905— 1910). — 9) A. Green, Ztsch. Färb.- u. Textilchem., j, 97, 309 (1904). — 10) H. Ost, Ztsch. angewandt. Chem., 24, 1892 (1911). 652 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Die bekannten und schon erwähnten violetten Farbenreaktionen mit Jod und Schwefelsäure, Chlorzinkjodlösung, werden bei Cellulose auch in den Kombinationen von Jodjodkalium mit konzentrierter Phosphorsäure, Aluminiumchlorid und anderen wasserentziehenden Agentien erhalten (1). Über das Verhalten der Cellulose zu Anihnfarben hat besonders Mangin Mitteilungen gemacht (2), welchen zufolge besonders Farbstoffe der Diazo- reihe, wie Orseilhn BB, Crocein u. a. in neutraler oder schwach saurer Lösung, sowie Farbstoffe der Benzidinreihe, wie Kongorot (3) in neutraler oder schwach alkahscher Lösung die Cellulose färben. Die Angabe von Giltay, daß Häma- toxylin eine für Cellulose charakteristische Färbung hervorruft, ist be- stritten worden, und es sollen vielmehr Pektinstoffe an dieser Färbung beteihgt sein (4). Für die Lehre vom Wachstum der Zellineinbran vermochte die Cellulose- forschung bisher keine Fortschritte zu vermitteln. Verschiedene Eigen- schaften, die an den mit Säure behandelten Zellmembranen auftreten, wie der Zerfall in Körnchen, Wiesners ,,Dermatosomen"(5) oder das Auftreten von Spiralstrukturen (6) lasseq irgendwelche bestimmte Schlüsse nicht zu. Die Isoherungsmethoden und quantitativen Bestimmungsmethoden für Cellulose beruhen sämtHch auf der Erfahrung, daß Cellulose unter allen Membranstoffen die widerstandsfähigste Substanz ist, welche auch nach sehr eingreifenden Operationen praktisch vollständig zurückbleibt. Schon die Arbeiten von Payen bedienten sich dieses Prinzipes. Man extrahiert das Material mit Säuren und AlkaHen, wendet Oxydationsmittel an, wie Eau de Javelle, LABARRAQUEsche Flüssigkeit (erhalten durch Einleiten von Chlor in eine Lösung von 15 Teilen Soda auf 70 Teile Wasser) (7), oder das von Schulze und Henneberg eingeführte Gemisch von Salpetersäure und Kahumchlorat (8). Auch ist das Kochen mit saurem Calcmmsulfit unter Druck ein technisch viel zur Cellulosebereitung verwendeter Prozeß. Die in der Praxis gebräuchliche Bestimmung der ,, Rohfaser" in pflanz- Uchen Materialien läuft auf die Darstellung und Wägung unreiner Cellu- losepräparate hinaus, welche besonders Pentosane als Beimengung zur Cellulose enthalten. Das gebräuchhchste der hierher gehörigen Verfahren ist das HENNEBERGsche oder Weender Verfahren (9). Man kocht ^4 Stunde mit 1^% Schwefelsäure, sodann mit 1^4% Natronlauge, wäscht mit heißem und kaltem Wasser, Alkohol und Äther aus, trocknet und wägt. Dieses Ver- fahren wird nach bestimmten Vereinbarungen in der Praxis ausgeführt, die man in Königs bekanntem Handbuche und a. a. 0. ausführlich erläutert findet. Auch sind verschiedene Modifikationen empfohlen worden; Dmo- CHOWSKI und ToLLENS(IO) behandeln die gewonnene Rohfaser noch mit 1) Mangin, Bull. Soc. Bot, jj. 421 (1888). — 2) Mangin, Compt. rend., ///, 120 (1890). — 3) Vgl. Heinricher, Ztsch. wiss. Mikrosk., 5, 348 (1889). — 4) Gil- tay, Arch. N^erland., 18 (1883). E. Carano, Ann. di Bot., 6, 161 (1907). — 5) J. Wiesner, Sitz.ber. Wien. Ak., 93, I (1886); Elementarstruktur u. d. Wachstum d.- leb. Subst. (1892); Botan. Ztg. (1892), p. 473. Pfeffer, Studien z. Energetik (1892). CORRENS, Jahrb. wiss. Botan., 26, 590 (1894). Die Erscheinung der „Zerstäubung" oder Carbonisierung wurde zuerst beobachtet von Meyen u. Mitscherlich, Wieg- raanns Arch., /, 297 (1838). — 6) Vgl. Rosenthaler, Ber. Pharm. Ges. (1910), p. 368. Auch A. Herzog, Ztsch. Koll.Chem., 5, 246 (1909). — 7) Labarraque, Berzelius Jahresber., 5, 153 (1829). — 8) F. Schulze, Chem. Zentr. (1857), p. 321. Hennebero, Lieb. Ann., 146, 130. — 9) J. König, Untersuch landw. u. gewerbh wichtiger Stoffe, 4. Aufl. (Berlin 1911). Tollens. Landw. Versuchsstat., 39, 401 (1891). HoLDEFLEiss, Landw. Jahrb., Suppl.-Bd. VI, 103 (1877). Tollens, Journ. f. Landw., 45, 295 (1897). Gregoire u. Carpiaüx, Bull. Soc. Chim. Belg., 24, 217 (1910). — 10) Dmochowski u. Tollens, Ebenda, 58, 1 (1910). § 5. Das Zellhautgerüst der Phanerogamen : Die Cellulose. 653 Salpetersäure. Doch wird die Methode, je reiner die Cellulose wird, um so weniger quantitativ (1). H. Müller (2) verwendete zur Zerstörung der Zell- inhallsstoffe und Isolierung der Cellulose Bromwasser. Hoffmeister (3) empfahl zur Hintanhaltung von Verlusten, bei Behandlung mit Schulze- scher Mischung zunächst mit Äther zu extrahieren, dann mit HCl (auf 1 Teil Substanz 6 Teile Säure von 1,05 Dichte) zu übergießen, allmähhch bis zur Sättigung chlorsaures Kah zuzusetzen und 24 Stunden stehen zu lassen. Nach einer späteren Vorschrift werden die Materialien in der Kälte durch verdünnte HCl und NHj erschöpft, sodann mit ^5—6% NaOH behandelt. Der Rückstand wird mit Kupferoxydammoniak extrahiert und das Gelöste als Cellulose berechnet. Ungelöst bleibt „Lignin". Die höchste Ausbeute an reiner Cellulose Hefert das Chlorierungsverfahren nach Cross und Bevan, nach Renker (4) besonders, wenn man die AlkaUbehandlung wegläßt. Nachdetn das Rohmaterial nüt Wasser und mit Alkohol-Benzol ausgekocht und getrocknet ist, werden 1—2 g des mit Wasser befeuchteten Materials im eisgekühlten Becherglase ^—1 Stunde mit gewaschenem Chlorgas be- handelt. Wenn sich die verholzten Fasern gelb gefärbt haben, unterbricht man, übergießt mit wässeriger SO2, filtriert, wäscht und kocht schheßlich mit 2% NajSOg aus, wobei die gelben Chlorierungsprodukte mit roter und schließlich brauner Farbe in Lösung gehen. Dieser Prozeß wird nach Bedarf mehrmals wiederholt. Ein anderes von Cross und Bevan angegebenes Ver- fahren benutzt die Einwirkung von Salpetersäure. Die Oxydation mit KaUum- permanganat in Gegenwart von Salpetersäure nach Zeisel und Stritar (5) scheint etwas geringere Ausbeuten zu liefern. Auf der großen Widerstands- fähigkeit der Cellulose gegen Schmelzendes Ätzkah beruht die von Lange (6) beschriebene Methode, welcher von Simon und Lohrisch eine Kombination mit Wasserstoffperoxydbehandlung hinzugefügt worden ist (7). Jedoch sind diese Verfahren wegen der starken danüt verbundenen Verluste gegenwärtig wieder aufgegeben worden. König (8) schlug vor, die Unveränderlichkeit der Cellulose in siedendem Glycerin zur Bestimmung heranzuziehen. Wisse- lingh (9) fand, daß bei Behandlung von Gewebsschnitten mit Glycerin bei 300® die Cellulosemembranen allein zurückbleiben; sie lösen sich sofort in Kupferoxydammoniak auf und geben die Jod-Schwefelsäurereaktion. So Heß sich die Cellulose in den Endospermzellwänden nach Zerstörung der Reservecellulose als ein feines Netzwerk nachweisen und man konnte zeigen, daß Baumwolle in Glycerin bei 300" nur geringe Veränderungen erleidet. Gabriel'(IO) schlug vor, in einer Mischung von 33 Teilen Kah auf 1 Teil Glycerin auf 180° zu erhitzen. Doch haben alle diese Methoden Ver- luste an Cellulose oder liefern unreine Produkte (11). 1) Vgl. auch Lohrisch, Ztsch. physiol. Chem., 47, 200 (1906); 69, 143 (1910). ScHEUNERT u. LÖTSCH, Ebenda, Ö5, 219 (1910). — 2) H. Müller, Zentr. Agrik.- Chera., //, 273 (1877). Councler, Chem.-Ztg. (1900), p. 368. — 3) W. Hoff- meister, Landw. Vereuchsstat., jj, 153 (1886); 39, 461 (1891); ^5. 401 (1897); 55, 115 (1901); Landw. Jahrb., /7, 239 (1888); 18, 7Q7 (1889). — 4) Gross u. Bevan, Reaearches on Cellulose (1903). Renker, Ztsch. angewandt. Chem., 23, 193 (1910). Zemplen in Abderhaldens Handb. biochem. Arb.meth., 6, 47 (1912). — B) Zeisel u. Stritar, Ber. Chem. Ges., 35, 1252 (1902). — 6) G. Lange, Ztsch. physiol. ehem., 14, 283 (1889); Ztsch. angewandt. Chem. (1895), p. 561. — 7) A. Simon u. H. Lohrisch, Ztsch. physiol. Chem., 42 u. 47, 200 (1906). Parker, Journ. Physic. Chem., 17, 219 (1913). — 8) Honig, Chem.-Ztg. (1890), p. 868, 902. — 9) van W188ELINGH, Jahrb. wiss. Botan., j/, 629 (1898). — 10) Gabriel, Ztsch. physiol. Chem., 16, 270 (1891). — 11) Tollens u. Suringar, Ztsch. angewandt. Chem. (1896), p. 709. 054 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Schließlich wurde noch von J. König und seinen Mitarbeitern (1) ein Verfahren ausgearbeitet, welches Aufschließen mit Glycer in- Schwefelsäure anwendet (20 g konzentrierte H2SO4 in 1 1 Glycerin vom spezifischen Ge- wicht 1,23), wobei je 3 g lufttrockene Substanz mit 200 ccm dieser Mischung 1 Stunde bei 3 Atmosphären gedämpft werden. Das Material enthält nun auch bei pentosanreicheh Pflanzenteilen keine Pentosane mehr und kan . noch in drei Fraktionen geschieden werden. Einmal wird der Gewichtsverlust nach Behandlung mit 3% HgOg und Ammoniak als Lignin in Rechnung ge- stellt, sodann die Gewichtsabnahme nach Auslaugen mit Kupferoxydammoniak als Gellulose ermittelt, und der Rest wurde als Cutin bestimmt. Das Ver- fahren hat manche Einwände erfahren (2) und dürfte weniger reine Resultate geben als die Säureverfahren, besonders das Chlorierungsverfahren. Aus Raummangel muß von einer tabellarischen Wiedergabe der Ana- lysenresultate bezüglich Rohfaserbestimmung in verschiedenen Pflanzen- organen hier abgesehen werden (vgl. die Übersicht in der 1. Aufl., Bd. I, S. 530 ff.), was um so leichter geschehen kann, nachdem ein großer Teil dieser Zahlen auf theoretischen Wert nicht Anspruch machen kann. Der geringste Gehalt an Rohfaser ergab sich bei Samennährgeweben, wo er weit unter 1% sinken kann und stets nur wenige Prozente der Trockensubstanz beträgt. Hingegen zeigen die Analysen von nicht entschälten Samen bis zu 50% der Trockensubstanz an Rohfaser, nachdem die Schale oft mächtig entwickelt ist. Bei Früchten werden je nach der histologischen Beschaffen- heit natürlich sehr verschiedene Zahlen erhalten, und es steigt bei den trockenen Früchten selbst bei der Fruchtschale von Citrus der Rohfasergehalt bis über die Hälfte der Trockensubstanz. Blätter enthalten im jungen Zustande im ganzen oft kaum 10%, erwachsen aber 20 und mehr Prozente an Rohfaser. Das Mesophyll alter Blätter dürfte etwa dem Werte von jugendhchen Laub- blättern entsprechen, während die Blattnerven erwachsener Blätter über 20% an Rohfaser enthalten pflegen. Die unterirdischen Speicherorgane sind, wie zu erwarten, arm an Rohfaser, und dies um so mehr, je massiger die- selben entwickelt sind. Auch hier sinkt der Rohfasergehalt auf wenige Prozente der Trockensubstanz herab, erreicht jedoch nicht ganz so niedrige Werte wie der Rohfasergehalt der Samennährgewebe. Rinden sind roh- faserreiche Organe, in denen der Gehalt bis zu 50—60% der Trockensub- stanz hinaufgehen kann. Der Zuckerrohrstamm enthält über 28% an Rohfaser. § 6. Hemicellulosen und Pentosane der Zellwand. Es hat E. Schulze (3) zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß die pflanzlichen Zellmembranen ganz allgemein außer der echten Gellulose, die erst nach langem Kochen mit Mineralsäuren hydrolysiert wird und dabei ausschließlich Traubenzucker liefert, noch andere wasserunlösliche 1) J. König, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel (1898), p. 3; 6, 769 (1903). O. Kellner, Ebenda, 2, 784 (1899). König, Ebenda, 12, 385 (1906); Landw. Versuchsstat., 65, 55 (1906). König u. Huhn, Ztsch. Farbenindustr., 10, 297 (1912); //, 209 (1912). Fürstenberg, Dis.s. (Münster 1906). König, Ber. Chem. Ges., 39, 3564 (1906); 41, 46 (1908). — 2) Matthes u. Strettberger, Ber. Chem. Ges., 40, 4195 (1907); 4U 400 (1908). Gross u. Bevan, Ztsch. Farbenindustr., //, 197 (1912); Chem -Ztg., 36, 1222 (1912). — 3) E. Schulze, Ber. Chem. Ges., 24, 2211 (1891); 22, 1192 (1889); 23, 2579 (1890); Chem. -Ztg., 19, 1465 (1895); Landw. Jahrb., 21, 72 (1892); 23, 1 (1894); Ztsch. physiol. Chem., 16, 387 (1892); 19, 38 (1894); 61, 307 (1909). § 6. Hemicellulosen und Pentosane der Zellwand. 655 Kohlenhydrate enthalten, von denen ein großer Teil schon beim Kochen mit 3 %iger Schwefelsäure leicht verzuckert wird und dabei nicht Trauben- zucker, sondern in verschiedenen Verhältnissen Mannose, Galactose, Ara- binose und Xylose liefert. Diese Stoffe wurden als Hemicellulosen zusammengefaßt, ohne Rücksicht auf ihre physiologische Rolle als Reserve- kohlenhydrate oder Stützsubstanzen. Dabei hat sich allerdings ergeben, daß die Hemicellulosen aus Samennährgewebe bloß Mannose, Galactose oder Arabinose geben, niemals aber Xylose, welche nur als Spaltungs- produkt der Kohlenhydrate aus den Samenschalen neben Galactose an- getroffen wurde. Demnach scheint es, als ob Reservehemicellulosen und Skeletthemicellulosen zu unterscheiden wären. Erstere sind entweder Mannane, Galactane oder Arabane, die anderen immer nur Galactane und Xylane. Dabei ist es allerdings noch unbekannt, inwieweit Mischderivate zwischen den genannten Zuckern anzunehmen sind. Nach Extraktion der Hemicellulosen beibt als Hauptmasse die gewöhnliche Cellulose, ein Glucosederivat, zurück. Derselben ist aber in Samenschalen ein in 5%iger Natronlauge lösliches Kohlenhydrat beigemengt, welches bei der Hydrolyse Xylose liefert und wesentlich mit jenem Stoffe übereinstimmt, welcher weiter unten als „Holzgummi" unter den Bestandteilen des Holzes zu beschreiben ist. Die leichthydrolysierbaren Xylosederivate können als Hemixylane von dem Holzgummi unterschieden werden. So- dann ist in verschiedenen Samennährgeweben durch Schulze und Godet in dem Rückstande von der Hemicellulosenextraktion neben der echten Cellulose eine kleine Beimengung von einem Mannose liefernden, schwer hydrolysierbaren Kohlenhydrate angetroffen worden. Auch Iwanow^(I) hat aus den Samen von Coelococcus und Phytelephas neben dem leicht- hydrolysierbaren Mannau noch eine schwer hydrolysierbare „Mannose- cellulose" angetroffen. Von den Galactosederivaten hingegen kennt man bisher nur leichthydrolysierbare Hemicellulosen. An die genannten Hemi- cellulosen reihen sich noch verschiedene Methylpentosane an, die von Rhamnose und Fucose abstammend, sich in kleiner Menge anscheinend weit verbreitet finden und alle in die Gruppe der Hemicellulosen einzureihen sind. Es ist allerdings hinzuzufügen, daß diese Kohlenhydrate eigentlich nur von den Samen besser bekannt sind und von den Laubblättern, Stengeln, Rhizomen, mit Ausnahme verschiedener Angaben über Pentosane und Methylpentosane sehr spärliche Untersuchungen vorliegen. Deshalb ist es derzeit unmöglich über die Hemicellulosenfrage ein abschließendes Urteil zu gewinnen. Wichtig ist es für die biochemische Beurteilung aller dieser an- geführten Wandkohlenhydrate, ob dieselben als Gerüstsubstanzen oder Reservematerialien zu gelten haben. Darüber entscheiden in erster Linie Analysen von Keimungsstadien und anderen Entwicklungszuständen, die von verschiedenen Forschern angestellt worden sind. So geht bereits aus den Untersuchungen von E. Schulze (2) über die Keimung der Lupine hervor, daß das hier vorkommende Galactan wohl kaum etwas anderes als ein Reservestoff ist, der sich bei der Keimung vermindert Während 1000 Stück geschälter Lupinensamen 21,8 g Glucose und 14 g Schleimsäure lieferten, erhielt man aus 2000 Cotyledonen zwei Wochen alter Keimlinge nur 2,03 g Glucose und 0,54 g Schleimsäure, aus dreiwöchentlichem Material aber nur 1,13 g Glucose und 0,55 g Schleim- 1) S. Iwanow, Joiirn. f. Landw., 56, 217 (1908). — 2) E. Schulze, Ztsch. phyeiol. Cham., 2/, 392 (1896). 656 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen, Säure. In einem zweiten Versuche ergaben 1000 geschälte Samen von Lupinus luteus 7,29 g Glucose und 3,34 g Schleimsäure, während 2000 Cotyledonen von zweiwöchentlichem Material 0,38 g Schleimsäure, von dreiwöchentlichen Keimlingen 0,88 g Glucose und 0,35 g Schleim- säure lieferten. Die Cellulose Vermehrung belief sich in 2V2 Wochen auf 9,3%. Die auf mikroskopische Untersuchungen basierten gegen- teiligen Angaben von Elfert(I) verdienen gegenüber diesen analytischen Daten keine Berücksichtigung. Hingegen zählen die Pentosane und Methylpentosane nach den vorliegenden Erfahrungen zu jenen Hemicellulosen, die als Gerüst- substanzen anzusehen sind. Nach Miyake(2) vermindert sich bei der Keimung von Phaseolus vulgaris und Glycine hispida der Gehalt an Pentosanen und Methylpentosanen erst nach völliger Erschöpfung des Kohlenhydratvorrates in merklicher Weise und da noch eher bei Methyl- pentosan als bei Pentosan. Auch Bernardini und Galluccio (3) sahen, daß die Pentosane bei der Keimung im Lichte sich stark vermehren, bei der Dunkelkeimung hingegen nur wenig, geradeso wie Cellulose. Die Blätter junger Bohnenpflanzen zeigten in Versuchen von Ravenna und seiner Mitarbeiter (4) hinsichtlich des Gehaltes an löslichen Pentosanen eine deutliche Abhängigkeit von der Assimilationstätigkeit und von der Darreichung von Zuckernahrung, so daß die Pentosane sich auf Kosten der einfachen Zucker bilden dürften. Nach Calabresi(5) dürften sich in der jungen Pflanze Pentosane relativ reichlicher bilden als in älteren Entwicklungsstadien. Da es immerhin nicht ausgeschlossen ist, daß sich Araban und Hemixylan in physiologischer Hinsicht different verhalten, so wäre es angezeigt, bei künftigen Untersuchungen auf Vorhandensein von Xylose und Arabinose zu achten. Bei der Fruchtreife findet, wie Schulze und Pfenninger (6) für Phaseolus sichergestellt haben, eine Vermehrung der Pentosane statt. Für je 100 Hülsen in drei Entwick lungsstadien ergaben sich Werte von 9,9, 15,7 und 31,5 g Pentosane. Daß im Pflanzenreiche Kohlenhydrate vorkommen, die bei der Säure- hydrolyse Galactose Uefern, ging zuerst aus den Arbeiten von Muntz (7) (1882) hervor, welcher ein dextrinartiges Galactin aus Luzernensamen isolierte. Später gewannen Schulze und Steiger (8) ihr Paragalactan aus den Samen von Lupinus luteus, und die Arbeiten von mehreren Schülern Schulzes wiesen das weitverbreitete Vorkommen von Galactose unter den Hydratationsprodukten der Zellmembranen nach. Ein gummiartiges Galactan aus der Zuckerrübe wm-de durch Lippmann beschrieben (9). Es ist jedoch zu bedenken, daß zahkerche Gummiarten und Pektinstoffe bei 1) EIFERT, Auflösung sekund. Zellmembranen; Bibl. botan. XXX (1894). — 2) K. MiYAKE, Journ. Coli. Agric, 4, 327 (1912). — 3) L. Bernardini u. Gal- luccio, Stäz. sper. agrar. ital., 45, 874 (1912). — '4) C. Kavenna u. Cereser, Atti Accad. Line. (5), 18, II, 177 (1909). Ravenna u. Montanari, Ebenda, 19, H, 202 (1910). — 5) Calabresi, Staz. sper. agrar. ital., 39, 69 (1906). — 6) E. Schulze u. Pfenninqer, Ztsch. physiol. Chem., 68, 93 (1910). — 7) A. Muntz, Compt. rend., 94, 453 (1882); 102, 624 (1886); Ann. de Chim. et Phys. (5), 26, 121 (1882); (6), w (1887). — 8) E. Steiger, Her. Chem.>Ge8., 19, 827 (1886); Ztsch. physiol. ehem., //, 373 (1887). Schulze u. Steiger, ßer. Chem. Ges., 20, 290 (1887). Maxwell, Amer. Chem. Journ., 12, 51. Schulze, Steiger u. Maxwell, Ztsch. physiol. Chem., 14, 227 (1890). Schulze u. Steiger, Landw. Versuchsstat. , 36, 9 (1889); 41, 207 (1892). Maxwell, Ebenda, 36, 15 (1889). Galactan aus Lupinus hirsutus: Schulze u. Castoro, Ztsch. physiol. Chem., 37, 40 (1903). — 9) E. O. V. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 20, 1001 n887). § 6. Hemicellulosen and Pentosane der Zellwand. 657 der Hydrolyse Galactose ergeben, so daß der Galactanbegriff ein recht schwan- kender ist. Auch wird voraussichtlich das Galactan aus Samenschalen eine andere physiologische Bedeutung haben, wie das Galactosederivat im Samen- nährgewebe, wie man überhaupt vermuten darf, daß es Reservegalactane und Galactane als Gerüstsubstanzen gibt. Auch das verschiedene Verhalten gegen Jodlösungen zeigt uns an, daß es eine Reihe verschiedener Galactane geben dürfte. Verdünnte Mineralsäuren hydrolysieren aber alle diese Stoffe etwa so leicht wie Stärke, und Glycerin auf 300^ erhitzt, zerstört alle diese Stoffe. Ihre Menge erschließt man aus der in dem Verfahren von Tollens gebildeten Schleimsäure, wozu Miyake einige methodische Verbesserungen angegeben hat (1). Dafür, daß dieMannane stets zu den Reservehe micellulosen gehören und nicht zu den Gerüstsubstanzen, spricht das Fehlen derselben in Samenschalen. Gegen das von Gilson (2) dargestellte Paramannan, welches durch länger dauerndes Auskochen des Ausgangsmateriales mit 2% Schwefelsäure behandelt war, hat Schulze (3) wohl mit Recht eingewendet, daß es sich bereits um ein Spaltungsprodukt handeln dürfte. Dieses aus Kaffeesamen gewonnene Präparat wurde von der Cellulose mittels der Kupfer- oxydammoniakmethode getrennt. Das Mannan war in Kupferoxydammoniak löshch und wurde aus dem Filtrate von der Cellulosefällung durch langsame Fällung in Form kleiner zu vier vereinigter Sphärite erhalten. Es gab keine Chlorzinkreaktion und würde nach der Elementaranalyse der Formel C12H22O11 entsprechen. Die Hydrolyse gibt ausschheßhch Mannose. Eine approximative Bestimmung der Hemicellulosen nahm Schulze in der Weise vor, daß er die Menge der unlöshchen stickstoffreien Stoffe vor dem Behandeln mit den HoFFMEiSTERschen Reagentien: 1,5% H2SO4, Salzsäure oder Eisessig bei 90°, und nach demselben bestimmte (4). Für eine Reihe von Samen ergaben sich folgende Zahlen: Samenkerne Samenschalen Pinus Cembra 2,50% 30,1 % Helianthus annuus — 30,2 Lupinus albus — 35,6 Phaseolus vulgaris — 40,0 Cucurbita Pepo 2,69 30,86 Ricinus communis 2,94 17,59 Amygdalus communis 2,51 40,83 T , . rt nc i Steinkern 50,83 Juglans regia 2,36 | p^^.htschale 34)28 Corylus avellana 4,11 34,68 Fagus silvatica 3,69 33,57 Lupinus luteus 10,48 — Lupinus angustifoüus 29,95 — Hoffmeister (5) hatte schon vor längerer Zeit Angaben über Ver- mehrung und Bildung von Cellulose und Hemicellulosen während des Vege- tationsvorganges von Klee und Gerste gemacht, bezüghch Stengel, Blättern und Wurzel. Im Stengel nimmt der Gehalt an Gesamtcellulose während der ganzen Dauer der Entwicklung zu, bei den Blättern wesentUch gegen den Abschluß der Entwicklung hin. 1) Miyake, Journ. Coli. Agric. Tokyo, 4, 8 (1912). — 2) Gilson, La CeUule, //, 19 (1895). — 3) Schulze, Ztsch. physiol. Chem., 19. 38 (1894). — 4) E. Schulze, Landw. Jahrb., 23, 1 (1894). Schulze u. Godet, Ztsch. physiol. Chem., 61, 307 (1909). — 5) W. Hoffmeister, Landw. Jahrb., 18, 767 (1889). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aull. 42 658 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerfist der Pflanzen. Das von Lippmann (1) in der Melasse nachgewiesene Lävulan, welches mit verdünnter HaS04 nur Fructose gab, hat mit Hemicellulosen nichts zu tun. Man kennt Fructose hefernde Hemicellulosen nicht. Der Anteil der Pentosane am Aufbau der Zellmembranen ist von großer Wichtigkeit. Obgleich sie überall, auch in Nährgeweben, vorkommen und bis zu einem gewissen Grade auch verbraucht werden mögen, so leuchtet ihre vorwiegende Bedeutung als Gerüstsubstanzen schon aus der Tatsache hervor, daß sie sich in Samen- und Fruchtschalen weit mehr anhäufen, als in den Nährgeweben. Nachdem Scheibler (2) bereits 1873 die früher so genannte ,,Metapektin8äure" mit der Arabinsäure und die ,,Pektinose" mit Arabinose identifiziert hatte, war es Tollens, welcher durch den Nach- weis, daß das Holzgummi ein Pentosenderivat ist, zeigte, daß Pentosane in Zellmembranen weit verbreitet sind. Steiger und Schulze (3) wiesen später im Hydratationsgemische von Weizen- und Roggenkleie Arabinose nach, und nannten die hypothetische Muttersubstanz dieses Zuckers „Meta- raban". Die neuere Literatur (4) hat die außerordentliche Verbreitung von Xylan und Araban in sclerosierten und weichen Geweben, Samen- schalen, Holz bewiesen. Sodann hat sich ergeben, daß auch kleine Mengen von Methylpentosan sehr allgemein vorkommen und nach Borghesanis (5) Untersuchungen an Sojabohnen und Mais scheint da ein konstantes Mengen- verhältnis zwischen Pentosan und Methylpentosan vorhanden zu sein. Von den beschriebenen Vorkommnissen seien namhaft gemacht das allgemein verbreitete Vorkommen von Xylan in Holz und verholzten Bast- fasern. In der Gerstenkleie, Biertrebern ist viel Xylan, nach Lintner und DiJLL(6) Galactoxylan, und wenig Araban (7) enthalten. Xylan ist weiter nachgewiesen in Weizenstroh (8), Haferstroh (9), zu 25% in Mais- kolben (10); Zuckerrohr enthält 22,33% Pentosan neben 55,94% Cellulose (11), hiervon etwa 20% Xylan. Das Mark von Juncus effusus enthält Araban, Xylan und Methylpentosan (12). Araban führt die Wurzel von Beta (13), Xylan ist in Cocosschalen (14), in Luffa (15), in Walnußschalen (16), in Hollunder- und Maismark (1 7) enthalten. Castoro (1 8) fand Araban im Samen von Ruscus aculeatus und in den Samenschalen von Lupinus luteus und angustifohüs neben Galactan; Xylan mit Galactan in der Schale der Samen von Pinus Cembra, und viele andere Fälle von diesen Vorkommnissen hat Schulze in der Folge beschrieben. Die Samenschale von Cucurbita führt Xylan und Galactan (19). Das Mark der japanischen Orange enthält 18,91% (jalactan, 27,72% Pentosane, 32,51% Cellulose (20). Cacaosamen enthalten im Kern 1) Lippmann, Ber. Chem. Ges. (1881), p. 1509. — 2) C. Scheiblek, Ebenda, /, 58, 108 (1868); 6, 612 (1873). — 3) Steiger u. Schulze, Ebenda, 23, 3110 (1890). — 4) Vgl. Stoklasa, Ztsch. Zuckerindustr. in Böhmen, 23, 291 u. 387 (1899). Grünhut, Ztsch. analyt. Chem. (1901), p. 542. — 5) Borghesani, Journ. f. Landw., 5*. 77 (1910). — 6) Lintner u. Düll, Ztsch. angewandt. Chem. (1891), p. 538. — 7) Tollens, Lieb. Ann., 271, 55 (1892). — 8) Allen u. Toli.ens, Ebenda, 260, 289 (1890). — 9) Bertrand, Compt. rend., 114, 1492 (1892). — 10) Johnson, Jahresber. Agrik.chem. (1895), p. 197. — 11) Prinsen-Geeeligs, Chem. Zentr. (1906), //, 805. C. A. Browne jan., Journ. Amer. Chem. Soc, 26, 1221 (1904). — 12) K. OSHIMA, Journ. Sapporo Agr. Coli., 2, 87 (1906). — 13) Alij:n, 1. c. Stoklasa, 1. c. üllik, Chem. Zentr. (1894), //, 31. — 14) Tromp de Haas u. Tollens, Lieb. Ann., 286, 303 (1895). — 15) Tollens, Ebenda, 271, 60 (1892). Schöne u. Tollens, Chem. Zentr. (1901), /, 1098. — 16) Zanotti, Ebenda (1899), /, 1209. — 17) Browne u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 55. 1457 (1902). — 18) N. Castoro, Ztsch. physiol. Chem., 49, 96 (1906). — 10) Castoro, Ebenda, 52, 521 (1907). — 20) Bahadur, Bull. CoU. Agric. Tokyo, 7, 121 (1906). § 6. Hemicellulosen und Pentosane der Zellwand. 659 1,53%, in der Schale 9,96% Pentosane (1). Samen von Glycine hispida 2,86 bis 3,86% Pentosane (2). Widsoe und Tollens (3) fanden Pentosane im Samen von Linum, Fagopyrum und Calluna. Wittmann (4) gab zahlreiche Daten über Pentosane in Obstfrüchten. Sonst ergab sich Xylan im Quitten- schleim (5), im Schleim der Samen von Plantago PsylHum (6) und im Apfel- pektin (7), Araban neben Galactan im Gummi von Acacia decurrens (8) und im Pfirsichgummi (9). Die „Prunose" von Garp.os (10) als neue Pentose aus Pf laumengummipentosan beschrieben, ist nur Arabinose. Yoshimura (11) wies Araban nach im Schleime der jungen Schößlinge von Stcrculia plani- folia, im Schleim des Opuntiastammes, in Stengeln und Blättern der Vitis pentaphylla, Oenothera Jaquinii, Kadsura japonica. Araban ist auch zugegen nach Widsoe und Tollens (3) im arabischen Gummi und neben Xylan und Fucosan im Traganth. Die letztgenannten Forscher fanden dann ferner Methylpentosan in den Blättern von Pl&tanus und Tiha. Über Vor- kommen von Methylpentosanen seien noch angefülirt die Angaben von Chalmot über Samenschalen, von Votocek über Rübensamen, Sollied über Blätter und Rinden (12). Die Baumwolle ist nach Suringar und Tollens frei von Pentosanen (13). Dementsprechend wird es nicht überraschen, daß Shorey(14) Pento- sane im Boden überall verbreitet fand, daselbst 1,3—28,53% des organischen Kohlenstoffes ausmachend. Da die reinen Pentosane bisher nicht isoherbar waren, so muß es un- entschieden bleiben, ob die von Schulze und Castoro (15) aus Samen von Lupinus hirsutus dargestellte Hemicellulose, die bei der Hydrolyse 14,02% Araban und 53,34% Galactan lieferte, wirklich ein Mischkohlenhydrat war oder nur ein Gemenge von Araban und Galactan. über die besten Bedingungen für die Säurehydrolyse von pentosan- haltigem Material sind die Angaben von Hauers und Tollens einzusehen (16). Sehr wichtig für die Diagnose der Pentosen im Reaktionsgemisch ist die charakteristische Rotfärbung pentosanhaltiger Flüssigkeiten beim Erwärmen mit Phloroglucin und Salzsäure nach Tollens. Versetzt man eine pentosanhaltige Lösung mit einer gesättigten Lösung von Phloroglucin in einer Mischung gleicher Teile Wasser mit salpetersäurefreier Salzsäure von der Dichte 1,19, so tritt beim Erwärmen eine dunkelkirschrote Färbung auf: Wheeler und Tollens (17). Xylose und Arabinose lassen sich aus ihrer alkoholischen Lösung durch heißgesättigtes Barythydrat fällen, während die Rhamnose keine durch Alkohol fällbare Bayumverbindung liefert (18). Die Metbylpentosen weist Rosenthaler(19) durch die Rotfärbung beim Erwärmen mit Salzsäure und Aceton nach. Pentosen geben auch mit Resor- 1) R. Adan, Bull. Soc. Cbim. Belg., 21, 211 (1907). — 2) Borghesani, Staz. sper. ital., 40, 118 (1907). — 3) Widsoe u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 33, 132 (1900). — 4) C. Wittmann, Botan. Zentr., 87, 373 (1901). — 5) Gans u. Tollens, Lieb. Ann., 24g, 245 (1888). Schulze u. Tollens,. Ebenda, 271, 60 (1890). — 6) Bader, Ebenda, 248, 140. — 7) Bauer, Landw. Versuchsßtat., 38, 191 (1893). 8) Stone, Ber. Chem. Ges., a8, Ref. 1006 (1895). — 9) Stone, Ebenda, 23, 2576 (1890). — 10) Garros, Chem. Zentr. (1894). //, 817. — 11) Yoshimura, Coli. Agric. Tokyo, 2, 207 (1895). — 12) Chalmot, Ber. Chem. Ges., 26, Ref. p. 791 (1893). Sollied, Chem.-Ztg., 25, 1138 (19U1). — 13) Suringar u. Tollens, Joum. f. Landw., 44, 355 (1896). — 14) E. C. Shorey u. Lathrop, Joum. Amer. Chem. Soc., 32, 1680 (1910). — 15) Schulze u. Castoro, Ztsch. phyeiol. Chem., 37, 40 (1902). — 16) Hauers u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 36, 3306 (1903). — 17) wheeler u. Tollens, Lieb. Ann , 254, 331. Tollens. Ber. Chem. Ges., ag, 1202 (1896). Pinoff, Ebenda, 38, 766 (1905). — 18) Sulfjman Bey, Ztsch. klin. Med., jp, 305 (1900). — 19) Rosenthaler, Ztsch. analyt. Chem., 48, 165 (1909). 42* 66Q Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. ein oder Pyrogallol und HCl eine Farbenreaktion. Über die Trennung der Phloroglucide durch Lösen in Alkohol am Rückflußkühler sind die An- gaben von ISHIDA und Tollens(I) zu vergleichen. Zur Erkennung der Arabinose kann das im Gegensatze zu den meisten anderen Hydrazonen in Wasser wenig lösUche Arabinose-p-Bromphenyl- hydrazon dienen (2). Zur Abtrennung von Arabinose und Galactose eignet sich auch das Arabinose- Benzhydrazid (3). Für den Nachweis der Xylose dient die Reaktion von Bertrand (4); 0,2 g Substanz werden mit 1 ccm Wasser und 0,5 g Cadmiumcarbonat gemischt, 7—8 Tropfen Brom hinzu- gefügt imd gehnde erwärmt. Man läßt nun 8—12 Stunden im lose verkorkten Reagensglase stehen, dampft sodann zur Trockene ein und vermischt den Rückstand mit 1 ccm Alkohol. War Xylose vorhanden, so scheiden sich nach einigen Stunden nadel- oder wetzsteinförmige Krystalle von Xylon- säurebromcadmium ab. Amorphe Niederschläge sind für Xylose nicht be- weisend. Arabinose gibt keine Krystalle. Arabinosazon und Xylosazon haben den gleichen Schmelzpunkt, doch wirkt das erstere nicht auf polari- siertes Liicht, während Xylosazon in Alkohol gelöst stark hnksdrehend ist. Mit Fehlings Lösung fällt sowohl Xylan als Araban aus alkahschen Lösungen aus (5). Zum quahtativen Pentosennachweise kann auch Orcin mit HCl, resp. das BiALsche Reagens: 1 g Orcin, 500 ccm HCl der Dichte 1,151 und 25—30 Tropfen 10%iger F0GI3 verwendet werden. Beim Erwärmen entsteht eine Grünfärbung (6). Durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Kleie hatte 1845 Fownes (7) zuerst das Furfurol dargestellt. Wir wissen heute, daß die starke Furfm-ol- entwicklung beim Erhitzen pflanzhchen Zellhautmateriales mit konzen- trierter Salz- oder Schwefelsäure auf Rechnung der Pentosane zu stellen ist. Nur noch die wenig verbreitete Glucuronsäure Uefert in ähnUchen Mengen den Furfuraldehyd, während aus Hexosen und deren Derivaten nur Spuren des Furfurols entstehen (8). Nach Brauns (9) ist es nicht ausgeschlossen, daß es zweierlei Pentosane gibt: solche, die schon mit verdünnter Säure Furfurol hefern, und Furfuroide, die diese Abspaltung viel schwieriger vollziehen. Hierüber sind weitere Untersuchungen noch anzustellen. Furfurol, eine leicht flüchtige farblose Flüssigkeit von obstartigem Geruch, ist in seinen bei der Destillation sich entwickelnden Dämpfen leicht nachzuweisen, indem man mit Anihnacetat befeuchtete Filtrierpapierstreifen den Dämpfen aussetzt; das Papier färbt sich lebhaft rot. Ein mit HCl befeuchteter Holzspan wird durch Furfuroldampf grün gefärbt. Wie andere Aldehyde gibt Furfurol eine Phenylhydrazinverbindung. Durch salzsaure Phloroglucinlösung kann es quantitativ gefällt werden. Methylpentosane hefern bei der gleichen Säurebehandlung Methyl- furfurol. Wenn man methylfurfurolhaltige Destillate mit Alkohol und H2SO4 vorsichtig erhitzt, so färbt sich die Probe grün: Reaktion von Maquenne (10). Nach Widsoe und Tollens ist die Reaktion noch positiv, 1) IsHiDA u. Tollens, Journ. f. Landw., 59, 59 (1911). — 2) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 27, 2486 (1894). Nach Votoöek u. Vondraöek, Ebenda, 37, 3854 (1904) sind auch die Methylphenylhydrazinverbindungen zur Isolierung von Arabinose sehr geeignet. Diphenylhydrazon : Tollens u. SIaurenbrechek, Ber. Chem. Ges., 38, 500 (1905). Vgl. auch C. Neuberg, Ergebn. d. Physiol., 3, 1, 381 393 (1904). — 3) SUBASCHOW, Ztsch. Ver. Rübenzuckerind. (1896), p. 270. Semi- carbazid: Herzfeld, Ebenda (1897), p. 604. — 4) Bertrand, BuH. Soc. Chim. (3), 5, 546. — 5) E. Salkowski, Ztach. physiol. Chem., 35, 240 (1902). — 6) Vgl. E. Kraft, Chem. Zentr. (1902), //, 482. — 7) G. Fownes, Ann. de Chim.- et Phys. (3), 17, 460 (1846). — 8) Chalmot, Ber. Chem. Ges., 26, Eef. 387 (1893). Tromp DE Haas u. Tollens, Lieb. Ann., 286, 296 (1895). — 9) D. H. Brauns, Pharm. Weekbl., 46, 326 (1909). — 10) Maquenne, Compt. rend., 109, 573 (1889). § 6. Hemicellulosen und PentoBane der Zellwand. QQl wenn ^/jg Tropfen Methylfurfurol in 10 ccm alkoholischer H2SO4 gelöst ist. Sie versagt jedoch, wenn auf 1 Teil Methylfurfurol 16 Teile Furfurol gegen- wärtig sind. Noch i/e4 Tropfen Methylfurfurol gibt in 10 ccm Destillat eine charakteristische Spektralhnie zwischen Grün und Blau, selbst dann noch, wenn 2 Tropfen Furfurol beigemischt wurden. Bei Gegenwart größerer Mengen Methylfurfurol ist der blauviolette Spektralteil verdunkelt, das Grün hell. Die Methylpentose selbst ist bisher nur vom Tragantgummi durch WiDSOE und Tollens als Fucose erkannt worden. Das Osazon des Zuckers schmolz bei 168—170''. Mit p-Bromphenylhydrazin entstand schon in der Kälte nach einigen Stunden ein dichter krystallinischer Niederschlag, welcher in 50% Alkohol leicht löslich war, und beim Umkrystallisieren aus 75% Alkohol in perlmutterglänzenden Schüppchen, F 181 — 183^ er- halten wurde. Die nach der Methode von Herzfeld (1) aus dem Osazon mittels Benzaldehyd frei gewonnene Fucose hatte eine spezifische Drehung [ajo— 73,4 bis 74,4°. Die Methylpentose aus anderen Gummiarten sowie aus natürhchen Zellmembranen ist bisher noch unbekannt. Zur Darstellung des Xylans aus Weizenstroh erhitzte Salkowski (2) das zerkleinerte Material Y* Stunden lang mit 6% NaOH, koherte und klärte durch Stehen, stellte hierauf durch Erwärmen mit FEHLiNGscher Lösung die Xylankupferverbindung dar, welche nach Zerlegen mit verdünnter Salzsäure freies Xylan gab: Ausbeute 20—23% des Strohes. Das Präparat bestand aus 96—97%. In Kupferoxydammoniak sind Xylan und Araban nach Schulze und Tollens (3) lösHch. Siedendes Glycerin zerstört alle Pentosane Beim Erhitzen der Pentosane mit Kalilauge erhielt Katsuyama Milchsäure (4). Man hat beim Pentosennachweis wohl zu beachten, daß Pentosen auch aus Nucleoproteiden abgespalten werden, und die Pentosen- proben sind für die Gegenwart von Membranpentosanen nur in möghchst reinen Zellhautpräparaten vollständig beweisend. Zur quantitativen Bestimmung der Pentosane, welche für die land- wirtschaftliche Chemie eine große Bedeutung besitzt, hat Tollens mit seinen Schülern zwei Methoden ausgearbeitet, welche beide auf der quanti- tativen Ermittlung des beim Kochen mit HCl entstehenden Furfurols be- ruhen. Die ältere der beiden Methoden bedient sich der Darstellung der Fur- furol-Phenylhydrazinverbindung (5), die andere, jetzt in verschiedenen Modifikationen allgemein verwendete Methode (6) bedient sich der Wägung der Phloroglucin-Furfurolverbindung. Man destilliert 2—5 g der Substanz mit 100 ccm Salzsäure von 1,06 Dichte in einem 300 ccm fassenden Kolben in der Weise ab, daß man in einem Bade von Roses Metall (1 Teil Pb, 1 Teil Sn und 2 Teile Bi) erhitzt und durch Kühlvorrichtungen 30 ccm abdestil- 1) Herzfeld, Ber. Chem. Ges., 28, 440 (1895). — 2) E. Salkowski, Ztach. physiol. ehem., 34, 162 (1901). — 3) Schulze u. Tollens, Lieb. Ann., 271, 55 (1892); Landw. Verfiuchsstat., 40, 367 (1892). — 4) Katsuyama, Ber. Chem, Ges., 3S, 669 (1902). — 5) Flint u Tollens, Landw. Versuchsstat., 4^, 381 (1893). GtJNTHEB u. T0LLEN8, Ber. Chem. Ges., 23, 1751 (1890). Chal.mot u. Tollens, Ebenda, 24, 694 u. 3575 (1891). — 6) Tollens u. Kritoer, Ztsch. Ver. Rfiben- zuckerind., 46, 480. Councler, Jahresber. Agrik.chem. (1894), p. 63S. Welbel u. Zeisel, Monatsh. Chem., 16, 283 (1895). Mann, Krü'okr u. Tollens, ZUch. angewandt. Chem. (1896), p. 33. Kröber, Journ. f. Laudw., 4«'?, 357 (1901); 49. 7 (1902). Kröber, Rimbach u. Tollens, Ztsch. angewandt. Chem., is, 477, 508 (1902). Die Tabellen auch in Ztsch. physiol. Chem.. 36 (1902). Jäger u. Unger, Ber. Chem. Ges., 35, 4440 (1902); j6, 1222 (1903). Tollens, Ebenda, p 221. VVErsER u. Zeitschek, Pflüg. Arch., 93, 98 (1902). Böddener u. Tollens, Journ. f. Landw., 58, 232 (1910). Titrierung des Furfurol mit Kaliumbisulfit: Jolles, Ber. Chem. Ges., 39, 96 (1906); Sitz.ber. Wien. Ak., 114, IIb (1905). Mit Fehlingscher Lösung: Flohil, Chem. Weekbl., 7. 1057. 662 Einundzwanzigstes Kapitel: Das ZellhautgerüBt der Pflanzen. liert. Man füllt sodann mittels Hahnpipette aufs neue 30 ccm HCl nach, und wiederholt den Vorgang, bis 400 ccm übergegangen sind und sich mit Anilin- acetatpapier kein Furfurol mehr im Destillate nachweisen läßt. Sodann setzt man dem Destillat reines diresorcinfreies Phloroglucin in mindestens doppelt so großer Menge zu, als dem zu erwartenden Furfurol entspricht. Das Phloroglucin wird vorher in 12% Salzsäure gelöst. Nach dem Zusätze rührt man durch, läßt etwa 15 Stunden stehen und filtriert mit einem Goochtiegel vom Niederschlage ab. Die Fällung wird nun mit 150 ccm Wasser so aus- gewaschen, daß der Niederschlag stets mit Flüssigkeit bedeckt ist und nicht vor- zeitig rissig wird. Dann wird imWassertrockenschranke 4 Stunden getrocknet, worauf man in einem Wägeglas mit eingeschhffenem Deckel erkalten läßt und samt dem Glase wägt. Für die durch die 150 ccm Wasch wasser gelöste Niedersohlagsmenge sind zum gefundenen Phloroglucid 0,0052 g als Konstante zu addieren. Kröber und Tollens haben zur Berechnung der Pentosane ausführUche Tabellen gegeben. Die Methode nimmt auf Methylfurfurol keine Rücksicht, und vernachlässigt die germgen aus anderen Quellen stammenden Furfurolmengen. Bei Gerbstoff gegenwart erhält man im Destil- late geringere Ausbeute an Furfurol (1). Furfurol, wie Methylfurfurol geben unlösUche Kondensationsprodukte mit Barbitursäure, die man zur Ausfällung benutzt hat (2). Über die quantitative Bestimmung der Methyl- pentosane neben den Pentosanen wolle man die Angaben von Ellett und Tollens sowie jene von Votocek vergleichen (3). Den vielen analytischen Daten über den Pentosangehalt verschiedener Objekte (4) entnahm ich die nachstehenden Daten, die den Pentosangehalt in Prozenten der Trocken- substanz ausdrücken: Roggenstroh 24,84% Birkenholz 25,21% Erbsenstroh 17,11,, Steinnuß 1,29,, Buchenholz 33,12,, Jute 14,9 „ ,, 23,18,, Kirschgummi 46,74 „ Fichtenholz 8,83 „ Tragant 29,81 „ ,, 9,20,, Holzgummi 82,06 „ Eichenholz 19,69 „ Agar 1,66,, (Tollens.) Proz. Proz. Fichtenholz Splint 6,16- 6,40 Holz von Juniperus virginiana 14,62 „ Kern 6,63- 6,97 „ „ Crataegus oxyacantha 24,93 Eichenholz SpHnt 15,49-18,4 „ „ Magnolia acuminata 17,70 „ Kern 15,09-20,42 „ „ Prunus pennsy vanica 19,70 Buchenholz Splint 23,57 „ „ Acer dasycarpum 22,10 Kern 19,95 „ „ Hex opaca 24,60 Birkenholz 28,80 „ „ Fraxinus americana 17,50 Ahorn, Kernholz 30,67 „ „ Juglans cinerea 19,20 Fichtenrinde 10,32-11,0 „ „ Salix speciosa 21,00 Eichenrinde 11,56-14,89 „ „ Betula speciosa 23,40 1) W. Kelhofer, Landw. Jahrb. d. Schweiz (1905), p. 49. — 2) Jägek u. Ungee, Ber. Chem. Ges., 35, 4440 (1902); jtf, 1222 (1903). Fromherz, Ztsch. physiol. ehem., 50, 241 (1906). — 3) Ellet u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 38, 492 (1905); Journ. f. Laiidw., 53, 13 (1905). Voto(5EK, Ztsch. Zuckerind. Böhm., 23, 229 (1899). — 4) Tollens, Journ. f. Landw., 44, 171 (1896). Nach A. von Rüdno RüDZLNSKi, Ztsch. physiol. Chem., 40, 317 (1904), sind im Roggenstroh die Ähren- spindeln am reichsten an Pentosanen. Wittmann, Botan. Zentr., 87, 373 (1901). DÜRiNG, Journ. f. Landw., 45, 79 (1897). Sebelien, Chem.-Ztg., 30, 401 (1906). § 6. Hemicellulosen nnd Fentosane der Zellwand. 663 Proz. Buchenrinde 15,84-16,89 Rinde von Pinus Strobus 10,62 Fichtennadeln je nach der Jahreszeit 4,40— 6,70 Eichenblätter 8,70-10,43 Buchenblätter 15,18-20,50 Proz. olz von Quercus nigra 21,30 „ „ Ulmus americana 17,40 „ „ Pinus Strobus 7,50 „ „ Pinus mitis 8,80 „ „ Tsuga canadensis 6,00 (COUNCLER.) Wiesenheu Rohfaser 18,95% darin Pentosan 20,00-30,57% Roggenstroh „ 29.09 „ „ 22,65-33,42 Kleeheu „ 16,06 „ „ 15,26-17,4 Lupinenstroh „ 20,83 „ „ 16,58-21,31 (DÜRING.) Quittenapfel veredelt 1,78% Erdnuß 4,12% wild 3,23 Dattelfleisch 3,33 Wabuß Schale 5,92 Blätterkohl 2,05 „ Kern 1,51 Meerrettich 3,11 Wacholderbeere 6,0 Sellerie 1,65 Himbeere 2,68 Wasserrübe 0,36 Brombeere 1,19 Gurke 0,19 Johannisbeere 0,41 Zwiebel 0,28 Weinbeere 0,48 Leinkuchen 7,73 WeizenkJeie 17,91 Sesamkuchen 3,72 Hagebutte 4,25 (Wittmann.) Methjlpentosan Pentosan Eichenholz, 18jähriger Stamm . . 2,26% 19,06% „ jüngerer Stamm . . 2,31 18,60 Eichenrinde, 18jähriger Stamm . 2,08 14,21 „ jüngerer Stamm . . 2,54 12,85 Zedernholz 2,90 12,36 Fichtenholz 4,70 10 03 Birkenholz 2,68 23,59 Eschenholz 2,95 17,24 Heu 2,13 17,43 Fuous vesiculosus 3,16 6,32 Ascophyllum nodosum 3,47 8,46 Roggenkleie 175 20,93 Hafer 1,09 12,76 Rapskuchen 1,72 6,25 Leinkuchen 2,62 9 73 Baumwollsaatkuchen 1,72 6,23 Möhren 2,59 8,43 Kohhüben 2,93 6,67 (Sebelien.) Die Frage, ob bei der Keimung der Samen der Pentosangehalt steigt oder fällt, ist besonders an der Gerstenkeimung oft untersucht worden und die Resultate lauten alle dahin, daß der Pentosangehalt vom ersten Keimungstage an steigt (1). Chalmot fand, daß 1) G. DE Chalmot, Amer. Chem. Joum., /j, 276 (1894); i6, 589 (1895). Schöne u. Tollens, Journ. f. Landw., 48, 349 (1901). Windisch u. Hasse, Woch.8chr, f. Brauerei, 18, 493 (1901). 664 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. 6 Wochen alte Gerstenpflanzen 7 Proz. der Trockensubstanz 10 „ „ „ 7,7- 8,1 „ „ 15 „ „ „ 9,0-10,6 „ „ 21 „ „ „ 11,9-13,4 „ „ 22 „ „ „ 12,4-12,7 „ „ an Furfurol geben. Die jungen Teile erwachsener Pflanzen enthielten weniger Pentosan als die ausgewachsenen Teile derselben. Bei Mais heferten die obersten jungen Teile der Pflanze 5,23%, die ausgewacnsenen Blätter 16,64%, die beiden untersten Internodien 12,65% der Trockensubstanz an Furfurol. Herbstliche Blätter enthielten mehr Pentosan als grüne. Im ganzen geht also die Vermehrung der Pentosane parallel der Ausbildung der Skelett- substanzen, und bisher deutet nichts darauf hin, daß Pentosane irgendwo den Charakter von Reservestoffen hätten. Nur bei Tropaeolum beobachtete Chalmot eine Abnahme der Pentosane bei der Keimung. Im Dunkeln ist entsprechend der geringeren Membranbildung und Verholzung die Bil- dung von Pentosanen eine merkUch geringere. Goetze und Pfeiffer (1), welche die Veränderung des Gehaltes an Pentosanen während des Wachs- tums bei Phaseolus verfolgten, ferner bei Pisum und Avena, kamen zu ganz analogen Resultaten. Sie geben folgende Tabelle: Bohnen: Pflanze nach 57 Tagen 94 (Beg. d. Reif.) 120 ',', Trockensubstanz Proz. g pro Pfl. 84,225 0,3885 87,175 0,7648 87,215 8,9246 87,810 21,039 Pentosen Proz. g pro Pfl. 5,537 0,0215 10,155 0,0776 11,832 1,056 12,441 2,6174 Rohfaser Proz. g pro Pfl. 6,648 0,0258 15,91 0,1217 23,001 2,0524 27,031 5,6874 Erbsen : Blühend nach 66 Tagen Reifend „ 106 85 560 0,1831 90,987 1,0633 90,025 10,915 5,933 0,0109 11,782 0,1238 11,994 1,3093 7,152 0,0131 21,562 0,2266 19,571 2,1269 Hafer: Nach 29 Tagen (Blüte). „ 64 (Reifung) „ 93 89,225 0,0279 87,950 0,1170 86,775 4,6728 85,413 8,7206 13,667 0,0038 15,238 0,0175 21,70 1,0096 21,177 1,8470 10,441 0,0029 16,088 0,0188 24,560 1,1427 22,713 1,9808 Schöne und Tollens gewannen aus 500 g Gerste 39,58 g Pentosan, aus den daraus zu erhaltenden 434,88 g Malz aber 40,38 g Pentosan. 300 g Erbsen enthielten 15,25 g Pentosan, 286,6 g Erbsenmalz aber 15,97 g. Nach den Feststellungen von Windisch und Hasse entfällt diese Pentosan- zunahme ausschließlich auf die Blattkeime und Wurzelkeime. Beim Einweichen der Gerste gehen nach Windisch und Waveren (2) eine Menge löslicher Pentosane heraus, und es nimmt beim Mälzen die Menge an lösUchen Pentosanen zu. Auch Chalmot (3) berichtete über löshche Pen- tosane aus Gerste, und Ravenna (4) über analoge Stoffe aus Fabablättern. Doch ist über diese wasserlöshchen Pentosane noch nichts bestimmtes in Erfahrung gebracht. Die Bildung der Pentosen und Pentosane dürfte sich auf Kosten von Hexosen vollziehen, wie von mehreren Forschern ausgeführt worden ist. 1) F. GoETZE u. Pfeiffer, Landw. Vers uchss tat., 44, 171 (1896). — 2) Wm- DI8CH u. V. Waveren, Woch.schr. f. Brauerei (1909), Nr. 45. — 3) Chalmot, Jahresber. Agrik.chem. (1895), p. 197. — 4) Ravenna, Atti Acc. Line. Roma (5), r8, II, 177 (1909); /p, II, 202 (1910). § 7. Die Pektinsubstanzen. ^65 ToLLENS hat den Gedanken ausgesprochen, daß die Pentosane durch Oxy- dation von Hexosenderivaten entstehen dürften (1), STOKLASAhat sie von der Saccharose herzuleiten versucht (2). Chalmot(3) hat mit Recht auf die nahen strukturellen Beziehungen zwischen Glucose und Xylose einerseits und Ara- binose und Galactose andererseits hingewiesen. Dazu kommt die physio- logische Tatsache, daß Galactose mit Arabinose zusammen überaus häufig ge- funden werden und ebenso Xylose mit Glucose zusammen. Es wäre möglich, daß die Umwandlung über Glucuronsäure vom Traubenzucker zur Xylose führt, indem aus der Glucuronsäure durch Kohlensäureabspaltung Xylose entstehen muß. Analog könnte Arabinose aus Galactose hervorgehen. Da Pentosane so reichlich im Zellhautgerüst der Pflanzen vorkommen und der Verwesung relativ spät anheimfallen, so erscheinen allenthalben erhebhche Pentosanmengen im Humusboden. Nach Chalmot (4) enthält: Waldboden 23,42% Humus und 0,75% Pentosan Gartenboden 9,85 „ „ 0,39 Sandboden 2,68 „ „ 0,04 § 7. Die Pektinsubstanzen. Es ist noch recht ungewiß, ob die sogenannten Pektinstoffe mit Fug als eine besondere Klasse von Membransubstanzen anzusehen sind oder ob man sie teilweise oder ganz unter den Begriff der Hemicellulosen und Pentosane unterordnen soll, mit welchen sie eine Reihe wichtiger Merkmale gemeinsam haben und sich wesentlich, soweit bekannt, von den letzteren nur durch ihre gallertartige Beschaffenheit unterscheiden. Schleimige oder gallertartige Zellhautstoffe wurden wohl schon von den älteren Chemikern dargestellt und vermutlich war auch der von Payen(5) aus Ailanthuswurzel gewonnene Stoff ein Pektinstoff. Braconnot(6) erkannte 1825 die sauren Eigenschafton von weitverbreiteten Gallert- substanzen, besonders aus Früchten und nannte die Substanz Pektinsäure. Er gewann dieselbe Substanz auch aus Möhrenwurzel durch Kalkfällung. GuiBOURT(T) stellte gleichzeitig denselben Stoff aus Johannisbeersaft dar, hielt ihn für verwandt mit Gummi und nannte ihn „Grosselin". Vauquelin(8) studierte die Pektinsäure aus der Daucuswurzel und gab an, daß sie mit konzentrierter Ätzlauge Oxalsäure liefere. Braconnot (9) beschrieb sodann den gelatinierenden Stoff aus Fruchtsäften als „Pektin" und wies denselben auch in der Eichenrinde sowie in der Runkelrübe nach, MuLDER(IO) zeigte 1838, daß sich das Pektin von der Pektinsäure nur durch den Gehalt an inorganischen Stoffen unterscheide und als pektinsaurer Kalk aufzufassen sei. Später (1844) äußert sich Mulder in nicht sehr klarer Weise dahin, daß das Pektin beim Kochen der Früchte erst aus einer noch unbekannten „inkrustierenden" Substanz entstehe, und die Pektinsäure eine polymere Verbindung sei, welche beim 1) ToLLENS, Journ. f. Landw., 44, 171 (1896). — 2) Stoklasa, Just Jahresber. (1899), //, 181. — 3) Chalmot, Ber. Chem. Ges., 27, 2722 (1894). — 4) Chalmot, Amer. Chem. Journ., t6, 218 u. 229 (1894). — 5) Payen. Ann. de Chira. et Phys. (2), 26, 329 (1824). — 6) Brac nnot, Ebenda, 28, 173; 30, 96 (1825). — 7) GuiBOURT, Schweigg. Journ., 44, 136 (1825). Santen, Pogg. Ann., p. 117 (1827). — 8) Vauquelin, Ann. de Chim. et Phys. (2). 41, 46 (1829). — 9) Beaconnot, Ebenda (2), 47, 260 (1831); 50, 376 (1832). — 10) Mulder, Pogg. Ann., 44, 432 (1838); Lieb. Ann., 5. 278 (1838); Versuch, e. allgem. physiol. Chem. (1844), p. 244. Karting, Botan. Ztg. (1846), p. 64. 666 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhantgerüst der Pflanzen. Kochen der Früchte mit Alkali hervorgehe. Die damals von Regnaült, Mulder, Fromberg, Chodnew, Soubeiran und Fremy(I) vorge- nommenen Analysen der Pektinstoffe ergaben sämtlich Werte, welche von dem Verhältnis 0 : H in Zucker und Stärke abwichen und es wurden verschiedene Formeln aufgestellt. PoumarIide und Figuier (2), welche Pektin aus Holz gewannen, waren demgegenüber der Ansicht, daß Pektin und Cellulose identisch seien. Payen (3) hielt dafür, daß die Pektinsäure nicht erst, wie Mulder angenommen hatte, durch chemische Eingriffe gebildet werde, sondern schon fertig in Zellmembranen vorkomme. Es soll die größte Menge der Wandsubstanz in den Epidermiszellen von Cacteen aus pektinsaurem Kalk bestehen und soll hauptsächlich in den Mittellamellen vorkommen. Fremy, dem wir ebenfalls weitere Aufklärungen in der Pektinfrage verdanken, erhielt aus Pektinsäure durch anhaltendes Kochen mit Alkali eine auch in Säuren lösliche Substanz von gleicher Zusammensetzung, die er Metapektin säure nannte. In seiner großen Arbeit über das Reifen der Früchte (4) stellte dieser Forscher sodann die Ansicht auf, daß in der Pulpa grüner Früchte, aber auch in Wurzeln und Rinden eine in Wasser unlösliche, die Cellulose begleitende Bildung vorkomme, die Pektose. Dieselbe wird beim Kochen mit verdünnten Säuren in Pektin übergeführt, erleidet jedoch diese Umwandlung auch spontan beim Reifen der Früchte. Im Gegensatze zur Cellulose ist Fremys Pektose in Kupferoxydammoniak unlöslich und bleibt bei der Behandlung der Gewebe mit diesem Reagens als ungelöster Rückstand von Kupferpektinat zurück. Die PAYENsche Ansicht, daß die Pektinstoffe hauptsächlich in der Mittellamelle vorkommen, wurde späterhin mehrfach wiederholt, so von Kabsch, Vogl, Wiesner (5), während Hofmeister und Schleiden(6) die große Unsicherheit der Kenntnisse von den Pektinstoffen hervorheben. Als das wesentliche dieser älteren Untersuchungen stellte sich somit heraus, daß die „Pektinsubstanz" als gallertiger Niederschlag aus Pflanzen- extrakten saurer oder alkalischer oder neutraler Reaktion erhalten wird, wenn man Alkohol zufügt. Es bleibt strittig, ob die Substanz aus einer nahestehenden nativen Substanz durch das Extraktionsmittel gebildet wurde oder ob sie unverändert extrahiert worden war. Es bleibt un- sicher, ob das Pektin ausschließlich in der Mittellamelle vorkommt oder ob sich die mittleren Membranschichten nur durch besonderen Reichtum an Pektin auszeichnen. Es schien ferner aus den Analysen hervorzu- gehen, daß die empirische Zusammensetzung der Pektinformel H und 0 nicht im Verhältnis 2 : 1 aufweist, sondern wasserstoffärmer ist. Be- züglich der Wirkung von Säuren auf Pektin Stoffe waren die Angaben oft widersprechend und unklar. Fremy wollte annehmen, daß verdünnte Säuren aus der nativen unlöslichen Pektose zunächst wasserlösliche Pektinsäure formieren. Stüde(7) meinte, daß diese Lösung auf Zer- 1) V, Reqnault, Journ. prakt. Chem., 14, 270 (1838). Fromberg, Lieb. Ann., 48, 56 (1843); Journ. prakt. Chem., j2, 179 (1844). Chodnew, Lieb. Ann., 5/, 355 (1844). Soubeiran, Journ. prakt. Chem., 41, 309 (1847); Journ. Pharm, et Chim., //, 417. Fremy, Ebenda, 26, 1046 (1847). — 2) Poümarede u. Figuier, Compt. rend., 25. 17 (1847); Rev. Sei. Quesneville (2), 14, 68 (1847); 15, 98 (1847). — 3) Payen, Reo. Sav. Etrang. (2), 9, 148 (1846); Compt. rend., 43, 769 (1856) — 4) Fremy, Ann. de Chim. et Phys. (3), 24, 5 (1848); Compt. rend., 48, 203; Journ. Pharm. (3), jö. 5 (1859). — 5) Kabsch, Jahrb. wiss. Botan., 3, 357 (1863).' A. Vogl, Sitz.ber. Wien. Ak., 48, II, 672 (1863). J. Wiesneb, Ebenda (1864), //. — 6) W. Hofmeister, Pflanzenzelle (1867), p. 241. Schleiden, Grundzüge, 4. Aufl. (1861), p. 122. — 7) Stüde, Lieb. Ann., 131, 250 (1864). § 7. Die Pektinsubstanzen. 667 Setzung einer in Wasser unlöslichen Pektinkalkverbindung beruhe. Auch stellte dieser Autor das von Chodnew behauptete Entstehen von Glucose bei der Einwirkung von Salzsäure auf Rübenraarkpektin in Abrede. Ein erheblicher Fortschritt war die Entdeckung Scheiblers (1), daß die „Metapektinsäure" aus Rübenpreßlingen, welche er mittels Her- stellung der Kalkverbindung isoliert hatte, mit Säuren gekocht, reduzie- renden Zucker liefert. Anfangs hielt Scheibler den Zucker für eine neue Zuckerart, Pektinose, doch stellte es sich wenige Jahre später heraus, daß die Pektinose mit der Arabinose identisch ist, wie sie aus der Arabinsäure aus arabischem Gummi erhalten wird. Reichardt(2) beschrieb sodann Pektinpräparate, welche er durch Extraktion mit 1 %iger Salzsäure aus Möhre und Runkelrübe gewonnen hatte, als Pararabin, GigHjjOii, und meinte, daß es sich dabei um ein typisches Kohlenhydrat handle, weswegen die Gruppe der Pektinsubstanzen kaum als eine be- sondere Klasse von Membranstoffen zu betrachten sei. Auch die späteren Pektinanalysen von Martin (3) legten nahe, daß die früher konstatierten starken Abweichungen in der Zusammensetzung von Pektinstoffen von der gewöhnlichen Kohlenhydratformel wenigstens zum Teil auf Ver- unreinigung mit wasserstoffärmeren Stoffen beruhen könnten. Besonders Tromp de Haas und Tollens(4) bemühten sich verschiedenartige Pektin- präparate in möglichst reinem Zustande zu gewinnen und zu analysieren. Es enthielt: das PektiQ aus: C H O H:0 Asche N Äpfeln 43,41 6,36 50,22 1 : 7,9 5,95 0,245 Kirschen .... 42,50 6,68 50,95 1:7,8 20,50 0,000 Johannisbeeren . 46,98 5,77 47,25 1:8,2 5,02 1,005 Reineclauden . . 42,06 5,95 51,04 1:8,5 3,34 1,150 Rhabarber . . . 43,14 6,79 50,06 1:7,4 4,19 0,500 Steckrüben . . . 41,19 5,90 53,16 1 : 9,0 7,29 0,000 Die Abweichung vom gewöhnlichen Verhältnis des Wasserstoff- gehaltes vom Sauerstoff gehalt in Kohlenhydraten war also in der Tat viel kleiner als in den früheren Analysen, jedoch, vielleicht nur infolge nicht ganz vollständiger Reinheit auch dieser Präparate, nicht ganz fehlend. Tollens meint, an die Tatsache anknüpfend, daß die Pektin- stoffe den Charakter von Säuren haben, daß in ihnen eine oder mehrere Carboxylgruppen, vielleicht der Rest der Gluconsäure, enthalten sein könne. Möglicherweise seien die Pektinstoffe lactonartige Substanzen und die Einwirkung der Alkalien beruhe auf der Sprengung von Lacton- ringen, wobei pektinsaures Alkali in Lösung gehe. Weniger sicher be- gründet sind die Anschauungen von Schröder (5), wonach die Pektin- substanzen glucoproteidartigen Charakter hätten und mit den tierischen Mucinen verwandt wären. Seit Scheiblers ersten Angaben über die Entstehung von Arabinose bei der Pektinhydrolyse ist diese Pentose neben Galactose fast immer als 1^ c II 1) C. Scheibler, Ber. Chem. Ges., /, 58 u. 108 (1868); 6, 612 (1873). — 2) Reichardt, Ebenda, 8, 807 (1875). Rübenpektin. Andrlik, Chem. Zentr. (1895), /, 28, 833. VotoÖEK u. Sebor, Ebenda (1899), //, 1022. — 3) Martin, Sachsses Phytochem. Untersuch. (1880), p. 73. — 4) R. W. Tromp de Haas u. Tollens, Lieb. Ann., 286, 278 (1895). — B) B. Schröder, Beihefte bot. Zentr., 10, 122 (1901). Zur Konstitution der Pektinstoffe auch J. F. Gross, Ber. Ghem. Ges., 38, 2609 (1895). 668 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Spaltungsprodukt von Pektinen gefunden worden, niemals jedoch bisher die Xylose. Herzfeld(1) isoUerte aus den Spaltungsprodukten der Rüben- pektine Arabinose und Galactose. Auch die durch Weisberg und Wil- HELMJ aus Rüben isolierte hnksdrehende Parapektinsäure (2) ergab bei Hydrolyse außer Galactose Arabinose, die allerdings hier d-Arabinose gewesen sein soll. Arabinose und Galactose wurden ferner erhalten aus Quittenpektin (3), aus Pektin von Birnen und Pflaumen (4), aus Früchten von Lonicera (5) und Aucuba (6), nach Bourquelot und Herissey (7) desgleichen aus Stachelbeeren, Hagebutten, Rosenblättern und aus dem Gentianarhizom. Während Bauer(8) aus dem Apfelsinenschalenpektin außer Galactose auch Xylose gewonnen zu haben glaubte, handelt es sich nach Harlay auch hier nur um Arabinose. Daß Arabinose sehr verbreitet aus Pektinen entsteht, erfuhren auch Tromp de Haas und Tollens. Doch vermißte Bridel Arabinose bei der Hydrolyse des Pektins aus Symphori- carpus und Tamusfrüchten. Mit Ausnahme der erwähnten Parapektinsäure aus verdorbenen Rüben fand man alle untersuchten Pektine rechtsdrehend. Verdon (9> bestimmte für die Pektinstoffe aus Kalmia und Verbascum die spezifische Drehung mit + 158**. Harlay für Pektin aus Aucuba mit + 217,3", aus süßen Orangen mit -|- 176,6". Gegenwart organischer Salze verringert das Drehungs vermögen (10). Vielleicht stehen die Pektinstoffe von allen Membran- substanzen den Gummiarten am nächsten (11). Den Pektingehalt der Traubenbeeren bestimmten Muntz und Laine(12> mit 1,05-3,25 Promille. Manche Punkte sind ferner noch unklar hinsichthch der Koagulation von pektinhaltigen Pflanzensäften. 1840 hatte Fremy (13) zuerst beobachtet,, daß neutrale pektinhaltige Extrakte auf Zusatz von Pflanzensäften gallertige Pektinniederschläge bilden. Fremy führte diese Wirkung auf ein Enzym, die Pektase, zurück. Er fand, daß hierbei Sauerstoffgegenwart nicht nötig sei, Gasentwicklung nicht stattfinde und daß das Temperaturoptimum bei 30" liegt. Nach Bertrand und Mall^vre (14) ist es jedoch eine Vorbe- dingung zur Pektasewirkung, daß ein löshches Erdalkalisalz, Kalk, Baryt oder Strontian, zugegen ist, so daß der Niederschlag nicht allein aus der FREMYschen Pektinsäure besteht, sondern aus pektinsaurem Kalksalz, resp. Baryt oder Strontiansalz. Der Pektasewirkung sind bereits sehr ge- ringe Säuremengen hinderlich, woraus es sich erklärt, daß Fremy den Saft unreifer saurer Äpfel nicht wirksam fand. Da in unreifen Früchten nur das 1) A. Herzfeld, Chem. Zentr. (1891), //, 618. — 2) J. Weisberg, Bull. Soc. Chim. (4), j, 601 (1908). A. Wilhelmj, Ztsch. Ver. Deutsch. Zuckerindustr. (1909), p. 89.5. — 3) Javillier, Journ. Pharm, et Chim. (6), p, 163, 513 (1899). — 4) R. W. Bauer, Landw. Versuchsstat., j*, 319 (1891); 41, 477 (1892). — 5) Bridel, Journ. Pharm, et Chim. (6), 26, 536 (1907). — 6) Harlay, Ebenda (7), 5, 344 (1912). — 7) Bourquelot u. Herissey, Ebenda (6), 7, 473 (1898); 9, 281 (1899); Compt. rend., 128, 1241 (1899). — 8) Bauer, Chem. Zentr. (1901), //, 196. — 9) Verdon, Journ. Pharm, et Chim. (7), j, 347 (1912). — 10) GoRis u. Crete, Bull Sei. Pharm., 17, 715 (1911). — 11) Pektin: Tollens, Kurzes Handbuch d. Kohlenhydrate, 2. Aufl., /, 247 (1898). V. Gräfe, Abderhaldens biochem. Hand- lexikon, 2, 1 (1911). Mangin, Journ. de Botan. (1893). Von alt. Lit.: Rochleder, Ztsch. Chem. (1868), p. 381. Pater, Jahresber. Chem. (1856), p. 692 (Aesculus, Syringa). Mater, Ebenda, p. 692 (Gardenia). Giraud, Ber. Chem. Ges., 8, 340 (1875) (Tragant). Rochleder u. Hlasiwetz, Journ. prakt. Chem., so, 100 (Cap- paris). Rochleder, Ebenda, 72, 394 (Tropaeolum). — 12) A. Müntz u. Laine, Mon. Sei. (4), 20, I. 221 (1906). — 13) Fremy, Journ. Pharm., 26, 292. Ann. de Chim. et Phys. (3), 24; Lieb. Ann., 67, 257 (1848); Journ. prakt. Chem., 21, 1 (1840). — 14) G. Bertrand u. Mallevre, Compt. rend, ug, 1012 (1894); 120,. 110; 121, 726 (1895). § 7. Die Pektinsubstanzen. 669 Fruchtfleisch, nicht aber der Saft die Wirkung der Pektase besaß, so nahm Fremy an, daß hier eine unlösliche Modifikation des Enzyms vorkommt. Doch ist bisher nicht weiter versucht worden, ob Adsorptionen oder Endol enzymbildung diese Verhältnisse bedingen. Nach Bertrand und Mall^vre ist Pektase ein sehr verbreitetes Enzym, bei höheren und niederen Pflanzen. Manche Säfte, wie jene aus Kartoffeln, Klee, Luzerne, Raygras, Zuckerrübe, koagulierten 2 % Pektinlösung fast augenbUcküch, bei anderen, wie Tomate, Weinbeeren, war die Wirkung erst nach 1—2 Tagen sichtbar. Blumenkronen und junge Früchte waren weniger wirksam; bei Pinus Laricio war die Prüfung auf Pektase erfolglos. Wirksame Pektasepräparate können aus Blättern gewonnen werden, deren Preßsaft unter Chloroformzusatz 24 Stunden im Dunkeln zur Klärung aufzustellen ist. Nach dem Filtrieren fällt man den Saft mit Alkohol, wodurch ein in Wasser leicht löslicher, in seinen Lösungen bei Zusatz von Kalksalz Pektin kräftig koagulierender Niederschlag erhalten wird. DuCLAUX (1) meinte, daß Kalk bei Pektasewirkung eine analoge Rolle spielen könnte, wie bei der Kasein- oder Fibringerinnung. Goyaud (2) glaubt, daß die Reaktion wohl auch bei Abwesenheit von Kalksalzen er- folge, jedoch die Veränderung durch die Bildung von unlöslichem Kalkpektat erst bei Gegenwart von Kalksalzen sichtbar werde. Carles (3) hat überhaupt bezüglich der enzymatischen Natur der Pektinsäurebildung verschiedene Bedenken geäußert. Ist tatsächUch ein Enzym im Spiele, so wäre anzu- nehmen, daß dieses den präexistierenden Pektinstoff unter Abspaltung oiner Kohlenhydratsäure, der Pektinsäure, zerlegt, und daß keine vöUige Hydrolyse zu Zucker erfolgt. Der Vorgang ist weiterer Untersuchung sehr bedürftig. Die Gegenwart von Kalk könnte die Enzymwirkung dadurch fördern, daß die als Reaktionsprodukt entstehende Pektinsäure stetig in unlöshches Kalksalz übergeht und sich daher nicht anhäufen kann. Aus Malzextrakt haben Bourquelot und Herissey (4) ein Enzym angegeben, durch welches die Pektinstoffe unter Bildung von reduzierendem Zucker gespalten werden, was bei der Pektase nicht der Fall ist. Diese „Pektinase", wie Bourquelot das erwähnte Malzenzym nannte, soll auch das von Pektase abgespaltene Calciumpektat noch weiter hydrolysieren. Umgekehrt wirkt jedoch die Pektase nicht mehr auf die Endprodukte der Pektinasewirkung. Bei Gegenwart von Pektinase ist eine Koagulation von Pektinlösungen durch Pektase nicht möghch. Die Pektinasewirkung ist ebenfalls schon gegen geringe Säuremengen sehr empfindhch. Anderweitige Befunde von Pektinase liegen noch nicht vor. Als „Pektosinase" bezeichnet man das Enzym, mit Hilfe dessen Bacterien, besonders die von Beuerinck und van Delden (5) studierten Granulo- bacterformen, pectinivorus und urocephalus, auf die Muttersubstanz des Pektins in den Mittellamellen der Zellwände der Leinpflanze einwirken. Diese Substanz, die Pektose, wäre nach Beuerinck eine Kalkverbindung eines der Celiulose verwandten Kohlenhydrates von der normalen Zusammen- setzung, das höchstens einen Gluconsäurerest enthalten dürfte. Dieser un- lösHche Stoff wird durch das Bacterienenzym in lösHches Pektin und weiter in Zucker verwandelt. Ob die Pektosinase streng spezifisch auf Pektose wirkt, ist jedoch noch nicht sicher bewiesen. Da ganz sichere Erkennungs- 1) DuCLAüX, Trait^ de Microbiologie, 2, 226 (1899). — 2) Goyadp, Compt. rend., 13s, 537 (1902). — 3) Carles, Journ. Pharm, et Chira. (6), 2, 463 (1900). — 4) Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 127, 191 (1898); Soc. Biol. (1898), p. 777; Journ. Pharm, et Chim. (6), 9 0899). — B) Beuerinck u. A. van Delden, Arch. N6erland. Sei. exact. (2), 9, 418 (1905). Vgl. auch Behrens, Lafars Handb. d. techn. Mycol., 3, 269. 670 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. merkmale für Pektinstoffe nicht existieren, so läßt sich nur im allgemeinen sagen, daß solche Substanzen bei höheren und niederen Pflanzen sehr verbreitet scheinen, auch dort wo in den Membranen Cellulose gleichzeitig nicht vorkommt. Bei Algen ist Pektin fraglich, bei Pilzen mindestens sehr zweifelhaft. Wie erwähnt, hatte schon Payen an eine Lokalisation der Pektinstoffe in der Mittellamelle der Membranen gedacht, während Mulder annahm, daß Cellulose und Pektin gemengt gleichmäßig in allen Zellhautschichten vor- komme. Nach Payen sollte pektinsaurer Kalk und Kahumpektat die Gewebs- zellen gleichsam als Bindemittel verkitten, weil man durch Kochen mit verdünnter Säure oder Alkali, oft selbst durch kochendes Wasser, die Gewebe - Zellen trennen könne und deren Wände nachher das Verhalten von Cellulose zeigen. Auf Grund der Chlorzinkjodreaktion gelangten später Kabsch, VoGL und Wiesner zu derselben Ansicht, und auch Fremy teilte dieselbe, weil nach der Kupferoxydammoniakbehandlung von dem Gewebe ein in Alkali löshches Gerüst zurückbleibt. Ferner sind einschlägige Angaben von KoLB und von Gutkowsky anzuführen (1). Auf die Entwicklung der pektin- haltigen Mittellamelle kann hier nicht eingegangen werden. Es hat Allen (2) darauf hingewiesen, daß die Mittellamelle teilweise aus sekundären Produkten bestehen muß, welche sich zwischen die beiden Spaltlamellen der primären Zellhaut einschieben. Ein direkter Beweis dafür, daß das eigentümUche Verhalten der Mittellamelle durch Pektinstoffe bedingt ist, steht allerdings noch aus, wenngleich die Untersuchungen von Mangin (3) hierfür manche Gründe beizubringen vermochten. Die nach Behandlung der Schnitte mit Kupferoxydammoniak und Auswaschen mit Wasser zurückbleibenden Zellhautskelette geben, wie Mangin fand, die bekannten Zellstoffreaktionen nicht mehr, und färben sich auch nicht mehr wie normale Cellulosewände mit Kongorot, Benzopurpurin, Orseillin BB und Naphtholschwarz. Sie sind jedoch noch immer färbbar durch Bismarckbraun, Auramin, Malachit- grün, Fuchsin, Jodgrün, Hoffmanns Violett, durch die vom o-Oxazin ableitbaren Farbstoffe, wie Nilblau und Naphthylenblau R, durch Methylenblau, Neutral- rot, Induhn, Neutralblau, Magdalablau, Mauvern usw. Mangin hält diese Färbungen für charakteristisch für Pektinstoffe. Späterhin fand er ein gutes Reagens für die Pektinstoffe der intakten Mittellamelle in dem von J0LY(4) beschriebenen Rutheniumrot: Ru2{OH)2-Cl4'7(NH3).HCl + 3aqu., welches seither meist zu dem gleichen Zwecke verwendet wird. Doch ist das Rutheniumrot kein spezifisches Reagens auf den Pektinstoff der natür- hchen Mittellamelle, indem es z. B. auch Isolichenin und Glykogen färbt (5). Nach Carano (6) kann auch HämatoxyUn nach Delafield zu den Pektin- farbstoffen gezählt werden. Die native Substanz der Mittellamelle wurde von Beijerinck als Pektose, von Tschirch (7) als Protopektin bezeichnet. Sie kann aus der Membran extrahiert werden, indem man nach Mangin die Schnitte 1/2 Stunde mit 2%iger Salzsäure behandelt, mit Wasser aus- 1) KoLB, Ann, de Chim. et Phys. (1868). Gutkowsky, Just Jahresber. (1885), /, 81. — 2) Allen, Botan. Gaz., 32, 1 (1901). Hier ist auf die geringe Wahrscheinlichkeit der Ansicht Dippe^«, Abhandl. Senckenbergsch. Ges. (1878), hin- gewiesen, wonach sich die „Zwischensubstanz" von den Membranen der Cambium- mutterzellen herleite. — 3) L. Mangin, Compt. rend., 107, 144 (1888); log, 579 (1889); HO, 295 (1890); 116, 653 (1893); Bull. Soc. Bot., 36, 274 (1889); Journ. de Botan., 5, 400 (1891); 6, 206 (1892); 7. 37 (1893). — 4) Joly, Compt. rend., 7/5, 1299 (1892). NicoLLE u. Cantacuzbne, Ann. Inst. Pasteur, 7, 331 (1893). Werner, Ber. Chem. Ges., 40, 2614 (1907). Mikrochemie d. Pektinstoffe: O. Tdnmann, Pflanzenmikrocheinie (Berlin 1913), p. 564. — 5) F. Tobler, Ztsch. wiss. Mikrosk., 23, 182 (1906). — 6) E. Carano, Ann. di Botan., 7, 707 (1909). — 7) Tschirch, Ber. Pharm. Ges., 17, 237 (1907). § 7. Die Pektinsubstanzen. 671 wäscht, und sodann andauernd mit 2% NaOH kocht. Die färbbaren Stoffe lösen sich aber nicht nur in Alkali, sondern auch in Ammonium- oxalat (1). Da die Pektinsäure in Ammoniumeitrat, Oxalat, Tartrat und anderen organischen Salzen unter Doppelsalzbildung lösUch ist, so meint Mangin, daß Pektinsäure als Kalksalz den Hauptbestandteil der Mittel- lamellen ausmache. Übrigens stellen es auch Tschirch sowie Rosenberg- Hein (2) nicht in Abrede, daß ein gewisser Anteil der Intercellularsubstanz aus Galciumpektat bestehe. Mangin fand jedoch selbst, daß die Farben- reaktionen der Gelose aus Algen, welche freilich in AlkaU unlöslich und in Säuren löslich ist, ganz ähnUch wie bei Pektose ausfallen und daß sich viele Pflanzenschleime und Gummiarten mit Rutheniumrot färben (3). Bei der natürlichen Pektinbildung in Früchten findet nach Tschirch eine chemische Veränderung der Mittellamellensubstanz statt, die sich am besten durch die Löslichkeit in kochender 35— 65%iger Rohrzuckerlösung sicherstellen läßt, in der das intakte Protopektin unlöslich ist. Auch gehen dann die charakteristischen Farbenreaktionen verloren. Die Pektinbildung findet stets auf Kosten des Calciumpektates der Mittellamellen statt. Mangin weist die Pektinsäure nach, indem die Schnitte mit Alkohol-Salzsäure: 1 Teil HCl, 3 Teile Alkohol, behandelt werden, wodurch das Pektat zersetzt wird, sodann wäscht man mit Wasser aus und färbt die Schnitte mit Naph- thylenblau. Die fast farblosen Zellmembranen zeigen nun an ihrem äußeren Kontur stärker gefärbte Vorsprünge, welche meist rahmenartig die Ober- fläche der Zellen bedecken. Setzt man den Schnitten nun Ammonium- oxalat zu, so trennen sich die Zellen, und die aus Pektinsäure bestehenden gefärbten Vorsprünge lösen sich auf. In den jungen Zellmembranen hegt nach Mangin wahrscheinUch eine Verbindung von Pektose mit Cellulose vor, die durch Säureeinwirkung unter gleichzeitiger Bildung von Pektin- säure gespalten wird. Der Übergang von Pektose in Pektinsäure vollzieht sich durch Alkalien und Säuren ungemein leicht. Wenn die Gewebe älter werden, und sich Intercellularräume bilden, so nimmt die Menge des Calcium- pektates immer mehr zu, die Mittellamelle verliert gänzlich ihren Cellulose- gehalt und es lagert sich in ihr pektinsaurer Kalk als unregelmäßige Masse knöpfchen- oder stäbchenartiger Bildungen ab. Auch die Interzellularen werden durch ein dünnes Häutchen von Pektat ausgekleidet. Gegen die Auffassung, daß Galciumpektat der wesentliche Bestandteil der Mittel- lamellen sei, hat sich jedoch Devaux(4) gewendet und hervorgehoben, daß die Löshchkeitsverhältnisse der veränderten Pektose ganz dieselben sind, wie jene der Pektinsäure. Mangin habe sich auf die unzutreffende Ansicht von Fr^my gestützt, daß Pektose durch Säuren in der Kälte nicht angegriffen werde. Die Mittellamellen verschiedener Gewebe sind in der Tat recht ungleich gut löslich und die Säurewirkung ist, ähnhch wie bei Esterspaltungen, längere Zeit hindurch nötig, so daß es sich nicht um die rasche Zerlegung eines Kalksalzes handeln dürfte. Devaux hält auch die Pektosen der verschiedenen Pflanzen und Gewebe für differente Stoffe einer Gruppe von Membranbestandteilen. Mangin weist Pektose dadurch nach, daß er die Schnitte mit Alkohol- Salzsäure und dann mit Ammonium- oxalat behandelt und, um die Pektose weniger löslich zu machen, die Schnitt mit Kalkwasser behandelt. Dann wird abfiltriert, der Rückstand 1—2 Minuten 1) Dies war schon Schloesing bekannt: Grandeau, Analys. des Mat. Agri- col, 2. Ed., p. 350 (1883), — 2) E. Rosenberq-Hein, Dias. (Bern 1908). — 3) Be- züglich Gummi vgl. Boresch, Sitz.ber. Wien. Ak., in, I, 32 (1908) [Bromeliaceen]. — 4) H. Devauy, Sog. Linn. Bordeaux (4. Mars 1903); Soc. Phys. Natur. Bor- deaux (6), 3 (1903). 672 Einundzwanzigstes Kapitel : Das Zellhautgerüst der Pflanzen. mit Kupferoxydammoniak bebandelt, mit Wasser gewaschen und mit ver- dünnter Essigsäure neutralisiert. Man sieht nun nacb Färbung mit Jod- phosphorsäure die Zellen von einer farblosen offenbar cellulosefreien Haut umgeben, im Zellumen aber befinden sich Körnchen aus Gellulose. Die Häute färben sich nun mit den pektinfärbenden Mitteln. VAN WissELiNGH(l) fand, daß die pektinhaltigen Membranen nach der Behandlung mit Glycerin bei 300^ nichts mehr von diesen Stoffen enthalten. Wurde von der Glycerinprobe mit Kupferoxydammoniak behandelt, so bheb in der Regel fast nichts mehr von den Schnitten übrig. VAN WissE- LiNGH meint, daß in den Zellmembranen der Rübe außer Gellulose noch mindestens zwei andere Stoffe vorkommen dürften. Der eine ist mit Ru- theniumrot stark färbbar und wird in der Glycerinprobe schon bei 200*^ zerstört, der andere, welcher sich besonders in der Mittellamelle und in den Verdickungen der Zellecken findet, ist in schwach angesäuertem Methylen- blau oder in Bayers „Brillantblau extra grünhch" stark färbbar, und wird erst bei 250" zerstört. Pektinmembranen speichern nach Devaux (2) stark Metallbasen aus Metallsalzlösungen. Anhang: Mangins Gallo se. Mangin (3) hat auch die Substanz der Auflagerungen an den Siebplatten im Herbst und in obüterierten Siebröhren einem genauen Studium unterzogen und deren Hauptbestandteil als Gallose beschrieben. Die Gallusmassen sind in Kupferoxydammoniak unlösüch, selbst nach vorheriger Behandlung mit Säure, sie geben keine Ghlorzink- jodreaktion, sind leicht löshch in 1% NaOH, kalter H2SO4, GaGlg, SnGlg, quellbar in Ammoniak, unlösUch in kalten Alkalicarbonaten. Die Pektin- färbemittel versagen. Lebhafte Tinktion erfolgt durch Gorallinsoda, Anihn- blau und verwandte Farbstoffe, nach Tswett (4) auch durch die Oxydations- produkte aus ammoniakaHscher Resorcinlösung („Resoblau"). Die Gallose darzustellen gelang Mangin nicht. Moore (5) vertrat die abweichende An- schauung, daß der Gallus der Gucurbita- Siebröhren aus Eiweißstoffen be- stehe, und die Proteinreaktionen, wenngleich träge, damit zu erhalten seien. Entschieden wurde diese Angelegenheit bisher nicht. Auf Grund der er- wähnten Färbungsresultate hält Mangin dafür, daß Gallose ein im Pflanzen- reiche sehr verbreiteter Stoff sei. Sie soll in GystoUthen vorkommen, in den Zellen, welche an den Wundkork angrenzen, ferner sollen die stark lichtbrechenden Membranverdickungen bei Pollenmutterzellen aus Gallose bestehen, sodann auch die Pfropfen in Pollenschläuchen, deren callusartige Beschaffenheit schon von Degagny (6) hervorgehoben worden ist. Auch bei Pilzen soll Gallose verbreitet vorkommen. Für Gallose charakteristisch ist häufig die rasche Verquellung und Lösung in Wasser. NatürHch ist diese Substanz ganz hypothetisch, und es läßt sich nicht im entferntesten sagen, wie viele und welche Membranstoffe den erwähnten Befunden entsprechen. Für die Pilze ist jedoch bereits durch Wisselingh erwiesen, daß oft der angebhchen „Gallose" nicht anderes als Ghitin entspricht. Der Siebröhren- callus ist nach Wisselingh durch Glycerin auch bei 250° nicht zerstörbar, und so dürfte die oben erwähnte mit Brillantblau tingierbare Substanz de Mittellamelle des Rübenparenchyms mit dem Gallusstoff nichts zu tun haben. 1) C. VAN "Wisselingh, Jahrb. wiss. Botan., j/, 629 (1898). Pektin in der Membran von Endodermiszellen : Vidal, Journ. de Botan., /o, 236 (1896). — 2) De- vaux, Botan. Zentr., 90, 8 (1902). — 3) Mangin, Compt. rend., iio, 644 (1890); 112, 645; 115, 260 (1892); Bull. Soc. Bot., 38 (1891); 5p, 260 (1892). Mikrochemisches: O. Tunmann, Pflanzenmikrochemie (Berlin 1913), p. 556. — 4) Tswett, Compt. rend., 153, 503 (1911). — 5) Moore, Journ. Linn. Soc, 27, 501 (1891). — 6) Ch. Degagny, Comp, rend., 102, 230 (1886). § 8. Gummibildung in Zellmembranen. 673 § 8. Gummibildung in Zellmembranen. Die als Gummi zusammengefaßten Pflanzenprodukte und Sekrete, welche im Leben der Gewächse teils als Wundverschluß, Obliterations- pfropfen, teils als pathologische Stoffwechselprodukte entstehen, sind im Wesen wohl immer als Erzeugnisse der Zellmembranen bestimmter Ge- webekomplexe, wie des Markparenchyms oder des Parenchyms von Rinde und Holz, aufzufassen, wenngleich bestimmte Veränderungen des Zell- inhaltes, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, die stoffliche Zu- sammensetzung der Gummimassen beeinflussen können. Bekannt ist die sehr deutliche Zellstruktur im Tragantgummi, welche klar zeigt, daß das Gummi aus verquollenen Zellmembranen besteht [Mohl 1857(1)]. Ähnliche Strukturen konnte Wiesner (2) im Gummi von Moringa pterygosperma und Cochlospermum gossypium entdecken. Schon Karsten, Trecul und Wigand wiesen in der Folge auf die Wahrscheinlichkeit der Gummibildung aus den Zellmembranen hin (3), ebenso Frank und Prillieux(4) sowie J. Moeller(5), während wir weniger zutreffenden Anschauungen bei Boehm und bei Gaünersdorfer begegnen (6). Eine richtige Schilderung der Gummibildung im Holze und deren biologischer Bedeutung als Wundsekret und Verschlußmittel hat Frank (7) geliefert. Die Einwände, welche Höhnel(8) gegen die Entstehung von Gummi aus Zellmembranen eiliob, wonach das Volum der ausgeschiedenen Massen weitaus die Mengen der an Ort und Stelle vorhandenen Zellhautmaterialien übersteige, wurden bereits in der ersten Auflage dieses Buches (Bd. I, p. 554) mit der Bemerkung entkräftet, daß es sich bei der Gummosis um pathologische Hyperplasie handelt. Dies ist seither besonders durch die Untersuchungen von Mikosch(9) über die Bildung des Kirschgummis bestätigt worden, in denen es sich deutlich ergab, wie zunächst im cambialen Gewebe die Membranen in hyperplastischer Weise in Gummi übergehen und dann auch ein Teil der löslichen Gummibestandteile durch Veränderungen im Zellinhalte erzeugt wird. Herrmann (10) hat für das Wundgummi, das sich im Kernholze der Rotbuche bildet, eine Entstehung aus Stärke ohne Beteiligung der Membranen anzunehmen gesucht. In der von Vogl und von Gr. Kraus vertretenen Ansicht, daß das Gummi 1) Mohl, Botan. Ztg. (1857), p. 32. Tragantbildung: Lutz, Compt. rend., 150, 1184 (1910). — 2) Wiesner, Techn. verwendet. Gunamiarten u. Harze, p. \^, 50, 51 (1869). Jadin u. Boucher, Compt. rend., 146, 647 (1908). — 3) Karsten, Botan. Ztg. (1857), p. 313. Trecul, Compt. rend. (1860), p. 621. Wigand, Jahrb. wiss. Botan., j, 136. — 4) A. B. Frank, Ebenda, 5, 25. Prillieüx, Compt. rend., 78, 135 u. 1190 (1874); Ann. Sei. Nat. \6), /, 176 (1875). — 5) J. Moeller, Sitz.ber. Wien. Ak., 72 (1875). — 6) J. Boehm, Botan. Ztg. (1879), p. 229. Mercadante, Ber. Chem. Ges., p, 83 (1876). Gaünersdorfer, Sitz.ber. Wien. Ak., 85, I, 9 (1882). — 7) Frank, Ber. Botan. Ges., 2, 321 (1884). Auch Savastano, Compt. rend , 99, 987 (1884). A. Meyer, Ber. Botan. Ges., 2, 375 (1884). C. Kraus, Ebenda, Generalversamml.heft, p. LIII. Temme, Landw. Jahrb., 14, 465 (1885). Reichelt, Pomolog. Monatsh. (1887), p. 269. Guignard u. Colfn, Bull. Soc. Bot., 35, 325 (1888). A. Wieler, Just Jahresber. (1892), //, 230 (Gefäßverstopfungen). L. Lutz, Bull. Soc. Bot., 42, 467 (1895); Joum. de Bot., // (1897). J. GrtJss, Bib- liotheca botan., XXXIX (1896). Busse, Potoni^s naturwiss. Ztsch. (1901). (Ameisen- bohrstiche als Ursache der Sekretion des arabischen Gummi von Acacia Verek.) Hanausek, Ber. Botan. Ges., 20, Generalversamml.heft, p. 81 (1902). G. Delacroix, Compt. rend., 137, 278 (1903). — 8) F. v. Höhnel, Ber. Botan. Ges., 6, 156 (1888). — 9) K. Mikosch. Sitz.ber. Wien. Ak., 115, I, 911 (1906). — 10) Herrmann, Schrift. Naturforsch. Ges. Danzig, //, 77 (1905). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 43 ^74 Einundzwanzigstea Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. aus dem Siebröhreninhalte stammt, ist augenscheinlich der äußerlichen Ähnlichkeit des Siebröhrensaftes und des Gummisekretes eine zuweit- gehende Bedeutung beigelegt worden (1). Wenn auch die Hauptmasse des Gummis aus Membranstoffen hervorgeht, so mischen sich doch Stoffe, welche aus dem Zellinhalte der in Gumosis übergegangenen Zellen stammen, in oft sehr charakteristischer Weise, bei. So findet man in Gummidrusen veränderte Stärkekörner, häufig gebräunt, und von besonderem Interesse ist der stets zu kon- statierende Stickstoffgehalt aller bisher daraufhin untersuchter Gummi- arten, der etwa 1—2% beträgt (2). Tschirch und Stevens (3) fanden, daß der Stickstoff der Gummiarten in einer Form vorkommt, in der er durch die bekannte LASSAiGNEsche Probe nicht nachweisbar ist. Hin- gegen kann man nach Kochen von Gummi mit Kalilauge Pyrrolentwicklung feststellen. Die diesem Verhalten zugrundeliegende Substanz ist bisher nicht bekannt. Verschiedene Enzyme fehlen nach vielen Untersuchungen (4) in Gummi niemals, besonders ist Diastase und Peroxydase immer vor- handen, ferner ist wahrscheinlich Amygdalase oder Emulsin em häufiges Gummienzym, In Moringagummi wurde auch Myrosin gefunden. Die Chemie der Gummiarten wurde schon von Fourcroy und Vau- QUELIN (5) zu Ende des 18. Jahrhunderts in Angriff genommen, und letzterer wies bereits den Charakter des arabischen Gummi als organisches Kalksalz nach. Es wurde auch die Entstehung von Schleimsäure bei der Oxydation mancher Gummiarten mit Salpetersäure bekannt (Laugier). John (6) nannte die Substanz des Pflaumengummis Cerasin. Guerin (7) wollte die Schleimsäurebildung als charakteristisches Merkmal der Gummiarten hin- stellen, und drei, fortan lange Zeit aufrecht erhaltene Gummispezies unter- scheiden : Arabin, Bassorin und Cerasin. Aber schon Berzelius (8) hob hervor, daß diese auf die Löslichkeitsverhältnisse basierte Einteilung zu keinem tieferen EinbUck in die chemische Beschaffenheit der Gummiarten führe. Neubauer (9) zeigte 1857, daß das Arabin die Eigenschaften einer Säure besitzt. Die neueren chemischen Studien über die Gummiarten lassen die Meinung begründet erscheinen, daß es sich um Stoffe handelt, welche einige Analogien mit Pektinstoffen zeigen und ebenso wie diese, einer- seits Zucker, andererseits Kohlenhydratsäuren bei der Hydrolyse liefern. Die Gummimassen, welche mit geringen Mengen von Mineralsalzen, Gerbstoffen und anderen aromatischen Substanzen, wie Hadromal, ferner 1) A. VoGL, Pharmakognosie (1880), p. 384. Gr. Kraus, Sitz.ber. Naturf. Ges. Halle (23. Febr. 1884). Wiesbjer, Rohstoffe, 2. Aufl., /, 69 (1900). — 2) E. Meininger, Arch. Pharm., 248, 171 (1910). — 3) Tschirch u. Stevens, Pharm. Zentr.halle (1905), p. 501. Stevens, Amer. Joum. Pharm., 77, 255 (1905). — 4) Wiesner, Sitz.ber. Wien. Ak., 92, 40 (1885). Bechamp, Bull. Soc. Chira. (3), 9. 453 (1890). F. REmiTZER, Ztsch. physiol. Chem., 14, 453 (1890); 61, 352 (1909). Lutz, Beihefte bot. Zentr., 6, 368 (1896). Voix!Y-Boucher, Bull. Sei. Pharm., 15, 394 (1908). V. Gräfe, Wiesner-Festschr. (1908), p. 253. — 5) Fourcroy u. Vau- QUELIN, Ann. de Chim., 6, 178 (1790). Vauquelin, Ebenda, 54, 312 (1805). Auch A. Laugier, Ebenda, 72, 81 (1809); Gübert Ann., 42, 228 (1812). — 6) John, Schweige. Journ., 6, 374 (1812). — 7) Guerin, Ann. de Chim. et Phys. (2), 49, 248 (1832); Schweigg. Journ., 65, 220 (1832); Pogg. Ann., 29, 50 (1833). Schon CHBVREUii hatte den Hauptbestandteil des arabischen Gummi als „Arabin" be- zeichnet. — 8) Berzelius, Jahresber., 13, 276 (1834); Ann. de Chim. et Phys. (2), Sg, 103 (1835). Über Elementaranalysen von Gummi: C Schmidt, Lieb. Ann., 51, 29 (1844). Wundgummi: Braconnot, Ann. de Chim. et Phys. (3), 17, 347 (1846). — 8) C. Neubauer, Lieb. Ann., 102, 105 (1857). § 8. Gummibildung in Zellmembranen. 675 mit Farbstoffen, Zucker, Amylum, Enzymen usw. einschließen, sind manch- mal in Wasser in jedem Verhältnis zu kolloidalen Flüssigkeiten löslich, wie viele Acaciengummen, manchmal nur teilweise löshch, manchmal, wie Kirschgummi und Tragant, in kaltem Wasser nur quellbar. In reinstem Zu- stande bilden sie farblose amorphe, selten optisch anisotrope (1) Massen. Die Lösungen sind immer optisch aktiv, je nach der Natur des Gummis hnks- oder rechtsdrehend. Sie pflegen schwach sauer zu reagieren. Schon 52% Alkohol löst kein Gummi auf. In wässeriger Chloralhydratlüsung wird Gummi sowie Stärke gelöst (2). Mit Ammoniumsulfat läßt sich wohl Tragant- schleim, nicht aber arabisches Gummi aussalzen (3). Mit Salzsäure ange- säuerte Gummilösungen geben auf Alkoholzusatz einen dichten weißen Niederschlag. Von Natronlauge werden auch diejenigen Gummiarten ge- löst, die in Wasser nur quellen. Kupferoxydammoniak hat nur unbedeutende Lösungswirkung. Die Cellulosejodreagentien geben mit Gummen keine blaue Färbung. Nesslers Reagens erzeugt einen grauen Niederschlag in arabischem Gummi (4). Basisches, nicht aber neutrales, Bleiacetat fällt Gummilösungen. Gereinigtes Gummi entspricht einem Vielfachen der Formel Cj2H220ii. Als hydrolytische Abbauprodukte erscheinen bei den Gummiarten sehr gewöhnlich Galactose und Arabinose (5). Diese beiden Zucker ent- stehen aus Pfirsichgummi nach Stone(6), Pfirsichgummi und Pflaumen- gurami nach Bauer (7), aus Aprikosengummi nach Lemeland(8), Mandel- gummi nach HufeRRE(9), Rübengummi nach Lippmann (10), Weingummi (11) und Acaciagummiarten (12). Meininger(13) erhielt aus dem Gummi von Acacia pycnantha Bth. 58,61 % Galactose und 16,98 % Arabinose, von Acacia horrida W. 36% Galactose und 36,5% Arabinose mit 2,83% Methylpentose, von Acacia arabica W. 50,43 % Arabinose, 21,85% Galactose und keine Methylpentose. Nach demselben Autor liefert das Gummi von Melia Azadirachta ll.H % Galactose und 26,27 % Arabinose. Gummi von Mangifera indica lieferte gleichfalls Galactose und Arabinose (14), des- gleichen das Gummi von Feronia elephantum 35,56 % Arabinose und 42,66% Galactose (15), dasjenige der Meliacee Khaya madagascariensis 48,4% Galactose und 31,38% Arabinose (16), nach Schirmer (17) das Gummi von Anogeissus latifolius Wall. 26,25% Araban und 16,44% Galactan nebst 7,64 % Methylpentosan, das Gummi von Odina Wodier 19,17% Araban und 36,4% dalactan. Nach Bauers Beobachtung und nach der genauen Untersuchung von Kiliani kann man aus Kirschgummi vorteilhaft Arabinose gewinnen (18). Die genaue Vorschrift ist in der 1) Vgl. Wiesner, Rohstoffe, 1. c p. 55. — 2) R. Mauch, Diss. (Straßburg 1898). — 3) J. Pohl, Ztsch. physiol. Chera., j4, 155 (1889); — 4) Vamvakas, Ann. Chim. analyt. appl., 12, 12 (1907). — B) Ältere Lit. hierzu: Bechamp, Journ. Pharm, et Chim. (4), 27, 51 (1878). ClaEsson, Ber. Chem. Gea. (1881), p. 1270. Kiliani, Ebenda, 15, 34 (1882).- Muntz, Corapt. rend., 102, 624, 6S1 (1886). — 6) W. E. Stone, Ber. Ohem. Ges.. 23, 2574 (1890). — 7) R. W. Bauer, Landw. Versuchsstat., 35, 33 u. 215 (1888). — 8) P. Lemeland, Journ. Pharnn et Chim, (6), 21, 443 (1905). — 9) Huerre, Ebenda, 27, 561 (1908). — 10) Lippmann, Bgr. Chem. Ges., 14, 1509 (1881); 23, 3564 (1890). — 11) Niviere u. Hubert, Chem. Zentr. (1896), /, 898. — 12) Martino, Just Jahresber. (1894), //, 415. Hefel- MANN,- Chem. Zentr. (1901), //, 195. Stone, Amer. Chem. Journ., /;, 196 (1895). Stuhlmann, Der Pflanzer (1905), p. 353. — 13) E. Meininger, Arch. Pharm., 248, 171 (1910). — 14) Lemeland, Journ. Pharm, et Chim. (6), ig, 584 (1904). — 15) Lemeland, Ebenda (16. März 1906). — 16) Gärard, Bull. Sei. Pharm., iS, 14« (1912). — 17) Schirmer, Arch. Pharm., 250, 230 (1912). — 18) Bauer, Journ. prakt. Chem., 30, 379; 34, 46. Sachsse u. Martin, Phytochem. Untersuch. (1880), p. 72, hatten die Arabinose aus Kirschgummi für eine besondere Zuckerart „Cerasi- nose" erklärt. Kiliani, Ber. Chem. Ges., 19, 3030 (1886). 43* 676 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerust der Pflanzen. Arbeit Kilianis enthalten. Der Gehalt an Arabinose und an Galactose stehen, wie Claesson feststellte, in gegensätzlichem Verhältnisse zu- einander, so daß jene Gummiarten, die reichlich Schleimsäure liefern, nur wenig Arabinose ergeben. Manche Gummiarten liefern bei der Be- handlung mit Salpetersäure nach Kent und Tollens oder nach Mau- men6(1) außerordentlich viel Schleimsäure, nach Kiliani bis 38%. Es entsprechen 75 TeUe der gefundenen Schleimsäure 100 Teilen der ur- sprünglichen Galactose, Unter den Hydrolysenprodukten von Tragantgummi fanden Widsoe und Tollens (2) außer Arabinose noch Xylose auch etwas Fucose. Aber nach Winterstein (3) liefert auch das Chagualgummi außer Galactose noch Xylose, ebenso das tragantartige Gummi von Cochlospermum gossy- pium nach Robinson (4) und es dürften andere Fälle dieser Art noch zu erwarten sein. Tragantgumrai gibt nach Emery(5) beim Kochen am Rückflußkühler etwas Essigsäure; das Gummi aus Cochlospermum und Sterculia liefern davon viel mehr. Zum Pentosennachweise benutzt man bei Gummiarten, wie sonst, die ToLLENSSche Phloroglucinprobe oder die blauviolette Reaktion mit Orcin und Salzsäure (6). Die quantitativen Methoden sind, wie oben beschrieben, ebenfalls anwendbar. Die Arabinose wurde durch Säurehydrolyse des arabischen Gummis zuerst von Guerin-Varry erhalten, von Scheibler benannt und durch Claesson von der Galactose genau auseinander- gehalten. Ihre Natur als Pentose erkannte Kiliani. Selbst für Acacien- gummen schwanken, wie oben ersichtlich, die relativen Pentosen- und Galactosemengen beträchtlich. Von den gewöhnlichen Handelsgummen liefert Kirschgummi 45,62% (GtJNTHER) bis 59,05% Arabinose (Flint und Tollens), Tragant 37,28% Pentosen, arabisches Gummi 27,9%. Nun liefern aber die Gummiarten außer Hexose und Pentose stets Säuren bei der Hydrolyse, um deren Studium sich besonders O'Sulli- VAN(7) Verdienste erworben hat. Diese Säuren, die man als Gummi- säuren zusammenfassen kann, sind noch sehr unzureichend bekannt. Es soll sich um isomer nach der P'ormel C23H38O22 zusammengesetzte Stoffe handeln, oder auch um solche, welche sich durch die Differenz CgHioOg von dieser Formel unterscheiden. O'Sullivan hat Gummisäuren aus arabischem Gummi und aus Geddagummi isoliert. WahrscheinHch sind diese Gurarai- säuren im natürlichen Gummi als Ester von fünf- und sechswertigen Zuckern resp. von diesen abstammenden Kohlenhydraten vorhanden. Neubauers Arabinsäure wäre nach O'Sullivan ein Arabinoseester von verschiedenen Arabinosesäuren. Im Geddagummi handelt es sich um Galactoseester verschiedener Geddinsäuren C23H38O22. Im Tragant sollen Xylanester und Bassorinsäuren zugegen sein. Aus dem Gummi von Cochlospermum gossypium gab Robinson eine besondere Säure an, die Gondasäure C23H38O22. 1) Maumene, Bull. Soc. China. (3), 9, 138. — 2) Widsoe u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 33, 132 (1900). Ferner Hilger u. Dreyfus, Ebenda, 1178 (1900). GiRAUD, Compt. rend.. 8oi 477 (1875), hatte den Hauptbestandteil als Pektin be- zeichnet. — 3) Winterstein, Ber. Chem. Ges., j/, 1571 (1898). — 4) H. Robinson, Journ. Chem. Soc, 8g, 1496 (1906). — B) Emery, Journ. Industr. and Engin. Chem., 4, 374 (1912). — 6) Vgl. Reichl, Dinglers polytechn. Journ., 235, 232; Ztech analyt. Chem., 19, 357 (1880). Reinitzer, Ztsch. physiol. Chem., 14, 453. — 7) C. O'Sullivan, Journ. Chem. Soc. (1884), /, 41; Ber. Chem. Ges.. 17, Ref. 170 (1884); Chem. Zentr. (1890), /, 584; (1892), /, 1029; Ber. Chem. Ges., 25. Ref. 370 (1892); Chem. News, 64, 271 (1891); Journ. Chem. Soc. (1891), /, 1029; Proc. Chem. Soc, 17, 156 (1901); Chem. Zentr. (1901), //, 196. § 8. Gummibildung in Zellmembranen. 677 Mangin(I) brachte die Gummibildung mit den Pektinstoffen der Zellmembranen in Zusammenhang. Es wäre die Gummosis nach solchen Vorstellungen gewissermaßen eine pathologische Mehrproduktion pektin- artiger Substanzen. Doch sind leider die chemischen Kenntnisse von Pektin und Gummi viel zu gering, als daß diese Möglichkeit näher er- wogen werden könnte. Bemerkt sei die Angabe von Boresch(2) be- züglich des Gummiflusses der Bromeliaceen, daß sich dieses Gummi mit Rutheniumrot färbt und membranogene Entstehung anzunehmen ist. Daß Enzyme bei der Bildung der Gummimassen aus Substanzen der Zellhaut mitwirken, ist eine durchaus diskutable Vorstellung. Zuerst hat Wiesner (3) derartige Ansichten vertreten, wenngleich die hierbei herangezogenen Tatsachen anders gedeutet werden müssen. Später haben Garros sowie Lutz die Existenz eines Gummifermentes zu erweisen gesucht (4), doch ist bisher über die fragliche „Gummase" etwas sicheres nicht bekannt. Grüss(5) läßt bei der Gummibildung ein zellwandlösendes Enzym, Cytase und ein koagulierendes Enzym, Cytokoagulase, an den Hemicellulosen der Zellhäute eine gegensinnige Wirkung entfalten, wobei sich in einer Verschleimung der Wände das Überwiegen der Cytase- wirkung zeigt. Das von Gräfe (6) so genannte Gummiferment soll ein dextrinbildendes, aber nicht stärkeverzuckerndes Enzym sein, dessen Mit- wirkung an der Gummibildung durchaus unerwiesen ist. Grüss macht mit Recht darauf aufmerksam, wie stark Enzyme verschiedenster Art durch Gummi adsorbiert werden. Der Prozeß der Gummibildung ist kausal besonders an den Amyg- daleen oft untersucht worden. Ruhland fand, daß außer Verletzungen noch Sauerstoffzutritt den Prozeß sehr fördert (7). Nach Sorauer (8) wird der Gummifluß nach Frostwirkungen an Kirschbäumen durch Phloro- glucinanhäufung erheblich gefördert, durch Gerbsäure aber gehemmt. Man kann reichhchen Gummifluß durch AppUkation verschiedener Stoffe, wie Oxalsäure, die man in Glasröhrchen gefüllt in die Wunde einführt, oder Ammoniumsulfat, nach Sorauers Erfahrungen hervorrufen. Auch Beije- R NCK fand reichhchen Gummifluß aus vergiftetenWunden beiAmygda]een(9). Früher hatte derselbe Autor ^10) für die Entstehung des Acaciengummis Pilze, eine Pleospora, und für die Bildung des Kirschgummis ein Coryneum verantworthch gemacht. Es könnte mögUcherweise aber erst die durch den Parasiten bedingte Nekrose der Zellen zu der Gummosis führen. Nach Pril- LiEUX und Delacroix (11) soll der Gummifluß der Weinrebe bakteriellen Ursprunges sein, doch hat Rathay(12) dargelegt, daß diese Erkrankung gewiß eine andere Ätiologie besitzt. R. Greig Smith (13) hat speziell die Gummosis I) Mangin, Journ. de Botan. (1893), p. 34 des Separ. — 2) K. Boresch, Sitz.ber. Wien. Ak., 117, I (1908). — 3) Wiesner, Ebenda, 92, 40 (1885). Hierzu Reinitzer, 1. c. (1889). — 4) F. Garros, Bull. Soc. Chim. (3), 7. 625 (1892). L. Ch. Lutz, Thfese (Paris 1895). — 5) J. Grüss, Jahrb. wies. Botan., 47, 393 (1910). — 6) V. Gräfe, Festschr. f. Wiesner (1908), p. 253; Abderhaldens biochem. Hand- lexikon, 2, 16 (1911). Hierzu Reinitzer, Ztsch. physiol. Chem., 61, 352 (1910). — 7) W. Ruhland, ßer. Botan. Ges., 25, 302 (1907); 24, 393 (1906). — 8) P. Sorauer, Landw. Jahrb., 39, 259 (1910); 41, 131 (1911); 4», 719 (1912); Verb. Naturf. Ges. (1910), n, /, 135. — 9) Beijerinck u. Rant, Zentr. Bakt. II, 15, 366 (1905). - 10) Beijerinck, Botan. Ztg. (1884), p. 135. — 11) Prilt.ieux u. Delacroix, Coinpt. rend., 118, 1430 (1894). — 12) E. Rathay, Zentr. Bakt. II, 2, 020 (1896). Mangin, Compt. rend., 119, 514 (1895). Gummosis von Citrus u. Prunus: Butler, Ann. of Botan., 25, 107 (1911). — 13) R. Greiq Smith, Zentr. Bakt. II, 10, 61; //, 698 (1903); 15, 380 u. 796 (1906); Botan. Zentr., 104, 123, 172, 292; Pharm. Praxis, j, 113 (1906); Journ. Soc. Chem. Ind., 23, 972 (1904). 678 Einundzwanrigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. der Acacien auf die Schleimbildung durch einige Bacterienformen zurückge- führt; das Bact. acaciae und metarabinicum sollen auch auf künstlichem Nähr- boden denselben Gummischleim liefern wie er den Verletzungen der Zweige entströmt. Doch dürfte es jedenfalls zu weit gegangen sein, die Gummosis der Zellwände bei dem Prozesse der Gummibildung in ihrer Bedeutung ganz in den Hintergrund zu stellen. Das im Wundgummi des Holzes häufig zu beobachtende Vorkommen von Hadromal, des aromatischen Aldehydes der verholzten Zellmembranen, ist dm-ch die Phloroglucinreaktion leicht zu zeigen (1). Die Reaktion tritt bereits in der Kälte ein und ist schon deshalb mit der Pentosenreaktion nicht zu verwechseln. Die Gummiarten, welche in den gummiharzartigen Sekreten der Um- belhferen, Burseraceen, Clusiaceen und anderen Gruppen vorkommen, sind noch nicht in wünschenswertem Maße untersucht worden. Eine Über- sicht über die einschlägigen Tatsachen hat Tschirch gegeben (2). Köhler (3), der das Myrrhengummi untersuchte, fand bei der Hydrolyse desselben zum größten Teile Arabinose, etwas Galactose und angebhch auch Glucose. Frischmuth (4) gibt als Hydrolysenprodukte des Gummi Ammoniacum Galactose, Arabinose und wahrscheinlich Mannose an. Bezüghch der Aus- bildung des Gummis in solchen Sekreten hat Tschirch (5) an jungen Gummi- gängen der Tihaceen und StercuHaceen die Erfahrung gemacht, daß zunächst im ZeUinhalte Gummischleim auftritt, und die Membranen erst später in Gummosis übergehen. Auch an der Samenschale von Kakao hat Tschirch (6) einschlägige Studien angestellt. §9. Benzolderivate als Zellhautbestandteile. Abgesehen von dem in den Zellmembranen der Gefäße und der meisten anderen Holzelemente, in vielen Bastfasern, Korkzellen, CoUenchymzellen usw. zu beobachtenden Hadromal, welches in einem der nächsten Paragraphen seine Würdigung finden soll, sind hier und da, nach dem Ausfalle der Millon- schen Reaktion zu urteilen, in Zellmembranen phenolartige Substanzen angetroffen worden, deren Natur aber noch gänzHch unerforscht ist. Rot- färbung von Zellmembranen durch das MiLLONsche Reagens wurde durch WiESNER(7) und Krasser(8) bei einer ziemHch großen Anzahl unverholzter pflanzlicher Gewebe angetroffen, und Krasser machte speziell auf das Blatt- parenchym vieler Bromeliaceen in dieser Hinsicht aufmerksam; allerdings deuteten diese Autoren die MiLLONsche Reaktion als Eiweißreaktion. Fischer (9), welcher die letztere Ansicht ablehnte, vermochte die chemische Natur dos fragUchen Membranstoffes nicht festzustellen, und auch COR- RENS (10), welcher an Tyrosin dachte, konnte für seine Meinung entscheidende Beweise nicht beibringen. Die Färbung der Membranen ist unverändert 1) V. HÖHNEL, Botan. Ztg. (1882), p. 180. Temme, 1. c. (1885). — 2) A. Tschirch, Die Harze u. Harzbehälter, 2. Aufl. (1906), p. 330. — 3) O. Köhler, Arch. Pharm., 228, 291. — 4) Frischmuth, Just Jahresber. (1897), //, 108; Chem. Zentr. (1897), //, 979, 1078; (1898), /, 36. — 5) Tschirch, Ber. Botan. Ges., 6, 5 (1888). — 6) Tschirch, Arch. Pharm. (1887). Szabo, Just Jahresber. (1881). /, 424. Maiden, Pharm. Journ. (1892), p. 442. Schleimzellen von Marchantia: Prescher, Sitz.ber. Wien. Ak., 86, I, 132 (1882). Cacteenschleimzeilen: Longo, Just Jahresber. (1896), /, 482. — 7) Wiesner, Sitz.ber. Wien. Ak., pj, I, 17 (1886); Ber. Botan. Ges., 6, 33, 187 (1888). — 8) Krasser, Ebenda, 94, 118 (1886); Botan. Ztg. (1888), p. 209. — 9) A. Fischer, Ber. Botan. Ges., 5, 423 (1887); 6, 113 (1888). 10) CoRKENS, Jahrb. wiss. Botan., 26, 593, 617 § 10. Das angebliche Vorkommen von Proteinstoffen in Zellmembranen. 679 erzielbar nach Einwirkung von Eau de Javelle, 1— 2%iger Kalilauge nach 12tägiger Einwirkung, konzentrierten Säuren, Äther, Chloroform, Glycerin- Pepsin, Glycerin-Pankreatin. Ich selbst habe die fraghche Substanz nicht untersucht, doch ist an das Vorkommen des anscheinend verwandten Sphagnols bei vielen Moosen zu erinnern [Czapek (1)]. Das BromeUaceen- gummi gibt die Reaktion nach Boresch gleichfalls. Nach Sp. Moore (2) rührt die MiLLONsche Reaktion in Zellwänden weder von Eiweiß noch von Tyrosin her; Moore macht darauf aufmerk- sam, daß auch Catechin Millons Reaktion gibt. Zum Nachweise aromatischer Bestandteile unverholzter Zellmembranen eignen sich zwei von Raciborski (3) angegebene Reaktionen. Die „Nitrit- reaktion" besteht in aufeinanderfolgender Behandlung mit NaNOj, HaSO^ 10%, und 10—20% NaaCOg; sie ist die Umkehrung der bekannten Diphenyl- amin- + H2S04-Probe auf Nitrate. Die „Diazoreaktion" bedient sich einer Diazotierungsmischung; diese wird hergestellt aus 0,2 g p-Nitranilin (oder Sulfanilsäure), mit HCl versetzt, unter Eiskühlung wird NaNOj-Lösung zugefügt, bis die Probe mit Jodkalistärke eben eine Bläuung gibt. Die Lösung darf mit NagCOj keine Rotfärbung geben. Ungeklärt sind ferner die Fälle, in welchen Zellmembranen verharzen (Resinosis von Zellmembranen). Nach Tschirch (4) tritt in allen Fällen das Harz erst im Zellinhalte auf und es verfallen die Membranen erst später der Resinosis. Der Chemismus des Vorganges läßt sich nicht näher bestimmen, und die Frage, ob der Prozeß eher als pathologische Steigerung normaler Vorgänge oder als ganz abnormer Fall aufzufassen ist, entzieht sich noch völlig der Erörterung. § 10. Das angebliche Vorkommen von Proteinstoffen in Zellmembranen. Bei den älteren Pflanzenphysiologen war die Vorstellung sehr ver- breitet, daß Eiweißstoff ein Zellenmembranen enthalten sind, undman bezog sich ausschließhch auf den Ausfall bestimmter mikrochemischer Reak- tionen. So tat es Mulder (5) in Hinsicht auf die Gelbfärbung mit Salpeter- säure, desgleichen Mohl (6), der auch den allmählichen Eintritt von Violett- färbung bei längerer Salzsäureeinwirkung heranzog. Schacht (7) hielt das Vorkommen von Proteinstoffen in der Zellwand für eine verbreitete Erscheinung, welche mit Zuckerlösung und Schwefelsäure am leichtesten nachgewiesen werden könne. Auch Schleiden (8) meint, daß eine grünliche Färbung bei der Jod-Schwefelsäurereaktion eine „Tränkung mit Protein- substanzen" anzeige, die in alten Zellen oft so weit gehe, daß die Reaktion goldgelbe Färbung besitze. Erst Hofmeister (9) sprach sich dahin aus, daß die junge Zellwand im Gegensatze zu dem stets eiweißartige Stoffe enthaltenden Protoplasma aus einem stickstoffreien Körper bestehe. Nur bezüglich der cuticulari- sierten Membranen' war Hofmeister geneigt, einen Stickstoffgehalt anzu- 1) Czapek, Flora (1899), p. 381. — 2) Sp. Moore, Journ. Linn. Soc, 29, 241 (1892). — 3) M. Raciborski, Bull. Acad. Sei. Cracovie. Juli 1906. — 4) Tschirch, Ber. Botan. Ges., 6, 2 (1888); Angewandte Pflanzenanatomie (1889), p. 216. — 6) Mulder, Physiolog. Chemie (1844), p. 446, 462, 471, 483, 496. — 6) Mohl, Veget. Zelle (1851), p. 31. — 7) Schacht, Lehrb. d. Anat. u. Phyeiol. (1856), p 34. — 8) Schleiden, Grundzüge, 4. Aufl. (1861), p. 120. — 9) W. Hofmeister, Pflanzenzelle (1867), p. 239. 680 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. nehmen. Seither wurde von Eiweiß der Zellmembranen nicht mehr ge- sprochen, und auch in dem maßgebenden SACHSschen Lehrbuche war nichts mehr hiervon angegeben. Doch tritt hin und wieder bis in die neuere Zeit der Gedanke auf, daß Gelbfärbung mit Jod und H2SO4 auf Stickstoffgehalt der Membran schüeßen lasse. 1886 wurde die Lehre vom Zellhautprotein durch Wiesner wieder aufgenommen, im Zusammenhange mit dessen Vorstellungen von der steten Gegenwart von Protoplasma in Zellhäuten, so lange die Zelle noch lebt (1). Die Kritik (2) hat gezeigt, daß die zur Stütze herangezogenen Reaktionen teils unverläßUch sind, wie die KRASSERsche Alloxanprobe, teils ganz anders zu deuten sind, wie von der MiLLöNschen Probe dargelegt wurde. Für die Annahme eines Proteingehalte« der Membran von lebenden Zellen besitzen wir daher keinerlei Anhaltspunkte. § 11. Mineralische Einlagerungen in Zellmembranen. Während sich der Aschengehalt jugendlicher Membranen nicht vom Aschengehalte lebenden Protoplasmas entfernen dürfte, lagern die Zell- häute, wenn sie älter werden, häufig erheWiche Mengen von Mineral- stoffen ein, worunter Kalksalze und Siliciumverbindungen eine große Rolle spielen. Dort, wo größere Krystalle ausgebildet sind, wie bei Ein- lagerung von oxalsaurem Kalk (3) oder wo Inkrustation mit kohlensaurem Kalk vorkommt (4), welche die Cystolithen so ausgeprägt zeigen, kann es sich in diesen Kalkverbindungen sowohl um primäre Ablagerungen handeln als um Umwandlungsprodukte aus anderen organischen Kalksalzen. Man könnte in manchen Fällen besonders daran denken, daß etwa aus pektin- saurem Kalk kohlensaurer Kalk entstehe. Wenn Mineralstoffe der Zell- haut gleichmäßig eingelagert sind, so wird es sich wohl meist um Produkte des regressiven Stoffwechsels handeln, die durch Adsorption festgehalten werden. Hier und da zeigt innerhalb derselben Zelle die Membran verschieden- artige minerahsche Bestandteile. So sind die Brennhaare von Urtica in ihrer Spitze verkieselt, im unteren Teile hingegen mit Kalk inkrustiert (5). Nach Leitgeb (6) sind die Membranen von Acetabularia in den äußeren Schichten mit kohlensaurem Kalk inkrustiert, in den inneren aber besonders mit Oxalat. Durch verdünnte Mineralsäuren lassen sich wohl alle Kalk- verbindungen der Membranen in Lösung bringen, und man kann auf diesem Wege die Zellhäute kalkfrei machen. Dio Verkieselung der Zellwände wurde zuerst von H. v. MoHL(7)in umfassenden Untersuchungen klargestellt. 1) WiKSNEE, Sitz.ber. Wien. Ak., 93, I, 17 (1886); Ber. Botan. Ges., 6, 33, 187 (1888). Keasser, Sitz.ber. Wien. Ak., 94, 118 (1886); Botan. Ztg. (1888), p. 209. — 2) A. Fischer, Ber. Botan. Ges., 5, 423 (1887); 6, 113 (1888). Correns. Jahrb. wi88. Botan., 26, 593, 617 (1894). — 3) Oxalateinlagerungen:SoLM8- Laub ach, Botan. Ztg. (1871), p. 509. Heimerl, Wien. Ak., pj, 231 (1886). — 4) Cystolithen: Payen, Compt. rend , u, 401 (1840), beschrieb die Inkrustation der von Meyen (1837) ent- deckten „Gummikeulen". Hofmeister, Pflanzenzelle (1867), p. 265. K. Richter, Sits.ber. Wien. Ak., 7Ö, I (1877). Kohl, Kalksalze u. Kieselsaure (1889), p. 71, 115. Zimmermann, Ber. Botan. Ges. (1890), p. 17 u. 126; Beitr. z. Morphol. u. Physiol. d. Pflanzenzelle, 3 (1893). Giesenhagen, Ber. Botan. Ges., 5, 74 (1890). Mangin, Compt. rend., 115, 260 (1892). Inkrustation von Chara: Payek, Ebenda, /;, 16 (1843). — 6) Haberlandt, Sitz.ber. Wien. Ak., pj, I. 124 (1886). — 6) H. Leit geb. Ebenda, 94, I (1887). — 7) H. v. Mohl, Botan. Ztg. (1861), Nr. 30 ff. § 11. Mineralische Einlagerungen in Zellmembranen. 631 Der Nachweis von Siliciumverbindungen in Zellmembranen geschieht am einfachsten bei Gegenwart größerer Mengen derselben, durch Ver- aschen. MiLiARAKis (1) behandelte die Pflanzenorgane nach Veraschung mit einem Gemisch von konzentrierter Schwefelsäure und 20%iger Chromsäure ; man erhält so reine Kieselskelette des Zellhautgerüstes. Man kann ferner die Gewebe oder deren Asche mit Fluorwasserstoffsäure extrahieren und im Extrakte die Kieselsäure durch den charakteristischen Krystallniederschlag von Kieselfluornatrium erkennen (2). Nach MiLiARAKis findet die Verkieselung der Zellmembran in den Haaren von Deutzia, Loasa, Urtica erst statt, wenn das Zellwachstum abgeschlossen ist. Sehr auffäUig ist u. a. das Vorkommen großmaschiger Kieselsäuremassen im Lumen der Haare von Morus und Broussonetia. Außer den verkieselten Haaren sind bekannte Vorkommnisse die ver- kieselten Cystolithen. Die von Rosanoff, Treub (3) und anderen Autoren bei Palmen, von Pfitzer (4) bei Orchideen verbreitet aufgefundenen Deck- zellen (Stegmata) sind kleine Zellen in der Umgebung der Bastfasern, deren Inhalt von einem unabhängig von der Zellmembran ausgebildeten Kiesel- körper gebildet wird. Nach Cario (5) entstehen auch die Kieselkörper der Podostemonaceen stets unabhängig von der Zellmembran dm-ch Aus- scheidungen im Zellumen. Mit der Annahme von Kohl (6), daß die Einlagerung der Kiesel- säure in die Zellmembran unter BeteiUgung des Protoplasmas erfolgt, ist allerdings ein tieferes Eindringen in den Mechanismus des Vorganges noch nicht gegeben. Die Frage, ob nicht in Zellhäuten organische SiUciumverbindungen vorkommen, hat zuerst Ladenburg (7) im Verfolge seiner Studien über die merkwürdigen Analogien der Verbindungen von Siücium und Kohlen- stoff zu beantworten gesucht. Er vermutete, daß auch in der Pflanze ge- wissen Kohlenstoffverbindungen ähnlich konstruierte SiUciumverbindungen vorkommen; ein beweisendes Resultat ließ sich jedoch nicht gewinnen. VV. Lange (8) fand sich auf Grund seiner Untersuchung über das wässerige Extrakt von Equisetum hiemale zu der Behauptung bestimmt, daß das Silicium in den Zellhäuten nur als sehr verdünnte Kieselsäurelösilng vor- handen sein könne. Wie Geneau de Lamarli^ire (9) beobachtete, geben Zellwände sehr häufig mit salpetersaurer Lösung von Ammoniummolybdat Gelbfärbung, welche sich oft mit dem Vorkommen der Ligninreaktion deckt, ohne jedoch streng an letztere gebunden zu sein. Es könnten für den Ausfall dieser Reaktion sowohl Phosphate als Sihcate (Arsenate kommen nicht in Be- tracht) verantworthch gemacht werden, und der genannte Forscher läßt es im ganzen auch noch unentschieden, welche Salze die Reaktion be- dingen. 1) MILIARAKIS, Verkieselung d. Elenientarorgane (WOrzburg 1884). — 2) Mohl, ßotan. Ztg. (1861), p. 97. Kohl, 1. c. (1889), p. 226. Über Verkieselung auch Zimmermann, Beitr. Morph. Phys. Pflanzenzelle, I, 306 (1893). Heinricher, Ber. Botan. Ges., j, 4 (1885). Bülitsch, Just Jahresber. (1893), /, 539. — 3) Treub, Observations sur le Scl^renchyme (1877). — 4) Pfitzer, Flora (1877), p. 245. Für Calathea: Molisch, Zoolog, bot. Ges. Wien, J7. 30 (1887). Blattepidermiszellen der Marattiaceen : Radlkofer, Just Jahresber. (1890), /, 344. Ferner Solla, Nuov. Giorn. Bot. Ital., i6, 50 (1884). — 5) R. Cario, Botan. Ztg. (1881), p. 25. — 6) F. G. Kohl, Kalksalze u. Kieselsäure (1889). — 7) A. Ladenburg, Ber. Chem. Ges., 5, 568 (1872). — 8) W, Lange, Ebenda, //, 823 (1878). — 9) Geneau de Lamar- LIERE, Bull. Soc. Bot., 49, 183 (1902). QQ2 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Es sei schließlich auf die von Devaux (1) näher studierte Erschei- nung kurz hingewiesen, daß pflanzliche Zellhäute aus umgebenden Metall- Salzlösungen viele Metalle energisch fixieren; dies erfolgt schon in sehr verdünnten Lösungen. Hierher gehört auch die Beobachtung von Molisch, daß sich die Zellmembranen von Elodea bei Kultur in Manganochlorid- lösung im Lichte durch adsorptives Festhalten brauner kolloidaler Mangan- verbindungen (Mangansuperoxyde ?) in der Epidermis tiefbraun färben (2). § 12. Verholzte Zellmembranen. Die Holzsubstanz war bereits in der ersten Entwicklungsperiode der organischen Chemie Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Unter den ersten Elementaranalysen von Gay Lussac, Thenard, Prout(3) befanden sich auch solche verschiedener Holzarten. Die Holzsubstanz wurde schlechthin als Holz, ligneux, Holzfaser bezeichnet. Candolle gebraucht die seither usuelle Bezeichnung „Lignin". Raspail dachte sich die Gefäßzellwände aus Gummi und Kalk bestehend (4). Decandolle warf die Frage auf, ob nicht das Lignin verschiedener Bäume dieselbe Substanz sei. Autenrieth und Bayerhammer (5) in Deutschland, Braconnot(6) in Frankreich stellten 1819 zuerst aus Holzfaser durch Kochen mit Schwefelsäure Traubenzucker her. Seit 1838 brachten die Arbeiten von Payen(7) wichtige Fortschritte in der Chemie des Holzes. Hierin wurden zahlreiche Elementaranalysen geliefert und gezeigt, wie man durch sukzessive Behandlung des Holzes mit Alkohol, Äther, verdünnter Lauge und Säure einen Rückstand gewinnt, welcher mit Cellulose identisch ist. Die extrahierbaren Stoffe riannte Payen „Mati&res incrustantes". Noch reinere Cellulosepräparate gewann dieser Forscher mit Salpetersäure- und Natronlaugebehandlung des Holzes. Die Versuche, die Inkrusten zu isolieren, waren minder glücklich. Seine „Lignose", „Lignon", „Lignin" und „Lignireose" sind Fraktionen von un- kontrollierbaren Gemischen aus Kohlenhydraten und anderen Stoffen. Spätere Arbeiter auf unserem Gebiete, wie Baumhauer(8), Fromberg(9), Chevandier(IO), Petersen (11) und Schoedler bestätigten die wichtigen Ergebnisse Payens vollständig. Ebenso Mulder (12), welcher an den Inkrusten Payens Kritik ausübte, jedoch bessere Vorstellungen als Ersatz nicht geben konnte; Mulder wies auch die Ansicht Hartings zurück, wonach die Mittellamelle der Holzzellen Pektinsäure enthält und die äußere Schicht mit Cuticula übereinstimmt. Pektin wurde zu dieser Zeit im Holze übrigens auch von Poumarede und Figuier(13) sowie von Sacc(14) 1) H. Devaux, Compt. rend., 133, 58 (1901). — 2) H. Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak., 118, I (1909). — 3) Vgl. Decandolle, Pflanzen physiologie, deutsch von RÖPER, /, 165. Zur Geschichte der Holzchemie vgl. auch E. Schulze, Landw. Jahrb. d. Schweiz (1904). Malenkovic, Die Holzkonservierung im Hochbau (Wien u. Leipzig 1907). — 4) Raspail, Journ. Scienc. d'Observat., 2, 415. — B) Auten- rieth u. Bayerhammek, zit. Berzelius Jahresber., /, 107 (1822). — 6) Bräconnot, Ann. de Chim. et Phys. (2), 12 (1819); Gilberts Ann., 63, 347 (1819). — 7) Payen^ Compt. rend., 7, 1052 (1838); 8, 51 u. 169; 9, 149 (1839); Ann. Sei. Nat. (2), 2, 21 (1839); M^m. sur les d^veloppements des v^g6taux, p. 271. — 8) Baumhauer,. Journ. prakt. Chem., 32, 210 (1844); Berzelius Jahresber., 25, 585 (1846). — 9) Fromberg, Ebenda, 24, 462 (1845). — 10) Chevandier, Ann. de Chim. et Phya. (3), 10, 129 (1844); Compt. rend., 20, 138 (1845). — 11) Petersen u. Schoedler, Lieb. Ann, 17, 142. - 12) Mülder, Physiol. Chem. (1844): p. 209. 475. - 13) Pou- marede u. L. Figüier, Compt. rend., 23, 918 C1846); Journ. wiss. Chem., 42, 25- (1847); Berzelius Jahresber., 28, 340 (1849). — 14) Sacc, Ann. de Chim. et Phys^ (3), 25, 218 (1849). § 12. VeAolzte Zellmembranen. 685 angenommen. F. Schulze(1) führte 1857 das Kaliumchloratsalpetersäure- gemisch als Zerstörungsmittel für die „Inkrusten'' ein; er betrachtete übrigens das Holz als einheitliche Materie C38H24O20, welche er Lignin nannte. Demgegenüber hatte Mohl(2) bereits darauf aufmerksam gemacht, daß junge Holzelemente die Jodreaktion der Cellulose geben, welche hier und da selbst bei älterem Holze eintreten kann. Auch Fr6my(3) vertral bis in die neuere Zeit die Auffassung, daß die Wandsubstanz der Gefäße einheitlich sei: seine „Vasculose" oder „Fibrose". Erdmann (4) machte zuerst auf die MögUchkeit aufmerksam, daß im Holze Verbindungen zwischen Cellulose und anderen Stoffen vorliegen könnten, während man früher bei den „Inkrusten" nur an mechanisch der Cellulose beigemengte Bestandteile gedacht hatte. In seinen Unter- suchungen über die Steinzellen der Birne und das Tannenholz betrachtete Erdmann die Holzsubstanz als einheitliche komplexe Verbindung C3oH4g02i: „Glykolignose" und nahm in derselben zuckerbildende, aromatische und Cellulosegruppen an. Das Präparat war durch Auskochen des Holzes mit verdünnter Essigsäure und heißes Auswaschen bereitet worden. Bente(5), welcher diese Untersuchungen später wieder aufnahm, erhielt aus Holz eine kleine Menge einer der Protocatechusäure ähnlichen Sub- stanz; hingegen konnte Stutzer (6) aus Gramineenrohfaser keine Benzol- körper erhalten. Es waren auch Farbenreaktionen der Holzsubstanz seit längerer Zeit wahrgenommen worden. Schon 1834 hatte Runge (7) die blaugrüne Färbung von Holz mit Phenolsalzsäure gefunden, welche 1874 durch Tiemann und Haarmann (8) auf einen Coniferingehalt des Holzes be- zogen wurde. Die gelbe Reaktion von Holz mit Anilinsalzen wurde 1865 durch Schapringep (9) und 1866 durch Wiesner (10) bekannt ge- geben. Einen wichtigen Markstein bilden die Arbeiten von Thomsen(11), KocH(12), Tollens mit seinen Schülern Wheeler und Allen(13), welche zur Darstellung des Holzgummi als allgemeinen Holzbestandteil und zur Sicherstellung seiner Ableitung von 1-Xylose führten. Bedeutungsvoll waren ferner die Arbeiten von Hoppe-Seyler und Lange (14), welche zeigten, daß Holz beim Erhitzen mit konzentrierter Natronlauge auf 200" unter Bildung von reiner Cellulose und Säuren unbekannter Natur ge- spalten werden kann. Die Farbenreaktionen des Holzes mit Phenolen und mit aromatischen Aminen sowie die aromatischen Holzbestandteile wurden von Wiesner und Singer (1B) studiert und die erwähnten Reaktionen auf die Gegenwart von Vanillin zurückgeführt, eine Ansicht, welche in letzter Zeit Gräfe (16) wieder aufnahm, während von anderen Seiten 1) F. Schulze, Chem. Zentr. (1857), p. 321; Jahresber. Chera. (1857), p. 491. — 2) MoHL, Flora (1840); Vermischte Schriften, p. 345. — 3) Fremy, Compt. rend., 4S, 202, 862, Fremy u. Terreil, Ebenda, 66, 456 (1868); Bull. Soc. Chim. (1868), p. 436; Ber. Chem. Ges., 10, 90 (1877). Fremy u. Urbaln, Compt. rend., 94. 108 (1882); Ann. Sei. Nat. (6), 13, 353 (1882). Fr^my, Compt. rend., angegebene Reaktion ist hinsichtlich ihrer Bedeutung ungewiß: Man be- handelt Holz mit Eau de Javelle, sodann legt man das Präparat auf 12 Stunden in Bleiessig und wäscht mit Schwefelsäure aus, worauf Rot- färbung eintritt. Statt Bleisalz läßt sich auch Zinksulfat verwenden. Wahrscheinlich spielt hier Furfurolabspaltung eine Rolle. Aromatische Stoffe wurden aus Holz bereits vor langer Zeit dar- gestellt. Brdmann sowie Rente fanden unter den Abbauprodukten des Holzes Brenzcatechin und Protocatechusäure, und auch Lange beobachtete diese Stoffe als Produkt der Erhitzung von Holz mit Ätzlauge neben den Ligninsäuren. Vielen Beobachtern fiel auch an einzelnen Fraktionen bei Verarbeitung von Holz ein Geruch nach Vanillin auf (6). Die an Hqlz, welches mit Phenol und Salzsäure befeuchtet wurde, im SonnenHcht ein- tretende blaugrüne Färbung wollten Tiemann und Haarmann durch einen Coniferingehalt des Holzes erklären. Das Coniferin, entdeckt von Th. H ARTIG (7) im Cambialsafte der Lärche ist ein Glucosid des Coniferyl- alkohols oder m-Methoxy-p-Oxyzimtalkohols. Es gibt mit Salzsäure eine 1) Lange, Ztsch. physiol. Chem., 15, 283 (1889). — 2) Streeb, Chem. Zentr. (1893), //, 184. Lindsey u. Tollens, 1. c. P. Klason, Schriften d. Vereins d. Zellstoff- u. Papierchemiker, II (Berlin 1911). Sulfit- u. Natronzellstoff: Schwalbe,. Wochenbl. f. Papierfabrikat., 37 (1906). Bücherer, Naturf. Versamml. (1906k H» /, 136. — 3) C. Mäule, Verhalten verholzt. Membran, zu KMnO^, Habilitat schrift (Stuttgart 19Q1). Geneau de Lamarliere, Rev. g6n. Botan., 15, 149 (1903). — 4) Vgl. M. Renker, Papierfabrikant (1910); Chem. Zentr. (1910), //, 999. — 5) R. Ck)MBE8, Bull. Sei. Pharm., 13, 293 (1906). — 6) Singer, Sitz.ber. Wien. Ak., 85, I, 349 (1882). Hoffmeister. Landw. Jahrb., 17, 260 (1888). Allen u. Tollens, Lieb. Ann., 267, 304 (1891). Llndsey u. Tollens, Ebenda, p. 341. Anonymus, Dingl. polytechn. Journ., 216, 372. — 7) Th. Hartig, Jahrb. f. Förster, /, 263 (1861). § 12. Verholzte Zellmembranen. 689 schön blaue Reaktion und liefert mit Chromsäure oxydiert Vanillin. Auch HÖHNEL (1) schloß sich der Ansicht von Tiemann an. 1878 führte Wiesner die seither meist angewendete Reaktion des Holzes mit Phloroglucin und Salzsäure ein (2), welcher sich zahlreiche andere Farbenreaktionen des Holzes mit Phenolen und Salzsäure zur Seite stellen lassen. Holz gibt mit Salzsäure und: Phenol (im Sonnenhcht!) Phloroglucin Resorcin Orcin Brenzcatechin .... Pjn'ogallol Guajacol Kresol Naphthol Thymol Anisol Anethol Indol Scatol Carbazol Pyrrol Methylheptenon . . . eine blaugrüne Färbung nach „ violettrote „ violette „ rotviolette „ giünhchblaue ,, blaugrüne „ gelbgrüne „ grünUche „ grünhche „ grüne „ grünhchgelbe „ grünlichgelbe ,, kirschrote ,, kirschrote „ kirschrote „ rote „ rote Runge. Wiesner. Wiesner. Lippmann (3). Wiesner. Wiesner, Ihl(4). Czapek. Czapek. Ihl (5). Ihl Ihl Ihl V. Baeyer, Niggl (6). Mattirolo (7). Mattirolo. Ihl (8). Erdmann (9). Zusatz von Kaliumchlorat befördert die Reaktion mit Phenol oder a-Naphthol (10). Nach Linde (1 1 ) tritt auch mit Myrrhenöl eine Farben- reaktion ein, und man erzielt mit 65% Schwefelsäure allein gleichfalls eine grüne, auf Wasserzusatz blau werdende Färbung bei Coniferenholz. Eine zweite Reihe von Farbenreaktionen des Holzes bilden die gelben, grünen oder roten Reaktionen mit verschiedenen aromatischen Basen, von denen die Gelbfärbung mit Anihnsalzen schon 1834 durch Runge (12) be- kannt geworden ist. ÄhnUche Reaktionen erhält man mit Paratoluidin nach Singer, Xylidin und Metaphenylendiamin nach Molisch (1 3), während nach Wurster (14) Dimethylparaphenylendiamin eine Rotfärbung gibt, ferner mit a- und /S-Naphthylamin nach Nickel (15), Toluylendiamin und ThaUinsulfat nach Hegler(1 6) salzsaurem o-Bromphenitidin nach Piutti(1 7), Lepidin nach Ihl(18), Diphenylamin nach Ellram(19). Mit Thiophen ent- steht Grünfärbung (20), mit Paranitroanihn eine ziegelrote Färbung (21). 1) F. V. HÖHNEL, Sitz.ber. Wien. Ak., 7Ö, I, 527 (1877). — 2) Wiesnek, Ebenda, 77, I, 60 (1878). — 3) v. Lippmann, zit. b. Wiesner, 1. c. — 4) Ihl, Chem.-Ztg. (1885), p. 266. — 5) Ihl, 1. c. Schaeffer, Ber. Chem. Ges., 2, 91 (1869). Bei /?-Naphthol geht die Reaktion schneller. — 6) Niggl, Flora (1881), p. 545. V. Baeyer, Lieb. Ann., 140. — 7) Mattirolo, Ztsch. wiss. Mikr., 2, 354 (1885). — 8) Nach Ihl die empfindlichste Reaktion: Chem.-Ztg., 14, 1571 (1890). LuBAWiN, Ber. Chem. Ges., 2, 99 (1869). — 9) E. u. H. Erdmann, Ebenda, 32. 1213 (1899). — 10) T0MMA8I, Ebenda, 14, 1834 (1881). Molisch, Ber. Botan. Ges., 4, VII (1886). — 11) O. Linde, Arch. Pharm., 244, 57 (1906). — 12) F. Runge, Pogg. Ann., •?/, 65 (1834). Tangl, Flora (1874), p. 239. — 13) Moijsch, Verh. Zool. Bot. Ges. (1887), p. 30. — 14) Wurster, Ber. Chem. Ges. (1887), p. 808. — 16) Nickel, Farbenreakt. d. Kohlenstoffverbindungen, 2. Aufl. (1890), p. 51. — 16) Hegler, Flora (1890), p. 33; Botan. Zentr., 38, 616 (1889). — 17) A. Piutti, Gazz. chim. ital., 28, II, 168 (1898). — 18) Ihl, Chem.-Ztg. (1890), 14, 1571. — 19) Ellram, Chem. Zentr. (1896), //, 99. — 20) Ihl, Chem.-Ztg. (1890), p. 1707. — 21) A. Berge, Bull. Soc. Chim. Belg., 20, 158 (1906). Wheeler, Ber. Chem. Ges., 40, 1888 (190V). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I, 3. Aufl. 44 690 EinundzwanzigBtes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Diazotierte und methylierte Aniline geben mit Holz keine Farbenreak- tionen (1). Ferner wurden Farbenreaktionen mit Phenylhydrazin be- obachtet (2). Holz gibt auch endlich Farbenreaktionen mit Amylalkohol und Schwefelsäure (3). Als Ursache aller dieser Reaktionen, die sich natürlich beliebig vermehren heßen, wurden im Laufe der Zeit verschiedene Stoffe des Holzes verantwortlich gemacht. Wie erwähnt, dachten Tiemann und Haarmann an Goniferin und Singer machte auf Grund vergleichender chemisch unzureichend durchgeführter Untersuchungen die Gegenwart von Vanillin im Holze hierfür verantwortlich, eine Ansicht, welche bis in die neueste Zeit besonders durch Gräfe in der Literatur vertreten worden ist. Seliwanoff sowie Nickel wiesen mit guten Argumenten (4) darauf hin, daß im Holze ein aromatischer Aldehyd zugegen sein dürfte, weil die Lignin- reaktion verschwindet, nachdem das Holz mit Natriumbisulfit oder Hydro- xylamin behandelt wurde und es die ScHiFFsche Reaktion mit Fuchsin- schwefüger Säure gibt. Doch waren diese Angaben noch von keinem ge- lungenen Darstellungsversuch des fraglichen Aldehyds unterstützt ge- wesen (5). Wenig begründet waren die Vermutungen von Ihl (6), welcher der Reihe nach Zimtaldehyd, Eugenol, Safrol, Anethol als Holzbestandteile auf Grund der äußeren Ajialogie in der Farbenreaktion ansah, doch kann man aus dem Ausfalle der Phloroglucinreaktion, wie ich gezeigt habe, nicht einmal auf eine bestimmte Atomgruppe oder Seitenkette sich einen Schluß erlauben. Von manchen Seiten endlich wurden die Ligninreaktionen gar nicht auf aromatische Stoffe bezogen, sondern mit der Abspaltung von Furfurolderivaten aus Kohlenhydraten in Beziehung gebracht (7). Wie ich 1898 gezeigt habe (8), läßt sich die wirksame Substanz durch kochende Zinnchlorürlösung aus dem Holze abspalten, worauf man die- selbe mit Benzol oder Äther ausschütteln kann. Zinnchlorür hat vor anderen später verwendeten Mitteln den Vorteil, daß es reduzierend wirkt und Oxydation während der Spaltung verhindert. Das Benzolextrakt wird im Vakuum abdestilliert und der Rückstand mit siedendem Ligroin aufge- nommen. Daraus scheidet sich die Substanz beim Erkalten in unreinen Krusten aus. Durch Lösen in Äther und Herstellung der Bis ulfit Verbindung gelang die Gewinnung einer kleinen Menge in krystalhnischem Zustande. Das extrahierte Holz färbt sich mit Chlorzinkjod violett, so daß also wenig- stens ein Teil der Cellulose frei geworden sein muß. Die Quantität der gewonnenen Substanz ist, soweit man aus der sehr verlustreichen Dar- stellung schließen darf, sehr klein und beträgt nicht über 1—2% der Holz- substanz. Nach ihren Eigenschaften ist die wirksame Substanz, das Hadro- mal, ein Aldehyd. Elementaranalysen fehlen und die Konstitution ist unbekannt. Hadromal riecht erwärmt etwas an VanilHn erinnernd, schmilzt bei 75—80®, ist in heißem Wasser wenig lösÜch, sehr leicht in Alkohol, 1) Grandmoügin, Ber. Cham. Ges., 40, 2453. Zusammenstellung: Ztsch. Farben u. Textilchem., 5. 321 (1906). Gräfe, Ztsch. wiss. Mikrosk., 22, 581 (1906). — 2) E. Senft, Monatsh. Chem,, 25. 397 (1904). Covelli, Chem.-Ztg., 25, 684 (1901). — 3) A. Kaiser, Ebenda, 26, 335 (1902). — 4) Seliwanoff, Botan. Zentr., 45, 279 (1891). Nickel, Chem.-Ztg. (1887), p. 1520; Botan. Zentr., 38, 753 (1889). — 5) Vgl. Czapek, Ztsch. physiol. Chem., 27, 1.53 (1899). H. Tauss, Chem. Zentr. (1889), //, 445; (1890), //, 187. — 6) Ihl, Chem.-Ztg. (1889), p. 432, 560; (18^1), p. 201. — 7) Hancock u. Dahl, Ber. Chem. Ges., 28, 1558 (1895). van Ketel, Beihefte bot. Zentr. (1897), p. 423. Reinitzer, Ztsch. physiol. Chem. 14, 466 (1890). Cross, Bevan u. Briggs, Ber. Chem. Ges., 40, 3119 (1907). König u. HÜHN, Ztsch. Farbenindustr., w, 297 (1912). — 8) Czapek, Ztsch. physiol. Chem., 27, 154 (1899). § 12. Verholzte Zellmembranen. 691 Äther und anderen organischen Solventien, am wenigsten in kaltem Ligroin. Alle Lösungen reagieren neutral. Alkali löst die Substanz mit intensiv gelber Farbe, und aus diese/ Lösung ist die Substanz nicht auszuäthern, Säuren fällen sie in Flocken. Konzentrierte HgSOj erzeugt intensiv rot- violette Färbung. Ammoniakalisches Silbernitrat wird in der Wärme rasch reduziert, Fehlings Lösung jedoch nicht. Millons Reagens ruft Rotfärbung hervor, Eisenchlorid erzeugt rötlich braunviolette Färbung. Die ScHiFFsche und PENTZOLDscbe Aldehydprobe fällt positiv aus, auch gibtHadromal eine in Wasser leicht lösüche Bisulfitverbindung. Aromatische Amine hefern dieselbe Gelbfärbung mit Hadromal wie mit Holz. Auch die Phenole in salzsaurer Lösung verhalten sich gegen Hadromal ebenso wie gegen Holz. Phloroglucin-HCl erzeugt in konzentrierteren Hadromallösungen einen violetten Niederschlag. Vielleicht bildet Hadromal bei Reduktion mit Natriumamalgam Eugenol. Aus chemischen und biologischen Gründen darf man vermuten, daß das Hadromal zum Coniferylalkohl Beziehungen hat. Der von Tiemann und Haarmann, später von Molisch (1) vermutete Gehalt des Holzes an Coniferin selbst, erscheint jedoch zweifelhaft, da die für Coniferin gedeuteten Reaktionen nicht mit den Proben bei reinem Coniferin übereinstimmen. Die Vermutung, daß Coniferylalkohol mit dem Hadromal zusammenhängt, hat seither durch Klason (2) neue Stützen erhalten, aus dessen Unter- suchungen sich ergab, daß Propenyl-, vielleicht auch Oxypropenylgruppen im „Lignin" vorkommen, die direkt auf Coniferylalkohol hindeuten. Klason hält dafür, daß ein Kondensationsprodukt des Oxyconiferylalkohols vor- liegen könnte und hält die Aldehydnatur des betreffenden Stoffes nicht für sicher. Gräfe hat versucht, das Hadromal als ein Gemisch von Brenzcatechin, Vanilhn und Methylfurfurol zu deuten (3), doch war es mir nicht möglich, aus diesen drei Substanzen eine Mischung zu erhalten, welche den Eigen- schaften von Hadromal entsprechen würde. Auch darf man nicht, wie es Gräfe tut, die Zersetzung des Holzes nodt 10% HCl oder Wasser bei 180°, mit der Zinnchlorürspaltung identifizieren, da bei den ersteren Spaltungen eingreifende Oxydationen unterlaufen, welche tatsächUch zu einer Umsetzung des Hadromals in Vanillin und Brenzcatechin führen, Stoffe, welche bei der oben angenommenen Konstitution des Hadromals aus diesem entstehen müssen (4). Überdies konnte ich zeigen, daß kleine Hadromalquantitäten dem Holze durch direkte Alkoholextraktion zu entziehen sind, unter Be- dingungen, wo Entstehung von VanilUn oder Brenzcatechin nicht möghch ist. Wahrscheinhch ist Hadromal zum größten Teile als Ester von Cellulose und anderen Kohlenhydraten, wie die Holzstoffreaktion der Mittellamellen zeigt, zugegen. Coniferenhölzer lassen nach Mäule ihr Hadromal besonders schwer extrahieren. Hingegen konnte Potter (5) aus den innersten Ver- dickungsschichten der Holzzellmembranen die Substanz schon durch kochendes Wasser entfernen. Die Eigentümlichkeit mancher Hölzer sich mit Salzsäure allein violett zu färben, beruht auf der gleichzeitigen Anwesen- heit von Phloroglucinderivaten in manchen Parenchymzellen (6). 1) Molisch, Ber. Botan. Ges., 4, 301 (1886). — 2) P. Klason, Arkiv för Eemi, j, Nr. 5 u. 6 (1908); Beitr. z. Keiintn. d. ehem. Zusammensetzung d. Fichten- holzes (Berlin 1911). — 3) ,V. Gräfe, Sitz.ber. Wien. Ak., 113, I (Mai 1904). — 4) Nach Lippmann, Ber. Chem. Ges.. 37, 45J1 (1904), entsteht Vanillin auch bei natürlichen Zersetzungeprozefpen des Holze« unter gewissen Verhältnissen. — 5) M. C. PoTTER, Ann. of Botan., 18, 121 (1904). — 6) Höhnel; Lewakowsky, Just Jahresber. (1882). /, 422. 44* 692 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Nach Hancock und Dahl (1) gibt das Schwimmholz von Aeschyno- mene aspera keine Ligninreaktion und enthält auch kein Pentosan. Von Interesse wäre auch die Untersuchung von „Schwammhölzern", z. B. von Carica quercifoUa u. a. (2). Worauf die an Holz mit Kesslers Reagens nach einiger Zeit auf- tretende dunkle Färbung zurückzuführen ist, ist nicht untersucht (3). Die Speicherung von Fuchsin durch verholzte Membranen, wie sie durch Bert- hold (4) als Holzreaktion verwendet wurde, hat wohl mit Hadromal nichts zu tun. Im Coniferenholz färben sich die Schließhäute der Tüpfel, wie die Mittellamellen mit Rutbeniumrot lebhaft wie auch mit Anilinblau und Hämalaun. Die von Morawski (5) aufgefundene „Reaktion auf Fichten- holz", Violettfärbung beim Erwärmen mit Essigsäureanhydrid und H2SO4 ist eine Hai'zreaktion, analog der Cholestolprobe. Erwähnung verdient die Bedeutung der „Methylzahl" für die Holz- chemie. Verholzte Gewebe haben stets eine höhere Methylzahl als unver- holzte, und es wurde durch Benedikt und Bamberger, Herzog und CiESLAR(6) auf die praktische Bedeutung dieser Untersuchungsmethode hingewiesen. Das Hadromal kann nicht die einzige Substanz sein, welche für die relativ hohe Methylzahl des Holzes verantwortlich zu machen ist. Welche Stoffe hierbei eine Rolle spielen, bleibt noch festzustellen. Herzog gab als „quantitative Ligninbestimmung" folgende Methylzahlen an: BaumwoUe 0,00 Nesselfaser 0,00 Bombaxwolle 12,99 Chinagras 1,46 Rohrkolbenwolle 18,08 Jute 40,26 Manilahanf 30,11 Papiermaulbeerbaum .... 4,74 Agave faser 16,02 Flachs, russisch 0,92 Aloehanf 17,22 „ belgisch 0,00 Cocosfaser 41,59 Hanf, gehechelt 5,33 Tillandsiafaser 21,13 „ pobisch 5,46 Ein Versuch, die Phloroglucinreaktion colorimetrisch zur quantitativen „Ligninbestimmung" anzuwenden, rührt von Zetzsche (7> her. Natürlich ist eine derartige Methode im Falle der besten Brauchbarkeit eine Hadromal- bestimmung und keine Ligninbestimmung. Man wird sich übrigens sogar bei der quahtativen Anwendung der Hadromalreaktionen stets vor Augen halten müssen, daß der positive Ausfall dieser Reaktionen durchaus nicht an Membranen identischer Zusammensetzung eintreten muß. Gewiß sind viele Zellmembranen, welche deutUche Phloroglucinprobe geben, im che- mischen Aufbau von den Zellhäuten des Holzkörpers sehr verschieden und dürfen nicht einfach mit letzteren als ,, verholzt" zusammengeworfen werden. Es wäre kritiklos, wollte man z. B. das Mesophyll von Cycas, die Membran mancher Orchideenwurzelhaare usw. als mit Holz gleichartig ansehen. 1) Hancock u. Dahl, Ber. Chem. Ges., 28, 1558 (1895). — 2) Vgl. Schorler, Isis (1894). — 3) Malenkoviö, Holzkonservierung (Wien 1906), p. 38. — 4) Bert- hold, Protoplasmamechanik, p. 39. — 5) Th. Morawski, Chem. Zentr. (1888), II, 1630. — 6) Benedikt u. Bamberger, Monatsh. Chem., u, 260 (1890). A. Herzog, Chem. Ztg., 20, 461 (1896). Cieslar, Mitteil, forstl. Versuchswes. österr., XXIII (1897); Chem. Zentr. (1899), /, 1214. A. S. Wheeler, Ber. Chem. Ges., 38, 2168 h905). — 7) Zetzsche, Botan. Zentr., 70, 206 (1897). Cross, Bevan u. Briggs, Chem.-Ztg., 31, 725 (1907). § 12. Verholzte Zellmembranen. 693 Faber (1) hat denn auch gefunden, daß die Hydathodenzellwände der Blätter von Anamirta Cocculus wohl die Phloroglucinprobe, nicht aber die MÄULEsche KMnOi" Reaktion geben. Sie sind daher kaum als verholzte zu bezeichnen. .Übrigens kann selbst die Hadromalprobe nicht eindeutig genannt werden, da sie durch eine Anzahl aromatischer Stoffe in derselben Weise erzeugt wird. Zu untersuchen wäre, ob die wiederholt festgestellte Bildung von Ameisen- und Essigsäure bei der Säurehydrolyse des Holzes auf Abspaltung aromatischer Seitenketten beruht, oder auf andere Ursachen zurückzuführen ist (2). In der Kalischmelze wurde aus Holzmehl Oxalsäure erhalten, was bei Baumwolle nicht der Fall war (3). Unsicher ist es schließHch, ob die Vermutung von Kleinstück(4) berechtigt ist, daß der im Cambialsafte der Fichte konstatierte Gehalt an Formaldehyd, der allerdings nm- durch quah- tative Farbenreaktionen nachgewiesen wurde, etwas mit dem mit der Holz- bildung verbundenen Kondensationsprozesse zu tun hat, wie angenommen wurde. BezügUch der kleinen Menge stickstoffhaltiger Substanzen im Holze, welche zahlreiche Analysen gefunden haben (es scheint stets weniger als 1%N bei der Elementaranalyse gefunden worden zu sein), dürfte wohl kaum eine andere Meinung berechtigt sein, als die, daß es sich um Inhalts- stoffe von Markstrahlzellen oder anderen lebenden Holzelementen handelt. Es wurden auch die jüngeren Holzlagen der Kiefer stickstoffreicher ge- funden (5). Der Aschengehalt des Holzes ist in der Regel sehr gering und die Reinaschenzahlen, wie sie in Wolffs Zusammenstellungen vorüegen, zeigen meist Werte unter 1%, selbst weniger als 0,5%. Die Asche ist meist sehr kalkreich und enthält häufig 70—80% CaO, auch der Kieselsäuregehalt ist in der Regel 3—5%. Der Kahgehalt unterHegt großen spezifischen Schwankungen, steigt bis über 20% an und fällt bis auf 5%. Ähnhch ist es mit dem Magnesiagehalt. Der Kalkgehalt ist im Kernholze manchmal ein sehr hoher, indem daselbst kohlensaurer Kalk sehr reichhch abgelagert werden kann, wie Molisch (6) an guten Beispielen gezeigt hat. Das Teak- holz zeigt den merkwürdigen Fall von Konkretionen aus phosphorsaurem Kalk; infolgedessen ist der Phosphorsäuregehalt fast zu 30% der Reinasche gefunden worden. Unter den Farbstoffen, welche verholzte Zellmembranen oft leb- haft gelb, rot, braun, braunviolett tingieren, finden sich die verschieden- sten Substanzen: Benzolderivate, wie Hämatoxyhn, heterocychsche Stoffe wie das Fisetin usw., auch Alkaloide, wie Berberin. Die meisten werden passend an anderen Stellen verteilt zur Sprache kommen. Verbindungen mit Membranstoffen gehen diese nur adsorbierten Pigmente nie ein, und man kann sie durch Extraktionsmittel dem Holze ohne weiteres entziehen (7). 1) F. C. V. Faber, Ber. Botan. Ges., 22, 177 (1904). Von diesem Gesichts- punkte aus wären manche auffallende Angaben, wie jene von Boodle, Ann. of Botan., 16, 180 (1902), über Verholzung von Siebröhrenwänden, nochmals zu untersuchen. Hingegen dürfte es sich iu der Verholzung von Wundgeweben [Devaux, Soc. Linn. Bordeaux (22. April 1903)] wohl um einen der Holzbildung analogen Prozeß handeln. — 2) Ceoss u. Tollens, Journ. f. Landw., 59, 185 (1911). Jedliöka, C!ollegium (1913), p. 33. Ceoss, Ber. Chem. Ges., 43, 1526 (1910). — 3) A. v. Hedenström, Chem.-Ztg., 35, 853 (1911). — 4) M. Kleinstück, Ber. Chem. Ges., 45, 2902 (1912). — 5) Fr. Weis, Botan. Zentr., loi, IIA (1905). — 6) Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak., 84 (Juni 1881). — 7) Farben v. Hölzern: Schramm, Jahresber. Ver. angewandt. Botan. (1907). 694 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Das Vergilben und Bräunen von Holz unter Einfluß von Licht und Luft beruht möghcherweise auf den aromatischen Bestandteilen. Beim Vergrauen der Hölzer spielt nach Schramm Eisengegenwart eine Rolle. Nur das merkwürdige schwarze Pigment des Ebenholzes (1 ) sei hier noch erwähnt. Bezüghch dessen Genese und Natur hatte sich Molisch (2) dahin geäußert, daß die inneren Membranschichten der Tracheen Gum- mosis erleiden und die Gummimassen sodann „humifizieren". Im Kernholze von Diospyros Ebenum sollen 4,63% Humussäuren und 1,3% Humus- kohle vorhanden sein. Auch Belohoubek (3) nahm an, daß der schwarze Farbstoff des Ebenholzes nach allen seinen Eigenschaften als Kohle be- trachtet werden müsse, deren Muttersubstanz noch nicht sichergestellt werden konnte. Will und Tschirch (4), von denen die letzte Untersuchung über den Ebenholzfarbstoff stammt, fanden, daß der ZelUnhalt des Eben- holzes nicht als ein Humifikations- oder Garbonisationsprodukt aufzufassen sei, sondern daß er sich auf ganz normalem Wege aus dem hellen Sphntsekrete durch sekundäre Einlagerung eines, allerdings gegen Reagentien sehr resi- stenten, schwarzen Farbstoffes bilde. Näheres ist über das Pigment nicht bekannt. Vielleicht handelt es sich um aromatische Substanzen. Ähnhche kohlenartige Massen finden sich auch anderwärts, wie im Pericarp der Gompositen und auch in den Zellmembranen der Wurzel von Perezia (5) („Phytomelane"). Die bei verholzten Membranen von Monocotytedonen (Palmen) häufig vorkommenden braunen Farbstoffe sind in biochemischer Hinsicht noch gänzlich unbekannt. Die bisherigen Kenntnisse vom Verholzungsprozesse genügen nicht, um uns eine klare Vorstellung von der biochemischen Bedeutung der Ligni- fikation zu verschaffen. Zweifellos läßt sich feststellen (Lange, Nathan- S0N(6) und nach eigenen unveröffenthchten Beobachtungen), daß in deti jungen Tracheiden die Verholzung immer im lebenden plasmaerfüllten Zustande eintritt. Zuerst verholzen hier die Schraubenleisten, während die Membran noch Gellulosecharakter aufweist. Zugleich mit Aufhören des Wachstums ist der Verholzungsprozeß beendet [Schellenberg, War- burg (7)], weswegen die physiologische Bedeutung der Verholzung direkt in einer Sistierung der Wachstumsfähigkeit gesucht wurde. Gegen diese Anschauungsweise läßt sich jedoch eine Reihe schwerwiegender Bedenken erheben, welche Nathanson in treffender Weise dargelegt hat. Die mecha- nischen Veränderungen, welche die Zellwand durch Verholzung erleidet, wurden von Sonntag (8) einer eingehenden Würdigung unterzogen ; die- selben zählen jedoch nicht mehr in den Wirkungskreis der biochemischen Methodik. Linsbauers (9) Ausführungen über den Zusammenhang zwischen Verholzung und Wasserökonomie sind zu unbestimmt, um als heuristisches Moment benutzbar zu sein. Eher wird an die konservierenden und anti- septischen Eigenschaften der aromatischen Holzbestandteile anzuknüpfen sein. 1) Sadebeck, Just Jahresber. (1887), //, 514. — 2) Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak. (1879), /, I/II, 80. — 3) Belohoubek, Botan. Zentr. (1884), p. 293; Just Jahresber. (1884), //, 399; /, 176. — 4) Tschirch u. Will, Arch. Pharm., 237, 369 (1899). — 5) Vgl. T. F. Hanausek, Sitz.ber. Wien. Ak., 116, I (1907); Wiesner- Festachr. (1908X P- 139. O. Tünmann, Pflanzenmikrocheraie (1913), p. 574. — 6) Lange, Flora (1891), p. 393. A. Nathanson, Jahrb. wiss. Botan., 32, 671 (1898). — 7) Schellenbekg, Ebenda, 29, 237 (1896). Warbukg, Ber, Botan. Ges., IT, 425 (1893). — 8) Sonntag, Landw. Jahrb., a/, 839 (1891); Ber. Botan. Ges. (1901), p. 138; Jahrb. wiss. Botan., 39, 71 (1903). — 9) K. LlNSBAHEE, Verhandl. ZooL Bot. G08. Wien, 5«, [89] (1908). § 13. Die verkorkten Zellhäute. 695 § 13. Die verkorkten Zellhäute. Als wesentliches Moment im chemischen Aufbau von Korkmembranen ist die hervorragende Beteiligung von Fettsäuren an der Zusammen- setzung solcher Zellhäute anzusehen. Nach den bisherigen Ergebnissen scheint mindestens die Hälfte der Korktrockensubstanz aus solchen Fett- säuren gebildet zu werden. Im übrigen sind unsere Kenntnisse über Verkorkung noch so lückenhaft, daß es z. B. noch zweifelhaft ist, ob Cellulose, und welche Kohlenhydrate überhaupt, in Korkschichten vor- handen sind. Aromatische Stoffe kommen neben Fettsäuren vielleicht regelmäßig im Kork vor; die Mittellamelle pflegt die bekannte Phloro- glucinreaktion zu geben, doch ist Hadromal bisher im Kork noch nicht nachgewiesen worden. Sonst scheinen Oxydationsprodukte aromatischer Stoffe, Phlobaphene, im Kork kaum je zu fehlen. Der Aschengehalt des Korkes ist sehr gering. 1787 fand Brugnatelli (1 ), daß die Einwirkung von Salpetersäure auf Kork Korksäure entsteht, der wir heute die Konstitution GHa.CHg-GHa-COOH CH2.CH2.GH2.COOH geben. Bouillon la Orange (2) entschied, daß dieser Stoff im Kork nicht vorgebildet ist und unterschied ihn scharf von der Oxalsäure. Fourcroy (3) vergUch die Rinde verschiedener Bäume mit dem Kork der Korkeiche. Chevreul (4) behandelte Kork unter Druck mit kochendem Wasser ; er gewann im Extrakte Farbstoffe, Gallussäure, stickstoffhaltige Substanz, Eisen, Kalk, Magnesiaverbindungen usw. Als er den Rückstand mit Alkohol auszog, gelangte er zu einer krystallisierbaren Substanz, die er ' „Cerin" nannte. Chevreul glaubte in dieser grundlegenden Arbeit, daß die färbenden, harzigen und fettigen Stoffe im ZeUinhalte der Korkzellen vorkämen. Den in Wasser und Alkohol unlöshchen Anteil nannte er „Suberin". BoussiN- GAULT (5) gab dem Gerin die Formel GggHgoO ; er entdeckte, daß das „Suberin" großenteils in Alkali löslich ist und dieser lösliche Teil durch Säuren als brauner Niederschlag gefällt wird. Dieser Niederschlag gibt mit Salpeter- säure behandelt Korksäure. Aus derselben Zeit stammen Untersuchungen über die Natur und Entwicklung des Korkes von Dutrochet (6). Doepping (7) gab dem von ihm dargestellten Gerin die Formel G25H20O3. Durch Salpetersäurewirkung gewann er daraus die wachsartige ,,Gerin- säure" G42H34O3. Den nach Behandlung des Korkgewebes mit Salpeter- säure zurückbleibenden Teil erklärte Doepping als Gellulose. Suberin war für diesen Forscher der in Wasser, Salzsäure, Alkohol, Äther unlösUche Teil des Korkes. Mulder (8) betont, daß die Jodreagentien für Gellulose bei Kork wirkungslos sind. Er meint, daß keine Beziehungen zwischen Gellulose und Kork bestehen, daß der Kork eher mit der Guticularsubstanz 1) L. Brugnatelli, Crells Ann. (1787), /, 145. — 2) Bouillon la Orange, Ann. de Chim., 23, 42 (1797). — 3) FouRCROY, Systeme des connaiss. chim., 8 (1801). — 4) Chevreul, Ann. de Chim., 96, 141 (1815); 62, 313 (1807); Schweigg. Journ., 16, 323 (1816). Über Suberin auch Brandes, Schweigg. Journ., 32, 393 (1821). — 5) B0U88INGAULT, Compt. rend., 3, 77 (1836); Journ. Chim. et Pharm. ■"!), 2 (1836). — 6) Dutrochet, Compt. rend., 4, 48 (1837). — 7) O. Doepping, leb. Ann., 45, 286 (1843). — 8) Mulder, Physiol. Chem. (1844), p. 507. th 696 EinundzvonzigBtes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Verwandtschaft besitzen dürfte. Mitscherlich (1) fand die Resistenz des Korkes gegen konzentrierte Schwefelsäure auf. Von Mohl (2) rührt die Erfahrung her, daß Korkgewebe nach Behandlung mit Kalilauge, am schnell- sten nach Kochen hiermit, die Eigenschaft erhält, sich mit Jodschwefel- säure blau zu färben. Siewert (3) bemühte sich, die Natur des Cerins näher aufzuhellen imd untersuchte krystallisierende Fettsäuren aus dem Alkohol- extrakt; seine „Decacrylsäure" sollte der Formel CjoHigOg entsprechen. Hofmeister (4) hielt Stickstoffgehalt von Korkmembranen für ein wesent- liches Moment. Payen (5) machte 1868 die wichtige Angabe, daß der Kork von Kartoffelknollen nach Erschöpfung mit Salzsäure, Essigsäure, Kahlauge und Wasser einen Rückstand hefert, welcher in Kupferoxydammoniak gänzUch löshch ist und als Cellulose anzusprechen sei. Mit dem Nachweise der Cellulose im Korkgewebe befassen sich weiter Wiesner (6) und Haber- LANDT (7), welche sich zur Entfernung der „Inkrusten", wie Payen die Fettbestandteile des Korkes auch hier nannte, der Behandlung mit Chrom- säiire oder mit Schulzes Gemisch bedienten, und aus dem extrahierten Gewebe durch Kochen mit Kahlauge ein Präparat gewannen, welches sich mit Jodschwefelsäure leicht bläute. Främy und Urbain(8) nahmen im Kork 43% „Cutose", 29% „Vasculose", 12 % Cellulose und Paracellulose und 15% in Säuren und Alkahen lösUche Stoffe an. Ihre „Cutose" entspricht dem Suberin. Höhnel (9) teilte den Korkzellen eine stark verholzte Mittel- lamelle zu. welche beiderseits je eine Suberinlamelle und die Zellen innen auskleidend eine Celluloselamelle umgibt. Das Suberin ist nach Höhnel ebensowohl charakterisiert wie Cellulose und Lignin. Die tropfigen Bil- dungen, welche bei der zerstörenden Einwirkimg von Schulzes Gemisch auf Korkmembranen beobachtet werden, nannte Höhnel „Cerinsäurereaktion". Die Fettsäuren des Korkes wurden 1884 durch Kügler (10) zuerst mit Erfolg chemisch untersucht. Dieser Forscher erschöpfte Kork mit Chloroform und behandelte den Verdunstungsrückstand des Extraktes mit absolutem Alkohol. So wurde ein amorpher und ein krystallisierbarer Anteil gewonnen. Letzterer bestand aus langen farblosen Nadeln von F 250°, leicht löshch in Alkohol, Äther und von der Zusammensetzung C20H32O. Kügler nannte die Substanz Cerin; in der Tat dürfte sie dem Cerin der älteren Autoren entsprechen. NachTHOMS(ll) wäre Cerin eine phytosterin- artige Substanz der Zusammensetzung Ca^HgoOg oder C32H54O2 und gibt die Cholestolreaktion und andere Cholesterinproben. Istrati und Ostro- G0VICH(12) schieden das Cerin in einen in Chloroform leichtlösUchen Anteil, den sie Friedehn nannten und das schwerer löshebe eigenthche Cerin. Cerin wäre C27H44O2, seidige weiße Krystalle vom F=234-234,50, Friedehn C43H70O2, glänzende Nadeln von F 263—263,5®, schwächer Hnksdrehend als das Cerin. Der amorphe Anteil von Küglers Korkextrakt enthielt Stearinsäure, eine neue Fettsäure (Phellonsäure) und Glycerin. Phellon- 1) Mitscherlich, Monatsber. Berlin. Ak. (18. März 1850). — 2) Mohl, Botan. Ztg. (1847), p. 497. Auch Schacht, Lehrb. d. Anat. u. Physiol., /, 287 (1856). — 3) Siewert, Ztsch. gesamt. Naturwiss., 30 (1867). — 4) Hofmeister, Pflanzenzelle (1867), p. 252. — 5) Payen, Compt. rend. <1868). — 6) Wiesner, Einleitung in die Techn. Mikrosk. (1867), p. 120. — 7) Haberlandt, Österr. bot. Ztsch. (1874), Nr. 8. — 8) Fremy u. Urbain, Journ. Pharm. et^Chim. (5). 5 (1882). — 9) F. VON Höhnel, Sitz.ber. Wien. Ak., 76, I, 527 (1877). — 10) K. Kügler, Diss. (Straßburg 1884); Arch. Pharm., 22, 217 (1884); Ber. Chem. Ges., 17 (1), Ref. 213 (1884). — 11) H. Thoms, Chem. Zentr. (1898). //, 1102. — 12) C. Istrati u. A. OSTROGOVICH, Compt. rend., 128, 1581 (1899); BuU. Soc. Chim. (3), 7, 164 (1899). § 13. Die verkorkten Zellhäute. 697 säure gewann Kügler aus dem mit Chloroform und Alkohol erschöpften Korke durch zweitägiges Kochen mit alkohoUscher Kalilauge. Beim Er- kalten des filtrierten Extraktes schied sich ein Niederschlag aus, aus dem durch Salzsäure und Trennung nach Heintz(I) Stearinsäure und Phellon- säure C22H42O3 erhalten wurde. Krystallisierte Phellonsäure schmilzt bei 96*^, ist in kaltem Alkohol sehr wenig lösUch. Vom Korkrückstand gibt Kügler noch Cellulose an. Küglers Korkanalyse ergab in Summa: Chloroformextrakt 13,00%, hiervon 2,9% Cerin, 10,1% Fett- säuren Alkoholextrakt 6,00% Gerbstoffe. Alkoholisches Kaliextrakt. . . 32,65%>, hiervon 30% Säuren, 2,65% Glycerin Wasserextrakt 8,00%, Cellulose 22,00%, Wasser 5,00% Asche 0,5 %) Rest 12,85%, wurde von Kügler als „Lignin" bezeichnet. Das Suberin ist für Kügler ein eigenthches Fett, welches durch die gewöhnlichen Lösungsmittel für Fett aus Kork nur wegen des schwierigen Eindringens der Solventien nicht extrahiert wird Weitere wichtige Aufklärungen über die Fettsubstanzen des Korkes heferte 1890 Gilson (2). Gilson kochte Flaschenkorkpulver mit 3%iger alkoholischer Kalilauge %. Stunde lang auf dem Rückflußkühler. Das heiß filtrierte Extrakt setzte beim Erkalten einen krystallinischen Rück- stand ab. Die färbenden Bestandteile des letzteren wurden durch Be- handlung mit 25%iger, schwach alkalisch gemachter Kochsalzlösung ent- fernt. Der nun weiße Rückstand enthielt Cerin und phellonsaures Kah, von denen das Cerin durch siedenden Äther in Lösung gebracht und ab- getrennt werden konnte. Aus dem von Cerin und Phellonsäure befreiten Kalialkoholextrakte des Korkes erreichte es Gilson nun in sehr geschickter Weise durch Herstellung der Fettsäure-Magnesiumsalze zwei weitere Fett- säuren zu isolieren, die krystalhsierte Phloionsäure und die amorphe Suberin- säure. Die drei Korkfettsäuren charakterisierte Gilson folgendermaßen: 1. Phellonsäure. Krystallinisch, F95— 96", Zusammensetzung C22H43O3; geht bei 170 — 180" bei Luftabschluß in ein Anhydrid über. Die Säure selbst, wie ihre Salze geben mit Chlorzinkjodlösung eine rotviolette Färbung, und Gilson meint, daß frühere Forscher bei ihren Angaben über Cellulose- reaktionen von Kork möglicherweise öfters nur die Phellonsäurereaktion beobachtet hätten. Phellonsäure ist einbasisch. 2. Suljerinsäure. Bei gewöhnhcher Temperatur fadenziehend, halb- flüssig. Formel: C17H30O3. Das amorphe Kalisalz ist in Wasser leicht löslich. 3. Phloionsäure. Feine weiße Nädelchen, F 120—121". Nach mehr- tägigem Trocknen über Schwefelsäure war die Zusammensetzung C11H21O4, nach mehrwöchigem Trocknen C22H40O7. Bezüglich der Phellonsäure hatte M. v. Schmidt (3) angenommen, daß es sich um eine cyclische einbasische gesättigte Oxysäure handle. Doch 1) Heintz, Journ. prakt. Cham., 66, 7 (1855). — 2) Gilson, La CcUule, 6, 63 (1890). Flückiger, Arch. Pharm., 228, 690 (1890). — 3) M. v. Schmidt, Monatsh. Chem., 25, 277, 302 (1904); j/, 347 (1910). Zeisel, Journ. prakt. Cham., 84, 317 (1911); 8s, 226 (1912). 698 £inundzwanzig8tes Kapitel: Das ZellhautgerQst der Pflanzen. fanden in neuester Zeit Scurti und Tommasi (1), daß die Formel der Phellon- säure in C22H4^03 umzuändern sein dürfte und daß die Eigenschaften der Phellonsäure in befriedigender Weise mit dem Verhalten der a-Oxybehen- säure übereinstimmen, so daß sich die Konstitution dieser Fettsäure in ein- facherer Weise aufklären ließe, als es früher den Anschein hatte. Im Kork von Quercus Suber fand Gilson im ganzen 44% rohe Fett- säuren, wovon 8% unreine Phellonsäure, 36% Suberinsäure und nur sehr wenig Phloionsäure waren. Im Kork von Ulmus suberosa wurde Phloion- säure überhaupt nicht gefunden. Das mikrochemische Verhalten von Korkgewebe ist nach Gilson folgendes (2): Natürhcher Eichenkork gibt Gelbfärbung mit Chlorzinkjod, gleichmäßige Rotfärbung in allen Membranschichten mit Phloroglucin-HGl, und in den meisten Zellen lange Nadeln von Cerin. Erschöpfung mit Chloro- form ändert an diesem Verhalten nichts. Werden die Schnitte jedoch längere Zeit mit konzentrierter Sodalösung gekocht, so erscheinen die inneren Mem- branschichten mehr weniger gefaltet und von der Mittellamelle getrennt. Die braunen Farbstoffe sind nun entfernt, Chlorzinkjod färbt alles gelb. Mehrstündige Behandlung mit 40% Natronlauge oder kurzes Kochen mit dieser Lauge, hierauf Auswaschen in Wasser, Hefert Präparate, in denen sich die Membranen mit Chlorzinkjod rotviolett oder kupferrot färben lassen. Schaltet man hinter die Kalibehandlung eine Extraktion der Schnitte mit siedendem Alkohol ein, so bleibt die erwähnte Chlorzinkjodreaktion aus. Andauernde Einwirkung von heißen konzentrierten Ätzlaugen läßt nur die Mittellamellen zurück, welche verschieden starke Phloroglucin- reaktion geben. Umgekehrt zerstört das ScHULZEsche Cxe misch die Mittel- lamellen früher als die Suberinlamellen. Läßt man nach Behandlung mit dem Macerationsgemisch einige Augenblicke Kahlauge einwirken, wäscht aus und legt in Chlorzinkjodlösung ein, so färben sich die Reste der Mittel- lamelle blau, die Suberinlamelle aber kupferrot. Gilson betonte, daß es unzulässig sei, den Kork als eigenthches Fett zu betrachten und von einer Mischung von Fett und Cellulose zu sprechen. Für Gilson ist das Suberin eine Mischung von wenig löshchen zusammen- gesetzten Estern, Kondensations- oder Polymerisationsprodukten ver- schiedener Säuren. Inwieweit die Korkfettsäuren als Glycerinester und als freie Säuren vorkommen, ist aus den vorliegenden Angaben über die gefundenen Glycerin- mengen nicht zu ersehen. Es wäre auch an lactonartige Anhydride dieser Säuren zu denken, doch konnte sich v. Schmidt nicht von dem Vorhanden- sein eines Phellonsäureanhydrids überzeugen. Nach diesem Autor enthält der durch Chloroform extrahierbare Teil des Korkes außer Cerin auch ziem- hch viel Fettsäureglyceride. Der Rückstand aber enthält wahrscheinhch nur verseifbare Anhydride und keine Glyceride mehr. Im jungen Kork sollen wahrscheinlich nur Glyceride vorkommen. Es ist auch noch nicht entschieden, ob andere noch unbekannte Fettsäuren verbreitete Kork- bestandteile sind. Die drei von Gilson studierten Säuren sind wohl sämtüch Oxyfettsäuren, und die Suberinsäure dürfte ungesättigt sein. Doch denkt Gilson auch daran, daß Aldehydo- oder Ketogruppen in solchen Säuren vorhanden sein könnten. Die Bildung von Korksäure ist auch sonst aus 1)1 2) Vgl. F. ScüRTi u. Tommasi, Ann. Staz. Chim. Agrar. Eloma (2), 6, I, 67 (1913). auch O. Tunmann, Pflanzenmikrochemie (Berlin 1913), p. 598. § 13. Die verkorkten Zellhäute. 699 Oxyfettsäuren beobachtet. So erhält man aus Ricinusöl nach Markowni- KOFF bis 13% Korksäure (1). Kohlenhydrate verkorkter Zellwände. Die früher ziemlich allgemein anerkannte Meinung, daß verkorkte Membranen Cellulose ent- halten, hat in neuerer Zeit van Wisselingh (2) zu erschüttern gesucht. Nach diesem Autor kann man an der mitÄtzkah oder Chromsäure behandelten Suberinlamelle nicht allein mit Chlorzinkjod, sondern mit Jodjodkah allein eine violette Färbung erhalten. Ferner wird durch Erhitzen von Schnitten aus Korkgewebe in Glycerin auf 250— 290*^ das ganze Suberin zerstört, ohne daß Cellulose nachweisbar zurückbleiben würde. Demgegenüber deuten die erwähnten mikrochemischen Beobachtungen Gilsons darauf hin, daß mindestens in gewissen Schichten der Korkmembran Kohlenhydrate vorkommen, welche sich gegen die Jodreagentien analog der Cellulose verhalten, und es ist zu berücksichtigen, daß bei der von Wisselingh an- gewendeten Methode Hemicellulosen zerstört werden müssen, eventuell auch geringe Quantitäten von Cellulose vielleicht übersehen werden konnten. Allerdings sind mit Rücksicht auf das Verhalten des KaUumphellonates zu den Jodreagentien die älteren Angaben über Cellulose in Korkzellwänden nicht mehr als beweiskräftig anzusehen. Aus jüngster Zeit liegt nun die bemerkenswerte Angabe von Zempl^n (3) vor, wonach man nach dem Verfahren von Cross und Bevan zur Isoherung von Cellulose aus Kork zu einem Produkt gelangt, das in seinem allgemeinen Verhalten an Cellulose erinnert, in Kupferoxydammoniak löslich ist, bei der Hydrolyse Trauben- zucker hefert, jedoch nach der SKRAUPschen Acetolyse keine Cellobiose- Oktacetat zu gewinnen gestatten. Woran dies hegt, ist noch unentschieden. Jedenfalls sprechen diese Befunde für die Wahrscheinhchkeit, daß wirklich in verkorkten Zellwänden celluloseartige Kohlenhydrate enthalten sind. Nachdem Councler(4) beim Destillieren von Rinden mit Salzsäure nicht unerhebliche Mengen von Furfurol erhalten hat, so ist daran zu denken, ■daß auch Pentosane im Kork vorkommen. Möghcherweise enthält die verholzte Mittellamelle auch Xylan. Nach Councler enthält Fichtenrinde 10,32-11% Pentosan, Eichenrinde 11,56-14,89%, Buchenrinde 15,84 bis 16,89% und die Rinde von Pinus Strobus 10,62% an Pentosanen. Gerbstoffartige und phlobaphenartige Stoffe sind im Kork immer vorhanden. Allerdings weiß man nicht, ob hiervon auf die Membranen ein erhebhcher Teil fällt. Teilweise handelt es sich sicher um Inhaltsstoffe einzelner Korkzellen, die leicht mit Wasser oder Alkohol extrahierbar sind. Das Hadromal, der aromatische Aldehyd des Holzes, scheint, wie erwähnt, ein regelmäßiger Bestandteil von Korkmembranen zu sein. Kügler fand im Kork kleine Mengen von Coniferin und Vanillin auf. BezügUch des Vanillins wurden diese Befunde in neuerer Zeit durch Bräutigam und Thoms bestätigt (5). Die Aschenstoffe des Korkes betragen nach Kügler nur ^4% der Trockensubstanz und enthalten relativ viel Mangan. Nach der Analyse von Korkholzabschabsel durch Mastbaum (6) enthält die Asche davon 20,87% CaO, 4,62% MgO, 3,79% Fe und AI, 5,55% KgO und 1,88% PO4. 1) Markownikoff. Jonrn. Russ. Chem.-Phys. Ges. (1893), I, 378; Ber Chem. Oes., 26, III, 3089 (1893). — 2) van Wisselingh, Arch. N^erland., 12, I (1888); Just Jahresber. (1888), f, 689; Arch. N^rland., 26, 305 (1893); Verhandl. Akad. Amsterdam (1892^; Chem. Zentr. (1892), //, 516. — 3) G. Zemplen, Ztsch. physiol. ehem., 85, 173 (1913). — 4) Councler, vgl. Toli.ens, Journ f. Landw., 44, 171 (1896). — 5) Bräutigam, Pharm. Zentr.halle, 39, Nr. 38 (1898). Thoms, Ebenda, Nr. 39. — 6) H. Mastbaüm, Chem.-Ztg., 30, 39 (1906). 700 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Auf dem reichlichen Gehalte des Korkes an fettähnlichen Stoffen beruht auch sein Speichervermögen für einige in Fett leicht lösliche Farb- stoffe. So für Chlorophyll und Alkanna wie Correns(I) fand, für Cyanin nach Zimmermann (2), ferner für Sudan III, Orleanfarbstoff nach Sonn- tag (3). Lagerheim (4) bat noch einige andere Farbstoffe als Korkreagentien namhaft gemacht. Auch die Reduktion von Osmiumsäure gehört zum Fett- charakter des Korkes und deutet auf ungesättigte Fettsäuren hin (5). Drabble und Nierenstein (6) gaben an, daß man durch Einwirkung von Säuren auf eine Mischung von Formaldehyd und Phenol, bzw. Oxy- benzoesäure und Gerbsäure Produkte erhalte, die ein ähnUches miki-o- chemisches Verhalten zeigen wie Kork. Es kann sich wohl bloß um einige äußerliche Analogien handebi. BezügUch der Entstehung der Verkorkung ist zu bemerken, daß sowohl ein nachträgliches Verkorken ursprüngücher Cellulosewände vorkommt, wie in der unmittelbaren Nachbarschaft verletzter Zellen, als auch Anlage von Membranen, die zur sehr frühzeitigen Verkorkung von vornherein bestimmt sind, wie bei den Phellogenzellen. In allen Fällen ist mit dem Eintritte der Verkorkung ein Absterben des lebenden Zelhnhaltes verbunden, und es ist bisher nur bei Hakea gelungen, andauernd lebende Zellen zu beob- achten, die nach dem mikrochemischen Verhalten zu urteilen, verkorkte Membranen besitzen (7), § 14. Cutinisierte Zellmembranen. Die Cuticula, welche als abschließende Schutzhaut die Oberfläche der grünen Teile bei Landpflanzen zu überziehen pflegt und als Schutz gegen intensivere Wasserdampfabgabe fungiert, zeigt in ihrem ganzen chemischen Verhalten so viele Analogien mit verkorkten Membranen^ daß noch mehrere Autoren der Neuzeit sich dahin aussprachen, daß Cuticula und Kork denselben chemischen Aufbau haben dürften. So tat es V. HÖHNEL, und auch Zimmermann (6) hob die große Übereinstimmung hervor, welche das Verhalten von Cuticula und Kork gegen Farbstoffe: Chlorophyll, Alkannin, Safranin zeigt Hingegen konnte van Wisse- lingh(9) auf mehrere bemerkenswerte Differenzen im chemischen Ver- halten von Kork und Cuticula hinweisen. Die Cuticula ist gegen zerstörende Einflüsse aller Art höchst resistent. Schon Brogniart(IO) beobachtete die Widerstandsfähigkeit der Oberhautschicht von Landpflanzen gegen längere Fäulnis der Gewebe. MoHL(ll) sah, daß auch konzentrierte Schwefelsäure lange Zeit hindurch die Cuticula unversehrt läßt; er gab an, daß sich die Cuticula mit Jod- schwefelsäure gelb färbt und sah in der Bildung der Cuticula an den 1) CoRKENß, Sitz.ber. Wien. Ak., 97, 658, Anm. — 2) Zimmermann, Ztsch. wiss. Mikrosk., 9, 58 (1892). — 3) P. Sonntag, Ztsch. wiss. Mikrosk., 24, 21 (1907). — 4) G. Lagerheim, Ebenda, 19, 525 (1902). Petit, Botan. Literatnrblatt (1903), p. 280. — 5) Mikrochemisches vgl. auch H. Müller, Botan. Ztg., 64, I, 53 (1906). Kroemer, Wurzelhaut, Hypodermis usw. (Marburg 1903); Bibl. bot., LIX. — 6) E. Drabble u. Nierenstein, Biochem. Journ., 2, 96 (1907). — 7) F. Schnee, Diss. (Leipzig 1907). Vgl. auch Mylius, Das Polyderm, Diss. (Marburg 1912). — 8) Zimmermann, Botan. Mikrotechn. (1892), p. 146. — 9) Wisselingh, VerhandL Akad. Amsterdam (2), j, Nr. 8 (1894); Arch. N^erland , 28, lYjY (1894); Botan. Zentr., 62, 234 (1895). — 10) A. Brogniart, Ann. Sei. Nat. (1), 18, 427 (1830); 21, 65 (1835). — 11) V. MoHL, Linnaea (1842), p. 401; Vermischte Schriften (1845), p. 266. § 14. Cutinisierte Zellmembranen. 701 Epidermiszellen nicht nur eine chemische Umwandlung der Cellulose- schichten, sondern auch eine Strukturänderung. Mulder (1) wies gleich- falls auf die hohe Resistenz der Cuticula gegen konzentrierte Mineral- säuren hin und gab für die Epidermis von Phytolaccablättern und von den dick cuticularisierten Agaveblättern folgende Zahlen: Phytolacca decandra Agave americana G 52,90% 52,70% G 63,51% 63,28%, H 6,79 6,80 H 8,82 8,89 O + N 40,31 40,50 O + N 27,67 27,83 MiTSCHERLiCH (2) erhielt durch Einwirkung von Salpetersäure auf Cuticula von Aloe hngua Korksäure und Bernsteinsäure als Oxydations- produkte. Schacht; (3), welcher die Guticula als Sekretionsprodukt der Oberhautzellen ansah, entdeckte, daß die Guticula in der Regel von kochen- derKahlauge leicht angegriffen wird, und zerfällt oder gelöst wird. Mohl(4^ machte darauf aufmerksam, daß die Guticula nach Kochen in ÄtzkaU Gellulosereaktionen gibt. Auch Hofmeister (5) erklärte auf Grund des Verhaltens der Guticula gegen Ätzkaü oder Schulzes Macerationsgemisch die Gegenwart von Gellulose darin für erwiesen, nahm jedoch im Anschlüsse an ältere Analysen von Payen (6) Stickstoffgehalt der Guticula an, wo- rauf nach Hofmeister auch das mikrochemische Verhalten hindeuten sollte; er betonte ferner die Übereinstimmung von Guticula und Kork. Fremy und Urbain (7) beschrieben den Hauptbestandteil der Guti- cula als „Gutose". Zu deren Reindarstellung wurde die Guticula von Agave mit siedendem AlkoMol und Äther extrahiert imd mit Kupferoxydammon von Gellulose befreit. Starke Säuren greifen die Gutose nicht an. Bei Be- handlung mit kochender Lauge soll sie die krystalhsierte Stearocutinsäure ^M^tö^z (F 76°) und die flüssige Oleocutinsäure GggHaoOg liefern. Höhnel (8) unter.suchte das Verhalten gegen verschiedene Reagentien bei Guticula und Kork vergleichend, und konstatierte, daß die Guticula gegen heiße Kalilauge entschieden widerstandsfähiger als Kork ist, doch wollen König und H ühn (9) Gutin und Kork in geradem Gegensatze hierzu dadurch unterscheiden, daß Gutin größtenteils mit Ätzkah verseifbar ist. Kork hin- gegen nicht. Es dürften w^hl verschiedene Übergänge zwischen leicht und schwer verseifbarer Guticularsubstanz vorkommen. Die Guticula im engsten Sinne, d. h. das dünne, die äußere Oberfläche der Blätter überziehende Häutchen ist nach v. Höhnel frei von Gellulose. Mit Geneau de Lamar- LifcRE kann man diese Schichte als ,,Epicuticula" unterscheiden (10). Die angrenzenden cuticularisierten Membranschichten oder Guticularschichten stellen sich als mit Gutin durchsetzte Gelluloseschichten dar. Wisselingh wollte daher die Guticula durch den Gehalt an Gellulose vom Kork scheiden, dem er, vielleicht mit Unrecht, den Gellulosegehalt absprach. Auch konnte van Wisselingh die aus Kork isoherbare Pbellonsäure aus Gutin nicht erhalten. Die aus Gutin darstellbaren Fettsäuren scheinen von jenen aus Kork verschieden zu sein. Nach^ÖTTHOFF (11) ist Gutin eine wachsartige 1) Mulder, Physiol. Chem. (1844), p. 499. — 2) Mitscherlich, Lieb. Ann., 75 (1850). — 3) Schacht, Lehrb. Anat. Phys., /, 133 (1856). — 4) Mohl, Botan. Ztg. (1847), p. 497. — 5) Hofmeister, PflanzenzeUe (1867), p. 249. — 6) Payen, Mömoir. sur lea developpements, .p. 114, 116. — 7) Fremy u. Urbain, Ber. Chem. Ges., 10, 90 (1877); Corapt. rend., pj, 926 (1882); Ann. Sei. Nat. (6), 13, 360 (1882); Compt. rend., wo, 19 (1885). — 8) F. v. Höhnel, ÖBterr. bot. Ztsch. (1878), p. 81. — 9) König u. Huhn, Ztsch. Farbenindustr., 10, 297 (1912). — 10) L. GfeNEAU DE Lamarliere, Rev. g6n. Botan., 18, 289 u. 372 (1906). — 11) W. Sutthoff, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, />, 662 (1909). 702 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zeilhautgerüst der Pflanzen. Substanz, welche bei der Elementaranalyse 68,12—69,97% Kohlenstoff und 9,65-12,40% Wasserstoff ergibt. Nach Verseif ung mit 20% KOH ließ sich mit Petroläther ein Alkohol C17H34O vom Schmelzpunkte 55—56** extrahieren, und nach Ansäuern eine Säure der Zusammensetzung GjHjgOg fällen; wahrscbeinhch stellt sowohl dieser Alkohol als auch die Säure vorerst Gemische dar. Geneau de Lamarli^re (1 ) machte darauf aufmerksam, daß die Cuticula gewisse Aldehydreaktionen (mit fuchsinschwefhger Säure, mit ammoniakalischem AgNOg) gibt. Die Ursache dieses Verhaltens ist noch festzustellen. Hadromal ist ausgeschlossen. Gutinisiert ist gewöhnlich auch die Exine der Pollenkörner (2). Wahr- scbeinhch war die Cuticularsubstanz auch ein Restandteil des von älteren Chemikern [Braconnot, John (3)] aus Pollenkörnern beschriebenen „Polle- nin", welches schon Fritzsche (4) als zusammengesetztes Gemisch er- kannte. Einige Erfahrungen zeigen, daß auf Rechnung der Outicula ein hoher Anteil des Trockensubstanzgewichtes von Pollen fallen kann. Nach Planta (5) entfällt bei Coryluspollen 3,02%, bei Pinuspollen 21,97% auf ,. Cuticula". Kresling(6) fand in Pinuspollen 19,06% „Cellulose". Von Pollenkörnern der Zuckerrübe gab Stift (7) 11,06% Pentosane an, in anderen Analysen 12,26 und 7,27%. Ob sie aus Nucleoproteiden oder Zellmembranen stammen, ist unbekannt. Als „cutinisiert" oder „verkorkt" wurden vielfach Membranen von Sekretzellen [Milchzellen der Convolvulaceen : [Zach ARIAS (8), Höhnel'(9)], von Sekretgängen (UmbeUiferen), von Krystall- zellen [Comesperma: Chodat und Hochreutiner(IO)] bezeichnet, aus dem einzigen Grunde, weil Chlorzinkjod diese Membraneschichten gelb färbt. Die Auskleidung der Umbelliferenölgänge, Vittae, ist von van Wisse- lingh(II) einem näheren Studium unterzogen worden. Diese Membran- schichten sind nicht so wie Cuticula in kochender Kahlauge gut lösUch, sondern werden nur partiell angegriffen. Cellulose kann in diesen Membran- schichten vorkommen oder fehlen. Tschirch(12) hält es für mögHch, daß hier Pektin und Protopektin vorkommen. Die Auskleidungen von Intercellu- laren (13) werden wohl wieTscHiRCH. mit Recht annimmt, mit Cuticulari- sierung nichts zu tun haben, sondern aus Pektinsubstanzen, Pektin und Protopektin TscHiRCHs, bestehen. Man hatte denselben irrigerweise in früherer Zeit öfters eine protoplasmatische Natur zugeschrieben und sie später als cutinisiert beschrieben. Nach den Beobachtungen von Tittmann (14) kann die Cuticula von Agave und Aloeblättern nach künstlicher Abtragung wieder regeneriert 1) L. Geneau de Lämarliere, Bull. Soc. Bot. Fr. (4), 3, 268 (1903). — 2) Über die Membran der Pollenzellen: Th. Biourge, La Cellule, 8, 45 (1892). — 3) Braconnot, Ann. de Chim. et Phys. (2), 42, 91 (1829). John, Schweigg. Journ., 12, 244 (1814). — 4) J. Fritzsche, Pogg. Ann., 32, 481 (1834). — 5) Planta, Landw. Versuchsstat., 32, 215 (1885); 31, 97 (1884). — 6) Kresling, Arch. Pharm., 22g, 389 (1891). — 7) Stift, Österr. Ztsch. Zuckerindustr., 24, 783 (1895); (1901) p. 43; Butan. Zentr., 88, 105 (1901). — 8) Zacharias, Botan. Ztg. (1879), p. 637. — 9) HÖHNEL, Ebenda (1882), p. 181, für Combretaceendrüsen. Mikrochemisches ferner bei O. Tunmann, Pflanzenmikrochemie (1913), p. 598. — 10) Chodat u. Hochreutiner, Botan. Zentr., S5, 108. — 11) Wisselingh, Arch. Neerland., 29, 199 (1895). — 12) Tschirch, Ber. I'harm. Ges., /;, 237 (1909). — 13) Vgl. Russow, Dorpater Naturf. Ges. (23. Äug, 1884); Botan. Ztg. (1885), p. 491. Schenck, Ber. Botan. Ges., 3, 217 (1885). Berthold, Ebenda, 2, 20 (1884). Wisselingh, Arch. Neerland., 21 (1886); Botan. Ztg. (1887), p. 222. Schips, Ber. Botan. Ges., //, 311 (1893). Mättirolo u. Buscalioni, Malpighia, 7. 305 (1893). Frank, Beitr. z. Pflanzenphysiol. (1868), p. 154. Gardiner, Nature (1885). — 14) Tittmann, Jahrb. wies. Botan., jo, 116 (1897). Für Caulerpa vgl. auch Strasburger, Bau u. Wachs- tum der Zellhäute (1882), p, 8. § 16- Membranschleime. 703 werden. Daß die Cuticularbildung durch physikalische Faktoren, wie Luftfeuchtigkeit, Beleuchtung, Salzgehalt des Bodens stark, quantitativ beeinflußt wird, ist eine bekannte biologische Tatsache. Die Bildung der Cuticula ist ein bis heute noch nicht gelöstes Problem. Es ist unbekannt, ob sich in den äußeren Membranschichten der Epidermis Sukzessive ein Umbildungsprozeß der Zellhaut vollzieht, welcher in völligem Verschwinden der Cellulose und gänzlicher Cutini- sierung endigt oder ob Stoffe vom Plasma fortdauernd ausgeschieden werden, die Membran durchwandern und dann gleichsam Auflagerungen bilden. Daß es sich um fettartige Substanzen handelt, würde keinen Gegengrund gegen die zweite Eventualität abgeben, da wir wissen, daß selbst fette Öle die Zellhaut in wasserdurchtränktem Zustande zu passieren vermögen. § 15. Schleimige Epidermisüberzüge, fälschlich ebenfalls Cuticula genannt. Die schleimige Oberhautdecke der Wurzeln sowie jene aller Teile von Wasserpflanzen werden meist nach einem nicht zu billigenden Sprach- gebrauch ebenfalls als Cuticula bezeichnet. Da es sich um wasser- durchtränkte, sehr imbibitionsfähige Membranschichten handelt, welche notorisch von der Cuticula der Luftorgane von Landpflanzen ganz ver- schiedene biologische Funktionen erfüllen, so ist es wohl empfehlenswert, diesen Unterschied auch in der Benennung auszudrücken, und ich habe hierfür die Bezeichnung Mucosa als Sammelbegriff vorgeschlagen. In chemischer Hinsicht sind die mucösen Überzüge gänzlich un- bekannt. Chlorzinkjod färbt sie allgemein gelb. In der Epicuticula von Wasserpflanzen nimmt Geneau de Lamar- liere(I) Überwiegen von Pektinstoffen an, doch bildet CeUulose die Grundmasse dieser Hautschichten. Die mikrochemischen Reaktionen der die „Aufzellen" und die Wurzelhaare überkleidenden schleimigen Membranschichten sind von Kroemer ausführlicher diskutiert und zusammengestellt (2). Tittmann (3) hat für die Transversal wände der Cladophoren gezeigt, daß die Mucosa nach Zerschneiden des Fadens daselbst künstlich erzeugt werden kann, nachdem diese Zellwände zu äußeren Begrenzungsflächen geworden sind. § 16. Membranschleime. Durch Verschleimung von größeren und kleineren Schichtenkom- plexen der Zellmembranen entstehen die im Pflanzenreiche nicht seltenen dicken Schleimüberzüge an der Außenfläche der verschiedensten Organe im befeuchteten Zustande. Es mag auch sein, daß manche Fälle von Schleimentwicklung im Inhalte von Zellen des Grundgewebes oder von Sekretbehähern (Schleimzellen, Schleimgänge) nicht, wie bisher ange- 1) L. Geneau de Lamarliere, Elev. g^n. Botan., i8, 289 (1906). — 2) Kroemer, Wurzelhaut, Hypodermis usw. (Marburg 1903); Bibl. botan, LIX. G. Rumpf, Rhizodermis, Hypodermis der Farnwurzel (Marburg; 1904); Bibl. botan., LXII, 8. — 3) Tittmann, 1. c, p. 136. Biolog. Literatur über die Mucosa der Wasserpflanzen: Ebenda u. Schenck, Anatomie d. submersen Gewächse (1896). 704 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellbautgerüst der Pflanzen. nommen wurde, auf Schleimbildung im Protoplasma, sondern auf Ver- schleimung der innersten Membranschichten, resp. auf Schleimbildung statt Membrandickenzuwachs zurückzuführen sind. Die Blattepidermis ist bei nicht wenigen Pflanzenblättern Sitz einer diffusen Schleimbildung (z. B. Barosma, Serjania, Ericaeeen), so daß ent- weder die ganze Epidermis oder Zellgruppen und einzelne Zellen Schleim produzieren (1). Walliczek hat gezeigt, daß der Sitz der Schleimbildung in der Innenwand der Epidermiszellen zu hegen pflegt, welche sich durch sekundäre Schleimmembranschichten verdickt. Ein weiteres Vorkommen verschleimter Epidermidalmembranschichten ist häufig bei Samenschalen [Sinapis und viele andere Cruciferen, Linum, Lythraceen, Plantago u. a. (2)]. Dabei kommen manchmal sehr merkwürdige Strukturen vor, wie die sich als scheinbare Haare vorstülpenden schleimigen Verdickungsmassen der Epidermis des Cupheasamens [Gorrens, Grütter(3)]. Hier pflegt sich Außen- und Innenwand der Epidermiszellen, be- sonders erstere an der Ausbildung schleimiger sekundärer Membranver- dickungen zu beteihgen. Verschleimung der Epidermis von Früchten ist für viele Nyctaginaceen bekannt [Heimerl (4)]. Bei den Wasserpflanzen wird der manchmal außerordenthch mächtige Schleimüberzug der jüngeren Teile und Blattstiele [Brasenia, Cabomba : Goebel (5)] durch besondere Schleimhaare, in anderen Fällen durch Schleimdrüsen, Zotten, durch die Ränder von Stipulargebilden oder durch sogenannte „Intravaginalschuppen" produziert (6). Es wurde ferner Schleimbildung durch die an Intercellularen gren- zenden Zellmembranen beobachtet [alpine Primeln; Lazniewski (7)]. An Wurzeln von Pflanzen, die auf sehr trookenen Wellenkalk- Stand- orten wuchsen, fand Gontzen (8) eine besonders starke Schleimschichte von der Dicke der Wurzelrinde ausgebildet, welche als Schutz gegen Aus- trocknung dient. In allen diesen Fällen ist sicher Verschleimung von 2^11membranen im Spiele. Auch der Schleim der Viscumfrüchte zählt zu den Membran- schleimen. Jeder Schleimfaden beim Auseinanderziehen des verschleimten Fruchtfleisches entspricht einer Zelle und zeigt schraubige Struktur, die besonders nach Blaufärbung mit Ghlorzinkjodlösung deutÜch hervor- tritt (9), In den äußeren Schichten des Viscumschleimes handelt es sich nach Tomann (10) um Gelluloseschleim, in den inneren aber um Pektose- schleim; Loranthusfrüchte entwickeln nur Pektoseschleim. Es kann jedoch selbst bei schleimbildenden Haaren die Schleim- absonderung im Protoplasma ohne Beteihgung der Zellmembranen ver- 1 ) Über Schleimepidermen : Bary, Vergl. Anatomie, p. 77. Radlkofek, Mono- graphie von Serjania Vl875). Flückiqer, Schweiz. Woch.schr. Pharm. (1873). TsCHiRCH, Angewandt. Pflanzenanat. (1889), p. 251. Walliczek, Jahrb. wiss. Botan., 25, 227 (1893). — 2) Schleimschicht von Samenschalen: Tschikch, 1. c, p. 193. — 3) CORRENS, Her. Botan. Ges., /o, 143 (1892). W. Grütter, Botan. Ztg. (1893), /, 1. Popovici, Diss. (Bonn 1893). — 4) Heimerl, Sitz.ber. Wien. Ak., 97, I, 692 (1888). — B) K. Goebel, Pflanzenbiolog. Schilderung. (2), 2. Lief. (1893), p. 232. — 6) Literatur: J. Schrenk, Just Jahresber. (1888), /, 681. Schillenq, Flora (1894), p. 280. Schleim an den Winterknospen von Wasserpflanzen: Theorin, Arkiv f. Botan., 10, Nr. 8 (1911). — 7) W. v. Lazniewski, Flora (1896), p. 224. Ob die von NoACK, Ber. Botan. Ges., 10, 645 (1892V von Orchideenwurzeln beschriebenen „Schleimranken" hierher zählen, ist zweifelhaft. — 8) F. Contzen, Verhandl. Phys.- med. Ges. Würzburg, 38 (1906). — 9) Meine diesbezüglichen Beobachtungen sind wiedergegeben bei Gjokic, Sitz.ber. Wien. Ak., 105, I, 451 (1896). — 10) G. Tomann, Ebenda, 115, I (1906). § 16. Membranschleime. 705 laufen. So haben Gardiner und Ito(1) angegeben, daß bei den Haaren von Blechnum und Osmunda keine membranogene Schleimbildung vor- liegt, und Groom (2) hat bei einer Reihe von Colletcren, die dem Knospen- schutze dienen, nachgewiesen, daß der produzierte Schleim in keiner Be- ziehung zu der Zellhaut steht. In den Bereich der Schleimmembranen gehört jedoch nach Tschirch und Walliczek (3) der schleimige Inhalt der innerhalb des Gewebes Legenden sehr analog gebauten Schleimzellen der Tiliaceen, Malvaceen und der Kakao- samenschalen. In diesen Fällen wird vom Plasma eme Schleimlösung zwischen Zellwand und Hyaloplasma ausgeschieden. Hier ist also der Schleim kein se- kundär auftretendes Umwandlungsprodukt der Membran wie etwa bei Samen- schalen-Epidermiszellen. Derselbe Entstehungsmodus gilt nach Walliczek auch für den Schleim der Cacteen, der von Nägeli und von Wigand für Verdickungsschichten der Zellwand erklärt worden war (4), von Lauter- back aber als Schleim plasmatischen Ursprunges hingestellt wurde (5). Bezüghch der Schleimzellen der Urticaceen, Girardinia u. a., wird von ScHORN (6) angegeben, daß es sich um geschichtete, nicht inkrustierte Schleimcystohthen handle, welche natürlich membranogenen Ursprunges sind, und als Wasserspeicherungsvorrichtungen dienen. Der Schleim der Raphidenzellen gehört hingegen zu den „Inhalts- schleimen". Ebenso entsteht der Schleiminhalt der bekannten Schleim- zellen in den Knollen epiphytischer Orchideen, wie schon Frank dartun konnte (7), aus dem Plasmakörper. Auch diese Zellen dienen als Wasser- speicher. Hingegen sind die gleichartigen Zellen in den Erdknollen der Orchisarten wohl ebenso wie die Schleimendosperme mancher Leguminosen als Behälter von Reservekohlenhydraten anzusehen. Die Membranschleime, soweit sie in den Kreis dieser Betrachtung fallen, scheinen nie die biologische Rolle von Reservestoffen zu spielen, sondern dienen als Mittel zum Festhalten des Wassers: Transpirationsschutz und Keimungsschutz, Quellungsmechanismus, zur Befestigung von Samen am Substrate, zum Schutze der Wasserpflanzen gegen tierische Feinde, als Gleitmechanismen usw. (8). Ravenna und Zamorani (9) fanden, daß Lein- samen eine Hemmung ihrer Keimung erfahren, wenn man ihnen den Schleim der Samenschale wegwäscht, und denken, daß immerhin die Aufnahme von Zucker und Mineralstoffen aus dem Schleim eine gewisse Rolle bei der Keimung spiele. In chemischer Hinsicht sind die Pflanzenschleime noch sehr un- zureichend bekannt. Beziehungen zu Gummi und Pektinsubstanzen sind vielleicht nicht selten vorhanden, doch nie mit Bestimmtheit nachgewiesen. Die Membranschleime allgemein als Hydratationsprodukte der Cellulose anzusehen, wie es Gardiner (10) tat, ist eine viel zu weitgehende Be- 1) Gardiner u. Ito, Ann. of Botan., /, 27 (1887). — 2) P. Geoom, On Bud- Protection in Dicotyledons ; Trans. Linn. Soc. Lond. (2), j, Pt. VIII (1893). — 3) TscraRCH, 1. c, p. 125. Walliczek, 1. c. Über Althaea-Schleimbehälter ferner A. GuiRAJfD, Botan. Zentr., 6i, 376 (1895). Rhamnus: Höhkel, Sitz.ber. Wien. Ak. (1881). Mikrochemisches bei O. Tunmann, Pflanzenmikrochemie (1913), p. 576. — 4) Nägeli u. Gramer, Vorkommen u. Entstehung einiger Pflanzenschleime (Zürich 1855). Wigand, Jahrb. wiss. Botan., 5 (1865). — 5) Lauterbach, Botan. Zentr. (1889). — 6) F. ScHORN, Sitz.ber. Wien. Ak., ji6, I (1907). P. Gu^rin, Bull. Soc. Bot., 57. 399 (1910). — 7) A. B. Frank, Jahrb. wiss. Botan., 5 (1865). — 8) Vgl. Schröder, Biolog. Zen^r., 23, 457 (1903). — 9) C. Ravenna u. Zamorani, Atti Acc. Line. Roma (5), 19, II, 247 (1910). — 10) Gardiner, Proc. Cambridge Phil. Soc., 5, 183 (1886). Czapek, Biochemie der PfUmzen. I. S. Aufl 45 706 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. hauptung. Im Wasser bilden alle Schleime kolloidale Lösungen. Sie lassen sich in einer Reihe von Fällen durch Ammoniumsulfat aussalzen, wie nach Pohl die Schleime von Althaea, Linum und Cydonia(l). Chlor- zinkjodlösung färbt Schleime meist nicht violett. Jene Schleime, welche damit eine violette Reaktion geben, hat Tschirch als „Celluloseschleime" bezeichnet, z. B. jene von Cruciferensamen, Quitten- und Mistelschleim. Methylenblau und andere „pektinfärbende" Farbstoffe tingieren ver- schiedenen Beobachtern zufolge Pflanzenschleim sehr häufig, so auch Ru- theniumrot. Mangin(2) hat, auf das tinktorielle Verhalten der Membran- schleime gestützt, verschiedene Gruppen unterschieden: Celluloseschleime, Pektin schleime, Calloseschleime und gemischte und unbestimmte Schleim- arten. In die chemische Natur und Entstehung der Schleime ist jedoch damit schwerlich ein tieferer Einblick gewonnen. Zu den Cellulose- schleimen rechnete Prollius(3) auch den Schleim der Aloeblätter. Bei der Hydrolyse geben die meisten Pflanzenschleime Arabinose und Galactose. Schon Vauquelin(4) stellte durch Behandlung von Leinsamenschleim mit Salpetersäure Schleimsäure dar, in neuerer Zeit CüLLivAN(5). A. HiLGER(6) erhielt bei der Hydrolyse des Leinsamen- schleims Galactose, Glucose, Arabinose und Xylose. Aus Quittenschleim gewannen Gans und Tollens(7) Arabinose. Nach den Untersuchungen von YosHiMURA und Harlay liefert auch der Opuntiaschleim Arabinose und Galactose (8). Schirmer (9) erhielt aus dem Schleime des Markes von Sassafras varriifolium vorwiegend Arabinose und auch Dextrose. Der Althaeaschleim ergab 5,47% Araban, 8,21% Galactan und 21,05% vergärbare Zucker als Glucose gerechnet. Der Schleim von Ulmus fulva lieferte Galactan, Fructosan, 12,18% Pentosane, 10,26% Methylpentosane und 26,25% Galactan. Von den Pektinen unterscheiden sich die Schleime vor allem äußerlich durch den Mangel der Fähigkeit Gallerte zu bilden. Von Gummi kann man die ^chleime durch chemische Gesichtspunkte derzeit schwer abtrennen, da unsere Kenntnisse der Hydratationsprodukte usw. noch viel zu lückenhaft sind. Vielleicht nimmt an der Konstitution der Pflanzenschleime Dextran einen Anteil, während Glucose bei Gummiarten und Pektinstoffen unter den Produkten der Hydrolyse fehlt. Jedoch dürfte die von Kirchner und Tollens(IO) früher aufgestellte Ansicht, daß der Quittenschleim eine chemische Verbindung von Cellulose und Gummi repräsentiere, wohl schwerlich unseren jetzigen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen, wenn wir derzeit auch eine zutreffende Anschauung an die Stelle der älteren Vorstellungen noch nicht setzen können (11). § 17. Die Bildung von Zellmembranen. Obwohl das Problem, wie die Zellhaut entsteht, schon von den älteren Anatomen, wie Mohl, später von Pringsheim, eines eingehenden 1 ) J. Pohl, Ztsch. physiol. Chem., 14, 151 (1890). — 2) Mangin, Bull. Soc. Botan., 41, p. XL (1894). — 3) Prollius, Arch. Pharm., 222, 553 (1884). — 4) Yau- QUELIN, Ann. de Chim., 80, 314 (1811). — 5) CuLLlNAif, Just Jahresber. (1884), /, 71. Bauer, Landw. Versuchsstat., 40, 480 (1892). — 6) A. Hilger, Ber. Chem. Ges., 36, 3198 (1903). — 7) Gans u. Tollens, Lieb. Ann., 249, 245 (1889). — 8) YosHiMURA, Agric. Coli. Tokyo, 2, 207 (1895). Harlay, Journ. Pharm, et Chim. (6), 16, 193 (1902). — 9) W. Schirmer, Arch. Pharm., 250, 230 (1912). — 10) Kirchner u. Tollens, Lieb. Ann., 175, 205 (1874). — 11) Ältere Lit.: Mülder, Journ. prakt. Chem., 15, 293 (1838); 37, 334 (1846). Braconnot, Berzelius Jahresber., 22, 280 (1843). § 17. Die Bildung von Zellmembranen. 707 Studiums gewürdigt worden ist und in neuerer Zeit auch mehrfach inter- essante experimentelle Erfahrungen und theoretische Gesichtspunkte hinzu- gekommen sind, kann man nur sagen, daß wir weit davon entfernt sind, dieses eminent chemische Problem heute mit chemischen Methoden er- folgreich angehen zu können. Wie zuerst die Beobachtungen von Klebs über Membranbildung und plasmolysierte Protoplasten und ausgetretene Protoplasmaballen von durchschnittenen Vaucheriaschläuchen gelehrt haben, ist die Hautschicht des Plasmas nicht nötig, um Membran bildung um kernhaltige Protoplasmaportionen zu ermöglichen. Die von Klebs (l) ge- äußerte Vermutung, daß kernlose Protoplasmakörper ohne lebende Kon- tinuität mit dem Zellkern zur Membranbildung nicht befähigt sind, schien nach den Untersuchungen von Townsend(2) zuzutreffen, wonach die Membranbildung um anscheinend kernlose Plasmateile nur dann eintritt, wenn diese Ballen durch äußerst feine Plasmafäden mit kernhaltigen Portionen zusammenhängen. Jedoch hat Palla(3) später in erneuten Untersuchungen gezeigt, daß vom Kern abgetrennte Plasmaballen Mem- branen ausbilden, was sich auch aus Beobachtungen von Acqua(4) und von WissELiNGH(5) au kernlosen Spirogyrazellen zu ergeben scheint. Doch sind erneute Beobachtungen geboten, zumal die Kulturbedingungen offenbar nicht in allen Fällen die günstigsten gewesen sind und hierorts gemachte Wahrnehmungen gezeigt haben, daß man bei Kultur von Plastnaballen in verdünnter van 't HoFFscher Chloridmischung bedeutend bessere Erhaltung durch lange Zeit gewährleisten kann. Zur Färbung der neuentstandenen Membranen setzt Klebs der Nährlösung etwas Kongorot zu. Die jungen Zellwände sind sicher reine Cellulose wände. Wie entsteht nun die Cellulose? Die älteste Ansicht nahm an, daß es sich um Ausscheidung von Celluloseteilchen aus dem Plasma handle. Pringsheim stellte 1854 eine gänzlich abweichende Lehre auf, wonach sich die Hautschicht des Protoplasmas direkt in Cellulose um- wandeln soll. Die Streitfrage, ob Ausscheidung oder Umwandlung, hat sich bis in die neueste Zeit fortgesetzt und mehrfach wurde beobachtet, daß sich Protoplasmastränge, welche zwei Plasmamassen verbinden, ganz in Zellhaut umwandeln können [Klebs, Tischler (6)]. Aus neuerer Zeit liegen analoge Beobachtungen vor von den Haustorien des Embryosackes bei Pedicularis (7), vom Embryosack von Plantago(8), vom Fadenapparat der Synergiden (9) sowie auch von den Zellen der endotrophen Mycor- rhiza epiphytischer Orchideen, wo sich an Stelle der Pilzknäuel schließlich vielfach verzweigte Stränge von Cellulose vorfinden (10). Ob man in diesen Fällen von Ausscheidung oder von Umwandlung in Membran- substanz sprechen soll, dürfte sich nicht leicht entscheiden lassen, da es sich in diesen Ausdrücken um nicht genügend scharfe Begriffe handelt und man in vielen Fällen ebensogut von Ausscheidung wie von Um- wandlung sprechen könnte, wie Tischler (ll), und besonders Bieder- 1) G. Klebs, Tagebl. 59. Vers, deutsch. Naturf. (1886); Untersuch, bot. Inst. Tübingen, //, 500 (1888). HABERLAiTDT, Sitz.ber. Wien. Ak., 98 (1889). J. Clark, Rep. Brit. Assoc. (1892), p. 761; Just Jahresber. (1892), /. 530. — 2) Townsend, Jahrb. wiss. Botan., 30, 484 (1897). — 3) E. Palla, Ber. Botan. Ges., 24, 408 (1906); 7, 330 (1889)."— 4) C Acqua, Malpighia (1891), p. 3; Ann. di Bot, 8, 43 (1910). — 5) VAN WissELiNGH, Botan. Jaarboek Dodonaea (1907), p. 61. — 6) Tischlee, Ber. Königsberg, ökon. Phys. Gea. (1899). — 7) Ed. Schmid, Beihefte botan. Zentr., 20, 285 (1906). — 8) L. Büscalioni, Malpighia, 8 (1894). — 9) A. Habermann, Beihefte botan. Zentr., 20, 309 (1906). — 10) F. Czapek, Sitz.ber. Wien. Ak., 118, I, 1576 (1909). — 11) Tischler, Binlog. Zentr., 21, L'47 (1901). — 45* 708 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. MANN(1) in seinen interessanten Untersuchungen über „geformte Sekrete", treffend dargelegt haben. Strasburger (2) vertrat die Anschauung, daß bei der ersten Ausbildung der Teilungsmembran durch das aktive Filarplasma oder Kinoplasma Ausscheidung anzunehmen sei, daß aber in anderen Fällen, wie bei dem Cytoplasma, welches in die Massulablasen von AzoUa einwandert, höchstwahrscheinlich aber auch bei der Bildung der Zellhautbalken von Caulerpa, von einer direkten Verwandlung des Cyto- plasmas in Membranstoff gesprochen werden müsse. Ganz unerklärt sind schließlich auch die Bildungen der Leisten und Stacheln des Exospors bei Farnpflanzen, wie z. B. bei Marsilia(3) oder der Exine von Pollenhäuten (4), die sich anscheinend ganz außerhalb des Kontaktes mit Cytoplasma vollziehen. Für die grobhöckerigen oder schaumigen Sporendecken, die man als Perispor zusammenfaßt, hat Hannig den Zusammenhang mit den Periplasmodien der jungen Spo- rangien nachgewiesen (5). Trotzdem besteht jedoch kein Grund für die wachsende Zellmembran eine „Vitalität" anzunehmen, wie dies in neuester Zeit noch von van der Wölk (6) geschehen ist. Von großem Interesse ist für alle Falle die zuerst von Dippel(7) festgestellte Tatsache, daß beim ersten Sichtbarwerden von Membran- verdickungen am Protoplasmaschlauche selbst eine genau diesen Ver- dickungsleisten entsprechende Zeichnung sichtbar wird, was seither mehr- fach Bestätigung erfahren hat (2). So drückt der lebende Protoplast der zu bildenden Membran gleichsam seine Form auf, oder mit Biedermann zu sprechen, die Zellhaut ist ein „geformtes Sekret". Die biochemische Forschung hätte mit der Eruierung derjenigen Stoffe des Plasmas einzusetzen, welche an der Cellulosebüdung sowie an der Bildung der Zellwandstoffe überhaupt beteiligt sind. Man weiß nur so viel, daüß in vielen Fällen unverkennbar Stärkeverbrauch bei der beginnenden Membranbildung zu beobachten ist Nach den Beobachtungen von NoLL(8) sind im Zellsafte gut genährter Derbesiaexemplare Sphärite und faserartige Gebilde, beide anscheinend eiweißartiger Natur, stets zu beobachten, welche bei Verletzungen die Wundstelle verkleben. Diese Substanzen wurden von Küster (9) mit dem Wundverschlusse in bio- logischen Zusammenhang gebracht, während Noll diese Wirkung als zufällige ansieht und meint, daß es sich um Reservestoffe handle. Man könnte vielleicht an Glucoproteide denken, welche bei der Cellulose- büdung eine Rolle spielen; doch fehlen noch alle Anhaltspunkte, um wissenschaftlich brauchbare Ansichten über den Chemismus der Membran- bildung aufzustellen. 1) ßiEDEKMANN, Ztsch. allgem. Physiol. (Verworn), 2, 460 (1902). — 21 Strasburger, Jahrb. wies. Botan., j/, 573 (1898). — 3) Vgl. Strasburger, Flora, 97, 126 (1907). — 4) Z. Woycicki, Ber. Botan. Ges., 29, 636 (1911). — 6) E. Hannig, Flora, 102, 335 (1911V — 6) P. C van der Wölk, Publlcat. Bur la Physiol. V6g6t. Nymwegen (1912). — 7) Dippel, Abhandl. Naturf. Ges. Halle, 10 (1868). Crüger, Botan. Ztg. (1855), ferner die Beobachtungen von Zacha- RIA8 an Chararhizoiden. — 8) Noll, Ber. Botan. Ges., 17, 303 (1899). A. Ernst, Flora, pj, 520 (1904). — 9) Küster, Ebenda, p. 77. Klemm, Ebenda, 78, 24 (1894). Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. 709 II. Teil: Die Lipoide im Stoffwechsel der Pflanze. Abschnitt 1: Die Nahrungslipoide der Pflanzen. Die vielen fettartigen Bestandteile der Pflanzen sind chemisch und physiologisch heterogener Natur. Gemeinsam besitzen sie nur das generelle Vorkommen in jedem Zellplasma sowie die Löslichkeitsverhältnisse in der Beziehung zum Stoffaustausch der Zelle. Entstehung und Verwendung sind im übrigen bei allen diesen Stoffen, zu denen wir die eigentlichen Fette (Nahrungsfette im biologischen, Neutralfette im chemischen Sinn), ferner die Lecithide (Phospholipoide), Cerebroside, Phytosterine, Wachs- arten und Chromolipoide zählen, sehr verschieden. Am passendsten werden wir zwei biologische Gruppen formieren, die wir als Nahrungs- lipoide oder Tropholipoide, und Cytolipoide unterscheiden. Jedermann kennt die allgemeine Verbreitung der gemeinhin als „Fett" bezeichneten Stoffe, die wir als Nahrungslipoide zusammenfassen, und ihre wichtigsten chemischen Kennzeichen (1). Ebenso ist bekannt, daß es sich in den Fetten bei Tier und Pflanze um Reservestoffe handelt, welche das wichtigste Vorratsmaterial für die Energieproduktion in der Sauerstoffatmung darstellen. Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. § 1. Vorkommen und Bedeutung. Die Fette stellen unter den stickstoffreien Reservestoffen der Samen das häufigste Vorkommnis dar. Nach Nägelis eingehenden Unter- suchungen (2) dürfte bei etwa */$ aller natürlichen Phanerogamengruppen Fett als Hauptbestandteil des Samennähigewebes vorliegen. Fett und Kohlenhydrate schließen sich übrigens in ihrem Vorkommen nicht gegen- seitig aus; man kann vielfach finden, daß in Stärkesamen der Embryo reichlich Fett enthält (Gräser), oder es kommt Fett neben Stärke oder Reservecellulose in den Nährgewebszellen selbst gemeinsam vor (Myristica, manche Papilionaceen und andere). Für viele Gattungen, Unterfamilien und Familien ist der Fettgehalt des Samennährgewebes recht charak- teristisch; in anderen Fällen herrschen wieder stark wechselnde Ver- hältnisse, was aber wohl seltener ist. 1) Zusammenfassende Werke über die Chemie der Fette sind: Benedikt und Ulzer, Analyse d. Fette u. Wachsarten, 5. Aufl. (Berlin 1908). F. Ulzer u. J. Klimont, Allgem. u. physiolog. Chemie d. Fette (Berlin 1906). J. Lewkowitsch, Chemical Technology and Analysis of Oils, Fats and Waxes, 4th Edit., 3 Vols. (Lon- don 1909). A. JoLLES, Chemie der Fette, 2. Aufl. (Straßburg 1912). C. Brahm in Abderhaldens biochem. Handlexikon, j, 1 (1911). Schaedler, Technologie d. Fette, 2. Aufl. (1892). W. GUKIN, Chemie d. Fette, Lipoide u. Wachsarten (Berlin 1913), 2 Bde. — 2) Nägeli, Die Stärkekömer (1858), p. 467 ff. 710 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reßervefett der Samen. Bei NÄGELI finden sich diesbezüglich zahlreiche auf ausgedehnten mikroskopischen Beobachtungen fundierte Angaben, auf welche ich hier verweise. Es seien nur einige Hauptsachen kurz erwähnt. Unter den Gymno- spermen sind die Coniferen (ausschheßhch Gingko) mit Ölsamen typisch ausgerüstet. Bei den Monocotyledonen ist Fettgehalt des Embryos die Regel, auch wenn das Endosperm Stärke führt; häufig, wie bei der ganzen Liliiflorenreihe und den Palmen, führt das Endosperm Fett und Reserve- cellulose. Die Gräser haben meist Stärke-Endosperme, jedoch sind weiche, fettreiche Endosperme besonders bei den Aveneen, Apera, Alopecurus, Dactyhs, Lepturus usw. in einer Reihe von Fällen beobachtet (1). Unter den Archichlamydeen ist Fettnährgewebe weitaus vorherrschend in der Verwandtschaft der Salicales, Fagales usw.; die Centrospermae führen im Embryo Fett und haben Stärkeendosperm ; die Ranales haben größtenteils Fettnährgewebe; bei den Leguminosen wechselt Stärke mit Fett stark ab, die übrigen Gruppen haben meist Fettsamen. Bei den Sympetalen gehört Stärke im Nährgewebe geradezu zu den Ausnahmen. Experimentell Bedingungen herzustellen, unter welchen ein sonst Stärke führendes Nährgewebe Fett speichert (und vice versa), ist bisher nicht gelungen. Nach Nägeli kommt es aber bei keimungsunfähigen Gramineensamen mitunter vor, daß statt des normalen Stärkeendosperms ein Fettnährgewebe ausgebildet ist (Phragmites, Anthoxanthum , Alo- pecurus). Die fetthaltigen Zellen des ruhenden Samennährgewebes pflegen ein ganz anderes Bild darzubieten als wir es vom tierischen Fettgewebe kennen. Große Fettropfen oder Fettvacuolen sind in intakten Endosperm- zellen nie nachgewiesen worden. Handelt es sich um Fette von hohem Schmelzpunkt, so sieht man bei 15 — 20" G Untersuchungstemperatur in den Nährgewebszellen ansehnliche Krystallbündel oder Einzelkrystalle, wie es z. B. von Theobroma, Myristica, Bertholletia, Elaeis sehr bekannt ist. Am häufigten aber ist das Fett im Plasma in äußerst feiner, wohl amikronischer, Emulsion vorhanden, welche optisch auch bei stärksten Vergrößerungen nicht auflösbar ist [„Ölplasma" von Tschirch (2)]. Morphologisch differenzierte „Ölbildner" sind in Fettendospermen nicht vorhanden (3). Nach Eindringen von Wasser in die Zellen der Schnitte sind sofort deutliche Fettröpfchen wahrnehmbar. Hingegen konnte An- drews (4) bei ganzen Samen selbst nach 12 stündiger Quellung in Wasser durch Zentrifugieren kein Fett abtrennen. Mit mehrtägigen Keimlingen gelingt jedoch der Versuch leicht. Quantitative Verhältnisse. Bei den meist zu rein praktischen Zwecken vorgenommenen Fettbestimmungen in Samen wurde in der Regel nur das „Rohfett", d. h. die Gesamtmenge aller in Äther lösHchen Stoffe bestimmt; auch beziehen sich die Angaben vielfach auf ungeschälte Samen oder ganze Schüeßfrüchte. Für biochemische Zwecke ist natürüch die Untersuchung isolierter Nährgewebe mit Feststellung des Reinfettes er- wünscht. Bei der gebräuchhchen „Rohfettbestimmung" (5) werden 5 g möghchst fein zerriebenen Materials in eine fettfreie gewogene Papierhülse 1) M. Matlaköwna, Bull. Ac Sei. Cracovie (Mai 1912). — 2) A. Tschirch, Ber. Pharm. Ges., jo, 214. Kritzler, Aleuronkömer, Diesert. (Bern 1900). — 3) Wakker, Jahrb. wiss. Botan., 19, 455, 473, 487. — 4) F. M. Andrews, Ebenda, 38, 2 (1903). — 5) Näheres in J. König, Untersuch, landwirtsch. u. gewerbl. wicht. Stoffe, 4. Aufl. (Berlin 1911) und anderen einschlägigen Handbüchern. Methodisches femer bei C. Lehmann, Pflüg. Arch., 97, 419 (1903). W. VÖLTZ, Ebenda, p. 606. F. RUPPEL, Ztsch. f. analyt. Chem., 45, 112 (1906). § 1. Vorkommen nnd Bedeutung. 711 „Schleicher & Schüll 80x33 mm" eingefüllt und bei 90" getrocknet und gewogen. Man erschöpft nun die Probe in einem der gebräuchlichen Extrak- tionsapparate (1 ), dessen Ätherkölbchen vorher austariert wurde, durch 6 stündige Extraktion mit reinem absolutem Äther. Nach vollzogener Extraktion wird der Äther in Kölbchen verdunstet und das Kölbchen zurück- gewogen; die Gewichtszunahme ist das „Rohfett". Seine Menge ist um mehrere Trockengewichtsprozente größer als jene des Reinfettes. Man kann auch aräometrisch aus der Änderung der Dichte des Lösungs- mittels den Fettgehalt bestimmen (2). An Stelle des Äthers wurde mit Vorteil Petroläther, Tetrachlorkohlenstoff (3), oder nach Rosenfeld (4) I4stündiges Auskochen mit Alkohol und darauf folgend Gstündige Cbloro- formextraktion verwendet. Die zuerst von Liebermann (5) vorgeschlagene Methode der direkten Verseifung, welche zu tierphysiologischen Zwecken neuestens besonders von Kumagawa (6) weiter ausgebildet worden ist, schließt das Untersuchungsmaterial zunächst mit KaUlauge auf; die Seifen werden hierauf mit Schwefelsäure zerlegt, die freien Fettsäuren sodann mit Petroläther aufgenommen und entweder durch Wägung oder durch Titration quantitativ bestimmt. Auch kann man das Material zunächst nach Kuma- gawa mit Alkohol extrahieren und die Verseifung im Alkoholextrakt vor- nehmen. Die Werte aller dieser Methoden stimmen miteinander gut überein. Bei fettreichen Nährgeweben beträgt der Reinfettgehalt meist 50—70% der Trockensubstanz und kann selbst bis gegen 80% steigen. Es hat sich ergeben, daß fettreiche Samen im allgemeinen auch reicher an Eiweiß sind als Kohlenhydrat führende Nährgewebe. Dies illustrieren die nachfolgenden Zahlenwerte, welche ich dem bekannten Handbuch von König (7) entlehne: Kohlenhydrate Fett Eiweiß in Proz. d. Trockensubst. A. Kohlenhydratsamen: Triticum vulgare 68,65% 1,85% 12,04% Fagopyrum esculentum . . 71,73 1,90 10,18 Pisum sativum 52,68 1,89 23,15 Chenopodium Quinoa . . . 47,78 4,81 19,18 Aesculus Hippocastanum . 68,25 5,14 6,83 Castanea vesca 43,71 2,49 3,80 Quercus pedunculata . . . 46,83 3,08 3,26 B. Fettsamen: Linum usitatissimum . . . 23,23% 33,64% 22,57% Brassica Rapa 24,41 33,53 20,48 Papaver somniferum . . . 18,72 40,79 19,53 Cannabis sativa 21,06 32,58 18,23 Amygdalus communis . . . 7,84 53,02 23,49 Aleurites moluccana. . . . 4,88 61,74 21,38 Cocos nucifera 12,44 67,00 8,88 1) Hierzu Auld u. Pickles, Chem. News, pp, 242 (1909). — 2) L. Pouget, Monit. scient. (4), i6, II, 651 (1902). — 3) O. Ramstedt, Chem.-Ztg. (1909), p. 93. W. Glikin, Pflüg. Arch., 95, 107 (1903). — 4) G. Rosenfeld, Zentr. inn. Mediz. (1905), Nr. 14 und in Abderhalden, Handb. biochera. Arb.meth., 2, 238 (1909). — 5) L. Liebermann u. Szekely, Pflüg. Arch., 72, 360; 108, 481 (1905). — 6) M. Kumagawa u. K. Suto, Biochem. Ztsch., 8, 212 (1907). Inaba, Ebenda, p. 348. Shimidzü, Ebenda, 28, 237 (1910). Watanabe, Ebenda, 41, 71 (1912). Kumagawa, Abderhaldens biochem. Arb.meth., 5, I, 477 (1911). SzEKi:LY, Biochem. Ztsch., 42, 412 (1912). L. Berczeller, Ebenda, 44, 193 (1912). — 7) J. König, Chemie d. menschl. Nähr.- u. Genußmittel, 4. Aufl., / (Berlin 1903). 712 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. Ausnahmen, wie Pisum, Faba, Cocos, gehören zu den seltenen Fällen. Die Bedeutung dieses Verhältnisses ist noch unbekannt. Für die ökonomischen Vorteile der Fettspeicherung ist die doppelte Eignung der Fette als Substanzen von hohem Kohlenstoff- gehalt und Wärmewert einerseits und als Stoffe, welche mit den Mitteln des lebenden Organismus leicht oxydabel sind, andererseits wichtig. Hierbei kommt natürlich die Hauptbedeutung den Fettsäuren selbst zu, von denen 3 hochwertige Moleküle mit 1 Molekül Glycerin in 1 Fett- molekül zusammentreten. Bei Trioleinbildung z. B. geben 92 Gewichts- teile Glycerin (10,4% des Trioleins) mit 846 Gewichtsteilen Ölsäure, 884 Gewichtsteile Triolein und 54 Gewichtsteile Wasser. 284 g oder 1 Mol. Stearinsäure enthält ebensoviel Kohlenstoff wie 594 g oder 3 Mol. Hexose; Stearinsäure hat 76%, Traubenzucker 36,3% Kohlenstoff. Fett ist demnach eine weitaus kompendiösere Form der Kohlenstoff- speicherung. Freilich ist eine intensive Sauerstoffaufnahme zu ihrer Ausnutzung erforderlich, und es ist bemerkenswert, daß intramolekulare Atmung im sauerstoffreien Räume bei Fettsamen fast gänzlich fehlt, also eine Energiegewinnung ohne Sauerstoffaufnahme aus Fett dem Organismus nicht in der Weise möglich ist, wie aus Zucker (1). Die Verbrennungs- wärme von Fetten ist sehr hoch und erreicht fast jene der kohlenstoff- reichsten Pflanzenstoffe, wie Wachs und Terpene, die jedoch nicht als Oxydationsmaterial ausgenutzt werden können. Die Wärmewerte von Fettstoffen im Vergleiche zu anderen Bau- und Abfallstoffen des Pflanzenorganismus betragen nach den Untersuchungen von Stohmann(2) und Longuinin(3) in kleinen Calorien: Caprylsäure . . . 1138,7 cal. für 1 Mol Substanz (Longuinin) Laurinsäure . Myristinsäure Palmitinsäure Trilaurin . . . Trimjristin . . 1759,7 2061,8 2371,8 5707,7 6607,9 Für je 1 g verbrannte Substanz nach Stohma.nn in cal. Leinöl 9323 Ohvenöl . . . Mohnöl . . . Rüböl I . . . Rüböl II . . Caprinsäure . Palmitinsäure Myristinsäure Stearinsäure . Japantalg . . 9328 9442 9489 9619 8463 9226 9004 9429 8999 Myricatalg . . 8 974 Carnaubawachs 10 091 Cetylalkohol . 10 348 Terpentmöl . 10 852 Glycerin . . . Traubenzucker Rohrzucker Cellulose . Inulin . . Stärke . Eiweiß , . Asparagin Bernsteinsäure 4317 3692 3866 4146 4070 4123 5567 3428 3019 Das Auftreten der Fettsäuren als Glycerinester spielt bei diesen Ver- hältnissen eine sehr geringfügige Rolle, da bei der Bildung der Fette aus 1) GODLEWSKI u. PoLSZENrosz, Üb. d. intramolekulare Atmung u. Alkohol- bildung (1901), p. 256. — 2) F. Stoömann, Journ. prakt. Chem., ig, 115 (1879); 31, 273 (1885); Ztsch. f. Biolog., 13, 364 (1894). — 3) W. Longuinin, Compt. reud., J02, 1240 (1886). Vgl. H. C Sherman u, J. F. Snell, Chem. Zentr. (1901), /, 1179. § 2. Das Reinfett u. seine Beimengungen. Physikal. Eigenschaften der Fette. 713 Säuren und Glycerin, und bei der Verseifung der Fette nur ein relativ kleiner Energieumsatz stattfindet. Historisches. Die chemische Erforschung der Pflanzenfette be- gann 1784 mit der Entdeckung des Glycerins als Fettbestandteil durch Scheele (1) und den gleichzeitig angestellten Verbrennungsanalysen von Fetten durch Lavoisier. Fourcroy unterschied erstarrende und trock- nende Öle (2). Die Bedeutung der Öle als Reservestoffe wurde, wie Sene- BiERs (3) Darstellung zeigt, damals noch nicht erkannt, und noch de Can- DOLLE (4) war bezüghch der Bedeutung der Pflanzenfette als Reservestoffe unsicher. Bestimmter tritt die richtige Anschauung bezüglich der bio- chemischen Rolle der Fette erst bei Treviranus und besonders bei Meyen(5) auf. Durch die zahlreichen glänzenden Arbeiten Chevreuls (6) wurde gezeigt, daß in den Fetten das Glycerin an eine Reihe von Säuren gebunden ist, von welchen er die Ölsäure, Margarinsäure und Stearinsäure unter- schied. Die zweitgenannte wurde erst viel später durch Heintz (7) als ein Gemenge von Stearinsäure mit der im Palmöl durch Fremy entdeckten Palmitinsäure erkannt. Cheväeul verdankt man auch die Kenntnis von der Natur und den Eigenschaften der fettsauren Alkalien oder Seifen; er lehrte endUch noch die Eigenschaften der Buttersäure, Capronsäure und Caprinsäure kennen. § 2. Das Reinfett und seine Beimengungen. Physikalische Eigen- schaften der Fette (8). Das Ätherextrakt aus Fettendospermen enthält außer dem „Reinfett" eine große Menge verschiedener Stoffe, worunter wohl stets Lecithide, Phytosterine und eine geringe Menge von Fettfarbstoffen zu finden sind, außerdem mehr oder weniger verbreitet: Terpene, Harze, Benzol- derivate, Glucoside, Pyridinderivate und andere Pflanzenalkaloide, Purin- basen, organische Säuren, Farbstoffe, auch mitunter Chlorophyll, ja auch sehr geringe Mengen stickstoffhaltiger Substanzen, worunter van Ketel(9) Enzyme (Emulsin) nachwies. Die Gesamtmenge dieser Bei- mengungen übersteigt, soweit bekannt, nicht 3% des Extrakttrocken- gewichtes. Man vermindert das „ätherlösliche Nichtfett" merklich, wenn man nach Draggendorffs Vorschlag (10) zuerst Petroläther (Kp unter 45«' C) als Extraktionsmittel anwendet, welcher viele harzartige äther- lösliche Stoffe ungelöst läßt; das Petrolätherextrakt kann man überdies noch mit Wasser ausschütteln. Wichtig ist für die Fettanalyse die Abscheidung aller unverseif- baren Stoffe durch Anwendung einer geeigneten Verseifungsmethode. 1) Scheele, Grelle Ann. (1784), /, 99. Auch J. D. Brandts, Commentatio de oleorum natura (1875), wies Glycerin in allen Pflanzenfetten nach. — 2) Vgl. auch CORNETTE, Crells Ann. (1786), //, 437. — 3) J. Senebier, Physiolog. v^g?t. 2, 370 (1800). — 4) A. F. de Candolle, Pflanzen physiologie, deutsch v. Köper, /, 268 (1833). — 5) L. Chr. Treviranus, Physiol. d. Gewächse, 2, 46 (1838). F. J. F. Meyen, Neues System d. Pflanzenphysiol., 2, 293 (1838). — 6) Chevreül, Ann. de Chim. (1), 88, 225 (1815); Schweigg. Journ., 14, 420 (1815); Ann. de Chim. et Phys. (2), 2, 339 (1816); 7. 155 (1817); /ö, 197 (1821); 23, 16 (1823); Schweigg. Journ., J9, 172 (1823). J. Moleschott, Physiologie d. Stoffwechsels (1851), p. 134. — 7) W. Heintz, Pogg. Ann., 87, 553 (1852); 89, 579 (1853). — 8) Hierzu F. Röhmann in Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 199 (1909). — 9) B. A. van Ketel, Chem. Zentr. (1895), //, 549. — 10) Draggendorff, Qualit. u. quantit. Analyse von Pflanzen (1882), p. 7. 714 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reeervefett der Samen. Damit eliminiert man die Phytosterine, Fettalkohole, Alkaloide, Lipo- chrome und andere Beimengungen. Die Gesamtmenge der unverseif- baren Stoffe eruiert man nach der von König gegebenen Vorschrift folgendermaßen: 10 g Substanz werden in einer Porzellanschale mit 5 g KOH und 50 com Alkohol 15 Minuten auf dem kochenden Wasser bade erhitzt; man verdünnt hierauf die Lösung mit dem gleichen Volumen Wasser und schüttelt mit Petroläther (Kp unter 80°) aus. Der Petroläther wird mit Wasser ge- waschen, verdunstet und der Rückstand als „un verseif bar" in Rechnung gestellt. Im verseifbaren Anteile des Rohfettes begegnen wir außer den Fett- säuren und Fettsäureglyceriden selbst, den Lecithinen und Harzsäuren. Zur Abtrennung der Harze und Harzsäuren kann man die Eigenschaft vieler dahin gehöriger Stoffe benützen, sich aus kaltem 70%igem Alkohol durch Zusatz von verdünnter Salzsäure abzuscheiden (1). Der Verseifungsprozeß wird meist durch heiße alkoholische Natron- lauge vollzogen. König gibt folgende Vorschrift: 3— 4 g Fett sind in einer Porzellanschale von etwa 1-0 cm Durchmesser mit 1—2 g NaOH und 50 ccm Alkohol zu versetzen und unter öfterem Umrühren 15—30 Minuten auf dem Wasserbade bis zur vollständigen Verseifung zu erwärmen. Weniger gut ist die Verseifung durch längeres Stehen in der Kälte (2). TreffUch für biochemische Untersuchungen geeignet ist die zuerst von Kossel und Obermüller (3) vorgeschlagene Verseifung mit Natriumäthylat. Nach der von Kossel und Krüger (4) herrührenden Vorschrift werden 5 g Fett mit 10 ccm absolutem Alkohol auf dem Wasserbade gelöst, hierauf 10 ccm einer 5%igen Lösung von metalhschem blanken Natrium in absolutem Alkohol (frisch bereitet!) hinzugefügt und eingedunstet. Der Prozeß ist nach 12 Mi- nuten beendet und alles Fett verseift. Auch für mikrochemische Unter- suchungen läßt sich diese Methode nach eigener Erfahrung ausgezeichnet verwenden. Zur Abscheidung der Seifen aus wässeriger Lösung wendet man Aussalzung an. Die zu den nicht verseifbaren Anteilen des Rohfettes gehörenden gelben und rotgelben Fettfarbstoffe oder Lipochrome sind in der Regel in viel zu kleiner Menge vorhanden, als daß sie sich leicht isoUeren üeßen. Manche Palmenfette sind lebhaft orangegelb gefärbt; ferner ist von Schröt- TER (5) reichhches Vorkommen von krystalhsierbarem Lipochrom im Arillar- fett der Samen von Intsia (Afzeüa) cuanzensis (Leguminosae) angegeben worden ; es scheint sich hier um eine Substanz der Carotingruppe zu handeln, welche, abweichend vom gewöhnhchen Vorkommen, nicht an Chromato- phoren gebunden, sondern im Fett gelöst reichUch auftritt. Nach BoucHARDAT (6) ist in Fetten nach der Verseifung ein schwach reduzierender und eine Phenylhydrazinverbindung gebender Stoff C18H28O4 nachzuweisen. Auch stickstoffhaltige Substanzen sind beigemengt. 1) Über Trennung von Fettsäuren u. Harzen: Bakfoed, Ztsch. analyt. Chem., 14, 20 (1875). Draggendorff, 1. c, p. 109. Zum Nachweis von Harzen empfiehlt Malacarne, Chem. Zentr. (1903), /, 1440, die LiEBERMANNsche Cholestolprobe. — 2) R. Henriqües, Ztsch. angewandt. Chem. (1895), p. 721; (1896), p. 221; (1897), p. 366. D. Holde, Chem. Zentr. (1896), //, 142. — 3) A. Kossel u. K. Ober- MtJLLER, Ztsch. physiol. Chem., 14, 599 (1890). — 4) Kossel u. M. KRtJGER, Ebenda, /5, 321 (1891). Henr. Bull, Chem.-Ztg., 23, 1043 (1899); 24, 814 (1900). — 5) H. V. Schrötter-Kribtelli, Botan. Zentr., <5/, 33 (1895); Sitz.ber. Wien. Ak. (1893). — 6) G. BouCHARDAT, Compt. rend., 154, 1620 (1912). § 2. Das Reinfett u. seine Beimengungen. Physikal. Eigenschaften der Fette. 715 Die meisten Nährgewebsfette sind bei 15 — 20° C viscose Flüssig- keiten, im Gegensatze zu der Mehrzahl der Tierfette, welche bei Zimmer- temperatur salbenartige bis feste Konsistenz besitzen. Bekanntlich hängt dies mit dem reichlichen Gehalte der Pflanzenfette an ungesättigten Fettsäuren zusammen, was schon Chevreul angegeben hatte. Doch fehlt es auch nicht an pflanzlichen Fetten, welche bei 15—20" C feste Massen bilden. Im allgemeinen kommen Fette mit höherem Erstarrungs- punkt und Schmelzpunkt nur in Samen tropischer Gewächse vor. Samen- fett von niedrigem Schmelzpunkt enthalten Pflanzen gemäßigter Klimate ebensowohl wie solche aus heißen Klimaten. Bisher ist noch nicht untersucht worden, ob eine direkte Anpassung in der genannten Hinsicht bei Kultur einer Pflanzenart in gemäßigtem und heißem Klima möglich ist. Als Beispiele führe ich an: Nicht tropische Samenfette F Lallemantia iberica .... — 34° bis — 35° Pinus silvestris — 30° Juglans regia — 26° „ — 28° Cannabis sativa —25° „ — 28° Nicotiana tabacum .... — 25° Papaver somniferum ... — 17,7° „ — 20° Helianthus annuus .... — 16° „ — 18,7° Linum usitatissimum ... — 12° „ — 27,5° Vitis vinifera — 11° „ — 17° Amygdalus communis ... — 10° ,, — 25° Cucurbita pepo — 15° Brassica rapa — 10° „ — 1° Olea europaea — 6° ,, + 4° unter -16° - 5° Tropische Samenfette F Aleurites cordata . . Croton tigüum . . . Thea sinensis . . . Arachis hypogaea Bertholletia excelsa . Sesamum indicum . Gossypium herbaceum Aleurites moluccana. Telfairia pedata . . Carapa guyanensis . Cocos nucifera . . . Theobroma Cacao. . Allanblackia Stuhlmanni Myristica fragans . . . bis + 2,5° 1° 0° 2° 0° + 7° + 10° + 20° + 30° + 40° + 45° -17° -13° - 7° - 5° - 2° + 28° + 34,5° + 51° Der Erstarrungspunkt der verflüssigten Fette liegt in der Regel tiefer als der Schmelzpunkt des erstarrten Fettes; der Unterschied ist um so größer, je höher der relative Gehalt des Fettes an Stearin und Palmitin ist. Für Kakaobutter z. B. beträgt die Differenz zwischen E und F mindestens 5° C. Manche Fette zeigen die merkwürdige Eigenschaft, doppelten Schmelzpunkt 716 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. zu besitzen (1), was wahrscheinlich auf die Existenz fester und flüssiger Modifikationen zurückzuführen sein wird (2). BezügUch der Methoden zur Schmelzpunkt- und Erstarrungspunktbestimmung bei Fetten sei besonders auf die Zusammenstellungen von König (3) hingewiesen. Man hat bei flüssigen Fetten auch vielfach zu praktischen Zw^ecken Viscositätsbestim- mungen ausgeführt, über deren Resultate und Methodik z. B. das bekannte Werk von Benedikt und Ulzer Auskunft gibt. Das spezifische Gewicht der Samenfette wird bei Ib^ C meist zu etwa 0,92 gefunden ; es sinkt selten unter 0,9 und erreicht niemals 1,0. Die höchsten Werte besitzen stearinreiche Fette, worunter Theobroma Cacao bis 0,976, Myristica fragrans bis 0,995 erreicht. Näheres in der angefügten Übersichts- tabelle und in den Werken von König und von Benedikt-Ulzer. Das optische Verhalten der Fette ist in bezug auf Brechungsindex im verflüssigten Zustande und in bezug auf optische Aktivität von Interesse. Die meisten Samenfette haben einen Brechungsindex von 1,42—1,49 (4). Eine Wirkung auf die Schwingungsebene polarisierten Lichtes ist bei Fetten meist sicherzustellen (5). Einige Öle, wie Ricinusöl (od = + 40,7**) und Crotonöl (an -f- 42,65*') sind stark rechtsdrehend. Die meisten Fette drehen nur- schwach rechts oder links. Ihre optische Aktivität dürfte meist mit ihrem Gehalte an Phytosterin und Lecithin zusammenhängen. Das ultramikroskopische Verhalten von kolloiden Fettlösungen (Oleo- solen) haben Schneider und Just studiert (6). Wahrscheinlich sind selbst die Lösungen von Fett in organischen Solventien als Kolloidlösungen (Organo- sole) und nicht als echte Lösungen aufzufassen (7). Zur physikaUschen Chemie der physiologisch wichtigen Ölemulsionen sind die Darlegungen von Ellis (8) zu vergleichen. Die chemischen Eigenschaften der Fette. Trotz der oft sehr differenten physikalischen und chemischen Eigen- schaften der Pflanzen- und Tierfette schwankt deren prozentische Zu- sammensetzung aus C, H und 0 in relativ engen Grenzen. In den Zusammenstellungen bei König finde ich den relativ niedrigsten C-Gehalt beim Ricinusöl (74,0%), welches zugleich mit 15,71% 0 das sauerstoff- reichste Pflanzenfett darstellt; den höchsten C-Gehalt bei der stearin- reichen Kakaobutter mit 78,01%, welche nur 9,66% 0 enthält. Die Zahlen für Wasserstoff bewegen sich zwischen 10,26 % bei Ricinus und 13,36 % bei Brassica Rapa. Der C-Gehalt schwankt von 9,43 % (Brass. Rapa) bis 15,71 % (Ricinus). Für Tierfette gibt König 76,5—76,61 % C, 11,9-12,03% H und 11,36—11,59% 0 an. 1) Vgl. H. Kreis u. Hafner, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 5, 1122 (1902). — 2) Ad. Grün. Ber. Chem. Ges., 45, 3691 (1912). - 3) Ferner E. Cablinfanti, Gazz. chim. ital., 39, II, 353 (1909).| Prouzergüe, Chem. Zentr. (1912), /, 1150. A. Shukoff, Chem.-Ztg., 25, HH (1901). Le Chateuer u. Ca- VAIGNAC, Compt. rend., /5Ö, 589 (1913). — 4) F. Strohmer, Chem. Zentr. (1889), //, 213. Kefraktionskonstanten: J. Klimont, Ztsch. angewandt. Chem., 24, 254 (1911). R. K. Dons, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 13, 257 (1907). — 5) W. Bishop, Hilgers Vierteljahr, üb. d. Fortschr. d. Chem. d. Nähr.- u. Genuß- mittel, 2, 528 (1887). P^TER, ßuU. Soc. Chim., 4S, 483 (1887). M. Rakusin, Chem. Zentr. (1905), //, 523. — 6) Schneider u. Just, Ztsch. wiss. Mikrosk., 22, 481 (1906). — 7) S. LOEWE, KoU. Ztsch., //, 179 (1912). Adsorption: Loewe, Biochem. Ztsch., 42, 190 (1912). — 8) R. Ellis, Ztsch. physik. Chem., 80, 597 (1912). Ober- flächenspannung von Seifenlösungen: Bottazzi, Rend. Acc. Line. Roma (1912), p. 365. § 3. Die chemischen Eigenschaften der Fette. 717 Die kryoskopische Molekulargewichtsbestimmung bei Fetten be- handelt Normann (1). Die weitaus überwiegenden Bestandteile von Pflanzenfetten sind bekanntlich Ester des Glycerins mit Fettsäuren. Seifen oder fettsaure Salze von Alkalimetallen sind möglicherweise in Pflanzenzellen in geringer Menge vorhanden, aber noch nicht nachgewiesen. Die auffallende Angabe von Hf:BERT(2) über Vorkommen von Kaliumoleat im Fruchtsaft von Musa paradisiaca ist noch nicht näher geprüft worden. Bis in die neueste Zeit war man der Ansicht, daß die Pflanzen- fette normale dreifache Ester des Glycerins mit einer einzigen Fettsäure seien. Es treten jedoch immer mehr Tatsachen zutage, welche lehren, daß gemischte Glyceride sehr verbreitet im Pflanzenorganisraus vorkommen. Heise, Klimont, Kreis und andere Chemiker (3) fanden Oleodistearin in Fett von Allanblackia Stuhlmanni, Garcinia indica, Theobroma Cacao, Shorea, Mangifera indica; Oleodipalmitin im Fett von Sapium sebiferum, Theobroma Cacao. Auch in Tierfetten sind Mischglyceride bereits nach- gewiesen. Mischglyceride sind nicht leicht verseifbar, werden schwer ranzig; nach dem Schmelzen und Wiedererkalten hat die Substanz einen variablen Schmelzpunkt im Gegensatz zum krystallisierten Ausgangs- material. Dreifach gemischte Glyceride wurden auch bereits synthetisch dargestellt (4). Die Chemie der Monoglyceride und Diglyceride hat für die Kenntnis der Fette noch keine Bedeutung gewonnen, weil sich un- gesättigte Glyceride als natürliches Vorkommnis noch nicht nachweisen ließen. Das Dierucin aus altem Rüböl ist nur ein Produkt der Zer- setzung (5). Die Angabe von Kassner (6), wonach das fette Öl der Hirse kein Glycerid sei, ist unbestätigt geblieben. Die Glycerinfettsäure-Ester werden durch Basen und Säuren schon in der Kälte und sehr rasch bei höherer Temperatur gespalten. Wie bekannt verfügt die Pflanze auch über fettspaltende Enzyme (Lipasen). Wasser allein spaltet bei 200® Fette schnell auf. Triolein ist schwerer verseifbar als andere Glyceride. Wenn sich auch die Intermediärprodukte nicht immer leicht nachweisen lassen, so sprechen doch theoretische Gründe (7) dafür, daß der Abbau stufenweise erfolgt, so daß bei der Verseifung ungesättigte Glyceride entstehen, welche sukzessive vollständig zerfallen. Bei der Verseifung mit Äthylnatrium entstehen zunächst Glycerinnatrium und Fettsäureäthylester, welche sich sodann mit Wasser in NaOH, Glycerin, Äthylalkohol und Fettsäure umsetzen (8). Bei der alkalischen Spaltung von Rüböl in alkoholischer Lösung wurde reichliche 1) W. Normann, Chem.-Ztg., j/, 211 (1907). — 2) Hubert, Bull. Soc. China. (1896), p. 17. — 3) R. Heise, Arbeit, kais. Gesundh.amt Berlin, 12, 540 (1896); 13, 302 (1897). Henriques u. Könne, Ber. Cham. Ges., 32, 387 (1899). J. Klimont, Ebenda, 34, 2636 (1901); Monatsh. Chera., 23, 51 (1902); 24, 408 (1903); 25, 929 (1904); 26, 563 (1905); jo, 341 (1909). H. Kreis u. Hafner, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, (CH2),-CH J-CH J I I (CH)2-C00H (CH2)7.COOH Linolsäure addiert dementsprechend 4 J, Linolensäure 6 J. Zur praktischen Verwendung dieser Reaktion dient das bekannte Verfahren nach HÜBL (8), wonach zu einer in Chloroform gelösten bestimmten Menge Fett das Jodreagens im Überschusse zugesetzt wird, und der noch vor- handene Jodüberschuß nach längerem Stehen zurücktitriert wird. Nach Waller dient als Jodlösung, eine Lösung von 25 g J und 30 g HgClg in 1000 Teilen 95%igem Alkohol -f 5% rauchender HCl (D 1, 19). Die „Jod- zahl" ist die vom Fett absorbierte Jodmenge in Prozenten der Fettmenge. Bei sehr langer Einwirkungsdauer der Jodlösung steigt die Jodzahl, wes- wegen man die Zeit der Einwirkungsdauer anzugeben hat (9). Die Jodzahl gibt ein Maß für die Quantität der in dem Fett enthaltenen ungesättigten Säuren, ohne daß eine analytische Abtrennung der letzteren nötig wäre. Nach Arnaud entstehen bei Behandlung der Jodfettsäureadditionsprodukte mit alkalischer Kalilauge neben der ursprünglichen Fettsäure auch Oxy- derivaLe. Die Addition von Brom ergibt „Bromzahlen" der Fette, welche jedoch bisher wenig verwendet worden sind (10). Man kennt ferner auch Schwefeladditionsprodukte der ungesättigten Säuren (11). 1) Farnsteiner, Chem. Zentr. (1898), //, 392; (1899), /, 545; (1903), /, 898. DE KONINGH, Hilgers Vierteljahrsschr. (1892), p. 415. G. B. Neave, The Analyst, 37, 399 (1912). — 2) David, Compt. rend. (1910). — 3) R. Beer, Lotos (1912), p. 117. — 4) Facchini u. Dorta, Chem. Rev. Fett- u. Harzindustr., ;p, 77 (1912). — 5) Heiduschka u. Burger, Ztsch. öff. Chem., 19, 87 (1913). — 6) Hehner, Ztsch. analyt. Chem., 16, 145 (1877). — 7) Holland, Journ. Ind. and Eng. Chem., 3, 171 (1911). — 8) Jodzahl: HÖBL, Dingl. polytecbn. Journ., 253, 281 (1884). Waller, Chem.-Ztg. (1895), p. 1831. Mascarelij u. Blasi, Gazz. chim. ital., 37, I, 113 (1907). J. A. WiJS, Ber. Chem. Ges., j/, 750 (1898). Er. Richter, Ztsch. angewandt. Chem., 20, 1605 (1907). Borde, Chem. Zentr. (1910), /, 383. Arnaud u. P08TERNAK, Compt. rend., 149, 220 (1909); 150, 1130, 1525 (1910). — 9) PoNZio u. Gastaldi, Gazz. chim. ital., 42, H, 92 (1912). — 10) Hehner, Chem. Zentr. (1895), /, 813; //, 467; (1897), /, 775. F. Telle, Journ. Pharm. Chim. (6). 2/, 111, 183 (1905). Vaubel, Ztech. angewandt. Chem., 23, 2077 (1910). Sprinkmkyer u. D1EDRICH8, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 23, 679 (1912). — 11) Alt- SCHUL, Ztsch. angewandt. Chem. (1895), p. 535. Henriqües, Ebenda, p. 691. 730 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. Aus der Jodzahl berechnet man unter der (häufig ganz unzutreffenden) Voraussetzung, daß die Ölsäure die einzige quantitativ in Betracht kommende ungesättigte Fettsäure ist, die Menge der ungesättigten Säuren durch Multi- plikation mit dem Faktor 1,163. Bei Einwirkung von salpetriger Säure in statu nascendi gehen die Gheder der Ölsäurereihe leicht in stereoisomere Säuren von viel höherem Schmelzpunkt über: ,,Elaidinprobe" (1). Ölsäure üefert hierbei Elaidin- säure (F 44—45») ^(CH2),.C00H CHg •(CH^), H -> (GH2)7.COOH CH3-(CH2)7. Erucasäure gibt Brassidinsäure (F 56-60») (2): CigHsg- H- -C-H II ^ -C-COOH II COOH-C-H Aus Hypogäasäure erhält man Gaidinsäure (F 39»), aus Taririnsäure nach Arnaud und Posternak Tarelaidinsäure. Dieselben Autoren zeigten, daß man durch Dehydrierung von Stearinsäure Elaidinsäure, durch die ent- sprechende Operation aus Behensäure Brassidinsäure gewinnt. Durch H2SO4 erhält man bei Ölsäure und Elaidinsäure dieselbe Oxystearinsäure, mit alkahschem KMnOi jedoch verschiedene Dioxystearinsäuren aus beiden Isomeren (3). Die Elaidinprobe stellt man an, durch Zusatz einer konzentrierten KNOg-Lösung und vd. H2SO4, oder durch Schütteln des Öls mit HNO3 und etwas Quecksilber oder noch besser Kupferspänen. Ölsäurereiche Fette werden nach 1—3 Stunden fest. Etwa vorhandenes Linolein scheidet sich aus der festen Masse als darüberstehende Ölschicht aus. Die Probe fällt auch mit Oxyölsäuren positiv aus: Ricinolsäure geht mit HNOg in die Stereo-isomere Ricinelaidinsäure (F 53») über. Die Säuren mit zwei und mehreren Doppelbindungen geben die Elaidinreaktion nicht. Hier lassen sich aber nach Hazura(4) die Oxy- dationsprodukte mit KMn04 ^^ei alkaUscher Reaktion zur Trennung und Charakterisierung der Säuren benützen. Ölsäure bildet in dieser Reaktion Dioxystearinsäure : CH3.(CH2), H >C = C< +02-> H ^ ^(CHg)., COOH -> CH3.(CH2)7-(CHOH)2-(CH2)7.COOH 1) Entdeckt von F. Boudet, Schweigg. Journ. Chem., 66. 186 (1832). Lau- rent, Ann. de Chim. et Phys. (2), 65, 149; 66, 154 0837). Fokin, Chem. Zentr. (1910), //, 1747. Gawalowski, Ebenda (1905), /, 804. Arnaud u. Posternak, Compt. rend., 150, 1130 u. 1245 (1910). In der Ölsäurereihe ist aber nach Fokin, Chem Zentr. (1912), //, 2058, auch die Stelle der Doppelbindung in der Kohlenstoff- kette von Einfluß auf den krystallinischen oder flüssigen Charakter der Säure. — 2) Holt, Ber. Chem. Ges., 25, 961 (1892). Albitzky, Chem. Zentr. (1903), /, 318. — 3) TscHERBAKOFF u. Saytzeff, Joum. prakt. Chem., 57, 27 (1898). Shukoff u. ScHETAKOFF, Ebenda, 67, 414 (1903). Saytzeff, Jahresber. Agrik.chem. (1886), p. 297. Holde u. Mabcusson, Ber. Chem. Ges., 36, 2657 (1903). — 4) K. Hazura, Monatsh. Chem., g, 180, 198 (1888). § 5. Das Glycerin der Samenfette. 731 und zwar gleichzeitig zwei isomere Dioxystearinsäuren als Hauptprodukt»', dann Azelainsäure, Pelargonsäure und Oxalsäure (1). Linolsäure lieiert unter den gleichen Bedingungen Tetraoxystearinsäure oder Sativinsäure C17H31— (0H)4-C00H. Aus Linolensäure entsteht analog Hexaoxysteariu- säure oder Linusinsäure. Zur Ermittlung des Gehaltes an Linolensäure dient, wie Hehner und Mitchell (2) gezeigt haben, treffüch die Darstellung des schwerlöslichen Hexabromids durch Sättigen mit Brom unter Eiskühlung, wobei sich nach mehrstündigem Stehen die Bromide abscheiden. Man wäscht den Niederschlag mit gekühltem Äther aus und bestimmt ihn durch Wägung. Diese ,,Hexabromidzahl" kann man auch aus dem unverseiften Fett ermitteln. Nach Eibner und Muggenthaler sind die Hexabroraid- zahlen von Mohnöl 0, chinesischem Holzöl 0, Perilla nankingensis 64,12, Okumi 60,98, Rüböl 6,34, Soja 7,17, Leinöl 51,73-57,96. Über die Sauer- stoffabsorption bei trocknenden Ölen und deren quantitative Bestimmung mögen die Angaben von Wilson und Heaven (3) eingesehen werden. Ricinusöl liefert mit alkalischem KMn04 zwei Trioxystearinsäuren von differentem Schmelzpunkt, woraus man auf die Existenz zweier isomerer Säuren im Ricinusöl schUeßen wollte. Mit überschüssiger H2SO4 liefert Ricinolsäure Dioxystearinsäure und reichlich deren Anhydrierungsprodukte als H2S04-Ester (4). Bei Oxydation der Ölsäure mit CrOg in eiseesigsaurer Lösung tritt erst grüne, dann kirsch- rote Farbenreaktion ein mit charakteristischem Absorptionsspektrum (5). Praktische Anhaltspunkte für die Ermittlung des Gehaltes von Fetten an Oxysäuren gewährt die Bestimmung der „Acetylzahl" nach Benedikt- Ulzer, wobei man die Differenz der Verseifungszahlen der freien Fettsäuren vor und nach der Acetylierung ermittelt (in Milligramm KOH pro 1 g Fett) (6). Genauere Details über die anzuwendende Methodik findet man in den zitierten Werken von König, Röhmann und in den angeführten Original- arbeiten. §5. Das Glycerin der Samenfette. Das Glycerin, dessen chemische Eigenschaften hier als bekannt voraus- gesetzt werden (7), gewinnt man aus dem Verseifungsgemisch der Fette leicht, indem man die Seifen aussalzt, das Filtrat vom Seifenniederschlag 1) F. Edmed, Journ. Cham. Soc, 73, 627 (1898). Dioxystearinsäure als Produkt der Fettoxydation im Ackerhumus: O. Schreiner u. Shorey, Journ. Amer. Chem. See, 30, 1599 (1908). — 2) O. Hehner u. C A. Mitchell, The Analyst, 23, 310 (1898). H. Sprinkmeyer u. A. Diedrichs, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 23, 679 (1912). Eibner u. Muggenthaler, Farbenztg., 18, 131 (1913). — 3) Wilson u. Heaven, Journ. Soc. Chem. Ind., j/. 565 (1912). — 4) Ad. Grün, Ber. Chem. Ges., 39, 4400 (1906). — 5) Lifschütz, Ztsch. physich Chem., s^, 446 (1908). — 6) Benedikt u. Ulzer, Monatsh. Chem., 8, 41 (1887). Lewkowitsch, Chem. Zentr. (1890). //, 855; (1897), //, 395- Willstätter, Ber. Chem. Ges., ^5, 2827 (1912). Normann, Chem. Rev. Fett- u. Harzindustr., 19, 205 (1912). Hierbei ist zu beachten, daß nach dem Verfahren von Lewkowitsch Acetolyse stattfindet. — 7) Das von Scheele entdeckte „ölsüß" wurde von J. Pelouze, Ann. de Chim. et Phys. (2), 63, 19 (1836), neuerlich studiert. In krystallisiertem Zustand schmilzt es bei 13—15"' [Chem. Zentr. (1891), //, 374]. Mit schmelzendem Ätzkali liefert es Wasserstoff^ Essigsäure, Ameisensäure (beide aus der intermediär auftretenden Acryl- säure stammend), Buttersäure und Milchsäure: E. Herter, Ber. Chem. Ges., //, 1167 (1878). Die wichtige und interessante Oxydation von Glycerin mit H^G, und etwa« Ferrosulfat Hefert Dioxyaceton und Glycerinaldehyd: H. Fenton u.' H. Jackson. Chem. Zentr. (1898), //, 1011. 732 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. vorsichtig eindampft und den Rückstand mit Ätheralkohol extrahiert; der sirupöse Rückstand enthält das Glycerin. Qualitativ wird Glycerin gut erkannt durch seine Eigenschaft bei trockener Destillation oder bei Behand- lung mit wasserentziehenden Agentien bei höherer Temperatur, Acryl- aldehyd oder Acrolein zu liefern : GH >CHOH = ^CH+2H20 CHgOH^ COH-^ Zur Anstellung der „Acroleinprobe" (1) wird am besten die Substanz mit der doppelten Menge feingepulverten KHSO4 vermischt, sodann in ein Röhrchen eingefüllt, durch dessen Kork ein gebogenes Glasrohr führt, und bis zum lebhaften Schäumen auf dem Sandbad erhitzt. Das gebogene Glasrohr mündet in ein gekühltes Reagensglas, worin sich das Acrolein kondensiert. Acrolein hat einen eigentümhch stechenden Geruch, reduziert ammoniakahsches AgNOg sehr stark in der Kälte und gibt mit Piperidin und Nitroprussidnatrium eine blaue Färbung (2). Borax mit Glycerin be- feuchtet erzeugt grüne Flammenfärbung (3). Eine weitere Reaktion ist die „Glycerein probe" nach Reichel(4). Dieselbe ist schon bei Anwendung von 2 Tropfen fetten Öles deuthch. Man erwärmt die Probe vorsichtig mit der gleichen Menge Phenol und konzentrierter H2SO4, bis sich in der Schmelze feste Massen bilden; schüttelt vorsichtig mit etwas kaltem Wasser aus und setzt zum Rückstande einige Tropfen Ammoniak zu, worauf Rotfärbung eintritt. Quantitative Glycerinbestimmungsmethoden sind in größerer Zahl angegeben, jedoch alle mehr oder weniger ungenau und umständlich. Hierher gehört die BenzoyUerungsmethode von Dietz (5), ferner einige Methoden, welche das vorhandene Glycerin vollständig oxydieren und den Überschuß des Oxydationsmittels zurücktitrieren [Permanganatverfahren von Bene- DlKT-ZsiGMOND Y (6), Bichromatmethode von Hehner(7)]; ferner die Acety- Kerungsmethode von Lewkowitsch (8) und die sehr exakte Methoxyl- methode von Zeisel und Fanto (9), wonach das Glycerin durch über- schüssigen JH in der Hitze in Isopropyljodid übergeführt wird, welches sich durch Umsatz mit AgNOj genau bestimmen läßt. Sehr kleine Glycerin- mengen bestimmt NiCLOUX(IO), indem er 5ccm der zu untersuchenden Flüssig- keit mit 5— 7ccm konzentrierter H2SO4 mengt und solange KgCrgO^-Lösung (19 g im Liter) aus einer Bürette zufließen läßt bis die Farbe der zum Sieden erhitzten Flüssigkeit aus Blaugrün nach Gelbgrün umschlägt. Lösungen, die über 0,1% Glycerin enthalten, sind zu verdünnen. Lecco(II) schlug 1) Hierzu Grünuttt, Ztsch. analyt. Chem., 3S, 37 (1898). Anwendung von Borsäure statt H^SO^ bei der Reaktion: Wohl u. Neuberg, Ber. Chem. Ges., 32, 1352 (1899), Entdeckung der Reaktion durch Brandes: Redtenbacheb, Lieb. Ann., 47, 113 (1843). Oechsner de Coninck, Bull. Ac. Roy. Belg. (1912), p. 524. Ga- NAS8INT, Biochem. Zentr., 14, 772 (1912). — 2) Lewin, Ber. Chera. Ges., 32, 3388 (1899). — 3) Senier u. Loew, Ebenda, //, 1268 (1878). — 4) Hierzu Donath u. Mayrhofer, Ztsch. analyt. Chem., 20, 379 (1882). ' A. Meyer, Flora (1899), p. 436. — 5) R. Dietz, Ztsch. physiol. Chem., //, 472 (1887). — 6) Benedikt u. Zsigmondy, Chem.-Ztg., p, 975. Mangold, Ztsch. analyt. Chem., 31, 718 (1892). — 7) O. Hehner, Ber. Chem. Ges., 22, Ref. 605 (1889). Gantter, Ztsch. analyt. Chem., 34, 421 (1895). Probeck, Joum. Ind. and Eng. Chem., j, 253 (1911). — 8) Lew- kowitsch, The Analyst, 26, 35 (1901). — 9) S. Zeisel u. R. Fanto, Ztsch. landw. Versuchswes. Österr., 5, 729 (1902). Willstätter u. Madenaateitia, Ber. Chem. Ges., 45, 2825 (1912). — 10) M. NiCLOUX, Bull. Soc. Chim. (3), /;, 455 (1897); 29, 245 (1903). — 11) Lecco, Ber. Chem. Ges., 25, 2074 (1892). Dreiundzwanuigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung. 733 vor, 10 ccm der zu prüfenden Substanz mit 1 g getrocknetem Ätzkalkpulver gut zu mischen, 10 g Quarzsand zuzusetzen und auf dem Wasserbade fast bis zum Eintrocknen zu verdampfen. Der Rückstand werde 4— 5 mal mit heißem absolutem Alkohol extrahiert und die gesammelten Auszüge werden in ein 100 ccm-Kölbchen filtriert; nun dampfe man das Filtrat ein, löse den Rückstand in 5 ccm Alcohol absol., setze 10 ccm Äther zu und lasse im gut verkorkten Kolben einige Stunden bis zur Klärung stehen. Die klare Lösung wird abgegossen und eingedampft, der Rückstand getrocknet und gewogen Glycerin in Rechnung gestellt. Vielfach sind bei pflanzenbiochemischen als Arbeiten ganz unzureichende Glycerinbestimmungsmethoden verwendet worden. Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimimg. Der Fortgang des Resorptionsprozesses. Es ist bereits von Saüssure(I), Meyen(2), Letellier und Bous- SINGAULT(3) hervorgehoben worden, daß das Fett beim Keimen von Öl- samen aus den letzteren verschwindet und so seinen Charakter als Re- servestoff bekundet. Später hat eine ganze Reihe von Experimental- untersuchungen diesen Vorgang sowohl analytisch, als mikroskopisch verfolgt. Insbesondere hat Sachs (4) das Verdienst, die anatomische Seite der Frage zuerst gründlich untersucht zu haben. Bei der Keimung von Curcurbita, deren Cotyledonen hierzu, wie jene von Helianthus, gute Studienobjekte darstellen, beobachtet man etwa am 4. — 5. Keimungstage deutliche Veränderungen im Zellinhalte des fettführenden Gewebes. Das Plasma ist grobschaumig geworden, und in seinen Strängen und Platten sind zahlreiche Öltropfen sichtbar. Es macht den Eindruck, als ob das Fett anfänglich in kolloidaler Lösung im nicht vacuolisierten Plasma vorhanden gewesen wäre und bei Er- reichung eines bestimmten Quellungszustandes des Protoplasten eine Entmischung erfolgt wäre. Die Öltropfen nehmen nun an Zahl all- mählich deutlich ab, je weiter die Keimung fortschreitet. Es nimmt also das Fett im keimenden Samen die Form einer groben Emulsion an. Hellriegel (5) untersuchte Rapssamen in fünf Entwicklungsperioden mit folgenden Ergebnissen: 1) Saüssüee, Frorieps Notizen, 24, Nr. 16. — 2) Meyek, Neues System der Pflanzenphysiol., //, 293 (1838). — 3) Letellier, Journ. prakt. Chem. (1855), p. 94. BoussiNGAULT, Die Landwirtschaft, Deutsch v. Graeger, /, 203 (1851). — 4) J. Sachs, Botan. Ztg. (1859), Nr. 20, 21, p. 177. Von neuerer Literatur zu er- wähnen: E. Mesnard, Compt. rend., 116, 111 (1893). — 5) Hellrlegel, Dissert., Journ. prakt. Chem. (1855), p. 94. Nobbe, Samenkunde, p. 158, erwähnt noch ältere Untersuchungen von Boussingault, Reunert und M. Siewert. Letzterer fand für Raps nach lOtägiger Keimung einen Fettverlust von 20,3 7o' "»ch weiteren 4 Tagen von 70,4 %. Das schließlich ausgebrachte Öl reagierte sauer. 734 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung. Ruhende Keimungsperiode: Samen I II I Fettes Öl in Proz. der Trocken- substanz 47,09 47,76 43,77 41,0 38,66 36,22 Zucker, Bitterstoff, organische Säuren 7,69 8,68 10,52 12,36 13,67 15,41 Eiweiß, Legumin 5,22 2,58 2,58 1,77 1,78 1,81 Peters (1) ermittelte für normal am Licht gedeihende Kürbiskeim- linge folgende Zahlen in Prozenten der Trockensubstanz gerechnet: Cotyle- Hypo- IV III, Total Ungekeimt 49,51 Cotyledonen farblos; keine Nebenwurzeln 51,67 Cotyledonen ergrünend ; Nebenwurzeln vorhanden . . 33,43 Cotyledonen ausgewachsen; die ersten Blätter entwickelt. 12,71 donen 40,48 26,40 7,2 cotyl 6,36 3,93 2,68 Wurzel %Fett 4,83 3,10 2,83 Fleury(2) gibt folgende instruktive Analysen von keimenden Fett- Samen : Fettgehalt in Prozenten bei Ricinus Brass. Rapa Amygdalus Euphorb Lathyris Ungekeimt .... . 46,6 46,0 54 40,3 Nach 6 Tagen. . . 45,9 28,3 — — „ 11 „ • • . 41,6 — — — „ 16 „ . . . 33,1 -- — — „ 21 „ . . . 7,9 — — — „ 26 „ . . . 10,3 — 45 9 „ 31 „ . . . 10,28 — — — Demnach würden in 100 g Ricinussamen 4,29 g Fett täglich verbraucht werden, bei Brassica 2,52 g. MÜNTZ (3) ermittelte für andere Objekte ähnhche Resultate. Keimung von Rhaphanus sativus im diffusen Lichte: 5 g ungekeimte Samen 1,750 g Fett 5 g 2tägige Keimlinge .... 1,635 g „ 5 g 3tägige „ .... 1,535 g „ 5 g 4tägige „ .... 0,790 g „ Papaver somniferum im Dunkeln: 20 g Samen ungekeimt 8,915 g Fett 20 g 2tägige Keimlinge .... 6,815 g „ 20 g 4tägige „ .... 3,900 g „ Raps im Dunkeln: 20 g Samen ungekeimt ..... 8,540 g Fett 20 g 3tägige Keimhnge .... 5,235 g „ 20 g 5tägige „ .... 3,700 g „ 1) Peters, Versuchsstat., j, 1 /7, 240 (1874). — 2) Fleury, Ann. MuKTZ, Ann. de Chim. et Phys. (4) 5, 50 (1874). Laskowsky, Ebenda, /, 38 (1865). — 3) A. 22, 472 (1871). BoussmoAULT, Agronomie, (1861). Vgl. auch N de Chim. et Phys. (4), § 1. Der Fortgang des ReBorptionsprozesBeB. 735 Nach Nach 7 Tagen 10 Tagen 96,91 94,03 17,09 15,20 8,64 4,59 23,99 24,50 Für Cannabis sativa macht Detmer(I) folgende Angaben (Dunkel- keimlinge) : Die Zahlen bedeuten Gewichtsteile des ruhenden Samens. Ruhender Samen Gesamttrockensubstanz. 100 Fett 32,65 Stärke — Eiweiß 25,06 Wenn sich in manchen dieser Versuchsreihen im Anfang der Keimung eine kleine Steigerung des Fettgehaltes ergab, so dürfte dies darauf beruhen, daß die Fettreaktion beim gekeimten Material leichter vollständig gelingt, als bei dem ungekeimten Samenmaterial. Vielleicht ze/fallen auch im Keimungsbeginn komplexere Verbindungen (Lecithalbumine ?) unter Bil- dung von ätherlöslichen Substanzen (2). Von weiteren Untersuchungen (3) sind zu erwähnen jene von Leclerc DU Sablon über die Keimung von Ricinus, Cannabis und Juglans, von Wallerstein über die Keimung von Hordeum, von Merlis über Lupinus. Den Untersuchungen von Maquenne über Arachis und Ricfnus entnehme ich die nachstehenden Daten: Fett Saccharifizierbare N-haltige Stoffe Substanz als Rohr- als Albuminoide zucker berechnet berechnet Arachis ungekeimt . 51,39 11,55 24,83 Nach 6 Tagen. . 49,81 8,35 23,40 „ 10 „ . . 36,19 11,09 23,96 „ 12 „ . . 29,0 12,52 25,20 „ 18 „ . . 20,45 12,34 24,31 „ 28 „ -. . 12,16 9,46 24,87 Ricinus ungekeimt . 51,40 3,46 18,36 Nach 6 Tagen. . 33,71 11,35 18,71 „ 10 „ . . 5,74 24,14 18,32 „ 12 „ . . 6,48 19,51 16,69 „ 18 „ . . 3,08 8,35 17,50 Die Verminderung des Reinfettgehaltes des Nährgewebes geschieht nach den vorliegenden Untersuchungen je nach den Bedingungen des Ver- suches recht ungleich schnell. Sani fand bei der Keimung der Olive den Fettgehalt binnen 1 Woche von 42% auf 6,23 % vermindert, bei Fagus binnen 8 Tagen von 38,19% auf 5,43% (4). Fürth konstatierte bei Ricinus 1) W. Detmer, Phys.-chem. Untersuchung über die Keimung ölhaltiger Samen (Leipzig 1875), p. 40 (Habilitationeschrift). — 2) Die Beobachtungen von J. Ner- KING, Pflüg. Arch., 85, 330 (1901), gehören wohl ebenfalls hierher, doch halte ich die dort vertretene Meinung von der Existenz von Fetteiweißverbindungen für uner- wiesen. — 3) Leclerc du Sablon, Compt. rend., 117, 524 (1893); ug, 610 (1894); Rev. g^n. Bot.. 9, 313 (1897). M. Wallerstein, Chem. Zentr. (1897), /, 63. S. Frankfurt, Versuchsstat., 43, 143 (1894). M. Merlis, Ebenda. 48, 419 (1897). L. Maquenne, Compt. rend., 727, 625 (1908) G. Sani, Chem. Zentr. (1900), /. 773. O. V.FÜRTH, Hofmeisters Beitr., 4, 430 (1903). — 4) G. Sani, Atti Accad, Line. Roma, 13, 382 (1904). 736 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Di© Resorption der Fette bei der Samenkeimung. nach vierwöchentlicher Keimung bei Zimmertemperatur noch 7,5% Fett, während bei Bruttemperatur nach 9 Tagen nur noch 11,7% vorhanden waren. Jegorow(I) gibt an, daß in Cucurbitakeimlingen binnen 28 Tagen der Fettgehalt auf ein Drittel des anfänglichen Vorrates sinkt. Hingegen fand Deleano (2) bis zum 8. Keimungstage keine nennenswerte Fettverminderung, dann aber schwanden in 2—3 Tagen 90% des Fettgehaltes ohne Abnahme des Samentrockengewichtes und unter Zunahme der wasserlösUchen Stoffe. Miller (3) sammelte an Helianthuskeimlingen ähnUche Erfahrungen. Die Vermutung, daß die Art der Fettsäuren auf die Schnelhgkeit der Fettver- arbeitung Einfluß nehmen könnte, scheint durch die Erfahrungen von S. Iwanow (4) bestätigt zu werden: Fette, die reich sind an gesättigten Säuren, werden infolge des langsameren Abbaues dieser Fettsäuren merk- Hch langsamer zum Verschwinden gebracht als Fette, die sehr wenig ge- sättigte Säuren enthalten. Schon Siewert und Muntz erwähnen die Tatsache, daß in keimenden Samen reichliche Bildung freier Fettsäuren zu konstatieren ist. Der letzt- genannte Autor fand bei Rhaphanus, im diffusen Licht gekeimt, nach 2 Tagen 54,62% freie Fettsäuren, während ungekeimte Samen hiervon 10,17% enthielten; nach 3 Tagen war der Säuregehalt auf 79,25 %, nach 4 Tagen auf 95,06 % gestiegen. Auch Papaver und Brassica Napus, im Dunkeln gekeimt, hatten nach 4 — 5 Tagen fast die gesamten Säuren des Fettes frei gemacht. Diese Beobachtungen stimmen auch mit neueren Angaben von Leclerc du Sablon, Wallerstein, Green (5), Jegorow und Iwanow. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß bei rascher Auf- arbeitung des Reservematerials, wie es offenbar bei den Versuchen von Deleano an Curcurbita der Fall war, der Säuregehalt sich innerhalb gewisser Grenzen hält: besonders wenn viel ungesättigte Säuren auf- treten, welche rascher verschwinden. Das Glycerin, welches neben den Fettsäuren entstehen muß, findet man meist nur in sehr geringen Mengen. Ist die Weiterverarbeitung gehemmt, wie bei Sauerstofientziehung oder Narkose, so häufen sich Glycerin und Fettsäuren sehr stark an (6). Das Ätherextrakt aus gekeimten Ölsamen hat einen unangenehm ranzigen Geruch, braune Farbe und viscose Beschaffenheit. Sani betont, daß die Jodzahl stark herabgeht (für Fagus von 108,72 auf 57,47) und das an- fangs flüssige Fett eine fast feste Konsistenz annimmt. Dies hat sich mehrfach bestätigt (Miller, Jegorow, Iwanow), doch ist die Abnahme der Jodzahl bei verschiedenen Keimlingsspecies ziemlich different. Im ganzen stimmt auch diese Wahrnehmung zu der Annahme, daß die ge- sättigten Säuren weniger rasch verschwinden als die ungesättigten. Mit Hilfe der Bromierungsmethode kam Iwanow zu dem weiteren Ergebnis, daß die mehrfach ungesättigten Säuren (Linolensäure, Linolsäure) rascher verschwinden als die Säuren mit einer einzigen Doppelbindung (Ölsäure). Die Verseifungszahl des Fettes während der Keimung wurde wiederholt verfolgt, ohne daß sich klare Schlüsse ergeben hätten. Die Menge der flüchtigen Säuren nimmt stark zu. 1) M. Jegorow, Botan. Zentr., loi, 597 (1905). — 2) N. T. Deleano, Arch. Sei. Biol. St. P^tersbourg, is, 1 (1910). — 3) E. C Millee, Ann. of Botan., 24, 693 (1910); 26, 890 (1912). — 4) S. Iwanow, Jahrb. wiss. Botan., 50, 375 (1912). — 5) J. R. Green, Ann. of Botan., 4 (1890). Green u. Jackson, Proceed. Roy. Soc, 77, B, 69 (1905). — 6) Vgl. V. Gräfe u. 0. Richter, Sitz.ber. Wien. Ak. (Dez. 1911). § 2. Fettspaltende Enzyme (Lipasen) in keimenden Samen. 737 §2. Fettspaltende Enzyme (Lipasen) in keimenden Samen. Wir wissen, daß bei der Keimung von Samen die Fettspaltung ebenso von Enzymen spezifischer Wirkung auf Fette katalysiert wird, wie es von der tierischen Fettverdauung und der Wirkung des Pankreas- sekretes seit Claude Bernard (1849) bekannt ist. Pelouze(I) beob- achtete zuerst, daß im Brei aus zerdrückten Ölsamen das Fett rasch bis auf einen geringen Rest in Glycerin und Fettsäuren zerfällt. Nachdem sich noch viel später Krauch (2) vergeblich bemüht hatte, Lipasen in Keimlingen aufzufinden, gewann zuerst Sigmund (3) Anhaltspunkte für die Existenz solcher Enzyme, indem er zeigte, daß mit Hilfe der WiTTiCHschen Methode aus Keimlingen Extrakte erhalten werden, welche auf emulgiertes Fett spaltend einwirken, und daß auch in Chloroform- wasserautolyse diese Wirkung vor sich geht. Green (4) wies sodann in keimenden Ricinussamen, Lumia(5) außerdem in Curcurbita und Cocos Lipase nach. Ricinus, wie auch andere Euphorbiaceensamen sind besonders stark auf Fette wirksam, weswegen die Ricinuslipase durch zahlreiche Forscher, wie Connstein, Hoyer, Armstrong, Taylor, Fokin, Ja- LANDER und andere (6) besonders gründlich untersucht worden ist. Ein sehr aktives Präparat liefert auch keimende Arachis(7), nach Fokin ebenso Chelidonium. Zahlreiche andere untersuchte Samen lieferten weit schwächer wirksame Fermentextrakte. Man hat die Vermutung gehegt, daß die Lipasen aus verschiedenen Pflanzenarten different sind (8), doch ist dies zahlreicher methodischer Schwierigkeiten wegen nicht leicht zu ent- scheiden. Schon Green beobachtete, daß Erwärmen des Ricinussamen- breies mit verdünnter Säure starke lipoly tische Wirkung hervorruft; er deutete dies dahin, daß durch diesen Vorgang ein Zymogen in aktives Ferment übergeht. Bei der eigentlichen Lipolyse soll aber nach Green neutrale Reaktion des Gemisches die günstigsten Bedingungen schaffen. Später hat Connstein auf Grund seiner ausgedehnten experimentellen Erfahrungen mit Ricinusmaterial behauptet, daß eine erhebliche Lipolyse nur nach Ansäuren des Reaktionsgemisches erfolge; unterläßt man dieses, so erfolgt erst nach entsprechender Ansammlung von Fettsäuren nach einigen Tagen sprunghaft eine energische Fettspaltung. Nach Jalander und Tanaka(9) jedoch scheint es sich doch um Aktivierungsvorgänge zu handeln ; denn der erstgenannte Autor berichtet, daß eine Vorbehandlung 1) Pelouze, Arch. Chim. et Phys. (3), 45, 319 (1855). — 2) Krauch, Landw. Versuch83tat., 23, 103 (1879). — 3) W. Sigmund, Sitz.ber. Wien. Ak., 99, I, 407 (Juli 1890); wo, 328 (1891); 101, 549 (1892); 119, I, 284 (1910). — 4) F. R. Green, Ann. of Botan., 4 (1890); Proceed. Roy. Soc, 47, 146; 48, 370 (1891); 77, B, 69 (1905). — 5) C. LuMiA, Staz. sper. agr. ital., j/, 397 (1898). — 6) Connstein, ßer. Chem. Ges., 35, 3988 (1002); Ergebn. d. Physiol., j, I, 194 (1904); Physiol. Zentr. (1905), p. 556. Hoyer, Ber. Chem. Ges., 37, 1436 (1904); Ztsch. physiol. Chem., 50, 414 (1907). H. E. Armstrong u. E. Ormerod, Proceed. Roy. Soc. Lond., 76, B. 606 (1905); 78, B, 376 (1906). A. E. Taylor, Journ. Biol. Chem, 2. 87 (1906). S. Fokin, Chem. Zentr. (1903), //, 1451; (1904), /, 1365; //. 1463, 1617; (1906), //, 1463; (1907), /, 313. Jalander, Biochem. Ztsch., 36, 435 (1911). Sommerville, Biochem. Journ., 6, 203 (1912), Nicloux, Corapt. rend., 138, 1175, 1288 (1904); 139, 143 (1904); Soc. Biol, 56, 839 (1904). Jacobt, Abderhaldens biochem. Arb.- meth., j, I, 402 (1910). — 7) Dunlap u. Seymour, Journ. Araer. Chem. Soc, 27. 935 (1905). — 8) Dunlap u. Seymour, 1. c. Fokln, Chem. Zentr. (1906), //. 1463. — 9) Jalander, 1. c. Y. Tanaka, Chem. Zentr. (1910), //, 1637. H'-Ionen- konzentration auch H. Davidsohn, Biochem. Ztsch., 49, 249 (1913). Czapek, Biochemie der Pflanien. I. s. Aufl. 47 738 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimimg. des Fermentpräparates mit "/m Essigsäure allein genüge, um selbst in "Wasser späterhin eine maximale Enzymwirkung zu erzeugen. Im Ricinussamen ist nach Connstein soviel Ferment enthalten, daß einige Gramm entfetteten Samenpulvers genügen, um binnen 4 Tagen bei Zimmertemperatur und Zusatz von 5 g °/jq H2SO4 25 g verschiedener Fette vöUig zu spalten. Statt entfettetes Samenpulver direkt zu verwenden^ gewinnt man den größten Teil der Lipase, wenn man Samenpulver in Wasser aufschwemmt, sodann die gröberen Teilchen durch Zentrifugieren entfernt und die erhaltene feine Emulsion (eventuell noch durch Ausschütteln mit Petroläther vom größten Teile des Fettes befreit) benützt. Jalander stellte mit Petroläther noch eine enzymreiche Fällung her, die man monate- lang als trockenes Pulver ohne Verlust der Wirksamkeit aufbewahren kann. Es macht den Eindruck als ob die Lipase an Fetteilchen adsorbiert wäre. In rein wässeriger Lösung ohne Fettgehalt hat man sie noch nicht erhalten, hingegen geht sie in Äther ebenso, wenn dieser fetthaltig ist, wie in fett- hältiges Wasser über (1 ). Um ein Endoenzym scheint es sich auch in der Ricinushpase nicht zu handeln. Will man in den Enzym versuchen eine mög- hchst starke Wirkung erzielen, so ist es nötig, die Mischung von Zeit zu Zeit zu schütteln. Die Temperatureinflüsse auf Ricinushpase sind die gewöhnUch bei Enzymen gefundenen (2). Taylor gibt den Van 't HoFFschen Koeffi- zienten mit 2,6 an. In Fettemulsion ist Lipase gegen Erhitzen relativ resi- stent. Es scheint das Fett als Schutzkolloid zu dienen, da nach Entfetten die Widerstandsfähigkeit des Fermentes gegen höhere Temperaturen sinkt. Die Säureaktivierung beginnt schon mit sehr kleinen Dosen (n/2000 Essigsäure nach Jalander); über ''/jq Essigsäure schädigt, ebenso ist das Ricmus- ferment gegen Alkah empfindlich. Hingegen fanden Raffo und Pandini (3) die Lipase aus Koloquintensamen bei Gegenwart von Alkali am stärksten wirksam. Die Aktivierung von Lipase durch kleine Dosen von Mangansalzen ist bereits längere Zeit bekannt (4). Falck (5) fand, daß Mangansulfat selbst die durch Erhitzen inaktivierte Ricinushpase in einem gewissen Ausmaße wieder aktiv macht; dies wurde dadurch erklärt, daß das Mangan nicht die Lipasereaktion selbst fördert, sondern ähnüch wie die Säuren die Überführung des Zymogens in wirksames Enzym. Die Lipasen wirken nicht auf alle Glycerinester gleich ein, es läßt sich allgemein sagen, daß die Alkylgruppen hierbei weniger entscheidend sind als die Acylgruppen (6). Während die tierischen Lipasen aus Magen, Pankreas, Darm usw. besonders die Ester niederer Fettsäuren leicht angreifen, spaltet Ricinushpase am besten Tri- olein und andere Ester höherer Fettsäuren. Nach Jalander wird 1 g Tri- olein durch 3 mg Enzympräparat in 136 Stunden zu 88,4% gespalten. Tributyrin wird wenig angegriffen (Armstrong). Während frühere Angaben mehrfach dahin gelautet haben, daß die Reaktion der Ricinushpase mit Triolein als unimolekular der WiLHELMYschen Gleichung folge (Taylor, Fokin), stimmen die Ergebnisse neuerer Autoren, wie Jalander, befriedigend mit der Annahme überein, daß das Verhältnis von Verseifungszahl x und Enzymmenge e sich der ScHÜTZschen Regel entsprechend durch die Gleichung 1) Vgl. für Pankreaslipase L. Berczeller, Biochem. Ztsch., 34, 170 (1911). — 2) Pennington u. Hepburn, U. S. Dept. Agr. Washington (1912), Circ Nr. 103. — 3) Raffo u. Pandini, Giern. Farm. Chim., 61, 433 (1912). — 4) Einflüsse auf die Ricinuslipase : Falk u. Nelson, Joum. Amer. Chem. See, 34, 735 (1912). R. H. PoND, Amer. Journ. Physiol., 19, 258 (1907); Botan. Gaz., 45, 232 (1908). BiTNij-ScHLJACHTO, Biochem. Zentr., j. Nr. 33 (1904). — 5) K. G. Falck u. Hamlin, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 210 (1913). — 6) Kastle, Chem. Zentr. (1906), /, 1536. § 2. Fettspaltende Enzyme (Lipasen) in keimenden Samen. 739 ^ = k ausdrücken läßt. Da auch für die tierischen Lipasen sich bereits in einer Reihe von Fällen ein analoges Ergebnis herausgestellt hat (1 ), so dürfte diese Reaktionsformel der Wahrheit am nächsten kommen. Die von Tierlipasen bekannte Reversibiütät der Fermentwirkung findet sich ebenso ausgeprägt bei RicinusUpase, wie eine ganze Reihe von Arbeiten festgestellt hat (Taylor, Bradley, Connstein, Jalander, Welter, Iwanow, Dunlap, Krausz u. a. (2). Die Lipolyse wird durch den Wasser- gehalt, die Fettsynthese durch die Verarmung des Substrates an Wasser begünstigt. Welter fand bei Palmölfettsäuren und Glycerin bis 35% Glyceride durch Ricinusenzym rückgebildet, bei den Komponenten des Cocosfettes 21%, Mais 22%,Aractüs 19%, Ricinus 14%, Olein 26%. Man läßt 100 Teile Fettsäuren, 20 Teile 96%iges Glycerin und 10 Teile Ricinus- ferment gemischt 2 Tage stehen. Galle und cholsaure Salze, welche sowohl Fettspaltung als Fettbildung durch PankreasUpase beschleunigen, sind auf RicinusHpase ohne Wirkung (3). Über fördernde und hemmende Einflüsse auf tierische Lipasen existiert bereits eine reiche Literatur (4). RicinusHpase, die von Tanaka (5) in einem haltbaren Trockenpräparat untersucht wurde, wird nach diesem Autor durch die Fettsäuren nur wenig beeinflußt, jedoch durch Glycerin gehemmt, während Falk (6) Glycerin und Glucose wirkungs- los fand, wogegen Methylalkohol, Äthylalkohol, Aceton ausgesprochen die Hydrolyse von Äthylbutyrat hemmten. Oxydierte trocknende Öle, sowie ranzige Fette sah Tanaka von Lipase weniger angegriffen. Alkali- salze sollen nach Tanaka fördern, und Pekelharing (7) vermutet, daß diese Förderung durch eine beschleunigte Ausscheidung der als Reaktions- produkte auftretenden Fettsäuren als Seifen Zustandekommen könnte. Doch scheinen nach Falk (8) die Verhältnisse nicht so einfach zu hegen, und es kommen möghcherweise koaguherende Einflüsse auf das Enzym ins Spiel. Magnesia, Kalk, Kupfer hemmen nach Tanaka schon in geringen Mengen. Leucin undAsparagin hatten fördernde Wirkung, wogegen Eiweiß- zusatz ohne Effekt war. Die Beobachtungen von Dakin und von Neu- berg (9) haben gezeigt, daß bei den Lipasen auch sterische Differenzen im Substrate eine Rolle spielen können. Wenn inaktiver Mandelsäure- äthylester durch Lipase hydrolysiert wird, so wird zuerst vorwiegend die Rechtskomponente gespalten. Die Verfolgung der Lipolyse geschieht meist 1) A. Kanitz, Ztsch. physiol. Chera., 46, 482 (1905). H. Engel, Hofmeisters Beitr., 7, 77 (1905). Stade, Ebenda, j. 311 (1902). — 2) Außer den früheren Zitaten: H. C. Bradley, Journ. Biol. Chem., 8, 251 (1910). A. Welter, Ztsch. angewandt. Cham., 24, 385 (1911). S. Iwanow, Beihefte bot. Zentr. 2S, I, 159 (1912). Dunlap u. Gilbert, Journ. Amer. Chera. Soc, jj, 1787 (1911). M. Krausz, Ztsch. angewandt. Chem., 24, 829 (1911) Für tierische Lipasen vgl. A. Hamsik, Ztsch. physiol. Chem., 59, 1 (1909); 65, 232 (1910); 71, 238 (1911). Loevknhart, Amer. Journ. Physiol., 6, 331 (1902). Lombroso, Arch. Farm, sper., 14, 429 (1912). Dila- tometr. Verfolgung der Volumzunahme bei Fettsynthese: Galeotti, Ztsch. phyeik. Chem., So, 241 (1912). — 3) Kalaroukoff u. Terroine, Soc. Biol., 63, 372 (1907). Donath, Hofmeisters Beitr., 10, 390 (1907). Loevenhart, Journ. Biol. Chem., 2, 391 (1907). Jansen, Ztsch. physiol. Chem., 69, 400 (1910). — 4) Vgl. Amber(j u. Loevenhart, Journ. Biol. Chem., 4, 149 (1908); 2, 397 (1907) mit Peirce; Nicholl. Ebenda, 5, 453 (1909). Terroine, Biochem. Ztsch., 23, 404 (1910); Compt. rend., 148, 1215 (1909). Kastle, Chem. Zentr. (1906), /, 1555. Pottevin, Compt. rend., 136, 767 (1903). MoRfeL u. Terroine, Journ. de Physiol. et de Path. g^n., 14, 58 (1912). — 5) Y. Tanaka, Journ. Coli. Eng. Imp Univ. Tok-yo, 5, 125 (1912). — 6) K. G. Falk, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 616 (1913). — 7) Pekelharing, Ztsch. physiol. Chem., 81, 355 (1912). — 8) Falk, 1. c, p. 601. — 9) C. Neüberg, Biochem. Ztsch., /, 368 (1906). Dakin. Proc. Chem. Soc, 19, 161 (1903); Journ. o£ Physiol., 32, 199 (1905). 47* 740 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resoiption der Fette bei der Samenkeimung. auf acidimetrisehem Wege durch Titration, doch kann man mit Vorteil nach IzAR(l) die Capillaritätsmessung mit dem TRAUBEschen Stalagmo- meter anwenden. Von den anderen Samenüpasen ist weit weniger bekannt. Euler (2) zeigte, daß auch im Preßsaft von Rapskeimhngen hpolytisches Enzym vor- handen ist. Angaben liegen sonst vor, bezüglich der Lipase aus Kolasamen (3), derjenigen aus den Haustorien der Cocossamen [Kruyff (4)], ferner über Lipase aus Crotonsamen (5), Amygdalus communis dulcis [Tonegutti (6)]. Hevea brasiliensis (7), unreifen und reifen Bananenfrüchten (8) u. a. Überall scheint schon im ruhenden Samen reichhch Lipase vorgebildet zu sein, die bei der Keimung nur (durch Säure ?) aktiviert wird. Gehalt an Fett und Lipase gehen aber nicht bei allen tierischen und pflanzHchen Organen parallel (9). § 3. Weiteres über Fettspaltung und Fettresorption. Umwandlungs- produkte der Fettsäuren. Da die allgemeine Verbreitung von Lipasen in keimenden Ölsamen eine unbezweifelte Tatsache ist, so wird man genötigt sein, der Lipolyse für die Resorption und den Transport der Fette aus dem Nährgewebe in die Organe der Keimpflanze eine besonders wichtige Rolle zuzu- schreiben. Doch sind manche Punkte hinsichtlich der Fettresorption noch unklar. Vorerst wissen wir noch nicht, wie weit die Umwandlung des Fettes in den Nährgewebszellen an Ort und Stelle geht. Möglich ist es, daß ein völliger Umsatz des Fettes zu Kohlenhydraten in den Endospermzellen selbst stattfindet, und erst der gebildete Zucker weiteren Transport erfährt, van Tieghem(IO) zeigte, daß isolierte Ricinus- endosperme ohne Embryo wachsen und ihr Fett selbst resorbieren; dieser Prozeß läßt sich durch Austrocknen hemmen und durch geeignete Bedingungen neuerlich wachrufen. Ferner spricht die lokal stattfindende Fettbildung in reifenden Samen für die Wahrscheinlichkeit eines Gegen- prozesses bei der Fettresorption. Endlich läßt sich der Erfolg der Versuche von Hansteen und Puriewitsch(II) an isolierten Endo- spermen, die mit künstlichen Absaugevorrichtungen zur Entfernung der Umsatzprodukte versehen waren, und wo bei Stärkeendospermen ohne Mitwirkung des Embryos starke Entleerung der Reservekohlenhydrate stattfand, bei Fettendospermen aber eine Entleerung nicht erreicht werden konnte, kaum anders verstehen als daß der oxydative Fettumsatz in den Nährgewebszellen selbst einsetzt. Andererseits besteht die Möglichkeit, daß wenigstens in be- schränktem Umfange ein Transport des Fettes in fein emulgiertem Zu- stande, mindestens der Fettsäuren in Emulsoidform, von Zelle zu Zelle stattfindet. Daß man künstlich feinst emulgiertes und gefärbtes Fett 1) G. IzAR, Biochem. Ztsch., 40, 390 (1912). — 2) A. u. H. Euler. Ztsch. physiol. ehem., 51, 244 (1907). — 3) H. Mastbaum, Chem. Zentr. (1907), /, 978. VAN DEN Driessen-Mareeuw, Pharm. Weekbl., 46, 346 (1909). — 4) E. de Kruyff, Bull. D^p. Agric. Buitenzorg, 4; Chem. Zentr. (1908), /, 746. — 5) F. ScüRTI u. Parrozzani, Gazz. chim. ital., j;, I, 476 (1907). — 6) M. Tonegutti. Staz. sper. agrar. ital., 43, 723 (1910). — 7) Dunstan, Proc. Chem. Soc, 23, 168 (1907). — 8) Bäiley, Journ. Amer. Chem. Soc, 34, 1706 (1912). — 9) Vgl. H. C. Bradley, Journ. Biol. Chem., 13, 407 (1913). — 10) van Tieghem, Compt. rend., 84, 578 (1877); ADD. Sei. Nat. (6), 4, 180 (1876). — 11) B. Hansteen, Flora (1894), Erg.bd., p. 424. K. PuRiEwiTSOH, Jahrb. wiss. Botan., 31, 17 (1897). § 3. Weiteres über Fettspaltung und Fettresorption. 741 zur Aufnahme in das Innere von Zellen bringen kann, haben RH. Schmidt und Pfeffer (1) auf pflanzenphysiologischem Gebiete schon vor längerer Zeit dargetan. Eigene Erfahrungen lehrten mich, daß diese Aufnahme von Fettemulsoiden bei hinreichend oberflächenaktiven Lipoiden sogar zur bleibenden Schädigung von Zellen führen kann. Bereits Schmidt hebt die Bedeutung der lipolytisch erzeugten Fettsäuren für die Er- zeugung haltbarer feinster Fettemulsoide hervor, da diese zur Bildung von Schutzhüllen um die Fettröpfchen (Seifenhäutchen) Anlaß geben (2). Auf tierphysiologischem Gebiete wurde früher die Bedeutung der Re- sorption feinstemulgierten Fettes wohl zu hoch eingeschätzt (3). Jeden- falls aber wird der Fettumsatz durch die Emulgierung und Oberflächen- vergrößerung sehr erleichtert, und schon die Verseifung muß hierdurch bedeutend gefördert werden. Das Glycerin verschwindet, wie schon erwähnt, besonders rasch nach der Lipolyse; es ist nur unter abnormen Lebensbedingungen reich- licher nachzuweisen. Ohnedies macht es nur 8 — 10 % des Fettgewichtes aus. Erwähnt wurde auch, daß nach Iwanow Gründe zur Annahme bestehen, daß die Säuren mit mehreren Doppelbindungen zunächst um- gesetzt werden; ihnen nach folgen die einfach ungesättigten Säuren und dann erst die gesättigten Säuren, wie man aus der relativen Vermehrung der letzteren und aus dem raschen Sinken der Hexabromidzahl schließen darf. Vielleicht wird bei künftigen Untersuchungen über den Fettumsatz etwas mehr auf die Parallele mit dem Ranzigwerden von Fetten an der Luft zu sehen sein, und mau wird nach niedrigen Fettsäuren und ver- schiedenen Fettsäurealdehyden zu suchen haben. Zweifellos sind die Umsetzungen der Fettsäuren oxydativer Art, da im anaeroben Leben von Samen nach Godlewski(4) die primären lipolytischen Produkte unverändert verbleiben. Doch werden sich da voraussichtlich Ausnahmen auf anderen Gebieten (anaerobe Bacterien) ergeben, wie auch Wein- land (5) über einen merkwürdigen Spaltungsvorgang von Fetten unter Bildung von COg und Hg im Brei aus Calliphorapuppen bei Luftabschluß berichtete. Um eine der bekannten Oxydationen von Fett, mit suk- zessiver Abspaltung von COg und Bildung von Oxysäuren, dürfte es sich beim Aufarbeiten des Reservefettes kaum handeln. Nach Hanriot(6) kann Fett bis 15 % aktiven Sauerstoffes binden, wobei als Oxydations- produkte unter anderem Essigsäure und Buttersäure auftreten; es entstehen hierbei aber weder Ameisensäure noch Oxalsäure, noch irgend ein Zucker oder ein Kohlenhydrat. Seit Sachs' Untersuchungen über den Keimungs- vorgang wissen wir aber, daß Ölsamen ansehnliche Mengen von Trauben- zucker, Rohrzucker und Stärke bilden, wenn das Fett aufgezehrt wird. Nach Leclerc du Sablon(7) enthalten ungekeimte Ricinussamen nur 0,4 % reduzierenden Zucker (als Traubenzucker berechnet), während bei 1) R. H. Schmidt, Flora (1891). — 2) Vgl. auch Gap, DuboLs Arch. (1878), p. 181. DoNNAN, Ztsch. physik. Chem., j/, 42 (1899). Meunier u. Maury, Chem. Zentr. (1910), //, 1416. — 3) Z. B.: Munk, Zentr. Physiol., 14. 121 (1900). An- dererseits: Hofbauer, Pflüg. Arch., Si, 263 (1900); 84, 619 (1901). Pflüger, Ebenda, 80, 131 (1900); 81, 375 (1900). Friedenthal, Zentr. Phyeiol., 14, 258 (1900). Levites, Ztsch. physiol. Chem., 49, 273 (1906); 53, 349 (1907). Whitehead. Amer. Journ. Physiol., 24, 294 (1909). — 4) Godlewski u. Pol^zEniusz, Intra- molekul. Atmung von Samen (Krakau 1901), p. 256. Chudjakow, Landw. Jahrb., 23 (1894). — 5) E. .Weinland, Ztsch. f. Biol., 48, 87 (1906). — 6) Hanriot, Compt. rend., 127, 561 (1898). — 7) Leclerc du Sablon, Ebenda, //;, 524 (1893); 119, 610 (1894); Rev. gen. Bot., 9, 313 (1897). 742 Vierundzwanzigstes Kapitel: Die Fettbildung in reifenden Samen u. Früchten der Keimung der Glucosegehalt bis zu 20% ansteigt. Maze(1) gab an, in der Autolyse von Ricinussamenbrei eine Vermehrung des redu- zierenden Zuckers gefunden zu haben; da jedoch in seinen Daten eine entsprechende Fettabnahme nicht klar erwiesen ist, so liegt der Verdacht nahe, daß der Zucker auf enzymatischem Wege aus Reservecellulose oder Stärke hervorgegangen war. Vierundzwanzigstes Kapitel; Die Fettbildung in reifenden Samen und Früchten. Bezüglich der Vorgänge der Fettbiidung in reifenden Ölsamen (die mehrfach studierte Fettbildung im Fruchtfleisch der Olive sei hier im Einschlüsse mitbehandelt) sind unsere Kenntnisse gleichfalls noch sehr unbefriedigende. Schon Meyen und Mulder (2) wußten, daß unreife Ölsamen reichlich Stärke enthalten. Alle folgenden Untersuchungen haben ergeben, daß die Fettsamen im unreifen Zustande in ihrem Nähr- gewebe anfangs verschiedene Zucker und Kohlenhydrate, jedoch kein Fett enthalten, und daß sodann ein steigender Gehalt an Fett sicher- zustellen ist, während sich Zucker und Kohlenhydrate bis auf einen geringen Betrag vermindern. Äußerlich gibt sich dieser Umschwung im Stoffwechsel reifender Ölsamen schon in der Änderung des respira- torischen Koeffizienten zu erkennen. So lange die Ricinussamen noch weich und grün sind, ist der Quotient CO2/O2 kleiner als 1, d. h. es wird mehr Sauerstoff verbraucht als CO2 abgegeben; der Zuckergehalt ist groß, der Fettgehalt ganz gering. Während die Samen fester werden und die Testa sich färbt, wird der respiratorische Quotient größer als 1, d. h. es wird mehr COg abgegeben als Og verbraucht. In der völligen Reife des Samens ist CO2/O2 wieder 430 (1903). — 2) Meyen, Neues System d. Pflanzenphysiol., 2, 293 (1838). Mulder, Physiolog. Chemie (1844—1851), p. 269 (wo allerdings irriger- weise ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Fettbildung und Sauerstoffabgabe angenommen wird. — 3) C. Gerber, Compt. rend., 135, 658, 732 (1897). — 4) Le- clerc DU Sablon, Ebenda, 123, 1084 (1896). Saccharose in Mandeln: Vallee, Ebenda, 136, 114 (1904). Juglans nigra: Mc Clenahan, Journ. Amer. Chem. Soc, 31, 1093 (1909); 35, 485 (1913). — 5) A. Rousille, Compt. rend., 86, 610 (1878). Vierundzwanzigstes Kapitel: Die Fettbildimg in reifenden Samen u. Früchten. 743 Rohfett: Eiweißgehalt \n i 30 Juni . . . . 1,397% 30 JuH . . . . . 5,490 30. August . . . 29,19 14,619% 30. September . . 62,304 4,189 30. Oktober . . . 67,213 4,411 25. November . . 68,573 4,329 Später haben Funaro und Zay(1) mit ähnlichen Ergebnissen die Fettbildung bei der Olivenreifung studiert. Die Beziehungen des Man- nits zur Fettbildung bilden aber nach Funaro noch eine offene Frage. Nach Hartwich und Uhlmann (2) läßt sich eine nennenswerte Vermehrung des Ölgehaltes der unreifen Ohve erst im Juh konstatieren; bis Mitte August enthält die Frucht 5,02% Fett, bis Ende Oktober aber schon 21,33%; von Januar an (Mitte Januar 22,85% Öl) bis zum Februar geht der Öl- gehalt etwas zurück. ScuRTi und ToMMASi (3) fanden für zwei Olivensorten von Anfang August bis Anfang November den Fettgehalt von 3,66 resp. 4,62% ansteigend bis 38,12 resp. 37,15%. Bei Ligustrum nahm vom 28. September bis Ende Dezember der Fettgehalt der Samen von 11,23—15,01% zu. In den Unter- suchungen von S. Iwanow (4) stellte sich eine deuthche Beziehung zwischen Fettbildung und Glucoseabnahme heraus, während die Saccharose schwach bis zur Samenreife zunahm. Bei Linum und Brassica Napus trat deutUch zutage, wie im ersten Monat der Samenreife das Fett rapid von 5—10% bis 30—45% zunahm, und sich später nur um wenige Prozente vermehrte. In bestimmten Fällen kommt es auch v^or, daß sich der Fettgehalt während der Samen- reife vermindert und Kohlenhydrate auf Kosten des Fettes entstehen. So ist es nach Korsakow (5) bei Agrostemma Githago, wo eine Abnahme des Fettes von 14,99 auf 6,77% beobachtet wurde. Vieles spricht dafür, daß ein Zuströmen von Zucker zu den Stätten der Fettbildung im Nährgewebe von auswärts erfolgt, und sodann in den Nährgewebszellen lokal die Fettbildung einsetzt. So konnte Pfeffer (6) an unreif der Kapsel entnommenen Samen von Paeonia sicherstellen, wie Fett an Stelle der massenhaft gespeicherten Stärke tritt. Nähere histologische Untersuchungen über die Ablagerung des Reservefettes im Zellplasma stehen aus. Zur Kenntnis der Fettbildung ist es wichtig, daß der unreife Samen ein Stadium passiert, in welchem er sehr reich an freien Fettsäuren ist [Leclerc du Sablon, Rechenberg (7)]. So fand Rechenberg an freien Säuren in Prozenten der Gesamtfettmenge: Unr. Samen in off. Schale lieg, gelass. 0,074% 0,138 1) A. Funaro, Landw. Versuchsstat., 25, 52 (1880). C. E. Zat, Staz. sper. agrar. ital., 34, 1080 (1901). — 2) C Hartwich u. Uhlmann, Arch. Pharm., 240, 471 (1902). — 3) F. ScuRTi u. Tommasi, Ann. Staz. Chim. Agr. sper. Roma (2), 4, 253 (1910); 5. 103 (1912); 6, 29. 39 (1913). — 4) S. Iwanow, Beihefte bot. Zentr., 28, I, 159 (1912). — 5) M. Korsakow, Compt. rend., 155, 1162 (1912). - 6) W. Pfeffer, Jahrb. wies. Botan., 8, 510 (1872); Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., /, 616 (1897). Auch Spampani, Doli. Soc. Bot. Ital. (1899), p. 139. Hartwich, 1. c Mesnard, Ann. Sei. Nat. (7), 18 (1894). — 7) v. Rechenberg, Ber. Chem. Ges., J4, 2216 (1881). Brassica Rapa „ Napus CameUna sativa Unreife Samen 0,133% 2,137 2,070 Halbreife Samen Vorjähr. voU- reife Samen 0,036% 0,032 0,324 0,087% 0,87 0,313 744 Vierundzwanzigstes Kapitel: Die Fettbildung in reifenden Samen u. Früchten. In den Versuchen von Iwanow sank die Säurezahl bei Raps während des ersten Reifungsmonats von 74,31 bis 13,88, im zweiten Monat bis zur Vollreife auf 9,4. Bei Papaver sank die Säurezahl von 46,19 auf 8,093. Dahingegen war bei Linum nur eine relativ geringe Abnahme der Säurezahl (von 15,4 bis 5,65), am geringsten bei Cannabis (5,81 bis 2,49) zu konstatieren. Man kann daraus schließen, daß zunächst freie Fettsäuren sich bei der Fettbildung in größerem oder geringerem Maße anhäufen, worauf sich deren Esterifizierung zu Glyceriden anschheßt. Iwanow (1) hat diesen Prozeß im Brei aus zerriebenen unreifen Ricinussamen direkt verfolgt, und ebenso kamen Dunlap und Gilbert (2) zu dem Ergebnis, daß fett- freier feinzerteilter Ricinussamen, mit Glycerin und Ölsäure zusammen- gebracht, Triolein bildet. Zweifellos handelt es sich um eine synthetische Wirkung der Lipase. Man darf also die Glyceridsynthese als aufgeklärt ansehen. Bezüglich des Auftretens der Fettsäuren finden sich Ansätze zur näheren Aufhellung des Vorganges in den Arbeiten von Iwanow. Von Interesse ist das Verhalten der Jodzahl während der Samenreife. Bei Samen, die, wie Linum, sehr viel ungesättigte Säuren enthalten, kann man deutlich verfolgen, wie die Jodzahl zunimmt (von 120,6 bis 175,3). Da auch die Bromierungsmethode nach Hehner-Mitchell zeigt, daß die Ausbeute an Hexabromid am stärksten zunimmt, sodann die Ausbeute an Tetrabromid, so darf man schließen, daß besonders die Linolensäure an dem Wachsen der Jodzahl beteiligt ist. In anderen Fällen (Brassica, Cannabis, Papaver) sind die Schwankungen der Jodzahl nur gering, während die Menge der freien Säuren beträchtlich wird; letztere können in ihrer Hauptmasse demnach nur aus gesättigten Säuren bestehen. Iwanow schließt aus seinen Ergebnissen, daß die gesättigten Fettsäuren zuerst auftreten, und aus ihnen die ungesättigten hervorgehen. Diese zuerst auftretenden gesättigten Säuren müssen auch zum größten Teil bereits aus höheren nicht flüchtigen Säuren bestehen, da die Reichert- MEissLsche Zahl zu Beginn der Fettbildung nicht größer ist. Woher nun die erstgebildeten Fettsäuren kommen, ist bisher nicht aufgehellt. Da auch in Iwanows Analysen der Glucoseverbrauch bei der Fettbildung stark hervortritt, so räumt dieser Autor wie die früheren Forscher, der Glucose die erste Stelle unter den Fettbildungsmaterialien ein. Auch in der Tierphysiologie ist reichliche Fettbildung durch Kohlen- hydratzufuhr mehrfach sichergestellt (3). Der Mechanismus dieses Vor- ganges ist jedoch noch völlig kontrovers. Für die Entstehung der Säuren mit Ci2 und C^g, die ja so häufig als Fett-Hauptbestandteile auftreten, hat die Idee von E. Fischer (4), wonach sie sich aus 2 — 3 Glucose- molekeln kombinieren, viel bestechendes. Weniger leicht kann die Physio- logie der Meinung Fischers folgen, wenn er die Palmitinsäure aus 1 Hexose- und 2 Pentosenmolekeln entstehen läßt, da man bisher über eine Rolle von Pentosen im aufbauenden Stoffwechsel nichts in Erfahrung gebracht hat. In neuerer Zeit hat eine andere Theorie des Überganges von Glucose zu Fett Aufmerksamkeit erregt, welche auf die Bedeutung 1) S. IwANOW, Ber. Botan. Ges., 2g, 595 (1911). — 2) F. L. Dunlap u. Gilbert, Journ. Amer. Chem. Soc, 33, 1787 (1911). — 3) Lehmann u. Voit, Ztsch. f. Bio!., 42, 619 (1901). J. B. Leathes, Ergebn. d. Physiol., 8, 356 (1909). — 4) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 23, 2138. Untersuch, üb. Kohlenhydr. u. Fer- mente (1909). Vierundzwanzigstes Kapitel: Die Fettbildung in reifenden Samen u. Früchten. 745 des Acetaldehyds als Intermediärprodukt hingewiesen hat. Magnus- Levy(1) hatte zur Erklärung der Bildung von Buttersäure, Capronsäure und Essigsäure bei der Leberautolyse angenommen, daß zunächst aus Zucker Milchsäure und aus dieser CO2, Hg und CH3 • COH entstehen. So könnten QCaHßOg -^ 9C2H4O + OHg + OCOg geben und 9C2H4O + 7H2 Stearinsäure und 7 H2O liefern. Auch Buchner und Meisenheimer, Nencki, Raper undEuLER(2) haben an ähnliche Vorstellungen angeknüpft. Der letztgenannte Forscher denkt sich den Übergang Glucose über Glycerinaldehyd — Milchsäure — Acetaldehyd, Kondensation von 2 Mol. Acetaldehyd über Aldol zum dem Aldehyd der Sorbinsäure: CH3 — CH = CH — CH = CH — COH, Oxydation zu Sorbinsäure, die zu Capronsäure reduziert wird. Kondensation vouc 3 Mol. Sorbinaldehyd müßte analog zu Ölsäure bei unvollständiger Reduktion und zu Stearinsäure bei voll- ständiger Reduktion führen. Euler macht darauf aufmerksam, daß der- artige Vorstellungen sowohl die gerade Kohlenstoffzahl, als auch die normale Kohlenstoffkette der gewöhnlich vorkommenden Fettsäuren ohne weiteres verständlich machen. Die erwähnte Theorie hat physiologisch das für sich, daß sie an Prozesse anknüpft, welche mit der Alkohol- gärung und Glucolyse verwandt sind. Ida Smedley(3) hat ferner darauf hingewiesen, daß die Kondensation von Aldehyden mit Brenztrauben- säure in alkalischer Lösung zu a-Ketosäuren Ausblicke auf das Problem der Fettbildung ermöglicht. Die Ketosäuren müßten bei der Oxydation unter CO2- Abspaltung /?-Oxysäuren und ungesättigte Säuren ergeben, z. B.: CH3 . COH + CH3 . CO . COOH = CH3 . CHOH • CH2 • CO • COOH CH3 . CHOH . CH2 • CO . COOH f 0 = COo + CH3 • CHOH • CH2 • COOH CH3 . CHOH . CHg . COOH — E^O = CH3 • CH : CH • COOH. Die Glycerinbildung aus Glycerinaldehyd in der überlebenden Leber wurde bereits von Embden(4) experimentell nachgewiesen. Bildung höherer Fettsäuren aus Eiweiß ist wohl von tierchemischen Prozessen bekannt [Brei von Schmeißfliegenlarven, Weinland (5)], jedoch nicht aus dem Pflanzenkörper. Die Bedeutung der relativ großen Protein- mengen in Ölsamen ist zurzeit gänzlich unklar. Vielleicht wird man zum Verständnis der Fettbildung aus Kohlen- hydraten die Bildung von Buttersäure, Capronsäure, Glycerin bei Bacterien auf Glucosenährboden künftighin noch heranzuziehen haben. Selbst Palmitinsäurebildung ist von Emmerling(6) bei Bac. butylicus beobachtet worden. Durch einige Forscher wurden noch ganz andere Stoffe mit der Fettsynthese in Beziehung gebracht, so für die Fettbildung bei Juglans nigra das Tannin [Mc Clenahan(7)j, und für die Entstehung des Olivenfettes durch Scurti und Tommasi (1. c.) wenigstens partiell die in den Blättern gebildete Wachsalkohole, wie das Oleanol bei Olea europaea, das Ligustrol bei Ligustrum und das Phillyreol bei Phiilyrea media. 1) A. Magnus -Levy, Arch. Anat. u. Phys., Phys. Abt. (1902), p. 365. — 2) Buchner u. Meisenheimer, Ber. Chem. Ges., 43^ 1773 (1910). Nencki, Ebenda, 10, 1033 (1877). H. St. Raper, Proc. Chem. Soc, 23, 235 (1907); Journ. of Physiol., 32, 216 (1906). H. Euler, Pflanzenchemie, //, 212 (1909). — 3) Ida Smedlet, Zentr. Physiol., 26, 915 (1912); Journ. of Physiol. (Dec. 1912). — 4) G. Embden, Schmitz u. Baldes, Biochem. Ztsch., 45, 174 (1912). — 5) Weinland, Ztsch. f. Biol., 51, 197 (1908). Vgl. auch H. ScHtJfzE, Arch. Hyg., 76, 116 (1913). — 6) Emmerling, Ber. Chem. Ges., 30, 451 (1897). — 7) Mc Clenahan, Journ. Amer. Chem. Soc, 31, 1093 (1909). 746 FünfundzwanzigBteB Kapitel: Reßervefett in Achsenorganen und Laubblättern. Fünfundzwanzigstes Kapitel: Reservefett in Achsenorganen und Laubblättern. Fett als Reservestoff von unterirdischen Stämmen, Zwiebeln, Knollen und Wurzeln. In unterirdischen Speicherorganen kommen größere Mengen von ßeservefett nur in relativ seltenen Fällen vor, fast immer finden sich hier ausschließlich Kohlenhydrate als stickstoffreies Reservematerial. Er- hebliche Mengen Fett führen die Wurzelknollen einiger Cyperaceen [Cyperus esculentus 27— 28 %(1); Kyllinga monocephala(2)]. Nägeli(3) gibt auf Grund mikroskopischer Untersuchung von Bupleurum stellatum L. ziemlich viel Fett, von Parnassia und Androsaemum viel Fett in den Rhizomen an. Kleine Mengen Fett dürften sich aber wohl überall finden. In den nachfolgenden Literaturangaben beziehen sich die Zahlen für Rohfett und Kohlenhydrate auf Prozente der Trockensubstanz. LucK, zit. in Flückiger, Pharm. (3. Aufl.), p. 316. R. Y. LuNA 1, c. Kellner, Jahresber. Agr. ehem. (1884), p. 409. Wasser- Roh- Kohlen- gehalt Proz. fett hydrate Proz. Proz. Polystichum FiUx — 6 — mas Cyperus esculentus — 28,06 43,07 Colocasia antiquo- 81,71 1,03 80,77 rum Alocasia indica — 0,89 — Alocasia macror- — 1,01 — rhiza Xanthosoma viola- — 1,24 — ceum Xanthosoma sagitti - — 1,60 — fohum Conophallus Kon- 91,76 0,98 75,16 jaku Erythronium Dens — 0,135 — canis Lilium tigrinum. Zwiebel 71,46 0,83 75,69 Alhum Cepa, 88,55 2,08 76,54 Zwiebel Iris germanica, Rhiz . - 9,62 57,04 0,84 Peckolt, Just Jahresber. (1893), //, 472. Kellner, Versuchsstat., jo, 42. Draggendorff, Arch. Pharm. 213, 7 (1878). Kellner 1. c. (1884). 76,54 Jahresber. Agr.-chem. (1887), p. 421. Passerini, Jahresber. Agr.- chem. (1892), p. 178. 22,13 Kellner 1. c. Dioscorea japonica 80,74 Dioscoreaknollen — Dioscoreaknollen, Brasilien - 0,02 bis 1,18 - Peckolt, Just (1885), /, 77 0,158 bis 0,3 - J.M.MAiscH,Just(1893),p.464. 1) R. T. LuNA, Lieb. Ann., 78, 370 (1851). C. Hell u. Twerdomedoff, ßer. Chem. Ges., 22, 1742 (1889). — 2) Wahlenberg in Treviranus, Physiologie, 2, 47 (1838). — 3) Nägeli, Stärkekörner (1858), p. 559, 563, 567. § 1. Fett als Reservestoff v. unterird. Stämmen, Zwiebeln, Knollen u. Wurzeln. 747 Wasser- Roh- gehalt fett Proz. Proz. Curcuma sp., 8,07-9,08 7, 51-8, J Rhizom Nelumbo nucifera 85,84 1,44 Beta vulgaris 91,76 1,82 Zuckerrübe 86,97 0,61 Manihot Aipi, ge- 61,30 0,17 schälte Knollen Joannesia princeps 55,83 0,2 Vell., Wurzelknolle Polygala Senega L. — 4,55 Wurzel Daucus carota. 87,76 3,82 Wurzel Peucedanum Canbyi » 2,12 Wurzelknollen Cicuta maculata L. — 0,54 Ipomoea Batatas 75,01 1,16 Solanum tuberosum 75,90 0,46 Stachys tubenfera 78,83 0,18 Dipteracanthus — 0,123 tomentosus Bignonia exoleta Vell •» Wurzelrinde 0,2 Knollen 80,58 0,302 Stemnolobium stans D. Don, Wurzelrinde 57,5 0,205 Zeyhera montana Mart., Rhizom 46,66 0,6 Jacaranda racemosa Cham., Wurzeh-inde 13,0 0,253 Cichorium Intybus 77,3 0,20 Arctium Lappa 73,68 0,82 Kohlen- hydrate Proz. t - Leach, Chem. Zentr. (1904), //, 1621. 78,79 Kellner 1. c. 56,76 Jahr.ber. Agr.chem. (1887) 1. c. 69,74 Jahr.ber. Agr.chem. (1887) 1. c. 30,98 EwELL u. WiLEY, Jahresber. Agr.chem. (1894), p. 213. — Th. Peckolt, Ber. pharm. Ges. J5, 183 (1905). — A. ScHROEDER, Arch. Phar., 243, 628 (1905). 65,28 Jahresber. (1887) 1. c. 27,68 Trimble, Just (1890), /, 91. — Blacksmann, Just (1893), //. 454. 81,27 Kellner 1. c. 83,05 Jahresber. (1887), i.e. 16,57 Planta, Versuchsstat., 35, 478 (1888). — Th. Peckolt, Ber. Pharm. Ges. 22, 388 (1912). Th. Peckolt, Ber. pharm. Ges. 22, 24 (1912). 17,30 A. Mayer, Jahresber. chem. (1883), p. 352. 69,13 Kellner 1. c. Agr.- Dem Werke von König seien noch nachstehende Daten entnommen ; der Fettgehalt ist hier in Prozenten der Frischsubstanz ausgedrückt; die Zahlen sind Mittelwerte. Solanum tuberosum Hehanthus tuberös. Brassica Napus escul. Rapa Beta vulgaris, Zuckerrübe Jatropha Manihot Rhaphanus sativ. Cochlearia Armorac. Wassergehalt Fettgehalt 74,98% 79,24 87,80 90,78 87,50 82,25 67,65 93,34 76,72 0,09-0,19% 0,14 0,21 0,22 0,14 0,12 0,40 0,15 0,35 85,990/, 0,10 87,62 0,29 64,66 0,06 65,34 0,32 76,00 0,60 86,79 0,30 82,05 0,55 57,60 0,80 85,10 0,27 66,86 0,55 80,39 0,50 84.09 0,39 748 Fünfundzwanzigstes Kapitel: Reservefett in Achsenorganen und Laubblättern. Alliura Cepa „ Porrum „ sativum Chaerophyllum bulbos. ,, Prescottii Daucus Carota Pastinaca sativa Apios tuberosa Boussingaultia baselloid. Sagittaria sagittifol. Scorzonera hispanic. Apium graveolens Eine kleine Reihe von Analysen hat sich mit der Feststellung der Fettsäuren im Reservefett unterirdischer Speicherorgane befaßt. Nephrodium Filix mas, Rhizom, enthält nach Katz(1) Olein, Pal- mitin, Cerotin und Spuren von Buttersäure. LucKs ,,Filixolinsäure" ist nur Ölsäure. Nephrodium spinulosum enthält im Rhizomfett nach Farup (2) Triolein, 4% Linolein, wahrscheinUch auch Isolinolensäure und geringe Mengen fester Fettsäuren. Das Öl aus CyperusknoUen besteht nach Hell und Twerdomedoff 1. c. hauptsächlich aus Olein, Myristin, Palmitin und Stearin. Trimyristin findet sich auch im Irisrhizom [Flückiger(3)]. Das Rhizom von Iris versicolor L. enthält nach Power und Salway(4) Laurin, Stearin, Palmitin, wenig Olein und Cerotin. Die Wurzel von Paeonia Moutan führt nach Martin (5) Caprinsäure. In der Wurzel von Lasiosiphon Meissnerianus fand Rogerson (6) Palmitin und Olein. Oenanthe crocata enthält nach Tutin (7) Palmitin und Linolein. Für die Archangehcawurzel ist von R. Müller (8) Oxymyristinsäure angegeben. In der Wurzel von Scopolia carniohca fanden Dunstan und Chaston (9) Arachinsäure. Withania somnifera führt in der Wurzel nach Power und Salway(IO) Cerotinsäure, Palmitin, Stearin, Olein, Linolein und höhere Alkohole. Im Fett von Kartoffelknollen konstatierte Eichhorn (11) freie Fettsäuren. DasjFett von Br yonia dioica- Wurzel enthält nach Power und Moore (1 2) Olein, Linolein, Palmitin, Stearin. In dem Fett aus der Wurzel von Polygäla Senega fand Schroeder (13) Valeriansäure, Essigsäure, 7,93% Palmitinsäure, 79,29% Ölsäure. Aus dem Fett der Taraxacumwurzel wurden Palmitinsäure, Ölsäure, Linolsäure, , Melissinsäure und Cerotinsäure isoliert (14), aus der Wurzel von Caulo- 1) J. Katz, Arch. Pharm., 236, 665 (1898). — 2) P. Fakup, Ebenda, 242, 17 (1904). — 3) Flückiger, Ebenda, 208, 481 (1876). — 4) Fr. B. Power u. A. H. Salwat, Amer. Journ. Pharm., 83, 1 (1911). — 5) G. Martin, Arch. Pharm., 213, 335 (1878). — 6) H. Rogerson, Amer. Journ. Pharm., 83, 49 (1911). — 7) Fr. TuTiN, Pharm. Journ. (4), 33, 296. — 8) R. Müller, Diss. (Breslau 1880). — 9) W. R. Dunstan u. Chaston, Pharm. Journ. (1889), p. 461. — 10) Power u. Salwat. Journ. Chem. Soc. Lond., 99, 490 (1911). — 11) H. Eichhorn, Pogg. Ann., 87, 227 (1852). — 12) Power u. Ch. W. Moore, Journ. Chem. Soc. Lond., 99, 937 (1911). — 13) A. Schroeder, Arch. Pharm., 243, 628 (1905). — 14) F. ß. Power u. H. Browning jun., Journ. Chem. Soc, loi, 2411 (1912). § 2. Fett als Reservestoff von Stamm u. Zweigen bei Holzgewächsen, 749 phyllum thalictroides Olein, Linolein, Palmitin, Stearin, Cerotin(l), aus der Wurzel von Phaseolus multiflorus Olein und Linolein (2). Im ganzen scheinen die Verhältnisse dem Samenfett analog zu hegen. Über Fettbildung und Fettresorption bei unterirdischen Speicherorganen sind Untersuchungen bisher ^nicht angestellt worden. § 2. Fett als Reservestoff von Stamm und Zweigen bei Holzgewächsen. Bis in die neuere Zeit herrschte die Annahme, daß im oberirdischen Stamme von HolzpfIanz6n nur Kohlenhydrate als stickstoffreiche Reserve- stoffe vorkommen, woselbst sie im Herbst abgelagert werden, den Winter über ruhen und im Frühling auszuwandern beginnen. Russow(3) hat 1882 zuerst gezeigt, daß in den meisten Holzpflanzen während der Winterruhe eine mehr oder weniger reichliche Bildung von Fett auf Kosten des Vorrates an Kohlenhydraten (Stärke) erfolgt. Vom September bis Dezember nimmt bei den Holzgewächsen Nord- und Mitteleuropas die Stärke ganz allmählich ab, während sich Fett ablagert. Fett ist daher auch für die Stämme der Holzpflanzen als typischer Reservestoff anzunehmen. Baranetzky und Grebnitzky (4) bestätigten die Richtig- keit jener Befunde vollkommen, und es hat sodann A. Fischer (5) diese merkwürdige Stoffwechselerscheinung einer ausführlichen Untersuchung gewürdigt. Nach Baranetzky sind 9—10% der Trockensubstanz an Fett in Tiliazweigen während der Winterruhe vorhanden. Truman(6) gab für die Stamm- und Wurzelrinde von Juglans cinerea sogar 50 % fettes Öl an. Es fehlt auch nicht an Angaben über das Vorkommen von Fett in Stammorganen tropischer Pflanzen, z. B. Zuckerrohr (7). Für Farnstengel hat Rostowzew Fett als Reservestoff nachgewiesen (8). Auch wurde neuerdings das Fett verschiedener Objekte chemisch untersucht. Das Fett aus Rinde, Splint und Kernholz der Eiche besteht nach Metzger (9) aus Olein, Palmitin und Stearin. F. Grüttner(IO) fand im Rinden- fett von Hamamelis virginica L. Olein und Palmitin als Hauptbestand- teile. Im unangenehm ranzig riechenden Holze von Goupia tomentosa fanden Dunstan und Henry (11) Ameisensäure, Isovaleriansäure, n-Capron- säure und Laurinsäure. Die Rinde von Rhamnus Purshiana enthält nach Jov^ett (12) 2% Fett, bestehend aus den Glyceriden der Arachin- und Myristinsäure sowie aus freier Arachinsäure ; jene von Evonymus atropurpurea nach Roger- S0N(13) führt Olein, Linolein, Palmitin und Cerotin; jene von Erythro- phloeum guineense nach Power und Salwäy (14) Cerotin, Palmitin, Stearin, Olein und Linolein. 1) Power u. Salwat, Journ. Chem. Soc, 103, 191. — 2) Power u. Sal- way, Pharm. Journ. (4), 36, 550 (1913). — 3) E. Russow, Dorpat. Naturf. Ges., 6, 492 (1882). — 4) Baranetzky, Botan. Zentr., iS, 157 (1884). Über TUi afett ferner F. G. WiECHMANN, Amer. Chorn. Journ., /; (1895). — 5) Alfred Fischer, Jahrb. wies. Botan., 22, 73 (1890). — 6) E. D. Trüman, Just Jahreaber. (1894), //, 401. — 7) F. SzYMANSKi, \V. Lenders u. \V. Krüger, Botan. Zentr., 67, 196 (1896). Festes Fett und Lecithin. — 8) Rostowzew, Just Jahresber. (1894), I 179 (Ophio- glossura). -- 9) P. Metzger, Diss. (München 1896). — 10) F. Grüttner, Arch. Pharm,, 236, I (1898). — 11) W. R. Dunstan u. T. A. Henry. Just Jahresber. (1898), ir, 16. — 12) H. A. D. Jowett, Chem. Zentr. (1905), /, 388. — 13) H. RoQERSON Journ. Chem. Soc., loi, 1040 (1912). — 14) F. B. Power u. Salwat, Amer Journ. Pharm., 84, 387 (1912). 750 Fünfundzwanzigstes Kapitel: Reservefett in Achsenorganen und Laubblättem Fischer fand, daß bei manchen Bäumen die Stärke während der Winterruhe gänzlich schwindet und an deren Stelle massenhaft Fett auf- tritt, während bei anderen Baumarten nur relativ geringe Stärkeabnahme und Fettbildung zu konstatieren ist. Die ersteren („Fettbäume" Fischers, z. B. Tilia, Betula, Pinus silvestris) sind in der Regel weichholzig, im Gegensatze zu den oft hartholzigen „Stärkebäumen", wie Quercus, Corylus, Ulmus, Platanus, Pirus, Fraxinus und andere. Übergangsglieder zwischen beiden Typen sind die meisten Coniferen und Evonymus europaea. Die Umwandlung der Stärke beginnt nach Fischer Ende Oktober und Anfang November, dauert ungefähr 4 Wochen und ist (in Mitteleuropa spätestens Mitte Dezember vollendet. Das Fett bleibt drei Wintermonate hindurch (bis Ende Februar) liegen. Ende Februar beginnt die Regeneration dar Stärke, an welche sich im Frühhng der Transport der saccharifizierten Kqhlenhydrate anschheßt. Die Fettbildung beginnt zuerst in den chloro- phyllhaltigen jungen Rindenteilen. Im Holze schreitet sie nach Fischer von der Markgrenze zentrifugal nach dem jüngeren Holze zu fort. Die Er- setzung der Stärke durch Fett läuft lokal in den Zellen des Speicherparen- chyms von Rinde und Holz ab, und ist mit keiner Translozierung von Reserve- material aus Zelle zu Zelle verbunden. Ein ganz geringer Rest von Stärke scheint meist, auch bei sehr reichlicher Fettbildung, in den Zellen zurück- zubleiben. Kurz nach Fischer beobachtete auch Suro2 (1) die Erscheinung mit ganz ähnhchen Ergebnissen. Nach diesem Autor scheinen zur Zeit der Fettbildung die Stärkekörner in winzige Körnchen zu zerfallen, zwdschen welchen allmähhch Fettropfen verschiedener Größe auftreten. Bei Betula und Prunus soll hingegen die Stärke in sehr große kleisterähnliche Tropfen von unregelmäßiger Form übergehen, welche schUeßhch keine Jodreaktion mehr geben und sich mit Osmiumsäure intensiv schwärzen. Bei Betula werden sie alsbald durch kugeUge Öltropfen ersetzt, während sie bei Prunus den Winter unverändert überdauern und nur vorübergehend eine geringe Zahl kleiner Öltröpfchen formieren. Die mikroskopischen Befunde bedürfen wohl noch genauerer Kontrolle. Die Umwandlung m Fett beginnt in den älteren Zweigen und setzt sich auf die jüngeren fort. Nach Suro^ beginnt der Prozeß in Rußland bei allen untersuchten Bäumen fast gleichzeitig im September und hat mit Erreichung des Fettmaximums im November sein Ende erreicht. Dann aber soll eine Fetteinwanderung aus den jüngeren Zweigen in die älteren Stammteile erfolgen, welche bis zu völUgem Verschwinden des Fettes in den dünnen Zweigen führt. Fischer beobachtete eine solche Trans- lokation nicht. Diese Fettbildungsvorgänge sind der Fettbildung in reifenden Samen ganz analog und mit der letzteren wenigstens physiologisch, wenn nicht auch chemisch, identisch. Ob die Ansicht berechtigt ist, daß die winter- liche Fetteinlagerung bei Holzpflanzen eine Art Kälteschutz darstellt (2), ist mir sehr zweifelhaft. Die Rückverwandlung des Fettes in Kohlenhydrate (Fettresorption) beginnt in unseren Breiten nach Fischer durchschnittlich Anfang März, also zu einer Zeit, wo wenigstens in den Mittagsstunden im Sonnen- schein bereits höhere Temperaturen geboten sind. Schon Russow konnte zeigen, daß man bereits im Januar oder Februar bei abgeschnittenen 1) SuROz, Beihefte bot. Zentr. (1891), p. 342. — 2) A. Fischer, 1. c. Led- FORSS, Botan. Zentr., 68, 43 (1896); Vandevelde, Chem. Zentr. (1898), /, 466. Auftreten von Fett bei Laubblättern. 751 siärkefreien Zweigen verschiedener Baumarten durch Einstellen in Wasser bei 17® im Laboratorium binnen 24 Stunden reichliche Stärkebildung in den Rindenparenchymzellen hervorrufen kann. Im Kalthause bei 1—5" dauert die Stärkeregeneration hingegen einige Tage. Man kann selbst durch Wiederabkühlen in Rindenstücken eine neue Rückverwandlung der Stärke in Fett, allerdings sehr langsam, erzielen. Fischer sah die genannten Veränderungen sogar an dickeren mikroskopischen Schnitten beim Aufbewahren in der feuchten Kammer auftreten. Allenthalben scheint es sich um einen in der Zelle lokalisiert auftretenden Vorgang zu handeln, und die Stärke erscheint dort wieder, wo sie im Spätherbste in Fett übergegangen war. In der Rinde und an der Markgrenze beginnt die Fettresorption gleichzeitig, und sie schreitet im Holze zentrifugal gegen das Cambium hin fort. Nach SuR02 setzt der Prozeß in den allerjüngsten Trieben ein und pflanzt sich auf die älteren Zweige fort. Jonescu(I) hat aber im Holze von Fagus silvatica noch in der zweiten Hälfte des Mai viel Fett konstatieren können, nachdem in den beiden Vormonaten daselbst nur Stärke in reichlicher Menge gefunden worden war. Dabei gehört die Buche zu den typischen „Stärkebäumen" im Sinne Fischers, d. h. sie bildet während des Winters nur relativ wenig Fett aus. Dieses Verhalten bleibt noch aufzuklären. Da NiKLEWSKi (2) später auf analytischem Wege die mikro(?hemischen Befunde A. Fischers vollkommen bestätigen konnte, ist an der winterüchen Fettanhäufung in vielen Bäumen nicht zu zweifeln. Doch wird dies nicht immer im gleichen quantitativen Ausmaße zu erwarten sein, wie man aus den Angaben von Fabricius (3), Vandevelde und Befunden von Bert- hold (4) schUeßen darf. Als bloße Reaktion auf Temperaturerniedrigung darf man die winterUche Fettbildung nicht auffassen, sondern es spielen periodische Verhältnisse des Organismus hier eine große Rolle [Niklewski, Weber (5)]. Für die Knospen der Holzgewäches dürfte nach Fischer ebenfalls winterliche Fettbildung anzunehmen sein, so daß sich auch diese Organe den übrigen Reservestoffbehältern in ihrem Verhalten anschließen. Für unterirdische Speicherorgane allein stehen einschlägige Beobachtungen völlig aus, und es ist ungewiß, ob auch da Fettbildungsvorgänge in der Winterruhe vorkommen können. § 3. Auftreten von Fett bei Laubblättern. In ähnlicher Weise wie in den Achsenorganen zu Beginn der Winterruhe Fett aus Kohlenhydraten formiert wird, kommt auch in den wintergrünen Laubblättern nach mehrfachen Feststellungen eine Fett- bildung bis zu einem gewissen Grade zustande, so daß auch für Laub- blätter das Vorkommen von Reservefett sichergestellt ist. Die Unter- suchungen von Her, Schulz, Lidforss, Miyake, Czapek (6) haben 1) JoNESCU, Ber. Botan. Ges., 12, 134 (1894). — 2) B. Niklewski, Beihefte bot. Zentr., 19, I, 68 (1905). — 3) L. Fabeictds, Naturwiss. Ztsch. Land- u. Forstwiss., 3, 137 (1905). — 4) Bkrthold, Untersuch, z. pflanzl. Organis., //, 1. Hälfte, p. 122 (1904) und private Mitteilungen. — 5) F. Weber, Sitz.ber. Wien. Ak., 118, I, 967 (Juli 1909). Anatomisches über Fettröpfchen u. Stärke in Hoftüpfeln: G. Lakon, Ber. Botan. Ges., 2g, 175 (1911). — 6) E. Mer, BuU. Soc. Bot. France, 23, 231 (1876). E. Schulz, Flora (1898), 223, 248. B. LmFORSS, Botan. Zentr., 68, 33 (1896). K. Miyake, Bot. Mag. Tokyo, 14, Nr. 158 (1900); Botan. Gaz., jj, 321 (1902). F. Czapek, Ber. Botan. Ges., 19, 120 (1901). 752 Fünfundzwauzigstes Kapitel: Reservefett in Achsenorganen und Laubblättem. Übereinstimmend ergeben, daß (in unseren Breiten Ende Oktober) mit Eintritt der Winterruhe die Stärke der immergrünen Blätter zu schwinden pflegt und Fettropfen in den Blattparenchymzellen auftreten. Nach Badalla(I) tritt im oberitalienischen Winterklima der Stärke- verlust in den Schließzellen nicht mehr bei allen Arten auf. In Laub- blättern ist aber niemals die Umwandlung der Kohlenhydrate so reichlich zu beobachten wie im Stamm, und das Endprodukt der Stärkelösung ist meist Zucker. Es wird noch näher darzulegen sein, daß dieser als Kälte- wirkung zu betrachtende Vorgang im wesentlichen darauf hinausgeht, daß das Zellplasma die Fähigkeit gewonnen hat, Zucker in erhöhtem Maße zu speichern („Erhöhung der Zuckerkonzentrationsstimmung"). Warum jedoch die Fettbildung auf Kosten des Zuckers eintritt, ist noch nicht aufklärt. Von einschlägigem Interesse ist auch der Umstand, daß wintergrüne Blätter, wie Bonnier und Mangin(2) fanden, in der Dunkel- heit zur Winterszeit weniger COg ausatmen, als sie 0^ aufnehmen. Der CO respiratorische Koeffizient -j~ wird dadurch während des Winters kleiner O2 als 1 und man kann die Atmung der Blätter im Winter mit der Atmung keimender Fettsamen analogisieren. Ob es Laubblätter gibt, welche bei normaler Außentemperatur Fett als normalen Reservestoff bilden, ist nicht bekannt. Einzelne Be- obachtungen wären wohl in dieser Richtung weiter zu verfolgen (3). Fettes Öl ist in manchen Haaren (besonders den Perlhaaren der Ampe- lideen) reichlich vorhanden (4). Nach einer Angabe von Peckolt(5) enthalten die Blätter von Dipteracanthus tomentosus 0,25 % Fett. Power und Browning (6) isolierten aus dem Kraut von Euphorbia pilulifera Olein, Linolein, Pal- mitin und Melissinsäure; Heyl und Hepner(7) gewannen aus den Blättern von Zygadenus intermedius Stearin, Palmitin, Linolein, Olein, Isolinolenin und Cerotinsäure. Jedenfalls hat man dabei die W^achs- überzüge mit analysiert. Angaben über Reinfettbestimmungen an Blättern liegen bisher sonst nicht vor. Die Frage, ob Chloroplasten Fett statt Stärke als Speicherungs- produkt führen können, wurde bereits an anderer Stelle behandelt. 1) L. Badalla, Annali di Botan., 8, 549 (1910). -^ 2) Bonnier u. Mangin, Coinpt. rend., 100, 1992 (1885). — 3) Z. B.: L. Radlkofer, Sitz.ber. München. Ak., 20, 105 (1890), wo angegeben wird, daß die Blätter von Cordiaceen, Combreta- ceen, Cinchoneeu im Parenchym krystallinisches Fett in keulenartigen, optisch doppelt- brechenden Massen führen. Hingegen betreffen die Vorkommnisse, welche N. A. MoNTEVERDE (Just Jahresber. [1888], /, 673) beschreibt, wohl andere Stoffe als Fettsäureglyceride. Vgl. auch dje Beobachtungen von Rywosch, Ber. Botan. Ges., 15, 195 (1897). — 4) J. HoLMGREN, Botan. Zentr., ///, 482 (1911). — 5) Th. Peckolt, Ber. Pharm. Ges., 22, 388 (1912). — 6) Power u. Browning jun.^ Pharm. Journ. (4), 36, 506 (1913). — 7) F. W. Heyl u. Hepner, Journ. Amer. Chem. Soc, jj, 808 (1913). Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Resenestoff b. Thallophyten, Moosen usw. 753 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff bei Thallo- phyteu, Moosen, Farnen, Pollenkörnern. § 1- Fett bei Bacterien. Fettropfen sind in Bacterienzellen häufig zu beobachtende Inhalts- körper. In einzelnen Fällen gelingt es, wie A. Meyer (1) für die bei Bac. tumescens kurz vor der Sporenbildung auftretenden Tröpfchen im Zellinhalte und für andere Vorkommnisse zeigen konnte, deren Fettnatur direkt chemisch nachzuweisen. Es führen aber nicht alle Bacterien Fett als Reservestoff. Meyer (2) wies das Fett durch Naphtholblaufärbung nach; die Reaktion stellt man mit a-Naphthol und Dimethyl-p-Phenylen- diamin bei schwach alkalischer Reaktion an. Eisenberg (3) beizte mit alkalischer Naphthollösung und färbte mit Fuchsin. Die Quantität des Ätherextrakts kann, wenngleich dem Fett hier auch andere Stoffe mitunter in nicht geringer Menge beigemengt sind, auch bei den Bacterien in der Regel als ungefähres Maß des Fettgehaltes gelten. Solche Rohfettbestimmungen liegen vor von Nencki und Schaffer (4) für Fäulnisbacterien (noch keine Reinzucht) 6—7% der Trockensubstanz; für Bacillus erythematis nodos: 8,97% nach Bovet(5); für Bacillus pro- digiosus 4,83% und Xerosebacillus 8,06% nach Kappes (6); für Tuberkel- bacillen 26,2—28,2% nach Hammerschlag (7); für Diphtheriebacillen 1,62% nach Dzierzkowski (8); für Rotzbacillen 39,29% und Tuberkelbacillen 37,57% nach Schweinitz und Dorset (8); für WEiCHSELBAUMsche Meningo- cokken 5,94% nach Ditthorn und Woerner(IO) und für Essigbacterien 1,56% Rohfett nach Alilaire (11). Gramer (12) erhielt bei verschiedener Ernährung von Spaltpilzen folgende Werte für den Ätherextrakt: auf 17o Pepton 5 7o Pepton 57o Traubenzucker Pfeiffers Bacillus 17,7% „Wasserbacillus Nr. 28" 16,9 Pneumoniebacillus 10,3 Rhinosclerombacillus 11,1 Wie aus diesen Angaben, so geht auch aus dem Bericht von Lyons (13) hervor, daß die Rohfettmenge mit steigendem Traubenzuckergehalt des Substrates zunimmt. Das Maximum wird jedoch bereits bei 5% Glucose erreicht. 14,63% 24,0% 17,83 18,4 11,28 22,7 9,06 20,0 1) A. Meyer, Flora (1899), p. 431; Zentr. Bakt. I, 2g, 809 (1901). A. Grimme, Zentr. Bakt., j2, 1 (1902). Sata, Zentr. allgem. Pathol. (1900), p. 97 (Sudanfärbung). — 2) A. Meyer, Zentr. Bakt. I, 34. 578 (1903). — 3) Ph. Eisen- berg, Ebenda, 48, 257 (1908); 5t , 115 (1909). — 4) Nencki u. Schaffer, Ber. Chem. Ges., 12, 2386 (1879). — 5) V. Bovet, Monatsh. Chem., 9, 1152 (1888). — 6) H. C. Kappes, Koch Jahresber. Gär.org. (1890), p. 28. — 7) Hammerschlao, Zentr. klin. Med. (1891), Nr. 1. — 8) Dzierzgowski u. Rekowski, Koch, Jahreaber. Gär.org. (1892), p. 65. Vgl. auch Menard, See. Biol., 72, 980 (1912). — 9) E. de Schweinitz u. M. Dorsrt, Journ. Araer. Chem. Soc, /;, 605 (1895); 18, 449 (1896); 2S, 354 (1903). BULLOCH u. Macleod, Journ. of Hyg. (1904), p. 1. — 10) F. Ditthorn u. Woerner, Hyg. Rdsch., /p, 1 (1908). — 11) E. Alilaire, Compt. rend., 143, 126 (1906). — 12) E. Gramer, Arch. Hyg., /ö, 151 (1892). — 13) Ltons, Ebenda, 28, 30 (1897). Czapek, Biochemie der Pflanzeu. I. %. Aufl. 48 754 Sechsundzwanzigstes Kapitel : Fett als Reservestoff b. Thallophyten, Moosen usw. Die chemischen Eigenschaften der Bacterienfette wurden bisher nur am Ätherextrakt aus Tuberkelbacillen genauer festgestellt. Dieses Fett hat nach den übereinstimmenden Befunden von Aronson, Kuppel, Kresling, Fontes (1 ) wachsartigen Charakter durch seinen reichlichen Gehalt an Fettsäureestern höherer Alkohole (83% Cerylalkohol, vielleicht auch Myricyl- alkohol). Baudran(2) gibt außerdem 15—18% Stearin und 10—12% Olein an; Palmitin fehlt gleichfalls nicht. Dieser Autor gibt das Gesamtfett mit 36—44% der Leibessubstanz an. Kresling gewann aus Tuberkelbacillen 38,95% Fett; die Konstanten waren folgende: F 46"; Säuregehalt 23,08; Reichert-Meisslzahl 2,007; Hehnerzahl 74,236; Verseifungszahl 60,7; Äther- zahl 36,62; Jodzahl 9,92; freie Fettsäuren 14,38%; aus ihren Estern abge- schiedene Alkohole 39,1% von 43,5— 44|' F. Kozniewski (3) erhielt aus Tuberkelbacillen vom Menschen 3,74% Ätherextrakt und 21,38% Aceton- extrakt; Rindertuberkulosebacillen heferten 8—10% mehr. Das Produkt war ein weißes Wachs. Die Zusammensetzung C24H48O2 würde auf Dodecyl- alkohol-Laurinsäm-eester deuten, doch stimmt die Verseifungszahl nicht zu dieser Annahme. Tuberkelwachs ist gut löshch in Chlorhydrinen (4). Wahrscheinhch beruht die Schwierigkeit der Entfärbung der Tuberkel- bacillen bei Säurebehandlung, wodurch man sie gewöhnhch von begleitenden Mikroben differenziert, auf ihrem großen Gehalt an „Tuberkelwachs" (5). Für das Fett aus Rotzbacillen gaben Schweinitz und Dorset Olein und Palmitin als Bestandteile an. Nach Emmerling (6) scheint Bac. butyricus auf Traubenzucker lösung Palmitinsäure zu bilden. Die Kenntnisse über die Chemie der Fettbildung bei B ac- te rien sind sehr geringfügige. Nach den oben mitgeteilten Tatsachen scheint Zuckernahrung das beste Material zur Fettsynthese abzugeben. Doch wissen wir, daß auch auf Kosten von Eiweißstoffen in den Bacterien- leibern Fett gekldet werden kann. So erfolgt bei der Reifung ver- schiedener Käsesorten nach neueren Untersuchungen (7) tatsächlich im Sinne älterer Angaben von Blondeau (1847) eine Fettvermehrung auf Kosten von Eiweiß. Ebenso ist es wohl bei der Bildung des Leichen- wachses oder Adipocire. Im weiteren Sinne gehört wohl auch hierher die schließliche Bildung von Petroleumkohlenwasserstoffen aus ver- schiedenen Fettsäuren, wenn eine langsame anaerobe Zersetzung der organischen Stoffe erfolgt (Erdölbildung) (8). Die Fettbildung bei Pyo- cyaneus in Bouillonkulturen wurde durch Beere und Buxton(9) näher verfolgt. Fettspaltung und Fettresorption sind Vorgänge, die nicht von allen Bacterien gleich energisch ausgeübt werden. Kruyff(IO) nennt 1) Aronson, Berlin, kün. Woch.schr. (1898), p. 484; (1910) 47, Nr. 35. W. G. RUPPEL, Ztsch. physiol. Chem., 26, 218 (1898). Die ProteiDe (1900), p. 90. Kresling, Zentr. Bakt. I, 30, 897 (1901); Arch. de Biol. P^tersbourg, //, 359 (1903). A. Fontes, Zentr. Bakt. I, 49, 317 (1909). — 2) G. Baudran, Compt. rend., 142, 657 (1906). — 3) T. Kozniewski, Bull. Int. Acad. Sei. Cracovie, A (1912), p. 942. — 4) Salimbeni, Compt. rend., 155, 368 (1912). — 5) Vgl. Camus u. Pagnier, Soc. Biol., 59, 701 (1905). Auclair u. Paris, Compt. rend., 144, 278 (1909). G. Detcke, München, med. Woch.schr., 57, 633 (1910). — 6) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., 30, 451 (1897). — 7) Jacobsthal, Arch. gesamt. Physiol, 54, 484 (1893). Windisch, Arbeit, kais. Gesundh.amt, 17 (1900). Eosenfeld, Ergebn. Physiol., /, I, 655. H. Schütze, Arch. Hyg., 76, 116 (1913). — 8) Lit. bei F. Baum, Abder- haldens biochem. Handlexikon, /. 17 (1911). — 9) S. P. Beere u. B. H. Buxton, Amer. Joum. Physiol., 12, 466 (1905). Ölosse, Arch. Int. Physiol., /, 284 (1904). — 10) E. DE Kruyff, BuU. Dept. Agr. Int. Nöerl., 9 (1908). § 1. Fett bei Bacterien. 755 die energischen Fettspalter „Lipobacterien". Zu ihrem Nachweis ver- wendet man eine Tributyrin oder Triolein in Emulsion enthaltende Nähr- gelatine (l), die Aufhellung um die Kolonien deutet die Lipolyse an. Auch Milch ist ein günstiger Nährboden. Starke Fettzehrer und Fett- spalter sind z. B. pyocyaneus und tetragenus nach Sommaruga (2), fluorescens liquefaciens [Laxa, Jensen, Kruyff(3)], putrificus, Stutzeri und eine mesentericus-ähnliche Form nach Söhngen (4); Jensen fand auch prodigiosus stark fettspaltend. Unter den von Wells und Corper untersuchten Mikroben wirkte Staphylococcus pyogenes aureus am stärksten lipolytisch, sodann Pyocyaneus, weniger Dysenterie- und Tuberkulose- bacülen. Milchsäuregärungsbacterien sowie Tyrothrix fand Laxa ohne Wirkung; Huss(5^ isolierte aus Milch ein gut wirksames Clostridium lipolyticum. Milzbrandbacillen bilden nach Iv\rAN0w(6) Fettsäuren in Milchkulturen; ihre Virulenz wird durch Fettzusatz zum Nährboden ge- schwächt (7). Auf Baumwollsaatmehl beobachtete König (8) Mikroben aus der Gruppe des subtilis und des mesentericus als Fettspalter. Andere Angaben über Mikroben auf zersetztem Fett finden sich bei Bahn (9). Rubner(IO) untersuchte die Fettresorption, durch Boden- bacterien. Aus den Arbeiten von Söhngen geht hervor, daß auch die bac- terielle Fettspaltung durch Lipasen ausgeübt wird. Das Medium hat keinen entscheidenden Einfluß auf die Produktion der lipolytischen Bacterienenzyme; nur eine verminderte Produktion ließ sich bei Gegen- wart von Säure feststellen. Die Lipasen werden auch bei Sauerstoff- abschluß produziert; hier häufen sich jedoch, da keine Weiterverarbeitung der Verseif ungsprodukte stattfindet, die letzteren an (11). Mehr wie andere Lipasen sind die bacteriellen Fettspaltungsenzyme empfindlich gegen saure Reaktion, sind aber recht resistent (bei Gegenwart von Fett) gegen Hitze. Nach Söhngen lassen sich vielleicht zwei Lipasen, a- und /S-Lipase nach ihrem differenten Diffusionsvermögen und verschiedener Säureresistenz unterscheiden; /5-Lipase wirkt nur in neutralem Milieu. Daß Fettsynthese durch Bacterienlipase möglich ist, hat Söhngen gleichfalls nachgewiesen. Die weitere Fettverarbeitung geschieht auch hier auf oxydativem Wege. Die Intermediärprodukte, welche aus den Fettsäuren entstehen, kennt man auch hier nicht. Bei Verabreichung von Glycerin werden Äthylalkohol, Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure und Bernsteinsäure gebildet (12). Fürth und Schwarz (13) machen darauf aufmerksam, daß auch bei den Bacterien die Verarbeitung höherer Fettsäuren wesentlich schwieriger erfolgt als die Assimilation von Zucker. 1) EiJKMAN, Zentr. Bakt. I, 2g, 841 (1901). Wells u. Corper, Journ. Infect. Diseas., //, 388 (1913). — 2) E. v. Sommaruga, Ztsch. Hyg., 23, 441 (1894). — 3) O. Laxa, Arch. Hyg., 41, 119 (1901). O. Jensen, Zentr. Bakt. II, 8, 250 (1902). Kruyff, 1. c. — 4) N. J. Söhngen, Kgl. Akad. Amsterdam, 19, 689, 1263 (1910); 20, 126 (1911). — 5) H. Huss, Zentr. Bakt. II, 20, 474 (1908). — 6) Iwanow, Ann. Inst. Pasteur (1892), p. 131. — 7) L. Manfredl Just Jahresber. (1887), /, 111. — 8) König, Spieckermann u. Bremer, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genuß- mittel, 4, 721 (1901). KÖNIG, Fühlings landw. Ztg. (1903), IX. — 9) O. Rahn, Zentr. Bakt. II, /j, 53, 422 (1905); 16, 488 (1906). — 10) M. Rubner, Arch. Hyg., 38, 67 (1901). Zusammenfassung bei Connstein, Ergebn. d. Physiol., 3, 1, 226 (1904). — 11) SÖHNGEN, Kgl. Akad. Amsterdam (1910), p. 667; Folia microbiologica, /, 199 (1912). K. Schreiber, Arch. Hyg., 4', 328 (1902). — 12) E. Buchner, Botan. Zentr. (1885), /, 348, 385. Frankland u. Fox, Proceed. Roy. Soc. Lond., 45, 345 (1890). O. Emmerling, Ber. Chem. Ges. (1896), p. 2726. — 13) O. V. FÜRTH u. Schwarz, Arch. di Fisiol. (Festschr. f. Fano), 7. 440 (1909). 48* 756 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff b. Thallophy ten, Moosen usw. § 2. Fett bei Hefen. In kräftig vegetierender Hefe dürfte nach den Ermittelungen von Payen(I), Nägeli(2) und Duclaux(3) der Fettgehalt zwischen 2 und 5 % der Trockensubstanz betragen und Henneberg (4) gibt neuestens dieselbe Fettmenge für Hefe an. Alte Hefezellen sind nach Duclaux sehr fettreich; ihr Fettgehalt steigt auf 10 — 13%, in 15 Jahren war bei einer in Bier aufbewahrten Hefenprobe der Fettgehalt bis auf 52% an- gewachsen. Hier handelt es sich offenbar um kein Reservefett, sondern um eine fettige Degeneration der Hefezellen (Henneberg 1. c). Meist ist das Hefefett im Plasma fein verteilt, doch ist das Auftreten von Fettvacuolen ein häufiger Befund. Duclaux meinte, daß das Hefefett viel Oxysäuren enthalten dürfte, doch sind solche von keinem anderen Untersucher darin gefunden worden. Gerard und DarexyCS) fanden Palmitin, Stearin und etwas Butyrin, dazu die entsprechenden freien Fettsäuren; nach Hinsberg und Roos(6) sollten zwei Säuren der Öl- säurereihe C18H34O2 und C12H22O2 darin vorkommen sowie eine ge- sättigte Saure C15H30O2 vom Schmelzpunkt 56°; letztere Säure dürfte aber späteren Angaben dieser Forscher zufolge doch nur Palmitinsäure sein. Bakanntlich ist in gärenden hefehältigen Flüssigkeiten stets etwas Glycerin enthalten, und man muß erwägen, inwiefern diese Glycerinbildung mit dem Fettstoffwechsel zusammenhängen kann. Pasteur(7), der zu- letzt auf die Regelmäßigkeit dieses Befundes aufmerksam machte, fand meist 2,5—3,6% des vergorenen Zuckers an Glycerin und 0,4—0,7% an Bernsteinsäure. Er brachte die Bildung beider Stoffe in eine direkte Be- ziehung zur Zuckerspaltung und suchte dies durch eine entsprechende Gärungsgloichung auszudrücken. In neuerer Zeit ist wieder Udranszky(8) so weit gegangen zu behaupten, daß die Glycerinbildung nicht den mindesten Zusammenhang mit der Alkoholgärung habe und mit dem Fettumsatz in Beziehung stehe. Daß es als Fettspaltungsprodukt aus toten Zellen austritt, wird dadurch unwahrscheinlich, daß nach UüRANSZKYder Glycerin- gehalt bei langem Stehen von Hefeaufschwemmungen abnimmt, und die gebildete Glycerinmenge steigt, je kräftiger die Hefe wächst und je günstiger ilue Lebensbedingungen sind (9). Sonst sind aber die Glycerin quantitäten recht schwankend. Wichtig war der Nachweis Büchners, daß kleine Glycerin- mengen auch in der künsthchen Zymasegärung aus Zucker gebildet werden. Dadurch wird es wahrscheinUch, daß das Glycerin irgendwie m seiner Ent- stehung mit den Intermediärprodukten der Alkoholgärung zusammenhängt, und mindestens nicht in seiner Totalität mit dem Fettumsatz kausal ver- knüpft ist. Das Glycerin hat schon Nägeli als Inhaltsstoff der Bierhefe- 1) Payen, Möm. sav. Strang., 9, 32. — 2) Nägeli u. O. Loew, Lieb. Ann., 193, 322 (1878); Journ. prakt. Chem., /;, 403. Nägeli, Fettbild. b. nied. Pilzen, Kgl. bayr. Ak. (Mai 1879), p. 289. — 3) Duclaux, Traitö de Microbiol., j, 151. — 4) W. Henneberg, Ztsch. Spiritusindustr., 27, 96 (1904); Naturf. Ges. (1911), 2, I, 24Ü. — 5) E. Gerarp u. P. Darexy, Bull. Soc Mycol. France, 13, 183 (1897); Journ. Pharm, et Chim. (6), 5, 275 (1897). — 6) O. Hinsberg u. Roos, Ztsch. physiol. ehem., j5, 1 (1903); 42, 189 (1904). — 7) L. Pasteur, Ann. de Chim. et Phys. (3). sS, 323 (1860). — 8) L. v. Udranszky, Ztsch. physiol. Chem., 13, 542 (1889). — 9) Thylmann u. Hilger^ Arch. Hyg., 8, 451. A. Rau, Ebenda, 14, 225 (1892). Effront, Compt. rend., 119, 92 (1894). Brefeld, Landw. Jahrb., 3, 65 (1874); 4, 405 (1875). KunscH, Ztsch. angewandt. Chem. (1896), p. 418. Kauschke, Hilgers Vierte Ijahrsachr. (1897), p. 68. § 3. Fett bei höheren Pilzen. 757 Zellen nachgewiesen. Udranszkys Bestimmungen ergaben, daß Bierhefe etwa 0,053% Glycerin enthält, während käufliche Preßhefe 0,017% heferte. Die Meinung von Carracido (1), daß das Glycerin ein Pi-odukt des Eiweiß- umsatzes sei, basiert nur auf dem Befund, daß stärkere Eiweißdarreichung die Glycerinbildung durch gärende Hefe erhöht. Bezüghch der Möghchkeit Saccharomyceten mit Fett zu ernähren liegt die Angabe von van Tieghem(2) vor, wonach blos eine als neu beschrie- bene Art (Sacch. olei) sich auf Fettnährboden entwickeln konnte. Eine fettspaltende Torulaform isolierte Rogers (3) aus Konservenbutter, doch war dieselbe wenig lipolytisch wirksam. § 3. Fett bei höheren Pilzen. In allen Gruppen der höheren Pilze ist P'ctt als Reservestoff sowohl in Sporen und Conidien als auch in Dauerm3^celien, Sclerotien, jungen Fnichtkörpern überall verbreitet. Auch im Plasmodium von Fuligo septica fanden Reinke und Rodewald (4) 4% Fett vom gewöhnlichen Charakter. Den zahlreichen bei König zusammengestellten Daten über den Fettgehalt der Hutpilze ist zu entnehmen, daß der Fettgehalt der frischen Pilzsubstanz 0,2—5,8 %,, in Beziehung zur Trockensubstanz etwa das lOfache dieser Werte beträgt. Die sorgfältig an ausgesuchtem Material von Margewicz(5) angestellten Analysen ergaben für die unter- suchten Hymenomyceten Zahlen zwischen 5,34 und 7,37 %. Der Fett- gehalt des jungen Hymeniums war bedeutend größer als der Fettgehalt im oberen Teile des Hutes: Boletus scaber Bull. 5,81% 4,07% 3,51% ] Fett der „ eduHs Bull. 7,97 5,82 4,41 | Trocken- „ aurantiacus Schaff. 8,53 4,79 6,32 j Substanz Bei verschiedenen Lactariaarten erhielten Bougault und Charaüx (6) ähnliche Zahlen. Boletus Bellini enthält 5,03% Rohfett [Chiapella (7)] ; Trametes suaveolens Fr. 0,8% [Zellner (8)] ; Polyporus igniarius Fr. 1,08% [Zellner (9)] ; Pholiota squarrosa Müll. 3,5% des lufttrockenen Mycels (10); Meruhus lacrimans nach Goeppert(II) 13,08% Fett. Das Sclerotium von Claviceps purpureaTul. enthält nach FiciNUS (12) bis 30% Fett, und es kann der Fettgehalt nach Flückiger (13) selbst bis auf die Hälfte des Trocken- gewichtes ansteigen. Die reifen Conidien von Penicillium crustaceum enthalten nach Cramer(14) 7,3% Rohfett. Im Mycel von Schimmelpilzen, welche auf Peptonfleischextraktbouillon mit 2% Glucose und 1% Weinsäure kultiviert I) Carracido, Biochera. Zentr., j, Ref. 1261 (1904). — 2) van Tieghem, Bull. Soc. Bot. France, 28, 137 (1881). — 3) L. A. Rogers, Zentr. Bakt. II. /o, 381 (1903); 12, 388 (1904). — 4) Reinke u. Rodewald, Untersuch, bot. Inst. Göttingen, II (1881). — 5) Margewicz, Just .Tahresber. (1885), /, 85. — 6) J. Bougault u. Charaux, Journ. Pharm, et Chira. (7), 5, 65 (1912). — 7) Chiapella, Ch-^m. Zentr. (1907). //, 547. — 8) J. Zellner, Monatj-h. Chem., sg, 45 (1908). — 9) Zellner, Ebenda, p. 1171. — 10) Zellner, Ebenda, 34. 321 (1913). — 11) Goeppert, Der Hausschwamm (1885), p. 20. — 12) O. FiciNUS, Arch. Pharm., 203, 219 (1873). — 13) Flückiger, Pharmakognosie, 3. Aufl., p. 295. — 14) E. Gramer, Arch. Hyg., 20, 197 (1894). Über Schimmelpilze auch Marschall, Ebenda, 28. 16 (1897). 758 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff b. Thallophyten, Moosen usw. worden waren, fand Marschall (1) bei Aspergillus niger 4,7%, Penicillium crustaceum 4,1% und bei Rhizopus nigricans 7,0% Rohfett. In den Conidien von Aspergillus Oryzae sind nach Aso (2) nur 0,377% der Trockensubstanz an Ätherextrakt vorhanden. Im Gegensatze zu den höheren Pflanzen sieht man bei den Pilzen in fettreichen Geweben das Fett oft in großen Tropfen, welche das ganze Hyphenlumen erfüllen, ähnliche Bilder wie in tierischen Fettzellen dar- bietend, z. B. im Mutterkorn. Die nähere chemische Erforschung der Pilzfette hat eine Reihe erwähnens- werter Befunde ergeben. Aus Lactariaarten gewannen Bougault und Cha- RAUX(3) eine Ketostearinsäure C18H34O3, die Lactarinsäure (F87"); ihre Kon- stitution wurde als 6- Keto- Stearinsäure: CH3«(CH2)ii-CO-(CH2)4-COOH be- stimmt. Sie bildet bei allen untersuchten Arten den Hauptbestandteil der Fettsäuren, begleitet von etwas Stearinsäure, Ölsäure, Buttersäure, Essig- säure (4). Das Mutterkornfett enthält 68% Olein, 22% Oxy-Ölsäureglycerid und 5% Palmitin [Rathje(5)]. Im Fett von Ustilagc Maydis fand Zellner(6) viel Olein, flüchtige und feste Fettsäuren. Trametes suaveolens hat gleich- falls Olein als Fetthauptbestandteil (Zellner). Von Polyporus officinaUs gab Schmieder (7) eine der Ricinolsäurß isomere Oxyölsäure, eine Fett- säure G14H24O2 und Cetylalkohol an. Das Fett der Amanita muscaria be- steht nach Zellner (8) zu 90% aus freier Ölsäure ; außerdem enthält es Palmitinsäure und Butyi'in; Linolensäure fehlt. In Amanita pantherina und Boletus luridus fand Opitz (9) gleichfalls Olein und Palmitin, die Hälfte der Fettsäuren frei. Vom Fett des Polysaccum pisocarpium gab Fritsch (10) Ölsäure, Buttersäure, Essigsäure, Alneisensäure und höhere Säuren an. Zellner gibt noch folgende analytische Daten : Fett von Armillaria mellea : Säurezahl 89,1, Verseifungszahl 179,6, Jodzahl 94,2; enthält Palmitinsäure und flüssige Säuren. Lactaria piperata: Säurezahl 121, 3, Verseifungszahl 200,2 (Stearinsäure = Lactarsäure) ; PhoUota squarrosa Müll.: Säurezahl 51,8, Verseifungszahl 168,3. Polyporus betuhnus Fr.: Säurezahl 96,3, Ver- seifungszahl 155,0, Jodzahl 98,6. Nach Blanksma(II) kommt in Lycoperdon bovista ein stearinartiger alkohollöslicher Körper vom Schmelzpunkt 165» vor. Die Bildung des Fettes bei Pilzen ist bisher noch sehr wenig untersucht worden, Perrier(12), der bei verschiedenen Schimmelpilzen die Fettbildung bei Darreichung von Zucker oder Weinsäure, Milchsäure, Glycerin verfolgte, fand, daß das Pilzfett völlig den gewohnten Charakter als Reservestoff aufweist. Die Abhängigkeit von der Art der Kohlen- stoffnahrung äußert sich, wie Nägeli(13) erfuhr, nur darin, daß bei sonst 1) Marschall, Arch. Hyg., 28, 16 (1897). — 2) K. Aso, BuU. Agric. Coli. Tokyo, 4, 81 (1900). — 3) J. Bougault u. Charaux, Compt. rend., 153, 572, 880 (1911); Joum. Pharm, et Chim. (7), 4, 337 u. 489 (1911); 5, 65 (1912). Die älteren Angaben bei Bissinger, Arch. Pharm. (1883), p. 321 und Chodat u. Chuit, Chem. Zentr. (1889), //, 144, betreffen nur Stearinsäure. — 4) E. Geeakd, BuU. Soc. Mycol. France, ö, 115 (1890). — 5) A. Rathje, Arch. Pharm., 246, 692 (1908). Früher MjofiN, Ebenda, 234, 278 (1896). — 6) J. Zellner, Sitz.ber. Wien. Ak. (1910). — 7) J. Schmieder, Arch. Pharm., 224, 641 (1886). — 8) Zellner, Sitz.ber. Wien. Ak., 114, IIb, 253 (1905); Monatsh. Chem., 25, 537 (1904); 26, 727 (1905). - 9) E. Opitz, Arch. Pharm., 229, 290 (1891). — 10) R. Fritsch, Ebenda (3), 27, 193 (1889). — 11) J. Blanksma, Chem. Weekbl., 10, 96 (1913). — 12) A. Perrier, Compt. rend., 140, 1052 (1905). — 13) Näqeli, Fettbild. b. nied. Pilzen; München. Ak. (1879), p. 287. § 3. Fett bei höheren Pilzen. 759 günstigen Ernährungsbedingungen bei niederen Pilzen auch die Fett- bildung eine Förderung erfährt. Ob eine Anreicherung an Zucker oder Kohlenhydraten der Fettbildung in der Pilzzelle vorangeht, ist noch nicht bekannt. Daß verschiedene Pilze auf Fettnährboden gut gedeihen und das Fett vor dem weiteren Abbau durch Lipase spalten, ist durch zahlreiche Untersuchungen dargelegt worden, van Tieghem(I) beobachtete Wachstum aul Olivenöl bei Verticillium cinnabarinum, Mucor, Penicillium und einigen Ascomyceten; in Lein- oder Rüböl wuchs aber das genannte Verticillium nicht. In Mohnöl fand Kirchner (2) einen neuen Sproßmycelien bildenden Pilz: Elaeomyces olei. Über das Wachstum von Schimmelpilzen liegen zahlreiche Angaben von Ritthausen, König und Spieckermann, Schreiber, Hanus, Laxa, Haselhoff, Rahn, Coupin, Roüssy(3) vor. Eine von Biffen(4) auf Cocosendosperm aufgefundene Hypocreacee resorbiert gleichfalls gut Fette. Das Optimum des Wachstums ist nicht bei allen Arten bei demselben Fettgehalt des Substrates gefunden worden ; die meisten Schimmelpilze gedeihen nach Roussy am besten bei 8 bis 10 % Fettgehalt. Nach Ohta (5) ist Actinomucor repens ein besonders kräftiger Fettzehrer; er brachte 60% des dargereichten Leberfettes zum Verschwinden, Aspergillus Oryzae (der auch nach Haselhoff und Mach energisch Fett resorbiert) nur 17—20 %, Cladosporium 14 %, Peni- cillium 6—8%. Nach Roussy wirken Fette für Phycomyces, Rhizopus, Aspergillus niger so gut wie Kohlenhydrate, wenn man dem Substrate nur 6 — 10 % Fett beimengt, so daß man annehmen sollte, daß Ölsäure und Palmitinsäure leicht zu verarbeiten sind. Doch fand Rahn durch Penicillium „glaucum" und luteum Ölsäure nicht angegriffen, während niedere Fettsäuren gut resorbiert wurden. Penicillium soll aber nach Rahn selbst Paraffinkohlenwasserstoffe verarbeiten. Die Produktion fettspaltender Enzyme ist bei Pilzen weit verbreitet, und nicht nur bei Kultur auf fetthaltigem Nährsubstrat. Zuerst sah Camus (6) hpolytische Wirkungen des Wasserextraktes von Penicilhum und Aspergillus. Gerard und Garnier (7) bestätigten diese Beobachtungen, und später sammelten Biffen, Spieckermann, Laxa und andere Forscher einschlägige Erfahrungen. Ferner kennt man das Vorkommen hpolytischer Enzyme im Mutterkorn (8), in zahlreichen Hutpilzen aus den Gattungen Polyporus, Lactaria, Lepiota, Hydnum, Ciavaria, Amanita.u. a. [Zellner (9)], in Ustilagineen (10) bei Oidium lactis(ll) usw. Über die Eigenschaften der 1) VAN TiEGHEM, Bull. Soc. Bot. France, 27, 353 (1880); 28, 137 (1881). — 2) O. Kirchner, Ber. Botan. Ges., 6, CI (1888). — 3) Ritthausen u. Baumann, Versuchsstat., 47, 389 (1896). König u. Spieckermann, Ztsch. Untersuch. Nahr.- u. Genußmittel, 4, 721 (1901). Spieckermann u. Bremer, Landw. Jahrb., j/, 81 (1901). Schreiber, Arch. Hyg., 41, 328 (1902). Laxa, Ebenda (1901), p. 119. Hanus u. Stockt, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, j, 606 (1900). Bremer, Zentr. Bakt. II, 10, 156 (1903). Haselhoff u. Mach, Landw. Jahrb. (1906), p. 445. O. Rahn, Zentr. Bakt., 15, 53, 422 (1905); r6, 488 (1906). A. Piedallu, Compt. rend-, 148, 510 (1909). Spieckermann, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 23, 305 (1912). CouPiN, Compt. rend., 150, 1192 (1910). A. Roussy, Ebenda, 149, 482 (1909); 153, 884 (1911). — 4) R. H. Biffen, Ann. of Botan., 13, 373 (1899). — 5) K. Ohta, Biochem. Ztsch., j/, 177 (1911). — 6) L. Camus, Soc. Biol. (1897), p. 192, 230. — 7) E. Gerard Compt. rend., 124, 370 (1897). Garnier, Soc. Biol., 55, 1490, 1583 (1903). — 8) J. Schindelmeiser, Apoth.-Ztg., 24, 837 (1909). — 9) J. Zellner, Monatsh. Chem., 26, 727 (1905); 27, 281 (1906); 29, 1171 (1908). Buller, Ann. of Botan. (1906), p. 49. — 10) Zellner, Monatsh. Cham., 32, 1065 (1910/11). — 11) E. Schnell, Zentr. Bakt. II, 35, 23 (1912). 760 Sechsundz wanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff b. Thallophyten, Moosen usw. Pilzlipasen wissen wir durch Deleano und Rouge (1), daß es sich um Fer- mente handelt, welche gegen Hitze recht empfindlich sind (schon 68® schädigt nach Rouge), durch AlkaHen stark gehemmt werden und auf Glyceride spezifisch wirksam sind. Da BiFFEN erwähnt, daß im Mycel des von ihm kultivierten Pilzes nach Resorption des lipolytisch gespaltenen Nahrungsfettes reichlich fettes Öl in Tropfenform auftritt, so scheinen die Verhältnisse wesenthch so zu hegen, wie bei der Fettresorption im Darm, wo in den Lymphwegen das resorbierte Fett als solches gleichfalls reichlich wiedererscheint. Ein Über- gang in Kohlenhydrate in ähnhcher Massenhaftigkeit wie bei höheren Pflanzen ist beim Pilzfett nicht gesehen worden und man weiß noch nichts über das nächste Schicksal der Fettsäuren bei deren oxydativem Abbau. Andere Vorkommnisse von Fett bei Kryptogamen. Flechten. Hier scheint (die diesbezüghch angestellten Unter- suchungen sind allerdings noch wenig zahlreich) der Fettgehalt sehr zu variieren. Lacour(2) gibt für die Lecai.ora esculenta nur 0,73% Äther- extrakt (Fett und Wachs) an; Hansteen (3) fand in Cetraria islandica 0,4%, in C. nivahs 3,99% Rohfett. Nach Fünfstück ^4) geht hingegen der Fett- gehalt bei Kalkflechten hoch hinauf, und soll bei Verrucaria calciseda sogar 80% der Trockensubstanz betragen. Bei Kalkflechten findet sich das Fett in eigentümhch blasenartige Auftreibungen der Hyphen ein- geschlossen [„Ölhyphen", „Sphäroidzellen" von Zükal (5)]. Zukal hielt die Substanz für Reservefett. Nach Fünfstücks Untersuchungen sind be- sonders Kalkflechten durch reichhches Vorkommen von Ölhyphen ausge- zeichnet, und es scheint die Ansicht von Zukal über die biologische Be- deutung dieser Inhaltsstoffe zum mindesten noch nicht hinlänghch erwiesen zu sein. Die Fettabscheidungen der Kalkflechten bedürfen also noch wieder- holter Untersuchung (ö). Algen. Für die verschiedenen Algengruppen ist die Bedeutung des hier und da sicher konstatierten Fettes im ganzen noch recht wenig erforscht. Diatomeen wie Peridineen führen im Zelleninhalte regelmäßig Fett. Bei den ersteren kommt das Fett allgemein verbreitet (7) in größeren oder kleineren dem Plasma eingebetteten Tropfen vor, oder auch im Zellsaft in Tröpfchen. Die Peridineen besitzen nach Schutt (8) tafelförmige Inhaltskörper von verschiedener Größe „Fettplatten", die sich mit OsO^ schwärzen. In Cyano- phyceenzellen wies Kohl (9) mit Sudanlösung Fettröpfchen nach. Wenigstens für die Diatomeen ist es ziemlich sicher [die einschlägigen Beobachtungen sind allerdings nur Augenschätzungen (10)], daß es sich um Reservefett handelt; ähnhch wie man auch für Protozoen Fettabnahme bei Hunger- zustand konstatierte (11), so nimmt das Diatomeenfett bei rascher Vermeh- 1) N. T. Deleano, Arch. Sei. Biol.- P6tersb., 14, Nr. 3 (1909); Biochem. Ztsch., 17, 22b (1909). Rouge, Zentr. Bakt., 18, 403 (1907). — 2) E. Lacour, Just Jahresber. (1880), /, 463. — 3) Hansteen, Chem.-Ztg. (1906), p. 638. — 4) M. FÜNFSTÜCK, Beitr. wiss. Botan., /, 157 (1895); Schwendener-Festschr. (1899), p. 341. E. Bachmann, Ber. Botan. Ges., 22, 44 (1904). — 5) H. Zukal, Botan. Ztg. (1886), 761. — 6) Vgl. auch E. Lang, Beitr. wiss. Botan., 5, 162 (1903). — 7) E. itzer in Schenks Handb. d. Botan., //, 425. — 8) F. Schutt, Berlin. Ak. (1892), p. 377. — 9) F. G. Kohl, Organ, u. Phys. d. Cyanophyceenzelle (Jena 1903). — 10) Lüders, Botan. Ztg., 20, 41 (1862). Vgl. Oltmanns, Morphol. u. Physiol. d. Algen, //, 147(1905). — 11) E. Nirenstein, Ztsch. allgem. Physiol., 10, 137 (1909). Staniewicz, Anzeig. Akad. Krakau (1910), B, p. 199. fc § 4. Andere Vorkommnisse von Fett bei Kryptogamen. 761 rung merklich ab. „Elaioplasten" oder Ölbildner plasmatischer Natur sollen nach Golenkin(I) bei Florideen vorkommen, wo man, abgesehen von den weitverbreiteten Fettmassen in den ruhenden Fortpflanzungszellen, nur selten Fett zum Nachweis bringen kann. Wichtig ist, daß die Chloro- plasten von Vaucheria und anderen Siphoneen Fett formieren, welches in Tröpfchenform an deren Außenseite erscheint. Besonders Fleissig (2) hat dargetan, daß es sich darin um Reservematerial handelt, wie bereits früher Borodin und Klebs angenommen hatten. Nach LoEW und Bokorny(3) enthalten Spirogyren und andere Faden- algen 6—9% der Trockensubstanz an Fett, Sestini (4) gab als Fettgehalt einiger mariner Algen folgende Zahlen an: Ulva latissima 29,75% Wassergehalt : 0,21% Fett Valonia Aegagropila 7,62 5, 0,15 Gracilaria confervoides 20,01 0,11 Fucus vesiculosus 27,11 ,, 0,67 Vaucheria Pilus 20,50 ,, 2,94 Lus Analysen von KÖNIG (5) stammen folgende Zahlen: Lufttrockenes Material von Wasser Ätherauszug Porphyra sp. 5,91% 0,87% Porphyra tenera 4,57 0,59 Gehdium raw 7,36 0,98 Gehdium bleached 6,82 0,73 Gelidium cartilagineum 13,00 0,80 Laminaria sp. 6,16 0,50 Laminaria japonica 4,20 0,39 CystopKyllum sp. 16,82 0,50 Cystophyllum fusiforme 15,15 0,43 Enteromorpha compressa 14,17 0,20 Ecclonia bicycHs 11,56 0,28 „Undaria pinnatifida 9,22 0,65 In Nostoc Phylloderma fand Namikawa (6) 0,93% der Trockensub- stanz an Rohfett. Moose. Angaben über den Fettgehalt verschiedener Leber- und Laubmoose haben Arbeiten von Treffner (7), Jönsson und Olin (8) geliefert. Die letztgenannten Autoren erhielten aus manchen Species an- sehnliche Mengen Ätherextrakt, so von Bryum roseum bis 18,05%, wovon ein großer Teil aus Fettsäureglyceriden bestand. Bei Bryum brevifohum und turbinatum ist das Fett nach den Angaben Jönssons krystalUnisch in Stamm- und Blattzellen ausgeschieden anzutreffen. Auch wird der Schmelzpunkt des Ätherextraktes oft sehr hoch angegeben. Wie viel vom Ätherextrakt auf Wachs und andere ätherlösHche Stoffe (Chlorophyll usw.) abzurechnen ist, ist noch nicht bestimmt worden. Jönsson und Olin meinen, daß die Zellmembranen vielfach von Fett imbibiert seien. Loh- mann (9) fand an Rohfett in der Trockensubstanz einiger Lebermoose Zahlen zwischen 2,3% und 4,3%. 1) GoLENKiN, Bull. See. Nat. Moscou (1894), p. 257. — 2) P. Fleissig, Diss. (Basel 1900). Hier die frühere Lit. — 3) LoEW u. Bokorny, Journ. prakt. Chena. (1887). — 4) Sestixi, Bomboletti, Del Torre, Zentr. Agrik.chem. (1878), p. 875. — 5) J. König u. J. Bettels, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genuß- mittel, fo, 457 (1905). — 6) S. Namikawa, Chem. Zentr. (1906), //, 544. — 7) E. Treffnek, Diss. Dorpat, Just Jahresber. (1881), /, 157. — 8) B. Jönsson u. F.. Olin, Lunds Univ Arsskrift, 34 (1898). — 9) Lohmann, Beihefte bot Zentr., 15, 246 (1903). 762 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff b. Thallophyten, Moosen usw. Die Ölkörper der Lebermoose sind nach den angestellten Unter- suchungen nicht zum Reservefett zu zählen (1). Sie bestehen aus einem protoplasmatischen wabigen Stroma, in welches Öltröpfchen eingelagert sind. Sie entstehen stets durch Neubildung, und lassen sich auch im Dunkeln zur Entwicklung bringen. Nach Küster haben sie mit den Elaioplasten, zu welchen sie von Wakker und Raciborski gezählt wurden, nichts ge- mein und verhalten sich physiologisch wie ein Exkret. Lohmann und K. Müller (2) haben gezeigt, daß auch das in vielen Lebermoosen vorhandene ätherische Öl in den Ölkörpern lokahsiert sei. Die Ölkörper dürften daher wesentlich als Schutzorgane gegen Angriffe von Tieren dienen. Die Ent- wicklung der Ölkörper wurde in neuerer Zeit durch Garjeanne (3) genau verfolgt; sie entstehen aus Vacuolen. Pteridophyten. Hier sei das näher untersuchte Fett der Sporen von Lycopodium clavatum kurz erwähnt. Nach Langer (4) enthalten die Bärlappsporen 49,34% Fett. 80—86% desselben bestehen aus einer Säure CjjHaßOa, Lycopodiumölsäure, die wahrscheinlich der Konstitutionsformel CHp> CH . CH . G <(CH2)3 . GH3 entspricht Rathje (5) bestätigte die Angaben bezüglich dieser Säure. Das Fett enthält weiterhin 3,2% Dioxystearinsäure (hier früher als „Lycopodium- säure" beschrieben), 1,13% Stearinsäure, 0,85% Palmitinsäure, 2,0% My- ristinsäure. In den Sporen von Lycopodium Selago konstatierte Keegan (6) 47% Fettsäureglyceride und freie Fettsäuren. §5- Fett bei Pollenkörnern; Elaioplasten. Das Fett von Angiospermenpollen ist mehrfach bestimmt und ana- lysiert worden. Braconnot(7) gibt vom Pollen der Typha latifolia L. 3,6 % Fett (Stearin und Olein) an. Planta (8) fand im Haselpollen 4,2 % Fettsäuren, im Kiefernpollen 10,63 %. In dem letztgenannten Pollen konstatierte Kresling (9), welcher ebenfalls 10 % Fettgehalt an- gibt, Triolein, Tripalmitin und (offenbar aus dem Wachsüberzug der Cuticula stammend) Myricylalkohol und Cerotinsäure. Der Pollen der Zuckerrübe enthält nach Stift (10) 3,18% Fett und 23,7% Kohlen- hydrate. Das Fett wird höchstwahrscheinlich beim Keimen des Pollens rasch verbraucht. Elaioplasten und Elaiosphäreir. Als „Elaioplasten" oder Öl- bildner hat Wakker (11) stark lichtbrechende runde Inhaltskörper der Epidermiszellen von Vanillablättern beschrieben, welche ein plasmatisches Stroma besitzen und reichlich Fett enthalten. In alten ausgewachsenen Blättern ist von Elaioplasten nichts mehr zu sehen, sondern dieselben 1) Über Ölkörper der Lebermoose: Pfeffer, Flora (1874), p. 2. Wakker, Jahrb. wiss. Botan., 19, 482. Zimmermann, Botan. Mikrotechnik (1892), p. 205; Beihefte bot. Zentr., 4, 167 (1894). Raciborski, Anzeig. Akad. Krakau (1893), p. 259. W. V. KÜSTER, Diss. (Basel 1894). — 2) K. Müller, Ztsch. physiol. Chem., 45, 298 (1905). — 3) A. Garjeanne, Flora, 92, 457 (1903). — 4) A. Langer, Arch. Pharm. (3), 27, 241, 625 (1889). — 5) A. Rathje, Ebenda, 246, 692 (1908). — 6) Keegan, Botan. Zentr., 96,-575 (1904). ~ 7) Braconnot, Ann. de Chim. et Phys. (2), 42, 91 (1829). — 8) A. v. Planta, Versuchsstat. , 31, 97 (1884); 32, 215 (1885). — 9) H. Kresllng, Arch. Pharm., 229, 389 (1891). — 10) Stift, Sitz.ber. Wien. Ak. (1895). — 11) J. H. Wakker, Ztsch. wiss. Mikrosk., 7, 392 (1890); Jahrb. wiss. B6tan., 19, 482. Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). 763 finden sich nur in wachsenden Geweben. Zimmermann (1) fand analoge Gebilde, häufig von gelappter amöbenartiger Form, in Blättern vieler anderer Monocotyledonen, ebenso Raciborski (2). Beer (3) berichtet über Elaioplasten in den Blüten von Gaillardia; sonst kennt man diese Gebilde von Dicotyledonen noch nicht. Ihre Bedeutung ist noch näher festzustellen. „Elaiospbären" hat Lidforss(4) Inhaltskörper des Mesophylls und der Epidermis von Laubblättern genannt, welche aus fettem Öl bestehen, sphärische Form haben, im Plasma eingeschlossen sind und sich in or- ganischen Solventien lösen. Sie werden bei verdunkelten Blättern nicht resorbiert und finden sich auch in absterbenden und toten Blättern noch vor. Ihre Bedeutung ist scheinbar nicht diejenige von Reservestoffen. Sie sind im Pflanzenreiche weit verbreitet; spärlich sind sie bei Succu- lenten und Wasserpflanzen. Vielleicht gehören auch die „fat bodies" von M. Ward (5) hierher. Hingegen sind die „Ölplastiden" bei Pota- mogeton, welche Lundström(6) beschrieben hat, nach Lidforss(7) ganz anders zusammengesetzte Inhaltskörper (aromatische Aldehyde ent- haltend). Abschnitt 2: Die Cytoüpoide der Pflanzen. Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). § 1- Vorkommen und chemische Natur der Lecithide. Jede Zelle enthält in ihrem Protoplasma, wie wir heute wissen, kolloidale Fettstoffe, die sich physikalisch durch deutliche Qaellbarkeit in Wasser, chemisch durch ihren Gehalt an Stickstoff und Phosphor, und in physiologischer Hinsicht durch ihr Auftreten als konstitutive Plasmabestandteile auszeichnen. Man erhält sie jedesmal bei der Prä- paration des Reservefettes aus Pflanzenorganen als eine wenige Prozente des Rohfettes betragende Beimengung, und wurde schon frühzeitig (Knop(8) 1860) auf diese merkwürdigen Stoffe aufmerksam. Sie wurden bis in die neueste Zeit auch in der botanischen Physiologie nach ihrer Analogie mit charakteristischen Lipoiden des Hühnereidotters als „Lecithin" bezeichnet. Nachdem Vauquelin(9) und andere ältere Chemiker aus Gehirnsubstanz phosphorhältige, fettartige Stoffe isohert hatten, gewann Gobley(IO) aus Eidotter eine phosphorhältige Substanz, 1) A. Zimmermann, Beitr. Morphol. u. Phyeiol. d. Pflanzenzelle, III, p. 185 (1893). — 2) M. Raciborski, Anzeig. Akad. Krakau (1893), p. 259. — 3) R. Beer, Ann. of Botan., 23, 63 (1909). — 4) B. Lidforss, Acta Lund., 29 (1893). — 5) M. Ward, Nature, 28, 580 (1883). — 6) A. N. Ltjndström, Botan. Zentr., 35, 177 (1888). — 7) B. Lidforss, Ebenda, 74, 305 (1898). — 8) W. Knop, Vereuchsstat., /, 26 (1826). — 9) Vauquelin, Ann. de Chim., 81, 37 (1812). — 1Ö) Gobley, Compt. rend., ai, 766 (1845); Lieb. Ann., 60, 275 (1846). 764 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). die er „Lecithin" nannte. Die reine unzersetzte Substanz wurde erst viel später durch Hoppe-Seyler (1) aus Eidotter isoliert. Nach Knops Ent- deckung ähnhcher Stoffe in Pflanzensamen („phosphorhältiges Öl aus Erbsen") wurde durch Töpler(2), später durch Heckel und Schlagen- HAUFFEN (3) das allgemeine Vorkommen derartiger Substanzen fettartiger Natur in Samen konstatiert. Hoppe-Seyler machte das Vorkommen lecithinartiger Lipoide in grünen Blättern wahrscheinlich, und auch in Pilzen, Hefen, Bacterien wo immer man danach suchte, wurden Phospholipoide sichergestellt. Gobley verdankt man die Kenntnis der Grundtatsache auf dem Gebiete der Lecithinchemie, daß die Phösphorsäure in Esterbindung an Glycerin in diesen Stoffen vorliegt. Die zweite fundamentale Tatsache, welche den Lecithinstickstoff betrifft, wurde durch Strecker (4) aufgedeckt, indem gezeigt wurde, daß bei der Verseifung von Lecithin ein mit dem von diesem Forscher selbst in der Galle aufgefundenen Cholin identisches basisches Spaltungsprodukt entsteht. Jacobson (5) fand unter den Verseifungs- produkten von Pflanzenlipoiden dasselbe Cholin zuerst auf. Weitere Kon- stituenten des Lecithins, die Gobley gleichfalls bereits sicherstellte, sind Fettsäuren. Obwohl aus dem Tierreiche schon frühzeitig andere N- und P-hältige Lipoide bekannt wurden, vor allem das durch Liebreich 1854 aus Gehirn isolierte Protagon (allerdings kein reiner Körper), so wurden unter dem Eindrucke der exakten Arbeiten Hoppe-Seylers die pflanz- lichen Phosphohpoide bis in die neueste Zeit ausschließlich mit dem Lecithin aus Eigelb verglichen, ja direkt als Lecithin bezeichnet. Erst die gründlichen Arbeiten aus dem ScHULZEschen Laboratorium (E. Schulze, Winterstein, Steiger, Likiernik, Hiestand (6) und andere) zeigten allmählich, daß die Verhältnisse so einfach nicht liegen können, da der Phosphorgehalt der Präparate verschiedener Herkunft in weiten Grenzen schwankte. Einen neuen Anstoß erhielt die Frage sodann durch die Arbeiten von Thudichum(7) über Gehirnchemie, welche eine große Mannigfaltigkeit der Lipoide des Zentralnervensystems erwiesen. Thü- dichum fand, daß (abgesehen vom Cholesterin) nicht alle Gehirnlipoide P-hältig sind, sondern daß es phosphorfreie aber galactosehältige Lipoide gibt. Er unterschied danach Phosphatide und Cerebroside. Der erstere Namen ist neben der von W. Koch (8) vorgeschlagenen Be- nennung „Lecithane" für alle lecithinähnlichen Lipoide auch auf bota- nischem Gebiete in Gebrauch gekommen. Durch die Feststellungen, daß die Pflanzenlecithinpräparate sämtlich Kohlenhydratgrupper ein- schlössen (E. Schulze, Winterstein, Hiestand), schien es eine Zeitlang als ob der Lecithin begriff stark ins Schwanken gekommen wäre. Nun 1) Hoppe-Seyler, Mediz.-chem. Untersuch., II, p. 216. In neuester Zeit hat Barbieri, Compt. rend., 255, 312 (1912), das „Ovolecithin" als Gemisch von Tri- palmitin, Oleopalmitin, Ovochromin und Alkalimetaphosphat erklärt. — 2) Töpler, Landw. Versuchsstat., 3, 85 (1861). — 3) E. Heckel u. Schlagdexhaüffen, Journ. Pharm, et Chim., 13, 213 (1886). — 4) A. Strecker, Lieb. Ann., 14S, 77 (1868). — 5) H. Jacobson, Ztsch. physiol. Chem., 13, 32 (1899). Das „Fagin" von A. Buchner. Schweigg. Journ. Chem., 60, 255 (1830), als ein coniinartiges Alkaloid beschrieben, ist nichts anderes als Cholin. — 6) Vgl. besond. O. Hiestaxd, Histor. Entwickl. uns. Kenutn. üb. d. Phosphatide usw. (Zürich 1906). — 7) J. L. W. Thü- DICHUM, Chem. Konstit. des Gehirns (Tübingen 1901). Vgl. auch O. Rosenheim, Biochem. Journ., 4, 331 (1909). — 8) Wald. Koch, Ztsch. physiol. Chem., 37, ISl (1902). Literatur üb. Phosphatide bei W. C. de Graaff, Pharm. Weekbl., 45, 248 (1908). E. ScHUi^E, Chem. -Ztg., 32, 981 (1908). J. Bang, Abderhaldens biochem. Handlexikon, 3, 225 (1911). § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide. 765 lassen aber die Darlegungen von Trier (1) kaum einen Zweifel, daß die alte Vorstellung vom Aufbau der Lecithide aus Glycerophosphorsäure, Fettsäuren und Cholin aufrecht zu halten ist, und daß die in den Prä- paraten vorkommenden Kohlenhydratgruppen phosphorfreien Bestand- teilen lipoidartiger Natur angehören, welche den tierischen Cerebrosiden entsprechen und mit den Phospholipoiden vergesellschaftet vorkommen. Besonders aus Pilzen sind auch Cerebroside durch Zellner mehrfach nachgewiesen worden, Thudichum hat die Gehirnlipoide nach der Menge des darin vor- kommenden Stickstoffes und Phosphors in eine Anzahl von Gruppen geschieden; für die pflanzlichen Cytolipoide liegt bisher keine Veran- lassung vor, diese Bezeichnungen einzuführen. Höchstens kann man mit E. Schulze Monophosphatide und Diphosphatide, je nach der Zahl der P04-Gruppen im Molekül unterscheiden. Die Phospholipoide sind in Äther löslich, doch findet man, daß es große Schwierigkeiten bereitet, dem Pflanzenmaterial diese Fettstoffe durch Extraktion quantitativ zu entziehen (2). Man erhält aus dem aus- geätherten Material noch reichlich Phospholipoide durch heißen Alkohol (50— GC). Ob dabei Abspaltungen von Eiweiß oder anderen Zell- stoffen mitspielen, wie Hoppe-Seyler zuerst vermutete, läßt sich schwer sagen, da auch Adsorptionsverhältnisse sehr in Betracht kommen. Wie Erlandsen gezeigt hat, sind die aus der Herzmuskulatur mit Äther direkt extrahierbaren Phosphatide verschieden von jenen, die man hierauf mit Alkohol gewinnt; analoge Verhältnisse könnten sich auch bei Pflanzen herausstellen. Der Phosphorgehalt des Ätherextraktes von Samen fällt nach Schulze und Steiger (3) nicht immer gleich hoch aus. Annähernd konstante Werte erhält man erst, wenn man die Erschöpfung mit heißem absoluten Alkohol anschließt und die ätherischen und alkohohschen Auszüge vereinigt. Eiweißverbindungen von Lecithiden: Lecithoproteine oder Lecithoalbumine, hat Liebermann (4) aus verschiedenen tierischen Organen darzustellen versucht. Sie sollen gegen verdünntes Alkali resistent sein und beim Auskochen mit Alkohol nur teilweise gespalten werden. Pflanzliche Lecithalbumine kennt man noch nicht. Nach Bing (5) soll es auch Lecithinkohlenhydratverbindungen, Lecithinglucosid- und Lecithinalkaloidverbindungen geben, die sich künsthch herstellen lassen. Aus gepulverten Samen (Lupinen) stellt man nach Schulze und seinen Mitarbeitern die PhosphoUpoide am besten dar durch Behandlung des mit Äther entfetteten Samenpul vers mit heißem (50—60®) Alkohol^ der Alkoholextrakt wird eingedunstet, der Rückstand abwechselnd mit Äther und Wasser behandelt, um die begleitenden Kohlenhydrate von den Lipoiden mögUchst zu trennen. Der Äther wird nach Zusatz von Salz im Scheide- trichter von dem Wasseranteil getrennt, eingedunstet und nun der Rück- stand mit Aceton von anhaftendem Neutralfett befreit. Sodann löst man in Äther und füllt durch Aceton oder Methylacetat. 1) G. Trier, Über einfache Pflanzenbasen u. ihre Bezieh, z. Aufbau d. Eiweiß- stoffe u. Lecithine (Berlin 1912). — 2) Methodisches: E. Schulze u. Winterstein, Abderhaldens Handb. biochem. Arb.meth., 2, 258 (1910). Schulze, Ztsch. physiol. ehem., SS, 338 (1908). — 3) E. Schulze u. E. Steiger, Ebenda, 13, 365 (1889). — 4) L. Liebermann, Pflüg. Arch. (1893), p. 54, 573. Hiestand, 1. c., p. 70. Galeotti u. Giampalmo, Arch. di Fisiol., 5, 503 (1908). Th. Christen, Biochem. Zentr. (1905/06). p. 21. — 5) H. J. Bing, Skand. Arch. Physiol, //, 166 (1901). 766 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). Einwirkung von höherer Temperatur, Licht, von starken chemischen Agentien ist im übrigen bei der Darstellung von Phosphatiden mögüchst zu vermeiden (1). Bei künftigen Arbeiten mit pflanzlichen Phosphatiden wird man wohl der von Erlandsen (2) ausgearbeiteten Methodik Auf- merksamkeit zu schenken haben, welche auf rasches, vollständiges und schonendes Entfernen der letzten Spuren von Wasser in dem feinst gepulverten Material und auf vollständiges Erschöpfen mit Äther und Alkohol Gewicht legt. Die Acetonfällung dürfte nicht immer anwendbar sein, da einzelne Phosphatide aus Tierorganen acetonlösüch sind. Selbst die Fällungen mit CdCl2 und PtCl^ versagten in einzelnen Fällen. Die quantitative Bestimmung der Phospholipoide nimmt man bisher nicht anders vor, als daß der PO4- Gehalt der ätherischen und alkohohschen Extrakte ermittelt wird ; die gefundene Pyrophosphatmenge, mit dem Faktor 7,27 multipUziert, gibt die Umrechnung auf Distearyl-Lecithin ; rechnet man auf Oleopalmityllecithin, so ist der Faktor 7,00. Da jedoch der theo- retische P- Gehalt der Phospholipoide bei der Annahme der einfachen Zu- sammensetzung des Lecithins nach dem Hoppe- SEYLERschen Schema je nach den Fettsäuren nur zwischen 3,84 und 4,12% liegen kann, pflanzliche Phosphatide aber angebUch bis zu weniger als 2% P heruntergehen, so ersieht man, daß die Grundlagen für diese quantitative Ermittlung sehr unsicher sind. Für die P-BeStimmung in Phosphatiden eignet sich nach Erlandsen am besten die alkahmetrische Methode nach Neumann (3). Nerking (4) fand, daß man Ovolecithin aus der Ätherlösung durch Zusatz von wenig konzentrierter alkoholischer MgClg-Lösung durch Aceton quantitativ fällen kann. Die unlöshchen Molybdänverbindungen eignen sich nach Ehrenfeld (5) nicht zur quantitativen Bestimmung. So weit als möglich durch Umfallen oder auch durch Ausfällung der Alkohollösung mit Cadmiumchlorid nach Bergell (6) gereinigte Phospha- tide sind meist als amorphe, hellgelbe, wachsartige Masse zu erhalten; selten heßen sich Phosphohpoide in krystallinischer Form gewinnen. An der Luft färben sie sich durch Sauerstoffaufnahme dunkel (7); auch sind sie hygroskopisch. Durch die Benetzbarkeit mit Wasser und das höhere spezi- fische Gewicht sind diese Substanzen von den Fettsäureglyceriden scharf different. In Berührung mit Wasser zeigen die tropfigen Massen eigentüm- liche Quellungserscheinungen, die man schon längst von zerstörten Nerven- markscheiden als „Myelinformen" kennt (8). Die Lösungen der meisten Pho^hatide sind optisch aktiv, und zwar, soweit untersucht, rechtsdrehend. Ovolecithin (ob auch andere Phosphatide ?) ist optisch anisotrop, sowohl als amorphes als auch krystallinisches Präparat. Die alkohoüsche Lösung wird durch Cadmiumchlorid, Platinchlorid, Bleiacetat und andere Metallsalze bei den meisten Phosphatiden gefällt; doch bestehen hierin Differenzen. Diu-ch Eingießen der ätherischen Phosphatidlösung in viel Wasser erhält man leicht dauerhafte Emulsionen, bis zu 2% Kon- 1) E. WiNTERSTEm, Ztsch. physiol. Chem., 58, 500 (1909). Heubner, Arch. exp. Pathol, 59, 420 (1908). — 2) Erlandsen, Ztsch. physiol. Chem., 51, 71 (1907). — 3) Neumann, Ebenda, 37, 115; 43, 32. Freundler, Bull. Soc Chim. (4), //, 1041 (1912). — 4) J. Nerking, Biochem. Ztsch., 23, 89 (1908). C. Virchow, Chem.-Ztg., 35, 913 (1911). Zur Lecithinbestimmung auch Collison, Joum. Biol. Chem., //, 217 (1912). — 5) R. Ehrenfeld, Ztsch. physiol. Chem., 50, 89 (1908). — 6) F. Bergell, Ber. Chem. Ges., 33, 2584 (1900). Ulpiani, Accad. Line Roma (5), w, 368 (1901). — 7) A. Erlandsen, Ztsch. physiol. Chem., 51, 71 (1907). — 8) Vgl. E. Senft, Pharm. Post, 40, 265 (1907). § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide. 767 zentration, von echt hydrophilem Charakter [W. Koch, Porges und Neu- bauer (1): Diese Emulsoide sind stark oberflächenaktiv; erniedrigen die Grenzflächenspannung Wasser— Luft bis auf die Hälfte. Ihre Viscosität ist viel höher als jene des Wassers. Diffusion durch Gummimembranen Heß sich nicht nachweisen. Alkalien hellen diese Emulsionen auf, Säuren flocken, und zwar liegt das Flockungsoptimum im isoelektrischen Punkt (10~2 big 10—4 H'- Konzentration (2)]. Phosphatidemulsionen zeigen ano- dische Konvection und sind Kolloide von elektronegativem Charakter (Höber). Zweiwertige Metalhonen wirken sowohl bei den Emulsionen als auch bei den alkohohschen Lösungen stark fällend. Die Emulsionen sind bei den meisten Phosphatiden ebenso wie die festen Präparate und die Lö- sungen stark sauerstoffanziehend und oxydabel. Gegenwart von FeClj steigert ihr Sauerstoffbindungs vermögen sehr (3). Zum mikrochemischen Lecithinnachweis hat man sich der Unlösüch- keit der Phosphatide in Aceton bedient [Deflandre (4)], ferner mancher Farbstoffe, die angebüch wohl Lecithin, nicht aber Fett färben, wie Carmin, Gentianaviolett, Säurefuchsin, Methylgrün, Hämatoxylin nach Loisel (5). Man härtet mit Formahn, beizt mit Alaun, wäscht mit Alkohol und Aceton aus und färbt mit einem dieser Farbstoffe. Die Schwärzung der Phosphatide mit OSO4 beruht auf der Gegenwart von Oleylresten [Halliburton (6)]. Zu bemerken ist, daß einzelne Phosphatide auch in Aceton löslich sind (7). Die Hydrolyse der Phosphatide erfolgt durch verdünnte Säuren und Alkahen sehr leicht. Nach Erlandsen verseifen teilweise auch die fällenden Metallsalze CdClg und PtCli (Fettsäureabspaltung). Mit methylalkohohscher Salzsäure erfolgt Spaltung unter Methylesterbildung (Alkoholyse) (8). Die Produkte sind Glycerin, Phosphorsäure, Fettsäuren und Cholin. Cholin, 1862 durch Strecker aus der Galle isohert, 1868 durch WuRTZ synthetisch aus Trimethylamin und Äthylenoxyd gewonnen, ist eine von Glykol ableitbare Ammoniumbase : Oxyäthyl-Trimethylammonium- hydroxyd : CH2OH oS'>N = 700 (1902). Andrlik. Chem. Zentr. (1904), //, 309. Betain: A. Velich, Ztsch. Zuckerindustr. Böhm., 29, 14, 205, 410 (1904). K. Andrlik, Ebenda, 28, 404. Stanek, Ebenda, p. 578; 34, 297 (1909). Schutjce u. Trier, Ztsch. physiol. Cham., 67, 46 (1910). Stoltzenberg, Ztsch. Ver. deutsch. Zucker- industr., 62, 440 (1912); Ber, Chem. Ges., 45, 2248 (1912). Über Neurin: Gule- witsch, Ztsch. physiol. Chem., 26", 175 (1898). — 7) E. Schulze, Ebenda, 60, 155 (1909); 67, 46 (1910); Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 522 (1910). Kauff- MANN u. Vorländer, Ber. Chem. Ges., 43, 2735 (1910).^ § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide. 769 oder mit Phosphorwolframsäure. Cholin, Betain (und das zu erwähnende Trigonellin) werden nicht durch Blei, wohl aber durch Phosphorwolfram- säure gefällt. Beim Bleiverfahren wird das Filtrat von der Bleifällung mit HgS entbleit, der Verdampfungsrückstand sodann mit Alkohol aufgenommen und mit alkoholischer Sublimatlösung gefällt. Beim anderen Verfahren zerlegt man den Phosphorwolframniederschlag mit Baryt, verdampft nach Abstumpfung des Alkah, zieht den Rückstand mit heißem Alkohol aus und fällt wie oben mit HgClg. Die Quecksilberdoppelverbindungen der Basen werden aus heißem Wasser umkrystallisiert und mit HgS zerlegt. Nach Trennung vom Sulfid und Eindampfen gewinnt man Choünchlorhydrat durch Aus- laugen mit kaltem absolutem Alkohol. Im Rückstand bleibt Betain, eventuell Trigonellin. Die Identifizierung geschieht durch die Chloroplatinate oder Chloraurate. Cholingoldchlorid hat 44,43% Au. Stanöks Verfahren der Fällung durch Kaliumtri Jodid scheint weniger empfehlenswert zu sein(1). Es wurde vermutet, daß in manchen Phosphatiden das Betain an die Stelle des ChoKns tritt (2) und nach Schulze und Pfenniger (3) sollte dies beim Phosphatid aus Hafermehl der Fall sein. Doch zweifelt Trier daran, daß Betain jemals in Lecithiden gebunden vorkommt. In der Tat ist Betain, so allgemein Choün gefunden wird, nur eine sporadische Er- scheinung im pflanzhchen Stoffwechsel. Nach den Erfahrungen von E. Schulze und von StanSk ist in manchen Pflanzenorganen (z. B. Samen von Pisum, Trigonella) das Betain durch eine von der Nicotinsäure ableitbare Base von analogem Bau, das Trigonellin vertreten, welche auch analytisch sich ähnüch verhält. Trigonelhn ist ein Methylbetain der Nicotinsäure: CH CH2-CO CH^^C CO Betain ist 1 | Trigonellin ist ^„| | i N O t-H-^^^CH I Weiteres über diese den Pyridinbasen zuzurechnende Substanz vgl. Bd. II. Betain scheint immer zu fehlen, sobald Trigonellin vorkommt. Mit Phosphatiden hängt Trigonelhn wohl nicht zusammen. Ähnhches gilt von dem in beschränkterer Verbreitung vorkommenden Stachydrin(4), welches als Methylbetain der Methylpyrrolidincarbon- säure (Hygrinsäure) aufzufassen ist: -CO N CH3 CH3 Auch in tierischen PhosphoHpoiden scheint ChoUn die häufigste N-hältige Gruppe darzustellen. Sonst ist nur Neurin in einigen Fällen an- 1) V. StanIik, Ztach. physiol. Cham., 4S, 334 (1906); 46, 280 (1905); 47, 83 (1906). A. Kiesel, Ebenda, 53, 215 (1907). — 2) Stanök, Ebenda, 48, 343 (1906). V. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 20, 3201 (1887). Shorey, Journ. Amer. Chera. See, 20, 113 (1898). — 3) E. Schulze u. U. Pfenninqer, Ztsch. physiol. Chem., 71, 174 (1911). — 4) Vgl. E. Schulze u. G. Trier, Ebenda, 67, 59 (1910). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. .S. Aufl. ^° 770 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). gegeben; bei vielen Phospholipoiden aus dem Tierreich ist die basische N-hältige Gruppe noch nicht definierbar. Mc Lean (1) meint, daß im Ovolecithin wahrscheinlich noch ein anderes N-hältiges Radikal (Aminosäurerest ?) vorhanden sei. Die von Kutscher (2) im Fleischextrakt gefundenen Homologen des Cholins (Novain, Oblitin) scheinen mit Phosphoüpoiden nicht in Beziehung zu stehen. Mit einer einzigen fragUchen Ausnahme (Phosphatid aus der Wurzel von Daucus Carota) kommt bei vegetabilischen Phospholipoiden nur ein ChoUnrest auf ein Molekül. Man nimmt gewöhnlich an, daß dieser Cholin- rest an einen Phosphorsäurerest gebunden ist, der seinerseits mit Glycerin verbunden steht [Diakonow, Strecker (3)] ; doch geschieht dje Abspaltung des ChoHns nach Malengreau (4) nicht nach Art eines Phosphorsäure- esters. Langheld (5) stellte einen Phosphorsäure-Äthyl-Choünester künst- lich dar, welcher das Chohn in der bei Lecithin angenommenen Bindung enthält. Nach Spaltung dieser Bindung läßt sich Choün auch durch die FlORENCEsche Reaktion (6) nachweisen : Entstehung braunschwarzer feiner Kryställchen beim Behandeln einer auf dem Objektträger eingetrockneten Probe mit starker Jodjodkahumlösung (2 Teile Jod, 6 Teile KJ auf 100 HgO). Neurin, Betain, Muscarin, aber auch Purinbasen geben dieselbe Reaktion. Chohn hefert dieselbe rote AUoxanreaktion (mit Alloxan eingedampft) wie Eiweiß (7), Vielleicht treten an Stelle des ChoUns in manchen PhosphoHpoiden Metalle. Burow (8) berichtet über ein eisenhaltiges Lipoid aus Milzsubstanz. Agfa-Lecithin (9) des Handels gibt nach eigenen Beobachtungen deutliche Eisenreaktion, die aber auch auf Gegenwart anderer organischer Fe-Ver- bindungen beruhen kann. Wie schon erwähnt, Uefern die PhosphoUpoide meistens Glyceryl- phosphorsäure bei der Hydrolyse, wie Gobley beim Ovolecithin zuerst feststellte. Pelouze hat eine solche Verbindung zuerst durch Erhitzen von Glycerin mit H3PO41 auf 180° synthetisch dargestellt (10). Dieses Präparat ist jedoch nicht identisch mit der aus Ovolecithin darstellbaren Glyceryl- phosphorsäure. Die Formel für den Glycerinphosphorsäureester kann nämlich eine symmetrische oder eine asymmetrische sein: 1) Mac Lean, Biochem. Journ., 4, 240 (1909). — 2) Kutscher, Zentr. Physiol. (1905), p. 504; Ztsch. physiol. Cheiu., 48, 331 (1906). Malengbeau u. Lebailly, Ebenda, 67, 35 (1910). Berlin, Ztsch. Biol., 57, 1 (1911). — 3) Dia- konow, Zeutr. med. Wies. (18G8), p. 438. Strecker, Lieb. Ann., 148, 11 (1868). E. G1L8ON, Ztsch. physiol. Cham., 12, 585 (1888). Hundeshagen, Journ. prakt. ehem., 28, 219 (1883). — 4) F. Malengreau u. G. Pbigent, Ztach. physiol. ehem., 77, 107 (1912). — 5) K. Langheld, Ber. ehem. Ges., 44, 2076 (1911). — 8) H. Struve, Ztsch. analyt. ehem., 39, 1 (1900). — 7) eholinproben : Rosen- heimer, Journ. of Physiol., 33, 220 (1905). Halliburton, Ergebn. d. Physiol., 4, 68 (1905). Quantitative Gewinnung von Cholin aus Lecithin : MoRUZZi, Ztsch. physiol. ehem., 55, 352 (1908). Maclean, Ebenda, p. 360. — 8) R. Burow, Biochem. Ztsch., 25, 165 (1910). W. Glikin, Ber. ehem. Ges., 41, 910 (1908). — 9) Agfa- Lecithin: Altschul, Biochem. Ztsch., 45, 505 (1912). — 10) Pelouze, Journ. prakt. ehem., 36, 257 (1845). Über Glycerin phosphorsäure: Portes u. Prunier, Journ. Pharm, et Ghim. (5), 2g, 393 (1894). Delage u. Gaillard. Ghem. Zentr. (1896), //, 125. Adrian u. Trilj^at, Journ. Pharm, et Chim. (6), 6, 481 (1897); 7, 163, 225 (1898); Bull. Soc. ehim. (3), 19, 263 (1898); eompt. rend., 126, 1215 (1898), Imbebt u. Belugou, Ebenda, 125, 1040 (1897). A. Astruc, Journ. Pharm. et Chim. (6), 7, 5 (1898). Falieres, Ebenda, p. 234. A. Lumiere u. Perrin, Compt. rend., 133, 643 (1901). Carr6, Ebenda, 138, AI (1904). Power u. Tutin, Journ. Chem. Soc. Loud., 87I88, 249 (1905). Ilijn, Biochem. Zentr., 5, 534 (1906). Tutin u. Hann, Trausact. Chem. Soc, 89 (1906). Self, Pharm. Journ. (4), 26, 627 (1908). § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide. 77 1 CHgOH CHg— 0— Phosphorsäurerest I I C H — 0 — Phosphorsäurerest C H 0 H I ' I CH2OH CH2OH I. symmetrisch II. asymmetrisch. Der nach Formel II gebaute Ester enthält ein asymmetrisches C-Atom. WiLLSTÄTTER Und LüDECKE(l) haben in der Tat gefunden, daß bei der Barytverseifung von Lecithin ünksdrehende Glycerylphosphor- säure entsteht, und daß die Annahme von Ulpiani (2), wonach für die Glycerylphosphorsäure aus Lecithin Formel II anzunehmen ist, zu Recht besteht. Ovolecithin ist nach Ulpiani rechtsdrehend, weswegen dieser Forscher die asymmetrische Glycerylphosphorsäure im Lecithin annahm; doch könnte noch Asymmetrie durch differente Fettsäurereste hervor- gerufen werden. Die Glycerylphosphorsäuren werden schon beim Erhitzen mit Wasser verseift. Die Hydrolyse ist wahrscheinUch auch durch tierische Gewebsfermente möghch(3). Glycerylphosphorsaurer Kalk ist in heißem Wasser schwerer lösUch als in kaltem, und scheidet sich beim Kochen als glänzende Blättchen aus. Das Zinksalz enthält 15,97% Zn. Während man früher die Glycerylphosphorsäure für einen nie fehlenden Konstituenten des Lecithinmolekels gehalten hatte, kennt man bereits derzeit glycerinfreie Phospholipoide, wenigstens tierischer Herkunft [Car- naubon aus Rinderniere, nach Dunham und Jacobson(4)], wo das Glycerin durch Galactose vertreten ist). Es ist nicht ausgeschlossen, daß es auch derartige vegetabilische Phospholipoide gibt. Die Nachforschungen von Schulze, Winterstein und deren Schillern (5) haben erwiesen, daß die pflanzlichen Phospholipoide in den meisten Fällen Kohlenhydrate einschheßen, und Schulze hat vorgeschlagen, die kohlen- hydrathältigen Phosphatide als ,,Glucophosphatide" zusammenzufassen. Doch ist die Wahrscheinhchkeit groß, daß nur Gemenge von Lecithiden und Cerebrosiden vorhegen (Trier). Durch solche Beimischungen erweist sich der Phosphorgehalt vieler vegetabihscher Phosphatidpräparate viel niedriger als der Wert, welcher sich aus der Formel der DiAKONOWschen Distearyl- Chohn-Glycerylphosphorsäure, dem einfachsten Lecithinschema, berechnet. Während Präparate aus Samen von Vicia und Lupinus P- Werte von 3,67% und 3,69% ergeben (es berechnet sich für Dioleyllecithin 3,86%, für Diste- aryllecithin 3,84%,, für Dipalmityllecithin 4,12%, P), sinkt der P-Gehalt von Cerealienphosphatiden auf etwa 1,5—2,6%, bei Castanea auf 2,63%, Aesculus auf 2,46% P. Hingegen hatte ein Präparat von Pinus Cembra 3,6% P und ließ kein Kohlenhydrat nachweisen. Beim Kochen mit 6% 1) WiLLSTÄTTER u. LÜDECKE, Ber. Chem. Ges., j7, 3753 (1904). — 2) Ul- piani, Gazz. chim. ital.^ j/, II, 47 (1901). — 3) Grosser u. Husler, Biochem. Ztsch., 39, 1 (1912). Ober die Hydrolyse noch E. Mälengreau u. Prigent, Ztsch. physiol. Chem., 73, 68 (1911). P. Carr6, Compt. rcnd., 154, 220 (1912); 155, 1520 (1912). CoNTARDi, Gazz. chim. ital., 42, II, 270 (1912). Rogier u. Fiore, Bull. Sei. Pharm., 20, 7 (1913). A. Grün, Ber. Chem. Ges., 45, 3358 (1912). — 4) Dun- ham u. Jacobson, Joum. Biol. Chem., 4, 297; Ztsch. physiol. Chem., 64, 302 (1910). H. Maclean, Joum. of Physiol., 45, HI (1912). — 5) E. Schulze, Ztsch. physiol. Chem., 52, 54 (1907); 55, 338 (1908). Winterstein u. Hiestand, Ebenda", 47, 496 (1906). Hiestand, Beitr. z. Keuntn. d. pflanzl. Phosphatide, Dissert. (Zürich 1906). Winterstein u. Hiestand, Ztsch. physiol. Chem., 54, 288 (1908). Winter- stein u. Smolenski, Ebenda. 58, 506 (1909). Winterstein u. Steqmann, Ebenda, p. 502, 527. Smolenski, Ebenda, p. 522. Wirtgen u. Keller, Arch. Pharm., 244, 3 (1906). 49* 772 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). H2SO4 lieferte ein Phosphatidpräparat aus Weizen 16% reduzierenden Zucker. Man darf wegen der Zersetzlichkeit der Kohlenhydratgruppen in alkalisoher Lösung bei diesen Untersuchungen die sonst bevorzugte Ver- seifung der Phosphatide mit Ba(0H)2 nicht anwenden. Nach Winter- stein können verschiedene Kohlenhydratgruppen in Phosphatiden vor- kommen; d-Glucose, Galactose, Pentosen und Methylpentosen wurulen in einzelnen Fällen nachgewiesen. Der Gesamtgehalt an Kohlenhydraten belief sich bei den von Hiestand untersuchten Phosphatidpräparaten (Triti- cum, Avena, Lupinus) auf 13—20%. Bisher hat man die Kohlenhydrat- gruppen bemerkenswerterweise stets neben Glycerylphosphorsäure unter den Spaltungsprodukten pflanzlicher Phosphatide gefunden. Bei tierischen Phospholipoiden sind Kohlenhydratgruppen gleichfalls sehr verbreitet, z. B. beim Jecorin d-Glucose (1), in anderen Fällen Galactose, vielleicht auch Aminogalactose (2) oder Pentose. Was endlich die Fettsäurereste anbetrifft, die regelmäßig in Phospha- tiden vorhanden sind, so haben Schulze und Likiernik(3) in ihren Lecithin- präparaten Ölsäure und feste Fettsäuren nachgewiesen; letztere dürften teils Palmityl-, teils Stearylgruppen sein. Es ist wahrscheinlich, doch noch nicht sichergestellt, daß Mischglyceride unter den Phosphatiden vorkommen. Nach dem Cadmiumverfahren gewann Ulpiani (4) ein Ovolecithin, dessen Fettsäuren zu 91,5% aus Oleinsäure bestanden, neben Stearinsäure ; Cousin(5) fand aber in einem Ovolecithin auch noch Palmitinsäure und Linolsäure. Linolsäiu-e wurde noch gefunden im tierischen Cuorin aus Herzmuskulatur (6). Carnaubasäure, Stearinsäure und Palmitinsäure wurden erhalten aus dem Carnaubon (Rinderniere) (2), Myristinsäure aus dem Vesalthin im Rinder- pankreas, welches auch acetonlöslich ist (7). Für die Feststellung der Fett- säurereste in Lecithiden eignet sich besonders die Überführung in Ester durch Alkoholyse mit methylalkohohscher Salzsäure (8). Auch die Hydro- genisation durch Palladiumkatalyse ist nach Paal (9) vorteilhaft, da man eih festes krystallinisches Hydrolecithin gewinnt, welches nur mehr ge- sättigte Fettsäuren einschließt. Diese Versuche werden es voraussichtUch gestatten, je nach der Art der Fettsäuren verschiedene Lecithide in ihren Gemengen zu unterscheiden. Ob Cholesterin, welches Winterstein und Smolenski im Weizenmehl- Phosphatid fanden, ein Konstitutionsbestandteil von Phospholipoiden ist, möchte ich bezweifeln. Die Jodzahl wxu-de für Ovolecithin mit 96—102 bestimmt, was mit der Annahme in Einklang steht, daß reichlich Ölsäure darin vorkommt. Es wurde schon erwähnt, daß das natürliche Ovolecithin rechtsdrehend optisch aktiv ist, was sich durch die asymmetrische Glycerylphosphor- säureformel erklären läßt (Ulpiani, Willstätter). Es ist auch gelungen, durch Einwirkung höherer Temperatur aus Agfalecithin die optisch in- aktive racemische Form herzusteilen, und aus dieser durch fermentative elektive Spaltung zu der bisher unbekannten linksdrehenden Modifikation 1) A. BA8KOFF, Ztsch. physiol. Chem., S7, 395 (1908); 61, 426 (1909). — 2) Hierzu Dunham u. Jacobbon, Ebenda, 64, 302 (1910). Linnert, Biochem. Ztsch., 26, 41 (1910). — 3) Schulze u. Likiernik, Ztsch. physiol. Chem., 15, 413 (1891). — 4) C. Ulpiani, Acc. Line. Roma (5), /o, 421 (1901). — 5) H. Cousin. Compt. rend., 137, 68 (1903). — 6) A. Erlandsen, Ztsch. physiol. Chem., 5/, 71 (1907). — 7) S. Fränkel u. Pari, Biochem. Ztsch., 17, 68 (1909). •— 8) Fourneau u. PiETTRE, Bull. Sog. Chim. (4), //, 805 (1912). — 9) C. Paal, Ber. Chem. Ges., 46, 1297 (1913). § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide. 773 zu gelangen (1), was allerdings mit möglichst reinen Phosphatidpräparaten zu wiederholen wäre. Das DiAKONOW-STRECKERSche Formelbild für Di- stearyllecithin ist: CHa-O-CO-Ci^Haj OH CH2-O.PO(OH).O.CH2-CH2.N.(CH3)3 Darin kann die Stearinsäure offenbar durch verschiedene gesättigte und ungesättigte Säurereste ersetzt werden. Da Hiestand das Molekular- gewicht für Ovolecithin mit 1446 bestimmte, so wäre diese Formel zu ver- doppeln. Cerealienphosphatid hat nach diesem Forscher ein viel höheres Molekulargewicht (etwa 2200). Über die physiologischen Funktionen der Phospholipoide sind ver- schiedene Hypothesen aufgestellt worden, welche sich zum Teil noch experi- mentell prüfen lassen werden. Overton (2) hält es für möglich, daß die Phosphatide zu jenen Bestandteilen der Plasmahaut gehören, welche die diosmotischen QuaUtäten derselben bestimmen. Koch (3) hat die Bedeutung der Phosphatide als Bildner von Niederschlagsmembranen in den Plasma- kolloiden hervorgehoben und gezeigt, daß man die Lecithinfällung durch CaClg mittels NaCl verhindern kann. Vielfach wurden sodann die Phospho- lipoide jnit Enzymi-eaktionen (als Aktivatoren) und mit Immunoreaktionen (als Komplemente) in Beziehung gebracht (4). Die Sauerstoffabsorption durch Phosphatide legt es nahe an Beziehungen zur vitalen Oxydation in der Atmung zu denken, und diesbezügüch hat Palladin (5) bemerkens- werte Ideen geäußert; bei der Abtötung von Weizenkeimhngen schädigen gerade jene Stoffe die Atmungsenergie am meisten, welche Phosphatide leicht entziehen. Stoklasa(6) brachte die Phosphatide in Zusammenhang mit der Chlorophyllfunktion; doch ist es seither unsicher geworden, welche Rolle Phosphatiden beim Aufbau der Chloroplasten zukommt. Zu erwähnen ist endlich die Annahme von O. Loew (7), daß die Verbrennung der höheren Fettsäuren in Form von Lecithin stattfinde. Da bei der normalen Keimung am Licht das Lecithin stetig mit dem Heranwachsen der Pflanzen zunimmt (Maxwell (8), Stoklasa), so könnte nur eine dauernde Neubindung und ein gleichzeitiger oxydativer Zerfall von Fettsäuren im Spiele sein, und die Phosphatide sind keineswegs als trophoplastische Zellsubstanzen wie die Fette aufzufassen. Es ist behauptet worden, daß gewisse thermolabile Lipoide als Nahrungsbestandteile von Tieren unentbehrlich wären (9). 1) P. Mayer, Biochem. Ztsch., /, 39 (1906). Versuche zur Synthese von Lecithin: A. Grün u. Kade, ßer. Chem. Ges., 45. 3367 (1912). — 2) E. Overtox. Viertel jahrsschr. Naturf. Ges. Zürich, 44, 88 (1899); Jahrb. wiss. Botan., 34^ 669 (1900); Ztsch. physikal. Chem., 22, 189 (1897). — 3) W. Koch, Ztsch. physiol. ehem., 63, 432 (1909). — 4) M. Korsakow, Biochem. Ztsch., 28, 121 (1910). J. Bang, Ergebn. d. Physiol., 8, 463 (1909). Prowazek, Biolog. Zentr., 28, 383 (IÖO8). Terroine, Biochem. Ztsch., jj, 506 (1911). — 5) W. Palladix, Ber. Botan. Ges.. 28, 120 (1910). J. Nerking, Intern. Beitr. Pathol. u. Ther. d. Ernährungsstörungen, ///, 4 (1912). — 6) J. Stoklasa, Ber. Chem. Ges., 2«?, 2761 (1896); Ztsch. physiol. Chem., 25, 398(1898); Sitz.ber. Wien. Ak., 104, I (1896). Die in der letztgenannten Arbeit angeführten Versuche, welche die Resorption von Lecithin durch Wurzeln in Wasserkultur beweisen sollen, sind nicht einwändfrei, indem die Resorption von P-hältigen Spaltungsprodukten des Lecithins nicht ausgeschlossen war. — 7) O. Loew, Biolog. Zentr., //, 269 (1891). — 8) W. Maxwell, Just Jahresber. (1890), /, 46; Amer. Chem. Journ., 13, 16, 428 (1891). — 9) W. Stepp, Ztsch. f. Biolog., 59, 366 (1912). 774 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). §2. Lecithide in Samen. E. Schulze und seine Schüler (1) haben eine große Zahl einschlägiger analytischer Daten gehefert, gewonnen durch Bestimmung der ätherlös- hchen Phosphorsäure als Pyrophosphat und MultipUkation dieser Gewichts- zahl mit dem Faktor 7,2703: Zea mays, gelb 0,25% „ weiß 0,28 Triticum vulgare 0,65 „ Keim allein . . . 1,55 Seeale cereale 0,57 Hordeum distichum . . . 0,74 Cannabis sativa' 0,88 Fagopyrum esculentum, ge- schält 0,47 Papaver somniferum . . . 0,25 Lupinus luteus . . Vicia sativa . . . „ Faba .... Lens esculenta . . Pisum sativum . . ,, „ unreif Glycine hispida . . Linum usitatissimum Sesamum indicum . Cucurbita Pepo, geschält ...... 0,43 Hehanthus annuus, geschält 0,44 . 1,55-1,59% . 1,22-0,74 . 0,81 . 1,20 . 1,23 . 0,50 . 1,64 . 0,88 . 0,56 Nach Merlis enthalten an „Lecithin": Kiefer . . Fichte . . Weißtanne Mais . . . Weizen . . Gerste . . Hanf. . . . 0,49% . 0,27 . 0,11 . 0,25 . 0,43 . 0,47 . 0,85 Buchweizen 0,53% Blaue Lupine, geschält I 2,19 „ II 2,20 Gelbe Lupine 1,64 Wicke 1,09 Erbse 1,05 Lein 0,73 V. Bitt6 (2), welcher das Material oftmals mit Methylalkohol auskochte, gibt teilweise höhere Zahlen an: Zea Mays, gelb 0,48% Triticum vulgare 0,49 Seeale cereale 0,68 Hordeum vulgare .... 0,68 Lupinus luteus 2,09% Vicia sativa 1,78 Glycine hispida 2,03 Capsicum annuum .... 1,85 Hingegen gibt Riegel (3) für Glycine hispida nach Methylalkohol- extraktion nur 0,15% Lecithin an. Man entnimmt diesen Daten, daß die Leguminosensamen am meisten, bis über 1,5%, an Phosphatiden enthalten; von den ölreichen Samen sind jene von Cannabis und Linum die phosphatid- reichsten, noch mehr die von Capsicum; andere Ölsamen führen nicht mehr Phosphatid als die Getreidearten. Neuere Analysen stimmen mit diesen Angaben überein. 1) Schulze u. Frankfurt, Landw. Versuchsstat., 43, 307 (1894). Merlis u. Schulze, Ebenda, 48, 203 (1897). Schulze, Ebenda, 67, 57 (1907). Hiestand, 1. c, p. 62. — 2) B. V. BiTTö, Ztsch. physiol. Chem., 19, 489 (1894). Vgl. ferner auch die Bestimmungen von Heckel u. Schlagdenhauffen, Compt. read., 103, 388. Schlagdenhauffen u. Reeb, Ebenda, 135, 205 (1902). Auch A. Stellwag, Versuchsstat., 37, 135 (1890), wo jedoch auffällig hohe Werte augegeben werden. — 3) M. Riegel, Pharm. Ztg., 55, 428 (1910). § 2. Lecithide in Samen. 775 Beta, geschält .... 0,46% Phosphatid Stromer und Fallada, Chem. Zentr. (1906) /, 1440. Pinus Cembra L. . . . 0,99% E. Schulze, 1. c. 1907. Carya olivaeformis . . 0,5 % Deiler und Fraps, Amer. Chem. Journ., 43, 90 (1910). Salvia nilotica .... 0,46% A. Parrozzani, Ann. Staz. Sper. Rom., j, 77 (1910). Die Meinung von Stoklasa(I), daß der Phosphatidgehalt eiweiß- reicher Samen größer sei als der Gehalt bei eiweißärmeren Samen, ist im allgemeinen richtig: Fett Lecithin Eiweiß Triticum vulgare 1,85 0,65 12,04 Zea Mays 4,36 0,28 9,12 Fagopvrum esculentum, geschält . 1,90 0,47 10,18 Pisum" sativum 1,89 1,23 23,15 Vicia Faba 1,68 0,81 25,31 Lupinus luteus 4,38 1,59 38,25 Glycine hispida 14,03 1,64 32,18 Linum usitatissimum 33,64 0,88 22,57 Papaver somniferum 40,79 0,25 19,53 Cannabis sativa 32,58 0,88 18,23 Helianthus annuus 32,26 0,44 14,22 Trier (2) versucht, diese Erscheinung durch die Annahme zu erklären, daß die Säuren der Proteinstoffe und die Alkoholgruppen der Lecithide nach der CANNizzAROschen Reaktion gleichzeitig aus Aldehydgruppen hervorgehen. Von Bedeutung ist es gewiß, daß die Keime von Samen viel mehr Phosphatid enthalten als das Nährgewebe. Es wird sich auch in Hinkunft empfehlen, den Phosphatidgehalt für Embryo und Endosperm gesondert zu bestimmen. Weizenkeime enthalten mehr als doppelt so viel Phosphatid als Weizenendosperm. Für Oryza geht dasselbe aus den Angaben von Bernardini (3) hervor. Solche Befunde machen es unwahrscheinüch, daß die Phosphatide bloße Fettbegleiter sind und lenken die Aufmerksamkeit auf ihre Rolle beim Aufbau des Cytoplasmas. Sowohl Cholin als Betain kommen im Samen präformiert vor; daß sie nicht erst bei der Präparation entstehen, hat Schulze speziell nachgewiesen (4). Cholin ist ganz allgemein verbreitet und wurde u. a. aufgefunden in den Samen von Fagus silvatica („Fagin" von Herberger 1833), Gossypium (Böhm), Strophanthus (Thoms), Humulus (Griess und Harrow), Blüten- köpfchen der Artemisia Cina (Jahns), Samen von Lupinen, Soja, Cucurbita, Vicia (E. Schulze), nach Jahns in Cannabis, Trigonella foenum graecum, Arachis, Lens, Robinia, Lathyrus, ferner Areca Catechu und Pimpinella Anisum; in Weizenkeimen und in Malz gefunden durch Schulze und Frank- furt in Kakaosamen und Paullinia sorbihs durch Polstorff (5). Da nach 1) J. Stoklasa, Sitz.ber. Wien. At., 104, I, 617 (189G). — 2) G. Trier, Die einfachen Pflanzenbasen usw. (Berlin 1912), p. 33. — 3) L. Bernardini, Atti Accad. Line. Roma (5), 21, I, 283 (1912). — 4) E. SchuLze, Ztsch. physiol. Chem., 15, 140 (1891). Schulze u. Trier, Ebenda, 81, 53 (1912). — 5) Böhm, Arch. exp. Pathol., 19, 60, 87. H. Thoms, Ber. Chera. Ges., 31, HI (1898). P Griess u. G. Harrow, Ebenda, 18, 717 (1885). E. Jahns, Ebenda, 26, II, 1493 (1893). E. Schulze, Ztsch. physiol. Chem., //, 365 (1887); 12, 405, 414 (1888); 17, 193 (1892); Ber. Chera. Ges., 22, 1827 (1889); Landw. Versuchsstat., 46, 383 (1895). Jahns, Ber. Chera. Ges., 18, 2520 (1887); 23, 2972 (1890); Arch. Pharm., 235, 151 (1897). Schulze u. Frank- fürt, Ber. Chem. Ges., 26, 2151 (1893). Schulze, Frankfurt u. Winterstein, Landw. Versuchsstat., 46, I (1895). K. Polstorff, Festschr. f. Wallach (1909), p. 569. 776 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospho lipoide.) den Ergebnissen der Untersuchung von Trier (1) auch der Aminoäthyl- alkohol ein häufiger Begleitstoff der Phosphatide ist, so begegnen wir in diesen Substanzen unzweifelhaften Nebenprodukten des Lecithinstoff- wechsels. Betain, dessen natives sporadisches Vorkommen durch RiTT- HAUSEN (2) in den Samen von Vicia, Cicer, Lathyrus, Gossypium, Artemisia Cina, durch Schulze und Trier (3) in jenen von Helianthus annuus, durch Stanek(4) bei Beta und Amarantus durch Polstorff in Cola konstatiert wurde, ist wohl als oxydatives Abbauprodukt des Cholins zu deuten. Als Begleiter der Gerealienphosphatiden fanden Winterstein und Smolenski (5) außer Cholin das Trigonellin auf, welches seither auch in Goffeasamen ent- deckt worden ist (6). Auch die Nicotinsäure in Reiskleie (7) deutet auf Trigonelhn hin. Da Schlagdenhauffen und Reeb (8) in der Asche des Petroläther- extraktes von Samen häufig etwas Calcium- und Manganphosphat fanden, ist es nicht unmöglich, daß in komplexen Phosphatiden das Cholin teil- weise durch die genannten Metallbasen substituiert ist. Winterstein mit seinen Mitarbeitern hat ausführhch gezeigt, daß die meisten Samenphosphatidpräparate erhebliche Mengen Kohlenhydrat- gruppen einschließen (9). Ein durch Winterstein und Stegemann aus Lupinus albus dargestelltes Phosphatid von 3,62% P- Gehalt gab bei der Spaltung mit H2SO4 Galactose neben anderen Hexosen. Das von Hie- stand aus Lupinus luteus gewonnene Präparat scheint Pentosenreste ent- halten zu haben. Phosphatid aus Weizenmehl, oder besser das Gemisch verschiedener Phosphatide, das man aus diesem Material erhält (Smo- lenski versuchte dieses Gemisch zu fraktionieren) ergab gleichfalls Reak- tionen, die auf Hexosen, Pentosen, vielleicht auch Methylpentosenreste hindeuten. Eine der SMOLENSKischen Phosphatidfraktionen aus Weizen- keimen war fest und ließ sich krystalhnisch abscheiden, eine andere bildete eine ölige Flüssigkeit. Während der Samenreife ändert sich der prozentische Phosphatid- gehalt der Samen. In unreifen Samen fanden Schulze und Frank- furt (10) 0,5% Phosphatid, in reifen Samen 1,23%. Unreife Samen von Juglans nigra enthalten aber nach Mc Clenahan(II) prozentisch mehr Phospholipoide als reife Samen. Bei der normalen Keimung im Lichtgenusse vermehrt sich, wie zuerst Maxwell (12) feststellte, der Phosphatidgehalt noch weiter. Bei Phaseolus stellte sich das Verhältnis des Phosphatids in ungekeimten Samen zu Keimlingen wie 100:159. Stoklasa(13) fand in ungekeimten Rübensamen 0,45 % Phosphatid, während 5tägige Keimlinge in nährstoff- 1) G. Trier, Ztsch. physiol. Cham., 73, 383 (1911); 76, 496 (1912). — 2) Ritt- hausen u. Weger, Joum. prakt. Chem., 30, 32 (1884). Maxwell, Amer. Chem. Journ., 93, 469. — 3) E. Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chein., 76, 258 (1911). — 4) Vl. Stanek, Ebenda, 72, 402; 75, 262 (1911). Stanek u. Domin, Ztsch. Zuckerindustr. Böhm., 34, 297 (1909). — 5) Westterstein u. Smolenski, Ebenda, 58, 506 (1909). — 6) Polstorff, 1. c. K. Gorter, Lieb. Ann., 372, 237 (1910). — 7) U. Suzuki u. Matsunaga, Journ. Agric. Coli. Tokyo, 5. 59 (1912). — 8) Schlag- denhauffen u. Reeb, Compt. rend.. 135, 205 (1902). — 9) Winterstein u. Hie- stand, Ztsch. physiol. Chem., 47, 496 (1906); 54, 288 (1908). Winterstein u. Stegemann, Ebenda, 58, 502 (1909); mit Smolenski, Ebenda, p. 506, 522; mit Stegemann, Ebenda, p. 527. Hiestand, Diss. (Zürich 1906). — 10) Schulze u. Frankfurt, Landw. Versuchsstat., 43, 307 (1894). — 11) F. M. Mc Clenahan, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 485 (1913). — 12) Maxwell, Just Jahresber. (1890), /, 46; Amer. Chem. Journ., 13, 16, 428 (1891). — 13) J. Stoklasa, Sitz.ber. Wien. Ak., 104, I, 617 (1896). § 2. Lecithide in Samen. 777 freier Sandkultur 5,22 % enthielten. Die Phosphatide sind daher durchaus keine Reservestoffe. Für keimende Gerste konnte VVallerstein(I) ebenfalls erhebliche Phosphatidvermehrung in den späteren Entwicklungs- stadien sicherstellen. Nach 9 Tagen war die Phosphatidmenge von 3,06 % der Fettmenge auf 5,04 % gestiegen. In den isolierten Keimen betrug die Phosphatidmenge 11,99%. Weitere Versuche von Stoklasa ergaben für ruhende Betasamen 0,45 % der Trockensubstanz an Phosphatiden, nach 9 Tagen Keimung (Cotyledonen noch in der Samenschale verborgen) 1,78 %. Für Buchweizen wurde gefunden: ruhende Samen 0,51 %, Stägige (nicht grüne) Keimlinge 1,03 %. Ähnliche Resultate gewannen Green und Jackson (2) für das Ansteigen des Phosphatidgehaltes bei der Keimung von Ricinus. Bernardini und Chiarulli(3) sahen bei der Keimung von Getreidekörnern Zunahme von freien und gebundenen Phos- phatiden. Die Neubildung begann mit dem Auftreten des Chlorophylls. Bei Entwicklung der Keimlinge uüter Lichtentziehung wird der Phosphatidgehalt in den Keimpflanzen vermindert. Nach Schulze und Frankfurt enthalten Wickensamen 0,74 — 1,22 % Phosphatid, etiolierte junge Wickenpflanzen 0,86 %. Stoklasa fand für lOtägige Beta- keimlinge: etiolierte Pflanzen 0,84% Phosphatid; grüne Pflanzen 1,47% Phosphatid. Für Erbsenkeimlinge war der Phosphatigehalt bei etiolierten 0,38 %, ibei grünen Keimlingen 0,69 %. Bei etiolierter Vicia fand Prianischnikoff(4) die Abnahme der Phosphatide in folgender Pro- gression: Ungekeimter Samen. lOtägige 20tägige Keimung % Phosphatid 1,08 0,58 0,54 Merlis(5) verfolgte die absolute Verminderung der Phosphatide in etiolierten Keimlingen von Lupinus angustifolius und fand in 15tägigen Keimlingen 1,14% Phosphatide, während ungekeimte Samen 2,20% enthielten. Auch Zaleski(6), Iwanoff (7) sowie Bernardini und Chia- RULLi kamen zu analogen Ergebnissen. Mit diesem Phosphatidzerfall steht wohl die von Schulze nachgewiesene reichliche Gegenwart von Cholin in etiolierten Keimlingen im Zusammenhange. Im Gegensatze zu allen diesen Befunden steht die von Frank- furt (8) beobachtete Phosphatidvermehrung in etiolierten Helianthus- keimlingen gegenüber ungekeimten Samen. Da von Zaleski(9) bei der Autolyse von Lupinenkeimlingen Abnahme und Spaltung der Phosphatide beobachtet worden ist, so wäre noch zu prüfen, ob ein besonderes phos- phatidspaltendes Enzym in Keimlingen vorkommt oder die Lipase ent- sprechend wirkt. Nach Schumoff-Simanowki und N. Siebeb (10) wird Lecithin durch Pankreaslipase und Ricinuslipase gespalten. Auch für das Betain ist durch StanSk eine Vermehrung bei der Samenkeimung nachgewiesen. 1) M. Wallerstein, Chem. Zentr. (1897), /, 63. — 2) J. R. Green u. H. Jackson, Proceed. Roy. Soc Lond., n, B, 69 (1905). — 3) L. Bernardini u. G. Chiarulli, Staz. sper. agr. ital., 42, 97 (1908). — 4) Prianischnikoff, Eiweiß- zerfall bei der Keimung (1895), russisch. — 5) Merlis, Landw. Versuchsetat., 4^ (1897). Vgl. auch Schulze u. Winterstein, Ztsch. physiol. Chem., 40, 116 (1903). — 6) Zaleski. Ber. Botan. Ges., 20, 426 (1902). — 7) IwäNOFF, zit. bei Zaleski. — 8) Frankfurt, Landw. Versuchsstat., 43, 175 (1894). — 9) W. Zaleski, Ber. Botan. Ges. (1906), p. 285. — 10) C. Schumoff-Simanowski u. N. Sieber, Ztsch. physiol. Chem., 49, 50 (1906). A. Clementi, Arch. Fisiol., 8, 399 (1911). 778 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). §3. Lecithide in anderen Teilen von Blutenpflanzen. Viele Befunde zeigen, daß Phospholipoide in allen Organen der Pflanzen regelmäßig vorkommen und beweisen so die Ansicht, daß es sich in diesen Substanzen um cytoplastische Stoffe handelt. Für unterirdische Reservestoffbehälter werden Befunde von Phosphatiden hervorgehoben für die Zuckerrübe [Lippmann (1)], die Wurzel von Althaea officinahs [Orlow(2)], die Wurzel von Daucus, wo nach den Ana- lysen von Euler (3) eiif Phosphatid vorkommt, welches zwei Atome N auf ein Atom P enthalten dürfte. Cholin hat man häufig in Wurzeln, Rhizomen und Knollen gefunden: Ipecacuanhawurzel, Atropa Belladonna und Acorus Calamus [Kunz (4)] ; in Kartoffelknollen [Schulze (5)] ; es steht auch hier offenbar im Zusammenhang mit dem Phosphatidstoffwechsel. Das Betain wurde im Zuckerrübensaft durch Scheibler (6) überhaupt zum ersten Male aufgefunden. Planta (7) isoherte es aus den Knollen von Stachys tuberifera, Orlow(8) aus der Wurzel von Althaea, Schulze (9) gewann aus 25 kg frischen Knollen von Hehanthus tuberosus 2 g Betainchlorid. Das Verschwinden des Betains beim Austreiben der Zuckerrübe (Stanek) muß nicht als „Wanderung" dieses Stoffes gedeutet werden, sondern könnte auch auf gänzlichem Abbau desselben beruhen, trotz der gleich- zeitig stattfindenden Anhäufung des Stoffes in den Blättern. Das Stachydrin, welches Planta und Schulze (10) in den Stachys- knollen zuerst entdeckten, scheint in die Alkaloid-Physiologie zu gehören, ebenso dasTrigonellin, welches Schulze und Trier (11) in den unterirdischen Teilen der Scorzonera hispanica und DahHa variabihs nachwiesen. Daß Phosphatide im Stoffwechsel der Laubknospen, Laubtriebe und Blätter eine wichtige Rolle spielen, läßt sich wohl aus dem vorliegen- den Tatsachenmaterial bestimmt erschließen. Schon Hoppe-Seyler(12) fand in Knospen „Lecithin" auf. Nach Stoklasa(13) enthalten die Laub- knospen von Aesculus 0,46% der Trockensubstanz an Lecithin (entwickelte Blätter 0,94 %), die Fraxinusknospen 0,32 % (entwickelte Blätter 0,78 %). SH0REy(14) isolierte Phosphatide aus Zuckerrohr und fand darin Betain. Über die Phosphatide aus Aesculusblättern berichtet Hiestand (1. c. 1906), daß dieselben ebenfalls als „Glucophosphatide" anzusehen sind. Aus Ricinus- blättern gewannen Winterstein und Stegmann (15) Phosphatid von 5,27% P-Gehalt, welches 6,74% CaO einschloß. „Glucophosphatid" stellte Hiestand ferner aus Knospen von Crataegus und jungen Blättern von 1) E. O. V. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 20, 3201 (1887). — 2) N. Orlow, Just Jahresber. (1900), //, 49. — 3) H. Euler u. E. Nordenson, Ztsch. physiol. Chem., 56, 231 (1908). — 4) Kunz, Arch. Pharm., 25, XI; Ebenda (3), 23, 721 (1886); 226, 539 (1888). — 8) Schulze, Frankfürt u. Winterstein, Landw. Ver- suchsstat., 46, I. Hiestand, 1. c. (1906). — 6) C. Scheibler, Ber. Chem. Ges., 2, 292 (1869). Frühling u. J. Schultz, Ebenda, w, 1071 (1877). Schulze u. Urich, Landw. Versuchsstat., 18, 296 (1875). Andrlik, Velich u. Stanek, Biochem. Zentr. (1903), Ref. Nr. 648. F. Ehrlich, Ber. Chem. Ges., 45, 2409 (1012). Stoltzen- BERG, Ebenda, 46, 558 (1913). ürban, Ztsch. Zuckerindustr. Böhm., 37, 339 (1913). — 7) V. Planta, Ber. Chem. Ges., 23, 1699 (1890). — 8) Orlow, Just Jahresber. (1897), II, 102; Chem. Zentr (1898), /, 37. — 9) E. Schulze, Ztsch. physiol. Chem., 65, 293 (1910). — 10) A. V. Planta u. Schulze, Ber. Chem. Ges., 26, 939 (1893); 23, 1699 (1890). Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 59, 233 (1909); 67, 59 (1910); Ber. Chem. Ges., 42, 4654 (1909). R. Engeland, Arch. Pharm., 247, 463 (1909). — 11) E. Schulze u. G. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 76, 258 (1911). — 12) Hoppe-Seyler, Med.-chem. Untersuch., 1. c. — 13) Stoklasa, Sitz.ber. Wien. Ak., 104, I, 620 (1896). — 14) E. C. Shorey, Journ. Amer. Chem. Soc, 20, 113 (1898). — 15) E. Winterstein u. Stegmann, Ztsch. physiol. Chem., 58, 527 (1909). § 3. Lecithide in anderen Teilen von Blütenpflanzen. 779 Ulmus dar. In Weidegräsern ist nach Hiestand, A. Stutzer und Becker (1) der Lecithingehalt ein hoher. Das sorgsam getrocknete Material enthielt 0,078% ätherlösUchen Phosphor. In Blättern von Lactuca und Rheum ist der Phosphatidgehalt gleichfalls ein hoher. Die Blüten enthalten nach Vageler merkhch weniger Phosphatid. Ein besonders starkes Ansteigen findet zur Zeit des Fruchtansatzes statt. Die grünen Früchte von Legu- minosen ergaben besonders hohe Phosphatidzahlen: Pisum 3,8%, Phaseolus 6,5% der Trockensubstanz. Nach Hanai (2) verheren alte Blätter von Thea sinensis im FrühHng einen Teil ihrer Phosphatide, während die jungen Blätter während ihres Wachstums an Phosphatidgehalt zunehmen. Auch in der Rinde von Prunus Cerasus soll im FrühHng Phosphatidverminderung erfolgen. Durch diese Tatsachen wird jedoch die Ansicht Hanais, wonach wir in den Phosphatiden Reservestoffe zu erbücken haben, nicht unmittelbar bewiesen. ChoHn kommt nach Jahns (3) als intermediäres Glied des Phosphatid- stoffwechsels außcrordenthch verbreitet in Stengeln, Blättern, Blüten, Rinden und Früchten verschiedener Pflanzen vor. Auch ist nach diesem Forscher das von Bombelon in Capsella bursa pastoris gefundene Alkaloid „Bursin" nichts anderes als Chohn. Polstorff (4) fand Chohn in Teeblättern, Struve (5) in den Blattstielen von Vitis, Kunz-Krause (6) in Holz und Blättern von Fabiana imbricata, sowie in den Blättern von Hex paraguayensis ; ferner wird es angegeben von Ajuga reptans, Glechoma, Galeopsis, Ros- marinus [Yoshimura und Trier (7)] und von den Blättern des HeHanthus annuus [Buschmann (8)]. Mit dem Betainstoffwechsel, der offenbar mit den Phosphatiden nahe zusammenhängt, hat sich Stanek (9) in neuerer Zeit besonders ein- gehend befaßt und als bemerkenswert hervorgehoben, daß bei der Zucker- rübe besonders die jungen Blätter und die jungen Sprosse an Betain reich sind. Die Wurzel von Beta enthält 1,2%, die Blätter führen 2,6%, Betain. Auch in etioHerten Blättern wird es gefunden. Das Verschwinden des Betain nach Beendigung der vegetativen Tätigkeit aus den Blattorganen deutet Stanek nicht als Zerfall, sondern als Rückwanderung und legt darauf Ge- wicht, daß das Verschwinden des Betain aus der austreibenden Wurzel und die Anhäufung in den Blättern koinzidieren. Jedenfalls sind weitere Studien hierüber nötig. Daß das Betain kein Reservestoff ist, zeigt sein Vorkommen in den Samenschalen der Zuckerrübe. Von Vorkommen des Betains seien erwähnt die Fälle von HeHanthus- blütcn [Buschmann], unreifen Hülsen von Vicia [Schulze und Trier(10)], Cascarillarinde [Naylor(11)], Blätter von Nicotiana (12), alles nur spora- dische Erscheinungen. Das Trigonellin ist durch Schulze und Trier in jungen Pisumpflanzen nachgewiesen, durch Yoshimura und Trier bei Mirabilis Jalappa (13). 1) A. Stützer, Verband!. Naturf. Ges. Köln (1908), 2, I, 138; Pharm. Post, 41, 809 (1908). J. Becker, Fühlings Landw. Ztg., 50, 420 (1910). H. Vageler, Biochem. Ztsch., /;, 189 (1909). — 2) T. Hanai, Bull. Agric Coli. Tokyo, 2, 503 (1897). — 3) Jahns, Arch. Pharm., 235, 151 (1897). — 4) K. Polstorff, Festschrift f. Wallach (1909), p. 569. — 5) Struve, Ztsch. analyt. Chcm., 41, 544 (1903). — 6) H. Kunz-Krause, Arch. Pharm., 231, 613 (1893); 237, 1 (1899), — 7) K. Yoshi- mura u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 77, 290 (1912). — 8) H Buschmann, Arch. Pharm., 249, 1 (1911). — 9) Vl. Stanek. Ztsch. physiol. Chem., 72, 402; 75, 262 (1911); Sitz.ber. böhm. Ges. Wies. (1912). — 10) E. Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., ;ö, 258 (1911). — 11) Naylor, Pharm. Journ. Tr. (4) (1898), Nr. 1447. — 12) Deleano u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 79^ 243 (1912). — 13) Trigonellin: E. Schulze, Ztsch. physich Chem., 60, 155 (1909); Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 522 (1910). 780 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). Diesem hier und da vorkommenden Methylbetain der Nicotinsäure reiht sich an das Methylbetain der Methylpyrroüdincarbonsäure oder Stachydrin, welches Jahns (1) nach der Entdeckung dieses Stoffes in den StachysknoUen durch Planta und Schulze, in den Blüten von Citrus auffand. Schulze und Trier (2) sowie Engeland (3) bestimmten seine Konstitution durch den Nachweis seiner Identität mit dem Belain der n-Methylhygrinsäure : CH2 — CH2 I I CHa CH-CO \ / I N 0 I (CH3)2 Man weist es nach durch die Fichtenspanreaktion (Pyrroldämpfe), welche beim Erhitzen des Chlorides eintritt, sowie durch die charakte- ristischen Krystalle seiner Goldchloriddoppelverbindung (4). Vorkomm- nisse von Stachydrin sind bekannt in den ober- und unterirdischen Teilen von Stachys tuberifera; in Stachys silvatica, Galeopsis und Betonica: hier auch Oxystachydrin C^HigNOj; in Blättern und Fruchtschalen von Citrus; in Chrysanthemumblüten (dalmatinisches Insectenpulver). Oxystachydrin (Betonicin) oder das Dimethylbetain von Oxyproün kommt auch in jungen Wickenpflanzen vor, und es dürften ähnliche Basen noch weiter gefunden werden (5). In Pollen wurden Phosphatide zuerst von ST0kLASA(6) nachge- wiesen. ApfelbaumpolMn enthält nach diesem Autor 5,16%, Betapollen 6,04% Phosphatide. Hiestand konstatierte an den Phosphatiden von Alnus viridis-Pollen und Pinus montana-Pollen, daß auch hier Gluco- phosphatide vor Hegen. Die Ausbeute betrug bei Alnus 3,31% (doch viel- leicht nicht quantitativ). Möghcherweise ist der spermaähnüche Geruch der männlichen Blüten von Castanea auf Basen der ChoHngruppe zurückzuführen. Trimethylamin, welches sich bei vielen Pflanzen durch den Geruch verrät: Chenopodium vulvaria [Dessaignes (7)], Pomaccenblüten, wie Crataegus (8), Pirus, Sorbus, Fagussamen, Arnica montana, Mercuriahs annua u. a. ist wohl kaum anders aufzufassen als als Zersetzungsprodukt des Chohns. Andere Amine, die man in faulenden Pflanzen fand (Äthylamin, Dimethylamin) entstammen vielleicht dem bacteriellen Eiweißabbau. Methylamin kommt hingegen nativ vor in Beta und in Mercuriahs (9). Bei der Destillation von Camphorosma monspehaca mit KOH wurde Pro- pylamin erhalten (10). §4. Lecithide der Pilze und Bacterien. Auch für die höheren Pilze darf das Vorkommen von Phosphatiden als allgemeine Erscheinung gelten. Die vorhandene Menge scheint mit 1) E. Jahns, Ber. Chem. Ges., 29, 2065 (1896). — 2) Schulze u. Trfee, Ztsch. physiol. Chem., .59, 233 (1909); Ber. Chem. Ges., 42, 4654 (1909). — 3) R. Engelakd, Arch. Pharm., 247, 463 (1909). — 4) Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 67, 59 (1910). — 5) Schüi^e u. Trier, Ebenda, 79, 235 (1912). — 6) Stök- lasa, 1. c. (1896). — 7) Dessaignes, Compt. rend., 33, 358; 34, 670; Lieb. Ann., 8r, 106 (1852). — 8) W. Wicke, Lieb. Ann., 91, 121 (1854). — 9) „Mercurialin" von Schmidt, Lieb. Ann., 193, 73 (1877). — 10) Schimmel, Chem. Zentr. (1902), //, 1207. § 4. Lecithide der Pilze und Bacterien. 781 den bei Blütenpflanzen gefundenen Verhältnissen übereinzustimmen. Schulze und Frankfurt (1) geben für Psalliota campestris 0,82%, für Boletus edulis 1,94% an Phosphatiden an, was wahrscheinlich zu gering ist. Nach Zellner (2) würde der Phosphatidgehalt von Amanita mus- caria 7,42 % betragen. Für Penicillium, Aspergillus und Mucor hat Sieber (3) das Vorhandensein von Phosphatiden gezeigt. Fritsch (4) wies Phosphatid in Polysaccum pisocarpium nach, Zellner (5) in Ustilago Maydis. Nach den Untersuchungen von Winterstein und Hiestand (6) handelt es sich in den Phosphatiden aus Boletus edulis und Cantharellus cibarius um „Glucophosphatide" oder Gemische von Lecithiden und Cerebrosiden. Chohn ist in einer Reihe von Befunden aus Pilzen sichergestellt worden: Im Mutterkorn durch Brieger(7); das daselbst vorkommende Trimethylamin dürfte wohl ein Zersetzungsprodukt des Cholins sein. Nach einer älteren Angabe [Wenzell (8)] kommt auch Propylamin im Mutter- korn vor, doch ist dies wohl eine Verwechslung mit dem früher für Pro- pylamin gehaltenen Trimethylamin. Böhm (9) fand in Boletus luridus und Amanita pantherina 0,1% der Trockensubstanz anCholin; Polstorff(IO) gibt für Cantharellus und Agaricus 0,005—0,01% der Frischsubstanz an Chohn an. Fernere Angaben lauten für Helvella esculenta [Böhm und Külz(II)], Boletus satanas [Utz(12)], Russula emetica [Kobert(13)], Psal- hota campestris [Kutscher(14)]. Identisch mit Chohn sind das Amanitin aus Am. muscaria [Schmiedeberg und Harnack(15)] sowie das Lurido- choün aus Boletus luridus [Böhm (16)]. Betain ist im Vergleiche zu den vielen Angaben über Chohn auffallend selten gefunden worden. Ich kenne nur die Angaben von Krafft für das Mutterkornsclerotium und von Kutscher für ein Nährmittelpräparat aus Psalhota campestris. Unstreitig steht auch das in wenigen Hymenomyceten vorkommende Muscarin, der Giftstoff des Fhegenpilzes, aber nach Böhm(17) auch der Am. pantherina und des Boletus luridus in naher Beziehung zum Chohn. Seitdem Schmiedeberg und Hoppe (18) diese Base zuerst aus Am. muscaria dargestellt haben, ist es noch nicht gelungen, die Schwierigkeiten der Rein- gewinnung des Muscarins völUg zu überwinden; auch ist seine Konstitution noch nicht einwandfrei festgestellt. Harnack(19) zeigte, daß es ein Atom 1) Schulze u. Frankfurt, Landw. Versuchsstat., 43, 156, 307. — 2) J. Zellner, Monatsh. Chem. (1904). p. 176; Chemie der höheren Pilze (1907); Monatßh. ehem., 34> 321 (1913). — 3) N. SiEBEfe, Journ. prakt. Chem., 23, 412 (1881). — 4) R. Fritsch, Arch. Pharm. (1889), p. 193. A. Lietz, Dies. (Dorpat 1893). — 5) J. Zellner, Sitz.ber. Wien. Ak. (1910). — 6) E. Winterstein u. O. Hiestand, Ztsch. physiol. Chem., 54' 28§ (1908). Hiestand, Diss. (Zürich 1906). — 7) L. Brieger, Ztsch. physiol. Chem., //, 184 (1887). Krafft, Arch. Pharm., 244, 336 (1906). — 8) Wenzell, Jahreaber. f. Chem. (1864), p. 14. — 9) R. Böhm, Arch. exp. Pathol., 19, 60 (1885). — 10) K. Polstorff, Festschr. f. Wallach (1909), p. 569. — II) BÖHM u. KiJLZ, Arch. exp. Pathol., /p, 60 (1885). — 12) Utz, Apoth.-Ztg., 20, 993 (1905). — 13) KoBERT. Chem. Zentr. (1892), //, 929. — 14) F. Kutscher, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 21, 535 (1911). — 15) Schmiedeberg u. Harnack, Arch. exp. Pathol., 6, 101 (1876). — 18) Böhm, Arch. Pharm., 222, 159 (1884). — 17) R. BÖHM, 1. c. — 18) Schmiedeberg u. Hoppe, Das Muscarin (1869). Lit. in Husemann-Hilger, Pflanzenstoffe, 2. Aufl., /, 288 (1882). Ferner Berliner- blau, Ber. Chem. Ges., ;;, 1139 (1884). Löchert, Bull. Soc. Chim. (3). j, 858. Parry, Chem. Zentr. (1893), /, 34. G. Nothnagel, Ber. Chem. Ges., 26, 801 (1893). Harmsen, Arch. exp. Pathol., 50. 361 (1903). Bode, Lieb. Ann., 267, 291. E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 26, 468; 27, 166. Zellner, Chemie der höhereu Pilze (1907). — 19) Harnack, Arch. exp. Pathol., 4, 168. 782 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). Sauerstoff mehr hat als Cholin, entsprechend der Formel CßHjgNOg, und daß es beim Erhitzen Trimethylamin hefert. Da man bei der Oxydation des Choüns nach Schmiedeberg und Harnack(I) (Cho.inplatinchlorid + konz. HNO3) eine bis auf die physiologischen Wirkungen sehr ähnüche Base erhält, die offenbar der zum Chohn gehörende Aldehyd C0H-CH2- OH • N Hautfettes [Cholesterin,. Isocholesterin, erstere links-, das andere rechts- drehend, bilden 80% des Wollfettes (2)], des Gehirnes(3), des Eidotters(4), ferner die differenten Sterine aus Schmetterlingspuppen (4) und Spongi- ariern scheinen immer als Gesellschafter von Fett und Phosphatiden vor- zukommen, und bilden sehr häufig, wohl häufiger als bisher nachge- wiesen wurde, Fettsäureester. So schließen sich die Cholesterine auch heute, wo wir wissen, daß der Kern des Cholesterinmoleküls eine poly- cyclische Kohlenstoffgruppierung zeigt, physiologisch diese Stoffe am passendsten an die komplexen Lipoide an, und es wird in Zukunft wohl noch mehr auf die Cholesterinfettsä'ireester Gewicht gelegt werden. Ähn- liches läßt sich von einem Teil der Phytosterine sagen, die wahrscheinlich als Fettsäureester in jedem Zellplasma, ähnlich wie die Phospholipoide vorkommen und ihre physiologische Bedeutung gerade durch die lipoide Verbindung mit Fettsäuren erlangen. Doch sind die Sterinlipoide im Pflanzenreiche nicht einheitlicher Art. Die Forschungen von Klobb, Hesse, Power und anderen Forschern haben gezeigt, daß manche dieser Stoffe i3eziehungen zu den Wachsalkoholen zeigen, und besonders Power mit seinen Mitarbeitern hat solche hochzusammengesetzte, analytisch den Phytosterinen ähnliche, ein- oder zweiwertige Alkohole weit verbreitet nachgewiesen. Andererseits grenzen die Phytosterine durch Stoffe, wie das Lupeol, Onocerin, Amyrin usw., an die Harzalkohole und Sesqui- terpene an, von denen wir sie heute weder chemisch noch physiologisch scharf sondern können. Dieses Grenzgebiet ist sowohl bei den Phyto- sterinen als bei den Harzstoffen in Betracht zu ziehen. Bei der Unterscheidung der pflanzhchen und tierischen SterinoUpoide ist man auf physikahsche Differenzen (Schmelzpunkt, Krystallform, optisches Verhalten) hingewiesen, ferner auf die Farbenreaktionen und die Zahl der OH-Gruppen. Cholesterin selbst erhält man aus Ätheralkohol leicht in weißen perlmutterglänzenden Krystallblättchen. Auch die Phytosterine krystaUi- sieren meistens gut. Will man Cholesterine aus Fetten abscheiden, so geht man [wesentlich nach Salkowski (5)] in der Weise vor, daß man das geschmolzene Fett mit 1) O. Hesse, Lieb. Ann., 192, 175. Phytosterine: E. Salkowski, Ztsch. analyt. Chem., 26, 569 (1887). T. Klobb, Bull. d. Sei. Pharnmcol., 17, 160 (1910). — 2) E. Schulze, Ber. Chem. Ges., 5, 1075 (1872); 6, 252 (1873). Kossel u. Obermüller, Ztsch. physiol. Chem., 14, 600 (1890). Obermüller, 15, 97 (1890). MoRESCHi, Chem. Zentr. (1910), //, 872. Unna u. Golodetz, Biochem. Ztsch.. 20, 469 (1909). — 3) O. Rosenheim, Zentr. Physiol. (1906), p. 188. — 4) A. Menozzl Chem. Zentr. (1908) , 1377. — 5) E. Salkowski, Ztsch. physiol. Chem., 57, 515 (1908). KuMAGAWA u. SuTO, Biochem. Ztsch., 8, 315 (1908). Zum Phytosterinnachweis vgl. auch A. Forsteb u. R. Reichelmann, Chem. Zentr. (1897) /, 563. A. Bömer, Ebenda (1898), /, 466. Juckenack u. Hilgeb, Arch. Pharm., 236, 367 (1898). H. Kreis u O. WoLFF, Chem.-Ztg., 22, 805 (1898). Kreis u. E. Rudin, Ebenda, 23, 986 (1899). O. Foerster, Ebenda (1899), p. 188. F. Zetzsche, Pharm. Zentr.halle, 39, 877 (1898). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. ^0 786 Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. alkoholischem KOH verseift, sodann das Verseifungsgemisch in Äther eingießt und die Tclare Mischung mit Wasser bis zur Abscheidung der Ätherphase versetzt; im Äther hat man nun das Cholesterin: Leider ge- winnt man auf diese Weise keine Einsicht ob ursprünghch Sterin- Fettsäure- ester vorlagen oder nicht. Ein Verfahren zur Trennung der Ester fehlt noch. Man kann zur Reinigung der Präparate noch die Überführung in Chole- sterinbezoylester benützen, Stoffe, welche als „flüssige Krystalle" oder anisotrope Flüssigkeiten sehr interessant sind [Reinitzer(I)]. Die reinen Phytosterine sind in Wasser unlösHch, löshch in heißem Alkohol, Äther, Petroläther, Chloroform. Durch langsames Eingießen der Acetonlösung in Wasser stellten Porges und Neubauer (2) eine haltbare, nach vöUiger Entfernung des Acetons etwa 0,2% Cholesterin enthaltende Emulsion dar, welche typisch das Verhalten von Suspensionskolloiden zeigte, durch Säuren ausgeflockt wurde und irreversible Salzfällungen gab. Doch erinnert Cholesterin durch seine Quellbarkeit in Wasser und die hohe Capillaraktivität der Emulsion [Czapek (3)] wieder an lyophile Kolloide. Mit den Phosphatiden teilen die Cholesterinkörper auch die starke Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft, besonders bei Belichtung. Hierbei erniedrigt sich der Schmelzpunkt, manche der zu erwähnenden Farbenreak- tionen bleiben aus, und die Präparate färben sich gelb (4). Lifschütz (5) wies nach, daß es sich um die Bildung von Oxydationsprodukten handelt, vielleicht eines zweiatomigen Alkohols, der durch Zinkstaub wieder in Cholesterin zurückzuführen ist, ferner um eine Dicarbonsäure (ChoUan- säure). Beide Stoffe sollen im Wollfett natürUch vorkommen, Oxycholesterine auch in Blut und Knochenmark, nach Unna (6) auch im Sekrete der Knäuel- drüsen und Talgdrüsen der menschlichen Haut, Man kann sie quantitativ auf spektrometrischem Wege bestimmen. Bei Pflanzen sind Oxyphyto- sterine noch nicht, nachgewiesen. Die Cholesterine geben (mehr minder vollständig) eine Reihe von praktisch wichtigen Farbenreaktionen: 1. Reaktion von Salkowski-Hesse (7). Eine Lösung von Phyto- sterin in Chloroform wird mit dem gleichen Volum H2SO4 (1,76 spez. Gew.) geschüttelt: blutrote Färbung. 2. Cholestolprobe nach Liebermann (8): Man versetzt eine (wenn auch sehr verdünnte) Lösung von Phytosterin in Essigsäureanhydrid tropfenweise unter Kühlung mit konz. reiner HgSO«: Violettfärbung, die bald in ein sattes Grün übergeht. Gegenwart von Wasser ist zu vermeiden. Eine Anzahl phytosterinartiger Stoffe zeigt diese typischen Färbungen nicht. 1) F. Reinitzer, Monatsh. f. Chem., p, '421. Obermtjller, Ztsch. physiol. ehem., 15, 42 (1890). E. Schulze, Ztsch. analyt. Chem., r?, 173 (1878). R. Schenck, Ztsch. Elektrochera., //, 951 (1905). Ferner P. Gaubeet, Compt. rend., 145, 722 (1907); 149, 608 (1909); 156, 149 (1913), für die flüssigen Krystalle anderer Chole- sterine. Schraubige Einrollungen bei Cholesterin: Gaubert, Chem. Zentr. (1910), /, 1000. — 2) O. Porges u. E. Neubauer, Biochem. Ztech., 7, 152 (1907); Wien, klin. Woch.schr. (1907), p. 1285. — 3) Czapek, Methode z. direkten Oberflächen- spannungsbestimm, d. Plasmahaut (Jena 1911), p. 67. Vgl. auch S. Loewe, Biochem. Ztsch., 42, 207 (1912). — 4) Schulze u. Winterstein, Ztsch. physiol. Chem., 43, 316 (1904); 48, 546 (1906). — 6) J. Lifschütz, Ebenda, 50, 436 (1907); 3S, 175 (1908); Biochem. Ztsch., 48, 373 (1913). — 6) Unna u. Golodetz, Biochem. Ztsch., 20, 496 (1909). Schreiber u. Lenard, Ebenda, 49, 458 (1913). — 7) E. Sal- KOWSKi, Pflüg. Arch., 6, 207 (1872). O. Hesse, Lieb. Ann., 211, 273 (1878). — 8) C. Liebermann, Ber. Chem. Ges., 18, 1803 (1885). Burchard, Diss. (Rostock § 1. Allgemeines. 787 3. Reaktion von Tschugaeff(I): Cholesterin, in Eisessig gelöst, gibt nach Hinzufügen von Acetylchlorid im Überschuß und von einigen Stückchen Zinkchlorid und 5 Minuten langem Erwärmen eine Rotfärbung mit cosinartiger Fluorescenz. 4. Reaktion von Hihschsoun (2): Verflüssigte Triohloressigsäure 9 Teile Säure, 1 Teil Wasser) färbt Cholesterin (1 mg + 10 Tropfen Reagens) nach 1 Stunde hellviolott, nach 12 Stunden intensiv rot- violett. Erhitzen, Zufügen von HCl oder von HCl abspaltenden Stoffen beschleunigt die Reaktion. 5. Reaktion von Golodetz(3): Festes Cholesterin wird mit H2SO4 + Formaldehyd schwarzbraun, mit Trichloressigsäure + Formol tiefblau. Cholcsterylester gaben diese Probe nicht! 6. Reaktion von LiFSCHtJTZ(4): Einige MilUgramm Cholesterin lost man in 2—3 ccm Eisessig und kocht mit einigen Körnchen Bleisuperoxyd auf. Nach dem Abkühlen läßt man 4 Tropfen konz. H2SO4 zufließen, die dann eine blauviolette, später blaugrüne Bodenschicht bildet. 7. Reaktion von Obermüller (5): Trockenes Cholesterin mit etwas Propionsäureanhydrid erhitzt, gibt beim Abkühlen charakteristische violette, grüne und rote Färbungen. 8. Reaktion von Mach (6): Etwas Phytosterin wird mit 3 ccm konz. HCl und 1 ccm FeClg eingedampft und mit Wasser gewaschen; der Rückstand ist violettrot bis blauviolett gefärbt. 9. Reaktion von Neuberg- Rauchwerger (7): Alkohohsche Cholesterin- lösung + Methylpen tose (Rhamnose), mit konz. H2SO4 unter- schichtet, gibt einen himbeerroten Farbenring (Mcthylfurfurol- bildung!). Keine allgemeine Reaktion für Phytostcrine ! Wird aber mit Abietinsäure crlialten. Liebermai*ns Cholestolprobe kann auch zur colorimetrischen Be- stimmung sehr kleiner Cholesterin mengen benützt werden (8). Zum mikroskopischen Nachweise von Cholesterin hat Dietrich (9) die Hämatoxyhnfärbung nach Härtung in Formol und KaUumbichromat- behandlung benützt (Lävulosesirup als Einschlußmittel). Die erwähnten Farbenreaktionen sind für die Mikrochemie nicht benutzbar (10). Die Cholesterine liefern unter Bindung vonSäureresten Ester, meist nur mit einer Acylgruppe, manche aber auch mit zwei Acylgruppon. Sie benehmen sich demnach wie ein- (resp. zwei-)wertige Alkohole. Von diesen Estern sind be- sonders die Ester der Oleinsäure, Palmitin- und Stearinsäure als physio- logisch bemerkenswert zu nennen. Als tierische Produkte sind diese Lipoide vom Hautfett, Nebenniere, Blutserum usw. besser gekannt als aus dem Pflanzenreiche. Ich finde erwähnt: Fettsäurephytosterinester von Meny- anthes [Lendrich(II)], Palmitylphytosterinester von der Wurzel der Ari- stolochia argentea [Hesse (12)], Oleylphytosterinester von Polygonum 1) TsoHUGAEFF, Ztsch. angewandt. Chem. (1900), Nr. 25. — 2) E. Hirsch- 8OHN, Pharm. Zentr.halle, 43, 357 (1902). — 3) L. Golodetz, Chem.-Ztg., 32, 160 (1908). — 4) LiFSCHtJTZ, Ber. Chem. Ges., 41, 252 (1908). — 5) Obermüller, Ztsch. physiol. Chem., 15, 41 (1891). — 6) Mach, Monateh. Chem., 15, 627 (1895). — 7) C. Neuberg u. D. Rauchwerger, Festschr. f. Salkowski (1904), p. 279. Ottolenghi, Chem. Zeütr. (1906), /, 1463. Neuberg, Ztsch. physiol. Chem., 47, 335 (1906). — 8) A. Grigaut, Soc. Biol., 68, 791, 827 (1910). Burchard, Dies. (Rostock 1889). E. Schulze. Ztsch. physiol. Chem., 14, 491 (1890). — 9) A. Dietrich, Zentr. Pathol., 2t, X (1910). Weston, Journ. med. Research., 26, 47 (1912). — 10) H. Scherer, DiBB. (Straßburg 1909). Mikrochemische Versuche: O. Tunmann, Pflanzenmikro- chemie (1913), p. 171. — 11) K. Lendrich, Arch. Pharm., 230, 38. — 12) O. Hesse, Ebenda, 233, 684 (1895). 50* 788 Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. Persicaria [Horst(I)], Phytosterinester erblickte sodann HiLGERin manchen gelben Blütenfarbstoffen, und Jowett (2) fand den Arachinsäureester des phytosterincirtigen Rhamnols C20H34O in der Rinde von Rhamnus Purshiana. Nach Cholesterylester spaltenden Enzymen wäre noch im Tier- und Pflanzenreich zu suchen (3). Diese Fettsäureester lassen sich auf verschiedenem Wege künstlich herstellen, so nach Abderhalden und Kautzsch (4) durch Schütteln äquivalenter Mengen Gholesterol (in Chloroform gelöst) und Fettsäurechlorid. Cholesterinäther gewannen Diels und Blumberg (5) analog aus Cholesterylchlorid und Magnesiumalkylaten. Power und seine Mitarbeiter (6) haben mehrfach Phytosteringlucoside in Pflanzen gefunden. Ein Präparat aus dem Kraute der Euphorbia pilulifera hatte die Zusammen- setzung GaaHßßOg; die farblosen Nadeln schmolzen bei 297®; ein anderes Präparat aus dei Wurzel von Phaseolus multiflorus schmolz niedriger (275°). Schwefelsäure kondensiert Cholesterin unter Zusammentreten von je zwei Molekülen Cholesterin (7). Sodann kennt man zahlreiche Additionsprodukte des Cholesterins: solche mit Säuren, wie sie Mauthner(8) mit HCl näher studierte, mit höheren Fettsäuren, wie sie Salkowski (9) durch Mischen der ätherischen Lösungen von Cholesterin und Palmitinsäure und Fällen mit 95%igem Alkohol darstellte. Doch meint bezüglich der letzteren Par- TINGTON(IO), daß es sich, nach der Erstarrungspunktkurve zu urteilen, nicht um chemische Verbindungen handeln dürfte. Interessant ist die Bil- dung von Saponinadditionsprodukten durch Cholesterin unter Entgiftung resp. Hemmung der hämolytischen Wirkung der Saponine. Alkoholische Cholesterinlösung wird durch Digitonin fast quantitativ gefällt; hier ent- hält nach Wind AUS (11) der Niederschlag pro Molekül Cholesterin 1 Mole- kül Digitonin, bei Dioscoreasaponin nach Yagi (12) 2 Moleküle Cholesterin auf 3 Moleküle Dioscin. Grigaut(13) hat ,,Proteocholesteride" beschrieben, die durch Zusatz von Alkohol Eiweiß abspalten (Adsorptionsverbindungen ?). Die Cholesterine addieren 2 Atome Halogen, und enthalten daher nur eine Doppelbindung. Auch das spektrochemische Verhalten des Cholesterins erweist nach Tschugajew (14) die Richtigkeit dieser Feststellung. Die näheren Feststellungen des Kohlenstoffskelettes ist bislang nur für das tierische Cholesterin bis zu einem gewissen Grade gelungen. Hier haben sich besonders Mauthner und Suida (15), Windaus, Diels und Abder- halden in neuerer Zeit durch erfolgreiche Untersuchungen Verdienste er- 1) P. Horst, Chem.-Ztg., 25, 1055 (1901). — 2) Jowett, Chem. Zentr. (1905), /, 388. — 3) Negative Ergebnisse bei J. H. Schultz, Biochem. Ztsch., 42, 255 (1912). — 4) E. Abderhalden u. K. Kautzsch, Ztsch. physiol. Chem., 65, 74 (1910). Früher Hürthle, Ebenda, 21, 245 (1896). A. Bömer u. Winter, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 4, 865 (1901). F. M. Jaeger. Reo. trav. chim. Pays-Bas, 25, 334 (1906). — 5) O. Diels u. Blumberg, Ber. Chem. Ges., 44, 2847 (I9'll). Steinkopff u. Blümner, Journ. prakt. Chem., 84, 460 (1911). Cholesteryl- amin: WiNDAUS u. Adamla, Ber. Chem. Ges., 44, 3051 (1911). Diels, Ebenda, 45, 2228 (1912). — 6) Fr. B. Power u. Browning jun.. Pharm. Journ. (4), j6, 506 (1913). Power u. Salway, Ebenda, p. 550. — 7) St. Minovici, Ber. Chem. Ges., 41, 1561 (1908). Minovici u. Vlahutza, Bull. Soc. Chim. (4), //, 747 (1912). — 8) J. Mauthner, Monatsh. Chem., 27, 305, 421 (1906). Minovici u. Haus- knecht, Biochem. Ztsch., 38, 46 (1911). Bromid: R. Kolm, Monatsh. Chem., 33, 147 (1912). — 9) E. Salkowski, Biochem. Zentr., 5, 465 (1906). — 10) J. R. Partington, Journ. Chem. Soc. Lond., gg, 313 (1911). — 11) A. Wind aus, Ztsch. physiol. Chem., 65, 110 (1910). — 12) S. Yagi, Arch. exp. Pathol., 64, 141 <1910). — 13) A. Grigaut, Soc. Biol., 72, 914 (1912). — 14) L. Tschugajew u, P. Koch, Lieb. Ann., 385, 352 (1911). Molinari, Ber, Chem. Ges., 41, 2785 (1908), hatte zwei Doppelbindungen angenommen. — 15) Mauthner, Monatsh. Chem., 28, 1113 (1907); 30, 635 (1909). § 1. Allgemeines. 789 worben. Durch Behandlung des Cholesterins mit Natrium bei 150" hatte schon vor längerer Zeit Walitzky(I) einen Kohlenwasserstoff C^^^H^ dar- gestellt, das Cholesten. Der Stammkohlenwasserstoff selbst (gesättigt) wäre das Cholestan C27H4g (2). Daß der Cholesterinsauerstoff Hydroxyl-O ist, wußte man gleichfalls seit längerer Zeit. Aber erst DIels und Abder- haldens (3) gelang es, bei der Oxydation des Cholesterins durch CuO zu zeigen, daß da ein Keton C27H44O, das Cholestenon, entsteht; damit war erwiesen, daß Cholesterin ein sekundärer Alkohol ist und die Gruppe CHOH in Ringbindung vorkommt. Man kann das Cholestenon auch auf einem Umwege in Cholesterin zurückverwandeln: Cholesterin: Cholestenon : C23H39-CH = / \ CH2— CHOH =CHj <- C23H39-CH = 1 \ CH2-CO =CH, Sowohl vom Cholestenon als vom Cholesterin selbst gelangt man durch Reduktion und Wasserstoffanlagerung zu dem gesättigten einwertigen Alkohol Dihydrocholesterin oder /S-Cholestanol (4). ^•23^39 — CH:CH2 C23H39 — CHg — CH3 / \ -> / \ CH2— CHOH " ~ Mit Chromsäure und Eisessig erhält man aus letzterem ein gesättigtes Keton, /J-Cholestanon (5): CH^v I /^2Z^39 — CHg — GH3 CO ^ Wenn man Cholesterin mit rauchender HNOj behandelt, entstehen gesättigte Mononitroderivate, ableitbar vom /ff-Cholestanol, welche wahr- scheinlich einen neuen Ringschluß von der Vinylgruppe her erfahren (Wind aus) : CH2 \ CH I ' V3H3,-CH:CH2 -> I >C23H39-CN02/^" CHOR/ CHOH/ Reduziert man dieses Derivat mit Zinkstaub und Essigsäure, so ent- steht NH3 und ein gesättigtes Keton der Form CgsH^ CNO2 _|_3jj^ C23H^ CO (Dehydro- CHOH-CH-CH -^ CHOH-CH-QHa cholestanon-ol) Aus diesem gewann Windaus (6) durch Phosphorpentachlorid das /?-Chlorderivat des Dehydrocholestanons : ^22^37 CO / ---^ I -CH-CH, 1) W. E. WALrrzKY, Compt. rend., 92, 195 - 2) Diels u, Llstn, Ber. Cbem. Ges., 41, 544 (1908) — 3) Diels u. Abderhalden, Ebenda, 37, 3099 (1904). D1EL8 u. LiNN, 41, 260, 544 (1908). — 4) Diels u. Abderhalden, Ebenda, 39, 884 (1906). Willstätter u. E. W. Mayer, Ebenda, ^, 2199 (1908). — B) Diels u. Abderhalden, Ebenda, 39, 889 (1906). — 6) Windaus u. Stein, Ebenda, 37, 3702 (1904). 790 Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. Wenn man dieses in Eisessiglösung mit rauchender HNO3 oxydiert, so entsteht die Säure COOH COOK Dies zeigt uns, daß die CO-Gruppe im Dehydrocholestanon einem hy- drierten Ringe angehört. Im weiteren wurde aus diesem Chlorderivat die ^^^^ C22H3,.— COOH CHg— CHOH-CH-COOH und durch Oxydation über die Ketodicarbonsäure G22H37 COOH C22H3, COOH ^^ \^ die Tetracarbonsäure / \ erhalten. CH2-CO-CH-COOH COOH CH-COOH I COOH Damit war nachgewiesen, daß die sekundäre Alkoholgruppe des Chole- sterins in einem hydrierten Ring steht [Windaus und Stein (1)]- Die Auf- spaltung dieses Ringes an der CHOH-Gruppe vollzieht sich bei der Oxy- dation des Cholesterins mit Kaliumhypobromit direkt unter Bildung der Dicarbonsäure C22H37 — CH : CH2 / \ [DiELS und Abderhalden, Windaus (2)], COOH CH2-COOH Eine isomere, dochdifferente Säure entsteht in kleiner Menge nach Wind aus (3) bei der Oxydation von Cholestenon mit neutralem KMn04 mit dem Haupt- produkte, einer gesättigten Ketomonocarbonsäure CogH^gOa. Da die letztere bei weiterer Oxydation in die Tricarbonsäure C26H420ß übergeht, so muß wohl eine cyclisch gebundene CO-Gruppe vorhanden sein, welche unter Ring- sprengung in COOH übergeht: CO COOH COOH-CaHgg^ I -> COOH-CgHgg/ ^CHg " ^COOH Die Existenz dieser Ketosäure ist wichtig, da sie uns zeigt, daß Chole- CO stenon am wahrscheinHchsten dem Aufbau CHgiCH — Co3H33<^ | haben ^CH2 dürfte, d. h., daß die Vinylgruppe eine offene endständige Kette darstellt und daher die Doppelbindung nicht etwa einem ungesättigten Ring angehört. Die Säure C27H44O4, die als Nebenprodukt auftritt, dürfte dann die Formel CO COOH — CHOH — C,3H39<^ | besitzen. Da die erwähnte Ketomono- ^CH, 1) G. Stein, Über Cholesterin, Dis8. (Freiburg 1905). — 2) VVindaüs, Ber. Chem. Ges., ^/, (Jll, 2558 (1908); Arch. Pharm., 246. 117 (1908). Diels u. Ab- derhalden. Ber. Chem. Ges., jö, 3177 (1903); j7, 3092 (1904). — 3) Windaus, Ebenda, jp, 2008 (1906). § 1. AllgemeineB. 791 carbonsäure C2ftH4203 (neben GOg) auch beim Kochen des Ozonids des Cholestenons mit Wasser entsteht (1 ), so dürfte die erwähnte Anschauung über die Stelle der Doppelbindung im Cholesterin derzeit recht gesichert sein. Noch eine zweite Kohlenstoffkette Heß sich eruieren. Da WiNDAUS fand, daß bei der Oxydation von Cholesterin mit heißer rauchender HNOa CH NO Bernsteinsäure und Dinitro-Isopropan r ij'>CCCH — CH2 — GH2 — Gj7H2g — Co '. Cri2 CHj CHOH CH welchem die bei der Oxydation entstehende Säure ^u^CHOH • COOH entstammt. Daß neben der CHOH -Gruppe im hydrierten Ringe CHg- Gruppen stehen, stimmt auch mit neueren Erfalu'ungen von Windaus (3) überein. Aus der Zahl der Wasserstoffatome in der Gruppe Cj^Hg^ folgt, daß darin mehrere hydrierte Ringe stecken dürften. Windaus (4) schüeßt aus seinen letzten Versuchen, daß sich für das Cholesterin mit großer WahrscheinUchkeit die Konstitutionsformel ^[j3>CH.CH2.CH2-CiiH„ CH CH HgCj-^^^CH -^^CH-CHa H2C'\^^CH2 ^CU CHOH CH2 ableiten läßt. Bemerkt sei, daß im voranstehenden die Cholesterinformel ^27^46^ zugrunde gelegt wurde, welche derzeit von Diels und Windaus bevorzugt wird, während die Formel C27H44O besonders von Mauthner und Suida vertreten wurde; definitiv entscheiden läßt sich diese Frage noch nicht. Die Erforschung der Cholesterinkonstitution bietet große Schwie- rigkeiten, da beim stufenweisen Abbau fortwährend die Gefahr von Umlage- rungen droht. Nicht selten haben sich beim stufenweisen Abbau des Cholesterins deutüche Analogien mit der Terpenchemie ergeben. Erst kürzlich hat Windaus (5) gefunden, daß der bei dem oxydativen Abbau von Cholesterin öfters beobachtete wohlriechende Stoff mit Methyhsohexylketon identisch ist, welches als Dihydroderivat des wichtigsten aUphatischen Terpenketons Methylheptenon aufgefaßt werden kann: 1) Ch. Doree u. Gakdner, Journ Chem. Soc, 93, 1328 (1908). Diels, Ber. Chem. Ges., 4', 2596 (1908). — 2) Windaus, Ebenda, 4', 2558 (1908). — 3] Vgl. Windaüs, Ebenda, 44, 1316 (1912). — 4) Windaus, Ebenda, 45, 2421 (1912). — 6) Windaus, Ebenda, 46, 1246 (1913). 792 Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Klanzen. Methylisohexylketon: CH3.CO-CH2.CH2-CH2-CH<^^3 LH3 Methylheptenon: CH3. CO • CHg. CHa« CH:C<^Jl3 CHg Auch bieten die Farbenreaktionen der Cholesterine Vergleichspunkte mit Harzsäuren, nach Mach(1) vor allem mit der Abietinsäure CigHggOg dar, einem Retenabkömmhng , welcher Liebermanns Cholestolreaktion gleichfalls gibt. Doch fehlen alle bestimmten Anhaltspunkte zu einer Her- leitung der Cholesterine von den Terpenen nicht nur in chemischer, sondern auch in physiologischer Richtung. Die von Schrötter(2) geäußerten Ansichten über die Cholesterinkonstitution mußten vom Autor selbst zurück- gezogen werden. Es besteht aus allen diesen Gründen derzeit kein Anlaß, die Cholesterinkörper biochemisch an die Betrachtung der Terpene und Harze anzugliedern. Hingegen ist die physiologische Parallele mit den übrigen komplexen Lipoiden der Zelle unleugbar da; die Verbindung mit hochmolekularen Fettsäuren, die ausgesprochene Sauerstoffaufnahme, geringe Quellbarkeit in Wasser haben sie mit den Phosphatiden gemein. Overton hat in seinen denkwürdigen Untersuchungen über die Stoffaufnahme in Zellen auch an die Cholesterine als Konstituenten der hpoiden Plasmahaut in erster Reihe gedacht. Allerdings mögen manche Phytosterinalkohole in Rinden, Milch- säften, Samenschalen bereits dem destruktiven Stoffwechsel angehören. Zur quantitativen Bestimmung der Cholesterine verfährt man nach Schulze und Barbieri (3) bei Pflanzenmaterial am besten, indem der Ätherextrakt mit alkoholischer KOH verseift wird und das Seifengemisch nach Verjage^ des Alkohols mit Wasser aufgenommen, und nun das Cholesterin mit Äther ausgeschüttelt wird. Nach Ritter (4) hat man dabei die Seifenmassen gut mit NaCl zu vermengen. Die Rückstände der Äther- ausschüttelung werden in sehr wenig heißem Alkonol gelöst, aus welchem dann beim Erkalten die Cholesterinkörper krystalhnisch ausfallen. Die von Obermüller (5) angewendete Verseifung mit Natriumäthylat soll nach Corper(6) Fehler in der Cholesterinbestimmung bedingen. Lewko witsch (7) schlug vor, Cholesterin mit Essigsäureanhydrid vollständig zu acetylieren und durch Feststellung der Verseifungszahl des Acetylproduktes das Chole- sterin zu bestimmen. In Fetten aber ist die Acetylzahl zur quantitativen Cholesterinbestimmung nach Nukada(8) unverwendbar. Weiter hat man die Bromierung, die Jodaddition (Jodzahl 68,3) und auch die Saponin- fällungen zur Cholesterinbestimmung herangezogen. Der Cholesteryl- benzoesäureester wurde von Dor^e und Gardner (9) zur Ausfällung des Cholesterins verwendet. Endlich sind colorimetrische Verfahren ange- geben (10). 1) H. Mach, Monatsh. Chem., 15, 627 (1895). Seifert, Ebenda, 14, 726 (1893). Thoms, Arch. Pharm., 235, 39 (1896). Walitzky, Ber. Chem. Ges., p, 1310 (1876); 18, 1808. Latschinoff, Ebenda, 12, 1526. Stein, DIse. (Freiburg 1905). — 2) H. ScHRÖTTER, Monatsh. Chem., 29, 245, 749 (1908); 30, 395 (1909). — 3) E. Schulze u. Barbieri, Journ. prakt. Chem., 25, 159 (1882). Übertragen der Ver- seifungsmethode für die Cholesterinbestimmung in tierischen Geweben. A. Grigaut, Soc. Bio!., 7r, 441, 513 (1911); 72, 1046 (1912). — 4) E. Ritter, Ztsch. physiol. Chem., 34, 430 (1902). Modifikation: H. J. Corper, Journ. Biol. Chem., 12, 197 (1912). — 5) K. Obermüller, Ztsch. physiol. Chem., 16, 143 (1892). — 6) H. J. Corper, Journ. Biol. Chem., //, 37 (1912). — 7) J. Lewkowitsch, Ber. Chem. Ges., 25, 65 (1892). — 8) NuKADA, Biochem. Ztsch., 14, 424 (1908). — 9) Doree u. ttARDNER, Proceed. Roy. Soc, 81, 113 (1909). — 10) P. G. Weston u. Kent, Journ. Med. Research, 26, 523 (1912). § 2. Sterinolipoide in Samen und Keimlingen. 793 §2. Sterinolipoide in Samen und Keimlingen. Nach den bisherigen Erfahrungen darf es wohl als sicher gelten, daß eine gewisse Quantität Phytosterine ruhenden Samen nie fehlt. Die Untersuchungen von E. Schulze, Bürchard, Heckel und Schlagden- HAUFFEN(l) haben sowohl im Nährgewebe als im Embryo als auch in Samenschalen solche Stoffe kennen gelehrt. Deren Menge im Gesamt- samenmaterial kann bis 1,5 % steigen. Den vorliegenden Literatur- angaben entnehme ich die folgenden Zahlen: Phytosterin (Hopkins). Phytosterin, Kedrowitsch, Ztsch. Nähr.- u. Genußmittel 24, 334 (1912). Phytosterin (Deiler u. Fraps, Amer. Chem. Journ. 45, 90 (1910). Strohmer u. Fallada, Chem. Zentr. (1906), /, 1440. R. Krzizan, Chem. Zentr. (1909), /, 455. R. Krzizan, Chem. Zentr. (1907), //, 923. R. Krzizan, Chem. Zentr. (1908), /, 756. H. Matthes u. Dahle, Arch. Pharm. 249, 4-36 (1911). Schulze u. Barbieri, Journ. prakt. Chem. 25, 159 (1882). Raumer, Zeitschr. angew. Chem. 1898, p. 555. Krassowski, Chem. Zentr. (1906), //, 348. G. Paris, Staz. sper. agr. ital. 44, 669 (1911). Raumer, 1. c. Parrozzani, Ann. Staz. Sper. Roma, 3, 11 (1910). Alle Phytosterinpräparate, die man bisher aus Samen dargestellt hat, sind vom tierischen Cholesterin sicher verschieden. Nach Windaus (2) ist das Cholesterindibromid in Äther- Eisessig schwerer löslich als alle pflanz- lichen Choleßterinkörper die man bisher kennt. Ferner ist die Löshchkeit in Chloralhydrat bei Cholesterin und Phytosterinen verschieden (3). Eine sehr große Zahl der Samenphytosterine ist wohl identisch mit dem durch BuRiAN (4) und durch Ritter (5) zuerst aus Weizenkeimen rein dargestellten Fett von Zea Mays Fett von Cocos nucifera 1,33 bis 1,4% 0,09 bis 0,3 Samenfett v. Carya olivae- formis 0,28 Samen von Beta, geschält 0,96 Ribes rubrum 1,58 Fett aus Rubus idaeus 0,7 Fett aus Brombeersamen 0,6 Fett aus Glycine hispida 0,7 Samen von Lupinus luteus, geschält Samen von Gossypium 0,137 0,79 Fett von Rhamnus cathar- tica Samen von Vitis vinifera 0,48 0,12 Samen von Sesamum in- dicum Samen von Salvia nilotica 1,32 0,54 1) E. Schulze u. Barbieri, 1. c H. Bürchard, Diss. (Rostock 1889). Heckel u. Schlaqdenhaupfen, Compt. rend., 102, 1317 (1886). — 2) Windaüs, Chem.-Ztg. (1906), p. 1011. — 3) H. Scherer, Diss. (Straßburg 1909). — 4) R. BuRiAN, Monatsh. Chem., 18, 551 (1897). — 5) E. Ritter, Ztsch. physiol. Chem., 34y 461 (1902). 794 Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. Sitosterin. Dieses Phytosterin hat dieselbe Formel und, soweit bekannt, dieselbe Konstitution wie das tierische Cholesterin. Verschiedene den Abbauprodukten des Cholesterins ganz analoge Sitosterinderivate wurden von Burian, Wind aus und Pickard und Yates dargestellt (1). Sitosterin hat einen wesentlich niedrigeren Schmelzpunkt als Cholesterin (137 gegen 148,5") und eine geringere spezifische Drehung (hnks) [od— 26,71° gegen —29,92"]; auch die Krystailform ist verschieden. Mit Sitosterin sicher identisch sind Präparate aus Physostigma venenosum, wo Hesse (2) zuerst das pflanzliche Phytosterin vom tierischen Cholesterin unterschied (Windaus und Hauth, 1. c), aus Zea Mays nach Gill und TuFTs (3), ferner kennt man Sitosterin aus Leinöl, Öl von Gossypium, Laurus, Lippia [Wind aus und Welsch (4)], vom Cacaofett [Matthes und ROHDICH (5), von Erythrina subumbrans (6). Mit großer Wahrscheinüch- keit dürfen weitere Phytosterinpräparate als unreines Sitosterin angesehen werden, wie jene aus Pisum sativum (Hesse, 1. c), Lupinus luteus (Schulze und Barbieri, 1. c), Colchicum autumnale [Paschkis (7)], Juglans regia [Menozzi (8)], Petrosehnum sativum [Matthes (9)], Brucea antidysenterica [Lam. [Power und Salway(IO)], Chailletia toxicaria [Power und Tutin(II)], Moringa pterygosperma [vanItallie(12)], Phaseolus vulgaris [Jacobson (13)], Vitis vinifera [Paris(14)], Strychnos nux vomica [Heiduschka(15)], Casi- miroa edulis [Power und Callan (16)]. Sitosterin kommt vielleicht noch vor im Olivenöl (17), Sesamöl (18) und in den Samen von Cycas circinalis(19), Beta (20), Cheiranthus (21) und anderen. Sitosterin gibt die gleichen Farben- reaktionen wie Cholesterin. Einen Begleitkörper des Sitosterins aus Weizenkeimen beschrieb Ritter als Parasitosterin. Ein zweites, gut definiertes und verbreitet vorkommendes Sterino- Upoid aus Samen erkannte Wind aus (22) in dem zuerst aus Physostigma- samen isoherten Stigmasterin, welches die Zusammensetzung C30H43 (oder H5o?)0 hat. Es ließ sich vom Sitosterin durch sein schwerlösliches Dibromid abtrennen. Durch den hochgelegenen Schmelzpunkt (170") und die starke Linksdrehung {[a]^ — 45,01") ist es leicht vom Sitosterin zu unterscheiden. Die Krystalle sind mit Sitosterin isomorph. Stigmasterin gibt gleichfalls die Farbreaktionen des Cholesterins. Nach Matthes (23) 1) Burian, I.e. Windaus u. Hauth, ßer. Chem. Ges., 39, 4378 (1906); 40, 3681 (1907). Pickard u. Yates, Journ. Chem. Soc, 93, 1928 (1908). — 2) O. Hesse, Lieb. Ann., 192, 175 (1878). — 3) Gill u. Tufts, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 498 (1903). — 4) WiNDAüs u. A. Welsch, ßer. Chem. Soc, 42, 612 (1909). — 5) H. Matthes u. Bohdich, Ebenda, 41, 19 (1908). Über Gossypiumphytosterin auch Heiduschka u. Gloth, Pharm. Zentr.halle, 49, 836 (1908). Matthes u. Heintz, Arch. Pharm., 247, 161 (1909). — 6) N.H.Cohen, Chem. Zentr. (1909), //, 1576. — 7) H. Paschkis, Ztsch. physiol. Chem., 8, 356 (1884). -^ 8) A. Menozzi u. MoREBCHi, Chem. Zentr. (1910), /, 1777. — 9) Matthes u. Heentz, Ber. pharm. Ges.; 19, 325 (1909). — 10) F. B. Power u. Salway, Pharm. Journ. (4), 25, 126 (1907). — 11) Power u. Fr. Tutin, Journ. Amer. Chem. Soc.,, 28, 1170 (1906). — 12) VAN Itallie u. Nieuweland, Arch. Pharm., 244, 159 (1906). — 13) H.|Jacob- SON, Ztsch. physiol. Chem., 13, 32 (1888). — 14) G. Paris, Staz. sper. agr. ital., 44, 669 (1911). — 15) A. Heiduschka u. Wallenreuter, Arch. Pharm., 230, 398 (1912). — 16) Fr. B. Power u. Callan, Journ. Chem. Soc. Lond., 99, 1993 (1911). BiCKERN, Arch. Pharm., 241, 166 (1903) „Casimirol". — 17) G. Sani, Chem. Zentr. (1903) /, 93. Gill u. Tutts, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 498 (1903). — 18) Villa- vecchia u. Fabris, Chem. Zentr. (1897). //, 772. Canzoneri u. Perciabosco, Ebenda (1904), /, 45. — 19) J. VAN Dongen, Ebenda (1903), /, 1313. — 20) Neville, Ebenda (1912), //, 843. — 21) Matthes u. Boltze, Arch. Pharm., 250,211 (1912). — 22) A. W1NDAU8 u. Hauth, Ber. Chem. Ges., 39, 4378 (1906). Jaeger, Rec. trav. chim. Pays- Baa, 25, 334 (1906). — 23) H. Matthes u. Dahle, Arch. Pharm., 249, 436 (1911). § 2. Sterinolipoide in Samen und Keimlingen. 795 findet sich dasselbe Sterin in der Sojabohne, wo Klobb(I) ein besonderes „Sojasterol" angibt, ferner wahrscheinlich in der Cacaobutter (2), wohl auch in Cucurbitaceen [Ecballium (3), Cucurbita (4)], und nach Cohen (5) in den Samen von Erythrina subumbrans. Ein weiteres Sterinpräparat aus Rüböl gaben WiNDAUS und Welsch (6) als Brassicasterin an. Es entspricht der Zusammensetzung C2gH4gO, hat den Schmelzpunkt 148", die spez. Drehung —64,25". Nach Cohen könnte es auch in Erythrina subumbrans vorkommen; sonst ist es bisher nirgends nachgewiesen. Das ,,Ampelosterin" aus Vitis von Sani (7)^ sowie das aus Cocosbutter von Matthes (8) beschriebene Phytosterinpräparat sind noch ungewisser Zugehörigkeit. Häufig werden wohl mehrere Sterino- Hpoide gemeinsam vorkommen, wie Heiduschka und Wallenreuter in Strychnossamen drei solche Substanzen unterscheiden konnten. Lindenmeyer (9) gab an, daß bei Erbsen der Phytosteringehalt mit zunehmender Reife steigt. Aus neuerer Zeit fehlen Untersuchungen über das Verhalten der Phytosterine in reifenden Samen. Bei der Samenkeimung nimmt den Untersuchungen von Schulze und Barbieri(IO) zufolge die Quantität der Sterine zu und es treten in den Keimpflanzen von Lupinus luteus Phytosteiine von höherem Schmelz- punkt auf. In ungekeimten Samen von Lupinus luteus war der Phyto- steringehalt 0,137 %, in etiolierten Keimlingen 0,20 %. Etioherte Keim- pflanzen von Triticum und Lolium perenne enthielten mehr als doppelt soviel Phytosteriu als das ungekeimte Material. Für die einzelnen Teile der etioHerten Lupinenkeimhnge im Ver- gleiche zu ungekeimten Samen geben die genannten Autoren folgende PhytQsterinmengen in Prozenten der Trockensubstanz an: I. II. Ungekeimte Samen 0,152% 0,135% Keimünge 0,306 0,324 Cotyledonen der letzteren 0,392 0,391 Die übrigen Teile 0,227 0,258 In grünen am Lichte erzogenen Keimungen soll nach Schulze und Barbieri nur sehr wenig Phytosterin vorkommen. Wie diese Differenz zu erklären ist, ist noch unbekannt. Das Phytosterin aus den Cotyledonen war nur sehr wenig verscliieden von dem Phytosterin der ungekeimten Samen. Hingegen Heß sich aus Hypocotyl und Wurzel ein abweichender Stoff vom Schmelzpunkt 158—159" isoheren, welcher von Schulze als Caulosterin unterschieden wurde. Caulosterin ist linksdrehend : [ajn — 49,6". Für das Cotyledonenphytosterin ergab sich F 136—137" und [ajn — 36,4". Caulosterin gibt die HESSEsche Probe. Mehrfach wurden in den Samenschalen von Leguminosen Stoffe vom Charakter der Phytosterine angetroffen, die jedoch wahrscheinlich 1) P. Klobb u. Bloch, Bull. Soc. Chim. (4), i, 422 (1907). — 2) Matthe.s u. RoHDicH, Ber. Cham. Ges., 4', 1591 (1908). — 3) F. B. Power u. Moore, Journ. Cheni. Soc Lond.. 95, 1985 (1909). — 4) Power u. Salway, Journ. Amer. Chem. Soc, 32, 346, 360 (1910). — 5) N. H. Cohen, Chem. Zentr. (1909), //, 1576. — 6) WiNDAüs Tl. Welsch, Ber. Chem. Ges., 42, 612 (1909). — 7) G. Sani, Accad. Line. Roma (5), 13, II, 551 (1904). — 8) Matthes u. Ackermann, Ber. Chem. Ges., 41, 2000 (1908). — 9) O. Lindenmeyer, Diss. (Tübingen 1863), zit. b. Hoppe- Seyler, Phyfiiol. Chem., /, 82 (1877). — 10) E. Schulze u. Barbieri, Journ. prakt. Chem., 25, 159 (1882). 796 Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. eine differente physiologische Bedeutung haben. Es pflegen ihnen schwer trennbare Fettalkohole (von Lupinensehalen gab Jacobson Cerylalkohol an) anzuhaften. Likiernik(I) isolierte aus der Testa von Lupinus luteus zuerst das Lupeol, dem er die Formel C2eH420 gab; ein einwertiger Alkohol unbekannter Konstitution von hohem Schmelzpunkt (265''), rechts- drehend ([a]D + 27,06''). Lupeol färbt sich mit Essigsäureanhydrid + H2SO4 violettrot; wenn man die Chloroformlösung mit H2SO4 schüttelt, so färbt sich die Probe nach einiger Zeit braun. Das Lupeol ist, wie heute bekannt, ein in Rinden, Milchsaft, Blüten verbreiteter Stoff, der öfters als Zimtsäureester, aber nie als Fettsäurester beobachtet wurde. Seine physiologische Bedeutung dürfte nicht in der Rolle von Zellipoiden zu suchen sein. Bei Pisum kommt nach Likiernik ein Phytosterin in den Samenschalen vor, das im Schmelzpunkt mit Hesses Phytosterin übereinstimmt. In Phaseolussamenschalen fand der genannte Forscher das lupeolartige Phasol (F 189— 190«), rechtsdrehend ([a]D + 30,6), zu- sammen mit dem linksdrehenden Paraphytosterin F 149— löO**, [oJd — 44,1«, C24H40O oder C26H42O. Das letztere Phytosterin gibt, wie das Phyto- sterin aus der Testa von Pisum, die Cholestolprobe sowie die Reaktion nach Salkowski-Hesse. Das Phasol zeigt diese Reaktionen weit schwächer. Ein weiteres rechtsdrehendes Sterin gaben endlich Power und Moore (2) von den Coloquinthensamen an, welches die Zusammensetzung C20H34O und den Schmelzpunkt 158—160° hat; es wird begleitet von einem optisch inaktivem Phytosterin C27H4eO, H2O (F 160—1620). § 3. Sterinolipoide in anderen Teilen von Phanerogamen. Rhizome, Wurzeln. Man dürfte aus physiologischen Gründen ver- muten, daß die Phytosterine unterirdischer Reservestoffbehäller den Saraen- phytosterinen sehr ähnhch sind, und es wäre speziell das Sitosterin auch hier zu erwarten. Bei erneuter Nachprüfung wäre daher z. B. das sogenannte „Hydrocarotin" der Möhrenwurzel, das „AngeHcin" der Wurzel von Ar- changeHca officinalis mit den Samenphytosterinen genau zu vergleiöhen[(3). Bisher hat man jedoch die meisten besser studierten Phytosterinen aus Wurzeln und Rhizomen als spezielle Phytosterinkörper angegeben. So soll nach Rümpler(4) das durch Lippmann zuerst in der Zuckerrübe nach- gewiesene Sterin von allen Sterinen verschieden sein und wurde als Beta- st er in C28H44O beschrieben. Es wird charakterisiert durch optische In- aktivität, niederen Schmelzpunkt (117«) und einige Abweichungen in den Farbenreaktionen. Der Gehalt an Linksphytosterin („Hydrocarotin") in der Möhrenvmrzel beläuft sich nach EutER und Nordenson (5) auf 1,3 g aus 23 kg Material. Es wird begleitet von einer noch geringeren Menge eines Sterins der Formel C2eH4204, F 283«, welches die Reaktion nach Sal- kowski-Hesse schön zeigt. Vielleicht ist dieses Daucosterin ein Oxy- dationsprodukt der gewöhnlichen Phytosterine. Aus dem Rhizom von 1) A. Likiernik, Ber. Chem. Ges., 24, 183, 2709 (1891); Ztsch. phyeiol. ehem., 75, 415 (1891). E. Schulze, 4U 474 (1904). — 2) F. B. Powee u. Moore, Journ. Chem. Soc. Lond., 97, 99 (1910). — 3) Daucus: Froehde, Journ. prakt. Chem., 102, 7. Husemann, Arch. Pharm., 12g, 30. F. Reinitzer, Monatsh. Chem., 7. 598. Arnaud, Compt. rend., 102, 1319. Archangelica: Brimmer, Lieb. Anu., 180, 269 (1876). — 4) A. Rümpler, Ber. Chem. Ges., 36, 975 (1903). Lippmann, Ebenda, 20, 3201 (1888); 32, 1210 (1899). — 5) H. Euler u. E. Nordenson, Ztsch. physiol. Chem., 56, 228 (1908). § 3. Sterinolipoide in anderen Teilen von Phanerogamen. 797 Apocynum androsaemifolium gab Moore (1) das Androsterin CgoHg^O F 208-210«, Od + 29,9 und das Homandrosterin C27H44O, F 192« an. Dem Androsterin homolog ist nach Power (2) das Taraxasterin CggH^^-OH aus der Wurzel von Taraxacum officinale. Seine Konstanten sind F = 221«; Wd + 96,3«. Es wird begleitet vom Homotaraxasterin CggHgg-OH, F = 163—4«, [a]D+25,3«. Das Verosterin ist durch Power und Roger- SON (3) im Rhizom der Veronica virginica gefunden: €27114^0, HgO; F 135 bis 136«, linksdrehend. Vielleicht ist das Linksphytosterin aus der Wurzel von Ipomoea orizabensis mit Verosterin identisch, ebenso jenes aus der Wurzel von Convolvulus Scammonia (4), Da» Onocerinin der Wurzel von Ononis spinosa,C26H4402 („Onocol") ist nach Thoms (5) ein zweiwertiger sekun- därer Sterinalkohol. Lupeol (s. 0.) finde ich bisher nur von der Wurzel des Phyllanthus distichus erwähnt (6). Sonst sind Phytosterine untersucht aus der Wurzel von Hydrastis canadensis, Aristolochia argentea, Hygroptila spinosa (7), Rhizom von Gelsemium sempervirens (8), Wurzel von Echino- phora spinosa L. (9), Rumex Ecklonianus Meissn. (10). Iris versicolor (Rhi- zom) (11), Wurzel von Lasiosiphon Meissnerianus (12), von Withania somni- fera(13), Bryonia dioica, woein Alkohol Bryonol C22H3402(OH)2 F 210 bis 212« neben einem Phytosterin von üblichem Charakter durch Power und Moore (14) angegeben wird; Fagara xanthoxyloides, wo durch Priess (15) ein Fagarol C20H18O6 (F 127—128«, Reaktion Salkowski-Hesse positiv) isoUertwurde ; Rhizom von Caulophyllum thaUctroides (C27H45O, F 153«) (16); Wurzel von Phaseolus multiflorus (C27H46O, F 130«) (17). In Laubblättern, wo Reinke (18) zuerst auf Sterinolipoide aufmerk- sam machte, sind derartige Bestandteile wohl überall vorhanden, aber noch recht wenig untersucht. Man darf sitosterinartige Körper wohl auch hier erwarten, wenn auch erst aus neuerer Zeit bestimmte Angaben in dieser Richtung für Ipomoea purpurea, Oenanthe crocata und Anona muricata vorhegen (19). Vielleicht wird eine erneute Bearbeitung des Phytosterins aus Grasblättern, aus denen schon Tschirch (20) ein Präparat der Formel C24H44O, HgO (F 138,5«) dargestellt hat (dieser Autor bemerkt, daß die verschiedensten Pflanzenblätter den gleichen Körper üeferten) angezeigt sein. In den Exkrementen der Pflanzenfresser erscheint wahrscheinlich ein Abbauprodukt des Blätterphytosterins (Hippokoprosterin) (21). Inter- essante Angaben hinsichtUch der Sterine aus OUvenblättern hegen von Power und Tutin (22) vor. Hier ist eine ganze Reihe von sterinartigen 1) Ch. W. Moore, Journ. Chem. Soc. Lond., 95, 734 (1909). — 2) Fr. B. Power, Ebenda, wi, 2411 (1913). — 3) F. B. Power u. Rogerson, Ebenda, 97. 1944 (1910). — 4) Power u. Rogerbon, Ebenda, wi, 1 (1912); Trans. Chem. Soc. Lond. (1912), p. 398. — 6) H. Thoms, Ber. Chem. Ges., 29, 2985 (1896). F. V. Hemmelmayr, Monatsh. Chem., 27, 181 (1906). — 6) J. Dekker, Pharm. Weekbl., 45, 1156 (1908). — 7) Kerstein, Arch. Pharm., 228, 52 (1890). O. Hesse, Ebenda, 233, 684 (1895). Warden, Ber. Chem. Ges., 25, Ref. 685 (1892). — 8) Moore, Journ. Chem. Soc. Lond., 97, 2223 (1910). — 9) Tarbourich u. Hardy, Chem. Zentr. (1907), //, 969. — 10) Tütin u. Clewer, Journ. Chem. Soc. Lond., 97/98, 1 (1910). — 11) Power u. Salway, Amer. Journ. Pharm., 83, 1 (1911). — 12) Rogerson, Ebenda, p. 49. — 13) Power u. Salway, Journ. Chem. Soc. Lond., 99, 490 (1911). — 14) Power u. Moore, Ebenda, p. 937. — 15) H. Priess, Ber. Pharm. Ges., 21, 227 (1911). — 16) Power u. Salway, Journ. Chem. Soc, 103, 191 (1913). — 17) Power u. Salway, Pharm. Journ. (4), 36, 550 (1913). — 18) Reinke, Ber. Botan. Ges., j, p. LV (1885). A. Hansen, Arb. a. d. botan. Inst. Würzburg, 3, 123 (1884). — 19) Power u. Rogerson, Amer. Journ. Pharm., 80, 251 (1908). Tutin, Pharm. Journ., 33, 296 (1911). Callan u. Tütin, Ebenda, 87, 743 (1912). — 20) Tschirch, Ber. Botan. Ges., 14, 82 (1896). — 21) Doree u. Gardner, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 212 (1908). — 22) Power u. Tutin, Proc. Chem. Soc, 24, 117 (1908). Früher: Canzoneri, Gazz. chim. ital., jö, IL 372 (1906). 798 Neunundzwanzigßtes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. Alkoholen abgeschieden worden: Oleasterol C20H34O, einwertiger Alkohol, F 174"; Oleanol C31H50O3, H2O, enthält 2 OH-Gruppen, von denen jedoch die eine Phenolcharakter hat, F 303—304", rechtsdrehend: a +78,3". Olestranol C26H42O2, F 217", ein niederes Homologes von Oxyphyto- sterin. Hom olestranol C27H4g02, F 210", dem Oxyphytosterin isomer, rechtsdrehend (+ 71"), beide dem Oleasterol sehr ähnlich. Die Physiologie dieser Stoffe näher zu beleuchten, wäre eine interessante Aufgabe. Aus Lippia scaberrima Sond. gewannen Power und Tutin (1) außer einem Phyto- sterin C27H4gO, HgO (F 134"), welches mit einem Phytosterin aus Gyno- cardia identisch war, das Lip piano 1 C25H3g04, einen einwertigen Alkohol mit den Konstanten F 300-308" und od + 64,9". Die Blätter von Prunus serotina enthalten nach Power und Moore (2) das Prunol C31H5QO3, einwertig, F 275—77"; mit H2SO4 -f Essigsäure- anhydrid eine rote Farbenreaktion gebend. Aus Euphorbia piluhfera ge- wannen Power und Browning (3) außer Phytosteringlucosid das Jambulol, CißH 304(011 ) , farblose Nadeln aus Pyridin, F 328", wohl kein Sterino- hpoid, und das dem Androsterin und Taraxasterin homologe Euphosterol CasHggtOH), F 275". Tutin und Clewer (4) isoherten aus dem Kraute der Cluytia simiUs (Euphorbiac.) das Cluytiasterin C27H44O, F 159", [a]D —52,6". Das von Heyl und Hepner(5) aus Zygadenusblättern gewonnene Präparat muß wohl Sitosterin sein, ebenso der von Zellner (6) aus Pilzgallen von Rhododendron ferrugineum (Exobasidium Vaccinii) Phytosterinhaupt- bestandteil, der von einem hochschmelzenden (F 280") begleitet wird. Sonstige Angaben beziehen sich auf Phytosterine in den Blättern von Ery- throxylon hypericifoHum (7), Aethusa cynapium (8), Grindelia (9) und Ornithogalum thyrsoides (10). Blüten. Aus verschiedenen Blüten, namentHch Blütenköpfchen von Compositen wurden Phytosterinpräparate gewonnen, die jedoch noch nicht in jeder Hinsicht klargestellt sind. Cohen (11) hat dargelegt, daß das zuerst von Klobb(12) dargestellte ,,Anthesterin" aus Anthemis nobihs wohl nichts anderes als Lupeol ist. Klobb gibt diesem Stoff die Formel C3iH520, 3 H2O, die Konstanten F 195", a© + 79,4". Aus den Blüten von Arnica montana isoherte Klobb (13) ein zweiwertiges Arnisterin C28H4e02 (,,Arnidiol") von höherem Schmelzpunkt (250") und stärker rechtsdrehend; aus den Blüten von Tussilago Farfara das zweiwertige Faradiol (F 210") und Links- phytosterin C28H48O, F 127— 129" (14); ferner aus Matricaria Chamomilla ein Gemisch zweier Linksphytosterine, ein einwertiges Phytosterin auch aus Antennaria dioica. Aus Tanacetumblüten stellten Matthes und Serger ein sitosterinartiges Phytosterin dar (15). Für die Calendulablüten nahmen Hilger und Kirchner (16) die Identität des gelben Farbstoffes mit Phyto- 1) Power n. Tutin, Arch. Pharm., 245, 337 (1907). — 2) Power u. Moore, Journ. Chem. Soc Lond., g?, 1099 (1910). — 3) Fr. B. Power u. Browning jun.. Pharm. Journ. (4), 36, 506 (1913). — 4) Fr. Tutin u. PI. W. Clewer, Journ. Chem. Soc, /o/, 2221 (1912). — 5) F. W. Heyl u. Hepner, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 803 (1913). — 6) J. Zellner, Monat-sh. Chem., 34, 311 (1913). — 7) Heckel u. Schlagdenhauffen, Compt. rend., 102, 1317. — 8) Power u. Tütin, Journ. Amer. Chem. Soc, 27, 1461 (1905). — 9) Power u. Tutin, Chem. Zentr. (1906), //, 1623. — 10) Power u. Rogerson, Pharm. Journ. (4), jo, 326 (1910). — 11) N. H. Cohen, Arch. Pharm., 246. 520 (1908). — 12) M. T. Klobb, Bull. Soc Chim. (3), 27, 1229 (1902); Compt. rend., 138, 768 (1904); 148, 1272 (1909); 152, 327 (1911): Ann. de Chim. et Phys. (8), 24, 134 (1911). — 13) Klobb, Compt. rend., 140, 1700 (1905); Bull. Soc Chim. (3), jj, 1075 (1905); 35, 741 (1906). — 14) Klobb, Compt. rend., 149, 999 (1909); Ann. de Chim. et Phys. (8), 22, 5 (1911). — 15) Matthes u. Serger, Arch. Pharm., 247, 418 (1909). — 16) Hilger u. Kirchner, Botan. Zentr., J7, 354 (1894). Kirchner, Diss. (Erlangen 1892). § 3. Sterinolipoide in anderen Teilen von Phanerogamen. 799 sterinfettsäureestern an. Marino-Zucco (1) berichtete über einen zwei- wertigen Phytosterinalkohol C28H470(OH)2 aus den Blüten von Chrysanthe- mum cinerariifohum (Insektenpulver), den er für ein höheres Homologen des Cholesterins hielt (F 170 — 176"). Weitere Befunde von Linksphyto- sterinen rühren her von Rogerson (2) für die Blüten von Trifolium incar- natum, von Klobb (3) für Verbascum Thapsus (Verbasterol, Formel unsicher, F 142—144°, od —3,3°), Tiha europaea und die ganze blühende Pflanze von Linaria vulgaris. Rinden. Die chemische Untersuchung zahlreicher Rindendrogen hat die Gelegenheit zur Feststellung weiter Verbreitung von Cholesterin- körpern auch hier gegeben. Doch ist es ziemhch schwierig, bei diesen Körpern die Grenze der Zugehörigkeit zu den Sterinen zu ziehen, da es anscheinend verschiedene Übergänge zu Sesquiterpenen und Harzalkoholen gibt. Im übrigen wird wohl auch hier zwischen den häufig als Fettsäureester auf- tretenden Linksphytosterinen und den hochschmelzenden rechtsdrehenden lupeolartigen Sterinen zu unterscheiden sein, die physiologisch und chemisch zwei Gruppen bilden dürften. Zu der ersten Gruppe gehören die Phyto- sterine, welche SALWAYund Thomas (4) von Brucea antidysenterica, Power und Tutin (5) von Olea europaea angeben, ferner wohl das mit Palmitin- säure in der Rinde von Prunus serotina gefundene Sterin (6), vielleicht auch die Rhamnusphytosterine, von denen jenes aus Rhamn. Purshiana (Rhamnol) C20H34O, F 135 — 1360 vielleicht mit Quebrachol identisch ist (7); Rhamnosterin aus Rhamn. cathartica wird von TsCHiRCii (8) als CiaHggOg mit F 83—85° beschrieben. Die Rinde von Evonymus atro- purpurea heferte Rogerson (9) das Evonysterol C3iHßiO(OH), F 137°, [aJD —28,2°, phyiosterinähnhch, das Homoevonysterol C4oH690(OH), F 133 bis 134° und Atropurol, C27H44(OH)2, inaktiv, F 283-285°. Power und Salway(IO) wiesen ein Phytosterin C27H46O, F 130 — 133°, in der Rinde von Erythrophloeum guineense nach. Andere Sterine werden gewonnen aus Tiha und Sambucus (11). Mit Sitosterin ließ sich bisher kein Rinden- Bterin identifizieren. Die lupeolartigen Rechtssterine scheinen öfters als Cinnamylester vorzukommen. Sicheres Lupeol ist nach Sack und Tollens (12) das Sterin aus der Rinde von Roucheria Griffithiana Planch. Das Olenitol, Ci4HjoOg, F 265°, wurde von Power und Tutin (5) aus OHvenrinde isohcrt, ein Phyto- stexin aus Cleistanthus collinus Bth. durch Dekker (12). Nach Trauben- berg (13) gehört auch das Betulin der Birkenrinde: C27H40O2, mit zwei Hydroxylgruppen, F 252°, od + 15,68° zu den zweiwertigen Rechtsphyto- sterinen, da es eine Reihe der für die Phytosterine charakteristischen Farben- reaktionen gibt; daraus wurde auch ein Keton dargestellt. Als Verwandte der Sterine hat man vielfach eine- Reihe von Stoffen aus Cinchonarinden angesehen, welche manche Cholesterinreaktionen, be- 1) F. Marino-Zucco, Gazz, chim. ital., ig, 209 (1889). — 2) F Rogersox, Journ. Chem. Soc. Lond., 97, 1004 (1910). — 3) Klobb, Ann. de Chmi. et Phvs. (8), 24. 410 (1911); Bull. Soc. Chim. (3), 35, 1210 (1906). Zusammenstellung "in Bull. Sei. Pharm., /;, 160 (1910). — 4) A. H. Salway u. Thomas, Pharm. Journ. (4), 25, 128 (1907). — 5) PowKR u. Tutin, Proc. Chem. Soc., 24, 117 (1908). — 6) H. FiNNEMORE, Pharn^. Journ, (4), j/. 604 (1910). — 7) Jowett, Chem. Zentr. (1905), /, 388. — 8) TscHiRCH u. Bromberger, Arch. Pharm., 240, 218 (1911). — 9) H. Rogerson, Journ. Chem. Soc, loi, 1040 (1912). — 10) Fr. B. Power u. Salway, Amer. Journ. Pharm., 84, 337 (1912). — 11) BrXutigam, Pharm. Ztg., 43, Nr. 105 (1898). — 12) Sack u. Tollens. Ber. Chem. Ges., 37, 4105 (1904). Dekker, Pharm. Weekbl., 46, 16 (1909). — 13) J. Traubenberg, Chem. Zentr. (1912), /, 1815. gOO Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. sonders die Probe nach Salkowski-Hesse und die LiEBERMANNsche Chole- stolprobe geben. Liebermanns (1) Cholestol oder Oxychinoterpen, ^30^48^2» F 139® ist der Typus solcher Stoffe. Hesse (2) rechnete eine Reihe isomerer Substanzen der Formel C20H34O, wachsartiger Natur, wie Cupreol, Quebrachol, Cinchol in die Nähe der Cholesterinkörper. Vielleicht fällt aber Cinchol mit dem Oxychinoterpen und Cincho- cerotin (Helm) zusammen. Conduransterin aus Condurangorinde kommt nach Carrara(3) teilweise als Zimtsäureester vor. Das Alcornol, CaaHaaiOH), F 205», od + 33,83« wurde von Dünnenberger(4) aus der Alcornocorinde von Bowdichia virgilioides H. B. K. isoliert. Über Harzstoffe und deren cholesterinartige Farbenreaktionen sei auf die Angaben von Reinitzer, Vesterberg und Tschirch (5) verwiesen. Das Amyrin aus Elemi-Harz z. B. hat Eigenschaften, welche jenen der Cholesterme recht ähnlich sind (6), krystallisiert in seidenglänzenden Nadeln, die Lösung ist rechtsdrehend. Nach Vesterberg (7) besteht es aus zwei isomeren Alkoholen, C3oH49(OH), a- Amyrin, F 180 -182»; ^-Amyrin, F 193 bis 194''. Durch Reduktion entstehen die Kohlenwasserstoffe C3(,H4g (Amy- rilen). Icacin, C47H77(OH) wurde von Hess (8) aus demselben Harz be- schrieben. Die MACHsche Cholesterinreaktion mit eisenhaltiger HCl wurde von Weyl(9) mit der RiBANschen Probe des Terpendihydrochlorids mit starkem FeClg vergUchen. Im Balsam von Dipterocarpusarten findet sich übrigens nach van Itallie(IO) ein richtiges Rechtssterin, das Diptero- carpol, C27H4g02, F 1 Farbenreaktionen gibt. SchüeßKch sei noch kurz auf die Phytosterine in Milchsaft hingewiesen, von denen Lupeol als Zimtsäureester in Guttapercha, als Essigsäure- ester im Dyera-Milchsaft durch RoMBURGH(11) nachgewiesen wurde. Aus dem Milchsafte der Alstonia costulata Miq. gaben Sack und Tollens (12) drei phytosterinartige Stoffe an: Alstol, C24H3gO, F 158", od +56,4''; Alstonin,Ci4H220, F 191-1920, od + 49»; Isoalstonin, C14H22O, F 163», OD + 65,5". Cohen (13) hingegen fand Alstonin und Alstol in diesem Milch- saft nicht, sondern Lupeol und a- und /S- Amyrin. In der Balata fand Cohen ;5-Amyrinacetat (identisch mit a-Balalban von Tschirch) und Lupeolester Auch der afrikanische Kautschuk enthält j5-Amyrinacetat und Phytosterine ; im Castilloakautschuk fand Ultee (14) |5-Amyrinacetat, Lupeolacetat, a-Amyrin und dessen Acetat, im Ficuskautschuk nur a-Amyrinacetat. Von den Phytosterinen des Kautschuks ist eines merkwürdigerweise iden- tisch mit den Isocholesterin aus Wollfett; Lupeol wurde hier nicht gefunden. Über andere Milchsaftharzalkohole oder Pseudophytosterole vgl. Bd. II (Cynanchol, Lactucerol usw.). 1) Liebermann, Ber. Chem. Ges., 18, 1803 (1885). — 2) O. Hesse, Lieb. Ann., 228, 288 (1885). — 3) G. Carrara, Gazz. cliim. ital., 21, 204 (1891). — 4) DÜNENBERQER, Botan. Zentr., 87, 216 (1901). Hartwich, Arch. Pharm., 238, 341 (1900). — 5) F. Reinitzer, Monatsh. Chem., 7, 598 (1886). Vesterberg, Kemiska studier ofver nagra hartser (üpsala 1890). Tschirch, Die Jlarze, 2. Aufl., / (Berlin 1906). — 6) E. Bubi, Buchner Rep. Pharm., 25, 198. — 7) Vesterberg, Ber. Chem. Ges., 20, 1242 (1887); 23, 3186 (1890); 24, 3834 (1891). — 8) Hesse, Lieb. Ann., 192, 179 (1878). — 9) Th. Weyl, Duboie Arch., Physiol. Abt. (1886), p. 182. — 10) L. VAN Itallie, Pharm. Weekbi., 49, 314 (1912). — 11) P. VAN RoJiBURGH, Kon. Akad. Amsterdam (Juni 1905); Compt. rend., 145, 926 (1907). E. Jungfleisch u. Leroux, Compt. rend., 144, 1435 (1907). — 12) Sack u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 37, 4110 (1904). — 13) N. H. Cohen, Arch. Pharm., 245, 236 (1907); ebenda, p. 245; 246, 510, 515, 592. Lupeol: Rec. trav. chim. Pays-Bas, 28, 368 (1909). Amyrin: Ebenda, p. 391. — 14) A. J. Ultee, Chem. Weekbi., p, 773 (1912). § 4. Sterinolipoide bei Pilzen und Bacterien. 3Q] §4. Sterinolipoide bei Pilzen und Bacterien. Zweifellos sind Sterine auch bei höheren und niederen Pilzen all- gemein verbreitet. Obwohl diese Stoffe nicht so gut bekannt sind, wie manche Phytosterine aus Blütenpflanzen, so deutet manches darauf hin, daß hier eigentümliche Sterine vorkommen. Schon Boehm(I) fiel es bei den ersten Versuchen, Pilzphytosterine aus Boletus luridus und Amanita pantherina darzustellen, auf, daß diese Stoffe die Rotfärbung mit H2SO4 in Chloroformlösung nicht geben. Dieses Verhalten fand später Tanret(2) auch bei dem Ergosterin aus Mutterkorn, welches in der Tat bei höheren Pilzen nach den Arbeiten von Zellner (3), GoRis und Mascre(4) und anderen weit verbreitet scheint: nach Zellner in Amanita muscaria, Polyporus, Trametes, Hypholoma, Ustilago; nach Bamberger (5) in Lycoperdon, Scleroderma. Das Ergosterin wird nach Tanret im Mutterkorn von einem ähnlichen, aber in Äther leichter löslichen Sterin, Fungisterin, begleitet; die erwähnten Arbeiten über andere Hutpilzsterine lassen darauf schließen, daß meist zwei Sterine gemeinsam vorkommen. Das Ergosteringemisch aus Armillaria mellea fand Zellner linksdrehend F 155°; aus Lactaria piperata bei 138° sinternd, bei 146° schmelzend; aus Pholiota squarrosa mit F 159°; aus Polyporus betuHnus mit F 139—144° und [ajo — 97,6°. Ergosterin, dessen Formel nicht feststeht [C27H42O nach Tanret, C24H40O nach Ottolenghi(6)], schmilzt bei 165°, ist linksdrehend: od — 132° in Chloroformlösung. Es ist in H2SO4 klar löslich, und die Probe bleibt nach Schütteln mit Chloroform farblos. Fungisterin schmilzt bei 144°, ist linksdrehend (ao — 22,4°), Formel vielleicht C25H4oO(7). Für den Fliegenpilz scheint nach Zellner dasselbe Ergosterin anzunehmen zu sein, hingegen sind die Schmelzpunkte der von Bamberger und Land- siEDL aus Scleroderma aurantium (Vaill.) dargestellten Präparate be- trächtlich höhere gelegen. Gerard (8) wies Phytosterin auch für Mucor mucedo und die Flechte Sticta pulmonarea nach. In der Hefe fand Nägeli schon 1878 Phytosterin, welches von Gerard und später von Hinsberg und Roos(9) wieder untersucht wurde. Nach der Beschreibung ist es ein Linksphytosterin von 135 — 136° Schmelzpunkt und der spezifischen Drehung — 105°, Da von den letztgenannten Autoren der Schmelz- punkt mit 159° bestimmt wurde, so dürften mehrere ähnliche Stoffe in Mischung vorhanden sein. Die Formel wird mit C26H44O angegeben. Mit konzentrierter H2SO4 gibt es eine rote Lösung; auf Wasserzusatz entsteht ein grüner Niederschlag der in CCI4 mit grüner Farbe löslich ist. Fettsäurephytosterine sind bisher in Pilzen nicht nachgewiesen. Es wäre 1) R. BOEHM, Arch. exp. PathoL, 19, 60 (1885). — 2) C Tanret, Journ. Pharm. et Chim. (5), 19, 225 (1889); Compt. rend., 108, 98 (1889); 147, 75 (1908); Ann. de Chim. et Phys. (8), 15, 313 (1908). — 3) J. Zellner. Monatsh. Chetn., a6, 727 (1905); 2p, 45, 1171 (1908); 32, 133 (1911); ebenda, p. 1057; Anz. Wien. Ak., 42, 423 (1910); Monatsh. Chem., 34, 321 (1913). — 4) A. GoRis u. Mascre, Compt. rend., 153. 1082 (1911). — 5) M. Bamberqer u. Landstedl, Monatsh. Chem., 26, 1109 (1905); 27, 963 (1906). — 6) D. Ottolenghi, Chem. Zentr. (1906), /, 541. — 7) Tanret, Compt. rend., 147, 75, 165 (1908); Ann. de Chim. et Phys. (8), 15, 313 (1908). Gaubert, Compt. rend., 147, 498 (1908). — 8) E. Gerard, Compt. rend., 114, 1544 (1892); 121, 723 (1895); Journ. Pharm, et Chim. (6), /, 601 (1895). — 9) O. Hinsberg u. Roos, Ztsch. physiol. Chem., j ^ ^^'^ wahrscheinhch als Mischglycerid mit Palmitin- säure vorhanden (1), ferner Ceryl- und Myricylalkohol, zwei charakteristische Bestandteile der Ceroüpoide. Japanwachs oder Japantalg schmilzt bei 52—53® und hat wie alle Wachse eine sehr niedrige Jodzahl (12). Eine weitere Wachsart in Gewebezellen ist das Balanophorin, bei manchen Balano- phoraceen (Bai. elongata, Langsdorffia hypogaea) in großer Menge in den Knollen, bis zu 65%, vorhanden. Nach neueren Untersuchungen (2) ent- wickelt es beim Verbrennen kein Acrolein, scheint somit Glyceride nicht zu enthalten und gibt bei der Spaltung Pahnitinsäure. Schmelzpunkt 56—57" G. Unsicher ist Lokahsation und Natur der von Kraft (3) aus dem Rhizom von Nephrodium filix mas gewonnenen Wachssubstanz. Was für eine Bedeutung die in manchen Milchsäften beobachteten wachsartigen Stoffe haben, ist unbekannt. Durch Boüssingault (4) ist eine solche Substanz vom Milchsafte des Brosimum galactodendron be- kannt geworden; sie schmilzt bei 50®, hat die prozentische Zusammen- setzung: 79,28% C, 11,7% H, 9,02% 0, nähert sich also im Kohlen- stoffgehalte den Fetten; näher untersucht ist dieses „Wachs" in neuerer Zeit nicht Hingegen konnten Greshoff und Sack (5) von dem Wachs aus dem Milchsafte von Ficus ceriflua Jungh. bestätigen, daß es sich um hoch schmelzende Verbindungen handelt. Für das Wachs aus dem Opium, in welchem Hesse (6) die Cerylester der Palmitin- und der Cerotinsäul-e angab, ist es zweifelhaft, ob es (wie seine Zusammensetzung vermuten läßt) von der wachsreichen Epidermis der Mohnkapseln, oder aus dem Milchsafte stammt. §2. Chemie der Wachsarten. Die pflanzlichen Wachssubstanzen waren schon den älteren Bio- chemikern wohlbekannt und finden sich bereits bei Senebier(7) in ihren wesentlichen Eigenschaften geschildert. Die älteren Autoren hielten sie irrigerweise für im wesentlichen identisch mit Bienenwachs [Trevi- RANUS(8)]. Proust (9) wies Wachs im Blütenstäube nach, Faüre(IO) isolierte wachsartige Stoffe aus der Rinde von Buxus. Über das Car- naubawachs berichtete zuerst Brande (11). Auch das Myricawachs zählt 1) A. C Geitel u. van der Want, Journ. prakt. Chem., 6i, 151 (1900). Sonst: BuEi, Arch. Pharm., 243, 403 (1879). Trommsdorff, Journ. prakt. Chem., /, 151 (1834). Eberhardt, Diss. (Straßburg 1888). Ahrenb u. Hett, Ztsch. angewandt. Chem. (1901), p. 684. Schaal, Ber. Chem. Ges., 40, 4784 (1907). Matthes u. Heintz, Botan. Zentr., 113, 591 (1910). E. Tassily, Bull. Soc. Chim. (4), 9, 608 (1911). — 2) M. Simon, Sitz.ber. Wien. Ak., up, IIb (Nov. 1910). M. Strigl, Ebenda, 117, I (Nov. 1908). Früher: Th. Poleck, Nov. Act. Leop., 22, (1847). SUDA, Bull. Agr. CoU. Tokyo, 5, 263 (1902). — 3) Kraft, Schweiz. Woch.schr. Chem. Pharm., 34 (1896). — 4) J. Boüssingault, Agronom., 7, JL95. — 5) M. Greshoff u. J. Sack, Reo. trav. chim. Pays-Bas, 20, 65 (1901). Ältere Angaben bei Fr. Kessel, Ber. Chem. Ges., 11, 2112 (1878) und Just Jahresber. (1878), /, 259. — 6) O. Hesse, Ber, Chem. Ges., 3, 637 (1870). — 7) J. Senebier, Physiol. v^g^t., 2, 424 (1800). Dort von älteren Autoren zitiert: Boucher (179S), Tingry. — 8) L. Chr. Treviranus; Physiologie, 2, 42 (1838). — 9) Proust, Journ. de Physique, 56, 87. — 10) Faure, Journ. de Pharm., 16, 435 (1830). — 11) Th. Brande, Gilberts Ann., 44, 287 (1813). J. Virey, Journ. Pharm., 20, 112 (1834). § 2. Chemie der Wachsarten. 815 ZU den lange bekannten Wachsarten [Cadet (1803)(1)]. Über das durch Humboldt bekannt gewordene Palmenwachs von Ceroxylon andi- cola berichten Boussingaült (ß) und Bonastre (3). Die ältere Literatur ist auch bei de Candolle referiert (4) Den Reif der Früchte von Benincasa cerifera untersuchten Nees und Marqüart(5). Unter der Reihe von Elementaranalysen über Wachsarten befinden sich nebtin den Untersuchungen über das Biertenwachs von Saussure, Oppermann, Hess, Mulder (6) auch viele Angaben bezüghch Pflanzen- wachs. Mulder, welcher übrigens lange Zeit irrige Vorstellungen über einen genetischen Zusammenhang zwischen Wachs und Chlorophyll hegte, berechnete für Pflanzenwachs die Formel C4oHe40io. Das Ceroxylonwachs analysierte Boussingaült, das Wachs der Zuckerrohrstengel Dumas (7) und AvEQUiN. Ceroxylon . . . 81,6% C, 13,3% H, 5,1% O Saccharum . . . 81,4% C, 14,1% H, 4,5% O (F 82«) Nach einer langen Reihe von Arbeiten über die Konstitution des Bienenwachses, worunter besonders die Studien von Lewy(8) und von Gerhardt (9) Erwähnung verdienen, gelang es erst Brodie (10), die Natur der alkohoUösHchen und unlöshchen Fraktion des Bienenwachses („Cerin" und „Myricin") zu ergründen, und zu zeigen, daß die erstere im wesent- üchen av= der freien Cerotinsäure C27Hß402, letztere aus dem Palmitin- säiu-eester des Mehssyl- oder Myricylalkohols besteht. Im Carnäubawachs fand Maskelyne(II) Cerotinsäure und Mehssyl- alkohol. Heute besteht kein Zweifel darüber, daß die Zusammensetzung der meisten Pflanzenwachsstoffe vom Bienenwachs erheblich abweicht. Da in den Wachsüberzügen, wie zuerst Wiesner vermutete, tatsächlich Fett- säureglyceride sehr verbreitet vorkommen, sodann verschiedene ein- und zweibasische gesättigte Carbonsäuren und Oxy carbonsäuren, frei und in Esterform, ferner hochwertige Fettalkohole, Kohlenwasserstoffe, gefunden werden, endlich phytosterinähnliche Stoffe frei und in Esterform bei- gemengt sein können, so ist der Begriff „Pflanzenwachs" mehr eine bio- logische Bezeichnung als eine Gruppenbenennung. Doch können wir immerhin manche besser definierte Wachsstoffe darin biochemisch als Cerolipoide zusammenfassen. Wachsüberzug von Blättern. Das beststudierte Material bildet das Palmenwachs des Handels, insbesondere das „Carnäubawachs" von 1) Ch. L. Cadet, Ann. de Chim., 44, 140 (18Q3). Fe^ne^^ J. Bostock, Gehlens Journ., 6, 645 (1806). J. F. Dana, Schweigg. Journ., 32, 338 (1821). — 2) J. ß. Boufi- BTNGAULT, Ann. de Chim. et Phys. (2), 2g, 330 (1825); S9, 19 (1835). — 3) Bonabtre, Journ. Pharm., 14, 349 (1828). — 4) A. P. DE Candolle, Pflanzenphysiol., /, 198 (1833). — 5) Nees von Esenbeck u. Cl. Marquart, Buchners Rep. Pharm., 51, 313 (1835). — 6) Th. de Saussure, Ann. de Chim. et Phys. (2), 13, 339 (1820). Ch. Opper- mann, Ebenda (2), 49, 240 (1832). H. Hess. Pogg. Ann., 43, 382 (1838); Journ. prakt. ehem., 13, 411 (1838). Mulder, Berzelius Jahresber., 2s, 598 (1846); Journ. prakt. ehem., 32, 172 (1844); Versuche allgem. phyeiol. Chem. (1844), p 276. B. COLLINS Brodie, Lieb. Ann., 67, 180 (1848); 71. 144 (1849); Journ. prakt. Chem., 45, 335 (1848); 4S, 385 (1849). — 7) Dumas, Ann. de Chim. et Phys. (2), 75, 222 (1841). AvEQUiN, Lieb. Ann., 37, 170 (1841). — 8) B. Lewy, Ann. de Chim. et Phys. (3), 13, 438 (1845). — 9) Ch. Gerhardt, Ebenda (3), 15, 236 (1845). — 10) Brodie, Phil. Mag., 33, 217; Berzelius Jahresber., 29, 365 (1850). — 11) Mas- KELYNE, Ber. Chem. Ges., 2, 44 (1869). 816 Einunddreißigstes Kapitel: Die Produktion v. Wachs (Cerolipoiden) b. Pflanzen. Copernicia cerifera Mart. aus Brasilien. Lewy(1) gab zuerst Elementar- analysen. Maskelyne(2) wies zuerst Cerotinsäure und Melissylalkohol darin nach, Stürcke (3) außerdem einen Kohlenwasserstoff F 59", Cerylalkohol CgeHag • CHgOH von 76° F; einen zweiwertigen Alkohol C23H4g(CH20H)2 von F 103,5'*; die der Lignocerinsäure isomere Carnauba- säure; eine der Cerotinsäure isomere Säure von F79°; eine Oxysäure GigHag- CHgOH-COOH oder deren Lacton Ci9H38<^Jj2^0. Cerotinsäure hat nach Marie (4) die Formel CasHspOg, nach Henriques (5) aber CgeHgaOa- Melissylalkohol, oder auch Myricylalkohol genannt, ist Ca^HgaO. Palmitin- säiire kommt im Carnaubawachs nicht vor. Dieses Wachs schmilzt bei etwa 85 *> C. Die Verseifungszahl wird meist mit 79—80 angegeben. Zur Ver- seifung löst Berg (6) 4 g Wachs in 20 g Xylol, mischt 50 ccm "/g alkoholische Lauge bei und kocht 2 Stunden am Rückflußkühler. Jodzahl ist 10—13,5. Das Wachs von Ceroxylon andicola soll im ganzen mit dem Copernicia- wachs übereinstimmen. Hingegen hat nach Haller (7) das Wachs der Palme Raphia Ruffia eine ganz andere Zusammensetzung und besteht hauptsächlich aus einem mit Arachylalkohol C20H42O isomeren Alkohol. Das Wachs von Chamaerops ist von Teschemacher (8) untersucht. BouGAULT (9) verdankt man eingehende Studien über das Wachs von Coniferenblättern, welches wieder ein ganz anderes Bild hinsichthch der chemischen Zusammensetzung ergibt. Es handelt sich um Estergemische, welche bei der Verseifung Oxysäuren liefern. So ist die bei Coniferen ver- breitete Juniperinsäure GigHagOg Oxypalmitinsäure, die Sabininsäure Ci2H2403 ist Oxylaurinsäure ; außerdem wurde öfters in kleinerer Menge die Thapsiasäure C^^U^ffOi, eine zweibasische Säure, aus der Wurzel von Thapsia garganica L. bekannt, aufgefunden. Diese Säuren sollen in peptid- artiger Verkettung vorkommen, indem die Oxysäuren untereinander ester- artig verknüpft sind („EstoHde"). Vom Wachs der Grasblätter wurdeu durch KÖNIG (10) Myricylalkohol, Melissinsäure und ein Kohlenwasserstoff, Geroten G27H54, als Hauptbestandteile angegeben. Das Wachs der Blätter bei Vaccinium vitis Idaea besteht nach Oelze(II) in ähnlicher Weise aus Cerylalkohol und Mjristylalkohol, verestert mit Cerotinsäure, Melissin- säure, Palmitinsäure und Myristinsäure ; die beiden letztgenannten Säuren sind am spärlichsten vorhanden. Überhaupt sind häufig in Cerolipoiden Fettsäuren mit den zugehörigen Alkoholen verestert. Da wir wissen, daß bei der CANNiZAROschen Umlagerung aus dem zugehörigen Aldehyd Alkohol und Säure entstehen, so daß zwei Moleküle Aldehyd ein Molekül Ester liefern, so kann man wohl an derlei Prozesse in der lebenden Zelle denken, nach dem Schema: Acetäldehyd 2GH3.COH + HgO -► CH3CH2OH -f CH3GOOH 1) Lewy, zit. BoussiNGAULT, Agronomie, 7. 190. — 2) Maskelyne, Ber. Chem. Ges., 2y 44 (1869). — 3) H. Stüecke, Lieb. Ann., 223, 283 (1883). Ferner: L. T. PiEVERLiNG, Ebenda, 183, 344 (1876). A. Gascard, Joum. Pharm, et Chim. (5), 28, 49 (1893). — 4) T. Marie, rx)mpt. rend., trg, 428 (1894); Ann. de Chim. et Phye. (7), 7. 145 (1896); Bull. Soc. Chim. (3), 15, 590 (1896). — 5) Henriques, Ber. Chem. Ges., 30, 1415 (1897). — 6) R. Berg, Chem.-Ztg., 33, 885 (1909). Buchner, Ebenda, 31, 126, 270 (1907). Konstanten: Radcliffe, Pharm. Journ. (1. Dez. 1906). — 7) A. Haller, Compt. rend., 144, 594 (1907); Chem.-Ztg., 31, 387 (1907). Jumelle, Compt. rend., 141, 1251 (1905). — 8) J. E. Teschemacher, Journ. prakt. Chem., 39, 220 (1846). — 9) J. Bougault u. Bourdier, Compt. rend., 147, 1311 (1908); ISO, 874 (1910); Journ. Pharm, et Chim. (6), 30, 10 (1909); (7) j, 101 (1911). — 10) J. KÖNIG, Ber. Chem. Ges., 3, 566 (1870). König u. Kiesow, Ebenda, 6, 500 (1873). — 11) Battelli u. Stern, Soc. biol. (6. Mai 1910). § 2. Cliemie der Wachsarton. 817 Dieselbe Reaktion ist nun von Battelli und Stern (1) bei Anwendung von Leberbrei beobachtet worden. Nach Parnas (2) ist nicht daran zu zweifeln, daß Lebergewebe ein Enzym enthält, welches die CANNiZAROsche Umlagerung katalysiert. Dieses Enzym wurde als „Aldehydmutase" bezeichnet. Ähnhche Untersuchungen würden wohl auch für den pflanz- lichen Stoffwechsel derartige Reaktionen auffinden lassen, und es ist recht wahrscheinlich, daß gerade im Fettstoffwechsel und bei der Wachsbildung solche Erscheinungen eine Rolle spielen. Wachs von Musablättern ist nach Greshoff (3) im wesentüchen Ester von Myricylalkohol mit einer der Cerotinsäure isomeren Säure, die jedoch einen viel niedrigeren Schmelzpunkt hat als jene. Eucalyptus- wachs enthält nach Hartner (4) vielleicht Cerylalkohol. Barbaglia (6) findet das Wachs von Buxusblättern aus Myricylpalmitinsäureester be- stehend. Tabakblätter enthalten nach Kissling (6) 0,14% Wachs, das wahrscheinUch Myristylalkohol-Mehssinsäureester ist; Thorpe und Hol- mes (7) fanden darin einen Kohlenwasserstoff. Das in neuerer Zeit als Handelsartikel erschienene CandeüUawachs von Euphorbia antisyphihtica aus Mexiko ist nach Hare und Bjerregaard (8) ähnhch wie das Wachs von Zuckerrohr aus Fettsäuren, deren Estern und einem Alkohol bestehend (F 67—68°). Das unter demselben Namen gehende Wachs von Pedilanthus Pavonis (Euphorb.) ist von Niederstadt (9) untersucht. Die meisten Wachsarten enthalten somit Myricylalkohol {C^) und Cetylalkohol (C27), ferner Cerotinsäure C27 und Mehssinsäure (C^), beide Paare um drei Kohlen- stoffatome verschieden, ähnlich wie es häufig bei den Fettsäuren der Neutral- fette gefunden wird. Hochwertige Ketone wurden von jACOBSON(10>-aus Luzerne dargestellt: Myristin F 67,5—77° und Alfalfon C21H42O; es ist aber nicht gewiß, ob diese Stoffe hier aus dem Wachsüberzug der Pflanze stammten. Angaben liegen ferner vor bezüghch des Wachses von Ohvenblättern(ll) und von Eupatorium Rebaudianum(12). Das aus dem Kraut von Euphorbia pilulifera erhaltene Wachs enthält Cerylalkohol und Mehssinsäure (13). Von den Stengeln der Euphorbia gregariaMarl. heß sich 2,44%Wachs gewinne n(1 4) Aus dem Wachsüberzuge der Epidermis stammen vielleicht auch die festen Kohlenwasserstoffe, welche Abbot und Trimble(15) aus Phlox caro- hana und Rhamnus Purshiana durch Petrolätherextraktion darstellten. Diese Stoffe schmolzen über 196° und entsprachen der Zusammensetzung (CnHig)x. Power und Moore (16) gewannen aus den Blättern von Prunus serotina außer Fettsäureglyceriden Pentatriakontan C32H72, Hentriakontan C3iHg4 und Cerylalkohol. Hentriakontan (F 68°) ist auch aus Blättern 1) Battelli u. Stern, Soc. biol. (6. Mai 1910). — 2) J. Parnas, Biochem. Ztsch., 28, 274 (1910). — 3) M. Greshoff, Just Jahresber. (1899), //, 24. Gres- hoff u. Sack, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 20, 65 (1901). — 4) Hartner, Ber. Chem. Ges., p, 314 a876). — 5) Barbaglia, Just Jahresber. (1884), /, 153. — 6) Kisslino, Ber. Chem. Ges., 16, 2432 (1883); Chem.-Ztg., 25, 684 (1901). — 7) Thorpe u. Holmks, Proc. Chem. Soc, 17, 170 (1901). — 8) Hare u. Bjerregaard, Journ. Ind. and Eng. Chem. (1910), p. 203. — 9) Niederstadt, Chem.-Ztg., 35, 1190 (1911); Verhandl. Naturf. Versamml. (Münster 1912), 2, I, 170. C. Lüdecke, Chem. Zentr. (1912), //, 878. — 10) C. A. Jacobson, Joum. Anier. Chem. Soc., 33, 2048 (1911); 34. 300 (1912). — 11) Canzoneri, Gazz. chim. ital., j«5, II, 372 (1906). — 12) Dieterich, Pharm. Zentr.halle, 50, 435 (1909). — 13) Fr. B. Power u. H. Browning jun., Pharm. Joum. (4), 36, 506 (1913). — 14) H. Thoms, Notizbl. Kgl. Garten Dahlem, 5, 234 (1911). W. Lenz, Arb. Pharm. Inst. Berlin, g, 228 (1913). — 15) Abbot u. Trimble, Ber. Chem. Ges., 21, 2598 (1888); Amer. Chem. Journ., 10, 439 (1889). — 16) Power u. Moore, Journ. Chem. Soc. Lond., 97, 1099 (1910). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. S. Auf 52 818 Einunddreißigstes Kapitel: Die Produktion v. Wachs (Cerolipoiden) b. Pflanzen. von Zygadenus intermedius dargestellt (1). Hesse (2) wies in den Blättern von Drimys granatensis einen einwertigen Wachsalkohol, Drimol, CggHggOa nach. Über Wachsausscheidungen bei Moosen hat Brunnthaler (3) Angaben gemacht; Blätter, Seta, Stämmchen und Kapsel des blaugrün aussehenden Ditrichum glaucescens (Hedw.) besitzen Wachsüberzug. — Das aus Torf hergestellte „Montanawachs" enthält nach Ryan (4) eine Säure CggHggOa, Montaninsäure, F 83", einen Kohlenwasserstoff, keinen Wachsalkohol. Blüten: Untersucht ist das Wachs der Blumenkrone von Jasminum durch Radcliffe (5), ferner das Wachs von Tanacetumblüten, wo Matthes und Serger (6) Tanacetumölsäure, die wahrscheinüch mit der Lycopodium- ölsäure identisch ist, Daturinsäure, Stearinsäure und Melissylalkohol angeben; ferner Wachs aus den Blüten von Trifohum incarnatum, wo RoGERSON (7) den Wachsalkohol C34H70O (Incarnatylalkohol), Hentria- kontan, Trifolianol und Fetts äureglyceride fand. Inwieweit diese Stoffe vom Pollen stammen, ist nicht bekannt. Früchte: Öfterer Untersuchung ist besonders das Wachs der Trauben- beeren unterzogen worden. Es schmilzt bei 70—73"; nach Weigert (8) macht es 1,55 Gewichtsprozente der feuchten ausgepreßten Schalen aus. Etard (9) fand im CSg-Extrakt der Fruchtschalen freie Palmitinsäure und deren Ester mit einem Alkohol C26H39(OH)3, HgO, Oenocarpol. Der Schmelzpunkt des freien Alkohols wurde mit 304", jener des Esters mit 272" bestimmt. Es sei anschließend erwähnt, daß Etard einen wachs- artigen Stoff der Vitisblätter C17H34O, Vitol, und einen anderen C23H44O2, Vitoglykol, beschreibt. Von Medicago und Bryonia wurde Medicagol C20H41OH und Bryonan C20H42 angegeben. Mit Bryonan ist nach Matthes (10) das Lauran C20H42 aus Lorbeersaft identisch, welches wohl aus dem Wachsüberzug der Beeren stammt. Seifert (11) macht interessante Angaben über phytosterinartige Stoffe aus dem Wachsüberzuge der Vitis- beeren. Sein Vitin, C20H32O2, krystallinisch, wird auch bei Apfel, Birne, Pflaume, Heidelbeere durch sehr ähnliche Stoffe vertreten. Diese Sub- stanzen haben schwach saure Eigenschaften, sind lösUch in alkoholischem NaOH, geben hierin mit Wasser vOTsetzt eine weißliche Trübung, mit Metall- salzen dicke Fällungen. Vitin enthält ein Alkohol-OH, und gibt die Cholestol- probe, jedoch nicht die Reaktion von Hesse-Salkowski. Traubenwachs enthält wahrscheinlich auch Ceryl- und Myricylalkohol, sowie Palmitin- und Cerotinsäure, nach BLiJMML(12) auch Fettsäureglyceride. Äpfelwachs wurde durch Thomae(13) untersucht, jenes vom Olivenepicarp durch MiN- GI0LI(14) (F 98—100"). Das Wachs von Lorbeerfrüchten enthält nach Matthes und Sander außer dem erwähnten Lauran C20H42 Myricylalkohol und Mehssinsäure. Von Cucurbitafrüchten wird der Alkohol Gucurbitol C20H40O4, F 260", angegeben (15). 1) F. W. Heyl u. Hepner, Journ. Amer. Cham. See, 35, 808 (1913). — 2) O. Hesse, Lieb. Ann., 286, 369 (1895). — 3) Brunnthaler, Österr. botan. Ztsch. (1904), p. 94. — 4) H. Ryan, Biochem. Zentr., 10, 294 (1910). — 5) Radcliffe u. Allan, Journ. See. Chem. Ind., 28, 227 (1909). — 6) Matthes u. Serqer, Arch. Pharm., 247, 418 (1909). — 7) Rogerson, Journ. Chem. Soc. Lond., 97, 1004 (1910). — 8) Weigert, Die Weinlaube (1887), p. 328. — 9) Etard, Compt. rend., 114, 231, 364 (1892). — 10) Matthes ü. Sander, Arch. Pharm., 246, 165 (1908). — 11) W. Seifert, Landw. Versuchsstat., 45, 29 (1894); Monatsh. Chem., 14, 719 (1894). — 12) Blümml, Chem. Zentr. (1898), /, 1178. — 13) Thomae, Journ. prakt. Chem., 84, 247 (1911); 87, 142 (1913). — 14) MiNGiOLi, Ber. Chem. Ges., 15, 381 (1882), — 15) Power u. Salway, Journ. Amer. Chem. Soc., 32, 346, 360 (1910). § 2. Chemie der Wachsarten. 3X9 Der Wachsüberzug der Früchte von Myrica cerifera, das bekannte „Myrtle-Wax", besteht nach Smith und Wade (1) vor allem aus Tripalmitin, hat also stark Fettcharakter. Ob die von Gijtzeit(2) in jungen Heracleumfrüchten gefundenen Kohlen- wasserstoffe dem Wachsüberzuge entstammen, ist unsicher ; sie können auch in den Sekretbehältern enthalten sein. Krassowski (3) fand einen gesättigten Kohlenwasserstoff F Sl** bei der Untersuchung der Früchte von Rhamnus cathartica. Rinden usw. Nach Sack (4) besteht das Wachs von der Rinde der Jatropha curcas aus Myricylalkohol und dessen Mehssinsäureeeter und auch das Rindenwachs von Fouquiera splendens (Tamariscaceae), welches an- gebUch in Bastfasermembranen enthalten ist, soll dem gewöhnüchen Cha- rakter pflanzhcher Cerohpoide entsprechen (5). Besondere Stoffe wurden von der Rinde der Hex- Arten beschrieben. Aus der einheimischen Hex Aquifolium isoHerte Personne (6) seinen Ilicyl- alkohol C25H44O, F 175°; Schneegans (7) gewann von derselben Pflanze aus der Rinde der Frühjahrstriebe das Ilicen Cg^Hgo. DiWERS und Kawa- KITA (8) fanden in der Rinde der japanischen Hex integra Thunb., welche den japanischen Vogelleim Tori-mochi üefert, einen dem lUcylalkohol entsprechenden Stoff CgaHagO, F. 172», und den neuen Mochylalkohol CzeHiflO, F 234»; beide als Palmitylester. Nach Windaus und Welsch (9) aber handelt es sich im Ilicylalkohol nur um freies a-Amyrin, aus dem Grenzgebiete der Harzalkohole und Sterinohpoide. Aus dem Wachs von Linumstengeln (gewonnen durch Aus- kochen von Flachs mit Alkohol: 3—4% Ausbeute) stellten Gross und Be- VAN(IO) durch Verseifen mit alkoholischer Natronlauge Cerylalkohol dar. Aus dem Abfallsstaub der Flachsspinnereien konnte C. Hoffmeister (11) etwa 10% einer wachsartigen bei 61,5^ schmelzenden Substanz gewinnen, welche Kohlenwasserstoffe (dem Ceresin recht ähnUch), ferner (Ilerylacetat und wahrscheinlich Phytosterinacetat außer Stearinsäure, Palmitinsäure, Ölsäure, Linolsäure, Linolen- und Isolinolensäure enthält. Wie viel von allen diesen Stoffen als Bestandteile des Wachsüberzuges der Leinstengel gelten kann, läßt sich bei dem leider nicht näher kontrollierbaren Unter- suchungsmaterial nicht feststellen. Pathologische Wachsausscheidungen von Holzgewächsen sind gleich- falls untersucht worden. So entsprach ein von Flügkiger (12) analysierter Wachsüberzug auf Buchenrinde (wahrscheinUch durch Insektenstich ent- standen) in seiner Zusammensetzung C27H54O2 und Schmelzpunkt 81—82*', der Cerotinsäure ; doch reagierte die alkohohsche Lösung nicht sauer, Ist es hier fraghch, ob Pflanze oder Tier das Wachs produziert hat, so muß die Wachsproduktion auf der chinesischen Esche als ausschheßlich tierischer Natur gelten. Das wachsproduzierende Insekt ist hier Coccus ceriferus; 1) Smith u. Wade, Journ. Amer. Chem. Soc., 25, 629 (1903). Früher: Moore, Chem. Zentr. (1862), p. 779. — 2) Gutzeit, Ber. Chem. Ges., 21, 2881 (1888). — 3) Krassowski, Chem. Zentr. (1906), //, 348. — 4) J. Sack, Ebenda (1906), /, 1106. — 5) H. Abott, Arch. Pharm. (1886), p. 862. Schaer, Jüst Jahresber. (1888), /, 45. — 6) Personne, Compt. rend., 98, 1585 (1884). — 7) Schneegans u. Bronnert, Arch. Pharm., 232, 532 (1895); 231, 582 (1894). — 8) Diwers u. Kawakita, Journ. Chem. Soc. Lond, (1888), /, 268. — 9) Windaus u. Welsch, Ber. Chem. Ges., 42, 612 (1909). Welsch, Biochem. Zentr., 9, 17 (1909). — 10) C. F. Gross u. J. E. Bevan, Chem. News, 60, Nr. 1567 (1889). — 11) C Hoff- meister, Ztsch. „Flachs u. Leinen", Nr. 101 (September 1902); Ber. Chem. Ges., 36, 1047 (1903). — 12) F. A. Flücfiger, Arch. Pharm., 4, 8 (1875). 820 Dmckfehler, Berichtignngen und NachtrSge. das „chinesische Wachs" besteht nach Brodie(I) aus Cerotinsäure-Ceryl- ester. Es sei schließlich noch bemerkt, daß bei den Wachsarten geradeso wie bei Fetten Säurezahl, Verseifungszahl, Jodzahl, Hehnersche Zahl usw. als Konstanten bestimmt zu werden pflegen, hauptsächhch zu praktischen Zwecken. Näheres hierüber in den Werken von Benedikt-Ulzer, Schaed- LER, Wiesner. Bildung der Wachsarten. — Es ist eine offene Frage, ob die Wachsüberzüge aus Bestandteilen der Zellmembranen gebildet werden oder ob die in den Überzügen enthaltenen Substanzen im Protoplasma entstehen und an ihrer endgültigen Stelle zur Ausscheidung gelangen. Der ersterwähnte Fall ist nicht unmöglich, indem die Entstehung von Wachs aus Kohlenhydraten im Leibe der Biene durch Fütterungsversuche von Erlenmeyer und v. Planta (2) nachgewiesen worden ist. Da in der Pflanzenbiochemie einschlägige Experimentaluntersuchungen fehlen, so läßt sich diese Frage derzeit nicht entscheiden. Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. p. 10. Zeile 6: Lies statt „injouring": „injuring". p. 17. Zu Anm. 3: O. Tunmann, Apoth.-Ztg., 27, 971 (1913). p. 21. Absatz 2 von unten: Streiche den Satz „Die auffallenden Erscheinungen .... einfach erklärt". Statt dessen hat es zu heißen: „Bisher wurden nur die als Perispor bezeichneten Hüllen vieler Famsporen von Hannig(3) als Produkte der „Periplasmodien" erkannt. Jedoch ist . . . ." p. 23. Zu Anm. 1: Herbera, Arch. Plasmogenie gön., /, 55 (1913). Mikro- chemie des Protoplasmas: O. Tunmann, Pflanzenmikrochemie, p. 438 (Berlin 1913). p. 24. Setze „Krystalloide" statt „Kristalloide". Ferner zu Anm. 1: F. QUADE, Prometheus, 24, 62 (1913). p. 25. Zu Anm. 1: WeimArn, KoU. Ztsch., 12, 124 (1913). R. C. Tolman, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 317 (1913). p. 26. Die Teilchen von Metallsolen sind Schmelzkügelchen : C. Benedicks, KolLchem. Beihefte, 4, 229 (1913). p. 27. Fraktionierung durch Diffusion: Dabrowski, Bull. Internat. Acad. Cracovie (1912), A, p. 485. p. 29. Zu Anm. 2: Siedentopf, KoU. Ztsch., 12, 68 (1913). p. 30. Einige Beobachtungen in unserem Institute haben mich davon über- zeugt, daß auch im lebenden Cytoplasma in manchen Fällen an den Mikrosomen Brownsche Molekularbewegung wahrzunehmen ist. — Zu Anm. 3: N. Pihlblad, Ztsch. physik. Chem.. 81, 417 (1912). p. 31. Zu Anm. 2: P. Bary, Journ. Chim. Phys., 10, 437 (1912). Bestimmung der Teilchengröße: A. Dumanski, Zabotinski und Ewsejew, Koll. Ztsch., 12, 6 (1913). p. 32. Herstellung von Metallsolen: Pieroni, Gazz. chim. ital., 43, I, 197 (1913). Bancrofts u. Briggs, Journ. Ind. Eng. Chem., 5, 9 (1913). R. Liesegang, Arch. Entwickluugsmech., 34, 452 (1912), hebt richtig hervor, daß die Schaum- strukturtheorie und die Emulsionstheorie sich nicht ausschließend gegenüberstehen. p. 34. Zu Anm. 4: Jorissen u. Woudstra, Arch. Neerland. Sei. Exact., ///, A, 1 (1913). Beziehungen zur Adsorption: Ishizaka, Ztsch. phys. Chem., 83, 97 (1913). 1) B. C. Brodie, Journ. prakt. Chem., 46, 30 (1849). — 2) E. Erlenmeyer u. A. V. Planta-Reichenaü, Malys Jahresber. , Tierchemie, 8, 294; 9, 265: 10, 366 (1880). Druckfehler, Berichtigangen und Nachträge. g21 p. 35. Sole: J. Frank, KoU ehem. Beihefte, ^, 195 (1913). V. Henri, Koll. Ztsch., 12, 246 (1913). p. 39. Zu Anm. 6 schalte ein hinter 475: 739. p. 40. Zu Anno. 3: Zsigmondy, Ztsch. Koll.chem., 12, 16 (1913). p. 43. ParallelisiTQUs der Quellungs- und Wachstunisbeeinfluseung durch Säuren und Salze: G. A. Borowikow, Biochem. Ztsch., 4S, 230; 50, 119 (1913). p. 46. Lies statt Kurve 1: Fig. 1. Im Texte daneben soll es heißen statt „— ist stets als die auf die Mengeneinheit": „ist stets als die von der Mengen- einheit". — Adsorptionsisothermen: R. Marc, Ztsch. physik. Chem., 81, 641 (1913). X Nach VAN Bemmelen, Die Adsorption, p. 110, ist die Verteilungsformel l—i = k schon 1859 durch Boedecker, Journ. f. Landw., 7. 48, gebraucht worden. p. 47. Zu Anm. 1: v. Georgievics, Monatsh. Chem., 34, 733 (1913). p. 52. Bezüglich der Brownschen Bewegung an Teilchen im lebenden Plasma vgl. das oben Gesagte. Feinste organische Strukturen: Stempell, Naturforsch.- Vera. Münster (1912), 2, I, 257. p. 53. Formbildung bei Amöben unter dem Einflüsse von Narkoticis, Säuren, Alkalien usw. Ishikawa, Ztsch. allgem. Physiol., 14,^1 (1912). Morphologie des Zellkerns: Della Vali^, Koll. Ztsch., 12, 12 (1913). p. 54. Zu Anm. 2: LiESEQANGsches Zonenphänomen und organische Struk- turen: E. KÜSTER, Über Zonenbildung in kolloid. Medien (Jena 1913). Sitz.ber. Niederrhein. Ges. Nat. u. Heilk. (Bonn 1913). R. Liesegang, Naturwiss. Woch.schr., 12, Nr. 25 (1913). p. 56. Zu Anm. 1: H. Kayser, Zentr. Bakt. I, 62, 174 (1912). Wasser- absorption durch lebende und tote Samen: G. Atkins, Proc. Dubl. Roy. Soc, 12, 35 (1909). p. 58. ^Zu Anm. 5: Kritisches bei R. H9BER u. Nast, Biochem. Ztsch-, 50, 418 (1913). Übrigens treten Fettemulsionen in lebende Zellen ein, nach Kryz, Ztsch. f. Pflanzenkrankh., 23, 34 (1913), wird auch Vaselineöl durch Pflanzen wurzeln auf- genommen. „Lipolytischer Koeffizient": A. Mayer u. G. Schaeffer, Compt. rend., 156, 1253 (1913). p. 59. Kautschuk als semipermeable Lipoidmembran : W. J. GiES, Rosen- BLOOM, Welker, Beal u. Geiger, Biochem. Bull., 2, 55—78 (1913). Nelson, Journ. Amer. Chem. Soc, 33, 658 (1913). Herstellung kleiner Zellen mit Lecithin- häutchen und mit beliebigem Inhalte: E. N. Harvey, Biochem. Bull., 2, 90 (1913). p. 60. Lies statt Boeserken: Boeseken u. Waterman. Zu Anm. 2: Waterman, Diss. (Delft 1912). Zu Anm. 4: Aluminium: J. Szücs, Jahrb. wiss. Botan., 52, 269 (1913). Zu Anm. 6: Harvey, Amer. Journ. Physiol., j/, 335 (1913). p. 60. Bei allen Versuchen mit lipoidlöslichen Stoffen hat man den Gehalt der Zellen an fettartigen Substanzen, welche die angewendeten Reagentien speichern, sehr zu berücksichtigen, und man hat von vornherein zu erwarten, daß bei fettreichen Zellen, wie sie die meisten tierischen Objekte darbieten, allgemein so konstante Be- ziehungen zwischen Capillaraktivität und Tötungsgrenze nicht erhalten werden können, sondern daß hier wasserlösliche und wasserunlösliche capillaraktive Stoffe Unterschiede darbieten. Diese Differenzen zwischen Tier- und Pflanzenzellen berücksichtigt Ver- NON nicht. Vernon, Biochem. Ztsch., 51, 1 (1913). Vgl. auch L. Choqüard, Ztsch. Biolog., 60, 101 (1913). Zu Anm. 3 auch L. A. Pelous, Journ. Physiolog. Pathol. g6n., 14, 309 (1912). J. Stock, Anzeig. Akad. Krakau (A), (1913), p. 131. p. 62. Zu Anm. 1: Permeabilitätsänderungen durch Anästhetica: Osterhout, Science, 37, 111 (1913). Reversible Änderungen durch Elektrolyte: Osterhout, Ebenda, 36, 350 (1912). Zu Anm. 4: Vaselineöl: F. Kryz, Ztsch. f. Pflanzenkrankh. 23, 34 (1913). p. 63. Zu Anm. 5: Messung: Kanitz, Oppenheimers Handb. d Biochemie, Erg.-Bd. (1913). Erdmann, Journ. Biol. Chem., 14. 141 (1913). Eiweiß: Botazzi u. d'Agostino, Atti Acc. Line. Roma (5), a/, II, 561 (1912). Einfluß von Licht: Marenin, Hesehus, Chem. Zentr. (1913), /, 1647. Temperaturkoeffizient: P. Walden 11. SwiNNE, Ztsch. physik. Chem., 82, 271 (1913). p. 64. Zu Anm. 6: Über die Wirkung der Struktur auf chem. Vorgänge in Zellen (Jena 1913). p. 66. Zu Anm. 2: Qüade, Prometheus, 24, 62 (1913). p. 68. Zu Anm. 5: Weitere methodische Vervollkommnung besonders von Kossel, Ztsch. physiol. Chem., 84, 354 (1913). Auch Rosenbloom, Journ. Biol. Chem., 14, 27 (1913). 822 Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. p. 69, Selbststeuerung: Fr. Hofmeister, Chem. Steuerungsvorgänge im Tier- körper; Schrift, wiss. Ges. Straßburg (1912), Nr. 17. p. 70. Zu Anm. 1: Fischer, Die Naturwiss. (1913), p. 558. Zu Anm. 6: AuBERT, Ann. de Chim. et Phys., 26, 145 (1912). Turgorsteigerung beim Abkühlen als Regulativ: A. Winkler, Jahrb. wiss. Botan., 52, 467 (1913). Chlamydomonas, Zoosporen, Kälteresistenz: Desroche, Sog. Biol., 72, 748 (1912). p. 71. Zu Anm. 2: Andrews, Bull. Torr. Bot. Club, 39, 445 (1912). Zu Anm. 5: Michaelis u. Rona, Biochem. Ztsch., 49, 232 (1913). p. 72. Mikrokryoskopie: Drucker u. Schreiner, Biolog. Zentr., jj, 99 (1913). p. 75. Zu Anm. 1: Hasselbalch, Biochera. Ztech., 49, 451 (1913). Biochem. Bull., 2, 367 (1913). Zu Anm. 4: Sörensen u. Palitzsch, Biochem. Ztsch., 5/, 307 (1913). Rotkohlfarbstoff: Walbum, Ebenda, 48, 291 (1913). p. 77. Über Diffusion von Ionen durch Gallerten auch Buscalioni u. Pur- GOTTi, Atti Ist, Bot. Pavia (II), p, 1; //, 1 (1911). Bioelektrische Potentialdifferenzen an Membranen: Bernstein, Biochem. Ztsch., 50, 393 (1913). Loeb u. Beutner, Ebenda, 5/, 288 300. Beutner, Ztsch. Elektrochem., 19, 319 (1913). p. 81. Zu Anm. 2: B. Schwetzow, Chem. Zentr. (1913), /, 584. Zu Anm. 3: Protoplasmaströmung: V. VoUK, Denkschr. Wien. Akad., 88 (1912). p. 87. Zu Anm. 7: Biddle, Journ. Amer. Chem, Soc, J5, 418 (1913). Selbst die so wenig dissoziierten Aminosäuren katalysieren die Spaltung der Fettsäüreester nach Hamlin, Journ. Amer. Chem. Soc, J5, 624 (1913). p. 90. RosANOFF, Journ. Amer. Chem. Soc, J5, 173 (1913), unterscheidet direkte Katalysatoren, die sich an der Reaktion beteiligen, jedoch nicht in der stöchio- metrischen Gleichung erscheinen, und indirekte, die sich nicht an der Reaktion be- teiligen, jedoch die Geschwindigkeit der Reaktion ändern. p. 94. Zeile 20 lies statt „Platinsol": „Platinsols", Rhodium-Ameisensäure- Katalyse: Predig u. Th. Blackadder, Ztsch. physik. Chem., 81, 385 (1912). p. 95. O. Cohnheim, Die Enzyme (New York"" 1912). p. 96. W. N. Berg, Biochem. BuU., 2, 441 (1913), hebt hervor, daß schon VON Wittich, Pflüg. Arch., 5, 435 (1872), die Rolle der Enzyme als Reaktions- beschleuniger erkannt hatte. p. 98. Oberflächenspannung von Enzvmlösungen: Gramenitzky, Biochem. Ztsch., 52, 142 (1913). Adsorption, Diffusion: W. Ruhland, Biol. Zentr., jj, 337 (1913). Fällung mit feuchtem Aluminiumhydroxyd: Welker u. Marshall, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 822 (1913). p. 100. Mikrochemie der Enzyme: O. Tunhann, Pflanzen mikrochemie, p. 424 (BerUn 1913). p. 101, Endoenzyme, Enzymadsorption ; Rühland, Biolog. Zentr., jj, 337 (1913). p. 106. Zeile 22 lies: „Aldehydmutase". Emulsin ist, mit heißem Alkohol behandelt, gegpn hohe Temperaturen widerstandsfähiger, so daß 2 Minuten Kochen mit absolutem Alkohol noch nicht wesentlich abschwächt: Bourquelot u. Bridel, Journ. Pharm, et Chim. (7), 7, 65 (1913). p. 109. Zu Anm. 1: Bertrand u. Compton, Ailn. Inst. Pasteur, 26, 161 (1912). Zu Anm. 7: Agulhon, Ann. Inst. Pasteur, 26, 38 (1912). G. Kreibich, Arch. Dbrmat. u. Syph., 113, 529 (1912). p. 110. Diastase von Aspergillus Oryza'e wirkt gleichfalls noch in 70 7o Alkohol. p. 111. Lipase und Neutralsalze: K. G, Falk, Journ. Amer. Chem. Soc, J5. 601 (1913). p. 121. Daß bei der luvertin-Rohrzuckerhydrolyse eine Vefbindung von In- vertin mit Saccharose eine Rolle spielt, geht deutlich aus den Ergebnissen der Arbeit von Michaelis hervor: Bipchem. Ztsch., ^p, 333 (1913). Für diese Verbindung ließ sich die Dissoziationskonstante ermitteln. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist in jedem Momente der Konzentration dieser Verbindung proportional. p. 123. Zu Anm. 5: Rosenthaler, Biocbem. Ztseh., 50, 487 (1913), hält seine sjwthetisch wirkende Oxynitrilese für verschieden von dem Oxynitril spaltenden ^-Emulsin. Kbieble, Biochem. Bull., 2, 227 (1913), p. 128. Auch der Rotlaufbacillus bildet extracelluläre Giftstoffe und- Eödo- toxin: H. J. van Nederveen, Fol. microbiol., 2, 1 (1913). p. 129. Getrocknetes Tetanotoxin, in Glycerin aufbewahrt, hielt sich 7 Jahre wirksam: Nicolle u. T&uche. Ann. Inst. Pasteur, 26, 1031 (1913). p. 132. Zu Anm. 7: W. Ford u. Rockwood, Journ. Exp. Ther., 4, 235, 241 (1913), p. 133. Zu Anm. 9: Kobert, Landw. Versuchsstat., 79 u- *o, 97 (1913). p. 134. Agglutinogene von einzelligen Algen: Rosenblatt - Lichtenstein, Arch. Anat, u, Physiol. (1912), p. 414. Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. 823 p. 136. Thermostabiles Präcipitogen von Anthrax: V. Hecht, Zentr. Bakt. I, 67, 371 (1912). p. 143. Komplement: E. Weil, Biochem. Ztsch., 48, 347 (1913). Vanlooveren, Ztsch. Immun.forsch., I, 16, 377 (1913). K. Meyeb, Ebenda, /j, 355 (1912). Thiele u. Embleton, Ebenda, 16, 160 (1913). Bkonfenbrenner u. Noguchi, Biochem. Bull., 2, 166 (1913). I^efman, Ztsch. Immun.forsch., 16, 503 (1912). Zu Anm. 11: Kashiwabara, Ztsch. Immun.forsch., 77, 21 (1913). Courmont u. Dufoürt, Journ. Physiol. Pathol. g^n., 14, 1143 (1913). p. 151. Manchmal sind sehr konzentrierte Lösungen viel weniger wirksam als verdünnte. V. Arcichowskij, Biochem. Ztsch., 50, 233 (1913). p. 153. Giftresistenz und Substratzusammensetzung: A. le Renard, Ann. Sei. Nat., 16, 211 (1912). p. 157. 0,01 7o Co(NOg), hemmt Gärung, aber nicht die Zellvermehrung der Hefe: Th. Bokorny, Allgem. Brauer- u. Hopfenztg., 53, 223 (1913). Fernere Wir- kungen: BoKORNY, Ebenda, p. 941, 957, 973. Wirkung von Kolloiden und von Suspensionen durch Erleichterung des Entweichens der CO,: N. L. Söhngen, Fol. microbiol., 2 (1913). p. 170. Neutralsalzwirkung auf Hefe und keimende Samen: Th. Bokorny, Allgem. Brauer- u. Hopfenztg., 52, 1469, 1905 (1912); Biochem. Ztsch.. jo, 42 (1913). Zu Anm. 2: Ebenda (1912), p. 753. p. 171. Eine aus 0,25 V«, MgSO^, 0,5 7oo KH PO«, 0,5% NH NO, bestehende Nährlösung für Waseerkulturen ist schädlich und wird durch Ca entgiftet: C. Robert, Ck)mpt. rend., 156, 915 (1913). N, K. Koltzoff, Pflüg. Arch., 149, 327 (1913), fand für die Giftwirkung auf Zoothamnium alternans die Reihe K > Rb I^ Na > Cb ;> NH4 > Li gültig, die der eiweißfällenden Wirkung der Kationen entspricht. p. 172. Keimfähigkeit und Salzdüngung; A. Rusche, Journ. f. Landw,, 60, 305 (1912). p. 174. Quellungsförderung und Wachstumsstimulation durch sehr verdünnte Säuren: BoROWiKOW, Biochem. Ztsch., 4S, 230 (1913). Wirkung auf keimende Samen: Bokorny, Ebenda, 50, 67 (1913); auf Pilze: Bokorny, Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). Mucoraceen: Ritter, Jahrb. wiss. Botan., 52, 351 (1913). p. 175. Zu Anm. 4: W. Heimann, Ztsch. Immun.forsch., I, 16, 127 (1913). p. 176. Zu Anm. 4: C. Bianchi, Staz. sper. agr. ital., 14, 680 (1912). Stark verdünnte Alkalien: Th. Bokorny, Arch. Zellforsch., 7, 1 (1911). p. 177. Bacterien: Trillat u. Fonassier, Compt. rend., 155, 1184 (1912). Pilze: Bokorny, Allgem. Brauer- u. Hopfenztg., 52, 2867 (1912); Zentr. Bakt. II, 37, 168(1913). Keimende Samen : Bokorny, Biochem. Ztsch., 50, 37(1913). Alkali- toleranz von Eucalyptus: LoüGHRIDGE, Botau. Zentr., 122, 60 (1913). p. 179. Wirkung kolloider Silberhalogenide: O. Gros, Arch. exp. Pathol., 70, 375 (1912). p. 180. Zink: Javillier, Compt. rend., 155, 1551 (1912). Ch. Lepierre, BuU. Soc. Chim. (4), 13, 359 (1913). p. 181. Lies Zeile 14: „bekannt". — Beryllium: Javillier, Comp£. rend., 156, 406 (1912). Lepierre, Ebenda, p. 409. Stimulation durch Ammoniakalaun: O. LoEW, Chem.-Ztg., 37, 61 (1913). Cadmium: Ch. Lepierre, Compt. rend., 156, 258 (1913). p. 182. Hefe: Th. Bokorny, Allgem. Brauer- u. Hopfenztg., 53, 223 (1913). Für Pilze: Bokorny, Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). Keimende Samen: Biochem. Ztsch., 50, 1 (1913). Viele Angaben über Schwermetalle. p. 183. Mangan: G. Bertrand, Bull. Sei. Pharm. (1912), p. 321; Ztsch. Ver. Deutsch. Zuckerindustr. (1913), p. 35; Ann. Inst. Pasteur, 27, 241 (1912). WiLCOX u. Kelley, Hawai. Exp. Stat. Bull., 28 (1912). Varvaro, Staz. sper. agr. ital., 45, 917 (1912). p. 184. Zu Anm. 4: Wurzeln: E. Hoütermans, Sitz.ber. Wien. Ak., 121, I, 801 (1912). p. 187. Süblfmatwirkung auf Bacterien: Steiger u. Döll, Ztsch. Hyg., 73, 324 (1913). p. 188. Zu Anm. 15: Agulhon, Compt. rend., 155, 1186 (1912); 156, 162 (1913). Becquerel, Ebenda, 156, 164 (1913). Stoklasa, Ebenda, p. 153 (1913). AcQUA, Arch. di farm., // (1912). Lepierre, Compt. rend., 156, 1179 (1913). p. 189. Radiumemanation hemmt Keimlingswachstum: H. M0LI8CH, Sitz.ber. Wien. Ak., 121, I, 833 (1912). Stimulation durch Radi umstrahlen : J. Stoklasa, Compt. rend., 15s, 1096 (1912); Chem.-Ztg., 36, 1382 (1912); Botan. Zentr., 122, 181 (1913). DouMER, Ebenda. Petit u. Ancelln, Compt. rend-, 156, 903 (1913). Becquerel. Ebenda, p. 164 (1913). Schwach bactericide Wirkung: L. Arzt u. Kerl, Wieb. klin. Woch.schr., 26, 530 (1913). — Mesothorium: Fr. Kahn, Münch. 824 Druckfehler, Berichtigungen und Nachtrftge. med. Woch.8chr. (1913), p. 454. P. Hebtwig, Arch. mikroakop. Anat., 8i, 173 (1913). p. 192. Steigerung des Bodenertragea durch Schwefel: B. Heinze, Die Natur- wisa. (1913), p. 111. p. 193. Chlor, Brom: Bokorny, Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). Arci- CHOVSKiJ, Ebenda, p. 333. Fluor: Bokorny, Biochem. Ztsch., so, 55 (1913). p. 194. Fleckenbildung auf Blättern nach BordarreichuDg, und Stimulation durch sehr kleine Bonnengen: E. Haselhoff, Landw. Versuchsstat., 7g— 8o, 399 (1913). p. 200. Entgiftung von Alkohol durch Adsorption bei Eiweißgegenwart: A. FisCHEm, Biochem, Ztsch., 52, 60 (1913). M. Verworn, Die Narkose (Jena 1912). H. WmxERSTEm, Biochem. Ztsch., 5^ 143 (1913). Br. Kisch, Ztsch. Biol., 60, 399 (1913). — Zu Anm. 8: Kramer, Journ. exp. Med., 17, 206 (1913). Choquard, Ztsch. Biol., 60, 101 (1913). Vernon, Brit. Med. Journ. (1912), p. 790. Narkotica- Kombinationen : BüRGi, Ztsch. allgem. Physiol-, 14, 65 (1912). Kochmann, Ztsch. exp. Pathol., 12, 1 (1913). Zorn, Ebenda, p. 529. p. 201. Th. Bokorny, Biochem. Ztsch., 50, 87 (1913); Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). E. G. SOTTILE, Gazz. osped. e clin. (1912), Nr. 90. Kombination von Salzlösungen und Anästheticis: Lillie, Amer. Journ. Physiol., j/, 255 (1913). p. 202. Aufnahme von Petroleum durch Wurzeln hindert die Waseerabsorp- tion, ist aber nicht direkt giftig. Kryz, Ztsch. f. Pflanzenkrankh., ig, 449 (1909). p. 203. Organische Säuren: Bokorny, Biochem. Ztsch., 50, 49 (1913). CoppiN, Biochem. Journ., 6, 416 (1912). Cook u. Taubenhaus, Del. Exp. Sta. Bull, g7 (1913). p. 204. Guanidin wird durch Asparagin entgiftet, durch Nitrat verstärkt. Schreiner u. Skinner, Bull. Torr. Bot. Club, jp, 535 (1913). p. 205. Phenol, Adsorption. Küster, Zentr. Bakt. I, 54, 135 (1912); Ztsch. Hyg., 73, 205 (1912). Cooper, Biochem. Journ., 6, 362 (1912). p. 206. O. Schreiner u. Skinner, Botan. Gaz., 54, 31. Skinner (1912), p. 245, fanden Cumarin durch Phosphat paralysiert, Vanillin durch Ammoniak, Chinon durch Kali. p. 207. Photodynaraische Wirkungen: A. Reitz, Zentr. Bakt. I, 4s, 270 (1908). B. Hannes, Diss. (München 1909). p. 208. Parallelismus von quellungsfördernden und wachstumsfördernden Wir- kungen organischer Basen: Borowikow, Biochem. Ztsch., 50, 119 (1913). Wirkung auf Pilze: Th. Bokorny, Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). p. 209. Tabakr^uch: A. Purkyt, Sitz.ber. Wien. Ak., 121, I, 737 (1912). p. 210. Chromogene Bacterien: Lasseür u. Thiry, Compt. rend., 156, 167 <1913). p. 211. Säuren und Kugelhefebildung: G. E. Ritter, Jahrb. wiss. Botan., S2, 351 (1913). p. 212. Zu Anm. 5: M. MuNK, Myco). Zentr., r, 388 (1912). >p. 213> Riesenzellenbildung bei Aspergillus fumigatus bei Säureanhäufung: C. Wehmer, Ber. Botan. Ges., j/, 257 (1913). p. 214. Farbstoffbildung bei Haematococcus: H. C Jacobsen, Fol. microbiol., / (1912). p. 216. Borsäurewirkung auf Cucumis: J. Dewitz, Biol. Zentr., jj, 10 (1913). p. 219. Saponin und andere Stoffe: M. Morse, Journ. exp. Zool., 13, 471 (1913), wirken bei Cerebratulus auf die Eientwicklung, Ambioniak am besten bei Arbacia nach J. Loeb, Ebenda, p. 577. p. 221. Zu Anm. 7: G. Hertwig, Ebenda, 81, 88 (1913). p. 226. Gültigkeit des Energiemengengesetzes für den n^ativen Chemotropismus von Wurzeln: Th. M. Pörodko, Ber. Botan. Ges., 31, 88 (1913). p. 229. Zeile 21 von unten lies: „reagierte". p. 230. Zu Anm. 4: Th. Vieweger, Arch. Biolog., 27, 723 (1913). p. 235. Variabilität der Bacterien: Ph. Eisenberg, Zentr. Bakt. I, 63, 305 (1912). „Mutationen" bei Schimmelpilzen nach Darreichung von p-Oxybenzoesäure und anderen Stoffen: H. J. Waterman Ztsch. Gär.phys., 3, 1 (1913). Individuelle Differenzen in der Entwicklung höherer Pflanzen: Koriba, Journ. Coli. Sei. Tokyo, 27 (1909). p. 249. In der Struktur der 1-Isorhamnose, am Schluß der Seite, ist die end- etändige Gruppe (OH) im Drucke ausgefallen und zu ergänzen. p. 254. Zu Anm. 6: Michaelis n. Rona, Biochem. Ztsch., 4g, 232 (1913). p. 255. Caramelisierung unter Bildung einer maltolartigen Substanz, die eine rote Eisenreaktion gibt: A. Backe, Compt. rend., 150, 510 (1910). p. 257. Zu Anm. 11 : Berthelot u. Gaudechon, Compt. rend., 156, 233 (1913). Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. 825 p. 261. Zu Anm. 3: J. Bano, Biochem. Zisch., 49> 1 (1913). Z. Hatta, Ebenda, 52, 1 (1913). p. 269. Umlagerung von l-Arabinose in l-Ribose in alkalischer Lösung bei 70»: W. A. VAN Ekenstein u. Blanksma, Chem. Weekbl., 10, 213 (1913). — Zu Anm. 2: Spektroskopische Methode: E. Pinoff u. Gude, Chem. -Ztg., 37, 621 (1913). p. 277. Synthetische Aminoglucoside aus d - Glucosamin: J. C. Irvine u. Hynd, Journ. Chem. Soc, 103, 41 (1913). p. 278. Mannit, Schwefelsäureester. W. R. Bloor, Journ. Amer. Chem. Soc, 3S, 784 (1913). Emulsin und Glucoside: G. Zemplen, Ztsch. physiol. Chem., 85, 414 (1913), p. 279. Glucosidsynthese: Bourquelot, Herissey u. Bridel, Soc. Biol., 73, 641 (1912). Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 155, 523 (1912); 156, 491, 643, 827, 957, 1104, 1264 (1913); Journ. Pharm, et Chim. (7), 7. HO. 145, 285, 335 HC CH (1913). — Reduktion der Acetobromglucose zu Glucal: | | HO • HC— 0-C • CH4OH E. Fischer u. Zach, Sitz.ber. Berlin. Ak. (1913), p. 311. p. 280. Synthetische Terpen-/?-Glucoside: Hämäläinen, Biochem. Ztsch., 49, 398; 50, 209 (1913); Skand. Arch. Physiol., 23, 297 (1910). p. 285. Absorption von Rohrzucker durch Tierkohle: W. B. Clark, Journ. Soc. Chem. Ind., 32, 262 (1913). p. 287. Zu Anm. 5: Berthelot u. Gatidechon, Compt. rend., 156, 468 (1913). A. Jolles, Naturf. Vers. Münster (1912), II, /, 132, benützt zur Bestimmung' der Saccharose neben Hexosen das Inaktivwerden der reduzierenden Zucker in % Alkalilösung nach 248tündigem Stehen bei 37». — Zu Anm. 5: Y. Dahlström, Chem.-Ztg., 36, 437 (1913). p. 289. Gentiobiose: G. Zemplen, Ztsch. physiol. Chem., 85, 399 (1913). p. 290. Viscosität und Leitfähigkeit von Raffinoselösungen: WashbüRN u. Williams, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 750 (1913). — Z. 17 lies: „Emulsin" statt „Emulsion". p. 294, Huminstoffe aus Zucker und Polypeptiden: Maillard, Compt. rend., 156, 1159 (1913). p. 295. Kolloidbestimmung in Ackererde durch Farbstoffadsorption: M. Gorski, Ztsch. landw. Versuchswes., 15, 1201 (1912). p. 297. Nach Zellner, Monatsh. Chem., 34, 321 (1913), enthält Armillaria mellea 10 »/o Mannit, Lactaria piperata davon 15 7o- Pholiota squarrosa 1 "/j, Tre- halose. p. 298. Viel Trehalose in Boletus edulis fanden E. Winterstein, Reuter u. KoROLEW, Landw. Versuchsstat, 79/80, 541 (1913). p. 300. Tierische und pflanzliche Glykogene zeigen gewisse Differenzen in Opalescenz, Jodreaktion und Fermenthydrolyse nach R. V. N0RRI8, Biochem. Journ., 7, 26 (1913). p. 310. Mannitferment: E. Dubourg, Ann. Inst. Pasteur, 26, 923 (1913). p. 314. Ameisensäure: Fincke, Biochem. Ztsch., 5', 253 (1913). Acetate, Formiate, Erkennung: L. Bqnnes, Bull. Sei. Pharm., 20, 99 (1913). Bac typhi und Paratyphi auf Glucose, Mannit und Dulcit: Fr. Ditthorn, Zentr. Bakt. I, 67, 497 (1913). Für Bac coli commune ist Glucose besser als Mannit und Milchiucker nach B. Klein, Zentr. Bakt. I, 63, 321 (1912). p. 316. A. GuiLLiERMOND, Les Levures (Paris 1912). p. 322. Alkoholbestimmung mittels der Permanganatmethode: Barendrbcht, Ztsch. analyt. Chem., 52, 167 (1913). Bichromatmethode : Nici^ux, Soc. Biol., 74, 267 (1913). Mikrochemischer Nachweis als Alkylsulfothiocarbonat mit Schwefel- kohlenstoff und 40 7o KOH eingedunstet: J. Ferrer, Ann. Soc. Espagn. fis. quim., w, 105 (1913). p. 325. Flüchtige Säuren: A. Fernbach, Compt. rend., 156, 77 (1913). A. Osterwalder, Zentr. Bakt. II, 38, 8 (1913). — Zu Anm. 1: Kostytschew, Zt-sch. physiol. Chem., 85, 408 (1913). p. 329. Auch die bei Chloroform- oder Ätherbehandlung aus den Zellen aus- tretenden Tropfen enthalten Zymase, was zur Zymascgewinnung benutzt werden kann: S. GlQLlOLi, Atti Soc. Ital. Progr. Sei., 5. 864 (1912). p. 330. Papain hemmt: H. van Laer, Zentr. Bakt. II, 37, 529 (1913). p. 331. Zu Anm. 4: Bestätigung der obigen Gleichung Hardens bei Euler u, Johansson, Ztsch. physiol. Chem,,