Friedrich Czapek Biochemie der Pflanzen Dritte Auflage Erster Band Jena; Verlag von Gusta? Fischer ,«y v& «} x^ •3 o « «Vi /^\»^ •^LW /4 {•9 •9 •J» ^W.\T «I V\f>W €» ^*;A*/. '/, •/» 1^ \/ / '"Sh. « ® V/j BIOCHEMIE DER PFLANZEN VON Dr. PHIL ET MED. FRIEDRICH CZAPEK O. ö. PROFESSOR DER ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, UND VORSTAND DES PFLANZENPHYSIOLOGISCHEN INSTITUTES DER K. K. DEUTSCHEN UNIVERSITÄT IN PRAG DRITTE, UNVERÄNDERTE AUFLAGE ERSTER BAND MIT 9 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA ^Z?' VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1922 ALLE RECHTE VORBEHALTEN Herrn Herrn Prof. Dr. Franz Hofmeister Geh. Hofrat Prof. Dr. W. Pfeffer in Straßburg in Leipzig in Dankbarkeit zugeeignet. Vorwort zur ersten Auflage. Das vorliegende Werk ist aus dem Wunsche des Verfassers, bei seinen physiologischen Studien eine möglichst vollständige und kritisch gesichtete Sammlung des pflanzenbiochemischen Tatsachenmateriales zu besitzen, entstanden. Es wendet sich auch in erster Linie wieder an diejenigen, welche auf dem Gebiete der chemischen Physiologie der Pflanzen wissenschaftlich tätig sind. Da verschiedene andere Wissen- schaften, wie organische Chemie, Agrikulturchemie und Pflanzenbau, medi- zinische Physiologie und Bacteriologie, landwirtschaftliche und technische Mikrobiologie, Pharmacie mit der chemischen Pflanzenphysiologie durch zahlreiche Berührungspunkte verbunden sind, so wird es vielleicht auch anderweitig Nutzen stiften. Es ist als bedeutsames Zeichen der Zeit mit Freude zu begrüßen, daß die Vertreter der medizinischen Physiologie und Pathologie gegenwärtig mit größter Aufmerksamkeit die Fortschritte der botanischen Physiologie verfolgen. In Erkenntnis der ungemein großen wechselseitigen Bedeutung näherer Beziehungen zwischen Tier- und Pflanzenphysiologie war ich auch meinesteils bemüht, die Wichtigkeit der tierphysiologischen Methoden und Tatsachen für den Botaniker an allen geeigneten Stellen möglichst in den Vordergrund zu rücken. Für den Anfänger auf dem Gebiete der botanischen Physiologie als Lehrbuch, ist das Werk nicht gedacht. Es setzt die Kenntnisse in Botanik und Chemie, soweit sie in den theoretischen und praktischen Universitätsvorlesungen erworben werden, voraus, und soll besonders als Nachschlagebuch und Literaturrepertorium bei der Orientierung über spezielle Fragen dienen. Der Grundgedanke meiner Arbeit war: Wie weit gelangt man in der Physiologie mit chemischen Methoden? Es wurde deswegen viel- fach auf eine allseitige Erörterung größerer Probleme verzichtet und nur die chemische Seite derselben dargestellt. Dies konnte ich um so eher tun, als wir gegenwärtig in Pfeffers Handbuch der Pflanzenphysiologie ein Werk besitzen, welches nicht nur umfassend alle ernährungsphysio- logischen Probleme beleuchtet, sondern auf Dezennien hinaus für die weitere einschlägige Forschung die Richtschnur bilden wird. Aus dem Gesagten ergibt sich auch die Abgrenzung des hier behandelten Stoffes von dem Inhalte der Handbücher der Physiologie. Das Gebiet der Pflanzenbiochemie ist heute so wenig bearbeitet, und an empfindlichen Lücken so reich, daß das Gefühl des Unbefriedigtseins bei der Zusammenstellung und Sichtung der bekannten Tatsachen hier lebhafter ist als in irgend einem Teile der Botanik. Vielfach sind aber Probleme und Methoden schon heute unmittelbar gegeben, so daß es nur eine Sache des Arbeitseifers ist, unser Wissen erheblich zu ver- VI Vorwort. mehren. Die vielen Hinweise in dem vorliegenden Buche mögen daher zu rüstiger Arbeit anspornen. Der ungewöhnhche Umfang der einschlägigen Literatur bringt es mit sich, daß ich nicht hoffen darf, allerorts sämtiiche wichtigen Arbeiten zitiert zu haben. Auch möge aus dem Unterbleiben mancher Zitate nicht auf eine Minderwertigkeit der betreffenden Arbeiten geschlossen werden. Die Bearbeitung eines an Kontroversen so reichen Gebietes bringt es leider mit sich, daß man manches Ding gegen die persönliche Überzeugung im Geiste der gegenwärtig allgemein angenommenen An- schauung darzustellen gezwungen ist, oder daß man sich objektiv refe- rierend verhält, wo man gern Kritik anbringen möchte. Vollständig ißt die Literatur bis Juli 1904 berücksichtigt, doch sind auch später er- schienene Arbeiten, soweit es möglich war, während des Druckes mit einbezogen worden. Trotz aller aufgewendeter Sorgfalt dürften irrtüm- liche Angaben an verschiedenen Stellen nicht fehlen. Je brauchbarer sich das Werk erweisen sollte, desto mehr bittet der Verfasser ihn brieflich oder durch Rezensionen auf Fehler und Lücken aufmerksam zu machen, damit letztere, später, etwa in einem Ergänzungshefte, soweit als mögUch gut gemacht werden können. Der Umfang des Buches ist bedeutend größer geworden, als ur- sprünglich in Aussicht genommen war. Der IL Band, dessen Druck- legung eben begonnen hat, wird mit dem Abschlüsse des Werkes die nötigen Sach- und Namenregister sowie die Literaturnachträge bis Ende 1904 bringen. Herrn Dr. Gustav Fischer spreche ich für sein liebenswürdiges Entgegenkommen und seine OpferwiUigkeit bei der Übernahme des Ver- lages und bei der Ausstattung des Buches meinen aufrichtigen Dank aus. Prag, am 1. November 1904. F. Czapek. Vorwort zur zweiten Auflage. Die Herausgabe der ersten Auflage dieses Werkes fiel in eine Zeit, die durch das allseits wachgewordene Interesse für pflanzenbio- chemische Forschung sowie durch den Mangel an umfassenden Uterarischen Behelfen für die Grenzgebiete von Pflanzenphysiologie und Chemie für die Aufnahme des Buches sehr günstig war, so daß nicht nur die gesamte Auflage, sondern auch ein anastatischer Neudruck derselben seit einer Reihe von Jahren aus dem Buchhandel verschwunden ist. Wenn der Verfasser nun daran ging, für das vergriffene Werk einen auch die neuen Fortschritte unserer Wissenschaft berücksichtigenden Ersatz zu schaffen, so bedurfte dies neuerlich mehrjähriger angestrengter Arbeit, da nur eine eingreifende Neubearbeitung der meisten Abschnitte dem jetzigen Stande der Kentnisse entsprechen konnte. Die Stellung des Werkes ist in mancher Hinsicht gegenwärtig günstiger, in anderer Richtung aber schwieriger als vor 9 Jahren. Vorwort. VII Damals konnte noch einer der Rezensenten sagen, daß die tierphysio- logische Literatur ein Buch von gleichem Ziele nicht besitzt. Heute verfügen wir über eine ganze Anzahl prächtiger Sammelwerke, welche das Arbeiten ungemein erleichtern und die auch dem Verfasser des vor- liegenden Buches bei der kritischen Sichtung des Materiales außer- ordentlich wertvolle Dienste geleistet haben. Nach dem Erscheinen des großen Handbuches der Biochemie des Menschen, welches Oppenheimer herausgegeben hat, folgten die vielbändigen Kompendien, die unter Abderhaldens Ägide erschienen sind, vor allem das unentbehrliche „Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden", weiter das „Biochemische Handlexikon", welches in mehreren Artikeln für den Pflanzenbiochemiker ein schätzenswertes Hilfsmittel darstellt. Für den Botaniker wichtig ist die mit enormem Fleiße und größter Gewissenhaftigkeit zusammengetragene Darstellung der Pflanzenstoffe von Wehmer, welche jeder Physiologe voll würdigen wird, der erfahren hat, wie wenig verläßlich die Wiedergabe der botanischen Benennung in chemischen Schriften ist. Neuestens haben wir noch in Tunmanns Werk eine sehr gute und kritische Behandlung der Pflanzenmikrochemie er- halten. Von kürzeren orientierenden Lehrbüchern verfügen wir bisher über Eulers Grundlagen der Pflanzenbiochemie und Gräfes Lehrbuch der Biochemie. Diese reiche Literatur erleichterte mir meine große kritische Aufgabe nicht wenig. Auch schien mir jetzt der von mehreren Seiten ausgesprochene Wunsch, die Darstellung der biochemischen Methoden in dem vorliegenden Buche erweitert zu sehen, nicht mehr so dringlich, wie früher, da in Abderhaldens „Arbeitsmethoden" das meiste pflanzen- biochemisch wichtige Methodenmaterial in ausgedehnter Bearbeitung vor- liegt. Das gleiche gilt von den mikrochemischen Methoden, welche durch Tünmann dargestellt worden sind. Ferner entschloß ich mich, in Hinblick auf Wehmers Zusammenstellung, die in der ersten Auflage dieses Buches oft weitläufig gegebenen analytischen Tabellen, z. B. jene über die Zu- sammensetzung der bisher näher untersuchten Pflanzenfette, wegzulassen, um Raum für wichtige neue Darstellungen zu gewinnen, ohne den Umfang des Werkes übermäßig anschwellen zu lassen. Auch sonst dürften die Besitzer der ersten Auflage dieses Buches manche Darlegungen und Literaturangaben in der vorliegenden Neu- bearbeitung nicht mehr wieder finden, so daß die erste Ausgabe des Buches ihren Quellenwert bis zu einem gewissen Maße beibehalten wird. In der Anordnung des Stoffes ist eine Reihe von Änderungen vor- genommen worden, welche mir im Interesse der Übersichtlichkeit praktisch erschienen sind. Die Aufnahme der chemischen Reizerscheinungen in die allgemeine Biochemie, wohin dieses Kapitel unstreitig gehört, hatte auch den äußerlichen Vorteil, daß nunmehr der I. Band etwa den gleichen Umfang wie der II. Band der ersten Auflage besitzt, und es nicht zu befürchten steht, daß der noch ausstehende IL Band zu um- fangreich werden wird. Die trotz der außerordentlich bedeutenden Masse der neu zu verarbeitenden Literatur relativ geringe Vermehrung der Bogenzahl hat sich nicht ohne Mühe einhalten lassen. Eine Erweiterung konnte namentlich in der Darstellung der für die Biochemie so wichtigen allgemeinen Kapitel über Kolloide und Reaktionskinetik nicht ver- mieden werden. Im übrigen ist die Behandlung des Stoffes dieselbe geblieben. Ich hielt es nach wie vor für das beste, das Gewand der referierenden VIII Vorwort. Darstellung im großen und ganzen beizubehalten, und unter Vermeidung offener Polemik und scharfer Kritik, meine persönliche Meinung für den Fachmann erkenntlich durchschimmern zu lassen. Ich fürchte nicht, daß ein Sachkundiger deswegen darin den Anschein kritikloser Kompi- lation erblicken könnte. Auf die Korrektur des Satzes wurde die größte Sorgfalt verwendet, und ich bin meinem Assistenten, Herrn Dr. K. Boresch, Frl. E. Lie- BALDT und Frl. Dr. H. Nothmann-Zuckerkandl für die unermüdliche Unterstützung hierbei zu vielem Danke verpflichtet. Frl. Liebaldt verdanke ich ferner die Herstellung der Kopien für einige Textfiguren. Trotzdem konnte es nicht verhütet werden, daß eine bedauerliche Unrichtigkeit im Texte auf p. 21, die Membranbildung bei Sporen und Pollenkörnern betreffend, unseren wachsamen Augen entgangen ist. Da sich dieser Fehler nicht mehr anders gutmachen ließ, wolle diese Stelle auf Grund der Berichtigungen vor dem Gebrauche des Buches ver- bessert werden. Für die zahlreichen brieflichen Winke und Ratschläge, welche mir nach dem Erscheinen der ersten Auflage zugingen, bin ich' vielen Kollegen großen Dank schuldig. Vor allem möchte ich den seither verstorbenen Fachgenossen ein dankbares Wort der Erinnerung weihen, Leo Errera und ErNst Schulze, welche beide wiederholt ihr warmes Interesse an meiner Arbeit durch briefliche Ratschläge und Zusendung von Hilfsmitteln aller Art bekundet haben. Sodann bin ich den ver- ehrten Kollegen G. Berthold, Gl. Fermi, H. Fischer, Percy Groom, L. JosT, Ad. Mayer, Arth. Meyer, Th. B. Osborne, E. Pantanelli, A. Tschirch, J. V. Wiesner, E. Winterstein und W. Zaleski für ihre freundliche Unterstützung zu Dank verpflichtet. .Während die erste Auflage noch mit einem Chaos in der wissen- schaftlichen Orthographie zu kämpfen hatte, konnte sich die vorliegende Neubearbeitung bereits nach den Vereinbarungen richten, welche in Dr. Hubert Jansen, Rechtschreibung der naturwissenschafthchen und technischen Fremdwörter, Berlin, Langenscheidtsche Verlagsbuchhandlung, 1907, der Öffentlichkeit übergeben worden sind. Konform mit den Publikationen der deutschen chemischen Gesellschaft und den meisten chemischen Fachzeitschriften hält sich das Buch streng an die für den fachwissenschaftlichen Gebrauch bestimmte „gelehrte Schreibung". Es wäre zu begrüßen, wenn in der botanischen Literatur gleichfalls ein einheitliches Vorgehen erzielt werden könnte. Wenn es mir vergönnt ist, meine Arbeitsdispositionen durchzu- führen, so wird der IL Band im Jahre 1915 der Öffentlichkeit über- geben werden. Zum Schlüsse erfülle ich noch die angenehme Pflicht, meinem hochgeehrten Herrn Verleger, Herrn Dr. Gustav Fischer, für die Bereitwilligkeit, mit welcher er auf meine Wünsche hinsichtlich der Umgestaltung des Buches eingegangen ist, meinen aufrichtigen Dank zu sagen. Müritz (Meckl.), im August 1913. F. Czapek. Inhaltsverzeichnis. Seite Geschichtliche Einleitung. Die Ernährungslehre der Pflanzen im Altertum p. 1; ihre Pflege im Mittel- alter p. 1; die iatrochemische Periode p. 2; Gaesalpino und Jungius p. 2; die Bedeutung van Helmonts p. 2; Robert Boyle p. 4; Marcello Malpighi p. 4; die Bedeutung von G. E. Stahl für die Biochemie der Pflanzen p. 5; Boerhave p. 6; die Erforschung der Pflanzenaschenstoffe im 18. Jahrhundert p. 6. Jos. Blacks Arbeiten über Kohlensäure und Atmung p. 7. Priestleys Entdeckung der Sauerstoffausscheidung durch grüne Gewächse im Licht p. 7. Lavoisier und seine Rolle als Reformator in der Biochemie p. 9. Ingen-Housz und Senebier p. 10. C. W. Scheeles Entdeckungen p. 12. Saussures Untersuchungen über die Vegetation p. 13. Die Entwicklung der Biochemie im 19. Jahrhundert p. 14. Ber- ZELius, Liebig und Woehler: die Ausbildung der organischen Chemie p. 14. BoussiNGAULT und seine vergleichenden chemischen Stoffwechselstudien im Vegetationsgange der Gewächse p. 15. Die Funktion der Aschenstoffe p. 16. Enzyme und Katalyse p. 16. Die Entdeckung der Gärungs- und Fäuiniserreger p. 16. Die Begründung der Physiologie der Mikroorganismen durch Pasteur p. 17. Die vielseitige Anregung, welche die Biochemie durch die modernen chemischen Disziplinen erfährt p. 17. Der Einfluß und Nutzen der Tier-Biochemie p. 18. Allgemeine Bipchemie. Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Voi^änge im lebenden Organismus. § 1. Das Protoplasma und seine Stoffe 20 Zustandseigenschaften und Vorgangseigenschaften desselben p. 20. Be- griff des Protoplasmas; Historisches p. 21. Analysen von Protoplasma p. 22. Komplexer Aufbau desselben p. 23. § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide 24 Historisches p. 24. Sole und Gele p. 25. Herstellung und Eigenschaften der Sole p. 26. Tyndall-Phänomen p. 28. Ultramikroskop p. 29. Teilchen- größe p. 30. Suspensoide und Emulsoide p. 31. Grobe Suspensionen p. 32. Ausflockung p. 33. Amikronische Kolloide p. 35. Aussalzen p. 36. Gelati- nieren und Koagulieren p. 57. Schutzkolloide p. 39. Semikolloide p. 40. § 3. Fortsetzung: die Gele und die Adsorptionserscheinungen 40 Eigenschaften der Gele p. 40. Quellung p. 41. ] Hysteresis p. 44. j Adsorp- tion p. 44. Adsorptionsgesetze p. 46. § 4. Protoplasmastrukturen und ihre biochemische Bedeutuug 50 Hyalo- und Polioplasma p. 50. Netzstrukturen p. 51. Emulsionsartiger Auf- bau p. 52. Plasmatheorien p. 52. Aggregatzustand p. 53. Plasmastrukturen und Diosmose p. 54. Plasmolyse p. 55. Semipermeabilität p. 56. Over- TONs Lipoidtheorie der Plasmahaut p. 58. Bau der Plasmahaut p. 59. Elektroendosmose p. 61. Passieren von Kolloiden p. 62. Oberflächen- schicht und Oberflächenspannung im lebenden Protoplasma p. 62. Das Zellplasma als Organismus p. 64. Stofftheorien und Maschinentheorien p. 65. Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lel)enden Pflanzenorganismus. § 1. Über die Reaktionsbedingungen 66 Die Notwendigkeit steter stofflicher Wechselwirkungen mit der äußeren Umgebung p. 66. Autolyse p. 68. Temperatureinflüsse p. 69. Aggregat- zustand p. 70. Trennungs- und Mischungsprozesse p. 70. I 0>V I X Inhaltsverzeichnis. Seite § 2. lonenreaktionen in der lebenden ZeUe 71 Vorkommen, Aufnahme ionisierter Stoffe p. 71. Neubildung von Ionen p. 73. Hydrolytische Spaltungen p. 74. Messung der Wasserstoffionen- konzentration p. 75. Ionisation und Diosmose p. 77. § 3. Reaktionsgeschwindigkeit 77 Einfluß kolloider Medien p. 77. Gesetze des Reaktionsverlaufes p. 78. Uni- molekulare Reaktionen p. 78. Bimolekulare Reaktionen p. 79. Umkehr- bare Reaktionen p. 80. Nebenreaktionen p. 81. Temperatur und Reaktions- geschwindigkeit p. 81. Temperaturoptima p. 82. Reaktionen in hetero- genen Systemen p. 83. § 4. Katalyse 84 Begriffsbestimmung der Katalysatoren nach Ostwald p. 84. Historisches p. 84. Unterschied von Auslösungsvorgängen p. 85. Negative Katalysen p. 86. Päralysatoren p. 86. Einfluß der Quantität des Katalysators p. 87. Autokatalyse p. 88. Begrenzung des Wirkungskreises der Katalysatoren p. 89. Erklärung der, Katalysen p. 90. Katalysen in heterogenen Systemen p. 91. Periodische Katalyseneffekte p. 93. Mikroheterogene Katalysen p. 94. Vergiftungsähnliche Erscheinungen bei Platinsol p. 94. § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme 95 Enzyme sind nur Katalysatoren p. 95. Historisches p. 96. Stoffliche Eigenschaften der Enzyme p. 97. Kolloide Eigenschaften von Enzymen p. 98. Herstellung von Enzympräparaten p. 100. Sekretionsenzyme und Endoenzyme p. lOL Spezifische Wirksamkeit p. 102. Systematik der Enzymwirkungen p. 104. Temperatureinflüsse p. 106. Lichtwirkungen auf Enzyme p. 109. Enzymgifte p. 110. Antienzyme p. 112. Förderung von Enzymwirkungen durch chemische Stoffe p. 113. Kofermente p. 115. § 6. Enzyme, Fortsetzung: Kinetik der Enzymreaktionen 115 Enzymkonzentration und Wirkung p. 116. ScHÜTZsche Regel p. 117 Falsches Gleichgewicht p. 118. Substratkonzentration und die Ge- schwindigkeit von Enzymreaktionen p. 119. Reversion von Enzym- reaktionen t». 121. Profermente oder Zymogene p. 125. § 7. Immunreaktionen' 127 Antigene p. 127. Bacteriotoxine p. 128. Endotoxine p. 128. Hämolysine p. 131. Aggressine p. 131. Autotoxine p. 132. Phytotoxine p. 132. Agglu- tination p. 134. Präcipitinreaktionen p. 135. § 8. Fortsetzung: Die Kipetik der Immunreaktionen 137 Immunreaktionen sind von Fermentreaktionen verschieden p. 138. Die EHRLicHsche Seitenkettentheorie p. 138. Toxin-Antitoxinreaktion p. 139. Amboceptoren und Komplemente p. 141. Komplementablenkung p. 143. Kinetik der Agglutininreaktion p. 144. Präcipitinreaktionen p. 145. Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. § 1. Einleitung 147 Nähreffekte und Reizeffekte p. 147. Historisches p. 148. Stimulations- wirkungen p. 149. Giftwirkungen p. 150. Adsorptionswirkungen hierbei p. 151. Resistenz gegen Gifte p. 152. Gewöhnung an Gifte p. 153. Ein- teilung der Giftwirkungen p. 164. § 2. Chemische Reizerfolge bei der Alkoholgärung . 165 § 3. Chemische Reizerfolge auf die Sauerstoffatmung 158 § 4. Chemische Reizerfolge auf die Kohlensäureassimilation 160 § 5. Chemische Reizerfolge auf Protoplasmaströmung 161 § 6. Chemische Reizerfolge bei Kern- und Zellteilung 162 § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung der Gestalt. Inorganische Reizstoffe 163 Geschichtliches p. 164. Allgemeine Verbreitung stimulierender Effekte p. 164. Chemische Reizwirkungen auf Keimung von Sporen und Samen p. 166. Verdünnungsgrenzen p. 167. Der Verteilungssatz p. 168. Wir- kungen von Ionen und Molekülen p. 169. Osmotische Reize p. 172. Wir- kungen des Wasserstoffions p. 173. Giftwirkung von Laugen p. 176. Neutralsalze p. 178. Reine Metalle p. 178. Antagonistische lonenwirkungen p. 179. Erdalkalien p. 181. Kationen der Eisengruppe p. 182. Kupfer- gruppe p. 184. Quecksilber p. 187. Silber p. 187. Edelmetalle p. 189. InhaltsTerzeichnis. XI Seite Nichtmetalle p. 189. Arsen, Phosphor, Stickstoff p. 190. Schwefel p. 191. Halogene p. 193. Bor p. 194. § 8. Fortsetzung: Wachstumsreize durch Kohlenstoff Verbindungen 195 Kohlensäure, Kohlenoxyd p. 195. Blausäure p. 196. Die Narkotica p. 197. Theorie von Overton und H. H. Meyer p. 198. Untersuchungen von H. NoTHMANN. Erstickungshypothese der VERWORNSchen Schule p. 200. Atmolyse p. 201. Alkoholwirkung p. 201. Chloroform, Formaldehyd p. 202. Organische Säuren p. 203. Harnstoff, Coffein, Cyclische Kohlen- wasserstoffe p. 204. Teerfarbstoffe p. 206. Terpene und ätherische öle p. 207. Pflanzenalkaloide p. 208. § 9. Chemische Reizerfolge auf die Form der Pflanze . 210 Chemomorphosen p. 210. Bacterien und Pilze p. 211. Algen p. 214. Moose, Farne, Phanerogamen p. 216. Einflüsse auf Ausbildung des Geschlechtes p. 217. Gallen p. 218. § 10. Chemische Reizerfolge beim Befruchtungsyorgane 218 Historisches p. 218. Loebs Untersuchungen über Parthenogenesis p. 219. Spermaenzyme? p. 220. Hertwigs Arbeiten p. 221. Ermöglichung von Fremdbefruchtung p. 222. § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen 222 Reizwirkungen an den Tentakeln von Prosera p. 223. Chemonastie bei Ranken p. 224. Mimosa, Chemotropismus p. 225. Chemotaxis p. 226. Gal- vanotaxis p. 233. Biologische Bedeutung der Chemotaxis p. 234. Viertes Kapitel: Chemische Anpassungs- und Vererbungserscheinungen . 234 Spezielle Biochemie. I. Teil: Die Saccharide im Stoffwechsel der Pflanze. Abschnitt 1: Allgemeine Verhältnisse. Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuclcerarten. § 1. Allgemeine Orientierung 240 Wichtigkeit des Traubenzuckers p, 240. Geschichte der Chemie der Zucker- arten p. 241. Synthese des Traubenzuckers p. 245. Gewinnung der stereo- isomeren Hexosen p. 246. Pentosen und Tetrosen p. 247. Übersicht der Zuckerarten p. 248. § 2. Kurze Charakteristik der natürlichep Zuckerarten und Zuckeralkohole; Methodische Hinweise 252 A. Die in Pflanzen vorkommenden Aldohexosen, Traubenzucker p. 252. Glucuron p. 256. d-Mannose p. 264. d-Galactose p. 266. B. Ketohexosen, d-Fructose p. 266. d-Sorbose p. 267. C. Pentosen p. 268. D. Methylpentosen p. 270. E. Tetrosen p. 272. F. Zuckeralkohole, Erytbrit p. 272. Adonit, Sorbit p. 273. Idit und Mannit p. 274. Dulcit p. 274. Perseit p. 275. § 3. Verbindungen der Zuckerarten 275 Aminozucker p. 275. Ester der Zuckerarten, Phosphorsäureester und deren Enzyme p. 277. Die stereoisomeren Glucoside p. 278. Natürliche Glucoside p. 280. § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate .....' 281 Polysaccharide p. 281. Hydrolyse. Freie Aldehydgruppen p. 283. Konsti- tution p. 284. A. Disaccharide. Vicianose. Saccharose p. 284, Trehalose p. 287. Maltose p. 288. B. Trisaccharide. Raffinose p. 289. Melezitose p. 291. C. Tetrasaccharide. Stachyose p. 291. § 6. Anhang: Bildung von Huminstoffen aus Zucker 292 Historisches p. 292. Hoppe- Seylers Arbeiten p. 293. Huminstoffe der Ackererde p. 294. Humussäuren p. 295. Abschnitt 2: Die Saccharide im Stoffwechsel der niederen Pflanzen. Sechstes Kapitel: Zuclier und Kohlenhydrate bei Pilzen und Bacterien. § 1. Zuckeralkohole, Hexosen und Hexobiosen 296 Mannit p. 297. Sorbit, Volemit, Glucose, Trehalose p. 298. Umsatz p. 299. XII Inhaltsverzeichnis. Seit« § 2. Kohlenhydrate; Glykogen 300 Glykogen, Vorkommen p. 300. Hefeglykogen p. 301. Eigenschaften p. 302. Umsatz p. 303. Andere Kohlenhydrate p. 304. Cellulinkörnchen p. 305. § 3. Kohlenhydrate bei Bacterien 305 ,, Amidon amorphe" p. 306. Paraglykogen p. 305. Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zuclier und Kolilenhydraten durch Pilze und Bacterien. § 1. Einleitung. Resorption von Zuckeralkoholen 306 Resorption von Reservestoffen und von außen dargereichten Materialien p. 306. Enzyme als Mittel zur Erreichung dieser Nahrungsquellen p. 307. Resorption von Mannit durch Bacterien p. 308. Mannit bei höheren Pilzen p. 309. Stoffwechselprodukte p. 310. Mannitgärung p. 310. § 2. Verarbeitung von Hexosen und Pentosen 311 Differenzen in der Eignung p. 311. Saccharophile und saccharophobe Orga- nismen p. 312. Produkte der Zuckerspaltung p. 313. § 3. Die Alkoholgärung 316 Verbreitung p. 316. Vergärbarkeit der einzelnen Zucker p. 318. Zucker- konzentration p. 319. Günstigste Temperatur p. 320. Gärungsprodukte p. 321. Hemmung durch Alkohol p. 322. Glycerin p. 324. Bernsteinsäure, Acetaldehyd p. 324. Andere Produkte p. 326. Höhere Alkohole p. 326. Die Zymase p. 328. Wirkung von Kofermenten und von Alkaliphosphaten p. 330. Hexosephosphorsäureester p. 331. Reaktionsgesetz p. 332. Theorien der Alkoholgärung p. 333. Einfluß der Sauerstoffzufuhr p. 336. Hemmung durch Gifte p. 337. § 4. Milchsäuregärung 338 Historisches p. 339. Verbreitung p. 339. Die isomeren Milchsäuren p. 340. Nachweis der Milchsäure p. 341. Materialien der Milchsäuregärung. Stoff- wechselprodukte p. 344. Natur der Milchsäuregärung, p. 345. Einfluß von Temperatur und Sauerstoff p. 346. Gärkraft der Bacterien p. 346. Hem- mende und aktivierende Wirkungen p. 346. § 5. Andere, weniger bekannte Zuckerspaltungen , 347 Schleimgärung p. 347. Citronensäuregärung p. 349. Oxalsäuregärung p. 350. Fruchtätherbildende Hefen, Pilze und Bacterien p. 350. § 6. Verarbeitung von zusammengesetzten Zuckerarten und Glucosiden. . . 361 Die hierbei vorkommenden Enzymwirkungen p. 351. Rohrzuckeraufnahme, Invertin p. 352. Verbreitung invertierender Enzyme p. 353. Darstellung von Invertin p. 355. Eigenschaften des Hefeinvertins p. 356. Kinetik und Reversionswirkung p. 358. Verarbeitung von Maltose : Maltase p. 359. Trehalase, Melibiase p. 361. Lactasen p. 362. Glucosidspaltungen p. 363. Emulsin p. 364. Verarbeitung von Trisacchariden p. 366. § 7. Verarbeitung hochzusammengesetzter Kohlenhydrate 365 Stärkeverarbeitung durch Bacterien und Pilze p. 366. Diastase bei Pilzen und Bacterien p. 368. Glykogenverarbeitung p. 369. Inulinverarbeitung p. 370. Zellwandkohlenhydrate p. 370. Cellulosegärung p. 371. Mefhan- gärung und Wasserstoffgärung p. 372. Verarbeitung von Hemicellulosen und Pentosanen p. 373. Agarverflüssigung, Gelase p. 373. Cytase und Pectosinase bei höheren Pilzen p. 374. Holzzerstörende Pilze, Hadromase p. 375. Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen und Bacterien. § 1. AJlgemeines 376 Physiologische Eignung von Kohlenstoffverbindungen als wechselnde Eigenschaft p. 376. Differenzen zwischen isomeren Verbindungen p. 377. Elektive Verarbeitung racemischer Verbindungen p. 378. § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen 379 Methodisches p. 379. ökonomischer Koeffizient p. 380. Verarbeitung von Carbonaten, Formaldehyd p. 380. Methan, Methylalkohol, Ameisensäure p. 381. Äthylalkohol und Essigsäure p. 381. Höhere aliphatische Ver- bindungen, organische Säuren p. 383. Stoffwechselprodukte p. 384. Kohlensäureabspaltung aus Ketonsäuren, Carboxylase p. 385. Amino- säuren, Glycerin p. 386. Ureide, hydroaromatische Verbindungen p. 387. Sprengung des Benzolringes p. 388. Huminstoffverarbeitung p. 388. Inhaltsverzeichnis. XlII Seite Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. § 1. Speicherung von Kohlenhydraten bei Algen 389 Paramylumkörner, Leucosin p, 389. Bei Cyanophyceen p. 390. Bei Flori- deen und Braunalgen p. 391. § 2. Resorption von Kohlenhydraten und Kohlenstoffgewinnung durch Algen 392 Ernährung grüner Algen mit Zucker p. 392. Resorption anderer organischer Stoffe p. 393. Anhang: Bemerkungen über den Kohlenhydratstoffwechsel bei Moosen und Farnen p. 395, Abschnitt 3: Die Saccharide im Stoffwechsel der Blütenpflanzen. Zehntes Kapitel: Der Reservekohlenhydrate der Samen. § 1. Zuckerarten , 395 Saccharose p. 396. Raffinose p. 397. § 2. Stärke 397 Vorkommen p. 397. Quantitative Verhältnisse p. 398. Darstellung reiner Stärke p. 399. Bau und Entstehung der Stärkekörner p. 400. Physikalische Eigenschaften p. 401. Theorien über den Bau der Stärkekörner p. 402. Allgemeine chemische Eigenschaften p. 404. Jodstärke p. 407. Die Kohlen- hydrate der Stärkekörner p. 408. Amylose, Amylopektin p. 410. Hydro- lytischer Abbau der Stärke durch Säuren p. 411. Amylodextrin p. 412. Endprodukte der Hydrolyse p. 413. Konstitution der Stärkekohlenhydrate p. 414. Quantitative Stärkebestimmung p. 416. . § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen 417 Amylan, Secalose p. 417. Mannan, Carobin, Reservecellulose p. 418. Amy- loid p. 419. Produkte der Hydrolyse von Reservecellulosen p. 420. Elftes Kapitel: Die Resorption von Zucker und Kohlenhydraten bei keimenden Samen. § 1. Resorption der einfachen und zusammengesetzten Zuckerarten 422 Alkoholgärung des Traubenzuckers bei Sauerstoffmangel p. 422. Umsatz von Rohrzucker p. 424. Invertin in Keimlingen p. 425. Maltose p. 426. Secalose p. 426. § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen und die hierbei tätigen Enzyme 426 Der Fortgang der Stärkelösung bei der Keimung p. 427. Diastase in ruhenden und keimenden Samen p. 428. Verteilung der Diastase in keimenden Samen p. 430. Zymogen; Diffusion der Diastase p. 431. Darstellung und chemische Eigenschaften der Diastase p. 432. Messung der amylolytischen Wirksam- keit p. 434. Temperatureinfluß p. 435. Einfluß von Wasserstoffionen und Neutralsalzen p. 437. Die Kinetik der Diastasewirkung p. 439. Ist die Diastase ein Enzymgemisch? p. 439. Abbauprodukte der diastatischen Stärkehydrolyse p. 441. Isomaltose p. 443. Maltose als Endprodukt p. 444. § 3. Resorption der Reservecellulosen bei der Keimung 445 Der Lösungsvorgang p. 445. Cytase p. 446. Die entstehenden Produkte p. 447. § 4. Resorption von Zucker und Kohlenhydraten bei künstlich ernährten Embryonen 448 Zwölftes Kapitel: Die Bildung der Reservekohlenhydrate in Samen. . 449 Fortgang der Stärkeablagerung p. 450. Die Kohlenhydrate unreifer Ge- treidesamen p. 451. Amylokoagulase p. 452. Dreizehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel unterirdischer Speicherorgane. § 1. Die in unterirdischen Speicherorganen vorkommenden Zuckerarten . . . 453 Zuckeralkohole, Hexosen, Rohrzucker p. 453. Raffinose p. 455. Gentianose, Cyclamose, Stachyose, Lactosin p. 456. Asparagose p. 457. § 2. Die Polysaccharide der Inulingruppe 457 Inulin, Verbreitung, Historisches p. 458. Eigenschaften p. 459. Begleit- stoffe p. 460. Sinistrin, Triticin, Graminin p. 461. § 3. Stärke in unterirdischen Speicherorganen. Vorkommen von Mannan . . . 461 Verhältnisse der Stärkekörner in unterirdischen Rhizomen und Knollen p. 462. Verbreitung, Analytisches p. 463. Dextrane, Mannane p. 463. Galactan, Reservecellulose p. 464. XIV Inhaltsverzeichnis. Seite § 4. Veränderungen der Kohlenhydratreserven während der Ruhezeit von Speicherorganen 465 Das Süßwerden abgekühlter Kartoffeln p. 465. § 5. Die Resorption der Reservekohlenhydrate beim Austreiben von Speicher- organen 466 Künstliche Entlerung p. 466. Resorption von Stärke, Inulin p. 467. § 6. Die Ausbildung der Reservekohlenhydrate in Speicherorganen 468 Entleerung und Neufüllung p. 468. Zuckerbildung in der Zuckerrübe p. 469. Anhäufung von Stärke und Inulin p. 470. Vierzehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel in SproOorganen und Laubknospen. § 1. In Sprossen vorkommende Kohlenhydrate 471 Mannit, Dulcit, Traubenzucker p. 472. Saccharose p. 473. Raffinose, Stachyose, Stärke p. 474. Inulin, Reservecellulose p. 475. § 2. Resorption und Bildung der Reservekohlenhydrate in Sproßorganen 475 § 3. Die Verhältnisse in Laubknospen 477 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. § 1. Die Bedeutung der Stärke in Laubblättern 478 Historisches p. 478. Arbeiten von Jul. Sachs p. 479. Stärkefreie Chloro- plasten p. 481. Künstliche Stärkebildung durch Zuckerzufuhr p. 482. Die Blätterstärke im Winter p. 483. Quantitative Daten p. 484. § 2. Lösung der Chloroplastenstärke und Transport des Zuckers aus den Blättern 485 Amylolytische Enzyme der Blätter p. 485. Zuckergehalt von Laubblättern p. 486. Die sogenannte transitorische Stärke p. 488. Verhalten der Kohlen- hydratreserven beim Laubfall p. 489. Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflanzungssystem. § 1. Pollenkörner 489 § 2. Kohlenhydrate in Früchten 490 Analytische Daten p. 490. Veränderungen des Zuckergehaltes in reifenden Früchten p. 492. Invertin p. 493. Siebzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel bei phanerogamen Parasiten und Saprophyten. ChlorophyUführende Parasiten und Saprophyten p. 494. Enzymsekretion p. 495. Reservestoffablagerung p. 496. Achtzehntes Kapitel: Resorption von Kohlenstoffverbindungen durch Wurzeln und Blätter von Phanerogamen. § 1. Wurzeln 497 Resorption von Zuckerlösungen p. 497. Andere Kohlenstoffverbindungen p. 498. Enzymproduktion p. 499. § 2. Blätter und Laubsprosse 499 Blätter bilden Stärke auf Zuckerlösungen p. 499. Dazu verwendbare Zuckerarten p. 500. Neunzehntes Kapitel: Sekretion von Zucker und Kohlenhydraten. § 1. Physiologische Vorkommnisse 501 Nectarien, Sekretionsmechanismus p. 501. Vorkommende Zuckerarten p. 502. Zuckerbildung in Nectarien p. 503. § 2. Pathologische Sekretionsvorgänge 504 Honigtau und dessen Bestandteile p. 504. Abschnitt 4: Die photochemische Zuckersynthese in der Pflanze. Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeitung und Zuckersynthese im Chlorophyllkom. § 1. Einleitende und historische Betrachtungen 506 Funktion und Bau der Assimilationsorgane p. 506. Malpighi, Priestley, Ingen-Housz p. 507. Senebier und Saussure p. 509. Forschungen im 19. Jahrhundert p. 510. Sachs p. 511. § 2. Der Gaswechsel bei der Kohlensäureassimilation 512 Die Kohlensäure der atmosphärischen Luft p. 512. Die Eintrittspforten der Kohlensäure in die Blätter p. 514. Die von Landpflanzen aufgenommene Inhaltsverzeichnis. XV Seite Kohlensäure stammt aus der Luft p. 517. Die Kohlensäureversorgung der Wasserpflanzen p. 518. Die Abgabe von Sauerstoff im Sonnenlicht p. 520. Werden noch andere Gase abgegeben? p. 522. Das quantitative Verhältnis der Menge der aufgenommenen Kohlensäure und des abge- gebenen Sauerstoffes p. 522. Die Verarbeitung von Wasser im Assimila- tionsprozesse p. 524. Die Beschaffung von Kohlensäure auf Kosten orga- nischer Säuren bei Succulenten p. 524. Ist die Kohlensäure bei der Assimilation durch andere gasförmige Kohlenstoffverbindungen ersetz- bar? p. 526. § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation 527 A. Konzentration der dargereichten Kohlensäure p. 527. B. Konzen- tration des zur Verfügung stehenden Sauerstoffes p. 529. Sauerstoff- mangel p. 530. C. Einfluß des Lichtes. Ergrünen im Dunkeln p. 531. Minimale Lichtintensität p. 532. Limitierende Faktoren p. 534. Schatten- pflanzen p. 535. Wirkung verschiedener Strahlengattungen p. 537. Opti- mum im Rot p. 538. Das blaue Himmelslicht p. 540. Die submarinen Algen p. 541. D. Einfluß der Temperatur p. 542. E. Einfluß des Wasser- gehaltes der Pflanzen p. 543. F. Einfluß des Salzgehaltes des Mediums p. 544. G. Einfluß der Ansammlung von Assimilationsprodukten oder von künstlicher Zuckerdarreichung. H. Einfluß von Wasserströmungen. I. Einfluß von elektrischen Strömen p. 546. K. Einfluß des Lebensalters. L. Einfluß von Narkoticis und von anderen chemischen Substanzen p. 547. Wirkung von Formaldehyd p. 549. § 4. Die Chloroplasten als Assimilationsorgane 549 Historisches p. 549. Struktur der Chloroplasten p. 550. Vermehrung p. 551. Rolle von Farbstoff und Stroma p. 552. Inaktive Chloroplasten p. 553. Panaschüre p. 554. Chlorose p. 555. § 5. Die Pigmente der Chloroplasten 555 Allgemeine und historische Bemerkungen p. 555. Chlorophyllbegriff p. 556. Chlorophyllan p. 557. Koexistenz und Abtrennung der einzelnen Chloroplastenpigmente p. 558. Tswetts und Willstätters Methoden p. 559. Esternatur der Chlorophylle p. 560. Chlorophyllase p. 561. Physi- kalische Eigenschaften des Blattgrüns p. 561. Verfärbung am Licht p. 562. Fluorescenz p. 563. Absorptionsspektrum p. 565. Quantitative Lichtabsorption p. 566. Die chemischen Eigenschaften der Clilorophyll- modifikationen p. 568. Phytol, Phaeophytin p. 569. Phylloxanthin, Phyllocyanin von Fhemt p. 570. Phytochlorine und Phytorhodine Will- stätters p. 571. BoRODiNs „krystallisiertes Chlorophyll" p. 571. Alka- chlorophyll, ChlorophyUine p. 572. Glaukophyllin, Rhodophyllin p. 573. Porphyrine p. 574. Pyrrolkerne im Chlorophyll p. 575. Chlorophyll und Hämin p. 576. ChlorophyUogen; quantitative Chlorophyllbestimmung p. 577. Farbstoffe in etiolierten Blättern p. 579. Protochiorophyll p. 580. Die Farbstoffe der herbstlich vergilbten Blätter p. 581. Die winter- liche Rötung mehrjähriger Laubblätter p. 582. Die gelben Begleitfarbstoffe des Chlorophylls in den Chloroplasten p. 583. Xanthophyll p. 584. Mikro- skopischer Nachweis p. 585. § 6. Farbstoffe aus der Gruppe der Anthoc5'anine in chlorophyllführenden Pflanzenteilen 586 Historisches p. 586. Reaktionen p. 587. Weinrot und Rübenrot p. 588. Neuere chemische Untersuchungen Ton Gräfe p. 589. BUdungsgeschichte p. 590. Die Chromogene p. 591. Bedingungen der Entstehung von Antho- cyanin p. 592. Physiologische Rolle p. 593. § 7. Die Algenchromatophoren und deren Farbstoffe 594 Struktur p. 595; die verschiedenen Pigmente p. 596; komplementäre chromatische Adaptation p. 597; Cyanophyceen, Phycocyaninp.598. Peridi- neen und Diatomeen p. 599; Diatomin p. 600; Phaeophyceen p. 601; Chloro- phyll, Phycophaein p. 602; Florideen p. 603; Phycoerythrin p. 604. Flori- deenchlorophyll p. 605. § 8. Kohlensäureassirailation bei Bacterien 605 Grüne Bacterien p. 606. Purpurbacterien p. 607. § 9. Chlorophyll und Kohlensäureassimilation bei Tieren 608 Symbiose von Algen mit Tieren p. 608. Grüne Pigmente der Insekten p. 609. XVI Inhaltsverzeichnis. Seite § 10. Einfluß organischer Kohlenstoifnahrung auf die Kohlensäureassimilatioa grüner Pflanzen. Nicht grüne und grüne Parasiten; Holosaprophyten 609 Algen p. 609; Chlorophyllgehalt bei phanerogamen Parasiten und Sapro- phyten p. 610. § 11. Die Rolle des Chlorophyllfarbstoffes bei der Kohlensäureassimilation 611 Allgemeine Gründe p. 611. Inaktivierung von Chloroplasten p. 612. Über- leben der assimilatorischen Funktion bei zerstörten Chloroplasten p. 612. Ältere Theorien von Timiriazeff, Wiesner, Pringsheim p. 613. Chloro- phyll als Sensibilisator oder photodynamisch wirksamer Farbstoff p. 614 Chemische Wirkungen des Chlorophyllfarbstoffes p. 615. Die absorbierte Lichtenergie p. 616. Energiebilanz p. 617. § 12. Quantitatives Ausmaß der Produktion im photosynthetischen Assimi- lationsprozesse 618 Messungen von Kreusler, von Brown und Escombe p. 619. Spezi- fische Differenzen der Assimilationsenergie p. 620. § 13. Ansichten über die chemischen Vorgänge bei der Synthese von Kohlen- stoffverbindungen aus Kohlensäure und Wasser durch chlorophvllgrüne Pflanzen im Lichte ". . . . 620 I. Dasjenige Produkt, welches die Kondensation von Kohlensäure und Wasser zum ersten Ziele hat, sind wahrscheinlich Hexosen p. 621. II. Auf welchem Wege entstehen Hexosen aus Kohlensäure und Wasser? p. 623. Formaldehyd in grünen Blättern p. 624. Formaldehydreaktionen p. 625; Verarbeitung von Formaldehyd p. 626. Reduktion der Kohlensäure p. 627; Kondensation des Formaldehjwis p. 628. Abschnitt 5: Die Saccharide als Skelettsnbstanzen des Pflanzenkorpers. Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen . . 629 § 1. Die Zellhaut der Bacterien 629 Keine CeUulose p. 629; Chitin; Schleimstoffe p. 630. § 2. Die Zellmembranen der Pilze und Flechten 631 I. Myxomyceten p. 631, II. Sproßpilze p. 631; III. Höhere Pilze p. 632. Die „Pilzcellulose" p. 633; Chitinnachweis p. 634; Chemie des Chitins p. 635. Mikrochemisches; Pentosane p. 636. Hemicellulosen p. 637; IV. Flechten p. 638. | § 3. Die Zellmembranen der Algen 639 I. Die Zellhaut der Euglenaceen p. 639; II. Cyanophyceen, III. Peridineen; IV. Diatomeen p. 640; V. Grünalgen p. 641; VI. Phaeophyceen p. 642; VII. Florideen p. 643. § 4. Die Zellmembranen der Moose und Farne 644 Moose; Sphagnol, Dicranumgerbsäure p. 644. Farnzellmembranen p. 646. § 5. Das Zellhautgerüst der Phanerogamen: Die Cellulose 645 Historisches p. 645. Reindarstellung und Krystallisation der Cellulose p. 647. Hydrolyse, chemische Eigenschaften p. 648. HydroceÜulose p. 649. Cellulosereaktionen p. 652. „ Rohfaserbestimmung" p. 652. Quantität der Rohfaser in verschiedenen Organen p. 654. § 6. Hemicellulosen und Pentosane der Zellwand 654 Begriff der Hemicellulosen: Reservestoffe und Gerüstsubstanzen p. 655. Galactane p. 656. Pentosane und Methylpentosane p. 656. Hydrolyse derselben p. 657. Furfurolbildung p. 660. Araban, Xylan, quantitative Pentosenbestimmung p. 661. Analytische Daten p. 662. Physiologie der Pentosane p. 664. § 7. Die Pektinsubstanzen 665 Historisches p. 665. Fremys Pektose und Pektinsäure p. 666. Die Pektine als Oxyderivate p. 667. Produkte der Hydrolyse p. 668. Koagulation durch Pektase p. 668. Die Pektinase und Pektosinase p. 669. Pektinstoffe der Mittellamelle p. 670. Pektinnachweis p. 671. Anhang: Mangins ,,Callose" p. 672. § 8. Gummibildung in Zellmembranen 673 Membranogene Entstehung p. 673. Allgemeine Eigenschaften der Gummi- arten p. 674. Produkte der Hydrolyse: Zuckerarten, Gummisäuren p. 675. Ursachen der Gummosis p. 677. Gummi in Sekretbehältern p. 678. Inhaltsverzeichniß. XVU Seite § 9. Benzol derivate als Zellhautbestandteile 678 § 10. Das angebliche Vorkommen von Proteinstoffen in Zellmembranen . . 679 § 11. Mineralische Einlagerungen in Zellmembranen 680 § 12. Verholzte Zellmembranen 682 Historisches p. 682. Elementaranalysen p. 684. Die Cellulose des Holzes p. 685. Esterbindungen p. 685. Hemicellulosen p. 685. Pentosane: Xylan p. 686. Methylpentosan p. 687. Ligninsäuren p. 688. Lignosulfon- säuren p. 688. Permanganatreaktion von Mäule p. 688. Aromatische Stoffe im Holz: Coniferin? Vanillin? p. 688. Farbenreaktionen von Holz p. 689. Hadromal p. 690. Methylzahl p. 692. Stickstoffhaltige Stoffe im Holz p. 693. Aschengehalt p. 693. Farbstoffe p. 693. Biologische Bedeutung des Verholzungsprozesses p. 694. § 13. Die verkorkten Zellhäute 695 Historisches p. 695. Suberinlamelle p. 696. Fettsäuren des Korkes p. 696. Cerin p. 696. Phellonsäure, Suberinsäure und Phloionsäure p. 697. Mikro- chemisches p. 698. Die Kohlenhydrate verkorkter Zellwände p. 699. Aromatische Stoffe p. 699. Aschenstoffe p. 699. Färbungsreaktionen p. 700. Entstehung der Verkorkung p. 700. § 14. Cutinisierte Zellmembranen 700 Cuticula und Kork p. 700. Analysen p. 701. Cutose p. 701. Epicuticula p. 701. Chemie des Cutins p. 701. Pollenin p. 702. Vittin p. 702. Die Aus- kleidung der Intercellularen pektinartig p. 702. Regeneration, biologische Bildung der Cuticula p. 703. § 15. Schleimige Epidermisüberzüge, fälschlich ebenfalls Cuticula genannt . . 703 Mucosa p. 703. Mikrochemie p. 703. Experimentelle Erzeugung p. 703. § 16. Membranschleime 703 Epidermisschleim p. 704. Membranogene Schleimbildung p. 704. Schleim- zellen p. 705. Biologisches p. 705. Chemie des Pflanzenschleime p. 705. Cellulose- und Pektinschleime p. 706. Produkte der Hydrolyse p. 706. § 17. Die Bildung von Zellmembranen 706 Rolle des Zellkernes p. 707. Ausscheidung oder Umwandlung p. 707. Die Bildung von Exosporien und Exinen p. 708. „Geformte Sekrete" p. 708. Materialien der Cellulosebildung p. 708. II. Teil: Die Lipoide im Stoffwechsel der Pflanze. Abschnitt 1 : Die Nahrnngslipoide der Pflanzen. Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen .... 709 § 1. Vorkommen und Bedeutung 709 Verbreitung p. 709. Mikroskopische Befunde p. 710. Quantitative Me- thoden p. 710. Eiweiß und Fettgehalt p. 711. ökonomische Vorteile der Fettspei ciierung p. 712. Y^^^^'^^^^'^i^gswert p. 712. Historisches p. 713. § 2. Das Reinfett und seine Beimengungen. Physikalische Eigenschaften der Fette 713 Verseifbare und unverstifbare Bestandteile des Rohfettes p. 714. Kon- sistenz p. 715. Schmelz- und Erstarrungspunkt p. 715. Optische Eigen- schaften p. 716. Kolloide Eigenschaften p. 716. § 3. Die chemischen Eigenschaften der Fette 716 Zusammensetzung p. 716. Mischglyceride p. 717. Verseifung p. 717. Die Alkaliseifen p. 718. Fettsynthese p. 718. Löslichkeit p. 718. Gehalt an freien Fettsäuren p. 718. Qualitative Fettreaktionen p. 719. § 4. Die Fettsäuren der Samenfette 721 Gesättigte Säuren p. 721. O.xysäuren p. 722. Ungesättigte Säuren p. 722. Verbreitung der einzelnen Fettsäuren p. 724. Glyceride p. 726. Ranzig- werden p. 727. Trocknende öle p. 727. Ozonide p. 727. Bestimmung und Trennung der Fettsäuren p. 728. Jodzahl p. 729. Elaidinprobe p. 730. Hrtxabromidzahl p. 731. Acetylzahl p. 731. § 5. Das Glyeerin der Samenfette 731 Nachweis p. 732. Quantitative Methoden p. 732. Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung 733 § 1. Der Fortgang des Resorptionsprozesses 733 Analytische Verfolgung p. 734. Auftreten freier Fettsäuren p. 736. XVIII Inhaltsverzeichnis. Seite § 2. Fettspaltende Enzyme (Lipasen) in keimenden Samen p. 737. Allgemeines Vorkommen p. 737. Methodisches p. 738. Aktivierende Einflüsse p. 738. Wirkungsgesetz p. 739. Hemmungen p. 739. Reversion p. 739. § 3. Weiteres über Fettspaltung und Fettresorption. Umwandlangsprodukte der Fettsäuren 740 Lokaler Umsatz des Reservefettes p. 740. Transport von Fettemulsion p. 740. Schicksal des Glycerins p. 741. Chemismus des Umsatzes von Fett in Zucker p. 741. Vierundzwanzigstes Kapitel: Die Fettbildung in reifenden Samen und Früchten 742 Analytische Daten p. 743. Intermediärprodukte p. 744. Chemismus p. 745. Fünfundzwanzigstes Kapitel: Reservefett in Achsenorganen und Laubblättem 746 § 1. Fett als Reservestoff von unterirdischen Stämmen, Zwiebeln, Knollen und Wurzeln 746 Quantitative Angaben p. 746. Zusammensetzung p. 748. § 2. Fett als Reservestoff von Stamm und Zweigen bei Holzgewächsen . . . 749 Winterliche Umwandlung von Kohlenhydraten zu Fett p. 749. Das Ver- schwinden des Fettes im Frühjahr p. 750. Knospen p. 751. § 3. Auftreten von Fett bei Laubblättern 751 Umsatz im Winter p. 751. Analytische Daten p. 752. Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als, Reservestoff bei Thallophyten, Moosen, Farnen und Poilenkömern 753 § 1. Fett bei Bacterien 753 Analytische Befunde p. 753. Tuberkelwachs p. 754. Fettbildung p. 754. Fettspaltung und Fettresorption p. 754. Bäcteriolipasen p. 755. § 2. Fett bei Hefen 756 Menge und Zusammensetzung p. 756. Glycerinbildung p. 756. § 3. Fett bei höheren Pilzen 757 Verbreitung und quantitative Daten p. 757. Bestandteile p. 758. Fett- bildung bei Pilzen p. 758. Fettresorption p. 759. Lipasen p. 759. § 4. Andere Vorkommnisse von Fett bei Kryptogamen 760 Flechten p. 760. Algen p. 760. Moose p. 761. Pteridophyten p. 762. § 5. Fett bei Pollenkörnern; Elaioplasten 762 Analytische Daten p. 762. Elaioplasten und Elaiosphären p. 762. Abschnitt 2: Die Cytolipoide der Pflanzen. Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide) . . 763 § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide 763 Historisches p. 763. Phosphatide und Cerebroside p. 764. Lecithoalbumine p. 765. Methodisches p. 765. Allgemeine Eigenschaften p. 766. Hydrolyse p, 767. Cholin p. 767. Betain p. 768. Neurin p. 768. Andere Betaine p. 769. Glycerylphosphorsäure p. 770. Kohlenhydratgruppen p. 771. Fettsäurereste p. 772. Konstitution p. 773. Physiologische Bedeutung der Lecithide p. 773. § 2. Lecithide in Samen 774 Analytische Daten p. 774. Lecithide und Eiweiß p. 775. Cholin, Betain p. 776. Kohlenhydratgruppen p. 776. Verhalten bei reifenden Samen p. 776. Lecithide bei der Keimung p. 776. § 3. Lecithide in anderen Teilen von Blütenpflanzen 778 Unterirdische Teile p. 778. Laubknospen, Blätter p. 778. Umsatz des Betains 779. Trigonellin p. 779. Pollen p. 780. Trimethylamin p. 780. § 4. Lecithide der Pilze und Bacterien . 780 Daten über Vorkommen bei Pilzen p. 781. Cholin und Betain p. 781. Muscarin und andere Basen p. 781. Hefelecithin p. 782. Bacterienlecithide p. 783. Lecithinspaltung durch Bacterien p. 783. Achtundzwanzigstes Kapitel: Pflanzliche Cerebroside 783 Neunundzwanzigstes Kapitel: Die Sterinolipoide der Pflanzen . . . 784 j 1. Allgemeines 784 Cholesterin, Historisches p. 784. Phytosterine p. 785. Physikalische Eigen- schaften p. 786. Farbenreaktionen p. 786! Sterinfettsäüreester p. 787. Inhaltsverzeichnis. XIX Seite Steringlucoside p. 788. Additionsverbindungen p. 788. Konstitutions- ermittlung p. 789. Beziehungen zu den Terpenen p. 791. Quanti- tative Bestimmung p. 792. § 2. Sterinolipoide in Samen und Keimlingen 793 Analytische Befunde p. 793. Sitosterin p. 794. Stigmasterin p 794. Andere Befunde p. 795. Verhalten bei der Keimung p. 796. Caulosterin p. 796. Gruppe des Lupeol, Phasol p. 796. § 3. Sterinolipoide in anderen Teilen von Phanerogamen . 796 Aus Rhizomen und Wurzeln p. 796. Aus Laubblättern p. 797. Aus Blüten p. 798. Aus Rinden p. 799. Cholestol p. 800. Amyrine p. 800. Phyto- sterine aus Milchsaft p. 800. § 4. Sterinolipoide bei Pilzen und Bacterien 801 Ergosterm p. 801. Befunde bei Hutpilzen p, 801. Hefephytosterin p. 801. Bacteriosterine p. 802. Schleimpilze p. 802. Dreißigstes Kapitel: Pflanzliche Cfiromolipoide ...... 802 § 1. Allgemeines 802 Carotin p. 803. Xanthophyll p. 804. Methodisches p. 805. Physiologische Bedeutung p. 806. § 2. Chromolipoide in Blütenteilen; gelbe Blütenfarbstoffe fraglicher Natur . 806 Historisches p. 806. Crocusfarbstoff p. 807. Anthochlor p. 808. § 3. Chromolipoide in Früchten und Samen 808 § 4. Chromolipoide bei Algen 809 § 6. Chromolipoide bei Pilzen und Bacterien 810 Einunddreißigstes Kapitel: Die Produktion von Wachs (Cerollpoiden) bei Pflanzen 811 § 1. Charakteristik und Vorkommen von Pflanzenwachs 811 Begriffsbestimmung und allgemeine Eigenschaften p. 812. Ausscheidungs- vorgänge p. 812. Biologische Verhältnisse p. 813. Intracelluläre Wachs- bildung p. 813. Japantalg, Balanophorin p. 814. Cerolipoide in Milchsaft p. 814. § 2. Chemie der Wachsarten 814 Historisches, Analysen p. 814. Bestandteile p. 816. Wachsüberzüge von Blättern p. 816. Carnaubawachs p. 816. Beziehungen zwischen Fettsäure und Alkohol bei Cerollpoiden p. 816. Candelillawachs p. 817. Wachs bei Moosen p. 818. Blütenwachs p. 818. Wachsausscheidung an Früchten p. 818. Wachs von Rinden p. 819. Pathologische Wachsausscheidungen p. 819. Bildung von Wachsarten p. 820. Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge 820 Geschichtliche Einleitung. Die Lehre vom Stoffwechsel und der Ernährung der Pflanze steht durch ihre Methode naturgemäß in innigem Zusammenhang mit der Heranentwicklung der Chemie, als deren Bestandteil sie ja bis vor etwa 40 Jahren widerspruchslos angesehen werden durfte. Unter den antiken Naturwissenschaften existierte eine Pflanzenbiochemie noch nicht. Da die meisten biochemischen Tatsachen erst durch das Experiment auf- gedeckt werden können und wohl die scharfe Beobachtung der spontan eintretenden Naturerscheinungen, nicht aber das Experimentieren bei den griechischen Forschern weitaus die bevorzugte Methode bildete, so war eine Entwicklung unserei Wissenschaft von vornherein unmöglich. In der Tat tritt die große Armut an empirischen Grundlagen in den uns erhaltenen Ansichten über Pllanzenernährung selbst bei dem be- deutendsten Naturforscher des klassischen Altertums, bei Aristoteles, deutlich zutage (i). Was damals der Drang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht vermochte, wurde aber durch die praktischen Bedürfnisse des Lebens und die hierdurch erweckten Bestrebungen vermittelt. Für Ernährungs- physiologie und Chemie waren es die Heilkunde und die Landwirtschaft, welche als fördernde Faktoren eintraten. Es scheint insbesondere das alte Ägypten mit seinem hochgebildeten ärztlichen Stande der Boden gewesen zu sein, auf dem die Chemie und die mit ihr zusammen- hängenden Wissenschaften ihr erstes Gedeihen fanden. Leider sind uns hierüber nur Andeutungen erhalten geblieben (2). Es ist auch hochwahrscheinlich, daß die bedeutenden chemischen und botanischen Kenntnisse zahlreicher arabischer Gelehrter der späteren Zeit ihre Wiege in Ägypten gehabt hatten. Bei den Arabern sowohl wie in den abendländischen Pflegestätten der Naturwissenschaften im Mittelalter war es fast ausschließlich die medizinische Nutzanwendung der Pflanzen, welche das Interesse an der Botanik noch erhielt. Es trachteten die damaligen Botaniker vor allem neue heilkräftige Pflanzen zu entdecken, ohne die Beschaffenheit derselben rein naturwissenschaft- lich zu prüfen. Die damaligen Vertreter der Chemie, die Alchymisten, 1) Aristoteles unterschied zuerst zwischen organischen und anorganischen Naturgebilden. Die auf die Ernährung der Pflanzen bezüglichen Stellen der Aristo- telischen Schriften finden sich übersetzt in E. H F. Meyers Geschichte der Botanik, /, 118—127 (Königsberg 1854). Über die antike Naturforschung auch Strunz. Natur- betrachtung und Naturerkenntnis im Altertum (1904). — 2) SuiDAS von Byzanz (im 11. Jahrh.) berichtet, daß auf Diokletiaks Geheiß die besiegten ägyptischen Auf- ständischen im Jahre 296 ihre Bücher neQi xVh^* xovaov xai doyvgov verbrennen mußten. Czapek, Biochemie der Pflanzen. 3, Anil. ^ 2 Geschichtliche Einleitang. hatten kein Interesse au der Erforschnaig der chemischen Beschaffenheit von Pflanzen und Tieren (i). Die Vorstellungen, welche Albertus Magnus, die hervorrageudste Erscheinung unter den Ärzten und Naturforschern des Mittelalters, von der Pflanzenchemie besaß, waren durchaus der aristotelischen Philosophie entlehnt (2). Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts erlosch bei den Chemikern das Interesse an den fruchtlosen Versuchen, Gold künstlich zu gewinnen, und die Führung in Chemie wie Botanik ging an die Ärzte über. Aus der Verknüpfung von Medizin mit den theoretischen Naturwissenschaften in dieser iatrochemischen Periode erblühten aber die ersten Anfänge von Physiologie und Biochemie. Zeitlich fällt diese Periode zusammen, was bemerkenswert erscheint, mit der Grundsteinlegung unserer wissen- schaftlichen Physik und Astronomie. Theophrastus Paracelsus, welcher in der Regel als erster unter den „latrochemikern" genannt wird, besitzt für die Biochemie keine größere Bedeutung. Er kannte bereits die Kohlensäure, hielt jedoch die ausgeatmete Kohlensäure für Luft, wie sie eingeatmet wird (3). Die Tätigkeit, welche zahlreiche bedeutende Männer dieser Zeit der Abfassung rein beschreibender Pflanzenbücher widmeten, bildet zum mindesten ein erfreuliches Zeichen dafür, daß die peripatetische An- schauungsweise endlich aufgegeben war und man sich frei und froh dem Schauen in der Natur hingab. Von allen Botanikern des 16. Jahr- hunderts kommt für die Ernährungslehre der Pflanzen nur Andrea Caesalpino (1519 — 1603) in Betracht, welchir im zweiten Kapitel des ersten Briefes seiner „De plantis libri XVI" (1583) unabhängiges physi- kalisches Denken auf das physiologische Problem der Nahrungsaufnahme und Saftbewegung in der Pflanze anwendete. Leider mangelte ihm das empirisch zu erwerbende Material an verwertbaren Tatsachen, und ein Experimentator war Caesalpino noch nicht. Chemische Gesichtspunkte treten in seinen Schriften nicht hervor. Deutschland besaß in dem Philosophen und Botaniker Joachim JuNGius (1587 — 1657) ein würdiges Gegenstück zu Caesalpino, den er an naturwissenschaftlicher Bildung sogar bedeutend überragte. Jungius ist wohl einer der ersten, welche im Gegensatze zu Aristoteles den pflanzlichen Stoffwechsel als aktiv tätigen Faktor auffaßten; er erkannte klar die Stoffaufnahme und Stoffabgabe als Wesenheit der Ernährung. Chemische Studien scheint aber Jungius weiter nicht getrieben zu haben (4). In dem Zeitgenossen des eben genannten Forschers, dem Belgier JoH. Bapt. van Helmont (1577 — 1644), hat die experimentelle Bio- chemie entschieden einen ihrer Vorläufer zu erblicken (5). Seine klare 1) Arnold Bachüone, genannt Villanovanus (geb. 1235) besaß toxikolo- gische Kenntnisse und gab sich mit der Destillation ätherischer Pflanzenöle ab. Vgl. Kopp, Geschichte der Chemie, /, 67. — 2) Hierzu Meyer, Gesch. d. Bot., IV, 59. — 8) Näheres über diesen merkwürdigen Mann findet man in den zitierten Werken von Meyer {IV, 424) und Kopp (/, 92), ferner in F. Strunz, Theophrastus Paracelsus (Leipzig 1903/4). Auch sein (Paracelsus übrigens an Begabung nicht erreichendes) Gegenstück: L. Thurneisser zum Thurn, hat für uns hier kein näheres Interesse. — 4) Caesalpin und Jungius' Verdienste um die pflanzliche Ernährungslehre sind ausführlich geschildert in J. Sachs' glänzend geschriebener Geschichte der Botanik p. 481 ff. (München 1875), welche von dieser Epoche an das wichtigste historische Kom- pendium für die Biochemie darstellt. — 5) Vgl. F. Strunz, Johann Baptist van Helmont (Leipzig 1907). Geschichtliche Einleitung. 3 Erkenntnis von den wissenschaftlichen Zielen der Chemie, seine Stellung- nahme gegen die Vier-Element-Theorie des Aristoteles sowohl als auch gegen die Annahme der drei alchymistischen „Urstoffe" (Schwefel, Salz, Quecksilber) als Elementarbestandteile des menschlichen Körpers sichert ihm für immer einen Ehrenplatz in der Geschichte der Chemie. Doch vermißt man bei ihm den nüchternen kritischen Geist, welcher seine großen Zeitgenossen Galilei, Stevin u. a. auszeichnet; die Mög- lichkeit, Gold zu erzeugen, die Existenz des lapis philosophorum sind für ihn feststehend. Die mystische Darstellungsweise eines Paracelsüs ist auch bei Helmont noch vorhanden, ebenso phantastische Berichte, wie über die Erzeugung von Mäusen in einem Gefäße, worin man ein schmutziges Hemd mit Weizenmehl zusammengebracht hat. Helmont war aber der erste, der sich mit dem wissenschafthchen Studium der Gase befaßte; seine Untersuchungen über die Kohlensäure, welche er Gas silvestre oder carbonum nannte, bezeugen, daß er ihre Ent- stehung beim Verbrennen von Kohle, bei der Alkoholgärung, bei der Ein- wirkung von Säuren auf Kalkstein kannte; er wußte, daß sie Tiere erstickt und ein Licht zum Verlöschen bringt. Helmont versuchte endHch auch bereits experimentell biochemische Probleme zu lösen. Ausgehend von der Frage, woher bei den Pflanzen die unverbrennhchen und verbrennhchen Bestandteile kommen, indem in der Natur nur der Regen die Gewächse zu ernähren scheint; ferner, woher die Fische im Wasser ihre Nahrung beziehen, kam Helmont zur Anstellung des ersten quantitativen biochemischen Versuches, von v^relchem wir Kenntnis haben (1). Wenn er dadurch zu dem Schlüsse kam, daß alle vegetabilischen und animaUschen Stoffe durch Umwandlung aus dem Wasser entstehen, so ist daran nur die unzureichende Erfahrung schuld, zumal der einzige, offenbar möglichst sorgfältig angestellte Versuch wirk- Hch derartige Resultate zu ergeben schien. Helmont gab in einen Topf eine abgewogene Menge Erde. Scharf getrocknet wog sie 200 Pfund. Ein Weidenzweig von 5 Pfund Gewicht wurde eingepflanzt. Der Topf wurde durch einen Deckel möglichst vor Staub geschützt und täglich mit Regenwasser begossen. Nach 5 Jahren wurde der Versuch abgebrochen. Die Weide war groß und stark geworden, hatte an Gewicht zugenommen, während die Erde im Topfe, wieder getrocknet bis auf 2 Unzen Verlust genau das ursprüngliche Gewicht behalten hatte. Die Anstellung dieses prinzipiell gänzhch neuen Versuches zeigt gewiß Helmonts großes Talent, und seine irrigen Schlüsse werden wir ihm um so weniger zur Last legen, als es bekanntlich erst Lavoisier vor- behalten war zu zeigen, daß der erdige Rückstand nach Abdestillieren von Brunnenwasser nicht durch Umwandlung des Wassers in Erde zu er- klären ist. Helmonts Versuch hatte auch die Konsequenz, daß die Chemiker bis auf Lavoisier die erdigen Mineralstoffe iür keine Elemente hielten. So griff die Pflanzenphysiologie in die Entwicklung der Chemie ein. 1) Dieser vielzitierte berühmte Versuch wird erwähnt p. 108 der Elzevirausgabe von Helmoxts Ortus medicinae vel opera et opuscula omnia (1648). Die gesammelten Werke sind erst nach Helmonts Tode durch seinen Sohn vollständig herausgegeben worden. Übrigens soll- angeblich ein ähnlicher Versuch schon früher vom Kardinal DE CüSA angestellt worden sein. — Die Verdienste von Helmont finden sich aus- führlich dargestellt in Kopp, Geschichte der Chemie, /, 117 ff. und bei Strunz, 1. c. (1907). 1* 4 Geschichtliche Einleitung. Helmonts wissenschaftlicher Nachfolger, De le Boe Sylvius (1614—1672), welcher entschieden Helmont übertraf, und als erster echter medizinisch -chemischer Forscher genannt werden muß, suchte seine Probleme nicht auf botanischem Gebiete. Doch verdanken wir ihm interessante Beobachtungen über Gärung, welche er als Zersetzungs- prozeß scharf vom Aufbrausen mit Säuren, wie es manche Stoffe zeigen, trennte. Auch stellte er kohlensaures Ammou aus Pflanzen (Cochlearia) dar. Von großer Bedeutung für unsere Wissenschaft war es, daß sich vom 17. Jahrhundert an hervorragende physikalische Talente für chemische und biochemische Studien interessierten, zumal bereits die Apparatentechnik und Experimentierkunst in der Physik hoch entwickelt war. Unter diesen Forschern ist Rob. Boyle (1627—1691) namhaft zu machen, ein Mann von ganz hervorragendem experimentellem Genie, welcher auf allen physikalischen und chemischen Gebieten Bedeutendes leistete. Bekannt ist sein großer Anteil an der Verbesserung der Luftpumpe (die Erfindung der Kompressionspumpe ist wohl ihm allein, zuzuschreiben), ferner an der Erfindung des Manometers und an der Entdeckung des Phosphors. Es ist aus Boyles Schriften durchaus nicht zu erkennen, was ihm angehört und was er anderen entlehnt hat, mdem er es nicht hebt Namen zu zitieren. Auch wiederholte er die meisten Versuche, von denen er hörte, selbst, und verarbeitete die Resultate zu seinem geistigen Eigentum. Seine hervorragendste wissenschaftliche Tat ist entschieden die Auffindung der umgekehrten Proportionahtät von Gasdruck und Volumen, ein Gesetz, welches lange Zeit irrigerweise Mariotte zugeschrieben worden ist. Biochemische Versuche hat Boyle in großer Zahl angestellt. Er untersuchte die Einwirkung verdünnter Luft auf das Leben der Tiere (1), machte den HELMONTschen Vegetations versuch mit verschiedenen Pflanzen nach (2), studierte die Phosphoreszenz faulenden Holzes und fauler Fische, stellte durch trockene Destillation von Holz, Holzgeist und Holzessig dar, er erkannte, daß faulende Pflanzen Kohlensäure entwickeln usw. Seine Schriften stechen durch den klaren Ton höchst vorteilhaft von der ab- sichthch dunkel gehaltenen und geschraubten Darstellung in früheren chemischen Werken ab. Boyle benutzte auch bereits das Verhalten von Pflanzenfarbstoffen zur Erkennung von Säuren und Alkahen. Der HELMONT- schen Lehre über Verwandlung von Wasser in Erde pfhchtete er bei. Bei Marcello Malpighi, den man mit großem Rechte als den Vater der modernen Biologie ansehen darf, finden wir zwar ein näheres Eingehen auf chemische Fragestellungen nicht, doch sind überall bei der Unsumme biologischer Tatsachen, welche Malpighi behandelt und großen- teils selbst entdeckt hat, wo immer es darauf ankommt, die richtigen ernährungsphysiologischen Gesichtspunkte unstreitig erkannt. Ich erinnere an seine Abhandlung „De setoinum vegetatione" und die darauf bezüg- lichen Darlegungen in den Opera posthuma, p. 63 ff., worin zahlreiche 1) Nova experimenta phys. mech. de vi aeris elastica, p. 116 ff. (1677). Von Boyles Werken ist mir zur Hand die Sammlung unter dem Titel Robert Boyle Opera varia (Genevae 1677, Quart). Tr' Anschlüsse an diese Tierversuche untersucht er, worauf die Respirationswirkung bei at, und meint, daß von der Luft ein Teil für den Körper verwendet, während ein Teil unbrauchbar abgegeben werde (dem Para- CELSUS entlehnt!). Daß C0„ ein Abfallsprodukt der Atmung ist, wußte er noch nicht. — 2) Chymista scepticus vel dubia et paradoxa chymic. phys., p. 120 (1677). Geschichtliche Einleitung. 5 richtige Beobachtungen hinsichthch der Keimungsphysiologie enthalten sind. Dasselbe gilt hinsichtlich der Wurzeln in der Abhandlung „De radicibus plantarum". Von besonderem Interesse ist eine Stelle in seiner Anatomes plantarum idea, wo er die Funktion der Laubblätter als Stätte der Stoffbildung ahnt (i). In Frankreich war es der hervorragende Phy- siker Edm. Mariotte, welcher sich nicht nur um die Feststellung des lange Zeit nach ihm allein benannten Gasgesetzes, sondern auch um manche physiologische Probleme verdient gemacht hat. In seinen Oeuvres (1717) befindet sich eine Abhandlung „Sur le sujet des plantes" vom Jahre 1679, worin Mariotte geistvolle Anschauungen über Pflanzen- biocheraie entwickelt (2). In durchaus origineller Weise argumentiert Mariotte, daß die Pflanzen alle ihre zahlreichen Stoffe aus wenigen Stoffen, die sie aus der Erde aufnehmen, in ihrem Körper erst auf- bauen, und daß nicht, wie Aristoteles annahm, alle Stoffe aus der Erde fertig aufgenommen werden. Mariotte hatte hinsichtlich der Mineralstoffaufnahme aus dem Boden eine klarere Vorstellung als seine Zeitgenossen. Es ist bekannt, w-elchen großen Einfluß auf die Chemie die Lehren von G. E. Stahl (1660—1734) genommen haben. Seine Phlogiston- theorie, wohl die einfachste, entschieden genial erdachte, Auffassung von der Verbrennung, hatte jedoch auf die Biochemie durchaus keinen fördernden Einfluß. Sehr hohe Bedeutung für uns besitzt aber Stahls 1697 erschienenes Erstlingswerk: „Zymotechnia fundamentalis seu fer- mentationis theoria generalis'*. Die früheren Ansichten über Gärung waren im höchsten Grade verworren. Die latrochemiker, z. B. Para- celsus, sahen in der Gärung nur einen hohen Grad von Zersetzung; sie bedienten sich der Fäulnis von Pferdeexkrementen, welche sie für die stärkste Digestion hielten, um ihre medizinischen Präparate („per ventrum equinum!") zu bereiten. Die Beobachtung, daß bei Gärung und Fäulnis Infektion durch Partikel eines bereits gärenden oder faulenden Stoffes erfolgen müsse, w^urde zuerst von dem englischen Arzte Th. Willis (1621 — 1675) in seiner Diatribe de fermentatione (1659; gemacht und in ihrer Wichtigkeit von Stahl ebenfalls klar erkannt. Willis wie Stahl fassen die Gärungserregung als Bewegungsübertragung auf (3), und vertraten im wesentlichen keinen anderen Standpunkt, als Liebig und Nägeli im 19. Jahrhundert. Gärung und Fäulnis unterschied Stahl nicht. Bezüghch der Pflanzenstoffe nahm Stahl an, daß sie dieselbe Zu- sammensetzung, dieselben Elemente haben müssen, wie die inorganischen 1) Die bezügliche Stelle findet sich Opera omnia, p. 14 (Londini 1686, Folio) und lautet: „Folia a Natura in hunc usum institui, ut in ipsorum utriculis nutritivus 8UCCU8 contentus a ligneis fibris delatus excoquatur". Er schloß dies aus dem Zu- grundegehen von Kürbiskeimlingen, denen die ölreichen Kotyledonen genommen worden waren. Wie wenig diese Gedanken zu Malpighis Zeit beachtet wurden, erhellt aus dem Werke von Neh. Grew, Anatomy of plants, IN Edition, p. 33 (1682); dort ist sonst Malpighi sehr fleißig benützt worden. — Die kleineren Schriften von Grew, unter dem Titel: Several lectures (1682) mit der Anatomy, p. 221 ff., abgedruckt, beschäftigen sich teilweise mit biochemischen Themen, haben aber keine größere Be- deutung. — 2) Ausführlich berichtet über Mariotte und seine pflanzenphysiologischen Anschauungen Sachs, Geschichte der Botanik, 499 ff. — 3) Stahl sagt: „Die Fer- mentation ist eine, durch eine wässerichte Flüssigkeit verursachte, zusammenstoßende und reibende Bewegung unzählicher aus Saltz, Oehl und Erde in gewissem Maße mit einander verknüpfter Theilchen." 6 Geschichtliche Einleitung. Stoffe, weil die Pflanzen ihre Nahrung aus der Erde zögen. Nur walte bei den Pflanzen- (und Tier-) Stoffen das wässerige Element und das Phlo- giston vor. Die meisten organischen Stoffe beständen aus salzigen Teil- chen, Wasser und Phlogiston, ; die beiden ersteren seien oft zu Öl vereinigt. Stahl kannte das Vorkommen von Kahsalpeter in manchen Pflanzen. Wie wenig empirisches Material und wie viel theoretischer Ballast und Vorurteile in der Biochemie zum Ausgange des 17. Jahrhunderts vorhanden waren, erhellt aus Zusammenstellungen, wie bei Dodart und John Ray (i). Doch zeigen andererseits Schriften eines Christian WoLFF (2), daß der Geist der Wissenschaft ein ganz anderer war, wie zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Wir können aber das 17. Jahrhundert nicht verlassen, ohne der merkwürdigen Erscheinung des englischen Arztes John Mayow (1645 bis 1679) zu gedenken, eines Mannes, welcher der Entdeckung • des Sauerstoffes und Stickstoffes in der atmosphärischen Luft näher ge- kommen war, als irgend einer vor Priestley und Lavoisier, und welcher wohl zuerst den Gedanken gefaßt hatte, daß beim Verbrennen und bei der Tieratmung derselbe Bestandteil der Luft konsumiert werde: „Credendum est animalia ignemque particulas ejusdem generis ex aere exhaurire" (3). Bis zum Zeitalter der Entdeckung des Sauerstoffes waren die Fort- schritte auch im 18. Jahrhundert nicht groß. Der berühmte H. Boer- have (1668 — 1738) riet eifrig zu Zerlegung der Pflanzen nach chemischen Methoden. In seinen „Elementa chemiae" (1732) nennt er als nähere Bestand- teile der Pflanzen: spiritus rector (das Aroma); oleum princeps hujus spiritus vera sedes; sal acidus; sal neuter; sal alcaUnus fixus vel volatilis; oleum sah mixtum saponis in modum, indeque ortus succus saponaceus; oleum tenacissime terrae inhaerens, neque inde temere separandum; terra denique sincera firma basis omnium. Die geistige Gärung hielt Boerhave von der Fäulnis wohl auseinander. Auf dem Gebiete der Pflanzenaschenstoffe erfolgten nun die ersten kleinen Fortschritte. Früher hatte man überhaupt von Alkalien nur das „fixe Alkali" der Pflanzen gekannt. Stahl scheinen die ersten Mut- maßungen gekommen zu sein, daß dem Kochsalz ein differentes Alkali zugrunde liege. H. S. Duhamel de Monceau (1700 — 1781) zeigte 1736 in einer Abhandlung über die Basis des Seesalzes, daß diese in Verbindung mit Säuren andere Eigenschaften hat, als das fixe Pflanzen- alkali. Er fand diese Basis auch in der Asche von Strandpflanzen auf und machte später die Beobachtung, daß bei Kultur solcher Pflanzen im Binnenlande die Menge der Kochsalzbasis oder Soda abnimmt und 1) DoDART, M^moires pour servir ä l'histoire des plantes (1676): in JoHN Rays Historia plantarum, / (1866) die Kapitel De nutritione plantarum, p. 31, und De chymica plantarum Analysi, p. 55. — 2) Chr. Wolff, Vernünftige Gedanken von den Wirkungen der Natur (1723). — 3) Diese Stelle findet sich in der Abhandlung „De sal nitro et spiritu nitro aero'' der Tractatus V medico - physici (1669). Diese Ab- handlung ist in der bekannten Sammlung der Klassiker der exakten Wissenschafttin von Ostwald durch G. F. Donnan neu herausgegeben worden (No. 125 der Samm- lung). Mayow wußte, daß ein Stoff in der Luft existiere, der mit der Salpetersäure in Beziehung steht, und ein anderer, welcher zur Bildung der Salpetersäure beiträgt und zugleich jeuer ist, welcher die Verbrennung unterhält. Greschichtliche Einleitung. 7 das Pflanzenalkali zunimmt. Montet fand 1762 auch in Salicornia viel Natron. Da damals Pottasche nur aus vegetabilischen Aschenrückständen bekannt war, so benannte Marggraf das Kali „fixes Gewächslaugensalz", das Natron als „mineralisches Laugensalz". Diese Unterscheidung fiel erst, als der tüchtige Mineralchemiker Klaproth 1797 das Kali im Leucit, später auch in anderen Mineralien nachwies (1). Sein Vorschlag, die Stoffe einfach Kali und Natron zu nennen, drang sodann durch. A. S. Marggraf (1709—1782), der berühmte Entdecker des Zuckers in der Runkelrübe, hat auch das Verdienst, im Jahre 1743 Phosphor zu- erst aus Pflanzen (Senf, Kressensamen, Weizen) dargestellt zu haben (2). Er leitet sein Vorkommen in tierischen Stoffen von der pflanzlichen Nahrung ab. Die Atmung blieb damals noch ganz unverstanden. Boerhave dachte sich«- die tierische Wärme durch die Reibung des Blutes an den Gefäßwänden verursacht; die Atmung habe den Zweck, das Blut in den Lungen abzukühlen. Steph. Hales (1677—1761) sieht in seinem be- rühmten Werke „Statical essays" (1727) die Luft als einheitlichen Stoff an; er wußte, daß sie beim Atmen nicht ganz verbraucht wird. Hales ist auch dort, wo seine Ansichten Mängel an empirischer Begründung und an vorsichtiger Berücksichtigung von Eventualitäten aufweisen, ein großer Forscher, welcher den Geist Newtons in seiner ursprünglichen Frische besitzt. Folgenreich hätten vielleicht seine Versuche über die Entwicklung gasförmiger Stoffe bei der trockenen Destillation von Pflanzen- substanz werden können. Hales war gewiß der erste, welcher die Frage aufwarf, ob nicht luftförmige Stoffe zur Bildung von Pflanzensubstanz verwendet werden und nicht nur flüssige und gelöste Stoffe (3). In der Mitte des 18. Jahrhunderts folgen nun eine Reihe For- schungen, die den Gaswechsel bei Atmung und Gärung bedeutend auf- klärten. Jos. Black (1728 — 1799) erwies in seinen grundlegenden Ar- beiten über die Kohlensäure (1757), daß die Luftart, welche durch Säuren aus kohlensaurem Alkali entwickelt wird, identisch ist mit jener, die bei Verbrennung, Atmung oder Gärung entsteht. Er nannte sie „fixed air", und meinte, daß beim Atmen die atmosphärische Luft in „fixe Luft" verwandelt werde. Seine Untersuchungen über Kaustizität der Alkalien führten dazu, daß er der erste Gegner der Phlogistonlehre wurde, weil beim Erhitzen jener Stoffe nicht Feuerstoff, sondern fixed air aus ihnen entweicht. Im Jahre 1764 entdeckte D. Macbride die Bildung von fixed air bei Gärungs- und Fäulnisprozessen; Cavendish beobachtete 1766, daß bei manchen Fäulnisvorgängen Wasserstoff auftritt. Ein neues Zeitalter der Biochemie hebt nun- an mit der gelungenen Zerlegung der Luft, der Entdeckung des Sauerstoffes und mit der glücklichen Auffindung der Sauerstoffausscheidung durch grüne Pflanzen im Lichte. BoNNET hatte zwar schon früher beobachtet, daß sich unter Wasser getauchte Blätter im Sonnenlichte mit Luftbläschen überziehen; doch war die Sache unverstanden und unbeachtet geblieben. Jan Ingen-Housz (1730-1799) und Jos. Priestley (1733—1804) haben das Verdienst, entdeckt zu haben, daß unter solchen Bedingungen Sauerstoff abgäbe stattfindet. 1) Klaproth, Crells Ann. (1797), /, 90. — 2) Marggbap, Chymisch. Schriften /, 72 (1761). — 3) Hales, Statick der Gewächse, p. 177 (Halle 1748). g Geschichtliche Einleitung. Priestley, einer der originellsten Köpfe unter den vielen großen Naturforschern seiner britischen Heimat, ging 1772 von der Beobachtung aus, daß die durch Atemholen entstandene, zum weiteren Atmen un- brauchbare fixe Luft durch grüne Gewächse ihre Tauglichkeit zur Ver- atmung wiedergewinnt (i). Dafür wurde ihm von Sir J. Pringle die goldene Medaille überreicht. Alsbald fand Priestley auch, daß man den veratembaren Luftbestandteil mit Stickoxyd quantitativ bestimmen kann. Nachdem in den Jahren 1773—1774 die ersten erfolgreichen Ver- suche der Darstellung des Sauerstoffes aus Salpeter und Quecksilberoxyd unternommen worden waren, fand Priestley 1778, daß die Luft „in den Blasen des Seegrases" viel „reiner" war, als die der Atmosphäre; ebenso fand er, daß die Luft, in welcher Pflanzen im Lichte gewachsen waren, weit „reiner" war, als die äußere Luft. Gegen Ende des Jahres 1778 konstatierte er, daß Luftblasen aus der im Wasser einiger Kultur- gefäße entstandenen grünen Materie aufsteigen; bei der Untersuchung dieser Luft ergab es sich, daß sie „sehr dephlogistisierte Luft" enthielt Die Erzeugung dieser Luft hörte bei Lichtentziehung sofort auf (2). Lavoisier (3) sagt, daß er, Priestley und Scheele gleichzeitig die Entdeckung des Sauerstoffes und der Säuerst off ausscheidung durch grüne Pflanzen im Lichte gemacht hätten. Scheeles Entdeckung geht jedoch bis auf 1774—1775 zurück und wurde erst 1777 publiziert, so daß Scheele als der eigentliche Entdecker des Sauerstoffes anzusehen ist (4). 1) Priestley selbst lieferte im Jahre 1803 (Crells Ann. [1803], II, 123) eine anziehende Skizze der Geschichte seiner Entdeckungen. Dort äußerte er sich, seine Priorität gegenüber Ingen -Housz verteidigend, folgendermaßen: „Diese Versuche, welche ich Ingen- Housz nebst mehreren anderen sehen ließ, waren diesem sehr auf- fallend, nur stritt er sich mit mir, ob die grüne Materie vegetabilischen Ursprunges sei. Dies bewog mich, die Prüfung der Wirkung verschiedener Pflanzen auf das Wasser zu beschließen, und ich führte den Entschluß bei nächstem Sonnenschein aus und vervollständigte so die Entdeckung. Indessen kam mir Ingen-Housz durch den Druck seiner Versuche zuvor, welches ich unter solchen Umständen an seiner Stelle nicht getan haben würde.'' Priestley war bis nahe vor seinem Tode ein uner- schütterlicher Anhänger der Phlogistonlehre. Er hielt den Sauerstoff für reine phlo- gistonfreie (.,dephlogisti8ierte") Luft. In der gewöhnlichen Luft sei sie neben der phlogistisierten Luft enthalten. Er verteidigte noch 1796 (vgl. Crells Ann. [1798], //, 308, 376) und 1800 (The doctrine of Phlogiston established and the composition of water refuted [Northumberland 18(X)]) tapfer die STAHLsche Theorie. Damals war in Deutschland nach langem Kampfe das Phlogiston bereits abgetan. Erst 1803 (1. c.) schwenkte auch der greise Priestley in das „antiphlogistische" Lager über. — 2) Diese Darstellung stützt sich auf den von Priestley 1803 gegebenen Bericht. Leider knüpft sich daran ein unliebsamer Prioritätsstreit mit Ingen-Housz, welcher nach Wiesners Darstellung (J. Wiesner, Jan Ingen-Housz, p. 83 ff . [Wien 1905]) Priestley in der Entdeckung der Sauerstoffabgabe grüner Pflanzen im Lichte tat- sächlich vorausgegangen war. Da hier eine schwere Beschuldigung gegen die andere steht, ziehe ich es vor, diese Angelegenheit nicht weiter zu berühren. — 3) Vgl. Lavoisiers Traitö Giemen taire de Chimie (1789), abgedruckt in Oeuvres de Lavoisier, /, 38 (Paris 1864). Lavoisier scheint die Sauerstoff entdeckung nicht so unabhängig von Priestley gemacht zu haben, wie es bei Scheele der Fall ist. Bis 1774 war Lavoisier nur zum Schlüsse gelangt, daß bei der Verbrennung Gewichtszunahme erfolgt durch Absorption von atmosphärischer Luft, wobei er noch an eine homogene Beschaffenheit der Luft dachte. Erst nachdem Priestley an Lavoisier von seinen Versuchen 1774 persönlich Mitteilung gemacht hatte, wurde Lavoisier bestimmter und kam zum Ergebnisse, daß die Luft aus zwei Gasen zusammengesetzt sein müsse (1775). — 4) Scheeles Abhandlung von der Luft und dem Feuer; auch auf- genommen in „Ostwalds Klassiker". Bekanntlich gewann Scheele seine ,, Feuer- luft" durch Destillation von Braunstein mit Schwefelsäure, sowie durch Erhitzen von Kalisalpeter. Geschichtliche Einleitung. 9 Scheele erkannte auch das Verschwinden seiner „Feuerluft" bei der Atmung, und daß statt ihrer fixe Luft entsteht. Während nun Priestley über die empirisch neu errungenen Grundlagen kaum hinauskam, baute sich in Lavoisiers genialem Kopfe, der ebenso erfinderisch als ordnend veranlagt war, die Chemie in neuer Form so klar und zwingend logisch auf, daß seine französischen Fach- genossen, ihm mit Enthusiasmus folgend, bald nicht mehr von Lavoisiers Chemie, sondern von der „Chimie frangaise" sprachen: nicht aus Be- streben, die Verdienste dieses Mannes zu schmälern, sondern unter dem tiefen Eindrucke, welchen die unwiderstehlichen neuen Anschauungen erzeugten. Wir haben zwar hier nur die Aufgabe, die Verdienste Ant. Laur. Lavoisiers (1743—1794) um die Biochemie zu charak- terisieren. Aber auch da bietet sich unendlich viel, und es gibt kein Gebiet unserer Wissenschaft, welches nicht in ihm seinen Reformator zu ferbhcken hätte (i). Eine der frühesten Ai'beiten Lavoisiers betrifft die alte Frage über die angebhehe Transformation des Wassers in Erde (1770) (2). Er kritisiert die vielen seit Helmont diesbezüglich angestellten Versuche und stellt durch genaue Wägung fest, daß tatsächlich nach AbdestilHeren des Wassers ein erdiger Rückstand verbleibt, dessen Gewicht jedoch genau dem Ge- wichtsverluste des Glasgefäßes entspricht. Er leitet daraus den imponierend einfachen Schluß ab, daß diese Erde aus dem Glasgefäße durch Auflösung entstammt, und daß sie nicht aus dem Wasser entstehen kann. Aber auch Scheele konnte die irrige frühere Anschauung dadurch widerlegen, daß er die quahtative Übereinstimmung der Glassubstanz mit dem erdigen Rückstande erwies. Für die Chemie war die Transformationslehre damit endgültig abgetan. Daß aber die Ansicht, der Lebensprozeß der Pflanze könne Aschenstoffe neu erzeugen, noch lange ungestört fortbestand, lehren viele Arbeiten noch Dezennien später. Die Entdeckung des Sauerstoffes führte 1775 Lavoisier zum Schlüsse seiner Abhandlung: ,,Sur la nature du principe qui se combine avec les metaux pendant leur calcination et qui en augmente les poids" zur heutigen Auffassung von der Natur der Kohlen- säure: ,,Puisque le charbon disparait en entier dans la revivification de la mercure et de l'air fixe, on est force d'en conclure que le principe auquel on a donne jusqu'ici le nom d'air fixe, est le resultat de la combinaison de la portion eminemment respirable de l'air avec le charbon." Im Verlaufe seiner Arbeiten über Verbrennung und die Rolle des Sauer- stoffes sowie über die Entstehung von sauren Substanzen bei Verbrennung kam Lavoisier 1777 zur Meinung daß, „air pure" ein „principe oxygene" sei, und 1781 legte er der fixen Luft nach Eruierung ihrer quantitativen Verhältnisse den Namen „acide du charbon" bei. Schon 1777 berichtet er über Versuche bezüghch tierischer Atmung und bezüghch der Verände- rungen, welche die Luft beim Passieren der Lunge erleidet. 1780 spricht er sich dahin aus, daß das Atmen ein Verbrennen sei; wohl verlaufe es langsam, sei aber sonst dem Verbrennen der Kohle vollkommen ähnlich. Die dabei entstehende Wärme ersetze den Wärmeverlust des Körpers. Diese bis 1789 fortgesetzten Studien bilden die Grundlage für unsere Theorie der Sauerstoffatmung. 1) Vgl. M. Speter, Lavoisier und seine Vorläufer (Stuttgart 1910). — 2) Sur la nature de l'eau et sur les exp^rimentes par lesquelles on a prötendu prouver la possi- bilit^ de son changement en terre. M^m. Acad. (1770), p. 73. In der Neuaiisgabe von Lavoisiers Werken, //, 1 (1862). 10 Geschichtliche Einleitung. Es sei gestattet, hier zur PRiESTLEYschen Entdeckung zurückzu- kehren. Priestley wurde in der Publikation seiner Versuche überholt durch eine glänzend abgefaßte Abhandlung des holländischen Arztes Jan Ingen-Housz (1730 — 1799): Experiments upon vegetables discovering their great power of purifying the common air in the sunshine and of injouring it in the shade and at night (1779). Zu dieser Zeit war die Entdeckung des Sauerstoffes noch neu und zusammenhanglos, Lavoisiers System noch nicht vorhanden. Um so bewunderungswürdiger ist die Form und der Inhalt dieser Publikation eines ebenso stark physikalisch- chemisch als biologisch veranlagten Mannes Ingen-Housz erkannte genau die Abhängigkeit der Ausscheidung von „dephlogistisierter Luft" vom Chlorophyllgehalte der Pflanzen und vom Lichte, ferner die „Luft- verschlechterung" durch chlorophyllfreie Pflanzenteile in Licht und Dunkel ; er wußte auch, daß bei dieser Luftverschlechterung Kohlensäureaus- scheidung irgend eine Rolle spielt. Hingegen war Ingen-Housz nicht sicher darin, ob diese Kohlensäureausscheidung, wie beim Tier ein kon- tinuierlicher Prozeß sei(i). Klar und deutlich sprach die richtige Ansicht erst Saussure 1798 aus. Auch wußte Ingen-Housz noch nicht be- stimmt, woher der entwickelte Sauerstoff stamme. Daß die Sauerstoff- ausscheidung mit Kohlensäureverarbeitung kausal zusammenhängt, hat erst 1782 J. Senebier (1742 — 1809) erkannt, durch seine Versuche über Beschleunigung der Sauerstoffproduktion in kohlensäurereichem Wasser und unter richtiger Verwertung der damals eben von Lavoisier festgestellten Erkenntnis von der Zusammensetzung der Kohlensäure. Lavoisier setzte in dieser Zeit seine Verbrennungsversuche mit organischen Substanzen fort. 1784 pubhzierte er seine Memoire sur la combinaison du principe oxygene avec l'esprit-de-vin, l'huile et differents Corps combustibles. Darin wurde gezeigt, daß das Gewicht der bei der Verbrennung gebildeten Produkte, Kohlensäure und Wasser, genau gleich ist dem Gewichte der verbrannten Substanz vermehrt um das Gewicht des verbrauchten Sauerstoffes. Dies waren die ersten Verbrennungsanalysen organischer Stoffe. Von hohem biochemischen Interesse ist eine 1786 erschienene Mit- teilung Lavoisiers (2), worin zum erstenmal die Nutzanwendung obiger Verbrennungsanalysen gezogen wird, und die Unrichtigkeit der alten Methode der Pflanzenanalyse klargelegt wird (3). Es hatte zwar schon Boyle ge- zeigt, daß das Feuer bei freiem Luftzutritt aus organischen Stoffen andere Verbrennungsprodukte liefert, als bei Luftbeschränkung. Lavoisiers Verdienst war es aber, bewiesen zu haben, daß die bei der trockenen Destil- lation und beim Verbrennen auftretenden Stoffe nicht schon früher in der organischen Substanz enthalten sind, sondern sich erst beim Erhitzen unter MitbeteiHgung des Luftsauerstoffes bilden. Er zeigte dies am Bei- spiele des Zuckers, welchen er offenbar schon damals analysiert hatte. Der Zucker besteht aus Sauerstoff, Wasserstoff und Kohle; letztere ist 1) Insofern ist die Darstellung in Sachs' Geschichte der Botanik zu berich- tigen. Über Jan Ingen-Housz vgl. J. Wiesner, jan Ingen-Housz, sein Leben und Wirken als Naturforscher und Arzt (Wien 1905). — 2) Röflexions sur la döcompo- ßition de l'eau par les substances v^gätales et animales. M6m. Acad. Paris pour 1786, p. 590. — 3) Wer sich unterrichten will, wie zu Lavoisiers Zeit die Pflanzen- chemie stand, und mit welcher Unklarheit und welchem Wichtigtun gearbeitet wurde, lese etwa die „Anleitung zur Zerlegung der Pflanzen" von Schiller in Crells Ann, (1791), //,*226, oder andere ähnliche Mitteilungen aus dieser Zeit. Geschichtliche Einleitung. U in bedeutendem Übermaße vorhanden; Sauerstoff und Wasserstoff fast in dem Verhältnisse, wie es nötig ist, um Wasser zu bilden. Das Öl, welches bei der trockenen Destillation entsteht, ist ebensowenig schon vorher im Zucker enthalten, wie die bei der Verbrennung entstehenden Kohlensäure und Wasser. Dieselbe Abhandlung zeigt aber auch, daß Lavoisier bezüghch der Kohlensäureassimilation in den Grundzügen richtige und klare An- schauungen besaß (1). 1788 erschien die hochinteressante Memoire sur la fermentation spiritueuse, worin Lavoisier trotz mangelhafter Annahmen und Versuchs- resultate zur Anschauung kam, daß der gärende Traubensaft in Kohlen- säure und Weingeist (hier zuerst als „Alkohol" bezeichnet) zerfällt. Die berühmte zusammenfassende Darstellung der „antiphlogistischen" Chemie Lavoisiers Traite elementaire de chimie erschien 1789. Darin finden sich alle erwähnten biochemischen Entdeckungen, sowie eine nützliche Übersicht über die damals bekannten Pflanzenstoffe. In Deutschland brachen sich Lavoisiers Ansichten bekanntlich nur langsam Bahn. Von den deutschen Chemikern war es zuerst S. F. Hermb- STÄDT, welcher als Vorkämpfer für das „antiphlogistische System" auftrat. Es darf wohl kühn behauptet werden, daß die heutige Biochemie unmöghch hätte aufgebaut werden können, wenn ihr nicht Lavoisier mit seiner Theorie der Zusammensetzung der organischen Stoffe aus Kohlen- stoff, Wasserstoff, Sauerstoff die Grundlagen gehefert hätte. In. Lavoisiers Arbeiten wurde auf den Stickstoffgfehalt vieler or- ganischer Stoffe nicht geachtet, und es haben sich die Kenntnisse von diesem wichtigen Bestandteile der Organismen nur sehr langsam geklärt. Zerstreute Beobachtungen älterer Chemiker berichten über Am- moniakentwicklung bei der trockenen Destillation von Tier- und Pflanzen- stoffen. Erst Cl. L. Berthollet (1748—1822) wies 1786(2) Stickstoff allgemein in animalischen Substanzen nach, und bald galt der Stickstoff- gehalt für tierische Stoffe als charakteristisch gegenüber Pflan^ienstoffen. A. Fr. de Fourcroy unterschied 1789 drei Klassen von Tierstoffen nach der Stickstoffmenge, welche sie enthalten, und stellte wohl zuerst den Grundbegriff der Eiweißstoffe auf (3). Weiterhin wies Fourcroy (4) §1) Er sagt: „Pour se faire une idöe de ce qui se passe dans cette grande Operation qua la nature semblait avoir jusqu'ici environnöe d'un voile epais, il faut savoir qu'il ne peut y avoir de v^g^tation sans eau et sans acide carbonique. Ces deux substancea se döcomposent mutuellement dans l'acte de la Vegetation par leur latus analogue; Thydrogfene quitte l'oxygfene pour s'unir au charbon, pour former les huiles, les ri^sines et pour constituer le v6g6tal: en meme temps l'oxygfene de l'eau et de l'acide, carbonique se d^gage en abondance, comme l'ont observ^ MM. Priest- LEY, Inqen-Housz et Senebier, et il se combine avec la' lumi^re (für Lavoisier waren Licht und Wärmestoff Elemente!) pour former du gaz oxygöne." Diß Lavoi- sier auch die atmosphärische Kohlensäure als Kohlenstoffquelle würdigte, geht aus einem Berichte über Hassenfratz s Abhandlung „Sur la nutrition des v^getaux" (1792) hervor, welcher in Oeuvres de Lavoisier, /F, 531 (1868) abgedruckt ist. Senebier wie Hassenfratz waren der Ansicht, daß die Kohlensäure durch die Wurzeln aus dem Boden aufgenommen werde. Lavoisier meinte, dies sei noch näher zu prüfen. Doch geht aus dem Berichte unzweifelhaft hervor, daß sich Lavoi- sier der Ansicht zuneigte, daß die Pflanzen die Kohlensäure aus der Luft aufnähmen, und nicht aus der Erde. — 2) Journ. de Physique, 28, 272 (1786). — 3) FoURCROY, Ann. de Chim., /, 40 (1789). Er sagt: „. . • ä laquelle (mat. albumineux) il donne pour caractfere de se concr^ter et de devenir opaque par la chaleur, par les acides et par l'alcool tels que le blanc d'oeuf, la partie söreuse du sang l'eau des hydropiques, la liqueur de l'amnios, la matifere cas^euse." — 4) Sur l'existence de la mati^re al- bumineuse dans les v6g6taux. Ann. de Chim., 3, 252 (1789). Bonvoisin, Crells Ann. (1795), II, 266, fand „eiweißartigen" Stoff in den Blumenblättern der Kornblume, Braconnot später „animalisch-vegetabilische" Substanz bei Pilzen. J2 Geschichtliche Einleitung. auf die Ähnlichkeit des Klebers mit tierischen Stoffen hin; er betont, daß Pflanzensäfte (Cochlearia, Kresse) ebenso viskos sein können wie tierisches Eiweiß, in der Hitze gerinnen, fäulnisfähig sind, er vergleicht die Gallerte aus Früchten mit Leim. Eine Verallgemeinerung auf alle Pflanzen wurde noch lange nachher nicht durchgeführt, man sprach von „animalisch - vegetabilischer Substanz", „matiere animalisee" usw. Erst später kam man zur Überzeugung, daß eiweißartige Stoffe zu den all- gemein verbreiteten Pflanzenbestandteilen gehören. C. W. Scheele (1742—1786), der berühmte Entdecker des Sauer- stoffes, gehört auch zu den erfolgreichsten Pflanzenchemikern seiner Epoche. Ihm verdankt man die Darstellung reiner AV einsäure und Citronensäure ; er zeigte 1785, daß die von Bergmann durch Oxydation des Rohrzuckers mit Salpetersäure dargestellte .,Zuckersäure" mit der Kleesäure von Oxalis und Rumex identisch ist und daß die früher für Gips gehaltene ,.Rha- barbererde" aus ..Sauerkleesalz und Kalk" bestehe (i). Bald darauf er- kannte er auch das weit verbreitete Vorkommen des kleesauren Kalkes in Wurzeln und Rinden. Scheele ist ferner der Entdecker der Äpfel- säure (1785), der Milchsäure (1780), der Harnsäure und der Gallussäure (1786). Im Jahre 1784 gelang es ihm zu zeigen, daß bei Verseifung des Olivenöls mit Bleioxyd eine süßschmeckende Substanz gebildet wird, welche, mit Salpetersäure oxydiert, Kleesäure liefert: es war dies die Entdeckung des Glycerins. Die Weiterbearbeitung der Fettchemie aber wurde erst ein Vierteljahrhundert später durch Chevreul erfolgreich unternommen. Im Chlorophyll hatte schon Berthollet den Stickstoff nachge- wiesen (2). Von Pilanzenaschenstoffen war bis dahin bekannt: Kali (welches Rouelle (3) für ein Produkt der Vegetation erklärte), Natron (4), Kalk, Schwefelsäure, Phosphorsäure (5) und Kieselsäure. Von den Arbeiten über Aufnahme und Bedeutung der Aschenstoffe aus dieser Zeit sind diejenigen Chr. Albr. Rückerts (6) ehrender Erwähnung wert. Rückert hält dafür, daß die Kohlensäure im Boden als Lösungsmittel bei der Beschaffung der Aschenstoffe fungiere; er will durch Begießen mit kohlensaurem Wasser günstige Erfolge erzielt haben. Rückert hat ent- schieden richtige Begriffe von der Wichtigkeit der Mineralstoffe, bekämpft die Theorie, daß nur organische Bodensubstanzen bodeutungsvoll für die Pflanze sind und nimmt die Bodenanalyse zu Hilfe, wenn es sich darum handelt, fehlende Bodenbestandteile künstlich zu ersetzen. Diese Vor- stellungen sind z. B. jenen R. Kirw^ans (7) weit überlegen, welcher die Aschenstoffe mehr wie ein Gewürz oder Verdauungsmittel, als wie ein Nährmaterial ansah. Im übrigen blieben bei den Chemikern und Bota- 1) Die bezüglichen Arbeiten Scheeles finden sich in Crells Ann. (1784), //, 1; (1785), /. 19; (178.Ö), //, 291, 513; (1786) /, 439. — 2) Rouelle, Journ. de M6d., 40 (1773); Meyer, Crells Ann. (1784), /, 521, gab darin Phosphorsäure an. Nach J. G. Georgi, Crells Ann. (1785), /, 277, sollte der Farbstoff eisenhaltig sein. Vgl. RtJCKERT, Crells Ann. (1788), //, 394. — 3) Beyträge z. d. ehem. Ann. v. Crell, /, 124 (1785). — 4) Vgl. VaüQUELIN, Ann. de Chim., 18, 65 (1793). — 5) Hierzu Hassenfratz, Crells Ann. (1789), /, 106. — 6) Chr. Albr. Rückert, Der Feld- bau,, chemisch untersucht usw., (Erlangen 1789), 2 Teile. Vgl. Crells Ann. (1788), //, 394; (1789), //, 284; (1790), /, 275. Wie weit Rückerts Auffassung derjenigen seiner Zeitgenossen überlegen war, sieht man auch aus einer Mitteilung von Parmen- TIER, Ann. de Chim., //, 278; Crells Ann. (1795), //, 227. — 7) R. Kirwan, Crells Ann. (1796), /, 63 ff. Geschichtliche Einleitung. 13 nikern die Ansichten bezüglich der Biochemie der Aschenstoffe noch Dezennien hindurch unrichtig und unklar (i). Dies war im allgemeinen der Zustand der Biochemie in der ersten Zeit nach Lavoisiers Tode. Einer der wenigen, welcher ganz im Geiste eines Lavoisier und Ingen-Housz als Chemiker und Biologen weiter- arbeitete, war Th. de Saüssure (1767 — 1845), den man wohl vielleicht als den größten Pflanzenbiochemiker ansehen darf, welchen die letzten Jahrhunderte hervorgebracht haben. Schon die erste, 1797 erschienene Abhandlung Saüssüres, ob die Bildung der Kohlensäure zum Leben und Wachsen der Pflanzen not- wendig sei (2), zeigt sein großes Talent in hellstem Lichte. Darin be- richtet er über Versuche, welche das Pflanzenwachstum in atmosphärischer Luft, in Luft-Kohlensäuremischung und in kohlensäurefreier Luft betreffen, und faßt seine Ergebnisse in folgenden Sätzen zusammen. „Die Ver- suche beweisen 1. daß die Pflanzen wie die Tiere beständig Kohlensäure bilden, wie im Sonnenlichte, so im Schatten; 2. daß sie wie die Tiere diese Kohlensäure mit dem Sauerstoff der Atmosphäre bilden und daß, wenn man diese Kohlensäurebildung nicht wahrnimmt, der Grund darin liegt, daß die Kohlensäure, so wie sie gebildet ist, auch zersetzt wird; 3. daß die Gegenwart oder vielmehr die Verarbeitung der Kohlensäure zum Wachstum der Pflanzen in der Sonne nötig ist; 4. daß das Licht das Wachstum der Pflanzen insoweit befördert, als es zur Zersetzung der Kohlensäure beiträgt; ö. daß die stärkste (}abe von Kohlensäure, welche das Wachstum der Pflanzen im Sonnenlicht begünstigt, demselben im Dunkel bereits schädlich ist." Daraus geht am besten hervor, wie weit Saussure schon damals in seinen biochemischen Auffassungen war. Und es ist erst Julius Sachs gewesen, welcher diesen Ideen volle all- gemeine Anerkennung und Geltung verschaffen konnte! Saussures berühmtes Hauptwerk sind die Recherches chimiques sur la Vegetation (1804) (3), welche in ihrer Inhaltsfülle, Tragweite der Versuche und vorsichtigen Darstellung bis heute unerreicht geblieben sind. Hier ist der Ort wo Saussure die grundlegenden quantitativ analytischen Daten für die Erkenntnis, daß die Landpflanzen ihren Kohlenstoffbedarf aus der Luftkohlensäure decken, geliefert hat. Dies ist ein ureigenes Verdienst, nachdem Senebier und Hassenfratz gemeint hatten, daß nur die im Boden wasser gelöste Kohlensäure als Nährstoff in Betracht komme (4). Er legt weiter neuerdings die Verhältnisse der Sauerstoff- atmung dar und bringt endlich seine wichtigen Versuche über die Ver- sorgung mit Aschenstoffen. Schon 1801 hatte Humphrey Davy(5) die angeblich gelungenen Versuche mit Ernährung von Pflanzen mit reinem Wasser in geistreicher Weise zu widerlegen gesucht, indem er die Fähigkeit zur Elektrizitäts- leitung als Beweis der Existenz von Mineralsalzen im Wasser heranzog. 1) Dies trotz der genialen Forschungen eines Saussure. Noch 1807 konnte H. Braconnot (Ann. de Chim., 6i, 187) behaupten, daß die Pflanzen in reinem Wasser alles fänden, was sie zum Leben brauchten; der Dünger sollte nur das Wasser liefern, die „force organique aidee de la lumiäre solaire" brächte in der Pflanze die Erden, Alkalien, Metalle, Schwefel, Phosphor, Kohlenstoff, vielleicht auch Stickstoff hervor. — 2) La formation de l'acide carbonique est-elle ä la v^g^tation? Ann. de Chim., 24, 135 (1797) und ibid., p. 227. — 3) Jetzt leicht zugänglich in der von A. WiELER besorgten Übersetzung als No. 15 — 16 von „Ostwalds Klassikern". — 4) J. Senebier, Physiologie vög^t , ///, 227. J. H. Hassenfratz, Ann. de Chim., 13, 178 u. 318 (1792); 14, 55 (1792). — 5) Vgl. dessen „Elemente der Agrikultur- chemie", 357 (1814). Deutsche Übersetzung. 14 Geschichtliche Einleitung. und sich auch auf negativ verlaufene Versuche berief, in welchen Hafer in reinem kohlensauren Kalk kultiviert worden war. Saüssure lehrte nun die Unentbehrlichkeit der Aschenstoffe, und zeigte durch eine große Anzahl von Aschenanaljsen, den ersten in ihrer Art, daß zwischen Aschenzusaramensetzung und Entwicklungszustand der Pflanzenteile ge- setzmäßige Beziehungen obwalten. Es war ihm völlig klar, daß es der Pflanze nicht auf orgauische Nahrung im Boden ankommt, sondern auf die im Boden wasser gelösten Aschenstoffe; er wußte, daß man diese Aschenstoffe quantitativ in der Pflanze wiederfindet, so wie sie dem Boden entnommen sind, und nicht etwa im Organismus gebildet werden. Diese Grundwahrheiten wurden erst viel spätei- Gemeingut der Wissen- schaft, und bis auf die (auch heute noch nicht gänzlich aufgeklärte) aktive lösende Wirkung der Wurzeln im Boden hat man eigentlich nichts hinzu kennen gelernt. Die Recherches chimiques von Saussure sind in der Regel das- jenige Werk, worauf man beim Studium von Spezialfragen zurückgeht, und es könnte eine allgemeine historische Einleitung zur Biochemie der Pflanzen mit der Würdigung dieses Werkes ganz wohl ihren Abschluß finden. Von hier an teilt sich der Strom der Wissenschaft in eine Anzahl von Armen, und wir geben weitere historische Daten am besten in den einzelnen Kapiteln dieses Werkes. Nur die Marksteine der biochemischen Forschung im 19. Jahrhundert, die Einführung von Anschauungen und Methoden der allgemeinsten Bedeutung mögen zum Schlüsse, dieser historischen Übersicht gebührend hervorgehoben v/erden. Das Schicksal der pflanzlichen Ernährungslehre lag in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz in den Händen der Chemiker, und eine glückliche Fügung war es, daß die großen Chemiker dieser Zeit fast sämtlich, wie ein Davy, Dumas, Berzelius und Liebig für die biologische Chemie ein warmes Interesse hegten; die „poetischen Pflan- zenphysiologen", wie sie Berzelius mit feinei- Ironie einmal nannte, lagen ja in den Banden einer wenig fruchtreichen naturphilosophischen Richtung (l). Jedes Jahr brachte damals die Entdeckung einer außerordentlich großen Zahl von Kohlenstoffverbindungen aus dem Pflanzenreiche, und das Studium dieser reichen Ernte beherrschte die gesamte Chemie. Durch Berzelius, Dumas und Liebig erhielt die Wissenschaft exakte Methoden, um die Grundstoffe der organischen Verbindungen quantitativ zu bestimmen, und .dadurch eine genaue Charakteristik der organischen Stoffe zu ermöglichen. Alle diese Substanzen galten als spezifische Produkte der Organismen. Berzelius (2) schrieb: „Ihre Bildung ist der organischen Natur vorbehalten und scheint der chemische Zweck der Organisation zu sein." Gerechtes Aufsehen mußte es daher erregen, als 1828 durch Wühler (3) die Möglichkeit gezeigt wurde, Harnstoff syn- 1) Vgl. hierzu auch F. Rukge, Neueste phytochemische Entdeckungen, p...Vir (1820). — 2) Berzelius, Gilberts Ann., 42, 37 (1812). — 3) F. Wöhler, Über künstliche Bildung des Harnstoffs, Pogg. Ann., 12, 253 (1828). „Eine auch in- sofern merkwürdige Tatsache, als sie ein Beispiel von der künstlichen Erzeugung eines organischen, und zwar sogenannten animalischen Stoffes aus unorganischen Stoffen darbietet" (Wöhler, 1. c ). Wieweit die Auffassung der Dinge wenige Jahre später gediehen war, zeigt eine interessante Äußerung von Dumas aus dem Jahre 1836 (Handbuch d. angew. Chemie, V; Joum. prakt. Chem., 7, 298 [1836]). „Es drängt sich mir die Überzeugung auf, daß die organische Chemie von der unor- ganischen durchaus nicht wohl getrennt werden kann. Denn man wird doch nicht im Ernst behaupten wollen, daß das Cyan und der Kohlenwasserstoff, welche beide Geschichtliche Einleitung. 15 thetisch darzustellen. Es war dies die erste der vielen überraschenden Synthesen, welche der Chemie des 19. Jahrhunderts gelangen. Nicht zu verwundern ist es, daß das Studium der Pflanzenaschen- stoffe eine Zeitlang in den Hintergrund trat. Erst das erwachende In- teresse an chemischen Stoffwechselversuchen brachte auch hier Fortschritte mit sich, und so konnten die alten unklaren Vorstellungen der sogenannten „Humustlieorie" aus der Ernährungsphysiologie nach und nach verbannt werden. Stoffwechselversuche an keimenden Samen verdanken wir schon einigen älteren Forschern, wie Chaptal, Cruikshank, ferner Saussure (i). Systematisch sehen wir später diese bedeutungsvollen Bestrebungen ge- pflegt von J. BoussiNGAULT. einem der verdienstreichsten Biologen des 19. Jahrhunderts. Boussingault (2) ging aus von Analysen der Futter- mittel und der Düngerstoffe. Daran schlössen sich die ersten Stoff- wechseluntersuchungen an Haustieren und die ersten Untersuchungen über die Zusammensetzung von Kulturpflanzen in verschiedenen Lebens- stadien. Dadurch gewann die Pflanzenchemie erst wieder biologisches Interesse und biologischen Geist. Im Jahre 1824 trat Justus Liebig auf den Plan der wissenschaftlichen Arbeit, und schnell gelang es seiner glänzenden Begabung, sich den ersten Platz unter Deutschlands Che- mikern zu sichern. In der ersten Periode seines überaus fruchtbaren Schaffens beschäftigten ihn außerordentlich zahlreiche, trefflich ausge- führte Elementaranalysen pflanzlicher Substanzen. Er schlug vor, die einzelnen Verbindungen, welche im Organismus vorkommen, in ihren Veränderungen und Verwandlungen Schritt für Schritt durch die Ele- mentaranalyse zu verfolgen, um so ein Verständnis für die chemischen Vorgänge des Lebens zu gewinnen (3). Die Entdeckung der Erschei- nung der Isomerie bei organischen Substanzen, ferner die ersten Studien über Esterbildung, Hydrolyse und Fermente, welche sich an Liebigs berühmte Amygdalinarbeit anknüpften, und im weiteren Verlaufe bis zu den ersten Versuchen, Eiweißstoffe durch Hydrolyse abzubauen, führten, schufen wichtige Erweiterungen der biochemischen Auffassung und be- gründeten wohl die moderne Biochemie überhaupt. Wir sehen weiter Liebig, gleichzeitig mit Boussingaults Wirken in Frankreich, landwirt- schaftlich-chemischen Fragen zugewendet: er ist es, welcher klar erkennt. einzig und allein immer nur bei der Zersetzung organischer Stoffe zum Vorschein kommen, der Mineralchemie angehörende Produkte seien, während die Sauerkleesäure, der Alkohol, der Äther, die Schwefelweinsäure, der Harnstoff organische Substanzen wären? Ich suche vergebens nach einem Unterschied, welcher diese Körper von- einander zu trennen vermöchte, finde aber durchaus keinen. Meiner Meinung nach gibt es keine eigentlichen organischen Stoffe. Ich erblicke nur in den organisierten Wesen sehr langsam wirkende Apparate, welche auf Stoffe in dem Momente ihrer Entstehung einwirken und auf solche Weise aus wenigen Elementen sehr verschiedene unorganische Verbindungen erzeugen." 1) Chaptal, Ann. de Chim., 74, 317 (1810), studierte die Veränderungen im Öl- und Stärkegehalt während der Keimung, sowie CO^-Abgabe und 0-Aufnahme. Er fand den Quotienten ^ = 1. N. Cruikshank, Crells Ann. (1800), //, 195, hatte schon früher die Zuckerbildung und Sauerstoffatmung bei der Keimung der Gerste sowie das Ausbleiben der Zuckerbildüng bei Sauerstoffmangel aufgefunden. — 2) J. Boussingault, Die Menge des Stickstoffes in Futtermitteln, Ann. de Chim. et Phys. (2), 6j, 225 (1836) und (2), 67, 408 (1838); Düngeruntersuchungen, Stoffwechselunter- Buchungen, ibid. (3), /5, 97 (1845); Entwicklung der vegetabilischen Stoffe in der Kultur des Weizens, ibid. (3), /;, 162 (1846). — 3) Vgl. Liebig, Pogg. Ann., 34, 570 (1835). IQ Geschichtliche Einleitung. welche Nährstoffe die Kulturpflanzen dem Boden entnehmen, und wie eine rationelle Düngung vorzunehmen ist. Trotz mancher Irrtümer, welche hierbei unterliefen (wir werden im speziellen Teile des Buches mehrfach darauf zurückzukommen haben), bleibt es Liebigs unvergäng- liches Verdienst, die bereits von Saüssure klar erkannten Grundzüge der pflanzlichen Ernährung zu allgemeiner Kenntnis und Anerkennung zu bringen. Aus Liebigs Anregungen und Ideen wuchs die von Sachs, Knop, Nobbe und anderen Forschern von 1860 an ausgebildete Methode der Wasserkultur hervor, welche noch mehr als die älteren Versuche von Wiegmann und Polstorff (1842), sowie vom Fürsten zu Salm-Horst- MAR (1) geeignet waren, die Funktion der Wurzeln als Mineralstoffe auf- nehmendes Organ der Pflanzen zu demonstrieren, und auf deren Durch- bildung unsere heutigen biochemischen Kenntnisse von den Aschenstoffen der Pflanze beruhen. Im Jahre 1833 gelang es Payen und Persoz (2), in der Malz- diastase das erste Enzym aufzufinden und dessen Eigenschaften und Wirkungen zu studieren. Kurz danach wurde das Emulsin durch Liebig entdeckt. Berzelius (3) war es, welcher die Eigentümlichkeiten der Enzym Wirkungen schon seit 1836 klar auffaßte und den Begriff der Katalyse aufstellte. Mitscherlich (4), welcher diese Wirkungen „Kon- taktwirkungen" nannte, erkannte die Bedeutung der Oberflächen Wirkung bei diesen Erscheinungen. Dies waren die ersten Wurzeln einer bio- chemischen Forschungsrichtung, welche in den letzten Jahren des 19. Jahr- hunderts namentlich durch die Schule W. Ostwalds ihre exakte chemische Begründung erhielt und welche schon in unseren Tagen weitgehende Konsequenzen für die Auffassung der chemischen Lebens Vorgänge mit sich gebracht hat. Im Jahre 1837 zeigte Th. Schwann (5) in seinen berühmt gewor- denen Versuchen, daß Weiugärung und Fäulnis durch Luft, welche stark erhitzt worden ist, nicht übertragen wird, und sprach die Bierhefe, die bis dahin als auf chemischem Wege entstandenes Sediment betrachtet worden war, als einen Pilz an. Fast gleichzeitig (1838) äußerte sich Cagniard Latour (6) dahin, daß die Hefekügelchen organisiert seien und dem Pflanzenreiche angehörten. Kützing (7), welcher übrigens in bezug auf die p]ntstehung der Mikroben, wie fast alle damaligen Forscher, im Gegensatze zu Schwann sehr unkritische Ansichten vertrat, fand gleichzeitig die Essigbakterien auf. Sehr genaue und kritische Versuche über die Entstehung mikroskopischer Organismen veröffentlichte zu dieser Zeit F. Schulze (8). 1841 fanden Boutron und Fr^my (9) die Milch- 1) A. J. Wiegmann u. L. Polstoeff, Über die anorganischen Bestandteile der Pflanzen (Braunschweig 1842); Fürst zu Salm-Horstmar, Versuche und Resul- tate über die Nahrung der Pflanzen (Braunschweig 1856). — 2) Payen et Persoz, Memoire sur la Diastase, Ann. de Chim. et Phys. (2), 53, 73 (1833). — 3) J. Ber- zelius, Einige Ideen über eine bei der Bildung organischer Verbindungen in der lebenden Natur wirksame, aber bisher nicht bemerkte Kraft. Berzelius, Jahresber. üb. d. Fortschr. i. d. phys. Wiss., 15, 237 (1836). — 4) E. Mitscherlich, Pogg. Ann., 5S, 209 (1842). — 5) Th. Schwann. Vorläufige Mitteilung, betreffend Versuche über die Weingärung und Fäulnis. Pogg. Ann., 41. 184 (1837). Weil die Wein- gärung in seinen Versuchen nicht durch Strychnosextrakt, wohl aber durch Arsenit aufgehoben wurde, meinte er, der Erreger sei kein Tier, sondern eine Pflanze — 6) Cagniard-Laxour, Ann. de Chim. et Phys. (2), 68, 206 (1838). p. 209 sagt er: „On peut donc regarder comme fort probable que les globules de la levure sont or- ganisls, et qu'ils appartiennent au rögne vegetal". — 7) F. Kützing, Mikroskop. Untersuchungen über die Hefe u. die Essigmutter. Journ. prakt Chem , ;/, 385 (1837). — 8) F. Schulze, Pogg. Ann., 39, 487 (1836). — 9) Boutron et E. Frrmy, Ann. de Chim et Phys. (3), 2, 257 (1841). Geschichtliche Einleitung. 17 Säuregärung des Zuckers auf, Pelouze und Gelis (l) 1844 die anaerobe Buttersäuregärung. Diese Arbeiten, (ieren Resultate von den maßgebenden Chemikern dieser Zeit, wie Berzelius und Liebig, als unbefriedigend angesehen und nicht gut aufgenommen wurden, waren der erste Anfang der heutigen Mikrobenphysiologie, und es ist bekannt, daß ihre Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich an die glänzenden Erfolge von L. Pasteür anschloß, welcher der Wissenschaft klare Vorstellungen über Verbreitung der Mikroben und Infektion brachte, die Prinzipien der Er- nährung der Mikroorganismen auffand, schließlich die außerordentlich wichtige Tatsache des Lebens ohne Sauerstoff entdeckte und sicherstellte, so daß heute die Biochemie der kleinsten Lebewesen eines der best- durchgearbeiteten Gebiete unserer Wissenschaft darstellt. Die wichtigsten Entdeckungen des letzten \'ierteljahrhunderts auf biochemischem Gebiete: die Salpeterbilduug, die Bindung des Stickstoffes durch die Leguminosen und durch Bodenbacterien schließen sich an die Forschungen der Pasteur- schen Schule an. Nachdem die Botaniker Dezennien hindurch, das neugewonnene Hilfsmittel der verbesserten Mikroskope benützend, an den Grundlagen der mikroskopischen Anatomie gearbeitet hatten (mit welchem Erfolge, zeigen uns um die Mitte des Jahrhunderts die Werke eines Mohl und ScHLEiDEN), brach von 1860 an eine neue Blütezeit der experimentellen Physiologie an, die, von Julius Sachs mit glänzenden Mitteln begonnen und besonders von W. Pfeffer fortgeführt, alle die vielen Erfolge ge- bracht hat, deren wir uns heute erfreuen (2). Es steht zu erwarten, daß die experimentell chemische Arbeits- richtung immer mehr an Einfluß gewinnen wird und die lange Zeit hin- durch in der Botanik vielleicht viel zu einseitig getriebene mikrochemische Methodik in kurzem jenen Platz einnehmen wird, der ihr gebührt: als wichtige Bestätigung von Analysenresultaten und als Mittel zur Verfolgung der Vorgänge in der lebenden Zelle (3). Die moderne Chemie bedenkt die Biologen überreichlich mit neuen Methoden und Problemen. Ein weites Gebiet zu biochemischer Arbeit brachten die Studien über das asymmetrische Kohlenstoffatom und die sterische Konfiguration dei- Kohlenstoffverbindungen von van t' Hoff. WisLiCENUS. E. Fischer. Die Biochemie der Zucker und ihrer Deri- vate, wie sie Fischer selbst inauguriert hat, zeigt am besten, was hier geleistet wurde und wieviel noch der Arbeit offen steht. Die letzten beiden Dezennien in ihrer rapiden Entwicklung der allgemein-chemischen, ge- wöhnUch als ,.i)hysikaliscli-cheinischen'' bezeichneten Methoden und An- schauungen schufen für die Biochemie eine heute noch nicht entfernt zu übersehende Fülle von Anregungen und neuen Fragestellungen. Der Ausspruch von W. Ostwald (4), dem die neueste biochemische Richtung so vielfache Förderung verdankte, daß die physiko-chemischen Errungen- schaften der jüngsten Zeit der Biochemie eine Entwicklung prognostizieren 1) Pelouze et Gelis, Ann. de Cliim. et Pliys. (3). lo, 434 (1844). — 2) Die Geschichte der Pflanzenbiochemie von 1860—1900 behandelt J. Reynolds Green. A History of Botany 1860—1900, p. 278 ff. (Oxford 1909). — 3) Grundlagen für eine moderne Mikrochemie schafft F. Emich, Lehrb d. Mikrochemie (Wiesbaden 1911). Biolog. Anwendungen: A. B. Macallum, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.metli. V, (2), 911 (1912). 0. Tunmann. Pharm. Post (1911). — 4) W. Ostwalp, Ztsch. physik. ehem., 23, 708 (1897). Verhandl. Gesellsch dtsch. Naturf. w. Ärzte, 73. Vers, z. Hamburg I, 200 (1902). Czapek, Biochemie der Pflanzen. 3. Aufl. 2 \g Geschichtliche Einleitung. lassen, welche an Bedeutung der von Liebig angeregten Entwicklung nicht nachstehen wird, ist bereits heute in Erfüllung gegangen. Aber auch die Tierbiochemie brachte der pflanzlichen Ernährungs- lehre in den letzten Jahren eine reiche Zahl von Anregungen, Methoden und Anschauungen. Dürfen wir ja doch glauben, daß biologische Theorien im allgemeinen um so näher au die Wahrheit heranrücken, je allgemeiner sie im Pflanzen- und Tierreiche entsprechende Anwendung finden können; die Grundgesetze aller Organismen scheinen dieselben zu sein. Eine Reihe von Arbeiten hervorragender Zoochemiker zeigen, wie auch auf der anderen Seite das Interesse für phytochemische Probleme bei weitblicken- den Forschern rege erhalten worden ist. Die von Kühne und seiner Schule erfolgreich angebahnte, von F. Hofmeister, A. Kossel, E. Fischer und vielen anderen Forschern mit großem Glücke weiter be- arbeitete Chemie der Eiweißsubstanzen hat auch für die Pflanzen- biochemie viele wichtige Ergebnisse gebracht, und bleibt eines der wich- tigsten Gebiete für die Arbeit des 20. Jahrhunderts. Die Enzymforschung ist namentlich durch die von E. Salkov^ski (i), später von Schmiede- berg zuerst angewendete, sodann besonders im Hofmeister sehen Laboratorium technisch hochausgebildete Methodik der aseptischen Auto- lyse mächtig gefördert worden. Wir sind hierdurch in den Stand gesetzt, zahlreiche Prozesse im Organbrei chemisch zu verfolgen, und ihre Unab- hängigkeit vom übrigen Lebensgetriebe zu erweisen. Die Frage, ob synthetische Wirkungen von Enzymen im Organismus eine Rolle spielen, wird auf diese Art weiter bearbeitet werden können. Es schließen sich die von E. Buchner ausgebildeten Methoden, Organpreßsäfte zu be- reiten und ihre Wirkungen zu studieren, an diese Versuche an. Endlich hat die moderne Immunochemie und Serobiologie auch der Biochemie der Pflanzen ein verheißungsvolles Feld erschlossen; die wenigen Bemühungen, welche bis jetzt in dieser Richtung aufgewendet worden sind, haben bereits gezeigt, daß dieselben Gesetze der Assimilation körperfremder Eiweißarten und der Eliminierung artfre:ader Protem- komplexe im Pflanzenorganismus herrschen wie bei den höheren Wirbel- tieren. Die Serobiologie hat für uns ein besonderes Interesse, weil sie uns zeigt, in welch reichem Maße die Biologie die Mittel ersetzt, welche bisher die organische Chemie für die chemische Biologie aufzubringen hatte. Die kommende Epoche unserer Wissenschaft wird immer mehr erweisen, wie biologische Methoden der chemischen Forschung zu Hilfe kommen. Fast unbebaut liegt noch ein weites Gebiet vor uns: die Untersuchung der Variations- und Vererbungserscheinungen im Stoff- wechsel der Pflanze. Hier dürfte durch die Vereinigung der Forschungs- mittel der Biologie und analytisch-chemischen Technik ein gewaltiger und dauernde Erfolge bringender Vorstoß zur Aufhellung der Lebens- erscheinungen zu erzielen sein. So sehen wir heute den Fortschritt der Pflanzenbiochenne allent- halben in vollem Flusse, und zahlreiche, kaum erschlossene Hilfsquellen bieten Erfolge und Verheißungen. Auch die praktischen Anwendungen, welche Landwirtschaft, Gärungstechnik, Zuckerfabrikation, medizinische Bakteriologie und viele andere DiszipUnen aus der theoretischen Biochemie geschöpft haben, werden mit reichlichem Zins das Entlehnte zurück- 1) E. Salkowski, Ztsch. klin. Med., >;, 77, Suppl. (1890). Deutsch. Klin,, //, 147. Geschichtliche Einleitung. 19 erstatten. Ich erinnere nur an die kaum noch hinreichend gewürdigte Bedeutung, welche die genaue Untersuchung der von der Großindustrie in großen Massen geheferten Produkte für die theoretische Wissenschaft hat; viele im Pflanzenorganismus in relativ verschwindend kleiner Menge vorhandene Substanzen, Zwischenprodukte des Stoffwechsels, welche im Laboratoriumsversuch der minimalen Quantität halber kaum zu fassen sind, werden auf diesem Wege der Untersuchung zugängHch. Die Biochemie ist weit entfernt von den einstigen Träumen der Chemiker und Physiologen, eine künstliche Zeile zu erzeugen, oder das ehemische Gesetz, welches allein alle Lebensvorgänge diktiert, ausfindig zu machen. Die besonnene Forschung von heute kann nur das Ziel verfolgen, Vergleichsmomente zu finden zwischen chemischen Vorgängen außerhalb des Organismus, und den Prozessen im lebenden Organismus selbst. Die Auffindung gleichartiger Verhältnisse in bestimmten Fällen dient der Vereinfachung unserer Vorstellungen, der „Ökonomie des Denkens'- (E. Mach). Im Hinblick auf das Ideal der biologischen Forschung, die Lebensvorgänge zu verstehen und alle ihre wechsel- seitigen Beziehungen aufzudecken, ist auch die Biochemie nur ein Mittel von vielen, allerdings eine der mächtigsten W^affen, die wir besitzen. Allgemeine Biochemie. Erstes Kapitel: Dan Substrat der chemischen Vorgänge im lebenden Organismas. § 1- Das Protoplasma und seine Stoffe. So wie der Chemiker an seinen Untersuchungsmaterialien einerseits die dem Objekte veränderungslos gegebenen Eigenschaften: Aggregat- zustand, Farbe, Lichtbrechung, Dichte usw. studiert, andererseits aber ex- perimentell Bedingungen aufzufinden trachtet, unter welchen sich diese Eigenschaften ändern, und dann die Gesetze dieser Änderungen zu fixieren sucht, so hat auch die Biologie bei der chemischen Erforschung der Lebenserscheinungen zu Werke zu gehen. Unsere erste Aufgabe bildet daher die Untersuchung des Substrates, in welchem sich die Lebensvor- gänge abspielen. Mit Ostwald (i) können wir auch von den „Zustands- eigenschaften" des Lebenssubstrates sprechen, wenn wir dessen beständige Eigenschaften im Auge haben. Während aber der Chemiker bei der Feststellung der „Zustands- eigenschaften" seiner Objekte selten eine Störung erfährt, arbeitet der Biologe mit Dingen, welche oft unter seinen Händen andere Eigenschaften annehmen. Bei jeder Untersuchung erfährt er, daß er es mit Objekten zu tun hat, in welchen ohne Unterbrechung sich langsame oder rasche Veränderungen der chemischen Eigenschaften vollziehen, Veränderungen, die man in der inorganischen Natur nicht findet, und welche einen hervorragenden Charakterzug des lebenden Organismus bilden. Ostwald (2) berührt diese Verhältnisse mit folgenden W^orten: „Für alle Lebewesen ist ein nie fehlendes Kennzeichen der Energiestrom. Meist bezeichnet man den hier stattfindenden Vorgang mit dem Namen Stoffwechsel. Dieses Wort trifft aber nicht die Hauptsache." Diese Veränderungen fallen unter den Begriff der „chemischen Reaktionen" oder der „Vor- gangseigenschaften" (Ostwald). Daß sie in mannigfacher Erscheinung ohne unser Zutun an lebenden Objekten erfolgen, bedingt manche Be- sonderheit der biochemischen Arbeitsmethodik. Die Chemie, welche meist erst experimentelle Erzeugung von Reaktionen zu deren Studium nötig hat, liefert uns wenige methodische Anhaltspunkte in dieser Richtung. Für die Biochemie sind sowohl experimentell hervorgerufene als freiwillig an dem lebenden Substrate ablaufende Reaktionen von großer 1) W. Obtwald, Die wisseuschaftl. Grundlagen der analyt. Chem., 5. Aufl. (1910). — 2) W. Ostwald, Vorles. üb. Naturphilosophie, p. 312 (1902). § 1. Das Protoplasma und seine Stoffe. 21 Bedeutung. Wir können einmal Vergleiche ziehen zwischen Reaktionen verschiedener Stoffe außerhalb des Organismus und Prozessen, welche sich im lebenden Organismus abspielen. Dabei treten Analogien und Differenzen zutage, auf Grund deren wir mit verschieden großer Wahr- scheinlichkeit Rückschlüsse auf die Natur der betreffenden Lebensvor- gänge ziehen dürfen. Eine andere Methode ist die, mit dem Lebens- substrate selbst zu arbeiten und zu versuchen, wie es sich beim Zu- sammenbringen mit gewissen Stoffen oder bei der Herstellung bestimmter Bedingungen verhält. Hierbei sind jedoch die Schwierigkeiten zu über- winden, welche sich aus der Veränderlichkeit des Materials ergeben, und erst in neuerer Zeit, seit man imstande ist, die Beteiligung anderer Lebe- wesen an den Prozessen im Untersuchungsmaterial sicher auszuschalten, sind hier größere Erfolge erzielt worden. Aus dem Gesagten geht hervor, daß es eine Abstraktion ist, vom Substrate der Lebensvorgänge zu sprechen, ohne die darin stattfindenden chemischen Reaktionen zu berücksichtigen. Es ist ferner zuzugestehen, daß sich die Zustandseigenschaften biologischer Objekte nie so voll- kommen untersuchen lassen wie an chemischen Objekten, weil eben in den Organismen sich stetig Veränderungen unbekannter Natur volkiehen. Doch bleibt noch immer genug übrig, um reichlich Anregung zum Studium dieser Eigenschaften zu finden. Seit der Forschungsepoche von Mohl und Schleiden (l) ist in der Botanik die Erkenntnis fest begründet, daß das Protoplasma der Zellen pflanzlicher Organismen der Träger der Lebenserscheinungen sei, und daß das Leben erlischt, sobald die Zellen ihr Protoplasma verlieren. Ferd. Cohn (2) erklärte 1850 zuerst das pflanzliche Protoplasma und die tierische Sarkode für übereinstimmende Gebilde. Das Protoplasma mit seinen chemischen Eigenschaften bildet daher das erste und vornehmste Studienobjekt für die Biochemie. Eine Reihe von Beobachtungen hat ergeben, daß sich chemische Ver- änderungen verschiedener Art im Organismus auch an solchen Stellen regelmäßig vollziehen, die vom Zellplasma räumhch getrennt sind, z. B. in der Mittellamelle der Zellhaut. Die auffallenden Erscheinungen beim Wachstum der mit verschiedenfachen Leisten, Vorsprüngen, Stacheln versehenen Außenhaut von Sporen und Pollenkörnern hat H annig (3) in ihrem Wesen durch die Aufdeckung der „Periplasmodien" einfach erklärt. Die Ansicht, daß Protoplasma auch in der Zellmembran enthalten sei (4), ist unzureichend gestützt und auch vöUig entbehrUch. J. V. Hanstein (6) schlug vor, den Protoplasmaleib der Zelle, so- bald man ihn als organisches aktives Ganzes hinstellen will, als „Proto- 1) H. V. MoHL, Botan. Ztg. (1846), p. 73; Vegetabil. Zelle, p. 42 (1851). M. J. Schleiden, Grundzüge der wissensch. Botanik, 4. Aufl., p. 136 (1861); auch N. Pringsheim, Bau und Bildung der Pflanzenzelle (1854) [Ges. Abhandl., ///, 33.] — 2) F. CoHN, Nov. Act. Leopold., 22, 605 (1850). M. Schulze, Das Protoplasma d. Rhizopoden (1863). — 3) Chemische Veränderungen der Mittellamelle in verschie- denen Lebensstadien der Zelle. L. Manqin, Journ. de Botan. (1893). Ch. E. Allen, Botan. Gaz., 32, 1 (1901). Selbständiges Wachstum der Zellmembran: E. Stbas- BUBGEE, Wachst, veget. Zellhäute (Jena 1889) und Ja.arb. wiss. Botan., j/, 511 (1898). C. E. Coreens, Jahrb. wiss. Botan., 26, 587 (1894); Potan, Ztg. (1898), Abt. II, 219. H. FiTTiNG, Botan. Ztg. (1900), Abt. I, 131. E. Hannig, Flora 102, 209, 335 (1911). — 4) Allgemeines Vorkommen von Protoplasma in Zellmembranen nimmt besonders J. Wiesner an (Elementarstruktur und das Wachstum der lebenden Sub- stanz, p. 149 [1892]), zumindest eo lange, als die Zellhaut vrächst (Anat. u. Phys. d. Pfl., 4. Aufl., p. 27 [1898]). Vgl. auch F. O. Bower, Rep. Meet.. Brit. Assoc-, p. 535 (1883). — 6) Jon. v. Hanstein, Botan. Abhandl., 4, II, 9 (1880). 22 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. plast'* zu bezeichnen, während er „die hypothetische Stoffverbindung'" des Protoplasmas mit dem Namen „Protoplastin" belegen wollte. Mit dieser Unterscheidung des Apparates vom Stoff im Zellplasma war die Bahn betreten, welche in den letzten Dezennien zur Aufstellung der mo- dernen „Maschinentheorie" des Protoplasmas geführt hat. Diese Theorie steht im Gegensatze zu einer anderen Auffassung, welche aus den stoff- lichen Eigenschaften des Protoplasmas seine Fähigkeiten und Tätigkeiten erklären will. Die erste Ansicht hat besonders in J. Reinke (i) einen Vertreter gefunden, die zweite Anschauung wird beispielsweise von 0. LoEW (2) bevorzugt. Hier ist es nicht unsere Sache, zu untersuchen, wieweit ein voll- kommenes Verständnis der Lebenserscheinungen mit Hilfe der einen oder der anderen Theorie erreichbar erscheint. Naturgemäß hat sich die Bio- chemie aber an die Eigenschaften der Stoffe zu halten und zu erforschen, wieweit eine wissenschaftliche Erkenntnis durch das Studium stofflicher Eigenschaften möglich ist. Daß die Substanz des Protoplasmas kolloidalen Charakter hat und daß wesentlich Eiweißstoffe an ihrer Zusammensetzung beteiligt sind, ist bereits das p]rgebnis der ersten eingehenden Studien über das Zellplasma gewesen. Die kolloidale Beschaffenheit des Myxomycetenplasmas wurde von DE Bary und von Cienkow^ski (3) studiert. Der Eiweißgehalt wurde seit 1862 insbesondere durch J. Sachs und W. Hofmeister hervorgehoben. Letzterer (4) charakterisiert das Protoplasma, wie folgt: „Zähflüssige Beschaffenheit, reichlich Wasser enthaltend, von leichter Ver- schiebbarkeit seiner Teile; quellungsfähig, in hervorragender Weise die Eigenschaften einer Kolloidsubstanz besitzend — ein Gemenge verschie- dener organischer Substanzen, unter denen eiweißartige Stoffe und solche der Dextrinreihe nie fehlen, von der Konsistenz eines mehr oder minder dicklichen Schleimes, mit Wasser nur langsam und nicht in jedem beliebigen Verhältnisse mengbar: das Protoplasma." Hanstein (5) faßte sein „Protoplastin" direkt als „ein einheitliches Albuminat oder eine Gesellschaft von Albuminaten" auf. Ähnlich hatte sich bereits Schleiden (6) geäußert. Die erste eingehende quantitative Analyse eines vorwaltend aus Protoplasma bestehenden Materials war die bekannte Untersuchung des Plasmodiums von Fuligo varians (Aethalium septicum) durch Reinke (7) (1880). Das Material enthielt über 27 % der Trockensubstanz an Cal- ciumcarbonat. Nach Abrechnung dieses Bestandteiles stellt sich das Analysenergebnis Reinke s wie folgt: 1) J. Reinke, Untersuch, a. d. botan. Inst. z. Göttingen, II (1881), Einleitung in die theoret. Biologie, 2. Aufl. (1911); vgl, auch bes. W. Pfeffer, Pflanzenphysiol., 2. Aufl., /, 3 u. 52 (1897). — 2) O. Loew, Die chemische Ursache des Lebens, und viele spätere im folgenden zitierte Schriften dieses Forschers. — 3) Bary (Myceto- zoen [1864]) hält das Plasma für eine Substanz, die an verschiedenen Punkten wech- selnde Kohäaion besitzt. Cienkowski, Jahrb. wiss. Botan., j (1863) meint, das Plasma der Myxomyceten bestehe aus einer hyalinen zähen Grundmasse und einer körnerführenden Flüssigkeit. — 4) Hofmeister, Pflanzenzelle, p. 1 (1867). — 6) J. V. Hanstein, Das Protoplasma, p. 25 (1880). — 6) M. J. Schleiden, Grund- züge, 4. Aufl., p. 136 (1861). — 7) J. Reinke, Botan. Ztg. (1880), p. 815. Reinke und Rodewald, Untersuch, a. d. botan. Inst. Göttingen, II (1881). Reinke und Z. Krätschmar, Ebenda, III (1883); auch Reinke, Einleit. i. d. theoret. Biologie, p. 248 (1911);' vgl. auch Fürth, Vergl. Physiologie d. nied. Tiere, p. 36 (1903). A. Kanitz, Das Protoplasma als chemisches System. Oppenheimers Handbuch der Biochemie des Menschen und der Tiere, //, 1. Hälfte, 213 (1909). E. Zacharias, Sammelbericht üb. ehem. Beschaffenheit von Protoplasma u. Zellkern; Progress. rei bot., 3, 67 (1909). § 1. Das Protoplasma und seine Stoffe. 23 Phosphorhaltige Proteide (wenig Nuclein, viel ,, Plastin") . . 40,0 Proz. Eiweiß und Enzyme 15,0 Xanthinbasen, kohlensaures Ammon, Asparagin, Lecithin . . 2,0 Kohlenhydrate (Zucker und Glycogen) 12,0 ,, Fett 12,0 „ Harz 1,5 ,. Cholesterin 2,0 „ Calciumformiat, -acetat und -oxalat 0,5 Kali und andere anorganische Salze, Phosphorsäure .... 6,5 ,, Unbestimmte Stoffe 6,5 ,, Im Hinblick auf die seitdem weit vorgeschrittene chemische Technik und unsere heutigen Kenntnisse in der Eiweißchemie wären neuerliche Analysen von Schleimpilzen und anderen geeigneten Objekten von großem Interesse. Von einschlägiger Bedeutung ist eine Studie von Sosnowski (i) über die Bestandteile des Paramaecium caudatum, sowie eine Arbeit von 0. Emmerling(2) über die Hydrolyse von Noctiluca miliaris. Aus den Angaben von Reinke und Rodewald ist übrigens zu ersehen, daß 50 — 7ö 7o der Frotoplasmatrockensubstanz aus Stoffen der Eiweißklasse im weiten Sinne bestehen dürften, während von den übrigen Substanzen ungefähr die Hälfte Fett und Kohlenhydrate sein können. Reinke s „Plastin" ist viel zu unvollkommen bekannt (ebenso sein Aethalium-Myosin und Aethalium-VitelHn), als daß ein bestimmtes chemisches Urteil über die Substanz möglich wäre (3). Doch geht man kaum fehl, wenn man es als ein Gemenge komplexer Proteide ansieht. Über ähnliche Stoffe aus Paramaecium berichtet auch Sosnowski. Die genuinen Eiweißstoffe treten nach den bisherigen Erfahrungen im Proto- plasma nur in relativ kleiner Menge auf. In den Bereich der plastin- artigen Proteide zählen auch die von F. Schwarz (4) als Linin, Para- linin usw. bezeichneten Stoffe, deren namentliche Unterscheidung jedoch kaum empfehlenswert erscheint. Etard (5) hat diese konstiruierenden Proteide des Plasmas als „Protoplasmide" bezeichnet. Es wird sich z. B. auch bei der Analyse embryonaler Gewebe, welche mit Samenembryonen oder Wurzelspitzen ganz gut durchführbar wäre, voraussichtlich herausstellen, daß ähnlich wie bei Leukocyten Nucleo- proteide einen sehr erheblichen Anteil am Aufbau des Protoplasma (Zell- kern) haben können. Andere Differenzen sind bei Samenfäden voraus- zusehen, welche vielleicht wie tierische Spermatozoen reichlich Protamine oder Histone enthalten (6). Reinke hat das Verdienst, darauf hingewiesen zu haben, daß Eiweißstoffe nicht die einzigen wichtigen Protoplasmabestandteile sind, 1) J. Sosnowski, Zentr. f. Physiol., 13, 267 (1899). Die Hypothese von Herrera (Ref. Botan. Zentr. 92, 513, 93, 210 [1903] und Biochem. Zentr. [1903], Ref. Nr. 917), wonach da.s natürliche Protoplasma als ein „anorganisches, von man- cherlei Substanzen durchsetztes Metaphosphat" aufzufassen sei, entbehrt jeder Be- gründung. A. L. Herrera, Notions gönerales de biologie et de plasmogenie (Berlin 1906). - 2) O. Emmerling, Biochem. Ztsch., 18, 372 (1909). Über eine Coccidie: Th. Panzer, Ztsch. physiol. Chera., 7J, 109 (1911). — 3) Auch V. Ruzicka. Arch. Zeliforsch., /, 587 (1908) bringt nichts wesentlich Neues zur Plastinfrage. — 4) F. Schwarz, Die morphol. u. ehem. Zusammensetzung des Protoplasma. CoHNs Bei- träge Biol. d. Pfl, 5, I (1887). — 5) A. Etard, Ann. Inst. Pasteur, 75, 398 (1901); '7, 74 (1903). Über Hydrolyse von Protoplasmasubstanzen: A. Etard und A. ViLA, Corapt. rend., 150, 1709 (1910). — 6) Versuchern dieser Richtung bei E. Zacharias. Ber. botan. Ges., //, 293 (1893) [Zellkern]; ibid.. 19, 377 (1901) [Samenfäden]. 24 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. sondern eine Reihe andeier organischer Verbindungen, wie Lecithin. Cholesterin, Aminosäuren, Kohlenhydrate zum Bestände des Ganzen voraussichtlich ebenfalls nötig sind. Kossels (i) „primäre Zellbestand- teile" fallen wesentlich mit den Protoplasmabestandteilen Reinkes zu- sammen, während die „sekundären Zellbestandteile" die Reservestoffe, sowie die besonderen Zellen eigentümlichen Substanzen darstellen. Den hervorragend wichtigen Anteil, welchen die kolloidalen Eiweißst<>"o ' Protoplasmas an der Struktur des Protoplasten nehmen, haben aber Reinke und Rodewald dadurch anerkannt, daß sie dem Plasma die Natur eines festeren schwammartigen Gerüstes zuschrieben, welches aus äußerst feinen und zahlreichen anastomosierenden Platten und Fäden bestehe und in seinen Hohlräumen (Hansteins „Enchylema") Flüssigkeit enthalte. Damit war auch der Bedeutung kolloidaler Strukturen für die Verhältnisse der lebenden Zelle schon vorausgreifend Rechnung getragen. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide (2). Die überragende Bedeutung kolloidaler Stoffe für die Organismen- welt ist seit langer Zeit erkannt. Die Biologie mußte es deshalb mit Freude begrüßen, daß seit einem Dezennium die wissenschaftlichen Chemiker mit großem Erfolg bestrebt sind, die Natur des kolloidalen Zustandes und dessen Beziehungen zum kristallinischen Zustande der Materie aufzuklären. Für den ersten Erforscher der Kolloide, Th. Graham (3), waren die von ihm so benannten Kolloide Stoffe, die in scharfem Gegensatze zu den „Kristalloiden" stehen. Kolloide diffundieren sehr langsam, passieren gar nicht durch Dialysiermembranen hindurch, und sind nicht in Kristallen zu erhalten. Kristalloide hingegen diffundieren und dios- mieren sehr schnell und leicht und kommen regelmäßig in Kristallform vor. Graham erschienen beide Gruppen wie zwei verschiedene Welten der Materie. Wir aber wissen heute, daß die Differenzen zwischen Kolloiden und Kristalloiden nur graduelle sind. Typisch kolloidale Zell- inhaltsstoffe, wie Albumine, Amylodextrin, konnten zum Kristallisieren gebracht werden, und andererseits sind viele typische „Kristalloide" bereits in kolloidalem Zustand erhalten worden. So bildet Kochsalz in Petroläther nach Paal(4) eine orangegelbe kolloidale Flüssigkeit. Viel- leicht sind die allermeisten Stoffe der inorganischen und organischen Welt unter geeigneten Bedingungen sowohl im kolloidalen als im kri- stalloiden Zustande existenzfähig und man hätte eher von kolloidalen und kristalloiden Zuständen, als von kolloidalen und kristalloiden 1) A. KOSSEL, Arch. Anat. u. Physiol., Phys. Abt., p. 181 (189J). Auf die geistvollen Ausführungen L. Erreras (Reo. d'Oeuvres, Physiol. Gön., p. 183 (1910), warum sich hauptsächlich nur Elemente niederen Atomgewichts am Aufbau der lebenden Substanz beteiligen, sei hier nur beiläufig hingewiesen. — 2) Aus der reichen Literatur über Kolloidchemie sind die für den Physiologen wichtigsten Werke: H. Freundlich, Kapillarchemie (Leipzig 1909). WO;. Ostwald, Grundriß der Kolloidchemie, 2. Aufl. (Dresden 1911). R. Zsigmondy, Über Kolloidchemie (Leipzig 1907). R Höber, Physikal. Chemie d. Zelle u. d. Gewebe, 2. Aufl. (Leipzig 1906). H. Bechhold, Die Kolloide in Biologie u. Medizin (Dresden 1912). R. Zsigmondy. Kolloidchemie (Leipzig 1912). — 3) Th. Graham, Lieb. Ann., /2/, 1 (1861). Auch Ostwalds Klassiker, Nr. 179 (1911). Nach J. Guareschi, KoUoid-Ztsch., 8, 113 (1911), hat Francesco Selmi bereits vor Graham die Unterscheidung zwischen Kristalloiden und Kolloiden erfaßt. — 4) C Paal, Ber. ehem. Ges. 39, 1436 (1906). § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 25 Stoffen zu reden (i). Immerhin neigen unter den gewöhnlichen Be- dingungen viele Stoffe so außerordentlich zur Annahme des kristallinischen Zustandes, andere so sehr zum kolloiden Zustand, daß sie praktisch nach wie vor als „Kristalloide" bzw. „Kolloide" gelten können. Die unscharfe Abgrenzung des Kolloidbegriffes äußert sich ferner darin, daß sich bei verschiedenen Kolloiden alle möglichen Abstufungen des Vermögens der Diosmose (2) ergeben haben, sowie auch ungleiche Ausprägung der an- deren typischen Kolloideigenschaften. Für solche Substanzen, zu denen physiologisch wichtige Stoffe wie Peptone und Seifen gehören, hat Freundlich die Benennung Semikolloide vorgeschlagen. Die Kolloide sind, wie es typisch der Leim zeigt, je nach dem Gehalte an Lösungsmittel (Wasser) entweder dünne, wasserähnliche oder viskose, klebrige, fadenziehende, dicke Flüssigkeiten, oder mehr oder weniger konsistente Gallerten, oder bei sehr geringem Wassergehalt selbst hornartig spröde feste Massen. Graham faßte die kolloiden Flüssigkeiten als „Sole" zusammen; die mehr weniger festen Zustände aber nannte er „Gele". In lebenden Zellen spielt ausschließlich Wasser die Rolle des Sol- bildenden Lösungsmittels und des Quellungsmittels gallertiger Gele. Es handelt sich um Hydrosole und Hydrogele. Künstlich wurden viele Sole und Gele bereitet, welche an Stelle von Wasser ein organisches Lösungsmittel, wie Alkohole, Petroläther, Be&zol, enthalten. Dies sind „Organosole" und „Organogele". Sole und Gele gehen bei den Zellkolloiden, wie Eiweiß, Leim, Stärkekleister, Seifen, kontinuierlich mit Abnahme resp. mit Zunahme des Wassergehaltes in- einander über. Hinreichenden Wassergehalt vorausgesetzt, spielt die Temperatur in den Beziehungen zwischen Solzustand und Gelzustand solcher Kolloide eine wichtige Rolle, so daß das Kolloid seinen gelartigen Zustand "-nur unterhalb einer bestimmten Temperaturgrenze beibehält und bei höheren Temperaturen ein Sol darstellt. Solche Veränderungen pflegen umkehr- bar zu sein. Die Vorstellungen vom festen und flüssigen Aggregat- zustand, der bei den Kristalloiden eine scharfe Grenze aufweist, passen meist nur unvollkommen auf derartige Kolloide, und es gibt hier zahl- reiche als halbflüssig, weich, halbfest zu bezeichnende Zustände, welche für die Kolloide des lebenden Protoplasmas bei gewöhnlicher Temperatur hoch charakteristisch sind, und in der unbelebten Natur unter den ge wohnlichen physikalischen Verhältnissen nirgends in dem Maße vor- kommen. Bei vielen anderen Kolloiden hingegen besteht zwischen Sol- und Gelzustand eine scharfe Grenze, so daß beim Erhitzen, oder durch kleine Zusätze von Stoffen, selbst durch starkes Schütteln eine mehr oder weniger vollständige Ausscheidung von Kolloid aus der Flüssigkeit als Gel erfolgt. Solche Vorgänge pflegt man als Gerinnung, Koagulation zu bezeichnen. Es ist sehr merkwürdig, wie geringe Anlässe häufig in Solen Koagulation erzeugen. Koagulationsprozesse innerhalb des Lebens der Zelle kennt man in der Biologie von den Veränderungen des Nah- rungseiweißes, welche vom Sekrete verdauender Zellen erzeugt werden. Sonst sind in lebenden Zellen, wenn man von Gelmembranbildungen 1) Am weitesten gehen in dieser Hinsicht die Auffassungen von P. v. Wei- MARX. z. B. Ztsch. Koll.chena., 2, 76 (1907); 8, 24 (1911). Ztsch. physikal. Chera., 76, 212 (1911). Grundzüge der Dispersoidchemie (Dresden 1911). Wo. 08TWAJ.,d, Kt)ll.Lliem. Beihrli, 4, 1 (1912). — 2) Die ersten genauen Versuche hierüber Staramen von W. Pfeffer, Osmot. Untersuchungen, p. 72 (1877). Über Diosmose kolloidaler Lösungen: K. Spiro, Hofmeisters Beitr., 5, 292 (1904). 26 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. absieht, Koagulationsvorgänge nur necrobiotische oder uecrotische Vor- gänge, die mit dem Tode der Zelle verknüpft sind. In neuester Zeit hat man die Ausscheidung fester Kohlenhydrate, wie von Stärke in lebenden Zellen, mit Koagulation verglichen. Ein Seitenstück zur Koagu- lation bildet die Ausscheidung einer nicht mischbaren Flüssigkeit aus dem ursprünglichen Kolloid, wie aus Fettemulsionen, Vorgänge, die wir als Entmischung bezeichnen wollen. Die kolloidalen Zustände machen sich besonders bei den hoch zu- sammengesetzten Kohlenstoffverbindungen, wie Lipoiden, Kohlenhydraten,. Farbstoffen, Eiweißkörpern, außerordentlich geltend, also wie man sieht, gerade bei den wichtigsten Aufbaumaterialien der lebenden Zelle. Doch neigen sehr zahlreiche inorganische Stoffe gleichfalls mehr oder weniger zur Annahme des kolloiden Zustandes, wie man von der Kieselsäure,. Zinnsäure, verschiedenen Metallsulfiden, Arsensulfid, Metallhydroxyden schon lange weiß. In neuerer Zeit haben die aus reinen Metallen hergestellten Sole reges Interesse auf sich gelenkt, besonders seit Bredig (1) die schöne Methode der Zerstäubung von Platin, Gold und anderen Metallen in Drahtform im elektrischen Lichtbogen aufgefunden hat, und die Bedeutung solcher Metall- sole für die Theorie des kolloidalen Zustandes erkannt worden war. Metall- sole lassen sich auf außerordentlich verschiedene Art und Weise erhalten, sehr allgemein durch Reduktions Vorgänge (2) unter bestimmten Be- dingungen. Nach SvEDBERG (3) sollen sogar manche Metalle, vsde Blei, durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht, durch Zerstäubung, in Sol- form zu bringen sein. Erwähnt sei, daß Neuberg (4) und seine Mitarbeite- die Sulfate der Erdalkahmetalle, sowie einige unlösUche Magnesiumverbin- dungen als gelatinöse Kolloide erhalten haben. Paal (5) gelang es eine Reibe von Chloriden, Bromiden, Jodiden der Alkahmetalle als Organosole darzustellen, von denen NaCl in Petroläther eine orangefarbene Flüssigkeit darstellt. Das Studium der flüssigen kolloidalen Zustände oder der Sole hat sich bisher als das Gebiet der erfolgreichsten Erforschung der Kolloide erwiesen. Für die Physiologie sind die Hydrosole von ganz besonderer Bedeutung, da im lebenden Protoplasma vor allem Kolloide solcher Art eine große Rolle spielen. Der Vorgang der Auflösung eines festen Kolloids in Wasser macht zwar äußerlich den Eindruck eines Lösungsprozesses, doch sind die physikalischen Eigenschaften der er- haltenen Auflösung von den bekannten Eigenschaften von Salzlösungen 1) G. Bredig, Ztsch. Elektrocheiu., 4, 514 (1898); Anorganische Fermente, p. 21 (1901); Ztsch. physik. Chem., j2, 126 (1900). Die gefärbten Gläser, wie Rubinglas, sind ebenfalls kolloidale Metallösungen. — 2) Eine Zusammenfassung der bisher bekannten Methoden zur Herstellung von inorganischen Solen findet sich in dem umfassenden Werke von The Svedberg, Die Methoden zur Herstellung kolloi- daler Lösungen anorgan. Stoffe (Dresden 1909). L. Va_nino u. F. Hartl, Ber. chem. Ges., J7, 3620 (1904) haben Aspergilluskulturen zur Herstellung von Metall- solen benützt. Spuren von vielen Schwermetallen sind bekanntlich in reinem Wasser kolloidlöslich. Vgl. M. TRAUBE-MENGARrNi u. A. ScALA, Atti Acc. Line. Roma (5), 19, IT, 505 (1910). Ztsch. KoU.Chem., /o, 113 (1912). — 3) The Svedberg, Ber. chem. Ges., 42, 4375 (1909). Vgl. jedoch F. Schulze, Ber. physik. Ges. (1912), p. 246. — 4) C. Neuberg u. E. Neimann, Biochem. Ztsch., /, 166 (1906). Neuberg u. B. Rewald, Ebenda, 9, 537 (1908). — 5) C Paal, Ber. chem. Ges., jp, 1436 (1906). Paal u. G. Kühn, Ebenda, p. 2859, 2863; 41, 51, 58 (1908). Paal u. K. Zahn. Ebenda, 42, 277, 291 (1909). Über Kochsalzgallerten ferner P. v. Weimarn, Ztsch. KoU.Chem.. 7, 92 (1910). § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 27 außerordentlich verschieden. Wie zuerst Pfeffer (l) gezeigt hat, ist der osmotische Druck solcher „kolloidaler Lösungen" im Vergleiche zu den Lösungen kristalloider Stoffe relativ sehr klein. Li den Versuchen von Linder und Picton (2) an Arsensulfid und FefOHja- Solen, wo dafür gesorgt wurde, daß auch die letzten Spuren beigemengter Elektro- lyte durch Dialyse entfernt wurden, wurden nur sehr geringe und schwankende Druckwerte (1,2 cm Hg für 2,5% As.^Sg) erhalten. Lillie (3) bekam bei einer Ovalbuniinlösung von 12,5 g pro Liter bei Zimmer- temperatur durchschnittlich 2,0 cm Hg -Druck. Auch die Arbeiten von Moore und Roaf (4) lassen daran nicht zweifeln, daß kolloidale Lösungen tatsächlich kleine osmotische Druckwerte haben, wenn auch in vielen früheren Versuchen Beimengungen von löslichen Salzen irrige Angaben veranlaßt haben mögen. Größere Salzbeimengungen drücken übrigens aus später zu erörternden Gründen die osmotischen Werte kolloider Lösungen herab (Lillie). Analoge Ergebnisse hatten auch die Versuche, die Ge- frierpunktsdepression und Siedepunktserhöhung kolloider Lösungen zu messen (5), Da Gefrierpunktsdepression und Siedepunktserhöhung um so geringer sind, je gi'ößer das Molekulargewicht der gelösten Substanz ist, so wurde aus dem Verhalten kolloider Lösungen auf ein sehr hohes Molekulargewicht und sehr große Moleküle für Kolloide geschlossen [Paterno, Sabanejeff (6)]. Nach letzterem Autor beträgt das Molekulargewicht der kolloidalen wässe- rigen Tanninlösung 1322; füi- Eieralbumin ist es kaum weniger als 15000; für die Stärke wurde über 30 000 (7), und für das Kieselsäurehydrogel von Sabanejeff sogar mehr als 49 000 als Molekulargewicht angegeben. Diese Zahlen sind natüidich nur als annähernde Werte zu betrachten (8). Sehr zu beachten ist, daß bei den meisten Solen die Teilchengröße mit wachsender Verdünnung abnimmt, so daß die ermittelten „Molekular- größen" nur für bestimmte Verdünnungsgrenzen gelten. Übrigens konnten Bruni und Pappadä (9) durch möghchst vollkommenes Ausdialysieren von Solen aus SiOg, Eiweiß und Gelatine die Gefrierpunktsdepression unter die Grenzen der Meßbarkeit vermindern. Die Diffusion der kolloidalen Flüssigkeiten ist hingegen leicht mit Hilfe der gewöhnhch angewendeten Methoden messend zu verfolgen, wie schon in den grundlegenden Arbeiten von Graham (1862) und Stefan (1874) 1) W. Pfeffer, Osmotische Untersuchungen (1877). Osmotische Versuche an Jodstärkelösungen stellten an H. Rodewald u. A. Kattein, Ztsch. physik. ehem., 33, 579 (1900). J. Duclaux u. E. Wollmann, Compt. rend., 152, 1580 (1911). — 2) E. Llnder u. H. Picton, Journ. Chem. Soc, 87, 1906 (1905). — 3) R. S. Lillie, Amer. Journ. Physiol., 20, 127 (1907). — 4) B. Moore u. H. E. RoAF, Biochem. Journ., 2, 34 (1906). Osmotische Versuche mit kolloiden Farbstoffen: W. M. Bayliss, Proceed. Roy. Soc, B.Si, 269 (1909). W..Biltz u. A. v. Vegesack, Ztsch. physik. Chem., 68, 357 (1909); 73, 481 (1910). über Osmo.se von Kolloiden sodann J. Duclaux, Compt. rend., 140, 1544 (190.Ö); Journ. de Chim. phys., 5, 29 (1907); Koll. Ztsch., j, 126 (1908). — 5) Z. B. G. Malfitano u. S. Michel, Compt. rend., 143, 1141 (1906). — 6) E. Paternö, Chem. Zenir. (1890), /, 75. A. Sabane- jeff, Chem. Zentr. (1891), /, 10. — 7) Brown-Millar, Journ. Chem. Soc. 75, 331 (1898). H. Rodewald u. A. Kattein, Ztsch. physik. Chem., 33, 579 (1900). Wei- tere Literatur über Siedepunktserhöhung u. Gefrierpunktsdepression kolloider Lösungen bei Wo. Ostwald, Grundriß der Kolloidchemie, 1, Aufl., p. 174 (1909). Sodann J. Duclaux, Compt. rend., 148, 714 (1909). — 8) Über die verschiedenen Bedenken hinsichtlich der Molekulargewichtsbestiraraung bei Kolloiden vgl. Wo. Ostwald, Kolloidchemie, 1. Aufl., p. 177 (1909). — 9) G. Bruni u. N. PappadI, Atti Accad. Lincei Roma (5), IX, /, 354 (1900). G. Malfitano, Compt. rend., 142, 1418 (1906). 28 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. dargetan worden ist. In neuerer Zeit hat besonders Herzog (1) für eine Re-he von Eiweißstoffen und Enzymen die Diffusionskonstanten bestimmt. Mit Hilfe der Diffusionskoeffizienten läßt sich gleichfalls das Molekular- gewicht annähernd ermitteln. Herzog berechnete so für Ovalbumin 17 000, für Ovomukoid 30 000, Pepsin 13 000, Invertin 54 000 und Emulsin 45 000 als ,, Molekulargewicht". In den Untersuchungen von Svedberg (2) ergab sich für viele organische Stoffe eine befriedigende Übereinstimmung mit der theoretischen Folgerung aus der Formel von Einstein und Smoluchüwski, daß unter sonst gleichen Verhältnissen Diffusionskoeffizient und Molekular- diameter umgekehrt proportional sind. Kolloidale Lösungen filtrieren schwierig. Schon Traube (3) suchte die Zurückhaltung von Kolloidlösungen durch tierische Membranen für die Annahme großer Moleküle bei den Kolloiden zu verwerten („Porentheorie" der semipermeablen Membranen). Dabei bheben jedoch die T^ösungs- und Adsorptionsverhältnisse unbeachtet. Später hat es Barus j.«; unternehmen wollen, die Dimensionen der Teilchen kolloider Lösungen durch Hindurch- pressen durch Membranen von bekannter Porenweite zu bestimmen. In neuerer Zeit bedeuten die Arbeiten von Bechhold (5) über ,.,Ultrafiltration" einen wesentlichen Fortschritt auf diesem Gebiete. Wenn man Papier filter- scheiben mit Gelatinelösungen von verschiedener Konzentration tränkt, so erhält man Filter von sehr verschiedener Durchlässigkeit für gelöste Kolloide. Die Abstufungen stimmen recht wohl überein mit den anderweitig ermittelten Teilchengrößen der gelösten Kolloide, so daß man die Bechhold- schen Ultrafilter wohl als eine Art Sieb für Kolloidteilchen differenter Größe ansehen darf, sobald die Teilchen eine innerhalb enger Grenzen unveränder- hche Form haben, was nicht immer zutreffen muß (6). Besonders folgenreich für die Entwicklung der Kolloidchemie war das Studium der optischen Eigenschaften kolloider Lösungen. Kolloid- lösungen zeigen das sogenannte „Tynd all -Phänomen", d. h. sie zer- streuen einfallendes Licht und das zerstreute Licht ist polarisiert. Daraus darf man schließen, daß das Licht an kleinen in der Flüssigkeit suspen- dierten Teilchen reflektiert wird. Die kolloidalen Lösungen sind dem- nach keine homogenen Systeme. Die wichtigen Untersuchungen von LoBRY DE Bruyn Und WoLFF (7) haben aber erwiesen, daß auch echte Lösungen von Substanzen mit hinreichend hohem Molekulargewicht, wie Saccharose und Raffinose, selbst nach sorgfältigster Reinigung, den Zer- streuungskegel einfallender Lichtstrahlen zeigen. Daraus ersehen wir, 1) R. O. Herzog, Ztsch. KoU.Chem.. 2, 1 (1907); j, 83, (1908); Zentr. Physiol. (1907), p. 477; Herzog u. H. Kasarnowski, Biochem. Ztsch., //, 172 (1908). Herzog, Ztsch. Elektrochem., 77, 679 (1911). — 2) The Svedberg u. A. Andreej^-Svedberg, Ztsch. physik. Chera., 70, 145 (1911). Arkiv f. Kemi, 4, 1 (1912). — 3) M. Traube, Arch. Anat. u. Physiol. (1867), p. 87. — 4) C. Barus. Amer. Journ. Scienc, 48, 451 (1895). Hindurchpressen durch Chamberlandkerzen: C. J. Martin, Journ. of Physiol., 20, 364 (1896). -- 5) H. Bechhold, Koll. Ztsch., 2, 3 (1907). Ztsch. physik. ehem., 60, 257 (1907); 64. 328 (1908). Biochem. Ztsch., 6, 379 (1907h A. V. Lebedew, Zentr. Physiol. (1910), p. 511. R. Buriän. Ebenda (1909), p. 767. J. DucLAUx, Koll. Ztsch., 3, 126 (1908). Borrel u. Manea, C. r. Soc. ßiol., 2, 317 (1904). H. Bechhold, Abderhaldens Hdb. biochem. Arbeitsmethoden, V, 1086 (1912). A. ScHOEP, Ztsch. f. Chem., ik. Chem., 45, 608 (1903). — 4) F. Czapek, Eine Methode z. direkt. Best. d. Oberflächenspannung d. Plasma- haut, p. 61 ff. (Jena_19ll). — 5) Quincke, Wiedemanns Ann., 35, 582 (1888). — 6) Vgl. Garrett, Üb. d. Viskosität einiger Kolloidlösungen. Di.«isert. (Heidelberg 1903), p. 51. Gokun, Ztsch. Koll.chem., 3, 84 (1908). M. Albänese, Arch. exp. Pathol., Schmiedeberg -Band, p. 16 (1908). R. O. Herzog, Koll. Ztsch., 8, 210 (1911). L. Dienes, Biochem. Ztsch., 33, 222 (1911). E. C. Bingham u. G. F. White, Journ. Amer. Chem. Soc, 33, 1257 (1911). H. W. Woüdstra, Ztsch. Koll.chem.. 8, 73 (1911). G. F. White; Biochem. Ztsch., 37, 482 (1911). H. Chick u. Martin, Ztech. Koll.chem., //, 102 (1912). 3* 36 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. H. Handovsky (1)). Die Viscositätskurven lassen sich sehr gut zur Verfolgung von Fällungserscheinuugen usw. bei Kolloiden anwenden. Die Diffusion lösungsartiger Ilydrosole ist leicht durch Messung zu kontrollieren. Der osmotische Druck ließ sich für viele Hydrosole seit Pfeffers ersten Versuchen bestimmen. Hingegen versagt die kryosko- pische Methode fast völlig. Das elektrische Verhalten amikronischer Hydrosole ist in wichtigen Punkten von den elektrischen Eigenschaften der suspensionsartigen Kolloide verschieden. Schon die Kataphorese ist weniger markant, da die Geschwindigkeit der wandernden Teilchen kleiner ist, und der Sinn der elektrischen Ladung bei den amikronischen Hydrosol- Pajtikeln nicht als unabänderlich zu gelten hat, sondern von der basi- schen oder sauren Reaktion des Dispersionsmittels wesentlich bestimmt wird. Pauli (2) hat sehr sorgfältig ausdialysierte Eiweißlösung durch Zusatz von etwas Alkali stark negativ, durch Säure stark positiv elek- trisch aufzuladen vermocht, so daß die Wanderungsrichtuug bei der Kata- phorese in beiden Fällen entgegengesetzt war. (Umladung von Hydro- solen.) Konstant positive und negative Sole gibt es somit hier nicht mehr. Die wichtigsten Hydrosole, mit denen es die Biologie zu tun hat, die Eiweißlösungen, sind nach den umfassenden Untersuchungen von Michaelis (3) in den meisten Fällen praktisch elektrisch amphotere Sole, ebenso die Enzymlösungen. Der isolelektrische Punkt, wie er durch die Methode der elektrisclien Überführung bestimmt wird, liegt sehr nahe dem Neutralitätspunkt (für Gelatine bei einer H-Ionenkonzen- tration von 2,5xlO~^); er stimmt gut mit dem Quellungsminimum überein. Sind zwei amphotere Sole in Mischung, so liegt ihr Flockungs- optimum zwischen den isoelektrischen Punkten beider Komponenten. Die elektrische Leitfähigkeit der lösungsartigen Sole ist eine sehr ge- ringe und Verunreinigungen durch Elektrolyte sind hier äußerst wirksam. Die geringe Bedeutung elektrischer Charaktere bei amikronischen Hydrosolen zeigt sich auch darin, daß sie durch kleine Elektrolytmengen nicht ausgeflockt werden. Erst hohe Salzkonzentrationen erzeugen in Stärke- oder Eiweißsolen oder Pflanzenschleimen Fällungen. Man nennt dies Aussalzen. Die Fällungen mit Neutralsalzen der Alkalimetalle sind stets reversibel, und in vielen Fällen ein bequemes Mittel, solche Kolloide abzuscheiden. Es ist ohne weiteres klar, daß man es hier mit Erscheinungen zu tun hat, welche der Löslichkeitserniedrigung bei Krystalloiden durch bestimmte Stoffe analog sind. Überhaupt lassen sich bei einer großen Reihe von Emulsionskolloiden viele Vorgänge mit Lösungs- und Fällungserscheinungen vergleichen. Man kann daher in Anlehnung an Perrin(4) und Freundlich Sole mit derartigen Eigen- schaften als lyophil bezeichnen. Ostwald (5) findet es richtiger, den Begriff der „Lyophilie" durch den der „Solvatation" zu ersetzen. Zu bemerken ist, daß nicht alle amikronischen Sole lyophil sein müssen. Als Gegensatz zu „Lyophilie" hat man von lyophoben Solen gesprochen. 1) W. Pauli u. H. Handovsky, KoU. Ztsch., j, 2 (1908). — 2) Wo. Pauli, Hofmeisters Beitr., 7, 531 (1906). Methoden der Dialyse: ZuNZ, Abderhaldens Hdb. biochem. Arb.meth., 6, 478 (1912). — 3) L. Michaelis, Biochem. Ztsch., jp. 496; 41, 373 (1912); Nernst-Festschrift, p. 308 (1912). Vgl. auch G. R. Mines, Journ. of Physici., 43. 14 (1911); Koll.chem. Beihefte, 3, 191 (1912). P. Richter, Ztsch. phyMk. ehem., 80, 449 (1912). — 4) J. Perbin, Journ. de Chim. phys., 3, 50 (1905). Freundlich u. W. Neumann, Ztsch. Koll.cnem., j, 80 (1908). — 5) Wo. Ostwald, Ztsch. Koll.chem., //, 230 (1912). § 2. Allgemeine Betrachtungen üher Kolloide. 37 wenn die erwähnten lösungsartigen Eigenschaften fehlen. Mit „Suspea- soiden" möchte ich den Begriff der lyophoben Kolloide keineswegs streng verknüpfen. Hofmeister (1) fand zuerst die fundamentale Tatsache, daß die Anionen der Neutralsalze sich in ihrer eiweißfällenden Wirksamkeit unter- scheiden. Bei den Natriurasalzen ergab sich, daß das Citrat und Tar- trat am stärksten fällen, Nitrat und Chlorat relativ am schwächsten. Die Reihenfolge war Sulfat >- Phospliat >> Acetat > Chlorid > Nitrat > Bro- mid>> Jodid >>Rhodanat; in anderön Versuchen: Citrat >> Tartrat >• Sul- fat >> Acetat >> Chlorid >- Nitrat >> Chlorat Natriumjodid und Rhodanat waren in den herstellbaren Konzentrationen überhaupt unwirksam. Dies gilt im neutralen Eiweißsol. In schwach saurer Lösung kehrt sich, wie aus dem oben dargelegten elektrischen Verhalten der Sole vorauszusagen ist, diese Anionenreihenfolge um (2). Die SciiULZEsche Regel bezüglich der Wirksamkeit verschiedenwertiger Kationen gilt hier ebenfalls. Da jedoch Pauli (3) gefunden hat, daß auch elektrisch neutrales Eiweiß durch Neutralsalze in der angegebenen Weise gefällt wird, so wären nicht nur elektrische Vorgänge für das Zustandekommen dieser Erschei- nung verantwortlich zu machen. Übrigens haben auch Nichtelektrolyte (Alkohol, Chloroform) fällende Wirkung. Von dem Prozesse des Aussalzens sind andere Vorgänge, welche gleichfalls in der Abscheidung eines Hydrogels aus dem Hydrosol be- stehen, streng zu scheiden. Einmal kann der Fall eintreten, daß das Hydrosol nur zwischen bestimmten (höheren) Temperaturgrenzen beständig ist, und sich in ein Hydrogel umwandelt, sobald die Tem- peratur unter ein bestimmtes Maß sinkt. Gerade physiologisch wichtige organische Hydrosole, wie Stärkekleister und Gelatine, sind typische Beispiele hierfür. Es wird sich empfehlen, hier von Erstarren oder Gelatinieren des' Hydrosols zu sprechen; die Verflüssigung des Gels bei Wiederansteigen der Temperatur mag man immerhin als .,Schraelzen*' bezeichnen. Der Prozeß des Gelatinierens ist typisch um- kehrbar. Vielleicht haben manche Vorgänge des Kältetodes bei Pflanzen, welcher bekanntlich nicht immer erst mit der Eisbildung in den Geweben verknüpft ist, mit derlei Vorgängen etwas zu tun. Wenigstens lassen sich die durch die niedere Temperatur welk gewordenen Pflanzen eine gewisse Zeit hindurch noch retten, indem man die Temperatur ent- sprechend erhöht; dies spricht für reversible Wirkungen. In das Hydrogel geht oft, wie bei der Gelatine, praktisch das gesamte Dispersionsmittel auf. In anderen Fällen, wie beim Erstarren von Agar, wird ein größeres Quantum von Wasser bei der Gelbildung ausgestoßen. Als Gerinnung oder Koagulierung im engeren Sinne möchte ich die irreversiblen Gelbildungen au'ö Hydrosolen bezeichnen, welche in der Abscheidung eines relativ wasserarmen Gels bestehen, welches in kleineren oder größeren Flocken sich aus dem Dispersionsmittel ab- scheidet. Dabei kann sich je nach den Reaktionsbedingungen nur ein kleinerer oder ein größerer Teil der dispersen Substanz, oder auch die letztere quantitativ vollständig vom Dispersionsmittel trennen. Intra- vital kommen solche Prozesse kaum jemals vor. Hingegen ist mit dem Tode der Zelle sehr gewöhnlich typische Koagulation von Plasmakollo- 1) F. Hofmeister, Arch. exp. Path., 24, 247 (1888). Lewith, Ebenda, p. 1 (1888). — 2) Wo. Pauli, Hofmeisters Beitr., 5, 27 (1904). Posternak, Ann. Inst. Pasteur, 15, 85 (1901). — 3) Wo. Pauli, Hofmeisters Beitr., 7. 531 (1906). 38 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. iden verbunden. Koagulierung und Gelatinierung lassen sich aller- dings nicht in allen Fällen scharf scheiden. So hat das langsame, durch verschiedene Einflüsse zu beschleunigende Erstarren von Kieselsäure- hydrosolen äußerlich völlig den Charakter von Gelatinierungsprozessen, ist jedoch nicht umkehrbar und ähnelt in seinem Effekt außerordentlich den echten Gerinnungsvorgängen. Bei Eiweißsolen ist hingegen Gela- tinieren bei Wasserentziehung bei mäßig hoher Temperatur und Gerin- nung bei höheren Temperaturen scharf verschieden : dieses ist umkehrbar, jenes nicht. Der V'erlust der Gelatinierbarkeit bei Gelatine, die höheren Temperaturen länger ausgesetzt war, beruht auf chemischen Veränderungen. Zu beachten bleibt, daß irreversibel scheinende Vorgänge dennoch reversibel sein könnten, jedoch mit sehr geringer Geschwindigkeit. Pauli (D hat darauf aufmerksam gemacht, daß bei reversiblen Kolloid- prozessen der Rückweg zum Ausgangszustand nicht immer derselbe sein muß, wie der Weg zu der gesetzten Veränderung. Sehr klar ist dies beim Ausfriereu von Gelatine, wo man stärker erwärmen muß, um das ursprüngliche Sol wieder herzustellen. Pauli nannte solche Prozesse heterodrom. Hingegen wäre das Erstarren und Verflüssigen von Ge- latine zwischen Zimmertemperatur und + 40 "^ ein homodromer Prozeß. Salze haben eine ausgeprägte Wirkung auf die Gelatinierungsgeschwin- digkeit. Wie Pauli (2) fand, erhöhen Sulfate, Acetate, Tartrate die Zähig- keit von Gelatinelösung und verkürzen die Erstarrungszeit. Hingegen ver- ringern Ghoride, Nitrato, Bromide, Jodide, Bhodanate die Zähigkeit und hemmen das Erstarren. Die Wirkung der Anionen ist also ganz analog dem oben erwähnten Einfluß auf das Aussalzen von Hydrosolen. Eine inte- ressante noch nicht aufgeklärte Tatsache ist es, daß manche Nichtelektro- lyte, besonders solche, welche wie Zuckerarten, Hexite usw. reich an OH- Gruppen sind, das Erstarren beschleunigen ; Harnstoff und dessen Derivate hemmen, ähnlich wie die Ausflockung von suspensionsartigen Kolloiden von diesen Stoffen in gleichem Sinne beeinflußt wird. Die Eiweißsole bieten ein typisches Beispeil dafür, wie durch hohe Temperaturen Koagulation befördert wird (Hitzegerinnung) (3). Man weiß heute, daß lonenwirkungen sich hier in bedeutendem Maße geltend machen. Paulis sorgfältig ausdialysierte Eiweißlösungen zeigten keine scharfe Gerinnungstemperatur, sondern schieden allmähüch flockige Fällungen aus. H-Ionen fördern, OH-Ionen verzögern die Hitzegerinnung; Erhöhung des Koagulationspunktes wird auch durch sehr verdünnte AlkaHsalzlösungen hervorgerufen. Manche Eiweißstoffe sind übrigens in der Hitze ungerinnbar. Bei allen diesen Prozessen sind wohl in erster Linie LösHchkeitsbeein- flussungen im Spiele, in einem Maße, wie sie sich bei Suspensionskolloiden nicht finden. Dieselben Gegensätze zwischen suspensionsartigen und lösungsartigen Kolloiden, wie sie sich in ihrem Verhalten gegen Elektrolyte äußern, finden wir auch in der Wechselwirkung zweier Sole. Schon Graham sah, daß ein Kolloid ein anderes auszuflocken imstande ist. In neuerer Zeit fanden Neisser, Friedemann und Bechhold (*), daß sich Kolloide und 1) Wo. Pauli, Naturwiss. Wochschr. (1902), Nr. 25 ff. Ergebn. d. Physio- logie, 4. Jahrg. — 2) Wo. Pauli, Pflüg. Arch., 7/, 323 (1898). S. Lewites, Koll. Ztsch., 2, 161 (1908); Ebenda, p. 237. — 3) Hierzu^ bes. Wo. Pauli, Pflüg. Arch., 78, 315 (1899). Hofmeisters Beitr., 10, 53 (1907). Pauli u. Handovski, Ebenda, //, 415 (1908). HÖBER, Ebenda, p. 50. G. Buglia, Koll. Ztsch., 5, 29 (1910); Ebenda, p. 291. — 4) M. Neisser, U. Friedemänn, München, med. Wochschr., 51, XI (1904). Larguier de Bancels, Compt. rend., 140, 1647 (1905); 143, 174 (1906). H. Bechhold, Ztsch. physik. Chera., 48, 385 (1904). § 2. Allgemeine Betrachtungen über Kolloide. 39 grobe Suspensionen entgegengesetzter elektrischer Ladung, in bestimmtem Verhältnis zusammengebracht, gegenseitig ausflocken. Bei Überschuß des einen Kolloides war keine Fällung zu beobachten. Sodann bewies besonders BiLTZ (1), daß sich entgegengesetzt geladene Suspensionskolloide auch ohne Elektrolytzusatz als gemischte Gele ausfällen, während gleichsinnig ge- ladene Suspensionskolloide aufeinander nicht einwirken. Wie bei der Aus- flockung durch Elektrolyte, so spielt auch hier die Schnelhgkeit des Zusatzes eine Rolle. Michaelis und Pincussohn (2) konnten bei der Ausflockung von Mastixkolloid durch Indophenolsuspensoid ultramikroskopisch direkt beobachten, wie die roten Indophenolsubmikronen von den farblosen Mastix- teilchen eingehüllt wurden, und sich so größere, an Zahl geringere Partikel der Ausflockung formierten. Bei der Kataphorese verhält sich nun die Aus- flockung wie Mastix negativ elektrisch. Die amikronischen Hydrosole lassen auch in ihrer Wechselwirkung die konstanten elektrischen Quahtäten sehr in den Hintergrund treten. Eiweißsole können durch basische, wie durch sauere Kolloide gefällt werden. Lecithinsol verhält sich basisch und wird durch Tanninsol ausgefällt. Auch hier wirken zu kleine und zu große Mengen des zugesetzten Kolloides nicht fällend. Dies gestattet wiederum den Schluß, daß bei der Fällung ein Kolloid die Teilchen des anderen einhüllt. Michaelis und RoNA (3) haben dies in ingeniöser Weise benützt um Eiweiß durch Mastix quantitativ zu fällen. Man braucht zu Eiweißsol nur viel Mastix- suspensoid zuzusetzen, so daß alle Eiweißamikronen eine Hülle aus Mastix- teilchen haben, und kann dann durch eine kleine Elektrolytmenge genau so fällen als ob man reines Mastixsuspensoid vor sich hätte. Für diese Ein- hüllung ist die Benennung „Schutzkolloidwirkung" durch Bechhold (*) eingeführt worden. Schutzkolloide machen Sole viel beständiger. Deshalb kann man bei Gegenwart von Dextrin und anderen kolloiden Pflanzenstoffen Schwefelblei, Silber und andere unlösliche Stoffe in Form von kolloiden Lö- sungen erhalten. Zu den Schutzkolloidwirkungen gehört offenbar auch die emulgierende Wirkung von kleinen Alkalizusätzen zu Ölwassergemischen, wo das Alkah mit der Fettsäure dünne Seifenhüllen um die Ölteilchen bildet, welche so am Zusammenfüeßen gehindert werden (5). Wichtig scheint es zu sein, daß der Schutzstoff capillaraktiv ist und eine größere Viscosität besitzt. Amphoteres Eiweiß ist auf die StabiUsierung von Fettemulsionen von gar keinem Einfluß, wohl aber sauere und alkalische Eiweiß lösungen (6). Hatschek hat interessante Versuche gemacht, die Dicke dieser Adsorptions- hüllen aus der inneren Reibung von Emulsionen zu berechnen und kam für Schwefelsol zum Werte von 0,87 [X(a. Auf die verwickelten Wechselbe- ziehungen, welche nicht selten zum Auftreten von zwei Flockungszonen 1) W. BiLTZ, Ber. ehem. Ges., J7, 1095 (1904). O. Tbague u. B. H. Bux- TON, Ztsch. physik. Chem., 62, 287 (1908). — 2) L. Michaelis u. L. Pincus- sohn, Biochem. Ztsch., 2, 251 (1906). — 3) L. Michaelis u. P. Rona, Biochem. Ztsch., 2, 219 (1906). — 4) H. Bechhold, Ztsch. Elektrochem., //, 339 (1905). Gummi als Schutzkolloid für Metallsole. E. W. Lewis u. Waumsley, Journ. Soc. €hem. Ind., j/, 518 (1912). — S) Donnan, Ztsch. physik. Chem., 31, 42 (1899). Früher Quincke, Wiedemanns Ann., 35, 580 (1888). W. R. Waftney u. A. Straw, Journ. Amer. Chem. Soc, 29, 325 (1907). G. Keppeler u. A. Spangenbebq, Journ. f. Landwirtsch., 55, 299 (1907). Über Ölemulslonen femer G. Wiegner, Koll.chem. Beihefte, 2, 213 (1911). Bancelin, Compt. rend., 152, 1382 (1911). E. Hatschek, Koll. Ztsch., p, 159 (1911); 10, 79 (1912); //, 280, 284 (1912). E. C. Binqham u. White, Journ. Amer. Chem. Soc, 33, 1257 (1911). R. Ellis, Ztsch. physik. Chem., 78, 321 (1911); 80, 597 (1912). — 6) Vgl. W. D. Banoroft, Journ. Physic Chem.. 16, 177, 345, 475 (1912). 40 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. bei verschiedener Konzentration des zugesetzten Stoffes führen, kann hier nicht näher eingegangen werden (1). Als Semikolloide fassen wir im Anschluß an Freundlich die Übergangsstufen zwischen wahren Lösungen und Solen (Emulsions- kolloiden) zusammen. Derartige Stoffe, wie die physiologisch bedeutungs- vollen Peptone (Albumosen), Gerbstoffe und Seifen haben kryoskopisch bestimmbares Molekulargewicht, sicher unter 1000 gelegen, und besitzen meßbares elektrisches Leitungsvermögen (2). Die Lösungen sind jedoch in höheren Konzentrationen oft opaleszent, schäumen leicht und neigen in den höchsten Konzentrationen dazu, bei hinreichender Abkühlung, zu gelartigen Massen zu erstarren. Alle diese Stoffe krystallisieren ge- wöhnlich nur schwierig. Auch viele der in der Experimentalphysiologie oft verwendeten Teerfarbstoffe gehören zu den SeraikoUoiden. §3. Fortsetzung; Die Gele und die Adsorptionserscheinungen. Die Gele sind starre Kolloide mit festem Dispersionsmittel und flüssiger disperser Substanz. Es bedarf allerdings noch weiterer Unter- suchungen, bevor die Behauptung aufgestellt werden kann, daß die beim Eintrocknen, Ausfrieren usw. entstehenden amorphen festen Massen aus Suspensoiden gleichfalls heterogene Systeme darstellen. Was von typi- schen Gelen bekannt ist, hängt mit lyophilen amikronischen Solen zusammen. Nur bei sehr großem Wasserverluste bilden die Gele hornartige spröde Massen; sie nehmen unter Voiumvergrößerung (Quellung) reichlich Wasser auf, wenn man sie in Wasser legt, und werden zu gallertigen Massen verschiedener Konsistenz. Bei Wasserverlust tritt Schrumpfung ein. Zu den Gelen zählen die Zellmembranen, Gummiarten, Stärke- körner, und wohl auch manche Protoplasmabestandteile der Pflanzen- zelle, wie Zellkern und manche Chromatophoren. Man denkt sich auf Grund der theoretischen Überlegungen und in Anlehnung an mikro- skopische Untersuchungen von Bütschli(3) den Bau der Kolloide als äußerst feines schaumartiges Kammerwerk, dessen Wände aus einer festeren, an Dispersionsmittel ärmeren Phase bestehen, und welches ein flüssiges Kolloid einschließt, in Form von kleinsten Tröpfchen oder Bläschen. Die von Bütschli mikroskopisch wahrgenommenen Struk- turen entsprechen jedoch keinesfalls dem elementaren Aufbau von Gelen, sondern stellen außerordentlich viel gröbere Verteilungen dar. Bei den Gelen spielen, wie bei festen Körpern, die Widerstände gegen die Ver- schiebungen der Teilchen und die elastischen Eigenschaften bereits eine bedeutende Rolle. Die Gele gehören wesentlich zu jenen Bestandteilen des lebenden Organismus, welche an der Erhaltung der spezifischen Form beteiligt sind. Nur bei den Amöben, Myxomyceten und ähnlichen 1) Hierzu O. Poeges u. E. Neubauer, Biochem. Ztsch., 7, 152 (1907); KoU. Ztsch., 5, 193 (1909) [für Lecithin]. B. H. Buxton, Ztsch. Koll.chem., 5, 138 (1909). Freundlich, Kapillarchemie, p. 461 (1909). — 2) Für Seifenlösungen: L. Kahlenberg u. O. Schreiner, Ztsch. physik. Cheno., 2T, 552 (1898). — 3) Bütschli. Untersuchungen Ob. mikroskop. Schäume (1892). R. Zsigmondy, Ztsch. anorgan. ehem., 7/, 356 (1911). R. E. Liesegang, Biolog. Zentr., .7/, 445 (1911). M. W. Beijerinck, Ztsch. Koll.chem., 7, 16 (1910). Ultramikroskop. Beobacht. an Gallerten: W. Bachmann, Ztsch. anorgan. Chem., 7j, 125 (1911). R. Zsigmondt, Ztsch. KoU.chem., //, 145 (1912). Weimarn, Ebenda, 10, 131 (1912). § 3. Die Gele und die Adsorptionserscheinungen. 41 Organismen, welche keine konstante charakteristische Körperform be- sitzen, treten die elastischen Gele und Gelstrukturen sehr zurück. Während sich die Kompressibilität der Kolloidlösungen, so weit be- kaitnt, wesentHch von der Kompressibilität des Dispersionsmittels nicht unterscheidet, sind Gele (Gelatine) erhebhch kompressibel, mehr als die meisten festen Körper. Die interessanten Versuche von Bakus (1) weisen darauf hin, daß in der Kompressibihtät der Gele bereits ihre Heterogenität zum Aus- drucke kommt. Der Wärmeausdehnungskoeffizient von Gallerten ist nach BjERKÄN (2) kaum von jenem des reinen Dispersionsmittels verschieden. Ein wichtiger Unterschied besteht in thermischer Hinsicht dem genannten Autor zufolge zwischen trockener Gelatine und Gelatinegallerten darin, daß erstere wie Wasser oberhalb + 4'' einen positiven Ausdehnungskoeffi- zienten hat, während Gallerten sich beim Erwärmen zusammenziehen und beim Abkühlen ausdehnen. Doppelbrechung bei Anwendung von Druck, welche übrigens auch bei flüssigen Kolloiden beobachtet wurde, und welche auf die elastischen Eigen- schaften der dispersen Substanz zu beziehen ist, bildet eine altbekannte Eigentümhchkeit der Gele. Man wird auch nicht fehl gehen, die an Gelen im lebenden Organismus (Zellhäute, Stärkekörner) regelmäßig zu beobachtende optische Anisotropie auf Spannungsverhältnisse innerhalb dieser Gebilde zurückzuführen (3). Für die Theorie der Gele waren besonders die ausge- dehnten Untersuchungen von van Bemmelen (*) über Entwässerung und Wiederwässerung von Kieselsäuregallerte und anderen Gelen von großer Bedeutung. Handelte es sich um eine chemische Bindung des Wassers etwa nach Analogie der Krystallwasserbindung, so müßten beim Entwässern Sprünge in der Dampf tension zu beobachten sein. Man bemerkt aber von solchen nichts, sondern die Entwässerung, mit ihr die Dampfdruckkurve, nimmt einen stetigen Verlauf. Nach van Bemmelen ist die Gelbildung des Kieselsäurehydrates eine Trennung des Sols in ein Gewebe von Kiesel- säure, welches Wasser absorbiert hält, und in Wasser, das im Gewebe einge- schlossen ist. Wenn ein Kolloid mit Wasser, Sole und Gele jeder Konzentration bildet, wie Stärkekleister oder Gelatine, so kann man mit van Bemmelen das ausgeschiedene Gel als ein festeres Gerüst ansehen, welches aus einer Lösung von Wasser im Kolloid besteht, und welches als flüssigen Bestandteil Wasser, in welchem das Kolloid gelöst ist, eingelagert hält. Die Flüssigkeit, welche das Gel durchtränkt, kann man durch eine andere Flüssigkeit, für welche das Gel permeabel ist, ersetzen. Man kann derart ein Hydrogel ohne Struktur- änderung in ein Alkohologel überführen, wie dies Graham für inorganische, BüTSCHLi für organische Hydrogele mehrfach gezeigt hat. Selbst durch Äther läßt sich das Imbibitionswasser ersetzen (5). Der physiologisch hochbedeutsarae Prozeß der Quellung ist die Wasseraufnahme in Gele von ausgeprägt hoher Elastizität, wie sie sich 1) Bakus, Amer. Journ. of Science, 6, 285; 8, 681 (1898). Vgl. über diese bemerkenswerten Verhältnisse auch Freundlich, Kapillarcheraie, p. 482 (1909). — 2) Bjerken, Wiedemanns Ann., 43, 817 (1891). — 3) F. Braun, Sitz.ber. Berlin. Ak. (1904); Ann. d. Phys., 16, 238 a905); Ztsch. wiss. Mikrosk., 22, 306 (1905) führt die optische Anisotropie von Gelen auf ultramikroskopische Gitterstrukturen zurüt;k. Quincke, Ztsch. wiss. Mikrosk.j 22, 301 (1905). H. Ambronn, Ztsch. Koll.chera., 6, IV (1910). Möglicherweise wird hier die Theorie der anisotropen Flüssigkeiten einst erfolgreich eingreifen. J. Königsberger, Ztsch. wiss. Mikrosk., 28, 34 (1911). — 4) J. M. VAN Bemmelen, Ztsch. anorgan. Chem., 13, 233 (1897); 14, 98 (1898); 20, 185 (1899); j6, 380 (1903); 49, 125 (1906). — 5) Vgl. Vl. Stan£k, Ztsch. physiol. ehem., 72, 93 (1911). 42 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. gerade unter den organischen Gelen der lebenden Zelle finden. Man kann die Quellung direkt an ganzen Organen (Samen, Laminariathallus) studieren. Schon 1879 hat Reinke(I) an Laminaria den Quellungsdruck mit Hilfe eines „Oedometer" genannten Apparates dadurch gemessen, daß er die Volumszunahme in Wasser durch Gewichtsbelastung kompen- sierte. In neuerer Zeit sind viele grundlegende Erfahrungen an einem typischen Gel dieser Art, der gereinigten Gelatine des Handels, durch Gewichtsbestimmung vor und nach der Quellung gewonnen (2). Bei jeder Quellung ist das Volum des gequollenen Kolloides kleiner als die Summe der Volumina des trockenen Kolloides und der aufgenommenen Flüssig- keit. Es findet demnach eine Volumsverminderung statt, was unge- zwungen auf eine festere Bindung des Wassers durch das Kolloid be- zogen werden kann. Die Menge des aufnehmbaren W^assers hängt von der Natur des quellbaren Kolloides und von der Temperatur ab ; die Quel- lung in anderen Medien als Wasser selbstverständlich auch von der Natur dieser Flüssigkeiten. Die Quellung wird durch zunehmende Temperatur gefördert. Daß bei der Bindung des Quellungswassers durch Hydrogele Wärme frei wird, ist eine alte Erfahrung. Kalorimetrische Messungen verdanken wir Wiedemann und Lüdeking (3). Nach Parks (*) beträgt die Wärmetönung beim Benetzen von fein verteilten festen Körpern pro Quadratzentimeter annähernd 0,00105 Kai., wenn die Temperatur nahe 7 <^ C ist. Nach Rodewald (S), welcher ausgezeichnete Studien über die Quellung von Stärke anstellte, ist der Maximaldruck, mit welchem trockene Stärke Wasser anzieht, 2073 kg pro Quadratzentimeter. Die Quellungsenergie ist seit Hales vom physiologischen Standpunkte aus viel untersucht worden, worüber in Pfeffers Pflanzenphysiologie nähere Darlegungen zu finden sind (6). In wasserdarapfgesättigter Atmosphäre nehmen Hydrogele niemals bis zum Quelluhgsmaximum Wasser auf, sondern, wie Schroeder (7) zeigte, sind solche Hydrogele nach Erreichung ihres Sättigungspunktes in feuchter Luft noch imstande, große Wassermengen aufzunehmen, so- bald sie in Wasser gelegt wurden. Umgekehrt verlieren in Wasser bis zum Maximum gequollene Gele reichlich Wasser, wenn man sie aus dem Wasser in dampfgesättigte Luft überträgt. Man darf daraus auf einen hohen Dampfdruck des in den Hohlräumen des Gels enthaltenen Wassers schließen (8). Gelatine nimmt in feuchter Luft 50 %, in Wasser 500 % ihres Trockengewichtes an Wasser auf. Das Geschwindigkeitsgesetz der Quellung von Hydrogelen hat F. Hof- meister O) schon 1890 definiert. Die Wasseraufnahme erfolgt anfangs sehr rasch, sodann mit allmählich abnehmender Geschwindigkeit bis zur Erreichung des Quellungsmaximums. Mit höheren Temperaturgraden wird der Kurvenverlauf viel steiler und das Quellungsmaximum wird eher er- reicht, wobei aber das letztere keine Verschiebung erleidet. Nach den letzten Untersuchungen von Posnjak(IO) über die Quellung von Gelatine 1) J. Reinke, Hansteins ßotan. Abhandl., 4, 1 (1879). — 2) über Gallerte: Wo. Pauli, Ergebn. d. Phyeiol. (Asher-Spiro), 3, I. 155 (1904), ö, 105 (1907). — 3) E. Wiedemann u. Ch. Lüdeking, Wiedemanns Ann., N. F., 25, 145 (1885). Ferner J. R. Katz, Ztsch. Elektrochem., 17, 800 (1911). — 4) G. J. Parks, Natur- wiss. Rdsch. (1902), p. 647. — 5) H. Rodewald, Ztsch. physik. Chem., 24, 193 (1897); 33, 593 (1900). — 6) W. Pfeffer, Pflanz-^jphysiologie, 2. Aufl., /, 59—64 (1897). — 7) V. Schroeder, Ztsch. physik. Che-a., 45, 109 (1903). — 8) W. D. Bancroft, Journ. Physic. Chem., t6, 395 (1912). — 9) F. Hofmeister, Arch. exp. Path., 27, 395 (1890). — 10) E. Posnjak, Koll.chem. Beihefte, j, 417 (1912). § 3. Die Gele und die Adsorptionserscheinungen. 43 und Kautschuk stimmt das Quellungsgesetz in der Tat recht gut mit der exponentiellen Gleichung P = PiC^. wobei P^ und K konstante sind, und läßt sich somit mit Adsorptionsvorgängen vergleichen. Es be- herrschen also nicht Löslichkeitsvorgänge, sondern Grenzflächenphänomene das Bild der Quellung. Wie Freundlich nachdrückhch hervorgehoben hat, wirken alle Fak- toren, welche die Teilchen eines elastischen Gels gegeneinander leichter ver- schieblich machen und welche den Elastizitätsmodulus verringern, auf die Quellungsvorgänge im begünstigenden Sinne. Die Beeinflussung der Quel- lung von Hydrogelen durch Salze entspricht vollkommen der Fällungs- wirkung und Löshchkeitsbeeinflussung durch Salze bei Hydrosolen, wie sie zuerst Hofmeister (l) konstatiert hat. So begünstigt das am Ende der HoFMEiSTERschen „lyotropen" Reihe stehende Rhodanat die Quellung von Gelatine sehr stark. Auch die Halogenide M.Cl, M.Br, Chlorate und Nitrate wirken stärker quellend als reines Wasser. Hingegen ist die Quellung bei Gegenwart von Sulfat, Citrat, Tartrat und Acetat geringer. Desgleichen bei Gegenwart von Alkohol oder Zucker. Wo. Ostwald (2) hat für die Gelatine- quellung in Salzlösungen die Kurve der Abhängigkeit von der Konzentration näher festgelegt. Bei der Totalwirkung von Salzen auf Quellungsvorgänge hat man natürUch zu beachten, daß die Wirkung sich aus den Wirkungen der Ionen als Komponenten zusammensetzt. Hierbei gelten für die hin- dernde Wirkung auf die Fibrinquellung in Säuren nach M. H. Fischer und Moore (3) die Reihen : Gl > Br > NOj > SCN > J > Acetat > SO4 >P04 > Tartrat > Citrat Fe>Cu>Ca>Ba>Mg>NH4>Na>K Nach den Erfahrungen von Wo. Ostwald (*) lassen sich die Erfah- rungen über die Quellung von Gelatine in Wasser und in Salzlösungen auch auf die Wirkung von Säuren und Alkahen auf die Gelatinequellung über- tragen, nur spielen hier die Elastizitätsverhältnisse eine gi'ößere Rolle. Zu den Entquellungsvorgängen hat man auch das Ausfrieren von Gallerten zu rechnen, welches auf eine Wasserentziehung beim Aus- krystallisieren des Eises hinausläuft (S). Bei den elastischen organischen Gelen ist dieser Vorgang bekanntlich nicht ohne weiteres beim Auftauen reversibel, und man hat z. B. bei Gelatine, Stärkekleister neuerliches Erhitzen nötig, um wieder ein elastisches wasserreiches Gel zu erhalten. Die Gumraiarten und Schleime hingegen liefern ohne weiteres reversible Gallerten und Lösungen. Mit dem Einflüsse von verschiedenen Stoffen auf den Quellungszustand von Hydrogelen steht unstreitig auch die inter- essante und physiologisch bedeutsame Frage über die Diffusionsvorgänge in Gallerten in nahem Zusammenhange. Ältere Untersuchungen, von Graham angefangen (6), hatten (wohl durch Anwendung zu geringer 1) F. Hofmeister, Arch. exp. Path., 28, 210 (1891). — 2) Wo. Ostwald, Pflüg. Arch., ///, 581 (1906). W. Pauli, Ergebn. Physiol., 6, 106 (1907). — 3) M. H. Fischer u. G. Moore, Ztsch. KoU.chem., 5, 197 (1909). — 4) Wo. Ostwald, Pflüg. Arch., 108, 563 (1905). H. R. Procter, KoU.chem. Beihefte, 2, 243 (1911). Abhängigkeit von der Konzentration der Säuren und Alkalien: R. Chiari, Biochem. Ztsch., 33, 167 (1911). — 5) Lit. H. W. Fischer u. O. Bobertag, Biochem. Ztsch., jS, 58 (1909); Ber. ehem. Ges., 41, 3675 (1908). Q. Bruni, Ber. ehem. Ges., 42, 563 (1909). H. Molisch, Untersuch, üb. d. Erfrieren der Pflanzen, p. 7 ff. (Jena 1897). Liesegang, Flora, g6, 523 (1906); Ztsch. KoU.chem., 10, 225 (1912). A. Lotter- moser, Ber. ehem. Ges., 41, 8976 (1908). — 6) Vgl. Graham, Lieb. Ann., 121, 5, 29 (1862). H. DE Vries. Reo. trav. chim. Pays-Bas, 3, 375 (1884). N. Prinqsheim, Jahrb. wiss. Botan., 28, 1 (1895); Ztsch. phyaik. Chem., 17, 473 (1895). 44 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. Kolloidkonzentrationen) keine greifbaren Unterschiede zwischen Diffusions- vorgängen in Gallerten und solchen in reinen wässerigen Medien heraus- finden können. Nach neueren Untersuchungen (i) besteht jedoch kein Zweifel, daß der Diffusionswiderstand von Gallerten mit deren Kolloid- konzentration ansteigt. Man hat daraus geschlossen, daß die Diffusion wesentlich in dem wasserreicheren Inhalt der Gelhob Iräume vor sich geht, welche sich mit zunehmender Gallertfestigkeit verkleinern. Daß Löslichkeitsvorgänge und Adsorptionserscheinungen bei der Diffusion in Gelen bedeutenden Einfluß haben, ist wohl sicher, doch sind die An- sichten hierüber bis jetzt wenig geklärt. An Gelen treten offenbar spontan und sehr langsam Zustands- änderungen ein, welche in geänderter Quellungs- und Lösungsfähigkeit sich dartun. Van Bemmelen hat diese Verhältnisse an dem „Altern" von SiOo-Gelen genauer verfolgt. Man nennt diese Erscheinungen Hysteresis. Sie zeigen sich sehr ausgeprägt an längere Zeit trocken aufbewahrten Eiweißsubstanzen und ruhenden Zellen (2). Wir hatten wiederholt auf die Wichtigkeit der Adsorptions- er seh ei nun gen in der Kolloidchemie hingewiesen, und es erübrigt uns, diese Wirkungen noch zusammenfassend zu erörtern, so weit es unseren Zwecken dienlich ist. Jede Ansammlung eines Stoffes auf einer Oberfläche betrifft die landläufig als Adsorption bezeichneten Prozesse. Je größer die Oberflächenentwicklung eines Systems ist, desto bedeuten- dere Adsorptionswirkungen müssen zutage treten, und wir werden daher bei den Kolloiden besonders große Adsorptionseffekte zu erwarten haben. Die hier berührten Effekte sind theoretisch nur einer der beiden mög- lichen Fälle von Adsorption, Nach den von Willard Gibbs entvvickelten theoretischen Anschauungen müssen sich alle Stoffe, welche die Tendenz haben, die Oberflächenspannung des Lösungsmittels herabzusetzen, an der Oberfläche des Systems anhäufen, also die stärkste Adsorption zeigen. Dies wäre die positive Adsorption. Hat der gelöste Stoff die Eigenschaft, die Oberflächenspannung des Mediums zu erhöhen, so tritt diese Erscheinung nicht ein. Dieser Gegenfall, welcher in der Biologie bisher praktisch noch keine Bedeutung erlangt hat, müßte als negative Adsorption bezeichnet werden (3). Daß man allgemein zwischen Ad- sorption und Absorption unterscheidet, ist eigentlich durch nichts ge- rechtfertigt. Die Aufnahme von Gasen findet in der gleichen quanti- tativen Reihenfolge statt, ob das Absorptionsmittel Wasser oder Kohle ist. Bei porösen Körpern spricht man aber allgemein von Adsorption und ebenso in der Kolloidchemie. Daß die stark oberflächenaktiven (=die Oberflächenspannung des Wassers gegen Luft erniedrigenden) Stoffe stark adsorbierbar sind, hat sich sehr allgemein bestätigen lassen; Michaelis und RoNa (4) fanden auch, daß zwei adsorbierbare Stoffe sich gegenseitig in ihrer Adsorbierbarkeit 1) P. Nell, Ann. d. Physik (4), i8, 32.3 (1905). H. Bechhold u. J. Ziegler, Ztsch. physik. Chem., 56, 105 (1906); Ann. d, Physik (4), 20, 900 (1906). K. Meyer,. Hofmeisters Beitr., 7. 392 (1905). A. Dumanski, Ztsch. KoU.chem., 3, 210 (1908). J. A. Craw, Proceed. Roy. Soc, 77, 311 (1906). Reaktionen in Gelen: E. Hatschek, Ztsch. KoU.chem., 8, 193 (1911). — 2) Hierzu A. Rakowski, Chem. Zentr. (1911), /, 1478, 1479; (1912), /, 970. Ztsch. KoU.chem., /o, 22 (1912); //, 269 (1912). — 3) R. O. Herzog u. J. Adler, Ztsch. KoU.chem., 2, Suppl. II, 3 (1908). Herzog, Ztsch. physiol. Chem., 57, 315 (1908); Ztsch. KoU.chem., 5, 209 (1911). K. Estrup, Ztsch. KoU.chem., ;/, 8 (1912). Geleugnet wird die Existenz negativer Adsorption durch E. Häqglund. Ztsch. physiol. Chem., 64, 294 (1910). — 4) L. Michaelis u. P. RoNA, Biochem. Ztsch., 15, 196 (1908). § 3. Die Gele und die Adsorptionserscheinungen. 45 beschränken, und im allgemeinen wird derjenige der beiden Stoffe stärker adsorbiert, welcher eine größere Oberflächenaktivität besitzt. Doch gilt diese Regel nicht ohne Ausnahmen. Es heß sich weiter feststellen, daß der relative Betrag der Ansammlung solcher Stoffe in der Oberfläche um so größer ausfällt, je verdünnter die Lösung war. Man kann daher durch Er- zeugen von Schäumen in solchen Lösungen die Flüssigkeit selbst beträcht- hch an dem oberflächenaktiven Stoff verarmen lassen. Es fehlt auch nicht an Versuchen, die Geschwindigkeit von Adsorptionsvorgängen zu messen, wobei man die Hautbildung auf Seifen- und Farbstofflösungen herange- zogen hat; doch dürften diese Resultate kaum das Geschwindigkeitsgesetz der Adsorption rein wiedergeben, da sich die entstandene Haut schnell in ihrer Konsistenz ändert. Die Adsorptionserscheinungen umfassen verschiedene Gebiete von Vor- gängen, je nachdem das Adsorbens flüssig oder fest, die adsorbierbare Sub- stanz gasförmig oder flüssig resp. fest und löslich ist. Alle diese Vorgänge sind für die Physiologie höchst bedeutungsvoll. Gase werden allgemein um so stärker adsorbiert, je stärker sie kompressibel, überhaupt je leichter sie zu ver- dichten sind. Daher adsorbieren die Kolloide der Zelihaut und des Plasmas Kohlensäure am meisten und Sauerstoff mehr als Stickstoff. Die Eigen- schaften der adsorbierenden Substanz spielen eine weitaus geringere Rolle. Bekannt ist, daß mit zunehmender Temperatur die Adsorption der Gase geringer wird. Das Adsorptionsgleichgewicht pflegt sich bei Gasen wie in allen Fällen der Adsorption sehr rasch einzustellen. Adsorptionsvorgänge finden aber, wie Mc Lewis (l) konstatierte, un- streitig auch statt, wenn ein oberflächenaktiver Stoff (Natriumglycocholat) in der Emulsion eines Öles in Wasser gelöst wird. Die Öltropfen wurden mikroskopisch gemessen, und aus der Verkleinerung ihres Durchmessers die Oberflächengröße im Vergleiche zu der Emulsion in reinem Wasser eruiert. Es ergab sich ferner Erhöhung der Oberflächenspannung der Gly- cocholatlösung, also eine Konzentrationsverringerung. Aus beiden Erschei- nungen konnte auf die stattgefundene Adsorption des Salzes an der Öl- Wasseroberfläche geschlossen werden. Solche Ober flächen Verdichtungen führen zur Bildung von Häutchen. Besonders wichtig und genauer studiert ist die Adsorption aus Lösungen. Freundlich (2), dem wir auf diesem Gebiete die neueren grundlegenden Arbeiten verdanken, hat gezeigt, daß für die Adsorption gelöster Stoffe an Flüssigkeiten und feste Körper dieselben theoretischen Überlegungen gelten wie für die Gasabsorption in flüssigen Medien oder an festen Körpern. Ganz allgemein gilt für die Grenzflächenspannungen des reinen Lösungsmittels und der Lösung eine parabolische Gleichung von der Form 1 (Oni — ö l) = S. C^ wobei öm die Oberflächenspannung des reinen Mediums, ol jene der Lösung und s und - Konstanten sind. Für die Ermittlung dieser beiden Kon- 1) W. C. Mc Lewis, Phil. Mag. (6), 15, 499 (1908); 17, 466 (1909). — 2) H. Freundlich, Zteeh. physik. Chem., 57, 385 (1907); Ztsch. Koll.chem., /, 321 (1907). Der Beweis, daß zur graphischen Darstellung der Adsorptionsvorgänge die bekannte einfache Exponentialgleichung in der Regel hinreicht, stammt von Keoeker, Dissert. (Berlin 1912) und F. W. Küster, Ztsch. physik. Chem., 13, 445 (1894). Lieb. Ann., ^83, 360 (1895). S. Levites, Ztsch. Koll.chem., 9, 1 (1911). Für Ackerboden: Aberson, Ztsch. Koll.chem., w, 13 (1912). 46 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. stanten ist es nach W. Ostwald und Freundlich (i; sehr bequem, die Gleichung in der logarithmierten Form log (om — öl) = log s H log c zu benützen, welche der Gleichung einer Geraden entspricht, log s ist der Abstand der Geraden von der log c- Achse und bedeutet die molare Oberflächenspannungserniedrigung. — ist die Tangente des Neigungs- winkels 9? der Geraden gegen die log c- Achse; sie variiert nur wenig mit der Natur des Lösungsmittels und des gelösten Stoffes. Für die Adsorption von Gasen an festen Körpern gilt die Gleichung — = a.p. n, wobei X die adsorbierte Gasmenge, m die Menge des Adsorbens ist; a ist eine Konstante, p der Gasdruck (gleichbedeutend mit Konzentration). X Auch hier stellt die Kurve nach der logarithmierten Gleichung log — = log a -i log p eine Gerade dar,. aus der man a und — ermitteln kann, n Die Werte für den Adsorptionsexpo- nenten — liegen bei Gasen zwischen 0,2 und 0,6. P'ür die Adsorption gelöster fester Stoffe ist die „Ad- X 1 sorptionsisotherme" — = a. c ä ohne weiteres benutzbar. ist stets als Kurve 1. die auf die Mengeneinheit des Ad- sorbens adsorbierte Menge des ge- lösten Stoffes zu betrachten. Bei Benützung der logarithmierten Gleichung lassen sich Ad- sorptionsexponent und die Konstante a in jedem Falle ermitteln. — schwankt innerhalb nicht zu weiter Grenzen (0,11 und 0,52). c ist in Mol x . Millimole , t^ . ,. zrr: — , — m 7= -. T-j — , anzugeben. Durch diese hier nur Liter m Gramm des Adsorbens kurz angedeuteten Beziehungen wurde die Adsorption durch Freund- lich mit Sicherheit als eine Oberflächenspannungserscheinung erwiesen. Christow(2) konnte zeigen, daß selbst in Versuchen mit Gas- adsorption durch ein Medium mit geringer Oberflächenspannung wie Äther, die Adsorptionserscheinungen viel intensiver sind. Nach Wo. Ostwald und nach Lottermoser (3) gehorchen die Ad- sorptionserscheinungen auch in jenen Fällen, wo das Adsorbens flüssig ist (Hydrosole), denselben Gesetzen, was für die Physiologie von größter Bedeutung ist. Sehr sorgfältige Arbeiten von Schmidt (*) haben in 1) Wo. Ostwald, Lehrb. d. aUgem. Cham., //, (3), 232 (1906). — 2) A. Christow, Ztsch. physik. Chem., 79, 456 (1912). — 3) Wo. Ostwald, Van Bem- melens Festechr., p. 267 (1911). A. Lottermoser, Ztsch. Elektrochem., /;, 806 (1911). — 4) C. G. Schmidt, Ztsch. phyeik. Chem., 74, 689 (1910); 77, 641 (1911); 78, 667 (1912). § 3. Die Gele und die Adsorptionserscheinungen. 47 neuester Zeit im wesentlichen die ältere Exponentialformel für die Ad- sorption als brauchbar erwiesen, doch gelang es diesem Forscher, eine neue Adsorptionsisotherme zu finden, welche den Anforderungen in noch besserem Maße gerecht wird. In der Formel: In S-x -(t) ist S das Maximum der Adsorption, x die adsorbierte Menge, A und C sind Konstanten, von der Menge des Adsorbens abhängig, a die Gesamtmenge der gelösten Substanz, v das Volumen; die Menge des Adsorbens ist dabei als konstant angesehen. Nach Georgievics (i) entspricht wohl die Exponentialformel auf der Höhe des Adsorptionsvorganges, doch treten im Beginne Werte für den Exponenten — auf, welche sich stark 1 nähern, so daß in diesem Stadium Lösungsvorgänge nicht ausge- schlossen sind. Es ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß die Natur des festen Adsorbens nm* ganz wenig den Grad der Adsorbierbarkeit der ge- lösten Stoffe modifiziert. So gelten für Zuckerpulver, Kalkcarbonat, Kohle ziemlich dieselben Beihenfolgen der verschiedenen adsorbierbaren Stoffe (2). Wegen der Oberflächenzunahme mit sinkender Korngröße und weiter mit zunehmendem Dispersitätsgrad des Adsorbens muß natürüch die SchnelHgkeit der Adsorptionsvorgänge gleichzeitig steigen; doch scheint sich der Grenzzustand dabei nicht zu ändern (3). So hat TswETT die Trennung der Chromatophorenfarbstoffe sehr gut mittels Adsorptionsanalyse erreicht, und Grüss mit Erfolg die „Kapillari- sation" durch Filterpapier zur Scheidung von Enzymwirkungen be- nützt (*). Die Adsorption aus Lösungsgemischen läßt sich bis zu einem ge^ wissen Grade gut als Hilfsmittel zur analytischen Trennung von Substanzen (Farbstoffen, Enzjmen) benützen. Freundlich hat theoretisch den Satz ab- geleitet, daß solche Lösungsmittel, in welchen andere Stoffe stark adsorbiert werden, selbst nur schwach adsorbiert werden, wenn sie selbst mit anderen Flüssigkeiten gemischt werden. Daher geben jene löslichen Stoffe, welche aus ihrer Lösung stark adsorbiert werden, Lösungsmittel, welche nur schwach adsorbierend wirken. Praktisch wird für den Vergleich von Adsorptionsvorgängen die Größe X i — in der oben angeführten Bedeutung verwendet. — ist relativ wenig veränderüch. a, die eigenthche charakteristische Adsorptionskonstante (^jene von der Gewichtseinheit des Adsorbens adsorbierte Menge, welche mit der Konzentration 1 in der Lösung im Gleichgewicht steht), läßt sich nur durch weitläufige Versuchsreihen eruieren. 1) G. V. Geobgievics, Monatsh. Chem., 32, 1075 (1911); 33, 45 (1912); Ztsch. KoU.chem., w, 31 (1912). — 2) Vgl. die Versuche von Tswett, Ber. Botan. Ges., 24, 316, 384 (1906), über Adsorption von Chromatophorenfarbstoffen. H. Wisii- CENUS, Verhandl. Ges. dtsch. Naturf. Dresden 1907, //, I, 94 (1908). H. Eulee u. Beth af Ugglas, Arkiv f. Kemi, j, Nr. 34 (1910). — 3) Vgl. K. Estkup u. An- dersen, Ztsch. KoU.chem., /o, 161 (1912). Gurwitsch, Ebenda, ir, 17 (1912). — 4) Methodik: V. Gräfe, Abderhaldens Hdb. biochem. Arb.meth., 6, 100 (1912). J. Grüss, Ebenda, p. 239. 48 Erstes Kapitel: Dag Substrat der chemischen Vorgänge. Für Tierkohle als Adsorbens und Wasser als Lösungsmittel findet man schwache Adsorption für inorganische Salze, Säuren und Basen und stark hydroxylhaltige organische Verbindungen (Glycerin, Zucker). Stark absorbiert werden die Halogene, die meisten organischen Ver- bindungen und darunter wieder am meisten aromatische Stoffe, hoch- molekulare Farbstoffe, Alkaloide, Eiweiß usw. Im Einklänge mit den angeführten theoretischen Beziehungen adsorbiert Tierkohle aus organischen Lösungsmitteln nur wenig. Die eben angeführten Erfahrungen beweisen ferner, daß Stoffe, welche die Oberflächenspannung des Wassers stark herab- setzen, in der Regel auch stark adsorbiert werden. Doch werden Citronensäure, Benzoesäure, Salicylsäure und einige andere Stoffe, welche die Oberflächenspannung des Wassers nur sehr wenig ändern, ebenfalls stark adsorbiert (D. Stärkelösung adsorbiert inorganische Salze und Säuren sehr wenig oder gar nicht, hingegen (mit Ausnahme von NH3) sehr stark wasserlösliche Alkalien (2). Durch die Beobachtung der Ad- sorptionskurven für Säuren oder Basen, deren Ionen leicht nachgewiesen werden können, läßt sich die Reinheit des Adsorbens kontrollieren (3). Wenn mehrere adsorbierbare Stoffe gleichzeitig zugegen sind, so addieren sich deren Adsorptionsbeträge nicht einfach. So werden Bernsteinsäure und Oxalsäure aus einer Mischlösung schwächer adsorbiert, als wenn jede Säure für sich vorhanden ist. Das elektrische Verhalten von Adsorbens und gelösten Teilchen kann oft sehr starken Einfluß auf den Adsorptionseffekt haben. Michaelis fand, daß elektronegative Kaolinsuspension in Wasser nur basische oder amphotere (also elektropositive) Farbstoffe adsorbiert. Dasselbe Ver- halten zeigt die lebende Plasmahaut gegen Farbstoffe. Hingegen werden durch elektropositive Suspensionen von A1(H0)3 in Wasser die sauren (elektronegativen) Farbstoffe adsorbiert. Bei Hydrosolen, welche leicht den Sinn der Ladung durch Zusatz von OH'-Ionen oder H*-Ionen wechseln, wie Eiweiß, werden daher auch die Adsorptionseffekte durch solche Zusätze entsprechend beeinflußt werden müssen. Übrigens wirken die Metallkationen, besonders die mehrwertigen, wie AI*" sehr stark auf die Adsorption durch elektronegative Adsorbentien wie Tierfasern, worauf ja die Anwendung solcher Stoffe als Beizmittel in der Färberei mitberuht (4). Bei der Adsorption von Neutralsalzen, die allerdings quantitativ meist nur gering ist, kann interessanterweise eine Spaltung in Säure und Base erfolgen. So hat van Eemmelen (5) gezeigt, daß Manganoxydul- hydrat Mn (011)2 aus einer Lösung von Kaliumsulfat offenbar Kali stärker adsorbiert, weil in der Lösung sich sodann neben K2SO4 freie Schwefel- säure findet. Für die Physiologen besonders interessant sind die Arbeiten von Baümann und Gülly (6) über die Salzadsorption durch die Zellmembranen der Torfmoose. Bei diesen Adsorptionsvorgängen 1) Für solche Fälle, wie für die imroerhin nicht zu vernachlässigende Adsorp- tion von Zucker durch Kohle darf man vielleicht erwägen, ob diese Stoffe nicht durch eine Erniedrigung der Grenzflächenspannung Kohle-Lösung wirken. Vgl. P. RoNA u. L. Michaelis, Biochem. Ztsch., 16, 489 (1909). G. Wiegner u. Fr. Bukmeister, KoU. Ztsch., 8, 126 (1911). — 2) A. Rakowski, Ztsch. KoU.chem., //, 51 (1912). Vgl. auch M. Samec, KoU.chem. Beüiefte, 3, 123 (1911), über Lösungsquellung der Stärke in Gegenwart von Krystalloiden. — 3) K. Estrup, Chem. Zentr. (1912), //, 2007. — 4) Hierzu auch N. Sahlbom, KoU.chem. Beihefte, 2, 79 (1910). — 5) van Bemmelen, Journ. prakt. Chem., 23, 342 (1881). — 6) A. Baumann u. Eug. Gully, Untersuch, üb. d. Humussäuren II. Heft 4 der Mitteil. d. Kgl. Bayr. Moorkultur- anstalt (1910). § 3. Die Gele und die AdBorptionserscbeinungen. 49 wird regelmäßig eine kleine Menge freier Säure durch Mehradsorption des Kations gebildet. Dabei tritt auch die mehrfach besprochene Be- ziehung zutage, daß hinsichtlich der Wirkung die Hofmeister sehe Anionenreihe sich herausfinden läßt, und daß die mehrwertigen Metall- ionen stärker adsorbiert werden als die einwertigen. Dadurch kann bis zu einem gewissen Grade das Vorhandensein von freien organischen Säuren in Pflanzenmaterialien, die Kolloide enthalten, vorgetäuscht werden. Es sind also die Adsorptionskoeffizienten der Salzionen meist verschieden. Da die Kationenadsorption durch OH-Ionen begünstigt und durch H'-Ionen verringert wird, so spielen wahrscheinlich elektrische Vorgänge hierbei eine wesentliche Rolle (D. Die Abhängigkeit der Adsorption aus Lösungen von der Temperatur ist nur geringfügig und hat praktisch bisher noch keine Bedeutung gewonnen. Die Herstellung des Gleichgewichtszustandes bei Adsorptionsvor- gängen geschieht, falls die Lösungen nicht zu stark verdünnt sind und genügende Mengen des Adsorbens zu Gebote stehen, sehr rasch; ebenso die Herstellung der Lösung, wenn die Adsorptionsverbindung aufgehoben wird. Sorgt man aber dafür, daß der Vorgang sich genügend langsam abspielt, so kann man, wie in so vielen anderen Fällen, den Prozeß durch eine logarithmische Kurve wiedergeben; zuerst geht der Prozeß mit relativ großer Geschwmdigkeit vor sich, die sich später all- mählich vermindert. Die schließliche Verteilung des gelösten Stoffes auf Adsorbens und Lösungsmittel hängt sehr von der anfänglichen Konzentration ab. Aus sehr verdünnten Lösungen wird relativ sehr viel adsorbiert, aus kon- zentrierter aber verhältnismäßig wenig, so daß die prozentische Verarmung des Lösungsmittels an gelöster Substanz bei sehr verdünnten Lösungen gegenüber der Anfangskonzentration sehr bedeutend ist. Freundlich hat in einer Reihe von Arbeiten (2) die gegenwärtigen Kenntnisse von den Adsorptionsvorgängen dahin zusammengefaßt, daß es sich wesentlich um eine Oberflächenverdichtung und deren Konsequenzen handle. Naturgemäß werden durch die höhere Konzentration an den Grenzflächen chemische Reaktionen sehr unterstützt werden, so daß es sehr schwierig wird, die Gebiete der chemischen Reaktionen und der Adsorptionsphänomene auseinander zu halten. Für die Kolloidchemie, die es ja vorwiegend mit Oberflächenwirkungen zu tun hat, hat die Lehre von den Adsorptionserscheinungen eine außer- ordentUch große Bedeutung gewonnen. Die Ausflockung von Suspensoiden durch Elektrolyte ist, wie Freundlich (3) ausgeführt hat, am besten als, Adsorptionspbänomen zu deuten, ebenso die Wirkung der Schutzkolloide, welche auf der Bildung von Adsorptionshüllen um die Kolloidteilchen 1) H. Lachs u. L. Michaelis, Ztsch. Elektrochem., n, 917 (1911). H. Lloyd, Jouru. Amer. Chem. Soc, jj, 1213 (1911). — 2) Vgl. Freundlich, Ztsch. angewandt, ehem., 20, 749 (1907); Koll. Ztsch. /, 321 (1907); Ztsch. physik. Chem., $7, 385 (1907); 6i, 241 (1907); Koll. Ztsch., j, 212 (1908); Capillarchemie (1909), p. 281. Die chemische Theorie der Adsorption u. a. vertreten von T. Br. Robertson, Koll. Ztsch., 3, 49 (1908). Vgl. auch O. M. Davis, Journ. Chem. Soc, gu 1666 (1907). M. W. Travers, Ztsch. physik. Chem., 6/, 241 (1907). W. M. Bayliss, Proceed. Roy. Soc. Lond. B, 84, 81 (1911). — 3) H. Freundlich, Ztsch. physik. Chem., 7J, 385 (1910); Ztsch. Koll.chem., 7, 193 (1910. H. Morawitz, Koll.chem. Beihefte, /, 301 (1910). W. M. Bayliss, Biochem. Journ., /, 175 (1906). W. Pauli u. Handovsky, Hof- meisters Beitr., //, 415 (1908. L. Michaelis u. P. Rona, Biochem. Ztsch. 25, 359 (1910). Czapek, Biochemie der Pflanzen. 3. Aufl. 4 50 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. beruht. Ebenso wissen wir seit Hofmeisters Arbeiten, daß bei quellender Gelatine Adsorption gelöster Stoffe zu beobachten ist. Für die Lehre von der Färbung, die ja für den Physiologen nicht wenig aktuelles Interesse darbietet, ist die Adsorption als Ursache des Färbungsprozesses endhch ebenso von größter Bedeutung. Sicher ist es, daß bloße Adsorptionserschei- nungen vollkommen echte Färbungen bedingen können, wenngleich natür- lich in speziellen Fällen auch andere Faktoren als Ursachen des Festhaltens von Farbstoffen mit zu berücksichtigen sind (1). Auf die Bestimmung einer adsorbierten Farbstoffmenge durch Kol- loide kann man Methoden zur quantitativen Feststellung der vorhandenen adsorbierenden Kolloide begründen, z. B. in Ackererde (2). Geruch- stoffe lassen sich durch manche Kolloide, besonders Kaolin, außerordent- hch stark aufspeichern (3). §4. Protoplastnastrukturen und ihre biochemische Bedeutung. In Pflanzenzellen läßt das Protoplasma, sobald die Zelle ihre Jugendstadien überschritten hat, zwei Schichten unterscheiden; eine innere, anscheinend durch feine Körnchen getrübte voluminöse Schicht, Endo- plasma, für welche Nägeli (*) die Bezeichnung „Polioplasma" vorge- schlagen hat, und eine dünne, der Zellwand anliegende homogen er- scheinende Schicht, Ektoplasma, welche gewöhnlich nach Pfeffers (5) Vorgange als „Hyaloplasma" oder Hautschicht bezeichnet wird. Nägeli sowie Pfeffer (6) hatten das trübe Aussehen des Polioplasma auf Sus- pension äußerst zahlreicher winziger Vakuolen und auch fester Partikel zurückgeführt. Den Gedanken, das Protoplasma als eine Emulsion von mehr oder weniger leichtflüssiger Konsistenz zu betrachten, hat späterhin besonders Berthold (7) gründlich bearbeitet; auch die Ausführungen von Schwarz (8) gingen von dem Standpunkte aus, daß es sich im Plasma um eine Emulsion oder Mischung handle. Die Bedeutung trennen- der Membranen, welche in schaumartigen Emulsionen vorhanden sein müssen, hat Berthold auf Grund der von Pfeffer gewonnenen An- schauungen gleichfalls berücksichtigt. Etwa von 1880 an finden wir bei einer ganzen Reihe von Forschem [Hanstein, Schmitz, Fromm ann, Reinke, Strasburger l»)] Annähe- 1) Vgl. W. ßiLTZ, Ber. Chem. Ges., 38, 2963 (1905); Chem. Zentr. (1905), //, 524. G. V. Georgievics, Monatsh. Chem., 15, 705 (1894); 16, 345 (1895). Freund- lich, Kapillarchemie, p. 530 (1909). H. Fischer, Ztsch. pbysik. Chem., 63, 480 (1908). Ä. J. Perold, Lieb. Ann., 345, 288 (1906). W. Suida, Ztsch. physiol. Chem., 50, 174 (1906). G. v. Georgievics, Ztsch. Koll.chem., 10, 31 (1912). Scha- POSCHNiKOW, Chem. Zentr. (1912), /, 861. R. Haller, Ztsch. Koll.chem., //, 110 (1912). Farbstoffadsorption: L. ViGNON, Compt. rend., 151. 673 (1910). — 2) P. Kohland, Landw. Jahrb., 42, 329 (1912). — 3) Rohland, Biochem. Ztsch., 4Ö, 170 (1912). — 4) NÄGELI, Theorie der Gärung, p. 154 (1879). — 5) Pfeffer, Osmotische Untersuchungen, p. 123 (1877). — 0) Pfeffer, Pflanzen physiologie, 1. Aufl., /, 32 (1881). — 7) G. Berthold, Protoplasmamechanik, p. 64 (1886). — 8) F. Schwarz, Morphol. u. chem. Zusammensetzung des Protoplasmas (1887). Cohns Beitr. z. Biol. d. Pfl., 5. — 9) J. v. Hanstein, Das Protoplasma als Träger d. Lebensverrichtungen, p. 38 (1880); Botan. Abhandl., 4, H, 9 (1880). Schmitz, Sitz.ber. Niederrhein. Ges. (1880). C. Frommann, Beobacht. üb. Strukt. u. Bewegungser^chein. d. Protoplasma (1880). C. Heitzmann, Mikroskop. Unters, d. Tierkörp. (1883). J. Reinke, Unters, a. d. botan. Inst. (Göttingen 1881); vereinzelte Andeutungen in ähnlichem Sinne schon bei älteren Forschem (MouL, Brücke). W. Flemmtng (Zellsubstanz, Kern u. Zellteilung [1882]) hatte die Existenz fädiger Elemente ohne netzförmigen Zusammenhang ange- nommen; vgl. auch Waldeyer, Deutsch, med. Wochschr. (1895), Nr. 43/44. § 4. Protoplasmastrukturen und ihre biochemische Bedeutung. 51 rungen an die Meinung, daß das Protoplasma aus einer netzartigen Ge- rüstsubstanz, mit einer flüssigen Füllmasse („Enchyleraa" Hansteins) bestehe. Für diese beiden Bestandteile sind in der Folge die verschiedensten Benennungen eingeführt worden. Das Gerüstwerk wurde als Filarmasse, Mitom, Spongioplasma, Reticulum bezeichnet, die Füllmasse als Interfilar- musse, Paramitom, Plasmochym usw. Daß faserige Strukturen mindestens im Plasma mancher Tierzellen sicher vorkommen, steht wohl außer Zweifel (i). Von derartigen Strukturen mögen sich phylogenetisch die Muskelfasern ableiten lassen. Kontraktile Plasmaelemeute sind aber von Pflanzen bisher noch nicht bekannt geworden. Die faserigen Strukturen, welche von NemeciZ) in den Pleromzellen von Wurzelspitzen beobachtet wurden und die von ihm mit der Reizfortpflanzung in Zusammenhang gebracht worden waren, sind in ihrer Bedeutung bisher noch kaum sicher erkannt worden. Eine größere wissenschaftliche Rolle spielt die Netzstruktur des Plasmas erst seit den ausgedehnten und genauen Forschungen Bütschlis, welcher als der Begründer der Lehre vom netzwabigen Bau des Plasmas anzusehen ist (3), und auch eingehende Studien über, den wabigen Cha- rakter von Kolloidstrukturen angestellt hat. Selbst bei voller Würdigung der von der Kritik (*) beigebrachten Gesichtspunkte darf man die Waben- struktur für eine Reihe von lebenden Objekten als nachgewiesen be- trachten. Derartige Fälle haben außer Bütschli auch andere Forscher [E. Crato(6)] beschrieben. Die grobschaumigen Veränderungen, wie sie sich an absterbendem Plasma nicht selten einstellen (6) , haben jedoch mit der Wabenstrukturhypothese nichts zu schaffen. Hofmeister (7) hat biochemische Tatsachen zusammengestellt, welche das Bestehen zahl- reicher kolloider Scheidewände im Plasma, d. h. schaumartige Strukturen, sehr wahrscheinlich machen. L. Rhumbler (8) hat sehr ausführlich nachzuweisen gesucht, daß die Annahme einer alveolären Struktur im Protoplasma, d. h. einer Wabenstruktur oder „Schaummischung" am besten den am lebenden Zellinhalte zu beobachtenden Tatsachen ent- spricht (9). 1) Über Plasmastrukturen vgl. W. Biedermann, Ergebn. d. Physiologie (Spiro- Asher), 8, 26 (1909). — 2) B. Nemec, Reizleitung u. die reizleit. Strukturen b. Pfl. (Jena 1901). G. Haberlandt, Ber. Botan. Ges., 19, 569 (1901). ~ 3) O. Bütschli, Verhandl. nat.-med. Ver. Heidelberg, N. F., 4, III, 423, 441 (1889); Mikroskop. Schäume (Leipzig 1892); Bau der Bakterien (Leipzig 1890); Weitere Ausführ. üb. d. Bau d. Cyanophyceen (Leipzig 1896); Herstellung künstl. Stärke: Botan. Zentr., 68, 213 (1896); auch A. Zimm'^rmanns Sammelref., Beiheft bot. Zentr., 3, 211 (1893). BiJTSCHLl, Untersuch üb. Strukturen usw. (Leipzig 1898); Arch. f. Entwicklungsmech., //, 499 (1901); Sitz.ber. München. Ak., jj, 215 (1903). — 4) Besonders A. Fischer, Fixierung, Färbung u. Bau des Protoplasmas (Jena 1899) und Arch. f. Entwicklungs- mechanik, /j, I u. II (1901). — 5) E. Crato, Cohns Beitr. z. Biol., ;, III, 407 (1896); Botan. Ztg. (1893), /, 157 (für Braunalgen, Cladophora); Ber. Botan. Ges., 10, 451 (1892). — 6) Vgl. z. B. A. Degen, Botan. Ztg. (1905), /. 202. — 7) F. Hofmeister, Die ehem. Organisat. d. Zelle (Braunschweig 1901); auch W. Ost- wald sieht solche Auffassungen vom allgemein-chemischen Standpunkte aus als be- gründet an, z. B. Ztsch. physikal. Chem., 28, 574 (1899). — 8) L. Rhumbler, Ver- worns Ztsch. f. allg. Physiol., /, III u. IV, 279 (1902); 2, 183 (1902). — 9) Über verschiedene Streitpunkte auf diesem Gebiete: K. PüRiEWiTSCH, Ber. Botan. Ges., 15, 239 (1897). A. Meyer, Botan. Ztg. (1896), Abt. II, p. 328. P. Klemm, Jahrb. wiss. Botan., 28, 685 (1895); auch W. Pauli, Naturwiss. Rdsch. (1902). p. 313. W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie, 2. Aufl. //, 7 14 ff. (1904). 52 Erstes Kapitel: Das Substrat der chemischen Vorgänge. Ich halte es jedoch trotzdem für korrekter wegen des ausgesprochen flüssigen Charakters der Plasmakolloide von einem emulsions artigen Aufbau des Protoplasmas zu sprechen. Niclit alle Teile des Protoplasten dürften die gleiche Struktur besitzen; insbesondere werden die peripheren Plasmaschichteu häufig, besonders bei Plasmodien und Protozoen, anders gebaut sein als das flüssige Plasma des Zellinnern(l). Es wurde bereits erwähnt, daß mit Hilfe des Uitramikroskopes im lebenden Plasma distinkte Teilchen nachzuweisen sind, welche mindestens in so großer Zahl im gewöhnlichen Mikroskop nicht sichtbar sind („Ultra- mikronen" (2). Ihre Bedeutung ist noch nicht klar gestellt worden. Brown sehe Bewegung konnte ich an den Teilchen im unversehrten Zell- plasma nie unterscheiden, in der Literatur sind jedoch gegenteiUge An- gaben vorhanden (3). Zwischen der Annahme von emulsionsartigen Strukturen und der Wabennetztheorie besteht in vieler Hinsicht nur eine graduelle Differenz. Für die Art des Zustandekommens von trennenden Oberflächenhäutchen haben die eingehenden Untersuchungen von Zangger und Ramsden (*) zahlreiche Aufklärungen erbracht. Die von Altmann (5) vertretene ,, Granulatheorie" geht von Voraus- setzungen aus, welche einer exakten biochemischen Bearbeitung unzugäng- lich sind und entzieht sich daher an dieser Stelle weiteren Erörterungen. In dem zitierten Vortrage Hofmeisters findet man ausgeführt, wie die vielen kolloidalen Trennungsmembranen im Protoplasma für die Se- paration der zahheichen gleichzeitig in der Zelle nebeneinander verlaufenden chemischen Vorgänge als zweckentsprechende Einrichtung fungieren. So stößt es denn auf keine Schwierigkeit, auch dort, wo wir im Protoplasma keine gesonderten Organe durch mikroskopische Beobachtung erkennen können, wie sie z. B. Chromatophoren, Elaioplasten, Zellkern, Tonoplasten darstellen, spezifisch wirkende Apparate, die unserem direkten Nachweise nicht zugänghch sind, anzunehmen. Anscheinend gleich aussehende Plasma- teile mögen im Dienste der Zelle höchst verschiedenen Aufgaben dienen und ganz ungleiche Verrichtungen haben. So mögen die Chromosomen des sich teilenden Zellkernes, welchen Boveri (ß) und andere Forscher die Bedeutung von individualisierten Zellbestandteilen zuschreiben, mit ungleichen Funktionen in irgendeiner Richtung betraut sein. Wir kommen also auch vom biochemischen Standpunkte zur Einsicht, daß das Proto- plasma der Zelle eine hochdifferenzierte chemische Organisation besitzt und nicht in allen Teilen gleichwertig ist: die hypothetischen Elementar- organe des Plasmas, „Pangene", „Biogene", „Biophoren", „Piasomen" oder wie immer sie genannt werden, stellen auch für die Biochemie keine gleichwertigen Gebilde dar (7). 1) Vgl. W. Lepeschkin, Ber. Bot. Ges., 29, 181 (1911). — 2) N. Gaidükov, Ber. Botan. Ges. (1906), p. 192. Dunkolfeldbeleucht. u. Ultramikroskopie in Biologie u. Mediz. (Jena 1910). — 3) Z. B. J. Chifflot u. Cl. Gatjtier, Journ. de Botan., 19, 40 (1905). S. R. Price, Proc. Cambridge, Phil. Soc., 16, Pt 6, 481 (1912). — 4) H. Zangger, Vierteljahrsschr. d. Nat.forsch. Ges. Zürich, 51, 432 (1906); 52, 500 (1907). Ergebn. d. Physiol., 7, 99 (1908). C. L. Alsberg, Science, 34, 97 (1911). W. Ramsden, Ztsch. physik. Chem., 47, 336 (1904); Proceed. Roy. Soc, 72, 156 (1903). — 5) R. Altmann, Die Elementarorganismen (1890); hierzu bes. A. Fischer, Fixierung usw., p. 295 (1899). — 6) Boveri, Chromat. Subtstanz d. Zellkerns, p, 9 (1904). O. RoSENBERO, Flora (1904), p. 251. — 7) Über die jetzt von den meisten hervorragenden Forschern angenommenen Organelemente des Plasmas vgl. Pfeffer, Physiologie, /, 2. Aufl., 41 (1897). Übrigens äußert sich schon 1861 E. BrIJCKE (Die Elementarorganismen, Sitz.ber. Wien. Ak., 44, 385) wie folgt: „Ich kann mir § 4. Protoplasmastrukturen und ihre biochemische Bedeutung. 53 Daß zwischen vorübergehend sich bildenden Kolloidstrukturen und den hierdurch ermöglichten chemischen Leistungen und zeitlebens dauernd erhaltenen Kolloidstrukturen der Zelle alle möglichen Übergänge reahsier- bar sind, mag noch anschließend hervorgehoben werden. Insofern werden ausschHeßende Gegensätze zwischen mehr morphologischen und mehr chemischen Erklärungsversuchen, wie sie z. B. bezüghch der Befruchtungs- vorgänge geäußert wurden, sich in Wirklichkeit vielleicht weniger schroff entgegenstehen, als es derzeit den Anschein hat. Schon Brücke (1. c.) äußerte sich über den „Aggregatzustand" des Plasmas 1861 treffend: ,,Für uns ist der Zelleninhalt ein komplizierter Aufbau aus festen und flüssigen Teilen. Wenn man uns fragt, ob wir den Zelleninhalt nicht als Flüssigkeit anerkennen, glauben, daß er fest sei; so antworten wir: Nein, und wenn wir gefragt werden, ob er denn doch flüssig sei, so antworten wir wieder: Nein. Die Bezeichnungen feSt und flüssig, wie sie in der Physik Geltung haben, finden auf die Gebilde, mit denen wir es hier zu tun haben, in ihrer Gesamtheit keine Anwendung." NÄGELI und SCHWENDENER (1) gebrauchen für das Protoplasma das Bei- wort „halbflüssig"; sie betonen als wesentlich für seine Organisation einen bestimmten Wassergehalt, was für den halbflüssigen Gummischleira nicht zutreffe. Später haben sich Velten und Berthold (2) mit dem Aggregat- zustande des Protoplasmas beschäftigt, sodann besonders Pfeffer, Jensen, Schenck und Rhumbler (3). In der Arbeit des letztgenannten Autors findet man die Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Anwendung der Begriffe „fest", ,, flüssig" auf die kolloiden Gebilde des lebenden Plasmas, sowie die Eigenschaften, welche das Protoplasma mit Flüssigkeiten teilt, ausführlich abgehandelt. Auch die Erscheinungen der Verschiebbarkeit der Teilchen bei der Plasmaströmung (*), auf die hier nicht weiter einzugehen ist, finden sich bei Rhumbler berücksichtigt. So interessant die manchmal frappante Ähnhchkeit zwischen Proto- plasmaströmung in lebenden Zellen oder amöboider Zellbewegung mit den experimentell bei inorganischen Emulsionen, Quecksilbertropfen usw. her- vorzubringenden Erscheinungen ist, so müssen wir uns doch hüten, für die komphzierten Phänomene im Plasmakörper mit ihrer tausendfachen Ab- hängigkeit von anderen Vorgängen in der Zelle ebenfalls derartige relativ einfache Verhältnisse als parallele Vorkommnisse zu betrachten. Die- selben Bedenken gelten auch für die vielen sinnreichen und schönen Ver- suche, mit welchen Bütschli und andere Forscher die Erscheinungen der auch nicht wohl denken, daß irgendein Mikrograph im Ernste glaube, unsere mikro- skopischen Bilder gäben eine auch nur annähernd vollständige Übersicht über den Bau der Zellen, und wenn gesagt wird: die Zellmembran ist strukturlos, das Proto- plasma ist eine homogene Masse usw., so soll dies wohl nichts anderes heißen als: die Zellmembran erscheint uns strukturlos, das Protoplasma erscheint uns als eine homogene Masse." 1) NÄGELI u. SCHWENDENER, Das Mikroskop, 2. Aufl., p. 548 (1877). — 2) W. Velten, Wien. Ak., 73, 138 (1876). G. Berthold, Protoplasraamechanik (1886). W. Pfeffer, Plasmahaut und Vakuolen, p. 253 (1890); Pflanzenphysiol., /, 2. Aufl., 38 (1897). — 3) P. Jensen, Pflüg. Arch., . § 1. über die Reaktionsbedingungen. gg Von der Vermehrung und Verbesserung aller dieser Methoden hängt wesentlich der Fortschritt in der Biochemie ab, welche, solange sie rein präparativ betrieben wurde, nur relativ wenig leisten konnte. Soweit bekannt, gehen die im Organismus vorkommenden chemischen Reaktionen in der lebenden Zelle nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ ebenso vor sich, wie außerhalb des Organismus. Das ganze Reaktionsgetriebe des Lebens ist ebenso wie die morphologiscLe 'Ent- wicklung des Individuums als Ganzes nicht umkehrbar und wird nach einer bis zu gewissen Grenzen vorherbestimmten Zeit durch Störungen in seinem Fortgang verändert, welche schließlich zum Tode dor Zelle führen. Da überdies weitgehend die organische Entwicklung mi: der Bildung von freier Wärmeenergie verbunden ist, so wird es aus allen diesen Gründen sehr wahrscheinlich, daß die chemischen und physi- kalischen Veränderungen im lebenden Organismus nicht nur dem Gesetze der Erhaltung der Energie unterliegen, sondern, daß der zweite Haupt- satz seine Gültigkeit auch auf die Vorgänge des Lebens erstrecken mußd). Die Art und der quantitative Effekt der Reaktionen im lebenden Organismus hängen ab von der Natur der aufeinander treffenden Stoffe, sowie von den Bedingungen, unter welchen das Zusammentreffen statt- findet. Diese Bedingungen sind höchst verschiedenartig; Temperatur, Aggregatzustand, Trennung und Mischung spielen eine große Rolle. Diese Faktoren sind im Organismus entweder konstant erhalten oder sie variieren: beides geschieht entweder passiv durch äußere Einflüsse oder aktiv durch Selbststeuerung in der lebenden Zelle. Die Tem- peratur z. B. wird bei der Pflanze nur sehr selten in meßbarer Weise durch aktive Tätigkeit abgeändert; die Pflanzen haben sich vielmehr ihren klimatischen Verhältnissen angepaßt. Dies tritt nicht nur in morphologischen Merkmalen hervor, sondern auch in chemischen. So ist das Fett bei tropischen Pflanzen regelmäßig von höherem Erstarrungs- punkt als das Fett der gemäßigte Klimate bewohnenden Pflanzen. Die Lebensvorgänge finden allgemein ohne Störung und in bestimmter quantitativer Abhängigkeit von der Temperatur gewöhnlich innerhalb eines weiten Intervalls von rund 20»^ (10—30« C) statt; darunter und darüber können Störungen bereits in bestimmten Fällen vorkommen, so „erfrieren" manche Tropenpflanzen schon bei etwa -^ b^ C(2). Dies ist jedoch nicht etwa als ein eigenartiger Fall von Kältewirkung aufzufassen, sondern nur als extremes Vorkommnis; donn entgegen der früher verbreiteten Meinung liegt die Temperatur des Kältetodes stets etwas oberhalb der Temperatur des Gefrierens des Zellinhaltes, so daß die Prozesse des Gefrierens und die hierbei stattfindende Wasserentziohung wohl niemals als die primäre Ursache des Kältetodes anzusehen sind (3). Übrigens können beim Abkühlen von Kolloiden durch Alteration des Ad- sorptionsvermögens usw. genügend Änderungen vor sich gehen, um schwere Störungen durch niedere Temperaturen im kolloiden Zellinhalt begreiflich 1) Vgl. Ä. Kanitz, Zentr. Physiol. (1906). P; 837; (1907) p. j70. H. ZWAARDEMA^KER, Ergebn. d. Physiol., 5, 117 (1906); Zontr. Phys'ol. ( 90. ), p^ 68. u TVT^.To^xx TT^f^rc nh H F.rfripren d. Pflanz. (189.), P- 55. bit7..l)er. \N icn. — 2) H. Molisch, Unters, üb. d. Erfrieren d. Pflanz. (1897), p. Ak 70,- I (1896) - 3) C. MEZ, Flora, w, 89 (1905 . A. Appxt Be.tr B.oI. d 1 fl , r2l5(lSoV) R. KEm Ztsch. Natu^wiss., So 1 (1909) H ^«/«-„l-^^Jf^ '^■■^^• Riol. rl Pfl o. .^^9 ri909V N. Maximow, Zentr. Bakt. (II), .'5. 3.6. pS«)- «• Biol. d. Pfl., 9, 3.59 (1909). N. Maximow, Zentr. ßakt. (u;, ^5, ^'" , '^""j^^. • V Bartetzko, Jahrb. wiss. Botan., 47, 57 (1909). E. SchYKX.t, Ztsch. allg. 1 hjMui. 12, 223 (1910). A. Richter, Zentr. Bakt. (II), 28, bl7 (IJlU). 70 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. erscheinen zu lassen (1 ). Was die Schädigungen seihst anbelangt, so deuten alle Momente darauf hin, daß die Plasmahaut der Sitz jener deletären Ver- änderung ist [Maximow (2)]. Daß bestimmte Stoffe, wie Glucose, die Kälte- resistenz von Pflanzenzellen erhebhch steigern [Lidforss (3)], beruht weder auf der Gefrierpunktserniedrigung noch auf einer Verhinderung der Eiweiß- aussalzung durch Kälte, welcher letztere Faktor in Betracht käme, wenn nach der Annahme von Gorke (4) der Kältetod eine Wirkung von Eiweiß- aussalzung wäre. Vielmehr geht, wie Maximow gezeigt hat, diese Schutz- wirkung ganz parallel der Lage des eutektischen Punktes der betreffenden Stoffe. So schützen Mannit, NaoSO^ und andere Stoffe mit hochgelegenem eutektischen Punkt sehr wenig, während die Wirkung der Glucose, NaCl, Natriumacetat mit sehr niedrigem Kryohydratpunkt eine recht bedeutende ist. Solche Schutzstoffe sind bei Pflanzen des Gebirgskhmas reichUcher vorhanden als bei Pflanzen der Ebene (5) und ähnliches darf man wohl für die arktische Flora erwarten. Aktive Temperaturänderung durch Selbstregulierung sehen wir in der Temperatursteigerung nach Verwundungen und in der manchmal sehr starken Wärmeerzeugung durch „thermophile Bacterien", durch atmende Samen und Blüten. Bei den warmblütigen Tieren spielen be- kanntlich diese Prozesse eine äußerst wichtige Rolle zur Erhaltung des Gleichgewichtes der Lehensvorgänge. Die Erscheinung, daß in einer gleichförmigen Lösung Konzentrationsverschiedenheiten auftreten, wenn ein Teil der Flüssigkeit eine andere Temperatur annimmt als die übrige Lösung, bezeichnet mau als „Ludwig sches Phänomen". Sehr schön kann man dasselbe in dem von Abegg(6) angegebenen Apparat demon- strieren. Hierbei spielt einmal der höhere osmotische Druck in der wärmeren Partie eine Rolle, dann aber auch das Verteilungsgesetz. Der bedeutende Einfluß des Aggregatzustandes der rea- gierenden Stoffe auf Eintritt und Verlauf von Reaktionen ist eine sehr alte chemische Erfahrung. Lösungen herzustellen, wenn ein Stoff in Reaktion treten soll, ist auch für den Organismus ein wichtiges Hilfs- mittel, von welchem der ausgiebigste Gebrauch gemacht wird. Anderer- seits ist Herstellung von Verbindungen festen Aggregatzustandes, von unlöslichen Stoffen oft das beste Mittel, wenn Stoffe aus dem Reaktions- getriebe ausgeschaltet werden sollen. Auf letzterem Wege lagert die Pflanze ebensowohl Reservematerial zu künftiger Benützung ab (Stärke, Fett) als auch „Sekrete" wie Harze, Terpene, die niemals wieder in den Stoffwechsel eintreten, wie auch Giftstoffe, z. B. Oxalsäure als unlös- liches Kalksalz. In Lösung bieten einander zwei Stoffe gleichsam ideal große Oberfläche dar. Eine Annäherung an diesen Fall bildet die möglichst feine Emulsion von nicht mischbaren Flüssigkeiten, welche z. B. bei der Fettresorption im Organismus eine wichtige Rolle spielt. Die biochemische Bedeutung von Trennungsprozessen wird uns wirksam durch die eben erwähnte Herstellung unlöslicher Verbin- dungen in der Zelle in verschiedenen Fällen illustriert. Filtrationen, die der Chemiker so häufig zur Trennung fester Stoffe von Flüssigkeiten anwendet, finden wir auch in der lebenden Pflanze als wiclitige Beein- 1) H. W. Fischer, Beitr. ßiol. d. Pfl., /o, 133 (1910). — 2) N. A. Maximow, Ber. Botan. Ges., 30, 52, 293, 504 (1912). — 3) B. Lidforss, Die wintergrüne Flora, (Lund 1907). — 4) H. Gorke, Landw. Versuchsstat., 65, 149 (1906). — 5) Marie u. Gatin, Botan. Zentr., 122, 6 (1913). — 6) R. Abegg, Ztsch. physik. Chem., 26, 161 (1898). Über Thermoendosmose ferner G. Lippmanh, Corapt. rend., 145, 104 (1907). § 2. lonenreaktionen in der lebenden Zeile. 71 flussung von Reaktionen tätig. Auch die Filtration befördernden Mittel, wie Herstellung einer großen Filterfläche, vollkommene Benetzbarkeit der Filtermembran, sind im Organismus benutzt, wo die vielen Systeme kolloider Trennungsmembranen im Zellplasma, wie F. Hofmeister an- ziehend geschildert hat, höchst wirksame Einrichtungen darstellen. Der Organismus leistet aber noch mehr. Die in Frage kommenden Trennungs- membranen sind, wie es Pfeffer (1) in seinen denkwürdigen osmotischen Untersuchungen darlegte, „semipermeabel"; sie vermögen, wie bereits oben näher auseinandergesetzt wurde, selbst zwischen gelösten Stoffen auszuwählen und so Abtrennungen von Stoffen zu erreichen. Dergleichen geschieht schon bei der Stoffaufnahme durch die Wurzeln im Boden. Zudem ist die Beschaffenheit und Wirkung der Membranen keine kon- stante, sondern eine variable. Für Gase, die in den Zellflüssigkeiten gelöst sind, gelten dieselben Gesichtspunkte, und es kann Trennung der- selben durch semipermeable Membranen voraussichtlich ebenfalls bewerk- stelhgt werden. Da die Filtermembranen im Zellplasma auch starke Adsorptionswirkungen äußern, so werden endlich auch Abtrennungen durch Zurückhaltung von Stoffen in der Filtermembran zu erwarten sein. Ist eine vollständige Undurchlässigkeit der Membranen für bestimmte Stoffe nicht vorhanden, so wird häufig die verschieden große Filtrations- geschwindigkeit derselben Konzentrationsdifferenzen und partielle Schei- dung erzielen können. Aber auch Mischungsprozesse sind für Reaktionen innerhalb der Zelle sicher von großer Bedeutung. Mit Recht hat Pfeffer (2) die Protoplasmaströmungen als voraussichtlich wichtiges physiologisches Hilfs- mittel in dieser Richtung in Anspruch genommen. Sonst wird auch jeder Diffusionsstrom im Zellsaft, jede aktive oder passive Ortsveräude- rung von Zellorganen, Ungleichheit von Temperaturen usw. mehr oder weniger als Hilfsmittel für die Mischung von Stoffen innerhalb der Zelle dienen können. Die Physiologie interessiert schließlich auch die räumliche Fort- pflanzung chemischer Reaktionen über kürzere oder längere Strecken, da solche Prozesse voraussichtlich zwischen Nachbarzellen sich regel- mäßig abspielen werden und selbst die Reizleitung vielfach mit derartigen Vorgängen in Verbindung zu bringen ist. Interessante Versuche über die räumliche Fortpflanzung chemischer Reaktionen in emem Rohr ver- danken wir Luther (3) und Srebnitzki (4). Weitere messende Verfolgung solcher Vorgänge wäre für die Biologie sehr wünschenswert. lonenreaktionen in der lebenden Zelle. Die zahlreichen Stoffe, welche im Innern der Zelle enthalte^i sind und sich an den zum Lebensprozesse gehörenden «^^^f «^^ .^.^^'^^Xhe beteiiieen sind teils ausgesprochene Elektrolyte, teüs Stoffe welche eben noch meßbar dissoziiert (5), oder solche, die nicht nachweislich 1) W. Pfeffer, Osmot. Untersuchungen (Leipzig 1877) - 2) W. ^feffeb Studien Lr Energetik,' p. 270 (1892). Biekberg ^^/jf' .^^JJ^f^^^Flora 95 l u. Herfluten des Plasmas in Mucorhyphen beruht "««^ ^;^^^^5„"''B^f /j, ^^ /^^ 2 (1905), auf osmotischen und T/ansiMrat.onsvv.rkungen. H^^^^ 4) V Hrebn.tzk.. ^rSl^l^lC S.Ä t^^r^^ vo^- £S^LSrt^h^NaOH hei 72 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. dissoziiert sind (Nonelektrolyte), Die Menge der ionisierten Stoffe in Organsäften wurde öfters durch Leitfähigkeitsbestimmungen gemessen. In den Versuchen von de Forest Heald(1), Nicolosi-Roncati(2) hat sich ergeben, daß die Säfte von Blättern und Stengeln verschie- dener Pflanzen relativ gute Leiter sind, und zwar die Stengelsäfte in höherem Maße als Wurzelsäfte. Es wurde auch der hervorragende Anteil der gelösten Mineralstoffe an dem elektrischen Leitungsvermögen konstatiert. Indem die ionisierten Stoffe in Gewebesäften zum aller- größten Teile Substanzen von geringem Molekulargewicht sind und daher den Gefrierpunkt ihrer Lösungen relativ stark herabsetzen, so gestatten bereits die in der heutigen physiologischen Methodik gut ausgebildeten kryoskopischen Untersuchungsbehelfe (3) eine annähernde aber sehr bequem auszuführende Bestimmung des lonengehaltes von Gewebesäften, So hat Maquenne(4) die Verhältnisse während der Samenkeimuug kryoskopisch verfolgt, F. Cavara (5) die hohen Werte (bis 30 Atmosphären osmotischen Druckes) im Zellsaft von Salzpflanzen festgestellt, und Dixon und Atkins(6) bestimmten auf thermoelektrischem Wege die Gefrierpunkts- erniedrigung im Gewebesaft von Laubblättern. Den letztgenannten Autoren zufolge nimmt die Gefrierpunktsdepression des Zellsaftes bei Blättern von der Knospenentwicklung bis zum Herbst deutlich zu. Nach Pantanelli (7) wird man zu beachten haben, daß Gewebesaft in frisch entnommenem Zustande eine stärkere Gefrierpunktsdepression zeigt als nach einigen Stunden; nach noch längerer Zeit sinkt der Gefrierpunkt neuerdings etwas. Dabei dürften wohl lonenadsorptionen im Spiele sein. Weitere einschlägige Daten aus diesem immerhin noch auffällig wenig durch- forschten Gebiete können den Zusammenfassungen von Livingston (8) und BoTTAzzi (9) entnommen werden. Auch für die Pflanzenphysiologie wird es künftighin öfters von Bedeutung sein, über osmotischen Druck und lonengehalt einzelliger Organismen und isolierter Körperzellen experimentelle Daten zu sammeln; in dieser Richtung dürfte eine von Höber (10) angegebene Methode zur Leitfähigkeitsbestimmung sehr dien- lich sein. Die Pflanzen nehmen eine große Menge von ionisierten Stoffen aus ihrem Bodensubstrate auf, da die in der verdünnten Bodenlösung enthaltenen wichtigen mineralischen Nährsalze meist so gut wie voll- ständig elektrolytisch dissoziiert sind. Die Neutralsalze der einwertigen Metalle erreichen ja den Endwert ihres Zerfalles in Ionen bei einer Zuckerzusatz. Mannit ist wirkungslos; Rohrzucker, mehr noch Invert- und Trauben- zucker, verringern die katalytische Wirkung der OH'-lonen durch partielle Neutrali- sation derselben. Über die Dissoziation von Zucker auch H. Euler, Ber. ehem. Ges., 34, II, 1568 (1901). Th. Madsen, Ztsch. physik. Chem., j6, 290 (1901). KuLLGREN, Ebenda, 41, 407; 43. 701 (1903). 1) Fr. de Forest Heald, Science (1902), p. 457; ßotan. Gaz., 34, 81 (1902). — 2) F. NicoLOSl-RoNCATi, Botan. Zentr., iio, 458 (1909). Elektr. Leitfähigkeit d. Bäume: F. Wolfe, Naturwiss. Ztsch. f. Land- u. Forstwirtsch., 5, 425 (1907). — 3) Vgl. H. Frledenthal, Zentr. Physiol., 14, 157 (1900). Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., /, 498 (1910). P. Rona, Ebenda, V, (1). — 4) l^. Maquenne, Compt. rend., 125, 576 (1897). — 5) F. Cavara, Botan. Zentr., 104, 547 (1906). — 6) H. Dixon u. W. R. G. Atkins, Proceed. Roy. Soc. Dublin, 12, 275, 463 (1910); 13, No. 28 u. 29 (1913). Notes from the Botan. School Trinity College Dublin, //, No. 3 (1912). — 7) E. Pantanelli, Arch. Farm. Sper., 12, 225 (1911). — 8) B. E. LrviNGSTON, The Röle of Diffusion and Osmotic Pressure in Plants (Chicago 1903). G. Trinchieri, Bull. Orto Bot. Napoli, 9 (1909). Leitfähigkeit von Bac- terienkulturfliissigkeiten: M. Oker-Blom, Zentr. Bact. (I), 65, 382 (1912). — 9) F. BoTTAZZi, Ergebn. d. Physiol., 7. Jahrg., p. 161 (1908). — 10) R. Höber, Pflüg. Arch., 133, 237 (1910); 148, 189 (1912); 150, 15 (1913). § 2. lonenreaktionen in der lebenden Zelle. 73 Verdünnung von 1 Grammolekel auf 2000 Liter, sind aber schon in einer Verdünnung von °/iooo praktisch völlig elektrolytisch dissoziiert Bei den aus dem Boden aufgenommenen Ionen handelt es sich vor allem um die Kationen K', Na', Ca**, Mg", Fe"', Mn" und Al"\ um die Anionen SO4", NO3', HPO4", er, wozu noch eine geringe Menge von H*- und OH'-Ionen kommt d). Die Kohlensäure der Luft, welche die Pflanzen aufnehmen und verarbeiten, entspricht, im Zellsaft gelöst, wahrscheinlich der Säure H2CO3, welche faSt nur die Anionen HCO3' bildet, die sodann im Chlorophyllapparate der Reduktion anheimfallen. Es scheint ferner, daß der Luftsauerstoff nach seiner Aufnahme gleichfalls bald in Ionen übergeht und zur Bildung von OH'-Ionen Anlaß gibt. In der Zelle spielen sich zahlreiche lonenreaktionen ab und solche Reaktionen gehören zu den notwendigen Vorgängen im Lebensprozeß. Hierher zählen die in der Bildung von oxalsaurem und phosphorsaurem Kalk bestehenden Ausfällungserscheinungen und viele Lösungserschei- nungen. Sehr gewöhnlich verschwinden von außen aufgenommene Ionen in der Zelle und können mit Hilfe der in der analytischen Chemie ge- bräuchlichen Reagentien nicht mehr nachgewiesen werden. Diese „Mas- kierung" ist z. B. vom Eisen wohl bekannt. In solchen Fällen handelt es sich häufig um Reaktionen, in welchen „komplexe Ionen" entstehen. Es neigen besonders die mehrwertigen Metallionen sehr stark zu diesem Verhalten, und in Gegenwart von m"ehrbasischen organischen Säuren (Weinsäure), von Zucker und Kohlenhydraten werden leicht komplexe Metallionen gebildet, in denen das Metall nicht mit Hilfe der gewöhn- lichen lonenreagentien nachgewiesen werden kann. Zahlreiche Reaktionen in der lebenden Zelle führen zur Neubildung von Ionen aus Nichtelektrolyten. Wenn Alkohole oder Aldehyde in der Zelle zu Säuren oxydiert werden, so müssen zahlreiche H"-Ionen und Säureanionen entstehen. Gerade eine sehr häufig und oft massenhaft im Stoffwechsel auftretende Säure, die Oxalsäure, zeigt eine für orga- nische Säuren sehr starke elektrolytische Dissoziation in ihren wässe- rigen Lösungen (2). Die mehrbasischen organischen Säuren teilen das Verhalten der Phosphorsäure, mehrere Reihen von Salzen zu bilden, welche verschieden stark ionisiert sind. Diese „stufenweise Dissoziation" ist bei jenen Salzen am stärksten, bei denen nur 1 H durch ein Metall substituiert ist. Natürlich sind in Lösungen der freien Säuren ebenfalls die entsprechenden Anionen am reichlichsten vertreten, so bei der Phos- phorsäure die Ionen H2PO4' neben H'O). Zu reichlicher lonenneubil- dung führen aber auch viele andere Wege, z. B. der Übergang der sehr schwach elektrolytisch zerfallenen Aminosäuren in Ammoniak und Fett- säuren, wie er bei der BUdung von bernsteinsaurem Ammoniak aus As- paragin stattfindet. Auch bei der BUdung von organischen Basen im Stoffwechsel entstehen oft stark ionisierte Substanzen aus Nichtleitern (4). Wichtig ist die physiologische Bildung von Substanzen, welche in ihren wässerigen Lösungen gleichzeitig H'-Ionen und OH'-Ionen bilden. 1) Aufnahme von H'- und OH'-Ionqn du/ch lebendes Plasma: O. W Barratt, Ztsch. algem. Pbysiol., 5, 10 (1905). - 2) Die biochemisch sehr w>cht,,^enL)^^^^^^ ziationsverhältnisse organischer Säuren wurden zuerst naher slud.crt <^"^^,\ ^\- g^;-- WALD, Ztseh. Physik, ehem., 3, 170 (1889). P;^ Walden. ^^f^^J'^^^'J^^'^' WiQHTMAN u. Jones, Amer. Chem. Joum., ^5, 320 (1912) - 3) V'l. ^^^"'^J^ ' f • Smith, Ztsch. physik. Chem., 25, 144 (1898). «• Wegscheider. Mon^ L Cliem -j. 599 (1902); 26, 1235 (1906). - 4) Affinitätsgroße der Basen: G. Br.EPio, /t^ch. physik. Chem., 13, 289 (1894). 74 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. also Säuren und Basen gleichzeitig darstellen. Bredig und Winkel- blech (1) haben für solche Elektrolyte die Benennung amphotere Elektrolyte eingeführt. Solche Stoffe sind die Aminosäuren, Xan- thinbasen und viele Eiweißkörper. Die Aminosäuren (wie auch Coffein) bilden mehr H'-Ionen als OH'-Ionen, sind also eigentlich sehr schwache Säuren. Von sonstigen amphoteren Elektrolyten wären Metall- hydroxyde, Diazoniumhydrat, sowie der bekannte Indicator Methylorange zu nennen. Zu berücksichtigen ist, daß die Dissoziation schwacher Säuren durch Zusatz von stark ionisierten Neutralsalzen erheblich gesteigert werden kann [Arrheniüs (2)]. Setzt man zu einer EssigsaurelÖsung NaCl, so entstehen mehr nichtdissoziierte Natriumacetatmolekel als nichtdissoziierte Chlormolekel, woraus ein Plus an Wasserstoff-Ionen resultiert. Würde man hingegen der Essigsäure Natriumacetat hinzu- fügen, so käme man zu dem gegenteiligen Effekt. ADgemein wird der Dissoziationsgrad schwacher Säuren oder Basen zurückgedrängt, wenn man ein Neutralsalz mit dem gleichnamigen Anion respektive Kation zusetzt. Die elektrische Leitfähigkeit und lonenbildung des Wassers ist sehr gering. Für 18 " ist die lonenkonzentration reinsten Wassers mit 0,78 X 10""^ Gramm-Ionen pro Liter bestimmt worden, für 25^ mit 1,05 X 10-' (3). Sie besitzt einen auffallend großen Temperaturkoeffi- zienten, wird aber durch einen Zusatz von Säuren oder Basen nicht er- höht. Gegenüber sehr schwachen Elektrolyten, wie sie in den Zellsäften so verbreitet vorkommen, fällt jedoch selbst die Ionisierung des Wassers bereits in die Wagschale. Lösungen von Neutralsalzen sehr schwacher Säuren (Essigsäure, Blausäure, Kohlensäure M2HPO4) reagieren bekannt- lich alkalisch. Man nennt diese Erscheinung hydrolytische Spal- tung (4) und erklärt sie durch die Annahme, daß das Wasser als Säure mit dem betreffenden Salz reagiert, z. B. NaCOO • CH3 4 HgO = NaOH -i- COOH • CH3, d. h. die Lösung verhält sich ebenso als ob Na- tronlauge und Essigsäure gleichzeitig anwesend wären. Nun ist aber NaOH ein starker Elektrolyt, die Essigsäure hingegen sehr wenig in Ionen gespalten, woraus sich ergibt, daß ein Quantum freier OH'- Ionen vorhanden sein muß. Trinatriumphosphat dürfte sogar überhaupt nicht in einer Lösung von NagPO^ + HgO vorhanden sein, sondern so gut wie vollständig in Na2HP04 und NaOH hydrolysiert sein. Ähn- hches gilt von Salzen schwacher Basen mit starken Säuren. Wahr- scheinlich ist die normale sogenannte „Alkalescenz" des lebenden Proto- plasmas auf hydrolytische Spaltungen zurückzuführen. 1) Bekdig u. Wlnkelblech, Ztsch. Elektrochem., 6, 33 (1899). J. Walker, Proceed. Roy. Soc. Lond., 73, 155 (1904); Ztsch. physik. Chem., 5/, 706 (1905). H. LuNDEN, Joum. Biol. Chem., 4, 267 (1908). L. Michaelis, Biochem. Ztsch., jj, 182 (1911). — 2) Sv. Akrheniüs, Ztsch. physik. Chem., j/, 199 (1899); Ztsch. Elektrochem., 6, 10 (1899). — 3) W. Nernst, Theoret. Chem., 6. Aufl., p. 518 (1909); Ztsch. physik. Chem., 14, 155 (1894). Sv. Arrheniüs, Ebenda, //, 824 (1893). W. Ostwald, Ebenda, //, 521 (1893). G. Bredig, Ebenda, p. 828. — 4) J. Shields, Ztsch. physik. Chem., 12 (1893). G. Bruni u. A. Manuelli, Ztsch. Elektrochem., //, 554 (1905). A. Naumann u. A. Rücker. Journ. prakt. Chem., 74, 209 (1906). A. Rosenstiehl, Compt. rend., 144, 1284 (1907); Bull. Soc. Chim. Fr. (4), /, 879 (1907). B. L. Vanzetti, Gaz. chfji. ital., j*, II, 98 (1908). P. Pfeiffer. Ber. Chem. Ges., 40, 4036 (1907). fie Wirkungen des Wassers als schwache Säure oder Base waren im Prinzip schon von H. Rose, Pogg. Ann., 83, 132, 147 (1851), erkannt worden. § 2. lonenreaktionen in der lebenden Zelle. 75 Wohl die allermeisten Reaktionen im Organismus vollziehen sich unter der Wirkung und der Beteihgung der Ionen des Wassers. Diese Tat- sache ist von größter Bedeutung für die Ökonomie im Haushalte der lebenden Zelle, indem sich derartige Reaktionen unter sehr geringem Energieaufwande vollziehen lassen. Alle Hydratationen und Anhydrierungen in ihren mannig- fachen Erscheinungsformen, ja vielleicht selbst Oxydationsprozesse, zählen hierher. Deswegen ist die quantitativ messende Verfolgung der Konzen- trationen von Wasserstoffionen und OH'-Ionen für die Physiologie sehr wichtig, die leider bisher auf botanischem Gebiete recht vernachlässigt ist. Besonders gut ausgebildet ist die Methodik der Bestimmung der Wasserstoff- ionen. Wohl umständUcher, aber sehr genau führt die Verwendung der NERNSTschen Gasketten (Wasserstoffkonzentrationsketten) zum Ziele (1 ). Sehr scharf sind sodann die Methoden, welche die später zu erörternde katalytische Wirkung der H '-Ionen auf spaltbare Substanzen als Prinzip haben, und aus der Zahl dieser Methoden ragt besonders die durch Bredig und Fränkel (2) angegebene hervor, welche die Spaltung des Diazoessig- säureäthylesters in Stickstoff und Glykolsäureäthylester durch H-Ionen benützt. In neuester Zeit hat sich jedoch dank der Bemühungen von Frieden- thal (3), Sörensen(4), Michaelis und Rona(5), Salm (6) und anderen Forschern die Farbstoffindicatorenmethodik so sehr vervollkommnet, daß man mit Hilfe geeigneter Indicatoren die H-Ionenkonzentration inner- halb enger Grenzen durch den Farbumschlag bestimmen kann. Die nachfolgende, einer Darstellung der einschlägigen Verhältnisse durch Kanitz(7) entlehnte Tabelle benützt 0,l%ige Farbstofflösungen, die zu 1 Tropfen auf 10 ccm der zu untersuchenden Lösung verwendet werden (GRÜBLERsche Präparate). Beobachtung im durchfallenden Licht und bei Zimmertemperatur. (Siehe Tabelle S. 76.) Die Indicatorenmethode ist besonders für die Bestimmung des Ge- haltes an OH'-Ionen wertvoll, weil hier andere genaue Methoden nicht in dem Maße ausgebildet sind, wie für die Bestimmung der H'-Ionenkonzen- tration. In den überaus kritischen Untersuchungen von Sörensen wird man weitere Anleitung zur Benützung von Indicatoren für biochemische Zwecke finden. Bemerkt sei hier nur, daß der Einfluß von Neutrakalzen in der Lösung bei manchen Farbstoffen (Methylviolett, Mauvein) sehr be- deutend ist. Bei SÖRENSEN ist auch näheres über den Einfluß von Toluol- und Chloroformzusatz, Eiweißstoffen usw. einzusehen. Die Methode eignet sich ferner, falls die Farbstoffe in lebende Zellen eindringen dazu, um die Zellsaft- und Vacuolenflüssigkeit zu prüfen. Für einschlägige tierphysio- 1) Vgl. L. V. ROHKER, Pflüg. Arch «'^. 586 (1901) H^Fiuedentha.^.^^^^^ derhaldens Handb. d. biochem. U"*«^«»«*»-'"^',^'/' Sk ^ Chem 6o ^o'(m^) Ebenda, 5. 500 (1911). - 2) ^^ Fean^l Ztsch P^^-^. ^^^-''^i^VHAl/i^h. LR.FBESEN,üS,Ztsch Physik. Ch^n «. 7. Sebiet der exp. Phy^ioi. allgem. Physiol., /. 56 (1901), 4, 4^^™^^- a\ S P L Sörensen. Compt. reud. (Jena 1908) und 1. c Abderhaldens Handb - *> '^pff, " /^oA'q^^" V^^^ d. Vhysiol. tr. Carlsberg. 8, l, 596 (1909); ßio^^hem^ Z^ch .^ 201 ^^j^^) ^^^^^^^^ ^gos)! /., 398 (1912). - 5) L. MICHAELIS u. f • ^«f ^iy^^ö) M J^^^^ Ber Chen;. Ges., - 6) E. Salm, Zt«ch. phys.k. Chem., 57. 471 (™;. ii. ^^^. 42, 3179 (1909). Sv. Palitzsch, B'^^l^/J^^t^^^i.^^ -7) A. (H--Ionen im Seewasser) Compt. rend^ ^^i^L.hpn von Oppenheimer, /, 60 (1908). Kanitz in Handbuch der ßioche^mie des Menschen von Up^enhe^m^ , , k ^^^ P. RONA, Abderhaldens Handb. d. biochem. Untersuch.metü., K, ai^ ; (1912). 76 Zweites Kapitel : Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. ooooooooo 3 3 1. 3 § % l 3 l-«- 3- all; 111 I ß 1^ §1 o g. 2. 5' g 5- c b3 § 3. Reaktionsgeschwindigkeit 77 logische Resultate wäre die ausführliche Arbeit von Henderson(I) noch zu vergleichen. Die Bedingungen zur lonenbildung innerhalb der lebenden Zellen sind deshalb außerordenthch günstig, weil stets Wasser mit seiner außerordentlich hohen dissoziierenden Kraft (2) (Dielektrizitätskonstante 81, 12) als Lösungs- mittel in Betracht kommt; in organischen Solventien ist die Ionisierung sehr bedeutend geringer (3). In einer Flüssigkeit von höherer Dielektrizitäts- konstante als Wasser könnte Wasser mögUcherweise in seine Ionen zer- fallen (4). Die Bedeutung der Ionisation für die Diosmose bedarf noch eingehen- der Untersuchimgen. Dort wo bestimmte Ionen durch Komplexbildung in andere Ionen übergehen, wird der Einstrom neuer Ionen der ersten Art in in die Zelle bestimmt gefördert werden müssen. Die diosmotisch wirksame Membran braucht, wie Ostwald ausgeführt hat, nicht Kation und Anion eines Salzes in gleichem Maße hindurchzulassen. Eine lonentrennung erfolgte aber in solchen Fällen durch die semipermeable Membran nicht, sondern das Salz diosmiert dann überhaupt nicht nachweisbar. Man kann aber durch Zusatz eines zweiten Salzes, dem eines der Ionen gemeinsam ist, die Osmose des passierenden Stoffes tatsächlich ermögUchen ; nur diosmieren dann nicht die betreffenden Ionen, sondern nicht gespaltene Molekel, welche infolge der Herabsetzung der Dissoziation jetzt reichücher zugegen sind. Auf die Bedeutung der Produktion der als Katalysatoren sehr wirk- samen Wasserstoffionen werden wir noch zurückzukommen haben. §3. Reaktionsgeschwindigkeit (5j. In homogenen Medien verlaufen die Reaktionen zwischen Ionen, wie aus den Tatsachen der analytischen Chemie wohl bekannt ist, mit unmeßbar großer Geschwindigkeit und sind momentan beendet. Es fragt sich nun wie in den kolloiden Medien der lebenden Zelle die Ver- hältnisse bezüglich der lonenreaktionen liegen. Einmal spielt in der- artigen Medien, wie Arrhenius (6) gezeigt hat, die innere Reibung des Lösungsmittels eine Rolle, indem mit Steigerung derselben das Leit- vermögen nachweisbar vermindert wird. Bei sehr schwach dissoziierten Elektrolyten wird dieser Faktor gewiß in Betracht zu ziehen sein. Außer diesem die lonenkonzentration vermindernden Einüuß ist aber weiter die Verlangsamung der Diffusion durch kolloide Medien nicht zu ver- nachlässigen. Der Diffusiouswiderstand vergrößert sich, wie bereits er- wähnt (p. 44), mit Zunahme der Konzentration von Gallerten in meb- Die Reaktionen :wischen Molekeln verlaufen nun, wie spezieU die organische Chemie gelehrt hat, in der Regel auch in homogenen Medien 1W T Henderson Ergebn. d. Physiol., 8. Jahrg., p. 254 (1909). Hendee- SON u.'^.'^F.'BfACrAmer.' Ä. Physiol^ .. 250 (1^07)^ - 2) Nur vo,n Fo^ma- mid übertroffen: P. Walden. Bull. Ac. Peterebourg (1911). P- ^^^^u "569 19 ot neue Bestimmungen von D bei P. Walden, Zt^fV^y«! ; hor^^; auf die Gröüe voS wo auch der Einfluß bestimmter Atomgruppen (»D.elektropho e ) auf d■eG^oüe^on D behandelt wird. - 4) W. C D Whetham Ph.l. Mag (5^^ •^^ • 1 ( J^;;'^^^ 6) Sv. Arrhenius, Ztsch. physik. Chem., 9, 487 (189-^). 78 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenoiganismus. viel langsamer als die lonenreaktionen, so daß es leicht ist, den P'oit- gang der Reaktion zu verfolgen, falls man keine zu hohe Temperatur auf das Reaktionsgemisch einwirken läßt. Solche molekulare Reaktionen sind nun die meisten wichtigen Reaktionen, durch welche sich der Ab- bau und auch der Aufbau der Kohlenhydrate, Fette, Eiweißkörper, Glucoside und vieler anderer wichtiger Körperbestandteile der Pflanze vollzieht. Deswegen ist das Studium der Kinetik der chemischen Reak- tionen von allerhöchster Bedeutung für die Biologie. Man mißt den Reaktionsverlauf praktisch zeitlich durch die in der Zeiteinheit umgesetzte Substanzmenge. Als Zeiteinheit gilt 1 Minute, die Substanzmenge wird in Grammolekeln pro Liter gerechnet. Zur Feststellung der Reaktionsgeschwindigkeit (RG.) entnimmt man nach Ver- lauf bestimmter Zeitintervalle eine Probe des Reaktionsgemisches und bestimmt die noch vorhandene Substanzmenge durch Titration, Polarisation, Refraktion, colorimetrisch, dilatometrisch usw., wie es der gegebene Fall am besten gestattet. Es gilt die Regel, daß chemische Vorgänge nicht mit gleichförmiger Geschwindigkeit verlaufen, sondern daß die Geschwindigkeit der Reaktion mit sinkender Konzentration des Ausgangsmaterials abnimmt. Besonders häufig ereignet sich der Fall, daß die RG. in jedem Momente bei kon- stanter Temperatur der ersten Potenz der noch unverwandelten Substanz- menge einfach proportional ist. Der erste Vorgang, welcher als diesem Gesetze folgend erkannt worden ist, war die Spaltung des Rohrzuckers in seine Komponenten Traubenzucker und Fruchtzucker durch verdünnte Mineralsäuren [Wilhelmy, 1850(1)]. Es hat sich nun ergeben, daß dies allgemein stattfinden muß, wenn nur eine einzige Substanz des Reaktions- gemisches ihre Konzentration ändert. Wir nennen solche Reaktionen nach dem Vorschlage von van 't Hoff unimolekulare Reaktionen oder Reaktionen erster Ordnung. Für unsere Meßinstrumente sind diese Vorgänge relativ bald an ihrem Ende angelangt. Wenn das Zehn- fache der zur Umsetzung des halben Ausgangsmaterials nötigen Zeit verflossen ist, so ist die noch vorhandene Konzentration bereits kleiner als 0,001 der Anfangskonzentration. Graphisch muß sich das Gesetz der unimolekiilaren Reaktionen deswegen, weil die RG. der wirksamen (nämlich der noch vorhandenen) Substanzmenge proportional abnimmt, durch eine logarithmische Kurve darstellen lassen. Auch zur experimentellen Prüfung des Reaktions- verlaufes führt man die Grundgleichung des Vorganges ^^k(a-x) wobei a die Ausgangsmenge, x die nach t Minuten zersetzte Substanz- menge und der Differentialquotient den aus der Mechanik bekannten Ausdruck für die Geschwindigkeit bedeutet. Integriert ergibt diese Gleichung , 1 , a , 1 , a k = — In oder t a— X 0,4343 • t ° a— x' in welcher letzteren Form die Größe log experimentell leicht be- stimmt werden kann. 1) L. Wilhelmy, Pogg. Ann., 8i, 413 (1850). Ostwalds Klassiker der exakt. Wiss., 29 (1891). § 3. Reaktionsgeschwindigkeit. 79 Es ist leicht ersichtlich, daß, wenn auch die anfänglichen Konzen- trationen verschieden sind, bei den unimolekularen Reaktionen die Zeiten gleicher prozentischer Umsetzung gleich sein müssen. Auch ist es ver- ständlich, daß solche Vorgänge theoretisch nur assymptotisch sich dem Nullwert der Geschwindigkeit, d. h. dem Ende der Reaktion, nähern dx können und -r- gleich 0 wird, wenn t = oo. Sind zwei Stoffe in den Anfangskonzentrationen a und a ge- geben und betragen die nach t Minuten zersetzten Substanzmengen x und x', so verwandelt sich unsere oben gegebene Geschwindigkeits- dx gleichung in — ^= k (a — x) (a' — x'). Setzen wir die Konzentrationen a s= a' und x = x', so wird die Gleichung zum Ausdrucke des Geschwindig- keitsgesetzes für den Fall, daß zwei Stoffe gleichzeitig ihre Konzen- tration ändern: d. h. die RG. ist bei bimolekularen Reaktionen oder Reaktionen zweiter Ordnung der zweiten Potenz der Differenz: Anfangskonzentration weniger der nach t Minuten zersetzten Stoffmenge proportional. Die Bedingung a = a ist erfüllt, wenn wir äquivalente Mengen beider Stoffe anwenden, so daß gleiche Molekülzahlen in glei- chen Volumteilen gegeben sind. Durch Integration geben wir der Gleichung die praktisch verwendbare Form: k=i..-^. at * a— X Wir sehen sofort, daß die Geschwindigkeitskonstante hier tri molekular bimolekular unimolekular Fig. 2. von der Anfangskonzentration a nicht unabhängig ist, sondern deijelben umgekehrt proportional ist. Die Zeiten gleicher prozentischer Umsetzung verhalten sich umgekehrt wie die Anfangskonzentrationen. In analoger Weise leiten wir das Geschwindigkeitsgesetz für tn- molekulare bis^n-molekulare Reaktionen ab und sehen ^aß die Reaktj^^^^^^^^ geschwindigkeiten immer ganzen Potenzen der noch "f ^ jin^^geset^^^^^^^ Subst^nzmengen proportional sind. Dabei ist aber "^«J" ^„^'^g^^^^"' daß die Temperatur des Systems konstant «ehalten werden mu^^ Für die Biochemie sind einstweilen nur die Reak lonen erster und zweiterOrtunrvon Bedeutung. Zu ^^ unimolek^^^^^^^^^^ gehören alle Zucker- und Glucosidspaltungen (D; ^^^^^lekulare Rea^^^^^^^ Ind vor allem die Verseifungen von Estern (2), wo .s^J^5°^\^?^,f ^gf^^^^ zentration des Esters, als jene der verseifenden Sub tanz (Akah^bä^^^^^^^^ ändern muß. Trimolekulare Reaktionen kennt man bisher nur in vsenigen l^^spiele: Maltosespaltung: A V SvMO.., Ztech^ phy^ -V^. 385 (1898). Salicinspaltung: A. Noyes u W. J- Hall, ^^^enaj 1911) - 2) Hierzu: ROSANOFF, CLARK u. SiBLEY, Joum. Amer^Chem^ boc, 33, 1911 (i« ) E. Petersen, Zisch, physik. Chem., i6, 385 (i»yo;- 80 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Fällen aus der theoretischen Chemie, aus der Biochemie noch gar nicht. In der Physiologie ist es nicht selten möglich, aus der Konstruktion des Kurven verlauf es für einen Vorgang die ersten Anhaltspunkte zur richtigen Beurteilung des Grundgesetzes für denselben zu gewinnen. Wie die vorstehend für uni-, bi- und trimolekulare Reaktionen entworfenen Kurven zeigen, hat jede Kurve ihre charakteristischen Eigentümlichkeiten. Vor allem wird man sehr viele biologische Vorgänge finden, welche ein logarithmisches Verlaufsgesetz einhalten. Man darf wohl dann stets an- nehmen, daß die wirksame („aktive") Menge sich mit der Zeit oder einem anderen Faktor proportional ändert und in den meisten Fällen wird man auf die Veränderung nur einer einzigen Substanz daraus schließen können. Diese Überlegungen gelten auch für die zahlreichen Befunde, in welchem das „WEBER-FECHNERSche Gesetz" aufgefunden wurde. Natürlich wird man aus gewissen formalen Ähnlichkeiten keinen verfrühten Schluß auf wesentliche Eeziehungen ziehen dürfen (1). Betreffs der wohl zu beachtenden Unsicherheiten in der Aufstellung von Beziehungen zwischen dem Verlaufsgesetz einer Gesamtreaktion und den Gesetzen der dieser subsumierten Einzelreaktionen sei auf eine Arbeit von Brünner(2) verwiesen. Die hier besprochenen Molekularreaktionen verlaufen nicht nur nach einer Richtung, nach der Spaltung eines zusammengesetzten Stoffes oder nach der Verseif ung eines Säureesters, sondern müssen theoretisch als umkehrbar gelten. So gilt die Gleichung der Verseifung des Essigsäure- äthylesters C2H5 . OOC . CH3 + H2O = COOK . CH3 -I- C2H5 • OH nicht nur als statische Gleichung, sondern auch als dynamische, als Ausdruck der Umwandlungsgeschwindigkeit zwischen Est3r und Wasser einerseits und Säure und Alkohol andererseits. Wenn also die Verseifungsgeschwindig- keit im Laufe der Spaltung so gering geworden ist, daß wir sie nicht mehr messen können, so werden wir nach der dynamischen Auffassung sagen müssen, daß die Geschwindigkeit der Esterbildung zu dieser Zeit so sehr angewachsen ist, daß sie der Spaltungsgeschwindigkeit gleich- kommt und die Esterbildung und Esterspaltung in gleichen Zeiten gleiche Beträge aufweisen. Wir schreiben die Gleichung, um diesen Gedanken auszudrücken, dann mit dem Doppelpfeil verbunden: H2O + C2H5 . OOC • CH3 ^^~7 COOK . CH3 -r C2H5 . OH Unter der Voraussetzung, daß während der Reaktion an dem System nichts geändert wird, ist das Verhältnis der Produkte der aktiven Mengen: Essigsäure x Alkohol : Ester x Wasser im Gleichgewicht für die betreffende Reaktion eine charakteristische Größe. Das Verhältnis der Geschwindigkeitskonstanten des Spaltungs- und Esterbildungsvorganges ist diese charakteristische Gleichgewichtskonstante. Sie hängt bei den im Organismus vorkommenden Reaktionen ohne bedeutenden Wärme- umsatz von der Temperatur nur in geringem Maße ab. Nimmt man jedoch die Spaltungsprodukte durch einen zweiten Prozeß stetig hinweg, so schreitet der Spaltungsprozeß immer weiter fort, je vollständiger die Spaltungsprodukte verschwinden. Bei dieser Gleichgewichtsverschiebung wird allerdings die Reaktionsgeschwindigkeit in ihrem Gesetze nicht 1) Th. Paul, Biochem. Ztsch., 18, 1 (1909). — 2) E. Brunnee, Ztsch. physik. ehem., 52, 89 (1905). § 3. Reaktionsgeschwindigkeit. gi tangiert, weil sie nur von der jeweilig vorhandenen Konzentration des Esters abhängt. Solche Vorgänge sind von großer biologischer Bedeutung. Durch Verhinderung der Abfuhr oder Verarbeitung der gebildeten Reaktions- produkte sehen wir biochemische Prozesse, wie die Kohlensäureassimilation nach Verhinderung der Stärkeentleerung durch Abschneiden der Blätter, oder die Stärkehydrolyse in Endospermen nach Entfernung des zucker- konsumierenden Embryos zum Stillstand kommen. Man kann aber, wie Hansteen und Pfeffer (1) gezeigt haben, speziell in letzterem Falle auch an isolierten Endospermen Entleerung herbeiführen, wenn man für einen genügend raschen Diffusionsstrom sorgt, welcher den gebildeteil Zucker entfernt. Anscheinend wird in dem komplizierten Spiel der in der Zelle nebeneinander verlaufenden Reaktionen äußerste Sorgfalt darauf verwendet, die gebildeten Produkte auf passendem Wege zu entfernen. Viele Reaktionen der organischen Synthese im Laboratorium geben nur desv^egen schlechte Ausbeute, weil die Reaktionsprodukte dem Prozesse ein vorzeitiges Ende bereiten. Doch liegen sowohl in der Zelle wie in letzterem Falle die Verhältnisse so einfach nicht, als daß eine Gleich- gewichtsverschiebung im erwähnten Sinne allein für den Effekt ver- antwortlich zu machen wäre, weil nicht nur „Gegenwirkungen", sondern auch „Nebenreaktionen-' mit in Betracht kommen. Temperatur und Reaktionsgeschwindigkeit. „Bei weitem die meisten Reaktionen zeigen durch ein Ansteigen der Temperatur um 10 «^ eine Verdoppelung bis Verdreifachung der Geschwindigkeit. Auch die Menge ausgeatmeter Kohlensäure, die Respiration bei Weizen, Lupine und Syringe zeigt zwischen 0" und 25" eine Beschleunigung, die für 10*^ auf eine das Zweiundeinhalbfache der Geschwindigkeit betragende Leistung hinauskommt." Mit diesen Worten hat van 't Hoff (2) die von ihm zuerst näher gewürdigte in Chemie und Biologie gleich- bedeutsame Beziehung zwischen Temperatur und chemischen Prozessen charakterisiert. Dieser seither als van 't HoFFsche Regel oder Reaktions- geschwindigkeitstemperatur (RGT.)-Regel bekannt gewordene gesetzmäßige Zusammenhang hat sich weitgehend bestätigt. Es wird unsere Aufgabe sein in der Darlegung der einzelnen biochemischen Vorgänge auf die einschlägigen Feststellungen hinzuweisen. Hier muß aber bereits be- merkt werden, daß selbst biologische Vorgänge kompliziertester Art (Wachstum, Zellteilung) die RGT.-Regel in unverkennbarer Weise be- folgen. Natürlich kann man ihren Geltungsbereich hier nur innerhalb der Temperaturgrenzen 0«— SO'» oder wenig höher untersuchen, während chemische Versuche für zahlreiche Reaktionen die Geschwindigkeits- zunahme mit der Temperatur bis 3— 5a) '^ verfolgen konnten. Kanitz (3), Herzog (4) und andere Forscher haben zahlreiche biologische Belege für die Temperaturregel erbracht. 1 ) Hansteek, Flora (1894), Erg.-Bd., p.4l9; Pfeffer, Ber. Sächö^Ges. d. Wiss. (1893), p. 422. - 2) J. H. van't Hoff, Chem. Dynamik, p. 224 (1898). M. rRAüTZ, Ztech. Physik. Chem., 76, 129 (1911). -• 3) A. Kanitz. Ztsch. Biolop 52, l'^^<1909); B.olog. Zenir., 27, 11 (1907) für pulsier. Vacuoleu ; Ztsch. Eloktrochein (1905), Nr 4^, lur Kohlensäureassimilation; Ebenda (1907). p. 707; Ztsch. pl^y«''^'- Che"i.. 7«. H. P, ly« (1909). - 4) R. O. Herzog, Ztsch. physioi. Cham., 37, 149 (1903); Zt«ch. Elekt o- chem., n, 820 (1905). R. Abegg, Ebenda, p. 823. O. Prochnow, l^'«««[,t- (B*;^''" 1908). K. Peter, Arch. Entwickl.mech., 20, 130 (1905). L. Wo^o^f ^^/•,?„^^^flY;' Amer. Journ. Physioi., 29, 147 (1911). Ch. D. Snyder, Ebenda, 2S, 1(.7 (Kill). Demoli. u. Strohl, Biolog. Zentr., 29, 427 (1909). Czapek, Biochemio der Pflanzen. S. Auü. 82 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. VAN 't Hoff bemerkt selbst, daß in der großen Mehrheit der bisher beobachteten Fälle das Geschwindigkeitsverhältnis für 10 <> mit steigender Temperatur abnimmt. Ähnliches beobachtete man auch bei physiologischen Vorgängen bereits innerhalb der unschädlichen Tempe- raturen in der Regel sehr deutlich, was, wie Cohen-Stuart d) mit Recht hervorhebt, meist absichtlich oder unabsichtlich unbeachtet ge- lassen wird, und durchaus keine Abweichung von der RGT.-Regel dar- stellt. Nach Cohen-Stuart wäre es vorzuziehen nicht die Q^o-Werte direkt zu vergleichen, sondern die Kurven, die sich aus der Veränder- lichkeit derselben mit steigender Temperatur ergeben. Dabei zeigen die Lebensvorgänge sehr häufig ein Verhalten, welches an- scheinend der Temperatur-Proportionalitätsregel widerspricht. Es nimmt nämhch die Reaktionsgeschwindigkeit nur bis etwa 33— Sö^C mit der Temperatur zu, erreicht da ihr Maximum und sinkt sodann herab, um mit Eintritt des Hitzetodes bei 41— 45«C den Nullpunkt zu erreichen. Dieses sogenannte „Temperaturoptimum ist zuerst durch Blackman(2) mit seinen Mitarbeitern Miss Matthaei und Smith in seinem Zustande- kommen aufgeklärt worden. Außerdem fördernden Einfluß auf die Geschwindig- keit der Reaktionen in der lebenden Zelle werden seitens der steigenden Temperatur immer auch Prozesse be- schleunigt, welche mit einer Herab- setzung der Funktionen verbunden sind, mit Stoff zerfall ohne ausreichenden Er- satz. Mit diesen Einflüssen muß sich die RGT.-Regel kreuzen. Je schneller z. B. der Vorrat an den zur Atmung nötigen Stoffen bei höherer Tempera- „. „ tur sich vermindert, desto weniger ^^' ' kann sich die Reaktionsbeschleuni- gung des Oxydationsprozesses selbst bemerklich machen. Drücken wir die Quantität der zur Atmung nötigen Stoffe in ihrer Abnahme mit steigender Temperatur durch die Kurve AB aus, die RGT.-Regel der Atmung durch die Kurve OP, so sehen wir ohne weiteres, wie durch Superposition beider Kurven in C ein Temperaturoptimum entstehen muß, obwohl die Atmung der RGT-Regel folgt. Ein wirkliches Optimum existiert somit nicht. Die von Amstel und Iterson(3) gegen Blackmans Auffassungen erhobenen Bedenken sind wohl grundlos und wurden hinreichend durch die Untersuchungen von Kuyper (4) entkräftet. Cohen-Stuart und Kanitz ist jedoch vollkommen zuzustimmen in der Meinung, daß eine exakte Prüfung der BLACKMANSchen Theorie derzeit unmöglich ist, weil die Abhängigkeit der Einzelprozesse von der Temperatur physiologisch unentwirrbare Komplexe darstellt. 1) C. P. Cohen-Stuart, Kgl. Akad. Amsterdam (1912), p. 1159 (26. April). — 2) F. F. Blackman, Ann. of Botan., ig, 281 (1905). Miss G. Matthaei, Phil. Trans. Lond., B, ig?, 47 (1904). A. M. Smith, Ann. Roy. Botan. Gardens Pera- deniya, 3, II, 305 (1906). — 3) J. van Amstel u. G. van Iterson jun., Akad. Amsterdam, ig, 106 (1910); Botan. Zentr., 116, 279 (1911). G. van Iterson, Act. 3. CoDgr. internat. Botan., //, 1 (1912). — 4) J. Kuyper, Rec. Trav. botan. N^erlaud, 7 (1910); Ann. Jard. Botan. Buitenzorg, (2) 9, 45 (1911). Über „Optimum" L. Errera, Recueil d'Oeuvres, 4, 338 (1910), eine bis zum Jahre 1896 reichende Literaturüber- eicht liefernd. § 3. Reaktionsgeschwindigkeit. 33 Nach H. V. Halban(I) sind die unimolekularen Reaktionen viel unabhängiger von der Temperatur als die Reaktionen höherer Ordnung. Während mit der Erhöhung der Temperatur sich wohl die Ge- schwindigkeit der Reaktion ändert, nicht aber das Reaktionsgleichgewicht, finden wir bei der Einwirkung anderer Faktoren auf biochemische Reaktionen die Gleichgewichtskonstante durchaus nicht immer unverändert. Nur bei der im nächsten Paragraph ausführhch zu behandebden kataly tischen Re- aktionsbeeinflussung handelt es sich um eine reine Geschwindigkeitsänderung des Reaktionsverlaufes. Zusatz von Neutralsalzen beschleunigt und verzögert den Verlauf vieler Reaktionen. Ostwald (2) fand die Einwirkung von Mineralsäuren auf Ca- und Zn-Oxalat durch Zusatz von Alkahsalzen be- schleunigt. Nach Arrhenius (3) ^erniedrigen andererseits die Neutralaalze die Verseifungsgeschwindigkeit von Basen. Die Rohrzuckerinversion wird durch Neutralsalze gefördert [Spohr(4), Arrhenius (5)]. Die Natur des Lösungsmittels ändert ebensowohl die Reaktionsgeschwindigkeit als das Reaktionsgleichgewicht (6). Hier kommt die ionisierende Wirkimg des Lösungsmittels, ferner der Einfluß des Lösungsmittels auf die Bildung von Molekularkomplexen, wie Doppelmolekülen, sehr in Betracht (7). Erhöhter Druck hat nur relativ sehr geringe Änderungen der Reak- tionsgeschwindigkeit zur Folge (8), sobald es sich um Flüssigkeiten handelt. Bei Gasen steigert der Druck die Konzentration (Dichte) und erhöht da- durch die Reaktionsgeschwindigkeit. In der Zelle pflegen sich die Reaktionen nicht in homogenen Systemen, sondern in heterogenen Gebilden abzuspielen, welche aus kolloidalen Mem- branen verschiedener Durchlässigkeit, Hydrosolen, Salzlösungen usw. be- stehen. Deswegen kommt für die Reaktionsgeschwindigkeiten noch der Einfluß der Begrenzungsoberflächen in Betracht. Schon C. F. Wenzel, der erste Chemiker, welcher sich um die Erforschung der chemischen Kinetik bemühte, fand 1777, daß die lösende Wirkung von Säuren auf Metalle unter sonst gleichen Bedingungen der Berührungsfläche proportional ist. Im Protoplasma, mit seinen kolloiden Strukturen, gehen nun alle Reaktionen an einer relativ enorm großen Oberfläche vor sich, und dieser reaktions- beschleunigende Faktor ist gewiß von höchster Bedeutung für den Ablauf der chemischen Reaktionen in der Zelle. Dazu kommt noch, daß wir den Hydrosolen selbst, wie die Untersuchungen Bredigs an kolloidalen Motall- lösungen gelehrt haben, Oberflächenwirkungen in analogem Sinne zuzu- schreiben haben. In heterogenen Systemen ist, wie Nernst(9) näher ausgeführt hat, 1) H. V. Halban, Ztsch. Physik. Chem.. 67, 129 (1909). - 2.) Ostwald. Journ. prakt. Chem., 23, 209. — 3) Sv. Arrhenius, Ztsch. phyaik. Chem.. /, 110. G. POMA, Gaz. chim. ital., 4U I, 353 (1911). - 4) Spohr. ZtBch. phys.k. Chem., .', 194. — 5) Sv. Arrhenius, Ztsch. physik. Chem., 4, 226. — 6t Hierzu noch: G. Genarri, Zt8ch. physik. Chem., /p, 436 (1896). N. Menschutkin, Lbenda. 34, 157 (1900). E. Cohen, Ebenda, 28, 145 (1899), f. Rohrzuokennvers.on m Alkoholwasser. G. Buchböck, Ebenda, 34, 229 (1900). H. Eui.er u. B. af l wglas. Arkiv f. Kemi, j, 1 (1909). - 7) Hierzu: H. v. Halban u. A. Kirsch. Ber Chem Ges., 45, 2418 (1912). G. PoMA u. B. Tanzi, Gazz chim. 'tal- ^-^ I, 42o (191.)^ — 8) Hierzu: A. Bogojawlensky u. G. Tammann, Ztsch. phvsik Chem.. .^j, IS (1897), und bes. V. Rothmünd, Ebenda, 20, 168 (1896). - 9) ,^J_ ,^ '^''^^^'r,- ^,,^J^^.^'- Chem., 6. Aufl. (1909), p. 579; Ztsch. physik. Chem. ,7. 52 (90 U f-^^^^l'^^ Ebenda, p. 56. F. Haber, Ztsch. Elektrochem., w, 1d6 (1904) H. CrOLDbCHMiDT u. Messerschmidt, Ztsch. Physik. Chem. 3U 235 (1899). H. ( oldschmidt. /t.ch. Elektrochem.. //, 430 (1905). H. J. S. Sand. Proceed^oy. Soc^ Lond 7^ .356 ' 1904). M. WiLDERMAl^N, Ztsch. physik. Chem.. 66, 44o (1^) J. BosEi 1 1 CompU rend.. 152, 256 (1911); Journ. de Chim. physique, 9, 689 (1912); /o. 3 (1912). 84 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. für die nicht an der Grenzfläche der reagierenden Substanzen befindüchen Anteile die Diffusionsgeschwindigkeit der Stoffe der wichtigste regelnde Faktor. Deshalb lassen sich die van 't HoFFschen Grundsätze von der Reaktionsordnung nicht ohne weiteres auf heterogene Systeme übertragen. § 4. Katalyse. Der bereits erwähnte beschleunigende Einfluß, welchen die Gegen- wart bestimmter Stoffe auf die Ablaufsgeschwindigkeit von chemischen Reaktionen häufig ausübt, ist gegenüber dem Reaktionsablauf ohne diese Einwirkung nicht selten so bedeutend, daß es den Anschein ge- winnt, als ob diese Stoffe überhaupt erst durch ihre Gegenwart die be- treffende Reaktion hervorrufen würden. So begünstigt fein verteiltes Platin den Verlauf vieler Reaktionen so auffallend, daß man erst durch besondere Untersuchungen feststellen mußte, daß diese Reaktionen auch ohne Gegenwart von Platinschwarz in wässeriger Lösung vor sich gehen. Ähnliches gilt von der spaltenden Wirkung von Säuren auf zusammen- gesetzte Zucker und Ester. In anderen Fällen beobachtet man wiederum als Gegenstück dieser Vorgänge Verzögerung des Ablaufes von gewissen chemischen Reaktionen, sobald bestimmte Stoffe in Lösung gegenwärtig sind. Nach Ostwalds Vorgang fassen wir alle diese Einflüsse, ohne vorderhand einen Erklärungsversuch zu unternehmen, als Katalysen von Reaktionen zusammen. Die Katalysen sind für die Biochemie von höchster Bedeutung. Ostwald (1) präzisiert den Begriff einer katalytisch wirkenden Substanz oder eines Katalysators durch folgende Merk- male: 1. Katalysatoren verursachen nie den Eintritt der Reaktion, sondern ändern nur die Reaktionsgeschwindigkeit. 2. Falls der Katalysator un- verändert bleibt, wird das Reaktionsgleichgewicht durch die katalytische Beeinflussung nicht geändert. 3. Sie wirken bereits in sehr kleinen Mengen in sehr energischer Weise. 4. Sie erscheinen niemals in den Endprodukten der Reaktion; letztere sind vielmehr dieselben wie in der nicht katalysierten gleichen Reaktion. Es wird nicht überraschen, wenn die Forschungen der neueren Zeit ergeben haben, daß diese Merkmale nicht auf alle Katalysen scharf passen, sondern daß es viele Fälle gibt, welche von diesem Schema ab- weichen. Im wesentlichen läßt sich aber noch heute die Ostwald sehe Begriffsbestimmung aufrecht erhalten. Beispiele von Katalysen kennt man schon lange; 1811 entdeckte KoNST. Kirchhoff die Katalyse der Stärkespaltung durch Säuren. Schra- der (2) verghch schon damals diese Säurewirkung sehr richtig mit der Rolle der Schwefelsäure bei der Ätherbildung. Davy konstatierte gleichfalls, daß die Säure hierbei nicht zersetzt wird. 1815 fand Kirchhoff (3) die gleiche Wirkung auf Stärke beim Stehenlassen mit Weizenkleber ohne Säurezusatz. 1) Ostwald, Ztsch. physik. Chem., 2, 139 (1888); 15, 706 (1894); 19, 160 (1896); 29, 190 (1899). Grundriß d. allgem. Chem., 3. Aufl., p. 514 (1899). Lehrb. d. allgem. Chem., 2. Aufl., 2 (2). 262 (1897). Verhandl. Ges. dtsch. Naturf. u. Ärzte, 73. Vers. z. Hamburg (1902), p. 185. Ann. d. Naturphilos., 9, I (1910). G. Bredig, Anorg. Fermente (Leipzig 1901). Ergebn. d. Physiol., 1. Jahrg., /, 134 (1902); Biocheto. Ztsch., 6, 283 (1907). L. S. Simon, Bull. Soc. Chim.. 29 u. 30, 1 (1903). G. WOKER, Die Katalyse (Stuttgart 1910). — 2) J. C. Schrader, Schweigg. Journ. Chem., 4, 108 (1812). Nasse, Ebenda, p. 111. Davy, Element, d. Agrikulturchem., p. 146 (1814).'— 3) CoNST. Kirchhoff, Schweigg. Journ., 14, 389 (1815). § 4. Katalyse. g5 Mitscherlich(I) nannte die Wirkung der Schwefelsäure bei der Äther- bildung „Kontaktwirkung" (1834); er erkannte auch bereits klar die Wirkung der großen Oberfläche der „Kontaktsubstanzen" (1842). Von der- artigen Stoffen war durch Döbereiner und Davy schon das feinverteilte Platin in seiner Wirkung auf Knallgas studiert worden. 1836 schlug Ber- ZELius(2) vor, alle derartigen Wirkungen als „Katalyse" zu bezeichnen (im Gegensatz zu „Analyse") und als Ursache eine hypothetische kataly- tische Kraft anzunehmen. Eine Erklärung der Erscheinungen wollte Ber- ZELiüS damit nicht hefern. Später machte besonders Schoenbein eine große Zahl von katalytischen Vorgängen bekannt. Reiset und Millon (3) lenkten die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß organische Stoffe in Gegenwart von Platinmohr schon bei auffallend niederer Temperatur voll- ständig verbrennen. Die spätere Chemie hat außerordentüch viele ein- schlägige Fakta auf inorganischem wie organischem Gebiete kennen gelehrt, und wie wir sehen werden, sind die Enzyme der Tiere und Pflanzen eben- falls nichts anderes als Katalysatoren. Während es bisher keine Schwierigkeiten macht, die Katalysen oder Reaktionsbeschleunigungen durch chemische Mittel von den Reaktions- beschleunigungen durch Temperaturerhöhung auseinanderzuhalten, kann man photochemische Reaktionsbeschleunigungen kaum in allen Fällen scharf von den eigentüchen Katalysen trennen, zumal sich bei den photochemischen Reaktionsbeschleunigungen unter dem Einflüsse von Uransalzen (Neu- berg (4) und photodynamisch wirksamen fluorescierenden Farbstoffen sicher echte (Oxydations)katalysen der Lichtkatalyse beigesellen. Die Katalyse ist nicht zu verwechseln mit Auslösungserscheinungen. Die letzteren veranlassen den Eintritt einer Reaktion, welche ohne Zwischentreten des auslösenden Agens nicht erfolgt wäre; ferner steht die Quantität des auslösenden Agens oder der Arbeitsleistung im aus- lösenden Vorgange in keinem bestimmbaren Zusammenhange mit der Größe der Wirkung. So kann ein Fingerdruck auf einen elektrischen Taster die Arretierung einer Dampfmaschine außer Tätigkeit setzen, wodurch viele Pferdekräfte Arbeit verfügbar werden. Ein Katalysator beschleunigt immer nur, wie bereits vielfach experimentell sichergestellt wurde (5), eine Reaktion, welche auch sonst (wenn auch sehr langsam) ohne Ka- talysatorzusatz abläuft (6). Es hängt ferner die erzielte Reaktions- geschwindigkeit sehr deutlich von der Menge des augewendeten Kataly- sators ab. Man kann also einen (beschleunigenden) Katalysator mit 1) E. MiTSCHERUCH, Pogg. Ann., 3', 273 (1834); Ann. de Chim. et Phys. (2). 56, 433 (1834); Pogg. Ann., 55, 209 (1842). - 2) J. Berzelius. Einige Ideen über eine bei der Bildung organischer Verbindungen in der lebendigen Natur wirksame aber bisher nicht benieriite Kraft. Berzelius' Jahresber. phys. Wiss. /5, ^3. (IWb). Auch Pogg. Ann., 37, 66 (183(3); Ann. de Chim. et Phys. (2) ö/ Mb (183<.) - 3) J. Reiset u E. Millon, Ann. de Chim et Phys. (3), 8 280 (1843). - 4) \ gL C. Neüberg, Biochem. Ztsch. /j, 305 (1908) Ferner a Dreyer u. O. Hanssen. Compt. rend., 145, 564 (1907) B. L Vanzetti Atti Acc^ Lmc Roma (5) .1. 285 (1908). - 5) Z. B. Wys, Ztsch. physik. Chem. //. 492 (1893) /^ 514 893 . V. Meyer u. RaL, Ber. Cham. Ges.. 28 2804 (1895). »«^^ ^Vfif Cnte diu p. 138. - 6) Schon J. Munk, Ztsch. physiol. Chem /, 3o7 (1878). betonte. daU Wasser bei hoher Temperatur dieselben Vorgänge vol zieht wie die kennen tat. vei Spaltungen, hatte ,also richtigen Blick für die l^^ntalytische Natur der Ferrneri^^^^^^^ E^ktion«besChleuniger. Berthelot. Ber. Cheni. (xes., -^ -^^'^ (l^!*^^' 'j '^^V^Jt^^^^ die Rolle der Säurel bei der Ätherifikation -^1« Bf ^^»•^""•^""^«ir durch W^Ber langsam vor sich gehenden Prozesses« an. Rohrzucken nvers.on durch Wasser. Rayman u. Sulc, Chem. Zentr. (1897), //, 4<6. 86 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Ostwald und Bredig eher einem Schmiermittel der Dampfmaschine im obigen Bilde vergleichen, welches die Reibungswiderstände stark ver- mindert. Es ist sehr nützlich, derartige Vorstellungen festzuhalten gegen- über der aus älterer Zeit stammenden, zuerst von Liebig C ) ausgesprochenen Anschauung, daß sich bei gärungserregenden Stoffen die Bewegung, in welcher sich deren Atome befinden, den Atomen der spaltbaren Substanz mitteile, wodurch die Spaltungen eingeleitet würden. Besonders war es auch NÄGELi(2), welcher derartige Vorstellungen über Fermentwirkung vertrat und den „Schwingungen von Atomgruppen" eine ausschlaggebende Wirkung zusprach. Auch bei neueren Biologen stößt man vielfach auf diese Anschauungsweise. Abgesehen davon, daß diese Theorie von un- bewiesenen Voraussetzungen ausgeht und sich überdies, wie Ostwald mit Recht hervorgehoben hat, gänzlich unfruchtbar gezeigt hat, verstößt sie gegen die Grundgesetze der Energetik, weil sie darauf hinausläuft, daß der Katalysator ohne Energiezufuhr freie Energie liefert, d. h. ein perpetuum mobile herbeiführen müßte. Die Katalyse kann die Reaktionsgeschwindigkeit vermehren oder vermindern, also den Reaktionsablauf beschleunigen oder verzögern. Bis in die neueste Zeit waren nur die in der Regel viel auffälligeren Reak- tionsbeschleunigungen bekannt: „positive" Katalysen. Wir kennen aber jetzt bereits eine ganze Reihe von Fällen sehr ausgeprägter katalytischer Reaktionsverzögerungen, „negativer" Katalysen, von denen besonders die sehr merkwürdige Herabsetzung der Oxydationsgeschwindigkeit von Na- triumsulfit durch Spuren von Mannit, Benzolderivaten, Glycerin usw. [BiGELOw(3)] und die Verlangsamung der Oxydation von Zinnchlorür durch Alkaloide [Young(4)] namhaft gemacht werden sollen. Verzögernde Wirkungen haben insbesondere Bredig und seine Mitarbeiter hinsichtlich der Katalysen durch Metallsole bekannt gemacht. Spuren von Blausäure, Jod, Schwefelwasserstoff vermögen die Wirksam- keit von Platinsol auf die Wasserstoffsuperoxydspaltung stark herabzu- setzen. Man kann diese „Giftstoffe" als „Antikatalysatoren" oder „Para- lysatoren" bezeichnen. Nach den Untersuchungen von Titoff (5) über die negative Katalyse der Oxydation von Natriumsulfit beruht die Wirkung von Mannit usw. darauf, daß die im destillierten Wasser vorhandenen, enorm stark katalytisch beschleunigend wirkenden Cu-Spuren durch den negativen Katalysator gebunden werden. Es ist selbst nicht ausgeschlossen, daß ein und derselbe Stoff bei manchen Katalysen als Aktivator fungiert, während er andere Katalysen hemmt. So weiß man wohl, daß Gegenwart von Wasser Reaktionen wie die Vereinigung von COg und Ätzkalk oder die Verseifung von Estern stark beschleunigt (6). Hingegen wird die Katalyse der Esterbildung durch starke Säuren nach H. Goldschmidt und Sunde (7), sowie der Zerfall von Oxalsäure in COg + CO 4- HgO in konzentrierter Schwefel- säure nach Bredig (8) durch sehr kleine Spuren von Wasser stark ver- zögert. 1) J. Liebig, Pogg. Ann., 48, 106 (1839). — 2) C. v. Nägeli, Theorie der Gärung, p. 29 (1879). — 3) S. L. Bigelow, Ztsch. physik. Chem., 26, 493 (1898). — 4) S. W. YOUNG, Journ. Amer. Chem. Soc, 23, 119 (1901); 24, 297 (1902). Auch Bredig, Ergeb. (1902), p. 142, wo weitere Fälle zitiert sind. — 5) A. Titoff, Ztsch. physik. Chem., 45, 641 (1903). — 6) Rohland, Chem.-Ztg., jo, 808 (1906). R. Kremann, Verh. Nat. Ges. (1905), //, (1), 83. — 7) H. Goldschmidt u. Ein. Sunde, Ber. Chem. Ges., ,?9, 711 (1906). — 8) G. Bredig u. W. Fraenkel, Ebenda, p. 1756 (1906)-, Biochem. Ztsch., 6, 306 (1907). § 4. Katalyse. 37 Die Messung der durch Katalysatoren bedingten Änderungen der Geschwindigkeit des Reaktion s verlauf es geschieht nach dem von Ostwald angebahnten Verfahren, daß man die Zeiten gleichen Umsatzes im Reak- tionsgemisch mit und ohne Katalysator vergleicht. Diese Zeiten verhalten sich umgekehrt wie die Geschwindigkeitskonstanten der katalysierten und nichtkatalysierten Reaktion (1 ). Ostwald teilt die gegenwärtig bekannten Kontaktwirkungen in vier Gruppen ein: 1. Erstarrungserscheinungen bei übersättigten Lösungen durch Spuren fester Substanz, wie sie z. B. aus- gezeichnet an übersättigten Salol- oder Natriumsulfatlösungen beobachtet werden können (2); 2. Katalysen in homogenen Systemen; 3. Katalysen in heterogenen Systemen ; 4. Enzym Wirkungen. Letztere sollen im nächsten Paragraphen selbständige Besprechung erfahren. In allen Fällen wirkt der Katalysator noch in minimalen Mengen. So wirkt die Schwefelsäure bei der Ätherbildung auf praktisch nicht begrenzte Mengen Alkohol ein. Bei der Rohrzuckerinversion ist nach Smith (3) noch eine katalytische Wirkung von 0,00000008 g Wasserstoffionen pro Kubik- zentimeter bei der Anwendung saurer Salze erkennbar. Nach Mayer (4) vermag noch 0,0000001 g Eisensulfat die Oxydation von Jodkahum (mit Stärkelösung als Indicator für Jod) zu katalysieren. Nach Bredig wirkt noch bis ^/gooooo na? kolloidales Platin auf die mehr als milhonenfache Menge H2O2 nachweisbar ein. Ostwald stellte fest, daß noch ein Hunderttausend- millionstel Gramm schweres Krystallstäubchen von Natriumthiosulfat ge- nügt, um eine übersättigte Lösung dieses Salzes zum Erstarren zu bringen. Nach Titoff vermag Kupfersulfat sogar noch in der Konzentration von ein Milhardstel Mol im Liter die Oxydation von Natriumsulfit erheblich zu be- schleunigen. Interessant ist der Nachweis von Bredig und Weinmayr, daß eine eben noch katalytisch wirksame Quecksilberhaut nur 1,5x10-^ cm dick zu sein braucht. Diese Schichtdicke entspricht der Größenordnung der Molekular durchmesser. Die Antikatalysatoren wirken nach den Erfah- rungen von BiGELOW und Bredig ebenfalls noch in verschwindend kleinen Mengen auf die von ihnen beeinflußten Reaktionen ein. Bei variierender Menge des zugesetzten Katalysators hat sich häufig herausgestellt, daß die Beschleunigung der Reaktion der Konzentration des Katalysators proportional läuft. So ist bei den Säuren die kata- lytische Wirksamkeit mit großer Annäherung proportional der Konzen- tration der Wasserstoffionen (5). Man hat daher in der Messung der katalytischen Wirksamkeit ein gutes Mittel, um die Menge einer freien Säure in biologischen Versuchen zu bestimmen. Nach den Feststellungen von Bredig (6) ist besonders der Zerfall des Diazoessigsäureäthylesters mit Wasser eine gegen Wasserstoffionen äußerst empfindliche Reaktion. In seltenen Fällen (Umlagerung von Cinchonin zu Cinchotoxin) wirken allerdings schwächer dissoziierte Säuren stärker katalytisch als stärker dissozüerte(7). Auch die katalytische Wirkung von Basen ist sehr an- genähert proportional dem Gehalte der Lösung an freien Hydroxylionen. 1) Näheres hierüber bei BKEmG, J>?ebr. (1902), p..l^>8 "- 2) /^P^^^O™ ^• Ztsch. Physik, ehem., 22, 289 (1897). Verh Ges. dtsch. ^ a*"^^- " g^fg"*!: ^'J'^- z. Hamburg (1901), p. 185. G. Jaffe. Ztscti^ P^^ysik-Chein. «, 565 (^^^^^^ 2927 (1912). H. C Biddle, Ebenda, p. 2832. 88 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Der Katalysatorkonzentration ist aber auch noch in anderen Fällen die katalytische Wirkung proportional gefunden worden. Doch fehlt es nicht an zahlreichen Abweichungen. Ernst (1) fand die katalytische Wirkung von Platinsol auf Knallgas der absoluten Menge des verwendeten Platins proportional. Wichtig ist die von Arrhenius(2) besonders studierte beträchtliche Steigerung der katalytischen Wirkung von Säuren durch gleichzeitig anwesende Neutralsalze. So steigert 0,4 normal NaCl die Geschwindigkeit der Saccharoseinversion durch Säuren um 26%. Sind mehrere Katalysatoren gleichzeitig anwesend, so können sich ihre Wirkungen einfach addieren, oder es tritt eine Wirkung ein, welche auffallend größer oder kleiner ist als die Summe der Einzelwirkungen (3). Dabei ist es möglich, daß die beiden Katalysatoren sich zu einem ein- zigen Katalysator vereinigen, welcher viel stärker oder schwächer wirkt als jede der beiden Komponenten (4). Wenn man denselben Katalysator erst bei zwei Einzelprozessen, dann in der Mischung beider Prozesse beobachtet, so findet nach Henri und Largüier(5) in letzterem Falle bei reinen Katalysen einfache Addition der Reaktionsgeschwindigkeiten statt. Es kommt auch vor, daß während des Ganges einer Reaktion eine Substanz, welche die Reaktion katalysiert, durch diese Reaktion selbst entsteht. Daher nimmt die Geschwindigkeit dieser Reaktion fort- während mehr und mehr zu. So löst Salpetersäure, welche schon etwas Kupfer gelöst hat, vermöge der hierbei entstandenen kleinen Menge von HNOg, das Metall viel rascher als reine Salpetersäure. Ostwald (6) hat derartige Erscheinungen als „Autokatalyse" bezeichnet. Sie werden gewiß auch im lebenden Organismus eine wichtige Rolle spielen. Hierher gehört vielleicht auch die Beobachtung von Trillat(7), daß metallisches Kupfer nach längerem Gebrauche für katalytische Reaktionen besser ge- eignet ist als anfangs. Wir kennen Katalysatoren, welche sehr allgemein auf Reaktionen verschiedener Art einwirken, und solche, deren Wirkungssphäre be- schränkt ist Wasserstoffionen, auch Aluminiumchlorid (8) zeigen eine sehr ausgedehnte Befähigung, auf differente Reaktionen beschleunigend einzuwirken. Auch Platinschwarz hat, wie 0. Loew(9) gezeigt hat, einen ausgebreiteten Wirkungskreis als Katalysator. Katalysatoren, welche einen enger begrenzten Wirkungskreis haben, wie die auf Oxydationen und Reduktionen wirkenden Schwermetallkationen, wirken häufig auf 1) Ernst, Ztsch. phys. Chem., J7, 464 (1901); ferner M. Bodenstein, Ebenda, 46, 725 (1904). Für die Katalyse von O^ + NO durch Feuchtigkeit: J. Meynier, Compt. rend., 148, 1516 (1909). — 2) Arrhenius, Ztsch. physik. Chem., 4, 237 (1889). Nach V. Henri, Joum. de Physiol., 2, 933 (1900) kann Saccharose-Säure- inversion auch in konzentrierter Glycerinlösung schneller verlaufen als in wässeriger Lösung. — 3) Hierüber bes. Brode, Ztsch. physikal. Chem., 37, 257 Ü901). H. Schade, Ztsch. exp. Pathol. u. Ther., /, 603 (1905). — 4) Wl. Ipateew, Ber. Chem. Ges., 45, 3205 (1912). — 5) Henri u. Larguier des Bancels, C r. Soc. Biol., 55, 864 (1903). — 6) Über Autokatalyse: Ostwald, Ber. sächs. Ges. Wiss. (1890), p. 189. Lehrb. allgem. Chem., //, (2), 275 (1897). Verhandl. Ges. dtsch. Naturf. u. Ärzte, 73. Vers. z. Hamburg (1901), p. 196; an letzterem Orte ist eine geistvolle Parallele zur physiologischen Erscheinung der Gewöhnung gezogen. M. Bodenstein, Ztsch. physik. Chem., 49, 41 (1904). A. Qüartaroli, Gaz. chim. ital., 41, II, 64 (1911). — 7) Trillat, Bull. Soc. Chim. (3), 29, 939 (1903). Der Vergleich, den A. L. Haqedoorn, Autocatalyt. Substances the determinants for the inheritable characters, Roux, Vorträge üb. Entw.mechan., XII (Leipzig 1911), mit Vererbungserscheinungen zieht, trifft nur einige äußerliche Analogien. — 8) Bezüglich der interessanten Kata- lysen mit Hilfe von organischen AlClj-Verbindungen vgl. Gustavson, Compt. rend., 136, 1065 (1903). — 9) O. Loew u. K. Aso, Bull. Coli. Agr. Tokyo, 7, 1 (1906). Holzkohle: G. Lemoine, Compt. rend., 144, 357 (1907). § 4. Katalyse. g9 verschiedene Stoffe verschieden intensiv ein. So katalysieren Ferrosalze und Chromate die Oxydation von Jodwasserstoff durch Chlorsäure oder Bromsäure stark, nicht jedoch die entsprechende Oxydation durch Jod- säure [SCHIL0W(1)]. H2O2 und Thiosulfat liefern bei (iegenwart von Jodionen Tetrathionat, wenn Molybdat zugegen aber auch Sulfat (2). Pal- ladiumschwarz katalysiert Hexameihylen zu Benzol und Wasseistoff, wirkt aber auf Pentamethylen, Hexan nicht ein [Zelinsky(3)]. Man hat daher in jedem Falle den passenden Katalysator empirisch ausfindig zu machen. Die interessanten Untersuchungen von Bredig und Brown (4) über die chemische Kinetik der bekannten Kjeldahl-Analyse zeigen, wie wichtig solche Versuche für die analytische Praxis sind. Nach Walker (5) scheint es auch eine katalytische Spaltung race- mischer Verbindungen zu geben, wie für die Einwirkung von kleinen Mengen Alkali auf Amygdalin wahrscheinlich gemacht wurde. \'oii großem biologischen Interesse ist die Beobachtung von Bredig und Fajans(6), daß optisch aktive Basen wie Nicotin, Chinin, die Spaltung der d- und 1-Camphocarbonsäure in COg und Kampfer sehr verschieden stark katalysieren. Hier ist in ähnlicher Weise, wie im nächsten Paia- graph hinsichtlich der Enzyme zu berichten sein wird, die stereochemische Spezifität der Katalysatoren deutlich ausgesprochen. Nach Bredig und FiSKE (7) gelingt es ferner, sowie mit Emulsin, auch mit Chinin oder Chinidin als Katalysator aus Benzaldehyd und Blausäure optisch aktive Mandelsäurenitrile und Mandelsäure zu synthetisieren. Wenn der Katalysator sich während der Reaktion nicht ändert und nicht etwa in so großer Menge zugegen ist, daß seine Bedeutung als Lösungsmittel nicht mehr zu vernachlässigen ist, so darf man es als nachgewiesen betrachten, daß die Gleichgewichtskonstante der Reaktion nicht geändert wird. Die nähere Durchforschung des Gebietes der Katalysen scheint immer mehr zu zeigen, daß die ideale Forderung, daß der Kataly.sator seine Konzentration während der Reaktion nicht ändert, häufig unerfüllt bleibt; er reagiert vielmehr mit einem oder mit mehreren der Stoffe im Reaktionsgemische (8). Wenn die stark basischen Iminoäther in ihrer Spaltung durch Säuren katalysiert werden, so nimmt die Säure an dem Gleichgewichte in einem bestimmten Grade teil (9). Daß hingegen in anderen Fällen das dynamische Reaktionsgesetz durch den Katalysator nicht geändert wird, haben namentlich die kriti- schen Studien von Koelichen(IO) über die chemische Dynamik der Acetonkondensation durch Basen und von Turbaba(II) über das Gleich- 1) N. SCHILOW, Ztsch. Physik. Chera., 27, 513 (1898). - 2) A. L. Abel Zt8c-h. Elektrochem., 18, 705 (1912 - 3) N. Zelinsky, Ber. Chem Ges 44, 3121 (1|^1J: -^5. 3678 (1912). — 4) Beedig u. J. W. Brown, Ztsch. physik. Chem.. 46, 50- (19<.W). - 5) J W. Walker, Proceed. Chem. Soc, /*, 198 (1902). Katalyt. Racenusierung: Chr. WmTHEK, Ztsch. physik. Chem., 5Ö. 465 (1906). - 6) G. Bredig u k Fajans, Ber. Chem. Ges , 4U 752 (1908). K. Fajans Zt^ch. phys.k. C hera.. 7J. 2.. (1910). Frühere Forschungen nach dieser Richtung be. G- Bredig Ztsch. angewaud . Chem., 20. 308 (1907). Bredig u. R. W. Balcom ^^l\S^^'^-^;'^'4Vc^J^T] — t/g Bredig u. Fiske, Biochem. Ztsch., 46, 5 (1912). - 8) ^. F. AtRfcE u. j. M. yoHNSonmer. Chem. Journ., 38, 258 (1907). - 9) {^.S|;.'^^;';";j- ^ \^^^ Journ., 39, 29 u. 402 (1908). Zu diesem Thema vgl. auch \N . I^•^•"^^^^^• * »^?J|- (j^"^ ; (1908) 7/ 480. Übei die' Besonderheiten der Katalyse von HBrO. -fJH d^.rch Chromsäu^e: R. H. Clark, Journ. Ph/« ic- Chem.. \fJ>J<^^;]--r^^l\^,^^ LICHEN, Ztsch. physik. Chem.. 33, 129 (1900). - 11) Turbaba. /isch. phjsik. Chen., 38, 505 (1901). 90 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. gewicht von Aldehyd und Paraldehyd bewiesen. Das Gleichgewicht darf bei konstanter Temperatur in verdünnten Lösungen als von der Kata- lysatormenge unabhängig angesehen werden. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß das Gesetz des zeitlichen Ab- laufes einer Reaktion durch den Katalysator geändert werden kann und z. B. eine Reaktion, welche ohne Katalysator nach dem Geschwindigkeits- gesetze unimolekularer Reaktionen abläuft, in der Katalyse einem anderen Zeitgesetze gehorcht. Brode hat tatsächlich einen solchen Fall bei der Katalyse der Reaktion zwischen Hydroperoxyd und Jodwasser- stoff durch Molybdänsäure aufgefunden und es wahrscheinlich gemacht, daß Zwischenreaktionen hierbei beteiligt sind. Analoge Erscheinungen sind die von Wagner (1) als „Pseudokatalysen" benannte Reaktionsbeschleu- nigungen durch Vermittlung schneller verlaufender Zwischenreaktionen. Henri und Larguier des Bancels(2) meinen, „reine Katalysen" von „mittelbaren Katalysen" durch das Merkmal trennen zu können, daß nur die letzteren durch Zwischenstufen zum Endprodukt führen. Eine ganz allgemein geltende Erklärung (3) der kataiytischen Wir- kungen ist wohl kaum zu erwarten. Von den bis heute aufgestellten Er- klärungsversuchen hat die ,, Theorie der Zwischenprodukte" (4) die weit- gehendste Anwendbarkeit; weniger gilt dies von der lonenhypothese Eulers. Für heterogene Systeme sind die Adsorptionswirkungen gewiß von Be- deutung. Daß die alte LiEBiGsche Atomschwingungstheorie heute unhalt- bar geworden ist, wurde oben bereits bemerkt. Schon 1806 haben Cli^ment und DfesORMES die katalytische Beschleunigung der Schwefelsäurebildung im Bleikammerprozeß durch intermediäre Oxydation und Reduktion des Stickoxyds zu erklären versucht. Später haben Traube und Schönbein in analoger Weise die physiologische Oxydation durch Vermittlung von Wasserstoffperoxyd resp. Ozon erklären wollen. In neuerer Zeit hat speziell für die Oxydationen und deren katalytische Beschleunigung im Organis- mus Bach (5) die Entstehung von Peroxyden als Zwischenprodukten ange- nommen und dieselbe mit Hilfe einiger quahtativer Reaktionen nicht nur bei physiologischen Verbrennungen, sondern auch bei sehr vielen inorga- nischen und organischen Oxydationen nachgewiesen. ÄhnUche Anschauungen sind von Engler und seinen Mitarbeitern (6) aufgestellt worden. Es ist übrigens auch gezeigt worden [van 't Hoff, Jorissen (7)], daß bei Oxy- dationen so viel Sauerstoff ,, aktiviert" wird, als von der oxydablen Sub- stanz aufgenommen wird. Nach Abel (8) ist die Katalyse der Reaktion zwischen Thiosulfat und HgOg durch Jodionen ein gutes Beispiel für eine „Zwischenreaktionskatalyse". Die Reaktion H202+2S203"+ 2H* = 2H2O 1) J. Wagner, Ztsch. physik. Chera., 28, 33 (1899). Auch C. Engler u. L. WÖHLER, Ztsch anorgan. Chem., 2g, 1 (1902). — 2) Henri u. Larguier des Bancels, C. r. Soc. Biol., $5, 864 (1903). Die „Semikatalysen" von A. Colson, Compt. rend., 146, 817 (1908), umfassen Prozesse, welche den echten Katalysen nur äußerlich ähnlich sind und ohne die wirksame Substanz überhaupt nicht vor sich gehen. — 3) Hierzu die Zusammenstellungen von Bredig, Ergebn. (1902), p. 177. M. Bobenstein, Chem.-Ztg., 26, 107.5 (1902). Vorlesungeversuche: A. A. NoYES u. G. V. Sammet, Zisch, physik. Chem., 41, 11 (1902). — 4) Die von Eiedel, Ztsch. angewandt. Chem., 16, 492 (1903), gegen diese Theorie erhobenen Einwände haben Bredig u. Haber, Ebenda, p. 557, widerlegt. — 5) A. Bach, Compt. rend., 124, 951 (1897). ^ 6) C. Engler u. M. Wild, Ber. Chem. Ges., jo, 1669 (1897). Engler u. J. Weissberg, Ber., j/, 3046 (1898). Auch S. Tanatar, Ztsch. physik. Chem., 40, 475 (1902). — 7) J. H. van 't Hoff, Ztsch. physik. Chem., 16, 411 (1895). W. P. Jorissen, Ebenda. 22, 34 (1897); 23, 667 (1897). — 8) E. Abel, Ztsch. Elektrochem., 13, 555 (1907). § 4. Katalyse. nj + S4O6" verläuft dann in zwei Stufen: 1. H2O2 + J' = HgO + JO' (mit meß- barer Geschwindigkeit) und 2. J0'+ 2 SjOg + 2 H' = HgO + J' + S^Og (sehr rasch). Bei derartigen Vorgängen muß der Katalysator natürlich nicht die Geschwindigkeit sämtlicher Teilvorgänge im gleichen Maße erhöhen. Selbst- verständhch ist mit dem quahtativen Nachweise der Zwischenprodukte für die Begründung einer Theorie des katalytischen Vorganges noch nicht viel geschehen. Man hat vielmehr den ganzen Prozeß in seinen Teilvorgängen nach den Regeln der chemischen Kinetik zu untersuchen und den Nach- weis zu erbringen, daß wirkhch der Weg über die Zwischenprodukte mit dem Katalysator eine größere Reaktionsgeschwindigkeit zustande bringt, als die nicht katalysierte Reaktion sie besitzt. Dazu werden sich besonders langsamer verlaufende Reaktionen eignen, und es hat Federlin(I) eine derartige Untersuchung bereits unternommen. Die für die Biochemie sehr wichtige ausführliche Bearbeitung dieses Gebietes steht noch aus. Ob die „Theorie der Zwischenprodukte" sich auf negative Katalysen anwenden läßt, ist mindestens noch fragUch. Für manche Fälle ist diese Theorie direkt unwahrscheinüch (2), wenn man auch J. Boeseken (3) darin nicht beistimmen kann, daß die Wirkung der Katalysatoren durch die Wirkung von Zwischenreaktionen nie erklärt werden könne. An die Zwischen- produkttheorie schheßen sich auch die Ausführungen von Wegscheider (4) über die katalytischen Umlagerungen des Cinchonins an. Euler (5) geht, um die katalytischen Wirkungen zu erklären, von der Annahme aus, daß alle chemischen Verbindungen als Elektrol3rte an- gesehen werden können, und auch Nichtleiter nie absolut undissoziiert in Lösung gehen. Katalysatoren sollen nun die lonenkonzentrationen steigern und hierdurch die Reaktionsgeschwindigkeit vermehren. Mit Ostwald kann man eine Schwierigkeit für diese Anschauung in der Tat- sache finden, daß zwei gleichzeitig wirkende Katalysatoren eine viel größere Beschleunigung der Reaktion erzielen können, als die Summe der Einzel- wirkungen beträgt. Zur Erklärung der katalytischen Wirkung der H'- und OH'-Ionen, insbesondere der Säuren, wären auch die Arbeiten von Rohland (6) und von KoNOWALOw(7) zu vergleichen. Die Katalysen in heterogenen Systemen sind viel weniger genau bekannt, als die katalytischen Vorgänge in homogenen Gemischen, ob- zwar die katalytische Wirkung fein verteilten Platins auf Knallgas be- reits 1820 durch Döbereiner (8) entdeckt worden war. Die Zerlegung von H2O2 durch fein verteilte Edelmetalle hatte Th^nard (9) 1818 entdeckt. Döbereiner fand auch die Oxydation von Alkohol zu Essigsäure durch Platinmohr. Später fügte Schoenbein hnizu. daß ancli andere Oxydationen (Pyrogallol) durch Platinmohr katalysiert werden; ,6mo^iationiataly.e•• von O. EuFF Ber. Chem '^pt;:nf ^^J 119 S^ - 7)T>. wandte Idee. ^6) P. Rj.h,.a.i, Z«ch. physjL (^?^^J^;,^^ ^^1,,,^ J,>,g3 M^m. Ac. Scienc, 3, 385 (1818). 92 Zweites Kapitel; Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Traube konstatierte es für Zucker, Loew für Ammoniumnitritbildung aus Ammoniak (1). Bemerkenswert ist unter den vielen anderen An- gaben der Befund von Gladstone und Tribe (2), daß die Nitratreduktion durch Wasserstoff von fein verteiltem Platin katalysiert wird, und die Erfahrung, daß Platinmohr auch die Saccharoseinversion katalysiert [Rayman und Sulc(3)]. Über weitere katalytische Wirkungen von Platinschwarz haben 0. Loew und Aso(4) berichtet. Es ist bekannt, daß die übrigen Me- talle der Platingruppe (Pd, Ir, Ru, Os, Rh) gleichfalls kräftige Kata- lysatoren sind, welchen sich von anderen Metallen besonders das Au, Ag, Cu, Pb, Hg, Fe und Mn an die Seite stellen. Palladiumkolloid wird in- jüngster Zeit als kräftiger Katalysator der Wasserstoff anlagerung und Wasserstoffentziehung bei hydrierten Kohlenstoffverbindungen verwendetes). Schade (6) teilt die interessante Tatsache mit, daß katalytische Oxydationen durch ein Gemisch zweier Metalle kräftiger sein können, als mit jedem Metall für sich. Über die kataly tischen Wirkungen der Cerisalze, welche von den Stoffen ihrer Gruppe allein Katalyseneffekte äußern, haben Barbieri und Volpino (7) berichtet. Die Peroxyd- zersetzung und die Oxydation von Guajaconsäure werden übrigens durch verschiedene inorganische Pulver (Glas, Mehl, Talk, Kohle) katalysiert (8). Mit Bredig (9) kann man das Gebiet der heterogenen Katalysen in jenes der makroheterogenen Systeme und jenes der mikroheterogenen Systeme einteilen. Letzteres umfaßt dann die Katalysen durch Metallsole. Durch die Arbeiten von Nernst und Brunner (10) ist gezeigt worden, daß in jenen Fällen, in welchen der chemische Vorgang an den Grenz- flächen, im Vergleiche zur Diffusion, durch die der gelöste Stoff zur Grenzfläche gebracht wird, sehr rasch erfolgt, eine energische Durch- rührung auch solche Reaktionen dem Geschwindigkeitsgesetze unimole- kularer Reaktionen sehr annähern kann. In der Tat haben Versuche von Bredig (11) mit platinierten Platinblechen und Quecksilberoberflächen derartige Ergebnisse zur Folge gehabt. Dies ist biochemisch sehr wichtig, da viele Reaktionskatalysen in der Zelle sich an Grenzflächen abspielen. 1) ScHOENBEiN, Journ. prakt. Cham., 8g, Hl Bleichung von Indigosuifosäure durch H,02 und Bläuung von Guajac durch HjO.^ werden mittels Pt katalysiert: Journ. pfakt. Cham., 75, 79; 78, 90. M. Traube, Ber. Chem. Ges., 7, 115 (1874). 0. Loew, Ber. Chem. Ges., 23, 1447, 3018 (1890). Zerfall von Calciuraforniiat: Deville u. Debray, Compt. rend., 78, 1782 (1874). Hoppe-Seyler, Ztsch. physiol. Chem., 5, 395; //, 566. Pflüg. Arch., 22, 1. Oxydation von Oxalsäure: O. StlLC, Ztsch. physik. Cham., 28, 719 (1899). — 2) Gladstone u. Tribe, Ber. Chem Ges., 12, 390 (1879). — 3) B. Rayman u. O. Sulc, Ztsch. physik. Chem., 21, 481 (1896). Fr Plzak u. Husek, Ebenda, 47- 733 (19Q4). R. Vonpracek, Ebenda, 50, 560 (1905). — 4) O. Loew u. K. Aso, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 7. 1 (1906). — 5) Kelber u. Schwarz, Bar. Chem. Ges., 45, 1946 (1912). Skita, Ebenda, p. 3312, 3579. Zelinsky, Ebenda, p. 3677. Nickel: Senderens u. Aboulenc, Bull. Soc. Chim., (4), //, 641 (1912). — 6) H. Schade, Ztsch. exp. Pathol. u. Ther., /, 603 (1905). — 7) G. A. Barbieri u. A. Volpino, Atti Accad. d. Line. Roma, (5), 16, 1, 399 (1907). — 8) Hierzu Ed. Filippi, Arch. Farmacol. sperim., 6, 363 (1907). M. Bodenstein u. F. Ohlmer, Ztsch. physik. Chem., 53, 166 (1905). Kohle: G. Lemoine, Compt rend., 144, 357 (1907). — 9) G. Bredig, Ztsch. Elektrochem., 12, 581 (1906). — 10) E. Brunner, Ztsch. physik. Chem., 47, 52 (1904); s', 494 (1905); 58, 39 (1907). — 11) G. Bredig, Ztsch. Elektrochem., 12, 581 (1906). Bredig u. J. Weinmayr, Ztsch. physik. Chem., 42, 601 (1903). J. Teletow, Chem. Zentr. (1908), /, 793. Die Kinetik der Kontaktschwefelaäureerzeugung behandeln M. Boden- stein u? C. G. Fink, Ztsch. physik. Chem., 60, 1, 46 (1907). § 4. Katalyse. 93 Nach den Untersuchungen von Bredig (1) und seinen Schülern eignet sich die makroheterogene Katalyse von Hydroperoxyd an einer Qnecksilberoberfläche auch sehr gut dazu, um die interessante Erschei- nung rhythmischer oder „pulsierender" Katalysen vor Augen zu führen. Wenn man auf gut gereinigtes Quecksilber eine 10%ige HoOg-Lösung (1 Vol. Perhydrol Merck J- 2 Vol. W.) schichtet, so tritt in 'der Regel bei Zimmertemperatur ein rhythmisches Stärker- und Schwächerwerrien der Gasentwicklung ein. Die „Pulsfrequenz" wird durch Temi)eratur- steigerung vermehrt, durch geringe Salzmengen (Citrat) stark herab- gesetzt, und besonders Spuren von Säuren oder Alkalien beeinflussen das Pulsationsphänomen sehr stark. Mit Hilfe eines GADSchen Mano- meterschreibers kann man die Kurven leicht längere Zeit hindurch graphisch registrieren. Reizt man das System durch einen Wechselstrom, so steigt die Reizstromstärke für die katalytische Pulsation auf das Doppelte, wenn die Wechselzahl des Reizstromes viermal größer wird. Dies stimmt mit dem von Nernst(2) für die Nervenreizung durch Wechselströme entwickelten Gesetze i/y- = k überein, worin i die Schwelle der wirksamen Stromstärke und n die Stromfrequenz bedeutet. Bezüglich des Mechanismus der makroheterogenen Katalysen sind verschiedene Vermutungen geäußert worden. Mond, Ramsay und Shields(3) nehmen an, daß bei Oxydationskatalysen eine oberflächliche Oxydation des fein verteilten Metalles erfolge, aber keine physikalische Kondensation oder Verflüssigung in den Poren, und daß das entstehende Platinoxydulhydrat bei der Katalyse beteiligt sei. Duclaux(4) ist der Ansicht, daß die höhere Temperatur und der höhere Gasdruck an der Oberfläche der porösen Körper die Reaktionsbeschleunigung veranlasse. Mit Denham(5) kann man zugunsten der Oberflächenverdichtungs- oder Adsorptionstheorie den Umstand geltend machen, daß bei der Katalyse durch Platinblech (eigene Versuche und jene von Bodenstein und Ohlmer) der Temperaturkoeffizient auf 1,4 bemessen werden konnte. Da es bekannt ist, daß die chemischen Reaktionen (auch jene, welche durch Enzyme katalysiert werden) einen Temperaturkoeffizienten von 2 für je 10 »C Intervall besitzen, während bei Adsorptionsvorgängen Werte von ungefähr 1,3 vorkommen, so spricht dieses Moment für die Adsorptionstheorie der makroheterogenen Katalyse. Gewiß wird die Konzen- trationserhöhung des katalysierten Stoffes an der enormen Katalysatorober- fläche an und für sich einen Umstand der Reaktionsbeschleunigung darstellen. Die mikroheterogenen Katalysen sind zunächst bekannt geworden durch das von Bredig und seinen Schülern (6) angebahnte Studium der Bredig 1^ O Bredig u J Weinmayr, Ztsch. physik. Chem.. ^2, ÜOI (190:5). Brkdig'I. E. m^KK? Verband! Nat.-Med Ver. «eiW .. 105 (1905), B.oche.n. Ztsch., //, 67 (1908). Bredig, Biochem. Ztsch.. 6, 322 1907 . G. ^J^^^^^ "^ *i-^;;,- Kerb, Verhandl. Nat.-Med. Ver. Heidelberg. 10 23 (1909). A. \- ANTROPOFt Ztsch Physik, ehem., 62, 513 (1908). - 2) W. ^^^^^st ^'fiug. Arcb. /^^. -- (1908). - 3) L. Mond, W. Ramsay ». J. Shields, Zt^ch. phys.k. C hem ;9^-4 (18965- .5. 65^ (1898). Vgl. weiter N. f//-^,^.«-'- 5) L G^) nham^ S:.^: u. R. MÜLLER V. Berneck, Ztsch. physik. Chem., «?'• -^-<\ '^ J^«!^^^.'» 'y^,^/ IKEDA, Ebenda, 37, 1 (1901). Bredig u. W. Reinders. Ebenda 37, .^--^ (l^M) Bredig, Anorgan. Fermente (1901), Mac Intosh, ^'^J^^^''-^^"^-'^^ (1901); 'vgl. a.^h Loewenhart u. Kastle ^J^^^^f''';^'''''^^^^^^ H. Neilson u. Brown, Amer. Journ. Physiol., '°i^-^ }.}^^^> mq 1904V Tflüe Pasteur, 14, 571 (1900). S. Liebermann, Ber. ^^e"." G««;^-^7, 1519 (1904) mg Arch. o^t 119 (1904). C. Baal u. C. Amberger, Ber. Chem. Ges.. 40, ^^ui (i-fug 94 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Katalyse durch Metallsole, welche durch elektrische Zerstäubung von Metalldrähten unter reinem Wasser erhalten wurden. Solche Kolloid- lösungen haben recht beständige Wirksamkeit. Das Platinsol, welches höchstens 1 Grammatom Platin auf 1000 Liter Wasser enthält, zerlegt HgO, kräftig, bläut Guajac-Harzemulsion auch ohne HgOj-Zusatz und be- schleunigt deutlich die Nitritreduktiou zu NHg durch Wasserstoff. Diese Katalysatoren sind ebenso leicht dosierbar wie lösliche Stoffe, und es hat Bredig näher ausgeführt, wie interessante Vergleichspunkte sich zwischen diesen Kolloiden und den Enzymen eröffnen, welche wir ja heute am besten ebenfalls als kolloide Katalysatoren von spezifischer Wirkungssphäre auffassen. Besonders die HgOg-Katalyse durch Platinsol ist durch Bredig eingehend untersucht worden. Die Wirkung ist noch nachweisbar in einer Verdünnung von 1 Grammatom Platin auf 70 Millionen Liter Wasser auf die mehr als millionenfache Menge HgOg. In nahezu neutraler oder schwach saurer Lösung verlaufend, stellt die Platinkatalyse des H2O2 eine Reaktion erster Ordnung dar; sie ist praktisch vollständig zu Ende zu führen. Hydroxylionen steigern die Platinwirkung erheblich, doch nur bis zu einer gewissen Konzentration (z. B. Y64 normal NaOH); konzentriertere Laugen verzögern die Reaktion. Vermindert man die Konzentration des Platinsol in geometrischer Progression, so sinkt auch die Geschwindigkeitskonstante der Peroxydkatalyse in geometrischer Pro- gression. Höhere Temperatur fördert die Reaktion stark, ohne daß sich ein Optimum ergeben würde. Gegen Erhitzen sind diese Katalysatoren wenig empfindlich. Die Katalyse des HgOg durch kolloidales Palladium- sol folgt nach Bredig undl Fortner (1 ) denselben Gesetzen mit geringen Modifikationen. Die katalytische Beeinflussung der Autolyse durch Metallsole ist sehr deutlich (2). Auch die Iridium- Hg Oj- Katalyse gehorcht dem Zeitgesetze uniraole- kularer Reaktionen [Brossa(3)]; der Temperaturkoeffizient wurde hier mit 1,6 bestimmt. Platin wie Iridiumsol wirken nach Bredig und Sommer (4) stark auf die Reduktion von Methylenblau durch Formal- dehyd; die reduzierende Wirkung der Ameisensäure auf Methylenblau wird durch Platinsol gleichfalls katalysiert. Über die Messungsmethodik bei Metall solkatalysen wolle man die Darlegungen von V. Henri (5) vergleichen. Wichtig sind ferner die Erfahrungen Bredig s über die Hemmung der Metallsolkatalysen durch Spuren von SHg (noch 0,000003 Mol im Liter wirkt stark verzögernd), Blausäure, Jod, Phosphor, Sublimat und einigen anderen Stoffen. Auf Iridiumsol ist nach Brossa Jod wirkungs- los, und Alkalien fördern die Wirkung nicht wie bei Platinsol. Diese hemmenden Wirkungen erklärt man mit Bredig am besten durch die Annahme, daß der hemmende Stoff die wirksame Oberfläche des Platins chemisch verändert, z. B. durch Bildung von Sulfit oder Cyanür. Nach längerer Zeit „erholt" sich das Platin von der „Vergiftung" und wird neuerlich wirksam, indem sich durch Verbrennung der Blausäure die wirksame Oberfläche wieder herstellt. Blausäure „vergiftet" übrigens nur Platinsol, nicht aber auch Platinmohr. Da wir in den Enzymen relativ sehr empfindliche und leicht veränderliche Katalysatoren kennen, 1) Bredig u. M. Fortner, Ber. Chem. Ges., J7, 798 (1904). — 2) Ascoli u. IzER, Berlin, klin. Woch.schr., 4, 96 (1907). — 3) G. A. Brossa, Ztsch. physik. ehem., 66, 162 (1909). — 4) G. Bredig u. F. Sommer, Ztsch. physik. Chem., 70, JI, 34 (1910). — 5) V. Henri, C r. See. ßiol., 60, 1041 (1906). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 95 SO sind die Hemmungserscheinungen an den „anorganischen Fermenten" eine bemerkenswerte Parallele. Allerdings wissen wir heute noch nicht, wie weit die tatsächliche Analogie geht. Jedenfalls sind die Platin- hemmungsstoffe „Antikatalysatoren" im Sinne Bredigs und beeinflussen den Reaktionseffekt durch eine Wirkung auf den Katalysator (1 ). Bei dem häufig zu beobachtenden Einfluß von Alkaloiden und deren Salzen auf die Katalyse hat man, wie Brown und Neilson(2) ausgeführt haben, zu beachten, daß es bei den letzteren sehr auf die Art des Säureanions im Alkaloidsalz ankommt. So erwiesen sich die Alkaloidsalze von HCl, HBr, HNO3, aber auch die Metallsalze dieser Säuren als unwirksam, während die Salze von Essigsäure, Valeriansäure und Citronensäure beschleunigend wirkten. Zweifellos hat man es hier mit Adsorptionserscheinungen zu tun. Eine Theorie der Metallsolkatalysen läßt sich zurzeit ebensowenig aufstellen wie auf den anderen Gebieten der Katalyse. Doch neigt man sich auch hier den oben auseinander gesetzten Anschauungen zu, daß Zwischenprodukte hierbei eine maßgebende Rolle spielen und es sich um Stufenreaktionen handle. Bredig selbst (1901) hält die HABERsche An- schauung, daß die Platinkatalyse des Hydroperoxyds in einer stufenweisen Reduktion und Oxydation besteht, nach den Gleichungen: y H2O2 -f nPt = PtnO + y KjO PtnOy -f y H2O2 = n Pt -[- y H2O + y O2 für die einwandfreieste Darstellung des Vorganges. Über die anderen bisher aufgestellten Theorien findet man bei Bredig 1. c. nähere Dar- legungen. Die Knallgaskatalyse durch Platin ist durch Ernst, sowie durch A. V. Hemptinne (3) studiert worden. Ersterer arbeitete mit BREDiGschem Platinsol, letzterer mit Platinmohr. § 5- Allgemeine Chemie der Enzyme (4). Berzelius (5), der scharfsinnige Beurteiler der katalytischen Wir- kungen, erkannte bereits klar, daß es sich bei den sogenannten Ferment- wirkungen im Wesen nur um Kontaktwirkungen handle, und er stand nicht an, in richtiger Vorahnung zu schreiben, daß vielleicht Tausende 1) Die gegenteilige Ansicht von R. Raudnitz, Ztsch. physik. Chem., J7. 551 (1901), ist durch Bredig widerlegt worden, ebenda, jÄ. 122 ri901). — 2) Ü. H. Brown u. C. H. Neilson, Anier. Journ. Physiol., 13, 427 (1905). — 3) Ern8T, Ztsch. Physik, ehem., j/, 266 (1899); 37, 448 (1901). A. v. Hemptinne Ebenda, 27, 429 (1898); Bull. Acad. Roy. Belg., (3), 36, 155 (1898). - 4) Außer den {.. 84. Anm. 1 zitierten Schriften von Ostwald und Bredig, welche «"ch die hnzym- wirkungen berücksichtigen, seien folgende Werke namhaft gemacht: E^ Duclaux. Traite de Microbiologie, 2 (Paris 1899). J. Effront, Die Diasta.^en, deutsch von Bücheler (Leipzig 1900). G. v. Bunge, Lehrb. d. pliysiol. u. patho . Lhein. 4. Aufl. (1898). J. R. Green, Die Enzyme, deutsch von Windisch (Berlin 1901). Emmerling, Die Enzvme in Roscoe-Schorlemmer, Ausfiihrl Lelirb. <1. ^ hem., 9, 332 (1901). F. Hofmeister, Die chem Organisat. d. Zelle (1901). K Höber Phy..ii. Chem. der Zelle, 3. Aufl. (1911). E. ZuNZ, Die Fermente in Abderhaldens ßiochom. Handlexikon, 5, 538 (1911). W. M. Bayliss. The Nature 0 Enzynie Act-on (London 1908). H. EüLER, Allgem. Chem. d. Enzyme Wiesbaden 1910) C Opi'knheimkr, Die Fermente und ihre Wirkungen. 3. Aufl. (Leipzig 1910). V. H^^f «'• ,^;"";.^ Chimie physique (Paris 1906). F. BoTAZZi, P"°cip. di F.s.o ogia I (M.lano l^b). R. O. Herzog, Chem. Geschehen im Organismus (Heidelberg 1905). - 5) J. kkr- ZELIUS, Lehrb.. 3. Aufl., 6, 22. 96 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus von katalytischen Vorgängen sich im lebenden Organismus abspielen. Von den Physiologen war es wohl zuerst C. Ludwig (1), welcher die hohe Bedeutung der Katalysen im Organismus würdigte. Sein Aus- spruch, daß es leicht dahin kommen dürfte, daß die physiologische Che- mie ein Teil der katalytischen würde, wird treffend illustriert, wenn wir einen der hervorragendsten zeitgenössischen Biochemiker, F.Hofmeister(2), in folgenden Worten vernehmen: „So gelangen wir zur Vorstellung, daß die Träger der chemischen Umsetzung in der Zelle Katalysatoren von kolloider Beschaffenheit sind, einer V^orstellung, die mit anderweitig direkt ermittelten Tatsachen in bester Übereinstimmung steht. Denn was sind die Fermente des Biochemikers anderes als Katalysatoren von kolloider Natur? Daß man den Fermenten noch bestimmte Eigenschaften zu- schreibt, wie Zerstörbarkeit durch Hitze, Fällbarkeit durch Alkohol u. dgl., erklärt sich zum Teil aus der kolloiden Natur derselben und betrifft zum Teil akzidentelle Eigenschaften, welche mit ihrer chemischen Leistung nichts zu tun haben." In der Tat läßt die OsxwALDsche Charakterisierung der Katalysatoren als Stoffe, welche in minimalen Mengen bereits wirksam die Geschwindig- keit von Reaktionen ändern und in den Endprodukten der Reaktion nicht auftreten, klar erkennen, daß gerade diese Merkmale auch das bilden, was uns an den Fermenten der lebenden Zelle am meisten auf- fallen muß. Alle anderen Merkmale, welche für die Enzyme als charak- teristisch gelten: die beschränkte, oft ganz spezifisch eingeengte Wirkungs- sphäre, die Hemmung durch Gifte, die Unbeständigkeit bei höherer Temperatur usw. hat man bereits mehr oder weniger ausgeprägt bei inorganischen Katalysatoren ebenso gefunden, und sie bilden keinen Unterscheidungspunkt zwischen letzteren und den Enzymen, wenn sie auch bei den „Katalysatoren der Zelle" besonders ausgeprägt aufzutreten pflegen. Eine physiologisch-chemische Besonderheit, die wir bei anderen Ka- talysatoren vermissen, kommt den Enzymen fast allgemein zu. Dies ist die Eigentümhehkeit, nach Injektion in das Kreislaufsystem von Tieren Antikörper zu erzeugen, welche imstande sind, ganz spezifisch die Wirksam- keit der injizierten Enzymart zu hemmen. Von diesen Antifermenten oder Antienzymen wird noch weiter unten die Rede sein. Da bisher nur Antikörper von Eiweißstoffen bekannt geworden sind, so kann diese Reaktion als ein Indizienbeweis für die Eiweißnatur der Enzyme angesehen werden. Bisher ist es nur von der Katalase noch nicht gelungen, in der Blutbahn von Tieren Antistoffbildung zu erzeugen (3), und dann hat Bergell (4) behauptet, daß das tryptische Ferment, welches aus Peptonen und Pep- tiden Tyrosin abspaltet, kein Antiferment zu erzeugen vermag. Da je- doch für den letzteren Fall außerdem berichtet wird, daß dieses Enzym durch manche Fermentgifte, wie Sublimat, nicht beeinflußt wird, halte ich diese Angaben noch nicht für gesichert. Die so auffälhgen Wirkungen der Enzyme waren auch viel früher bekannt als die stoffhchen Eigenschaften dieser Substanzen. Von der Alkoholgärung abgesehen, wurden zunächst bekannt die eiweißlösende Wirkung des Magensaftes durch Spallanzani (5) die Stärke verzuckernde 1) C. Ludwig, Journ. prakt. Chera. (2), lo, 15 j; Lehrb. d. Phyaiol., 2. Aufl., /, 50. — 2) Hofmeister, Organisation d. Zelle p. 14 (1901). — 3) H. de Waele u. Vandevelde, ßiochera. Ztsch., 9, 264 (1908). — 4) P. Bergell, Ztsch. klin. Med., 57, 381 (1905). — 5) Lazz. Spallanzani, Versuche üb. d. Verdauungsgeschäft (Leipzig 1785). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. q-t Wirkung (diastasehaltigen) frischen Klebers durch Kirchhoff und Du- BRUNFAUT (1) und die Rohrzuckerinversion durch Hefeflüssigkeit durch MiTSCHERLiCH. Das Verdienst, ein pflanzHches Enzym so weit als mögüch rein dargestellt und seme wesentlichen Eigenschaften studiert zu haben erwarben sich zuerst Payen und Persoz bezüghch der Malzdiastase (2)' Wenig später war hmsichthch des Magenpepsins Eberle und Th. Schwann (3) ein ähnhcher Erfolg beschieden, und fast gleichzeitig entdeckten Liebig und Wöhler(4) das Amygdalin spaltende Enzym der bitteren Mandeln welches von ihnen als „Emulsin", von Robiquet (5) als „Synaptase"' benannt wurde. 1840 entdeckte BussY das „Myrosin". In die 50er Jahre fällt die Entdeckung der Oxydasen durch Schoenbein, sowie des Ery- throzyra durch Schunck; Hefeinvertin wurde erst 1860 von Berthelot als Rohpräparat dargestellt, alle übrigen Enzyme sind in den letzten De- zennien des 19. Jahrhunderts entdeckt, worden. Diese Erfolge brachten es mit sich, daß man die abtrennbaren Enzyme als „ungeformte Fer- mente" von den fermenthältigen Hefen und Bacterien, aus denen Enzyme nicht abgetrennt werden konnten, als „geformten Fermenten" unter- schied. Die heutige Benennung „Enzyme" rührt von Kühne (6) her und wird nach dem Vorschlage Hansens (7) auf die „ungeformten" Fer- mente beschränkt. Die auch in neuerer Zeit wiederholten Versuche, die Fermentreaktionen als von den übrigen katalytischen Vorgängen verschieden anzusehen, müssen als erfolglos hingestellt werden (8). Näheres hierüber bringt der Abschnitt über die Kinetik der Enzymreaktionen. Von einer näheren Kenntnis der stofflichen Eigenschaften der Enzyme kann heute nicht gesprochen werden, weil alle unsere Erfahrungen an kolloiden Stoffgemischen, welche die charakteristische Enzymwirkung in möglichst hohem Grade zeigten, gewonnen worden sind. Bei den Be- mühungen, Enzyme zu isolieren, kann es sich bei dem heutigen Stande der Methodik nur darum handeln, Präparate zu gewinnen, welche die ins Auge gefaßte Enzymwirkung allein ohne Begleitwirkungen aufweisen. Die gewöhnlich angewendeten Fällungsmethoden mit Alkohol und Äther lassen die Wirksamkeit der Enzyme nicht ungeschwächt; am besten hat sich die Methode des Aussalzens mit Ammonsulfat bewährt (9). In wässeriger Lösung sind Enzyme meist wenig haltbar. Unter diesen Verhältnissen ist es begreiflich, wenn die Ansichten der Forscher selbst in so fundamentalen Fragen, wie bezüglich der Zugehörigkeit der Enzyme zu den Proteiden, weit auseinandergehen. So kommen Wroblewski(IO) wie Osborne(11) bezüglich der Malzdiastase zu dem Ergebnis, daß es 1) C. Kirchhoff, Scbweigg. Journ., 14, 389 (1815). Dubrunfadt, M^m. 8ur la saccharification, Soc. Agrictilt. (Paris 1823). — 2) Payen et Persoz. Add. de Chim et Phys. (2), 53, 73 (1833); 60, 441 (1835). — 3) Eberlf^ Physiol. d. Ver- dauung (1834). Th. Schwann, Müllers Arch. (1836), p. 90. - 4) F. Wöht.lr u. Liebig. Pogg. Ann., 41, 345 (1837) — 5) Robiquet, ßerzelius' Jahreeber.. '9. jn (1840). — 6) W. KÜHNE, Untersuch, a. d. physiol. Inst. Heidelberg, /, 291 (18.8). — 7) A. Hansen, Arbeiten d. botan. Inst, in Würzburg, j, 253 (1885). Bietet eine anziehende historische Skizze über Enzymlehre. — 8) Vgl. die Polemik z^'Jf ßf" t.- Bredig, Chem.-Ztg., j/, 184 (1907), Th. Bokorny, Zentr. Bakter. II. -v. 193 (1908). O. LoEW, Ebenda, p. 198; Biochem. Ztsch., j/, 159 (1911); Pflüg. Arch., lo.-, 9.t (1904). - 9) Vgl. die Angaben über Diastasedart^teUung bei W -^C"NEI0EWIN1.. Landw. Jahrb., 35, 911 (1907). F. Munter, Ebenda. 39, Erg.-Bd. HI. 29S (1910). - 10) Wroblewski, Ztsch. physiol. Chem., 24, 173. Auch LoEW, Pflug. Arch.. 27, 203 (1882) hält die Enzyme für peptonartige Stoffe. — 11) U8B0RNE u. Camp- bell,. Journ. Amer. Chem. Soc, 18 (1896). Czapek, BiocUeiifle der Pflanzen. 3. Aufl. 98 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. sich um einen proteosenartigen Stoff handeln dürfte, während Hirsch- feld und Landwehr (1), sowie Fränkel und Hamburg (2) die Eiweiß- natur der Diastase in Abrede stellen. Ähnlich steht es bezüglich des Hefeinvertios. Der Bericht vor Cl. Permi (3) über stickstoffreie En- zyme ist vorerst wohl mit Reserve aufzunehmen. Dem Magenpepsin gaben Pekelharing (4) und Nencki(5) die hochkomplizierte Zusammen- setzung eines Nucleoproteids, und Friedenthal (6) hat sogar alle En- zyme als Nucleoproteide angesehen. Angesichts dieser schwerwiegenden Differenzen hat es auch keinen Zweck, auf die vorhandenen Elementar- analysen (7) näher einzugehen. Nach Panzer (8) binden Enzyme (Diastase, Invertin) sehr viel Chlorwasserstoffgas und verlieren ihre Wirksamkeit; die (übrigens nicht näher bekannte) HCl-Bindung kann nur sehr locker sein, da im Vakuum HCl wieder abgegeben wird und Diastase sogar wieder wirksam wird. Die kolloiden Eigenschaften wässeriger Enzymlösungen sind in letzter Zeit mit einigem Erfolg studiert worden. So steht es durch die Feststellungen von Zunz(9) außer Zweifel, daß bestimmte Enzymlösungen oberflächenaktiv sind, und daß es sich hier um lyophile Sole handelt. In anderen Fällen wird wohl die Lösung weniger hoch dispers sein und man wird es nur mit suspensionsartigen Solen zu tun haben. Die Adsorptionseigenschaften äußern sich naturgemäß bei den Enzymen, deren Wirkungen bereits durch minimale Stoffmengen ausgeübt werden, in hohem Maße. Die Adsorption durch festes Eiweiß oder Bleiphosphat ließ sich vielfach als Mittel zur Anreicherung an Enzym benützen (10) und man kann diese Adsorptionsverbindung nach Jacoby(II) bei Fibrin- flocken, welche peptisches oder tryptisches Enzym gespeichert halten, durch Zusatz von Säure oder Alkalien wieder lösen. Die verschieden starke Adsorption von differenten Enzymen an Filtrierpapier hat Grüss(12) dazu benützt, um manche Enzyme aus Pflanzenextrakten von begleitenden Enzymen zu trennen („Capillarisation" von Grüss). Nach Hamburger (13) kann man Agarplatten, welche auf Enzym produzierende Flächen aufgelegt werden, dazu benützen, um Enzyme, selbst in ihrer Lokalisation, nachzuweisen. Aus den eingehenden Untersuchungen von Dauwe(14), Hedin (15), Michae- lis (16) sei besonders auf die Versuche des letztgenannten Forschers hin- gewiesen, welche gezeigt haben, daß das elektrische Verhalten des Adsorbens für Aufnahme und Nichtaufnahme bestimmter Enzyme entscheidend ist. Kaolin, welches nur basische Farbstoffe adsorbiert, also sich sauer ver- hält, adsorbiert Invertin nicht. Hingegen wird dieses Enzym ausgesprochen 1) Hirschfeld u. Landwehr, Pflüg. Arch., jp, 499. — 2) S. Fränkel u. Hamburg, Hofmeisters Beitr., 8, 389 (1906). — 3) Cl. Fermi, Lo sperimentale (1896), p. 245. — 4) C. A. Pekelharing, Ztsch. physiol. Chem., 35, 8 (1902). — 5) M. Nencki u. N. Sieber, Ztsch. physiol. Chem., 32, 291 (1901); Arch. sc. biol. P^tersbourg, 9, 47 (1902). — 6) H. Friedenthal, Arch. Anat. Phvsiol. (1900), p. 181. P. A. Levene, Journ. Amer. Chem. Soc, 23, 505 (1901). — 7) Vgl. Ddclaux, 1. c. p. 109 und Effront, 1. c. p. 23. — 8) Th. Panzer, Ztsch. physiol. Chem., 82, 276 (1912). — 9) E. ZuNZ, Archiv, di Fisiol. (1910), 7, 137. — 10) Vgl. A. W. Peters, Journ. Biol. Chem., 5, 367 (1908). R. Neumeister, Ztsch. f. Biol., jo, 453 (1894). A. WuRTZ, Compt. rend., 93, 1104 (1881). — 11) M. Jacoby, Biochem. Ztsch., 2, 144, 247 (1906); 4, 21 (1907). — 12) J. Grüss, Ber. Botan. Ges., 2öa, 620 (1908); 27, 313 (1909). Verhandl. Naturf. Ges. (1910) J2), /, 72. Biologie u. Ca- {Hllaranalyse der Enzyme (Berlin 1912). — 13) H. J. Hamburger, Archiv. N^er- and. ßc. exact. (2), 7j, 428 (1908). — 14) F. Dauwe, Hofmeisters Beitr., 6, 426 (1905). — 15) S. G. Hedin, Biochem. Journ., 2, 81, 112 (1907). Ergebn. d. Physiol., P, 433 (1910). — 16) L. Michaelis u. M. Ehrenreich, Biochem. .Ztsch., lo, 283 (1908); 12, 26 (1908). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 99 von Tonerde adsorbiert, welche nur saure Farbstoffe aufnimmt und sich als basisches Kolloid darstellt. Während also Invertin Säurecharakter zeigt, wird Malzdiastase nur bei saurer Reaktion von Kaolin adsorbiert und verhält sich sonst so wie Trypsin, Pepsin, Ptyalin annähernd amphoter. Diese Erfahrungen fanden auch in den Versuchen von Michaelis (l) Henri (2), IscovescoO) und Lebedew (4) über die Kataphorese von Enzymen eine weitere Stütze. Mit Wasser lassen sich die an Kohle adsorbierten Enzyme nicht auswaschen, doch kann man sie. wie Hedin und Jahns()N-Blohm(5) fanden, durch andere Kolloide aus der Kohle entfernen, eventuell bei gleichzeitigem Zufügen von Kolloid und Enzym die Enzymadsorption hintanhalten. Da Hedin eine besonders starke Wirkung von den ober- flächenaktiven Solen von Saponin und Cholesterin sah, so wäre zu ver- muten, daß die Capillaraktivität der verwendeten Kolloide entscheidend wirkt. Über die Beeinflussung der Wirkung der an Kohle oder andere Materialien adsorbierten Enzyme geht aus Hedin s Erfahrungen für Lab und Trypsin hervor, daß die Wirkung geschwächt, aber nicht aufgehoben erscheint; ähnliches gilt nach unveröffentlichten Versuchen im hiesigen Institute auch für Malzdiastase. Das elektrische Verhalten von Adsorbens und Ferment spielt auch bei der Filtration von Enzymen, außer der Poren weite des Filters eine Rolle; wenigstens fand Holderer (6) eine ausgesprochene Begünstigung des Passierens von Enzymlösungen durch Porzellanfilter durch zugefügtes Alkali. Durch Sättigen der Filterkerze mit Eiweiß läßt sich auch hier die Adsorption am Filter vermeiden. Ferner ist der Adsorption von Elektrolyten durch Enzyme zu gedenken. Da viele Membranen das Enzym energisch adsorbieren, so stößt das Ausdialysieren von Enzyni- lösungen oft auf große Schwierigkeiten (7). Das Verhalten von Enzymen zu kolloidalen Lösungen ist im ganzen noch wenig bekannt. Interessant ist die Angabe von Reiss(8), wonach Lab und Trypsin beim Schütteln der Fermentlösung mit Lecithin-Chloroformlösung in die letztere über- gehen. Die (wenig ausgesprochene) Wirkung inorganischer Kolloide auf Pepsin wurde von Pincussohn (9) studiert. Zu bemerken ist, daß mehr- fache Angaben vorliegen, wonach stark viscöse Medien die Enzym- wirkungen vermindern (10). Daß die Schutzkolloide bei den Enzymen eine bedeutsame Rolle spielen, ist zu erwarten, und wurde durch eine große Zahl von Er- fahrungen bestätigt. Selbst bei Reaktionen auf spezielle Enzyme hat man vielfach nicht auf das Enzym selbst, sondern auf Schutzkolloide reagiert (11). So ist zweifelsohne die von Guignard(12) zum Myro.sin- 1) L. Michaelis, Biochem. Ztsch., 16, 81, 475; /;, 231 (1909); 19, 181 (19(X))^ - 2) V. Henri, Ebenda, 16, 473 (1909). - 3) H. Iscovesco Kbenda. 24, b^ (1909). - 4) A. V. Lebedew, Ebenda, 26, 221 (1910). - 5) 8. G. Hedin, 1. c. (1910); Ztsch. physiol. ehem., 82, 175 (1912). G. Jahnson-Blohm. Ebenda, p. 1<8. - 6) M. Holderer, Compt. rend., 149, 1153 (1909); 150, 285. VJO (19V>); '5-''- 318 (1912); Thfese Paris (1911). D. J. Levy, Journ. Infect. Diseas.. j, 1 (1905). ^. f. SWART, Biochem. Ztsch., 6, 358 (1907). - 7) Vgl A. Slosse ir H. Limbosth Arch. Internat, de Physiol.. 8, All (1909); Bull. Soc Roy. Sc. med^ Brnxclles (19«t). p. 132. A. J. VANDEVELDE. Biochem. Ztsch., /. 408 (1906). A . K ^^^^«y^-«' -^^^ ^• Phvsiol (1911) p. 207. — 8) E. Reiss, Hofmeisters Beitr., 7, l'l (1905). - ö) i.. pSsohn Bifchem. ZtBch. 8, 387 (1908). - 10) V^rl. Acmai me u. Bresson. Compt. rend., 152, 1328. 1621 (lö'l)- Für Invertin und ^'"■"J" 7»^7'"^i:„;,^V TANELLi, Rend. Accad. Line "Rom 5, 15, I, 37. (1906). - 11) ^-^''^f^^^^^'^A Biochem! Ztsch., 26, 9 (1910). - 12) L. Gtignabd, Compt. rend., ///, 249, 920 (1890). 100 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. nachweis verwendete MiLLONsche Reaktion der Myrosinschlauchzellen bei erneueren keine Myrosinreaktion, sondern durch begleitende Kolloidstoffe veranlaßt, ebenso ist die von Wiesner (1) angewendete Reaktion des Gummifermentes mit Orcin ( HCl, oder die von Winkel (2) angegebene Reaktion von Enzymen mit Vanillin -p HCl auf eiweißartige Schutz- kolloide zu beziehen. Qualitative Reaktionen auf Enzyme selbst sind bisher nicht bekannt. Die kolloiden Eigenschaften von Enzymen bedingen öfters, daß länger dauerndes Schütteln der Lösungen Inaktivierung herbeiführt. Be- sonders bei proteolytischen Enzymen und Lab sind diese Erscheinungen beobachtet worden (3). Im Anschluß an die Kolloidchemie der Enzyme sei noch erwähnt, daß man wiederholt erfolgreich versucht hat, den Fortgang von p]nzym- reaktionen ultramikroskopisch zu verfolgen [Aggazzotti (4), Kreidl und Neumann (5)J. In einer Reihe von Fällen läßt sich ohne Schwierigkeiten ein fermentreiches Extrakt aus Pflanzenmaterialien gewinnen, welches selbst die bereits von den ersten Forschern auf diesem Gebiete (Payen und Persoz, Berthelot u. a.) verwendete Umfällung durch Alkohol ohne empfindliche Einbuße an Wirksamkeit aushält. Wittich (6) führte die seither so viel verwendete Methode ein, die erhaltene enzymreiche Alkoholfällung in konzentriertem Glycerin zu lösen, wodurch man recht haltbare Fermentlösungen gewinnt. Ist in dem zuerst gewonnenen Ex- trakt nicht so viel Enzym vorhanden, daß die Wirkungen mit der ge- wünschten Schnelligkeit eintreten, so kann man das Mitreißen der En- zyme durch Niederschläge nach Brücke (7), Loew(8), zur Gewinnung wirksamer Fraktionen benützen, oder man verwendet die adsorptive An- reicherring, wie sie bei proteolytischen Enzymen durch eingebrachte Fibrinflocken leicht erreicht wird [Wurtz, Neumeister (9)]. Aussalzen durch Ammoniumsulfat leistet bei nicht zu enzymarmen Lösungen oft sehr gute Dienste bei der Isolierung (10). Näheres über die Metlioden zur Enzymdarstellung wolle in den Sammelwerken über Enzymo- logie nachgesehen werden: die neueste Zusammenstellung rührt von Michaelis (11) her. Es wurde bereits erwähnt, daß alle Bemühungen, die chemische Zugehörigkeit der Enzyme aufzuklären, bisher erfolglos geblieben sind. Auch Schneidewind (12) mußte vor nicht langer Zeit bei seiner Be- arbeitung des Diastaseproblems bekennen, daß man unmöglich Beziehungen zwischen Stickstoffgehalt und Wirksamkeit der einzelnen Fraktionen er- kennen könne. Auch heute gilt noch der Satz, daß wir von den En- 1) J. Wiesner, Sitz.ber. Wien. Ak., 92, 40 (1885). — 2) M. Winckel, Naturf. Ges. (1904). 2, 1, 209. — 3) S. u. S. Schmidt-Nlelsen, Ztsch. physik. Chem., 6g, 547 (1909). A. O. Shaklee u. S. J. Meitzer, Amer. Journ. Physiol., 25, 81 (1909). M. Harlow u. P. Stiles, Journ. Biol. Chem., 6, 359 (1909). — 4) A. Aggazzotti, Ztsch. allgeni. Physiol., 7, 62 (1907). — 5) A. Kreidl u. A. Neumann, Zentr. Physiol. (1908), p. 133. — 6) v. Wittich, Pflüg. Arch., 2, 193 (1869); 3, 339 (1870). — 7) Brücke, Sitz.ber. Wien. Ak., 43, 601 (I86I). Cohnheim, Virch. Arch., 28, 242 (1863). Danilewski, Ebenda, 25, 279 (1862). — 8) O. Loew, Pflüg. Arch., 27, 203. — 9) A. Wurtz, Compt. rend., 93, 1104 (1881). R. Neumeister, Ztsch. Biolog., 30, 453 (1894). — 10) Vgl. Osborne u. Campbell, Ber. Chem. Ges., 2g, 1156 (1896). N. Krawkow, Journ. russ. phys. chem. Ges. (1887), /, 272. — 11) L. Michaelis, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., ///, 1, 1 (1910). — 12) W. ScHNEiDEWiND, Naturforsch. Ges. (1906), 2, 1, 173. § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 101 zymen kaum mehr als ihre Wirkung kennen; wie Bunge (1) mit Recht bemerkt, „hat die Fermente wahrscheinlich noch niemand gesehen". Eine weitere Schwierigkeit der Enzymforschung liegt darin, daß es häufig nicht gelingt, die Enzyme, etwa so wie Diastase, Invertin, Pepsin massenhaft aus dem Material in Lösung zu bringen. Solche Fälle haben zu der Vorstellung geführt, daß es „Enzj-mwirkungen des Plasmas" gibt, welche sich vom lebenden Protoplasma nicht abtrennen lassen. Wie sehr eine unvollkommene Methodik derartige Vorstellungen erzeugt, hat das Beispiel der Alkoholgärung drastisch vor Augen geführt. Nur eine möglichst vollkommene Zertrümmerung der Zellen und ein energisches Auspressen des Zellsaftes war, wie Buchners erfolgreiche Arbeiten er- wiesen haben, nötig, um die Existenz eines Alkoholgärungsenzyms zu erweisen. Seither sind auch Ansichten, wie jene die Enzyme als ,,lebend", als „Protoplasmasplitter" zu bezeichnen, als unhaltbare und unfrucht- bare Theorien aus dem Kreise der Forschung verschwunden. Hält man auch in jenen Fällen, in denen die fermentativen Vor- gänge in der Zelle sich vom Protoplasma experimentell chemisch nicht scheiden lassen, die exakt wissenschaftliche Ansicht fest, daß wir es hier mit unlöslichen, oder energisch adsorbierten katalytisch wirksamen Zell- kolloiden zu tun haben, so folgt daraus ohne weiteres, daß der Orga- nismus nicht nur leicht abzusondernde, oft auch aus lebenden Zellen reichlich herausdiffundierende Enzyme produziert, wie sie z. B. Pepsin, Trypsin, Invertin, Diastase darstellen, sondern auch Enzyme, welche dem Zellplasma fest anhaften und ihre W^irkung nur intracellulär entfalten können. Die ersteren Enzyme nennt man passend Sekretionsenzyme, die letzteren Endoenzyme oder intracelluläre Fermente. Schon Nasse(2) hatte die Verbreitung und die hohe Bedeutung der fermentativen Vor- gänge in der Zelle, sowie die Schwierigkeit, die hierbei in Betracht kommenden Fermente vom Plasma gesondert zu gewinnen, richtig er- kannt. In der modernen Biologie spielen, wie ein Blick auf die Dar- stellung der einschlägigen Verhältnisse von Vernon(3) zeigt, die Endo- enzyme eine außerordentlich wichtige Rolle. Beim Studium der Wir- kungen der Endoenzyme hat die Ausbildung der aseptischen Autolyse die größte methodische Bedeutung gewonnen. Man verzichtet auf die Abtrennung der Enzyme und hält den fein verteilten Organbrei oder Preßsaft bei strenger Abhaltung von Mikroben (4) und bei konstanter günstiger Temperatuj' mit den zu spaltenden Substanzen längere Zeit hindurch in Berührung. Allerdings hat diese Methodik den Nachteil, daß wir weder über die stoffliche Natur der Enzyme noch über deren Wirkungssphäre etwas Bestimmtes erfahren. Selbst für diese Enzyme bestehen keine zwingenden theoretischen Gründe, sie sämtlich als Ei- weißstoffe anzusehen, wenn es auch wahrscheinHch ist, daß die Zelle in 1) Bunge, Lehrb. d. physiol. Chem., 4. Aufl., p. 171 (1898). M. Arthus, Zentr. Physiol., w, 225 (1896), ging so weit, zu sagen, daß die Enzyme überhaupt keine Stoffe, sondern Eigenschaften seien. — 2) O. Nasse, Chem. Zentr. (1889). /, 440. — 3) H. M. Vernon, Ergebn. d. Physiol., 9, 138 (1910); Intracellulär En- zymes (London 1908). M. Jacoby, Ergebn. d. Physiol., /, 1, 21.3 (1902); Hof- meisters Beitr., 3, 446 (1903). A. Oswald. Biochem. Zentr., j, Nr. 12—13 (1905). Beteiligung von Endoenzymen am Energieverbrauch der Zelle: M. Rubner, Berlin. Akad (1912), p. 124. — 4) Dies geschieht seit den Arbeiten von A. Muntz, Ber. Chem. Ges., 8, 776 (1875). Boussingault, Agronomie, 6, 137 (1878), durch Chloro- formzusatz. E. Fischer schlug vor, To'iol anzuwenden. Koning, Chem. Zentr. (1900), //, 1279 und Beijerinck nennen das Absterben lebender Zellen unter Ver- nichtung des Plasmas und Erhaltenbleiben der Enzyme „Necrobiose". 102 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. ihrem reichen Proteidvorrat manche Katalysatoren enthält. Es ist aber ebenso möglich, daß es geradeso „Katalysatoren der lebenden Zelle" aus den verschiedensten Stoffklassen gibt, so wie auch inorganische Katalysatoren sehr heterogener Natur sind. Mit Baer(1) kann man die Wirkungen der Endoenzyme auf fremde zugesetzte Stoffe als Heterolyse von der Autolyse oder der Wirkung auf die eigenen Zellstoffe trennen. Wich- tige methodische Angaben über Preßsaftgewinnung, Nachweis von proteo- lytischen Endoenzymen bringen neuere Arbeiten von Buchner (2) und von Abderhalden (3). Angesichts der vielgestaltigen katalytiscben Wirkungen, welche be- sonders die Arbeiten der Schule Hofmeisters für den Haushalt der Zelle entrollt haben, dürfen wir mit großer Wahrscheinlichkeit an- nehmen, daß in der lebenden Zelle ein ganzes Arsenal von differenten Enzymen in Verwendung steht. Für die Leberzellen gelang es bis jetzt bereits die Koexistenz von 10—12 verschiedenen Endoenzymen sicher- zustellen. Für die Pflanzenzellen scheinen, wie die eigenen Erfahrungen des Verfassers über die Enzyme der Wurzelspitze lehren, analoge Ver- hältnisse zu erwarten zu sein. In reifen Bananen fand Bailey(4) sechs Enzyme; ebensoviele kommen nach Kammann (5) im Roggenpollen vor. Dox(6) fand in Penicillium Camemberti 11 Endoenzyme, in anderen Schimmelpilzen mindestens 14. Ein regulatorisch abgestuftes gleich- zeitiges Wirken aller dieser Enzyme liegt, wie schon Hofmeister aus- geführt hat, durchaus im Bereiche der Möglichkeit, und man braucht wohl kaum mit Schmidt-Nielsen (7) anzunehmen, daß diese Enzyin- wirkungen sich nur in zeitlichem Nacheinander abspielen können. Die Enzyme können, wie die autolytischen Versuche zeigen, das Leben der Zellen lange überdauern. White (8) hat gezeigt, daß sich die Fermente im ruhenden Samen mehrere Dezennien, viel länger als die Keimkraft, wirkungsfähig erhalten. Nach Sehrt (9) übt Mumienmuskel im Verein mit Pankreas auf Traubenzucker noch eine sehr bedeutende glucolytische Wir- kung aus. Ausblicke auf die stofflichen Eigenschaften der Enzyme eröffnet schließlich auch das Studium ihrer spezifischen Wirksamkeit. Es ist nicht immer leicht, angesichts der Vielgestaltigkeit gleichzeitig vor- handener Enzymwirkungen an lebendem oder Autolysenmaterial eine Entscheidung darüber zu treffen, ob mehrere und wie viele Einzel- wirkungen von einem einzigen Enzym ausgeübt werden. Infolge dieser Schwierigkeiten wissen wir z. B. heute noch nicht einmal, ob dasjenige, was wir „Diastase" oder „Tyrosinase" nennen, ein Einzelferment oder eine derzeit noch nicht getrennte Fermentkombination darstellt. Wo man, wie es Jacobson (10) bezüglich der Guajac-Reaktion von Diastase- präparaten gelang, direkt zeigen kann, daß das Präparat durch bestimmte 1) J. BaEr, München, med. Wochschr. (1906), Nr. 44. — 2) E. Buchner, Arch. f. Anat. u. Physiol. (1906), p. 548. — 3) E. Abderhalden u. H. Prings- HEIM, Ztech. physiol. Chem., 6s, 180 (1910). — 4) E. M. Bailey, Proceed. Amer. Sog. Biol. Chem. (1911), p. 43. — 5) O. Kammann, Biochera. Ztsch., 46, 160 (1912). — 6) A. W. Dox, Jourii. Biol. Chem.. ö, 461 (1909); U. S. Dept. Agric. (Washington 1910); The Plant World, 15, 40 (1912). — 7) S. Schmidt-Nielsen, Biochein. Zentr. (1903), Ref. Nr. 73. Enzymer og enzym virkninger (Stockholm 1905). — 8) J. White, Proceed. Roy. Soc. Lond. B, 81, 417 (1909). — 9) E. Sehrt, Berlin, klin. Woch.schr. (1904), Nr. 19. — 10) J. Jacobson, Ztsch. physiol. Chem.. 16, 340 (1892). Einen gegenteiligen Standpunkt vertritt J. Grüss, Biologie u. Capillaranaiyse d. Enzyme (Berlin 1912). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 103 Eingriffe die Fähigkeit verliert. Guajac-Emulsion zu bläuen, ohne daß seine stärkeverzuckernde Wirksamkeit gelitten hat, liegt es natürlich nahe, in dem ursprünglichen Präparate zwei koexistente Enzyme anzu- nehmen. Ebenso ergibt sich dieser Schluß, wenn (wie es gleichfalls bei der guajaebläuenden Wirkung und der diastatischen Wirkung beobachtet wird) von Präparaten aus einer Pflanzenart beiderlei Enzymeffekte ver- ursacht werden, während anderes Material die eine Wirkung (Guajac- bläuung) vermissen läßt und nur stark diastatisch wirkt. Armstrong (1) konnte die komplexe Natur des Mandelenzyms aus dem Nachweise erschließen, daß ein auf Mandelsäurenitrüglucosid (Pru- nasin) wirksames Enzym (Prunase) anderweitig verbreitet ist, welches auf das Amygdalin nicht wirkt. Letzteres wird durch die Amygdalase (die im Mandeleraulsiu neben Prunase enthalten sein muß) nur in Pru- nasin und Glucose gespalten, worauf das Prunasin durch das Prunase genannte Enzym weiter in CHN, Benzaldehyd und Glucose zerfällt. Unsere Anschauungen über die spezifische Wirksamkeit der Enzyme fußen jedoch vor allem auf den durch E. Fischer (2) sichergestellten Tatsachen hinsichtlich der strengen Spezialisation der Wirkungen bei Zuckerenzymen. Hier war es relativ leicht, Klarheit zu gewinnen, indem solche spezifische Enzyme bei Gärungspilzen oft ganz isoliert vorkommen und für manche Hefearten charakteristisch sein können. Nachdem in solchen Fällen die spaltbaren Zucker wie Saccharose, Maltose, Lactose nur stereochemische Verschiedenheiten aufweisen, liegt es nahe, an- gesichts der ausgeprägten Spezifikation der spaltenden Enzyme Invertin, Maltase, Lactase an Differenzen in der sterischen Konfiguration der Katalysatoren zu denken. Diesen Schluß hat E. Fischer durch das bekannt gewordene Bild illustriert, daß das Enzym ebenso zur spaltbaren Substanz passen müsse, wie ein Schlüssel zu einem Schlosse. Auf diesem Gebiete haben sodann Armstrong (3) und seine Mitarbeiter weitere Erfolge erzielt, indem sie nachwiesen, daß Fermente verschiedener Pro- venienz, die auf eine bestimmte Zuckerart gleich wirken, wie Mandel- lactase und Kefirlactase durchaus nicht identisch sein müssen. Da man die Wirkung der ersteren durch einen Zusatz von Glucose, die Wirkung der Kefirlactase aber nur durch Galactosezusatz verzögern kann, sind hier offenbar gleichfalls sterische Differenzen im Spiele, und man hat außer Lactasen vom Emulsintypus oder „Gluco-Lactasen" noch Lactasen vom Kefirtypus oder „Galacto-Lactasen" zu unterseheiden. Andererseits hat es sich herausgestellt, daß das Hefeinvertin und die Hefemaltase von dem in den Mandeln enthaltenen Enzym, welches das Amygdalin in Glucose und Amygdonitrilglucosid spaltet, verschieden ist. Auch dieses Mandelenzym (Amygdalase) muß daher sterische Eigentümlichkeiten zeigen, W^enn auch solche Feststellungen sehr dazu verleiten, jede Zucker- spaltung einem besonderen Enzym zuzuteilen, wie es tatsächlich derzeit meist geschieht, so halten manche Forscher wie Marino und Sericano (4) 1) H. E. Armstrong, E. F. Armstrong u. Horton, Proceed. Roy. Soc. B.. Ss, 359, 363, 370 (1912). — 2) E. Fischer, Ztsch. physiol. Chem., 26, 60 (1898); Ber, Chem. Ges., 27, 2985 (1894); 28, 1429 (1895). — 3) H. E. Arm^ trong u. E. F. Armstrong, Proceed. Roy. Soc. Lond. B., 79. 360 (1907). H. E. Armstrong u. W. H. Glover, Ebenda, B., 80, 312 (1908). Armstrong u. E. Horton, Ebenda, p. 321. E. f. Armstrong, Transact. Chem. Soc, 88, 1305 (1903); Proceed. Roy. Soc., 73, 516 (1904). R. J. Caldwell u. S. L. Courtauld, Ebenda. B., 79, 350 (1907). H. E. Armstrong u. Horton, Ebenda, 82, 349 (1910). — 4) L. Marino u. G. Sericano, Gaz. chim. ital., JT l, 45 (1907). 104 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. noch immer die Möglichkeit offen, daß es Enzyme von weiterem Wirkungs- kreis gibt. In der Tat begegnen wir auf dem Gebiete der proteolytischen Enzyme, wo, wie E. Fischers und Abderhaldens Untersuchungen ge- zeigt haben, die Komplexe der spaltbaren Polypeptide eine reichg Fülle von optisch aktiven stereoisomeren Komponenten enthalten, eigentlich nur Fermente von sehr weitem Wirkungsgebiete. Über die auf diesem Gebiete sehr wichtige polarimetrische Methodik wären Arbeiten von Abderhalden (1) und E. Fischer (2) zu vergleichen. Bourquelot(3) hat in zielbewußter Weise die spezifische Wirksamkeit bestimmter En- zyme zum Auffinden spaltbarer Stoffe in Pflanzen benützt. Weitergehende Spekulationen über die chemische Struktur der Enzym- molekel sind an der Hand der Erfahrungen über spezifische Wirksamkeit mehrfach angeknüpft worden, besonders seit die im nächsten Paragraph zu erwähnende EHRLiCHsche ,, Seitenkettentheorie" der Immunkörper und Toxine ein Muster für solche Betrachtungen abgab. So hat z. B. Walker (4) die komplexe Natur der Enzyme erörtert, und im Enzymmolekül einen spezifischen „Amboceptor" und ein nicht spezifisches „Komplement" an- genommen. Da wir aber spezifischer Wirkungsweise auch bei inorganischen Katalysatoren verschiedenfach begegnen und die Anpassung an ein be- stimmtes Substrat eigentUch nichts ist, was die Enzyme besonders auszeichnet, so müssen wir immerhin von vornherein die Wahrscheinlichkeit festhalten, daß die SpeziaUsierung auf sehr verschiedenen Momenten beruhen kann, und nicht durch eine einzige Theorie erklärt werden muß. AcHALME und Bresson (5) haben eine Methode angegeben, welche bei der Feststellung, ob einige gleichzeitig vorkommende Enzymreaktionen in einem Substrate von einem oder von mehreren Enzymen bewirkt werden, gute Dienste leisten kann. Man bringt eine nicht zu geringe Menge des enzymhaltigen Materials einmal mit jeder der spaltbaren Substanzen zu- sammen, sodann aber mit einem Gemenge dieser Substanz bei gleicher Temperatur, Acidität und Konzentration. Ist die Wirkung im zweiten Falle ungefähr die Summe der in dem ersten Versuch beobachtenden Einzel- wirkungen, so darf man mehrere koexistierende Fermente annehmen. Zur vorläufigen Orientierung über die SystemaCik der bisher bekannten Enzymwirkungen sei eine kurze Übersicht über dieselben hier angeschlossen, ohne eine vollständige Benennung aller bisher be- kannten Enzyme anzustreben. Hinsichtlich der Nomenklatur ist es wohl das rationellste mit Duclaux zur Benennung eines Enzyms den Wort- stamm der katalysierten Substanz mit der Endung ,,-ase" zu bilden. Jedoch ist es wohl kaum unbedingt geboten, altüberlieferte Namen, wie Invertin oder Pepsin, durch die Endung „-ase" auszuzeichnen. Lipp- mann (6) schlug vor, Doppelworte zu bilden aus dem katalysierten Stoff und dem Spaltungsprodukt, mit der Endung -ase darnach würde die Maltase z. B. eigentlich als „Malto-Glucase" zu bezeichnen sein usf. Für die wohl noch fragUchen synthetisch wirkenden Enzyme hat Euler (7) die Endung „-ese" vorgeschlagen, so daß sie sich durch den Namen von den spaltenden „-äsen" leicht unterscheiden. 1) E. Abderhalden u. L. Pincüssohn, Ztsch. physiol. Chem., 64, 100 (1910). — 2) E. Fischer, ßer. Chem. Ges., 44, 129 (1911). — 3) E. Bodrqüelot, Journ. Pharm. Chim., 15, I, 16; II, 378 (1907). — 4) E. W. Walker.. Journ. of Physiol.. jj, No. 6 (1906). — 5) P. AcHALME u. Bresson, Compt. rend., 151, 1369 (1910). — 6) Lippmann, Ber. Chem. Ges., 36, 331 (1903). — 7) H. Euler, Ztsch. physiol. Chem., 74, 13 (1911). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 105 Eine besondere Gruppe müssen jedenfalls alle jene Enzyme bilden, deren Wirkung nur in einer Hydrolyse unter Wasseraufnahme besteht. Oppenheimer hat für sie alle die Bezeichnung Hydrolasen geprägt. Man unterscheidet hier einfach Untergruppen nach dem Spaltungsmaterial. So gibt es zahh-eiche Enzyme, welche auf Kohlenhydrate einwirken (Carbo- hydrasen). Hierher zählen: Invertin oder Saccharase (Rohrzucker), Maltase (Maltose), Trehalase (Trehalose), Lactase (Milchzucker), Melibiase (Melibiose), Raffinase? (Raffinose), Melizitase (Melizitose), Ferner die Inulase (Inulin), Glykogenase (Glykogen), Amylase oder Diastase (Stärke zu Dextrin abbauend), Dextrinase (Dextrin in Mal- tose spaltend), Cytase oder Seminase (Reservecellulosen), Cellase (Cellulose), Pectase, Pectinase und Pectosinase (Pectiftstoffe). Viel- leicht gibt es Enzyme, welche bei Kohlenhydraten das Gegenteil der Hydro- lyse, eine Anhydrierung, bewirken, und in Lösungen Koagula von höheren Anhydriden erzeugen. Dies wäre Amylokoagulase, die auf löshche Stärke wirkt, und die noch fraghche Cytokoagulase, das Gegenstück der Cytase. Eventuell wären solche Koagulasen als eigene Gruppe den Hydrolasen gegenüber zu stellen. — Zu den hydrolysierenden Enzymen gehören sodann jene, welche auf verschiedene Glucoside einwirken, wie Emulsin (Amygda- hn), Prunase (Prunasin), Amygdalase (Amygdalin), Salicase (Sahein), Myrosin (Myronsäure), Rhamnase (Xanthorrhamnin), Erythrozym (Rubierythrinsäure), Gaultherase (Gaultheriaglucosid), Tannase (Gerb- stoffglucoside), Indoxylase oder Isatase (Indoxylglucosid), Hadroraase (Ester in verholzten Zellmembranen). — Die Chlorophyllase spaltet AJkylester des Chlorophyllids (Willstätter). Eine weitere besondere biologische Gruppe bilden die Enzyme, welche Neutralfette und Phos- phatide (Lecithin) spalten (Lipasen). Phytase spaltet Inosit-Phosphor- säureester oder Phytin. — Die letzte Gruppe endhch wird durch die Amidasen oder Desamidasen dargestellt, welche auf amid- oder imidartige Körper unter Wasseraufnahme, eventuell Ammoniakabspaltung einwirken. Hierher rechnen wir vor allem die eiweißspaltenden Enzyme oder Proteasen, welche die Eigenschaft haben, die imidartige Verkettung der Aminosäurereste in Polypeptiden, Peptonen, Proteosen und Eiweißkörpern unter Wasser- aufnahme unter Bildung freier komplexer oder einfacher Aminosäuren zu lösen; z. B. bei dem aus zwei Glykokollresten bestehenden Glycylglycin : CH2NH2 . CO . NHCH, . COOK +U^0=2 (CH2NH2 • COOH) Die pepsinartigen Eiweißfermente spalten Proteide rasch bis zu Pep- tonen und hefern höchstens geringe Mengen freier Aminosäuren ; die Erep- sin artigen Fermente oder Peptasen wirken nur auf Proteosen (Albumosen) und Polypeptide ein; die Trypsine spalten sehr verschiedene Proteide rasch unter reichlicher Bildung einfacher Aminosäuren auf; Chymosin oder Lab wirkt schwach hydrolytisch auf Milchcasein unter Bildung von Koagula einer unlöshchen Kalkprotein Verbindung; die Nucleasen spalten Nucleine und Nucleinsäuren. Weitere Amidasen wirken auf Säureamide ein und spalten freies Ammoniak ab. Hierher gehört auch die auf Harn- stoff wirkende Urease, und die Arginin spaltende Arginase. Eine zweite Hauptgruppe von Enzymen formieren wir aus allen jenen, welche Kohlensäure ohne Oxydationsvorgänge aus verschiedenen Säuren, Zuckern, Phenolen abspalten. Carboxylasen wirken auf die Carboxylgruppe von Säuren, z. B. auf Brenztraubensäure und Oxymaleinsäure ein [Neu- berg (1)J. Hierher gehören vielleicht auch die „Carbonasen" von Palla- 1) C. Neuberg u. L. Karczag, Biochem. Ztech., 36, 68, 76 (1911). 106 Zweites Kapitel: Die cheraisohen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. DIN (1). Lactacidase spaltet Milchsäure in Äthylalkohol (oder Acet- aldehyd ?) und COj. — Auch die Zymase der Alkoholgärung läßt sich wohl in diese Gruppe einreihen, ferner das von Hahn in Arumkolben entdeckte COg abspaltende Enzym; endHch wohl auch die auf Tyrosin einwirkenden Tyrosinasen, welche überdies Ammoniak abzuspalten scheinen. Eine noch wenig geklärte Enzymgruppe formiert aus Zucker ver- schiedene Säuren ohne COj-Abspaltung. Hierher rechne ich die Lac- tolase oder das Enzym der Miichsäuregärung, das von Kobert (2) an- gegebene Formizyra, welches aus Zucker Ameisensäure abspaltet, die Glucacetase, welche Zucker unter Bildung von Essigsäure zerlegt. Sodann vereinigen wir die Oxydationsenzyme oder Oxydasen zu einer Gruppe. Sie umfassen außerordentlich mannigfaltige Erscheinungen. Alkoholasen oxydieren Alkohole zu Aldehyden oder zu Säuren, wie das Enzym der Essigbakterien; Aldehydasen büden Säuren aus Al- dehyden; die Purinoxydasen oxydieren Purinbasen wie Adenin, Guanin, Xanthin, Hypoxanthin und Harnsäure; Phenolasen wirken auf mehr- wertige Phenole. Auch die Oxydation inorganischer Verbindungen, wie Wasserstoff, Ammoniak, Nitrite, Schwefel, Ferrosalze wird in den Zellen von Pflanzen katalysiert. Schließlich ist die Gruppe der Peroxydasen hier zu erwähnen. Die Umlagerung von Aldehyden nach Cannizzaro wird von Mutase katalysiert. Endlich werden wir reduzierende Enzyme oder Hydrogenasen zu unterscheiden haben, deren Wirkung wesentlich in Anlagerung von Wasserstoff besteht. Das noch fragliche „Philothion" bildet aus Schwefel Schwefelwasserstoff. — Anschließend kann man die auf Peroxyde wirk- samen Enzyme behandeln, wozu die weitverbreitete Katalase gehört, welche die Reaktion HjOj = HgO n- ^ (Og) katalysiert. Temperatureinflüsse. Wie so viele andere Kolloide, so sind auch die Enzyme gegen längere Zeit hindurch einwirkende höhere Temperaturen in wässeriger Lösung sehr empfindlich. Die Hefezymase geht sogar bei Zimmertemperatur ziemlich rasch, noch schneller bei Brutofentemperatur zugrunde. Oberhalb 60 '^ C verlieren die meisten Enzyme mehr oder weniger rasch an Wirksamkeit. Temperaturen nahe an 100° vernichten die Enzyme gewöhnlich sehr sehnell; konzentrierte Lösungen sind viel beständiger. In exsiccator-trockenem Zustande ver- tragen Enzyme, wie Hüfner und Hueppe(3) fanden, viel höhere Tem- peraturen als 100 ^ doch zeigen sie eine deutliche Schwächung ihrer Wirksamkeit, wenn man sie nachher in Lösung bringt (Hysteresis). Es ist wohl nicht nötig, besondere EigentümUchkeiten des chemischen Aufbaues, labile Strukturen usw. anzunehmen, wie es manche Forscher <0. LoEW, Euler) zur Erklärung der thermolabilen Eigenschaften der En- zyme tun. Die kolloiden Eigenschaften machen die beobachteten Tatsachen bisher völÜg verständÜch. Sehr deuthch tritt der Einfluß von Schutz- 1) Palladin, Ber. Botan. Ges. (1905), p. 240; (1906), p. 97; Ztsch. physiol. ehem., 47, 407 ("1906). — 2) R. Kobert, Pflüg. Ärch., 99, ]16 (1903). — 3) Hüf- ner, Journ. prakt. Chem., 17; Pflüg. Arch., 40. F. Hdeppe, Chem. Zentr. (1881), p. 745; auch^E. Salkowski, Virch. Arch., 70, 7^ */, p. 552; Ber. Chem Ges., 14, 114 (1881). Über Sehwächung von Enzymwirkungeu durch höhere Temperaturen ist noch zu vergleichen E. Bourquelot, Ann. Inst. Pasteur, /, 337 (1887) (Diastaae). Cl. Fermi u.. L. Pernossi, Zentr. f. Bakt., 15, 2?9 (1894). M. Beuerinck, Ztsch. physik. Chem.. 36, 508 (1901), f. Indigoferment. § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 107 kolloiden beim Erhitzen von Enzymlösungen hervor. So wird Diastase erheblich abgeschwächt, wenn sie in reinem Wasser gelöst, auf 63*^ C erwärmt wird, nicht aber bei Gegenwart von Stärkekleister (1 ). Dasselbe gilt für In- vertin, welches sich nach O'Sullivan und Thompson (2) verschieden resistent zeigt, wenn man es mit Zucker oder ohne Zucker höheren Tempe- raturen aussetzt. Setzt man die Enzymwirkung bei 15" gleich 100, so erhält man (nach Duclaux Umrechnung) die Werte: ohne Zucker .... 100 91,7 76,5 30,0 20,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 mit Zucker 100 100 100 100 100 100 100 88 34 0,0 Temperatur 15« 35» 40« 45« 50« 55« 60« 65» 70« 75« Je reiner die Enzympräparate sind, desto stärker äußert sich ihre Thermolabilität. Daß absichthcher Zusatz von Kolloiden die Temperatur- schädigung vermindert, erfuhr auch E. W. Schmidt (3) am Trypsin. Merk- würdig ist es, daß man das Trypsin in konzentriertem Glycerin gelöst bis auf 292« C erhitzen kann, ohne daß es zerstört wird. Jodlbauer (4) stellte durch besondere Versuche fest, daß Sauerstoffwirkungen bei der Thermo- labiUtät von Enzymen nicht als ursächUches Moment in Betracht kommen. Von Interesse ist die Beobachtung von W. Gramer und Bearn (5), daß das bei 50—60« C inaktivierte Pepsin die Fähigkeit hat, eine wirksame nicht erhitzt gewesene Pepsinlösung stark zu hemmen. Pepsin, welches auf 100« C erhitzt war, besaß die gleiche Wirkung nicht. Aufzuklären bleibt die Angabe von Gramenitzki (6), wonach Takadiastase bei Temperaturen unter 100« C ver- nichtet wird, hingegen bei 100« C ihre Fermenteigenschaften regeneriert und so resistent wird. Den Einfluß der Vorwärmung auf die Wirkung der Urease illustriert Miquel(7) durch folgende Zahlen; die Vorwärmung auf x« dauerte je 21/2 Stunden, worauf bei 49« die binnen 2 Stunden auf 4 % Harnstofflösung entfaltete Wirkung festgestellt wurde. Temperatur der Vorwärmung . . 14« 40« 46,5« 51,5« Umgesetzter Harnstoff in g. . . 13,9 13,3 12,7 6,4 Bei 10 Minuten Vorwärmung auf 64« 66^^ 70« 75« wurde umgesetzt an Harnstoff in g . . . • 13,6 6,1 3,6 0,0 Selmi(8) hat gezeigt, daß schon unter dem Eispunkt eine Wirkung von Emulsin auf Amygdahn nach 1-2 Stunden nachgewiesen werden kann. Auch Müller-Thurgaü (9) fand noch bei 0« deutüche Diastase- wirkung. Bis 20« stieg die Wirkung auf das 5 fache, von da bis 40« aber auf das 20 fache. Hefeinvertin bildete in 1 Stunde in 20 %iger Rohrzucker - iösung folgende Mengen Invertzucker bei steigender Temperatur (10): 1) Hierzu E. K. Morris u. T. A. Glendinnino, Journ. Chera Soc. (1892), / 689 Die Angabe, daß die Wirksamkeit von Invertin auf Reürzuckerlosung durch Vorwärmen auf 40-43° gesteigert wird (Henri u. Pozerski), hat S. P. Beere Amer. Journ. Physiol., 7. 295 (1902) nicht bestätigen köiinen. - 2) ^ SüU.iVAN "•Thomp- son (vgl. Duclaux, 1. c. p. 186), Journ. Chem. Soc. (1890), p. 8S4. - 3) E W. ScHÜik Ztsch. physiol. ehem., 67, 314 (1910). - 4) A. Jodlbauer Biochem. Ztfich., 3, 483 (1907). - 5) W. Gramer u A.R. Bearn. Proceed Physiol See. (1906), p. 36; Journ. of Physiol., 34 (1906 5 Biochem. Journ., 2. 174 (190.). — 6)T' J^ Gramenitzki, Ztsch. physioLGhem.,ö, 286 (1910). -7^^^ Micrograph., 7, 895. - 8) F. Selmi, Mon.t. sc.ent.f. (3), //, 54 (1881)^ Nach dAr- soNvS, C. r Soc. Bio!., 44, 808 (1892) w rd Invertm erst bei -100» C unwirk- sam; -50« C schädigen noch nicht - 9) H. Muller-ThüRGAU, Landw. Jahrb., 14,195 (1885). — 10) Effront, Diastasen, p. 62. 108 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganifimus. 00 50 100 150 20» 30» 40" bO^ 60« Invertzucker in g . . - 0,05 0,11 0,18 0,35 0,40 1,65 2,20 2,21 Kjeldahl (1 ) fand bei 15 Minuten langer Einwirkung von Malz- diastase auf Stärkekleister folgende Werte für die Reduktionskraft: Temperatur 18,5« 35« 54« 63« 66,5« 68« 70« Reduktionskraft .... 17,5 40,5 41,5 42 34 29 18 Als Einfluß der Vorwärmung fanden Kjeldahl und Bourquelot bei Diastase, daß die Dextrinbildung gesteigert, aber die Maltosebildung herabgesetzt wird. Erhitzte man Malzaufguß 10 Minuten lang auf 63« I ( Maltose 63 % Dextrin 37 % 68« \ so erhielt man ] „ 65 % „ 65 % 70« J l „ 17,4 % „ 82,6 % Diese Erfahrung spricht zu gunsten der Ansicht, daß die Diastase kein einheitliches Enzym ist. Die Enzymwirkungen zeigen ein ausgesprochenes ..Tempeiatnr- optimum", welches zwischen 40—60'' C zu liegen pflegt. Eine Zu- sammenstellung einer Reihe diesbezüglicher Resultate ist bei Duclaux (2) zu finden. Das Optimum schwankt übrigens selbst bei Enzymen der- selben Species (Invertin aus Ober- und Unterhefe; Pepsin von Warm- und Kaltblütern) bezüglich der Höhenlage. Das Vorhandensein eines Temperaturoptimums ist nichts Charakteristisches für die Enzym- wirkungen; Ernst (3) hat auch für die Knallgaskatalyse des Platinsol ein Temperaturoptimum konstatieren können. Das Temperatviroptimum der Enzymwirkungen bildet sich offenbar durch Superposition zweiei- Vor- gänge, der Steigerung des Enzymzerfalls (Enzymverminderung) und der Geschwindigkeitszunahme der Enzymreaktion mit zunehmender Tempe- ratur heraus. Sobald der Effekt der Enzymzerstörung so bedeutend ist, daß er durch den Effekt der Reaktionsgeschwindigkeitszunahme nicht mehr gedeckt werden kann, tritt der Wendepunkt der Kurve ein und das Optimum der Enzymwirkung ist überschritten (4). Eine experi- mentelle Stütze finden wir hierbei auch in den Feststellungen Tam- MANNs(5) über die Abhängigkeit des Endpunktes der Emulsin - Amyg- dalinkatalyse von der Temperatur. Die Reaktion ist bei keiner Tempe- ratur vollständig. Bei niederen Temperaturen dauert es länger, ehe der Endzustand erreicht ist, es wird bei kleiner Anfangsgeschwindigkeit begonnen und die Wirkung längere Zeit fortgesetzt. Bei höheren Tempe- raturen ist die Anfangsgeschwindigkeit größer, das Geschwindigkeits- maximum wird bald erreicht und es erfolgt rasch ein Abfall. Man kommt praktisch mit der Enzymwirkung am weitesten, wenn man bei niederer Temperatur und mit größeren Enzymmengen arbeitet. Will man in kurzer Zeit möglichst hohen Umsatz erzielen, so ist die Anwendung höherer Temperatur zu empfehlen. Durch den Einfluß der Vorwärmung ist es übrigens leicht ver- ständlich, daß bei Angaben über die Lage des Temperaturoptimums die Zeitdauer des Versuches beigefügt werden muß, da für kürzere Zeiten ein höheres Optimum herauskommen muß. In der Tat fanden Bertrand 1) Zit. nach Effeont, 1. c. p. 118. — 2) Duclaux, 1. c. p. 180. — 3) Ernst, Ztßch. physik. Chem., 37, 476 (1901). — 4) Vgl. die graphische Darstellung bei Duclaux, 1. c. p. 194. — 5) Tammann, Ztsch. physik. Chem., j8, 426 (1895). § 5. Allgemeine Chemie der Ertzyme. 109 und Compton(I), daß die Optima für Emulsin und Cellase für 15 Stunden bei 40*^ resp. 46 '^ liegen, während für eine Versuchsdauer von 2 Stunden öS*' und 56 ^ als Optima bestimmt wurden. Bei 100 ** spaltet Trypsin momentan Gelatine (Schmidt 1. c). Daß sich gewisse Unterschiede hinsichtlich der Temperaturwirkung zwischen inorganischen Katalysen und Enzymreaktionen finden können, wie sie Henri (2) hinsichtlich der Rohrzucker-Säurespaltung und der In- vertinwirkung beobachtet hat, kann kaum überraschen. Lichtwirkungen auf Enzyme. Während zerstreutes Tageslicht Enzymlösungen meist nur unbedeutend in ihrer Wirksamkeit herabsetzt, kann man durch intensive Sonnenstrahlen oder dur^h konzentriertes elektrisches Licht stets schon in kurzer Zeit die Enzyme stark inakti- vieren. Lab verliert von konzentriertem elektrischen Licht bestrahlt binnen 15 Minuten 95 7o seiner Wirksamkeit [Schmidt-Nielsen (3)], nach DucLAUX soll Invertin sogar noch im Dunkeln geschädigt werden, wenn man das Ferment in einer vorher belichteten Flüssigkeit auflöst. Über- einstimmend haben zahlreiche Untersuchungen(4) ergeben, daß der Haupt- anteil dieser Inaktivierung auf Rechnung der ultravioletten Strahlen zu setzen ist. Nach Schmidt-Nielsen (5) bringen die sichtbaren Strahlen nur 0,3 % des Inaktivierungseffektes bei Lab hervor, und 96 7o der Wirkung werden durch Strahlen von 220—250 fifx Wellenlänge aus- geübt. Übrigens werden die einzelnen Enzyme vielleicht in ungleichem Maße inaktiviert, da Chauchard und Mazoue(6) fanden, daß ultra- violettes Licht auf Diastase stärker wirkt als auf Invertin. Die schönen Untersuchungen von Jodlbaüer und H. v. Tappeiner (7) haben mit Bestimmtheit eine Differenz in der Wirkung des ultraviolettfreien Lichtes und der ultravioletten Strahlen herausgefunden. Ultraviolett- freies Licht ist nämlich nicht imstande ohne Sauerstoffzutritt zu inakti- vieren, so daß hier gewiß Oxydationsprozesse anzunehmen sind. Fluores- cierende Farbstoffe wie Methylenblau oder Eosin verstäjken die Wirkung ultraviolettfreien Lichtes außerordentlich, aber nur bei Gegenwart von Sauerstoff. Invertin in V2000 Mol Eosin gelöst verliert in Sonnenlicht binnen 10 Minuten 80% seiner Wirkung, nach 40 Minuten sind 97% inaktiviert. Im Ultraviolett fehlen beide Eigentümlichkeiten der Wir- kung: sowohl die Mitwirkung des Sauerstoffes bei der Inaktivierung als auch die photodynamische Wirkung fluorescierender Farbstoffe. Inter- essant ist es, daß bei Peroxydase und Katalase, wßlche schon durch zerstreutes Tageslicht relativ energisch inaktiviert werden, die Wirkung fluorescierender Stoffe nicht sehr ausgesprochen auftritt. Nach Schmidt-Nielsen folgt die Inaktivierung von Lab durch Licht dem Gesetze der unimolekularen Reaktionen. 1) G. Bertrand u. A. Compton, Compt. rend., 152, 1518 (1911). — 2) V. Henri, C. r. Soc. Biol., 70, 926 (1911). - 3) S. Schmidt-Nielsen, Hofmeisters Beitr.. 8, 481 (1906). - 4) Duclaux, Trait^, 2, 221 (1899). JR. Green Phil. Trans., 188, 167 (1897). E. Hertel, Ztsch. allgem. Phy.siol., 4, ^28 (1904). 1^. A. Went, Rec. trav. bot. N^erland, /, 106 (1904). H. Agulhon, Compt rend. 152, 398 (1911). L. Marino u. G. Sericano, Gaz. chim. ital., 35, H, 407 (lyob). — 5) S. Schmidt-Nielsen, Ztsch. physiol. Chem., 58, 233 (1908). - 6) A. Chauchard u. Mazoue. Compt. read., 152, 1709 (1911). C. Delezenne u. KLis^bonne Ebenda, ISS 788 (1912) — 7) H. v. TAppetner, Ber. Chem. Ges., jö, 3035 (1903). A. Jodl- BAÜER u^ H. V. Tappeiner, Arch. klin. Med., 85, 386 (1905); *;. 373 (1906) Tap- peiner, Naturforsch. Ges. (1906). 2, 2, 412. ErgebD. d. Physiol.. 8, 698 (1909). E. W. Schmidt, Ztsch. phystol. Chem.. 67, 321 (1910). H. Agulhon, Compt. rend., 153, 979 (1911). 110 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Der Einfluß von Radium-Emanation auf Enzymwirkungen ist in einer Reihe von Arbeiten (1) studiert worden, ohne daß sich prägnante Resultate ergeben hätten. Schwache Hemmung der Fermentreaktionen wird von den meisten Autoren angegeben, doch soll nach Loewenthal und Wohlge- mute (2) diese Hemmung nur vorübörgehend sein und sich innerhalb 24 Stun- den allmählich ausgleichen. Röntgenstrahlen scheinen ohne jeden Einfluß auf Enzyme zu sein (3). Hinsichthch des Einflusses von Elektrizität auf Enzyme be- richtet IscovESCO (4), daß ein konstanter Strom von 0,3—0,9 Volt und 1 — 14 Milh- Ampere Katalase bereits zerstört. Nach KuDO (5) liegt die Grenze bei 4 Milli- Ampere. Wechselstrom und Teslästrom waren ohne Effekt. Chemische Hemmungen der Enzymwirkungen: Paralysa- toren, Enzymgifte, Antikatalysatoren. Man hat hier zweierlei Wirkungen zu unterscheiden. Einmal kann eine Substanz ihre hindernde Wirkung ^dadurch entfalten, daß sie die Löslichkeit des Enzyms beein- flußt und außerdem das Enzym langsam in seinem kolloiden Zustand ändert (denaturiert). Da Enzymlösungen sich wie lyophile Kolloide ver- halten, werden solche Wirkungen erst durch größere Mengen der be- treffenden Stoffe (Neutralsalze, Alkohol) zu erzielen sein. Andere Sub- stanzen hingegen hemmen aber schon in ganz minimalen Konzentrationen sehr stark oder heben die Enzymwirkung selbst ganz auf. In bezug auf Alkoholzusatz verhalten sich Enzymlösungen recht verschieden. Diastase soll noch in 20 7oigem Alkohol wirken. Nach Dastre (6) ist eine Reihe von Enzymen noch in 50— 60 böigem Alkohol löslich, jedoch dürfte hier die Wirkung stets stark herabgesetzt sein. Auffallend resistent gegen Alkohol ist die Chlorophyllase, welche nach den Angaben Willstätters (7) noch in 80 ^oigeoi Alkohol stark auf das natürliche Chlorophyll ein- wirkt, bei 92 "/o jedoch schon intensiv gehemmt wird. Unter den als „Enzymgiften" bekannten Substanzen, wie Queck- silberchlorid, SHg, Blausäure, Hydroxylamin, Formaldehyd, Phenol sind interessanter Weise nicht wenige, welche auch auf inorganische Katalysa- toren, besonders auf das BREDiGsche Platinsol, intensiv einwirken. Man kann daher z. B. die Abschwächung der Enzymwirkungen durch Blau- säure heute nicht mehr als charakteristisches Merkmal der Fermente auffasseh, wie es Schaer(8) einst getan hatte. Die Wasserstoffsuper- oxydkatalyse ist gegen Blausäure besonders empfindlich. Daß die Eiweiß fällenden Stoffe wie Seh wer metallsalze, stärkere Säuren und Basen leicht zu Störungen der Enzymwirkungen führen, ist 1) V. Henri u. A. Mayer, C. r. See. Biol., 50, 230 (1904). S. Schmidt- NrELSEN, Hofmeisters Beitr., 6, 175 (1904). E. G. Willcock, Journ. of Physiol., 34, 207 (1906). K. V. KöRÖSY, Püüg. Arch., 137, 123 (1910). — 2) S. Loewen- thal u. J. WoHLGEMUTH, Biochem. Ztsch., 21, 476 (1909). — 3) P. F. Richter u. H. Gerhartz, Berlin, klin. Woch.schr. a908), p. 13. H. Gtjnther, Sitz.ber. natur- hist. Ver. Rheinlande 1910, /, 11 (1911). H. Meyer u. Fr. Bering, Fortsehr. Röntg.-Strahl., /;, 33 (1911). — 4) IscovESCO, C. r. See. Biol., 67, 197, 292 (1909). Ältere Literatur bei Duclaux, 1. c. p. 216. — 5) T. KuDO, Biochem. Ztsch., /ö, 233 (1909). — 6) A. Dastre, Compt. rend., 121, 899 (1895). Th. Bokorny, Zentr. Bakt. II (1901), p. 851. W. Schneidewind, Meyer u. Munter, Landw. Jahrb., 35, 911 (1907). B. ScHÖNDORFF u. C. VicTOROW, Pflüg. Arch., 116, 495 (1907). — 7) R. WiLLSTÄTTER, Licbigs Ann., 378, 18 (1910). — 8) E. Schaer, Chem. Zentr. (1891), /, 671. Vgl. auch Fiechter, Diss. (Basel 1875). Jacobson, Ztsch. physiol. Chem., 16, 367 (1892). R. Raudnitz, Ztsch. f. Biol., 42, 100 (1901). § 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 111 verständlich. Wie H ata (1 )gezeigt hat, braucht aber die Fällung durch Schwer- metallsalze nicht das Enzym direkt zu betreffen, sondern es kann unverän- dertes Enzym durch Subhmatniederschläge in dem eiweißhaltigen Miüeu mit niedergerissen werden, ohne selbst verändert zu werden. Dadurch erklärt es sich, daß zur Inaktivierung von Pepsin, Trypsin und Lab viel mehr SubU- mat nötig ist als bei Diastase oder Katalase, welche bereits durch sehr kleine HgClg- Konzentrationen geschädigt werden. Auch kann man durch Zusatz von Kaliumcyanid die Fermente nach der Subhmatfällung innerhalb ge- wisser Grenzen reaktivieren, bei eiweißarmen Medien auch durch Kalium- sulfid. Metallkolloide, die Eiweiß als Schutzmittel enthalten, wirken nach PiNCUSSOHN (2) auf Trypsin und Pepsin hemmend, während man durch Sole, die durch elektrische Zerstäubung hergestellt wurden, immer nur stimulierenden Einfluß beobachtet. Die Säurekonzentration, welche die Enzymtätigkeit bei Hefe hindert, hegt nach Drabble und Scott (3) bei etwa Vio Mol pro Liter für die starken Mineralsäuren. Borsäure wird über- einstimmend als wirkungslos bezeichnet (4). Daten über Hemmung durch Alkahen bei Diastase lieferte Quinan (5). Jod wirkt ausgesprochen hemmend. Während Hydroperoxyd nicht allgemein als Enzymparalysator gelten kann(6), wirkt Ozon auf verschiedene Enzyme kräftig hemmend ein (7). Arsenite haben nach Buchner (8) eine inkonstante Hemmungswirkung auf Zymase. Angaben über die hemmende Wirkung von Neutralsalzen auf Enzyme finden sich bei Cole (9) und bezügUch Katalase bei Santesson (1 0) ; die Grenze Hegt bei Katalase bei "/k, Salzlösung. Kalksalze hemmen öfters ausgesprochen (11). Größere Mengen von Chloroform haben entschieden hemmenden Einfluß auf Enzyme (12), und Vandevelde(13) empfiehlt des- wegen als ein Mittel, welches wohl die Flüssigkeit steril hält, jedoch die Enzyme nicht schädigt, eine Lösung von Jodoform in Aceton als Zusatz. Formaldehyd hemmt Enzyme schon in Spuren; von Acetaldehyd muß man nach Bourquelot und Danjou(14) aber bereits 10% zusetzen, um Emulsinwirkung zu hemmen, während 10 % Chloralhydrat noch so gut wie gar nicht wirkt. Auch andere Hypnotica (Hedonal, Veronal), sowie Anti- pyrin und Pyramidon scheinen Enzymreaktionen sehr wenig zu beein- flussen (1 5). Hemmung durch Alkaloide [Nicotin (1 6), Chinin (1 7)] ist mehrfach bekannt geworden, ebenso hemmen auch manche Anilinfarbstoffe (18). Doch bedarf dieses ganze empirische Material dringend einer umfassenden Neu- bearbeitung vom Standpunkte der modernen Kolloidchemie. Eine der besten Arbeiten, die bisher vor hegen, hat Senter(19) über die Beeinflussung 1) S. Hata, Biochem. Ztsch., /;, 156 (1909). — 2) L. Pincussohn, Biochem. Ztsch., 40, 307 (1912). — 3) E. Drabble u. D. G. Scott, Biochem. Journ., 2, 340 (1907). — 4) Vgl. R. A. Gripps, Chem. Zentr. (1897), //, 500. H. Agüi-hon, Compt. rend., 148, 1340 (1909); Ann. Inst. Pasteur, 24, 495 (1909). — 5) C. Quinan, Journ. Biol. Chem. 6, 53 (1909). — 6) Vgl. A, J. Vandevelde, Hofmeisters Beitr., 5, 558 (1904). L. E. Walbum, Berlin, klin. Woch.schr. (1911), Nr. 43. — 7) W. Sigmund, Zentr. f. Bakt. II, 14, 400 (1905). — 8) E. Buchner u. R. Rapp, Ber. Chem. Ges., 31, 209 (1898). — 9) S. W. Cole, Journ. of Physiol., 30, 202; 281 (1903). — 10) C. G. Santesson, Skand. Arch. Physiol., 23, 99 (1909). — 11) W. V. Moraczewski, Pflüg. Arch., 6$, 32 (1897). Bourquelot u. Herissey, C. r. Soc. Biol., S5, 176 (1903). — 12) Fokker, Zentr. f. med. Wiss. (1891),- p. 454 Dübs, Vircli. Arch., 134, 519 (1893). — 13) A. J. Vandevelde, Biochem. Ztsch., j, 315 (1907); 40, 1 (1912). — 14) E. Bourquelot u. E. Danjou, C r. Soc. Biol., (23. Nov. 1906). — 15) J. Tysebaert, Ann. et Bull. Soc. Roy. Sei. m4d, et natur. (Bruxelles 1911), p. 189. — 16) P. Morat, C r. Soc. Biol. (1893), p. 116, für In- vertin und Emulsin. — 17) E. Laqueür, Arch.-exp. Pathol., 55, 240 (1906). M. GoNNERMANN, Pflüg. Aich., 103, 225 (1904). Brown u. Neilsün, Zentr. Physiol. (1905), p. 468. — 18) S. Mereshowsky, Zentr. Bakt. II, //, 33 (1903). — 19) G. Senter, Proceed. Roy. Soc. Lond., 74, 201 (1904). 112 Zweites Kapitel: Die cheraischeu Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. der Katalasewirkung (Blutkatalase oder Hämase) geliefert. Wie eine etwa vorkommende Reaktivierung oder „Erholung" eines Enzyms nach der „Ver- giftung" aufzufassen ist, lehren die erwähnten Feststellungen Hatas über Sublimatwii-kung. Daß solche Reaktivierungen nach Applikation geringer Giftmengen besonders leicht durch Zerstörung des Paralysators geschehen können, braucht keine besondere Darlegung zu erfahren. Alle erwähnten Enzymparalysatoren sind nicht spezifisch und nur selten gegen hohe Temperaturen empfindlich. Die biologischen Er- fahrungen haben uns jedoch zahlreiche von der lebenden Zelle erzeugte Paralysatoren kennen gelehrt, welche streng spezifisch ein bestimmtes Enzym inaktivieren, ebenso wie die Enzyme selbst in minimalen Mengen wirksam sind, und ausgeprägt thermolabilen Charakter haben. Hildb- brandt(I) hat zuerst beobachtet, daß nach intravenöser Injektion von Mandelemulsinlösung nach einiger Zeit das Blutserum des betreffenden Versuchstieres die Fähigkeit ge\vann, im Reagensglase die Emulsin- wirkung energisch zu hemmen. Morgenroth (2) stellte dasselbe Ver- halten für das Serum nach Injektion von Labferment fest. Seit dieser Zeit haben außerordentlich zahlreiche Untersuchungen ergeben, daß fast alle tierischen und pflanzlichen Enzyme die Eigenschaft haben, die Bil- dung eines Anti-Enzyms, wie man diese Stoffe seither nennt, zu er- regen. Nur für die Katalase ist es bisher nicht gelungen, die Antigen- Reaktionen im Tierkörper zu erhalten (3). Dasjenige was Battelli und Stern (4) als „Antikatalase" beschrieben haben, sollte nach diesen Autoren selb&t nur einen in verschiedenen tierischen Geweben vorkommenden Hemmungskörper bezeichnen, nicht aber das Antiferment der Katalase. Doch wird es sich empfehlen den Namen von „Antienzymen" für die wirk- lichen AntiStoffe von Fermenten zu reservieren, wie sie nach Einverleibung von Enzymen in die Blutbahn entstehen und alle anderen Hemmungs- vorgänge davon zu trennen. So möchte ich weder die erwähnte „Anti- katalase" als Antienzym gelten lassen, noch die von Porter (5) ent- deckten Hemmungskörper, welche in Gegenwart von Kollodiummembranen aus Enzymen entstehen und letztere inaktivieren, noch die beim Er- hitzen von Pepsinlösungen entstehenden inaktivierenden Substanzen (6), noch endlich auch die von Buchner (7) studierte „Antiprotease" aus Hefepreßsaft, welche die Zymase gegen das gleichzeitig anwesende tryp- tische Enzym schützt. Alles dies sind keine typischen Antienzyme. Hingegen kommen zweifellos typische Antikörper für Enzyme oder An ti- fermente auch im normalen Stoffwechsel von Tieren und Pflanzen vor, wo sie wichtige regulatorische Funktionen im Stoffwechsel zu erfüllen haben. Das zuerst aufgefundene Antiferment im normalen Stoffwechsel war das von mir (8) im Gewebssafte geotropisch gereizter Wurzelspitzen eruierte Antienzym, welches die fermentative Oxydation der aus dem Tyrosin 1) H. Hildebrandt, Virch. Arch., /j/, 5 (1893). — 2) J. Morgenroth, Zentr. f. Bakt. I, 26, 349 (1899); «7, 721 (1900). Autilab: Hedin, Ztsch. physiol. ehem., ^^, 229 (1912). — 3) H. de Waele u. Vandevelde, Biochem. Ztsch., p, 264 (1908). — 4) F. Battelli u. L. Stern, Ebenda, /o, 27.5 (1908). — 5) A. E. Porter, Quart. Journ. exp. Physiol., j, 375 (1910); Biochem Ztsch., 25, 301 (1910). — 6) Vgl. O. Mohr, Woch.schr. f. Brauerei, 22, 501 (1905). S. G. Hedin, Ztsch. physiol. Chera., 76, 355 (1912), erhielt einen das arteigene Lab spezifisch hemmenden Stoff durch Behandlung des Magenschleimhautextraktes mit schwachem Ammoniak. — 7) E. Buchner u. H. Hahn. Biochem. Ztsch , 26, 171 (1910). — 8) F. Czapek, Ber. Bot. Ges., 20, 464 (1902); 2/, IV (1903). 5. Allgemeine Chemie der Enzyme. 113 hervorgehenden silberreduzierenden Substanzen hemmt. Diese Antioxydasen sind spezifisch wirksam und wirken nur bei systematisch nahestehenden Pflanzenarten wechselseitig auf die Oxydasen ein; Mais-Antioxydase wirkt jedoch z. B. auf Lupinus-Oxydase nicht ein. Bei 62** C wird wohl die Anti- oxydase unwirksam, jedoch nicht die Oxydase. Es läßt sich daher die Anti- enzymwirkung in Gemischen durch Erwärmen auf 62® aufheben. Wein- land (1) hat hierauf ein Antitrypsin in den darmbewohnenden Spul- würmern aufgefunden, und im Blutserum kommt, wie man nun weiß, gleichfalls normal ein Antiferment des Trypsins vor. Schon der Umstand, daß beim Erhitzen eines inaktiven Enzym- Anti- enzymgemisches die Enzymwirkung wieder regeneriert werden kann, be- weist uns, daß die Enzyme in der Antifermentreaktion nicht zerstört werden. Hedin (2) hat weiter die interessante Tatsache festgestellt, daß man wohl Antitrypsin durch eine hinreichende Menge von Trypsin vollständig ab- sättigen kann, daß es jedoch unmöglich ist, Trypsin, selbst mit dem größten Überschuß von Antitrypsin vollkommen unwirksam zu machen. Eine Proportionahtät der Quantität und der Wirkung des Antitrypsins besteht nicht; kleine Mengen des Antifermentes machen relativ mehr Trypsin in- aktiv als große Mengen. Daß gewisse Analogien mit Adsorptionsprozessen bei den Antifermentreaktionen anzunehmen sind, läßt sich nicht leugnen. Ähnhch wie das Antienzym durch Erhitzen früher zerstört wird als das ge- bundente Enzym, wirken nach Hedin und nach Jacoby(3) auch Säuren stärker auf das Antienzym ein, und man kann das Enzym auch auf diese Weise reakti- vieren. Nach Min AMI (4) kann man sowohl durch Schütteln als durch Er- wärmen Enzyme so verändern, daß die Enzymfunktion weniger leidet als das Bindungsvermögen für Serum. Daß Antienzyme synthetische Wirkungen haben, wie Beitzke und Neuberg (5) vom Antiemulsin angaben, hat sich nicht bestätigt, und ist im Sinne unserer Auffassung der Antienzyme auch nicht anzunehmen. Chemische Stoffe als Förderer von Enzymwirkungen: Zynioexcitatoren, Hilfstoffe. — Es ist eine alte Erfahrung der Enzymologie, daß viele Enzymwirkungen durch nicht zu große Mengen zugesetzter Säure lebhaft gefördert werden. Für Diastase wurde dies schon 1882 durch Detmer(6) dargetan, für Invertin durch Kjeldahl, O'SuLLiVAN und Thompson. Daß bei der Pepsinverdauung die freie Säure wesentlich mitspielt, ist altbekannt und neuere Untersuchungen von Berg und Gies(7) haben erwiesen, daß das Wasserstoffion hierbei die Hauptrolle spielt, während die Säureanionen nur wenig in Betracht kommen. Die verschiedenen Säuren entsprechen in ihrer Wirksamkeit voll- ständig ihrer Affinitätskonstante. So kommt es, daß auch Kohlensäure unter höherem Drucke wie Müller-Thurgau fand, die Diastasewirkung erheb- lich zu fördern vermag (8). Da die Messung der Wasserstoffionenkonzen- 1) Weinland, Ztsch. Biol., 44, 1. 45 (1902); 45, 119 (1903). J. M. Hamill, Jonrn. of Physiol., 33, 479 (1906). — 2) S. G. Hedin, ßiochem. Journ., /, 474, 483 (1906). — 3) M. Jacoby, Biochem. Ztsch., 34, 485 (1911). — 4) D. Minami, Ebenda, 39 75 (1912) — 5) H. Beitzke u. C. Neuberg, Virch. Arch., 183, 169 (1906); Ztsch. Immun.-Forscbg., 1,2, 645(1909). A. F. Coca, Ebenda,!, 2, 1 (1909). W. M. Bayliss, Journ. Physiol., 43, 455 (1912). — 6) W. Detmer, Ztsch. physiol. Chem., 7, 1 (1882). Pflanzen physiol. Untersuch, üb. Fermentbildung (Jena 1884). — 7) W. N. Berg n. W. J. GiES, Zentr. Physiol. (1906), p. 615. G. Bertrand u. Rosen- BLATT, Compt. rend., 153, 1515 (1911). — 8) Vgl. auch M. Baswitz, Ber. Chem. Ges., //, 1443 (1878). Czapek, Biochemie der Pflanzen. 3. Aufl. o 114 Zweites Kapitel: Die ciiemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismua. tration bei enzymatischen Prozessen demnach von großer Bedeutung ist, so ist es wichtig, daß wir durch die planmäßigen und genauen Versuche Sören- SENS(1) über die Mögüchkeit der Anwendung bestimmter Farbstoffindi- catoren zu diesem Zwecke genauen Aufschluß über diesen Faktor erhalten haben. Die Empfindhchkeit der Enzyme gegen die oberen Grenzkonzen- trationen der Säuren ist verschieden. In anderen Fällen wirkt ein geringer Gehalt der Lösung an Hydroxyüonen günstig auf die Enzymwirkung, wie bei Trypsinen aus dem Pflanzen- und Tierreiche. Jacobson erhielt für die H202-Kataly8e durch Mandelenzym folgende Wirkungen bei Zusatz ver- schieden starker Kahlösung: Kaümenge 1 1 1111 5? 130 7Ö 4Ö 3Ö 25 ''°™''' "^"Ö Zur Entwicklung von 170 ccm Sauerstoff erforderhche Zeit 30' 3' 6' 15' 30' viel mehr als 30 Minuten. Es sei daran erinnert, daß sich ganz ähnüche Resultate bezügüch der fördernden Wirkung von schwach alkahscher Reaktion für die Superoxyd- katalyse durch Platinsol (Bredig) ergeben haben. Auch Salze sind als „Zymoexcitatoren" bekannt Nach Herissey(2) fördert 1,5 % NaFl die Hydrolyse der Reservekohlenhydrate durch die Cytase der Leguminosensamen. Manche Fermente, wie die Leberdiastase (3), scheinen ohne Neutralsalzgegenwart überhaupt unwirksam zu sein. Man kann dieses Enzym, sowie Pankreasferment durch Dialyse unwirksam machen und durch Zusatz von Chloriden wieder aktivieren. Nach Bierry(4) wirken aber Pflanzenamylase, tierische Lactase und Emulsin, sowie Hefe-Invertin auch im ausdialysierten Zustande ohne Gegenwart von Chloriden. Nach Starkenstein (5) besteht ein Proportionalitätsverhältnis zwischen der zur Aktivierung nötigen Salzmenge und der vorhandenen Enzymmenge, so daß man aus der ersteren Rückschlüsse auf den Enzym- gehalt ziehen kann. Über die Aktivierung des Pankreassaftes durch Salze, besonders Kalksalze, existiert eine reiche Literatur (6). Sowie für die inorganischen Oxydationskatalysen vielfach Förderung durch Schwer- metallsalze beobachtet worden ist, so ist auch für Enzymkatalysen eine Reihe derartiger Angaben vorhanden, insbesonders die Förderung durch Mangansalze bei den Oxydasen [Bertrand (7)J. Manche hierher ge- hörige Angabisn, wie insbesonders jene Sacharoffs(8) über die Rolle des Eisens bei Enzymreaktionen, sind durchaus problematischer Natur. Armstrong (9) beobachtete eine Förderung der enzymatischen Glucosid- spaltung (Blausäurebildung) in Prünusblättern unter dem Einflüsse von Narkoticis. Nach Centanni(IO) haben Lipoide einen befördernden Ein- 1) S. P. L. SöRENSEN, Biochem. Ztsch., si, 131, 201; 22, 352 (1909); Compt. rend. Lab. Carlsberg, 8, 1, 396 (1909). — 2) Herissey, Compt. rend., 143, 49 (1901). — 3) E. Stabkenstein, Biochem. Ztsch., 24, 210 Ü910). — 4) H. Bierry, Biochem. Ztsch., 40, 357 (1912). — 5) E. Starkenstein, Ebenda, 47, 300 (1912). — 6) Vgl. Larguier des Bancels, Compt. rend., 141, 144 (1905). C. Delezenne, Ebenda, p. 781 (1905). E. ZuNZ, Biochem. Zentr., 5, 69, 225 (1906). —7) Bertrand, Compt rend., 124, 1032, 1355 (1897). — 8) N. Sacharoff, Das Eisen als das tätige Prinzip der Enzyme (Jena 1902). — 9) H. E. Armstrong u. E. Fr. Armstrong, Proceed. Roy. Soc. Lond. B., 82, 588 (1910). — 10) E. Centanni, Biochem. Ztsch., 2g, 389 (1910). G. Satta u. Fasiani, Giorn: Accad. Med. Torino, 73, 285 (1912). § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. 115 fluß auf die Wirkung der Leberdiastase. In manchen Fällen ist man noch durchaus im Unklaren, worauf man beobachtete fördernde Wir- kungen zurückführen soll. So wird nach Pavy und Bywaters(I) die Invertinwirkung durch Zusatz von Hefeabkochung gefordert, und Büch- ner (2) sah die Zymase der Hefe durch gekochten Hefepreßsaft aktiviert werden. In dem letzteren Falle handelt es sich vielleicht um organische Phosphorverbindungen. Die Aktivierung von Enzymen kann aber auch durch thermolabile Antiferment erzeugende Stoffe von völligem Enzymcharakter bedingt werden. Man nennt diese merkwürdigen biologischen Aktivatoren Kinasen oder Kofermente. Pawlov^ hat zuerst gezeigt, daß frischer reiner Pan- kreassaft nicht tryptisch wirkt, sondern erst durch ein in der Duodenal- schleimhaut enthaltenes Enzym aktiviert wird, welches den Namen „Enterokinase" erhalten hat Hingegen ist der durch Bayliss und Starling(3) aufgefundene, die Pankreassekretion anregende Stoff, das Sekretin, keine enzymartige Substanz und von der Enterokinase durch- aus verschieden. Für solche thermostabile, oft krystalloide Stoffe, welche Enzym Wirkungen fördern und häufig für die chemischen Regulationen im Organismus große Bedeutung haben, hat man die Bezeichnung Hor- mone gewählt. Kinasen sind auch bereits im Pflanzenreiche nachgewiesen. Dele- ZENNE und Mouton(4) fanden, daß Extrakte aus Amanita inaktiven Pankreassaft kräftig aktivieren. Nach Malfitano(5) besteht auch das proteolytische Enzym der Milzbrandbacillen aus inaktivem Trypsin und Kinase. Die aus früherer Zeit stammenden Angaben über „künstliche Darstel- lung" von Enzymen aus anderen Eiweißstoffen sind wohl sämtlich teils aus der Beimengung kleiner Enzymmengen, die au andere Kolloide adsorbiert waren, teils durch Bacterienwirkung zu erklären. Hierzu zählt die „künst- liche Diastase" von Reychler und Selmi (6), die Bildung von glucolytischem Enzym aus Diastase [(Li:PiNE (7),] und auch die beim Schüttehi von Eiweiß auftretenden tryptischen Wirkungen, die Chalf^jeff (8) angab. Die künst- liche Herstellung wahrer Enzyme ist bisher noch nicht gelungen. § 6. Enzyme, Fortsetzung: Kinetik der Enzymreaktionen. Die moderne Enzymforschung geht von der heute wahrschein- lichsten Anschauung aus, daß die Enzymreaktionei in ihren wesentlichen Merkmalen mit katalytischen Reaktionen übereinstimmen, und sucht von diesem Standpunkte alle Probleme der Enzymkinetik zu erklären, Ver- gleichen wir inorganische Katalysen mit Enzymreaktionen, so haben wir uns zunächst zu fragen, ob die Hauptmerkmale katalytischer Vorgänge hier wiedergefunden werden: 1. Die energische Wirkung kleiner Mengen des Katalysators, dessen Quantität gleichbleibt, wenn nicht nebenher 1) F. W. Pavy u. H. W. Bywaters, Journ. of Physiol., 41, 168 (1910). — 2) E. Buchner u. H. Haehn, Biochem. Ztsch., 19, 191 (1909). — 3) Bayliss u. Starling, Journ. of Physiol., 28, Nr. 5 (1902); 29, Nr. 2 (1903); 30, Nr. l (1904). Vgl. auch W. H. HowELL, Science, 31, 93 (1910). — 4) Delezenne u. Mouton, C. r. Soc. Biol., S5, 27 (1903); 56, 166 (1904); Compt. rend., 136, 167 (1903). — 5) Malfitano, Compt. rend., 136, 964 (1903). — 6) Selmi, Ber. Chem. Ges., 15, 386 (1882). — 7) Lepine widerlegt durch O. Nasse u. F. Framm, Pflüg. Arch., 63, 203 (1896). — 8) Chalfejeff, Zent*. f. Phvsiol. (1901), p. 200. 116 Zweites Kapitel: Die chemiechen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. verlaufende Reaktionen einen Teil der Substanz zerstören. 2. Die Tat- sache, daß der Katalysator die Reaktion nur beschleunigt und nicht ur- sächlich bedingt 3. Die Giltigkeit des Massenwirkungsgesetzes in der Reaktion und im endlich erreichten Gleichgewichte, wozu auch die Er- füllung der theoretischen Forderung gehört, daß der Katalysator die von ihm beherrschte Reaktion nach beiden Richtungen beschleunigen kann. Schon bei dem Studium des ersten isolierten Enzyms, der Malzdiastase, nahmen Payen und Persoz wahr, daß ein Teil ihres Diastasepräparates 2000 Teile Stärke umzuwandeln vermochte. Später dargestellte Enzym- präparate waren noch bedeutend wirksam. O'Sullivans Invertin wirkt noch im Verhältnis 1 : 200 000; Hammarstens Labpräparat 1 : 800 000; Tammanns Mandelemulsin im Verhältnis 1 : 25 000. Es wirken demnach auch noch ganz minimale Mengen in nachweis- barem Grade. Brücke hat zuerst für die Fibrinproteolyse durch Magen- pepsin festgestellt, daß die Reaktion durch Verwendung größerer Enzym- mengen namhaft beschleunigt wird. Alle folgenden Experimentalunter- suchungen haben dies für die verschiedensten Enzyme bestätigt. Kjeldahl hat gezeigt, daß es nicht auf die absolute Menge des vorhandenen Enzyms ankommt, sondern auf die Enzymkonzentration. Dieselbe Enzymmenge wirkt in verdünnter Lösung langsamer als in konzentrierterer Lösung (bis 12 %) auf die gleiche Menge Maltose ein. Bei der Fermentdosierung wäre es natürhch fehlerhaft, gewogene Mengen fester Präparate zu vergleichen, nach- dem der aktive Stoff in keinem bestimmten Verhältnisse zur Menge des Rohpräparates zu stehen braucht (1). Beim Vergleiche der Wirkung verschiedener Enzymkonzentrationen hat man sich an den Grundsatz zu halten, die zu gleichem Umsätze in verschiedenen Versuchen erforderlichen Zeiträume zu messen, was leider in vielen vorhandenen Untersuchungen nicht beachtet worden ist. Für zahlreiche Fälle ist behauptet worden, daß Enzymkonzentration und Wirkung miteinander in proportionalem Verhältnisse stehen. Durch neuere Untersuchungen weiß man jedoch, daß diese Beziehung angenähert ntu* für geringe Enzymkonzentrationen gilt. Nach Duclaux (2) existiert für das Labenzym ein derartiges Wirkungsgesetz, und es gilt auch für das Invertin, wie früher bereits Kjeldahl, Ad. Mayer (3), sowie O'Sul- LiVAN und Thompson angenommen hatten. Für Invertin gilt Proportionahtät nur so lange, bis 10—20 % des Rohrzuckers hydrolysiert sind, und nur für sehr kleine Enzymmengen. Für Diastase war Proportionahtät zwischen Enzymkonzentration und Wirkung schon von Paschutin (4) angegeben, und sie ist später durch die schöne Arbeit Kjeldahls genau bekannt ge- worden. Als Beispiel für das Ansteigen der Wirkung mit vermehrter Enzym- menge diene folgender Versuch Kjeldahls: Malzauszug in com 1 Gebildete Maltose mg 0,1 Auf der Erfahrung, daß bei der Einwirkung von verschiedenen Mengen desselben Malzextraktes auf eine bestimmte gleiche Menge einer Stärke- lösung bei bestimmter Temperatur die Reduktionskraft des Substrates proportional der Malzauszugsmenge ist, hat Kjeldahl seine bekannte Methode der Diastasebestimmung begründet. Dabei darf das Reduktions- 3 5 10 15 20 30 0,31 0,49 0,82 1,1 1,1 i;2 1) Vgl. hierzu J. Duclaux, Compt. rend., 143, 344 (1906). — 2) J. Duclaux, 1. c.p. 162. — 3) Ad. Mayer, Enzymologie (1882). — 4) Paschutin. Dubois' Arch. (1871), p. 359. § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. 117 vermögen von 100 g Trockensubstanz nicht größer sein, als das Reduktions vermögen von 30 g Traubenzucker oder 45 g Maltose. Nach A. Meyer (1) arbeitet man am sichersten bei 60°. Medwedew(2) fand bei der Unter- suchung der Leberaldehydase die Oxydationsgeschwindigkeit von Salicyl- aldehyd ebenfalls der Fermentkonzentration proportional, Kastle und Loevenhart (3) dehnten diese Beziehung auch auf das Gebiet der Lipaseu aus, und bezüglich der Katalasen kann dasselbe berichtet werden. Wir erinnern uns, daß eine Proportionahtät zwischen Menge von inorganischen Katalysatoren und dem Effekt gleichfalls verbreitet aufgefunden worden ist. Nun haben E. Schütz, Borissow und J. Schütz (4) schon 1885 für die Pepsinwirkung ein ganz anderes Abhängigkeitsgesetz zwischen Ferment- menge und Wirkung aufgedeckt, welches außerhalb des Gebietes der Enzym- lehre bisher nii'gends beobachtet worden ist, bei den Enzymen aber, wie wir auf Grund unserer heutigen Erfahrung sagen können, jedoch eine sehr weitgehende Gültigkeit besitzt. Die ScHÜTZsche Regel sagt, daß die in einer bestimmten Zeit umgesetzte Substanzmenge innerhalb gewisser Grenzen der Quadratwurzel der wirksamen Fermentmenge proportional ist. Nach Mett kann man dieses Gesetz für das Pepsin sehr anschaulich zeigen, indem man mit festem Eiweiß gefüllte Capillaren in verschieden konzentrierte Pepsinlösungen bringt und den Fortgang des Abschmelzens vergleichend feststellt. Auch in neuester Zeit hat Grützner (5), wenn er auch für Pepsin und Trypsin das einfache Proportionalitätsgesetz als maßgebend ansieht wieder bestätigt, daß während einer gewissen Zeit die ScHÜTZsche Regel zutrifft. Daß nun dieses eigenartige Abhängigkeitsverhältnis nicht etwa eine spezielle Eigenart der Enzymwirkungen berührt, sondern vom reaktions- kinetischen Standpunkte aus ohne weiteres verständhch ist, geht insbe- sondere aus den von Arrhenius (6) gegebenen Darlegungen hervor. Alle Erfahrungen bezügüch der SCHÜTZschen Regel sprechen dahin, daß sie nur so lange gilt, als erst ein sehr kleiner Teil des Reaktionsmaterials umgesetzt ist, also nur im Beginn der Reaktion, so lange die Gesamtmenge der rea- gierenden Stoffe annähernd unverändert bleiben. Nun kann man aus der — dx k^ 1 ScHÜTZschen Regel x = k /t die Beziehung ableiten "17" "^^ — ' ^- '^• die Reaktionsgeschwindigkeit ist indirekt proportional der umgesetzten Substanzmenge. Dies ist offenbar dasselbe als wenn wir die wirksame Menge eines der reagierenden Stoffe der Menge von Reaktionsprodukten x indirekt proportional setzen. Arrhenius hat nun darauf aufmerksam gemacht, daß ein solcher Fall tatsächlich bei Verseif ungen von Estern durch Ammoniak vorliegt, wo im Anfang der Reaktion die wirksame Menge der OH-Ionen indirekt proportional sein muß der Menge der NH^-Ionen des entstehenden Ammoniumfettsäuresalzes. Bei der Pepsinwirkung wird das Pepsin von den entstehenden Peptonen größtenteils gebunden, und es gilt die Beziehung Pepsin X Peptone = k (gebundenes Pepsin). Es ist also die Pepsinmenge den Reaktionsprodukten (Pepton) umgekehrt proportional. 1) A. Meyer, Stärkekörner (Jena 1895), p. 65. — 2) A. Medwedew. Pflüg. Arch., 65, 249 (1896). — 3) Kastle u. Loevenhart, Amer. Chem. Journ., 24, 491 (1900). — 4) E. Schütz, Ztsch. physiol. Chem., 9, 577 (1885). Borissow, zit. bei SsAMOiLOW, Arch. Scienc. Biol., 2, 705. J. Schütz, Ztsch. physiol. Chem., 30, 1 (1900). — 5) P. V. Grützner, Pflüg. Arch., 141, 63 (1911). A. Palladin. Ebenda, 134, 337 (1911). Über das Proportionalitätsgesetz bei d. tryptischen Caseinvfirdauung ferner S. G. Hedin, Ztsch. physiol. Chem., 57, 468 (1908); 64, 82 (1910). Sind Hemmungskörper zugegen, so versagt das Enzymzeitgesetz oft völlig. — 6) Sv. Arrhenius, Medd. Nobel Inst., /, Nr. 9 (1908). H. Euler, Ergebn. d. Physiol., 9, 251 (1910). 118 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Für manche Fälle, wie für das Pepsin in den Untersuchungen von Brücke (1) hat sich die bei so vielen Katalysen nachgewiesene Eigenschaft, daß sich die wirksame Katalysatormenge während der Reaktion nicht ändert, ohne weiteres auch auf dem Gebiete der Enzyme konstatieren lassen. Doch hat bereits O'Sullivan (2) für das Hefeinvertin und Tammann(3) für das Mandelemulsin überzeugend nachgewiesen, daß diese Enzyme während der Reaktion allmählich unwirksam werden, und die Reaktion daher bei keiner Temperatur vollständig beendet werden kann. Analoge Erfahrungen wurden später sehr häufig gesammelt. Dieser Verlust an Ferment kann natürhch sehr verschiedenen Ursachen entstammen. Für das Lab haben Reichel und Spiro (4), sowie Fuld und Pincussohn (5) hinreichend dar- getan, daß der Fermentverlust durch die Aufteilung des Enzyms zwischen Lösung und Eiweißniederschlag (Adsorptionsbindung) völhg erklärt werden kann. In anderen Fällen aber werden die Enzyme, wie besonders Tammann ausgeführt hat, in Nebenreaktionen allmähUch unwirksam gemacht, nie jedoch in der Hauptreaktion, in welcher das Enzym als Katalysator wirkt. Das Unwirksamwerden erfolgt um so schneller, je höher die Temperatur ist. Übrigens büßt Emulsin selbst bei der Aufbewahrung als Trocken- präparat in längerer Zeit beträchtlich an Wirksainkeit ein. Worin der Verlust an Wirksamkeit besteht, konnte für das \<3mulsin nicht festgestellt werden. Man hat die vorzeitige Beendigung der F aaktion durch Zugrunde- gehen des Enzyms in Nebenreaktionen als „falsches Gleichgewicht" be- zeichnet. Analoge Erscheinungen wurden übrigens durch Bredig auch bei der Knallgaskatalyse durch Platinsol und der HgOg-Katalyse durch Silber- sol nachgewiesen. Bei Tammann finden sich auch interessante Beobachtungen über die Gesetze der Geschwindigkeit des Enzymzerfalles. LiCHTWiTZ(6) bezeichnet als „Fermentlähmung" eine Schwächung der Invertinwirkung lebender Hefe durch Invertzucker, die nach Entfernung des Invertzuckers bestehen bleibt. Worin dieser Einfluß begründet ist, läßt sich den Angaben nicht entnehmen. Die Lage des „falschen Gleichgewichtes" kann bei verschiedenen Enzymen und verschiedenen Versuchsbedingungen mehr oder weniger weit vom idealen Endzustande der vollständigen Spaltung entfernt hegen. Beim Emulsin war es schon Liebig und Wöhler(7) aufgefallen, wie entfernt die Wirkung auf das AmygdaUn von einer vollständigen Spaltung bleibt. Hingegen gab Piria (8) an, daß Sahein durch Emulsin vollständig gespalten wird. Labenzym spaltet das Casein, Invertin die Saccharose wenigstens bei höheren Temperaturen praktisch vollständig. Auch bei der tryptischen Verdauung fanden Kutscher (9) und andere Forscher selbst die letzten Reste der Albumosen in Aminosäuren aufgespalten. Weniger weit geht die Stärkehydrolyse durch Diastase. Nun ist aber nach den Erfahrungen Tammanns(IO) die Enzymzer- störung nicht die einzige Ursache einer gefundenen Lage des falschen Gleich- gewichtes. Einmal hängt der Endzustand von der Temperatur ab. Eine bei niederer Temperatur zum Stillstande gelangte Emulsinkatalyse kann 1) E.Brücke, Sitz.ber. Wien. Ak.,j7, 131. — 2) O'Sullivan, Journ.Chem.Soc. (1890). /, 834 — 3) G. Tammann, Ztsch. physik. Chem., i8, 426 (1895). — 4) H. Feichel n. K. Spiro, Hofmeisters Beitr., 6, 68 (1904); 7, 479 (1906). — 5) E. ZuLD u. L. Pincussohn, Biochem. Ztsch., 9, 318 (1908). — 6) L. Lichtwitz, Rtsch. physiol. Chem., 78, 128 (1912). — 7) Liebig u. Wöhler, Lieb. Ann., 22, 19 (1837). — 8) Piria, Lieb. Ann., 56, 36 (1845). — 9) Kutscher, Die Endprodukte der Trypsin Verdauung (Straßburg 1899). — 10) Tammann, Ztsch. physik. Chem,, j, 25 (1889); Ztsch. physiol. Chem., 16, 271 (1892). § €. Kinetik der Enzymreaktionen. 119 man durch Temperaturerhöhung wieder in Gang bringen und bis zu dem der neuen Temperatur entsprechenden neuen „falschen Gleichgewichte" wieder fortsetzen. Tammann fand ferner, daß bei Vermehrung der Amygdaünmenge bei derselben Enzymquantität die absolute Menge der Amygdaünspaltungsprodukte größer ist. So wurden gespalten von 0,51 g Amygdahn 0,11 g, von 1,02 g 0,15 g, von 2,04 g 0,24 g. Die relativen Mengen der Spaltungsstoffe sind geringer, wenn mehr Amygdalin verwendet wird. Setzt man Amygdalin zu einer bereits im Endzustande befindlichen Lösung zu, so kommt die Reaktion neuerlich in Gang. Von Interesse ist ferner, daß das Ausäthern der Spaltungsprodukte bei der Glucosidkatalyse des Emulsins das falsche Gleichgewicht ebenfalls verschiebt und die Reaktion sehr merklich der Vollständigkeit näher bringt. Andererseits kann man durch absichtUchen Zusatz von Spaltungsprodukten ein früheres Eintreten eines falschen Endzustandes erzielen. Für die Alkoholgärung wurde bereits durch BoussiNGAULT (1 ) gezeigt, daß Entfernung der bereits gebildeten Kohlen- säure- und Alkoholmengen den Reaktionsfortgang stark befördert. Hier- her zählen ferner die biologischen Beobachtungen von Pfeffer und Han- STEEN über die Endospermentleerung von Samen und jene von Saposch- KIKOFF über die Stärkeentleerung der Laubblätter. Der Einfluß der Spaltungsprodukte auf die Enzymwirkung erfährt auch eine wirksame Illustration durch die Beobachtung Tammanns, daß Emulsin nach Er- reichung des falschen Gleichgewichtes in Amygdahnlösung auf SaUcin noch einzuwirken imstande ist. Endüch läßt sich das Gleichgewicht durch Verdünnen der Lösung nachträglich verschieben. Legen schon diese Tatsachen in Verbindung mit den oben erwähnten Feststellungen, daß Enzymreaktionen auch durch Vermehrung der Enzjrm- menge weiter getrieben werden können, die Erwägung nahe, daß das Enzym selbst, und zwar in umkehrbarer Weise, an den „falschen Gleichgewichten" beteiligt ist, so kann man diese Auffassung um so mehr vertreten, wenn man berücksichtigt, daß die Kohlenhydratenzyme streng spezifisch durch Glucose, Galactose und Fructose gehemmt werden. Armstrong (2) hat gezeigt, daß Lactase durch Galactose, Emulsin durch Glucose, Maltase ebenso durch Glucose, Invertin aber durch Fructosezusatz gehemmt wird. Ein derartig spezifischer Einfluß der Reaktionsprodukte ist kaum anders verständhch als durch die Annahme, daß bei Herstellung des falschen Gleichgewichtes eine Bindung des Enzyms an eines der Reaktionsprodukte, den sterischen Verhältnissen des Enzyms entsprechend, erfolgt. Substratkonzentration und die Geschwindigkeit der Enzymreaktionen. ~ Die großen Analogien der Enzymwirkungen mit inorganischen Katalysen forderten schon seit längerer Zeit dazu auf, das Zeitgesetz der Enzym Wirkungen näher festzustellen. 0 'Süllivan und Thompson (1890), die zu den ersten Forschern gehörten, welche sich auf diesem wichtigen Gebiete betätigten, entschlossen sich auf Grund ihrer Erfahrungen über den Verlauf der Invertinspaltung des Rohr- zuckers zu der Annahme, daß das Geschwindigkeitsgese ' dieser Reak- tion völlig den von Wilhelmy für die Säurekatalyse des Rohrzuckers festgestellten Beziehungen entspreche. Diese Ansicht sti^ß jedoch lange Zeit auf fast allseitigen Widerspruch. Duclaüx(3), Tammann und 1) BoussiNGAULT, Compt. rend., 9/, 373 (1880). Einfluß tryptischer Verdauun^- produkte auf Trypsinwirkung: E. H. Waltebs, Journ. Biol. Chem., 12, 43 (1912). — 2) E. Fr. Armstrong, Proceed. Roy. Soc, 73, 516 (1904). — 3) E. Duclaüx, Ann, Inst. Pasteur, 12, 196 (1898). Tammann, Ztsch. physik. Chem., 3, 33 (1889). 120 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. später besonders Henri (1) haben energisch bestritten, daß die Invertin- wirkung auf Rohrzucker den Charakter einer unimolekularen Reaktion besitzt. Nach Henri könnte man bei Enzymreaktionen überhaupt nie- mals an solche einfache Beziehungen denken, und müßte sich darauf be- schränken, die Reaktionsgesetze durch empirische Formeln möglichst annähernd auszudrücken. Nun war gerade die Invertinkatalyse ein in- struktiver Fall dafür, wie die Eliminierung eines unbeachtet gebliebenen Einflusses auf den Reaktionsverlauf mit einem Schlage klaren Sachverhalt schafft. Die Invertin Wirkung ist nämlich tatsächlich eine unimole- kulare Reaktion, wenn man die Mutarotation der entstehenden Glucose vor der Polarisation durch Zusatz von etwas Alkali aufhebt (2). Die Invertin -Rohrzuckerspaltung liefert dann gut stimmende Werte für 1 a k = — In . In neuerer Zeit haben sich noch weitere sichere Fälle t a— X ergeben, in welchen Enzymreaktionen durch die unimolekulare Formel dar- gestellt werden können. Ein sehr gutes Beispiel haben Katalasen ver- schiedener Herkunft in den Untersuchungen von Senter und Euler (3) geliefert. Nach Bach (4) folgt auch die Tyrosinasewirkung unstreitig dem- selben Gesetz. Es sind sodann verschiedene Fälle bekannt, in welchen fett- spaltende Enzyme dem unimolekularen Wirkungsgesetze entsprechen, und selbst für Kohlenhydratenzyme (Mandelemulsin nach Hudson und Paine (5), Speicheldiastase nach Taylor) haben sich hier und da unimolekulare Formeln einwandfrei als giltig erwiesen. Sehr häufig sinken die nach der unimolekularen Formel berechneten K-Werte mit fortschreitendem Verlaufe der Reaktion stark ab, ein Verhalten, welches auf eine Ver- minderung der aktiven Katalysatormenge bezogen werden muß. Daß hierbei nicht unbedingt eine Zerstörung des Enzyms angenommen werden muß, sondern das Enzym gewiß oft durch Reaktionsprodukte in an- sehnlichem Maße adsorptiv gebunden werden kann, wurde oben bereits ausgeführt. Für Lipasen hat derartige Erwägung Peirce(6) näher aus- geführt. Am kompliziertesten liegen wohl die Verhältnisse bei den pro- teolytischen Enzymen, wo man bisher (von der ScHüxzschen Regel ab- gesehen) keijie sicheren reaktionskinetischen Daten erlangen konnte. Mit der Feststellung von Henri und Larguier des Bancels(7), daß im Begiane der Einwirkung von Trypsin auf Gelatine die unimolekuiare Formel gut stimmt, ist wohl noch kein näherer Einblick in die Kinetik der Proteolyse gewährt. Man hat unstreitig außer dem Fermentverlust durch Bindung in löslichen und unlöslichen Reaktionsprodukten noch auf die Änderung in der Beschaffenheit des Mediums durch Aciditäts- abnahme usw. Rücksicht zu nehmen (8), wodurch es äußerst schwierig wird, das Reaktionsgesetz klar zu legen. Am besten steht es noch mit der Erforschung der Dipeptidspaltung, die Eüler(9) mit der Unter- 1) V. Henri, Ztsch. physik. Chem., jp, 194 (1901); Compt. read., yjj, 891 (1901); 135, 916 (1902); Ztscb. Elektrochem., //, 790 (1905). — 2) Hudson, Journ. Amer. Chem. See, 30, 1160, 1564 (1908). Taylor, Journ. Biol. Chera., 5, 405 (1909). — 3) Senter, Ztsch. physik. Chem., 44, 257. H. Euler, Hofmeisters Beitr., 7, 1 (1905). P. Waentig u. O. Steche, Ztsch. physiol. Chem., 76, 177 (1911). — 4) A. Bach, Ber. Chem. Ges.. 41, 216, 221 (1907). — 5) Hudson u. Paine, Journ. Amer. Chem. Soc., 31, 1242 (1909). Vgl. E. F. Armstrong, Proceed. Roy. Soc. Lond., 73, 500 (1904). — 6) Geo. Peirce, Journ. Amer. Chem. Soc, J2, 1517 (1910). — 7) V. Henri u. Larguier des Bancels, Compt. rend., 136, 1581 (1902). — 8) Vgl. bes. A. W. V18SER, Ztsch. physik. Chem., 52, 257 (1905). — 9) H. Euler, Arkiv för Kemi, 2, Nr. 39 (1907). § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. 121 suchung der Wirkung von Erepsin auf Glycylglycin in Angriff genommen hat. Hier ergab sich das Gesetz unimolekularer Reaktionen tatsächlich bis zum Zeitpunkte der Erreichung des halben Umsatzes. Einer Dis- kussion bedurfte endlich auch die Frage, inwieweit die Heterogenität des Mediums die Enzymkinetik beeinflußt, da es ja durchaus nicht von vorneherein sicher steht, ob nicht die Diffusionsverhältnisse in dem heterogenen Medium für die Reaktion mehr in Betracht kommen als die eigentliche chemische Reaktion selbst. In dieser Hinsicht hat Senter(I) hervorgehoben, daß der Temperaturkoeffizient für Enzyme pro 100 c selten unter 1,6 gefunden wird und oft mehr als 2. Würden Diffusionsvorgänge das ausschlaggebende Moment für die Reaktions- geschwindigkeit von Enzym reaktionen sein, so sollte man keinen größeren Koeffizienten als 1,26 erwarten. Für die Lipasenreaktion haben Boden- stein und DiETz(2) dieses Fragengebiet studiert, wobei zu erwähnen ist, daß hier der Katalysator in Form fein zerhackter und gewaschener Pankreasdrüse dem zu spaltenden Ester (Amylbutyrat) zugesetzt wurde, also in unlöslicher Form. Aber auch hier stellte sich heraus, daß die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion mit der Theorie gut im Ein- klänge stand; nur der Endzustand war nicht identisch mit jenem, welchen die liomogene Katalyse erreicht. Infolgedessen neigen viele Forscher, wie Henri, Euler (3), Senter(4) zu der Ansicht, daß es nicht be- rechtigt sei mit Herzog (5) die Diffusion als maßgebenden Faktor bei den Enzymreaktionen anzusehen, sondern daß die Enzymwirkungen durch die chemischen Reaktionsgeschwindigkeiten beherrscht werden. Senter will nur die Katalase hiervon ausnehmen, da die Parallelität mit der von Bredig studierten mikroheterogenen Platinkatalyse eine vollkommene sei v>ntl der Temperaturkoeffizient nur 1,7 beträgt. Weiteres über die Endzustände von Enzymreaktionen: Reversion von Enzymreaktionen. Es wurde bereits dargelegt, daß die bei Enzymreaktionen beobachteten Endzustände in der Regel nicht mit dem stabilen Gleichgewichtszustande der betreffenden Reaktion zu- sammenfallen, wie zuerst Tammann in seiner Arbeit über die Amyg- dalinspaltung durch Emulsin hervorgehoben hat. Unseren Auseinander- setzungen ist aber auch zu entnehmen, daß solche Abweichungen unbedingt zu erwarten sind, wenn das Enzym an die spaltbare Sub- stanz ebenso adsorbiert wird, wie es an die Reaktionsprodukte gebunden wird. Denn nur dann wird die Gleichgewichtskonstante TT Kl durch den bekannten van t HoFFSchen Quotienten K = -^ — C (spaltb. Subst.) ausgedrückt werden. In den Versuchen von Dietz C (Reaktionsprodukt)« und Bodenstein mit Pankreaslipase ergab sich nun eine befriedigende Übereinstimmung mit der Theorie unter der Annahme des Exponenten I/o für die Esterkonzentration: K = ~. Da nun bei Adsorptionsvor- gangen Abweichungen vom HENRYschen Verteilungssatze m diesem Sinne sehr gewöhnlich sind (der Exponent in den Adsorptionsisothermeu ist 1) G. Senter, Journ. Physic. Chem., 9, 311 (1905). - 2 M Bodenstmn Ztsch. Elektrochem.. r2, 605 (1906). W. Dietz, Ztsch physiol. Chem., 5^, 279 (1907). - 3) H. Euler, Ztsch. physiol. Chem., 45, 420 (1905). - 4) G. Senter. Ebenda, 47, 126 (1906). — 5) R. O. Herzoo, Ebenda, 4S. 365 (1906). 122 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismue. meist 0,6—0,7), so darf man hier wohl an eine Adsorption des Esters an die Lipase in dem fein verteilten Katalysator denken (1). Bezüglich der Frage, welchen Einfluß die Temperatur auf die Lage des Gleichgewichtes bei Enzymreaktionen haben kann, haben tvir zu be- rücksichtigen, daß nach den von van 't Hoff entwickelten theoretischen Grundsätzen bei Enzymreaktionen keine wesentliche Änderung des Reaktionsgleichgewichtes mit steigender Temperatur zu erwarten ist. Nur Reaktionen mit hoher Wärmetönung ändern ihren Gleichgewichts- zustand mit der Temperatur erheblich. Nun gehören die Enzymreaktionen durchaus zu den Reaktionen mit relativ sehr geringem Wärmeumsatz. Die produzierte Wärmemenge ist z. B. für Lipasespaltung 1,2 Cal., In- vertinrohrzuckerspaltung 4,5 Cal., Salicinspaltung 5,3 Cal, Dipeptidspaltung 5,4 Cal. (2). Für peptische und tryptische Verdauung ist die Wärmetönung von Null nur wenig verschieden. Dieses Verhältnis ist von nicht ge- ringer biologischer Bedeutung, nachdem die enzymatischen Spaltungen die wichtigsten Vorgänge im Ernährungsprozeß betreffen, und dieselben nach dem Gesagten in ihrem Reaktionseffekte nur wenig von der Außen- temperatur abhängen können. Erwähnt wurde bereits wiederholt, daß sich die Fermentreaktionen hinsichtlich ihres Temperaturkoeffizienten von chemischen Reaktionen in der Regel nicht unterscheiden. Einer von EuLBR(3) gegebenen Zusammenstellung ist zu entnehmen, daß nur bei Lipase, Invertin, Katalase und Tyrosinase Werte um 1,5 pro 10 °C ge- funden wurden; sonst lag der Koeffizient meist zwischen 2 und 3; Es ist eine 1898 von van 't Hoff (4) zuerst ausgesprochene Konsequenz der Auffassung der Enzyme als Katalysatoren, daß Enzym- reaktionen auch im Sinne von Synthesen denkbar sind, sowie das Gleich- gewicht bei Reaktionen zwischen Estern und Säuren unter bestimmten Bedingungen sich gegen die Spaltung oder gegen die Esterbildung ver- schieben läßt. Praktisch erwiesen wurde die Existenz enzymatischer Synthesen zuerst von A. Croft Hill (5) (1898), indem aus Trauben- zucker bei genügend hoher Konzentration durch Maltase Disaccharid gewonnen wurde. Die Reversion der Enzym Spaltungen ist jedoch, wie die Folge zeigte, ein recht kompliziertes Problem und wir sind heute anscheinend noch recht weit von der Aufklärung der beobachteten Tat- sachen entfernt. Am besten scheinen die Verhältnisse hinsichtlich der Lipasewirkung übersehbar zu sein. Hier haben eine ganze Reihe von Autoren (Hanriot, Kastle und Loevenhart, Bodenstein, Pottevin, Welter (6) u. a.) gezeigt, daß man in wasserarmem und an Fettsäure und Alkohol reichem Substrat ohne Schwierigkeit Synthese von Ester oder Neutralfett erzielen kann, während bei Gegenwart von 40—50 % Wasser das Fett glatt aufgespalten wird. Diese Reaktion reiht sich ziem- 1) Auch W. M. Bayliss, Das Wesen d. Enzym Wirkung; deutsch v. Schorr (Dresden 1910), vertritt die Ansicht, daß es sich bei der Bindung zwischen Enzym und Substrat um Adsorptionsvorgänge handle. — 2) Berthelot, Thermochemie (1897). O. Herzog in Oppenheimer, Die Fermente, 3. Aufl., 7, 202 (1910). Für proteolyt. Enzyme: F. Tangl, Lengyel u. Hari, Pflüg. Arch., J15, 1, 7, 11 (1906). — 3) H. Euler, Ergebn. d. Physiol., 9, 329 (1910). — 4) J. van 't Hoff, Ztsch. anorgau. Chem., 18, 1 (1898); Sitz.ber. Berlin. Ak. (1909), p. 1065; (1910), p. 963. — 5) A. Croft Hill, Joum. Chem. Soc, 73, 634 (1898). — 6) Hanriot, Compt. rend., 132, 212 (1901). Kästle u. Loevenhart, Amer. Chem. Joum., 24, 491 (1900). H. Pottevin, Compt. rend., 136, 1152 (1903); Bull. Soc. Chim. (3), 35, 693 (1906); Ann. Inst. Pasteur, 20, 901 (1907). M. Bodenstein u. Dietz, Ztsch. Elek- trochem., 12, 605 (1906). W. DiEXZ, Ztsch. physiol. Chem., 52, 279 (1907). A. Welter, Ztsch. angewandt. Chem., 24, 385 (1911). § 6. Kinetik der Enzyrareaktionen. 123 lieh gut an umkehrbare inorganische Katalysen an, wenn auch nicht alle Fettsäuren, und nicht alle Alkohole (sekundäre und tertiäre schwer) sich synthetisch vereinigen lassen. Nach Bayliss(I) entsteht in einer Lösung von Hydrochinon und Glucose in Glycerin Glyceringlucosid reichlich und wenig Hydrochinonglucosid (Arbutin). Bourquelot und Bridel(2) ge- wannen durch die synthetische Wirkung von Emulsin auf Alkohol und Glucose /9-Äthylglucosid, und haben gezeigt, daß durch Emulsin auch ^-Glucoside von Propyl-, Amyl- und Benzylalkohol, sowie die entsprechen- den /?- Galactoside gebildet werden, Mittels a-Glucosidase aus unter- gäriger Bierhefe wurde aus Glucose in 30— 35%igem Alkohol a-Äthyl- glucosid hergestellt. Der Fall der Reaktion Traubenzucker-Maltose-Enzym ist bedeutend schwieriger zu deuten. Es hat sich ergeben, daß das von Croft Hill erhaltene Disaccbarid nicht mit Maltose, sondern mit Isomaltose identisch war [Emmerling (3)]. Hingegen gelang Armstrong (4) der Nachweis, daß das Emulsin, welches auf Maltose unwirksam ist, Isomaltose leicht spaltet, und aus Glucose Maltose bildet. Wie auch die Arbeiten Rosen- thalers (5) über die komplexe Natur der enzymatischen Amygdalinspaltung durch Emulsin und die Möglichkeit durch Emulsin d-Benzaldehydcyan- hydrin zu synthetisieren gelehrt haben, ist der Begriff „Emulsin" kein einheitlicher, und man kann auch nicht sagen, ob das, was man als „Mal- tase" angewendet hat, ein wohl definiertes Enzym darstellt. Meist wurde nur wässeriger Hefeauszug verwendet. Für die Invertinwirkung liegt einmal die Angabe von Kohl (6) vor, wonach hier Rohrzuckersynthese möglich ist, zum anderen die wesentlich abweichende Auffassung von Pantanelli (7), welcher die Rohrzucker- reversion durch Mucorenzym studierte und zu dem Ergebnis kam, daß die Rohrzuckerbildung nicht durch das Invertin bedingt sei, sondern durch ein spezielles Enzym, welches er Revertase nannte. Es ist nicht aus- geschlossen, daß im Organismus Enzyme wirkhch existieren, welche unter den gegebenen Bedingungen nicht spaltend, sondern synthetisch arbeiten. Man denke an die Koagulasen, von denen man überhaupt nur die Wirkung im Sinne der Kondensation kennt, z. B. Amylokoagulase, welche löshche Stärke fällt. Was es mit dem Entstehen unlösUcher Produkte aus Eiweiß durch Lab, einem Prozeß, welchen man gewöhnhch als „Plasteinbildung" bezeichnet, für eine Bewandtnis hat, bedarf noch der Aufklärung (8). Es sei erwähnt, daß es durchaus unsicher ist, ob Lab und Pepsin wirkhch diffe- rente Enzyme darstellen, und daß koaguüerende Wirkungen auch durch Papayotin hervorgerufen werden können (9). Euler (10) hat ein synthetisch wirksames Enzym aus Hefepreßsaft angegeben, welches aus Kohlenhydraten und Phosphorsäure Ester bildet. Der Reaktionsverlauf dieser Synthese ist nach Euler nahezu unimolekular, mit dem Temperaturkoeffizienten 1) W. M. Bayliss, Journ. of Physiol, 43, VI (1912); 44 (1912). — 2) E. Bourquelot u. M. Bridel, Compt. rend., 155, 319 u. 731 (1912); 156, 168, 330 (1913). — 3) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., 34, 600, 2206 (1901). — 4) E. Fr. Armstrong, Proceed. Roy. Soc. Lond. B., ?6, 592 (1905). — 5) L. Rosen- thaler, Biochem. Ztsch., 14, 238 (1908); /;, 257 (1909); 26, 7 (1910). - 6) F. G. Kohl, Beihefte bot. Zentr., 23, I, 64 b (1908).^— 7) E. Pantanelli, Atti Acc. Line. (5), 15, I, 587 (1906); 16, II, 419 (1907). — 8) über Plastein: Danilewsky, Lawrow u. Salaskin, Ztsch. physiol. Chem., 36, 277 (1902). — 9) D. Kurajeff, Hofmeisters Beitr., /, 121- 2, 411 (1912). — 10) H. Euler u. S. Kuelberg, Ztsch. physiol. Chem., 74, 15, 13 (1911); 76, 468 (1812). 124 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. 1,8—2,2 pro 10°; die Reaktion verläuft am besten bei schwach alkaUscher Reaktion (10~^ OH')- Euler hat vorgeschlagen, diese synthetisch wirk- samen Enzyme durch die Namensendung „— ese" zu kennzeichnen und hat das in Rede stehende (recht labile) Enzym Phosphatese benannt. Auf andere interessante Beobachtungen auf diesem Gebiete, wie die Bildung von Isolactose aus Glucose und Galactose durch Kefirenzym [(Fischer und Armstrong (1)], die von Cremer (2) angegebene Bildung von Glykogen in anfangs glykogenfreiem Hefepreßsaft nach Versetzen mit 30 % Fructose, sei hier nicht weiter eingegangen. Die bisherigen Beobachtungen über synthetisch verlaufende Enzym- wirkungen widerlegen noch nicht den Satz, daß jedes Enzym unter be- stimmten Bedingungen die Reaktion nach beiden Richtungen katalysieren kann. Es scheint, als ob die von Euler(3) ausgesprochene Hypothese, daß jedes Enzym teils aus ausschheßhch spaltend und teils aus ausschUeß- lich synthetisch wirksamen Fermentmolekülen besteht und daß der Aus- fall der Reaktion von der vorwiegenden Fermentart bestimmt wird, als unnötig abgelehnt werden könne. Nicht zu billigen ist es, daß von manchen Autoren die Begriffe „Synthetische Fermenttätigkeit" und „Antienzym- wirkung" vermengt werden. Antienzyme haben nach unserer Auffassung mit Synthesen überhaupt nichts zu tun. Hat auch die Enzymforschung noch große Lücken aufzuweisen, so kann man doch das Ergebnis nicht von der Hand w^eisen, daß die Auf- fassung der Enzymreaktionen als Katalysen, wie sie gegenwärtig von Forschern, wie Bredig, Herzog, Bayliss, Eüler, Neilson, Acree(4) und vielen anderen vertreten wird, im letzten Dezennium bedeutende Fortschritte vermittelt Jiat, so daß wir Grund genug haben, diese Theorie als erfolgreich weiter beizubehalten. Auf eine Erklärung der Enzym- wirkung selbst werden wir wohl noch längere Zeit zu verzichten haben. Die Theorie der Zwischenreaktionen hat aber auch hier mancherle- für sich. 0. Nasse (5) stellte die Ansicht auf, daß die Enzyme durch Ver- mehrung der freien Ionen wirken; es bleibt noch unentschieden, wie weit man berechtigt ist, an derartige Vorgänge zu denken. Die von Preisswerk (6) geäußerte Hypothese der Möglichkeit, daß Atoiugruppen zwischen Enzym und Substrat verschoben werden könnten, vermeidet nicht den Einwand, daß in solchen Fällen stets die bei Enzymreaktionen vermißten stöchiometrischen Verhältnisse vorkommen müßten. Viele Enzymtheorien sind überhaupt seit jeher unfruchtbar gebheben. Insbesondere gilt dies von der seit Liebig und Nägeli wiederholt auf- getauchten Lehre, wonach bei der Enzymwirkung Übertragung von Atom- schwingungen eine Rolle spiele. Rosenthal (7) gibt an, auch durch elek- trische Schwingungen von geeigneter Wellenlänge Effekte von Enzym- reaktionen erzielt zu haben. Weitere Theorien endüch nahmen zu Strah- 1) E. Fischer u. E. F. Armstrong, Ber. Chem. Ges., 35, 3144 (1902). Arm- strong, Chen». News, 86. 166 (1902). — 2) M. Cremer, Ber. Chem. Ges., 32, 2062 (1899). — 3) H. Euler, Ztsch. physiol. Chem., 52, 146 (1907). — 4) C H. Neil- son, Amer. .Journ. Physiol, 15, 148 (1906). S. F. Acree, Journ. Amer. Chem. Soc., 30, 1755 (1908). EüLER, Ztsch. phvsiol. Chem., 45, 420 (1905). — 5) O. Na.58E, Ztsch. physik. Chem., 16, 748 (1895). A. Rohonyi, Biochem. Ztsch., 34, 176 (1911). — 6) E. Preisswerk, Verhandl. Ges. dtsch. Naturf. (1911), 2, 1. 208. — 7) J. Rosenthal, Biolog. Zentr., 31, 185 (1911). § 6. Kinetik der Enzymreaktionen. 125 lungen ihre Zuflucht. Nach Lambert (1) sollen lösliche Enzyme während der Dauer ihrer Funktion n-Strahlen aussenden, und Barendrecht (2) meint, daß die Lactase zweierlei Strahlungen aussende, wovon die eine auf Glucose wirksam sei, die andere auf Galactose. Auf die Methodik der Enzymuntersuchung kann hier nicht näher eingegangen werden. Michaelis (3) hat hierüber zuletzt zusammenfassend berichtet. Manche Methoden, wie die Kontrolle der elektrischen Leit- fähigkeit, der Viscosität (4), die dilatometrische Methodik für proteolytische Enzyme, die Formoltitrierung nach Sörensen (5), werden in Zukunft gewiß viel weitgehender verwendet werden, als es bisher geschehen ist. Zum quaütativen Nachweise besonders glucosidspaltender Enzyme ist in der Pflanzenphysiologie die Untersuchung gefrorenen, hernach unter Chloro- formzusatz aufgetauten Materials oft sehr zweckmäßig (6). Produktion der Enzyme im Organismus. Profermente oder Zymogene. Viele Enzyme, wie proteolytische, diastatische, in- vertierende Fermente, Oxydasen und Katalasen scheinen so allgemein vorzukommen, daß man dieselben als fast nie fehlende Bestandteile tieri- schen und pflanzlichen Protoplasmas betrachten kann. In anderen Fällen handelt es sich wieder durchaus nicht um verbreitete Zellbestandteile, Die Beschränkung der Maltosespaltung auf manche Rassen der Hefe zeigt deutlich, wie sehr hier biologische Anpassungen Einfluß nehmen können. Auch haben Pfeffer und Katz(7), sowie Pantanelli (8) für die Diastasebildung durch Schimmelpilze, sowie Went (9) für Monilia ge- zeigt, daß die Enzymproduktion sehr deutlich regulatorisch vermindert und gesteigert werden kann. Nach Verfütterung von Inulin, Lichenin bei Kaninchen konnte Tschermak(IO) in analoger Weise die Bildung entsprechender Kohlenhydratenzyme im Darm beobachten, die sonst nie vorkommen. Hierbei ist jedoch stets der Mechanismus der Enzym- sekretion, wie insbesonders aus den Arbeiten von Pantanelli (11) hervor- geht, genau zu beachten. Zunächst ist sicherzustellen, inwiefern tat- sächlich Enzymaustritt aus lebenden Zellen in Frage kommt, nachdem tote Zellen in der Regel reichlich Enzyme (Invertin, Diastase) in die Kulturflüssigkeit von Pilzen entleeren. Aus intakten lebenden Wurzel- zellen treten Diastase und Peroxydase in der Regel nicht aus ; hingegen geben Samen allgemein Diastase, selten auch proteolytisches Enzym ab (12). Pantanellis Studien über Invertinsekretion haben ferner gezeigt, daß ein Kolloidgehalt des Mediums, wie 2,5 7o Gummi arabicum, Agar nicht nur die Invertinwirkung selbst hemmt, sondern auch die Enzymproduktion und Enzvmsekretion herabsetzt. Leicht durch die Plasmahaut diffun- 1) Lambert, Compt. rend., 138, 196 (1904) u. p. 1284. — 2) H. P. Barend- recht, Ztsch. physik. Chem., 49, 456 (1904); 54, 367 (1905). — 3) L. Michaelis, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., j, I, 16 (I9l0). — 4) Hierzu Achalme u. Bresson, Compt. rend., 152, 1420, 1621 (1911). W. M. Bayliss, Journ. of Physiol, 36, 221 (1908). — 5) S. P. Sörensen, Biochem. Ztsch., 7. 45 (1907). — 6) L. GuiQNARD, Compt. rend., 149, 91 (1909). W. Palladin, Fortschritte d. naturwiss. Forschg., /, 253 (1910). — 7) W. Pfeffer, Ber. sächs. Ges. d. Wiss. (1896), p. 513. Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., /, 506 (1897). J. Katz, Jahrb. wiss. Botan., 3/, 599 (1898). Duclaux, Mikrobiolog., //, 84. W. Benecke, Lafars Handb. d. techn. Mykol., /, 363. — 8) E. Pantanelli, Amali di Bot., 8, 133 (1910). — 9) F. A. C. Went, Jahrb. wiss. Botan., j6, 611 (1901). — 10) A. V. Tschermak, Biochem. Ztsch., 45, 452 (1912). — 11) E. Pantanelli, Annal. di botan., 8, 133 (1910); 3, 113 (1905): 5. 229 (1907); Ebenda, 355. Rend. Accad. Line. Roma (5), 15, 1, 377 (1906). — 12) F. Czapek, Jahrb. wiss. Botan., 29, 374 (1896). H. Wohllebe, Diss. (Leipzig 1911). 126 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. dierende Stoffe wie Alkohol, Glycerin fördern hingegen die Ausscheidung von Invertin bei Mucor. In den Versuchen Eülers über die Invertin- bildung in Hefe ergab sich, daß Vorbehandlung des Materials mit Rohr- zucker die Fermentbildung nicht mehr anregt als Behandlung mit Glu- cose. Im übrigen folgt die Enzymzunahme dem Gesetze unimolekularer Reaktionen (1). Da es sichergestellt ist, daß Enzyme auch sich selbst in ihrer eigenen Zersetzung katalysieren wie das Papayotin nach WuRTz(2), und sich manche Enzyme gegenseitig zerstören können (3), so dürfen wir auch Einrichtungen im Organismus erwarten (Antienzyme?), welche solche Vorgänge regeln bzw. zu verhindern vermögen. Unter Umständen können sich natürlich auch Fermentwirkungen unterstützen (4), wofür zahlreiche Fälle denkbar sind. Über die Änderung des Enzymgehaltes bei Mikroben unter ver- schiedenen Lebensbedingungen, sowie über Variationen im Enzymgehalte wären noch Arbeiten von Euler (5) zu vergleichen. Die Enzyme des Organismus sind gewiß nicht alle von Anbeginne der Entwicklung in der Eizelle enthalten, sondern entstehen im Laufe der Individualentwicklung auf „epigenetischem Wege" (6). Hier und da ist man bei der Untersuchung der Enzymreaktionen auf Stoffe gestoßen, welche bereits durch gelinde Einwirkungen, wie Behandlung mit ver- dünnter Essigsäure, leicht und rasch wirksame Enzyme bilden. Man hat solche Stoffe, die namentlich aus der Tierphysiologie bekannt sind, als Profermente oder Zymogene bezeichnet. Hammarsten (7) fand ein Labzymogen, Ebstein und Grützner (8) ein Propepsin in der Magenschleimhaut. Ein Zymogen des Trypsin wurde durch Heiden- hain (9), ein Proptyalin durch Goldschmidt (10) bekannt. Nach Lang- ley(II) lassen sich Pepsin und Propepsin dadurch voneinander trennen, daß 0,5—1 7o Na^COg das Pepsin rasch zerstört, hingegen das Pro- ferment intakt läßt. Propepsin, mit welchem sich Glaessner(12) sodann näher beschäftigt hat, ist N-haltig, doch von fraglichem Eiweißcharakter; es wird leicht von verschiedenen Stoffen adsorbiert, zeigt keine wahr- nehmbare Diosmose, wird von 0,1 »/o HgClg und 1 % Phenol zerstört Von pflanzlichen Proenzymen ist die Existenz eines Protrypsin durch ViNES(l3) in Nepentheskannen und durch Frankfurt (14) in Samen wahrscheinlich gemacht worden. Green (15) hat über Proinulase be- richtet, und Pantanelli(16) über Proinvertin bei Mucor. Letzteres ist auch in der Kulturflüssigkeit abgeschieden nachzuweisen. Daß, wie Detmer(17) für Diastase fand, und wie es voraussichtlich auch bei anderen Enzymen sehr häufig der Fall sein dürfte, die Ferment- 1) H. Euler u. D. Johanson, Ztsch. physiol. Chem.,70, 388 (1912). — 2) A. WuRTZ, Compt. rend., p/, 787. — 3) A. Wroblewski, B. Bednarski u. M. Woj- CZYNSKI, Hofmeisters Beitr., /, 289 (1901). Verdauung von Trypsin durch Pepsin wurde schon 1876 durch W. Kühne beobachtet. — 4) J. E. Abelous, Rev. m6i. mera. en l'honneur de Lupine (1911), p. 1. — 5) H. Euler u. Beth AE Ugglas, Ztsch. physiol. Chera., ^o, 279 (1910); Arkiv för Keifii, j. Nr. 34. — 6) Vgl. A. Herlitzka, Naturf. Ges. (1906), 2, 2, 296; Zentr. Physiol. (1906), p. 775. — 7) Hammarsten, Maly Jahresber. Tierchem., 2, 118 (1872). Lörcher, Pflüg. Arch., öp, 141. — 8) Ebstein u. Grützner, Pflüg. Arch., 8, 122, 617 (1874). — 9) Hei- denhain, Ebenda, 10, 557 (1875). — 10) Goldschäudt, Ztsch. physiol. Chem., w, 273 (1886). — 11) J. N. Langley, Journ. of Physiol., 5,-246 (1881). — 12) K. Glässner, Holmeisters Beitr., /, 1 (1901). — 13) S. Vines, Journ. Linn. Soc, 15, 427 (1877); Ann. of Botan., // (1897). — 14) S. Frankfürt, Landw. Versuchsstat., 47, 449 (1897). — 15) Fr. Green, Ann. of Botan., 7, 121 (1893). — 16) E. Pan- tanelli, Atti Accad. Line (5), /5, I, 587 (1906). — 17) W. Detmer, Botan. Ztg. (1883), p. 601. § 7. Immunreaktionen. 127 bildung von Sauerstoff gegenwart abhängig ist, dürfte wohl auf die Zymogenproduktion zu beziehen sein. § 7. Immunreaktionen (i). Es war in erster Linie das Studium der menschlichen und tierischen Infektionskrankheiten, welches die Aufmerksamkeit auf Stoffe und Reak- tionen eigentümlicher Art lenkte, welche sich trotz der aufgefundenen wesentlichen Differenzen mit Fermenten noch immer am besten an die Darstellung der Enzyme und Enzymreaktionen anschließen lassen. Auch hier tritt allenthalben eine intensive Wirkung minimaler Stoffquantitäten vor Augen, es handelt sich hier wie dort in der Regel um thermolabile Substanzen kolloider Natur, sowie um das Merkmal der hochgradig speziali- sierten Wirkung; auch das äußerliche Moment, daß man von den an den Immunreaktionen beteiligten Stoffen meist nur die Wirkung genau kennt, die stofflichen Eigenschaften hingegen bisher nicht oder höchst unzureichend feststellen konnte, stellt die Iramunochemie an die Seite der Enzymologie. Die Immunochemie ist längst aus jenem Stadium herausgetreten, in welchem sie das Studium der bacteriellen Infektionen als ihre Haupt- aufgabe zu betrachten hatte. So wie das bacteriell infizierte Tier sich der Parasiten und der von jenen produzierten Stoffe dadurch er- wehrt, daß es spezifisch wirksame Gegenstoffe, „Antikörper" besitzt oder infolge der Infektion erzeugt, so vermag der tierische Organismus auch vielfach auf die Einverleibung fremder Eiweißstoffe pflanzlicher oder tierischer Provenienz durch Reaktionen zu antworten, welche die Elimi- nierung jener Proteine zum Ziele haben. Die Immunreaktionen beziehen sich also allgemein auf die Ausschaltung körperfremder Stoffe, unter welchen Eiweißstoffe entschieden die erste Stelle einnehmen. Man bezeichnet alle jene Substanzen, welche „Immunstoffe" im Körper erzeugen, als Antigene. Vom chemischen Standpunkte aus dürfen wir bei aller Vorsicht hinsichtlich der Beurteilung der Bacterien- toxine als Proteinstoffe wohl noch immer sagen, daß bisher keine einzige nicht eiweißartige Verbindung bekannt geworden ist, welche zu den Antigenen gehört. Wenngleich die Immunreaktionen derzeit noch so gut wie ausschließlich auf dem Boden der Tierphysiologie und Patho- logie liegen, so mehren sich die Anzeichen immer mehr, daß eine pflanz- liche Immunochemie in naher Zeit in Ausbau begriffen sein wird. Da in der höheren Pflanze die Assimilation fertiger Eiweißkörper bei weitem nicht jene Rolle spielt wie im Tier, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn bisher vor allem die Bacterien mit ihren staunenswerten Stoff- wechselanpassungen in der botanischen Immunochemie die Hauptrolle spielen und wir von den Immun reaktionen im. Stoffwechsel höherer Pflanzen noch kaum etwas wissen. Daß auch im normalen Stoffwechsel sich Vorgänge abspielen dürften, welche sich mit den Iramunreaktionen direkt vergleichen lassen, wird wohl gleichfalls als ein Resultat künftiger 1) Zur Orientierung auf diesem biologisch so bedeutsam gewordenen Gebiete dienen in erster Linie die Handbücher von R. Kraus u. C. Levaditi, Handb. d. Technik u. Methodik d. Iramunforschung (Jena 1908 ff.). E. P. Pick in KoUe u. Wassermanns Handb. d. pathogen. Mikroorganism., 2. Aufl. (1912), /. W. Kruse, Allgem. Mikrobiologie (Leipzig 1910). Oppenheimer, Toxine u. Antitoxine (1904), ferner besonders Sv. Arrhenius, Ergebn. d. Physiol., 7, 480 (1908). R. P. van Oalcar, Progress. Botan., /, 533 (1907). ^ 128 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. Forschungen schon heute vorauszusehen sein. Das darzustellende Gebiet umfaßt zunächst die Erscheinungen, welche sich bei bacteriellen Infek- tionen an Wirt und Parasiten abspielen, Phänomene, welche sich wesent- lich unter dem Bilde einer Vergiftung mit bacteriellen Produkten dar- stellen. Man unterscheidet jedoch nach dem Übereinkommen in der Begriffsbestimmung „Infektion" dadurch scharf von „Intoxikation", daß bei Infektionen eine Quantitätszunahme des Virus im befallenen Orga- nismus stattfindet. Wie Bail(1) ausführt, hat man hinsichtlich der Immunität des befallenen Organismus wieder „Infektionsimmunität" und „Krankheitsimmunität" zu unterscheiden, je nachdem die Invasion der Infektionsträger mit Krankheitssymptomen und unter Bildung von Immun- stoffen, oder ohne weitere Erscheinungen verläuft. Bei Krankheits- immunität handelt es sich um ein einfaches Nebeneinanderleben des be- fallenen Organismus und der Eindringlinge (Parabiose); die Ansiedelung der letzteren wird zwar nicht verhindert, löst jedoch keine Erscheinungen aus. Zwischen den echten Saprophyten und den stark infektiösen Holo- parasiten gibt es wieder Übergänge. Die Necroparasiten Bails können wie die Erreger des Tetanus und Botulismus sehr heftige Vergiftungen er- regen, ohne sich jedoch im Organismus erheblich zu vermehren; sie sind daher stark toxisch, aber wenig infektiös. Als Hemiparasiten mögen jene Mikroben bezeichnet werden, welche sich, um intensive In- fektion zu erregen, sehr stark vermehren müssen; sie sind daher relativ wenig toxisch. Holoparasiten sind endlich jene, welche schon in ge- ringer Zahl zur Ansiedelung gelangend heftige Erscheinungen erzeugen und sich- rapid über den ganzen Organismus ausbreiten. Die von allen diesen Mikroben produzierten Giftstoffe faßt man als Bacteriotoxine zusammen. Sie sind weit .verschieden von den- jenigen Stoffen, welche als Stoffwechselprodukte der Eiweißfäulnis er- zeugenden Bacterien auftreten, meist basische Natur haben und toxisch wirken. Diese besonders von Selmi und Brieger(2) näher studierten Stoffe, wozu manche wohldefinierte Eiweißspaltungsprodukte, wie Cada- verin, Putrescin, und Abbauprodukte von Lecithinen, wie Cholin, Neurin,. Muscarin gehören, kann man als „Ptomaine" oder Fäulnisbasen in mikro- biologischem Sinne zusammenfassen. Die Bacteriotoxine hingegen sind meist ausgeprägt thermolabil und haben die Natur von Antigenen. Ihre chemische Natur kennt man der- zeit noch ebensowenig wie jene der Enzyme, an welche sie durch ihre Wirksamkeit in kleinster Menge erinnern. Daß es sich hier wie dort um typische Kolloide handelt, dürfte jedoch feststehen. So wie nicht alle Enzyme aus der lebenden Zelle abgegeben werden, und wir Endo- enzyme und Sekretionsenzyme zu unterscheiden hatten, so haben auch viele Toxine ausgeprägt intracellulären Charakter und müssen nach diesem Merkmal mit Pfeiffer (3) als Endotoxine von den Sekretiohstoxinen getrennt werden. So ist das Tetanotoxin leicht im Wasserextrakt zu er- halten, während Choleratoxin echten Endotoxincharakter besitzt. Der Bacillus typhi bildet sowohl ein Endotoxin als ein Sekretionstoxin (4). 1) O. Bail, Folia serolog., 7, 14 (1911). — 2) Selmi, Ber. Chem. Ges., n (1878). L. Briegeb, Ztech. physiol. Chem., 7. 274 (1883); Berlin, klin. Wochschr. (1886), p. 281; (1887), p. 469. Kruse, Allgem. Mikrobiologie, p. 809. — 3) R. Pfeifteb, Zentr. Bakt. I, 42, Beiheft 1 (1909). — A) E. Arima, Zentr. Bakt. I, 63, 424 (1912). § 7. Immunreaktioneii. 129 Die Produktion von Toxinen unterliegt ebenso wie die Enzympro- duktion regulatorischen Einflüssen im Stoffwechsel. Es ist bekannt, daß viele Infektionsträger, wie Cholera Vibrionen, Milzbrandbacillen, Staphylo- cokken, im Laufe der Kultur auf künstlichem Nährsubstrate ihre Virulenz abschwächen und gänzlich verheren(1). Bei Staphylococcus pyogenes dürfte der Zuckergehalt des Nährbodens für den Verlust der Virulenz maßgebend sein (2). Andererseits gelang es, die Virulenz von Bac. coli durch Zusatz proteolytischer Enzyme und anderer Stoffe zu erhöhen (3). Daß die Bacteriotoxine nicht immer leicht von den Zelleibern zu trennen sind, hängt mit ihrem Endotoxincharakter zusammen. Doch genügt es in vielen Fällen, die Bacterienmassen mit wenig warmer Kochsalzlösung bei 60^ zu digerieren, um nach Auszentrifugieren der Mikrobenzellen toxisch sehr wirksame und bacterienfreie Lösungen zu erhalten. Wenn die Abtrennung nur schwierig erfolgt, so ist man genötigt, das Bacterienmaterial energisch zu verreiben, um die Zellen zu zerschneiden, eventuell nach dem Vorgange von Macfad YEN und Rowland (4) die Bacterien erst durch flüssige Luft in eine steinhart getrorene Masse zu verwandeln, welche sich dann sehr fein zerreiben läßt. Die Toxine werden wie die Enzyme durch Alkohol- behandlung oft merkhch weniger wirksam gemacht. Brieger und Boer (5) haben deswegen Niederschlagen mit Zinksalzen und Aussalzen durch (NH^)2S04 Li ihrer Darstellung des Diphtherietoxins verwendet. Briegers reinste Toxinpräparate gaben weder bei Tetanus- noch bei Diphtherie- gift Eiweißreaktionen, so daß es zweifelhaft ist, ob man tatsächUch hier Proteide vor sich hat. Andere Angaben, wie jene Hayashis (6) bezüghch des Tetanotoxins, stehen jedoch hiermit im Widerspruch, und Trypsin soll Tetanusgift zerstören (7). Die kolloiden Eigenschaften der Bacterio- toxine sind noch kaum hinreichend erforscht worden. Arrhenius und Madsen (8) versuchten durch Bestimmung der Diffusionsgeschwindigkeit d'^r Toxine Rückschlüsse auf deren Molekulargewichte zu ziehen, da die Diffusionsgeschwindigkeiten den Quadratwurzeln aus den Molekulargewichten umgekehrt proportional sind. Die Diffusionsgeschwindigkeit des Diphtherie- toxins erwies sich als viel größer als jene des Antitoxins. Die Adsorption von Toxinen durch Tierkohle, Kaohn, Ton, BaS04 wurde durch L. Jacque und E. ZuNZ (9) untersucht; Kieselgur adsorbierte Tetanotoxin nicht. Ultramikroskopische Untersuchungen sowie Versuche über Kataphorese stellte RÖMER (10) an Lösungen von Tetanotoxin und Diphtherietoxin an. Am meisten weiß man über die Wirkung höherer Temperaturen auf die Bacteriotoxine. Die gut bekannten Endotoxine aus Bacillus typhi, pestis und dysenteriae werden nach Besredka(II) bei 127", 70" und SO*» zerstört. Andere Toxine, wie jenes des Rauschbrandbacillus, scheinen noch emp- findHcher gegen Erhitzen zu «ein (12). In lufttrockenem Zustande werden 1) Pasteur, Chamberland u. Roux, Compt. rend., 92, 429. — 2) H. Kayser, Ztsch. Hyg., 40, 21 (15/02). Nach Preisz, Zentr. Bakt. I, 44, 209 (1907). haben abgeschwä<^hte Anthraxbacillen viel reichlichere Kapselbildung. Virulenz- steigerung: A. Petersson, Zentr. Physiol. (1906), p. 883. — 3) F. Gal. Ztsch. Immun. forsch. I, 14, 685 (1912). — 4) Macfadyen u. Rowlanp, Proceed. Roy. Öoc, 7/, 77, 351 (1903). — 5) L. BRiECiER u. Boer, Deutsch, med. Woch.schr., (1896) Nr. 49. — 6) H. Hayashi, Chem. Zentr. (1901), /, p. 411; Arch. exp. Path. Pharm.. 47, 9 (1901). — 7) Cr. Permi u. L. Pernossi, Zentr. Bakt. 1, .5, 303 (1894). N. Sieber, Ztsch. physiol. Chem.. 32, 573 (1901); ,?o, 244 (1902). - 8) Ar- rhenius u. Madsen, Biochem. Zentr.. (1903) R«f. Nr. 479. — 9) L. Jacque u. E. ZuNZ. Arch. int. Phvsiol.. .v. 227 (1909). — 10) P. Römkk. Berlin, klin. Woch.schr., (1904) Nr. 9. — 11) Besredka, Ann. Inst. Pastcnr. 20, 304 (1900. - 12) Vgl. Grassberger u. Schattenfroh, Das Rauschbrandgift (1904). (1 Czapek. Biocheuiie der füanzen. ^. ,Auti. 130 Zweites Kapitel: Die chemißchen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. die Toxine ebenso wie die Enzyme durch hohe Temperaturen viel weniger geschädigt. Ultraviolette Bestrahlung mit der Heraeus- Quarzlampe in- aktiviert Toxinlösungen in ansehnlichem Maße, wobei die Temperatur und der Sauerstoff zutritt nach Cernovodeanu und Henri (1) ohne Be- deutung sein sollen. Die bekannten photodynamischen Wirkungen fluores- cierender Farbstoffe wurden auch hinsichtüch der Toxine festgestellt (2). Die Wirksamkeit von Toxinlösungen übertrifft bei weitem die Wirkung anderer Gifte. Nach einer Zusammenstellung von Kruse (3) tötet Tetano- toxin und BotuUn noch das Hundert- bis Tausendmillionfache seines Ge- wichtes an Meerschweinchen, Diphtherietoxin noch das Ein- bis Drei- miUionfache, während Pest-, Cholera- und andere Toxine schon etwa zehn- mal weniger wirksam sind. Aktivierende Wirkungen sind mehrfach an- gegeben, so für Lipoide (Phosphatide) auf Tuberkulin (4). Indem bezüglich der einzelnen Details hinsichtüch der Untersuchungen über Bacteriotoxine auf die einschlägigen Handbücher verwiesen wird, sei nur erwähnt, daß das zuerst erforschte Toxin jenes der LoEFFLERschen Diphtheriebacillen gewesen ist (5), welches Roux und Yersin (6) und be- sonders Brieger (7) mit seinen Mitarbeitern C. Fränkel, Boer u. a. gründ- Uch studiert haben. Das Tetanotoxin des Bacillus tetani, das Botuhn (Wurstgift), die Toxine aus Rauschbrand, Cholera, Typhus, Ruhr^ Pest, Milzbrand, ferner aus Pneumocokken, Streptocokken, Staphylocokken, Gono- cokken, Influenza-, Tuberkulose- und anderen pathogenen Mikroben sind sehr ungleichmäßig, zum Teil erst sehr unvollkommen erforscht. Diese Toxine werden auch auf eiweißfreiem Substrate hervorgebracht, wie dies Löwenstein und Pick (8) für das Tuberkuün gezeigt haben ; das von diesen Forschern erhaltene TuberkuHn war angebhch thermostabil, dialysierbar, gab in saurer Lösung Alkaloidreaktionen und wurde durch Behandlung mit Pepsin-HCl oder Trypsinsoda zerstört. Von Interesse sind die von Morgen- roth (9) und Doerr(IO) gemachten Angaben, wonach Behandlung mit verdünnter Säure eine vorübergehende Verringerung der Wirksamkeit von Toxinen erzeugt, die nach Doerr übrigens durch Neutralisation mit Alkah ohne weiteres aufgehoben wird. Diese Erscheinungen sind noch nicht aufgeklärt. Nach Walbum (1 1 ) soll bei Toxinbildung durch Bacterien ein „Prolysin" ausgeschieden werden, welches durch peptonartige Stoffe ak- tiviert wird ; um zymogenartige Stoffe soll es sich aber hierbei nicht handeln. Bemerkt sei, daß es auch ein echtes Protozoentoxin bei Sarcosporidium aus Schafen gibt (12). Viele pathogene Bacterien erzeugen in ihrer Kulturflüssigkeit Sub- stanzen, welche rote Blutzellen energisch angreifen, so daß das Hämo- 1) P. Ceenovodeanu u. V. Henri, Compt. rend., 149, 365, 729 (1909). R. DoERR u. J. MoLDOVAN, Wien. klin. Woch.schr., 24, 555 (1911). V. Baboni u. JoNESCO-MiHAiESTi, C. r. Soc. Bio!., 68, 393 (1910). W. M. Scott, Journ. of Pathol. and Bact., 16, 148 (1911). — 2) S. Flexneb u. H. NoGucm, Journ. Exp. Med., 8, 1 (1906). A. Jodlbauer u. H. v. Tappeiner, Arch. klin. Med., 85, 399 (1905). — 3) Kruse, Alle:em. Mikrobiologie (1910), p. 860. — 4) H. J. Bing u. Ellermann, Biochem. Ztsch., 42, 289 (1912). — 5) Loeffler, Deutsch, med. Woch.schr. (1890), p. 109. — 6) Roux u. Yersin, Ann. Inst. Pasteur (1888) p. 629; (1889) p. 273. — 7) L. Brieger u. C. Fränkel, Berlin, klin. Woch.schr. (1890), Nr. 11. Brieger u. G. Cohn, Ztsch. Hyg., 15, 1 (1893). Brieger, Ebenda, 19, 101 (1893). Brieger u. Boer, Deutsch, med. Woch.schr. (1896), Nr. 49. — 8) E. Löwenstein u. E. P. Pick, Biochem. Ztsch., j/, 142 (1911). — 9) J. Morgenroth, Ebenda, /, 354 (1906); 2, 383 (1907). — 10) R. Doerr, Ebenda, 7, 128 (1908). — 11) L. E. Walbum, Ztsch. Immun. forsch. 1, j, 70 (1909). — 12) E. Teichmann u. Braun, Arch. Protisteukunde, 22, 351 (1911). M. Knebel, Zentr. Bakt. I, 66, 523 (1912). Bacteriotoxine im Boden: Greig-Smith, Zentr. Bakt. 2, 34, 224 (1912). § 7. Tmmunreaktionen. 131 globiii aus denselben austritt und das Blut „lackfarbig*' wird. Diese Erscheinung nennt man Hämolyse und die wirksamen Stoffe Bacterio- Hämolysine. Seit Ehrlich (l) zuerst die Hämolyse durch das Tetanolysin näher studierte, hat man immer mehr erkannt, daß toxische und hämolytische Wirkungen bei Bacterienkulturen durchaus nicht quanti- tativ parallel gehen, daß die Unwirksamkeit durch steigende Temperatur für das toxische und das hämolytische Agens nicht bei Erreichung der- selben Temperaturgrade eintritt, und daß endlich auch die Immunisierungs- phänomene den Schluß nahe legen, daß die Toxine und Hämolysine verschiedene Substanzen sind. So ist auch das Pyocyanolysin nach Weingeroff (2) nicht mit dem Giftstoff dieses Spaltpilzes identisch, und das gleiche gilt von Staphylocokken- und Cholera-Toxinen und -Hämo- lysinen (3). Die Hämolyse hat als Reaktion, welche in vitro genau quanti- tativ verfolgt werden kann, für die theoretische Immunochemie große Bedeutung erlangt. Als Reagens verwendet man am besten eine b^/oige Aufschwemmung von Kaninchenblutzellen in 0,85<'/oigem NaCl. Nicht alle Blutarten werden mit gleicher Leichtigkeit- angegriffen. Die colori- nietrische Bestimmung des ausgetretenen Farbstoffes geschieht mit Hilfe des Hämometers von Fleischl(4). Bemerkt sei, daß eine Wirkung der Hämolysine im Tierleibe prämortal nur ausnahmsweise (bei schweren Anthrax- oder Staphylocokkeninfektionen) beobachtet wird. Die Hä- molysine sind in der Regel gegen höhere Temperatur bedeutend empfindlicher als die eigentlichen Toxine. Nach Landsteiner und Rauchenbichler (5) soll zunächst keine Zerstörung beim Erwärmen von Staphylolysin erfolgen, sondern die Bildung einer unwirksamen Modifikation. Die moderne Immunitätslehre hat noch weitere Stoffgruppen unter- schieden, welche im Kampfe der eingedrungenen pathogenen Bacterien mit dem infizierten Organismus eine wichtige Rolle spielen. So bezeichnet man nach Kruse und nach Bail (6) und seinen Mitarbeitern als Aggressine Stoffe, welche, ohne selbst toxisch zu sein, die Bacterien vor der Vernichtung durch den Organismus schützen und auf diese Weise die infektiöse Wirkung unterstützen. Auch diese Substanzen wirken spezifisch und sind thermo- labil. Die Bacterien ihrerseits hingegen werden von Substanzen in be- stimmter Weise angegriffen, welche sie so verändern, daß sie von den poly- nucleären Leukocyten, den Phagocyten Metschnikoffs leichter auf- genommen werden. Diese gleichfalls spezifischen Stoffe werden von Neu- 1) Ehrlich, Berlin, klin. Woch.schr. (1898), Nr. 12. Literatur: L. Aschoff, Ztsch. allgem. Physiol., /, 142 (1902). H. Sachs, Die Hämolysine (Wiesbaden 1905). Kruse, Mikrobiologie, p. 994 (1910). — 2) L. Weingeroff, Zentr. Bakt. 1, 2g, 777. — 3) Huntemüller, Ztsch. Hyg., 68, 221 (1911), behauptet Identität von Choleratoxin und Lysin. Proteushämolysin: E. Glaser ti. J. Hachla, Ztsch.* Immun. forsch. I, //, 310 (1911). Staphylolysin: L. Maldagne, Arch. int. Pharma- codyn., iS, 409 (1909). Vibriolysin: M. Arinkuj, Biochera. Ztsch., 6, 226 (1907). — 4) Methodisches zur Hämolyse: L. Michaelis, Abderhaldens Handb. d. biochera. üntersuch.meth., 3, II, 1191 (1910). H. Fühner, Ebenda, 5, 24 (1911). — 5) K. Landsteiner u. R. v. Rauchenbichler, Ztsch. Immun.forsch. I, /, 439 (1909). — 6) O. Bail, Arch. Hyg., 52, 272 (1905); Zentr. Bakt. I, 36, Nr. 2, 40, 42; Wien, klin. Woch.schr. (1906), p. 235. G. Salus, Arch. Hyg., 55, 335 (1906). E. Weil, Deutsch, med. Woch.schr. (1906), p. 382. C Titze, Ztsch. Infekttonskrankh. (1906), /, 233. Th. Bürgers u. Kruse, Naturforsch. Ges. (1908), //, 2, 563. Kruse, Mikrobiologie, p. 1023 (1910). Keimtötende Stoffe der Leukocyten: R. Schneider. Arch. Hyg., 75, 167 (1912). 9* 132 Zweites Kapitel: Die chemioclien Reaktionen im lebenden Pflanzenorgaiiisnius. FELD und RiMPAU(l) als Bacteriotropine, von VVright (2) und seinen Mit- arbeitern als Opsonine zusammengefaßt. Ob diese Stoffe Beziehungen zu den später zu erwähnenden Agglutininen haben, wie manche Forscher behauptet haben (3), muß noch dahingestellt bleiben. Schheßlich wuide seitens mehrerer Forscher (Eijkman, Conradi, Bahn (4) die Ansicht vertreten, daß Bacterien in ihrer Kulturflüssigkeit eigenartige kolloide und thermolabile Hemmungsstoffe von artspezifischer Wirkung produzieren, für welche Conradi den Namen Autotoxine vor- schlug. Nach allen vorliegenden Untersuchungen hierüber sind diese Hem- mungsstoffe sehr problematischer Natur. Den höheren Pflanzen fehlen toxische Antigene, die man hier uls Phytotoxine zusammenfassen kann, als vereinzelte Vorkommnisse ebensowenig wie den höheren Tieren, wo man bekanntlich noch bis zu den Reptilien hinauf Produktion solcher Substanzen findet. Unter den Pilzen hat man zunächst Aspergillus fumigatus (und flavescens) in Ver- dacht durch sein Wachstum und seine Toxinproduktion in verdorbenem Maismehl die Pellagrakrankheit zu verursachen (5). Über die hier in Betracht kommenden Giftstoffe ist jedoch noch kaum etwas sicheres be- kannt geworden. Reed (6) hält es für möglich, daß Diplodia-Artea in der Ätiologie der Pellagra eine analoge Rolle spielen. Bessere Kenntnis besitzt man über die toxinartigen Stoffe der giftigen Amanita-Arten. Amanita phalloides enthält nach Kobert, Ford und Rabe (7) ein typisches thermolabiles Hämolysin, das Phallin. Hinsichtlich eines zweiten in Amanita phalloides enthaltenen Giftstoffes wird angegeben, daß er glucosidisch und thermostabil sei; Rabes Meinung, daß es sich um ein muscarinartiges Alkaloid handle, ist wahrscheinlicher als die Meinung Fords, daß man es mit einem Antigen zu tun habe. Amanita mappa, rubescens u. a. sind gleichfalls hämolysinhaltig, und ähnliches dürfte auch für A. muscaria gelten, wo Harmsen (8) ein thermolabiles Pilz- 1) F. Neufeld u. W. Rimpau, Ztsch. Hyg., j/, 283 (1905). — 2) A. K. Wright u. Douglas, Proceed. Roy. Soc. Lond. (1903). S. Hata, Arch. Hyg., öu 81 (1908). Wright u. S. T. Reid, Proceed. Roy. Soc. Lond. B., yj, 211 (1906). W. FoRNET, Naturforsch. Ge.s. (1907), 77, (2), 516. E. Centanni, Ztsch. physiol. Cheiu., S5^ 1+0 (1908). W. Rosexthal, Weichardts Jahresber. Imninn.forsch., 2, 45 (1908). Satterbeck, in Lubarsch-Ostertaps Ergebn. 7, 690(1906). — 3) R. Greig- Smith, Biocheni. Zentr., 5, 950 (1906). — 4) C. Eijkman, Zentr. Bakt. I, 37, 436 (1904); 41. III/IV (1906). H. Conradi u. O. Kürpjuweit, München, med. Woch.schr., 52, 1761 (1905). Manteüfel, Berlin, klin. Woch.schr., 43, 313. O. Raun, Bact. Zentr. II, 16, 417 (1906). F. Passini, Wien. khn. Woch.schr. (1906), Nr. 21. — 5) Ceni u. Beste, Zentr. allgein. Pathol., Nr. 23 (1902). E. Bodin u. L. Gautier, Ann. Inst. Pasteur, 20, 209 (1906). C. Ravenna u. G. Pighini. Atti Acc. Line. Roma (5), 19, //, 312 (1910). M. Otto, Ztsch. klin. Med., S9, 322 (1906). Bodin u. Lenormand, Ann. Inst. Pasteur. (1912), 26, 371. Zur interessanten Ätiologie der als Beri-Beri bezeichneten Polyneuritis, die früher auf Toxine aus verdorbenem Reis bezogen wurde: U. SuzuKi, Shimamura u. Odake, Biocheni. Ztsch., 43, 89 (1912). — 6) H. S. Reed, New York. med. Journ. (22. Jan. 1910). Der von Fernbach, Compt. rend., 149, 437 (1909). aus Hefe isolierte flüchtige Giftstoff hat mit Toxinen sicher nichts zu tun. — 7) R. Kobert, Chem. Zentr. (1892), //, p. 929; (1899) //, p. 781; Botan. Zentr., 120, Ml (1912). J. J. Abel u. W. W. Ford, Journ. Biol. Chem., 2, 273 (1907); Arch. exp. Path. Pharm., Schmiedebergbd., p. 8 (1908). H. Schlesinger u. Ford, Journ. Biol. Chem.. 3, 279 (1907). Ford, Journ. Infect. Dis., j, 191 (1906); Jonrn. Exp. Med., 8, 437 (1906); Journ. Pharm, and exp. Ther., 2, 285 (1911). Ferry, Botan. Zentr., 119, 18 (1912). Fr. Rabe, Ztsch. exp. Path. Ther., 9, 352 (1911). M. Radais u. A. Sartory, Compt. rend., 153, 1527 (1911); 155, 180 (1912). J. Parisot u. Veenier, Ebenda, 620 (1912). — 8) E. Harmsex. Arch. exp. Path. Pharm., 50, 361 (1903). § 7. Immunreaktionen. 133 Toxin neben Muscarin nachwies. Sehr fraglich sind die aus Boletus- Arten angegebenen Giftstoffe (1 ). Die in einigen Gruppen der Phanerogamen häufig vorkommenden Breunhaare (Urticaceae, Loasaceae) dürften ihre Wirkung nicht nur der in ihnen enthaltenen Ameisensäure verdanken. Wenigstens fand Haber- LANDT(2) das Nesselgift durch Alkohol aus seiner wässerigen Lösung fällbar und durch kurzes Kochen zerstörbar. Der Ameisensäuregehalt von Laportea gigas, einer tropischen Verwandten unserer Nessel, ist nach Petri(3) bedeutend größer als bei Urtica. Die Loasa-Haare führen nach Tassi(4) Essigsäure, jene von Girardinia palmata, nach Hooper(5) Ameisensäure. Perret (6) gibt an, daß Lamium ebenso wie Urtica toxiniialtig sei. Die besterforschten Phytotoxine finden sich in den Samen der Euphorbiaceen, Leguminosen und weniger anderer Blüten- pflanzengruppen. Die intensiv wirksame Substanz der .,Jequiritysamen" von Abrus precatorius wurde zuerst von Martin (7) als giftiges Proteid angesprochen. Doch ist auch hier durch neuere Untersuchungen [Haus- mann (8)] Zweifel an der Eiweißnatur dieses Giftstoffes erhoben worden. r>uich eine koml)inierte Trypsinaussalzungsmethode wurden Präparate erhalten, welche bei unveränderter Giftigkeit keine Biuretreaktion zeigten. Das Phasin, welches in verschiedenen Leguminosensamen durch Kobert und Wienhaus (9) aufgefunden wurde (Phaseolus, Pisum, Vicia) ist die Ui-sache der zuerst durch Landsteiner und Raubitschek(IO) sicher- gestellten hämagglutinierenden Wirkung der Extrakte aus diesen Samen. Eiweißfreie Phasinpräparate konnten nicht erhalten werden; die toxischen Wijkungen sind hier nur gering. Aus der Rinde der Robinia Pseud- acacia stellte Power (11) sein „Robin" her, welches er als Nucleoproteid von toxischen Eigenschaften betrachtete. Das erstbekannt gewordene Phytotoxin war wohl das Ricin aus den Samen von Ricinus communis, weiches Kobert und Stillmark(12) 1888 darstellten als ein in lO'^/oigem NaCl lösliches toxisches Proteid von Albumosencharakter. An die Ent- deckung des Ricin knü])fen sich wichtige Arbeiten von Ehrlich (13) über das Zustandekommen der Immunität von Tieren nach Vorbehand- lung mit Ricin gegen dieses Gift. Jacoby(14) zog hierauf die Prolein- natur des Ricin in Zweifel, doch ist es in sorgfältigen präparativen Arbeiten von 0sborne(15) und seinen Schülern nicht gelungen, das Ricin von einer sehr wirksamen koagulablen Albuniinfraktion abzutrennen. Die spezifischen Immunreaktionen mit Abrin und Ricin haben in den Versuchen Ehrlichs mit vollster Sicherheit die Verschiedenheit dieser 1) DuPETiT, Chem. Zentr. (1889), /, p. 695. F. ÜTZ, Apothek.-Ztg., 20, 993 (1906). l>actaria torminosa: S. Kawamura, Botan. Mag. Tokyo, 25, 104 (1911). — 2) G. Habkrlandt. Sitz.ber. Wien. Ak., 03 (1886). E. (Jiustiniani, Gaz. chim. ital., 26, I, 1 (1896). - 3) J. M. Petri, Botan. Zentr., 104, 151 (1907). — 4) F. Ta.ssi, Just, botan. Jahresber. (1886), /, 220. — 5) D. Hoopkk, Pharm. Journ.. 77, H22 (1887). — 6) A. H. Perret, C. r. 80c. Biol., 50. 602 (1905) — 7) 8. Martin, Proceed. Roy. Soc, 42, 331 (1887); 46, 100 (1889). — 8) W. Hausmann, Hofmeisters Beitr., 2, 134 (1902). — 9) R. Kobert, Landw. Versuch.^^stat., y, 257 (1909). O. Wien- HAiis, Biochem. Ztsch , 18, 228 (1909). — 10) Land.steinfr u. Raubitschek, Bact. Zentr., 4^, VH (1908). E. C. Rchneider. .Journ. of Biol. ("hcm., //, 47 (1912). — 11) Fr. V,. Power, Pharm. .Tourn. (1901), p. 258. C Latt, Diss. (Rostock 1901). — 12) H. Stillmakk, Cheni. Zentr. (1889), //, 978. Osborne u. Mendel, Amer. Journ. Phvsiol., ;o, 36 (1903). — 13) Ehrlich, Deutsch, med. Wochschr. (1891), Nr. 44. —'14) M. Jacoby, Hofmei.'^ters Beitr., /, 51 (1902); j, 535(1902); Biochem. Ztsch., .V9, 73 (1912). — 15) Tue. B. Osborne, L. B. Mendel u. J. F. Harris, Amer. Journ. Phv.siol., 14, 259 (1905). C. W. Field, Jouni. exp. Med., 12, 551 (1910). 134 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. beiden Phytotoxine ergeben. Andere Euphorbiaceentoxine sind das Curcin aus den Samen der Jatroplia Curcas(l); das Crotin aus den sehr giftigen Samen von Croton Eluteria, welclies Elfstrand (2) als Proteid erkannte; das Crepitin von Hura crepitans nach Richet (3), sowie ein im Euphorbia- milchsaft vorkommendes Hämagglutinin (4). Echte Phytotoxine enthalten endlich nach Greshoff(5) die javanischen Urticaceeu Artocarpus vene- nosa, Ficus Edelfeldtii und Streblus mauritianus. v. Eisler und Port- heim (6) haben sodann nachgewiesen, daß die Samen verschiedener Datura- Arten Stoffe von hämagglutinierender Wirkung enthalten. An Toxine hat man sodann hinsiclitiioh der Ätiologie der merkwürdigen infektiösen Blatti'leckenkrankheit der Tabakpflanzen gedacht, bei welcher der Gewebesaft der bleichen Blattstellen, angebhch ohne Mikroben zu enthalten, sicher Wirkung auf gesunde Blattstellen entfaltet (7). Das Virus dieser sog. „Mosaikkrankheit" ist leider noch nicht näher bekannt geworden. Die ,,Mosaikki'ankheit" der Tomaten ist hingegen anscheinend nicht in- fektiös (8). Dunbar und Kammann (9) sind der Anschauung, daß das „Heufieber" (Heuschnupfen) durch ein in Gramineenpollen und Con- vallariapollen vorhandenes F*hytotoxin erzeugt werde. Ebenso ist der in den Vereinigten Staaten verbreitete Herbstkatarrh durch Pollen spät blühender Compositen (Solidago, Ambrosia) bedingt. Jedoch neigt man auf anderer Seite der Ansicht zu, daß nicht so die toxischen Eigenschaften der Pollenproteide hierfür ätiologisch in Betracht kommen, wie die Über- empfindhchkeit (,, Anaphylaxie") bestimmter Individuen gegen die resor- bierten Pflanzenpollens toffe (10). Laurent(II) sammelte bezüghch Viscum eine Reihe von Erfahrungen, welche ihn zu dem Schlüsse bewegen, daß besonders die Keimlinge der Mistel ein Toxin erzeugen, welches die Rindenparenchymzellen der Wirts- pflanze abtötet. Ein weiteres Gebiet der Immunoreaktionen umfassen die Erschei- nungen der Agglutination. Kobert hat darauf aufmerksam gemacht, wie stark eine Reihe von Phytotoxinen (Ricin, Abrin, Phasin u. a.) auf Suspensionen von roten Blutzellen wirken. Die Erythrocyten werden in kleinere oder größere Flocken schon auf Zusatz sehr verdünnter Ricin- lösungen zusatamengeballt und setzen sich rasch ab. Nach Michaelis und Steindorff(12) agglutiniert Ricin übrigens ohne Spezifität ver- schiedene Organzellsuspensionen; es wirkt jedoch anderen Erfahrungen 1) A. Siegel, Diss. (Dorpat 1893). Tu. Peckolt, Ber. pharm. Ges., i6, 176 (1906). — 2) M. Elfstrand, Cham. Zentr. (1897), /, 936. R. Kobert, Apoth.-Ztg. (1900), p. 559. — 3) Ch. Richet, Ann. Inst. Pasteur, 23, 745 (1909). — 4) M. V. Eisler u. L. v. Portheim, Zentr. Pakt. I, 66, 309 (1912). — 5) Greshoff, Ber. pharm. Ges., g, 214 (1899). — 6) M. v. Eislek u. L. v. Portheim, Ber. Botan. Ges., 2g, 419 (1911); Ztsch. Immuu.forsch., /, 151 (1908). — 7) Vgl. F. W. T. Hunger, Ztsch. f. Pflanzenkrankh., 15, 257 (1905); Ber. Botan. Ges., 23, 415 (1905). J. A. LoDEWiJKS, Rec. trav. bot. Nuerl., 7, 10^ 208 (1910). — 8) J. Westerdijk, Bact. Zentr. II, 29, 127 (1910). Infektiöse Panachure: E. Bauk, Berlin. Ak. (1906). p. 11. — 9) Dunbar, Berlin, klin. Wochschr. (1903), Nr. 24. Kammann, Hof- meisters Beitr., 5, 346 (1904); Berlin, klin. Woch.^chr. (1906), p. 873. A. Luebbert, Amer. Journ. Pharm., 77, 328 (1905). O. Kammann, Biochem. Ztsch., 46, 151 (1912); Ztsch. Imraun.forsch. I, 14, 646 (1912). — 10) A. Wolff-Eisner, Da.s Heu- fieber (München 1906). — 11) E. Laurent, Compt. rend., 133, 959 (1901). — 12) L. Michaelis u. K. Steindorff, Biochem. Ztsch., 2, 43 (1906). Über Phyto-Agglu- tinine vgl. noch F. Assmann, Pflüg. Arch., 137, 489 (1911). Lenze, Diss. (Gießen 1909). L. B. Mendel, Arch. di Fisiol., 7, 168 (1909). O. Wienhaus, Diss. (Rostock 1909). R. Kobert, Landw. Versuchsstat., 71, 257 (1909). L. v. Liebermann, Arch. Hyg., 62, 277 (1908> § 7. Immunreaktionen. 135 zufolge auf Hefesuspensionen nicht ein. van Laer(1) hat gezeigt, daß man Hefesuspensionen einfach durch Boraxlösung agglutmieren kann, und verschiedene andere Salze sind gleichfalls wirksam. Überhaupt er- innein die Agglutinationserscheinungen äußerlich ungemein an kolloide Ausflockungen von Suspensionen. Bei den an Bacterien zu beobachten- den Agglutinationen tritt jedoch sofort das augenfällige Merkmal der spezifischen Wirkung hervor, wie es für Immunoreaktionen charakte- ristisch ist. Seit den Arbeiten von Gruber (2) weiß man, daß Typhus- bacillen und Choleravibrionen durch das Serum von Tieren, welche mit solchen Mikroben vorbehandelt wurden, spezifisch ausgeflockt werden. Diese Reaktion ist so scharf, daß sie seither in der Diagnostik des Typhus eine hohe Bedeutung gewonnen hat; denn nur Typhusimmun- serum wirkt auf den Bac. typhi flockend, und auf keine andere Mikrobe. Hier wirkt also ein bacterieller Stoff als Antigen (Agglutinogen) und das Agglutinin des Serums ist ein spezifischer Antikörper. Zur Technik der wichtigen Methodik der Hämagglutination und Bacterioagglutination sei auf die Arbeiten von Fühner und WoiTHfe(3) verwiesen. Um- gekehrt können Bacterien jedoch auch Agglutinine produzieren, welche Blutzellen ausflocken (4). Nach den übereinstimmenden Angaben der Forscher sind die Bacterioagglutinine thermolabile Substanzen. Der Zer- fall derselben mit ansteigender Temperatur entspricht dem Verlaufe uni- molekularer Reaktionen (5). Gegen ultraviolette Bestrahlung erwiesen sich die Agglutinine resistenter als die Bacterien selbst (6). Durch Kollodiummembranen findet Filtration statt (7). Beijerinck (8) hat gefunden, daß manche Hefen (Sacch. curvatus) bei Anwesenheit von Milchsäurebacterien flockig ausfallen. Die Ursache dieser „symbionti sehen Agglutination" ist noch nicht klargestellt. Erwähnt sei noch, daß Bernard (9) die Ballungen der Pilzfäden in Wurzelrindenzellen bei endotropher Mycorrhiza mit Agglutinations- erscheinungen vergleichen wollte. Die letzte Gruppe der Immunoreaktionen betrifft schließlich die spezifische gegenseitige Ausfällung von arteigenen Eiweißkörpern, Er- scheinungen, tlie man als Fräcipitinreaktionen zusammenfaßt. Dieselben stehen den Agglutininreaktionen offenbar nahe, beziehen sich jedoch nicht auf die Zellen selbst, sondern auf gelöste Proteide. Es hat zunächst R Kraus (10) das Augenmerk darauf gelenkt, daß bacterienfreie Filtrate von Typhus- und Cholerakulturen durch die betreffenden Immunsera in scharf spezifischer Weise gefallt werden. Zweifellos haben wir wieder eine typische Immunreaktion vor uns. Das von den Bacterien produ- zierte Antigen, hier Präcipitogen genannt, ist bei Typhusbacillen bestimmt vom Typhoagglutinogen verschieden. E. Piük(II) konnte an dem Typhus- präcipitogen keine Eiweißreaktionen nachweisen. In der Präcipitinreaktion 1) H. VAN Laer, Bull. Soc. Chim. ßelg., /p, 31 (1905); 20, 277 (1906). H. KuFFEEATH, Bull. Soc. Roy. Bot. Beige, 45, 392 (1909). — 2) M. Gruber u. Dur- HAM, München, med. Woch.schr. (1896), p. 285; (1899), p. 1329; Zentn Bakt. I, 19, 579 (1896). — 3) H. Fühner, Abderhaldens Handb. d. biochem. Untersuch.meth., 5, 28 (1911). C. Woithe, Naturf. Ges. (1909), //, (2), 294. — 4) G. Guyot, Zentr. Bakt. I, 47, 640 (1908). Y. Fukuhara, Ztsch. Immun.forsch. I, 2, 313 (1909). — 5) Th. Madsen u. O. Streng, Ztsch. physik. Chem., 70, II. Arrhenius-Bd., p. 263 (1910). — 6) H. Stassano u. L. Lematte, Compt. rend., 152, 623 (1911). — 7) Frouin, C. r. Soc. Biol., 67, 814 (1909). — 8) Beijerinck, Zentr. Bakt. II, 20, 641 (1908). — 9) N. Bernard, Bull. Inst. Pasteur, 7, 369 (1909). — 10) R. Kraus, Wien. klin. Woch.8chr. (1897), Nr. 16. — 11) E. Pick, Hofmeisters Beitr., /, 371, 464 (1902). 136 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. können jedoch nicht nur Eiweißstoffe pathogener Mikroben, sondern an- scheinend beliebige andere tierische und pflanzliche Proteide als Antigene fungieren, vorausgesetzt, daß sie dem zu immunisierenden Organismus art- fremd sind. Dadurch ist die Präcipitinreaktion zur Erkennung und zur Unterscheidung arteigener und körperfremder Proteinstoffe von hoher Be- deutung geworden. Bordet(I) hat zuerst gefunden, daß im Blute von Kaninchen nach intravenöser Darreichung von Ziegenmilch sich ein Stoff bildet, welcher Ziegenmilch in vitro fällt. In der Hand von Wasser- mann, Myers, Uhlenhüth, Michaelis, Friedenthal und anderer Forscher (2) ist die Präcipitinreaktion als scharfes diagnostisches Hilfs- mittel in der Blutuntersuchung und zu anderen physiologischen Zwecken ausgebildet worden. Nur gegen die eigenen Körpereiweißstoffe bilden die Tiere keine Präcipitine. Bei nahe systematisch verwandten Formen werden die Fällungen schwach ausgebildet, und sie treten intensiv auf. sobald die systematische Stellung eine entferntere ist. Daß man auch pflanzliche Proteide auf diesem Wege differenzieren kann, wurde mehr- fach gezeigt. Magnus und Friedenthal (3) haben speziell für Gia- mineeneiweiß die Präcipitinmethode erfolgreich zur Artdifferenzierung benützt, und Wells und Osborne (4) konnten zeigen, daß das Legumin von Pisum und Vicia, das Vicilin aus denselben beiden Pflanzen, das Gliadin von Weizen und Roggen, das Vignin und Legumin ans Vicia sich vollständig serospezifisch verhalten. Die Reaktion gelingt am schäristen, wenn man das Immunserum auf die zu prüfende Eiweißlösung vorsichtig schichtet und einige Zeit ruhig stehen läßt (5). Aus dem reichen experimentellen Material, das bereits gesammelt vorHegt, wäre hervorzuheben, daß bei gleichzeitiger Einver- leibung mehrerer Eiweißstoffe ein polyvalentes Serum entsteht, welches auf alle apphzierten Antigene fällend wirksam ist (6). Einer näheren Er- forschung bedarf noch die Beobachtung von Portheim (7), wonach in wässerigen Extrakten verschiedener Pflanzenorgane Trübungen entstehen, wenn man etwas Alkoholextrakt aus Blättern derselben Art zusetzt; diese Trübungen sollen bei Zusatz von artfremdem Blätterextrakt nicht entstehen. Es ist kaum wahrscheinhch, daß diese Reaktion mit den Prä- cipitinoreaktionen irgendwie zusammenhängt. Soweit bekannt, kann man die auf Bacterien spezifisch wirksamen Präcipitine aus dem Serum mit den Globuhnfraktionen ausfällen (8), wo- mit natürhch noch nichts über deren chemische Zugehörigkeit ausgesagt wird. Die Präcipitine und ihre Antigene sind wohl stets thermolabile Sub- stanzen, nach Schmidt (9) jedoch die Präcipitine selbst deuthch emp- 1) BoRDET, Ann. Inst. Pasteur, 13, 240 (1899). — 2) Wassermann u. Schütze, Ztech. Hyg., 36 (1901). Myers, Zentr. Bakt. I, 28, 237 (1900). P. Uhlen- hüth, Deutsch, med. Wochschr. (1900), p. 734; Naturf. Ges. (1905), // C2), 461; Deutsch, med. Woch.schr., j/, 1673 (1905). L. Zupnik, Ztsch. Hys , 49, 447 (1905), — 3) W. Magnus u. H. Friedenthal, Ztsch. Immun. forsch. I, 4, 505 (1910). Ber. Botan. Ges., 24, 601 (1906); 25, 242, 337 (1907); 26a, 532 (1908). Landw. Jahrb., 38, Erg.-Bd. V, 207 (1909). L. Kr. Relander, Zentr. Bakt. II, 20, 518 (1908). M. WiLENKO, Zt8ch. Immun.forsch. I, 5, 91 (1910). — 4) H. G. Wells u. Th. B. Osi BORNE, Journ Infect Diseas., 8, 66 (1911). B. Galli-Valerio u. Bornand, Ztsch. Immun.forsch. I, 15, 229 (1912), für Compositen-Proteine. — 5) Methodisches be- L. Michaelis, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., 3, H, 1185 (1910). W. Fornet u. M. Müller, Ztsch. Hyg., 66, 215 (1910). — 6) Vgl. B. Bermbach. Pflüg. Arch., 107, 626 (1905). A. Hunter, Journ. of Physiol., 32, 327 (1905). — 7) L. V. Portheim, Naturf. Ges. (1909), II, (1), 170. - 8) J. Bang, Hofmeisters Beitr., 7, 149 (1905). L. Michaelis, Ztsch. klin. Med., 56, 409 (1905). — 9) W. A. Schmidt, Biochem. Ztsch., 14, 294 (1908V, dort weitere Literatur. § 8. Die Kinetik der Immunoreaktionen. 137 findlicher gegen höhere Temperatur. Verschiedene Arbeiten j^eziehen sich auf die Erforschung, wie weit man Eiweißstoffe abbauen kann, ohne die präcipitogene Wirkung zu zerstören. Während Obermayer und Pick (1 ) angegeben hatten, daß man die Präcipitinreaktion noch bis zu Polypeptiden ohne Biuretreaktion verfolgen kann, fanden Michaelis und Oppen- heimer (2), daß die durch Pepsin-HCl verdauten Eiweißstoffe durch das auf das unveränderte Eiweiß wirksame Präcipitin nicht mehr gefällt werden; wohl kann man aber durch öftere Injektion des angedauten Eiweißes noch ein Präcipitin gewinnen, welches sowohl auf das angedaute wie auf das native Eiweiß wirkt. Auch Kentzler (3) fand, daß durch Behandlung mit Salzsäure die Antigennatur der Eiweißstoffe verloren geht. In ihren Untersuchungen über die Wirkung tryptischer Verdauung auf die Antigen- natur von Eiweiß machen Obermayer und Pick (4) neuerUch darauf auf- merksam, wie weitgehende hydrolytische Spaltung erfolgen kann, ohne daß die artspezifische Gruppierung im Eiyveißmolekel gänzhch verloren geht. Während auch Oxydation mit Permanganat in alkahscher Lösung die präcipitinogene Wirkung nicöt stört, geht bei Nitrierung, Jodierung» Diazotierung die Fähigkeit, Präcipitin zu erzeugen, vöUig verloren. Dem- nach scheinen die aromatischen Gruppen im Eiweißmolekül speziell bei der Antigenwirkung beteiligt zu sein. Nach W. A. Schmidt (5) läßt sich sogar durch Injektion von eine halbe Stunde hindurch auf 70" erhitztem und dann noch 15—20 Minuten lang mit NaOH weiter erhitztem Serum ein Präcipitin erhalten, welches dann mit erhitztem Eiweiß reagiert. Erwähnt sei noch, daß nach Dunbar (6) die Polleneiweißkörper nach ihrem serobiologischen Verhalten sich gegenüber dem somatischen Zell- eiweiß der betreffenden Art verschieden erweisen, eine Angabe, welche jedoch von Magnus und Friedenthal (7) bestritten worden ist. Kraus und Portheim (8) ist es gelungen, nachzuweisen, daß sehr kleine Mengen präcipitierbaren Eiweißes durch die Pflanzenwurzeln unzersetzt auf- genommen werden können. Fortsetzung: Die Kinetik der Immunoreaktionen. Die Umstände, daß die Immunoreaktionen sowie die Fernient- reaktionen schon durch außerordentlich geringe Substanzmengen bedingt werden können und daß die hierbei in Betracht kommenden Stoffe sowie die Enzyme die Merkmale der Antigennatur und der kolloidalen thermo- labilen Beschaffenheit vereinigen, machten frühzeitig auf die Notwendig- keit eines genauen Vergleiches der Enzyme und Cytotoxine aufmerksam. Doch darf man es bereits als eine erledigte Sache ansehen, daß die Cytotoxine und die Immunstoffe mit Enzymen und Katalysen nichts zu tun haben (9). Vor allem ist es wichtig, festzustellen, daß die Immun- 1) J. Obermayer u. E. P. Pick, Wien. med. Woch.sc-hr. (1904), p. 2(J5. — 2) Michaelis u. Oppenheimer, Arch. Anat. u. Physiol., Phvs. Abt., Suppl. (1902). Oppenheimer, Hofmeisters Beitr., 4, 259 (1903). L. Michaelis, Ztsch. klin. Med.. ?ö, 409 (1905). — 3) J. Kentzler, Berlin, klin. Woch.schr.. 47, 291 (1910). — 4) Fr. Obermäyer u. E. P. Pick, Wien. klin. Worh.schr. (1906), Nr. 12. — 5) W. A. Schmidt. Ztsch. Immun. forsch. I, /j, Kif) (1912). — 6) W. P. Dunbar, Zt?ch. Immun.forsch. I, 7, 454 (19 K)). LiJBBERT, Umschau, 7, 1H6 (1911). — 7) W. Magnus u. H. Friedenthal, Ztsch. Immun.forsch., 5, 504 (1910). — 8) R. Kraus, L. V. Portheim u. T. Yamanouchi. Ber. ßotan. Ges., 25, 383 (1907). — 9) Vgl. hierzu bes. L. v. Liebermann, Deutsch, med. Woch.8chr., 31, Nr. .33 (1905); 32. Nr. 7 (1906); Ztsch. Immun.forsch. I, n, 295, 355 (1911). 138 Zweites Kapitel: I>ie chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenoiganismus. reaktionen, ohne Zwischentreten der wirksamen Substanz, nicht möglich sind und direkt durch sie bedingt werden ; sodann daß die Toxine, Agglutinine, Präcipitine in der Reaktion verbraucht werden und in den Reaktionsprodukten in irgendeiner Form enthalten sind. Dementsprechend kann von einer „Fermentnatur" trotz aller äußer- lichen Ähnlichkeiten bei den Immunautigenen und Immunkörpern nicht die Rede sein. Wir wissen aber seit den gi'undlegenden Arbeiten von Ehrlioh(I) und seinen Schülern mit Sicherheit, daß die Antigene in der Reaktion nicht verbraucht und zerstört werden, sondern aus ihrer Bindung mit dem spezifischen Immunkörper durch Zerstörung des letzteren in wirk- samer Form wieder erhalten werden können. Wie kommt nun dieser Vorgang der Absättigimg zwischen Antigen und Immunkörper zustande? Trotz aller darauf verwendeten Mühe hat dieses offenbar sehr kompli- zierte Problem sich bis heute noch nicht so weit aufhellen lassen, daß eine chemisch befriedigende und allgemein angenommene Auffassung er- langt worden wäre. Man hätte erwarten können, daß bei der Bindung von Antigen und Immunkörper die charakteristischen Eigenschaften des Antigens in demselben Maße sich vermindern, als die Bindung vollzogen wird. Dies ist nun, wie Ehrlichs berühmt gewordene Untersuchung des Diphtherietoxins gezeigt hat, durchaus nicht der Fall. Denn Di- phtherietoxinlösungen verlieren in der Zeit nach ihrer Herstellung nach und nach ganz bedeutend an Giftigkeit, während ihre Fähigkeit sich mit dem Antitoxin zu verbinden, die gleiche bleibt. Im Anschlüsse an die Vorstellungen der Farbstoffchemie über Chromophore, Auxochrome usw. machte Ehrlich diese Sachlage anschaulich durch die Annahme, daß das Toxin eine „toxophore" Gruppe enthält, welche den Träger der Gift- wirkung, darstellt, und eine „haptophore" Gruppe, welche die Bindung an das Antitoxin vermittelt. Die Bildung des Antitoxins bei der Im- munisierung stellt sich Ehrlich in der Weise vor, daß die haptophore Gruppe des Toxins zunächst an bestimmte Gruppen in Zellsubstanz- molekülen (Receptoren) gebunden werde. Diese Beschlagnahme der Receptoren wirke als Reiz für eine abnorm reichliche Neubildung von Receptoren, welche abgestoßen werden und nun das freie Antitoxin des Serums darstellen. Es bleibt aber noch zu erklären, wie so die toxische Wirkung der Giftlösung sich vermindert. Die EHRLiCHsche Theorie nimmt an, daß chemische Veränderungen an dem Toxin unterlaufen, indem daraus ungiftige, jedoch noch gleich gut zu kuppelnde Stoffe ent- stehen, die „Toxoide". Neue Schwierigkeiten ergeben sich sodann daraus, daß die Toxin- Antitoxinabsättigung eine gewisse, nicht zu kurze Zeit braucht: 24 Stunden bei Zimmertemperatur, 1 Stunde bei 40*^0, ehe die Bindung völlig voll- zogen ist. Es ist femer nicht gleichgültig, ob man ein Quantum des Antitoxins auf einmal oder in zwei Teilen zusetzt, denn Danysz(2) hat gezeigt, daß im ersten Falle die Bindung und der Entgiftungseffekt namhaft stärker ist als im letzteren Falle. Ehrlich suchte die all- mähliche AbSättigung durch die Hypothese zu erklären, daß die Toxin- lösungen außer dem eigentlichen Toxin noch eine quantitativ und quali- tativ toxisch differente Substanz enthalten, deren Fähigkeit sich mit dem Antitoxin zu verbinden geringer sei als bei Toxin und Toxoiden. Dies 1) P. Ehrlich, Gesammelte Abhandl. (1901). — 2) Danysz, Ann. Inst. Paateur, i6, 33 (1902). § 8. Die Kinetik der Immunoreaktionen. 139 Wäre Ehrlichs „Toxon". Aber auch das Toxin selbst ist nicht ein- heitlich, sondern läßt sich in drei Giftportionen einteilen, von denen das „Prototoxin" die stärksten haptophoren Eigenschaften hat, das „Deuterotoxin" wenig starke und das sich an das Toxon anschließende „Tiitotoxin" am wenigsten Verwandtschaft zum Antitoxin zeigt. Diese drei Fraktionen sind außerdem ungleich beständig, indem das Tritotoxin am leichtesten ungiftiges Toxoid über den Weg eines „Hemitoxins" liefert, das Deuterotoxin hingegen relativ sehr beständig ist, während das Prototoxin ebenfalls frühzeitig in Hemitoxin und ungiftiges Toxoid übergeht. Die EHRLiCHsche „Seitenkettentheorie", wie sie hier in ihren Haupt- zügen geschildert ist, schließt, anpassungsfähig wie sie ist, natürlich auch nicht jene Fälle aus, in welchen die Absättigung von Toxin und Antitoxin stets proportional zu Bindungsvermögen und Toxicität vor sich geht, wie es beim Rauschbrandgift nach Grassberger und Schattenfroh (1) der Fall ist. Hier fällt nur die Annahme von Toxoiden hinweg. Im wesent- hchen stimmen auch die von Madsen (2) früher vertretenen theoretischen Anschauungen mit den Grundsätzen Ehrlichs überein, während andere Autoren, wie Danysz, Swellengrebel, Bürdet (3), die Toxone als partiell abgesättigte Toxine ansehen. Nach Bürdet würde das Toxinmolekel mehrere haptophore Gruppen besitzen und könnte Antitoxin in variablen Proportionen binden. Daß die EnRLiCHsche Theorie für die chemisch denkenden Physio- logen stets etwas Unbefriedigendes in ihrem Wesen hatte, kann nicht ge- leugnet werden und es sind zahlreiche Versuche unternommen worden, die Toxin-Antitoxinreaktion in einer mehr an die chemische Kinetik an- knüpfenden Weise zu erklären. Die eine Gruppe von Forschern, wie Arrhenius und Madsen, stellen hierbei die Absättigungsphänomene nach dem allgemeinen Gesetze der Massenwirkung in den Vordergrund, die an- deren suchen die Kolloidchemie zu Hilfe zu nehmen und die nun besser bekannt gewordenen Adsorptionserscheinungen heranzuziehen. Arrhenius und Madsen (4) haben in einer sehr glücklichen Weise gezeigt, wie groß die Analogien zwischen der Absättigung Toxin + Antitoxin und der Sätti- gung einer nicht allzu schwachen Base wie Ammoniak mit einer schwachen Säure (Borsäure) sind. In solchen Fällen ist das Reaktionsprodukt in seiner wässerigen Lösung natürlich stark hydrolytisch gespalten und es bedarf eines bedeutenden Überschusses an Borsäure (dem Antitoxin ent- sprechend), um das Ammoniak zu neutrahsieren. Bemerkt sei, daß Angaben vorliegen, daß auch die Toxin + Antitoxinverbindung, frisch hergestellt oder stärker verdünnt, Dissoziationserscheinungen aufweist (5). Borsäure, in der Menge 1 zu NHg hinzugefügt, neutrahsiert etwa die Hälfte, in der Menge 2 etwa zwei Drittel, in der Menge 3 etwa drei Viertel, in der Menge 4 etwa vier Fünftel des NHg usw. Dies macht genau den Eindruck, als ob in einem Gemische mehrerer Stoffe zuerst derjenige mit der stärksten Affinität abgesättigt würde, sodann sukzessive die Stoffe mit schwächerer Affinität wie beim Toxin. Wenn man mit Arrhenius die noch vorhandene 1) R. Grassberger u. A. Schattenfroh, Wien. klin. Wochschr. (1905), Nr. 15. — 2) T. Madsen, Ann. Inst. Pasteur, 13, 568 (1899). — 3) J. Danysz, Ebenda, p. 581. Swellengrebel, Zentr. Bakt. I, 35, 42 (1904). Bordet, Ann. Inst. Pasteur (1903), Nr. 3. — 4) Sv. Arrhenius n. T. Madsen, Ztsch. physik. Chem., 44, 7 (1903). Arrhenius, Ergebn. d. Physiol., 7, 480 (1908). Arrhenius, Immunocheraie (Leipzig 1907). — 5) R. Otto u. H. Sachs. Ztsch. exp. Path. Ther.. j, 19 (1906). 140 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lehenden rflanzenorganismus. NHg-Menge durch die hämolytische Kraft des NHa-Boratgemischcs mißt, so stellt sich sehr früh schon die von Ehrlich beschriebene abnehmende Ab- sättigung heraus. Im Falle der NH3 X Borsäurereaktion gilt nach dem GuLDBERG-WAAGEschen Gesetze die Gleichung (Freie Säure) X (Freies Ammoniak) = k (Ammoniumborat)^. Für die Toxinabsättigung hätten wir dann zu schreiben Freies Toxin Freies Antitoxin , /Toxin X Antitoxin\2 X ^-, = k X ( - Volum Volum \ Volum / und 1 Molekel Toxin muß mit 1 Molekel Antitoxin 2 Molekel der Verbin- dung geben. Die ermittelte Gleichung für die Reaktionsgesdiwindigkeit ist 1 1 =k(t, — t,), wenn x die zur Zeit t vorhandene Toxin- A— Xa A — Xi Antitoxinverbindung und A die .'Uifangsmenge des Toxins ist. Die an- fängliche Menge des Antitoxins ist einflußlos. Auch der oben erwähnte DANYSZ-Effekt, welcher darin besteht, daß die Absättigung mit Antitoxin weiter geht, wenn man das Antitoxin auf einmal zusetzt, als wenn dies in zwei Teilen geschieht, läßt sich nach Arrkenius chemisch verstehen, wenn man Fälle betrachtet wie jenen, wo Monochloressigsäure mit Natronlauge im Überschuß versetzt wird, so daß sich allmählich NaCl bildet. Da die Bindung des Gl in NaCl fester ist als in der Monochloressigsäure, so bedeutet dies eine zeitlich fortschreitende Festerbindung des Cl, wie das Antitoxin an das Toxin allmählich fester gebunden wird. Die Anläufe, weir lie genommen sind, um die Lehre von der Adsorption für die Toxinreaktion heranzuziehen, sind gleichfalls vielversprechend. Die elektrischen Ladungen von Toxu) und Antitoxin sind nach den Er- fahrungen von FiELP und Teague sowie Bechhold (1) im kataphoretischen Versuch nicht entgegengesetzt; sowohl Toxin als xVntitoxin wandern un- abhängig von der Reaktion des Lösungsmittels kathodisch. Hingegen besteht hinsichtlich der Oberflächenspannung wässeriger Lösungen von Toxin iiiui Antitoxin nach Zunz (2) die wichtige Differenz, daß nur Toxin- lösungen oberflächenaktiv sind ; sowohl Antitoxinlösungen als Toxin X Anti- toxingemische erniedrigen die Oberflächenspannung des Wassers nicht. Damit steht im Einklänge, daß die Kombination Toxin-Antitoxin von Knochenkohle nicht adsorbiert wird, während das Toxin bei Salzgegenwart deutlich adsorbiert wird. Es sei auch noch auf die Darlegungen von Zangger und ßiLTZ (3) verwiesen. Besonders geeignet füi- das Studium der Immunoreaktionen sind die Hämolysiiiwirkungen auf rote Blutzellen, die man bequem in vitro messend verfolgen kann. Es ist jedoch kaum möglich die Wirkungs- weise der Hämolysine von Bacterien oder ans artfremdem Serum zu verstehen, ohne die bactericiden Wirkungen zellfreien sterilen Serums 1) C. W. FiELi) u. O. Teague, Journ. exp. Med., 9. 86 (1907). H. Bech- iioiJ), München., med. Woch.schr. (1907), Nr. 39. — 2) E. ZuNZ, Bull. Acad. Roy. Belg. (Oktohor 1910). L. Jacque u. E. Zunz, Arch. intern. Physiol., 8, 227 (1909); Soc. Roy. Sc. ni^d. Bruxelle.s, 7, 127 (1909). A. Bertolini, Biochem. Ztsch., 28, 60 (1910). ■ Mentz-von Krogh, Ztsch. Hyg., 68, 251 (1911). — 3) H. Zangger, Ztech. Immun. forsch. I, i. 193 (1909); Vierteljahrsschr. Nat. Ges. Zürich, 53, 408 (1908). W. BiLTZ, Med. Natiirw. Arch., /, 34,'i (1908). § 8. Die Kinetik der Iramunoreaktionen. 141 ZU beachten, welche schon seit 1888 durch Nuttall, Behring, Buch- ner (1) und andere Forscher bekannt sind. Durch die von Nuttall an- gestellten Versuche, welche bewiesen, daß das leukocytenfreie Serum Bacterien vernichtet, war die AUeingülligkeit der METCHNiKOFFschen Phagocytenlehre gebrochen. BuchnSr zeigi:e, dali die bactericiilen Serumstoffe durch Erwärmen auf 60^ vernichtet werden, sprach sie als Eiweißkörper an und gab ihnen die Benennung der ,,Aiexine". I'feif- FER(2) führte später den wichtigen Nachweis, daß man ein durch Erwärmen oder durch bloßes längeres Aufbewahren inaktiviertes Serum durch Einführung in den Tierkörper wieder aktivieren kann. Es muß sich daher um zwei differente Stoffe im BucHNERschen Alexin handeln, von denen der eme leichter zerstörbar ist als der andere. Die Dualität der Immunstoffe folgt auch aus der von Pfeiffer entdeckten Erscheinung, daß das Serum aus cholera-immunen Tieren allein auf lebende Choleravibrionen nicht in vitro bactericid einwirkt : daß hingegen die Bacterien sehr rasch zugrunde gehen, wenn man das Immunserum zusammen mit lebenden Choleravibrionen einem Tiere in die Bauchhöhle bringt (Phänomen von Pfeiffer 1894). Von großer Bedeutung war ferner die Entdeckung von Bordet(3), daß ganz frisches Immunserum auch im Reagensglase kräftig bactericid wirkt, daß man diese Wirkung durch Erwärmen auf 56'^ aufheben kann, und daß Zusatz von normalem Serum die Wirksamkeit wieder herstellt. Aus der Ver- bindung allei- dieser Tatsachen darf man den Schluß ziehen, daß das bactericide Agens aus zwei Kom})onenten bösteht, von denen die eine nur im Immunserum vorkommt und beständig ist, die andere aber auch im normalen Serum vorhanden ist und beim Aufbewaliren und beim Erwärmen leicht unwirksam ist. Bürdet nannte die thermostabile Sub- stanz substance sensibilatrice, den zweiten Körper Alexin. Ehrlich und Morgenroth (4). welche die komplexe Natur der bactericiden und hämolysierenden Stoffe voll bestätigen konnten, führten für die thermo- stabile an sich unwirksame Substanz den Namen „Immunkörper", Zwischenkörper oder Ambocepior ein, für den thermolabilen auch im normalen Seium vorkommenden Bestandteil den Namen Komplement. Für die Inaktivieiung des letzteren beim Erwäimen wurde die Er- klärung gegeben, daß es hierbei in sog. „Komplenientoide" übergeht, in denen die zymotoxischen Gruppen völlig zerstört sind, die haptophoren (Trupi)en jedoch erhalten geblieben sind (5). Die Eigenschaften der Immunkörper (Amboceptor) sind bisher viel weniger aufgeklärt als jene der Komplemente. ArrheniüS hebt mit Recht hervor, daß die über Hämolysine bekannt gewordenen Tatsachen nahe- legen, daß der Immunkörper im Verhältnis zum Komplement sehr stark von den Blutzellen adsorbiert wird. Morgenroth (6) hat gezeigt, daß sich diese Eigenschaften beim Erhitzen auf 6.5" C {% Stunde) irgendwie ändern 1) NXTTTALL, Ztsch. Hvg., 4, 353 (1888). v. Fodor, Deutsch, med. Woch.schr. (1887), Nr. 34. Behring u.' Nissen, Ztsoh. Hyg., 8, 412 (1890). H. Buchner, Zentr. Bakt., 5, 817 (1889); ,. Auil. ■'0 146 Zweites Kapitel: Die chemischen Reaktionen im lebenden Pflanzenorganismus. entsteht, besteht aus Präcipitin, so daß das. Niederschlagsgewicht praktisch unabhängig ist von der Menge des vorhandenen Antigens (1). Darauf beruht eben der diagnostische Wert dieser Fällungsreaktionen. Nach den Messungen von Chapman(2) nimmt die Quantität des Niederschlages mit der Menge des Präcipitogens nur bis zu 30 — 100 mg Antigen pro- portional zu. Auch refraktometrisch ließ sich zeigen, daß nur geringe Bruchteile eines Prozentes größerer Antigenmengen in das Präcipitat hineingehen (3). Die Niederschlagsbildung erreicht bei einer bestimmten Antigenmenge ihr Maximum und nimmt bei weiterem Ansteigen des Präcipitogens ab. Offenbar entsteht da eine lösliche Präcipitinantigen- verbindung, welche im Gegensatz zu der erst entstehenden antigenarmen wenig löslichen Verbindung antigenreich und präcipitinarm ist. Hält man die Präcipitogeumenge konstant und steigert die Zugabe des Prä- cipitins, so wächst die Niederschlagsmenge an, jedoch ohne daß die Reaktion so vollständig wird, daß die Gesamtpräcipitinmenge gebunden wird, selbst bei lOOfachem Präcipitinüberschuß (4). Wenn gegebene Mengen von Antigen und Präcipitin in verschieden großer Verdünnung reagieren, so nimmt die Niederschlagsmenge mit steigender Verdünnung ab. Daß die Präcipitatbildung bei steigendem Antigenzusatz dem Massen- wirkungsgesetz entspricht, haben Hamburger und Arrhenius(5) auf Grund quantitativer Niederschlagsbestimmungen wohl unzweideutig be- wiesen. Nach diesen Forschern würden im Niederschlag je 1 Äqu. Prä- cipitin und Antigen einander entsprechen, in der löslichen Verbindung würden (bei Gegenwart von viel Antigen) jedoch 2 Äqu. Antigen auf 1 Äqu. Präcipitin kommen. Die von Michaelis und Fleischmann (6) dagegen Erhobenen Bedenken stützen sich auf die Erfahrung, daß aus- gewaschene Präcipitate noch weiterhin Präcipitin binden können; dies könnte aber von adsorbiea-tem Antigen herrühren. Nach Franceschelli (7) kann man durch gesättigte MgSO^-Lösung bei 35** die ganze Präcipitinmenge aus einem Eiweißimmunserum aus- fällen, mithin hegt das Präcipitin in der Euglobuünfraktion. Beim Er- hitzen auf über 10^ C erhalten die Präcipitine, wie es bei Immunokörpern auch anderweitig der Fall ist, präcipitationshemmende Eigenschaften und fällen nicht mehr. Da bei der Immunisierung nach Gaehtgens (8) die Bacterienpräcipitine vor den Agglutininen im Immunserum auftreten, so können beiderlei Stoffe trotz aller Analogien miteinander nicht iden- tisch sein. 1) Vgl. D. A. Welsh u. H. G. Chapman, Ztsch. Immun.forsch. I, 9. 516 (1911); Proceed. Roy. See. Lond., 78. B., 297 (1906). — 2) H. G. Chapman, Proceed. Roy. See. Lond., 82. ß., 398 (1911). — 3) F. Obekmayeb u. E. P. Pick, Hofmeisters Beitr., 7, 455 (1905); auch L. Moll, Ebenda, 4, 578 (1904). — 4) L. Michaelis u. P. Fleischmann, Ztsch. exp. Path. Ther., /, 547 (1905). — 5) H. J. Hamburqek u. Sv. Arrhenius, Kon. Akad. Amsterdam (27. April 1906). — 8) P. Fleisch- mann u. L. Michaelis, Biochem. Ztsch.^ j, 425 (1907). — 7) D. Franceschelli, Arch. Hyg., 69, 207 (1909). — 8) W. Gaehtgens, Ztsch. Immun.forsch. I, 4, 559 (1910). § 1. Einleitung. 147 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkuugen. § 1. Einleitung. In das Gebiet der allgemeinen Biochemie Laben wir ferner auch jene Wirkungen chemischer Stoffe einzubeziehen, welche man öfters als „Auslösungsreaktionen" im physiologischen Sinne bezeichnet, und die sich ganz an die Reizerscheinungen der pb3'^sikalischen Physiologie anschließen (l). Wir müssen solche Vorgänge scharf von katalytischen Prozessen unter- scheiden, indem bei chemischen Reizwirkungen von einer Steigerung des Reizeffektes proportional zur Konzentration des Reizstoffes nicht allge- mein die Rede sein kann. Im Gegenteile können, wie wir alsbald sehen werden, sehr kleine Quanten von Reizstoffen eine bedeutende Geschwindig- keitserhöhung von Lebensvorgängen erzielen, während etwas größere Quanten entschieden hemmenden Einfluß haben. Es handelt sich bei den chemischen Reizwirkungen um ebenso häufige wie bedeutungsvolle Erscheinungen des pflanzlichen Stoffwechsels; denn die von der Pflanze resorbierteji verschiedenartigen chemischen Materialien entfalten meistens nicht nur schlechthin Nähreffekte, d. h. dienen als Ersatzmaterialien, son- dern bewirken gewöhnlich auch mehr weniger deutlich markierte Reizerfolge, welche von Qualität und Konzentration der resorbierten Stoffe abhängen. Die Pflanze ist in ihrer Wechselbeziehung zu den chemischen Einflüssen der Außenwelt eben geradeso ein reizbarer Organismus, wie bezüglich anderer äußerer Einwirkungen, und chemische Reizeriolge spielen in dem Wechselspiel zwischen den Stoffen der Außenwelt und dem Pflanzen- organismus eine außerordentlich wichtige Rolle. Dazu kommt noch, daß der Stoffwechsel selbst zahlreiche Reizstoffe erzeugt, welche unter be- stimmten Bedingungen und in bestimmten Stadien des Lebens ihre Wirksamkeit hervortreten lassen. Es sind die ganzen chemischen Be- ziehungen der Pflanze zur Außenwelt, ihre ganze Ernährung, ein außer- ordentlich kompliziertes System von chemischen Reizen und Reizerfolgen. Zum Teil sind die chemischen Reizwirkungen lange übersehen worden. Man hat sie am frühesten bei der Darreichung von Substanzen erkannt, welche im Leben der Pflanze unter natürlichen Verhältnissen nicht zur Resorption gelangen. In zahlreichen Fällen ist die Aufnahme der wirksamen Substanz die Ursache des langsamen oder raschen Todes der Pflanze, und man spricht herkömmlich von Gift und Vergiftung. Diese letzteren Wirkungen waren es, welche zuerst das Augenmerk der experimentell tätigen Forscher erregten, und die Pflanzentoxikologie ist relativ früh in wissenschafthche Bearbeitung gekommen. Nachdem Forscher wie Gehlen und Runge dazu aufgefordert hatten, lebende Or- ganismen als ,, chemische Reagentien" zu benützen (2), studierte 1824 Schreiber (3) eingehend die deletäre Wirkung der Blausäure auf Pflanzen, Marcet (4) prüfte viele Metallgifte und Alkaloide hinsichtlich ihrer Toxicität 1) Chemische Reizreaktionen: H. M. Richards, Science, 31, 52 (1910). — 2) Gehlen, Journ. f. Cheni. u. Phys., 8, 511 (Berlin 1809). F. Runge, Neueste phytochem. Entdeckungen, p. 65 (Berlin 1820). — 3) Schreiber, Dissert. de acidi iiydrocyanici vi perniciosa in planias (Jena 1825). — 4) F. Marcet, Ann. Chira. et Phys. (2), 29, 200 (1825); Schweigg. Journ., 45, 340, 385 (1825). 10* 148 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. auf Gewächse, Mac Culloch (1 ) beobachtete die Abhaltung des Schimmels durch ätherische Öle, und viele Versuche verdanken wir weiter Goeppert (2), Leuchs (3), Schübler und Zeller (4); über giftige Gase arbeiteten Turner und Christison (5), sowie Macaire (6); Runge (7) studierte das Verhalten der Mimosa gegen Gase und chemische Einwirkungen ; auch Braconnot (8) und Chatin (9) waren auf diesem Gebiete tätig. In diesen Arbeiten spielten die Fragen, ob die auf Tiere bereits in kleinen Gaben wirksamen Stoffe für Pflanzen ebenso toxisch seien, ob die für Tiere giftigen Stoffe überhaupt mit den für Pflanzen toxischen Substanzen zusammenfallen, und ob die von Pflanzen erzeugten Alkaloide für sie selbst toxisch seien, die Haupt- rolle. So stützte auch Th. Schwann seine Ansicht, daß die Hefe ein pflanz- hcher Organismus sei, wesentüch mit auf die Tatsache, daß Strychninsalze für Hefe weniger giftig sind als für Tiere. Schon Braconnot (8) machte die Beobachtimg, daß manche Gifte in kleinsten Mengen nicht schädlich wirken, sondern die vitalen Tätig- keiten erhöhen. Diese höchst wichtige Erscheinung wurde jedoch erst 1888 durch H. Schultz (10) bei seinen Studien über Hefegifte in ihrer vollen Bedeutung erkannt. Denn ganz universell bringen bei gärender Hefe die heftigsten Giftstoffe in starker Verdünnung Steigerung der Gärtätigkeit und Zellvermehrung hervor; dieser Effekt tritt hervor bei HgCla 1 :50000C)— 700a)0, Jod 1 : 600000, JK 1 : 100000, Br 1:300000, CrOg 1:600000, Salicylsäure 1:4000, Ameisensäure 1:40000. Diese Wirkung als Wachstumsreiz kann eine verdünnte Giftstofflösung kaum andere bedingen, als daß durch das toxische Agens Gegenwirkungen im Organismus erzeugt werden, welche das Ziel verfolgen, das Gift un- schädlich zu machen. So ist es zur Beurteilung der chemischen Reize ebenso wie auf anderen Gebieten der Reizphysiologie von fundamentaler Bedeutung sich stets zu vergegenwärtigen, daß ein äußerer Reiz eine Gegenaktion in selbstregulatorischem Sinne im Organismus hervorruft. Hatten wir in der Antitoxinbildung auf intravenöse Applikation von Toxinen hin bereits einen autoregulatorischen Prozeß ganz spezifischer Art vor uns, so stellen die stimulierenden Effekte verdünnter Gift- lösungen offenbar generelle, nicht spezifizierte Entgiftungsaktionen vor. Chemische Reizwirkungen müssen natürlich nicht immer, indem sie die Produktion an Trockensubstanz bei einer Pflanze erhöhen, im allge- meinen auf alle Funktionen günstig wirken. So kommt es bei Pilz- kulturen oft vor, daß der Reizstoff zwar starke Mycelbildung anregt, jedoch die Conidienbildung nicht fördert (11), und umgekehrt kann letztere auffallend begünstigt werden, ohne daß sich eine hervorragend starke Wirkung auf die Trockensubstanzmenge äußert. Auf die stimuherenden Wirkungen der Giftstoffe im einzelnen werden wir noch an verschiedenen Stellen dieses Kapitels näher einzugehen haben. 1) Mac Culloch, Schweigg. Journ., 40, 382 (1824). — 2) H R. Goeppert, Pogg. Ann., 14, 243, 252 (1828); 15, 487 (1829). — 3) E. F. Lei'CHS, Ebenda. 14, 499 (1828); 15, 153 (1829); 20, 488 (183(J). — 4) G. Schübler u. Zeller, Schweigg. Joinn., 50, 54 (1827). — 5) E. Turner u. R. Christison, Pogg. Ann., 14, 259 (1828). — 6) Macaire, Schweigg. Journ., 65, 437 (1832); Pogg. Ann., 14, 506, 514 (1828), Ann. Chim. et Phys. (2), 39, 85 (1828). —7) F. Runge, Pogg. Ann., 25, 334 (1832). — 8) H. Braconnot, Ann. Chim. et Phys. (3), /j, 115 (1845); 14, 114 (1845); 18, 157 (1846). — 9) A. Chatin, Ebenda, (3), 23, 105 (1848). — 10) H. Schultz, Pflüg. Arch., 42, XI (1888). Arch. pathol. Anat, 113 (1877); Ärztl. Rdsch. (1902), p. 13. — 11) Vgl. H. J. Waterman, Kgl. Akad. Amsterdam (Nov. 1912). § 1. Einleitung. 149 O. LoEW(1) hat sich mit stimuHerenden Mineralgiften (Rb, Fl, Mn) ein- gehend befaßt, ViNSON (2) hat die Herbeif ülirung vorzeitiger Fruchtreife bei Diospyros Kaki und Dattel durch chemische Reizmittel studiert, und eine eingehende Behandlung des ganzen Themas enthält eine Arbeit von E. Br. Fred (3). Zur Sicherstellung stimulierender Wirkungen läßt sich die messende Verfolgung des Längenwachstums, der Atmung, Alkoholgärung oder selbst auch die Beobachtung der Schnelhgkeit der Plasmaströmung in Gewebeschnitten (Vallisneria) leicht verwenden. P'aßt man die stimulierenden Reizwirkungen als Entgiftungserschei- nungen auf, so gelangt man zu folgendem Schema der chemischen Reiz- erscheinungen : A. Giftwirkung schwächer als Entgiftungswirkung: Stimulations- effekte. B. Giftwirkung stärker als Entgiftungswirkung, jedoch nach Be- seitigung der (Jiftlösung wieder Erholung eintretend: Lähmungs- und Narkoseeffekte. C. Giftwirkung stärker als Entgiftungswirkung, nach Beseitigung der Giftlösung Absterben: Letale Effekte. Lähmungseffekte und Narkose sind bei Pflanzen kaum zu trennen. Man könnte den Ausdruck ,, Narkose" nicht nur für die Wirkung be- stimmter Stoffe (Alkohol, Äther, Chloroform usw.) verwenden, sondern all- gemein für die Gifteffekte, welche Bewegungserschoinungen stärker betreffen als andere Lebensfunktionen. Lähmungseffekte und Narkose stollt man einfach und sicher an der temporalen Hemmung von Längenwachstum oder Plasmaströmung fest. Vandevelde (4) hat jene Giftkonzentration, welche durch Beseitigung der toxischen Lösung nicht mehr in ihren toxischen Wirkungen vom Orga- nismus überwunden werden kann, als ,, kritischen Punkt" der toxischen Lösung bezeichn^H. Um diesen Punkt (letale Grenze) zu bestimmen, kann man einmal das Aufhören di^r Plasmolysierbarkeit oder den Austritt von Zelhnhaltsstoffon benützen. Die Plasmolysierfähigkoit kann man nach (iem Vorgange von Verschaffelt und Stracke (5) durch eine Wägungs- methode untersuchen, wobei man feststellt, ob die Organe nach Apphkation der Giftlösung noch an Gewicht zunehmen, wenn man sie nach vorherigem Einlegen in Salpeterlösung in Wasser deplasmolysiert. Den Austritt von Gerbstoff aus abgetöteten Zellen kann man leicht durch den negativen Ausfall der ,, Aggregationsmethode" durch 0,2%iges Coffein oder 0,l%iges NHg sicherstellen (6). Bei Mikroben bleibt nur die Feststellung der Ent- wicklungshemmung. Man bringt das Material auf feinen Platindrähten oder auf gut gereinigten Granaten angetrocknet (die früher beliebten Seiden- fäden sind nicht empfehlenswert) in die Lösung und impft sodann mit diesem eine bestimmte Zeit vorbehandelten Material einen geeigneten Nährboden (7). 1) O. LoEW, Landw. Jahrb. (1903). — 2) A. E. Vinson, Science, jo, 604 (1909); .Journ Amer. Chcm. Öoc, .32, 208 (1910). — 3) E. Br. Freo, Zentr. Bakt. II, 3f. 185 (1911). Ferner Hüne, Zentr. Bakt. I, Orig. ./EK, Hofmeisters Beitr., S. 302 (1906). — 4) J. Szücs, Jahrb. wiss. Botan., 52, 85 (1912). § 1. Einleitung. 151 Alkaloiden und Teerfarbstoffen, nach den im Prager Institut von Szücs und Endler (1) ausgeführten Untersuchungen eine große Rolle zu spielen. Bei der physikalisch-chemischen Prüfung der Frage, welche Vor- gänge bei der Aufnahme von Giften in die ZelJe hauptsächlich in Be- tracht kommen, hat man besonders die Verteilung des Giftstoffes nach dem Löslichkeitsverhältnis in Außenmedium und Zellmedien, und die Adsorption durch die Zellsubstanzen einer genaueren Untersuchung unter- zogen. H. Meyer und seine Schüler (2) haben zuerst darauf aufmerk- sam gemacht, wie stark die narkotischen Effekte von Alkoholen usw. mit der Größe des Teilungsquotienten oder des Verhältnisses der Lös- lichkeit des Narkoticums in Öl und Wasser koincidiert, und es wurde bekanntlich darauf eine Theorie der Narkose aufgebaut, welche die An- sammlung der Narkotica im lipoidreichen Zentralnervensystem zur Grund- lage hat. Andererseits war man bereits durch die enorme Giftigkeit von äußerst verdünnten Metall- und Farbstofflösungen auf lebende Zellen (Nägelis oligodynamische Erscheinungen, Giftwirkungen destillierten Wassers durch Cu-Spuren) auf die Bedeutung von Speicherung von Gift- stoffen durch Adsorption hingelenkt worden. Es gelingt auch in der Tat durch Zusatz wirksamer Adsorbentien (Seesand) die Wirkung von Cu herabzusetzen (3) und Eiweiß-Gegenwart vermindert nach Borut- TAü(4) erheblich die Giftwirkung von Arsentrichlorid. Allgemein ist die Wirkung von Giften eine Funktion von Konzentration und Zeit; sehr verdünnte Lösungen gestatten häufig in sehr langer Zeit den letalen Effekt herbeizuführen, ebenso wie konzentriertere in kurzer Zeit. Dabei nimmt bei zunehmender Konzentration die Giftwirkung stark verdünnter Lösungen in exponentiellem Verhältnisse zu. Gerade dieses Verhalten ist aber für Adsorptionskurven charakteristisch. Wo. Ostwald (5) hat es zuerst versucht, eine einfache Adsorptionsformel der Form a = k-c"' auf die Giftwirkungen anzuwenden. Setzt man den reziproken Wert der Lebensdauer t der Zellen, oder die Giftwirkung gleich a, die Konzen- tration einer giftigen Salzlösung gleich c, so stimmt die Gleichung — = k • c"* in ihrer logarithraierten Form log t + m log c = log k sehr gut mit den aus dem Versuchsmaterial gewonnenen graphischen Dar- stellungen überein. Man erhält den geradlinigen V^erlauf in beiden Fällen. Wenn auch eine dem Adsorptionsgesetz ähnliche Beziehung das äußere Bild des Vorganges beherrschen sollte, so ist natürlich damit noch immer nicht eine tiefere Einsicht in den Prozeß gewonnen. Ost- wald (6) hat sich denn auch später veranlaßt gesehen für die Wirkung 1 k subnormaler Salzlösungen die Formel — = -^ aufzustellen, während die Gleichung Tp = k (c — n)"" die Wirkung von Salzüberschüssen illustrieren soll; n wäre die in den Geweben normalerweise adsorbierte Salzmenge. Übrigens haben sich Harriet Chick(7) bezüglich des Absterbens von Bacterien in Desinfektionsmitteln, Blackman und Miss N. Darwin (8) 1) J. Endler, Biochem. Ztsch., 42, 440; 45, 359 (1912). — 2) H. H. Meyer, Arch. exp. Path. Pharm., 46, 338 (1901). — 3) R. Fitch. Ann. mycol., 4, 313 (1906). — 4) H. ßoRUTTAU, Biochem. ZtPch., 43, 418 (1912). — 5) Wo. Ostwald, Pflüg. Arch., 720, 19 (1907). — 6) Wo. Ostwald u. A. Dernoscheck, Koll. Ztsch., ö, 297 (1910). — 7) Harriet Chick, Journ. of Hyg. (Jan. 1908). - 8) Blackman, Britifsh Association (Sept. 1908). 152 Drittes Kapitel; Chemische Reizwirkungen. für die Wirkungen auf höhere Pflanzen, Harvey(I) für die Giftwirkungen auf Chlamydomonas gleichfalls für die Parallele mit Adsorptionsisothermen ausgesprochen, und ebenso Herzog (2) hinsichtlich der Giftwirkungen auf Hefe. Identisch mit dieser Auffassung ist auch die Darlegung von Paul, Birstein und Reuss (3) über die Desinfektionswirkung von Säuren auf Bacterien. Diese Autoren formulieren ihr Resultat dahin, daß „die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante K, welche den Verlauf der Ab- tötung der Bacterien durch ein gelöstes Desinfektionsmittel zum Aus- druck bringt, nicht direkt proportional der Konzentration dieses Stoffes sei, sondern einer konstanten Potenz der Konzentration". Den Ex- ponenten dieser Potenz bezeichnen sie als „Konzentrationsexponent". Ohne Zweifel wird man die Bedeutung der Adsorptionsvorgänge für die Wirkung chemischer Reizstoffe auch für den oft konstatierten Einfluß der Temperatur auf Vergiftungseffekte im Auge behalten müssen. Dieser Gesichtspunkt ist bisher nur in der Arbeit von Madsen und Nyman(4) über die Wirkung von Desinfektionsmitteln auf Milzbrand- sporen zur Geltung gebracht worden. Mit Hilfe der Formel von Ar- rhenius für Reaktionsbeschleunigungen durch die Temperatur wird die Gleichung — i = ^^^ t" t~ aufgestellt, worin der Exponent R = 2 gesetzt 2 12 werden kann. Temperaturerhöhung steigert sehr allgemein die Gift- wirkungen (5), und man kann z. B. die Chloroformnarkose unter An- wendung von Temperaturen nahe an Null derart abschwächen, daß schädliche Nachwirkungen nicht auftreten (6). Zahlreiche Angaben über die Steigerung der Giftwirkung durch höhere Temperaturen hat in neuerer Zeit Zehl (7) geliefert. Nach Brooks (8) kommt es bei Schimmel- pilzen vor, daß in der Nähe des Wachstumsoptimums die Giftwirkung am geringsten erscheint. Versuche von Krehan im Prager Laboratorium lassen für die Blausäure vermuten, daß sehr verdünnte Lösungen bei niederer Temperatur stärkere Effekte äußern als bei höheren Tempe- raturen. Der kolloidale Zustand von Giftlösungen scheint nach Hausmann (9) keine besondere Einflußnahme auf den Effekt zu entfalten. Das kol- loidale Colchiciu wirkt bei erhöhter Temperatur bedeutend stärker. Das verschiedene Verhalten lebender Zellen gegen chemische Reiz- stoffe bei verschiedener Temperatur führt uns bereits in das Gebiet jener komplizierten Erscheinungsgruppe, die man als „Resistenz gegen Gifte" bezeichnet. Fraglos spielen kolloidale Zustandsänderungen (Ko- agulation) auf dem Gebiete der Giftwirkung eine große Rolle, und wir dürfen voraussetzen, daß jene Faktoren, welche Koagulationen er- schweren, auch die Resistenz gegen Gifte erhöhen. Dies ist, wie die Untersuchungen von Kurzwelly(IO) gezeigt haben, bezüglich der Wasser- armut der Organe augenscheinlich richtig, denn in exsiccatortrockenem 1) H. W. Harvey. Ann. of Botan., 23, 181 (1909). — 2) R. O. Herzog u. R. Bretzel, Ztsch. physiol. Chem., 74, 221 (1911). — 3) Th. Paul, G. Birstein u. A. Reuss, Biochem. Ztsch., 2g, 202 (1910). Vgl. auch H. Bechhold, Koll. Ztsch.. 5, 22 (1909). Eine andere Auffassung vertritt H. Reichenbach, Ztsch. Hyg., 6g, 171 (1911). — 4) Th. Madsen u. M. Nyman, Ztsch. Hyg., 57, 388 (1907). — 5) W. Korentschewsky, Arch. exp. Path., 49, 7 (1903). — 6) F. Czapek, Jahrb. wies. Botan., 27, 277 (1895). — 7) B. Zehl, Ztsch. allgera. Physiol., 8, 140 (1908). — 8) C. H. Brooks, Botan. Gaz., 42, 359 (1906). — 9) W. Hausmann u. W. KoLMER, Biochem. Ztsch., j, 502 (1907). — 10) W. Kurzweily, Jahrb. wiss. Botan., 38, 291 (1902). § 1. Einleitung. 153 Zustande lassen sieb Samen, Pilzconidien, Bacterien mit verschiedenen, sonst rasch tödlichen Giften, lange Zeit ohne Schaden behandeln. Dabei wird die Wirksamkeit dampfförmiger Agentien jedoch weniger herab- gesetzt als die Wirkung flüssiger Giftstoffe. Der relativ geringe Einfluß des absoluten Äthylalkohols erklärt sich aus der stark wasserentziehen- den Wirkung dieses Agens. Exsiccatortrockene Hefezellen kann man stundenlang in absolutem Alkohol kochen und sie nehmen, in Wasser gebracht, ihre normale Form wieder an. Trockene Aspergillusconidien wurden ohne Schaden ein Jahr in flüssigem Chloroform aufbewahrt und Phycomycessporen behielten ihre Keimfähigkeit in absolutem Alkohol sogar länger als bei lufttrockener Aufbewahrung. Hier ist allerdings in sämtlichen Fällen das Plasma in einen Starrezustand übergetreten, welcher die Lebensfunktionen auf ein minimales Maß herabgedrückt hat. Man kann aber durch langsame Steigerung des osmotischen Wertes im um- gebenden Milieu, wie wir noch hören werden, auch bei wachsenden Zellen mitunter die Wasserentziehung sehr weit treiben. Leider sind Versuche über Giftresistenz an derartigem, z. B. an konzentrierte Mineral- salzlösungen akkommodiertem Material bisher nicht angestellt worden. W^enn solche Wirkungen auf die Widerstandskraft gegen Gifte ganz gene- relle genannt werden müssen, so gibt es andererseits auch sehr spezifi- zierte Resistenz gegen Gifte. Schon bei den Schwermetallen erfahren wir, wie Clark (1) zeigte, von solchen Differenzen, so daß Silber für den einen Schimmelpilz (Oedocephalum), Quecksilber für den anderen (Asper- gillus) giftiger wirkt. Besonders für das Kupfer ergaben sich merk- würdige Unterschiede, die so weit gingen, daß Pulst (2) Penicillium noch in 21%igem CUSO4 züchten konnte. Für Oxalsäure und Alkohol hat Verschaffelt (3) die Fragen der spezifischen Giftresistenz erläutert. Da es sich sehr allgemein erreichen läßt, daß sich ein Organismus an bestimmte sonst letale Giftdosen durch allmähliche Steigerung der wiederholt dargereichten Mengen gewöhnt oder anpaßt, so kann von einer scharfen Abgrenzung der Begriffe ,.Gift- resistenz" und „Gewöhnung an Gifte" nicht die Rede sein. Die Resi- stenz ist vielmehr veränderlich und kann durch Darreichung der Stoffe auf experimentellem Wege auch künstlich erzielt werden. Die Gewöhnung an Gifte hat eine reiche Literatur auf tier- und pflanzenphysiologischem Gebiete (4). Selten handelt es sich um Erscheinungen, welche sich über das Individualleben hinaus auf eine Reihe von Generationen erstrecken. Man kann an farbstoffbildenden Bacterien, welche ihre Pigmentbildung anfangs unter der Wirkung der Gifte einbüßen, die zunehmende Ge- wöhnung an dem Wiedererscheinen des Farbstoffes bequem verfolgen. Mikroben wurden an eine ganze Reihe von Giften akklimatisiert; diese künstlich erzielte Resistenz bezieht sich jedoch nur auf einen einzelnen bestimmten Giftstoff (5) und erlischt einige Zeit nach der Überimpfung 1) J. F. Clark, Botan. Gaz., 28, 289 (1899); Journ. Physic. Chera., j, 263 (1899). — 2) C. Pulst, Jahrb. wiss. Botan., 37, 205 (1902). — 3) E. Verschaffelt, Ann. Jard. Botan. Buitenzorg (2), Suppi. j, 531 (1909). Von weitergehendem In- teresse ist die Giftfestigkeit vieler Tiere gegen Atropin. Beim Mensöhen zeigt sich die gleiche Resistenz bei Erkrankung an Morbus Basedowii. P. Fleischmann, Ztsch. klin. Med., 73, III/IV (1912). — 4) W. Hausmann, Ergebn. d. Physiol., 6, 58 (1907). W. Benecke, Lafars Handb. d. techn. Mykologie, /, 482 (1907). Mor- genroth, Zentr. Physiol. (1912), p. 730. — 5) P. W. Bütjagin, Zentr. Bakt. II, 27, 217 (1910). H. Neuhaus, Arch. int. pharmacodyn. (1910), p. 393. L. Masson, Compt. rend., 150, 189 (1910). 154 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. auf giftfreie normale Nährböden. Nach Regenstein (l) läßt sich die Giftigkeitsgrenze für Phenol bei Staphylocokken auf den 1,7 fachen Be- trag, für Sublimat auf den 1,3 fachen Betrag erhöhen; bei Bact. coli wurde für Sublimat der 1,6 fache Betrag erreicht. Pulst hatte auch bei Schimmelpilzen Erfolg bei seinen Versuchen giftfeste Stämme zu züchten. Doch sind derartige Resultate, wie die widersprechenden Er- fahrungen von Paul und Krönig (2) einerseits und Butjagin anderer- seits beweisen, nur bei bestimmten Arten zu erhalten und nicht allgemein erzielbar. Worauf im einzelnen die Giftfestigkeit beruht, ist Aufgabe spezieller Untersuchungen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in be- stimmten Fällen unter dem Einflüsse des Giftes die Plasmahaut Ände- rungen ihrer Permeabilität erfährt, wie es Pulst aus seinen Versuchen über Kupferdarreichung an Penicillium schloß, weil er im Innern der Zellen kein Cu nachweisen konnte. Man wird diesen Ausführungen entnehmen können, daß der von O. LoEW (3) aufgestellte Begriff ,,verscüieden resistentes Protoplasma" sich in vielen Fällen näher analysieren läßt, und daß viele Faktoren am Zustandekommen der Giftresistenz beteiligt sein müssen. Selbstverständ- lich kann auch nach der Art der Applikation die Wirkung eines Giftstoffes bedeutend verschieden ausfallen. So sollen nach Barber (4) in der Tat Gifte, wie Hg, Cu-Salze, Chinin, Strychnin, in die Zellhöhlung von Nitella, injiziert, relativ schwache Effekte auf das Plasma äußern, während HgClj, OSO4, Chloroform sehr intensiv wirkten. Der Chemiker kann natürlich von seinem Standpunkte aus die Giftwirkungen nach chemischen Prinzipien klassifizieren, und wir können so mit O. LoEW(5) von katalytischen, von durch Salzbildung und durch Substitution wirkenden Giften reden. Damit ist jedoch nur der durch den direkten chemischen Eingriff bedingte Vorgangskomplex näher charak- terisiert, welcher wohl gegebenenfalls an sich den Tod herbeiführen kann, aber nicht direkt töten muß. Die wichtigsten Wirkungen der Gifte dürften wohl verschiedenartige Eiweißfällungen und Koagulationen, sowie Beeinflussung der Oxydationsvorgänge in der Zelle sein (6). Der Tod der Zelle kann jedoch ebensogut erst durch sekundäre Wirkungen ein- treten. Da wir es fast immer mit einem komplizierten Spiele von Wechselwirkungen zu tun haben, wenn sich toxische Einflüsse in der Zelle entfalten, so erscheint es berechtigt, auch die Giftwirkungen in ihrer Gesamtheit als chemische Reizaktionen zu betrachten, bei denen der Effekt nicht nur von dem Stoff und seiner Quantität, sondern eben- sosehr von der affizierten Zelle abhängt. Die Toxikologie ist für das Gesamtgebiet der Biochemie äußerst fruchtbar und lehrreich, da sich im normalen Leben der Zelle zahllose Vorgänge abspielen, welche als chemische Reizprozesse viele Ähnlich- keiten mit den im Experiment künsthch erzielten Erscheinungen haben. Auch im normalen Leben der Zelle dürfte es oft nötig sein, durch passende Einrichtungen, selbstregulatorische Vorgänge, Gift Wirkungen 1) H. Regenstein, Zentr. Bakt. 1, 63, 281 (1912). — 2) Th. Paul u. B. Krönig, Ztsch. physik. Chem., 21, 414 (1896); Ztsch. Hyg., 25, 1 (1897). — 3) O. LoEW, Pflüg. Arch., 35, 509 (1885). — 4) M. A. Barber, Journ. Infect. Diseas., 9, 117 (1911). — 5) O. LoEW, Natürl. System d. Giftwirk. (1887); Pflüg. Arch., jo, 438 (1887). - 6) Vgl. dazu O. Warburg u. R. Wiesel, Pflüg. Arch., 144, 465 (1912). § 2. Chemische Reizerfolge bei der AJkoholgärung. 155 auszuschalten, und wenn toxische Phenole, Terpene in impermeable Vacuolenhäute eingeschlossen werden, damit sie das Protoplasma nicht schädigen, so setzt dies sehr komplizierte Tätigkeiten voraus. Unter Umständen werden aber kleine Mengen toxisch wirkender Stoffe auch im normalen Leben als Stimulantia verwendet werden, welche gewisse Funktionen quantitativ beeinflussen können. Es erscheint bei Beachtung dieser Verhältnisse daher kaum empfehlenswert, mit ReinitzerCI) die toxisch wirkenden Stoffwechselprodukte als „Ermüdungsstoffe" zu be- zeichnen, und ihnen nur die eine Rolle zuzuschreiben, die Lebenstätig- keit des Plasmas der sie erzeugenden Zellen zu hemmen und zu lähmen. Im Gegensatze zu dieser Auffassung muß die Zelle als ein bis zum äußersten selbstregulatorisch wirksamer Organismus gelten. Näher auf das Thema der Giftwirkungen einzugehen, ist hier nicht beabsichtigt, zumal Pfeffer (2) eine treffliche Darstellung der prin- zipiellen Momente der Giftlehre gegeben hat Li viel weniger engem Konnex mit den bisher ausgebildeten Methoden und Problemen der Biochemie stehen die übrigen chemischen Reizwirkungen, welche in neuerer Zeit aufgedeckt worden sind, die chemischen Richtungsreize und formativen Reize. Teilweise, wie bei den Gallenbildungen, welche auf katalytisch wirkende Stoffe zu beziehen sind, welche mit dem Ablegen des Gallinsekteneies in die pflanzlichen Gewebe eingeführt werden, kennen wir nicht einmal die den Reizerfolg auslösende Substanz. Eingehendere Darlegungen über die Prinzipien der Forschung auf dem Gebiete der chemischen Reizphysiologie zu geben, würde vom Zweck des Buches, die Anwendung chemischer Methoden zur Aufhellung physiologischer Probleme vorzuführen, viel zu weit ab- lenken. In der vorliegenden Übersicht empfiehlt es sich, bei dem der- zeitigen Stande der Wissenschaft höchstens eine Scheidung in qualitative Reizerfolge, d. h. solche, welche in dem Auftreten neuer Qualitäten, Funktionen, Gestaltformationen gipfeln, und in quantitative Erfolge, d. h. Steigerungen und Lähmungen fortlaufender Funktionen, vorzunehmen. Diese Trennung ist rein äußerlich und bezweckt keine Sonderung tief- greifend differenter physiologischer Vorgänge. Sie gestattet es aber, den Einfluß chemischer Faktoren auf die Tätigkeiten der lebenden Pflanze übersichtlich vorzuführen. §2. Chemische Reizerfolge bei der Alkoholgärung. Untersuchungen über die Wirkungen verschiedener Substanzen, besonders verschiedener Antiseptika und Gifte auf die Alkoholhefen, liegen schon aus älterer Zeit vor, und bereits Schwann versuchte die Wirkung von Strychninsalzen auf gärende Hefe. Doch wurde bis auf die neuere Zeit, z. B. in der 1879 erschienenen umfassenden Arbeit von Werneke(3) nur die letale Dosis der Antiseptica festgestellt, an- dererseits die Wirkung auf Alkoholgärung, Vermehrungsenergie der Hefe- zellen ungenügend gesondert. Nachdem Heinzelmann (4) eine stimu- lierende Wirkung kleiner Salicylsäurequantitäten auf die Gärkraft der 1) F. Reinitzer, Ber. Botan. Ges., //, 531 (1893). — 2) W. Pfkffer, Pflanzen- physiologie, 2. Aufl., //, 332 (1901), und die daselbst zitierten Handbücher der Toxi- kologie. — 3) W. Werneke, Just botan. Jahresber. (1879), /, 537; Diss. v. Dorpat. — 4) G. Heinzelmann, Ztsch. Spiritusindustrie (1882), p. 458. 156 Drittes Kapitel: Chemische Ileizwirkungeii. Hefe, Marcacci(I) analoge Wirkungen durch sehr kleine Alkaloidgabeu festgestellt hatte, konnte L888 H. Schultz (2) feststellen, daß es eine sehr allgemeine Wirkung toxischer Substanzen ist, in sehr kleinen Dosen die Gärtätigkeit zu erhöhen. Schultz ließ die mit den Zusätzen ver- sehenen Proben bei 21" in geschlossenen Gefäßen keimen und maß den Druck der entwickelten COj. So erzeugte HgClg in einer Kon- zentration von 1:500000 deutliche Erhöhung der Gärtätigkeit, welche nach 3 Stunden etwa auf die normale Hölie zurückkehrte. Jod übte die steigernde Wirkung in Konzentrationen 1:600000 aus, ebenso JK 1:100000, Brom 1:300000. arsenige Säure J: 40000, Chromsäure 1:3000 bis 20000, NaüiumsaUcylat 1:4000, Ameisensäure 1:10000. Eine Wirkung des Salzgehaltes des Wassers wurde mehrfach beobachtet [Hayduck, Saare(3)], so daß nicht nur Giften eine stimulierende Wir- kung auf die Gärung zuzuschreiben ist. Die Versuche von Schultz waren noch mehrdeutig in bezug auf die Natur des Reizerfolges und entschieden nicht näher über den Anteil der Vermehrungsenergie und der Gärtätigkeit. Die Gärtätigkeit ohne Zunahme der Zellvermehrung zu steigern vermag aber in erster Linie eine vermehrte Zymaseproduktion. Daß die chemischen Reizmittel die Zymaseproduktion steigern, wird durch die Erfahrungen von Effront(4) über die Wirkung der Fluoride auf Alkoholhefen wahrscheinlich gemacht. Denn es schwächen verdünnte Fluoridlösungen mit steigender Konzentration immer mehr die Ver- mehr nngsintensität der Hefe. Ein Gehalt von 0,3 g NaFl in 100 ccm Würze hebt die Sprossung der Hefe ganz auf, ohne noch die Alkohol- produktion zu hemmen. Auch ist es böachtenswert, daß sehr viele der als Stimulantia erkannten Stoffe die katalytische Wirkung kolloidaler Platinlösungen hemmen, und wahrscheinlich in erster Linie als Enzym- gifte oder Enzym paralysatoren wirken, und man hätte anzunehmen, daß die Hefezelle auf die Paralysierung ihrer Zymase mit einer Mehrproduktion von Enzym im selbstregulatorischen Wege antwortet. Analoge Erschei- nungen bietet ja auch die von Katz (5) festgestellte Mehrproduktion von Diastase bei Aspergillus, welche eintritt, sobald man durch Tanninzusatz einen Teil des Enzyms dauernd in feste Bindung bringt. Biernacki(6) bestätigte die stimulierende Wirkung kleiner Gaben von Hefegiften voll- ständig und fand, daß die organischen Stoffe hierbei besonders prägnante Resultate geben. Die kritischen Werte für die einzelnen auf Hefe wirksamen Reiz- und Giftstoffe wurden in neuerer Zeit in einer Anzahl experimenteller und zusammenfassender Arbeiten ermittelt, von denen hier nur die Ar- beiten von Wkhmer (7), Will (8) und Bükorny(9) angeführt seien; bei Wehmer finden sich auch Hemmung der Gärwirkung und Hemmung der Sprossungsenergie sorgfältig auseinandergehalten; der Hemmungs- wert hängt natürlich auch von dem Verhältnis der ausgesäten Zellen- zahl zum Volumen des Nährsubstrates ab, weswegen mit Kulturen von 1) A. Marcacci, Chem. Zentr. (1887), p. 248. - 2) H. Schultz, Pflüg Arch., 42, 517 (1888). — 3) Haare, Woch.schr. f. Brauerei (1885), p. 367. — 4) J Effront, Bull. Soc. Chim. (6), 5, 705 (1891); EbendiU p. 476; Compt. rcnd.. 1(7. 559. Vgl. auch Arthüs u. A. Huber, Ebenda, 115, 839. Effront, Mon. scient (4), 19, 19 (1905). — 5) J. Katz, Jahrb. wi.s.s. Botan., 31, 613 (1898). — 6) E. BiEk- NACKi, Pflüg. Arch,, 49, 112 (1891). — 7) C. Wehmer. Ztsch. Spiritusindustrie, 24, Nr. 14 (1902). — 8) H. Will, Ztsch. ges. Brauwesen, 16, 150, 411 (1893). — 9) Th. BoKORNY, Allg. Brauer- u. Hopfen-Ztg., 36, 1573 (1896). § 2. Chemische Reizerfolge bei der Alkoholgäning. 157 gleicher Zellenzahl gearbeitet werden muß, wenn man streng vergleich- bare Resultate erhalten will. Von den einzelnen Daten mögen hier nur wenige bemerkenswerte angeführt werden, und im übrigen muß auf die zusammenfassenden Dar- stellungen in der Literatur (1) verwiesen werden. Aus praktischen Gründen wurde die Wirkung von SOg auf Hefegärung öfters untersucht und es hat sich ergeben, daß Akkhmatisation stattfinden kann (2). Arseniate und Arsenite beschleunigen die Gärung in Hefepreßsaft (3). Natriumselenit bedingt nach Korsakow (4) wohl bei Zymin Gärungsstillstand, nicht aber bei lebender Hefe. Die Schädigung der Hefegärung durch Metalle hat prak- tische Wichtigkeit für Gärbetriebe und erfuhr von Nathan (5) ein eingehen- des Studium. CUSO4 wurde besonders häufig untersucht [Krüger (6)]. Schon BiERNACKi (7) fand, daß CUSO4 von Verdünnungen zu 1 : 600 000 an stimulierend wirkt, bis zu Konzentrationen von 1 : 4000. Höhere Kon- zentrationen verzögern und hemmen die Gärtätigkeit (8). Nach Kayser (9) fördern verdünnte Mangansalzlösungen Alkoholgärung deuthch. Derselbe Autor (10) studierte Stimulation und Giftwirkung der Uran Verbindungen auf die Alkoholgärung. Die Wirkung freier Säuren, also des Wasserstoff- ions, ist ziemlich intensiv, soweit die Gärung in Betracht kommt. Das Wachstum und die Lebensfähigkeit der Hefe wird erst durch ^/g bis "/lo Mineralsäure gehemmt. Die Alkoholgärung sah Kuhn (11) schon durch 0,02%ige HCl unterdrückt. Nach Rosenblatt (12) wird die Hemmungs- grenze von Säure bei Gegenwart von 10—12% Rohrzucker stark nach oben verschoben, so daß erst konzentriertere Säuren hemmen. Verschiedene organische Säuren wurden von Lafar(13) und von Meissner (14) geprüft. Der erstgenannte Forscher fand von 15 Heferassen in 0,8%iger Essigsäure alle wirksam, in 0,9yoiger Essigsäure alle bis auf eine, in l%iger Säure aber nur noch drei gärtätig. Sehr wertvolle Belege dafür, daß die Säuren die alkohoHsche Gärung parallel ihrem Dissoziationsgrad beeinflussen, hat BiAL (15) geüefert. Zusatz eines Neutralsalzes mit demselben Anion (NaCl bei HCl-Darreichung) setzt die physiologische Wirkung der Säure ebenso herab, wie die H' Konzentration nach der lonentheorie herabgedrückt sein muß. Kieselfluorwasserstoffsäure und Ameisensäure sind zusammen nach Jacquemin (16) stärker wirksam als jede Säure für sich allein. Regnard (17) hat die Wirkung der einwertigen Alkohole auf die Hefe- gärung vergHchen und das Gesetz von Rabuteau von der Zunahme der Toxicität der Alkohole mit dem Molekulargewicht bestätigt gefunden. Der kritische Wert wurde unter den angewendeten Bedingungen gefunden für 1) Besonders F. Lafar, Handb, d. techn. Mykol., /F, 126 (1907). — 2) P. Martinali), Compt. rend., 140, 405 (1909). E Pozzi Escor, Chem. Zentr. (1910), /, 1276. K. Kroemer, Landsv. Jahrb., Erg.-Bd. / zu 43, 170 (1912), fand Wein- hefen gegen 80., resistenter als Apicnlatiishefe und Torula. - 3) A. Harden u. W. J. YouN«, Proceed. Roy. Soc. B.. Sj, 4.')1 (1911). — 4) M. Korsakow, Ber. Botan. Ges., 28, 334 (1910). — 5) 1.. Nathan, Zentr. Bakt. II, is, 349 (1905); 16, 482 (1906). — 6) F. Krüger, Ebenda, II, /. 10 (1895). — 7) E. Biernacki, Pflüg. Arch., 49, 112 (1891). — 8) Pichi u Rommier, Compt. rend., 102, 536 (1890); 110, 536. — 9) E. Kayser u. H. Marchand, (Jompt. rend., /^5, 343 (1907). — 10) E. Kayser, Ebenda. 155, 246 (1912). — 11) F. Kuhn, Ztsch. klin. Med., 2/, V/VI (1892). - 12) Rosenblatt, Compt. rend., j49> 309 (1909); 150, 1363 (1910). - 13) Lafar, Landw. Jahrb. (1895), p. 445. - 14) R. Meissner, Koch Jahresber. Gärungsorg. (1897). p. 102. — 15) M. BiAi., Ztsch. physik. Chem., 40, 513 (1903). — 16) G. Jacquemin, Ztsch. Spiritusindustr., 28, 451 (1905). — 17) Regnard. C. r. 80c. Biol., 4^, 171 X58 Drittes Kapitel: Chemische Reiz Wirkungen. Methylalkohol bei 20 % Amylalkohol bei 1 % Äthylalkohol „ 15 % Capronylalkohol .... „0,2 % Propylalkohol „ 10 % Caprinylalkohol .... „0,1 % Butylalkohol „2,5 % Diese Werte sind verschieden von den Zelltötungswerten der Alkohole für Hefe, worauf weiter unten einzugehen sein wird. ROSENSTIEHL (1) lieferte Angaben über die Wirkung von Tannin und Teerfarbstoffen auf die Aktivität von Hefe. Über die Wirkungen eines im Weizenmehl enthaltenen Eiweißstoffes berichtete Hayduck (2). Kolo- phonium wendete Effront (3) als Reizmittel für Alkoholgärung an. Saponin- wirkungen studierte Lundberg (4). Auf die intramolekulare Atmung höherer Pflanzen beziehen sich die Versuche von Morkowin (5), welche gezeigt haben, daß durch Chinin, Morphin oder Äther deutüche Reizwirkungen auf die COg-Produktion bei 02-Ausschluß als Steigerung der abgegebenen COg-Menge hervortreten. Die übrigen Gärungen haben hinsichtlich ihrer Beeinflussung durch Wirkungen chemischer Art weit weniger Beachtung gefunden. Richet (6) fand für die Milchsäuregärung, daß sie durch den Zusatz von 1 mg HgClg oder CUSO4 pro Liter Nährlösung verlangsamt wird. Aber auch die giftigsten Salze erzeugen in sehr kleinen Konzentrationen Beschleunigung der Gäi'ung. Die stimulierend wirkenden Werte lagen bei CUSO4 und HgClg bei 0,5 mg, AUCI4 und PtCI^ 5,0 mg, FeClg 500 mg, MgClg 20,00 g pro Liter. Die stimulierende und verzögernde Wirkung bilden eine Indifferenzzone bei 2,5 mg CUSO4 oder HgClg pro Liter. Cadmium war viel giftiger als Zink (1 : 100), ebenso Kobalt und Nickel 100 mal so wirksam wie Fe und Mn. Interessant ist es, daß die allerkleinsten angewendeten Dosen von Metallsalzen wiederum hemmend und nicht stimulierend Einfluß nehmen. Durch Zusatz von chloressigsaurem Natron zu Colikulturen ge- lingt es die Milchsäurebildung stark zu vermehren (7). § 3. Chemische Reizerfolge auf die Sauerstoff atmung. Auch die Sauerstoffatmung höherer Pflanzen berühren zahlreiche stimulierende und retardierende chemische Reizeffekte. Allerdings sind wir derzeit für keinen einzigen Fall im klaren, wo der Angriffs- punkt des Reizes zu suchen ist. Bei dem heutigen Stande der For- schung darf man aber schon die Frage stellen, ob es sich um eine Wirkung auf enzymatische Sauerstoff Überträger (Oxydasen) oder um eine quantitative Änderung in der Produktion von Enzym, oxydabler Sub- stanz oder um Wirkungen sekundärer Art handelt, und es wäre wohl möglich, im speziellen Falle Entscheidungen hierin zu treffen. Wie in manchen anderen Gebieten der Stoffwechselphysiologie, so ist auch hier die Toxikologie ein wertvolles Mittel, um die einzelnen Stadien des 1) A. RosENSTiEHL, Compt. rend. (12. Januar 1902). — 2) Fr. Haydück, Woch.schr. f. Brauerei 24, 673 (1907); 26, 177 (1909). M. Delbrück, Chetn. Zentr. (1907), /, 1444. — 3) J. Effront, Mon. scient. (4), ig, II, 721 (1905). — 4) J. Lundberg, Arkiv f. Kerai, 4, Nr. 32 (1912). — 5) N. Morkowin, Ber. Botan. Ges., 21, 72 (1903). — 6) Ch. Richet, Compt. rend., 114, 1494 (1892); Soc. Biol., 60, 455 (1906); Biochem. Ztsch., //, 273 (1908). — 7) Harden u. Penfold, Proceed. Roy. See., 85. B., 415 (1912). § 3. Chemische Reizerfolge auf die Sauerstoffatmung. 159 Prozesses gesondert experimentell beeinflussen zu können, und auf diesem Wege eine bessere Analyse des Vorganges zu gewinnen. Daß Eisen- und Mangansalze auf die Atmung von Aspergillus niger einen stimulierenden Einfluß ausüben, hat Kosinski(I) gezeigt. 0,0012 bis 0,0616 % FeClg, ZnS04 in der gleichen Menge, ebenso 0,05 % Mangan- chlorid steigern die Atmung um 33 %. Weniger intensiv wirken Alkaloide: 0,2 % Cocain und 0,02 % Strychninnitrat. Einer der erstbekannt gewordenen Fälle chemischer Reizerfolge auf Sauerstoffatmung war die Beobachtung von A. Mayer (2), daß schon 0,25 % Blausäure die Atmung höherer Pflanzen vöUig hemmt; nach Entfernung des Giftes stellt sich die Atmungstätigkeit in gewissem Maße wieder her. ScHR0EDER(3) fand für die Atmung von Aspergillus, daß hierbei nur die COg-Produktion sistiert wird, während die Sauerstoffaufnähme fortdauert. Für Chloroform hatte Detmer (4) nur eine retardierende Wirkung auf die Sauerstoffatmung gefunden. Doch unterliegt es nach den Arbeiten von Elfving (5), Lauren (6) und Irving (7) keinem Zweifel, daß Steigerung der Atmungstätigkeit durch Ätherisierung und Chloroformnarkose weit verbreitet zu beobachten ist. Bei Erhöhung der Ätherdosis tritt allerdings eine Verminderung der Atmungsintensität ein, was wahrscheinhch die Ursache davon war, daß Bonnier und Mangin (8) keine Änderung der Sauerstoff- atmung in Narkose beobaehtet hatten. Johannsen (9) fand in allen Fällen, wo nicht schädliche Dosen zur Verabreichung gekommen waren, als Nach- wirkung der Ätherisierung von Keimpflanzen eine starke Vermehrung der Kohlensäureproduktion. Joden (10) konstatierte ferner, daß Laubblätter nach vorsichtiger Ver- abreichung von Quecksilberdampf eine gesteigerte Sauerstoffatmung auf- wiesen. Jacobi(II) konnte die Kohlensäureproduktion von Elodea durch verschiedene chemische Reizmittel steigern. Wirksam waren 0,01% Chinin - salz, Antipyrin, Schilddrüse, Jod. Erbsenkeimlinge zeigten außerdem eine Stimuherung der Atmung durch 0,67 % Oxalsäure und 0,3% Kupfersulfat. In allen diesen Fällen wurde nur die COg- Produktion kontrolliert, und es bleibt einstweilen noch unbekannt, ob auch der Sauers toffkonsum eine ent- sprechende Steigerung aufweist. Eine geringe Stimuherung der Sauerstoff- atmung scheint nach den Versuchen von Morkowin (12) auch durch viele Pflanzenalkaloide möghch zu sein. Schon in den älteren Beobachtungen von Kellner(1 3), welche allerdings ohne Rücksicht auf die Atmung der an den Samen angesiedelten Bacterien angestellt waren, ergab es sich, daß bei keimenden Erbsen, die mit Salpeter- lösung befeuchtet waren, die COj-Produktion kräftiger war, als bei Keimung in reinem Wasser. Nach Jacobi übt nun in der Tat 0,5% KNOg einen stimulierenden Effekt auf die Atmung von Pisum aus. Auch Chlornatriuni wirkt analog, weniger Kaliumchlorid. Vielleicht summieren sich beim Kah- 1) I. KosmsKi, Jahrb. wies. Botan., 37, 159 (1902). — 2) A. Mayek, Landw. Versuchsstat. (1879), p. 335. — 3) H. Schroeder, Jahrb. wiss. Botan., 44, 409 (1907). — 4) W. Detmer, Landw. Jahrb., //, 213 (1882). — 5) Elfving, Oefv. af Finsk. Vet. Soc, Forhandl. 28, (1886). — 6) W. Lauren, Diss. (Helsingfors 1891); Just botan. Jahresber. (1892), /, 92. — 7) A. Irving, Ann. of Botany, 25, 1077 (1912). — 8) Bonnier u. Mangin, Ann. Sei. Nat. (7), j, 16 (1886). — 9) W. JoHAüTNSEN, Just botan. Jahresber. (1897), /, 143. — 10) V. Joden, Journ. Pharm. etChim. (5), 15, 309 (1887). — 11) B. Jacobi, Flora (1899), p. 289. — 12) N. Mor- kowin, Rev. g^n. botan., HgBrj > Hg(NC)2 gilt ebensowohl von der Leitiähigkeit als von der Giftwirkung. W'enn man durch Zusatz von Alkohol die Dissoziation herabdrückt, so sinkt die Giftwirkung dem- entsprechend. Für Verbindungen mit komplexen Ionen, welche weniger wirksam sind, gilt das Gesetz, daß die Wirkung parallel mit der Disso- ziation der komplexen Ionen selbst geht. Daher fällt die toxische Wir- kung von Sublimat mit steigendem NaCl-Zusatz. Kahlenberg und True (5) landen, daß Lupinenwurzeln durch alle stark dissoziierten Sibersalze in ihrem Wachstum gehemmt werden, wenn die Konzentration 1 Mol auf 204 600 Liter beträgt, durch Cu- Salze aber bei dem Verdünnungswert ^/256oo- '^^^^ '^^^ ^'^^^ ^^^ durch die Annahme ver- stehen, daß die Wii-kung von den Kationen abhängt. Versetzt man AgNOg mit CNK, so daß komplexe Ionen AgGN' entstehen, so ändert sich der Wirkungs- wert bis über den Betrag V12800 ^o^- ^^ ähnhcher Weise läßt sich die Wir- kung von Hg-Salzen durch alkahsche Dextrinlösung auf %, die Kupfer- wirkung durch Zufügung von Rohrzucker und etwas Alkali sogar auf weniger als i/jQo herabdrücken. Bei den Schwermetallsalzen, wo die Kationen an Reizwirkung den Anionen meist sehr beträchtlich überlegen sind, kann man in der Regel leicht die Wirkungen der positiven und negativen Ionen sondern. Weniger gut gehngt dies bereits bei den Säuren, wo sich der Einfluß des Anions im Effekte unter Umständen bemerkbar machen kann. Sind mehrere Kationen gleichzeitig zugegen, so kann der physio- logische Effekt sowohl kleiner als die Wirkung eines der Kationen, als auch ein gesteigerter sein. Nach True und Gies{6) wird die Wir- kung von Hg" durch Ca"' verstärkt, während Cu" und Ca" antagoni- stisch sind. Na* verstärkt aber wieder die Giftwirkung von Cu". Ver- schiedene Beobachtungen zeigen, daß der Ionen- Antagonismus eine recht kompUzierte Erscheinung sein kann. Nach Loeb(7) kann man die Gift- 1) R. H. True, Botan. Gaz., 26, 407 (1898). — 2) H. Micheels, Bull. Soc Chira. Belg., 21, 198 (1907); Jon, 2, 195 (1910); Arch. intemat. Phy.siol., 4, 410 (1907); Acad. Belg., //, 1076 (1909). — 3) Dreser, Arch. exp. Path. Pharm., 32, 456 (1893). — 4) Paul u. Krönig, Ztsch. physik. Chem., 21, ^14 (1896); Ztsch. Hyg., 25, 1 (1897). — 5) L. Kahlenberg n. R. H. True, Journ. Amer. Med. Ass. (July 1896); Botan. Gaz., 22, 81 (1896). — 6) R. True u. W. Gies, Bull. Torr. Bot. Club, 30, 390 (1903). — 7) J. LoEB, Biochem. Ztsch., 32, 155 (1911). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 171 Wirkung von KCl auf tierische Eier durch Hinzufügen von etwas NaCl erhöhen. Ist jedoch viel NaCl und wenig KCl vorhanden, so wird um- gekehrt das KCl entgiftet. Die bekannte entgiftende Wirkung des Ca auf NaCl ist bei alkalischer Reaktion am deutlichsten, während man bei neutraler oder schwachsaurer Reaktion besser die NaCl-Wirkung durch Kalium aufhebt (1). Eine definitive Entscheidung in der Frage, worauf dieser Antagonismus der Ionen beruht, ist derzeit schwer allgemein zu geben. Am wahrscheinlichsten erscheint die Annahme, daß die Permea- bilität der Plasmahaut sich unter dem Einflüsse verschiedener Ionen ändert, so daß die Plasmahaut z. B. für Na bei Gegenwart von Ca schwerer durchlässig wird (2). 0sborne(3) wollte die antagonistischen lonenwirkungen durch die Annahme komplexer Na-, K- und Ca- Verbin- dungen im Plasma verständlich machen; das eindringende Na sollte die Ca-Plasmaverbindungen zerlegen. Höber (4) hat in verschiedenen Unter- suchungsreihen darauf aufmerksam gemacht, daß bei der Alkalikationen- wirkung auf Flimmerepithelien eine ähnliche Abstufung hervortritt, wie bei den Neutralsalzwirkungen auf Kolloide; es gelten die Reihen Na>' NH4>>Rb>>K, Li^Cs; ferner bezüglich der Anionen J, Br>>N03>> Cl, SO4. So ist es ganz gut möglich, daß der Durchgang bestimmter Ionen durch die Gegenwart anderer Ionen, welche den Quellungszustand der Plasmakolloide beeinflussen, konform der lyotropen Reihe, gehemmt oder wenigt^tens eingeschränkt wird. Vielleicht gehören Vorkommnisse wie die Steigerung der Giftwirkung von Rhodanat bei Gegenwart von Ba auch hierher (5) Bemerkt sei, daß der zuerst von 0. Loew richtig erkannte Antagonis- mus von Mg und Ca nach der hier vertretenen Auffassung kein vereinzelt dastehendes Vorkommnis, sondern einen der vielen bekannten lonen- antagonismen darstellt (6). Weitere einschlägige Studien betreffen die Wirkung einzehier Salze auf Laubblätter [Maquenne und Demoussy (7)], Meeresalgen [Duggar(8)]. Richter (9) hat die stimulierenden Wirkungen sehr verdünnter Metallgiftlösungen als lonenwirkungen, den hemmenden Effekt konzentrierterer Lösungen aber als Molekelwirkung deuten wollen. Allgemein ist jedoch eine derartige Auffassung kaum richtig, weil viele Metallsalzlösungen in Verdünnungen, in welchen sie praktisch völlig in Ionen zerfallen sind, schon intensiv hemmend wirken. Daß manchmal die nicht dissoziierten Molekel giftiger sein können als die Ionen, kann man den An- gaben von Clark (10) entnehmen, welcher zeigte, daß Mono- und Dichlor- essigsäure als Molekel giftiger sind, während Tnchloressigsäure in ihren Ionen stärker toxische Effekte hervorruft. Von den chemischen Reizwirkungen, welche Ionen und Molekülen einzelner Stoffe zukommen, haben wir die Wirkungen des osmotischen Druckes, die von der Konzentration, d. h. der Teilchenzahl des gelösten 1 ) LoEB, Biochem. Ztsch. 28, 176 (1910). Antagonismus von NaCl und CaCL, bei der Wirkung auf die Stielkontraktion von Vorticella: N. K. Koltzoff, Arch. f. Zellforsch., 7, 344 (1911). — 2) Vgl. W. J. V. OsTERHOUT, Science, 34, 187 (1911). — 3) W. A. OsBORNE, Journ. of Physiol., 33, 10 (1905). — 4) R. Höber, Biochem. Ztsch., /;, 518 (1909); Pflüg. Arch., 106, 599 (1905); Hofmeisters Beitr., //, 35 (1908); Ztsch. phyeik. Chem., 70, 134 (1910). R. S. LiLUE, Amer. Journ. Physiol., /;, 89 (1907). S. Maxwell, Ebenda, 13, 154 (1905). — 5) Wo. Pauli u. A. Fröhlich, Wien. Akad., 115, III (1906). — 6) Vgl. W. Benecke, Ber. Botan. Ges., 25, 322 (1907). — 7) L. Maquenne u. E. Demoussy, Compt. rend., 151, 178 (1910). — 8) B. M. DuoGAK, Ref. Botan. Zeitg. (1907), 2, 312. — 9) A. Richter, Zentr. Bakt. II, 7, 417 (1901). — 10) Clark, Botan. Gaz., 28, 893 (1899). l'J") Drittes Kapitel: Chemische Reiz Wirkungen. Stoffes in der Raumeinheit des Lösungsmittels (wobei es. belanglos ist, wie viele der Teilchen Molekel oder Ionen sind) wohl auseinander- zuhalten. Bei den Neutralsalzen der Alkalien ist dies nicht immer leicht, da auch konzentriertere Lösungen spezifische Wirkungen haben können; deshalb wird es von Vorteil sein, sich bei Untersuchung osmotischer Reizwirkung „physiologisch ausbalancierter Lösungen" zu bedienen, wie des Salzgemisches der „van 't HoFFschen Lösung", in dem auf 100 M. NaCl, 2 M. CaClg, 2,2 M. KCl und 7,8 M. MgCl^ kommen. Für die meisten Zellen von Landpflanzen ist 0,12—0,15 Mol per Liter, für die Meerespflanzen 0,4—0,5 Mol per Liter isosmotisch. Osmotische Reize können sowohl durch einen plötzlichen Wechsel des äußeren osmotischen Wertes als auch durch eine konstante äußere Salzkonzentration gesetzt werden. Osmotische Druckschwankungen sind unter Umständen für Meeresalgen, wenn das Seewasser wechselnden Salzgehalt aufweist, ver- hängnisvoll (1). True(2) sah bei Wurzeln vorübergehende Wachstums- hemmung eintreten, wenn sie plötzlichen osmotischen Druckschwankungen ausgesetzt wurden. Die Anpassung an hyper- und hypotonische Lö- sungen erfolgt aber, wie bekannt, leicht und in weiten Grenzen, wenn der Übergang allmählich erfolgt, und die meisten Pllanzen müssen zu den „poikilotonischen" Organismen gerechnet werden. Insbesonders ver- tragen Bacterien kolossalen Salzgehalt des Mediums: Nach Jörns (3) wachsen Bacterien bis zu 49,2% Wassergehalt der Nährgelatine. Doch bestehen zwischen den einzelnen Arten Differenzen ^4). Sehr empfind- lich sind die in destilliertem un,d Quellwasser lebenden Formen, welche 5 — 10% Glucose nicht mehr vertragen, was nicht alif Rechnung des Zuckers, sondern nachweislich auf Rechnung des osmotischen Wertes des Milieu zu setzen ist. Penicillium konnte von Eschenhagen (5) noch in 20^0 KNO3 zum Wachsen gebracht werden, und auch Aspergillus, wie Saccharomyces sind recht adaptionsfähig (6). Ein osmophiler Zygo- saccharomyces wächst noch in Honig und muß wenigstens einen Druck von 70 Atmosphären entwickeln (7). Für Chlorellen bestimmte* Ar- TARi(8) als Wachstumsgrenze 8V0 KNO3 oder 277o MgSO^ oder 20^/^^ Traubenzucker. Niedere Algen sind nach Richter (9) überhaupt anpassungsfähiger als höhere Formen; Diatomeen vertragen bis 77o NaCl. Auch Flagel- laten und Ciliaten sind sehr adaptionsfähig (10). In allen diesen Fällen muß somit zur Herstellung des osmotischen Gleichgewichtes eine aus- giebige Turgorerhöhung als Reizerfolg in den Zellen herbeigeführt werden. Bei der Untersuchung der Abhängigkeit der Giftwirkung von Seewasser auf Süßwasserorganismen ergab sich im allgemeinen eine durch eine Adsorptionsisotherme wiederzugebende Beziehung zwischen Konzentration ler Lösung und der Lebensdauer der Tiere (11). Damit 1) F. Oltmanns, Jahrb. wiss. Botan., 23; Flora (1895), p. 46. P. Drevs, Just (1896), /, p. 11. — 2) R. H. True, Ann. of Botan., 9, 369 (1895). — 3) A. Jörns, Arch. Hyg., 63, 123 (1907). — 4) M. v. Eisler, Zentr. Bakt. I, 5', 546 (1909). Für Milzbrand: C. J. de Freitag, Ztsch. Hyg., //, 60. Halophile Bacterien: A. Sperltch, Zentr. Bakt., 34, 406 (1912). — 5) Eschenhagen, Dis.s. (Leipzig 1888). — 6) Ch. Clerfeyt, Chem. Zentr. (1901), 2, 704. Errera, Bull. Ac. Roy. Belg., (1899), p. 95. — 7) A. v. Richter, Mvcol. Zentr., /, 67 (1912). — 8) A. Artari, Jahrb. wiss. Botan., 43, 177 (1906); 46, 443 (1909)., Über Salzwirkung auf Algen femer Gerneck, Beiheft, bot. Zentr., 2/, II, 274 (1907). — 9) A. Richter, Flora (1892), p. 4. Klebs, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, t, 489 (1886). J. Comkee, Bull. Sog. Bot. Fr., 52, 226 (1905). — 10) A. Yasuda, Colleg. Sei. Tokyo; /j, 101 (1900). FÜRTH, VergL Physiol. d. nied. Tiere (1903), p. 622. — 11) Wo. OsTWALD, Pflüg. Arch., 120, 19 (1907). A. Dernoscheck, Diss. (Leipzig 1911). §7. Chemische "Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 173 sind natürlich die näheren Ursachen der Salzwirkung noch nicht be- stimmter definiert. Bei den marinen Organismen schädigen im allge- meinen hypotonische Lösungen leichter als hypertonische (1). Angaben über die Beziehungen von Salzwirkung und Temperatur finden sich in einer Arbeit von Towle(2). Für Phanerogamen sind einschlägige Angaben aus älterer Zeit be- sonders von Stange (3) zusammengestellt und bearbeitet worden. In der Regel wirken Salzlösungen von 0,2—0,4 % Salpeterwert günstig, 1—2 % schon hemmend. Die an hohen Salzgehalt gewöhnten Halophyten fand Stange bei mehr als 3 % NaCl gehemmt. Exorbitant hohe Salpeterwerte (bis 3,0 Mol!) gibt Fitting (4) für manche Pflanzen der nordafrikanischen Wüste an, wobei allerdings noch kritisch zu untersuchen wäre, ob nicht KNOg in diesen Fällen die Plasmahaut merkhcher passiert als sonst. Das Wurzelwachstum von Landphanerogamen wird noch durch hypo- tonische Salzlösungen völhg unterdrückt (5). Bei den meisten starken Säuren wird der Wirkungswert durch die Wasserstoffionenkonzentration wesentlich bestimmt. Die Versuche von Kahlenberg und True (6) haben ergeben, daß das Wachstum der Keim- wurzeln von Lupinus albus durch alle untersuchten stärker dissoziierten Säuren bei einer Konzentration von 1 Mol auf 6400 1 sistiert wird; dies gilt für HCl, HNO3, HBr, HgSO^, KHSO^, H3PO4, CHgOa, Fumarsäure, o-Nitrobenzoesäure, Monochloressigsäure, Benzoesäure, Salicylsäure und Weinsäure. Boeseken und Waterman gaben die Grenzkonzentration für Peniciliium mit 1 • 10—^ Grammäquivalenten H"-Ionen an (7). Bei weniger dissoziierten Säuren ist die Konzentration höher zu nehmen. In einzelnen Fällen, wie bei Chromsäure (8), Blausäure, kommt noch eine wesentliche toxische Wirkung der Anionen hinzu. Überhaupt ist die Wirkung der Säureanionen durchaus nicht in allen Fällen praktisch zu vernachlässigen und mehr oder weniger stark wohl immer vorhanden. Daß unter Umständen die unzersetzten Säuremolekel stärker wirksam sind, wurde bereits erwähnt, und muß bezüglich der organischen Säuren (Fettsäuren) tin einer späteren Stelle noch eingehender berührt werden. Für die starken Mineralsäuren geht jedoch auch aus den Erfahrungen von Paul und Krönig sowie Heald(9) die Prävalenz der Wasserstoff- ionenwirkung hervor, für die sauren Alkalisalze ebenso aus den Angaben von Kahlenberg und Austin (10). Für verdünnte wässerige Salzsäure haben die Untersuchungen von Paul, Birstein und Reuss(II) ergeben, daß die desinfizierende Wirkung auf Staphylocokken, welche auf Granaten angetrocknet waren, langsamer als die Wasserstoffionenkonzentration zu- nimmt. Der Wirkungszuwachs läßt sich vielmehr gut durch die Pro- portionalität zur Quadratwurzel der Konzentration ausdrücken. Eine 1) Vgl. W. E. Carry, Zentr. Physiol. (1905), p. 605. — 2) E. W. Towle, Amer. Journ. Physiol., 12, 220 (1904). — 3) B. Stange, ßotan. Ztg. (1892), p. 253. M. Jarics, Landw. Versuchsstat., 32, 149 (1885)w Pfeffer, Physiologie, 2. Aufl., /, 414^ //, 137 (1901). O. Reinhardt, Festschr. f. Schwendener (1899), p. 430. — 4) H. Fitting, Ztöch. f. Botan., 3, 209 (1911). — 5) Vgl. E. Riehm, Ztsch. Naturwiss., 77, 281 (1905). — 6) L. Kahlenberg v.. R. H. True, Botan. Gaz., 22, 81 (1896); Journ. Amer. Med. Assoc. (18. July 1896). —_ 7) J. Boeseken u. Waterman, Kgl. Akad. Amsterdam (April 1912). — 8) Über CrO,: A. SziLi, Pflüg. Arch., 130, 134 (1909). — 9) Heald, Botan. Gaz., 22, 125 (1896). — 10) L. Kahlenberg u. R. M. Austin, Journ. Phys. Chem., 4, 553 (1900). Wirkung saurer Salze auf Aspergillus: A. Kiesel, Compt. rend., 155, 193 (1912). — 11) Th. Paul, G. Birstein u. A. Reüss, Biochem. Ztsch., 29, 202 (1910). 174 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. einwandfreie Erklärung für dieses Verhältnis, welches an die ScHÜTZsche Regel der Fermentchemie erinnert, ließ sich bisher jedoch noch nicht geben. Nach Harvey (1) würde hingegen die Salzsäurewirkung auf Chlamydomonas dem Gesetze unimolekularer Reaktionen entsprechen. Durch Zusatz von Neutralsalzen kann man nach Paul, Birstein und Reuss(2) die Desinfektionswirkung der Säuren erhöhen, und zwar proportional zur zugefügten Salzkonzentration. Nach den drei genannten Autoren, sowie nach den im hiesigen Laboratorium gesammelten Erfahrungen steigt bei allen Säuren die "Wirkung mit der Temperatur. Der Tem- peraturquotient pro 10° ist für die niedrigeren Temperaturen 2 — 3, für höhere Temperaturen aber bedeutend größer. Das gleiche gilt aber auch für andere Stoffe, z. B. Alkohole. Die Angriffsweise der Säuren ist bisher nicht aufgeklärt. Es ist bei Versuchen mit höheren Organismen mögüch, daß der Säuretod nicht durch allgemeine Zellvergiftung, sondern vorerst durch lokale Wirkung auf ein bestimmtes Organ zustande kommt; dieses Bedenken gilt auch für die von LOEB (3) mitgeteilte Entgiftung von HCl und organischen Säiu-en durch hinzugefügtes NaCl oder CaClg. Der von Kahlenberg und True für die Wirkung stark dissoziierter Säuren auf Keimwurzeln angegebene Grenz- wert 1 M. auf 6400 1 dürfte nach den im hiesigen Institute gemachten Er- fahrungen größere Bedeutung haben, wenn auch die Arbeiten über die ge- naue Festlegung dieses Wertes noch abgewartet werden müssen. Nach eigenen Versuchen (4) wird die Läsion der Plasmahaut von Zellen höherer Pflanzen durch Säuren in dem Maße, daß Austritt von Zellcontentis (Gerbstoff, Anthocyan) erfolgt, bei 1 Mol. auf 12 800 1 und 1 Mol. auf 6400 1 noch nicht, hingegen deutüch bei 1 Mol. auf 5000 und 3200 1 beobachtet ; daher dürfte allgemein der KAHLENBERG-TRUEsche Wert der Säurevergiftung auf eine Wirkung auf die Plasmahaut der Zellen zu beziehen sein. Da weiter mit der abnormen Durchlässigkeit auch eine Aufhebung des normalen Zell- turgors verbunden ist, und das Längenwachstum mit dem Zellturgor in nahen Beziehungen steht, so muß die Hemmungsgrenze für das Wurzel- wachstum nahezu denselben Wert ergeben. Durch weitere hierorts ange- stellte Untersuchungen hat sich ergeben, daß die Säurekonzentration 1 Mol auf 6400 1 für die starken Säuren eben imstande ist eine Natrium- oleatlösung zu übersäuren, welche äquicapillar mit der Oberflächenspannung der Plasmahaut [0,68 für ( H ^0)o = 1 J ist. Dies könnte möghcherweise auf eine Wirkung der Säure auf die Fettemulsion in der Plasmahaut deuten. Andererseits haben Versuche von Endler gezeigt, daß der isoelektrische Punkt der Plasma- hautkolloide, gemessen durch die Exosmose von aufgenommenem Methylen- blau unter Zusatz von OH und H-Ionen, gleichfalls ungefähr bei 1 : 6400 1 Säure hegen dürfte (zwischen 1,56 • 10~* und 0,78 • 10~*H '-Konzentration) ; hier mag es sich wohl um die Umladung der amphoteren Plasmaproteide han- deln. Die kritische H*- Konzentration ist für Penicilhum durch BoESEKEN und Waterman wie oben erwähnt mit 1 • 10—^ Grammäquivalenten be- stimmt worden. Nach Michaelis und Takahashi (5) beträgt sie für die Säurehämolyse der roten Blutzellen ebenfalls 1 • 10~^. Die Wirkungsgrenze 1) H. W. Harvey, Ann. of Botan., 23, 181 (1901). — 2) Tu. Paul, Bik- 8TEIN u. A. Reuss, Biochem. Ztsch., 29, 249 (1910). — 3) J. Loeb u. H. Wasteneys, Biochem. Ztsch., 33, 489 (1911); 39, 167 (1912). — 4) F. Czapek, Ber. Botan. Ges., 28, 161 (1910). Methode z. direkt. Best. d. Oberflächenspannung d. leb. Plasmahaut, p. 72 (Jena 1911). — 5) L. Michaelis u. D. Takahashi, Biochem. Ztsch., 29, 439 (1910). §7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 175 für die Säuren ist aber sicher nicht für alle Zellen von Pflanzen dieselbe. Nach den hierorts von KisCH(1) ausgeführten Versuchen ist für Hefezellen erst 1 Mol HCl, H2SO4, HNO3 auf 9-10 1 deletär wirksam, für Bacterien erst vielleicht noch höhere Konzentrationen. Diese Resistenz hängt mög- hcherweise mit einer viel höheren Oberflächenaktivität der Plasmahaut- stoffe zusammen, indem die Plasmahaut der Hefe, wie auch der unter- suchten Schimmelpilze erst durch Alkohole in Konzentrationen von der halben Oberflächenspannung (Wasser — Luft = 1) zerstört wird, während der Grenzwert der tödUchen Oberflächenaktivität bei Phanerogamenzellen bei 0,68 hegt. Daß Schimmelpilze relativ viel Säure vertragen, geht auch aus den Erfahrungen von Friedel (2) und Wächter (3) hervor; bekannt- üch werden mitunter große Mengen Oxalsäure in der Kulturflüssigkeit gefunden. Noch größere Säurekonzentrationen werden nach den Versuchen von KiSCH von Bacterien vertragen, was noch genauerer Feststellung bedarf. In der Literatur wird in der Regel nur über Wachstumshemmung durch be- stimmte Konzentrationen berichtet, die allerdings oft schon in größerer Verdünnung der Säure erfolgt. Schon Lingelsheim (4) zeigte, daß hierbei die Art der Säure gänzhch gegenüber dem Aciditätsgrad zurücktritt. Für verschiedene Bacterienarten wiu'den die antiseptischen Säure-Grenzkon- zentrationen von Sieber (5) bestimmt. Prodigiosus gedeiht noch wohl in 0,1 %iger Milchsäure (6), auch Diphtheriebacillen (7) und Eiterstrepto- cokken (8) wachsen noch auf saurem Substrat, und besondere Aufmerk- samkeit erregte die Fähigkeit des Tuberkuloseerregers auf saurem Sub- strat eine Begünstigung seines Gedeihens zu zeigen (9). Man weiß übrigens wie verbreitet die ausgiebige Erzeugung organischer Säuren, wie Milchsäure, Buttersäure, Oxalsäure bei Bacterien ist, die besonders aus Kohlenhydrat- nahrung so massenhaft entstehen, daß das Wachstum eine Hemmung er- fahren kann (10). Bei Bacterienkulturen tut man bekanntüch im allgemeinen gut, die Reaktion des Substrates im Beginne genau neutral zu stellen. Algen sind gegen verdünnte Säuren allgemein sehr empfindhch; in Endlers Versuchen war nur eine marine Vaucheria-Form relativ stark resistent. MiGULA (11) gibt an, daß Spirogyra orbicularis Kütz. schon durch 0,05 % freie Phosphorsäure getötet wird. Sehr kleine Säuremengen stirau- heren das Längenwachstum dieser Alge, stören aber bereits den Zellteilungs- vorgang. Bringt man die Alge in reines Wasser zurück, so erfolgt rapide Zellteilung, bis die in dem sauren Medium abnorm verlängerten Zellen wieder ihre normalen Dimensionen erreicht haben. Für eine Süßwasser- Vaucheria fand Klebs(12) völhge Hemmung des Wachstums durch 0,05% freie Säure. I) B. KiscH, Biochem. Ztsch., 40, 152 (1912). — 2) J. Friedel, Bull. Soc. Bot. France, 52, 182 (1905). — 3) W. Wächter, Zentr. Bakt. II, 19, 176 (1907). Vgl. ferner Gl. Fermi u. Pomponi, Ebenda, 2, 574 (1896). Wehmer, Ztsch. Spiri- tusindustr. (1901), Nr. 14. — 4) v. Lingelsheim, Ztsch. Hyg., 8, 201. Säure- agglutination bei Bacterien: M. Beniasch, Ztsch. Immun. forsch. I, 12, 268 (1912). — 5) N. Sieber, Journ. prakt. Chemie, 19, 433 (1879). Für Paramaecium: Barrat, Proceed. Roy, Soc. Lond. (10. Aug. 1904). — 6) G. Schlüter, Zentr. Bakt., //, 589 (1892). — 7) L. CoRBETT, Ann. Inst. Pasteur, //, 251 (1897). — 8) R. TuRRÖ, Zentr. Bakt., /;, 865 (1895). — 9) Proskauer u. Beck, Ztsch. Hyg., 18, 128 (1894). G. Jochmann, Hyg. Rdsch., //, 3 (1901). E. de Schweinitz u. Dorset, Un. St. Dep. Agric. Bull. (1896). — 10) F. v. Sommaruga, Ztsch. Hyg., 15, 291 (1893). RoLLY, Arch. Hyg., 4t, 406 (1902). A. Capaldi u. Proskader, Ztsch. Hyg., 23, 452 (1896). - 11) W. MiGULA, Diss. (Breslau 1889). — 12) G. Klebs, Beding, d. Fortpflauz., p. 68 (1896). Für Algen noch O. LoEW, Giftwirkungen, p. 33. 176 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Für Phanerogamen ist die günstige Wirkung schwach saurer Reaktion auf die in Wasserkultur gehaltenen Pflanzenwurzeln wohlbekannt. Max- well (1) versuchte mit Zusatz verschieden starker Citronensäurelösungen in Topfkulturen die Resistenz der Pflanzen gegen Säure zu prüfen. Schon 0,02% bedingte in den meisten Fällen Hemmung; 0,1% war nicht wesenthch giftiger. Eine merkwürdig hohe Widerstandsfähigkeit bewies die Perlhirse, welcher selbst Begießen mit 1,0% Citronensäure wenig anhaben konnte; die Pflanzen zeigten bloß einen vorübergehenden Wachstumsstillstand und wuchsen später, an den Säuregehalt gewöhnt, ziemhch rasch heran. Die Tentakel- zellen von Drosera vertragen nach Darwin (2) noch 0,23 % Weinsäure oder Citronensäure, sind jedoch gegen viele andere Säuren empfindhcher. Über die Wirkung der Säuren resp. der Wasserstoff ionen als Keiraungsreize bei Samen hat A. Fischer (3) eingehende Studien angestellt. Nicht zu ver- wechseln mit derartigen Stimulationen sind selbstverständUch die fördernden Wirkungen, welche Säurebehandlung bei hartschahgen Samen durch Zer- störung der Samenschale zur Folge hat (4). Angaben über Säurewirkung bei Pollenkörnern hat Sabachnikoff (5) gehefert. Daß organische Säuren nicht nur durch die Wasserstoffionenkonzen- tration wirken, sondern auch durch die Anionen, und nicht dissoziierten Molekel, ihre Diffusionsgeschwindigkeit usw., wird noch weiter unten aus- zuführen sein (6). Länger nicht erneuerte Zuckerlösung kann nach Loeb (7) gleichfalls durch Säurebildung toxische Wirkungen hervorrufen, und man kann durch Zufügung von Salzen ("% NaCl, KCl, CaClg) diesen Effekt erheblich herabsetzen. Die Giftwirkung der Laugen ist, wie Paul und Krönig (I. c.) zuerst gezeigt haben, durch die OH'-Ionenkonzentration ebenso bestimmt wie die Säurewirkung durch die H*-Konzentration. Äquivalente Lösungen starker Basen dürfen in hinreichend hoher Verdünnung als gleich wirk- sam angesehen werden. Paul und Krönig ließen, um die Abhängigkeit der Alkaliwirkung von der elektrolytischen Dissoziation der Base zu zeigen, eine Lösung von 1 Grammolekel jeder Base in 1 1 auf Bacterien 8 Vi Stunden einwirken, wuschen die Bacterien aus und legten von ihnen Plattenkulturen an. Es gingen auf: bei Anwendung von KOH 31 Kolonien, von NaOH 33 Kolonien, von LiOH 44 Kolonien und von NHg äußerst zahlreiche Kolonien — völlig parallel mit der elektrolytischen Dissozia- tion. Kahlenberg und True gewannen analoge Ergebnisse für das Wachstum von Lupinenwurzeln, F. Loew(8) für Maiswurzeln. Das Eindringen von sehr verdünnten AlkaUen in lebende Zellen ist bei stark gerbstoffhältigen Zellen (Spirogyra, Echeveria, Saxifraga sarmen- tosa) äußerst leicht an der tropfigen intravitalen Ausfällung des gerbstoff- hältigen Zellsaftes („Aggregation" von Chs. Darwin, „Proteosomen" von O. Loew und Bokorny) zu verfolgen. Mit diesem intracellulären Aus- fällungsphänomen tritt gewöhnhch eine, wenn auch leichte und vorüber- 1) W. Maxwell, Landw. Versuch sstat., 50, 325 (1898). — 2) Ch. Dakwln, Insektenfrees. Pflanzen, p. 175 (1876). — 3) A. Fischer, Ber. Botan. Ges., 25, 108 (1907). Für organ. Säuren: G. Promsy, Compt. rend., 152, 450 (1911). — 4) Hierzu z. ß. A. Zimmermann, Pflanzer, 2, 305 (1906). H. Love u. Leighty, Cornell Univ. Coli. Agric. Exp. Stat. Bull. (1912), p. 312. — 5) V. Sabachnikoff, Soc. Biol., 72, 191 (1912). — 6) Vgl. J. Loeb, Biochem. Ztsch., is, 254- (1909). H. Braeuning, Pflüg. Arch., 102, 163 (1904). L. Klocmann, Diss. (München 1911). — 7) J. Loeb, Journ. of Biol. Chera., //, 415 (1912). — 8) Fred A. Loew, Science. 18, 305 (1903). §7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 177 gehende Hemmung des Wachstums durch das verdünnte Alkali ein. An Keimpflanzen wurden diese Wirkungen verdünnter Alkalien zuletzt von BoKORNY(l) näher verfolgt. Alle diese Erscheinungen gehen jedoch, wenn durch Einlegen in reines Wasser für die Möglichkeit einer exosmotischen Abgabe des OH' gesorgt wird, wieder zurück, ohne bleibende Alterationen zu hinterlassen. Verschiedene Erfahrungen beweisen, daß die PermeabiUtät der Plasmahaut bei Gegenwart geringer OH'-Konzentrationen für viele Stoffe wesentHch erhöht ist. Für (basische) Farbstoffe hat dies Endler im hiesigen Laboratorium näher experimentell dargetan. Bemerkenswert sind die durch manche verdünnte Alkaüen (Chinin, NH3, Phenylendiaminbase) in lebendem Plasma erzeugbaren Erscheinungen, welche sich im Auftreten von Tröpfchen mit lebhafter BnowNscher Be- wegung und in Vibrationen der Chloroplasten äußern. Diese von Boresch im hiesigen Institute aufgefundene Erscheinung, welche an Plasmaballen aus angeschnittenen Vaucheriaschläuchen in van 't HoFFscher Lösung rO,l) beobachtet wurde, ist sicher reversibel. Außer der von Eiweiß und Kohlenhydraten her wohlbekannten Wirkung von OH'-Ionen auf die Quell- barkeit wissen wir sehr wenig über die Natur der Alkaligiftwirkungen. Her- vorzuheben ist die Hemmung der OH '-Wirkung durch Cyankahum und durch .Sauerstoffmangel, welche zunächst für das unbefruchtete Seeigelei durch LoEB (2) sichergestellt worden ist. So wie die Resistenz gegen H '-Ionen, so ist auch die Widerstands- fähigkeit der einzelnen Organismen gegen OH '-Giftwirkungen sehr verschie- den. Es gibt Pflanzen, welche gegen OH' empfindHcher sind als gegen H", und solche, welche das entgegengesetzte Verhalten zeigen. Bacterien ver- tragen mitunter nicht wenig Alkah. Typhusbacillen sterben nach Kitasato(3) zwischen 0,1—0,14% KOH; Choleravibrionen werden aber erst durch 0,18 % getötet. Alkahcarbonat wird meist bis 0,5 % vertragen, von typhi bis 0,8%, von cholerae bis 1,0% K2C03(4). Deeleman(5) fand meist zwischen 0,34-1,7% Normal NaOH oder 0,39-1,95% Normal NagCOg das Wachs- tumsoptimum; einige Formen ertrugen aber bis 5,85% NagCOg. Heiße Sodalösung ist ein treffhches Abtötungsmittel für Bacterien, welches zu 5 % 1 Stunde lang angewendet, sicher wirkt (6). Ca(0H)2 ist für typhi und cholerae viel toxischer alsdieÄtzalkahen(LiBORius), da auch Kationen- wirkung hinzutritt. Aus den Untersuchungen von Blumenthal (7) geht deutlich hervor, welchen außerordentlichen Einfluß Alkahgehalt des Sub- strates auf den ganzen Gang des bacteriellen Stoffwechsels entfalten kann; speziell die Bildung von Indol, HgS, Methylmercaptan bei der Eiweißfäulnis wird sehr merkhch durch die alkaHsche Reaktion des Substrates quantitativ beeinflußt. Übrigens produzieren Bacterien auch Alkah, wie die NH3- Entwicklung bei der Eiweißfäulnis, die steigende Alkalescenz bei der KNO3- Zersetzung durch denitrifizierende Bacterien zeigt. Permi und Pomponi, sowie Bokorny (8) gaben Daten bezüghch der Resistenz von Hefe und Oidium gegen Alkali. Hefe wird durch 0,5 %ige 1) Th. Bokorny. Zentr. Bakt. II, 32. 587 (1912). — 2) J. Loeb, Biochem. Ztsch., 26, 289 (1910). — 3) Kitasato, Ztsch. Hyg., 3, 418. — 4) Liborius, Ebenda, 2. Pfühl, Ebenda, 6, 97; 7, 363; 12, 509. Auch LoEW, 1. c, bezügl. Algen. - 5) M. Deeleman, Arb. kais. Gesundh.amt, 13, III (1897). W. Hesse, Ztsch. Hyg., 15, 183 (18fi4). Für Streptocokken : Ph. Rahtjen, Diss. (Rot^tock 1906). — 6) Simon, Biochem. Zentr. (1903), Ref. Nr. 1793; Ztsch. Hyg., 43, U KuRP.TUWEiT, Ebenda (1903). — 7) F. Blumenthal, Ztsch. klin. Med., 28, 22J. (1895). — 8) Th. Bokorny, Chem.-Ztg., 30, 1249 (1906). Czapek, Biochemie dei Pflanzen. I. 3. Aufl. 12 ;178 Drittes Kapitel: Chemisclie Reizwirkungen. NaOH getötet und 1—2,5% K2HPO4 wirkt schädlich. Schimmelpilze werden leicht durch alkalische Reaktion ihres Mediums gehemmt. Das Wachstum von Vaucheria wird nach Klebs durch 0,1 % Kg^'^s noch nicht unterdrückt, während die Zoosporenhildung schon in der 20 mal schwächeren Lösung leidet. Da 0. Loew im stark alkahschen Wasser des Owens Lake in Nordamerika mit 2,5 % Sodagehalt noch viele Tiere und Schimmelpilze in Lebenstätigkeit sah, so ist zu vermuten, daß hohe An- passungen an alkahsche Medien vorkommen, worüber Untersuchungen noch erwünscht wären. Daß auch kolloidale Magnesiumlösung physiologische Wirkungen (Stimulation des Wachstums von Weizenkeimlingen) zu erzeugen vermag, hat MiCHEELS (1 ) gezeigt. Über die praktisch wichtigen Schädigungen der Vegetation durch Sodastaub und Ammoniakgas sind die Angaben von BöMER, Haselhoff und König (2) zu vergleichen. Angaben über die Stimu- lation von Samenkeimung durch Alkahen hat A. Fischer (3) gehefert. Während von den Kationen Na", K*, Mg", Ca" kaum eine stimu- lierende Wirkung auf das lebende Protoplasma bekannt ist, gehören die Kationen der Rubidium-, Caesium- und Lithiumsalze in geringen Kon- zentrationen entschieden zu den Stimulantien. Rubidiumsalze, ebenso Caesiumsalze fördern nach Bokorny(4) das Wachstum von Hefe und von Phanerogamenkeimlingen. Auch nach Nakamura (5) entfalten Lithium- und Caesiumsalze auf das Wachstum von Phanerogamen eine leicht stimu- lierende Wirkung. Ravenna und Maugini(6) fanden übrigens verschie- dene Blutenpflanzen gegen Lithium verschieden resistent; im ganzen sind aber Lithiumsalze nicht so giftig als es älteren Angaben zufolge scheinen könnte. Von den zweiwertigen Kationen Sr" und Ba" sind gleichfalls Reiz Wirkungen bekannt; besonders Barytsalze wirken auf alle Pflanzen- zellen in geringen Dosen stimulierend und in größeren hemmend und tödlich. Strontiumsalze können die Darreichung von Kalksalzen in keiner Weise ersetzen [Loew (7)]. Die relative Giftwirkung reiner Metalle im Kontakt mit Wasser auf Pbanerogamenwurzeln wurde von Copeland und Kahlen- berg(8) näher untersucht. Die relative Toxicität stimmt gut überein mit der Stellung der Metalle in der von Neumann (9) bestimmten Reihen- folge hinsichtlich ihres Potentials im Vergleich zum Wasserstoff: Mg, AI, Mn, Zn, Cd, Tl, Fe, Co, Ni, Pb, H, Bi, As, Sb, Sn, Cu, Hg, Ag, Pd, Pt, Au. Bis zu Hg waren alle Metalle, mit Ausnahme von AI, Sn, vielleicht auch Mg, schädlich und, mit Ausnahme von Mn und Bi, während der Versuchsdauer tödlich. Hg und Ag waren manchmal schädhch, Pd, Pt, Au schienen nie schädliche Wirkungen zu entfalten. Die meisten Erfahrungen besitzt man über die Wirkung metallischen Kupfers, welches, wie Nägeli in seinen „oligodynamischen Wirkungen'" zuerst beschrieb. Wasser stark toxische Eigenschaften erteilt. Das destil- lierte Wasser verdankt seine Giftwirkung auf Spirogyra und andere 1) H. MiCHEELS u. P. DE Heen, Bull. Ac. Roy. Belg. (1907), p. 119. — 2) BÖMER, Häselhoff u. König, Landw. Jahrb., 21, 407 (1892). — 3) A. Fischer, Ber. Botan. Ges., 25, 108 (1907). — 4) Th. Bokorny, Biochejn. Ztsch., 43, 453 (1912): Zentr. Bakt., 35, 118 (1912). — 5) M. Nakamura, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 6, 153 (1904). — 6) C. Ravenna u. A. Mauoini, Rend. Acc. Lincei Roma (5), 21, II, 292 (1912). — 7) O. Loew, Flora, 102, 96 (1911). — 8) Copeland u. Kahlen- BER«, Transact. Wiscons. Ac. Sei., 12, 454 (1899). Für Bacterien: Bolton, Internat, med. Mag. (1894). — 9) Neümann, Ztsch. physik. Chem., 14, 193 (1894). Vgl. auch V. LüSiNi, Real. Accad. dei Fisiocritic. (20. März 1910). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 179 Pflanzen wohl ausschließlich den darin enthaltenen, aus der Destillierblase stammenden Cu-Spuren(l); damit stimmen die Erfahrungen über „nega- tive Katalyse" durch Bindung dieser Cu-Spuren gut überein. Kraemer (2) zeigte, daß Bacterien in wenigen Stunden sterben, wenn ein Stückchen Cu-Folie in die Nährflüssigkeit gelegt wird. Diese Metallwirkungen sind keine Effekte sui generis, sondern beruhen auf der Bildung von Metall- ionen in Gegenwart des Wassers. Kolloidale Metallösungen wirken be- deutend stärker infolge der außerordentlich großen Oberflächenentfaltung. Näheres hierüber ist besonders am Silbersol (Collargol), Quecksilbersol, Kupfersol experimentell in Erfahrung gebracht worden. Die älteren Erklärungsversuche für das Zustandekommen der Metall- giftwirkung sind sämtlich unzureichend. Beziehungen zwischen Giftwirkung und Atomgewicht haben sich in wissenschafthch brauchbarer Weise kaum ergeben (3). Schultz dachte an Oxydations- imd Reduktionsprozesse in den Zellen. O. Loew (4) stellte die Schwermetalle zu seiner Gruppe der durch Salzbildung wirkenden Gifte; die Metalle sollen auf die Amino- oder COOH- Gruppe der Aminosäuren einwirken. Kunkel (5) meinte, es handele sich um eine Bindung der aufbauenden Proteinstoffe durch die toxischen Schwer- metalle. Von modernen Ansichten ist besonders die Heranziehung von Kolloidreaktionen (Adsorptionserscheinungen) und von katalytischen Wir- kungen zur Erklärung der Metallwirkungen zu nennen. Die biologische Auswertung von Adsorptionsphänomenen auf diesem Gebiet nahm besonders von der Erfahrung Loebs (6) ihren Ausgang, daß die schädhchen Wirkungen des reinen NaCl, oder von K-,Li-, NH4-Chloridlösungen sofort paralysiert wer- den, wenn man CaClg in kleiner Menge hinzufügt; andere zweiwertige Ionen (Zn, Pb) wirken ebenso wie Ca, und zwar kann 1 Mol ZnS04 1000 Mol NaCl entgiften, während 50 Mol NaCl nötig sind, um 1 Mol ZnS04 zu paralysieren. Hg und Cu-Ionen zeigen diese entgiftenden Wirkungen nicht. Spuren von dreiwertigen Ionen vermögen die schädlichen Einflüsse einwertiger Ionen gleichfalls zu äquiübrieren. Es ist kaum anders möghch, als diese viel zi- tierten ,, antagonistischen lonenwirkungen" als Verdrängungserscheinungen aufzufassen, indem die mehrwertigen Ionen die einwertigen aus ihrer Ad- sorption im Plasma verdrängen. Damit steht es im Einklang, wenn Szücs (7) fand, daß man Kupferlösungen durch das dreiwertige Aluminium entgiften kann. Die Kurven, welche sich aus der graphischen Darstellung der experi- mentellen Daten ergeben, stimmen völlig mit gewöhnhchen Adsorptions- isothermen überein. Die Entgiftung von Alkaloiden (Chinin) und von Farb- stoffen (Methylviolett) geschieht gleichfalls durch dreiwertige Metallionen (AP"), wie Szücs fand, am intensivsten. Da die ScHULZEsche Wertigkeits- regel beim Ausflocken von Kolloiden, Aussalzen usw. allgemein gilt, so wird es sich auch bei der SchwcrmetaUionenwirkung auf das Zellplasma zunächst um Zustandsänderungen von Kolloiden handeln müssen. Bei Eiweißkörpern werden, wie wir wissen, derartige Fällungen sehr rasch irreversibel und so werden auch im Plasma rasch einsetzende Denaturierungsprozesse bei Schwermetallwirkungen anzunehmen sein. 1) Th. Bokorny, Chem.-Ztg., 29, 687 (1905). — 2) H. Kraemer, Amer. Journ. Pharm., 77, 265 (1905); 78, 140 (1906); Amer. Med., 9, 275 (1905); Proceed. Amer. Phil. Soc, 49, 51 (1905). Moore u. Kellermann, U. S. Dep. Agric. Washingt. (1905). — 3) Vgl. W. Sigmund, Programm Realschule Karolinental (1902). — 4) O. LoEW, Giftwirkungen (1893), p. 35. — 5) Kunkel, Handb. d. Toxikol. (1890), p. 118. — 6) J. Loeb, Pflüg. Arch., 88, 68 (1901)-, 93, 246 (1902); 97, 394 (1903) u. spätere Bde. A. Moore, Amer. Journ. Physiol., 4, 386 (1900). — 7) J. SztJcs, Jahrb. wiss. Botan.. 52, 85 (1912). 12* 1J>^0 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. MiCHEELS (1 ) hat diese Verhältnisse an Keimlingsmaterial völlig be- stätigen können, und man wird zweifelsohne die allgemeine Bedeutung der ScHULZEschen Wertigkeitsregel und der Adsorption für Schwermetallwir- kungen bei Pflanzen bestätigt finden. Da sich nach Hardy (2) nur entgegen- gesetzt geladene Teilchen ausflocken, so wäre es möghch, daß sich die Schwermetallwirkungen durch Umladung der elektronegativen Plasma- kolloide schwächen lassen. Analoge Verhältnisse für die Adsorption von Farbstoffen wurden bereits von Endler im hiesigen Laboratorium wahr- scheinHch gemacht. Wenig Anhaltspunkte haben sich bisher in der Richtung ergeben, daß die Schädlichkeit aufgenommener Schwermetalhonen in der Erzeugung katalytischer Reaktionen beruht; eventuell könnte man Versuchsergebnisse von Rankin (3) dahin deuten, daß AI, Zn und Cu, welche bei Gegenwart von Sauerstoff stark bactericid wirken, durch Peroxydbildung und freie Sauerstoffionen oxydative Wirkungen auf katalytischem Wege hervorrufen. Dem Gesagten ist auch zu entnehmen, daß sich Angaben über Metallgift- wirkungen nur auf Lösungen mit einer Art Metalhonen beziehen sollten, und daß überall, wo verschiedene Ionen gleichzeitig vorhanden sind, die Wirkungen wegen des ,, Antagonismus" sehr different ausfallen können. Dies hat man bei der Beurteilung der Literaturangaben wohl zu beachten, und manche Widersprüche werden sich durch den dargelegten Sachverhalt verstehen lassen. So bleibt zu erforschen, inwieweit die Giftigkeit der Lithiumsalze, welche in den Arbeiten von Nobbe, Gaunersdorfer. Richards, Feodoroff(4) und anderen Forschern behandelt wurde, durch die Ver- suchsbedingungen modifiziert werden kann. Das Gleiche gilt von Rubi- dium, bei dem Benecke (5) für Aspergillus ungünstigen Einfluß beob- achte und LoEW(6) für Phanerogamen in sehr kleinen Mengen eine stimulierende Wirkung auf das Wachstum fand, ebensowohl für das nach Benecke noch giftigere Caesium. Auch die Kontroversen über die Rolle des Strontiums zählen hierher (7), desgleichen die so verschie- denen Ergebnisse, welche mit Mg-Salzen unter differenten Bedingungen erzielt worden sind. Endlich stimmen die Autoren im Hinblick auf das Baryum nicht ganz überein. Manche zweiwertigen Kationen wirken wohl spezifisch giftig, was selbst für den Kalk nicht ausgeschlossen ist (8). Aber auch die Wechselwirkungen mit dem zweiwertigen Zinkion gehören nach den erwähnten Feststellungen von Loeb hierher. Bau- MANN (9) fand 1 mg Zn pro Liter (ZnS04) noch für die verschiedensten Pflanzen unschädlich; bei der fünffachen Konzentration gingen bereite 1) H. MiCHEELS, Compt. rend. (24. Dez. 190ü). — 2) Hakdy. Journ. of Physiol., 24, 801 (1899); Ztsch. physik. Chem., 33, SSfi (1900). — 3) A. C. Rankin, Proceed. Roy. Soc. Lond. B., 82, 78 (1910). — 4) Nobbe, Laiidw. Versuchsstat.. 13, 374 (1871). J. Gaunersdorfer, Ebenda, 34, 171 (1887). Richards, Jahrb. wiss. Botan., 30, 665 (1897). Feodoroff, .Just (1898), /, 58. — 5) W. Benecke, .Tahrb. wiss. Boten., 28. 508 (1895). — 6) O. Loew, Bull. Coli. Agricult, Tokyo, 5, 461 (1903). — 7) Vgl. Haselhoff, Landw. Jahrb., 22, 851 (1893). Suzuki, Bull. CoU. Agricult. Tokyo, 4, 69 (1900). O. LoKW, Landw. Jahrb., 32, 509 (1904). F. Bruch, Ebenda, p. 517. Früher Nägeli, Untersuch, üb. d. nieileren Pilze (1882), p. 73. MouiscH, Wien. Ak., 103, /, 568 (1894). H. Coufin, Compt. rend., 130, 791 (1900). Haselhoff, Landw. JaLrb. (1895), p. 962 (Baryum). — 8) Vgl. G. Delogu, ßiochem. Zentr. (1903), Ref. Nr. 332. J. Aloy u. Bardier, Ebenda, Nr. 129. R. Windjsch, Landw. Versuchsstat., 54, 283 (1901). H. Coupin, 1. c. H. Deetjen, Berlin, klin. Woch.schr. (1904), Nr. 16. — 9) A. Baumann, Landw. Versuchsstat.. 31, 1 (1884). Nobbe, Bässlkr u. Will. Ebenda, 30, V/VI (1884). König, Biedermanns Zentr. (1879), p. 564. § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 181 einige der untersuchten Gewächse zugrunde; Coniferen vertrugen jedoch noch die 10 fache Konzentration schadlos. Die Giftwirkung auf Bacterien stellte Dienert (1) fest. Eine Reihe neuerer Autoren befaßt sich mit der seit Raulin bekannten stimulierenden Wirkung des Zinks auf das Wachstum von Schimmelpilzen und Phanerogamen (2). Bei Aspergillus soll sich die Reizwirkung des Zinks so intensiv gestalten, daß 1 Teil Zn sich zu 1 Teil N hinsichtlich der Wirkung verhält wie 22:100000 [„Nützlichkeitskoeffizient" nach Javillier (3)]. Die Invertinbildung soll nach demselben Autor bei Weglassung des Zn stark vermindert sein (4). Hefe wird durch 1% ZnSO^ nach Bokorny(5) völlig gehemmt. Bei Feldversuchen ergab sich das Zink als ausgesprochenes Reizmittel; Mais zeigte eine Mehrproduktion von 18 — 25 7o an Trockensubstanz [Javil- lier (6)]. Das Beryllium ist noch sehr wenig toxikologisch kekannt, ebenso ist das Cadmium noch zu untersuchen (7). Von den Erdmetallkationen ist das Ion Aluminium hinsichtlich seiner Reizwirkungen am besten bekannt. Wir haben von diesen dreiwertigen Ionen von vornherein starke adsorptive Wirkungen zu erwarten. Dies hat sich in der Tat in den Untersuchungen von Fluri (8), Szücs (9) und MiNES(lO) voll bestätigt gefunden. Der erstgenannte Autor hat zuerst die merkwürdige Tatsache beschrieben, daß die Plasmahaut nach Ein- wirkung verdünnter Aluminiumsalzlösungen eine eigentümliche Starre gewinnt, so daß die Zellen nicht mehr plasmolysierbar sind. Nach Szücs ist jedoch diese Wirkung nicht etwa auf eine Erhöhung der Permeabilität für plasmolysierende Stoffe zurückzuführen, sondern auf eine Zustandsänderung des Plasmas, welches starrer wird und sich be- deutend schwerer zentrifugieren läßt. Bemerkenswert ist es, daß diese Kongelation durch Auswaschen des AI in Wasser rückgängig zu machen ist. Methylviolett, Rhodamin und andere Farbstoffe, sowie Chinin und andere Alkaloide (nicht jedoch Coffein) zeigen ähnliche Effekte, die wohl nicht so leicht reversibel sind. Wendet man stärkere Lösungen von AI- Salzen an, so tritt der beschriebene Effekt nicht ein, so daß man be- stimmte Kongelationszonen, der Fällungszonen bei Kolloiden entsprechend, anzunehmen hat. Stimulierende Effekte von AI sind mehrfach be- schrieben (11). Wachstumshemmung durch AI-Salze bei Bacterien gibt Aufrecht (12) an. Verringerung des Keimperzents von Samen bei Ap- plikation von Tonerde fand Micheels(13). Lanthan und Yttrium ver- halten sich nach Fluri in ihren Wirkungen dem AI ganz analog. Lanthan stimuhert Bacterien Wachstum (14). I) F. Dienert, Compt. rend., 136, 707 (1903). — 2) G. Bertrand u. Ja- villier, Compt. rend., 75«, 900 (1911). M. Javillier, Ebenda (9. Dez. 1907). B. Silberberg, Bull. Torr. Bot. Cl., 36, 489 (1909). P. Ehrenberg, Landw. Ver- euchsstat, 72, 15 (1910). Naturf. Ges. (1908), 2, (T), 142. — 3) Javillier, Compt. rend., 155, 190 (1912); Bull. Sei. Pharm., 19, 513. — 4) Javillier, Compt. rend., 154, 383 (1912). — 5) Th. Bokorny, Zentr. Bakt., 35, 152 (1912). — 6) Javillier, Orig. Com. 8*1» Int. Congr. Appl. Chem. New York, 15, 145 (1912). — 7) Cadmium: Molisch, Wien. Ak. (1893), /, 572. KNop, 1. c. (1885). Für Hefe: Th. Bokorny, Zentr. Bakt., 35, 152 (1912). — 8) M. Fluri, Flora, 99, 81, 1908). — 9) J. Szücs, Jahrb. wies. Botan., 52, 271 (1913)r — 10) G. R. Mines, Journ. of Physiol., 42, 309 (1911). — 11) J. Stoklasa, Compt. rend., 152, 1340 (1911). A. Hebert, Ebenda (29. Juli 1907). — 12) Aufrecht, Botan. Zentr., 87, 113 (1901). — 13) H. M1CHEEL8 u. P. DE Heen, Bull. Ac. Roy. ßelg. (1905), p. 520. Y. Yamano, Bull. Coli. Agricult. Tokyo 6, 429 (1905). - 14) Tuberkelbacillus : A. Frouin. Soc. biol., 72, 1034 (1912). 182 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Stimulierende Wirkungen sind von den Metallen der Erdmetall- reihe mehrfach bekannt geworden. So berichten Dryfuss und Wolf(1) über die mit zunehmendem Atomgewicht steigende Wirkung der Chloride) von Lanthan, Praseodym und Neodym, Albertoni, Garelli und Bar- BiERi (2) über die bactericide Wirkung der Cersalze, Hebert (3) über die Effekte von Aluminium, Lanthan und Cer auf Aspergillus, und Böttcher (4) über das Didym. Nach Bokorny (5) sind Gero- und Ceri-Verbindungen für Mikroben ziemhch stark toxisch, hingegen für Algen nur schwache Gifte. Bei Phanerogamen fand Aso (6) kein ausgesprochenes Ergebnis mit Ceri- sulfat. Samarium ist nach Frouin ein Stimulans für Tuberkelbacillen. Die Kationen der Eisen gruppe wirken in sehr geringen Kon- zentrationen allgemein typisch stimulierend. Für das Eisenchlorid gibt Bokorny (7) als untere Wirkungsgrenze etwa 1:J()0 000 an. Eisen- vitrioldüngung hat auch in Feld- und Topfversuchen bei Phanerogamen deutliche Stimulationswirkungen auf das Wachstum ergeben, wie aus den Resultaten von Katayama, Uchiyama und Nazari(8) hervorgeht. Die Essiggärung aber wird nach Rothenbach und Hoffmann (9) jedoch weder durch Ferro- noch durch Manganosulfat beschleunigt. Größere Eisenkonzentrationen erzeugen leicht Wachstumsbemmungen, wie u. a. A. Mayer (10) sie beschrieben hat. Das komplexe Ferrocyanion im Ferrocyankalium kann nach Suzuki (11) in wässeriger Nährlösung bei grünen Phanerogamen nicht als Eisenquelle zur Verhütung der Chlorose dienen. In Topfkulturen, wo es im Bodensubstrate gespalten wird, scheint es jedoch die Chlorose zu heilen. Immerhin hemmt es gleichfalls, in größeren Dosen angewendet, das Wachstum [Knop(12)]. Das in den rohen Huraussäuren enthaltene Eisen soll nach Remy und Rösing(13) auf das Wachstum von Azotobacter Reiz Wirkungen ausüben. Reizwirkungen von sehr kleinen Mengen Feirocyan wurde von Loew und Kozai(14) wohl bei Prodigiosus beobachtet, jedoch nicht bei anderen Bacterien. Die Wirkung von kolloidalem Eisen auf Mikroben wurde durch FoA und Aggazzotti(15) studiert. Bei Aspergillus scheint das Eisen noch eine spezielle Wirkung auf die Erzeugung des dunklen Conidienpigmentes zu besitzen, welches nach den Angaben von Li- nossier(16) sich durch Eisengehalt auszeichnet. Durch Eisenmangel wird die Conidienbildung unterdrückt und durch Eisendarreichung wieder hervorgerufen, wobei jedoch nach Sauton (17) der Einfluß des Luftsauer- stoffes in Betracht kommt, da sich die Sporen zuerst an jenen Stellen 1) B. J. Dryfuss u. C G. Wolf, Anier. Journ. Physiol., i6, 314 (1906). Für Bacterien: Frouin, Sog. Bio!., 72, 1034 (1912). — 2) Albertoni, Garelli u. Barbieri, Biochera. Zentr., 5, 460 (1905). — 3) A. Hebert, Compt. rend. (29. Juli 1907). - 4) BÖTTCHER, Zentr. Bakt. II, 16, 272 (1906). — 5) Th. Bokorny, Chem.-Ztg., 18, 89 (1894). Für Hefe: Zentr. Bakt., 35^ 152 (1912). Drossbach, Zentr. Bakt. I, 2/, 57 (1898). Frouin, 1. c. (1912). — 6) K. Aso, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 6, 143 (1904). — 7) Th. Bokorny, Chem.-Ztg., 29, 1201 (1905). — 8) T. Katayama, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 7. 91 (1906). S. Uchiyama, Bull. Imp. Centr. Agr. «t. Japan, /, 37 (1907). V. Nazäri, Kend. Acc. Line Roma (II), 19, II, 361 (1910). — 9) F. Rothenbach u. W. Hoffmann, Dtsch. Essi^indu.str., //, 125 (1907). — 10) A. Mayer, Jouru. f. Landwirtscli., 40, 19 (1892). — 11) S. Suzuki, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 203, 517 (1903). — 12) Knop, Ber. Sachs. Ges. Leipzig, J5. 39 (1885). — 13) Th. Remy u. G. Rösing, Zentr. Bakt. II, jo, 349 (1911). — 14) O. LoEW u. Y. KozAi, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 137 (1903). — 15) C Fol u. A. Aggazzotti, Biochem. Ztsch., 19, 1 (1909). — 16) G. Linossier, Compt. rend.. 151, 1075 (1910). — 17) B. Sauton, Ebenda, p. 241 (1910). § 7. Chemische Wac.hstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 183 bilden, welche mit der Luft in Berührung stehen. Für Hefe ist Ferro- sulfat nach Bokorny nicht besonders schädlich. Eine besonders reiche Literatur knüpft sich an die Wirkungen des Mangans an. Wie Loew in Gemeinschaft mit Sawa, Aso und Nagaoka(I) dargetan hat, wird das Wachstum von Phanerogamen durch Manganosalze un- verkennbar stimuliert. Dies ist durch zahlreiche neuere Arbeiten bestätigt worden. Die Wirkung ist jedoch nicht bei allen Pflanzenarten gleich stark, denn Takeuchi (2) fand bei Topfkulturen von Spinacia 41 ^/o Mehrertrag, bei Pisum 19,4 7o und Hordeum 5,3 7o- Nach Bertrand (3) erhält man in Feldkultur von Pisum, Hordeum, Raphanus 10— 207o Mehrertrag bei Darreichung von Mangan, während Pfeiffer und Blanck(4) eine prak- tische Bedeutung von Mangandüngung in Abrede stellen. Acqua(5) gibt an, daß spezifische Wirkungen des Mangans (wie bei Thorium und Uran) auf die Kernstoffe und Kernteilung anzunehmen seien. Daß auch kolloidale Manganmetallösung stimulierend wirkt, zeigte Micheels(6). Nach den Feststellungen von Salomone(7) steigerte sich die Wirkung auf Triticum und Phaseolus bei den drei lonenarten, welche das Mn bildet: Mangano-Ion Mn". Mangani-Ion Mn"" und Permanganat-Ion MnOt', in der angegebenen Reihenfolge. Das Ion MnOi' ist das wirksamste. Bei der Wirkung von KMnOi auf Typhusbacillen liegt nach Garner und King (8) die Grenze bei V^^g normal. MnS04 erzeugt nach hier gemachten Versuchen bei Verdünnungen von 1 Mol auf 3000 — 6000 1 ausgeprägte Stimulation; die Grenzen dürften von jenen bei ZnSO^ nicht merklich abweichen, doch äußert Zn" bei zunehmender Konzentration früher Hemmungen. Bertrand und Javillier(9) berichten bezüglich Aspergillus über ähnliche Resultate; hier tritt Stimulation bei Anwen- dung von 1 mg bis 2 g MnSO^ auf 100 ccm ein. Javillier(IO) illu- striert die Wirkung des Mangans durch seinen „Nützlichkeitskoeffizienten" bei Aspergillus. Die Wirkung des Mangans ist 1000000, wenn die Wirkung von Zn 100000, von Mg 2700, von S 653, P 322, K 61 und N 22 ist. Schon 1 mg Mangansalz auf 10000 1 zeigt stimulierende Wirkung (11). Die Hauptrolle scheint in der Begünstigung der Conidien- bildung zu liegen. Zn und Mn, gleichzeitig dargereicht, sind kumulativ wirksam (12). Hefe wird nach Bokorny durch 3% MnSO^ noch nicht getötet. Füi- die Beurteilung der Manganwirkung wären genauere quanti- tative Vergleiche mit den Eisenwirkungen erwünscht, die heute noch fehlen. Nicht ohne Interesse ist die im hiesigen Institute von Hel. NoTHMANN gemachte Erfahrung, daß die MnS04-Wirkung bei höherer Temperatur (38 «) offenbar nicht in demselben Verhältnis steigt wie die 1) O. Loew, Flora, gr, 264 (1902). Loew u. Sawa, Bull. Coli. Agric. Tokyo, j, 161 (1902). Aso, Ebenda, p, 177. M. Nagaoka, p. 467 u. 7, 77 (1906). Ö. Loew, Ebenda, 6. 161 (1904). J. Gössl, Beihefte botan. Zentr., i8, I, 119 (1904). G. Masoni, Staz. sper. agr. ital., 44, 85 (1911). W. F. Sutherst, Botan. Zentr., /;/, 320 (1909). — 2) T. Takeuchi, Journ. Coli. Agric. Tokyo, /, 207 (1909). — 3) G. Bertrand, Orig. Com. 8*^ Int. Congr. Appl. Chem. New York, 15, 39 (1912). — 4) Th. Pfeiffer u. Blanck, Landw. Versuchsstat., 77, 33 (1912). — 5) C. ACQUA. Arch. Farm, sper., 14, 81 (1912). — 6) H. Micheels u. P. de Heen, Bull. Ac. Roy. Belg. (1906), p. 288. — 7) G. Salomone, Staz. sper. agr. ital., 38, 1015 (1906); 40, 391 (1907). — 8) J. B. Garner u. W. E. King, Amer. Chem. Journ., 35, 144 (1906). — 9) G. Bertrand u. Javillier, Compt. rend., 152, 225, 900 (1911). Bull. Sei. Pharm., 18, 65 (1911); vgl. auch Compt. rend., 141, 1255 (1905). — 10) Javillier, Compt. rend., 155, 190 (1912). — 11) G. Bertrand, Ebenda, 154, 381, 616 (1912). — 12) Bertrand u. Javillier, Ann. Inst. Pasteur, 26, 515 (1912). Ig4 Drittes Kapitel: Chemische Reiz Wirkungen. Wirkung von Alkohol, weil die Entgiftung von verdünntem Alkohol durch gleichzeitig dargereichtes MnSO^ bei höherer Temperatur be- deutend weniger markiert ist als bei Zimmertemperatur. Es wäre mög- lich, dies dahin zu deuten, daß das Mn" die Wirkung von oxydierenden Fermenten unterstützt, welche bei der höheren Temperatur jedoch rasch zerfallen. Bereits Loew(1) hat versucht, die Erfahrungen, welche hin- sichtlich des Mangangehaltes von Oxydasen gemacht worden sind, all- gemein zur Theorie der Manganwirkung heranzuziehen. Manchmal scheint das Mn eine Mehrproduktion von Chlorophyll hervorzurufen (2). Die wichtigen Reizwirkungen auf die Atmung berührt Montemartini(3). Adsorption von kolloidalen Mn-Verbindungen (MnOg?) bei Darreichung von Mangansalzen in den Zellmembranen konnte Molisch (4) an der tiefen Bräunung der Membranen von Wasserpflanzen (Elodea) bei Be- lichtung der Kulturgläser konstatieren. Die Verbindungen von Chrom bieten chemisch manche Analogien mit den Mangan Verbindungen und man kann physiologische Wirkungen von den Chromionen in ähnhcher Weise erwarten, wie sie beim Mangan sich ergeben. In der Tat sind nach P. Koenig (5) die Ionen des Chroms in der Reihe Cr" <<; Cr"* 157 (1904). Die Versuche von Rumm (Beitr. wiss. Botan., /, 81), ebenso jene yon Frank u. Krüger beweisen nicht das Gegenteil. — 5) A. Tschirch, Das Kupfer (1893). P. PiCHi, Nuov. Giorn. Bot. Ital., 23, 361 (1891). E. Pollacci, Just (1888), /. 14. Sestini, Ebenda (1893), /, 296, — 6) Bayer, Pflanzenphysiol. Bedeutung des Cu (Königsberg 1902). Frank, Biedermanns Zentr., 23, 759 (1894). — 7) R. Ader- hold, Zentr. Bakt. II, 5, 257 (1899). — 8) C Rumm, Ber. Botan. Ges., //, 79. 445 (1893). — 9) R. Ewert, Ber. Botan. Ges., 23, 480 (1905); 24, 199 (1906). Landw. Jahrb. (1905), p. 233. R. Aderhold, Ber. Botan. Ges., 24, 112 (1906). Bonygues, Zentr. Bakt. II, 14, 761 (1905). — 10) Z. B. A. Zucker, Apothek-Ztg., 42, 378 (1897). R. Schander, Landw. Jahrb., 33, 517 (1904); Diss. (Jena 1904). — 11) E. Laurent, Corapt. rend., /jj, 1040 (1902). — 12) E. Demoussy, Ann. agronom. (1901), p. 257. — 13) E. HA8ELHOFF, Landw. Jahrb., 2/, 263 (1892). K. B. Leh- mann, München, med. Woch.schr., 4g, 340 (1902). — 14) Viala, Rev. viticulture (1894), Nr. 3. Berlese u. Sostegni, Botan. Zentr., 63, 270 (1895). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 187 Die an manchen Blättern, wie Brassica, Acanthaceen, Gonocephalus nach ScHRENCK(l) nach Besprengen mit Gu- (und Hg) -Präparaten auf- tretenden lokalen kleinen Wucherungen der Mesophyllzellen sind auch durch mechanische Verletzungen erzielbar und stehen in keinerlei direktem Zu- sammenhang mit der Wirkung von Cu und Hg (2). Quecksilber steht nicht nur chemisch, sondern auch physio- logisch dem Kupfer durchaus am nächsten. Wir mögen angesichts der relativ außerordentlich intensiven Reizwirkungen auch hier an die starke Neigung der Quecksilberionen zu Komplexbildungeu denken, wodurch sie in die verschiedensten organischen Stoffe der lebenden Zelle eintreten. Quecksilberdampf wirkt bereits in großer Verdünnung toxisch (3), worauf man bei Anwendung von Quecksilber in abgeschlossenen Apparaträumen, welche lebende Pflanzenobjekte enthalten, Rücksicht zu nehmen hat (Ab- sperren durch eine Schicht Glycerin). HgCl^ hemmt nach Stevens die Keimung von Pilzsporen schon bei 1 Mol: 25600 1, doch findet sich dieser Grenzwert nicht bei allen Pilzen. 10 g Hefe werden durch 5 — 10 mg HgClj abgetötet (4). Auch bei Bacterien waren die Grenzwerte nicht immer dieselben. Milzbrandsporen hielten bei 13—14'^ 2,7% HgClj 9 Tage lang aus, Staphylocokken mindestens 3 Stunden, Choleravibrionen waren sehr wenig resistent (5). Wiederholt wurde gezeigt, daß Gewöhnung von Mikroben an verdünnte HgCl^-Lösuugen möglich ist, doch ist auch diese Eigenschaft spezifisch verschieden. Die Hg-Festigkeit erhält sich noch einige Zeit auf Hg freiem Substrat (6). Auch kolloide Lösungen von Hg-Metall sind wirksam auf Mikroben (7). Paul und Krönig (8) haben gezeigt, wie die Hg-Salze nach Maßgabe ihres Dissoziationsgrades wirken und daß man durch Zusatz eines Neutralsalzes, welches dasselbe Anion wie das Hg-Salz enthält, sowohl die Dissoziation wie die Gift- wirkung herabdrückt. Diese Regel soll allerdings nach Clark (9) bei sehr geringem NaCl-Zusatz zu HgCla-Lösung nicht gelten, sondern es soll eine Steigerung der Giftwirkung stattfinden. Die Angabe von Fermi(IO), daß Ag und Hg in ihren Eiweißverbindungen bei Eiweiß- gegenwart weniger in ihrer physiologischen Aktion geschwächt werden als in ihren eiweißfreien Verbindungen, läßt sich ohne weiteres durch die Beachtung der Adsorptionsgleichgewichte verstehen. Auch das Silber verhält sich den vorgenannten Metallen physio- logisch sehr analog. Da AgNOg durch oxydable Zellinhaltsstoffe leicht unter Abscheidung von schwarzen Silberniederschlägen reduziert wird, so läßt sich hier das Eindringen sehr leicht verfolgen (1 1 ), besonders bei gerbstoffreien Zellen. Fein verteiltes Silbermetall wirkt um so stärker, je größer der Dispersionsgrad (12), Nach Jousset(13) soll das Wachstum 1) H. V. ScHRENCK, Ann. Rep. Missouri Bot. Gard. (1905). — 2) E. KtJSTER, Patholog. Pflanzenanatom., p. 84 (Jena 1903). Lilly Marx, Oaterr. Botan. Ztsch. (1911), Nr. 2/3. — 3) F. Dafert, Ztsch. landw. Vers.wes. Österr. (1901), p. 1. — 4) Th. Bokorny, Pharm. Zentr. Halle, 47, 1^1 (1906); Zentr. Bakt., J5, 152 (1912). — 5) D. Ottolenghi, Chem. Zentr. (1909), /, 1597. Harrington u. Walker, Biochem. Zentr. (1903), Ref. Nr. 1867. — 6) P. W. Butjagin, Zentr. Bakt. II, 27, 217 (1910). — 7) C. FoA u. A. Aggazzotti, Biochem. Ztsch., 19, 1 (1909). — 8) B. Krönig u. Th. Paul, Ztsch. Hyg., 23, 1 (1897) — 9) J. F. Clark, Journ. Physic. Chem., 5, 289 (1901). — 10) Cl. Fermi, Chem. Zentr. (1909), //, 1268. — 11) Vgl. Th. Bokorny, Pharm. Zentr. Halle, 46, 605 (1905). — 12) Wirkung von Ag-Kolloid: C. R. Marshall u. Neave, Pharm. Journ. (4), 23, 237 (1906). Charrin, Cerno- vodeanu, Henri, Soc. Biol., 26, 120, 122 (1906). A. Biasiotti. Ann. d'Igien. .sper., 19, 543 (1910). — 13) P. JoüSSET, Soc. Biol., 55, 942 (1903). Igg Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. von Aspergillus iiiger schon durch 1 g AgNO;^ auf 10 Milliarden Liter gehemmt werden. 10 g Hefe werden nach Bokorny durch 10 — 20 mg AgNOa getötet. Schroeder(I) fand es vorteilhaft, 5% AgNOg zur Ab- tötung der an Samen haftenden Mikroben zu verwenden, da es möglich sein soll, durch 24 stündiges Einlegen die Objekte ohne Keimkraftschädigung zu sterilisieren. Auch das Thallium-Ion ist sehr giftig [Knop(2)J. Das Blei, welches sich chemisch bereits weit von der Verwandtschaft des Cu entfernt, weicht auch in seinen Reizwirkungen stark ab, indem seine Giftigkeit viel geringer ist. Bokorny fand Pb- Salze in Verdünnungen auf 100 000 Liter nur mehr wenig wirksam (3). 10 g Hefe werden durch 0,1 g Bleiacetat getötet. Für die Wirkung von verschiedenen Wismut salzen auf das Wachstum von Mikroben besitzen wir Daten von Maassen und Pawlow (4). Koch (5) fand die bactericide Wirkung des kolloidalen Wismutoxyds stärker als jene des basischen Wismutnitrates. Für das Antimon Ueß sich nachweisen, daß die 3-wertigen Sb'"-Ionen giftiger sind als das Sb-hältige komplexe Anion der Antimonylweinsäure (Brechweinstein). Vanadium wurde schon von Knop in seinen Verbindungen als toxisch erkannt. Stimulierende Reizerfolge auf das Wachstum konnten jedoch neuere Versuche von Suzuki (6) für Vanadiumsulfat nicht feststellen. Auf Hefe wirkt 0,1 % Vanadinsäure nach Bokorny nicht mehr giftig. Für Tuberkelbacillen und Pyocyaneus wurde durch Vanadatwirkung Stimulation des Wachstums erreicht (7). Über die Wirkungen von Niob, Tantal, Gallium Indium auf Pflanzenzellen scheinen genauere Untersuchungen überhaupt zu fehlen. Auch die Kenntnisse von der Wirkung der Zinngruppe sind sehr dürftig. Hemmende Wirkung kolloidaler Zinnlösung auf Keimhngswachstum be- schrieb Micheels (8). Nach Bokorny wird das Wachstum von Hefe durch 0,1—0,2% Zinnchlorür gehindert. Thorium- und Zirkoniumverbindungen sind relativ wenig giftig. Bokorny fand Thorium für Hefe unwirksam. Bacterienwachstum wird durch Thoriumverbindungen nach Frouin stimu- liert. AcQUA berichtet über Zellenveränderungen nach Thoriumdarreichung. Drossbach (9) fand Hemmung von Mikrobenwachstum erst durch höhere Konzentrationen; für Algen sind Thoriumverbindungen praktisch un- giftig (10). Blütenpflanzen werden durch Thoriumnitrat nur wenig stimu- hert(ll). Für Aspergillus vgl. die Angaben von Hebert (12). Daß Uran Verbindungen giftig sind, hat 0. LoEW(13) nachgewiesen; in sehr kleinen Konzentrationen stimuhert Uranylnitrat das Wachstum, in größeren hemmt es (14). Urannitrat ist für Hefe nach Bokorny relativ un- wirksam. Nach Agulhon (15) tritt bei Aspergillus, Hefe und Essigbacterien durch Uransalze in Verdünnungen von 1 : 50 000 Hemmung, bei 1 : 10 000 1) H. ScHROEDER, Zeiitr. Bakt. II, 28, 492 (1910). — 2) Knop (1885). Für Hefe: BoKORNY, 1. c. (1912). — 3) Tu. Bokorny, Chem.-Ztg., 29, 1201 (1905). NoBBE, Bässler u. Will, Landw. Versuchsstat., jo, 381 (1884). Knop, 1. c. — 4) W. Maassen u. Pawlow, Just (1887), /, 116. Hefe: Bokorny, 1. c. (1912). — 5) E. Koch, Zentr. Bakt. I, 35^ 640 (1904). — 6) S. Suzuki, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 513 (1903). Mikroben: Bokorny, Chem.-Ztg., 28, 596 (1904). — 7) A. Frouin, Soc. Biol., 72, 982 1034 (1912). — 8) H. Micheels u. P. de Heen, Bull. Roy. Äc. Belg. (1905), p. 310. — 9) G. P. Drossbach, Zentr. Bakt. I, 21, 57 (1898). — 10) Th. Bokorny, Chem.-Ztg, /,?, 89 (1894). — 11) K. Aso, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 6, 143 (1904). — 12) A. Hebert, Compt. rend. (29. Juli 1907). — 13) O. LOEW, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 173 (1903). — 14) C. Acqua, Ann. di Bot, 6, 387 (1909). — 15) H. Agulhon u. Sazerac, Bull. Soc. Chira. (4"), //, 868 (1912). $ 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. Ig9 völlige Sistierung des Wachstums ein. Uranylnitrat ist noch schädlicher. Bei Phanerogamen soll der Prozeß der Kernteilung durch Uranwirkung be- sonders gehemmt werden [Acqua(I)]. Molybdänsaure Salze und Phosphor- wolframsäure dürften nach Knop (2) eher noch intensivere Wirkungen aus- üben. Natriumwolframat war in Bokornys Versuchen an Algen aber auch relativ wenig aktiv. Dieser Autor fand die Vermehrungsfähigkeit von Hefe- zellen in 0,02 % Ammoniummolybdat fast aufgeh(>ben, während Natrium- wolframat praktisch unschädlich war. Die toxischen Wirkungen einer Reihe von Edelmetallen hat Coupin (3) studiert (Au, Pt, Pd). Das kolloide Platinsol ist imstande iiemmende Wirkungen auf das Wachstum höherer und niederer Pflanzen auszuüben (4). Goldchlorid wirkt nach Bokorny auf Hefe nicht so stark ein wie auf Infusorien. Osmiumtetroxyd ist ein bekannt heftiges Gift, und tötet Hefe schon in 0,001 %iger Konzentration. Bezüghch der physiologischen Wirkung des Radiums soll hier von einer eingehenderen Darstellung abgesehen werden, da die Messung und Dosierung des wirksamen Agens sich bekannthch nur auf physikalischem Wege vornehmen läßt und chemische Methoden nicht in Betracht kommen. Zahlreiche Arbeiten (5) haben bewiesen, daß Mikroben durch Radiumbe- strahlung getötet, Farbstoffbildner, wie Prodigiosus, in der Pigment- bildung beeinflußt werden. Phanerogamenkeimlinge erleiden Wachstums- hemmungen (6), die Kernteilungsvorgänge werden beeinflußt (7). Nach den Erfahrungen von MOLISCH (8) läßt sich die Ruheperiode von Holzpflanzen durch Radiumbestrahlung abkürzen, so daß auch stimulierende Wirkungen durch Radium zu erwarten sind. Bisher berichten nur Falta und Schwarz (9) über Wachstumsförde- rung durch große Mengen Radiumemanation, während Congdon (10) die Samenkeimung durch /5-Strahlen verzögert fand, und auch im übrigen Molisch und Fabre(11) eigenthch nur hemmende Effekte besprechen. Auf die sehr bemerkenswerten Versuche Hertwigs(12), welcher Veränderungen des Idioplasmas der Samenfäden und eigentümhche Modifikationen der Entwicklung von Eiern, die mit solchem Sperma befruchtet waren, beschreibt, kann hier nur kurz hingedeutet werden. Bestrahlung mit Mesothorium wurde sowohl von Hertwig als von BicKEL und King (13) verwendet. Von Nichtmetallen reiht sich chemisch und physiologisch das Arsen in seinen Eigenschaften am nächsten an die metallischen Grund- 1) C. ACQUA, Arch. Farm. Spar., 14, 81 (19/2). — 2) Kmop, !. c. — 3) Coupm, Suc. Biol-, 53, 489, 509, 534, 541, 569 (1901). — 4) H. MiCHEEi-s u. P. de Heex, Bull. Ac. Roy. Belg. (1907). p. 1027. C. Foa u A. Aggazzotti, Biochem. Ztsch., 19. 1 (1909). — 5) Ch. Bouchard u. Balthazard, Corapt. reiid.. 142, 819 (1906). H. Jansen. Ohem. Zentr. (1910), //. 1076; Ztsch. Hyg., 67, 135 (1910). E. Dorn, Baumann u. Valentiner. Ztsch. Hvg . 5', 328 (1905): Phvsikal. Ztsch., 6, 497 (1905). Chambers u. Russ. Proceed.^Roy. Soc. Med., Pathol. Sect. (1912). p. 199. - 6) C. Aoqua, Ann. di Bot., S, 223 (1910). M. Koernicke, Ber. Botan. Ges., -j.i. 324 (1905). G. Fabre, Soc. Biol.. 70, 187 (1911). — 7) H. Guili>eminot, Compt. reiid. (11. Nov. 1907). O. Hertwig, Berlin. Ak. (1910), p. 221. 751. M. Koernicke, Ber. Botan. Ges., 23, 404 (1905). — 8; H. Modisch, Sitz.ber. Wien. Ak., 121. I. 121 (1912). ~ 9) W. Falta u. G. Schwarz, Berlin, klin. Woch.schr. (19U), Nr. 14. - 10) E. D. Congdon, Arch. Entwickl.mechan., 34, 267 (1912). — 11) G. Fabre, Suc. Biol., 6g, 523 (1910). — 12) O. Hertwig, Berlin. Ak. (1911), p. 844; (1912), p. 5.54. G. Hertwig, Arch. mikrosk. Anat., 77, 97, 165, 301 ; 79, 201 (1912). — 13) A. Bickel u. J. King. Berlin, klin. Woch.schr., 49, 1665 (1912). Lipoidlöslich- Jceit von Radinmemanation : E. v. Knaffl-Lenz, Ztsch. Balneol., 5, Nr. 14 (1912). 190 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Stoffe an. So lange man auch Arsenverbindungen als starke Reizstoffe auf pflanzliches Plasma kennt, so ist doch über die zugrundeliegenden chemischen Phänomene nichts bestimmtes bekannt. Immerhin darf man annehmen, daß die Arsenwirkungen mit sonstigen Metallwirkungen parallel gehen. Denaturierung von Proteinen, vielleicht auch von Enzymen, Bildung komplexer As- Verbindungen mögen in Betracht kommen. Die stärksten Wirkungen übt der Arsenwasserstoff aus; die vom Arsen trioxyd abzuleitende arsenige Säure ist ihrerseits der Orthoarsensäure bedeutend überlegen. Akkommodation an langsam steigende Arsendarreichung ist auch bei Gewächsen nichts seltenes und mag am Zustandekommen der Meinung beteiligt gewesen sein, daß Phosphorsäure durch HgAsO^ ver- treten werden kann(1). Auch Arsensulfid wurde wirksam befunden (2). Stimulation durch Arsenit ist für Aspergillus bekannt (3). Die wirksamen Grenzwerte können sehr klein sein. Nobbe(4) sah schwere Wachstums- hemmungen bei vielen Versuchspflanzen, welche 1 Teil Arsenit auf 1 Million Liter nur 10 Minuten dargereicht erhielten. Kaliumarsenat wirkt nach Knop(5) bei Mais- Wasserkulturen noch zu 50 mg pro Liter nicht schädlich. Stoklasa(6) gibt für AS2O3 1 Mol: 100000 1, für AS2O5 die 100 fache Konzentration dieses Wertes als Schwelle der Wirkung an. Die ersten Effekte sind lokal an den Wurzeln ; doch leiden chlorophyllhältige Zellen Besonders leicht. Nach Ampola und Tommasi(7) werden Phanerogamen in Wasserkultur durch 1 mg AsgOg im Liter ge- fördert und durch 20 mg pro Liter in ihrem Wachstum völlig unter- drückt. Algen vertrugen bis 0,1 7o Kaliumarsenat in Versuchen von LoEW(8). Hefe zeigt Wachstumshemmung bei 1% Arsenit; die Gär- tätigkeitist noch bei der 10 fachen Konzentration nicht erloschen. 1 — 27o Na3As04 hemmt Bacterienwachstum, tötet aber noch nicht (9). Beim Phosphor sind bereits alle sauren Oxyde keine Reizstoffe. Nur der elementare Phosphor selbst, Phosphorwasserstoff und nach Knop(IO) auch die unterphosphorigsauren Salze M'HjPOg wirken giftig. LoEW(11) hält die unterphosphorige, die phosphorige Säure, die Meta- phosphorsäure jedoch für ebenso ungiftig wie die Phosphorsäure. Der reine Phosphor selbst tötet nach Bokorny(12) in wässeriger Lösung Algen und niedere Tiere in Konzentration von 1 : 5000 und hemmt noch in viermal stärkerer Verdünnung. Der Mechanismus der Phosphorwirkung ist noch ungeklärt. Angesichts der starken ionisierenden Wirkung auf den Luftsauerstoff (13) wird man an Eingriffe in die Oxydationsmechanismen denken müssen. Der Stickstoff und seine Verbindungen betrifft eine Reihe von Stoffen von sehr verschiedenem physiologischen Charakter. Während das Stickstoffgas, die Salze des Ammoniums und der Salpetersäure keinerlei 1) R. BouiLHAC, Compt. rend., 119, 929 (1894). G. Comere, Bull. Soc. Bot. Fr., 56, 147 (1909). — 2) C Fol u. A. Aggazzotti, Biocheni. Ztsch., 19, 1 (1909). — 3) S. F. Orlowski, Zentr. Bakt. II, 12, 136 (l0O4). — 4) Nobbe, Bässler u. Will, Landw. Versuchsstat., jo, 381 (1884). — 5) Knop, I. c. (1885). — 6) Stok- LASA, Ztsch. landw. Versuchswes. Österr., /, 155 (1898). — 7) G. Ampola u. G. ToMMASi, Ann. Staz. Chim. A^t. Sper. Roma (2), 5, 247 (1912). Arsenwirkung auf Obstbäume: Svvingle u. Morris, Phytopathology, /, 79 (1911). Zur Toxikologie inorganischer Stoffe bei Tieren im allgemeinen: J. Biberfeld, Ergebn. d. Physiol., 12, 1 (1912). — 8) O. LoEW, Pflüg. Arch., 32, 111 (1883). — 9) C. Wehmer, Chem.-Ztg. (1899), Nr. 16; Ztsch. Spiritusindustr. (1901), Nr. 14. — 10) W. Knop, Ber. Landw. Inst. Leipzig (1881). — 11) O. LoEW, System d. Giftwirkungen, p. 125. — 12) Th. Bokorny, Chem.-Ztg. (1896), Nr. 103. — 13) Vgl. H. Schmidt, Biochem. Ztsch., 34, 280 (1911). Reizwirkungen ausüben, finden sich unter den übrigen zahlreiche Fälle von ausgeprägten chemischen Reizstoffen. Das Stickoxyd, ein bekanntes starkes Oxydans, ist auch sehr stark toxisch. Die salpetrige Säure ist gleichfalls stark giftig (1), doch dürfte die EmpfindUchkeit der ver- schiedenen Pflanzenformen gegen Nitrite nicht gleich sein. Loew(2) fand 0,1 7o NaNOg für Spirogyra gar nicht, für Diatomeen erst nach einigen Tagen schädlich; 1,0 7o tütete Diatomeen und Protozoen sehr schnell, während Spirogyren nach 3— 4 Tagen in den Zellen Granulations- erscheinungen zeigten. Wir wissen ferner, daß für Nitrobacter Nitrite als wichtigstes Mittel zur Beschaffung von Betriebsenergie dienen, indem er dieselben zu Salpetersäure oxydiert. Übrigens dürften Spuren von Nitriten auch durch Reduktionsvorgänge im Stoffwechsel höherer Pflanzen gebildet worden und innerhalb gewisser Grenzen unschädlich sein. Stick- stoffoxydul, das Anhydrid der untersalpetrigen Säure HjNgOg hemmt das Wachstum höherer Pflanzen nach Detmer(3) nicht stark; das Wachstum von Bacterien wird gleichfalls gehemmt, ohne daß tödliche Wirkungen in kürzerer Zeit hervortreten (4). Intensiv giftig sind die Salze des Hydroxylamins NH20H(5), Loew erkläit dies durch Wirkungen auf Aldehyde im Stoffwechsel. Auch das Diamid NHj — NHj oder Hydrazin äußert in seinen Salzen nach Loews Feststellungen toxische Wirkungen (6), die gleichfalls durch die Reaktion mit Aldehyden zu erklären seien. Doch ist Methylhydrazin unter gewissen Kulturbedingungen für Asper- gillus ausnützbar (7), wobei es kaum ins Gewicht fällt, ob der Zucker- zusatz des Nährsubstrates Hydrazonbildung verursacht oder nicht. Azoimid oder Stickstoffwassersäure, NgH ist nach Loew (8) stark toxisch; 0,17oige Lösung tötet Diatomeen und Fadenalgen langsam ab, die halbe Kon- zentration hemmt das Wachstum von Hefe, Schimmelpilzen und Fäulnis- bacterien; Phanerogamen sind noch empfindlicher gegen N3H als Algen. Angaben liegen endlich vor bezüglich Amidosulfonsäure (Sulfaminsäure) ,N N NHa-SOgH und Amido -Tetrazotsäure NH, • Cf^ !| , welche beide ^NH— N mäßig stark giftig wirken (9). Von den durch Schwefel erzeugten Giftwirkungen ist der fungi- cide Effekt des Aufstreuens von Schwefelblumen auf Blätter, wie es mit Erfolg zur Bekämpfung des Oidium Tuckeri des Weinstockes vorge- nommen wird, von praktischer Bedeutung. Die meist vertretene An- nahme (10), daß hierbei die geringe, durch langsame Oxydation des Schwefels entstehende Menge von SO.^ beteiligt ist, hat manches für sich. Es kann aber auch nicht in Abrede gestellt werden, daß an dieser Wirkung kleine Mengen Schwefelwasserstoff einen Anteil haben; denn wenn man Schwefelpulver mit Wasser kocht, so geht etwas S in SHj 1) H. Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak., 95, (I), 221 (1887). Für Hefe: E. Lau- rent, Ann. Inst. Pasteur, 4, Nr. 11 (1890). Reduct. des Nitrates (Bruxelles 1891). — 2) O. Loew, Giftwirkungen, p. 109. — 3) W. Detmer, Sitz.ber. Jenaisch. Ges. (1. Juli 1881). W. Sigmund, Jahresber. Realschule Prag-Kleinseite (1896), p. 11. — 4) P. Frankland, Proceed. Roy. Soc. Lond., 45, 292 (1889). — 5) V. Meyer u. E. Schulze, Ber. Chem. Ges., 17, Nr. 11 (1884). O. Loew, Pflüg. Arch., jj, 509 (1884). Lutz, Botau. Zentr., 88, 166 (1901). — 6) O. Loew, Ber. Chem. Ges., 23, 3203 (1890); Chem.-Ztg., j/, 912 (1907). — 7) F. Czapek, Hofmeisters Beitr., j, 48 (1903). Loew, Ebenda, 4, 247 (1904). M. Raciborski, Anzeig. Ak. Krakau (1906), p. 750. — 8) Loew, Giftwirkungen, p. 112. — 9) Loew, Journ. Coli. Sei. Tokyo fl896), p. 273. BoKORNY, Zentr. ßakt. II, 9, 932 (1902). — 10) Z. B. Frank, Pflanzenkrankheiten, //, 257 (1896). 192 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Über. Auch haben Heffter und Hausmann (1) gezeigt, daß Eiweiß- stoffe Schwefel zu HjS reduzieren, ohne daß hierbei an Reduktasen- wirkung zu denken wäre. Nach Demolon(2) hat bei Bodendüngung die Darreichung von Schwefel die Wirkung eines Stimulans, und erzeugt chlorophyllreichere Belaubung. Boullanger (3) will diese Wirkung in- direkt als einen Effekt der durch die Beimischung von Schwefel zum Boden begünstigten mikrobischen Nitrifikation und Ammonisation an- sehen. Gegen Schwefelwasserstoff sind Pflanzen sehr verschieden emp- findlich. Während die Beggiatoen und andere Bacterien relativ viel HjS ertragen, ja die Beggiatoen sogar den HgS als Oxydationsmaterial benützen und zu SO3 verbrennen, gibt es schon unter den Bacterien selbst Formen, die leicht durch H,S geschädigt werden. Für höhere Pflanzen ist H2S sehr giftig. Schwefeldioxyd schädigt allgemein schon in hohen Verdünnungen. Dies ^ilt auch für alle niederen Organismen, Hefen, Schimmelpilze (4), unter denen der Soorpilz am meisten resistent scheint. Brauereihefen werden durch 8 mg SOj pro 100 ccm meist ge- tötet (5) ; doch kann man durch langsames Steigern der Dosis Bierhefe an schweflige Säure akklimatisieren. Weinhefe soll jedoch nicht an höhere SO,- Gaben gewöhnt werden können (6). Ob das SOg von der Hefe durch Oxydation oder Reduktion unschädhch gemacht wird, ist noch nicht ent- schieden (7). Bei der Beurteilung der Giftwirkung der Lösung ist wohl deren Gehalt an H2SO3 r SO2 entscheidendes). Bei Sulfiten und Thio- sulfaten fand Loew für Wasserbacterien und Flagellaten erst Konzentra- tionen von 1 7o an schädlich. Für Mucor wurde von Kühl (9) gefunden, daß 0,2 7o NaaSOg stimuliert und 0,88% noch nicht hemmt. Die freie schweflige Säure wirkt also intensiver. Bei höheren Pflanzen sind SO,- Schädigungen von großer praktischer Bedeutung, da die Beschädigungen von Waldbeständen und Kulturen durch Hüttenrauch zum großen Teil durch SO2 bedingt sind. Wieler(IO) studierte diese Angelegenheit sehr eingehend. Die jungen Blätter der Bäume leiden bedeutend früher als das alte Laub durch Rauchgase (1 1 ). NajSOg wirkt bei Wasserkulturen nach Negami(12) noch in 1% Zusatz nicht schädhch, offenbar, weil es leicht oxydiert wird; 2% hemmt bereits. Kaliumpersulfat wurde von Sawa(13) bei Cucurbita in Wasserkulturen noch zu 0,01% KgSjOg deut- lich hemmend gefunden. Auch die Unterschwefelsäure H2S2O6, Dithion- säure kann von Pflanzen nicht wie H2SO4 ausgenützt werden und er- zeugt Wachstumsstörungen (14). Selenige Säure und Selensäure entfalten auf Bacterien Pilze und Algen, sowie auf höhere Pflanzen starke Giftwirkungen (15). Die analogen 1) Heffter u. Hal^smann, Hofmeisters Beitr., 5, 213 (1904). — 2) A. De- MOLON, Compt. reiid., 154, 524 (1912). — 3) E. Bouli.anger, Ebenda, p. 369; 155, 327 (1912). — 4) G. Linoss'er, Ann. In.«t. Pasteur, 5, 370 (1891). — 5) J. Fern- bacher, Chem. Zetitr. (1902), /, 488. MtJLLER-THURGAU, Zentr. Bakt. II, 5, 788 (1899). — 6) W. V. Cruess, Journ. of Ind. and Eng. Chem., 4, 581 (1912). — 7) G. GiMEL, Chem. Zentr. (1906), /, 864. E. Pozzi-Escot, Ebenda, p. 1896. — 8) L. GRtJNHUT, Biochem. Ztsch., //, 89 (1908). — 9) H. Kühl, Pharm. -Ztg., 56, 616 (1911). — 10) A. WiELER, Ber. Botan. Ges., 20, 556 (1902). Jahresber. angew. Bot., j, 166 (1904). Untersuch, üb. d. Einwirb, schweflig. Säure (Berlin 1905). H. M. QuANjER u. VtJRTHEiM, Pharm. Weekbl, 4J, 181 (1906). Haselhoff u. Lindau, Beechäd. der Veget. durch Rauch (Berlin 1903). — 11) W. J. V. Osterhout, Univ. Californ. Pub!. Bot, 3, 339 (1908). — 12) K. Negami, Bull. Coli. Agric. Tokyo, j, 259 (1897). — 13) S. Sawa, Ebenda, 4, 415 (1902). — 14) W. Knop, Ber. landw. Inst. Leipzig (1881). — 15) Knop (1885). Czapek u. Weil, Arch. exp. Path., .72. 438 (1893). Th. Bokorny, Chem.-Ztg. (1893), p. 1598; (1894), p. 89. Scheurlen, Ztsch. Hyg., 33, 135 (1900). Gosio, Acc. Lincei Roma (5), 13, I. 422 u. 642 (1904). § 7. Chemische Wachstumsreize ohne Änderung d. Gestalt. Inorgan. Reizstoffe. 193 Tellurverbindungen sind viel weniger toxisch; Bokorny erklärt Tellur- säure als praktisch ungiftig für Algen. Beim Tellur verrät die Dunkel- färbung der Gewebe deutlich die Reduktion der tellurigen Säure zu Tellur; bei dem rotgefärbten kolloiden Selen tritt diese Färbung nur wenig hervor. Ozon übt als kräftiges Oxydans starke Reizwirkungen aus, wie für die Hemmung des Wachstums von Mikroben (1) und bei Phanerogaraen- keimlingen (2) mehrfach festgestellt wurde. Stimulationen sind bisher noch nicht angegeben worden. Auch Wasserstoffperoxyd muß als kräftig Wachstum hemmendes Agens hier angeführt werden. Alle freien Halogene: Chlor, Jod, Brom, Fluor sind noch in außer- ordentlich starken Verdünnungen heftige Gifte. Die Einwirkung von Chlorwasser auf keimende Samen studierte schon A. v. Humboldt (3), welcher auch eine Stimulationswirkung beobachtete, jedoch wurde die stimulierende Wirkung später bestritten und gezeigt, daß schon ver- dünntes Chlorwasser die Keimung gänzlich verhindern kann (4). Auch in der Luft wirken Beimengungen von Chlorgas sehr nachteilig, und ebenso leicht töten Dämpfe von Jod und Brom; das nicht näher ge- prüfte Fluorgas wirkt zweifellos ebenso äußerst intensiv. Stimulation der Samenkeimung durch Spuren von Jod oder Brom ist gleichfalls an- gegebenes). Bacterien sahen Fischer und Proskauer in 2 Stunden durch 0,3% CI absterben, in 24 Stunden durch 0,04 %C1; ferner durch 0,03% Br in 2 Stunden, durch 0,002% Br in 24 Stunden. Stoffe wie die Anionen der unterchlorigen Säure CIO' und der unterbromigen Säure BrO', welche leicht das freie Halogenelement abspalten, sind natürlich fast ebenso giftig. Hingegen ist das Anion ClOg' der Chlorsäure ungiftig und die Anwendung von Kaliumchlorat als Antisepticum entbehrt jeder wissen- schaftlichen Basis; ähnliches gilt vielleicht von Bromsäure. Jodtrichlorid (0,1%) ist kräftig antiseptisch (6). Auch die Perchlorate (Anion CIO4') und die Perjodate wirken giftig, was praktisch wichtig ist, da der Per- chloratgehalt des Chilisalpeters bisweilen schädliche Wirkungen ver- ursacht hat; 1% NaClOi soll jedoch noch unschädlich sein (7). Getreide- pflanzen zeigen nach Krüger charakteristische Zeichen bei Perchlorat- vergiftung. Eine genauere Analyse der Halogenwirkungen läßt sich derzeit noch nicht geben. Da aber Cl, J, Br äußerst reaktionsfähige Stoffe sind, welche an die verschiedensten Zellbestandteile (Eiweiß, Fettsäuren) leicht gebunden werden, und auch stark adsorptionsfähig sind, so wird man ihre intensive Wirkung verständlich finden. Jod dringt, weil stark ad- sorbiert, auch sehr rasch, ohne capillaraktiv zu sein, in die Zelle ein, wobei allerdings die Lipoid löslichkeit noch mitspielen mag (8). Gegen- 1) J. SzpiLMAN, Ztsch. physiol. Chexn., 4, 350 (1880). Wyssokowitsch, Kechs Jahresber. Gärungsorg. (1890), p. 45; Chem. Zentr. (1891), /, 37. A. Ran- SOME u. Foulerton, Zentr. Bakt. I, 29, 900 (1901). Thoenton, Proceed. Roy. Soc. 84, B., 280 (1911). H. Will u. BeyersdorfER. Ztsch. gesamt. Branwesen, 35, 73 (1912). — 2) W. Sigmund, Programm Staatsrealschule Prag-Kleinseite (1896); Zentr. Bakt. II, 14, 400 (1905). H. Micheels u. P. de Heen, Bull. Ac. Roy. Belg. (1906), p. 364. — 3) A. V. Humboldt, Aphorism. a. d. chem. Physiologie, p. 65 ri794). — 4) Blenghni, Journ. Pharm. Chim,, 25, 28 (1839). — 5) Nobbe, Samenkunde, p. 256 (1876). R. Spatschil, Österr. Botan. Ztsch. (1904), Nr. 9. — 6) O. Riedel, Arbeit, kais. Gesundh.amt, 2, 466 (1887). — 7) Sjollema, Chem.-Ztg. (1896), Nr. 101. Maercker, Illustr. Landw. Ztg. (1897), Nr. 46. J.. Krüger u. Berju, Zentr. Bakt. II, 4, 675 (1898). — 8) Vgl. Raciborski, Bull. Ac. Sei. Cracovie (D4c. 1905). Czapek, Biochemie der Pflaiizen. I. 3. Aufl. 13 194 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. wart von anderen Adsorbentien (Eiweiß) vermag die Jodwirkung herab- zudrücken (1 ). Halogen-Ionen als Anionen der Halogenwasserstoffsäuren kennt man als kräftige Stimulantien in geringen Konzentrationen (2). Gequollene Samen 10 Minuten in 1 % NaJ oder NaBr gelegt, zeigen schon Keimungs- beschleunigung. Bei Topfkulturen erzeugte JK ^ des Ertrages als Plus. Phanerogamen werden nicht so leicht gehemmt wie Algen und Infusorien, die nach Loew aber immerhin noch 0,5*^/o KJ schadlos aus- halten, und wie Sproß- und Schimmelpilze, wo noch bei l^/^ KJ keine hemmende Wirkung gesehen wurde. Ob marine Gewächse gegen Jodide und Bromide resistenter sind, wäre noch zu untersuchen. Das Chlorion ist bekanntlich kaum als chemischer Reizstoff anzusehen. Am wirksam- sten ist das Ion Fl"; Jodion ist schädlicher als Bromion. Nach LoEB (3) läßt sich durch eine Mischung der Chloride von Na, K und Ca am besten in "/g Konzentration sowohl Natriumbromid als Natriumjodid entgiften, wahrscheinlich, indem der Eintritt der J'- und Br"-Ionen in die Zellen durch Adsorptionsverdrängung verhindert wird. Natriumfluorid hemmt Milchsäurebacterien noch in hunderttausend- facher Verdünnung, und 0,1 % NaFl tötet wohl die meisten Bacterien (4). Die Alkahfluoride werden nach Bokorny von Magnesium- und von Eisen- fluorid noch übertroffen. Auch die freie Fluorwasserstoffsäure muß die spezifische Fluorionenwirkung besitzen, da sie 10—20 mal stärker wirkt als Salzsäure. Effront (5) hat für Hefen, Milchsäuregärungs- und Butter- säuregärungsbacterien die Erscheinungen der Adaptation an Fluoride durch langsames Steigern der Konzentration zuerst studiert. Hefe verträgt schheß- lich 1 g NaFl pro Liter, etwa 6 mal so viel als die sonst wachstumshemmende Dosis. Algen werden durch Viooooo% NaFl stimuUert (6). Aso(7) fand, daß bei Phanerogamen gleichfalls Stimulationen durch NaFl erreichbar sind; 0,02 % NaFl wirkt deutheh ; auch das schwerlöshche Fluorcalcium erwies sich als wirksam. Daß das komplexe Anion der Kieselfluorwasserstoffsäure chemische Reizwirkungen entfaltet, ist gleichfalls festgestellt (8). Worin die eigentümhche Wirkung des Fr-Ions beruht, ist noch nicht sicher. LoEW sah bei Spirogyra in 0,5 % NaFl am Zellkern schon nach einer Stunde deut- hche Veränderungen. Bei Aspergillus unterdrückt nach Wächter (9) NaFl die Conidienbildung. Von den Verbindungen des Bors sind nur die Tetraborate mit dem Anion B^O," physiologisch näher studiert. Für die Borsäure steht fest, daß sie in sehr geringen Konzentrationen das Wachstum höherer Pflanzen stimu- hert(IO); bei Hefe und Aspergillus konnte das gleiche nicht konstatiert werden. 1) Gl. Permi, Chem. Zentr. (1909), //, 1268. — 2) P. Maze, Chem. Zentr. (1902),'//, 1147. S. Suzuki, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 199, 473 (1903). Aso, Ebenda, 6, 139, 160 (1904). S. Uchiyama, ßull. Imp. Agr. Exp. Stat. Japan, f, 35 (1906). — 3) J. LoEB u. Wasteneys, Biochem. Ztsch., jp, 185; 43, 181 (1912). — 4) J. Effront, Bull. Soc Chini. (3), 4, 337. O. Hewelke. Deutsch, med. Woch.schr. (1890), p. 477. H. Tappeiner, Arch. exp. Path., 27, 108 (1890). Bokorny, Chem. Zentr. (1903), /, 656; Ztsch. Spiritusindustr. (1. April 1897). — 5) Effront, Compt. rend., 118, 1420 (1894). E. Sorel, Ebenda, p. 253. Effront, Ebenda, 119, 169 (1894). — 6) Ono, Journ. Coli. Sei. Tokyo, 13 (1900). — 7) K. Aso, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 187 (1902); 7, 83, 85 (1906). O. Loew, Flora (1895), p. 330. — 8) Faktor, Chem. Zentr. (1889), /. Viguerat, Zentr. Bakt., 5, 584. W. Thompson, Chem. News, 5Ö, 132 (1887). Behrens, Chem. Zentr. (1889), /, 226. Aso, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 197 (1902). — 9) W. Wächter, Zentr. Bakt. II, /p, 176 (1907). — 10) M. Nakamura, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 509 (1903). H. Agulhon, Compt. rend., 150, 288 (1910); Chem. Abstract. Am. Chem. S. (1912), p. 3150. § 8. Wachstumsreize durch Kohlenstoff Verbindungen. 195 Höhere Konzentrationen hemmen (1) (1% Borsäure bei Aspergillus, 0,06% bei PeniciUium), doch kann man auch hier durch langsame Steigerung der Borsäuredarreichung (bei Mais) Adaptation an Borsäure erreichen (2). Boro- mannitsäure ist, wie Kahlenberg und True zeigten, erhebUch weniger giftig als Borsäure, und man kann daher durch Zufügen von Mannit Borsäure- lösungen entgiften. Auch Kieselsäure in ihren Salzen hat, wie Raulin und spätere Forscher fanden, die Eigenschaften eines stimuherenden Reizmittels. Hemmungen durch Si- Verbindungen kennt man jedoch bisher noch nicht. § 8. Fortsetzung: Wachstumsreize durch Kohlenstoffverbindungen. Um mit der Grenze zwischen inorganischen und organischen Stoffen zu beginnen, ist hinsichtlich der Wirkungen der Kohlepsäure auf das Wachstum niederer und höherer Pflanzen (3) zu berichten, daß COg kein indifferentes Gas ist. Obwohl es Bacterienformen gibt, welche in reiner COg ebenso gut wie in Luft wachsen (4), so werden doch manche Mikroben durch größere COg-Quanten stark im Wachstum gehemmt, darunter selbst obligate Anaerobionten. Andere Bacterien entwickeln sich nur bei höherer Temperatur in COj -Atmosphäre, noch andere, wie viele pathogene Arten werden durch COg abgetötet. Schimmelpilzsporen keimen nach Chapin und früheren Autoren in COg 60 — 90% wohl aus, werden aber dann getötet. Mucor erleidet Wachstumshemmung bei 33 ^o^ PeniciUium erst bei 80% COg im umgebenden Luftraum. Die Sporenproduktion hört in CO, reicher Luft früher auf als das Hyphenwachstum. W^urzeln von Phanerogamenkeimlingen werden durch 57o COg gehemmt und durch 25 — 30% ißi Wachstum sistiert; Hypocotyle von Sinapis und Trifolium sistierten schon bei 15 7o COg ihr Wachstum. Nach Chapin könnten kleine COj -Mengen als Stimulans wirken, indem der maximale Zuwachs für höhere Pflanzen bei 1—2% COg gefunden wird. Daß die Schlaf- stellung vieler Blätter durch eine „Autonarkose mit COg" bedingt ist (5), ist eine unbegründete Hypothese. Für das Kohlenoxyd ist schon lange bekannt, daß es stärkere hemmende Wirkungen auf das Wachstum ausübt, als GOg (6). Nach Seeländer gehen nachweisbare Hemmungen bis zu 0,5 % herab ; gänzhch sistiert wird das Wachstum, wie Linossier fand, auch durch 80% CO noch nicht. Frank- land (7) stellte hemmende CO-Wirkungen für das Wachstum von Bacterien (Pyocyaneus, Cholerae) fest. Die gesättigten Grenzkohlenwasserstöffe scheinen nach der Erfahrung von Duggar (8), daß die Sporenkeimung von Aspergillus flavus durch Wasser, welches in Berührung mit Paraffin gestanden war, beschleunigt wird, nicht ohne chemische Reizwirkungen zu sein. Nach anderen Fällen wäre zu suchen. Phycomyces und Penicilhum zeigten den gleichen Effekt nicht. Die un- 1) E. Peligot, Compt. rend., 133, 686 (1876) Knop, 1. c. (1885). Morel, Corapt. rend., 114, 131 (1892). J. Böeseken u. Waterman, Fol. microbiol., /, III (1912). — 2) Agulhon, Coinpt. rend., 151, 1382 (1910). — 3) Zusammenfassung: Chapin, Flora (1902), Erg.-Bd., p. 348. — 4) C Fraenkel, Ztsch. Hyg., 5, 332 (1888). — 5) R. DuBOis, Soc. BioL, 53, 956 (1901). — 6) Claude Bernard; Linossier, Compt. rend., 108, 820 (1889). K. Seeländer, Beihefte botan. Zentr., 24, I, 357 (1909). — 7) P. Frankland, Ztsch. Hyg., 6, 13 (1889). — 8) B. M. Duggar, Botan. Gaz., j/, 38 (1901). 13* 196 Drittes Kapitel: Chemische Reiz Wirkungen. gesättigten Kohlenwasserstoffe sind wohl giftiger. Der oftmals studierte Effekt des Leuchtgases auf Pflanzen (1) ist wohl nicht so sehr auf das CO als auf die Kohlenwasserstoffe Aethylen C2H4 und Acetylen CgHg im Leucht- gase, sowie deren Homologen zurückzuführen. Die Vergiftungserscheinungen werden schon durch die Leuchtgasspuren in der Luft der Laboratoriums- räume erzeugt (Richter), was bei exakten pflanzenphysiologischen Arbeiten wohl zu beachten ist. Bei Gegenwart von etwas mehr Leuchtgas tritt völlige Hemmung des Längenwachstums mit Verdickungen der Sprosse, sowie Turgorsteigerung ein; Algen zeigen Neigung zur Bildung rhizoidenartiger Auswüchse und zum Zerfall der Fäden in einzehie Zellen. Über die Wirkungen des Schwefelkohlenstoffes, der praktisch zur Be- kämpfung von Pflanzenparasiten verwendet wird, hat Heinze (2) eingehende Angaben gemacht. FiNZi (3) fand Beschleunigung der Keimung einiger Grassamen (Bromus, Panicum) und Verhinderung der Keimung von Sinapis und Geranium durch CSg. Blausäure. Die sehr giftige Wirkung der Blausäure H-C^N auf Pflanzen wurde schon 1827 durch Goeppert(4) eingehend dargelegt, und seitdem oft studiert. Die Angaben von S<^haer an Keimlingen, Loews Versuche an Algen, Darwins Beobachtungen an Droseratentakeln zeigen, daß nicht alle Pflanzen gegen Blausäure gleich resistent sind. Dies haben auch Versuche von Krehan im hiesigen Institute (unver- öffentlicht) bestätigt. Immerhin begegnet man Schwellenwerten für die Wachstumshemmung zwischen 1 Mol CNH auf 10000 — 14000 1 am häufigsten. An ValMsneriazellen läßt sich leicht die Stimulationswirkung von Blausäure auf die Plasmaströmung sicherstellen; Townsend (5) er- zielte Stimulation des Keimlingswachstums in der Art, daß er CNH-Gas auf trockene Samen einwirken Heß und vor dem Einquellen die CNH- Einwirkung abbrach. Auf die Natur der Blausäurewirkung scheint eine Reihe neuerer Erfahrungen ein Licht in der Richtung zu werfen, daß die Blausäure die Sauerstoffaufnahme hemmt. Dies ließ sich direkt für die Atmung von Aspergillus zeigen (6), und nicht bedeutungslos wird im Zusammenhang damit die starke Wirkung der CNH auf die Tätigkeit der Katalase erscheinen; man könnte an eine Beeinflussung der Sauer- stoffübertragung denken. Zu ähnlichen Schlüssen führt auch die Fest- stellung von Raubitschek (7), daß die Indophenolblaureaktion bei Tieren, die mit CNH getötet sind, ausbleibt. Ferner hat Warburg (8) gefunden, daß die Oxydationshemmung durch Blausäure in Gegenwart von Alkoholen bei tierischen Eiern weniger stark ausgeprägt ist, was für pflanzliche Objekte noch näher zu prüfen ist. Um eine allgemein antagonistische Wirkung von CNH und Alkoholen wird es sich aber kaum handeln, da die Wirkungen von CNH und Alkohol auf die Plasmaströraung von Vallis- neria sich addieren (H. Nothmann). Die Giftwirkung von OH'-Ionen und Neutralsalzen wird durch CNH gleichfalls gehemmt, so daß man nach 1) O. Richter, Ber. Botan. Ges. (1903), p. 180; Sitz.ber. Wien. Ak., 115, I, 265 (1906) M. Singer, Ber. Botan. Ges. (1903), p. 175. D. Neljübow, Beihefte botan. Zentr., 10 (1901). Z. Wojcicki, Ber. Botan. Ges., 25, 527 (1907); Anzeig. Akad. Krakau (1909), p. 588. — 2) B. Heinze, Zentr. Bakt., 18, 56 (1907). Th. BoKORNY, Pharm. Post, 36, 281 (1903). — 3) B. FiNZi, Staz. sper. agrar. ital., 44^ 843 (1912). — 4) GoEPPERT, De acidi hydrocyan. vi in plantas (1827). E. Schaer, Chem. Zentr. (1885), p. 826. — 5) Townsend, Botan. Gaz., j/, 241 (1890). — 6) H. ScHROEDER, Jahrb. wi.«s. Botan., 44, 409 (1907). — 7) H. Raubitschek, Wien. klin. Woch.schr. (1912), p. 149. — 8) O. Warburg. Ztsch. physiol. Chem., 76, 331 (1912). § 8. Wachstumsreize durch Kohlenstoffverbindungen. 197 LoEB(1) an einen Zusammenhang auch dieser Wirkungen mit Oxydations- vorgängen denken kann. Ferner ist bei Pflanzenzellen nach unveröffent- lichten Versuchen von Krehan bei schwacher Blausäureeinwirkung eine Erhöhung der plasmolytischen Grenzkonzentration die Regel. Voraus- sichtlich handelt es sich hierbei um Permeabilitätssteigerung, und es Heß sich zeigen, daß der Hydroxylgehalt der Lösungen hierbei nicht be- teiligt ist. Erwähnt sei noch die Steigerung der Blau säure Wirkung bei erhöhter Temperatur und durch Belichtung, ümstimmung von Phototaxis durch CNH wurde für Crustaceen beobachtet (2). Das Methylisocyanid CHg — N = C ist nach Calmels giftiger als die Blausäure. Auch das Dicyan soll nach Loev7 und Tsukamoto(3) auf Pflanzen und niedere Tiere stärker einwirken. Dicyandiamid ist nach LoEw (4) ungiftig. Die komplexen CN-Ionen sind viel weniger toxisch, z. B. Ferro- und Ferricyan Wasserstoff, ebenso die Rhodanate. Daß Rhodanammonium im Ackerboden auf die Kulturen schädlich wirkt, wurde mehrfach gezeigt (5). Aspergillus bildet bei Darreichung von Rhodan- ammonium keine normalen Conidien(6). Nitroprussidnatrium ist nur schwach toxisch (7), Die Narkotica. Dem gewöhnlichen Sprachgebrauche nach werden die Wirkungen der flüchtigen Kohlenwasserstoff-Halogenderivate: Methyl- chlorid, Dichlormethan , Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, Bromäthyl, Bromoform, Jodmethyl, Jodoform, Methylenfluorid ; ferner die Effekte des Äthyläthers, der einwertigen Alkohole und ihrer Ester, schließlich auch der Aldehydderivate Chloralhydrat,Trional,Tetronal usw. als „narkotische Effekte" bezeichnet, weil durch diese Stoffe bei Tieren leicht Reflexlosigkeit, die durch geeignete Dosierung kürzere oder längere Zeit hindurch erzielbar ist („Nar- kose'*), hervorgerufen wird. Die parallelen Versuche an Pflanzen (Mimosa, Dionaea u. a.) zeigen unleugbare Verwandtschaft in dem äußeren Effekt, doch fehlt hier natürlich die für Tiere bezeichnende starke lokalisierte Wirkung auf die Reflexzentren und es entspricht die Wirkung in ihrem inneren Wesen eigentlich nichts anderem als einer gewöhnlichen vorüber- gehenden Hemmungserscheinung. Dies muß man sich vergegenwärtigen, wenn man von „Narkose bei Pflanzen" spricht. Die Narkotica sind wohl sämtlich in geringer Konzentration stimulierend. Man hat dies durch JoHANNSEN (8) hinsichtlich des beschleunigten Austreibens der Knospen in der Winterruhe beim Chloroform und Äther genau kennen gelernt. Das Treiben des Flieders wird leicht erzielt, wenn man 0,2 ccm Äther pro Liter Luftraum den Pflanzen 2—3 Tage hindurch darreicht. Auch Feldversuche wurden schon angestellt. Immer ist zu beachten, daß man selbst durch sehr kleine Dosen Erfolge erzielt, wenn die Wir- kungszeit lang genug ist (9). An der Schwimmbewegung von Paramaecium 1) J. LoEB, Biochen,. Ztsch., 26, 279; 27, 304; 28, 340; 29, 80 (1910). — 2) A. DßZEWiNA, Soc. Biol., 71, 555 (1911). — 3) O. Loew u. Tsukamoto, Chena. Zentr. (1894), //, 159; Botan. Zentr., 61, 343 (1895). — 4) O. LOEW, Chem -Ztg. (1909), p. 21. — 5) J. KÖNIG, Just (1884), /, 57. Krauch, Botan. Zentr., 12, 130 (1882). Klien, Just (1886), /, 81. — 6) A. Fernbäch, Compt. rend., 135, 51 (1902). Czapek, Hofmeisters Beitr., j, 50 (1902). — 7) R. Bahadur, CoU,. Agric. Tokyo, 6, 177 (1904). — 8) W. Johannsen, Botan. Zentr., 68, 337 (1896). Atherverfahren b. Frühtreiben, 2. Aufl. (Jena), Naturwiss. Woch.schr. (1902), Nr. 9. M. E. Latham, Bull. Torr. Bot. Cl., 32, 337 (1905) f. Schimmelpilze. — 9) H. Schroeder, Flora, 99, 156 (1908). A. Koch, Zentr. Bakt. II, J^ 175 (1911). J. Hempel, Acad. Roy. Sei. Copenhag. (7), 6, Nr. 6 (1911); Botan. Zentr., 119, 99 (1912). L. Montemartini, Atti Ist. Pavia (2), 13, 213 (1908). A. Burgerstein, Zool. Botan. Ges. Wien, 56, 243 (1906). 198 Drittes Kapitel: Chemische Keizwirkungen. ist noch eine Beschleunigung durch 1 g Äthylalkohol auf 1000001 bemerk- bar; auch an der Zellteilung von Infusorien verrät sich die Stimulation durch Alkohol (1). Die Plasmaströmung von Vallisneriazellen zeigt Stimulation durch sämtliche Narkotica. Charakteristisch für die Wirkung aller hier besprochenen Stoffe ist, daß sie die Enzyme der Zellen relativ sehr wenig oder gar nicht schädigen, während der lebende Protoplast rasch getötet wird. Muntz (1874) hat dies zuerst für das Chloroform er- mittelt, und so die autolytische Methodik in der Enzymlehre angebahnt, weil man leicht Wachstum und Leben von Mikroben in Enzymsubstraten durch Zusatz von Narkoticis ausschalten kann. In ähnlicher Weise lassen sich auch unreife Früchte in Dämpfen verschiedener Narkotica zu Reifeveränderungen bringen oder Glucosidspaltungen durch Farben- änderungen, CNH-Entwicklung usw. nachweisen (2). Die neuere Phase der Narkoseforschung wurde gleichzeitig durch E. Oyerton(3) und H. Meyer (4) eingeleitet, welche beide darauf aufmerksam machten, daß die narkotische Wirkung stets mit ausgeprägter Fettlöslichkeit Hand in Hand geht. Während Meyer den Nachdruck darauf legt, daß sich die Konzentration der Narkotica besonders im fettreichen Nervensystem und Zentralorgan steigern muß und daraus die lokalisierte Wirkung auf die Reflexe zu erklären sei, ging Overton auf das Passieren der Plasma- haut der Zellen durch die Narkotica näher ein und brachte die Stoff- aufnahme überhaupt mit dem Narkoseproblem in Zusammenhang. Traube(5) gelang es einen weiteren theoretischen Fortschritt zu erzielen, indem er aus den Zahlen Overton s und anderer Forscher berechnete, daß die Schwellenwerte der Narkose durch die homologen Alkohole und Ester äquicapillaren Konzentrationen entsprechen. Wie p. 63 dargetan wurde, gilt die Beziehung nach meinen Feststellungen (6) nicht nur für die ge- nannten homologen Reihen, sondern die Tötung der Plasmahaut findet allgemein durch oberflächenaktive wässerige Lösungen, unabhängig von deren chemischer Konstitution bei einem bestimmten Grenzwert der Oberflächenspannungserniedrigung statt. Diese Wirkung auf die Plasma- haut ist nun infolge der von Overton entwickelten Anschauungen mit der Narkose in einen vielfach unzutreffenden Zusammenhang gebracht worden. Die Narkose erstreckt sich auf alle Zellorgane, nicht nur auf die Plasmahaut, und muß wesentlich durch die chemische Zusammen- setzung der Organe, von der die Konzentration des Narkoticums darin abhängt, bestimmt werden. In der Tat hat Fühner(7) gefunden, daß die narkotische Wirkung der homologen Alkohole nur bei den niederen Tieren mit dem gleichen Koeffizienten 3 wächst, wie die Capillar- aktivität; bei höheren Tieren geht infolge des höheren Fettgehaltes dieser Koeffizient bis auf 4 hinauf. Deshalb kann man Narkose und capil- lare Wirksamkeit nicht so einfach parallel setzen wie Tötung der Plasma- haut und Oberflächenaktivität. Auch hat man zu berücksichtigen, daß 1) H. Nagai, Ztsch. allgem. Physiol, 6, 195 (1906). M. Majrteaux u. Massart, Rec. Inst. Bot. Bruxelles, 6, 371 (1906). — 2) A. E. Vinson, Journ. Amer. Chem. Soc, j2, 308 (1910). M. Mirande, Compt. rend., 151, 481 (1910). — 3) E. Overton, Studien über Narkose (1899). — 4) H. H. Meyer, Arch. exp. Pathol. (1899), 42, 109. F. Baum, Ebenda, p. 119. Meyer u. R. Gottlieb, Die experiment. Pharmakologie (Berlin 1910). — 5) J. Traube, Ber. physik. Ges. (1904), S. 326. — 6) Czapek, Über eine Methode z. direkt. Best, der Oberflächenspannung er Plasnaahaut (Jena 1911). — 7) H. Fühner, Ztsch. ßiol., S7, 465 (1912). Vgl. auch R. HÖBER, Pflüg. Arch., 120, 492 (1907). Q. Otto, Ztsch. Biol., 59, IV (1912). § 8. Wachstumsreize durch Kohlenstoff Verbindungen. 199 der narkotische Effekt jedesmal die Resultante zwischen Giftwirkung und der entgiftenden Reaktion darstellt, die letztere also im Effekte stets als Faktor zu berücksichtigen ist. Endlich sind sicher nicht alle Narkotica physiologisch in der gleichen Weise wirksam, da der Grad ihrer Lipoidlöslichkeit (Wasserunlöslichkeit) wie ihre Oberflächenaktivität sehr different ist. Das Chloroform z. B. vertritt einen Stofftypus, welcher oberflächen- aktiv und wasserunlöshch ist; die wässerigen Lösungen, die minimale Chloro- formmengen enthalten, sind nicht meßbar oberflächenaktiv und äußern stark narkotische Effekte. Hingegen ist Chloralhydrat sehr leicht wasserlöshch, in konzentrierten Lösungen nicht sehr oberflächenaktiv, aber stark nai'kotisch wirksam. Die niederen Alkohole endhch sind Stoffe, die Wasserlöshchkeit, hohe Oberflächenaktivität und narkotische Wirksamkeit miteinander ver- einen. Um in der Beobachtung von der Plasmahaut möghchst absehen zu können, wurde im hiesigen Institute durch Hel. Nothmann(I) der Einfluß von Narkoticis auf die Plasmabewegung näher studiert, wo die Erschei- nungen nur am Polioplasma ablaufen. Für Äthylalkohol ergab sich hin- sichthch Abhängigkeit der zur Sistierung der Strömung von Valhsneria eben nötigen Zeit von der angewandten (molaren) Konzentration in einem erhebhchen Teile der Kurve gute Übereinstimmung mit unimolekularen Reaktionen. Nur in dem Abschnitte der kleinen Konzentrationen hef die Kurve infolge Superposition durch die Entgiftungsvorgänge in einem viel größeren Winkel zur Abszissenachse als der unimolekularen Kurve ent- spricht. Die höheren Alkohole, sowie Chloroform nähern sich in der kurven- mäßigen Darstellung der Giftwirkung stark den Adsorptionsisothermen an (2), Die Breite der ,, Narkosezone", d. h. jenes Konzentrationsbereiches, welcher physiologisch reversible Hemmungen erzeugt, nimmt bei den höheren Alko- holen stark ab, und wird beim Amylalkohol Null; d. h. es ist die Hemmung, sobald sie erreicht ist, nicht mehr aufzuheben. Hier fällt der Narkosewert natürhch mit dem Tötungspunkt der Plasmahaut zusammen. Die Fort- dauer des Zustandes der Narkose hängt wesenthch davon ab, ob von dem gebotenen Narkotikum soviel entgiftet wird, daß der Konzentrationsbereich der Narkose nach oben nicht überschritten wird. Da die narkotische Wirkung allgemein stark mit erhöhter Temperatur wächst, so ist es nicht wahrschein- hch, daß die Atmungsoxydation unter normalen Umständen zur Zerstörung und Entgiftung des Alkohols dient; sonst müßte die Entgiftung bei der mit höherer Temperatur gesteigerten Atmung rascher vor sich gehen und die narkotische Wirkung bei erhöhter Temperatur abnehmen. Von Interesse ist es, daß die narkotische Wirkung allgemein bei Sauerstoffentzug gesteigert wird, was bei höherer Temperatm* sehr hervortritt. Durch diese Erfahrung wird gezeigt, daß die einfache Löshchkeitstheorie der Narkose nach Meyer nicht ausreicht, denn sie vermag diesen auffallenden Einfluß des Sauer- stoffes nicht zu erklären; überdies konnten wir feststellen, daß auch jene Narkotica, die sich bei höherer Temperatur in Fett weniger lösen, ihren Effekt mit der Temperatur steigern (Benzamid, Monoacetin). Die Beziehungen zwischen Narkose und Sauerstoffatmung woirden be- sonders in den Arbeiten der VERWORNschen Schule näher dargelegt, deren Arbeitshypothese gegenwärtig darin gipfelt, daß die Narkose die Aufnahme des 1) Helene Nothmann - Zuckerkandl, Biochem. Ztsch., 45, 412 (1912). — 2) Vgl. auch R. O. Herzog u. R. Betzel, Ztsch. physiol. Cheni., 74, 221 (1911). 200 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Sauerstoffes hemme und so eine Art Erstickung herbeiführe (1 ). Abgesehen davon, daß diese „Erstickungshypothese" nicht berücksichtigt, daß auch Anaeroben ohne Sauerstoffbedarf narkotisierbar sind, erklärt sie auch nicht das verstärkte Hervortreten der Narkose durch Sauerstoffmangel bei erhöhter Temperatur. Ferner vermag die von Szücs und KiscH (2) beobachtete Verstärkung der Wirkung fluorescierender Farbstoffe durch Alkohol eine Theorie, welche eine Nichtausnutzung des Sauerstoffes durch narkotisierte Zellen annimmt, nicht zu unterstützen. Daß es sich andererseits bei der Entgiftung der Narkotica nicht einfach um Ehminierung derselben durch Oxydation handelt, dürfen wir daraus schließen, daß bei erhöhter Temperatur trotz gesteigerter Atmung die Alkohol- wirkung intensiver ist. Da sich verschiedenartige Vorgänge in allen diesen Versuchen superponieren, so ist die Übersicht nicht leicht zu erreichen. Immerhin könnte nach dem Antagonismus zwischen der die Sauerstoff- aufnahme hemmenden Blausäure und dem Alkohol, ferner vielleicht auch nach der Erfahrung von Nothmann, daß Mangansulfat die Alkoholwirkung stark hindert, angenommen werden, daß vitale Oxydationen irgendwie in den Narkosevorgang hineinspielen. Bemerkt sei noch, daß für die allgemeine Aufnahme der Narkotica in die Zelle derzeit kein bestimmter Hinweis dafür vorliegt, daß der Transport immer nur im Wege der hpoiden Phase der Plasmahaut geschehen muß, wie Overton angenommen hatte (3). Die Angabe von Lillie (4), wonach die Permeabilität für Natrium- und KaHumsalze bei tierischen Eiern durch Narkotica verzögert werden kann, würde eher für ein Passieren der letzteren im Wege der Hydrokolloide der Plasmahaut sprechen, Alkohol verringert nach Versuchen von Fühner (5) am Froschherz die Resorptionsgeschwindigkeit von Krystallviolett, während Glycerin dieselbe steigert. Dabei erfolgt aber Herzstillstand durch Alko- hol + Farbstoff nicht später, weil sich beide Stoffe in ihrer Wirkung verstärken. Für die Annahme, daß hpoidartige Plasmastoffe das Vehikel bei der Aufnahme sind, sprechen die Erfahrungen Fühners (6) über Mischnarkose, wo die Wirkungsänderung mit der LösHchkeitsbeeinflus- sung parallel geht, ferner auch die Tatsachen, daß man durch Cholesterin und Lecithin die Alkoholhämolyse deutlich hemmen kann (7), sowie daß es möghch ist, die narkotische Wirkung von Alkohol auf Tiere durch gleich- zeitige Fettdarreichung zu vermindern (8). Übrigens werden gewiß die heute als narkotische Wirkungen zusammen- gefaßten Erscheinungen heterogener Natur sein. Dafür spricht auch die Verschiedenartigkeit kombinierter narkotischer Wirkungen. Während sich Urethan und Alkohol verstärken, findet bei gleichzeitiger Wii-kung von Chloralhydrat und Urethan eine Schwächung statt (9). AhnUches gilt von der Hämolyse (10). 1) G. Mansfeld, Pflüg. Arch., 143, 175 (1911). E. Hamburger, Ebenda, p. 186. K. BÜRKPR, Zentr. Physiol., 24, 103 (1910); München, med. VVoch.schr. (1910), p. 1443. K. Grahn, Ztsch. allgem. Physiol., 13, 3 (1911). J. Loeb, Science, 32, 411 (1910). F. VerzIr, Naturwiss. Rdsch., 27, 32 (1912). T. B. Heaton, Ztsch. allgem. Physiol., 10, 53 (1910). H. Ishikawa, Ztsch. allgem. Physiol., 13, 339 (1912). — 2) J. Szücs u. B. Kisch, Ztsch. ßiol., 58, 558 (1912). — 3) Zur Kritik B. Moore u. H. E. Roof, Proceed. Roy. Soc, 77, 86 (1906). — 4) R. S. Lillie, Amer. Journ. Physiol., "jo, 1 (1912). — 5) H. Fühner, Arch. exper. Pathol., 6g, 29 (1912). — 6) Fühner, Ber. Chem. Ges., 43, 887 (1909); München, med. Woch.schr. (1911), Nr. 4; Deutsch, med. Woch.schr. (1910), Nr. 2. — 7) J. H. Schultz, Ztsch. Immun. forsch. I, 12, 355 (1912). — 8) M. Salzmann, Arch. exper. Pathol., 70, 233 (1912). — 9) A. Breslauer u. G. Woker, Ztsch. allgem, Physiol., 13, 282 (1912). — 10) H. Fühner u. Greb, Arch. exp. Pathol, 69, 348 (1912). § 8. Wachstumsreize durch Kohlenstoff Verbindungen. 201 Näheres Studium verdient auch noch die Wasserverdrängung im Plasma unter dem Einflüsse der Dämpfe wasserunlöslicher INarkotica (Chloroform), welche DuBOiS(l) unter dem Namen „Atmolyse" beschrieben hat. Die Samenschale ruhender Samen kann für die Narkotica sehr schwer permeabel sein, und man fördert die Ghloroformwirkung bedeutend durch Beseitigung der Schale (2). Exsiccatortrockene Samen sind äußerst resistenzfähig, selbst gegen Äther und Chloroform in der Siedehitze (3). Gewöhnung an Alkohol und andere Narkotica wird sicher mögUch sein, doch fehlen dahin gerichtete Untersuchungen bis auf eine Angabe (4), wonach sich bestimmte Protozoen an 1 % Alkohol akkhmatisieren lassen. Für die Alkoholhefen haben die Untersuchungen von KisCH (5) gezeigt, daß sie in der Tat eine differente Struktur der Plasmahaut haben, als sie bei höheren Pflanzenzellen gefunden wird, so daß die Plasmahaut erst durch ca. 27 % Äthylalkohol zerstört wird, während bei höheren Pflanzen 11 % die Grenze bildet. Dies dürfte an der Eigenart der Plasmahauthpoide Hegen. Bei Bacterien liegt die Alkohol- grenze noch höher. Bei den einwertigen Alkoholen, von denen der Äthylalkohol am meisten studiert worden ist, gehen die Hemmungswirkungen recht tief herab. Sie äußerten sich bei Bacterien schon von 0,1% ab, und treten in 8— 10% Alkohol sicher ein (6). Essigbacterien allein gedeihen noch bei 5—7 % auf das treff- Hchste. Prodigiosus verhert bei Alkoholgegenwart sein Pigmentbildungs- vermögen. Die rascheste Giftwirkung wird, wie übereinstimmend berichtet wird, dm-ch 60—70% Alkohol erzielt (7); 96% Alkohol ist auf trockene Bacterien wirkungslos. Für die Keimung von Gloeosporium wurde ''/g, für Macrosporium 5n-Äthylakohol als Grenze bestimmt, während Aspergillus und Penicilhum bei 6 % gehemmt werden (8). Hefen wachsen meist bjs 8—10 % Alkohol, doch ist Mucorhefe weit empfindlicher. Algen werden durch 2 % nach Loew gehemmt und durch 4 % getötet. Phanerogamen sterben binnen 24 Stünden sicher in 10—11 % Äthylalkohol. Für den Eintritt des Todes ist allgemein die Erreichung der Capillaritätsgrenze (für HgO = 1 ö = 0,69) entscheidend, was Traube bereits aus früheren Beobachtungen be- rechnet hatte. So reduziert sich das bekannte Gesetz von Richardson, daß die Giftigkeit der Alkohole mit zunehmendem Molekulargewicht steigt, auf das Gesetz von der gleichen Wirkung äquicapillarer Lösungen, was als hinreichend erwiesen betrachtet werden kann (9). Auch der Koeffizient 3, mit dem die Capillaraktivität bei den homologen Alkoholen ansteigt, findet sich bei den Tötungswerten von Pflanzen und niederen Tieren annähernd wieder. Die sekundären und tertiären Alkohole sind abnehmend etwas 1) R. DuBOis, Compt. reud., 153, 1180 (1911). — 2) B. Schmid, Ber. Botan. Ges., 19, 71 (1901). CoüPiN, Compt. rend., 129, 561 (1899). — 3) P. Becquerel, Compt. rend., 140, 1049 (1905). W. Schubert, Flora, wo, 68 (1900). — 4) J. Frank Daniel, Journ. Exp. Zool., 6, 571 (1909). — 5) B. Kisch, Biochem. Ztsch., 40, 152 (1912). — 6) G. Wirgin, Ztsch. Hyg., 40, 307 (1903). W. Birberg, Zentr. Bakt. II, 24, 432 (1909). E. Kneubühler, Chem Zentr. (1907), //, 1644. E. Chr. Hansen, Zentr. Bakt. I, 45, 466 (1907); Compt. rend. Labor. Carlsberg, 9, 98 (1911). R. Foerster, Woch.schr. Brauerei, 29, 405 (1912). Th. Bokorny, Zentr. Bakt., 30, 53 (1911). — 7) A. Beyer, Ztsch. Hyg., 70, 225 (1912). E. Frey, Deutsch, med. Woch.schr. (1912), p. 1633. — 8) F. L. Stevens, Botan. Gaz., 26, 377 (1898). P. Lesage, Ann. Sei. Nat. (1896), Nr. 2. Kahmpilz: K. Kroemer, Landw. Jahrb., 43, Erg.-Bd. 1, p. 172 (1912). — 9) Lit. H. Fühner u. Neubauer, Arch. exp. Path. Pharm., 5Ö, 333 (1907); Zentr. Physiol., 20, 117 (1906); Bull. Soc. Chim. Belg., 2/, 221 (1907). A. J. Vandevelde, Ebenda, p. 225. H. M. Vernon, Journ. Physiol., 43, 325 (1911). Ch. Lesieur, Soc. Bio!., 60, 471 (1906). M. Räther, Biochem. Zentr., 5, 293. R. Foerster, Ebenda, 9, 789 (1910). J. Loeb, Biochem. Ztsch.. 23, 93 (1909). 202 Drittes Kapitel: Chemische Reiz Wirkungen. weniger wirksam als ihre primären Isomeren, doch fallen sie nicht aus dem TRAUBEschen Gesetz, da ihre Oberflächenaktivität in demselben Maße geringer ist. Tertiäre Alkohole sind im Tierkörper nur sehr schlecht oxydabel, während die primären Alkohole leicht verbrennüch sind (1). Äthyläther fügt sich ganz dem Wirkungsgesetz der oberflächenaktiven wasserlösUchen Alkohole und ebenso gilt für die Alkohol-Fettsäurester die TRAUBEsche Regel. Von den Halogenkohlenwasserstoffen ist Chlofoform am meisten studiert worden (2). Wachstumshemmung, die wieder aufzuheben ist, läßt sich bei Pflanzen in der Regel durch wässerige Chloroformlösung 1 : 10 (ent- sprechend 6 Millimol HClgC) erreichen, doch darf man die Narkose nur wenige Stunden anhalten lassen. Schon 7 Milhmol töten momentan. Die anato- mischen Erscheinungen der Chloroformwachstumshemmung wm-den von 0. Richter(3) studiert, der auch sah, daß die Anthocyanbildung bei narkoti- sierten Blütenknospen unterbleiben kann. Raciborski (4) beschrieb Wachs- tumsanomalien bei chloroformiertem Aspergillus, der dabei reichUch Conidien bildet. Sicher spielen bei der Chloroformwirkung die Löslichkeits- und Adsorptionsgleichgewichte in der Zelle die Hauptrolle; doch fehlen exakte Versuche hier noch gänzHch. Chloroform gehört zu jenen Narkoticis, die bis auf einen geringen Anteil wieder unverändert ausgeschieden werden (5). Die Wirkung der anderen Halogenkohlenwasserstoffe bedarf noch eingehender Studien. Angaben über Methylenfluorid finden sich bei Chabrie (6). Die Alkylsulfone, wozu das auf den Tierorganismus als Schlafmittel CH wirksame Acetondiäthylsulfon pu^^ C • (S02C2H5)2 oder Sulfonal, ferner Trional und Tetronal zählen, rufen nach LoEW bei Algen kaum einen Effekt hervor. Chloralhydrat ordnet sich nicht der TRAUBEschen Regel ein, da es schon in Lösungen toxisch wirkt, die die Oberflächenspannung des Wassers haben ; °/i6 (0 = 0,97) tötet nach 1 ^ Stunden ( Valhsneria), und nach einemTage sind noch mit "/e4 letale Wirkungen zu erzielen. Auch die Glucose-Chloral- verbindung (Chloralose) ist (0,70 %) nach Richet und Kschischkowski (7) ein brauchbares Narkoticum für niedere Tiere. Von den- Aldehyden ist der Formaldehyd als äußerst toxische Sub- stanz wohlbekannt, deren Wirkungen auf Bacterien zuerst durch Pentzoldt, F. CoHN, LoEW und Bokorny (8) bekannt gemacht worden sind. Noch Kon- zentrationen von 0,0001% töten die meisten Bacterien, Hefe wird nachWEHMER durch 0,1% getötet. Tuberkelbacillen sollen relativ resistent sein (9). Übrigens sind nach Windisch (10) auch Samen von Blütenpflanzen gegen Formaldehyd nicht gleich empfindhch; 0,4% Formalin tötet fast alle Samen, schädigt 1) J. Pohl, Arch. exp. Path. Pharm., Schmiedeberg-Bd. (1908), p. 427. W. VöLTZ u. A. Baudrexel, Pflüg. Arch., 142, 47 (1911). — 2) Vgl. Baskerville u. Hamor, Journ. Ind. Eng. Chem., 4, 212 (1912). Bestimm, v. Chloroformdampf in Luft: Kochmann u. Strecker, Biochem. Ztsch., 43, 410 (1912). Wirkung ak Stimulans: H. J. Hamburger u. de Haan, Kgl. Akad. Amsterdam (1911). — 3) O. Richter, Verhandl. Naturf. Ge.s. (1908), H, /, 189; Wien. Ak., 115, I, 265 (1906). Med. Klinik (1907), Nr. 10. V. Gräfe u. O. Richter, Sitz.ber. Wien. Ak., 120, I, 1187 (1911). — 4) M. Raciborski, Bull. Ac. Sei. Cracovie (D^cemb. 1905). — 5) M. NiCLOtTX, Journ. Physiol., //, 576 (1909); 12, 657 (1910); Soc. Biol., 67, 274 (1910); 60, 320 (1906); Compt. rend., 150, Mll (1910). — 6) C. Chabrie, Compt. rend., lu, 738. — 7) K. KscHiscHKOWSKi, Zentr. Physiol., 26, 525 (1912). — 8) F. Cohn, Botan. Zentr., 57, 3 (1893). O. Loew, Cham. Zentr. (1889), /, 90. Hefe: Th. Bo- korny, Ztsch. Spiritusindustr. (1909). — 9) C. ^"pengler, Ztsch. Hyg., 42, 90 (1903); 51, 335 (1905). — 10) R. Windisch, Landw. Vereuchsstat., 49, 223 (1897); jj, 241 (1901). Avena: F. L. Stevens, Botan. Zentr., 116, 205 (1910). § 8. Wachstumsreize durch Kohlenstoffverbindungen. 203 Mais jedoch noch nicht. 0,02 % hemmt bereits vielfach das Wachstum. Die enorme Wirksamkeit des Formaldehyds ist dm-ch die Leichtigkeit, mit der er sich mit den verschiedensten Eiweißstoffen unter Änderung der kolloidalen Eigenschaften derselben verbindet, zum größten Teil verständ- Hch. LoEW fand die Natriumbisulfitverbindung des Formaldehyds ganz unschädHch. Höhere Pflanzen vertragen übrigens kleine Quantitäten Formaldehyd schadlos und sollen sie selbst verarbeiten (1 ). Das käufliche Formahn ist etwa 40%ige FormaUnlösung. Formaldehydgas erhält man be- quem aus polymerisiertem Formaldehyd und Natriumperborat durch Wasser [Autan verfahren (2)]. — Äthylaldehyd ist gleichfalls noch sehr giftig (3); die 0,5 %ige wässerige Lösung (etwa 9 Centimol) tötet nach wenigen Minuten. Auch hier kann von einer Capillaritäts Wirkung nicht die Rede sein. Propyl- aldehyd ist fast ebenso giftig. Die organischen Säuren wirken unzweifelhaft nicht allein durch den abdissoziierten Wasserstoff, da ein schwacher Elektrolyt, wie die Buttersäure nach Loeb (4), schon in Verdünnungen 1 Mol : 1000 1 viel wirksamer ist als n/^g HCl. Bei der Fettsäurereihe steigt die Wirkung mit dem Molekulargewicht, wobei zu beachten ist, daß die höheren Säuren viel stärker adsorbiert werden. Die TRAUBEsche Regel gilt hier nicht. Einführung von OH-Gruppen setzt den Giftwert herab. Da die Giftwirkung den Neutralsalzen nicht zukommt, so wäre wohl an Gift- wirkung der unzersetzten Säuremolekel zu denken, doch sind noch end- gültige Beweise hierfür zu erbringen (5). Die Ameisensäure, deren Hemmungswerte bis zu 0,06 g pro Liter herabgehen (6), hat eine Sonder- stellung. Während 1% Valeriansäure noch nicht schädigt, töten 0,1 g Buttersäure 10 g Hefe (7). Die Plasmaströmung bei Vallisneria wird sowohl bei den Säuren der Essigsäurereihe als bei jenen der Oxalsäure- reihe bei Konzentrationen von 1 Mol auf 3200 — 6400 1 sistiert; von der Capronsäure an liegen die Werte aber erheblich tiefer. Die im Boden häufig vorkommende Dioxystearinsäure wirkt wachstumshemmendes). Oxalsäure wirkt nach Loew(9) stark auf die Zellkerne ein. Von den beiden Stereoisomeren Maleinsäure und Fumarsäure ist Maleinsäure (als Na-Salz) allgemein weit giftiger als Fumarsäure (10). Lactonitril scheint toxisch zu sein, was von anderen Nitrilen nicht gilt (11). Die Fettsäureseifen wirken, soweit eigene Erfahrungen reichen, wesentlich durch ihre Capillaraktivität. Bei den Palmitat- und Stearat- seifen, welche nur wenig kolloidlöshch sind, wird wohl die hydrolytische Alkaliabspaltung sehr in Betracht kommen (12). Die höheren (mehr- hydroxyligen) Alkohole, Glykol, Glycerin sind kaum als chemische 1) Treboux, Flora (1903), p. 73. V. Gräfe, Naturf. Ges. (1909), II, /, 165. — 2) Hierzu Xylander, Arbeit, kais. Gesundh.arat, 26, 59 (1907). Eichengrün, Naturf. Ges. (1906), II, i, 229. Selter, Ebenda, p. 381. — 3) P. Maze, Compt. rend., 151, 1383 (1910). — 4) J. Loeb, Biochera. Ztsch., 15, 254 (1908); 23, 93 (1909). J. WiNOQRADOFF, Diss. (München 1911). — 5) Hierzu L. Klocmann, Diss. (München 1911). — 6) DUCLAUX, Ann. Inst. Pasteur, 6, 593 (1892). W. Henneberg, Ztsch. Spiritusindustr., 2g, 34 (1906). K. Aso, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 7, 13 (1906). — 7) Th. Bokorny, Pharm. Zentr. Halle, 47, 121 (1906); Chem.-Ztg., 35, 630 (1911). Für Bacterien: N. Paus, Zentr. Bakt. I, 45, 81 (1907). — 8) O. Scheeiner u. J. Skinner, Botan. Gaz., 50, 161 (1910). Schreiner u. Lathrop, Journ. Amer. Chem. Soc, 33, 1412 (1911). — 9) O. LoEW, Flora (1892), p. 368; Chem. Zentr. (1892), //, 879. SCHIMPER, Flora (1889), p. 264. — 10) Ishizüka, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 2, Nr. 7 (1897). — 11) L. Lutz, C. r. Congrfes Soc. Sav. (1900). — 12) H. Reichen- bach, Ztsch. Hyg., 59, 296 (1908). A. Rodet, Chem. Zentr. (1906), /, 1446. 204 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Reizstoffe anzusehen und wirken nur als osmotische Reize (1). Doch können selbst Zuckerarten als Reizstoffe wirken, da Spuren von Fruc- tose, zu 20% Rohrzucker zugesetzt, die Keimung des Pollens von Mussaenda fördern (2). Bezüglich Harnstoff differieren die Angaben von älteren und neueren Beobachtern, wenigstens hinsichtlich der Wirkung auf Phanerogamen. Wäh- rend ViLLE und Camerok Harnstoff als unwirksam befanden, sah Knop Wasserkulturen von Mais durch größere Harnstoffmengen geschädigt und Sa WA (3) stellte deutlich Hemmungen bei jungen Allium Cepa-Pflanzen nach Darreichung von 0,05% Harnstoff fest; Loew(4) sah Spirogyren in 0,01 % Harnstoff sterben. Auch Äthylharnstoff ist wachstumshemmend, ebenso nach Ubaldi(5) Phenylharnstoff für Hefen und Conferven. Hin- gegen sollen Diphenylharnstoff und Thioharnstoff keine Reizwirkungen entfalten (6). Äthylurethan fügt sich nach meinen Erfahrungen der TRAUBEschen Regel, wirkt also durch Oberflächenaktivität. Guanidin- sulfat 0,5% war für Infusorien und Diatomeen giftiger als für Faden- algen. Zu bemerken ist, daß Harnstoff und Guanidin(7) der Wirkung mehrwertiger Metallionen abschwächend gegenüberstehen. Coffein pflegt sehr starke Reizeffekte auf das Wachstum auszu- üben. Gamaleia konstatierte dies für Hefen und Bacterien, und Sawa fand dasselbe für Phanerogamen. Doch mögen Verschiedenheiten in der Empfindlichkeit obwalten, da nach Roth Bact. coli weniger resistent ist als typhi. Algen leben nach Loew tagelang in 0,5% Coffein, 0,01% Coffein hemmen das Keimlingswachstum, 1% bedingt gänzliche Auf- hebung der Samenkeimung (8). Cyklische Kohlenwasserstoffe wie z. B. die Benzolkohlen- wasserstoffe Benzol, Toluol, Xylol, haben auf das Wachstum und die Bewegungserscheinungen wesentlich jene Wirkungen, die man als narko- tische bezeichnet. Außerordentlich wirksam pflegen die Phenole zu sein. Carbolsäure hemmt schon zu 0,1% das Wachstum von Bacterien und tötet die Mikroben zu 0,3% bei längerer Einwirkung. Da die Löshchkeit der Carbolsäure durch den Salzgebalt des Mediums stark beeinflußt wird, erhöht man die Wirksamkeit durch NaCl-Zusatz, welcher die relative Löshchkeit des Phenols in den Zellen vermehrt (9). In analoger Weise erhöht Seifenzusatz (ohne Gegenwart freien Alkalis) die Desinfektionskraft von Phenol sehr erhebhch (10). Mehrfach wurde der Desinfektionswert substituierter Phenole vergleichend geprüft, wobei sich die Steigerung der Wirkung durch Methoxylierung, Halogenierung, Sulfo- nierung und Verminderung durch Einführung von Carboxylgruppen ergab. So wirkt Tetrabromorthokresol in 1 : 200 000, Tetrabromorthodiphenol zu 1 : 640 000 auf Diphtheriebacillen hemmend, während Phenol selbst einen Wirkungswert 1 : 800 besitzt (11). Von den isomeren Methylphenolen oder 1) Glycerin: E. Levy u. E. Krencker, Hyg. Rdach., j8, 323 (1908). — 2) W. BuRCK, Botan. Ztg. (1901), 2, 133. — 3) S. Sawa, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 4, 413 (1902). Thomson, Sitz.ber. Nat. Ges. Dorpat (1899), p. 307. — 4) O. LoEW, System d. Giftwirkungen, p. 101. — 5) Ubaldi, Chera. Zentr. (1892), I. — 6) Rey- nolds, Ber. Chem. Ges., 16, 244 (1883). — 7) Für Guanidin: H. Fühner, Zentr. Physiol., 20, 838 (1906). — 8) Fr. Ransom, Biochem. Journ., 6, 151 (1912). — 9) Vgl. H. Reichel, Biochem. Ztsch., 22, 149, 177, 201 (1909). Küster u. Boja- KOWSKY, Desinfektion, 5, 193 (1912). — 10) O. Heller, Arch. Hyg., 47, HI (1903). — 11) H. Bechhold u. P. Ehrlich. Ztsch. physiol. Chem., 47, 173 (1906). H. Schneider, Ztsch. Hyg., 53, 116 (1906). Rapp, Apotheker-Ztg., 22, 643 (1907). § 8. Wachstumsreize durch Kohlenstoffverbindungen. 205 Kresolen wirkt p-Kresol am stärksten, m-KresoI am schwächsten (1). Auch von den Thymolen wirkt das p-Derivat am kräftigsten (2). Bei der stark eiweiß- fällenden Wirkung des Trinitrophenols (Pikrinsäure) erscheint es begreif- lich, wenn Algen darin nach Bokorny (3) schon in 0,05%iger Lösung ab- sterben; Sproßpilze erscheinen etwas weniger empfindhch. Die Naphthole wirken stark bactericid; auch hier erhöht Alkaügegenwart die Wirkung, und Halogenderivaie sind viel wirksamer, so daß Tribromnaphthol Bacterien in Verdünnungen von 1 : 250 000 in wenigen Minuten tötet (4). Von den isomeren zweiwertigen Phenolen wirkt Pyrocatechol am stärksten, Resorcin am schwächsten; von den dreiwertigen Phenolen wirkt Pyrogallol besser als Phloroglucin. In Versuchen von LoEW tötete 0,1 % Pyrocatechol Dia- tomeen und Infusorien schon nach wenigen Minuten, Fadenalgen nach einigen Stunden. Hydrochinon wirkte etwas langsamer, Resorcin hatte Fadenalgen und Diatomeen in der gleichen Verdünnung auch nach 18 Stunden nicht merkhch geschädigt. In Harveys Versuchen an Chlamydomonas (5) ergab sich für Resorcin eine Proportionahtät der Logarithmen von Konzentration und Tötungszeit. Nach True und Hunkel (6) kann man bis auf vereinzelte Fälle der elektrolytischen Dissoziation keine hervorragende Bedeutung für die Phenolwirkung zuschreiben. Ganz entschieden spielt das Wasserstoffion bei der toxischen Wirkung der Salicylsäure und Pikrinsäure eine Rolle, und auch bei den Kresolen und Mononitrophenolen ist die Ionisierung an der Giftwirkung beteiligt. Die leicht oxydablen Phenole wie Pyrocatechol, Hydrochinon scheinen toxischer zu sein als das H -Ion. Die Vermehrung der OH-Gruppen steigert die Phenolwirkung auf das Wurzelwachstum im ganzen weniger als Substitutionen (Nitrierung) oder Aufsteigen zu höheren Homologen. Der Einfluß der Isomerie ist bei den Oxybenzoesäuren sehr deutlich. Die starke Wirkung der Orthooxybenzoesäure oder Salicylsäure ist wohlbekannt. Die Meta- und Para-Oxybenzoesäure sind aber, wie Weh- mer (7) für Hefe nachv/ies, erhebUch weniger giftig, ja weniger als die Benzoe- säure selbst. Bokorny (8) hat zahlreiche andere Belege für den Einfluß der Isomerie auf die physiologische Wirkung für Benzolderivate zusammen- gefaßt. Allgemeine Regeln haben sich jedoch bisher noch nicht heraus- gestellt (9). Im Anschlüsse seien die von True und Hunkel ermittelten Grenzwerte für die Hemmung des Wachstums von Lupinenwurzeln durch Phenole angeführt. Carbolsäure '/400 Mol pro Liter Pyrogallol, frische Lös. VigooMolproLit Carbolsäure + 1 NaOH V^no -, .. ■- „ alte Lösung 7ti4oe " '• + 1 NaCl V.oo ,. '. " Phloroglucin V^^o ,, ,, ,, + 2 NaCl V«0 V V „ Orthokresol '/goo ,- - .. + 3 NaCl V400-V800M0IP.L. + lNaOH V,o„ „ ., „ Pyrocatechol Vmo Mol pro Liter Metakresol Vsoo •' " " Resorcin V^OO V „ ., + lNaOH V«o - •• .. + 1 NaOH vi .. ,. .. Parakresol Vieoo " - " + 2 NaOH Vhoo " " V + 1 NaOH 'Aeoo ., n „ Hydrochinon 1/ /1600 " " " Carvacrol Vsjoo " '- " 1) H. Hammekl, Hyg. Rdsch., 9. 1017 (1899). C. N. Mc Bryde, Chem. Zentr. (1907), IJ, 1435. H. Schneider, Arch. Hyg., 67, 1 (1908). — 2) Thymol: L. Lewin, Zentr. med. Wiss. (1875), Nr. 21. C. Guillaumin, Bull. Sei. Pharm., 17, 373 (1910). E. W. Schmidt, Ztsch. physiol. Chem., 07, 412 (1910). — 3) Bo- korny, Chem.-Ztg., 20, 963 (1896). — 4) H. Bechhold, Ztsch. angewandt. Chem., 22, 2033 (1909). H. Schneider, Ztsch. Hyg., 52, 534 (1906). — 5) H. W. Harvey, Ann. of Botan., 23, 181 (1901). — 6) R. H. True u. C. G. Hunkel, Botan. Zentr., 76, 289 (1898). — 7) C. Wehmer, Chem.-Ztg. (1897), p. 73. - 8) Bokorny, Pflüg. Arch., 64, 306 (1896). — 9) Th. Carnelley u. W. Frew, Journ. Chem. Soc, 57* 636 (1890). Harvey, 1. c. 206 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Carvacrol + 1 NaOH 7»2oo ^^1 pro Liter Nitrobenzol 1:3200 Mol pro Liter Thymol V,2oo '. -' v Anisol 1:400 ,. „ ,. + lNaOH V,,oo M ., ,. Guajacol 1:800 „ „ „ Orthonitrophenol 7i,5oo m ., -> Orcin 1:400 „ „ „ „ +lNaOH 7,2«„ „ „ ,. Salicylsäure 1:6400 „ „ „ Paranitrophenol ]:6400., „ ,, Natriumsalicylat 1:100 bei 1:200 M. p. L. „ + 1 NaOH 1 : 6400 „ ,, „ Methylsalicvlat 1 : 1600 Mol pro Liter Trinitrophenol 1:3200 „ „ „ „ + INaOH 1:800 ., „ „ Reizwirkungen auf das Wachstum kommen auch dem Tannin und vielen Gerbstoffen zu, obgleich Tannin eine sehr gute Kohlenstoff quelle für Schimmelpilze darstellt, ebenso wie Gallussäure. Bacterien können schon durch 0,5 % Tannin stark gehemmt werden; Algen werden durch 1 % geschädigt, Kartoffeltriebe durch 0,5—2,5 % gehemmt (1). Wehmer (2) hebt hervor, daß das Wachstum von Merulius lacrimans durch 1 % Tannin gehemmt wird, woraus sich die Resistenz gerbstoffreicher Hölzer, wie Eichenholz, gegen den Hausschwamm erklären läßt. Anilinwasser (20%ig) hemmt Bacterienwachstum (3), während Acetanilid nur wenig wirksam ist (4). Saccharin hat wachstumshemmende Wirkungen ; es läßt zu 0,2 % noch Vermehrung der Essigbacterien zu und hemmt zu 1 % deren Wachs- tum, während für PeniciUium die Grenzkonzentration höher liegt (5). Phenyl- propiolsaures Natron wirkt zu 1 % stark bactericid (6). Cumarin und VanilHn hemmen das Wachstum von Weizenkeimhngen und diese Wirkung kann durch Oxydationswirkung von Bodenbestandteilen auf diese Stoffe aufgehoben werden (7). Chinon (Benzochinon) ist allgemein auch in starker Verdünnung sehr giftig (8). Maltol ist für Hefe schwach hemmend (9). Naphthalin, noch mehr a- und /5-Naphthol, wirken auf Bacterien sehr stark ein; a-Naphthol hemmt noch zu i/ioop^ ^i^^^'^^^^^^*^^^*^'^ ("'°)- Auch das naphtholsulfosaure Aluminium („Alumnol") hemmt Mikroben schon zu 0,01 %(11). Furfurol hemmt Hefe zu etwa 0,3% Grenzwert (12). Die Dämpfe von Pyridin und seinen Homologen sind für Bacterien sehr giftig(13), und auch Chinolin (0,2%ig) wirkt toxisch. Thalünsulfat hemmt zu 0,5% (14). Kaü-in und Antipyrin entfalten beide starke Reizwirkungen auf das Wachstum. Bei den Teerfarbstoffen tritt die enorme Adsorptionsfähigkeit zu den spezifischen chemischen Wirkungen der einzelnen Stoffe (Methylgrün, Methylviolett, Pyoctanin u. v. a.)- in dem Maße verstärkend auf, daß schon Verdünnungen von 1 : 1 Million Liter in längerer Zeit töten können. Dabei hat man in der fortschreitenden Färbung der Zellen oft ein be- quemes Mittel, um die tatsächliche Stoffaufnahme zu kontrollieren (15). Wie sehr die Adsorption hier in Betracht kommt, kann man dadurch zeigen, daß mehrwertige Ionen die Farbstofflösungen innerhalb be- 1) Walliczek, Zentr. Bakt., is, 891 (1894). G. Albo, Nuov. Giorn. bot. Ital., // (1904). — 2) C. Wehmer, Mycolog. Zentr., /, 138 (1912). — 3) Riedlin, Diss. (München 1887). — 4) Lepine, Just (1887), /, 380. — 5) Macheleidt, Woch.schr. Brauerei, 15, 365 (1898). — 6) Y. KozAi, Bull. Exp. Stat. Tokyo (1906), /, 1. — 7) O. Schreiner u. Skinner, Botan. Gaz., 54^ 32 (1912). — 8) T. Fu- BUTA, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 4, 407 (1902). — 9) Wii>L, Ztsch. ges. Brauwesen, 21, 307 (1898). — 10) Bouchard, Flügge, Mikroorganismen, /, 472. Maximowitsch, Compt. rend. (1888). — 11) Heintz u. Liebrecht, Ber. Chem. Ges., 25, 1158 (1892). — 12) Will, Ztsch. ges. Brauwesen, 25, 33 (1902). — 13) Falkenberq, Just (1891), p. 449. — 14) Schultz, Zentr. med. Wiss. (1886), p. 113. — 15) Vgl. Th. Bokorny, Pflüg. Arch., iio, 174 (1905); Chem.-Ztg., 30, 217 (1906); Zentr. Bakt. II, 35, 191 (1912). Grundlegend war Pfeffer, Unters. Bot. Inst. Tübingen, //. Für Tiereier vgl. E. Cooke u. L. Loeb, Biochem. Ztsch., 20, 167 (1909). S. G. Kriegler, Zentr. Bakt. I, 59, 481 (1912). C. Revis, Proceed. Roy. Soc, 85 B., 192. § 8. Wachstumsreize durch Kohlenstoffverbindungen. 207 stimmter Grenzen entgiften (1 ). Infolgedessen sind oberflächenaktive Farbstoffe sehr häufig, jedoch nicht immer von starker Wirkung; Zusatz von Natriumcarbonat verstärkt die Wirkung in manchen Fällen (2). Be- sonderes Interesse beanspruchen die von Tappeiner (3) aufgefundenen „photodynamischen Wirkungen" der fluorescierenden Farbstoffe, welche die Eigentümlichkeit zeigen, daß sie sich nur im Lichte äußern und im Dunklen ausbleiben. Zweifellos handelt es sich um Wirkungen, welche den „sensibilisierenden Effekten" fluorescierender Farbstoffe anzureihen sind (4). Da ferner Gegenwart von Sauerstoff eine unentbehrliche Be- dingung zum Zustandekommen der photodynamischen Wirkungen dar- stellt (5), so müssen Oxydationsprozesse bei diesen Effekten im Spiele sein. Protozoen (Paramaecium, Amoeba) sind zu solchen Versuchen ge- eigneter als Bacterien, Pilze oder Algen. Methylenblau, Eosin, Dichlor- anthracendisulfonsäure, anthrachinondisulfosaures Natron geben die Reak- tion am stärksten, in Lösungen von 1 Mol : 2000 — 10000 1. Es ist unbedingt nötig, den Farbstoff der Kulturflüssigkeit zuzusetzen, und es tritt keine Wirkung ein, wenn das Licht nur eine Schicht des betreffen- den Farbstoffes passiert (6). Hingegen ist, sobald gleichzeitig Farbstoff in der Kulturflüssigkeit vorhanden ist, die Lichtwirkung dieselbe, wenn man eine Schicht des Farbstoffes als Filter verwendet; Rubinglasfilter heben die Wirkung auf (7). Da Eosin bei Paramaecium die Wirkung äußerst rasch herbeiführt, so meint Tappeiner (8), daß bei diesem Farbstoffe schon eine Aufnahme in die äußersten Plasmaschichten ge- nüge; bei anderen Stoffen dauert die Sensibilisierung viel länger. Wenn zwei fluorescierende Farbstoffe gleichzeitig im Tierkörper ultravioletten Strahlen ausgesetzt werden, so können sich die Wirkungen entweder verstärken oder schwächen (9). Daß bei der kombinierten Wirkung mit Alkohol eine Verstärkung eintritt, wurde bereits erwähnt (10). Die Terpene und andere in ätherischen Ölen der Pflanzen ent- haltene Substanzen pflegen starke Reizwirkungen auf das Wachstum auszuüben. Terpentinöl hemmt schon zu V75000 (Koch), Terpentinhydrat zu 0,1 % nach Behring. l%ige Terpentinölemulsion hemmt stark. Aber auch Abietinsäure ist nach Effront (11) sehr merklich auf Mikroben wirk- sam. Bezüghch der ätherischen Öle stellte Coupin (12) Versuche an, indem er Weizenkeimlinge den Dämpfen dieser Stoffe aussetzte ; sowohl Stimulationen als Hemmungen, als auch rasche letale Effekte wurden beobachtet. Nach K0BERT(13) dürfte bei der antiseptischen Wirkung ätherischer Öle jedoch die Wirkung der Terpene nicht im Vordergrunde stehen. Übrigens gehen bei 1) Vgl. J. Szücs, Jahrb. wiss. Botan., 52, 85 (1912). — 2) J. Traube, Biochera. Ztsch., 42, 496 (1912); Deutsch, med. Woch.schr. (1912), Nr. 31. H. Töcherno- RUTZKY, Biochem. Ztsch., 46, 112 (1912). — 3) H. v. Tappeiner, Zentr. Physiol. (1900), p. 162; München, med. Woch.schr. (1900), p. 5; (1904), p. 1096; Arch. klin. Med., 82, 217 (1905); 86, 466 (1906); Ebenda, p. 478. Asher-Spiro, Ergebnisse d. Physiol., 8, 698 (1908). H. v. Tappeiner u. A. Jodlbauer, Die sensibil. Wirkung fluoresc. Subst. (Leipzig 1907). Tappeiner in Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth. III, 2, 1171 (1910). — 4) B. Hannes u. A. Jodlbauer, Biochem. Ztsch., 21, 110 (1909). O. Hänssen, Kgl. Akad. Kopenhagen (1908), p. 113. — 5) A. Jodlbauer u. v. Tappeiner, Arch. klin. Med., 82, 520 (1905). — 6) H. Huber, Arch. Hyg., 54, 52 (1905). — 7) E. Mettler, Ebenda, 53, 2 (1905). — 8) H. V. Tappeiner, Biochem. Ztsch., 12, 290 (1908). — 9) A. Perutz, Wien. klin. Wochschr. (1912), Nr. 2. — 10) J. Szücs u. B. Kisch, Ztsch. Biol., 5«, 558 (1912). — 11) J. Effront, Compt. rend. (22. April 1903). — 12) H. Coupin, Compt. rend., 151, 1066 (1910); 152, 529 (1911). — 13) K. Kobert, Chem. Zentr. (1907), /, 419; (1907), //, 1257. 208 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. ätherischen Ölen die narkotische (hemmende) und die bactericide (letale) Wirkung durchaus nicht immer parallel (1). Auf die ältere Detailhteratur (vgl. I.Auflage, 11,927) kann hier nicht eingegangen werden. Reizwirkungen von Kampfer, stimulierende Wirkungen auf die Keimung usw. sind schon seit geraumer Zeit bekannt (2). Senföl hemmt nach Koch Milzbrandbacillen bereits zu 1 : 330 000; auch Benzylsenföl ist sehr giftig (3). Unter den basischen organischen Stoffen wirken sehr viele als Wachstumsreize, vor allem die Pflanzenalkaloide. aber auch die Salze mancher aromatischer Amine (Diphenylamin, Naphthylamin), welche nach Lutz (4) recht giftig sind und kein Wachstum gestatten. Die Giftwir- kungen der natürlichen Pflanzenalkaloide können hier nur im allgemeinen behandelt werden, ohne auf die Spezialliteratur erschöpfend einzugehen. In der Eigenschaft bereits in hochgradiger Verdünnung binnen längerer Zeit zu wirken, verrät sich die ausgeprägte Adsorption dieser Stoffe durch die Zellsubstanzen. Wir werden es auch daher begreifen, wenn Gegenwart von Salzen, besonders mehrwertiger Metallionen die Alkaloid- wirkung merklich herabsetzt (5). Andererseits läßt sich durch Beigabe von Natriumcarbonat die Alkaloidwirkung in der Regel steigern (6). Dabei kommt einmal eine Erhöhung der Oberflächenaktivität, dann aber auch die starke Lipoidlöslichkeit der freigemachten Basen in Betracht. Da man vielfach diese Adsorptionseinflüsse nicht beachtet hat, so divergieren die Angaben der Grenzwerte in der Literatur. Immerhin kann man sagen, daß Chinin, Strychnin auf Bacterien stark wirken, ebenso Atropin, weniger Morphin. Nach Ssadikow(7) vertragen Staphylocokken und Schimmel- pilze 2% Strychnin, während andere gegen weniger als 0,5% nicht mehr resistent sind. Oft beobachtet man Verlust der Pigmentbildung und Hinderung der Gärwirkung. 1% essigsaures Strychnin tötet nach LoEW Sehimmelpilze noch nicht, in 1 % Morphinchlorhydrat findet noch Wachs- tum statt; die Conidien keimen nicht mehr in 0,25% salzsaurem Chinin. Daher kann es vorkommen, daß in manchen Alkaloidlösungen noch kümmerliche Mycelflocken ausgebildet werden. Für Euglena und Phacus ist 0,05% Strychninsalz erst nach längerer Zeit schädlich (8). Cocain und Veratrin sind allgemein heftig wirksam. Auf Vorticellen wirkt Strychnin am stärksten, dann Veratrin, Atropin, Cocain, am wenigsten Morphin (9). Zu beachten bleibt, daß der Lipoidgehalt der Zellen bei Verabreichung der typisch fettlöslichen Alkaloide ebensowenig außer Einfluß bleiben kann, wie bei der Narkose, und eventuell dürften individuelle Differenzen zwischen Zellen einer Kultur durch derartige Verhältnisse zu verstehen sein (10). Säuregegenwart schwächt die Alkaloidwirkungen wohl allgemein ab, während Alkaligegenwart dieselben erhöht (11). Die Wirkungen des viel untersuchten Chinin (12) sind nach Tappeiner (13) an 1) R. Greinftz, Sitz.ber. Naturf. Ges. Rostock, 4 (1912). — 2) R. Burger- STEix, Zoolog. Botan. Ges. Wien (1884). Landw. Versuchsptat. (1881), p. 1. — 3) Beijerinck, Zentr. Bakt. (1900), p. 72. — 4) L. Lutz, Ann. Sei. Nat. (7), /, (1899). — 5) M. V. EisLER u. L. v. Portheim, Biochem. Ztsch.. 21, 59 (1909) J. Szijcs, Jahrb. wiss. Botan., 52 (1913). — 6) H. Tschernorutzky, Biochem. Ztsch., 46, 112 (1912). J. Traube, Ebenda, 42, 470 (1912). — 7) W. Ssadikow, Zentr. Bakt., 60, 417 (1912). — 8) Klebs, Organisation einiger Flagellatengruppen (1883), p. 59. G. SCHWARTZ, Dii-9. (Erlangen 1897); Just (1897), /, 127. Bacterien: Ssadi- kow, Zentr. Bakt., 60, 417 (1911). —9) G. Ostermann, Arch. di Fisiol., /, 1 (1903). — 10) Prowazek, Arch. Protistenkunde, 18, Nr. 3 (1910). — 11) Prowazek, I.e. W. Wächter, Zentr. Bakt. II, 19, 176 (1907). — 12) Lit. Amöben: J. B.Thomas, Chem. Zentr. (1906), /, 863. Protisten: G. Anpchütz, Zentr. Bakt, 54. 43 (1910) — 13) v. Tappeiner, Chem. Zentr. <1S96). /, 70^. § 8. Wachstumsreize durch Kohlenstoffverbindungen. 209 den Chinolinkern gebunden, Chinin erzeugt im Plasma oft netzartige Fällungen, lipoidartige Tröpfchenausscheidungen nicht näher festgestellter Art [MoLDOVAN(l)], welche nach Boresch(2) durch Auswaschen mit Wasser wieder verschwinden können. Für höhere Pflanzen stellte schon Knop(3) fest, daß auf Mais Chinin, Strychnin, Cocain am meisten toxisch sind, während Morphin relativ schwach einwirkt. Phanerogamen- keimlinge werden durch geeignet niedrige Alkaloiddosen in ihrem Wachstum stimuliert (4). Strychnin hemmt zu 0,1—0,2%, Chinin tötet in der gleichen Dosis, Atropin u. a. sind in derselben Menge angewendet noch wenig wirksam (5). Das Protoplasma der Drosera-Tentakel wird nach Darwin durch Nicotin und Strychnin (1 : 437) getötet, nicht aber durch Morphin, Colchicin, Curare. Das Nicotin scheint selbst auf die Keimung von Nicotianasamen (welche alkaloidfrei sind) eine gewisse verzögernde Wirkung zu entfalten, so daß Immunität gegen Nicotin hier nicht vorliegt. Ebenso ist Atropa nicht immun gegen Atropin, und Solanum tuberosum nicht gegen Solanin (6). Welche Stoffe, die von Molisch (7) beschriebenen Schädigungen von Pflanzen durch Tabakrauch veranlassen, ist noch nicht näher bestimmt worden. Bei Papaversamen wurde Keimungsbeschleuni- gung durch Opiumalkaloide gefunden. Bei den Opiumalkaloiden ist es von Interesse, daß reines Morphin für sich anders wirkt, als in Gesell- schaft anderer Opiumbasen; Narcotin steigert stark, Papaverin nur wenig (8). Cocain wirkt nach Rotherts und meinen Erfahrungen auf Wurzelspitzen stark giftig ein, ohne daß Wirkungen zu beobachten wären, welche an die Anästhesierung tierischer Gewebe durch Cocainsalze er- innern würden. Deshalb sind die Berichte (9) über anästhesieartige Zu- stände bei der Behandlung thermonastischer Blüten von Crocus mit Cocain mit Vorsicht aufzunehmen. Berberin ist in 0,1 %iger Lösung auf Phanerogamen nur wenig wirksam (10). Die Alkaloidwirkungen lassen sich nach Coupin (11) auch an Pollenschläuchen gut studieren. Pikrotoxin fand Loew für niedere Organismen nicht toxisch. Gegen das Glucosid Ericolin sollen Tuber kelbacillen auffallend resistent sein (12). Manche chemischen Reizwirkungen sind noch zu wenig bekannt, um hier gewürdigt zu werden. Dies gilt einmal von den immer wieder bestätigten Befunden, welche von wachstumhemmenden thermolabilen, aber nicht spezifischen Stoffen in Pilzkulturflüssigkeiten berichten (13); die wirksamen Stoffe sind hier noch nicht näher definiert worden. Sodann hat man wieder- holt beobachtet, daß in gewissen Böden (Moorböden) adsorbierbare toxin- artige Stoffe vorhanden sind, die das Pflanzenwachstum hemmen (14). Sogar 1) J. MoLDOVAN, Biochem. Ztsch., 47, 421 (1912). — 2) Boresch, Unver- öffentlichte Beobachtungen im hiesigen Institut. — 3) Knop, Landw. Versuchsstat., 7, 463. Makcacci, Ann. Chim. Farm. (1887), — 4) H. B. Slade, Amer. Journ. Pharm., 78, 311 (1906). S. MoRGULis, Just (1909), /, 646. — 5) Cordier, Botan. Zentr., ///, 261 (1907). Über angebl. Wirkung des Strychnins auf Kernteilungsvor- gänge: H. P. Kemp, Ann. of Botan., 25, 1069 (1911). — 6) Ch. Cornevin, Compt. rend., 113, 274 (1891). DE TONl u. Mach, Influenza dalla nicotini (Parma 1893). Atropin: L. Lutz, Ann. Sei. Nat. Bot. (8), 7. 1 (1899). Solanin: J. Skinner, The Plant World, 75,253(1912). — 7) H. MoLiscH, Sitz.ber. Wien. Ak., 120, 1, 813 (1911); Zentr. Physiol. (1912), p. 110. Th. Bokorky, Chem.-Ztg., jö, 1050 (1912). — 8) H. Caesar, Biochem. Ztsch., 42, 316 (1912). — 9) F. Tassi, Just (1885), /, 27; (1886), p. 63. Macchi- ATi, Nuov. Giorn. Bot. Ital., 16, 332 (1884). — 10) M. Mosse u. K. Tautz, Ztsch. klin. Med., 43, III/IV (1901). — 11) H. Coupin, Compt. rend., 142, 841 (1906). — 12) F. W. TwoRT, Proceed. Roy. Soc. Lond., 81, B, 248 (1909). — 13) O. Lutz, Ann. Mycol. (1909), p. 91. J. TsüRü, Wien. klin. Rdsch. (1909), Nr. 50. E. Küster, Ber. Botan. Ges., 26, 246 (1908). EiJKMAK,' Zentr. Bakt. I, 37, 436 (1904). — 14) J. F.Breazeale, Botan. Gaz., 41, 54 (1906). A. Dachnowski, Ebenda, 46, 130 (1908); 47, 389 (1909). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 8. Aufl. 14 210 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Bacteriotoxine sollen durch Pflanzen aus dem Boden aufnehmbar sein (1). Endlich wäre auf die Reizwirkungen hinzuweisen, welche durch die Nähe der Wirtspflanze auf die Keimung der parasitischen Rhinanthaceen ausgeübt werden (2). §9. Chemische Reizerfolge auf die Form der Pflanze. Chemische Reizwirkungen auf das Wachstum treten niemals für sich allein auf, sondern werden stets von chemischen Reizerfolgen auf die verschiedensten anderweitigen Lebenstätigkeiten begleitet. Unter diesen Reizwirkungen nehmen formative Erfolge eine der wichtigsten Stellen ein. Alle Gestaltungsverhältnisse im Pflanzenkörper werden von den verschiedenartigsten chemischen Reizerfolgen diktiert und beherrscht, und für die moderne Physiologie bildet es eine der wichtigsten Aufgaben, das Wechselspiel der äußeren Reize festzustellen, die Größe und Nachhaltig- keit der einzelnen Reizreaktionen und deren gegenseitige Beeinflussung im lebenden Organismus, welcher zu jeder Zeit seine Fähigkeiten auf die äußeren Reize mit Reaktionen zu antworten, in selbstregulatorischer Art ausnützt. Für die botanische Physiologie haben Sachs und Pfeffer in ihren bekannten Handbüchern die maßgebende Bedeutung dieser Prinzipien zuerst geltend gemacht; in der Tierphysiologie ist seit den Untersuchungen von C. Herbst, Uexküll, Roux, J. Loeb, Davenport und anderer Forscher (3) die Wichtigkeit der formativen Reizwirkungen in vollem Umfange klargestellt worden. Auf die allgemeine Behandlung der formativen Reize kann hier nicht eingegangen werden; dies ist Sache der Reizphysiologie, auf deren Wichtigkeit für den Phytochemiker, welcher das Wesen des pflanzlichen Stoffwechsels von der richtigen Seite erfassen will, nicht eindringlich genug hingewiesen werden kann. Mit Sachs (4) können wir die forma- tiven chemischen Reizerfolge als Chemomorphosen den Photomorphosen, Barymorphosen usw. an die Seite stellen. Wir werden uns darüber klar sein müssen, daß es sich in den Chemomorphosen nicht um ein- zelne Stücke des W^erdeganges einer Pflanze handelt, sondern daß die ganze Entwicklung des Organismus von der Eizelle bis zum Tode einen ungeheuer mannigfaltig verlaufenden und komplizierten Komplex von Chemomorphosen darstellt, für die uns die einzeln zu beobachtenden formativen chemischen Reizerfolge nur leichter zu übersehende Studien- beispiele für verschiedene Lebensfunktionen liefern. Im gegenwärtigen Stande der Forschung vermißt man leider noch viel zu häufig die An- wendung exakter chemischer Methodik, was sich bei der Zusammen- fassung des reichen empirischen Materials in Zukunft sehr fühlbar machen dürfte. Die Bacterien werden hinsichtlich formativer chemischer Reizerfolge wohl noch näher zu prüfen sein, als es bisher geschehen ist. Vielleicht sind manche „Degenerations"- und „Involutionsformen" für die Physiologie interessanter als es gegenwärtig den Anschein hat. Erwähnt seien die auf- 1) Th. Kasparek, Verhandl, Ges. Naturf. (1907), II, 2, 580. — 2) A. Sper- LiCH, Ber. Botan. Ges., 26, 574 (1908). — 3) C. Herbst, Biolog. Zentr., 15, 721 (1895). Formative Reize in d. tier. Ontogenese (1901). J. v. Uexküll, Leitfaden i. d. Stud. d. exp. Biolog. d. Wassertiere (1905). H. Driesch in Ergebn. d. Physiol., 5, 62 (1906). — 4) J. Sachs, Flora (1893), p. 217; (1904), p. 215. § 9. Chemische Reizerfolge auf die Form der Pflanze. 211 fallenden Formänderungen von Bac. pestis u. a. durch Natriumchlorid (1), die von Beijerinck (2) in alternden Leuchtbacterienkulturen gefundenen Varianten, die Formveränderungen der Bacillen aus der Gruppe des Bac. mycoides bei wechselndem Nährsubstrat (3). Der Eintritt von Sporenbildung ist wohl ein durch Nahrungsmangel erfolgender chemischer Reizeffekt, welcher am besten der Encystierung niederer Lebewesen an die Seite zu stellen ist. Nach Klebs trifft dies auch bezüglich der Sporenerzeugung der Myxomyceten zu. Ein sehr reichhaltiges Material über formative chemische Reizerfolge haben die Pilze gehefert, in neuerer Zeit wesentlich an der Hand der Arbeiten von Klebs und dessen Schülern. Das älteste Beispiel von Chemomorphosen bei Pilzen ist die Ent- wicklung von Sproßmycel bei Mucorarten, welche bei submersem Wachstum in Zuckerlösung eintritt [1857, Bail (4)]. Nach Brefeld (5) ist es bei Mucor racemosus ein gewisses Maß von Kohlensäm'ekonzentration im Substrate, welches den chemischen Reiz zur Bildung kugehger Zellen und zur Sprossung abgibt. Für Mucor mucedo gibt Brefeld an, daß es in einem an Citronen- säure reichen Nährmedium zur Bildung kugeUg angeschwollener Zellen kommt. Bei den Hefearten selbst spielen, wie Hansen (6) und Klebs (7) nachgewiesen haben, unstreitig Übergänge von reichlicher Ernährung und üppigem Gedeihen der Zellen zu kärglicher Nahrungszufuhr bei der Sporen- bildung eine wichtige Rolle, und es ist bekanntermaßen ein sehr erfolgreicher Weg, um Hefen zur Bildung von Sporen zu bewegen, dieselben plötzUch aus besten Ernährungsbedingungen in nahrungsarmes Substrat zu bringen, wie es in den zumeist angewendeten Gipsblöcken z. B. geboten wird. Doch ist dies nur ein wichtiger Faktor von vielen, und Hansen selbst hat hervorgehoben, daß unter Umständen selbst wohlernährte, auf Nähr- gelatine wachsende Zellen an den Rändern der Vegetationen Sporenbildung eingehen können. Von hohem Interesse ist die Möglichkeit, durch gewisse Ernährungsverhältnisse Kulturen zu erhalten, weiche erbhch die Fähigkeit verloren haben, Sporen zu bilden („asporogene Rassen"). Hansen(8) gelang es, dies bei verschiedenen Saccharomyceten zu erreichen ; bei Saccharomycodes Ludwigii, einer ungemein leicht sporenbildenden T^t, kann man durch Umzüchten in zuckerhaltiger Nährlösung wieder die Neigung zur Sporen- bildung erwecken ; bei anderen Arten ist dies jedoch nicht möghch. Übrigens wurden auch asporogene Rassen von Bacterien erhalten. Durch Kultur von Bac. anthracis auf Gelatine mit etwas HCl oder Rosolsäure erreichte Behring (9) dieses Resultat, während Roux (10) dasselbe durch 8— 20 Teile Carbolsäure auf 10 000 Nährlösung erzielte. Hier ist also die durch den chemischen Reiz erteilte Induktion inhärent geworden. Die Conidienbildung scheint bei Pilzen durch chemische Reize häufig leichter gehemmt zu werden als das Wachstum, wodurch z. B. bei Asper- gillus, Penicillium durch den Conidienmangel äußerhch sehr auffällige formative Wirkungen hervorgerufen werden. Dies konstatierte Behring (11) auch bei der Sporenbildung von Milzbrandbacillen. Richards (12) erfuhr 1) T. MATzuscmTA, Ztsch. Hyg., 35, 495 (1901). — 2) Beijerinck, Arch. Nöerland (1901), p. 213. — 3) G. A. Nadson u. Adamovic, Zentr. Bakt., jo, 247; 31, 287 (1910). — 4) Bail, Über Hefe (1857), [Separ.]. — 5) Brefeld, Flora (1873), p. 385. — 6) E. Chr. Hansen, Compt. rend. Laborat. Carlsberg (1883) u. 5, 78 (1902). — 7) G. Klebs, Jahrb. wiss. Botan., 35, 94 (1900). — 8) E. Hansen, Chem. Zentr. (1890), /, 910; Zentr. Bakt. II, 5, 2 (1899). — 9) Behring, Ztsch. Hyg., 7 (1889). — 10) E. Roux, Ann. Inst. Pasteur, 4 (1890). — 11) Behring, Ztsch. Hyg., 6, 127 (1889). — 12) Richards, Jahrb. wies. Botan., 30, 665 (1897). 14* 212 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. bei seinen Untersuchungen über Wachstumsreize sehr häufig, wie leicht Aspergillus niger durch Schwermetallwirkung die Conidienbildung sistiert; Wehmer(I) gelangte bei Gitromyces zu ähnlichen Erfahrungen. Nach Yasuda (2) wird bei Aspergillus durch steigende Konzentration der Nähr- lösung die Conidienbildung verzögert; die conidientragenden Hyphen bleiben kürzer, die Conidien selbst kleiner und werden später schwarz als sonst. Bei Darreichung von Thiosulfat beobachtete Raciborski (3) an Asper- gillus außer dem Unterbleiben der Conidienbildung auffällige Anhäufung von Schwefeltropfen in den Hyphenenden. Formänderungen treten hier auch bei Darreichung von Chloroform, Jod und Jodverbindungen ein. Bei osmotisch wirksamen Stoffen hat man natürhch in allen Fällen die spezifischen lonen- wirkungen und Molekelwirkungen von den osmotischen Effekten streng zu sondern (4). Die sog. Coremienbildungen erzielte W. Wächter (S) bei Penicillium nur an bestimmten Formen, die aber unter fast allen Bedingungen Goremien bildeten. SCHOSTAKOWITSCH (6) befaßte sich mit verschiedenen Rußtaupilzen. Dematium pullulans, welches sonst ein hefeartiges Sproßmycel bildet, bringt in stark konzentrierten Zuckerlösungen ein Fadenmycel hervor. Bei Clado- sporium undHormodendron erhält man bei submerser Kultur keine Conidien, während Fumago auch untergetaucht Conidien produziert, sobald die Nährlösung zuckerhaltig ist. Thamnidium elegansLk.,einezierhcheMucorinee, vermag man nach Bachmann (7) durch bestimmte chemische Reizerfolge zur Bildung resp. Unterdrückung bestimmter Sporangienformen zu bringen. Nährsubstrate von relativ hohem N-Gehalt und relativ geringem Kohlen- hydrat- oder Fettgehalt erzeugen Pilzrasen, welche Endsporangien und Sporangiolen mit weniger Sporen besitzen. Sporangiolen mit vielen Sporen entstehen nur bei reichhcher Versorgung deß Pilzes mit Kohlenhydrat oder Fett. An Mortierella polycephala hat Dauphin (8) gleichfalls den Einfluß der Kohlenhydratnahrung auf die Art der Sporangien kennen gelernt. Auch die Ascusbildung von Morchella hängt von der Kohlenhydrat- ernährung ab (9). Botrytis cinerea bildet in organischen Säuren langfädige Formen, in Alkohol kurze gedrängte Fäden, in Glycerin (1 — 10%ig) sehr kleine Conidien oder Gruppen von Conidien (10). Die Morphosen von Pesta- lozzia bei verschiedener Ernährung hat Leininger(II) ußtersucht. Basidiobolus ranarum ist nach Raciborski (12) besonders reaktions- fähig gegen formative chemische Reize. Hier wurden in konzentrierten Nährlösungen mehr kugehge Zellen erzielt, in 10%igem Glycerin eigentüm- Hche riesenzellenartige Bildungen und enorme Wandverdickungen. Letztere entstehen auch in verdünnteren Medien bei Darreichung mancher Am- moniaksalze oder Kohlenhydrate. In Traubenzucker + Salmiak oder Am- moniumsulfat waren sehr reichhch palmellaartige Bildungen zu beobachten. Bei Gegenwart von Fructose sind die Palmellaformationen nur spärhch. 1) Wehmer, Beitr. z. Kenntn. einheira. Pilze, /, 67 (1893). — 2) A. Yäsuda, Bot. Mag. Tokyo, 13, Nr. 149 (1899). — 3) M. Raciborski, BuU. Acad. Cracovie (Dez. 190.5). — 4) J. Beaüverie, Rev. gön. Botan., 23, 212 (1912), über Form- und Strukturänderungen durch osmotische Einflüsse. — 5) W. Wächter, Jahrb. wiss. Botan., 48, 521 (1910). — 6) W. Schostakowitsch, Flora, Erg.-Bd. (1895), p. 362. — 7) J. Bachmann, Botan. Ztg. (1895), /, 107. — 8) J. Dauphin, Compt. rend., 139, 482 (1904); Ebenda, 141, 533 (1905). Über Mucorineen auch B. Namyslowski, Anzeig. Akad. Krakau (1910), B, p. 477. — 9) G. Frow, Compt. rend., 140, 1187. MoLLiARD. Ebenda, p. 1146. Repin, Ebenda, p. 1274 (1905). — 10) Gy. de Ist- VÄNFFI, Ann. Inst. Amp^Iol. Hongr. Budapest, 3, 183 (1905). — 11) H. Leininger, .Zentr. Bakt., 2g, 3 (1911). — 12) M. Raciborski, Flora (1896), p. 110. § 9. Chemische Reizerfolge auf die Form der Pflanze. 213 Bei Eurotium repens hängt nach Klebs (1) die Bildung der Conidien- träger sehr von der Quantität und Quahtät bestimmter Nährstoffe ab, besonders ist eine gewisse Zuckerkonzentration oder ein gewisser Kohlen- hydratreichtum des Substrates erforderlich. Man kann aber die Schwelle der Konzentration auch durch Zusatz mancher Salze (KNO3, NaNOg, NaCl) herabdrücken, so daß der Pilz bereits in verdünnteren Zuckerlösungen reichUch fruktifi ziert. Die Meinung von Klebs geht dahin, daß es sich hier um osmotische Reizwirkungen der erwähnten Salze handelt. Die Peri- thecienbildung ist an reichüchere Ernährung geknüpft als die Gonidien- bildung. ^ Die meisten Perithecien erscheinen in 20%igem Traubenzucker. Mucor racemosus zeigt nach Klebs (1. c. p. 492) bezüglich der Gestaltung seiner Sporangienträger deuthchen Einfluß der Konzentration der Zucker- lösung; die Verzweigung der Fruchtträger ist in verdünnteren Lösungen rispig, in konzentrierteren doldig-traubig. Die Dicke der Mycelfäden variiert ebenfalls mit der Beschaffenheit der Nährlösung. In 3%iger Citronensäure (besonders bei Zutat von etwas Pflaumensaft) entstehen aus den Sporen blasenförmige Riesenzellen. Auch die Bildung der Gemmen und Chlamydo- sporen wird außer durch die Temperatur durch Qualität und Quantität der Nährstoffe beeinflußt. Schostakowitsch (2) sah, daß Mucor prohferus auf gekochtem Pflaumenfleische kultiviert, niedrige, im Aussehen der Sporangienträger sehr an Pilobolus erinnernde Vegetationen bildet; auf 3.% Asparagin + 10% Glycerin + 1% Mineralsalzen bleiben die Rasen niedrig und die Sporen keimen schon innerhalb des Sporangiunis aus. Sehr instruktiv sind die Ermittelungen von Klebs (3) über die che- mischen Reizerfolge auf Ausbildung von Sporangien und Zygoten bei Sporo- dinia grandis. Stickstoff reiche Substrate begünstigen die Sporangienbildung, während die Zygotenbildung besonders durch Zucker und Kohlenhydrate unterstützt wird, allerdings nicht in gleicher Weise, wie die nachstehenden Angaben zeigen: Nur Sporangien auf: Arabinose, Rhamnose, Sorbit, Sorbose, Milch- zucker, Raffinose, Inuhn, Glykogen. Zygotenbildung auf: Mannit, Dulcit, d-Glucose, Fructose, Galactose, Maltose, Rohrzucker, Dextrin. Es können denmach stereoisomere Zucker und Hexite ganz ver- schieden wirken, wobei allerdings die allgemeine bessere Nährtauglichkeit der Wirkung auf Zygotenbildung ziemhch parallel zu gehen scheint. Über- dies sind auch die optimalen Konzentrationen für die einzelnen Stoffe nicht gleich, und für Traubenzucker und Dulcit wurden die niedrigsten Optima (^ — 1 %) gefunden. Ferner wirken die Zygotenbildung begünstigenden Kohlenhydrate nicht im Vereine mit behebigen Stickstoff quellen; so war Rohrzucker (3%ig) wohl mit 2%igem Asparagin, KNO3, NH4NO3, Harn- säure wirksam, aber nicht mit Tyrosin, Leucin, Harnstoff, Kreatin u. a. FYeie Säure im Überschuß, besonders wenn das Anion nicht als G- Quelle taugUch ist, hemmt die Zygotenbildung. Bei Saprolegnia mixta zeigte Klebs (4), wie die Zoosporenbildung als Reizeffekt bei plötzHcher Nahrungsentziehung auftritt; in stetig er- neuerter Nährlösung bleibt das Mycel steril. Eiweißstoffe wirken hier sehr günstig auf das Mycelwachstum und gestatten dementsprechend erst in 1) G. Klebs, Beding, d. Fortpflanzung b. einigen Algen u. Pilzen, p. 446 (1896). — 2) Schostakowitsch. Flora (1897), Erg.-Bd., p. 88. — 3) Klebs, Jahrb. wiss. Botan., J2, I (1898); Botan. Ztg. (1902). 2, 177. Auch R. Faixk, Cohns Beitr. Biol., 8, II, 213 (1901). — 4) Klebs, Jahrb. wiss. Botan., 33, IV (1899). Vgl. auch ebenda, 35, I (1900). 214 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. sehr starker Verdünnung Zoosporenbildung. Analog wirkt Gelatine, und auch die Aminosäuren gestatten um so weniger Zoosporenbildung, je besser sie in ihrem Nähreffekte sind; die Zoosporenbildung erfolgt noch in 0,l%igem GlykokoU und 0,005%igem Leucin. In Kohlenhydratlösungen hört die Zoosporenbildung erst bei viel höheren Konzentrationen auf (5%igeSaccha- rose). Nach längerem Aufenthalte in guten Nährlösungen, wenn viele Stoff- wechselendprodukte im Substrate angesammelt sind, oder schon bei kürzerem Aufenthalte in Flüssigkeiten von minder großem Nährwert (N -Armut) ist das Mycel nicht mehr so befähigt, mit Zoosporenbildung zu reagieren. Geringe Giftmengen schädigen die Zoosporenbildung früher als das Wachs- tum. Auch Oogonien bildet Saprolegnia bei beständiger Zufuhr frischer Nahrung nicht aus. In nahrungsarme Medien versetzt, sclireitet jedoch ein kräftiges Mycel binnen wenigen Tagen zur Oogonienbildung. Am besten verwendet man zur Erzielung der Oogonien gute Nährlösungen in Konzen- trationen, welche Zoosporenbildung nicht mehr gestatten. Besonders Phos- phate reizen kräftig zur Oogonienbildung; ja Antheridien bilden sich in phosphatarmen Nährlösungen überhaupt nicht aus. Ausgezeichnete Anthe- ridienproduktion wurde auf reinen Hämoglobinlösun. — 8) Schmiedeberg in Miescher, Histochem. u. physiol. Arbeit, 2, 386 (1897). § 10. Chemische Reizerfolge beim Befruchtungsvorgange. 221 wägung gezogen, ob nicht die chemische Reizwirkung des Sperma auf solchen Stoffen beruht. Loeb sieht in der autokatalytischen Natur der Kernmaterialbildung die Ursache der Weiterentwicklung. Lange Zeit bevoi- die Identität der Hauptmasse der Chromosomen mit Nuclein ausgesprochen war(l), hatte bereits Sachs (2) 1882 die Ansicht verfochten, daß die Befruchtung auf Nucleinzufuhr zur Eizelle hinauslaufe. Später wurde jedoch die 1887 von Hertwig (3) gemachte und von Boveri(4) aus- gebaute Beobachtung bedeutungsvoll, daß kernlose Fragmente der Ei- zelle durch Sperma zur Furchung angeregt werden können und völlig normale Embryonen liefern. Da nunmehr die Kernverschmelzung nicht mehr als zum Befruchtungseffekt unentbehrlich gelten konnte, nahm BovERi an, daß das Centrosom der Spermazelle das leitende Agens bei der Weiterentwicklung darstellt. In Fällen von Parthenogenesis muß das Centrosom aber aus dem Cytoplasma der Eizelle neu entstehen und seine Funktion in analoger Weise antreten. Für uns hier haben die Effekte der Vereinigung des Sperma mit kernlosen Eizellfragmenten, welche später noch von Delaqe(5) als „Merogonie", von Rawitz(6) als „Ephebogenesis" beschrieben worden sind, jedenfalls die Bedeutung, daß Reaktionen zwischen männlichen Kernsubstanzen und weiblichen Kernsubstanzen zur Befruchtung nicht notwendig stattfinden müssen. Hertwig (7) gelang es sodann, zu zeigen, daß Vorbehandlung des Sperma mit Radiumstrahlen, Anilinfarben, Sublimat, Alkohol usw. die Spermatozoen zwar noch zur wirksamen Vereinigung mit der Eizelle befähigt, daß jedoch die weitere Embryonalentwicklung nicht ungestört verläuft. Verwandte Erfahrungen machte Mac Clendon durch Anwen- dung osmotischer, chemischer und mechanischer Reize (8). Vielleicht wird es auf diesem Wege gelingen experimentell bis zu einem gewissen Grade die Prozesse bei der ersten Embryonalentwicklung zu analysieren. Eine weitere wichtige Seite des so überaus interessanten Be- fruchtungsproblems ist die Spezifität der Spermawirkung auf die Eizelle derselben Art oder höchstens sehr nahe verwandter Species. Für die Tatsache, daß fremdes Sperma unwirksam ist, sind die schönen Unter- suchungen von Dungern (9) von Bedeutung, welche feststellten, daß die Spermatozoen von Seeigelarten ihre Bewegungsfähigkeit sofort einbüßen, wenn man ihnen eine genügende Menge Seestern-Eisubstanz darreicht. Diese Gifte sind keine durch Hitze leicht zerstörbaren Stoffe ; sie werden durch Stoffe des normalen Kaninchenserums wie Toxine durch Anti- toxine gebunden und unwirksam gemacht. Man kann in der Tat denn auch hier und da nach Zusatz von Seeigelspermatozoen und Kaninchen- serum zu Asteriaseiern an letzteren einige Zellteilungen wahrnehmen, ohne daß aber ein richtiger Bastardierungseffekt zutage treten würde. Das Asteriasgift ist übrigens auch im Hautschleim dieses Seesternes 1) KossEL, Arch. Anat. u. PhysioL (1893), p. 158. — 2) J. Sachs, Vorles. üb. Pflanzenphysiol., 1. Aufl., p. 943 (1882). — 3) O. u. R. Hertwig, Jenaische Ztsch. Naturwiss., 20, 120 (1887); Ebenda, p. 477. — 4) Th. Boveri, Sitz.ber. Ges. Morph. Phys. München, 5, 73 (1889). — B) Y. Delage, Compt. rend., 127, 528 (1898); Arch. Zool. Exp. (3), 7, 383, 511 (1899). — 6) P. Rawitz, Arch. Entwickl.- mech., 12, 454 (1901). Winkler, 1. c. (1901), erzielte Merogonie bei Cystosira bar- bata: bisher der einzige Fall auf botanischem Gebiete. — 7) O. Hertwig, Berlin. Ak. (1912), p. 554. O., G. u. P. Hertwig, Arch. mikrosk. Anat., 77, 97, 165, 301; 79, 201 (1912). — 8) J. F. Mac Clendon, Amer. Journ. PhysioL, 29, 289 (1912). — 9) E. V. Düngern, Ztsch. allgem. PhysioL, /, 34 (1901). 222 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. enthalten. Nach v. Dungern enthalten die Seesterneier in ihrem Plasma aber auch Agglutinine, welche auf Seeigelspermatozoen wirken und auf das eigene Sperma wirkungslos sind; schließlich sollen in den Eiern Stoffe vorhanden sein, welche die Reaktionsfähigkeit der eigenen Sper- matozoen etwas herabsetzen, so daß sie auf verschiedene Bewegungs- reize nicht so stark reagieren wie fremdes Sperma: dadurch werden die eigenen Spermatozoen eher in die Lage versetzt, ohne Ablenkung auf die Eizelle zuzueilen, während die fremden leicht abgelenkt werden können. Nun ist aber die wirkliche Befruchtung von Seeigeleiern mit Seesternsperma experimentell tatsächlich möglich, wie durch Loeb(1) gezeigt wurde. Loeb stellte zunächst fest, daß Eier von Strongylo- centrotus mit dem eigenen Samen nur dann künstlich befruchtet werden können, wenn eine geringe Konzentration von OH-Ionen geboten wird. Man nimmt Seewasser oder van 't HoFFsche Lösung [100 Grammmolekel NaCl, 7,8 MgClg, 3,8 MgSO^, 2,2 KCl, 2,0 CaClg in der Konzentration von 0,5 Mol per Liter] mit 0,1 — 0,2 ccm Vio-Normal-NaOH oder 0,4—2,0 ccm Vs Mol NaHCOg auf 100 ccm Lösungsmittel. Steigert man aber die OH - Konzentration auf 0,3 — 0,4 ccm Yio^Normal-NaOH, so sind die Eier gegen eigenes Sperma immun, lassen sich jedoch durch Asteriassperma erfolg- reich befruchten. Die entstehenden Larven sind, ähnlich wie die partheno- genetisch gebildeten, kurzlebig und nicht widerstandsfähig. Die normale Befruchtung scheint demnach Bedingungen zur Erzielung erhöhter Resi- stenz zu schaffen. Übrigens haben Versuche von Rondeau-Luzeau (2) auch für unbefruchtete Froscheier ergeben, daß Veränderungen in der umgebenden Flüssigkeit auf dieselben weit energischer wirken, als auf befruchtete Eier. Unerläßlich für die Befruchtung fand Loeb die Ka- tionen Ca und Na, von Anionen Cl und OH; die übrigen Bestandteile der VAN 'T HoFFschen Lösung kann man ohne Schaden weglassen. Auch Hertwig konnte durch Radiumbestrahlung die Fähigkeit zur wirk- samen Befruchtung artverschiedener Sexualzellen in manchen Fällen wesentHch erhöhen. Wie man sieht, bietet die junge „Biochemie des Befruchtungs- vorganges" bereits eine Fülle anregender Probleme, welche uns ein viel besseres Verständnis der biologischen Bedeutung der Befruchtung^ zu verschaffen bestimmt sind, als es bisher durch die einseitige mor- phologische Bearbeitung geliefert werden konnte. Daß zur weiteren erfolgreichen Fragestellung aber morphologische und physiologisch- chemische Methodik Hand in Hand herangezogen werden müssen, halte ich allerdings für unerläßlich. § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, eine eingehende Behand- lung der chemischen Reizerfolge, die als Reaktionsbewegungen vou Pflanzen zutage treten, nach dem Stande der modernen Physiologie zu liefern, da die chemische Methodik bisher nicht in allen Gebieten dieses reizphysiologischen Themas anwendbar war und sich eigentlich bisher darauf beschränkt hat, gesetzmäßige Beziehungen zwischen der Natur 1) J. Loeb, Pflüg. Arch., gg, 323 (1903); Univ. C.iliforn. Publ. Physiol., /, Nr. 11, p. 83 (1904); 2, 83 (1905). Vgl. auch O. Herbst, Mitteil. zool. Stat. Neapel. i6, 445 (1904). — 2) Rondeau-Luzeau, C. r. Soc, Biol., 5J, 433 (1901). § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. 223 der Reizursache als chemischen Stoff und dem physiologischen Reaktions- erfolg auszumitteln. Zum guten Teile bringt unsere Schilderung nur Hinweise über Dinge, welche experimenteller Bearbeitung bereits fähig sind, derselben aber leider noch völlig entbehren. Die durch chemische Faktoren bedingten Reizbewegungen sind hier nach ihrer äußeren Er- scheinungsform zu gliedern, und wir werden dasjenige, was von Krüm- mungsbewegungen ohne Orientierung zur Reizursache (chemonastische Reizbewegungen), Krümmungsbewegungen, welche durch Längenwachstum in bestimmter Orientierung zur Reizquelle erfolgen (Chemotropismus), ferner dasjenige, was von Ortsveränderungen freibeweglicher Pflanzen durch chemische Reize (Chemotaxis) usw. zu sagen ist, in Einzeldarstel- lungen hier anzufügen haben. 1. Chemische Reizwirkungen an den Tentakeln der Drosera- blätter und andere chemische Reizerfolge bei Insectivoren. Bekanntlich werden die Einkrümmungsbewegungen der Fangorgane an den Blättern des Sonnentaues durch verschiedene Reizursachen in sehr gleichartiger äußerer Erscheinung ausgelöst, und es scheint, als ob die Krümmung, ähn- hch wie es dm-ch Fitting für Ranken gezeigt worden ist, durch Wachstums- vorgänge vermittelt wird. Darwin (Insectivorous Plants, 1875) hat zuerst sehr ausführ hch bewiesen, wie verschiedene chemische Reize eine intensive Einkrümmung der Tentakel erzeugen. Er bewies auch, daß die Auf- nahme oder Perception des Reizes im Köpfchen der Tentakel, ebenso wie bei mechanischer Reizung geschieht, und schied im übrigen scharf die chemische und die Kontaktreizbarkeit der Fangorgane. Die chemische Reiz- barkeit ist außerordenthch groß und intensiv. Ein Milchtröpfchen bringt nach 45 Minuten die Einkrümmung hervor ; von Ammoniaksalzen reichten außerordenthch geringe Mengen zur Erzielung des Reizeffektes hin, so daß ein Tröpfchen von Ammoniumphosphat von 3 Milhonstel Milhgramm Salzgehalt noch starke Wirkung auslöste. Die Empfindhchkeit gegen einige Ammoniumsalze bei verschiedener Apphkation illustrieren nachstehende Versuchsergebnisse Darwins: Es waren wirksam in Milhgramm: Ammonium- Ammonium- Ammonium- Carbonat Nitrat Phosphat Auf die Drüsen der Scheibe gebracht, so daß die äußeren Tentakel indirekt beeinflußt wurden 0,0675 0,0270 0,0169 Einige Sekunden lang direkt den Drüsen äußerer Tentakel dargereicht .... 0,00445 0,0025 0,000423 Das Blatt eingetaucht und Zeit gelassen zur Absorption 0,00024 0,0000937 0,00000328 Die von einer Drüse absorbierte Menge, die zur Erzeugung der Aggregation in den Nachbarzellen hinreichte . . . 0,00048 Größere Mengen von Ammoniumsalzen können schädhch wirken. Als wirksame Reizstoffe stellte Darwin (1. c, p. 156) außerdem folgende fest: NaaCOg, NaNOg, Na2S04, NaH2P04, Na-Citrat, -Oxalat, NaCl, NaJ, NaBr; Kahumoxalat, LiaCOg, CsCl, AgNOg, CdCla, HgClg, AlClg, AuClg, SnCla, Brechweinstein, AsgOg, FeClg, CrOg, CuClg, NiClg, PtCl4. Unwirksam waren: KgCOg, KNOg, K2SO4, KH2PO4, K-Citrat, KCl, KBr, KJ, Li-Acetat, RbCl, Ca-Acetat, Ca(N03)2, Mg-Acetat, Mg(N03)2, MgClg, Baryt- und Strontiumsalze, ZnClg, PbCl2, Alaun, MnClg, C0CI3. 224 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Da seit Darwins Untersuchungen die chemische Reizbarkeit der Drosera überhaupt nicht mehr mit genügender Ausführhchkeit und Rück- sicht auf die neuere Chemie studiert worden ist, so wäre es eine ebenso lohnende als wünschenswerte Aufgabe, diese Ergebnisse zu erweitern und kritisch zu prüfen. Von Interesse ist in Darwins Angaben die Wirksamkeit des Na-Ions und die Unwirksamkeit des K-Ions. Ferner der Befund, daß die allermeisten Säuren stark verdünnt intensive Reizwirkungen ausüben, woraus eine Wirkung des H-Ions zu erschüeßen wäre. Doch fehlen hier überall Versuche mit äquivalenten Konzentrationen. Bei Darwin sind aber auch etwa existierende hemmende Wirkungen nicht genügend berücksichtigt, und es wurde erst durch Correns (1) das (bereits Darwin in den Tatsachen bekannt gewesene) Vermögen von Kalksalzen klar festgestellt, die chemische Reizbarkeit der Droseratentakcl aufzuheben. Läßt man die Blätter in 0,l%igem Calciumnitrat einige Zeit liegen, so reagieren sie nicht mehr auf so starke Reizmittel, wie Ammoniumphosphat. Es wäre zu prüfen, ob mehr- wertige Ionen allgemein diese Wirkung zeigen und ob nicht die Aufnahme des Ammoniumsalzes durch diese Ionen gehemmt wird. Narkotica wirken hem- mend. In Darwins Ergebnissen tritt ferner eine Reizwirkung vieler Metallgifte zutage. Einbiegung der Tentakel verursachen aber auch viele Alkaloid- salze, wie jene des Strychnin, Chinin, Nicotin; auch Curare war wirksam. Als unwirksam zeigte sich essigsaures Morphin, Atropin, Veratrin, Colchicin und auch Coffein. Digitahn wirkte als Reizstoff, ebenso Kampfer- und Kümmelölemulsion. Unwirksam waren Nelkenöl und Terpentinöl. Glycerin bewirkte Einkrümmung Die Bewegungen der Tentakel, welche auf Be- rührung mit festem Eiweiß hin erfolgen, sind sowohl durch mechanische Reizung wie durch chemische Ursachen bedingt; letztere kommen durch Entstehung peptischer Verdauungsprodukte unter dem Einflüsse des Drüsen- köpfchensekretes hinzu. In dem von Morren (2) untersuchten Falle von Drosera pinnata Labill, scheint das Blatt ohne gleichzeitige chemische Reizung durch den Fremdkörper gegen rein mechanische Reizung über- haupt nicht zu reagieren. Dionaeablätter kann man nach den Erfahrungen Darwins (1. c, p. 265) durch mäßig konzentrierte Zuckerlösung zum Zu- sammenklappen anregen. Übrigens ist hier die Reizbewegung nach bloß chemischer Reizung durch Absorption geeigneter Substanzen durch die Drüschen bedeutend träger, als die bekannte Reaktion, welche auf Be- rührung der Filamente hin erfolgt. Über die chemischen Reizerfolge bei den Blättern von Drosophyllum lusitanicum hat nach Darwins Untersuchungen besonders DEwi:VRE (3) eine Reihe weiterer Erfahrungen gesammelt. 2. Die chemonastischen Reizbewegungen der Ranken hat zuerst Correns (4) völhg außer Zweifel gerückt. Es handelt sich um Einkrümmungen in einer durch die Struktur und Symmetrie des Organs bestimmten Weise, gleichviel, ob der Reiz diffus oder auf irgend einer Flanke einwirkt. Bei Drosera fanden wir ganz analoge Reizerfolge. Bei den Ranken wird die Reizreaktion nach Fittings Feststellungen sicher durch Wachstumsvorgänge vermittelt. Nach Correns lassen sich Ranken von Sicyos, Cyclanthera sehr gut mit verdünnter Jodlösung reizen, ohne daß Schädigung eintreten muß. Die Ranken empfinden noch eine Konzentration von 0,00155 % Jod. Wirksam 1) C. E. Correns, Botan. Ztg. (1896), /, 25. — 2) E. Morren, Bull. Acad. Roy. Belg. (II), 40, 10 (1875). — 3) A, Dewevre, Ann. Sei. Nat. Bot. (8), /, 19 (1896). — 4) Correns, 1. c, p. 14. § 11 Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. 225 sind auch 2%ige Essigsäure, 20 Sekunden langes Verweilen in absolutem Alkohol, l%ige arsenige Säure, Ammoniakdämpfe oder 10%iges Chloroform- wasser. Von früheren Beobachtungen sei erwähnt, daß schon Mohl(1) bei Pisumranken geringe Einkrümmungen nach leichtem Bestreichen mit Salz- säure, Opiumlösung oder arseniger Säure beobachtete, und daß E. G. MÜLLER (2) Einrollung von Cucurbitaceenranken sah, wenn er die Organe in sehr verdünnte Lösungen von Essigsäure, Kahlauge oder Jod brachte. 3. Chemische Reizerfolge bei Mimosa sind besonders hinsicht- lich der Starrezustände festgestellt, welche nach Einwirkung von Anästhe- ticis oder nach Sauerstoffentziehung auftreten. Dies ist sehr ausführhch in den Handbüchern der Physiologie behandelt und braucht hier nur kurz erwähnt zu werden. Krutitzky (3) apphzierte durch Einschnitte in die Blattkissen auch Cocainlösungen, und sah, daß die dem operierten Blatt- polster benachbarten Fiedern ihre Reizempfindhchkeit gegen Kontakt verloren. Nähere kritische Analysen dieser Erscheinung wurden jedoch kaum geliefert. Man kann die chemischen Reizerscheinungen bei Mimosa nach der von Pfeffer vorgeschlagenen Nomenklatur als „Chemonastie von Blättern" zusammenfassen. Hierher gehören auch die von Wächter (4) und von Mo- lisch (5) beschriebenen unter dem Einflüsse von differenten gasförmigen und flüchtigen Stoffen auftretenden Einkrümmungsbewegungen an Blättern. 4. Chemotropismus ist die Bezeichnung für die (in der Regel durch Längenwachstumsprozesse vermittelten) Krümmungen, welche zu einer Orientierung des Organes zur Diffusionsrichtung des Reizstoffes führen. Diese Krümmungen können positiv chemotropisch sein, d. h. zum Hinwenden und Hinwachsen gegen den diffundierenden Stoff führen, oder als negativer Chemotropismus das Organ nach der Richtung der Konzentrationsabnahme lenken. Wie bei allen Tropismen handelt es sich um Unterschiedsempfind- hchkeit und Wahrnehmung von Konzentrationsdifferenzen von einem be- stimmten Minimum angefangen. Auf den Chemotropismus von Pilzhyphen hat Büsgen(6) aufmerksam gemacht, als er darauf hinwies, daß beim Eindringen parasitischer Pilze in die Wirtspflanze chemische Reizung und Reizkrümmungen der Keim- hyphen eine Rolle spielen dürften. Nach den experimentellen Studien von Pfeffer und Miyoshi (7) kann man die chemische Anlockung der Pilz- hyphen verfolgen, wenn man Blattstückchen unter der Luftpumpe mit Zuckerlösung injiciert und dann darauf Botrytis-Conidien zur Aussaat bringt. Die Keimhyphen wachsen dann sämthch auf die Spaltöffnungen zu, welchen der osmotische Zuckerstrom entquillt. Arilockend wirken auch Ammonium- phosphat, Dextrin, Fleischextrakt, Lecithin, Asparagin, während alle Säuren und Alkalien, ferner Alkohol, Weinstein, KCIO3, KNO3, KCl, NaCl, Ca(N03)2, MgS04 repulsiv wirken. Bei der durch Miyoshi näher studierten Durch- bohrung dünner Häutchen durch Pilzhyphen spielt Chemotropismus als ein die Wachstumsrichtung anweisender Faktor eine wesentliche Rolle. Daß Anlockungswirkungen für Pilzhyphen in vielen anderen Fällen fehlen, scheint aus den Erfahrungen Fultons (8) hervorzifgehen, welcher nur 1) H. MoHL, Bau u. Winden d. Banken (1827), p. 66. — 2) E. G. O. MÜLLER, Cohns Beitr. Biol., 4, 108. — 3) P. Krutitzky, Script. Hort. PetropoL, //, 1 (1887). — 4) W. Wächter, Ber. Botan. Ges., 23, 379 (1905). — 5) H. Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak. (1911) — 6) M. Büsgen, Botan. Ztg. (1893), /, 53. — 7) W. Pfeffer, Ber. Kgl. Sachs. Ges. (1893). M. Miyoshi, Botan. Ztg. (1894), /, 1; Jahrb. wiss. Botan., 28, 269 (1895). — 8) H. F. Fulton, Botan. Gaz., 41, 81 (1906). Czapek, Biochemie der Pflanzen. 3. Aufl. 35 226 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. trophische Wachstumsbeeinflussung durch einseitig dargebotene Nährstoffe fand. Eine Anlockung von Keimhyphen (Mucorineen) durch Sauerstoff konstatierte La Garde (1) im hiesigen Laboratorium. Die Fruchtträger von Mucor, Phycomyces u. a. sind nach den übereinstimmenden Angaben ver- schiedener Beobachter (2) nicht chemotropisch reizbar. Nachdem Strasburger (3) an die Wahrscheinüchkeit erinnert hatte, daß die Lenkung des Pollenschlauches in das Leitungsgewebe des Griffels durch chemische Reize bedingt werde, wiesen Correns (4) und Molisch (5) gleichzeitig nach, daß die Pollenschläuche wirklich chemotropisch reizbar sind. Die wirksamen Stoffe wurden später von Miyoshi (6) näher definiert. Sehr gut wirkt 0,25 — l,0%ige Rohrzuckerlösung, auch Traubenzucker und Dextrin, weniger gut Fructose und Lactose. Von den chemotropischen Erscheinungen bei wachsenden Phanero- gamenwurzeln kennt man die Anlockung und Repulsion durch verschiedene Gase am längsten. Molisch (7), welcher diese Tropismen zuerst genauer verfolgte, bezeichnete diese Krümmungen als Aerotropismus. Ohne weiteres läßt sich feststellen, daß sich Wurzehi in Wasser wachsend nach der Seite des größeren Sauerstoffgehaltes hinkrümmen, ebenso auch in sauerstoffarmer Luft nach jener Seite, von welcher ein Strom O-reicherer Luft auf die Wurzeln hindiffundiert. Die tatsächhche Existenz eines Wurzelaerotropismus kann auch nach neueren Feststellungen nicht bezweifelt werden (8) und die Ver- suche, diese Erscheinungen durch Hydrotropismus zu erklären, sind wohl als widerlegt zu bezeichnen (9). Repulsion wurde beobachtet, wenn einseitig eine genügende Konzentration von GOg, Äther- oder Kampferdampf dar- geboten wurde. Die Frage, ob Lösungen von Salzen oder Nichtelektrolyten imstande sind, chemotropische Krümmungen an Keimwurzeln hervorzu- rufen, bietet große experimentelle Schwierigkeiten, wie die Arbeiten von Newcombe, Lilienfeld, Sammet, Cholodny und Porodko(IO) gezeigt haben. Dem letztgenannten Autor zufolge sollen überhaupt nur die negativen Krümmungen sicher chemotroper Natur sein, und positiv chemotropische Krümmungen, wie sie von anderen Autoren angegeben wurden, ander- weitige Ursachen haben. Da aber nach Porodko alle als wirksam befundenen Stoffe eiweißfällend sind, so wäre die Grenze gegenüber dem Traumatropis- mus nur schwer abzustecken. Übrigens fehlen auch noch nähere Studien über relativen Wirkimgswert von Mineralsalzen und deren Ionen, so daß die Frage des Wurzelchemotropismus in den meisten Dingen noch eine voll- ständig offene ist. 5. Chemotaxis. Die bekannten schönen Versuche Engelmanns über sauerstoffempfindhche Bacterien und deren Anlockung durch Luftbläschen oder O-produzierende Grünalgen haben zuerst erwiesen, daß man bei frei- schwimmend bewegüchen Pflanzen durch gewisse chemische Reize ebenso ■auffallende Ansammlungen der reaktionsfähigen Organismen in bestimmten 1) R. LA Garde, Zentr. Bakt. II, j/, 24 (1911). — 2) R. Sammet, Jahrb. wi&8. BotaD,, 41, 611 (1905). R. LA Garde, 1. c. — 3) E. Strasburger, Jahrb. wiss. Botan., /7, 92 (1886). — 4) Correns, Ber. Botan. Ges., 7, 265 (1889). — 5) H. Molisch, Osten, botan. Ztsch., 39, 120 (1889). Sitz.ber. Wien. Ak., 120, I (Juli 1893); Botan. Ztg. (1893). 2, 378. Pfeffer, Tübing. Unters., 2, 656 (1888). — 6) M. Miyoshi, Botan. Ztg. (1894), /, 1; Flora (1894), p. 76. — 7) H. Molisch, Ber. Botan. Ges., 2, 160 (1884); Wien. Ak., 90, I, 194 (1884). — 8) W. Polowzoff, Ber. Botan. Ges., 26, 50 (1908). — 9) E. Bennett, Botan. Gaz., 37, 241 (1904). — 10) Newcombe u. Anna L. Rhodes, Botan. Gaz., 37, 23 (1904). M. Lilienfeld, Ber. Botan. Ges., 23; Beihefte bot. Zentr., 19, 131 (1905). R. Sammet, Jahrb. wiss. Botan., 41, 611 (1905). N. Cholodny, Verhandl. Nat. Ges. Kiew, 20, 244. Th. Porodko, Ber. Botan. Ges., 28, 50 (1910); jo, 16 (1912). Jahrb. wiss. Botan., 49, 307 (1911). 5 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. 227 Regionen des Mediums hervorrufen kann, wie es von der Liohtwirkung auf Algenschwärmsporen schon lange bekannt war. Bald darauf konnte Pfeffer (1 ) in seiner fundamentalen Arbeit über die von ihm als Chemotaxis bezeichneten Erscheinungen beweisen, daß Richtungsbewegungen bei freibewegUchen niederen Pflanzen und Fort- pflanzungszellen (Spermatozoiden) außerordentüch oft durch chemische Reize hervorgerufen werden, und für das Leben der Pflanze große Bedeutung be- sitzen. Dies zeigte besonders die berühmt gewordene Entdeckung Pfeffers, daß die Samenfäden der Farne auf Äpfelsäure und deren Salze in sehr großer Verdünnung reagieren, wenn man das Reizn^ttel aus einer sehr feinenCapillare in das Wasser des mikroskopischen Präparates hineindiffundieren läßt; die Spermatozoiden der Laubmoose reagieren aber ausschüeßlich auf Rohrzucker. Es ist nun überaus wahrscheinUch, daß es gerade diese Stoffe sind, welche bei der Befruchtung der Archegonien die Anlockung der Samen- fäden bewerkstelhgen. Aber auch für verschiedene Protisten und Bacterien konnte Pfeffer alsbald in weiter Verbreitung die chemotaktische Reiz- barkeit nachweisen. 1884 gelang es Stahl (2) zu zeigen, daß die Plasmodien von Myxomyceten ebenfalls chemotaktisch reizbar sind. Die Plasmodien fliehen Kochsalzlösung, Kaliumcarbonat, KNO3, Zucker, Glycerin, und werden durch Loheextrakt angelockt. Wie Pfeffer, so konstatierte auch Stahl, daß dieselbe Substanz in differenten Konzentrationen attraktiv, sowie repulsiv wirken kann. An 0,25— 2%ige Glucose gewöhnen sich die Plasmodien mit der Zeit, obwohl sie die Lösung anfangs fliehen. Das Fuligo- plasmodium reagiert ferner auf Sauerstoff mit positiver Chemotaxis. Frank(3) erbrachte den Nachweis, daß die Alge Chlamydomonas tingens durch ver- schiedene Stoffe, wie KNO3, NH4NO3, COg, Fleischextrakt chemotaktisch angelockt wird. Pfeffer hat ausführhch dargelegt, wie wir in chemotaktischen Reiz- reaktionen eine Wahrnehmung von Konzentrationsdifferenzen oberhalb eines bestimmten Minimums zu erbhcken haben. Die kleinste Menge Äpfel- säure, auf welche in reinem Wasser schwimmende Farnsamenfäden noch durch Hinzueilen reagieren, ist eine Konzentration von 0,001 %iger Äpfelsäure. Die absolute Menge des anziehenden Stoffes ist, da in dem Volumen der Glascapillare bei dieser Konzentration nur 1 Zweihundertmilliontel MilHgramm Substanz gelöst ist, eine außerordenthch kleine, kommt aber bezüghch der geringen Körpergröße der chemotaktisch sensiblen Organismen noch immer ansehnlicher in Betracht, wie die Menge von Riechstoffen, welche das mensch- hche Geruchsorgan im Verhältnisse der menschlichen Körpergröße noch wahrnehmen kann. Aus den Untersuchungen von Pfeffer geht auf das deutlichste hervor, daß die in einer verdünnten Lösung von äpfelsaurem Salz schwimmenden Spermatozoiden eine konzentriertere Malatlösung in der Capillare dann zu unterscheiden beginnen, wenn die Konzentration in der Capillare beiläufig 30 mal so groß ist, wie die Konzentration in der umgebenden Flüssigkeit. Diese Konstanz der Unterschiedsschwelle gilt übrigens allgemein für alle chemotaktischen Organismen und alle wirksamen Substanzen. Die Analogie mit dem bekannten WEBERschen „psycho- physischen Gesetze" für das Unterscheidungsvermögen der menschlichen Sinnesorgane ist vollkommen vorhanden und da die jeweils vorhandene Konzentration, um als höhere Konzentration wahrnehmbar zu werden. 1) W. Pfeffer, Ber. Botan. Ges., /, 524 (1883); Untersuch, botan. Inst. Tübingen, /, III, 363 (1884); Ebenda, 2, 582 (1888). Methodisches: E. G. Prinqs- HEIM, Abderhaldens Handb. biochem. Arb.meth., 5, II, 1263 (1911). — 2) E. Stahl, Botan. Ztg. (1884), p. 145. — 3) Th. Frank, Botan. Ztg. (1904), /, 153. 15* 228 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. immer auf den Betrag R + kR (wobei k für Äpfelsäure und Farnsperma- tozoiden 30 ist) steigen muß, so erhellt leicht, daß die Reizgröße in geo- metrischer Progression zunimmt, wenn die Reaktion in aiithmetischer Pro- gression ansteigt. Bezeichnet man die Reaktion (Empfindungsgröße) mit E, die zugehörige Reizstärke mit R, und die Reizschwelle, für welche E = 0 wird, mit s, so ist das Gesetz durch die Formel E = C • log — wiedergegeben. Das WEBERsche Gesetz ist für die verschiedensten pflanzlichen Reizbewe- gungen in derselben Art gültig. Wie es bei Reizbewegungen oft gefunden wird, so schlägt auch b e der Chemotaxis sehr häufig die positive Reaktion (Anlockung) bei einer gewissen kritischen Konzentration in die gegenteilige negative Reaktion (Abstoßung) um, und das obige Gesetz der Reaktionszunahme gilt daher nur innerhalb spezifisch bestimmter Grenzen. Für die Anlockung der Farn- spermatozoiden durch Äpfelsäure hegt die kritische Konzentration nach Pfeffer (1. c. 1884, p. 386) etwa bei 5,0 % Natriummalat. Wie zu erwarten, ist dieser kritische Punkt für eine Substanz nicht bei allen chemotaktisch reizbaren Organismen gleich, und es wird z. B. Bacterium termo durch 2 % Natriummalat angezogen, Spirillum hingegen schon abgestoßen. Es läßt sich ferner gar nicht voraussagen, welcher Effekt bei vermischter Dar- reichung einer repulsiv wirkenden Substanz mit einem attraktiv wirkenden Stoff eintreten wird. Rohrzucker, 12 %, wirkt für sich allein schon stark abstoßend, auch noch nach Zusatz von 0,003 % Äpfelsäure, aber nicht mehr bei Anwesenheit von 0,01 % Äpfelsäure. Ferner ist bereits 1 % Salpeter imstande, neben 0,003 % Apfelsäure kräftige Repulsion zu erzielen. Gibt man aber dem Farnsperma 0,5 % Äpfelsäure mit 15,5 % KNO3, so über- wiegt die Äpfelsäurewirkung so stark, daß die Samenfäden direkt in die Salpeterlösung hineinstürzen, woselbst sie natürUch sofort getötet werden. Besonders bekannt ist jener Versuch Pfeffers geworden, in welchem die Samenfäden selbst durch einen Zusatz von 0,01 % Quecksilberchlorid oder Strychninnitrat zu 0,01 % Äpfelsäure nicht abgehalten wurden, sich in die tödhch wirkende Capillarflüssigkeit hineinlocken zu lassen. Für Reizung von Bacterien durch Fleischextrakt fand Pfeffer die Reizschwelle bei 0,04 %, die Unterschiedsempfindhchkeit bei der fünffachen Konzentration der Capillarflüssigkeit gegenüber der Außenflüssigkeit, und den kritischen Punkt bei 25 %; letztere Konzentration wirkt stärker repulsiv als die os- motisch kräftiger wirksame 20%ige Kahsalpeterlösung. Für die Theorie der Chemotaxis ist ferner die Beobachtung von Ro- THERT(1) sehr wichtig, daß man viele bewegüche Mikroben aus verschiedenen Verwandtschaftskreisen durch Äther- oder Chloroformlösungen in geeigneter Konzentration chemotaktisch anästhesieren kann, ohne ihre Beweghchkeit zu beeinträchtigen. Danüt ist bewiesen, daß man chemotaktische Reizbar- keit und Geißelbewegung durch auswählende Beeinflussung experimentell trennen kann. Übrigens soll nach Rothert (2) 0,8 % Äther auf Bacillus amylobacter deuthch attraktiv wirken. Die chemotaktische Reizbarkeit muß ferner nicht in jedem Lebensstadium freibeweghcher Organismen gleich ausgebildet sein. Rothert konstatierte, daß die diplanetischen Zoo- sporen von Saprolegnia nur in ihrem zweiten Schwärmerstadium chemo- taktisch reizbar sind. 1) W. Rothert, Jahrb. wiss. Botan., 39, 1 (1903). — 2) Rothert, Flora (1901), p. 381. Umkehrung der Phototaxis durch chemische Reize: J. Loeb, Biochem. Zentr., 3, Ref. 1204 (1905). Umkehr der Flimmerbewegungen: G. H. Parker, Amer Joum. Phys., 13, 1 (1905). § 11. Chemische Reizerfolge in P'orm von Reaktionsbewegungon. 229 Aus den Untersuchungen von Rothert geht weiter hervor, daß die chemotaktischen Reizbewegungen durchaus nicht einheithcher Natur sind. Es gibt einmal eine Beschleunigung oder Hemmung der Beweglichkeit durch Reizstoffe, ähnüch wie sie Dungern für die Beeinflussung des Seeigel- spermas durch Eisubstanzen festgestellt hat. So werden Saprologniazoo- sporen durch Phosphat mehr oder weniger schnell zur Ruhe gebracht. Man kann diese Art von Reizbarkeit als Chemokinesis von der Chemotaxis scheiden. Diejenigen Reizwirkungen, welche wirkhch mit der Fortbewegung in Beziehung stehen, und die als tatsächUche Chemotaxis zu gelten haben, sind nun nach den scharfsinnigen Unteisuchungcn Rotherts ebenfalls nicht einheithch. Es gibt Reizreaktionen, welche in einer verstiirkten Drehung des Mikrobenkörpers bestehen: strophische Chemotaxis; und sodann Reiz- reaktionen, welche in einer plötzhchen Umkehr der Bewegungsrichtung nach Überschi-eitung einer bestimmten Konzentrationszone bestehen, also in einer Rückzugsbewegung: apobatische Chemotaxis. Wie Kniep(I) näher ausgeführt hat, steht weiter die Frage offen, wie es sich verhält, wenn zwei oder mehrere Substanzen mit gleicher Unter- Bchiedsschwelle den Bacterien dargeboten werden. Man sollte erwarten, daß sich zwei solche Substanzen gegenseitig ebenso abstumpfen, wie es eine größere Dosis der einen Substanz allein tut. Dies ist jedoch in einer Reihe untersuchter Fälle sicher nicht vorhanden, und so ist es möglich, daß es verschiedene chemotaktische Sensibihtäten gibt, welche ohne sich zu stören, gleichzeitig funktionieren können, so wie es etwa mit menschlichen Ge- schmacksqualitäten der Fall ist. Die chemotaktische Reizbarkeit von Pflanzenzellen ist quahtativ außerordenthch verschieden. Für die meisten saprophytischen Bacterien pflegt jeder gute Nährstoff anlockend zu wirken, während nach MiYOSHi (2) für Chromatium Weissii der Schwefelwasserstoff allein als wirksames Agens befunden wird. Ein von Molisch(3) geprüftes marines Chromatium rea- gierrte hingegen gar nicht auf SHg, wogegen Rhodospirillum giganteum und andere Formen sehr stark angelockt wurden. Ein anderes Schwefel- bacterium, ein von Lidforss (4) beobachtetes großes Thiospirillum, benahm sich besonders abweichend von dem gewöhnhchen chemotaktischen Ver- halten. Es wurde nicht nur durch SHg und Thiosulfat angelockt, sondern auch von Alkohol, Chloroform, Benzol, Phenol, Benzaldehyd, Aceton und Äthyläther, während Kohlenhydrate wirkungslos waren. Äthylenglykol wirkte ebenso wie Alkohol anlockend. Vielleicht gibt dieses Verhalten einen Fingerzeig für die Bedeutung einfach gebauter Kohlenstoffverbindungen für diese merkwürdige Mikrobe. Übrigens spielen auch Umstimmungen eine große Rolle. Bei Bacterien würde man selbst durch die besten Anlockungs- mittel, wie Fleischextrakt, nur Repulsionen erzielen, wenn man nicht nach Pfeffers Vorgang durch Einschließung einer Luftblase im unteren Teil des die Lösung enthaltenden Capillarröhrchens dafür Sorge tragen würde, daß die absorbierte Sauerstoff menge stets hinreichend groß bleibt. Von inorganischen Salzen wirken auf Bacterien im allgemeinen Kah- salze am besten anlockend, doch werden die empfindhchsten Organismen durch alle Neutral-Alkahsalze und Salze der alkahschen Erden mehr oder weniger angelockt, während minder reizbare Arten auf viele dieser Salze nicht merkhch reagieren. CaClg und MgClg fand Pfeffer nur bei „Bact. termo" attraktiv. Es sei erwähnt, daß das als „lermo" bezeichnete Bac- 1) H. Kniep, Jahrb. wiss. Botan., 43, 215 (1906). — 2) M. MiYOSUi, Journ. Coli. Sei. Tokyo, lo (1897). — 3) H. Molisch, Die Pur pur bacterien, 63, Jena (1907). — 4) B. Lidforss, Ber. botan. Ges., jo, 262 (1912). 230 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. terium immer reichlich erhalten wird, wenn man eine abgekochte Erbse für 1—2 Tage in Leitungswasser legt und sodann Platte nkulturen an- fertigt; dieselben sind dann reich an Kolonien von lebhaft bewegUchen chemotaktisch stark reizbaren Mikroben aus der Proteusgruppe. Bei den KaUsalzen fand Pfeffer nicht allein das KaH (K-Ion) für die Wirkung entscheidend; denn von äquivalenten Mengen KCIO3 und KH2PO4 wirkt ersteres merklich schwächer, und auch KCl wirkt bei der gleichen Konzen- tration an Kah schwächer als KH2PO4 und K3PO4. Allerdings dürfte bei dem Phosphate die Wirkung der H- und OH-Ionen in noch näher zu be- stimmender Weise eingreifen. Saure und alkalische Reaktion erzeugen schon in geringen Graden Repulsionswirkungen. Erwähnenswert ist die gute Reiz- wirkung der Rubidiumsalze. Für TrikaUumphosphat war der Schwellenwert bei verschiedenen Mikroben 0,001%. Konzentriertere Lösungen wirken auf Termo weniger ein als auf Spirillen und den Flagellaten Bodo saltans. Stark attraktiv wirken auf Bacterien Witte-Pepton und Albumosen aller Art mit und ohne Zuckerzusatz, Conglutin, schwächer Asparagin, 1% Leucin (auf Termo), Kreatin, Taurin, Sarkin, Carnin. Harnstoff kann indifferent sein, während er mit Zuckerzusatz, der für sich allein noch nicht zu wirken braucht (0,5 %), mäßig anlockende Eigenschaften gewinnt. Glycerin ist ohne Wir- kung. Anlockend wirkt 5—8% Rohrzucker; die untere Rohrzuckergrenze hegt bei Termo bei 1 %, für Spü-illen höher. Ferner ist Traubenzucker und Dextrin wirksam, ebenso 5 % Ammoniumtartrat. 2 % Natriummalat lockte Termo an und stieß Spirillen ab. Attraktiv waren noch 0,1 % Kahumlactat, 0,5 % Lecithin. Milchsaures Eisenoxydul 1 % oder 0,1 %, ferner 1 % Zink- sulfat ließen eine Wirkung nicht erkennen. Indigkarmin, ebenso 1 % Anihn- blau lockten Termo deuthch in die Capillare, Spirillen jedoch nicht. Trotz ihrer giftigen Eigenschaften sind Natriumsalicylat, Morphinsalze, ferner, wie schon erwähnt, Rb- Salze bemerkenswerterweise starke Anlockungs- mittel. Phosphorsäure scheint für Bacterien keinen besonderen Reizwert zu haben. Für die Zoosporen von Saprolegnia jedoch hat sich in den Ver- suchen von Stange (1) herausgestellt, daß freie Phosphorsäure und deren Salze die besten chemotaktischen Reiznüttel sind, besonders das K-, NH4- und das Na-Phosphat. Die Myxamöben von Chondrioderma difforme und Fuügo varians werden durch die Salze organischer Säuren, Äpfelsäure, Milchsäure, Butter- säure, ferner das (Milchsäure enthaltende) Lohedekokt, auch Asparagin angelockt. Äthylalkohol wirkt repulsiv. Kusano (2) fand, daß allgemein für die Schwärmsporen von Myxomyceten H-Ionen attraktiv und OH'-Ionen repulsiv wirken ; gegen letztere sind diese Schwärmer sehr empfindhch. Bei der Chemotaxis der Zoosporen von Chytridium und Saprolegnia sind Eiweißstoffe und Nuclein nach Fr. Müller(3) sehr gut wirksam; freie Säuren und Alkahen wirken repulsiv. Hier Heß sich auch die Wirkung der Narkotica gut ver- folgen; Zusatz von 0,5 Mol Äthylalkohol erzeugt Indifferenz gegen die ge- nannten Reizstoffe. Die lonenwirkung bei der Chemotaxis von Flagellaten hat Garrey (4) über LoEBs Anregung näher studiert. Er brachte Kulturen von Chilomonas in eine flache Kammer und Heß aus einem kleinen Kanal der Wand die Lösung des zu untersuchenden Stoffes hineindiffundieren. Um die Einfluß- 1) Stange, Botan. Ztg. (1890), p. 107. — 2) S. Kusano, Bot. Mag. Tokyo, 21, 143 (1907); Journ. CoU. Agric Tokyo, 2, 1 (1909). — 3) Fr. Müller, Jahrb. wiss. Botan., 4g, 421 (1911). — 4) W. E. Garrey, Amer. Journ. Physiol., j, 6, 291 (1900). Für Paramaeciura: J. O. W. Barratt, Ztsch. allgem. Physiol, 5. 73 (1905). T. B. Robertson, Journ. Biol. Chem., 1,. 185 (1906). § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. 231 stelle entstand dann häufig ein von einem Infusorienringe umgebener heller Hof, woran die Wirksamkeit der Substanz erkannt wurde. Schon ^/soo Alkalihydroxyd und Erdalkalihydroxyd rufen durch Repulsion diese Erschei- nung hervor. Da bei dieser Konzentration fast nur dissozierte Moleküle vor- handen sind, kann es sich nur um eine Wirkung der Hydroxyl-Ionen handeln. Auch beim H-Ion tritt eine ähnhche Wirkung zutage: HCl, HNO3, H2SO4 erregen die Hofbildung bei ^/jooo Normallösung. Man kann daraus auch schließen, daß die repulsive Wirkung des H'-Ions und OH'-Ions sich wie die Wanderungsgeschwindigkeit dieser Ionen: 2 : 1 verhalten. Organische Säuren erwiesen sich bald mehr, bald weniger wirksam als ihrem Gehalt an H-Ionen bei der betreffenden Verdünnung entsprechen würde. Hier tritt offenbar die Anionenwirkung ein, so daß sich Chilomonas gegen sehr verdünnte Essigsäure, Milchsäure, Buttersäure positiv chemotaktisch ver- hält. Die Halogensalze der Alkahen und der Erdalkalien haben relativ schwache Wir kungs werte. AlkaUsalze besitzen ihre Grenze bei ^/i, bis ^/^q Normal, Erdalkalisalze aber bei ^^g bis 1/215 Normal. Die Wirkung von Gl, Br, J verhält sich wie 2:3:5. Li und Na sind etwa gleich wirksam, K er- heblich stärker. Die Wirkung von Mg, Ca, Ba, Sr verhält sich wie 3:5:5:7, Ca wirkt doppelt so stark wie K. Schwermetallsalze wirken schon bei ^/looo Normal. Hier summieren sich in manchen Fällen die Wirkungen der Metall- Ionen mit der H-Ionenwirkung. Erwähnt sei, daß Frank (1) bei der grünen und farblosen Form von Euglena gracilis keine Differenzen bezüglich der anlockenden Stoffe kon- statieren konnte. Die chemotaktischen Erscheinungen bei Algen sind fast gar nicht untersucht. Für Chara konnte schon Pfeffer die Wahrscheinlichkeit einer chemotaktischen Reizbarkeit der Spermatozoiden finden; für die Fucaceen wird man wohl mit der gleichen Vermutung gleichfalls nicht fehl gehen. Die Anlockung der männhchen Sexualzellen durch den Eiapparat geschieht, wie man seit den Arbeiten von Pfeffer weiß, von den Moosen aufwärts, regelmäßig durch chemotaktische Reizbarkeit. Während die Spermatozoiden der Laubmoose, soweit bis jetzt bekannt, ^durch Rohrzucker attraktiv reiz- bar sind, reagieren nach Lidforss und Äkerman (2) die Spermatozoiden von Marchantia ausgesprochen auf verschiedene Eiweißkörper; aber auch K', Rb , Cs '-Ionen wirkten bei Marchantiaspermatozoiden anlockend. Pfeffer konnte schon in seinen ersten Versuchen über Chemotaxis zeigen, daß bei der Anlockung der Farnspermatozoiden die Äpfelsäure eine ganz ausgezeichnete Rolle spielt. Dies ist bei Pteridophyten überhaupt häufig der Fall, denn auch bei Equisetum werden nach Lidforss und Shibata (3) die Samenfäden stark durch Malate gereizt, und der letztgenannte Autor konstatierte ebenso für Salvinia, Isoetes die Wirkung der Äpfelsäure (4). Interessanterweise werden die Salviniaspermatozoiden durch Maleinsäure angelockt, während die stereoisomere Fumarsäure nur auf Isoetessamenfäden attraktiv wirkt. Equisetumspermatozoiden reagieren weder auf Fumar- noch auf Maleinsäure. Die Isoetesspermatozoiden werden durch H'-Ionen von der Konzentration ""/qqo an repulsiv beeinflußt; auch Schwermetall- ionen, Alkah- und Erdalkahmetall- Kationen wirken repulsiv. Mit i/j m Äthyl- alkohol und ™/2o Chloralhydrat kann man diese Samenfäden gegen Äpfel- 1) Th. Frank, Botan. Ztg. (1904), /, 153. — 2) B. Lidforss, Jahrb. wies. Botan., 41, 65 (1904). A. Äkerman, Ztsch. Botan., 2, 94 (1910). — 3) B. Lidforss. Ber. Botan. Ges., 23, 314 (1905). K. Shibata, Bot. Mag. Tokyo, 19, 79 (1905). — 4) K. Shibata, Bot. Mag. Tokyo, 19, 39 (1905); Jahrb. wiss. Botan., 41, 561 (1905); Ber. Botan. Ges., 22, 478 (1904). 232 Drittes Kapitel: Chemische Reizwirkungen. Säure indifferent machen. Equisetumspermatozoiden werden nach Shibata(I) auch durch manche Alkaloidsalze angelockt. Sehr wichtig ist die Entdeckung Bruchmanns (2), daß die Spermato- zoiden von Lycopodium nur durch Citronensäure und keine andere organische Säure, auch nicht durch Äpfelsäure, angelockt werden. Im Anschluß an die erwähnten Arbeiten von Kniep über differente chemotaktische Sensibihtäten unterscheidet Shibata (3) bei den Pterido- phytenspermatozoiden dreierlei Sensibihtäten: eine für die Anionen der Oxysäuren , ferner jene für HydroxyHonen , welche nur für die Isoetes- samenfäden konstatiert werden konnte, endhch jene für die Kationen der Alkaloide. Bei den Spermatozoiden der echten Farne ist nach Voegler (4) die Reizbarkeit gegen Äpfelsäure bei den einzelnen Arten annähernd gleich stark; am besten untersucht man gleich nach dem Ausschlüpfen aus den Antheridien bei 15—28® C. Maleinsäure, ferner 1 %iges monobrombernstein- saures Natron erwiesen sich in zahlreichen Fällen als attraktiv, nicht aber Asparagin, Aminoäpfelsäure und Fumarsäure, auch nicht Äpfelsäure- diäthylester. Da die letztere Substanz nur sehr geringe Ionisierung be- sitzt, so hegt es nahe, daran zu denken, daß das wirksame Agens über- haupt nur das Anion der Äpfelsäure ist (5). Bessere Vergleiche konnte Buller (6) an den Samenfäden von Gymnogramme Martensii anstellen, welche nicht nur durch Äpfel- und Maleinsäure, sondern auch von Wein- säure, Oxalsäure, Essigsäure und Ameisensäure angelockt werden, ferner von H3PO4, KNO3 und KCl. Hier ergaben sich Anhaltspunkte dafür, daß diese Stoffe Reizeffekte durch lonenwirkung auslösen, und es scheint sich um die Anionen der erwähnten Säuren, aber auch von SO4, PO4, ferner um die Kationen K* und Rb' als wirksame Agentien zu handeln. Bei den vielen chemotaktisch wirksamen Nichtelektrolyten, wie Zucker, AJbumosen, Aminosäuren, Dextrin usw. kann es sich natürlich nur um eine Wirkung der Molekel selbst handeln. Hier wie bei konzen- trierten Salzlösungen hat man die Chemotaxis scharf von osmotischen Wir- kungen zu trennen. Schwimmen Bacterien aus einer osmotisch wirksameren Zuckerlösung, z. B. in verdünnten Fleischextrakt hinein, so ist dies nicht negative Osmotaxis, und die Reizreaktion ist nur durch die chemische Eigen- art des anlockenden Stoffes ausgelöst worden. In anderen Fällen wird wiederum das Bestreben, eine osmotisch stärker wirksame Flüssigkeit zu fliehen, überwunden, durch den Zusatz eines intensiv chemotaktisch an- lockenden Agens, wie es der PpEFFERsche Versuch mit 15 % KNO3 und Fleischextrakt zeigt, welcher bereits oben erwähnt wurde. Die durch Konzentrationsdifferenzen erzeugten osraotaktischen Reizbewegungen hat uns besonders Massart (7) näher kennen gelehrt. Osmotaktisch können natürhch nur solche Stoffe wirken, welche hinlänghch Zeit brauchen, um in das Innere der Zelle zu gelangen, nicht aber Substanzen, welche äußerst rasch die Plasmahaut passieren. Bemerkt sei noch, daß die Spermatozoiden von Cycas bisher keine Resultate bezüghch chemotaktischer Reizbarkeit ergeben haben (8) ; ebenso weiß man nicht inwiefern der Übertritt der generativen Pollenschlauchkerne bei den Angiospermen durch chemotaktische Einflüsse bestimmt wird. 1) K. Shibata, Bot. Mag. Tokyo, /p, 126 (1905). — 2) H. Bruchmann, Flora 99, 193 (1909). — 3) K. Shibata, Jahrb. wiss. Botan., 49, 1 (1911). — 4) C. VoEGLEK, Botan. Ztg. (1891), p. 641. — 5) W. Ostwald, Ztsch. physik. ehem., 13, 378 (1894). — 6) R. Buller, Ann. of Botan., id, 543 (1900). — 7) J. Massart, Arch. Biol.. p, 515 (1889); Bull. Soc. Roy. Balg. (3), 22, 148 (1891). — 8) K. MiYAKE, Bot. Mag. Tokyo (1905). § 11. Chemische Reizerfolge in Form von Reaktionsbewegungen. 233 Man muß sich natürlich auch die Frage vorlegen, ob nicht Zellkerne allgemein chemotaktisch reizbar sind, wofür in der Tat Anhaltspunkte vor- handen sind (1). Selbstverständhch ist es mögUch, daß chemotaktische Reizerfolge an gewissen Zellen und Organismen erst auftreten können, wenn durch die Gegenwart anderer an sich nicht chemotaktisch reizend wirkende Sub- stanzen die Vorbedingung geschaffen wird (2) ; eventuell kann Chemotaxis auf diesem Wege gefördert werden. Indirekt wirken manche Substanzen als chemische Reizmittel bei anderen Tropismen mit, indem ihre Gegenwart z. B. heliotropische Reizbewegungen aus negativen in positive umwandelt. Solche Umstimmungen von Phototaxis hat in der Tat Loeb (3) bei Copepoden durch verdünnte Säuren und Salze feststellen können. Inwieweit Galvanotropismus und Galvanotaxis als chemische Reiz- erfolge zu gelten haben, ist noch immer nicht entschieden. Für die als galvano- tropische Reaktionen beschriebenen Krümmungen an Keimwurzeln scheint es mir aber in der Tat wahrscheinlich, daß wesentlich chemische lonenwir- kungen im Spiele sind. Ewart und Bayliss (4) neigen dazu, vor allem den H'- und OH'-Ionen diese Wirkungen zuzuschreiben. Bei den galvanotaktischen Erscheinungen an Protozoen und einzelligen Pflanzen sehen Loeb und Budgett (5) die Reizursache darin, daß an der Anodenseite der Zellen die OH'-Ionen einwirken und repulsiv die katho- dische Ansammlung der Organismen erzeugen. Da angegeben wird (6), daß Volvox unter der Wirkung von Säuren, Alkahen, Salzen normal kathodisch wandert, hingegen anodisch, wenn vorher das Material einige Tage im Dunkeln aufbewahrt wurde, so ist die Frage, inwieweit Kataphorese, und inwieweit etwa chemotaktische Einflüsse ins Spiel kommen, nicht einfach zu entschei- den. Erstere ist nicht ohne weiteres auszuschüeßen, da Umladungen mög- lich sind (7). Daß die chemotaktische Reaktionsfähigkeit für die verschiedensten Organismengruppen eine sehr hohe biologische Bedeutung besitzt, ist kaum zu bezweifeln, obwohl hier mancher Punkt strittig ist. Die Chemotaxis der Bacterien ist diesen Organismen beim Aufsuchen von Nahrungsstoffen ge- wiß von Nutzen. Man hat ihr aber auch im Leben parasitischer Mikroben eine Rolle zugeschrieben, und Hertwig (8) hat die Wirkung des Tuberkuün Koch als chemotaktische aufzufassen gesucht. Ob nun wirklich die Chemo- taxis im Kampf der Leukocyten und anderer Körperzellen mit Bacterien die dominierende Rolle spielt, die ihr von manchen Seiten zugeteilt wurde, ist. noch immer fraglich. Übrigens fand schon Pfeffer, daß nicht bei allen Bacterien die chemotaktische Reizbarkeit stark entwickelt ist, und Bacillus typhi, Vibrio cholerae asiaticae, sowie der Finkler-Priorsche Bacillus sind chemotaktisch anscheinend wenig empfindhch. Bei Paramaecium fand Jennings (9), daß die im natürUchen Medium angesammelten organischen 1) G. Ritter, Ztsch. Botan., .?. 1 (1911). — 2) Chemotaxis u. Kalkionen: H. J. Hamburger, Biochem. Ztsch., 26, 66 (1910). — 3) J. Loeb, Pflüg. Arch., 115, 11 (1907); Ebenda, p. 564. G. Bohn, Soc. BioL, 7', 587 (1911); Compt. rend., 141, 1260 (1905). W. F. Ewald, Journ. Exp. Zool., 13, 591 (1912). - 4) A. J. Ewart u. J. S. Bayliss, Proceed. Roy. Soc, 77, B-. 63 (1905). Bayliss, Ann. of Botan., 21, 387 (1907). Ferner A. B. Plowman, Amer. Journ. Sei., 18, 145 (1904). - 5) J. [.OEB u. Budgett, Pflüg. Arch., 65 (1897). — 6) O. P. Terry, Amer. Journ. Physiol., 15, 235 (1906). — 7) Galvanotaxis: B. Birukoff, Pflüg. Arch., ///, III/IV (1905). F. W. Bancroft, Pflüg. Arch., 107, 535 (1905). P. Statkewitsch, Ztsch. allgem. Physiol., 6, 1 (1905). — 8) O. Hertwig, Chem. Zentr. (1891), //, 667. R. Kluge, Zentr. Bakt., 10, 661 (1891). — 9) Jennings, Journ. of Physiol.. 21, 258 (1897); Amer. Journ. Physiol., 2, 355 (1899). 234 Viertes Kapitel: Chemische Anpassungs- und Yererbungserscheinungen. Zerfallsprodukte auf diese Ciliaten ausgeprägt repulsiv wirken, was man ebenfalls als nützliche Erscheinung deuten kann; es scheint hierbei die al- kalische Reaktion der Flüssigkeit wirksam zu sein. Getötete Infusorien besitzen nach Salomonson (1 ) auf andere Individuen und Species repulsive Wirkungen („Necrophobie"). Seit den grundlegenden Beobachtungen von Pfeffer über die Be- fruchtung der Farnarchegonien hat man mit Recht der chemotaktischen Reizbarkeit der Spermatozoiden eine Rolle für das Zustandekommen des Einschwärmens der Samenfäden in den Archegoniumhals zugeschrieben, und auch für die Moose, wie für die Algen (Fucus) chemische Anlockungs- mittel für die männHchen Geschlechtszellen angenommen. Allerdings ist es noch immer unbestimmt, wie groß die chemotaktische Wirkungssphäre der weibUchen Apparate ist, und ob tatsächlich die Direktion der Bewegung durch eine von der Eizelle ausgehende chenüsche Reizung modifiziert ist. Neuere Untersuchungen, z. B. jene von Buller (2), haben hierin noch keine eindeutigen Resultate zu liefern vermocht, besonders hinsichthch des Durch- dringens der Hülle der Eizelle selbst durch die Spermazellen. Für Farne wird Ausscheidung eines äpfelsauren Neutralsalzes durch das Archegonium angenommen, für Laubmoose Sekretion von Rohrzucker; übrigens ist auf die Spermatozoiden von Sphagnum Rohrzucker ohne chemotaktische Wir- kung. Was bei Fucuseiern als Lockmittel dient, läßt sich noch nicht angeben. Chemotaxis soll nach einigen Angaben auch beim Conjugationsakte von Spirogyra mitspielen. Overton (3) beobachtete, daß Bact. termo von den Conjugationsfortsätzen angelockt wird. Haberlandt (4) meint, daß gewisse Stoffe seitens des männUchen und des weibhchen Fortsatzes produ- ziert werden. Der zuerst entstandene Fortsatz bestimmt den Entstehungs- ort des gegenüberliegenden. Viertes Kapitel : Chemische Anpassungs- und Vererbungs- erscheinungen. Da das Studium der Anpassungs- und Vererbungserscheinungen vor allem den Vergleich fertiger erreichter Zustände, ohne Rücksicht auf den zeitlichen Verlauf der dazu führenden Vorgänge, zu benützen hatte, werden wir es im historischen Entwicklungsgange der Kenntnisse auf diesem Gebiete begründet finden, wenn hier die Morphologie die führende Rolle bis auf den heutigen Tag beibehalten hat. Doch wird man auch auf diesem Gebiete der chemischen und physikalischen Forschung eine große Zu- kunft vorhersagen können, und wir dürfen unseren Abriß der allgemeinen Biochemie nicht schließen, ohne dieser wichtigen Gesichtspunkte zu ge- denken, wenn auch die chemische Vererbungslehre bisher im höchsten Grade fragmentarisch bearbeitet worden ist. Im Charakter der experimentellen Biologie liegt es, wenn wir nicht nur die endlichen Resultate berücksichtigen, sondern auch die einzelnen Phasen des zeitlichen Ablaufes aller jener Vorgänge messend verfolgen, 1) Salomonson, Biochem. Zentr. (1903), Eef. Nr. 487. — 2) R. Buller, 1. c. u. Quart. Journ. Microsc. Sei., 46, 145 (1902). — 3) C. E. Overton, Ber. Botan. Ges., 6, 68 (1888). — 4) G. Haberlandt, Sitz.ber. Wien. Ak. (1890), I, 99, 390. Viertes Kapitel: Ghemieche Anpassungs- und Vererbunggerscheinungen. 235 welche zu den Endresultaten führen. So hätte auch die chemische Ver- erbungslehre einmal den zeitlichen Verlauf, dann das Endergebnis der betreffenden Erscheinungen festzustellen. Was wir bisher wissen, be- trifft nur die allgemeine Ansicht, daß die Hauptgesetze von Variation und Vererbung nicht nur die morphologischen Merkmale, sondern auch die chemischen Merkmale betreffen. Voraussichtlich werden sich alle Resultate der Vererbungslehre auf die chemischen Charaktere übertragen lassen. Die Variationsformen sind bei chemischen und morphologischen Merkmalen unstreitig dieselben, de Vries(I) selbst hat gezeigt, daß der Rohrzuckei-gehalt der Zuckerrübe genau in derselben Art den QuETELETschen Gesetzen folgt wie irgendein morphologisches Merkmal, z. B. Länge, Gewicht, Zahl von Organen. Man darf vermuten, daß dieses statistische Gesetz allgemein für die quantitativen Werte chemi- scher Endzustände bei einer großen Zahl von Individuen oder Organen der gleichen Art gilt: so für den Fettgehalt von reifen Sporen, Samen, Stärkegehalt von Samen, Blättern usw., wenn auch Untersuchungen auf diesem Gebiete noch relativ sehr spärlich vorliegen. Eine andere Frage ist aber die, ob unter genau gleichen äußeren Bedingungen die quanti- tativen und zeitlichen Verhältnisse des ganzen Reaktionsverlaufes stets den Gesetzen der individuellen Variation folgen. Hier kann man kaum voraussagen, welches. Ergebnis experimentelle Arbeiten auf diesem Ge- biete zeitigen werden. Gewiß wird es aber möglich sein, an sehr zahl- reichen Objekten einer bestimmten Art unter genau gleichen Bedingungen, z. B. die quantitativen Verhältnisse der Sauerstoffatmung oder Kohlen- säureassimilation festzustellen und die Mittelwertshäufigkeit für Reaktions- größe und Reaktionsgeschwindigkeit zu eruieren. Chemische Mutationen kommen zweifelsohne häufig vor und sind aus Gartenbau und Landwirtschaft wohl bekannt. Denn die zucker- oder stärkereichen Kulturrassen sind kaum anders als durch Mutation im Sinne de Vries entstanden. Wir wissen aber noch gar nicht, ob auch hinsichtlich Reaktionsgröße und Reaktionsgeschwindigkeit bei Lebens- prozessen erbliche, als Mutationen zu bezeichnende Abänderungen vor- kommen können. Vielleicht werden zunächst Beobachtungen an Mikroben und Pilzen hier zum gewünschten Ziele führen. Solche Mutanten werden z. B. wohl angenommen werden müssen, wenn bei einer Heferasse plötz- lich Befähigung zu gewissen Gärungsvorgängen entsteht oder erlischt. Ebenso wird es hinsichtlich Farbstoffbildung und Verlust derselben sein. Manche Farbenmutanten von Blüten werden kaum etwas anderes als chemische Mutationen bedeuten. Die Anthocyanfarbstoffe, welche bei Blüten- färbungen die hervorragendste Rolle spielen, dürften wie Miss Wheldale(2) zuerst vermutete, in sehr nahen Beziehungen zu Oxydationsenzymen stehen, von deren Wirkung auf Spaltungsprodukte glucosidischer Chromogene die Entstehung der Blütenfarbstoffe herzuleiten ist. Nach Keeble und Armstrong (3) kann man nun sehr deutlich feststellen, daß bei weißen Primula-Blüten die Peroxydasen entweder fehlen oder in ihrer Wirkung gehemmt sind, und ähnliches gilt auch von anderen Blüten mit un- 1) H. DE Vkies, Die Mutationatheorie, /, 36 (1901). — 2) M. Wheldale, Progress. Rei Botan., j, 457 (1910); Journ. of Genetics, /, 10 (1911). — 3) Fb. Keeble u. E. Fr. Armstrong, Proceed. Roy. Soc, *j, B., 214, 460 (1912); Journ. of Genetics, 2, 277 (1912). Keeble, Address to the Botan., Sect. of the Brit. Assoc. Adv. Sei. (Dundee 1912). 236 Viertes Kapitel: Chemische Anpassungs- und Vererbungserscheinungen. gefärbten oder blasseren Varianten. So dürfte es auch noch in Zukunft bei vielen Fällen gelingen, die äußerlich sichtbaren morphologischen Merkmale mit bestimmten biochemischen Vorgängen innig verknüpft zu zeigen. Diese Forschungen enthalten aber auch die Ansätze zu weiteren interessanten Aufschlüssen auf dem Gebiete der chemischen Erblichkeits- lehre, nämlich zur Untersuchung der Gültigkeit der Mendel sehen Spal- tungsregel für (üe chemischen Merkmale von Pflanzenindividuen. Die erwähnten Untersuchungen von Keeble haben unzweideutig ergeben, wie der ganze Komplex der Blütenfarbstoff- und Blütenoxydasenmerk- male streng der Bastardspaltungsregel folgt. Bei den an Primula sinensis vorgenommenen Kreuzungen war es namentlich interessant zu sehen, wie recessiv weiße Blüten starke Peroxydasereaktion ohne weiteres gaben, die dominierend weißen hingegen erst dann, als man durch CNH die Wirkung offenbar vorhandener Hemmungsstoffe beseitigt hatte. Man vermochte so die Unterschiede der weißen dominierenden und recessiven Rassen sehr einfach durch ein scharfes chemisches Merkmal zu zeigen. Mehrfach untersucht ist ferner die Erblichkeit chemischer Merkmale bei Mais, wo der Stärkegehalt und die Farbstoffe der Aleuronzellen gute Anhaltspunkte für die Feststellungen geben (1). Es müssen nach diesen Ergebnissen offenbar auch die chemischen stofflichen Merkmale durch die Chromosomen der Sexualkerne in der bekannten gesetzmäßigen Weise auf die Nachkommenschaft übertragen werden. CoRRENS(2) hat endlich die interessante Frage näher geprüft, ob die Selbststerilität man,cher Blüten, wie jene von Cardamine pratensis mit chemischen Eigentümlichkeiten der einzelnen Individuen („Individual- stoffen"), wie sie öfters zur Erklärung der Selbststerilität vermutet wurden, zusammenhängt. Es stellte sich jedoch heraus, daß man für die Einzel- individuen höchstens charakteristische Stoffkombinationen annehmen könne, während die für die Selbststerilität in Betracht kommenden Hemmungs- stoffe Eigentum von Liniendeszendenzen im Sinne Johannsens sind. Atavismus bei chemischen , Merkmalen kennen wir wenigstens in Verbindung mit Atavismus morphologischer Charaktere. Man braucht bloß an die Rückschläge bei Obstarten auf die wilden Stammformen zu erinnern, ferner an Rückschläge bei Blütenfarben. Es wäre von nicht geringem Interesse isoliert atavistische Rückschläge bei chemischen Merkmalen zu finden. Die letzte Art der Variation, die Beeinflussung durch äußere physi- kalische und chemische Reize, beurteilen wir gleichfalls in der Regel nur als morphologische, formative Variation, und benennen die Reiz- effekte als „Morphosen". Man darf jedoch annehmen, daß gleichzeitig stets Beeinflussungen des Chemismus sich einstellen, die man als „Che- mosen" den Morphosen an die Seite reihen darf. Doch dürften Che- mosen auch für sich ohne formative Reizeffekte vorkommen, und die hier noch ganz fehlenden Experimentaluntersuchungen werden voraus- sichtlich eine große Zahl wichtiger Tatsachen zutage fördern. Von Morphosen und Chemosen im strengen Sinn sprechen wir so lange als diese Reaktionserfolge nicht erblich sind. Die parallelen 1) E. M. East, The Amer. Naturalist, 46, 363 (1912); Connecticut Agricult. Exp. Stat. Bull. (1912), Nr. 167. L. H. Smith, Journ. Ind. and Engin. Chera., 4, 524 (1912). R. Pearl u. Bartlett, Ztsch. induct. Abstamm. lehre, 6, 1 (1911). — 2) E. C. CoRRENS, Featschr. med. naturwiss. Ges. Münster (1912). Viertes Kapitel: Chemische Anpassungs- und Vererbungserscheinungen. 237 erblichen Erscheinungen fassen wir als „Anpassungen" zusammen. Zweifel- los hängen Morphosen und Chemosen genetisch mit formativen und che- mischen Anpassungen zusammen. Auf dem Gebiete der formativen Reiz- erfolge führt eine lange Kette von Erscheinungen stufenweise von den vorübergehend induzierbaren Formveränderungen, die ebenso leicht wieder nach Aufhören der Reizursache verschwinden wie sie aufgetreten sind, zu den physiologisch irreversiblen Formänderungen hinüber, wie sie etwa einseitige Belichtung an den bilateralen Marchantia- Brutkörpern ver- ursacht. Die chemischen Reizerfolge dürften sich wohl ganz analog verhalten. So hat sich ergeben (1), daß das gewöhnliche Penicillium crustaceum auf Holz kultiviert ein holzzerstörendes Enzym erzeugt, während ein solches Enzym nicht nachweisbar ist, wenn der Pilz auf ge- wöhnlichem Nährsubstrat wächst. Dieser Fall ist wohl nicht anders zu beurteilen als die Regulationen in der Produktion von Diastase, welche Schimmelpilze auf stärkehaltigem und stärkefreiem Substrate zeigen (vgl. p. 125), also als Mehrleistung bei Inanspruchnahme einer bestimmten ge- gebenen Funktion, nicht aber als neu auftretende Fähigkeit. Als solche Chemosen sind auch offenbar die zahlreichen von den Bacteriologen be- schriebenen Fälle aufzufassen, in denen Bacterienstämme ursprünglich ein bestimmtes Gärungsvermögen nicht besitzen und dasselbe im Laufe einiger Zeit gewinnen, insbesonders für Milchzucker (2), ferner die Er- scheinungen des Virulenzverlustes bei pathogenen Bacterien auf künst- Uchem Substrat und viele andere. Als „Mutationen", wie sie öfters ge- nannt wurden, sind natürlich solche Erscheinungen nicht zu bezeichnen. Die Existenz von bleibend induzierbaren Chemosen dürfte sich durch die anzustellenden Experimentaluntersuchungen zweifellos noch erhärten lassen. Es besteht nun kaum ein logisches Hindernis in Gedanken eine Brücke zu schlagen von den „inhärenten Induktionen" oder irreversiblen Morphosen bzw. Chemosen zu den erblichen Erscheinungen, die wir als Anpassungen bezeichnen. Denn der Unterschied zwischen beiden Er- scheinungsgruppen ist nur in dem Umstände gegeben, daß die irre- versiblen Induktionen sich innerhalb ein und derselben Generation von den ausgebildeten Geweben der Organe auf den neuen Zuwachs über- tragen, während bei den erblichen Anpassungen die Übertragung durch die sich von der Muttergeneration abtrennenden Sexualzeilen geschieht. In beiden Fällen müssen jedoch die Zellkerne als Überträger fungieren, ob sich nun eine Loslösung von Zellen in einem bestimmten Zeitpunkt einstellt oder nicht. In unserem Sinne ist es daher auch vollberechtigt mit Semon(3) die erworbenen Eigenschaften als irreversible Induktionen (Engramme) anzusehen, und es steht nichts im Wege, eine Erblich- keit solcher Eigenschaften denkbar erscheinen zu lassen. Wenn in einem Punkte Zurückhaltung geboten erscheint, so ist es bezüglich der Trag- weite des Begriffes „Erwerben". Bei näherer Prüfung der verschiedenen Einzelfälle, welche hier in Betracht kommen, tritt der Gedanke immer näher, ob sich nicht alle diese Erscheinungen als weitere Ausbildung bereits vorhandener, häufig latenter Eigenschaften auffassen lassen, so daß es nur auf Mehrleistungen, nicht aber auf Neuerwerbungen an- kommt. Das Studium der Biochemie zeigt uns, daß die Zellen niedrigster 1) F. Czapek, Ber. Botan. Ges., /7, 166 (1899). — 2) Z. B. J. Klein. Ztsch. Hyg., 7J, 87 (1912). E. W. Walker, Proceed. Roy. Soc Lond., 83, B., 541 (1911). — 3) R. Semon, Die Mneme als erhaltendes Prinzip, 2. Aufl. (Leipzig 1908). 238 Viertes Kapitel: Chemische Anpassungs- und Vererbungserscheinungen. Organisation alle Grunderscheinungen in sich bergen, welche der Chemismus der höchstentwickelten Lebewesen aufweist, und daß auf dem Wege der Evolution kaum etwas anderes geschieht, als daß vor- handene Anlagen weiter ausgebildet werden. Hier dürfte die Biochemie noch von grundlegender Bedeutung für die Hauptprobleme der Biologie werden. Wir schränken den Adaptationsbegriff dabei nicht auf die augen- fällig zweckmäßigen Erscheinungen ein, sondern subsummieren sämtliche phylogenetisch auf Morphosen zurückführbare Arteigenschaften unter dem Begriffe der Anpassung. Daß im Wege der Selektion schließlich die zweckmäßigen Charaktere in den Vordergrund treten müssen, ist leicht verständlich. Die chemischen Adaptationen sind gegenüber den morphotischen allerdings bisher im Studium stark vernachlässigt worden, doch lassen sich Beispiele hierfür leicht finden. So müssen die Tropen- pflanzen, welche bei Temperaturen von +4 bis + 5° C den Kältetod erlei- den, offenbar bestimmte Anpassungen in ihreji Plamakolloiden vermissen lassen, welche die Pflanzen unserer Klimate besitzen. Während bei Tropenpflanzen Fette, deren Schmelzpunkt oberhalb 35 "^ C liegt un- gemein häufig vorkommen, fehlen unseren europäischen Gewächsen solche Fette ganz, und es treten Fette auf, welche einen sehr tief gelegenen Erstarrungspunkt haben. Erblichkeitserscheinungen auf dem Gebiete chemischer Merkmale sind ebenso allgemein vorhanden, wie auf morphologischem Gebiete. Keine formativen Vererbungsvorgänge sind wohl ohne begleitende chemi- sche Vererbungserscheinungen denkbar. Daß aber auch isoliert chemische Merkmale erblich sein können, beweist uns der erbliche Amygdalingehalt der bitteren Mandel, resp. der erbliche Mangel an diesem Glucosid bei der süßen Mandelvarietät. Alkaloid- und glucosidfreie Varietäten ver- schiedener Pflanzen sind auch noch anderweitig bekannt. Jede Erblichkeitshypothese, welche einen genetischen Zusammen- hang zwischen Adaptationen, irreversiblen und reversiblen Morphosen (Chemosen) annimmt, setzt voraus, daß die extreme sexuelle Vererbung von Generation zu Generation kein scharfer Begriff ist, sondern daß es Übergänge von der sexuellen Vererbung zur reversiblen Morphose geben muß. In der Tat ist das vielzitierte Beispiel von Bacillus prodigiosus, der bei höheren Temperaturen seine Pigmentbildung aufgibt und in gewöhnliche Zimmertemperatur zurückgebracht, nach einiger Zeit wieder Farbstoff bildet, dazu geeignet, um zu zeigen, wie sich die Erblichkeit nur auf eine begrenzte Zahl von Generationen erstrecken kann. Detto(I) hat hierfür den Ausdruck „Pseudovererbung" geprägt. Die Beachtung der erwähnten Erblichkeitszwischenformen läßt es uns auch rätlich er- scheinen, davon abzugehen, das Zwischentreten von Sexual Vorgängen für den Begriff der Vererbung zu fordern, und legt uns nahe, eine asexuelle Vererbung von der sexuellen zu unterscheiden. Es wird ferner nötig sein, zu beachten, daß die Erblichkeit bestimmter Merkmale durch Gene- rationen hindurch latent sem kann, wie es die recessiven Merkmale mendelnder Bastarde zeigen. Dem tragen wir Rechnung durch die Auf- stellung des Begriffes der „diskontinuierlichen Vererbung" im Gegensatz zur gewöhnlichen kontinuierlichen Erblichkeit. Die biochemische Durch- forschung dieser Gebiete ist noch ausstehend und wird nicht verfehlen, unsere Auffassungen sehr zu vertiefen. Aber auch die phylogenetische Erblichkeitslehre wird biochemisch zu behandeln sein. So entsteht 1) C Detto, Die Theorie der direkten Anpassung (Jena 1904). Viertes Kapitel: Chemische Anpassungs- und Vererbungserscheinungen. 239 die Frage, ob das bekannte biogenetische Grundgesetz auch für chemi- sche Erscheinungen an den verschiedenen Pflanzen- und Tiergruppen gUt(l). Da die embryonalen Gewebe der Pflanzen sowie die Zusammen- setzung der niedersten Pflanzen viel mehr der Zusammensetzung des Protoplasmas entsprechen, als die Zusammensetzung der erwachsenen Ge- webe höherer Gewächse, so wäre in der Tat eine solche Beziehung nicht außer Bereich der Möglichkeit. Unter anderem hat man auch die Ver- schiedenheit des osmotischen Druckes der Gewebesäfte während der embryonalen Entwicklung von dem Zustande der ausgebildeten Organe als eine phylogenetische Eigentümlichkeit gedeutet (2). 1) Vgl. L. RosENTHALER, Beihefte bot. Zentr., 21, I, 304 (1906). Verhandl. Naturf. Ges. Stuttgart (1906), II, /, 211. — 2) W. R. G. Atkins, Biochem. Journ., 4, 480 (1909). Spezielle Biochemie. I. Teil: Die Saccharide im Stoffwechsel der Pflanze. Abschnitt 1: Allgemeine Verhältnisse. Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. § 1. Allgemeine Orientierung. Keine andere Substanz steht dermaßen im Mittelpunkte des Stoff- wechsels der lebenden Zelle, wie der Traubenzucker mit seinen nächsten Verwandten und einer Reihe von Derivaten. Die Fortschritte der or- ganischen Chemie ermöglichen es uns heute, den Ausspruch zu wagen, daß es kaum eine kohlenstoffhaltige Substanz des Pflanzenkörpers gibt, welche man nicht irgendwie mit dem Traubenzucker, seinen Spaltungs- produkten und Derivaten, in Verbindung bringen kann. Besonders klar tritt dieser Zusammenhang hervor, solange man noch die sterische Kon- figuration des Traubenzuckers in mehrgliedrigen Kohlenstoffketten weiter- verfolgen kann, wie denn noch in der d- Weinsäure der Aufbau des Trauben- zuckers zu erkennen ist. Aber auch für viele dreigliedrige und noch einfacher gebaute Kohlenstoffverbindungen des Pflanzenkörpers, für cyk- lische Verbindungen verschiedenster Art, ist der Zusammenhang mit Zucker experimentell gut begründet. Besonders bedeutungsvoll sind natürlich die rein physiologischen Erfahrungen, welche uns lehren, daß gerade zur Gewinnung des Zuckers eine imposante Fülle von Mitteln aufgeboten wird, welche nur noch in den Vorgängen bei Bildung und Gewinnung von Eiweißstoffen ein Seitenstück besitzt. Die großartige Erscheinung der Kohlensäureverarbeitung durch chlorophyllführende Pflanzenorgane im Licht läuft im wesentlichen auf eine Zuckersynthese hinaus. Wenn es richtig ist, daß der Chemismus dieses Prozesses in einer Reduktion der Kohlensäure zu Formaldehyd und ia einer Poly- merisierung des letzteren zu suchen ist, so würde der große Übergang zwischen unbelebter Natur und organischer Welt gerade im Zucker liegen, welcher sehr leicht aus jenem Aldehyd entsteht und den Schlüssel- punkt zur Synthese aller anderen komplizierten Kohlenstoffverbindungen darstellt. Dort, wo die Fähigkeit zur Zuckersynthese fehlt, oder in ge- ringerem Maße vorhanden ist, bieten alle pflanzlichen Organismen ein § 1. Allgemeine Orientierung. 241 Heer von Hilfsmitteln auf um sich in den Besitz von Zuckerstoffen zu setzen, sei es durch bloße Spaltung zusammengesetzter Stoffe, sei es durch Aufbau aus einfacheren Verbindungen. Keimpflanzen, saprophytische Pilze, Parasiten aus niederen und höheren Pflanzengruppen verfügen über einen erstaunlichen Reichtum an Enzymen und anderen chemischen Apparaten, um sich Zucker aus Kohlenhydraten, aber auch aus anderen Kohlenstoff- verbindungen durch Spaltung, bzw. durch Synthese zu bereiten. Selbst bei einem Omnivoren Schimmelpilz wie Aspergillus niger, welcher über- raschend verschiedenartige Kohlenstoffnahrung assimilieren kann, überragt Traubenzucker bei weitem alle anderen Kohlenstoffverbindungen an Nähr- erfolg, so daß, wie Pfeffer ermittelte, dieser Pilz aus 100 Teilen Trauben- zucker 33—43 Teile Pilztrocken Substanz aufbauen kann. Aber nicht allein als aufbauender Nahrungsbestandteil spielt Zucker eine führende Rolle, sondern er erweist sich vermöge seiner außerordent- lich vielseitigen Spaltbarkeit und seines großen Energiegehaltes als un- ersetzliches Material zur Beschaffung von Energie im Lebenshaushalte. So stehen die Zuckerstoffe in der Sauerstoffatmung als ergiebige, leicht ausnutzbare Energiequelle zur Verfügung, während sie andererseits auch ohne Sauerstoffzutritt durch äußerst mannigfache Spaltungen, die zum Teil noch unbekannt sind, Energie zu liefern imstande sind. Alkohol- gärung, Milchsäuregärung, Buttersäuregärung,Valeriansäuregärung(l) zählen hierher, und wahrscheinlich ist mit den bisher bekannten Vorgängen der Zuckerspaltung ohne Sauerstoffaufnahme die Reihe dieser Prozesse noch nicht erschöpft. In dieser Richtung reichen weder Fette noch Eiweiß- körper an die Zuckerarten heran. Zahlreiche obligat anaerobe Bacterien haben wohl auf den Luftsauerstoff Verzicht geleistet, können jedoch ohne Zucker nicht existieren. Für die Erkenntnis des Zusammenhanges der Chemie der Zelle mit der Chemie des Traubenzuckers war ganz besonders die von E.Fischer (2) erschlossene Konfiguration dieses Stoffes, ferner der Zusammenhang der Wirkungsweise von Zellenzymen mit sterischen Verhältnissen von grund- legender Bedeutung. Da sich voraussichtlich die Ketten des Zusammen- hanges bis zu den im Eiweiß anzunehmenden optischen Modifikationen der Aminosäuren ausdehnen dürften, so können wir mit Recht den Trauben- zucker als Ausgangspunkt jeder allgemeinen biochemischen Darlegung des Zellmechanismus betrachten. Die Chemie der Zuckerarten ist ein Kind der jüngsten Zeit, und die Geschichte der früheren Kenntnisse ist bald erschöpft. Dem früher bereits bekannten Rohrzucker (1747 von Marggraf auch in der Zuckerrübe nach- gewiesen) und Milchzucker reihte 1806 Prout (3) den Traubenzucker an, welchen er krystaUisiert aus Weinbeeren gewann und als besondere Zucker- art unterschied. Durch Kirchhoffs Entdeckung der Säurehydrolyse der Stärke (1815) erhielt man eine ergiebige neue Quelle zur Traubenzucker- gewinnung. Der ebenfalls schon zu dieser Zeit bekannte und von Proust, Thenard, Bouillon-Lagrange (4) studierte Mannit galt als weitere, jedoch nicht gärfähige Zuckerart. Nach Anstellung von Elementaranalysen 1) E. Weinland, Ztsch. f. Biolog., 43, 112 (1902) für Ascaris lumbricoides. — 2) E. Fischer, Ztsch. physiol. Chem., 26, 60 (1898). Untersuchungen über Kohlenhydrate u. Fermente (Berlin 1909). — 3) J. de Pkout, Ann. de Chim., 57, 131, 225 (1806). — 4) Bouillon-Lagrange, Ann. de Chim. et Phys. (2), 4, 398 (1817). Czapek, Biochemie der Pflanzen, s. Aufl. 1" 242 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. durch zahlreiche ausgezeichnete Chemiker (1 ) eruierten Liebig (2) und Berzelius (3) die wahre empirische Formel des wasserhaltigen und wasser- freien Traubenzuckers und des Mannits. Man lernte hierauf die Natur des Malzzuckers [Dubrunfaut 1847 (4)] und die Zusammensetzung des Rohr- zuckers kennen [DuBRUNFAUT, Peligot, Soubeiran u. a. (5)], und kam durch die Zerlegung des letzteren zur Kenntnis der Fructose (1847, Dubrunfaut). Den Dulcit (Melampyrit) entdeckte 1836 Hünefeld (6j, die Sorbose 1852 Pelouze (7) und den Erythrit 1852 Lamy (8). Da man außer dem süßen Ge- schmack und der Gärfähigkeit kein anderes Merkmal der Zuckerarten kannte, blieb der Zuckerbegriff lange Zeit ein unbestimmter. Die Reduktion alkaU- scher Metallsalzlösungen (9), sowie die Eigenschaft, bei Oxydation Säuren zu liefern, führte zu der Vermutung, der Traubenzucker sei als Aldehyd aufzufassen (Kekule, 1860), und 1870 wurde von Baeyer(10) die heute allgemein angenommene Zucker konstitutionsformel CHgOH — (CHOH) 4 — CO H für den Traubenzucker aufgestellt. Die Isomerie der Zucker blieb jedoch unerklärt (11). In die Folgezeit fallen die verdienstvollen Arbeiten von Tollens und seinen Schülern (12) über die Bildung von Lävuhnsäure oder /S-Acetylpropionsäure: CHg-CO-CHg-CHj-COOH aus Zucker und Kohlen- hydraten bei Einwirkung starker Mineralsäuren. 1880 v/urde Kiliani(13) darauf aufmerksam, daß bei der Oxydation von Trauben- und Frucht- zucker mit Silberoxyd nicht dieselben Produkte entstehen. Traubenzucker liefert viel weniger Glykolsäure als Fruchtzucker. Bei Oxydation mit Brom hefert, wie verschiedene Forscher schon früher gefunden hatten (14), Traubenzucker Gluconsäure, während InuUn und Fructose Oxalsäure und Glykolsäure geben. Kiliani schloß daraus, daß man diese Differenz 1) Z. B.: Berthollet, Schweigg. Journ., 2g, 490 (1820). W. Prout, Ann. de Chim. et Phys. (2), 36, 366 (1827). Rohrzucker wurde seit Lavoisier schou früher oft und genau analysiert. — 2) Liebig, Pogg. Ann., 31, 339 (1834). Liebig u. Pelouze, Ann. de Chim. et Phys. (2), 63, 136 (1836). — 3) Berzelius, Jahresber. phys. Wissensch., 19, 449 (1840). — 4) Dubrunfaut, Ann. de Chim. et Phys. (3), 21, 178 (1847) erkannte die Maltose als zusammengesetzt aus zwei Molekülen Trauben- zucker. Die Eigenart der Maltose war schon früher von Payen u. Persoz, sowie von Lüdersdorff, Schweigg. Journ., 6g, 201 (1833), behauptet worden. — 5) Persoz, Schweigg. Journ., 6g, 83 (1833); Pogg. Ann., 32, 207 (1834). E. Peligot, Ann. de Chim. et Phys. (2), 67, 113 (1838). Dubrunfaut, Ebenda (3), 21, 169 (1847); Compt. rend., 29, 51 (1849). Soubeiran, Berzelius' Jahresber., 27, 384 (1848). — 6) Hüne- feld, Journ. prakt. Chem., 7, 233 (1836); 9, 47 (1836). In Manna aus Madagaskar als ,,Dulcose" angegeben von A. Laurent, Compt. rend., 30, 41 (1850). — 7) J. Pelouze, Ann. de Chim. et Phys. (3), 35, 222 (1852); Lieb. Ann., 83, 47 (1852). — 8) A. Lamy, Ann. de Chim. et Phys. (3), 35, 129 (1852). — 9) Entdeckt von Vogel, Schweigg. Journ. Chem., 13, 162 (1815); ferner Becquerel, Ann. Chim. et Phys. (2), 47, 13 (1831). — 10) A. V. Baeyer, Ber. Chem. Ges., 3, 67. Fittig, Ztsch. Ver. Kübenzuckerindustrie, 21, 270. Die älteren Formeln von Rochleder, Hlasiwetz u. Habermaun, Kolbe, Kolli sind angeführt in Lippmann, Die Chemie der Zucker- arten, 3. Aufl. (1904). — 11) Versuche z. B. bei Th. Zincke, Lieb. Ann., 216, 286 (1883). — 12) A. V. Grote u. Tollens, Journ. f. Landwirtsch. (1873), p. 373; Ber. Chem. Ges., 7, 1375 (1874); Journ. Landwirtsch., 23, 202 (1875). Bente, Ber. Chem. Ges., 8, 416 (1875); p, 1157 (1876). Vorschrift zur Lävulinsäuredarstellung bei Grote u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 10, 1441 (1877). Konstitution: M. Conkad, Ber. Chem. Ges., //, 2177 (1878); Lieb. Ann., 188, 223. Tollens, Ber. Chem. Ges., 12, 334 (1879). Kehrer u. Tollens, Lieb. Ann., 206, 233 (1880). Wehmer u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 19, 707 (1886); Landw. Versuchsst., 39, 405 (1893). P. Rischbieth, Ber. Chem. Ges., 20, 1773 (1887). Berthelot u. Andre, Compt. rend., 123, 567 (1896). E. Erlenmeyer jun., Journ. prakt. Chem., 71, 382 (1905). — 13) H. Kiliani, Lieb. Ann., 205, 191 (1880). — 14) Gluconsäure dargestellt von Hlasiwetz und Haber- mann, Ber. Chem. Ges., 3, 486 (1870). O. Grleshammer, Arch. Pharm., 12, 193. HÖNiG, Sitz.ber. Wien. Ak., 78 (2), 704 (1878). Konstitution festgestellt von A. Herzfeld, Lieb. Ann., 220, 335 (1883). § 1. Allgemeine Orientierung. 243 am einfachsten durch die Annahme erklären könne, daß die Fructose nicht die Aldehydformel, sondern die entsprechende Ketonformel besitzt: CH20H.CO.(CHOH)8CH20H. Von Wichtigkeit war die fernerhin erfolgte Auffindung der d fia- lactose unter den Hydratationsprodukten von Kohlenhydraten in Samen durch MuNTZ(l), wodurch die Existenz auch dieser Komponente des tie- rischen Milchzuckers im Pflanzenreiche erwiesen war. In das Jahr 1883 fällt der Beginn der erfolgreichsten Forschungs- periode der Zuckerchemie mit der Darstellung der Phenylhydrazinver- bindungen der Zucker durch E. Fischer (2). Die Methode erwies sich trefflich geeignet zur Gewinnung sehr reiner Zuckerderivate und trug sehr bald eine Reihe wertvoller PYüchte; Fischer selbst zeigte für eine Reihe von Glucosidzuckern (Crocose, Phlorose u. a.) die Identität mit Traubenzucker und lehrte in Gemeinschaft mit Tafel (3), daß der „Isodulcit" kein sechswertiger Alkohol sein könne, sondern weil er ein Osazon liefert, als Methylderivat eines fünfwertigen Aldehydzuckers an- zusehen sei. Kurz zuvor hatte Kiliani(4) durch die Untersuchung des Arabinosazons die bedeutsame Entdeckung gemacht, daß die Arabi- nose(5) eine fünfgliederige Kohlenstoffkette enthält und daß sie als erster Repräsentant einer Gruppe fünfwertiger Zucker anzusehen sei. Ein weiteres großes Verdienst Kilianis war die Anwendung der Winkler- schen Synthese von Oxysäuren aus Aldehyden auf die Zuckerchemie. KiLiANi(e) zeigte, daß Traubenzucker mit Blausäure leicht ein Cyan- hydrin oder Nitril einer Glucosecarbonsäure durch Blausäureanlagerung liefert. Nach Fischers Vorgang werden heute diese Säuren als Gluco- heptonsäuren bezeichnet. Kiliani bewies hierdurch das Vorhandensein einer normalen Kohlenstoffkette bei fünf- und sechswertigen Zuckern. Von höchster Bedeutung war die spätere Feststellung Fischers (7), daß bei der Blausäureanlagerung gleichzeitig die Nitrile zweier isomerer Glucoheptonsäuren entstehen, deren Lactone gut krystallisieren. Eine fernere Erweiterung des Forschungsgebietes kam von der Entdeckung der Mannose, welche fast gleichzeitig von Fischer (8) als Oxydationsprodukt des natürlichen Mannits, und von Reiss(9) als Hy- 1) A. MüNTZ, Compt. rend., 94, 453 (1882). Boussingault, Agronom., «, 161; Compt. rend., 102, 624, 681 (1885). Die Angabe von C. Bouchardat, Compt. rend., 73, 462 (1873), über das Vorkommen von Milchzucker im Fruchtsafte von Achras Sapota ist unbestätigt geblieben. Ältere Lit. über den tier. Milchzucker: Bouillon-Lagrange u. Vogel, Schweigg. Journ., 2, 342 (1811), erkannten die Ver- schiedenheit vom Rohrzucker. Gewinnung von Traubenzucker daraus nach Säure- hydrolyse: Vogel, Schweigg. Journ., 5, 87 (1812). Döbereiner, Ebenda, 6, 218 (1812). Isolierung der d-Galactose: H. Fundakowski, Ber. Chera. Ges., 8, 599 (1875); p, 42 (1876); //, 1069 (1878). — 2) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 16, 572 (1883); 17, 579 (1884); 20, 821 (1887). — 3) Fischer, Ber. Chem. Ges., 21, 988 (1888). Fischer u. J. Tafel, Ebenda, 20, 1089 (1887). — 4) Kill^ni, Ebenda, 20, 282 (1887). — 5) Arabinose, entdeckt von Scheibler, war von P. Claesson, Ber. Chem. Ges., 14, 1270 (1881) als verschieden von Galactose erkannt worden. — 6) Kiliani, Ber. Chem. Ges., 19, 767, 1128 (1886): 20, 339 (1887). — 7) Fischer, Lieb. Ann., 264, 64. Fischer u. Hirschberger, Ber. Chem. Ges., 22, 372 (1889). — 8) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 20, 821 (1887). Fischer u. J. Hirschberger, Ebenda, 21, 1805 (1888). Krystallisiert stellte erst W. A. van Ekenstein, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 14, 329; 15, 221 (1896), die Mannose dar. Vgl. auch Duyvene de Witt, Chem, Zeutr. (1895), 2, 862. Über krystallisierte i-Manaose: C. Neüberg u. P. Mayer, Ztsch. physiol. Cbem., 37, 545 (1903). — 9) R. Reiss [Ber. Chem. Ges., 22, 609 (1889); Ber. Bot. Ges., 1889, p. 322, Diss. (Erlangen 1889)] nannte sein Zueker- präparat „Seminose". Fischer u. Hirschberger, Ber. Chem. Ges , 22, 1155 (1889), stellten die Identität der Seminose mit ihrer Mannose fest. Vgl. auch 1. c. p. 3218. 16* 244 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. dratationsprodukt der Reservecellulose von Samen aufgefunden wuide. Sie ist der zum Mannit gehörende Aldehyd. Es traten aber auch erfolgreiche Ansätze zur Zuckersynthese schon seit 1885 mehrfach hervor. 1886 hatte 0. Loew(1) gezeigt, daß aus Forraaldehyd beim Stehen mit Kalkmilch zuckerähnliche Kondensations- produkte von der Zusammensetzung der Hexosen entstehen. Es wurden von LoEW zwei Zucker angegeben, Formose und Methose. Fischer (2) konnte durch Einwirkung von kaltem Barytwasser auf« Acroleinbromid zu einem Zucker kommen, welchen er als „Acrose" bezeichnete. Da die Vermutung bestand, daß bei dieser Reaktion Glycerinaldehyd als Zwischenglied auftritt, von welchem zwei Moleküle nach Art von Aldolen sich zu Hexose kondensieren, so wurde nach Entdeckung eines erfolg- reichen Verfahrens, Glycerinaldehyd zu bereiten (3), der Versuch wieder- holt unter Anwendung von „Glycerose". Die auf diese Weise ebenfalls erhaltene „Acrose" stellte sich später als Gemisch von i-Mannose und i-Fructose heraus. Erwähnt sei, daß bereits Gorup Besanez(4) aus Mannit durch Oxydation ein Zuckergemisch erhalten hatte: „Mannitose", in welcher Dafert (5) die Anwesenheit von Fructose und Fischer Mannose nachgewiesen haben. Übrigens ist es auch möglich, vom Glykol- aldehyd aus durch Kondensation Acrose zu erhalten, wie Fenton und Jackson (6) gezeigt haben. Zu der Synthese des natürlich vorkommenden optisch aktiven Zuckers wurde jedoch der Weg von einer anderen Seite eröffnet. Es war dies die wichtige Entdeckung Fischers (7), daß das Lacton der Mannonsäure und das Lacton der Arabinosecarbonsäure sich zu einer inaktiven Substanz vereinigen und daher ebenso zusammengehören wie d- und 1-W^einsäure: als d-Mannonsäure (von der natürlichen Mannose), 1-Mannonsäure (= Arabinosecarbonsäure) und i-Mannonsäure. Es stellte sich auch heraus, daß das Reduktionspfodukt einer Fraktion der Acrose: a-Acrit identisch ist mit i-Mannit. Die 1-Mannose wurde als der erste 1) Forniose: O. Loew, Habilit.-Schrift (München 1886); Bef. Cham. Ges., 19, 141 (1886); 20, 141, 3039 (1887); Botan. Ztg. (1887), p. 813; Ber. Cham. Ges., 21, 270 (1888); Journ. prakt. Cham., 37, 203 (1888). C. Wehmer, Botan. Ztg. (1887), p. 713; Wehmer u. Tollens, Liab. Aun., 243, 334 (1888). Loew, Ber. Cham. Ges., 22, 470 (1889) [Methosa]; Versuchsstat., 41, 131 (1892); Chem.-Ztg., 21, 231 (1897); 23, 542 (1899); Chem. Zentr. (1899), //, 282. Zuckersynthese aus Trioxymethylen : Seyewetz u. Gibello, Compt. rand., 138, 150 (1904); Bull. Soc. Chim. (3); 31, 434 (1904). In histor. Hinsicht ist zu erwähnen, daß A. Butlerow, Liab. Ann., 120, 295, durch Erhitzen von Dioxymethylen mit Kalilauge eine zuckerähnliche, nicht gärungsfähige, optisch inaktive Substanz „Methylenitan" : C, Hj^Oe „erhalten hatte. Osazone aus Formose: Fischer, Ber. Chem. Ges., 21, 988 (1888). Über Gegenwart einer Pentose in Formosezuckergeraisch. Fischer, Bar., 21, 990 (1888). Neüberg, 35, 2632 (1902). Noch besser kondensiert frisch gefälltes Bleihydroxyd (Loew). H. u. A. EüLER, Ber. Chem. Ges. (1906), p. 39 u. 49, geben unter den Kondensations- produkten an : i-Arabinokatose, Glykolaldehyd, Dioxyaceton. — 2) Fischer u. Tafel, Ber. Chem. Ges., 20, 2566 (1887); vgl. auch C. A. Lobry de Bruyn, Rec. trav. chim. Pays-Bas, .#, 231(1885). — 3) Glycerinaldehyd: E. Grimaux, Compt. rend., 104, 1276 (1886); 105, 1175 (1887). Fischer u. Tafel, Ber. Chem. Ges., 20, 3383 (1887); 21, 2634 (1888). Fonzes - DiACON, Bull. Soc. Chim. (3), 13, 862 (1895). Das erhaltene Produkt enthielt viel Dioxyaceton und wenig Glycerinaldehyd, nach neueren Untersuchungen von A. Wohl u. C. Neuberg, Ber. Chem. Ges., 33 (III). 8095 (1900), nur Dioxyaceton, Darstellung von reinem Glycerinaldehyd: Wohl, Ber. Chem. Ges., j/, 1796, 2394 (1898). — 4) Gorup Besanez, Lieb. Ann., 118, 257. — 5) Dafert. Ber. Chem. Ges., 17, 227 (1884). — 6) H. Fenton, Proceed. Cham. Soc. (1897), Nr. 176, p. 63. Fenton u. Jackson, Chem. News, 80, 177 (1899). Jackson, Proceed. Chem. Soc, 15, 238 (1899). — 7) Fischer, Ber. Cham. Ges., 23, 370 (1890). § 1. Allgemeine Orientierung. 245 in der Natur nicht vorkommende synthetische Zucker durch Reduktion des Arabinosecarbonsäurelactons zugänglich. Fischer zeigte. daB die i-Mannose sowohl durch Darstellung der in Alkohol ungleich löslichen Strychninsalze, als mittels elektiver Verarbeitung durch Penicilliura ge- spalten werden kann. Hefe sowohl wie Schimmelpilze verarbeiten nur die d-Mannose unter Rücklassung der 1-Mannose. Dies war der erste schöne Beweis dafür, wie bedeutungsvoll sterische Differenzen bei iso- meren Zuckern hinsichtlich ihrer biochemischen Eigenschaften sind. Eine zweite Acrosefraction, /?-Acrose, hinterließ in der elektiven Verarbeitung durch Pilze einen Ketonzucker, welcher als 1-Fructose zu benennen war. Es war damit auch die Trias der Fructosen: d-, 1- und i-Fructose festgestellt. Den Weg zum Traubenzucker öffnete die glückliche Entdeckung, daß Gluconsäure bei 150" und Gegenwart von Chinolin Umlagerung in Mannonsäure erfährt und auch der umgekehrte Prozeß durchführbar ist. Nun war aber Mannonsäure von der Acrose und somit auch vom Glycerin zugänglich und die totale S}Tithese des Traubenzuckers daher glücklich vollzogen [Fischer 1890(1)]. Die Säuren der sechswertigen Zucker benutzte Fischer (2), um durch Blausäureanlagerung zu Säuren siebenwertiger Zucker (Heptosen) zu gelangen, welche Zucker man durch Reduktion der Glucoheptonsäurelactone ohne weiteres erhielt. Erwähnenswert ist, daß sich die Identität des Heptits aus Mannohep- tose mit dem natürlich vorkommenden Perseit ergab. Durch Wieder- holung des Vorganges konnte Fischer (3) aus Heptosen Octosecarbon- säure und Octose, aus Octosen Nonosecarbonsäure und Nonose ge- winnen. Von biochemischem Interesse ist, daß Heptosen und Octosen nicht gärungsfähig waren, daß Mannononose aber nach Fischer von Hefe vergoren wird. In neuerer Zeit wurden durch Philippe (4) auch Gluco- decose und deren Derivate dargestellt. Die 1-Glucose und i-Glucose konnte Fischer (5) durch Vymitt- lung der 1-Mannonsäure (Arabinosecarbonsäure) durch Umlagerung des Säurelactons erreichen und auf diese Weise auch die Trias der Glu- cosen vervollständigen. I-Glucose wird auch durch elektive Hefegärung aus i-Glucose erhalten. Mittlerweile war durch Koch die Xylose aus Holzgummi dar- gestellt und durch Wheeler und Tollens als Pentose erkannt worden. Sie eröffnete durch Herstellung der Xylosecarbonsäure den Weg zur Darstellung einer gänzlich neuen, in der Natur nicht vorkommenden Zuckergruppe, der d-, 1- und i-Gulose [Fischer und Stahel(6)]. Gleichzeitig erreichten Fischer und Piloty(7) die Gulosegruppe auch vom Zuckersäurelacton und von der Glucuronsäure aus, also von dem Traubenzucker ausgehend. Während die Glucuronsäure aber bei ihrer Reduktion d-Gulonsäure und d-Gulose liefert, erhält man bei Anlage- rung von Blausäure an Xylose Derivate der 1-Gulose. 1-Gulose gab bei Reduktion 1- Sorbit, während Traubenzucker und d-Zuckersäure d-Sorbit liefern. In letzter Zeit wurde in analoger Weise von Levene und 1) Fischer, Ber. Chem. Ges., 23, 799 (1890). — 2) Fischer, Ebenda, p. 930. — 3) Fischer u. F. Passmore, Ebenda, 2226 (1890). Fischer, Lieb. Ann., 270, 64 (1892); Lieb. Ann., 288, 139 (1895). — 4) L. H. Philippe, Compt. rend., 151, 986 u. 1366 (1910); 152, 1774 (1911). — 5) Fischer, Ber. Chem. Ges., 23, 2611 (1890). — 6) E. Fischer u. R. Stahel, Ebenda, 24, 528 (1891) — 7) Fischer u. PiLOTY, Ebenda, p. 521 (1891). 246 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zudcerarten. Jacobs (1) durch die Cyanhydrinsynthese aus der d-Ribose das Aldo- hexosenpaar d-AUose und d-Altrose erschlossen. Wenn man Fructose reduziert, so hat man, wie Fischer (2) her- vorhob, wegen des Asymmetrischwerdens des Kohlenstoffes der Keton- gruppe von vornherein die Entstehung zweier stereoisomerer Hexite zu erwarten : CH3 CHjOH CHjOH — > CO OH-C-H oder H • C • OH In der Tat werden d- Sorbit und d-Mannit in annähernd gleicher Menge gefunden. Die analoge Überlegung gilt auch für die Entstehung der Hexonsäuren durch Blausäureanlagerung bei Pentosen. Arabinose liefert sowohl 1-Mannonsäure als 1-Gluconsäure. Daraus folgt der wich- tige Schluß, daß es gerade das der Carboxylgruppe benachbarte Kohlen- stoffatom ist, welches durch seine Asymmetrie den Unterschied der Mannose- und Glucosegruppe bedingt („Epimerie" der Zuckerarten nach Votocek(3). So kam Fischer (4) zu bestimmten Vorstellungen über die „Konfiguration" des Moleküls der bis dahin bekannten Zuckerarten. Auch die Gruppe der Galactose V7urde durch die Arbeiten von Fischer und Hertz (5) vollständig bekannt, indem es gelang, das Schleimsäurelacton durch Reduktion in eine einbasische Säure überzu- führen, welche mit Hilfe der Strychninsalze in d-Galactonsäure und l-Galactonsäure spaltbar war. Auch elektive Vergärung der i-Galacton- säure führt zur Gewinnung der 1-Säure. 1-Galactose gibt bei ihrer Re- duktion Dulcit, bei Oxydation wieder Schleimsäure. Es muß daher das Molekül von Dulcit und Schleimsäure symmetrisch gebaut sein und kann nicht optisch aktiv sein (6). Umlagerung durch Erhitzen mit Chinolin bedingt bei der Arabon- säure, wie Fischer und Piloty(7) fanden. Entstehen einer neuen Pentonsäure, Ribonsäure, aus welcher durch Reduktion die erste in der Natur nicht vorkommende Pentose, die Ribose, erhalten wurde. Der Alkohol der Ribose ist jedoch identisch mit dem von Merck (8) in Adonis vernalis gefundenen Adonit. Wie erwähnt, war die Rhamnose von Fischer als Methylpentose erkannt worden. Eine weitere Methylpentose ergab sich nun [Fischer und Liebermann (9)] in der Chinovose aus Ghinovin. Die Untersuchung der Rhamnose durch Fischer und Morrell(IO) ergab, daß sie ein De- rivat der 1-Mannose oder der 1-Gulose sein kann. In jüngster Zeit fiel die Entscheidung zugunsten der 1-Mannose. Weitere Arbeiten eröffneten unter Benutzung der Chinolin- oder Pyridinumlage ungsmethode zwei neue Triaden von Hexosen: die Gruppe der Talonsäuren und Talosen durch Umlagerung der d-Galactonsäure 1) P. A. Levene u. Jacobs, Ber. Chem. Ges., 43, 3141 (1910). — 2) Fischbr, Ebenda, 23, 3684 (1890). — 3) E. VotoÖek, Ber. Chem. Ges., 44, 360 (1911). — 4) Fischer, Ebenda, 24, 1836, 2683 (1891). — 5) Fischer u. J. Hertz, Ebenda, 25, 1247 (1892). Über Dulcit auch A. W. Crossley, Ebenda, p. 2564. — 6) über die interessanten Verhältnisse optischer Inaktivität trotz Vorhandensein „asymme- trischer C-Atome" vgl. GuYE u. Goudet, Compt. rend., 122, 932 (1896). L. March- LEWSKi, Ber. Chem. Ges., 35, 4344 (1902). — 7) Fischer u. Piloty, Ebenda, 24, 4214 (1891). — 8) Merck, Chem. Zentr. (1893), /, 344. Fischer, Ber. Chem. Ges., 26, 633 (1893). — 9) Fischer u. C. Liebermann, Ebenda, 26, 2415 (1893). — 10) Fischer u. R. S. Morrell, Ebenda. 27, 382 (1894). § 1. Allgemeine Orientierung. 247 [Fischer (l)j; die Gruppe der Idonsäuren und Idosen durch Umlage- rung der d- und l-Gulonsäure [Fischer und Fay(2)], Nach Hanriot(3) kann man auch die Chloraladditionsprodukte der Aldosen mit Erfolg zur Konstitutionsbestimmung heranziehen. Von hohem biochemischen Interesse sind die Beobachtungen von Lobry de Bruyn und van Ekenstein (4) über die wechselseitige par- tielle Umwandlung von Traubenzucker, Mannose und Fructose unter dem Einflüsse verdünnter Alkalien. Besonders Fructose geht leicht in Glucose und Gluconsäure über. Man kann auf diese Weise den Über- gang von Rohrzucker in Stärke in der Pflanzenzelle leichter verständ- lich finden. Den genannten holländischen Chemikern gelang es aber auch, auf diesen Beobachtungen fußend, den bewunderungswürdigen Aufbau der Chemie der Aldehydzucker durch Fischer in glücklicher Weise durch die Auffindung einer größeren Zahl gänzlich neuer Ketonzucker zu ergänzen (5). Sie erhielten aus Galactose außer Talose zwei neue krystallisierende Ketosen: Tagatose und Pseudotagatose, ferner die sirupöse Galtose. Alle drei sind nicht gärfähig. Aus Traubenzucker ließ sich Pseudofructose und die nicht gärfähige Glutose gewinnen. Pseudotagatose wurde durch Bacterien verarbeitet. Weitere Studien der genannten Forscher (6) haben ergeben, daß die Pseudotagatose der optische Antipode der natürlichen Sorbose (d-Sorbose) ist, die 1-Sorbose, und es gelang, die Konfiguration der Sorbosen sicherzustellen. 1-Sorbose wurde auch von 1-Gulonsäure und 1-Idonsäure aus über die betreffenden Aldosen dargestellt. Das Gebiet der Pentosen wurde ferner erweitert durch die Ent- deckung der Gruppe der Lyxose, welche Fischer und Bromberg (7) von der 1-Xylonsäure aus durch Pyridinumlagerung erreichten. Wohl und List (8) zeigten, daß sich Lyxose auch von d-Galactose aus darstellen läßt. Von großer Wichtigkeit war die Entdeckung von Wohl (9), daß man vom Traubenzucker durch Behandlung seines Oxims mit konzen- triertem Alkali und durch Blausäureabspaltung aus dem vorübergehend ent- standenen Gluconsäurenitril zu Pentosen gelangen kann. So wurde vom Traubenzucker aus die d-Arabinose zugänglich, welche später auch aus Aloin gewonnen wurde. Das gleiche Ziel wurde sodann von Rupf (10) 1 ) Fischer, Ber.cliem.Ges.,^^, 3622 ; 27, 1524(1894) (TaUt). — 2)Fi80hee, Ebenda, 27, 3203 (1894). Fischer u. J. W. Fat, Ebenda, 28, II, 1975 (1895). — 3) Hak- BiOT, Ann. de Chim. et Phys. (8), /C(OH) . CHOH . CH . CH2OH Ein anderer interessanter Zerfallsprozeß mit nachfolgender Kondensation betrifft die zuerst von Windaus und Knoop (1 ) beobachtete Bildung von /NH-CCH3 Methylimidazol GHG(OH)(GHOH)2-GH20H <- ^^jJ*>G0undG0H.GH0H.GH20H Methylglyoxal: GHg-GO GHg-G-NHx + 2 NH3 -f- GOH2 -> II >eH + 3 H2O GOH GH-N/^ Salpetersäure oxydiert Traubenzucker zu der zweibasischen d-Zucker- säure, deren gut krystalUsierendes y-Lacton 0 OH H OH GOOH •G.GG-G-G:0 H H OH H zur Identifizierung der d- Glucose Verwendung finden kann (2); die Reduktion dieses Lactons gibt nach Boutroux (3) eine Ketonsäure Gi2HioOi4. Nach Neuberg (4) entsteht bei der HNOg-Oxydation des Traubenzuckers auch noch eine bedeutende Menge einer Carbonylsäure der Gg- Reihe, welche die für alle Garbonylsäuren charakteristische Reaktion mit HGl-Naphthoresorcin intensiv gibt. d-Zuckersäure ist nach Gorter (5) ein bisher isohertes merk- würdiges natürhches Vorkommnis im Milchsaft von Ficus elastica, wo sie sich als Mg- Salz findet. Zwischen Gluconsäure und Zuckersäure steht die biochemisch wichtige Aldehydsäure G0H-(GH0H)4-C00H oder Glucuronsäure. Deren gut krystalUsierendes Lacton, das Glucuron: 0 OH H OH GOH -GCGG-GiO H H OHH 1) A. WiNDAUS u. F. Knoop, Hofmeist. Beitr , 6, 392 (1905); Ber. Chem. Ges., 38, 1166 (1905); 39, 3886 (1906); 40, 799. K. Inouye, Ebenda 1890 (1907). — 2) Gans, Stone u. T01.LEN8, Ber. Chem. Ges., 21, 2148 (1888); Landw. Versuchsst., 39, 408 (1891). — 3) L. BoüTBOUX, Compt. rend., ///, 185 (1S90). — 4) C. Neüberg, Biochem. Ztsch., 28, 355 (1910). — 5) K. Gorter, Reo. trav. chim. Pays-Bas, j/, 281 (1912). § 2. Kurze Charakterißtik der natürlichen Zuckerarten usw. 257 darstellbar ist und aus Zuckersäurelacton durch Reduktion mit Natrium- amalgam erhalten wird. Während man diese Aldehydsäure aus dem tierischen Harne schon lange kennt, wo sie als Paarhng nach Ver- fütterung zahlreicher hydroaromatischer und aromatischer, aber auch ah- phatischer Stoffe reichlich auftritt, ist sie im Pflanzenreiche erst in neuester Zeit, nachdem auf die hohe Wahrscheinhchkeit ihres Vorkommens aufmerk- sam gemacht wurde (1), zuerst als Paarhng im Glycyrrhizin durch Gold- SCHMIEDT (2), durch Smolenski (3) in der Zuckerrübe und durch Dmo- CHOWSKi und ToLLENS (4) im Blumenkohl aufgefunden worden. Offenbar handelt es sich um eine weiter verbreitete Pflanzensubstanz. Als quah- tative Erkennungsproben auf Glucuron benützt man die intensive Rot- färbung mit HCl und Naphthoresorcin nach Tollens (5), eine übrigens allen Carbonylsäuren zukommende Reaktion; die Grünfärbung mit a-Naph- thol und H2SO4 nach Goldschmiedt (6) (nur bei Abwesenheit von Nitraten beweisend); die reichhche Furfurolbildung nach Kochen mit HCl (7); auch die IsoHerung als Osazon (s. u.) läßt sich verwenden (8). Glucuronsäure und manche ihrer Verbindungen reduzieren alkalische Kupferlösung. Die Säure selbst ist rechtsdrehend, die Verbindungen jedoch sind linksdrehend. Nach J OLLES (9) werden kleine Mengen von Glucuronsäure auch bei der Einwirkung von HgOg auf Glucose bei 37" C gebildet. In den Verbren- nungsgasen von Zucker fand Trillat(IO) Formaldehyd, Acet- und Benzal- dehyd, Aceton, Methylalkohol, Essigsäure und Phenolderivate. Die wohl gleichfalls den Oxydationswirkungen anzureihende zer- setzende Wirkung von Licht auf Glucoselösungen ist besonders von Berthe- LOT(II) in neuester Zeit unter Benützung intensiver ultravioletter Bestrah- lung als Photolyse näher beschrieben worden. Glucose und andere Al- dosen, zerfallen merkhch erst durch die Strahlen des mittleren Ultraviolett der Wellenlänge X 0,30—0,25 [i, während Ketosen schon im beginnenden Ultraviolett (A ) 0,30 (jl) zersetzt werden. Die Zuckeralkohole widerstehen allen Strahlen von / > 0,25 ju. Die Aldosen hefern 2 Vol. CO auf 1 Vol. H, die Ketosen nur CO, die Zuckeralkohole gleiche Volumina CO und H. Sodann wird die Lösung sauer, reduziert Fehling in der Kälte, spaltet CH4 und COg ab und enthält Formaldehyd und Methylalkohol. Nach Jodlbauer (12) ist Gegenwart fluorescierender Farbstoffe auf die Photolyse von Zucker ohne Effekt. 1) Vgl. Biochemie, 1. Aufl., /, 202. — 2) G. Goldschmiedt, Ztsch. physiol. ehem., 65, 389 (1910). — 3) K. Smolenski, Ebenda, 71. 266 (1911). — 4) R. Dmo- CHOWSKi u. Tollens, Journ. f. Landw. 58, 27 (1910). — 5) B. Tollens, Ber. Chera. Ges., 41, 1788 (1908). C. Tollens, Ztsch. physiol. Chem., 56, 115 (1908); Münch. med. Woch.schr., 56, 652 (1909). Neubero, Biochem. Ztsch., 24, 436 (1910); 44, 502 (1912). Tollens, Abderhaldens Handb. biochem. Arb.meth., 2, 68 (1909); ebenda, p. 101. — 6) Goldschmiedt, Ztsch. physiol. Chera., 67, 194 (1910). Udranszky, Ebenda. 68, 88 (1910). Codeinreaktion: Deniqes, Biochem. Zentr., 10, 686 (1910). — 7) C. Tollens, Ztsch. physiol. Chem., 61, 95 (1909). Lefevee u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 40, 4513 (1907). — 8) C. Neüberg u. Saneyoshi, Biochem. Ztsch., 36, 56 (1911). A. JoLLES, Ber. Cliem. Ges., 45, 3280 (1912). Goldschmiedt u. Zerner, Ebenda, 46, 113 (1913). — 9) A. Jolles, Biochem. Ztsch., 34, 242 (1911); Mon. f. Chem., 32, 623 (1911). — 10) A. Tkillat, Biochem. Zentr., 4, Ref. 2042; Bull. Assoc. Chira. Sucr., 23, 649 (1906). Ein wenig Formaldehyd entsteht schon beim Erhitzen von Glucose auf etwas über 100°: Ramsay, Chem. News, gS, 288 (1908). — 11) Berthelot u. Gaudechon, Compt. rend., 151, 395, 478 (1910); /jj, 383 (1911); rss, 401, 831, 11.53 (1912); 156, 68 (1913). H. Bierry, V. Henri u. Rang, Ebenda, 151, 316 (1910). Henri u. Ranc, Ebenda, r54, 1261 (1912). P. Mayer, Biochem. Ztsch., 32, 1 (1911>. — 12) T. Küdo u. A. Jodlbauer, Arch. Internat. Pharm, et Thor., /p, 229 (1910). Czapok, Biochemi« der Pfiaiuen. I. :^. Autl. 1' 258 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Traubenzucker reduziert leicht eine große Zahl von Kohlenstoff- verbindungen, was insbesonders von der Entfärbung vieler Farbstoffe be- kannt ist und praktisch benützt wird. So wird Safranin von alkaUscher Traubenzucker lösung beim Kochen entfärbt (1), ebenso Methylenblau (2) und Indigotin. Malachitgrün (Zinksalz) und Strontiumhydroxyd geben zusammen eine schwach rosa Lösung; mit Zucker gekocht tritt Grünfärbung ein [Clacher (3)]. Die Entstehung von Indigotin bei der Reduktion von o-Nitrophenylpropiolsäure bei Gegenwart von NagCOg läßt sich bequem zum Zuckernachweis verwenden (4). Pikrinsäure wird von Glucose zur rot- gefärbten Pikraminsäure reduziert. Eine Reihe von Farbenreaktionen der Glucose betrachtet man seit langem als „Furfurolreaktionen" des Traubenzuckers, doch ist der Reaktions- mechanismus erst in neuerer Zeit vollkommen aufgeklärt worden. Foerster(5) hat festgestellt, daß die Rotfärbung von Fuselöl mit Anihn -f- HCl durch beigemengtes Furfurol bedingt wird, und er wies auch nach, daß sich Furfurol bei Destillation von Zucker und Kohlenhydraten mit Säuren bilde, was GüYARD (6) bestätigte. Schiff (7) gab zum Furfurolnachweis eine Mischung von Xyhdin, Eisessig und etwas Alkohol an. Mylius (8) zeigte, daß die bekannte PETTENKOFERsche Gallensäurereaktion (9) mit Rohrzucker + H2SO4 auf eine Farbenreaktion des aus dem Zucker abgespaltenen Furfurols hinausgeht. Udranszky(IO) üeferte ein umfangreiches Verzeichnis jener Stoffe, welche mit Furfurol + H2SO4 Farbenreaktionen geben. Die von iHL (11) und von Molisch (12) herrührende kirschrote Reaktion von Zucker und Zuckerderivaten mit a-Naphthol (oder Thymol) und konz. HgSO« schUeßt sich nach Udranszky hier an. Die Reaktion nach Ihl-Molisch hat sich als wertvolles diagnostisches Hilfsmittel bei der Feststellung von Kohlenhydra tgruppen in zusammengesetzten organischen Verbindungen, z. B. Eiweißstoffen, eingebürgert. Nach Neuberg (13) gelingt sie außer mit Hexosen auch mit Glykolaldehyd, Glycerinaldehyd, Dioxyaceton, l-Ery- throse, i-Tetrose, d-Lyxose, d-Öxygluconsäure, Aldehydschleimsäure und Formose, van Ekenstein und Blanksma(14) haben nachgewiesen, daß Glucose unter dem Einflüsse starker Schwefelsäure zunächst Oxymethyl- furfurol CgHgOj Uefert, und dieses unter Wasseraufnahme in Ameisensäure und die lange bekannte Lävulinsäure zerfällt: Oxymethylfurfurol CeHeOgH- 2H80 = H • COOH +C6H80, (Lävulinsäure). 1) L. Crismer, Chem. Zentr. (1888), //, 1510. Zur quantitativen Bestimmung: Hasselbalch u. Lindhard, Biochem. Ztsch., 27. 273 (1910). — 2) A. Wohl, Chem. Zentr. (1888), /, 739. Wender, Ebenda (1893), //, 670. — 3) W. Clacher, Internat. Sugar Ind., 14, 461 (1912). — 4) J. Fritzsche, Joum. prakt. Chem., 28, 193 (1843). Baeyer, Ber. Chem. Ges., 14, 1741 (1880). Hoppe Segler, Ztsch. physiol. Chem., 17, 83. Arnold, Chem. Zentr. (1902), //, 232. — 5) K. Foerster, Ber. Chem. Ges., /j, 230, 322 (1882). — 6) A. Guyard, BuU. Soc Chim., 4^ 289 (1887). — 7) H. Schiff, Ber. Chem. Ges., 20, 540 (1887). — 8) H. Mylius, Ztsch. physiol. Chem., //, 492 (1887). — 9) M. Pettenkofer, Lieb. Ann., 52, 90 (1844). — 10) L. v. Ud- ranszky, Ztsch. physiol. Chem., 12, 358 (1888). — 11) A. Ihl, Chem.-Ztg. (1885), fi. 231, 451, 485. Ihl u. A. Pechmann, Ber. österr. Ges. Förder. chem. Industr. 1884), p. 106. — 12) H. Moltbch, Mon. Chem., 7, 198 (1886); Dingl. Polytechn. Joum., 261, 135 (1886). Die Reaktion wird heute meist als „Reaktion voji Molisch" benannt. — 13) C. Neuberg, Ztsch. physiol. Chem., j/, 564 (1901). über die Re- aktion auch B. Reinbold, Pflüg. Arch., 103, 581 (1904). — 14) A. van Ekenstein u. J. Blanksma, Chem. Weekbl., 6, 217 (1909); 7, 387 (1910); Chem. Zentr. (1910), //, 292; Ber. Chem. Ges., 43, 2355 (1910). Kiermayer, Chem.-Ztg. (1895), p. 1004. ViLLE u. Derrien, Bull. Soc. Chim (4), 5, 895 (1909). H. Fenton, Ber. Chem. Ges., 43, 2795 (1910). Ost u. Brodtkorb, Chem.-Ztg. (1911), 35, 1125. Angelico u. COPPOLA, Qazz. Chim. Ital., 42, II, 583 (1912). § 2. Kurze Charakteristik der natürlichen Zuckerarten usw. 259 Das Oxymethylfurfurol ist die Ursache der erwähnten verschiedenen Farbenreaktionen von Glucose mit starker Säure und Phenolen. Als Kon- stitutionsformel des hier gebildeten Stoffes kommt von den drei möglichen Isomeren ausschließlich jene des co-Oxymethylfurfurols HG GH ho.gh..c\/Ig.coh O in Betracht. Pentosen (und Glucuronsäure) üefern unter den gleichen Verhält- nissen Furfurol, Methylpentosen hingegen MethyUrn-furol. Von hierher gehörigen Zuckerreaktionen sei noch erwähnt die Rotfärbung beim Er- wärmen von NatriummaJonester in Alkohol bei Gegenwart von Bromwasser- stoff: beim Eingießen des Reaktionsproduktes in Wasser entsteht blaue Fluorescenz [Fenton(I)]. Diese Reaktion beruht auf der Bildung von Brommethylfurfurol. Farbenreaktionen treten ferner auf mit Indol, Garbazol [Fleig (2)], Methyhndol [Gnedza (3)], Orcin [Neumann (4)]. Allgemeinere Betrachtungen über diese Reaktionen vergleiche man bei GufiRiN (5) und Steensma (3). Zuckeroxydation durch inorganische sauerstoffhaltige Verbindungen hat insbesonders in der Reduktion von Metalloxydsalzen hervorragende praktische Bedeutung. Bekannte Erscheinungen sind die Rötung beim Ein- dampfen von Glucoselösung mit arsensauren Salzen (6), die Schwärzung alkalischer Wismutlösimgen oder von Suspensionen basischen Wismut - nitrates bei Gegenwart von NaOH (7). Auch Bleisalze, molybdänsaures Anmionium, welches letztere blaue Färbung gibt, sind anwendbar (8), Sowie andere Aldehyde wirkt Traubenzucker auf AgNOj in ammoniakahscher Lösung stark reduzierend. Goldchlorid wird mit violetter Farbe reduziert, und Belichtung beschleunigt den Prozeß (9). Alkalische Quecksilber lösung wird grau gefällt; eine bekannte Quecksilbermethode zur quantitativen Zuckerbestimmung rührt von Sachsse (10) her. Eisenchlorid unter Zusatz von NagGOg und Natriumtartrat gibt mit Glucose erhitzt eine dunkelbraune Fällung (11). Auch alkaüsche Nickel- oder Kobaltlösung läßt sich zum Zucker- nachweise gebrauchen (12). Das wichtigste Reagens ist jedoch alkaüsche Kupferlösung, deren Reduzierbarkeit durch Glucosp 1815 durch Vogel (13) entdeckt wurde. Trommer (14) stellte fest, daß Traubenzucker, nicht aber Rohrzucker redu- 1) H. J. Fenton, Proceed. Cambridge PhU. See., 14, 24 (1907). — 2) C. Fleig, Journ. Pharm, et Chim. (6), 28, 385 (1908). — 3) J. Gnedza, Corapt. rend., 148, 485 (1909). Vgl. auch Steensma, Biochem. Ztsch., 8, 203 (1908). Spectro- skopie: E. PiNOFF, Ber. Chem. Ges., 38, 3308 (1905). — 4) A. Neümann, Berlin, klin. Woch.schr. (1904), p. 1073. — 6) G. Guerin, Jouru. Pharm, et Chim. (6), 21, 14 (1905). — 6) L. Elsner, Schweigg. Journ., 61, 350 (1831). — 7) Böttgeb, Journ. prakt. Chem., 70, 432. Quantitative Methode von E. Nylandee, Ztsch. physiol. Chem., 8, 175 (1884). Goldsobel u. Sonnenberg, Chem. Zentr. (1910), //, 1095. — 8) Bleizucker als Zuckerreagens: M. Rubner, Ztsch. Bio!., 20, 397 (1885). Molybdat: Ventre, Chem. Zentr. (1902), //, 1555. Pozzi- Escor, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 27, 179 (1910). — 9) Vanino, Koll. Ztsch., 2, 51 (1908). — 10) R. Sachsse, Sitz.ber. Naturf. Ges. Leipzig, 4, 22 (1877). Knapp, Lieb. Ann., 154, 252. — 11) Loewenthal, Journ. prakt. Chem., 73, 71. J. H. Long, Chem. Zentr. (1897), //, 894, — 12) Sollmann, Zentr. Physiol., 15, 34 u. 129 (1901). Pa- PASOGLi u. DUPONT, Chem. Zentr. (1895), //, 663. — 13) Vogel, Schweigg. Journ. Chem., 13, 162 (1815). — 14) Trommer, Lieb. Ann., 39, 360 (1841). 17* 260 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. zierend wirkt. Barreswil(I) erfand den Zusatz von weinsaurem Salz zur Verhütung des Cu(0H)2-Niederschlages. Fehling (2) verdankt man die Einführung des Seignette- Salzes, sowie die ersten Grundlagen zur quanti- tativen Anwendung der Kupferreduktionsmethodik. Sachs wendete noch die „TROMMERsche Probe" bei seinen mikrochemischen Untersuchungen an. A. Meyer (3) gab eine gute Modifikation der FEHLiNGschen Probe zu mikroskopischen Zwecken. Bei Luftabschluß wird die FEHLiNGsche Probe viel empfindhcher und gelingt bei mehrtägigem Stehen selbst bei Zimmer- temperatur (4). Durch Anwesenheit von Pepton und anderen organischen Substanzen wird wieder die Empfindhchkeit der Probe stark herabgesetzt, worauf beim Nachweise sehr geringer Zuckermengen Rücksicht zu nehmen ist (5). Als Oxydationsprodukte treten beim Erhitzen von Traubenzucker mit alkahscher Kupferlösung (nach vorheriger partieller Überführung in isomere Hexosen) auf: Gluconsäure, Mannonsäurelacton, aber keine Pentonsäuren [Nef (6)], nach Habermann und Honig (7) sodann COg, HCOgH, Glykol- säure und andere nicht näher festgestellte Säuren. Verdünntes alkahsches Silberoxyd erzeugt nach Nef Bildung von COg, H-COOH, Oxalsäure. Bei Anwendung von Kupferacetat werden nur sehr kleine Zuckermengen voll- ständig oxydiert (8). Mit Kupferoxydhydrat läßt sich Glucose gänzhch ausfällen [Sal- KOWSKI (9)]. Zahlreiche Abänderungen der Kupfermethode haben sich als sehr brauchbar erwiesen: Kupferacetat [Barfoed, Worm-Müller (10)]; Kupfercarbonat [Soldaini, Ost (11)]; Kupfersulfat und Natriumeitrat [Benedict (12)]; Kupferlactat [Carrez (13)]. Soxhlet(14) zeigte 1878, daß die frühere Annahme, wonach 1 Äquiv. Glucose 10 Äquiv. CuO reduziere, unrichtig ist, und daß vielmehr 1 Ge- wichtsteil Zucker je nach dem Kupferreichtum der Lösung ganz ver- schiedene Mengen CuO reduziert. 1880 gab Soxhlet die Vorschriften zu der in der Folge so allgemein angewendeten Titriermethode, welche sich in allen analytischen Hand- büchern ausführhch dargestellt findet und bei genauester Erfüllung der Vorschriften ihres Autors höchst verläßhche Resultate gibt. Soxhlet wies ferner nach, daß nicht alle Zuckerarten gleich stark reduzieren. Eine genaue 1) A. Barreswil, Journ. Pharm, et Chim. (3), 6, 301 (1844). Vgl. auch B. Hebstein, Journ. Amer. Cham. Soc, j2, 779 (1910). — 2) H. Fehling, Lieb. Ann., 72, 106 (1849); io6, 75 (1858). Herstellung von FEHLiNGscher Lösung: H, Pellet, Ztsch. Ver. Rübenzuckerindustr. (1906), p. 1012. Wirksamer Bestandteil: Fr. Marre, Rev. g^n. Chim. (7), 8, 256 (1905). Komplexe Cu-Verbindungen : Pickering, Journ. Chem. Soc., loi, 1614 (1912). — 3) A. Meyer, Ber. Botan. Ges., j, 332 (1885). — 4) J. MoiTESSlER, Soc. Bio!., 6o, 435 (1906). — 5) J. Lewinski, Berhn.. klin. Woch.schr., 43, 125 (1906). A. Bernardi, Biochem. Ztsch., 41, 160 (1912). — 6) J. U. Nef, Lieb. Ann., 357, 214 (1908). — 7) J. Habermann u. M. Hoenig, Mon. f. Chem., 5, 208 (1884). — 8) Hinkel u. Sherman, Journ. Amer. Chem. Soc, 29, 1744 (1907). Matthews u. Mc Guigan, Amer. Journ. Physiol., /p, 199 (1908). — 9) Salkowski, Pflüg. Arch., 5, 220 (1872). Yoshimoto, Ztsch. physiol. Chem., 5G(OH).CHOH-COH. Sie ist unvergärbar; mit Brom oxydiert Hefert sie die Apionsäure, eine Tetraoxy-Valeriansäure. F. Zuckeralkohole. Die den natürlich vorkommenden Aldosen und Ketosen entsprechen- den primären mehrwertigen Alkohole kommen zum größten Teile in der lebenden Zelle gleichfalls, manchmal in großer Menge, zur Bildung. Ins- besondere Mannit reicht an physiologischer Bedeutung wohl an die Hexosen heran. Als Ester kommen aber die Zuckeralkohole im Gegen- satz zu den Aldosen nur sehr selten vor. Es sind vier-, fünf-, sechs- und siebenwertige Zuckeralkohole als native Pflanzenstoffe bekannt. Ein Tetrit ist der Erythrit oder Phycit, von Lamy 1852 in Proto- coccus vulgaris gefunden. Er dürfte in Algen nicht selten sein. In Flechten findet sich derselbe Erythrit häufig genug, aber allermeist nicht frei, sondern als Ester der Orsellinsäure. Der natürliche Erythrit ist optisch inaktiv; er gibt auch mit HNO3 Mesoweinsäure (7), muß also als Mesoerythrit bezeichnet werden. Racemischer Erythrit mit extramole- kularer Kompensation soll angeblich aus manchen Roccella-Arten zu ge- winnen sem (8). Die chemischen und physikalischen Eigenschaften des 1) E. Fischer u. C. Liebermann, Ber. Chem. '^es., z6, 2415 (1893). — 2) Kiliani, Arch. Pharm., 234, 446 (1896). — 3) Levene, Jacobs u. Medi- GRECEANU, Journ. Biol. ehem., //, 371 (1912). — 4) Kiliani, Ber. Chem. Ges., 25, 2116 (J893); j/, 2454 (1899); Arch. Pharm., 230, 250 (1899). — 5) H. KlLlAJfl, Ber. Chem. Ges., 38, 4040 (1905). — 6) E. Vongerichten, Lieb. Ann., jj/, 71 (1902); Ber. Chem. Ges., 39, 235 (1906). — 7) E. Pribytek, Ber. Chem. Ges., 14, 1202 (1881). — 8) Hesse, Joufd. prakt. Chem., 73, 134 (1906). Gorib u. Roncenay, Bull. Sei. Pharm., 13, 463 (1906). § 2. Kurze Charakteristik der natOrlichen Zuckerarten usw. 273 Erythrits sind bereits jenen der Zuckerarten sehr ähnlich, doch ist er durch Hefe, wie die Pentosen, wohl assimilierbar aber nicht vergärbar. Bacterium xylinum oxydiert Erythrit zu einer Ketose: d-Erythru- lose(l); ebenso entsteht mit Bromwasser dieselbe Ketotetrose(2). Beim Abbau der Erythrulose durch Reduktion kommt man zunächst zu d- Erythrit. 1-Erythrit ist wieder nach dem WoHLschen Abbauverfahren von der 1-Xylose aus zugänglich (3). Der Meso-Erythrit ist nach mehreren Verfahren synthetisch dargestellt worden (4). Erythronsäure und Oxy- erythronsäure sind von Neuberg (B) aus Mesoeiythrit bei der Oxydation durch HNOg erhalten worden: Mesoerythrit OH OH OH OH CH2OH— I 1— CH2OH ^ CH2OH-I l—COOH Erythronsäure (d, 1) -> CH2OH.CHOH.CO.COOH ] Oxy- OH OH } erythron- oder COH — | 1- • COOH J säure Der einzige unzweifelhafte Pentit natürlichen Vorkommens ist der von Merck (6) im Kraut von Adonis vernalis entdeckte Adonit; er ist optisch inaktiv, nicht reduzierend. Fischer (7) erkannte seine Identität mit dem Alkohol der synthetisch erhaltenen Ribose. Seine Konfiguration H H H ist daher: CHjOH — 1— | 1— CHjOH. Im Pflanzenreiche ist dies OH OH OH bisher der einzige Vertreter der Ribogruppe. Nach MoRELLE (8) soll der von Garreau 1850 in Sprossen von Saxi- fraga (Bergenia) sibirica gefundene und ^ergenin genannte Stoff CgHioOg, HgO ein fünfwertiger Alkohol sein. Der Bergenit ist hnksdrehend. Ebenso wie dieser, so bedarf auch der zuletzt von Seidel (9) studierte Catharto- mannit der Sennesblätter oder Sennit CgHjgOg einer näheren Unter- suchung. Er gehört wohl zu den hydroaromatischen Verbindungen. Aus der Reihe der 10 stereoisomeren Hexite fehlen bisher nur die Gruppen des Taht(lO) und des Allodulcit in den natürlich gebildeten Zuckeralkoholen ganz, und dürften auch kaum vorkommen. Drei der natürlichen Hexite sind sehr wichtige Stoffwechselprodukte: d-Sorbit, welcher durch Reduktion aus Glucose und Fructose entsteht, wurde bei Rosaceen häufig gefunden, sonst aber höchst vereinzelt. Aus dem Fruchtsafte von Sorbus Aucuparia wurde er zuerst durch Boussin- GAULT(ll) dargestellt und als Isomeres von Mannit und Dulcit erkannt Sein Schmelzpunkt liegt tiefer als der von Mannit und Dulcit; seine Lösung ist inaktiv, nicht reduzierend, und gibt bei der Oxydation keine 1) Berteand, Compt. rend., 130, 1472 (1900). — 2) G. Deniges, Ann. China, et Phys. (8), 18, 149 (1909). — 3) L. Maquenne, Compt. rend., 130, 1402 (1900). — 4) Lespieaü, Compt. rend., 144, 144 (1907). H. Pariselle, Ebenda, 150, 1343 (1910). G. Griner, Ebenda, u6, 723 (1893); //;, 553 (1893). — 5) C. Neuberg, Biochem. Ztsch., 24, 166 (1910). — 6) E. Merck, Chem. Zentr. (1893), /, 344. — 7) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 26, 633 (1893). — 8) E. Morelle, Compt. rend., 93, 646 (1881). — 9) A. Seidel, Diss. (Dorpat 1884). Just (1884), /, 152. Tollens, Handb. d. Kohlenhydr., /, 270 (2. Aufl.). — 10) Talit: Bertrand u. Brüneau, Compt. rend., 146, 482 (1908). — 11) Boussinqault, Agronomie, 5. 95 (1874). Ber. Chem. Ges., 5, 325 (1872). Czapek, Biochemie der Pflanaen. I. .S. Aufl. 18 274 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Schleimsäure wie Dulcit. Vincent und Delachanal(I) wiesen den Sorbit in Pomaceen- und Prunaceenfrüchten zu etwa 0,5 % Ausbeute verbreitet nach. Bacterium xylinum, das „Sorbosebacterium", welches Peloüze auch in gärendem Vogelbeersaft entdeckt hatte, oxydiert ihn zu d-Sorbose. Der Nachweis von Sorbit kann durch Herstellung seines unlöslichen Dibenzoyl-Acetals mit Benzaldehyd und H2SO4 geführt werden (2). d-Idit, welcher auch bei der Reduktion der d-Sorbose durch Natriumamalgam neben d-Sorbit entsteht, findet sich tatsächlich auch in Rosaceenfr lichten in Gesellschaft des Sorbits, und wurde von Vincent and Meunier(3) als angeblicher Octit „Sorbierit" aus den Mutterlaugen der Sorbitdarstellung gewonnnen. Bertrand (4) erkannte, daß man es H OH H OH hier nut d-Idit: CHjOH— | 1 1 1 CHjOH zu tun habe. OH H OH H Der natürliche Mannit ist d-Mannit, derselbe, welcher aus Fructose oder Mannose bei Reduktion mit Natriumamalgam erhalten wird (5). Dies ist eine bei niederen und höheren Gewächsen äußerst verbreitete Substanz, welche bei Pilzen, bei den Oleaceen, Evonymus und einigen anderen Blütenpflanzengruppen an Quantität den Traubenzucker übertrifft und diesen gleichsam vertritt, sonst aber auch vielfach mit anderen Zuckerarten gemeinsam vorkommt (6), Er entsteht auch als bacterielles Stoffwechselprodukt in der Mannitgärung und Milchsäuregärung. Mannit schmilzt bei 166"; seine Lösung schmeckt stark süß, reduziert Fehling bei kurzem Kochen nicht. Das Auftreten starker Kupferreduktion nach vorheriger Oxydation mit Chromsäuremischung läßt sich zum Mannit- nachweis verwenden (7). Mit konzentrierter HjSO^ erhitzt bildet Mannit kein Furfurol(8). Dulcit oder Melampyrit ist nicht selten bei Blütenpflanzen, be- sonders in Scrophulariaceen und Celastraceen (9) gefunden worden. Er bildet derbe, asparaginähnliche Krystalle (F 186°), seine Lösung ist optisch inaktiv, nicht reduzierend, nicht gärungsfähig und gibt bei der Oxydation mit HNO3 Schleimsäure. Dulcit ist der zur d-Galactose ge- hörige Alkohol. AsAHiNA(IO) gewann aus der Fruchtschale von Styrax Obassia S. et Z. einen eigentümlichen neuen Hexit, den Styracit CßHijOs. Die Lösung dieses Alkohols ist stark linksdrehend ([a]D= —71,72°) 1) C. VmcENT u. Delachanal, Bull. Soc Chim. (2), 34, 218 (1880); Compt. rend., 108, 354; log, 676 (1889); 116, 486 (1892). — 2) Meunier, Compt. rend., 108, 148; Ann. Chim. et Phys. (6), 22, 431. Vincent u. Delachanal, Bull. Soc. Chim. (2), 22, 264. — 3) Vincent u. Meunier, Compt. rend., 127, 760 (1898). — 4) G. Bertrand, Ebenda, /jp, 802, 983 (1904); Bull. Soc. Chim., 33, 264; Ann. Chim. et Phys. (8), 10, 450 (1907). Synthetischer 1-Idit: Compt. rend., 143, 291 (1906). — 5) Krusemann, Ber. Chem. Ges., 9, 1465 (1876). — 6) Vorkommen von Mannit: A. Vogel, Schweigg. Journ., 37, 365 (1823) (Apium). Power u. Tutin, Journ. Amer. Chem. Soc, 27, 1461 (1905) f. Aethusa. Husemann-Hilqer, Pflanzenstoffe, p. 179. A. Meyer, Botan. Ztg. (1886), p. 129. Pelouze, Ann. de Chim. et Phys., 47, 419. J. Kachler, Monatsh. Chem., 7, 410 (Fichtencambialsaft). H. Paschkis, Pharm. Zentralhalle, 25, 193 (Evonymus). Monteverde, Ann. Agron., 19, 444 (1893) (Scrophulariaceen). B. GrÜtzner, Arch. Pharm., 223, 1 (1895) (Basanacantha). Th. Peckolt, Ztsch. österr. Apoth.-Ver. (1896), VI (Geiiipa). — 7) H. Wefers-Bettink, Chem. Zentr. (1901), II, 1320. — 8) O. Carletti, BoU. Chim. Farm., 46, 5 (1907). — 9) Eichler, Chem. Zentr. (1859), p. 522. Monteverde, Ann. Agron., 19, 444 (1893). GiLMER, Lieb. Ann., 123, 372. Borodin, Botan. Zentr.. 43, 175 (1890). KuBEL, Journ. prakt. Chem., 85, 372. — 10) Y. Asahina, Arch. Pharm., 245, 325 (1907); 247, 157 a909); Ber. Chem. Ges., 45, 2363 (1912). § 3. Verbindungen der- Zuckerarten, 275 nicht reduzierend; wohl aber erhält man nach Oxydation, wie bei Mannit, eine stark reduzierende Lösung. Der Styracit ist zweifellos ein zu einer Anhydrohexose gehöriger Alkohol, dessen Konfiguration noch näher zu erforschen bleibt; von dem durch E. Fischer dargestellten Anhydroglucit ist er sicher verschieden. Während siebenwertige Zucker aus dem Pflanzenreiche noch nicht bekannt sind, ist es gelungen, zwei Heptite aus Pflanzen zu isolieren. Der eine, der Persei t, welcher in unreifen Samen, Blättern und Pericarp von Persea gratissima vorkommt, wurde vom Mannit von Muntz und Mar- CAN0(1) als different erkannt. Seine Natur als Heptit stellte Maquenne (2) fest. Fischer und Passmore (3) fanden seine Identität mit dem Heptit, welchen man bei Reduktion der Mannoheptose mit Natriumamalgam erhält. Perseit bildet feine Nadeb von F = I83,b°, gibt bei der Oxydation Oxal- säure und keine Schleimsäure. Durch die Einwirkung des Sorbosebacteriums gibt Perseit die reduzierende Unksdrehende Ketose Perseulose (4); letztere liefert bei ihrer Reduktion durch Natriumamalgam den neuen Heptit Per- seulit neben Perseit Perseit spielt in Persea dieselbe biochemische Rolle, wie sonst Zucker oder Mannit. Der Volemit wurde entdeckt und richtig als Heptit bestimmt durch Bourquelot (5), welcher ihn zuerst in Lactaria volema konstatierte. Bougault und Allard (6) fanden denselben Heptit später auch in den Rhizomen mancher Primula- Arten. Volemit schmilzt schon bei 154—155**, also erheblich niedriger als Perseit, und gibt bei seiner Oxydation nicht Mannoheptose, sondern Volemose, eine Heptose von noch unbekannter Konfiguration. §3. Verbindungen der Zuckerarten. Von der außerordentlich großen Zahl der möglichen und bekannten Zuckerverbindungen besitzen drei Gruppen ein weitergehendes Interesse für die Biochemie: die Verbindungen mit Basen, die Aminoderivate der Zucker und die Ester der Zuckerarten. Mit Basen reagieren die Zuckerarten als höhere Alkokole unter Bildung alkoholatartiger Verbindungen. So sind durch Behandlung alkoholischer Traubenzuckerlösung mit Natriumäthylat oder mit alkoho- lischer Alkalilauge (7) leicht Natriumglucosate zu erhalten. Praktisch haben die unlöslichen Ca-, Ba- und Sr-Verbindungen der Zuckerarten größere Bedeutung. Im Organismus sind Metallglucosate bisher nicht nachgewiesen, doch ist wohl an die Möglichkeit des Vorkommens solcher Verbindungen der Zucker sowie deren Kondensationsprodukte zu denken. Aminoz ucker scheinen für den Pflanzenorganismus von hoher Be- deutung zu sein. Vor allem gehören Ammoniakderivate der Zucker zu 1) A. MüNTZ u. Maroano, Compt. rend., pg, 38 (1884); Ann. de Chim. et Phys. (1884), p. 279. — 2) Maqüenne, Compt. rend., io6, 1235 (1888); 107, 583 (1888). — 3) E. Fischer u. Passmore, Ber. Chera. Ges., 23, 2231 (1890). G. Hart- mann, Lieb. Ann., 222, 190 (1893). — 4) G. Bertrand, Compt. rend., 147, 201 (1908); Bull. Soc. Chim. (4), 5. 629 (1909); Compt. rend., 149, 225 (1909). — 5) Bourquelot, Joum. Pharm, et Chim. (6), j, 385 (1896). — 6) J. Bougault u. G. Allard, Compt. rend., 1.35, 796 (1896). Über Volemit und Volemose ferner E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 28, 1973 (1895). Glucoheptit: Philippe, Compt. rend., 147, 1481 (1908). — 7) Th. Pfeiffer u. Tollenb, Lieb. Ann., 210, 285 (1881). HöNia u. Rosenfeld, Ber. Chem. Ge..., 10, 871 (1877); r2, 45 (1879). Aluminium: Chapman, Proc. Chem. Soc, 19. 74 (1903). 18* 276 Zweites Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. den wichtigsten Spaltungsprodukten der Eiweißsubstanzen. Eine Araino- glucose ist ferner, wie Ledderhose (1) zuerst fand, als Hauptprodukt der Spaltung des Chitins, des hauptsächlichen Zellmembranstoffes der Pilze anzusehen; dieser Forscher nannte den Stoff „Glucosamin'-. Tie- MANN(2) stellte daraus durch Oxydation die der Zuckersäure isomere Isozuckersäure dar; die dem Glucosamin entsprechende Aminosäure wurde von Fischer und Tiemann(3) gewonnen. Daß diese „Chitos- aminsäure" tatsächlich mit d-Glucosaminsäure identisch ist, folgt aus der Synthese des a-Glucosamins aus derselben durch Fischer und Leuchs(4). Irvine und Hynd(5) ist schließlich die Rückverwandlung des a-Gluco- samins in d-Glucose gelungen. a-Glucosamin hat die Konfiguration H H OH CHjOH— I 1 1— CHNHj-COH, wobei die sterische Anordnung der OHOHH Aminogruppe noch unbestimmt geblieben ist. Das Osazon ist zur Identifizierung des Glucosamins nicht verwend- bar. Nach Steudel(6) läßt sich hingegen die Ausfällung durch Phenyl- isocyanat benützen. Die entstehende Glucosaminverbindung ist in Wasser sehr wenig löslich, kann aus verdünnter Essigsäure krystallinisch er- halten werden und schmilzt scharf bei 210*'. Von Glucosamin sind eine Reihe von Derivaten dargestellt: durch Blausäureanlagerung zwei isomere Aminoglucoheptonsäuren (7), durch Alkylierung Aminomethylglucoside (8). „Osamine" sind die von Franchimont, Lobry de Bruyn und van Ekenstein (9) dargestellten Zuckerverbindungen, die aus einer Lösung von Zucker in methylalkohoHschem Ammoniak entstehen. Als „Glucamine" bezeichneten Maquenne und Roux(IO) Verbindungen, in welchen die Aldehydgruppe von Aldosen durch die Gruppe NH2CH2 ersetzt ist. Sie entstehen durch Reduktion der Zuckeroxime mit Natriumamalgam. Harnstoff reagiert mit Glucose in der Weise, daß unter Bindung einer Amidgruppe an die Aldehydgruppe die Verbindung NHg-CO-NiCH- (CHOH)4-CH20H oder Glücose-Ureid formiert wird (11). Auch Guanidin- verbindungen sind bekannt (12). Möghcherweise könnten solche Verbin- dungen biochemische Bedeutung besitzen. Angaben über eine Adenin- Hexose aus Hefe rühren von Mendel (13) her. Eine dem Ureid analoge Struktur sollten auch die Zuckerverbindungen aromatischer Amtnoniak- derivate, z. B. Glucose- Anihd, nach der bisher vertretenen Auffassung be- 1) Ledderhose, Ztsch. physiol. Chera., 2, 213 (1878). H. Steudel, Ebenda, 34, 353 (1902). — 2) F. Tiemann. Ber. Chera. Ges., /;, 241 (1884); 79, 49, 1257. — 3) TiEMANN u. E. Fischer, Ebenda, 27, 138 (1894). — 4) E. Fischer u. Leuchs, Ebenda, j6, 24 (1903). — 5) J. C. Irvine u. A. Hynd, Proc. Chera. Soc, 28, 54 (1912). — 6) Steudel, Ztsch. physiol. Chera., jj, 221 (1901). Paal, Ber. Chem. Ges., 27, 974. — 7) Neubero u. C. Wolfe, Ber. Chem. Ges., jö, 618 (1903). — 8) E. Fischer u. Zach, Ebenda, 44, 1.32 (1911). Hamlin, Journ. Araer. Chem. Soc, 33, 766 (1911). Irvine u. Hynd, Journ. Chem. Soc, 99, 250 (1911). — 9) C. A. Lobry de Beuyn u. Franchimont, Rec trav. chim. Pays-Bas, 12, 286 '(1894); 14, 134 (1895); /5, 81 (1896); 18, 72, 77 (1899). — 10) L. Maquenne u. E. Roux, Compt. rend., 132, 980 (1901); /J7, 658 (1903). Roux, Ebenda, /jji 691 (1902); /jö, 1079 (1903); 138, 503 (1904). — 11) N. Schoorl, Rec trav. chim. Pays-Bas, 22, 31 (1903). P. Mayer, Biochem. Ztsch., /;, 145 (1909). — 12).. R. S. Morrell u. Bellars, Proc. Chem. Soc, 23, 87 (1907). L. Radlberger, Österr.-Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 41, V (1912). — 13) J. A. Mendel, Journ. Biol. Chem. //, 85 (1912). § 3. Verbindungen der Zuckerarten. 277 sitzen, doch hat Irvine(I) für dieses Derivat und ähnliche nachgewiesen, daß die Kuppelung der NHg-Gruppe nicht der Aldehydkondensation, sondern einer j'-Oxydkondensation nach dem Schema: GeHßNHiH ÖH:GH.(CHOH)2.CHCHOH.CHaOH entspricht, weil man nur Tetramethyl- und nicht Pentamethylglucose bei der erschöpfenden Methyherung und nachfolgenden Hydrolyse als End- produkt erhält. Glucose-Anihd ist somit CaH5.NH.CH.(GHOH)2.CHCHOH.GH20H. I 0 1 Ester der Zuckerarten. Entsprechend ihrem AlkoholcharaJiter gehen die Zucker leicht esterartige Verbindungen mit den verschieden- sten Säuren ein und man kennt solche Säureester in überaus großer Zahl. Mit einwertigen Säuren, z. B. Essigsäure, sind theoretisch fünf Esterstufen möglich, die von der Acetylglucose auch tatsächlich bekannt sind. Pentaacetylglucose hat Lactonstruktur: (C2H30)OHC • CH0(C„H30) • CHOCCjHgO) • CH • CH0(C,H30) • 1 0- 1 . CH2O (C2H3O) (2). Triacetylglucose soll nach Acree und Hinkins(3) durch Pankreasenzym, Maltase und Diastase, nicht aber durch Emulsin verseift werden, und Pankreasenzym soll auch die Bildung des Triacetylderivates aus Zucker und Essigsäure vermitteln. Für die Zuckerchemie waren mehrere Säure- ester von Bedeutung, so die Benzoylderivate, welche mitunter für die Isolierung der Zuckerarten gut verwendbar sind (4), und die Acetochlor- glucose und Acetobromglucose, die in den Händen E. Fischers wert- volle Dienste bei der Synthese von Zuckerverbindungen leisteten; letztere sind Tetraacetylglucosen, in deren endständiger CHOH-Gruppe ein Halogenatom eingetreten ist. Wegen ihrer bedeutsamen Rolle als Hilfs- stoff bei der Alkoholgärung haben die Phosphorsäureester der Glucose in neuester Zeit besonderes Augenmerk auf sich gelenkt. Nach Lebe- DEW(5) und Euler (6) kommt im Gärungsgut ein Glucosediphosphat vor. Künstlich dargestellt wurden Glucosephosphate mehrfach, so be- sonders von Neuberg (7) durch Phosphoroxychlorid in Gegenwart von CaCOg, CoNTARDi(8) u. a. Wahrscheinlich ist die Phosphorsäure in der Nucleinsäure gleichfalls an Zuckerreste gebunden. Glucophosphat ist durch Säuren und Alkalien, wie alle anderen Glucosesäureester, leicht spaltbar. Auch tierische und bacterielle Enzyme wirken hydrolysierend ein [EuLER(9)]. Man kann diese Enzyme als Phosphatasen oder 1) Irvine u. Gilmour, Joura. Chem. Soc, 93, 1429 (1908); 95, 1545 (1909). Irvine u. Mo Nicoll, Ebenda, 97, 1449 (1910). Benzidinverbindungen: O. Adler, ßer. Chem. Ges., 42, 1742 (1909). — 2) Franchimont, Rec. trav. chini. Pays-Bas, 12, 310 (1894). — 3) S. F. Acree u. Hinkins, Araer. Chem. Journ., 28, 370 (1902). — 4) L. KuENY, Ztsch. physiol. Chem., 14, 330 (1889). Udranszky, Ber. Chem. Ges., 19, 3220; 21, 2744 (1888). Skraup, Monatsh. Chem., 10, 389. — 5) A. v. Le- BEDEW, Biochera. Ztsch., 28, 213 (1910); 36, 248 (1911). — 6) H. Eüler u. Kull- BERG, Ztsch. physiol. Chem., 74, 15 (1911). — 7) Neuberg u. Pollak, Ber. Chem. Ger?., 43, 2060 (1910); Biochera. Ztsch., 23, 515 (1910); 26, 514 (1910). Neuberg u. Kretschmer, Ebenda, 36, 5 (1911). — 8) A. Contardi, Atti Acc. Line. Roma (5), 19, I, 823 (1910). Langheld. Ber. Chem. Ges., 43, 1857 (1910). — 9) H. Euler, Ztsch. physiol. Chem., 77, 488; 79, 375 (1912). 278 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Hexosepbosphataseu mit Harden und Young(I) bezeichnen. Nach Euler (2) produziert Hefe auch ein besonderes Enzym, welches Hexose und Phosphorsäure kuppelt, die Phosphatese. In den angeführten Arbeiten Neubergs und Eulers wird man ferner Angaben über Glucose- sulfate finden. Mit Glucosesulfaten hängen wohl die gepaarten Kohlen- hydratschwefelsäuren tierischer Nucleine [Glucothionsäure (3)] zusammen. Nach Brunner und Chuard(4) kommt ein Glucosebernsteinsäure- ester im Safte unreifer Früchte vor, Fettsäureester von Mannit und Glucose sind künstlich von Bloor(5) gewonnen worden. Es ist leicht möglich, daß auch organischsaure Ester von Glucose im Stoffwechsel eine bedeutsame Rolle spielen, speziell beim Umsatz von Fetten und Oxy carbonsäuren. Die zweite Gruppe von Estern bilden Zuckerarten durch Eintritt von Alkyl, wobei der Zucker die Rolle einer schwachen Säure spielt. Methylester von Glucose bildet sich leicht, wenn in eine methylalko- holische Lösung von Traubenzucker gasförmiger HCl eingeleitet wird. E. Fischer (6) zeigte, daß hier zwei stereoisomere Ester entstehen: a-Methylglucosid und /?-MethylgIucosid ; letzteres ist leichter hydrolysier- bar und läßt sich durch Säure in die a-Form umlagern. Nach den Reaktionen ist die Konfiguration der Alkoholgruppen beider Glucoside dieselbe, und Aldehydeigenschaften fehlen. Deswegen muß die ent- ständige CHOH-Gruppe substituiert sein und es ist dieses C-Atom bei Annahme der Lactonformel des Zuckers dann tatsächlich ein „assym- metrisches", wodurch die Existenz zweier stereoisomerer Glucoside sich in einfachster Weise verstehen läßt: a-Glucosid: ^^3 * j^> C'- (CH0H)2 • CH • CHOH • CH^OH ^-Glucosid: ^^ q>C • (CH0H)2 • CH • CHOH • CHgOH. Das a-Methylglucosid schmilzt bei 164*', daß /5-Glucosid bei 104**. Ersteres ist rechtsdrehend, das /?-Glucosid linksdrehend; auch die Lös- lichkeit ist verschieden (7). Ein biologisch äußerst wichtiger Unterschied beider Stereoisomeren liegt in dem ganz abweichenden Verhalten der- selben gegenüber tierischen und pflanzlichen Enzymen. Diese Beobach- tungen waren es, welche E. Fischer (8) zu seinen berühmten Unter- suchungen über die Beziehungen der Enzymwirkung zur sterischen Konfiguration von Enzym und spaltbarer Substanz führten. Während Hefeauszug auf das a-Glucosid regelmäßig stark hydrolysierend einwirkt und /?-Glucosid unzersetzt läßt, wirkt Mandelenzym (gewöhnlich als Emulsin bezeichnet) nur auf das letztere stark ein, während a-Methyl- glucosid ungespalten bleibt. Die a-Glucosidase der Hefe scheint nach 1) Harden u. Yoüng, Proceed. Roy.- Soc., 8o, B, 299 (1908). — 2) H. Eüleb u. KuLLBEBQ, Ztsch. physiol. Chem., 74, 13, 15 (1911). Lebedew, Biochem. Ztech., 39, 155 (1912). — 3) Vgl. Mandel u. Levene, Ztsch. physiol. Cham., 4s, 386 (1905). — 4) Brunner u. Chuakd, ßer. Chem. Ges., 19, 600 (1886). — B) W, R. Bloor, Journ. Biol. Chem , 7, 427 (1910); //, 141 (1912). Chem. Abstracts (1912), p 2940. — 6) E. Fischer, Ber. Chem Ges., 26, 2400 (1893); Ebenda, p. 2478; a?, 2985 (1894). — 7) A. van Ekenstein, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 13, 183 (1894). Maquenne, Bull. Soc. Chim. (3), jj, 469. — 8) E. Fischer. Ber. Chem. Ges., 27, 2985 (1894); 28, 1429 (1895); Ztsch. physiol. Chem., 26, 66 (1898). § 3. Verbindungen der Zackerarten. 279 Armstrong (1) weder mit dem Invertin noch mit der Maltase identisch zu sein, und auch im Mandelenzym ist wohl die /9-Glucosidase nicht mit dem eigentlichen Emulsin identisch. Die beiden Methylglucoside der 1-Glucose (die Spiegelbilder der d-Glucoside) werden von keinem der genannten Enzyme angegriffen und auch die Methylxyloside sind trotz ihrer weitgehend parallelen Eigenschaften durch Hefeenzym und Mandel- enzym nicht spaltbar. Sehr wichiig ist die zuerst von Armstrong (2) beobachtete Tatsache, daß bei der Spaltung durch a-Glucosidase aus dem Glucosid die a-Glucose Tanrets entsteht mit der höchsten Drehung, und durch ^-Glucosidase wieder die /9-Glucose gebildet wird. Daraus wäre zu schließen, daß die beiden Lactonformen des Traubenzuckers in den Glucosiden schon präexistieren. Bourquelot und Bridel(3) haben endlich den Nachweis geführt, daß durch Mandelenzym in methylalkohol- wässeriger Lösung (85 %ig) aus Glucose /S-Methylglucosid synthetisch ge- bildet werden kann. Ebenso waren /9-Glucoside und auch /?- Galactoside von Propyl-, Amyl- und Benzylalkohol mit Mandelferment zu syntheti- sieren (4). Bourquelot (5) hat ferner gezeigt, daß die a-Glucosidase aus untergäriger Bierhefe in 30—35 %igem Alkohol Glucose in a-Äthyl- glucosid überführt. Die Arbeiten von Irvine(6) und seinen Schülern haben ferner eine größere Zahl von mehrfach methylierten Glucosiden, Mannosiden und Galactosiden kennen gelehrt, welche durch die Reaktion von Purdie: Einwirkung von Jodmethyl und Silberoxyd in methvlalkoholischer Lösung aus den einfachen Methylglucosiden erhalten wurden. Esterartige Zuckerveibindungen existieren sodann in großer Zahl mit verschiedenen cyklischen Kohlenstoffverbindungen: einfachen und Poly- phenolen, Phenolsäuren, Aldehyden, hydroaromatischen Verbindungen, Terpenen usw., die besonders durch die Verwendung von Acetochlorglucose und Acetobromglucose [E. Fischer (7)] in ausgedehntem Maße leicht zu- gänghch geworden sind. Manche derselben sind physiologisch- chemisch von Interesse, so die Phloroglucide von Zucker, die von Councler (8) und Vongerichten (9) dargestellt worden sind. d-Glucosephloroglucin: 1) E. F. Armstroxg, Proc. Chem. Soc, 74, 188 (1904). Für tierische En- zyme BiERRY, Compt. rend., 14g, 814 (1909). — 2) Armstrong, Journ. Chem. Soc, 83, 1305 (1903). The simple carbohydrates and the glucosides (London 1910). — 3) Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 155, 86 (1912); Journ. Pharm, et Chim. (7), ö, 97 (1912). — 4) Bourquelot, Herissey, Bridel, Soc. Biol. 72, 958 u. 1004; Compt. rend., 755, 731 (1912); /5Ö, 330 (1913); Journ. Pharm, et Chim. (7), 6, 442 (1912). — 5) Dieselben, Compt. rend., 156, 168 (1913). — 6) J. C. Irvine u. J. Purdie, Proc. Chem. Soc, 19, 192 (1903); .Journ. Chem. Soc, 83, 1021, 1027 (1903); 85, 1049 (1904). Irvine u. Cameron, Proc. Chem. Soc, 2/, 191 (1905). Irvine u. MooDiE, Ebenda, p. 227. Purdie u. Rose, Ebenda, 22, 201 (1906). Irvine u. MooDiE, Ebenda, 23, 303 (1907). Irvine, Biochem. Ztsch., 22, 357 (1909). Irvine u. Moodie, Transact. Chem. Soc, 8g, 1578 (1906), 87, 1462 (1905). Irvine u. Cameron, Ebenda, 8s, 1071 (1904); 87, 900. Irvine, Memor. Vol., St. Andrews Univ. (1912). YouNG, Ebenda. Darstellung auch W. A. Jacobs, Journ. of Biol. Chem., 12, 427 (1912). Refraktion: Obermayer u. Pick, Hofmeisters Beitr., 7, 339 (1905). — 7) E. Fischer u. Jennings, Ber. Chem. Ges., 27, 1355 (1894). A. Michael, Chem. Zentr. (1879), p. 614, (1881), p. 726; (1885), p. 305. Fischer u. Armstrong, Ber. Chem. Ges., 34, 2885 (1901); J5, 833, 3153 (1902). Fischer u. Helferich, Lieb. Ann.. j5j, 68 (1911). Fischer u. Raske, Ber. Chem. Ges., 42, 1465 (1909). Fischer u. Delbrück, Ebenda, 1476 (1909); 43, 2521 (1910). F. Mauthner, Journ. prakt. Chem., 85, 564 (1912). E. Fischer u. H. Sträuss, Ber. Chem. Ges., 45, 2467 (1912). Morphinglucosid: MaNxVich, Lieb. Ann., 394, 223 (1912). — 8) C. Councler, Ber. Chem. Ges., 28, 24 (1895). — 9) E. Vongerichten u. MtJLLER, Ebenda, 3% 241 (1906). 280 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Durch die Einwirkung der Natronlauge bei der Darstellung aus Glucose- apigenin geht interessanterweise ein Teil des Zuckers über in die bereits von Tanket (1) bei der Behandlung von Picein, Salicin und Coniferin mit Barytlajige erhaltene cykhsche Verbindung CgHjQOg, /5-Glucosan (Lävo- glucosan), ein cyküsches Anhydrid der Glucose: 1-0-, HOCH HC • CHOH HOCH HC • CH2 I I welches möghcherweise als solches auch in manchen Glucosiden als Paarung vorkommen kann. Auf die Resorcinglucoside gründeten E. Fischer und Jennings (2) eine Nachweismethode für einfache Aldosen und deren Deri- vate. Die Substanz wird mit Wasser fein zerrieben oder in Wasser gelöst; 2 ccm hiervon werden mit 0,2 g Resorcin versetzt, mit HCl-Gas gesättigt, und dann verdünnt man mit Wasser. Nach 1 — 12 stündigem Stehen setzt man NaOH und FEFUNGsche Lösung zu; bei Gegenwart von Aldose ent- steht eine rotviolette Färbung, die bei starker Verdünnung nach einiger Zeit schwindet. Die Acetohalogenzucker läßt man in ätherischer Lösung auf den Paarlingskörper bei Gegenwart von Silbercarbonat einwirken und erhält zunächst Tetraacetylderivate der darzustellenden Glucoside. So gelang es zu den biologisch interessanten Menthol- und Borneolglucosiden, sowie zum Glucovanilhn zu gelangen. Da die Acetochlorglucose der a- Reihe, die Acetobromglucose der /?- Reihe angehört, so bietet sich möghcherweise ein Mittel, die entsprechenden a- und /?- Glucoside darzustellen. Ein Diphenyl- sorbit wurde von Paal (3) synthetisch gewonnen. Solche aromatische Glucoside sind bekanntlich im Pflanzenreiche verbreitete natürliche Vorkommnisse. In manchen Fällen bieten sich keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Stoffe noch im Umsätze des Stoff- wechsels stehen, sondern man darf eher daran denken, daß die Glucosid- bildung ein Mittel bietet, um Substanzen in der Zelle passend zu immo- bilisieren resp. unschädlich zu machen, und vielleicht handelt es sich in den Glucosiden öfters um Intermediärprodukte. In anderen Fällen scheint es wieder, daß diese Glucoside wieder gespalten werden und ihre Be- standteile Jn den Stoffkreislauf wieder aufgenommen werden können. Manche dieser Verbindungen sind auch durch längeres Kochen mit Säure kaum vollständig zu ^erlegen, ohne daß sich hierfür eine Er- klärung finden ließe. Es braucht nicht nur ein einziger Zucker als Konstituent aufzutreten; manche Glucoside enthalten zwei verschiedene Zuckergruppen, z. B d-Glucose und d-Rhamnose. Die Verbindungsweise der Zucker mit ihren Paarlingen variiert sehr. Manche Glucoside geben Aldehydreaktionen, andere nicht. Die meisten natürlichen Glucoside werden durch MariUelenzym oder andere auf /5-Methylglucosid wirksame Enzyme leicht gespalten, jedoch nicht durch Hefeauszug. Man schreibt 1) Tanket, Bull. Soc. Chim. (.3), //, 949 (1894); Compt. rend., 119, 158 (1894). — 2) E. Fischer u. Jennings. Ber. Cham. Ges., 27, 1S55 (1894). — 3) C. Paal u. Hörnstein, Ber. Chem. Ges., jp, 1361 (1906). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 281 ihnen deswegen einen dem |S-GIucosid entsprechenden sterischen Bau, resp. die Präexisteuz von /^-Glucose zu. Vom Amygdalin spaltet jedoch Hefeauszug einen Glucoserest ab. In vielen Fällen ist aber der Aufbau der Glucoside noch ganz unbekannt. Neben dem Glucosid findet sich häufig in den Pflanzenorganen das wirksame Enzym, z. B. in Mandeln das Emulsin neben Amygdalin, in Senfsamen das Myrosin neben Sinaibin, in Ecballium Elaterase neben Elaterin als Begleiter. Es liegt nahe an die Mitwirkung solcher Enzyme bei der Glucosidsynthese zu denken. Glucosidspaltende Enzyme fehlen den saprophytischen Pilzen in der Regel nicht und dienen hier zum Aufschließen der Nahrung (1). Viele natürliche Glucoside geben durch Kernkondensationen, Furfurolbildung usw. mit konzentrierter Schwefelsäure allein charakteristische rote oder violette Farbenreaktionen, welche praktisch verwendbar sind und auch mikro- chemisch zur Feststellung der Lokalisation der betreffenden Stoffe dienen können (2). Beim Erhitzen von Aminosäuren mit Zucker erfolgt nach Maillard (3) Dunkelfärbung („Melanoidinbildung") unter Entwicklung von GOg und Bindung der Aminogruppe am N durch die Aldehydgruppe nach Analogie der Ureide. Die Aldehydgruppe ist ferner direkt beteihgt an der Bindung von anderen Aldehyden an Aldosen (,,Acetalbildung"), z. B. beim Ent- stehen der Dibenzalpentosen und Dibenzalhexosen nach van Ekenstein und Blanksma(4): CHaOH • (CH0H)4 • GH < ^ > CH • CeHg. Aus Fructose gewannen Irvine und Hyno(5) eine Diacetonverbin- dung: I 0— I CH2 • C • CH . GH . CH . CH2OH I I I I 0 0 0 0 G(CH3)2 C(CH3)2 §4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. Durch die Arbeiten von Kirchhoff, Braconnot, Payen und anderen Forschern hatte man schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Stärke, Cellulose, Inulin Substanzen kennen gelernt, welche, mit Säure behandelt, einfache Zucker liefern und sich so als Zuckerderivate ver- rieten. Von diesen Stoffen kennen wir aber auch heute nicht ihre Konstitution und ihre Molekulargröße. Wir fassen sie als Polysaccharide oder Kohlenhydrate zusammen. Die letztere Bezeichnung wählte zuerst 1844 C. Schmidt (6). Rohrzucker, Milchzucker und Maltose wurden ebenfalls schon bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts als zusammengesetzte Zucker erkannt, und man 1) A. Brunstein, Beihefte bot. Zentr., 10, 1 (1901). — 2) Palm, Ber. Chem. GeS., ig (1886). A. Rosoll, Just Jahresber. (1890), /, 83. — 3) L. Maillard, Compt. rend., 154, 66 (1912). — 4) A. van Ekenstein u. Blanksma, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 25, 153, 162 (1906). — 5) J. C. Irvine u. Hynd, Journ. Chem. Soc, 95, 1220 (1909). Irvine u. Garrett, Ebenda, p;, 1277 (1910). — 6) C. Schmidt, Lieb. Ann., 51, 30 (1844). 282 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. erfuhr durch Dubrunfaut, daß der Rohrzucker aus Fructose und Glucose, der Malzzucker aber aus 2 Äquivalenten Glucose bestehe, die unter Wasser- austritt vereinigt sind. Später lernte man in der Raffinose einen aus drei Hexosenresten kombinierten zusammengesetzten Zucker kennen, ebenso in Melezitose und einigen anderen. In der Stachyose und Lupeose hat man sogar vierfach zusammengesetzte Zucker vor sich, doch sind höhere Kom- binationen bisher nicht mit Sicherheit bestimmt worden. Nach Wacker (1) bietet sich in einer Lösung von p-Phenylhydrazinsulfosäure in verdünnter Alkahlauge ein Mittel, um die Molekulargröße von Polysacchariden zu eruieren. Dieses Hydrazinreagens vereinigt sich mit Zuckern unter Bildung roter Farbstoffe, und zwar ist die Färbung um so intensiver und geht um so rascher vor sich, je kleiner das Molekulargewicht. Man nennt die zusammen- gesetzten Zucker je nach der Zahl der Konstituenten Di-, Tri-, Tetrasaccharide oder gebraucht nach Scheiblers Vorschlag (2) den Suffix -biose, -triose, -tetrose usw. Zur näheren Kenntnis der natürlich vorkommenden Poly- saccharide waren die verschiedenen Versuche, solche Substanzen synthetisch aus einfachen Zuckern zu gewinnen, bedeutungsvoll. Bereits 1872 stellten Musculus (3) und Gautier (4) Versuche an, Traubenzucker mittels starker Mineralsäuren zu kondensieren, und gewannen amorphe, wieder zu Glucose hydrolysierbare Produkte. Wohl (5) brachte die bekannte Tatsache, daß in konzentrierten Rohrzuckerlösungen ein kleiner Rest Saccharose durch Säure nicht invertiert wird, zuerst mit solchen ,, Reversionsprozessen" in Zusammenhang. Ein unzweifelhaftes Disaccharid erhielt sodann E. Fischer (6) durch Kondensation von Traubenzucker unter dem Einflüsse von kalter rauchender HCl, als er eine 25%ige Lösung einen Tag bei 10—15® stehen heß und dann mit absolutem Alkohol fällte. Die Substanz erhielt denNamen Isomaltose, da man eine Identität mit gewissen Stärkehydratationspro- dukten [Galhsin (7), Isomaltose (8)] vermutete. Diese Stärkeabbauprodukte sind aber später mehr als fraghch geworden, weswegen die Benennung Iso- maltose am besten für Fischers synthetisches Disaccharid vorbehalten bleibt. Die Reversions-Isomaltose gibt ein krystalhsierendes Osazon und ist un vergärbar. Viel besser erhielten später E. Fischer und Armstrong (9) synthetische Disaccharide durch Einwirkung von Acetochlorglucose auf die Natriumverbindung eines anderen Zuckers. So wurde eine mit der natürhchen Mehbiose wahrscheinhch identische Galactosidoglucose dar- gestellt. Die letzte Phase der einschlägigen Versuche stellen endhch die Bemühungen dar durch Enzymwirkungen Synthesen zusammengesetzter Zucker zu erreichen. Croft Hill(IO) beobachtete zuerst Disaccharidbildung durch Hefemaltase aus Glucose ; diese anfänghch für reine Maltose gehaltene Verbindung sprach später Emmerling(II) als Isomaltose an, doch zeigte Croft Hill (12) sodann, daß in dem Reversionsprodukt wohl teilweise wirk- hche Maltose vorliegt, jedoch gemischt mit einem neuen un vergärbaren 1) L. Wacker, Ber. Chem. Ges. 41, 266 (1908); Ztsch. physiol. Chem., y. 143 (1910). — 2) C. ScHEiBLEß, Ber. Chem. Ges., 18, 646 (1885). — 3) Musculus, Ebenda, 5, 648 (1872). Musculus u. A. Meyer, Compt. rend., 92, 528 (1881); Ztsch. physiol. Chem., 5, 122 (1881). — 4) A. Gautieb, Bull. Soc. Chim., 22, 482 (1874). — 5) A. Wohl, Ber. Chem. Ges., 23, 2084 (1890). — 6) E. Fischer, Ebenda, pag. 3687; 28, 3024 (189.5). — 7) Schmidt u. Cobenzl, Ebenda, 17, 1000. — 8) C. Scheibler u. Mittelmeier, Ebenda, 23, 3075 (1890); 24, 301 (1891). LiNTNER u. DÜLL, Ebenda, 26, 2535. Hiepe, Chem. Zentr. (1894), /, 417. — 9) E. Fischer u. E. Fr. Armstrong, Ber. Chem. Ges., jj. 3144 (1902). — 10) A. Croft Hill, Joiirn. Chem. Soc. (1898), p. 634; Ber. Chem. Ges., 34, 1380 (1901). — 11) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., 34, 600, 2006 (1901). — 12) A. Cr. Hill, Jonrn. of Physiol., 28, 4 (1902); Journ. Chem. Soc, 83, 578 (1903). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 283 Disaccharid, der Revertose. Die letztere wurde auch durch Einwirkung von Takadiastase und Pankreasenzym auf 60%ige Glucoselösung gewonnen. Revertose ist rechtsdrehend, krystallisierbar, reduziert Fehling, gibt ein optisch inaktives Biosazon, vom Schmelzpunkt 173—174". An das merkwürdige Auftreten von Revertose unter dem Einflüsse verschiedener Enzympräparate hat Pantanelli (1) die Frage geknüpft, ob nicht spezielle synthetisierende Enzyme in den angewendeten Präparaten vorhanden waren, die mit der hydrolysierenden Maltase nichts zu tun haben. Durch Kefirlactase konnten Fischer und Armstrong (2) Glucose und Galactöse zu einem ,,Isolactose" genannten Disaccharid kuppeln; Lactose entstand hier nicht. Auch die bisherigen Bemühungen, Rohrzucker durch Invertin zu synthetisieren, sind erfolglos gebUeben. Den Ansatz zur wirkhchen Lösung dieser Unklarheiten scheint die Beobachtung von Arm- strong (3) zu liefern, wonach Hefemaltase aus Traubenzucker wirkhch nur Isomaltose liefert, Emulsin hingegen nur Maltose. Bis zur definitiven Ent- scheidung in der Frage der Reversionsenzyme darf man wohl den Verdacht hegen, daß man bisher weder genau definierte Enzyme benützt, noch die Zugehörigkeit der Disaccharide zur a- resp. ß-Reihe gebührend beachtet hat; nach Armstrong wäre Maltose entschieden ein Glucose-/?- Glucosid, Isomaltose aber das zugehörige a-Glucosid, welches immer entstehen muß sobald man ein zur a- Reihe gehöriges Enzym, wie jenes in Hefeauszug, zur Synthese verwendet. Die Annahme spezieller synthetisierender Enzyme wird wohl in Hinkunft entbehrUch werden. Die Hydrolyse der zusammengesetzten Zucker folgt praktisch dem Gesetz unimolekularer Reaktionen. Neutralsalze sowohl als Nonelektrolyte beschleunigen die spaltende Wirkung von Säuren, nur Zusatz von Alkohol beschleunigt nicht (4). Auch Wasserstoffperoxyd wirkt hydrolysierend, besonders stark bei alkalischer Reaktion (5). Schon Trommer war es bekannt, daß alkalische Kupferlösung durch Rohrzucker nicht reduziert wird. Man lernte hingegen in anderen Disacchariden, wie Maltose und Lactose, reduzierende Zucker kennen. Fischer konnte wohl von diesen beiden Zuckern, ni^ht aber von Rohr- zucker und Trehalose ein Osazon gewinnen. Sodann entdeckten Fischer und Meyer (6), daß man durch Einwirkung von Bromwasser aus Lactose und Maltose Säuren der Form C12H22O12 erhält, welche nur durch Oxy- dation von in diesen Disacchariden vorhandenen Aldehydgruppen ent- standen sein können: Lactobionsäure und Maltobionsäure. Demnach gibt es unter den Polysacchariden Zucker ohne freie COH-Gruppe und solche mit Aldehydcharakter. Da sich Lactobionsäure in Gluconsäure und Galactöse spalten läßt, so muß die COH-Grnppe dem Glucoserest des Milchzuckers angehören. Es ist für die Konstitutionsforschung wichtig, daß auch die Osazone von Polysacchariden noch durch Enzyme an- gegriffen werden, ebenso wie die Bionsäuren. So wird Maltosazon durch Hefeauszug unter Traubenzuckerbildung gespalten, Isomaltosazon jedoch nicht, wie die freien Zucker (7). Sogar partieller oxydativer Abbau ist 1) E. Pantanelli u. G. Faure, Atti R. Acc. Line. Roma (5), ig, I, 389 (1910). — 2) E. Fischer u. E. Fr. Armstrong, Ber. Cham Ges., 35, 3144 (1902). — 3) E. F. Armstrong, Proceed. Roy. Soc, 7a, B, 592 (1905). — 4) R. J. Cald- WELL, Ebenda, 78, A, 272 (1906). — 5) C. Neuberg u. Miüra, Biochem. Ztsch., 36, 37 (1911). Gramenitzky, Biochem. Zentr., 13, 113 (1912). — 6) E. Fischer u. J. Meyer, Ber. Chcm. Ges., 22, 361, 1941 (1889). — 7) Neuberg u. Saneyoshi, Biochem. Ztsch., j6, 44 (1911). H. Bierry u. Giaja, Soc. Biol., 64, 653 (1908). H. BiERRY, Recherches sur les diastases qui concourent ä la digestion etc. (1911). 284 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. bei Bionsäuren möglich, da man bei der Behandlung von lactobion- saurem Kalk mit U^O^ und Eisensalz eine Aldose mit 11 C erhielt, welche bei der Hydrolyse Galactose und Arabinose lieferte [Ruff und Ollendorff(I)]. Neuberg (2) berichtete über ähnliche Erfahrungen bei Elektrolyse von Melibionsäure. Alle diese Materialien haben die Grundlinien zur Kenntnis der Kon- figurationsformeln von Di- und Trisacchariden geliefert (E. Fischer, Arm- strong), die namentlich auch durch die Untersuchung der Alkylderivate durch PuRDiE und Irvine (3) eine volle Bestätigung erfahren haben. I KJ 1 Saccharose: CH2OH • CHOH • CH • (CHOH)a • GH ^ (Glucose) (Fructose) CHgOH • GH • (CH0H)2 • G ^^CHaOH I o 1 -0- Maltose : GH2OH • GHOH . GH . (GH0H)2 • GH GHOH • (GH0H)2 • GH • CHOH • GHg >0 (Glucose) (Glucose) Lactose : GH2OH . GHOH • GH • (GH0H)2 • CH ^ (Glucose) GHOH • (GH0H)2 • GH • GHOH • GHg -^ (Galactose) I 0 ' Isotrehalose GHgOH • GHOH • GH • (GH0H)2 • CH ^ (Glucose) (synthetisch): CHgOH • GHOH • GH • (GH0H)2 • GH -^ ^ (Glucose) In den natürlichen Polysacchariden spielen Hexosen, vor allem der Traubenzucker, die Hauptrolle als Konstituenten; die meisten Poly- saccharide sind Di-, Tri- oder Polyhexosen. Als natürliche Pentoso- hexose ist die Vicianose erkannt, ferner kommen auch sonst Mischzucker verschiedener Art in den natürlichen Glucosiden vor, worunter Rhamnose und Glucose als Konstituenten besonders häufig auftreten, im Strophan- thus-Glucosid ausnahmsweise ein Rhamnomannosid, im Apiin eine Gluco- methyltetrose (Glucoapiose). Dipentosen, analog dem von O'Sullivan (4) bei der Hydrolyse des arabischen Gummi dargestellten Arabinon (Di- arabinose) dürften wohl gelegentlich noch als natürliche Pflanzen Stoffe gefunden werden. A. Disaccharide. Vicianose, ein von Bertrand und Weisweiller (5) entdecktes Disaccharid ist bisher ausschließlich aus Wickensamen bekannt, als Konstituent des glucosidischen Vicianins. Vicianose ist ein rechts- drehendes, durch Emulsin spaltbares Disaccharid CuHgoOio, welches hydrolysiert d-Glucose und 1-Arabinose liefert. Saccharose, Rohrzucker, deren empirische Formel CigHjgOi, 1834 durch Liebig festgestellt worden ist, kann als fast ubiquitär vor- kommender Pflanzenstoff bezeichnet werden. In ihrem Vorkommen tritt 1) O. Ruff u. G. Ollendorff, Ber. Chem. Ges., jj, 1798 (1900). — 2) Neu- BBEG, Scott u. Lachmann, ßiochem. Ztsch., 24, 152 (1910). — 3) Th. Pükdie u. J. C. Irvine, Journ. Chera. Soc, 87, 1022 (1905). Irvine, Biochem. Ztsch., 22, 366 (1909). — 4) O'Sullivan, Chem. New.s, 61, 23 (1890). — 5) G. Bertrand u. G. Weisweiller, Compt. rend., 150, 180; 151, 325 (1910). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 285 gegenüber den Hexosen schon mehr der Charakter als Reservestoff hervor. Sie ist so gut wie ausschließliches Reserveraaterial im Zucker- rohr und anderen Gramineen, in der Zuckerrübe, und in kleinen oder größeren Mengen wohl ein steter Begleitstoff der Stärke. Sehr oft ist sie mit Glucose und Fructose, ihren Konstituenten, gemengt. Auch in den Assimilationsorganen selbst fehlt Saccharose nicht, und im Zucker- rohr dürfte sie wenigstens teilweise in den Blättern selbst gebildet werden (1). Verbreitungsangaben über Rohrzucker haben in großer Zahl Schulze und Frankfurt (2), Husemann und Hilger(3), Bourque- L0T(4), sowie V. Lippmann (5) gesammelt. Die von Michaüd und Tristan (6) beschriebene „Agavose" ist nach Stone und Lotz(7) mit Rohrzucker identisch. Geringe Mengen Rohrzucker lassen sich nach Schulze (8) nachweisen, indem das trockene Material mit 90% Alkohol ausgezogen, und das Extrakt mit heißgesättigter wässeriger Strontiumhydroxydlösung gefällt wird. Den Niederschlag kocht man mit wässeriger Sr (OH)2-Lösung aus, zerlegt ihn mit CO2 und gewinnt die Saccharose daraus mittels Krystalhsation aus ver- dünntem Alkohol. Mikrochemisch kann man die Hydrolyse mit Hefeinvertin zur Diagnose der Saccharose anwenden und dieselbe selbst neben Hexosen hinreichend sicher nachweisen (9). Der reinste Rohrzucker des Handels ist erfahrungsgemäß in den besten Hutzuckersorten geboten, in denen noch höchstens eine Spur von Raffinose und etwas Kalk zugegen ist. Die chemischen Eigenschaften seien hier nur kurz berührt. Wichtig ist, daß die LösHchkeit durch die Gegenwart von Invertzucker (10) und von Salzen beeinflußt wird (11). Der osmotische Druck von Saccharoselösungen soll nach Morse (12) durch unbekannte Ursachen von der Theorie abweichen. Die Wirkung von Rohrzuckerlösung auf polari- siertes Licht war schon 1819 Biot bekannt. Eine konstante spezifische Drehung besitzt Rohrzucker nicht. Die Drehung wird in Gegenwart alka- hscher Uranylnitratlösung (wahrscheinhch im Verlaufe der hydrolytischen Spaltung anfänghch gebildeter Komplexverbindungen) aus der anfängUchen Rechtsdrehung in Linksdrehung umgewandelt; dieser Prozeß ist durch An- säuern rückgängig zu machen (13). Natriumchloridzusatz erniedrigt die Drehung proportional der Salzkonzentration (14). Mit wenig Wasser auf 150—160° erhitzt, gibt Rohrzuckei einen farblosen optisch inaktiven Zucker der Fehlings Lösung reduziert. Maumene(15) erhielt durch Einwirkung von AgNOg auf Saccharose eine „Inactose". Nach Muntz(16) kommt in- I) F. A. C. Went, Just Jahresber. (1896). /, 416. — 2) E. Schulze u. Frankfurt, Ber. Chem. Ges., 27, 62 (1894); Ztsch. physioL Chera., 22 (1894). — 3) Husemann u. Hilger, Pflanzenstoffe, p. 164. — 4) E. Bourquelot, Journ. Pharm. Chim. (6), j8, 241 (1903). — 5) v. Lippmann, Chemie der Zuckerarten, 3. Aufl. (1904). Hier die vollständigste Monographie der Saccharose. — 6) G. MiCHAUD u. J. F. Tristan, Amer. Chem. Journ., 14, 548 (1892). - 7) W. E. Stone u. D. Lotz, Ebenda, /;, 368 (1895). — 8) E. Schulze, Landw. Versuchsstat., 34, 403, 408 (1887); Ber. Chem. Ges., 21, 299 (1888); Ztsch. physiol. Chem., 52, 404 (1907). — 9) C. Hoffmeister, Jahrb. wiss. Botan., j/, 687 (1898). Bourquelot, Journ. Pharm, et Chim. (1903); Arch. Pharm., 245, 164 (1907). — 10) H. Pellet u. Fribourg, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 24, 304 (1006). Girol, Ebenda, 25, 120 (1907). — 11) R. J. Caldwell u. R. Whymper, Proceed. Roy. Soc, «/, A, 117 (1908). — 12) H. N. Morse, Frazer u. a., Amer. Chem. Journ., j6, 39 (1906); 37, 425 (1907); 38, 175 (1908); 39, 667 (1908); 40, 194 (1908); 41, 1 (1908) u. ebenda, p. 257; 48, 29 (1912). — 13) H. Grossmann u. Rothgiesser, Ber. Chem. Ges., 43, 676 (1910). — 14) E. W. Washburn, Ztsch. Ver. deutsch. Rübenzucker- industr. (1910), p. 381. — 15) E. Maumene, Bull. Soc. Chim., 48, 773 (1887). — 16^ MuNTZ, Compt. rend., 82, 210; 88, 150. 286 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. aktiver Zucker reichlich in getrocknetem Zuckerrohr vor, nach Hooper(I) im „Manna" aus Musa superba. Die Natur aller dieser Produkte ist noch nicht aufgeklärt. Fehlings Lösung wird durch Rohrzucker erst nach längerem Kochen bei beginnender Inversion reduziert; ammoniakalische Silberiösung wird bei Erhitzen reduziert. Ein Osazon gibt Rohrzucker nicht. Vollständig in- vertiert hefert 1 g Rohrzucker nach Maquenne (2) genau 0,71 g Osazon. Von Hefe wird Rohrzucker unter Inversion sehr intensiv vergoren. Eine ganze Reihe von Farbenreaktionen sind für Saccharose angegeben (3), von denen die meisten keine weitere Bedeutung haben. Als Fructosederivat gibt Rohrzucker die Resorcinprobe von Seliwanoff. Tannin + HCl erzergt Rosafärbung (3). Sesamöl -|- HCl soll eine für Rohrzucker charakteristische Farbenreaktion geben (4). Von den Saccharoseverbindungen mit Metall- basen sind insbesonders die schwerlöshchen ErdalkaU Verbindungen (Sr, Ca) wichtig (5). Eine krystallinische Octoacetyl- Saccharose erhielt Herzfeld (6). Oxydation mit Bromwasser Hefert aus Rohrzucker keine Bionsäure, sondern es entstehen Gluconsäure und Fructose. Mit HNOg entstehen Zuckersäure, dann d-Weinsäure und Oxalsäure. Bei der Photolyse im ultra- violetten Licht erhielt Bierry zunächst Hydrolyse des Rohrzuckers, dann Bildung von Formaldehyd, COj, CO und Säuren (7). Beim Kochen mit Natronlauge wird reichhch Milchsäure gebildet (8). Versuche, Rohrzucker- glucoside durch alkoholische HCl zu gewinnen, üeferten nur Traubenzucker- glucoside unter gleichzeitiger Spaltung der Saccharose [Foerg (9)]. Über die Veränderungen der Saccharose beim Erhitzen vergleiche man die Unter- suchungen von DuscRSKY (10). Wie bekannt, ergibt Saccharose bei der Hydrolyse Fructose und d-Glucose. Merkhche Inversion erfolgt schon durch längeres Kochen in Glasgefäßen. Quantitativ erfolgt Hydrolyse bei 125® und 20 Atm. Druck in 2% Stunden (1 1 ). Fein verteiltes Platin oder Palladium wirkt in wässeriger Rohrzuckerlösung als Katalysator der Spaltung (12). Am wirksamsten sind Säuren durch das Wasserstoffion ; schon bei gewöhn- licher Temperatur und schon in großerVerdünnung (z.B. als mit CO2 gesättigtes Wasser) können sie in längerer Zeit vollständige Inversion bewirken (13). — Da Saccharose zuerst die a-Form der Lactonstruktur von Glucose und Fructose hefert, und die a-Formen, wie durch die Mutarotation sicher zu stellen ist, allmähhch in die /^-Formen übergehen, so ist die Reaktion theoretisch komphzierter als die gewöhnUche Annahme des unimolekularen Schemas erkennen läßt (14). Die stärkeren Abweichungen vom unimolekularen Ver- laufe hegen nur im Anfange der Inversion. Versuche, Unterschiede in der Hydrolyse durch optisch aktive Säuren antipodischer Struktur (d- und 1) HooPER, Chem.-Ztg., 14, Ref., p. 343. — 2) Maquenne, Compt. rend., 112, 799. — 3) Zusammenstellung: C Reichard, Pharm. Zentr. Halle, 51, 979 (1910). — 4) H. Leffmann, Chem.-Ztg., jo, 638 (1906). — 5) Kalk: H. Claassen, Ztsch. Ver. deutsch. Riibenzuckerindustr. (1911), p. 489. — 6) A. Herzfeld, Chem. Zentr. (1887), p. 749. — 7) H. Bierry, Henri, Ranc, Compt. rend., 152, 1621 (1911); Soc. Bio!., 68, 821 (1910); Journ. de Physiol., /j. 700 (1911). — 8) P. Schützen- berger, Ber. Chem. Ges., 9, 448 (1876). — 9) R. Foerg, Monatsh. Cbera., 24, 357 (1903). — 10) J. E. DuscHSKY, Zt.sch. Ver. Deutsch. ZucKerindustr. (1911), p. 581. — 11) B. Pfyl u. Linne, Ztsch. Unt. Nähr.- u. Genußmittel, 10, 104 (1905). — 12) Rayman, Ztsch. physik. Chem., 21, 481 (1896). O. SuLC, Ebenda, 33, 47 (1900). — 13) V. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 13, 1822 (1880). — 14) J. Meyer, Ztsch. physik. Chem., 62, 59 (1908); 72, 117 (1910). C. S. Hudson. Journ. Amer. Chem. Soc, 32, 8H5 (1910). Kühl, Apoth.-Ztg., 24, 193 (1909). Vgl. auch WoR- ley u. Armstrong, Proceed. Roy. Soc, 87, A, 555, 563, 604 (1912). Rosanoff u. Potter, Journ. Amer. Chem. Soc, jj, 248 (1913). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 287 l-Camphosulfonsäure) aufzufinden, sind nicht gelungen (1). Borsäure för- dert die Säureinversion (2). Chlorammonium wirkt auf Saccharose spaltend ein (3). Ultraviolette Bestrahlung hydrolysiert nach Euler (4) und Berthe- lot (5) Saccharose auch bei neutraler Reaktion, dabei tritt später durch Säurebildung Autokatalyse der Spaltung ein. Auf Rohrzucker spezifisch einwirkende Enzyme (die nur noch vielleicht immer auch auf das Trisaccharid Raffinose einwirken) oder „Invertine" sind in Pflanzen- und Tierzellen äußerst verbreitet (6). j Das beststudierte Invertin ist jenes aus Hefe. Sehr konzentrierte Invertinlösung spaltet Rohrzucker so gut wie momentan. Maguesiumsalze sollen nach Tribot (7) deutlich fördern. Die Invertin- spaltung des Rohrzuckers ist praktisch eine unimolekulare Reaktion, doch treten auch hier die a-Formen der Glucose und Fructose zunächst auf und werden in die /5-Formen allmähüch übergeführt (8). Inversion durch Glycerin beobachtete Donath (9). Erwähnenswerte Umsetzungen von Rohrzucker sind die Bildung von cü-Oxymethylfurfurol durch Oxalsäure unter Druck (1 0) ; die Bildung von Benzol und Benzaldehyd bei der Destillation mit Ätzkalk; die von Hoppe-Seyler festgestellte Bildung von Brenzcatechin, Protocatechu- säure neben Huminstoffen beim Erhitzen von Zucker in zugeschmolzenen Glasröhren auf 200o. Die bei Inversion von 1 Mol Saccharose gelöst in 14U Mol Wasser ent- wickelte Wärmemenge bei 58,5° C ist gleich 2,639 Calorien [Petit (11)J. Auf eine Kritik der quantitativen Rohrzuckerbestimmungsmethoden, die manchen schwierigen Fragenkomplex umfassen, kann hier nicht ein- gegangen werden. Auch hier beherrschen gegenwärtig mit Recht die polari- metrischen Methoden das Feld. In neuerer Zeit wurde mehrfach versucht, die den Rohrzucker begleitenden Hexosen durch AlkaUwirkung oder Wasser- stoffperoxyd zu zerstören, um die Saccharose allein bestimmen zu können (12). Auch die Invertinmethode ist einer Ausbildung wert (1 3). Trehalose oder Mycose ist wie Rohrzucker ein nicht reduzierendes Disaccharid, welches weder Osazon noch Bionsäure liefert, daher keine freie Aldehydgruppe enthält. Sie hat die größte Verbreitung bei den Pilzen. Trehalose erhielt ihre Benennung von einem auf ostpersischen Echinops- Arten auf Stengel und abgeblühtem Blütenboden durch Rüsselkäfer erzeugten, 1) R. J. Caldwell, Proceed. Roy. Soc, 74, 184 (1904). — 2) K. Arafüku, Ztsch. physik. Chem., 72, 117 (1910). Säureinversion ferner: Armstrong u. Cald- well, Proceed. Roy. Soc, 74, 195 (1904). Deerr, Chera. Abstr. (1911), p. 1203. — 3) Strohmer u. Fallada, Österr.- Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., J5. 168 (1906); 41, VI (1912). — 4) H. Euler u. Ohlsen, Journ de Chim. phys., p, 416 (1911). 5) Berthelot u. Gaudechon, Compt. rend., 155, 1016, 1506 (1912). H. Bierry, Henri u. Ranc, Ebenda, p. 1151. — 6) Kastle u. Clark, Amer. Chem. Journ., jo, 422 (1908). Martinaud, Compt. rend., /j/, 808 (1900). — 7) J. Tribot, Compt. rend., 148, 788 (1909). Salzwirkung: Cole, Journ. of Physiol., jo, 281 (1903). ^ 8) C. S. Hudson, Journ. Amer. Chem. Soc, j/, 655 (1909). A. E. Taylor, Journ. of Biol. Chem., 5, 405 (1909). — 9) E. Donath, Journ. prakt. Chem-, 49, 546 (1894). — 10) Kiermayer, Chem.-Ztg., 19, 1003 (1895). — 11) P. Petit, Compt. rend., 134, 111 (1902). H. T. Brown u. Pickering, Proc Chem. Soc. (1896/97), Nr. 181. — 12) Lit.: H. Pellet, BuU. Assoc. Chim. Sucr., 22, 1041 (1905); 23, 1140 (1906). A. Jolles, Ztsch. Unt. Nähr.- u. Genußmittel, 20, 631 (1910). P. Lemeland, Journ. Pharm, et Chim. (7), 2, 298 (1910). Bates u. Blake, Journ. Amer. Chem. Soc, 2p, 286 (1908). Gross u. Taggart, Internat. Sug. Ind., 14, 444 (1912). — 13) C. S. Hudson, Ztsch. Ver. Deutsch. Zuckerindustr. (1910), p. 526. 288 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. die Puppencocons umhüllenden Sekrete: „Trehala-Manna", in welchem sie Berthelot (1) entdeckte. Die Trehalose aus diesem Produkte ist bezüghch ihrer Entstehungsgeschichte noch nicht geklärt. Muntz(2) fand ihre Identität mit der von Wiggers im Mutterkorn entdeckten Mycose. Trehalose ist rechts- drehend; sie wird durch die enzymatische Trehalase (auch in Hefeauszug vorhanden) oder Säuren in zwei Äquivalente d-Glucose gespalten (3), Als Isotrehalose bezeichnen Fischer und Delbrück (4) ein aus ätherischer Lösung von /S-Acetobromglucose durch Schütteln mit AggCOg neben Tetraacetylglucose als Octacetylderivat erhaltenes synthetisches Disaccharid, welches zwar ähnUches analytisches Verhalten zeigt wie Treha- lose, jedoch linksdrehend ist. Lac tose oder Milchzucker, ein reduzierendes Disaccharid, wurde in Pflanzen bisher nicht aufgefunden. Sie soll nach de Graaff (5) eine charakte- ristische Grünfärbung mit Diphenylhydrazin in Eisessiglösung gekocht geben. Maltose ist ein wichtiges, 1847 von Dübrunfaüt (6) entdecktes Abbauprodukt der Stärke sowie des tierischen und pilzlichen Glykogens, welches in kleinen Mengen zweifellos in Pflanzenorganen auch als freier Zucker ziemlich verbreitet vorkommt. Sie ist neben Stärke und Saccha- rose in der Sojabohne nachgewiesen (7) und von Brown und Morris in den Blättern von Tropaeolum. Die Eigenschaften der Maltose wurden besonders durch O'Sulli- VAN (8) erforscht. Maltoselösungen sind rechtsdrehend [od^^ = + 138,29 nach Herzfeld (9)] und zeigen Mutarotation (10). FEHLiNGsche Lösung wird reduziert; als Produkte der Einwirkung alkahscher Kupferlösung werden Oxjnoaethylribonsäure, Glucosidomannonsäure und Ameisensäure genannt (1 1 ). Maltosazon scheidet sich nach 1^ stündigem Kochen von Maltose mit Phenylhydrazin im Überschuß in einzelnen gelben Nädelchen beim Erkalten ab; es ist in Eisessiglösung hnksdrehend, F 206''. Bei der mikrochemischen Anwendung der Probe (in Glycerinlösung angestellt) soll es mögüch sein, aus der Krystallform des Osazons die Diagnose auf Maltose zu stellen (12). Eine Unterscheidung von Maltose und Glucose mit Hilfe der Osazonprobe ist im allgemeinen nicht leicht (1 3). Man kann aus Gemischen beider Zucker durch Saccharomyces Marxianus, der Maltose nicht angreift, den Trauben- zucker vergären lassen und so die Maltose isolieren (14). 1) Berthelot, Compt. rend., 46, 1276 (1858); Ann. de Chim. et Phys. (1859), p. 273. Draggendorff, Chem. Zentr. (1887), p. 1374. G. Apping, Dies. (Dorpat 1885). C. ßöNiNG, Diss. (Dorpat 1888). Nach C. Scheibler u. Mittelmeier, Ber. Chem. Ges., 26, 1331, enthält Trehalamanna 16% eines in Trehalose spaltbaren Kohlenhydrates Trehalum C^Ji^^O^^. — 2) Muntz, Compt. rend., 76, 648. — 3) Ma- QUENNE, Compt. rend., 112, 947. E. Winterstein, Ztsch. physiol. Chem. ig, 70 (1894). - 4) E. Fischer u. K. Delbrück, Ber. Chem. Ges., 42, 2776 (1909). — 5) W. C. de Graaff, Pharm. Weekbl, 42, 685 (1905). — 6) Dübrunfaüt, Ann. de Chim. et Phys. (3), 21, 178 (1847). — 7) Stingl u. Morawski, Monatsh. Chem., 7, 188. Levallois, Compt. rend., 90, 1293; 93, 281. — 8) O'Süllivan, Ber. Chem. Ges., 5, 485 (1872); p, 281 (1876). E. Schulze, Ebenda, 7, 1047 (1874). — 9) A. Herzfeld, Ber. Chem. Ges., 28, 440 (1895). — 10) G. Schliephacke, Lieb. Ann., J77. 164 (1910). — 11) W. L. Lewis, Amer. Ch'^^m. Joum., 42, 301 (1909). ~ 12) 8. Manqham, New Phytologist, 10, 160 (1912). /-Bromphenylosazon : E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 44, 1898 (1911). — 13) L. Grimbert, Joum. Pharm, et Chim. (6), /7, 225 (1903). J. L. Baker u. Dick, The Analyst, 30, 79 (1905). — 14) A. Croft Hill, Proc. Chem. Soc, 17, 45 (1901). § 4. Die zusammengeBetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 289 Oxydation mit Bromwasser liefert Maltobionsäure •, dieselbe ist (ebenso wie Lactobionsäure) durch die Verdauungsenzyme nur schwer angreifbar (1 ). Energische Einwirkung von Gl und AggO gibt d-Gluconsäure und Zucker- säure. Bei Einwirkung von Alkahen auf Maltose entsteht Glucose und ein unvergärbarer, durch verdünnte Säuren in Glucose übergehender Stoff, welcher eine Anhydroglucose zu sein scheint (2). Säureinversion bildet aus Maltose nur Traubenzucker. Hierbei kommt nach Kopaczewski (3), [wie bei anderen Zuckerhydrolysen, wesenthch der Grad der elektrolytischen Dissoziation der Säure für die Geschwindigkeit des Vorganges in Betracht. Verdünnte Citronensäure spaltet nach Pieraerts (4) Saccharose weit schneller als Maltose, so daß man dadurch beide Zucker behufs quantitativer Bestimmung trennen kann. Maltose spaltende Enzyme oder Maltasen (früher vielfach auch „Glucase" genannt), sind für Pilze (z, B. „Takadiastase** von Aspergillus Oryzae, Hefe) aber auch für Phanerogamen (Zea Mays) nachgewiesen. Das Geschwindigkeitsgesetz der Hydrolyse dürfte in allen Fällen dem unimolekularen Gesetz entsprechen (5). Auf Grund des Ver- haltens zu Enzymen kam Armstrong (6) zu der Auffassung, daß Maltose ein Glucose-a-Glucosid sei, die Isomaltose aber das stereoisomere /?-Glucosid. Aus Trisacchariden künstlich gewonnene Doppelzucker sind Meli- biose, Gentiobiose und Turanose, so wie man die Cellobiose beim Abbau der Cellulose erhalten hat. In den reifen Früchten von Astragalus caryocarpus soll nach Frank- forter (7) eine Biose vorkommen (Astragalose), deren Natur aber noch unsicher ist. Das gleiche gilt von der von Kromer (8) aus den Samen der Pharbitis Nil dargestellten Pharbitose. B. Trisaccharide. Raffinose oder Melitriose wurde 1876 zuerst von Loiseaü(9) aus Rübenmelasse isoliert. Später erwies sich damit die „Melitose" aus Eucalyptusmanna(lO), und der durch Ritthausen (11) aus Baumwollsamen dargestellte Zucker identisch. Aus Gerste gewann O'Sullivan (12) Raffi- nose. Die Raffinose zählt wohl unter die weit verbreitet vorkommenden zusammengesetzten Zucker. Scheibler (13) bewies, daß die Raffinose ein Trisaccharid der Formel CigHggOig sein müsse, was mit Hilfe der plasmolytischen Methode von DE Vries(14) bestätigt werden konnte. Raffinose läßt sich durch ihre starke 1) H. BiERRY u. J. GiAJA, Compt. rend., Hl, 268 (1908). — 2) Lobrt de Brüyn u. A. van Ekenstein, Rec. trav. chim. Paya-Bas, i8, 147 (1899). — 3) W. Kopaczewski, Bull. Soc. Chim. (4), //, 850 (1912). — 4) J. Pieraerts, Bull. Assoc, Chim. Sucr., 26, 562, 650 (1909). — 5) A. E. Taylor, JourB. of Biol. Cham., j, 405 (1909). V. Henri u. Ch. Philoche. Soc. Biol., S7, 170 (1904). — 6) E. F. Armstrong, Proceed. Roy. Soc, 70, B (1905), Nr. 513. — 7) G. B. Franktorter, Amer. Journ. Pharm., 72, 320 (1900). — 8) N. Kromer, Arch. Pharm., 234, 459 (1896). — 9) D. LoISEAU, Compt. rend., 82, 1058 (1876); Chem. Zentr. (1897), //, 520. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 18, 3087 (1885). A. Herzfeld, Ztsch. Ver. Deutach. Zuckerindustr. (1910), p. 1204. Zikowski, Amer. Sug. Ind., /j, 8 (1911). — 10) Eukalyptusmanna: Berthelot, Ann. de Chim. et Phys. (3), 46, 66. J. J0HN8TON, Journ. prakt. Chem., 29, 485 (1843). Th. Anderson, Ebenda, 47, 449 (1849). F. W. Passmore, Chem. Zentr. (1891), /, 575. P. Rischbiet u. Tollens, Ber. Chem. Ges., j8, 2611 (1885). — 11) H. Ritthausen, Journ. prakt. Chem., 29, 351 (1884), „Gossypose". — 12) C. O'Sullivan, Journ. Chem. Soc. (1886), p. 70. - 13) C. Scheibler, Ber. Chem. Ges., 18, 1409, 1779 (1885); 19, 2868 (1886). - 14) H. DE Vries, Botan. Ztg. (1888), p. 393; Compt. rend. (1888), p. 751. Kryo- skopische Bestimmung; Tollens u. F. Mayer, Ber. Chem. Ges., 21, 1566 (1888). Czapek, Biochemie der Pflaaten. I. .s. Aufl. ^^ 290 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. Löslichkeit in Methylalkohol von Rohrzucker trennen (1), ebenso durch die größere Löshchkeit ihres Monostrontiumsaccharates. Wässerige Raffinose- lösungen sind stark rechtsdrehend, [a]D+ 104 bis 105^, ohne Mutarotation; sie reduzieren nicht und hefern kein Osazon. Tollens mit seinen Schülern RISCHBIET, Gans und Haedicke fanden zuerst, daß bei der Hydrolyse von Raffinose zunächst Fructose abgespalten wird, und sodann Galactose und d-Glucose entstehen. Passmore (2) isolierte die Osazone. Daß tatsäch- hch zwei scharf trennbare Phasen der Raffinosespaltung existieren, bestätigten auch Scheibler und Mittelmeier (3). Zuerst entsteht d-Fructose und das Disaccharid Mehbiose; letzteres zerfällt weiter in Glucose und Galactose. Ähnliches dürfte auch bei anderen Trisacchariden stattfinden (4). Später fand man, daß durch manche Hefen (Oberhefe) die Raffinose niu" in Meh- biose und Fructose gespalten wird, die Mehbiose aber nicht weiter zerlegt werden kann (5). Mehbiose krystalhsiert, ist stark rechtsdrehend [aJD+129,64", gibt ein Osazon von F 178—179". Fischer und Armstrong (6) gewannen Mehbiose synthetisch. Dies ist jedoch nicht die einzige Art von enzymatischer Aufspaltung der Raffinose. Neuberg (7) fand, daß Raffinose durch Emulsion zu Saccharose und Galactose hydrolysiert wird, so daß gerade die in der Mehbiose vorhandene Kuppelung gelöst wird. Man kann die Raffinose dem- nach auch als /?-Galactosid der Saccharose betrachten. Nach allem wird es also ein einheithches Raffinose spaltendes Enzym nicht geben. Die bio- logisch bedeutsamere Spaltung der Raffinose ist die in Fructose und Mehbiose. Man hat in allen Fällen, wo Raffinose biologisch angegriffen wird, rapide Abspaltung von Fructose beobachtet (8). Da es sich hierbei um eine Lösung einer Saccharosebindung handelt, könnte man daran denken, daß jedes In- vertin diese Hydrolyse zu bewirken vermag; doch ist die Geschwindigkeits- konstante der Mehbioseabspaltung eine geringere als jene der Saccharose- spaltung (9). Dies gilt auch für die Säurehydrolyse, wo Armstrong (10) das Verhältnis der Geschwindigkeitskonstanten bei der Hydrolyse von Sac- charose und Raffinose verghch. Saccharose: HNO3 ^6^; HCl 500; H2SO4 549 Raffinose: „ 390; „ 419; „ 446 Die quantitative Bestimmung der Raffinose erfolgt polarimetrisch, eventuell kombiniert mit Invertin und Emulsineinwirkung (1 1 ), oder vor und nach Spaltung mit Citronensäure (12). Nach Davoll(13^ ist die Methode von Clerget mit einigen Modifikationen die beste. Zum Nachweise dient ferner die Galactosebildung bei der Spaltung, mit Bestimmung der Schleimsäure (14) oder der Abscheidung als Methylphenylhydrazon (15). 1) H. Pellet, Ztsch. Ver. deutsch. Rübenzuckerindustr. (1910), p. 1200. — 2) Passmore, Chem. Zentr. (1891), /, 575. — 3) C. Scheibler u. H. Mittelmeier Ber. Chem. Ges., 22, 1678 (1889). J. Pieraerts, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 2.?, 1143 (1906). — 4) A. WoGRiNZ, Ztsch. physik. Chem., 44, 571 (1903). — 5) A. Bau, Chem.-Ztg., 26, 69 (1902). — 6) Fischer u. Armstrong, Ber. Chem Ges., 35, 3146 (1902). Eigenschaften der Melibiose: A. Bau, Chem.-Ztg., 21, 186 (1897); Woch.schr. Brauerei, 16, 397 (1899). Loiseau, Chem. Zentr. (1903), //, 1243. A. Bau, Ztsch. Ver. deutsch. Rübenzuckerindustr. (1904), p. 481. — 7) C. Neuberg, Biochem. Ztsch., j, 519, 535 (1907); Ztsch. Ver. deutsch. Rübenzuckerindustr. (1907), p. 440, 453, 456. — 8) H. Bierry, Biochem. Ztsch., 44, 426 (1912). — 9) E. Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 153, 1060 (1911). — 10) H. E. Armstrong u. W. H. Glover, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 312 (1908). — 11) E. Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 14g, 361 (1909). — 12) J. Pieraerts, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 23, 1261 (1906). — 13) D. Da voll, Journ. Amer. Chem. Soc, 23, 1019 (1903). — 14) R. Creydt, Ber. Chem. Ges., /p, 3115 (1886). — 15) R. Ofner, Ztsch. Zucker- industr. Böhm., j/, 326 (1906). § 4. Die zusammengesetzten Zuckerarten; Kohlenhydrate. 291 Melezitose ist ein nur von wenigen pathologischen Pflanzen- produkten bekanntes Trisaccharid: Lärchenmanna nach Berthelot (1), Alhagimanna nach Villiers(2) und Honigtau der Linde nach Maquenne(3) sind bisher die einzigen Fundorte. Man gewinnt sie am besten aus der „Manna" der zentralasiatischen Alhagi camelorum Fisch. Melezitose ist unvergärbar, nicht reduzierend, dreht rechts, nach Tan r et (4) mit [aJo-j-SSjö". Wie Alekhine(5) fand, spalten sie verdünnte Säuren zunächst in d-Glucose und das Disaccharid Turanose. Endprodukt ist ausschließlich Traubenzucker. Turanose ist eine Aldobiose von unbe- kannter Konstitution, durch Hefe und die gewöhnlich benützten Enzyme nur sehr wenig angi-eifbar, reduzierend; ihr Osazon schmilzt bei 215 bis 220 <> (6). Gentianose, bisher nur vom Rhizom der Gentiana lutea (wohl auch anderer Gentiana-Arten) bekannt, von A. Meyer (7) als neues Polysaccharid entdeckt und von Bourquelot und Herissey(8) als Triose bestimmt. Sie ist krystallisiert bekannt; ihre Lösung dreht rechts. Durch Säurehydrolyse oder Hefeauszug zerfällt sie analog der Raffinose in Fructose und Gentiobiose. Letztere ist nach Bourquelot eine krystallisierbare Aldobiose, rechtsdrehend, aus zwei Glucoseresten konstituiert, doch von der Turanose und Maltose sicher verschieden. Die Bindung der Glucosereste dürfte nach Art der /^-Glucoside anzu- nehmen sein, da Aspergillusenzym und Emulsin nachweislich angreifen, während Hefeinvertin wirkungslos ist. Manninotriose ist ein durch Tanret(9) in der Manna von Fraxinus Ornus entdecktes Trisaccharid, welches bei der Hydrolyse 1 Äqu. d-Glucose und 2 Äqu. Galactose liefert. Die Konstitution ist unbekannt. Manninotriose soll durch Hefe langsam angegriffen werden. Sie ist rechtsdrehend, reduzierend, gibt, mit Bromwasser oxydiert, Manninotrionsäure; letztere kann zu Glucon- säure und Galactose gespalten werden. Rhamninose ist ein durch Ch. u. G. Tanret(IO) bei der Spaltung des natürlichen Glucosids Xanthorrhamnin aufgefundenes Trisaccharid, welches bei der Hydrolyse 2 Äqu. Rhamnose und 1 Äqu. Galactose gibt. Tanret spricht weniger passend von „Rhamnobiose", während wir es mit einer Triose in Glucosidbindung zu tun haben. In Rhamnusfrüchten fand Tanret ein gleichzeitig vorkommendes und auf Rhamninose wirk- sames Enzym, Rhamninase. Die Rhamnustriose ist unvergärbar, redu- ziert Fehling, dreht links, gibt kein Osazon. Mit Brom oxydiert liefert sie Rhamnotrionsäure C18H32O15 , die bei der Hydrolyse in Galacton- säure und 2 Äqu. Rhamnose zerfällt. C. Tetrasaccharide. Unter diesen Polysacchariden scheint die Stachyose bei Bluten- pflanzen in Speicherorganen nicht allzu selten vorzukommen. Planta 1) Berthelot, Ann. de Chim. et Phys. (3), 46, 87; 55, 282. Biot, Journ. prakt. Chem., 27, 60 (1842). — 2) A. Villiers, Compt. rend., 84, 35 (1877); in einer von Orloff [Chera. Zentr. (1897), //, 1068] untersuchten Alhagimanna fand sich nur Saccharose. — 3) L. Maquenne, Corapt. rend., 117, 127 (1893). — 4) G. Tanret, Compt. rend., 142, 1424 (1906); Bull. Soc. Chim. (3), 35, 816 (1906). — B) A. Alekhine, Ann. de Chim. et Phys. (6), 18, 532 (I88Ö); Ber. Chem. Ges., 22, Ref. 759 (1889). — 6) E. Fiscuer, Ber. Chem. Ges., 27, 2486 (1894). — 7) A. Meyer, Ztsch. physiol. Chem., 6, 135 (1882). Bourquelot, Compt. rend., 126, 280, 1045 (1898). — 8) Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 132, 571 (1901); 13s, 290 (1902); Journ. Pharm, et Chim. (6), 16, 417, 513, 578 (1902); Compt. rend., 136, 762, 1143 (1903). — 9) Tanret, Compt. rend., 134, 1586 (1902); Bull. Soc. Chim. (3), 27, 947 (1902). — 10) Ch. u. G. Tanret, Compt. rend., 129, 725 (1899); Bull. Soc. Chim. (3), 21, 1065, 1073 (1899). 19* 292 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. und Schulze (1) entdeckten diesen Zucker 1890 zuerst in den Knollen der japanischen Stachys tuberifera, Tanret(2) wies später nach, daß das von ihm in Eschenmanna aufgefundene Tetrasaccharid mit Stachyose völlig identisch ist. Sie ist bei Labiaten verbreitet, jedoch ist sie auch in Jas- min um und anderen Pflanzen gefunden worden. Stachyose ist krystallisiert bekannt, dreht rechts (+148° 9') und liefert bei der Hydrolyse zu- nächst Fructose und Manninotriose , sodann aus letzterer Glucose und Galactose. Invertin spaltet Fructose nach Vintilesco (3) wohl ab, doch könnte es nach Bierry(4) immerhin sein, daJä alle analog gebauten Fructoside des Raffinosetyps durch eine „Lävulopolyase" ein von In- vertin verschiedenes Enzym gespalten werden. Die Galactosebindung läßt sich nach Neuberg (5) auch hier durch /5-Glucosid-Enzyme, am besten durch Kefirlactase, Hefemal tase, weniger gut durch Mandelemul- sin lösen. In der Wurzel von Verbascum Thapsus fand Bourquelot (6) ein sehr ähnliches Polysaccharid, welches sich durch etwas stärkere Rechts- drehung und höheren Schmelzpunkt unterscheidet; es wurde als Ver- bascose bezeichnet. Die Lupeose, von Schulze und Steiger (7) zuerst aus den Samen von Lupinus luteus dargestellt, aber in Leguminosensamen ver- breitet, ist ein der Stachyose gleichfalls in vieler Hinsicht sehr ähn- liches Polysaccharid. Es liefert, wie Stachyose bei der Spaltung, Fruc- tose, Glucose und Galactose und gehört zu den Tetrasacchariden. Lupeose kennt man nur amorph; die Lösung dreht rechts und reduziert Fehling nicht. Nach Tanret dürfte die Lupeose nur unreine Stachyose sein. Alle höheren Kohlenhydrate sind in ihrer Konstitution noch völhg unbe- kannt. Sie entsprechen sämtHch der Zusammensetzung (C8HiQ05)n-H20(8) und sind, soweit man weiß, Derivate von d-Glucose, d-Fructose und d-Galac- tose unter den Hexosen und 1-Arabinose und 1-Xylose unter den Pentosen, wozu noch Methylpentosen (Rhamnose, Fuco?e) als Stammsubstanzen kommen. Sie finden ihren Platz in der speziellen Organchemie, da allgemeines über sie kaum zu sagen ist. §5- Anhang: Bildung von Huminstoffen aus Zucker. Unter verschiedenen Umständen entstehen aus Zucker und Kohlen- hydraten amorphe, dunkel gefärbte Produkte, die seit langem wegen ihrer äußerlichen Ähnlichkeit mit dem „Humus" der Ackererde als „Huminstoffe" bezeichnet werden. Man sprach andererseits auch von „Ulmin", eine Benennung, die von Vauquelin (1797) (9) herrührt, welcher die ähnlich aussehenden Stoffe aus erkrankten Ulmenrinden untersuchte. 1) A. V. Planta u. E. Schulze, Ber. Cham. Ges., 23, 1692 (1890); 24, 2705 (1891). E. Schulze, Ebenda, 43, 2230 (1910). — 2) C. Tanret, Compt. rend., 134, 1586 (1902); 136, 1569 (1903). — 3) J. Vintilesco, Journ. de Pharm, et Chim. (6), 30, 167 (1909). — 4) H. BlERRY, Binchem. Ztsch., 44, 446 (1912); Compt. rend., 152, 465, 904 (1911). — 5) C. Nevberg u. Lachmann, Biochem. Ztsch., 24, 171 (1910). — 6) E. Bourquelot u. M. Bridel, Compt. rend., 151, 760 (1910). — 7) Schulze u. Steiger, Ztsch. phj'si.jl. Chem., //, 372. E. Schulze, Ber. Chem. Ges., 25, 2213 (1892); 43, 2230 (1910): Ztsch. physiol. Chem., 61, 279 (1909); 69, 366 (1910). — 8) KiLiANi, Chem. ;:tg. 32, 366 (1908). — 9) Vauquelin, Ann. de Chim., 21, 39 (1797). KLAr:;OTH, Gehleus Journ., 4, 329 (1804). § 5. Bildung von Huininstoffen aus Zucker. 293 Schon die älteren Chemiker, wie Braconnot, Mitscherlich, BouLLAY, Malaguti Und Mulder (l), wußten, daß man durch an- dauernde Einwirkung von Alkalien und Säuren solche dunkelgefärbte Massen aus Zucker wie aus Kohlenhydraten erhält. Mulder benannte die in Wasser und Alkali unlösliche Fraktion dieser Stoffe als „Humin" und „Ulmin", während der in Alkali lösliche Anteil als „Humin-- und Ulminsäure" geführt wurde. Daß die letzteren Stoffe tatsächlich Säure- charakter haben, wurde auch in den genauen und kritischen Studien von Hoppe-Seyler (2) über die Huminsubstanzen in neuerer Zeit bestätigt. Mulder hatte angenommen, daß bei der Bildung dieser Produkte Auf- nahme von Luftsauerstoff eine Rolle spiele. Hoppe-Seyler fand dies nicht zutreffend. Die Hurainbildung aus Zucker erfolgt auch bei Luft- abschluß. Auf eine Wiedergabe der Formeln, welche Mulder für seine Präparate aufstellte, können wir heute wohl verzichten. In den Unter- suchungen von Sestini(3), ferner jenen von Conrad und Guthzeit(4), wird gezeigt, daß diese Stoffe bei schärferem Trocknen Wasser, COj und Ameisensäure verlieren. Die Präparate von Conrad und Guthzeit hatten 62,3—66,5 % C und 3,7—4,6 % IL Hoppe-Seyler hat in seinen erwähnten umfassenden Studien Huminstoffe aus Cellulose, Zucker, aber auch aus Gerbstoffroten und Phlobaphenen dargestellt und gefunden, daß Erhitzen mit reinem Wasser auf 180—200" bei diesen Stoffen noch nicht genügt, um Huminstoffbildung zu erzielen; es ist vielmehr Gegenwart von etwas Alkali nötig. Es entstehen in der Regel außer Humin noch Protocatechusäure, Brenzcatechin, Oxalsäure, Wasserstoff und Methan. Bei Methangärung von Cellulose und anaerober Gärung von Holzgummi werden keine Huminstoffe gebildet. In der Kalischmelze von Gerbstoff- roten, Phlobaphenen, Huminsäure aus Rohrzucker erhielt Hoppe-Seyler dunkelbraune, in Wasser quellbare, aber nur sehr wenig lösliche Produkte, welche in Alkali leicht löslich sind, durch Säure flockig gefällt werden, sich aber auch in Alkohol lösen. Hoppe-Seyler nannte diese Stoff- gruppe Hymatomelansäuren; sie enthielten 65,4—65,5% C und 4,2—4,7 % H. Auch die Huminsubstanzen aus abgestorbenen Pflanzen- teilen, sowie aus Torf und Braunkohlen, gaben solche Hymatomelan- säuren. Sowohl von den Gerbstoffroten als von Huminstoffen unterschied Hoppe-Seyler drei Gruppen: 1. Stoffe, die unlöslich in Alkali und Alkohol sind, sich mit Alkali zu schleimigen Massen verbinden und mit Ätzkali geschmolzen in Substanzen der beiden anderen Gruppen über- gehen; diese Gruppen umfaßt Mulders Humine und Ulmine. 2. Stoffe, die in verdünntem Alkali auch bei starker Verdünnung völlig löslich sind und durch Säuren als voluminöse Niederschläge gefällt werden, die sich in Alkohol nicht lösen; hierher zählt ein Teil der Gerbstoffrote und die Ilumin- und Ulminsäure. 3. Stoffe, die in Alkali löslich sind, durch Säure aus der Lösung gefällt werden; der Niederschlag ist nach Aus- waschen leicht löslich in Alkohol; bei Abdestillieren des Alkohols aus diesen Lösungen entsteht bei genügender Konzentration an der Ober- fläche eine sich runzelnde Haut; nach dem Erkalten hat man gallert- 1) Braconnot, Ann. de China, et Phys., 12, 191. Mitscherlich, Lehrbuch, 3. Aufl., /, 534. P. BouLLAY, Ann. de Chim. et Phys. (2), 43, 273 (1830). Mala- guti, Ebenda{2), 59, 407 (1835). G. J.MxjLDER, Journ. prakt. Chem., 21, 203 (1840). Berzelius Jahresber., 21, 443 (1842). J. Moleschott, Physiol. d. Stoffwechsels (1851), p. 9. — 2) F. Hoppe-Seyler, Ztsch. physiol. Chem., /j, 92 (1889). — 3) F. Sestini, Ber. Chem. Ges., 13, 1877 (1880); Landw. Versuchsstat., 27, 163 (1881); 26, 285. — 4) M. Conrad u. Guthzeit, Ber, Chem. Ges., 19, 2844 (1886). 294 Fünftes Kapitel: Die pflanzlichen Zuckerarten. artige brüchige Massen vor sich, die beim Erwärmen auf dem Wasser- bade wieder schmelzen; sie sind nach dem Trocknen in Alkohol gar nicht oder sehr unvollkommen löslich. Hierher gehören die Phloba- phene der Rinden, ein Teil der Humin- und Ulminsäuren und die Hymatomelansäuren. Bei Bildung der Hymatomelansäuren spielt nach Hoppe-Seyler sicher energische Oxydation mit, während bei der Bil- dung von Huminstoffen aus Gerbstoffen und Kohlenhydraten Sauer- stoffzutritt nicht nötig ist. Neben Hymatomelansäuren entstehen in der Kalischmelze der Huminstoffe Ameisensäure, Essigsäure, Oxalsäure, Protocatechusäure, etwas Brenzcatechin. Den Hymatomelansäuren würden nach der elementaren Zusammensetzung die Formeln CjeHj^Og und CgfiHjoOg entsprechen. Sie sind Säureanhydride. Auch Berthelot und Andre (1) betrachten die Zuckerhuminstoffe als ein Gemenge von kondensierten Säureanhydriden. Udranszky(2) erhielt bei Anwesenheit von Harnstoff durch mäßige Säurewirkung auf Zucker N-haltige Humin- stoffe. Über die chemische Natur der Huminstoffe, in denen wohl ge- schlossene Kohlenstoffringe anzunehmen sind, läßt sich heute noch nicht das mindeste sagen (3). Berthelot (4), von dem eine der jüngsten Arbeiten über Zueker- humine herrührt, nimmt an, daß die aus Zucker mit konzentrierter HCl frisch bereitete Huminsäure der Formel C18H14O6 entspricht; in ihr sei eine Alkoholsäure enthalten, die ein lösliches Barytsalz bildet und kein Fur- furol abspalten kann. Robertson und Irvine(5) geben einer aus Rohr- zucker dargestellten Huminsäure die Zusammensetzung CggHgjOu, die konstant wiedergefunden wurde. Anschließend sei auch das Nötigste über die Huminstoffe der Acker- erde und der Torfmoore erwähnt, die als Substrat für die Pflanzendecke der Erde ernährungsbiologisch eine wichtige Rolle spielen. Die von Pflanzen bewachsene Erdschicht istbekanntheh sehr reich an organischen Verbindungen. Man findet darin harzartige, fettartige und wachsartige Substanzen, sowie Fettsäuren und noch deren Glyceride (6), wie auch Paraffinkohlenwasser- stoffe (7); sodann stickstoffhaltige Stoffe wie Eiweißderivate und etwas Aminosäuren (8) und endlich N-hältige und N-freie dunkelgefärbte Stoffe, die großenteils in Alkali löslich sind und seit Berzelius als ,, Humussäuren" im engeren Sinne geführt werden. Die Annahme hegt nahe, daß diese äußer- lich den Zuckerhuminsäuren ähnHchen Bodensubstanzen sich aus den Kohlen- hydraten abgestorbener Pflanzenteile herleiten, doch muß man sagen, daß ein chemischer Vergleich der natürlichen und künstlichen Humusstoffe wesentliche Unterschiede ergibt und deutliche Beziehungen zu den Zucker- huminen bisher nicht zutage treten (5). Übrigens sind manche Kohlenhydrate, 1) Bekthelot u. Andre, Compt. rend., 112, 916, 1237 (1891); 114, 41 (1892); 123, 567 (1896). — 2) L. v. Udranszky, Ztsch. phyaiol. Chem., 12, 33 (1887). — 3) Zur chemischen Konstitution der Huminstoffe: F. Sestini, Chem. Zentr. (1902), /, 182. Huminsubstanzen aus Lävulose: Ratman u. 6dlc, Chem. Zentr. (1895), //, 593; aus Arabinose: Berthelot u. Andre, Compt. rend., 123, 625 (1896). Die Meinung von St. Benni [Ztsch. Naturwiss., 6g, 145 (1897)], daß bei Oxydation von mäßig konzentrierter Zuckerlösung mit verdünnter neutraler KMnO^- Lösung Humin, mit alkalischem KMnO^ Huminsäure entsteht, trifft nicht zu [v. Feiutzen u. ToLiJENs, Ber. Chem. Ges., jo, 2581 (1897)]. — 4) Berthelot, Compt. rend., 141, 433 (1905). — B) R. A. Robertson, J. C. Irvine u. Dobson, Biochem. Journ., a, 458 (1907). Zusammenfassung bei V. Gräfe in Abderhaldens biochem. Handlex., a, 94 (1911). — 6) MüLDER, Ackerkrume, /, 527; 2, 64 (1861). O. Schreiner u. Shorey, Journ. Amer. Chem Soc., jj, 78 (1911). — 7) O. Schreiner u. Shorey, Ebenda, p. 81 (1911). — 8) Suzuki, Bull. Coli. Agric. Tokyo, Ts 513 (1907). § 5. Bildung von Huminstoffen aus Zucker. 295 besonders Pentosane und Methylpentosane im Humusboden noch unver- ändert auffallend reichlich vertreten (1). Bestimmte Tatsachen über die charakteristischen Stoffe des Ackerhumus sind leider erst sehr spärhch vorhanden. Studien darüber rühren bereits von Achard, Saussure und Sprengel (2) her. Berzelius (3) beschrieb in seiner bekannten Untersuchung über die Deposita des Wassers der Porla quelle seine „Quellsäure" und ,,Qiiellsatzsäure", denen Mulder (4) noch die Geinsäure, Humussäure und Ulminsäure hinzufügte — Angaben, die heute nur mehr historisches Interesse besitzen. Reinitzer (5) machte in neuerer Zeit darauf aufmerksam, daß Huminstoffe Fehhngs Lösung kräftig reduzieren, und er denkt an ein etwaiges Vorkommen von Kondensationsprodukten aldehydartiger Körper. Daß auch ohne Mitwirkung von Mikrobien Huminsäuren und ihre Salze bei Zutritt von freiem Sauerstoff sich unter COg-Abspaltung zersetzen, hat Niki- TiNSKY (6) gezeigt. Vermehrte Feuchtigkeit begünstigt diese Oxydations- prozesse sehr, auch Lichtzutritt scheint zu fördern. Wahrscheinhch bestehen die Huminsäuren aus einem leicht oxydierbaren Anteil und einem stabilen Rest. In jüngster Zeit hat es nicht an erfolgreichen Bemühungen gefehlt, die Errungenschaften der Kolloidchemie für das Studium der in ihrem ganzen Verhalten typisch kolloidalen Humussubstanzen heranzuziehen. Besonders die Forschungen von Baumann und Gully (7) für die Humussäuren aus Torf haben ergeben, daß es sich hier um Kolloidlösungen von elektronegativem Charakter und unmeßbar kleinem Leitvermögen handelt, die bis zu einem gewissen Grade durch Adsorptionsbindungen das Vorkommen wirklicher Säuren vortäuschen können. Ob man das Recht hat mit Baumann die Existenz von Humussäuren überhaupt in Frage zu stellen, ist nach den Ergebnissen von Oden (8) noch zweifelhaft, welcher aus Sphagnumtorf AlkaUverbindungen nicht kolloider Natur darstellte, welche möghcher- weise Säureverbindungen im chemischen Sinne bedeuten. Interessant sind die Beobachtungen von Baumann, daß die kolloiden Eigenschaften der frischen Sphagnumblätter, resp. deren Zellmembranen bereits in allen wesenthchen Stücken dem Charakter der Torfkolloide entsprechen (9). Die Kolloidchemie der Ackererde ist kaum erst in Angriff genommen imd verspricht wichtige Aufklärungen zur Ernährungslehre der Landpflanzen zu geben (10). Zweifellos spielen verschiedenartige Bodenmikrobien eine wichtige Rolle bei der Humifizierung des Pflanzenabfalles, doch könnten auch Oxy- dationsprozesse im Zusammenhange mit dem Wachstum höherer Pflanzen nach Schreiner (11) in Betracht kommen. Von verschiedenen Pflanzen haben Fadenpilze nach dem übereinstimmenden Urteile einer Reihe von Forschern 1) Vgl. E. MiCHELET u. Sebelien, Chem.-Ztg., jo, 356 (1906). — 2) C Spkengel, Lehre f. Dünger (1839), p. 404, 413. Saussuke, Recherch. chim., p. 162. — 3) Berzelius, Pogg. Ann., 29, 1 (1833); Ann. de Chim. et Phys. (2), 54, 219 (1833). — 4) MüLDER, Jouru. prakt. Chem., 19, 244; 20, 265 (1840); Physiol. Chem. (1844), p. 153; Chem. d. Ackerkrume, /, 308, 442 (1861). — 5) F. Keinitzer, Botan. Ztg. (1900), /, 59. — 6) J. Nikitinsky, Jahrb. wiss. ßotan., 37, 365 (1902). — 7) A. Baitmann, Mitteil. kgl. bayr. Moorkult.-Anst., III u. IV (1910). van Schermbeck, Jouru. prakt. Chem., 75, 517 (1907). Stbemme, Ztsch. prakt. Geol., 17, 353 (1909). A. Stutzer, Ztsch. angewandt. Chem., 23, 1760 (1910). — ß) Sv. Oden, Ber. Chem. Ges., 45, 651 (1912); Arkiv f. Kemi (1912), Nr. 24. R. Albert, Ztsch. prakt. Geol.. /;, 528 (1909); /p, 72 (1911). Br. Tacke u. Süch- TING, Landw. J^rb., 4t, 717 (1911). H. Süchtinq, Landw. Verfluchsstat., 70, 1 (1909). — 8) Baumann, 1. c, auch A. Wieler, Ber, Botan. Ges., jo, 394 (1912). — 10) Vgl. Rohland, Landw. Jahrb., 36, 473 (1907); Ztsch. physiol. Chem., S9, 325 (1909). W. Thaer, Journ. Landwirtsch., 60, 1 (1912). — 11) O. Schreiner u. Reed, Journ. Amor. Chem. Soc, jo, 85 (1908). 296 Sechstes Kapitel: Zucker und Kohlenhydrate bei Pilzen und Bacterien. einen viel größeren Anteil an der Humusbildung als die Bodenbacterien (1). Näheres Interesse könnte endlich die Torfbildung für die Pflanzenbio- chemie gewinnen (2). Noch in der Braunkohle finden sich Hurainsubstanzen in größerer Menge (3). Über den Prozeß der Torf- und Kohlebildung ist biochemis^ch eigentüch so gut wie gar nichts bekannt. Für die im Boden lebenden Organismen ist die Rolle der Huminstoffe noch ungewiß. Nach Nikitinsky verarbeiten Bodenmikroben Huminsäuren, allein als KoMenstoffquelle dargereicht, nicht, doch wirkt die Gegenwart von Mikroben sehr stark fördernd auf die Huminsäureoxydation. Robert- son und Irvine (4) fanden hingegen die natürlichen und künstüchen Humin- säurepräparate durch Penicilüum ausnützbar. MögUcherweise wirken Humusverbindungen oft nicht als Nahrungsmaterial, sondern als chemische Reizstoffe (5). Nach Molliard (6) können aber auch höhere Pflanzen Humin- kohlenstoff direkt aufnehmen und ausnützen, was jedoch höchstens eine minimale Bedeutung für das Pflanzenleben haben kann. Erwähnt sei schheß- lich, daß die in den Blattnischen humussammelnder Epiphyten sich ansam- melnden humifizierbaren Reste nach Miehe (7) ganz ähnliche Prozesse der Veränderung durchmachen wie im Erdboden selbst. Abschnitt 2: Die Saccharide im StofTwechsei der niederen Pflanzen. Sechstes Kapitel: Zucker und Kohlenhydrate bei Pilzen und Bacterien. § 1. Zuckeralkohole, Hexoseti und Hexobiosen. Die Zucker und Kohlenhydrate der Pilze bieten viel Interesse, nachdem Stoffe, welche sonst im Pflanzenreiche, selbst bei saprophy- tischen oder parasitischen Gewächsen sehr selten sind oder ganz fehlen, hier sehr verbreitet auftreten (Glykogen, Trehalose, Mannit) und anderer- seits sonst sehr häufig vorkommende Stoffe, wie Stärke, Rohrzucker, vermißt werden. Bisher wurden bei Pilzen nachgewiesen: Mannit, Sorbit und Volemit, Traubenzucker, Trehalose, Glykogen und einige Kohlen- hydrate wenig bekannter Natur, wie Mycodextrin, Mycoinulin, Mycetid. 1) D. Carbone u. Marincola-Cattaneo, Arch. Farm. Sper., 7. 265 (1908). O. Schreiner u. Shorey, Journ. Amer. Chem. Soc, 32, 1674 (1910). C. J. Koning, Arch. N^erland (2), g, 34 (1904). ß. Heinze, Landw. Mitteil. Prov. Sachsen (Halle 1909), p. 145. — 2) Lit. W. Zailer u. Wilk, Ztsch. Moorkult. (1907), p. 1. L. Roger u. E. VuLQum, Compt. rend., 147, 1404 (1908). Miklauz, Ztsch. Moorkult. (1908), p. 285. — 3) Boudoüard, Compt. rend., 147, 986 (1908). E. Donath, Ztsch. angewandt. Chem., 22, 1491 (1909). O. Manouschek, Braunkohle, 8, 73 (1909). — 4) B. A. Robertson u. Irvine, Biochem. Journ., 2, 458 (1907). — B) Für Hefe: Dzierzbicki, Anzeig. Äkad. Krakau (1909), p. 651. Höhere Pfl. Schreiner, Skinner u. Reed, U. S. Dept. Agric. (1907). — 6) M. Molliard, Compt. rend., 154, 291 (1912). — 7) H. Miehe, Math.-physik. Klasse d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss. Leipzig, 32, 376 (1911). § 1. Zuckeralkohole, Hexosen und Hexobiosen. 297 Mannit, und zwar d-Mannit, ist bei Pilzen äußerst verbreitet, und bildet häufig die Hauptmasse des stickstoffreien Reservematerials. Sein Aldehyd, die d-Mannose, wurde bisher in Pilzen noch nicht kon- statiert. In Hutpilzen findet sich bis 20% des Trockengewichtes an Mannit. Sein Vorkommen bei Pilzen kannten schon Vauquelin und Braconnot(I), und es war in neuerer Zeit besonders Muntz(2), welcher seine große Verbreitung kennen lehrte. Wertvolle analytische Unter- suchungen über die Verteilung des Mannits im Fruchtkörper von Hut- pilzen verdanken wir namentlich Margewicz (3). Der mannitreichste Teil ist meistens das Hymenium, seltener der Stiel. Doch sind die Differenzen im Mannitgehalt nicht so scharf ausgeprägt wie die Diffe- renzen im Fettgehalte der einzelnen Teile des Fruchtkörpers. So be- rechnet sich aus den von Margewicz angegebenen Zahlen der Mannit- gehalt in Stiel, oberem Teile des Hutes, Hymenium von Boletus scaber Bull, im Verhältnisse 1:1,09:1,16, während sich die entsprechenden Werte für Fett auf 1 : 1,16: 1,66 stellen. Die absoluten Werte für Mannit- gehalt fand Margewicz meist zwischen 10 und 15% der Trocken- substanz. BoURQUELOT (4) machte zuerst darauf aufmerksam, daß sich im eingesammelten Pilzmaterial sehr schnell die Trehalose in Mannit um- wandelt, so daß man viel mehr Mannit findet, wenn man die Pilze bei mäßiger Temperatur langsam trocknet, als wenn man eine rasche Tötung des Materials durch kochendes Wasser oder Chloroform vorausgeschickt hat. Jugend- liche Fruchtkörper von Lactaria, Boletus und Amanitaarten enthalten nach BouRQUELOT nur Trehalose, während in den reifen Fruchtkörpern fast aller Hymenomyceten und Ascomyceten bis zu Vs des Trockengewichtes Mannit vorhanden ist. Häufig ist aber auch in den jungen Fruchtkörpern von allem Anfange an nur Mannit vorhanden und Trehalose nicht nachweis- bar. Den Angaben Bourquelots seien folgende Zahlen entnommen: junge, ausgewachsene Fruchtkörper Mannit Trehalose Mannit Trehalose in Prozent der Trockensubst. Cantharellus tubiformis Bull. 15,30 Proz. — — — Russula Queletii Fr. . . Russula adusta Pers. . . Acetabula vulgaris Fr. . Phohota mutabihs Schaeff Collybia fusipes CUtocybe laccata Scop. . 19,75 „ - 19,85 Proz. - 23,30 „ - - - 13,07 „ - 10,2 „ - — nachgew. ~ nachgew. — nachgew. nachgew. nachgew. — nachgew. Mannit wird behufs Nachweis und Bestimmung aus dem trockenen Material mit siedendem Alkohol extrahiert; das Extrakt yvird mit Tierkohle gereinigt, eingeengt, worauf der Mannit auskrystaliisiert. 1) Vauqdelin, Ann. de Chim., 85, 1 (1813). Braconnot, Ebenda, 79, So, 87, 237 (1813). — 2) A. Muntz, Ann. dtf Chim. et Phys., 8, 56 (1876); Ber. Chera. Ges., 7, 1788 (1874). Sonstige Lit. J. Schlossberger u. O. Doeppinq, Lieb. Ann., 52, 106 (1844). Knop u. Schnedermann. Lieb. Ann., 49, 243 (1844); Journ. prakt. Chem., 32, 411 (1844). W. Thörner, Ber. Chem. Ges., 12, 1635 (1879). Th. Bis- singer, Aich. Pharm., 221, 321 (1883). R. Boehm, Arch. exp. Pathol., ig, 60 (1885). O. Mattirolo, Malpighia, 13, 154 (1899). A. Zega, Chem.-Ztg., 24, Nr. 27 (1900). Zopf, Die Pilze (1890); Schenks Handb. d. Botanik, IV. — 3) K. Margewicz, Just Jahresber. (1885), /, 86. — 4) E. Boürquelot. Compt. rend., 108, 568 (1889); Bull. See. Mycol., 5, 34, 132 (1889); 6, 150. 185 (1890); Compt. rend., ///, 534 (1890). R. Ferry, Rev. Mycolog., 12, 136 (1890). Boürquelot, Bull. Soc. Mycol., 7, 50 (1891); „ Glycerin 288,6 g n 11 11 11 11 11 , Erythrit 323,8 g , d-Mannit 416,1 g , d-Sorbit 542,5 g 11 11 , Dulcit 27,3 g 11 11 , d-Glucose 477,1 g , d-Fructose 523,7 g Man sieht, daß der Sprung vom Glycerin zum Erythrit lange nicht so bedeutungsvoll ist, wie der Sprung von Erythrit zu den Hexiten. Die Pentite, deren Prüfung noch fehlt, dürften, nach dem Verhältnisse der Pentosen zu Hexosen zu schließen, an Nährwirkung den Hexiten fast gleich- kommen. Der auffällig geringe Resorptionswert für Dulcit illustriert die Wirksamkeit der sterischen Konfiguration bei den einzelnen Hexiten. Differenzen zwischen einzelnen Pilzformen sind bezügüch dieser Ver- hältnisse bereits nachgewiesen und auch noch zu erwarten. Für den Soor- pilz fanden LiNOSSiER und Roux (2) den Nährwert von Traubenzucker und Mannit im Verhältnisse 100:63. Für Hormodendron Hordei ist nach Brühne (3) Mannit eine der besten Kohlenstoff quellen ; auch für Euro- tiopsis wirkt nach Laborde (4) Mannit gut. Hingegen assimihert nach Beijerinck (5) Schizosaccharomyces octosporus Mannit nur sehr wenig, Dulcit gar nicht. Für die Saccharomyceten ist Mannit wahrscheinÜch allgemein viel weniger günstig als Traubenzucker. Die von Kayser(6) untersuchten Milchzuckerhefen vergoren weder Mannit noch Sorbit, Dulcit oder Perseit. Bei Bacterien wurden bezüglich Verarbeitung von Zuckeralkoholen sehr mannigfache Verhältnisse angetroffen. Schon Fitz (7) konstatierte Verarbeitung von Mannit und Dulcit durch Bacterien; Erythrit wurde von den untersuchten Gärungserregern nicht konsumiert. Tuberkelbacillen ver- arbeiten Mannit nach Hammerschlag (8) nicht, hingegen fanden Frank- 1) F. Czapek, Hofmeisters Beitr., j, 62 (1902). — 2) Linossier u. Roux, Compt. rend., iio, 355 (1890). — 3) K. Bkuhne, Zopfa Beitr., IV, 1 (1894). — 4) Laborde, Ann. Inst. Pasteur, //, 1 (1897). — 5) Beijerinck, Zentr. Bakt., 15, 49 (1894). — 6) E. Kayser, Ann. Inst. Pasteur, 5, 395 (1891). — 7) A. Fitz, Ber. Chem. Ges., 10, 276 (1877); 16, 844 (1883). — 8) A. Hammerschlag, Monatsh. ehem., 10, 9. S 1. Resorption von Znckeralkoholen. 309 LAND, Stanley und Frew(1) beim FRiEDLÄNDERschen Pneumoniebacillus Mannit viel leichter verarbeitbar als Glucose. Von sonstigen Mannit ver- arbeitenden Bacterien seien angeführt Bacillus ethaceticus [Frankland und Fox (2)] und ethacetosuccinicus [Frankland und Frew(3)]. Bac- terium coli verarbeitet nach Chantemesse und Widal(4) Erythrit und Mannit; desgleichen Bacillus tartricus [Grimbert und Ficquet (5)]; Bacillus orthobutylicus verarbeitet nach Grimbert (6) wohl Mannit, nicht aber Erythrit; Mannit verarbeiten nach Pere (7) Tyrothrix tenuis, Bacillus subtilis und mesentericus vulgatus; ferner ein Bacillus von unreifen Beeren [Täte (8)]. Ein guter Mannitverarbeiter ist nach Duclaux (9) Amylobacter butyhcus. Dulcit ist auffälhg seltener zur Resorption durch Bacterien geeignet als Mannit und Sorbit. Bacillus ethacetosuccinicus ist aber nach Frankland und Frew(IO) zur Mannit- und Dulcitverarbeitung gleich gut befähigt. Auch der fakultativ anaerobe Pneumobacillus Friedländer ver- arbeitet nach Grimbert (11) sowohl Dulcit als Mannit. Wie schon erwähnt, ist d-Mannit bei überaus zahlreichen höheren Pilzen ein sehr wichtiger Reservestoff, welcher bis zu 20% der Trocken- substanz des Pilzes ausmachen kann. Es ist deshalb das Schicksal, welches der Mannit bei seiner Verarbeitung erfährt, von großem Interesse. Nach den Versuchen von Kostytschew(12) findet die Aufzehrung von Mannit in der Atmung bei Hutpilzen sowohl, als auch in Schimmelpilz- kulturen in sauerstoffreier Atmosphäre ebensowohl wie bei Luftzutritt statt. Intermediärprodukte sind nicht aufgefunden worden und es bleibt die Frage offen, ob immer oder unter welchen Verhältnissen der Mannit in Hexosen übergeführt wird. Die auf ältere Angaben von Succow(l3) und A. V. Humboldt (14) zurückgehenden Befunde von Muntz(15), wonach Hutpilze im anaeroben Leben Mannit unter Wasserstoffentwicklung ver- arbeiten, sind nach den von Kostytschew angestellten Untersuchungen gewiß auf Infektion mit anaeroben Bacterien zurückzuführen, nachdem sich die Hg -Entwicklung erst nach längerer Versuchsdauer und in recht schwankenden Beträgen einstellt Bei aerober Mannitverarbeitung entsteht auch nach Muntz und nach Diakonow(16) in Schimmelpilz- kulturen kein Wasserstoff. Von Bacterien wird Mannit sowohl aerob als anaerob verarbeitet. Bei aerober Mannitverarbeitung beobachtete Fitz Bildung von Äthyl- alkohol, Essigsäure und etwas Bernsteinsäure. Nach Frankland und LuMSDEN (17) bildete Bacillus ethaceticus aus 400 ccm 3%iger Mannitlösung: 1,221 g Alkohol, 0,3463 g Essigsäure, 1,4085 g Ameisensäure, 0,1454 g 1) P. F. Frankland, A. Stanley u. W. Frew, Journ. Chera. See. (1891), /, 253. — 2) P. F. Frankland u. J. Fox, Proceed. Roy. Soc, 46, 345 (1889). P. F. Frankland, Grace Frankland u. J. Fox, Chem. News, 60, 187. — 3) Frankland u. Frew, Journ. Chem. Soc. (1892), /, 254. — 4) Chantemesse u. Widal, Koch JahreBber. (1892), p. 80. — 5) L. Grimbert u. L. Ficquet, C. r. Soc. Biol. (1897), p. 962. — 6) L. Grimbert, Ann. Inst, Pasteur, 7, 353 (1893). — 7) Pere, Ann. Inst. Pasteur, w, 417 (1896). — 8) G. Täte, Journ. Chem. Soc. (1893), /, 1263. — 9) E. Duclaux, Ann. Inst. Pasteur, 9, 811 (1896). — 10) Frank- land u. Frew, Journ. Chem. Soc. (1892), /, 254. — 11) Grimbert, Ann. Inst. Pasteur, 9, 840 (1895). — 12) S. Kostytschew, Ber. Botan. Ges., 25, 178 (1907). — 13) Succow, CreUs Ann. (1789), /, 291. — 14) A. v. Humboldt, Flora fri- bergensis (1793). — 15) A. Muntz, Boussingault Agronom., 6, 211 (1878); Compt. rend., 80, 178 (1875); Ann. de Chim. et Phys. (5), *, 56 (1876). — 16) Diakonow, Ber. Botan. Ges., 4, 4 (1886). — 17) P. Frankland u. J. S. Lumsden, Journ. Chem. Soc. (1892), /, 432. an Alkohol Essig- 1-Milch- Bernstein- säure säure säure g g g en: 11,40 10,60 36,63 — 29,33 9,46 — 21,63 Spur 11,06 58,49 — 7,66 16,60 53,33 — 16,66 30,66 Spur 26,76 310 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenliydraten durch Pilze. Kohle: isäure. Bacillus ethacetosuccinicus formierte in den Versuchen von Frankland und Frew aus Mannit und Dulcit Alkohol, Essigsäure, Bern- steinsäure, Ameisensäure, Kohlensäure, Wasserstoff. Über Milchsäure- bildung durch mannitverarbeitende Bacterien berichteten Chantemesse und Widal, sowie Pere(1) (für B. coÜ), Kayser (2) für ein Milchsäure- bacterium aus Sauerkraut auf Mannitlösung. Grimbekt (3) fand für den fakultativ anaeroben FRiEDLÄNDERschen Pneumoniebäcillus, daß 100 g Mannit ergeben 100 g Dulcit 100 g Traubenzucker 100 g Galactose 100 g Milchzucker Ein Überblick über die hierbei stattfindenden Zerfalls- und Oxy- dationsvorgänge ist noch kaum mögüch. Für anaerobe Mannitverarbeitung, welche von Grimbert (4), 0. Emmerling (5) und Chtiojakow (6) beobachtet wurde, fehlt die genauere Kenntnis der Stoffwechselprodukte. Emmer- ling fand für Bac. butyricus Bildung von Butylalkohol und Buttersäure. Die von Schattenfroh und Grassberger (7) untersuchten Buttersäure- gärungserreger verarbeiteten Mannit nicht. Hingegen gedeihen nach Beijerinck (8) die N-fixierenden Azotobacterformen treffhch auf einem Mannitnährboden, welche Buttersäuregärung nur sehr schwierig unterhält. Mehrfach sind Hexite, in erster Reihe Mannit, als bakterielle Stoff- wechselprodukte bei der Verarbeitung von Zucker sichergestellt worden. Strecker (9) konstatierte schon 1854 bei einer Spaltpilzgärung von Zucker die Bildung von Mannit und Propionsäure, und Draggendorff (10) fand Mannit bei einer Milchsäuregärung der Saccharose. Hier wäre auch der Mannitgärung des Weines zu erwähnen, welche besonders von Gayon und DUBOURG(II), MaLB0T(12), PEGLI0N(13)undMÜLLER-THURGAU(14)ein eingehendes Studium erfahren hat. Nach Müller-Thurgau und Oster- walder ist das Bacter. mannitopoeum für die Mannitgärung in Trauben- und Obstwein verantwortHch zu machen. Der Erreger der ,,Mannitkrank- heit" des Weines vermag nach den Feststellungen von Gayon und Dubourg nm* aus Fructose Mannit zu bilden; gleichzeitig entstehen Alkohol, COg, Glycerin und Bernsteinsäure. Bei Verarbeitung von anderen Hexosen treten wohl die letztgenannten Produkte, auch Milchsäure, auf, nicht aber Mannit. Müller-Thurgau findet jedoch, daß immer große Mengen von Milchsäure, Essigsäure und deren Estern gebildet werden. Nach Paris (15) 1) Pere, Ann. Inst. Pasteur, 7, 737 (1893). — 2) E. Kayser, Ebenda, 8, 737 (1894). — 3) Grimbert, Ebenda, 9, 840 (1895). — 4) L. Grimbert, Ebenda, 7, 353 (1893). — 5) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., 30, 451 (1897). — 6) Chud- JAKOW, Zentr. Bakt. II (1898), p. 389. — 7) A. Schattenfroh u. R. Grass- berger, Ebenda (1899), p. 697. — 8) Beijerinck, Ebenda, 7, 561 (1901); Arch. N^erland. (II), 8, 190, 319 (1903). — 9) Strecker, Lieb. Ann., 92, 80 (1854). — 10) Draggendorff, Arch. Pharm.. 2/5, 47 (1879). — 11) U. Gayon u. E. Du- bourg, Ann. Inst. Pasteur, 8, 108 (1894); 75, 527 (1901). — 12) H. u. A. Malbot, Bull. Soc. Chim. (3), //, 87, 176, 413 (1894). — 13) V. Peölion, Zentr. Bakt. II, 4, 473, (1898). — 14) H. Müller-Thurgau, Landw. Jahrb. d. Schweiz (1907). Müller-Thurgau u. Osterwalder, Zentr. Bakt. II, jö, 129 (1912). — 15) G. Paris, Staz. sper. agrar., 42, 237 (1909). § 2. Verarbeitung von Hexosen und Pentosen. 311 tritt bei der Mannitgärung auch ein schleimiges Kohlenhydrat (Manno- dextran) auf. Der chemische Prozeß der Mannitgärung ist noch nicht klar- gelegt worden. Die Ansicht von Malvezin(I), wonach ein reduzierendes Mannit bildendes Enzym („Mannitase") dabei eine Rolle spielt, muß ab unzureichend gestützt angesehen werden. Meunier(2) erhielt durch anaerobe Bacterien aus Glucose nicht Mannit, sondern Sorbit. Über die Resorption der Pentite und Heptite, auch des natürUch vor- kommenden Volemit fehlen bisher Untersuchungen. §2. Verarbeitung von Hexosen und Pentosen. Das Schicksal der Reservestoffe in den Speicherorganen der höhereu Pilze und ihre Verwendung im Stoffwechsel hat bisher relativ wenige Untersuchungen erfahren und ist in vieler Beziehung noch gänzlich un- aufgeklärt. Ein desto reicheres experimentelles Material liegt aber be- züglich der Resorption und Verarbeitung von natürlich vorkommenden und künstlich dargestellten Zuckerarten durch Schimmelpilze, Sproßpilze und Bacterien vor. Diese ernährungsphysiologischen Untersuchungen waren vor allem dadurch lehrreich, daß sie zeigten, welche unerwartet großen Differenzen bezüglich der Eignung so nahe verwandter und im allge- meinen so weitgehend brauchbarer Nährstoffe, wie sie die Zucker sind, obwalten können. So sehen wir die Pentosen und die Rhamnose in hohem Grade für Bacterien, Schimmelpilze und Hefen an Taugüchkeit verschieden. Aber auch unter den Hexosen bestehen große Differenzen, welche besonders hinsichtlich der Hefen von E. Fischer ausführlich studiert worden sind. Von allen bekannten und dargestellten Hexosen war nur d-Glucose, d-Mannose, d-Galactose und d-Fructose von ver- schiedenen Heferassen vergärbar; alle anderen Hexosen konnten von den untersuchten Hefen nicht angegriffen werden. Unter Kenntnis dieser Verhältnisse war es Fischer möglich, aus Gemischen von optisch antipodischen Zuckern durch elektive Vergärung die gesuchten Anti- poden der Fructose und Glucose zu isolieren. Von Interesse war auch Fischers Entdeckung, daß nicht nur Pentosen, sondern auch Heptosen und Octosen nicht angegriffen werden, hingegen Nonosen wieder gär- fähig sind. Daß andere Pilze wieder ganz andere Verhältnisse auf- weisen, geht u. a. auch aus meinen Feststellungen (3) für Aspergillus niger hervor, welcher unter sonst gleichen Umständen auf verschiedenen Zuckernährböden folgende Erntegewichte hervorbrachte: d-Fructose l-Xylose . d-Galactose d-Glucose . Rhamnose 1-Arabinose 523,7 mg 512,7 489,3 477 1 391,2 350,0 Quercit . . . . d-Mannose . . d-Gluconsäure . d-Zuckersäure . Dioxyaceton . a-Glucoheptose 325,0 mg 286,8 253,8 249 8 196,8 35,4 Hier fällt auf: die Gleichwertigkeit der Pentosen, insbesondere der Xylose gegenüber den Hexosen, die auffäUig geringe Nährwirkung der 1) Ph. Malvezin, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 22, 1064 (1905). — 2) MEumER, Koch Jahrcaber. (1894), p. 191. — 3) F. Czapek, Hofmeietere Beitr., j, 62 (1902). 312 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Heptose, endlich der nicht unbedeutende Rückgang des Nährwertes, wenn die Zucker zu Hexonsäuren oxydiert werden. Daß man es aber nicht mit allgemeingültigen Werten in der obigen Tabelle zu tun hat, lehren die eben- falls für Aspergillus niger gesammelten Daten von Ekman(I), welche folgende Reihenfolge in der Nährwirkimg ergaben: Glücose > Fructose ^ Galactose und Xylose > Arabinose > Glucose '} Quefcit, Die Ergebnisse differieren besonders hinsichthch Galactose und Quercit. Aber selbst bei dem so allgemein günstig wirkenden Traubenzucker stoßen wir auf weitgehende Unterschiede, wenn wir verschiedene Pilze und Bacterien in ihrem Verhalten zu d-Glucose untersuchen. Die meisten gedeihen wohl auf Zuckerlösungen der Verschiedensten Konzentration bis zu 30 und 40%. Andererseits wachsen nach Winogradsky und Omelianski (2) die salpetei bildenden Mikroben nicht mehr bei 1 %, ja selbst 0,1% Glucosegehalt ihres Substrates; 0,025% Glucose wirkt jedoch wiederum ausgesprochen günstig auf das Wachstum dieser Orga- nismen. Nach Jensen (3) ist für Bac. denitrificans II Glucose (und auch Glycerin) nicht günstig, während Citronensäure, Milchsäure, Buttersäure sehr gute C-Quellen darstellen. Wie die über meine Veranlassung von Ed. Kohn(4) unternommenen Untersuchungen gezeigt haben, kommen in reinem Quellwasser verbreitet Bacterienformen vor, welche nur ge- ringe Glucosekonzentrationen vertragen. 5% Glucose war die Grenze für Bac. cuticularis, violaceus, ochraceus, Micrococcus candicans und Sar- cina flava; Micrococcus aquatilis vertrug nur 4% Glucose, während Uro- bacillus Pasteurii nur bis 2 % Glucose aushielt. Man darf diese Formen wohl als saccharophobe Organismen den gewöhnlichen sac- charophilen gegenüberstellen. Tuberkelbacillen gedeihen, wie man weiß, weit besser auf Glycerin- nährboden als auf Traubenzuckersubstrat (5). Man verfügt ferner über Beobachtungen an verschiedenen, Bacterien, welche zeigen, daß sich die Zusammensetzung dieser Mikroben mit steigendem Zuckerreichtum des Substrates nachweislich ändert [Lyons (6)]. Der Zucker des Substrates kann sowohl bei Bacterien als auch bei Pilzen durch die Erzeugung von verschiedenen Säuren das Wachstum beeinflussen und eventuell nachteilige Wirkungen hervorrufen (7). Diese Störungen äußern sich bei Staphylococcus pyogenes aureus nach Kayser (8) außerdem in Abschwächung der Virulenz. Auch Sproßpilze formieren aber häufig Säure auf Zuckersubstrat, so manche Torulaformen nach Will (9) und verschiedene Hefeformen, die flüchtige Säuren erzeugen [Weinhefen, die bei Umgäruug 0,01^—0,04 % hervorbringen (10)]. Von Schimmelpilzen ist Rhizopus nigricans durch seine Bildung von Fumarsäure bemerkens- wert, welche nach Ehrlich (11) sicher als Produkt des Kohlenhydrat- 1) G. EKMAif, Fineka Vet. Soc. Förh., 53, Nr. 16 (1910/11), — 2) Wino- gradsky u. Omelianski, Zentr. Bakt. II (1899), p. 329. — 3) Hj. Jensen, Ebenda, 3, 622 (1897). — 4) Ed. Kohn, Ebenda, 15, 690 (1905); /;, 446 (1906). F. Czapek, Festschr. f. Chiari (1908). — 5) A. Hammerschlag, Monatsh. Cham., /o, 9. — 6) R. Lyons, Arch. Hyg., 28, 30 (1896). — 7) Th. Smith, Zentr. Bakt. I, 18, 1 (1895). F. E. Hellström, Ebenda, 25, 170, 217 (1899). — 8) H. Kayser, Ztsch. Hyg., 40, I (1902). — 9) H. Will, Zentr. Bakt, 34, 6 (1912). — 10) C. von der Heide u. Schwenk, Biochem. Ztsch., 42, 281 (1912). Osterwalder, Zentr. Bakt., 32, 481 (1912). V. BiRCKNER, Journ. Amer. Chem. Soc., 34, 1213 (1912). — 11) F. Ehrlich, Ber. Chem. Gee., 44, 3737 (1911). § 2. Verarbeitung von Hexosen und Fentosen. 313 abbaues auftritt und durch reichliche Darreichung von Glucose oder Fructose hervorgebracht wird. Die größten Schwankungen im Nährwerte scheinen bei der Ga- lactose vorzukommen, was schon bei der Vergärung dieses Zuckers durch verschiedene Heferassen hervortritt. Ustilago-Sproßmycel assimi- liert nach Herzberg (1) Galactose gar nicht, hingegen verwendet Asper- gillus, nach Wehmer(2) ebenso Mucor Rouxii, Galactose sehr gut. Bac- terien verarbeiten Galactose gewöhnlich sehr leicht, ebenso nach Bechamp(3) auch Schleimsäure. Sorbose wird nach Gayon und Du- bourg(4) vom Erreger der Mannitkrankheit des Weines ausgenützt, von Hefen aber nicht. Für Hefen finden sich zusammenfassende Versuche von Armstrong (5) hinsichtlich der Frage, welche Zucker von einer bestimmten Rasse verarbeitet werden. Interessant ist die Angabe von Lindner (6), daß die heterothallischen Stämme von Phycomyces nitens sich verschiedenen Zuckerarten gegenüber nicht gleich verhalten, jedoch ohne daß tiefergreifende Unterschiede zu beobachten wären. Die Produkte der Zuckerspaltung sind äußerst verschiedenartig, und viele hierher gehörende chemische Vorgänge finden als Teilerscheinungen der Sauerstoffatmung und als Oxydationsprozesse besser ihren Platz in dem Abschnitte über Aufnahme und Verwendung des Sauerstoffes. In erster Linie gilt dies von der aeroben Zuckerverarbeitung. Manche Vor- gänge, welche hier ihre Darlegung finden könnten, wie die Schnelhgkeit der Aufnahme verschiedener Hexosen durch den Organismus (7) sind von allgemeineren Standpunkten aus noch nicht behandelt worden. Hohe Be- deutung kommt ferner den Zuckerarten als Sauerste ff quelle im anaeroben Stoffwechsel zu und es wurde von verschiedenen Seiten, besonders von Ritter (8) näher ausgeführt, wie sehr die Lebenserscheinungen, z. B. die Geißelbewegungen anaerober Organismen von der Darbietung von Zucker abhängen. Auch die anaerobe Zuckerspaltung ist hier nur insoweit in Be- tracht zu ziehen, als sie nicht auf Sauerstoffentziehung (z. B. in der Butter- säuregärung) hinausläuft. Betriebsenergie hefernde Spaltungen des Zuckers ohne Aufnahme und Abgabe von Sauerstoff kennen wir aber in der Al- koholgärung, Milchsäuregärung, weitverbreiteten und wichtigen Vorgängen, welche im folgenden darzulegen sein werden. Daneben gibt es jedoch auch Zuckerverarbeitung ohne Bildung von Alkohol, z. B. bei Mycodermaformen(9) und ohne Bildimg von Milchsäure oder sonstiger charakteristischer Pro- dukte, so daß es nicht leicht ist, diese Vorgänge irgendwo einzuordnen. Sehr abwechslungsreich sind die Befunde bei der Hexosenverarbeitung durch Bacterien. Bildung von kleinen Mengen Alkohol oder mehr oder weniger Milchsäure kehrt oftmals wieder, ohne daß die Vorgänge sich sicher an die charakteristischen Gärungen anschüeßen lassen ; von flüchtigen Säuren kehren wechselnde Mengen von Ameisensäure, Essigsäure immer wieder, von nichtflüchtigen außer Milchsäure oft Bernsteinsäure. Ein klares Bild vom Chemismus dieser Zuckerspaltungen kann man kaum in einem einzigen Falle 1) P. Herzberg, Zopfs Beitr. (1895). — 2) C. Wehmer, Zentr. Bakt. II (1900), p. 353. — 3) A. Bechamp, Chem. Zentr. (1890), //, 64. — 4) Gaton u. DuBOURG, Ann. Inst. Pasteur, 8, 108 (1894); ij. 527 (1901). — B) E. F. Arm- strong, Proceed. Roy. Soc., 76, B, 600 (1905). — 6) P. Lindner, Woch.schr. f. Brauerei, 29, 277 (1912). — 7) Für die Resorption im Dünndarm solche Versuche von J. Nagano, Pflüg. Arch., 90, 389 (1902), — 8) Ritter, Flora (1899), p. 329. — 9) H. Will u. Leberle, Zentr. Bakt., 28, 1 (1910). 314. Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. mit Sicherheit geben. Harden und Young(I) versuchten für die Zucker- verarbeitung durch Bact. coU den Vorgang durch die folgende Gleichung anschauhch zu machen: 2 Hexose + 1 Wasser = 2 Milchsäure + 1 Essigsäure + 1 Alkohol + 2 CO, + 2H2. Doch haben neuere Untersuchungen durch Euler und Meyer (2) be- zügUch der Säuren und der COg zu ganz anderen Zahlenverhältnissen ge- führt. Hier muß offenbar noch die Methodik zur Ausbildung genau definier- barer Wachstumsbedingungen und Rassenkontrolle führen. Bact. coli zeigt übrigens nach Harden und Penfold (3) bei Gegenwart von 0,5% chloressigsauren Natrons bemerkenswerte Stoff Wechselabweichungen, indem da mehr Milchsäure, aber weniger Alkohol und Essigsäure und gar keine Bernsteinsäure entsteht. Harden vermutet, daß drei Enzyme bei coli anzunehmen sind; eines derselben bildet Milchsäure, ein anderes bildet Al- kohol, Ameisensäure und Essigsäure, ein drittes zerlegt Ameisensäure in CO2 + Hg. Durch verschiedenen Gehalt an diesen Enzymen und verschie- dene Beeinflussung der Wirkung derselben könnten die beobachteten Diffe- renzen in den Stoffwechselprodukten zu erklären sein. Die vorhegenden Untersuchungen beziehen sich meist auf Bact. coh commune (4), typhi (6), cloacae (6), lactis aerogenes (7), vulgare (7), Bac. Fitzianus (7), ethaceticus (Frankland und Lumsden) und Pneumobacillus Friedländer (Frank- land, Stanley und Frew). Quantitative Daten sind in größerer Zahl in der zitierten Arbeit von Mendel gegeben. Auf die analytischen Methoden zur Säurebestimmung (8) kann hier ebensowenig eingegangen werden wie auf die Behelfe zur Untersuchung der produzierten Gase: COg, Hg und Methan (9). Bac. aerogenes parädoxus soll auf Milchzucker Gas bilden, nicht aber auf Glucose (10). Von höheren Alkoholen, welche in Zuckerlösung wachsende Bacterien bilden, ist vor allem der Isoamylalkohol zu erwähnen (1 1 ). Nicht selten beobachteten Harden und seine Mitarbeiter (12) als bacteriellea Stoffwechselprodukt kleine Mengen eines zuerst bei Bac. lactis aerogenes sichergestellten Glykols, des (2) (3) Butylenglykols CHg-GHOH-GHOH-CH, und ferner des Acetylmethylcarbinols CHj-CO-CHOH-CHj; letzterer ist wohl ein Oxydationsprodukt des Butylenglykols. Die Angaben von Fern- bach (13) über Bildung von Dioxyaceton aus Zucker durch getötete Bacterien oder Bacterienextrakte dürften wohl noch einer genauen Nachprüfung wert sein. Gluconsäure soll nach Revis(14) durch Bact. coh in der gleichen Weise 1) Hakden u. Yoüng, Journ. Chem. Soc., 7p. 679 (1901). — 2) H. Eüleb u. H. Meyer, Ztsch. physiol. Chem., 80, 241 (1912). — 3) A. Harden u. W. J. Penfold, Proceed. Roy. Soc., 85, B, 415 (1912). — 4) Chantemesse u. Widal, Koch Jahresber. (1892), p. 80. Ch. B. Schmidt, Schweiz. Woch.schr. Pharm., 4g, 577 (1911). J. Mendel, Zentr. Bakt., 29, 290 (1911). — 5) Y. Sera, Ztsch. Hyg., 66, 141, 162 (1910). — 6) J. Thompson, Proceed. Roy. Soc., 84, B, 500 (1911). — 7) Mendel, 1. c. — 8) Vgl. Pringsheim in Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 20 (1909). Für Araeiseusäure: H. Franzen u. Egger, Journ. prakt. Chem., 83, 323 (1911). Fouchet, Bull. Sei. Pharm., 69, 149 (1912). Mäder, Apoth.-Ztg., 27, 746 (1912). Buttersäure: Seliber, Compt. rend., 150, Nr. 20 (1910). — 9) Hempel, Ztsch. angewandt. Chem., 25, 1841 (1912). O. Haüber u. Herzfeu), Ber. Chem. Ges., 45, 3515 (1912). C. A. Herter u. Ward, Journ. of Biol Chem., ;. 415 (1906). BuRRi u. DÜGQELi, Zentr. Bakt. I, 49, 145 (1909). — 10) F. Worth- MANN, Chem. Zentr. (1907), //, 1645. — 11) Perdrix, Ann. Inst. Pasteur, 5. 286 (1891). O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., j;, 3535 (1904). H. Pringsheim, Ebenda, 38, 486 (1905); Zentr. Bakt, 11, 15, 300 (1905). — 12) A. Harden u. Walpole, Proceed. Roy. Soc, 77, B. 399, 424 (1906); 83, B, 272 (1911). Harden u. Norris, Ebenda, 84, 492 (1912). Thompson, Ebenda, p, 500. Hardkk u. Noäeis, Ebenda, 8s, 73 (1912). Für Bac. subtiüs: Lemoigne. Compt. rend., 155, 792 (1912). — 13) A. Fern- BACH, Compt. reud., /5^ 1004 (1910). — 14) C. Revis, Zentr. Bakt., jj, 424 (1912). § 2. Verarbeitung von Hexosen uud Pen tosen. 315 verarbeitet werden wie Glucose, aber Schleimsäure und Zuckersäure nicht mehr. Die Alkoholbildung ist auf Gluconsäure geringer als auf Glucose. Übrigens heben auch Harden und Walpole hervor, daß die Alkoholbildung auf Glucose von Mannitkulturen um das Doppelte übertroffen wird, offenbar weil die wirksame Gruppe CHgOH-GHOH im Mannit zweimal vorhanden ist. Das Sorbosebacterium bildet nach Grismer(I) Hexonsäure nur auf Glucosenährboden ; Ketosen, auch Sorbose, werden verbraucht ohne Auf- treten charakteristischer Produkte. Die synthetisch gewonnenen Hexosen sind bisher für Bacterien nicht geprüft worden, die vorhandenen Ver- suche (2) beziehen sich nur auf Hefen. ReichUche Zuckerzufuhr lenkt unter allen Verhältnissen den Stoffwechsel in andere Bahnen, als auf zucker- armem Substrat, und verschiedene Erscheinungen, wie Rücktreten der NHg-Bildung, Indolbildung usw., zeigen an, daß die Spaltung von Eiweiß- körpern bei reichücher Zuckerzufuhr sehr vermindert wird (3). Angeblich soll auch Lecithindarreichung zur Zuckerverarbeitung bei Bact. coli in gewissen Beziehungen stehen (4). Bact. coü spaltet nach Euler (5) Glucose- Phosphorsäureester. Bei der Darreichung von Pentosen und Methylpentosen (l-Arabinose, 1-Xylose und Rhanmose) konnte man zwar bei Aspergillus und verschiedenen Heferassen (6) leichte Assimilierbarkeit, jedoch niemals unter Bildung von Alkohol beobachten. Der Soorpilz verarbeitet wohl 1-Xylose, nicht aber Arabinose (7), während eine von Hanzawa (8) untersuchte Rhizopus-Art Xylose nicht ausnützt. Für Bacterien wirken Pentosen allgemein als günstige Kohlenstoffnahrung, während Glucoheptose und Quercit von Segin (9) als unverwendbar gefunden wurden. Fäulnisbacterien verarbeiten, wie Sal- KOWSKi(IO), Bendix(II) und Ebstein (12) fanden. Pentosen sehr leicht; dies ist für die Zersetzung der Nucleine, welche Pentosen enthalten, von Wichtigkeit. Aber auch im Boden finden sich unter den Zersetzungs- produkten der Pflanzen pentosenhaltige Materialien in den pentosanhaltigen Zellmembranen, welche von Bodenbacterien gleichfalls verarbeitet werden. Stoklasa(13) gab an, daß Xylose für den-Alinitbacillus die beste Kohlen- stoffnahrung sei. Nach Frankland und Mac Gregor (14) wird Arabinose durch Bac. ethaceticus verarbeitet, Grimbert (15) fand Arabinose und Xyloseverarbeitung beim FRiEDLÄNDERschen Bacillus; Bact. coU ist nach Chantemesse und Vidal(16) und Pere (17) mit Arabinose und Rhamnose ernährbar; Täte (18) konstatierte für einen Mikroben von reifen Birnen Verarbeitung von Rhamnose, Henneberg (19) Arabinoseernährung bei Bact. 1) L. Crismer, Botan. Zentr., 104, 90(1905). Sorbose: Th. Bokorny, Chem.- Ztg., 34, 220(1910). — 2) E. Fischer u. H. Thierfelder, Ber. Chem. Ges. (1894). p. 2031. — 3) Vgl. A. J. Kendall u. Farmer, Joum. of Biol. Chem., 12, 13, 19; 13, 63 (1912). BÖHNKE, Arch. Hyg.. 74, 81 (1911). — 4) H. A. Epstein u. Olsak, Journ. of Biol. Chem., //, 313 (1912). — 5) H. Euler, Ztsch. physiol. Cham., 79, 375 (1912). — 6) Bokorny, Dinglere polytechn. Journ., joj, 115 (1897); Chem.-Ztg., 34, 220 (1910). Schöne u. Tollens, Joum. f. Landwirtsch., 49, 29 (1901). Cross u. Tollenb, Ebenda, 59, 419 (1911). — 7) P. Lindner, Wochschr. f. Brauerei, 28, €1 (1911). H. Euler u. Meyer, Ztsch. physiol. Chem., 80, 247 (1912). — 8) J. Hanzawa, Mycol. Zentr., /, 76 (1912). — 9) A. Segen, Zentr. Bakt, II, 12, 397 (1904). — 10) E. Salkowski, Ztsch. physiol. Chem., 30, 478 (1900). — 11) Bendix, Ztsch. f. diät. u. physik. Therapie (1899), VII, j. — 12) E. Ebstein, Ztsch. physiol. Chem., 36, 478 (1902). — 13) J. Stoklasa, Zentr. Bakt. II, 4, 817 (1898); 5, 351 (1899). — 14) P. F. Frankland u. J. Mac Gregor, Journ. Chem. Soc. (1892) p. 737. — 15) L. Grimbert, C. r. Soc. Biol. (1896) p. 191; Ann. Inst. Paateur, 9, 840 (1895). — 16) Chantemesse u. Widal, Koch Jahresber. (1892), p. 80. — 17) A. Pere, Ann. Inst. Pasteur (1898), p. 63. — 18) G. Täte, Journ. Amer. Chem. Soc, Ö3, 1263; Chem. Zentr. (1893), //, 1006. — 19) W. Henneberg, Zentr. Bakt. (1898). p. 20. 316 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. oxydans. Auch anaerobe Arabinoseverarbeitung ließ sich von Bact. ortho- butylicus in Versuchen von Grimbert(I) feststellen. Die beobachteten Stoffwechselprodukte waren für Bact. ethaceticus Äthylalkohol, Essigsäure, Ameisensäure, Kohlensäure, Wasserstoff; andere Bacterien wie der Fried- LÄNDERsche Bacillus produzieren Bernsteinsäure und Milchsäure. Tates Bacillus bildete i-Milchsäure aus Rhamnose. Essigsäure und Milchsäure wurden auch durch Schöne und Tollens bei Hefe unter Pentosedarreichung als Stoffwechselprodukte nachgewiesen. Milchsäurebildung aus Arabinose und Xylose beobachtete ferner Kayser (2). Der Erreger der Mannitgärung bildet nach Gayon und Dubourg aus Pentosen Essigsäure und Milchsäure, aber keinen Mannit. Von den durch Müller-Thurgau (3) aus Obstweinen isoHerten Mikroben verarbeitete das Bact. mannitopoeum wohl Arabinose, Xylose, aber nicht Rhamnose, und das Bact. gracile keinen dieser drei Zucker. §3. Die Alkoholgärung (4). Pilze, welche unter allen Lebensverhältnissen dazu befähigt sind, Spaltung von dargereichte?! Zucker oder auch von Zucker ihres eigenen Körpers in Alkohol und Kohlensäure auszuüben, kennt man in beträcht- licher Zahl; an Intensität der Alkoholgärung überragen allerdings die verschiedenen Rassen der Bier- und Weinhefe (Saccharomyces cerevisiae und ellipsoideus), welche seit den ältesten Kulturperioden dem Menschen als Alkoholerzeuger dienlich sind, alle übrigen, und man kann sie als einen Typus VDn Organismen ansehen, welche hochgradig an diese eigen- artige Form der Energiegewinnung angepaßt sind. Ebenso ist die japanische Sake-Hefe einer der wirksamsten Alkoholbildner (5). Daran reihen sich Hefeformen, welche alkoholische Gärung der Milch erzeugen, femer die Rassen des Sacch. Pastorianu^, Marxianus, exiguus, Saccharo- mycodes Ludwigii(6) und vieler anderer sporenbildender Hefen, darunter Willia anomala(7), deren Studium von Pasteur (8) angebahnt udd von E. Chr. Hansen (9) mit großem Erfolge ausgebaut worden ist. Sacch. apiculatus vergärt schwach (10), ebenso die parasitische Saccharomycopsis guttulata(ll); gar keinen Alkohol bildet der rote S. (Torula?) glutinis(l2), Pichia membranaefaciens mit den verwandten Formen, einige Arten der Gattung Willia. Schizosaccharomyces octosporus hingegen und seine beiden Gattungsgenossen sind Alkoholbildner (13). Schwache Gärung er- regen sodann verschiedene zu Torula gerechnete Sproßpilzformen, nicht 1) L. Grimbert, Ann. Inet. Pasteur, 7, 353 (1893). — 2) E. Kayser, Ebenda, 8, 737 (1894). — 3) H. Müller-Thurgau u. Osterwalder, Zentr. Bakt., 36, 129 (1912). — 4) Lit. DucLAUX, Trait^ de Microbiologie, 3 (1900). E. Buchner, Zymase- gärung (1903). C. Oppenheimer, Die Fermente. 3. Aufl. Ad, Mayer, Gärungs- chemie, 6. Aufl., V. Meisenheimer (Heidelberg 1907). A. Harden, Alcoholic Fermen- tation (London 1911). Lafar, Handb. d. techn. Mycol., 4 (Jena 1907). Delbrück u. Schrohe, Hefe, Gärung u. Fäulnis (1904) enthält Abdruck der Quellenwerke von Schwann, Cagniard-Latour und Kützing. — 5) R. Nakazawa, Zentr. Bakt., II, 22, 529 (1908). — 6) C. Mensio, Staz. eper. agrar. ital., 44, 829 (1912). — 7) Anomalus: Steuber, Koch Jahresber., //, 130 (1900). — 8) L. Pasteur, Etudes Bur la bifere (1876). — 9) E. Chr. Hansen, Meddel. Carlsberg Laborat. Ausführl. Wiedergabe der Resultate in den Handbüchern von Klöcker, Jörgensen, Lindner, Lafar und anderen Gärungsphysiologen. — 10) H. Müller-Xpubgau, Lafars Handb., 4, 322 (1907). — 11) Buscalioni u. Casageandi, Malpighia, 12, 59 (1898). — 12) E. Pringsheim u. Bilewsky, Beitr. Biol. d. Pfl., 10, 119 (1910). — 13) Beijerinck, Zentr. Bakt., 16, Nr. 2 (1894). § 3. Die Alkoholgftning. 317 aber Mycoderma(l). Zu nennen sind sodann Monilia Candida und java- nica, der Soorpilz [Oidium albicans] (2), nach neueren Angaben in ge- ringem Grade aikoholbildend auch Oidium lactis(3); ferner Endomyces fibuliger nach Lindner (4) und Monascus purpureus nach Saito(5). Wichtig ist sodann die Alkoholgärüng bei den Mucorineen, welche 1857 durch Bail(6) an den untergetauchten Sproßmycelien aufgefunden worden ist. Spätere, mit reinen Kulturen angestellte Beobachtungen er- wiesen Alkoholgärung bei Mucor Mucedo, racemosus, circinelloides, spinosus, erectus und Cambodja(7). Daß aber nicht nur die „Kugelhefe'* von Mucorarten im submersen Wachstum Alkohol aus Zucker bildet, sondern auch das fädige Luftmycel, wurde erst in neuerer Zeit durch Wehmer (8) erwiesen. Die Rhizopusarten gären nur schwach, anderen Mucorineen fehlt das Gärungsvermögen gänzlich. Die erwähnten Mucor- arten vergären Zucker so wie die Hefen auch bei Luftzutritt. Geringe Alkoholmengen werden nach Gosio(9) in dem „Arsenschimmelpilz" Peni- cilhum brevicaule gebildet; Laborde und Maze(10) wiesen für Allescheria (Eurotiopsis) Gayoni reichliche Gärung bei beschränktem Luftzutritt nach. Hingegen sind die verschiedenen Schimmelpilze aus den Gattungen Aspergillus und Penicillium trotz gegenteiliger Angaben keine eigent- lichen Alkoholgärungspilze, da sie nur, wie auch höhere Pflanzen, bei Sauerstoffabschluß Zucker in CO2 und Alkohol in der anaeroben Atmung spalten (11). Bei Schleimpilzen ist Alkoholgärung nirgends gefunden worden (12). Daß Bacterien häufig auf Zuckernährboden Alkohol und Kohlensäure in verschiedener Menge bilden und daß nicht nur Hexosen, sondern auch Mannit oder Pentosen hierbei als Material dienen können, wurde bereits im vorigen Paragraph erwähnt. Wie diese bacterielle Alkoliolbildung gegen- über der typischen Alkoholgärung der Hefe aufzufassen ist, muß noch un- entschieden bleiben. Gewiß ist es, daß hier reichhch Ameisensäure, Essig- säure, Milchsäure, Wasserstoff meistens, manchmal auch Buttersäure neben Alkohol und COg vorkommen, was bei der Hefegärung nicht der Fall ist, wo 95% des Zuckers in Alkohol und COg gespalten werden. Der Bac. aethyhcus von Fitz bildete auch aus Glycerin Äthylalkohol (13). Die bio- logische Hauptbedeutung der Alkoholgärung kann nur in der Gewinnung von Betriebsenergie gesucht werden. Die gegen diese Meinung erhobenen Einwände sind sämtHch nicht überzeugend. Daneben kann allerdings sehr 1) H. Will, Ztsch. ges. Brauwes., 29, 241 (1906); 33, 309 (1910); Zentr. Bakt., 34, 1 (1912). — 2) G. Linossier u. Roux, Compt. rend., no, 868 (1890); Bull. Soc. Chim. (3), 4, 697 (1890). — 3) E. Schnell, Zentr. Bakt.. jj, 23 (1912). — 4) P. LiNDNER, Verhandl. Naturf. Ges. Dresden 1907, II, /, 215 (1908). — 5) K. Saito, Botan. Mag. Tokyo, 22, Nr. 252 (1908). — 6) Bail, Flora (1857). — 7) Lit. A. Fitz, Ber. Chem. Ges., 6, 48 (1873); 8, 1540 (1875); 9, 1352 (1876). Gayon, Ann. de Chim. et Phys., 14, 258 (1878). Hansen, Trav. Labor. Carlsberg, 2, V (1888). VVehmeb, Lafars Handb., 4> 506 (1907). - 8) C. Wehmer, Zentr. Bakt., 14, 556; 15, 8 (1905); Ber. Botan. Ges., 23, 122; 25, 44 (1907). S. Kosty- T8CHEW, Zentr. Bakt., 13, 490, 577 (1904). — 9) B. Gosio, Botan. Zentr., 87, 131 (1901). — 10) Labobde, Ann. Inst. Pasteur, //, 1 (1897). P. Maze, Ebenda, 16, 433 (1912); Compt. rend., 134, 191; 13S, 113 (1902). — 11) Borchardt, Biochem. Zentr., 10, 608 (1910). Kostytschew, Ber. Botan. Ges., 25, 44 (1907). Junitzky, Ebenda, p. 210. Krassnosselsky, Zentr. Bakt., II, 13, 673 (1904). Wehmer, Lafars Handb., 4, 254. — 12) Vgl. C. Schümann, Ber. Chem. Ges., 8, 44 (1875). — 13) Frrz, Ber. Chem. Ges., 8, 1348 (1876). Lit. bei Bau in Lafars Handb., 4-, o99 (1907). 318 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. wohl die von Wortmann (1) betonte Bedeutung des Alkohols als Schä- digungsmittel gegen Mitbewerber um die Zuckernahrung und als wirksame Waffe im Konkurrenzkampfe mit anderen Mikroben in Betracht kommen. Zur Prüfung des Gärvermögens unter Anwendung von kleinen Material- mengen hat Lindner (2) entsprechende Methoden als Tropfenkultur und Adhäsionskultur ausgearbeitet. Will man dauernd den Gärungsvorgang quantitativ untersuchen, so empfiehlt es sich, eines der graphischen Verfahren zu benützen, welche den Druck der entwickelten COg manometrisch bestimmen und mit einem passenden Manometerschreiber automatisch registrieren (3). Der gebildete Alkohol läßt sich capillarimetrisch nach eigener Erfahrung rasch und sicher auch in geringen Mengen von Kulturflüssigkeit bestimmen, was man wenigstens zur Kontrolle der Ablesungen des CO2- Druckes heran- ziehen kann. Die Gärungsprobe auf Zucker ist so empfindhch, daß sie bei geeigneter Anstellung noch ^/2o% Glucose sicher erkennen läßt (4). Bei allen Alkoholgärung erregenden Pilzen ist die Wirkung, wie besonders die Untersuchungen von Fischer und Thierfelder be- wiesen haben, streng auf vier Hexosen begrenzt: d-Glucose, d-Fructose, d-Mannose und d-Galactose, wozu noch die Mannononose (und wohl noch andere noch nicht dargestellte Nonosen) kommt, sowie, wie neuere Unter- suchungen Buchners und Lebedews(5) bestimmt ergeben haben, auch die dreiwertigen Zucker Dioxyaceton und Glycerinaldehyd. Bei der Mehr- zahl der Alkoholgärungshefen wird d-Galactose am langsamsten vergoren, ja für manche Formen wurde früher behauptet, daß sie Galactose über- haupt nicht angreifen, was jedoch wohl nur bei schwachen Alkoholbildnern scheinbar der Fall sein dürfte. In Kleingärversuchen nach Lindner (6) pflegt die Galactosevergärung nach einigen Tagen einzusetzen, während die anderen gärfähigen Hexosen schon nach sehr kurzer Zeit COj-Ent- wicklung erkennen lassen. Saccharomycodes Ludwigii greift nach Thomas (7> Galactose so wenig an, daß man diese Hefe zur Isolierung der Galactose aus hydrolysiertem Milchzucker verwenden kann. Bei Pastorianus, Mar- xianus, cerevisiae I und Hefe Frohberg fanden Fischer und Thierfelder nach Galactosedarreichung nach 8 Tagen keine Reduktion mehr in der Nährlösung. Leicht und rasch wird Galactose von den Milchzuckerhefen und von Monilia Candida vergoren (8). Bourqüelot (9) meinte, daß die Galactosevergärung durch die Gegenwart von Glucose oder Fructose er- leichtert wird. Dienert (10) fand zuerst, daß sich Hefen an Galactose- vergärung gewöhnen lassen. Aber auch bei maximaler Akklimatisierung an diese Hexose wird dieselbe 1,6 mal schwächer vergoren als Glucose. Durch Zufügung von Kahumphosphat oder auch Natriumarseniat konnte Harden(II) diesen Gewöhnungsprozeß beschleunigen. Aus den eingehen- 1) Wortmann, Weinbau und Weinhandel (1902), Sep. P. Lindner, Woch.schr. f. Brauerei, /;, 173 (1900). — 2) P. Lendner, Jahresber. Verein, f. angew. ßotan. (1907); Woch.schr, f. Brauerei, 29, 252 (1912). — 3) H, Schulz, Pflüg, Arch., /20, 51 (1907). A, Slator, Journ. Soc. Chem. Ind., 27, 653 (1908). L. Iwanow, Zentr. Bakt., 24, 429 (1909). H. Franzen, Ebenda, 30, 232 (1911). C FoA, Biochem. Ztscb., //, 382 (1908). — 4) E. Salkowski, Berlin, klin. Woch.schr., 42, 48 (1905). — 5) E. Buchner, Ztsch. allgem. österr. Apoth.-Ver. (1909), p. 505. A. v. Lebedew, Ber. Chem. Ges., 45, 3256 (1912). — 6) P. Lindner, Woch.schr. f. Brauerei, 29, 252 (1912), — 7) P, Thomas, Compt. rend., 134, 6IO (1902). — 8) A. Bau, Zentr, Bakt., II, 2, 653 (1896) Weigmann, Lafars Handb., II, 124 (1908). — 9) Bour- qüelot, Compt. rend.. 106, 283; Journ. Pharm, et Chim, (5), 18, 337 (1888). — 10) Fr. Dienert, Ann. In.st. Pasteur, 14, 1.S9 (1900). — 11) A. Harden u. Norrls, Proceed. Roy, Soc. B, 82, 645 (1910). § 3. Die Alkoholgarung. 319 den Beobachtungen von Euler (1) geht hervor, daß die Gewöhnung an Galactose erst sehr langsam, dann aber mit wachsender Geschwindigkeit sich ihrem Maximum nähert. Eülers Vorschlag, den wirksamen Stoff als „Galactase" zu führen, halte ich noch für verfrüht, da es sich möglicherweise um anderweitige bereits chemisch bekannte Hilfsstoffe handeln könnte, deren Bildung zur Galactosevergärung nötig ist. Viel sclmeller und ganz allgemein wird nach mehreren Erfahrungen (2) Mannose durch Alkoholhefen vergoren, jedoch immer deutlich langsamer als Glucose und Fructose, und Zusatz von NaH2P04 beschleunigt nicht. Nach Herzog (3) verhält sich darin lebende und abgetötete Hefe gleich. Für Fructose und Glucose liegen seit Dubrunfaut (4) Erfahrungen vor, welche zeigen, daß beide Zuckerarten aus Invertzucker nicht gleich rasch verschwinden: „elektive Gärung" von Dubrunfaut. Daß Glucose rascher vergoren wird, fand Hiepe(5) gleichmäßig für alle untersuchten Hefen; bei Glucose ist das Gärungsmaximum am zweiten Tage, bei Fructose erst nach 3 — 5 Tagen erreicht. Für Oidium albicans, Allescheria Gayoni und Mucor circinelloides findet sich in der Literatur ein analoges Gärungs- verhältnis angegeben. Von Interesse ist es, daß in Versuchen von Herzog lebende Hefe die Glucose, abgetötete Hefe aber die Fructose am stärksten vergor; auch nach Harden und Young(6) vergärt Hefe- preßsaft Fructose am intensivsten. Übrigens berichtet Dubourg(7) über eine Weinhefe, die gleichfalls Fructose besser angreift, und Sacch. exiguus soll sich ähnlich verhalten. Gewiß wird dabei das Eingreifen anderer Stoffe, sei es durch Modifikation der ganzen Ernähnmgsweise, wobei man vor allem auf den Einfluß der Stickstoffnahrung zu sehen haben wird (8), sei es durch direkte Wirkung auf die Gärungsreaktion, eine Rolle spielen. Nach Iwanowski (9) kann man durch Darreichung größerer Mengen geeigneter Stickstoffnahrung selbst in Glucoselösung ein Wachs- tum der Hefe ohne nachweisbare Alkoholgärung erzielen. Zuckerkonzentration. Zwischen 5—20% Zuckerkonzentration ist nach den Feststellungen von Brown (10) bei verschiedenen Hefen kein Einfluß des Zuckergehaltes der Gärflüssigkeit auf den Fortgang des Prozesses zu beobachten. Auch ist nach Dumas (11) zwischen 10 und 12% Zuckergehalt die Gärungsdauer ungefähr proportional der vor- handenen Zuckermenge. JoDLBAUER(l2) gab als Optimalkonzentration für Hefegärung 8% Zucker an, doch handelt es sich nicht um ein scharf begrenztes Optimum. Bei weiterer Konzentrationszunahme erfolgt langsames Absinken der Gärungsintensität, bis bei 30 % Zucker nur noch träge Gärung vor- handen ist. Bei 35% Zucker gab Wiesner (13) Gärungsstillstand an, während andere Autoren (14) spurenweise Gärung noch bis 60% Zucker nicht vermißten. Nach Fitz tritt aber bei Mucorhefe die Verlangsamung 1) H. Euler u. D. Johanksson, Ztsch. physiol. Chem., 78, 246 (1912); Arkiv f. Kemi, 4, Nr. 23 (1912). Mechanismus: E. F. Armstrong, Froceed. Roy. Soc. B, 76, 600 (1905). — 2) H. Euler u. Lundeqvist, Ztsch. physiol. Chem., 7*, 97 (1911). — 3) R. O. Herzog u. O. Saladin, Ebenda. 73, 263 (1911). — 4) Du- brunfaut, Compt. rend., 25, 307 (1847). — 5) W. L. Hiepe, Koch Jahresber. (1895), p. 142. — 6) A. Harden u. Young, Proceed. Roy. Soc. B, 81, 336 (1909). — 7) E. DUBOURG, Rev. Viticult. (1897), p. 467; Compt. rend., iio, 865 (1890). — 8) W. Knecht, Zentr. Bakt., II, 7, 161 (1901). — 9) Iwanowski, Ebenda, /o, 151 (1903). - 10) Brown. Journ. Chem. Soc, 61, 369 (1892). — 11) Dumas, Ann. de Chim. et Phys. (5), 3, 57 (1874). — 12) Jodlbauer. Ztsch. Verein Rübenzuckerindustr. (1888), p. 308. — 13) J. Wiesner, Sitz.ber. Wien. Akad., 59 (1869). — 14) Th. BOKORNY, Zentr. Bakt., II, 12, 119 (1904) 320 Siebentes Kapitel: Die Resorption Ton Zacker u. Kohlenhydraten darch Pilze. der Gärung bereits oberhalb 7 Zuckerprozenten ein. Schon Wiesner erkannte, daß osmotische Wirkungen bei dieser Hemmung durch höhere Zuckerkonzentrationen ausschlaggebend sind. Unter Rohrzuckerzusatz (am besten 10% Saccharose bei 45 — 60°) läßt sich Hefe haltbar ein- trocknen (1). Über den Einfluß der Zuckerverdünnung auf die Hefe- gärung liegen Erfahrungen von Slator(2) vor, wonach die Hefe durch Diffusion noch ausreichend mit Zucker versorgt wird, wenn noch 1,3 mg pro Liter in Lösung ist; durch Umrühren kann man noch zwei Drittel dieses Betrages ersetzen. Den osmotischen Einfluß höherer Neutralsalz- konzentrationen auf Hefegärung (im Sinne der Hemmung) hat Vande- VELDE(3) näher studiert. Die günstigste Temperatur für die Alkoholgärung dürfte bei 30° C gelegen sein; nach Nägeli(4) vergärt Bierhefe bei dieser Tempe- ratur binnen 24 Stunden das 40 fache ihres Gewichtes an Rohrzucker. Aber noch unter 40° erfolgt Verminderung der Gärtätigkeit und ein Überschreiten von etwa 53° hebt die Gärung völlig auf. Die untere Temperaturgrenze liegt erst unterhalb des Eispunktes, denn bei 0° konstatiert man noch langsame Gärung. Dies gilt nur für kräftig vege- tierende Hefe. Lufttiockene Hefe hält noch —113° aus (5) und wird selbst bei -r- 100° noch nicht abgetötet. Gegenwart von Zuckerlösung verschiebt nach Tullo(6) wider Erwarten die Tötungstemperatur vege- tierender Hefe nicht. Bei der Temperaturwirkung auf gärende Hefe hat man natürlich, wie bei der Wirkung anderer, die Zellvermehrung be- einflussender Faktoren die Wirkung auf das Wachstum und die Wirkung auf den Gärungschemismus zu sondern, und es ist klar, daß alle Wachstum hemmenden Faktoren auch die Gärungsintensität beeinflussen müssen. Dies gilt auch von den hemmenden Wirkungen durch Licht und Elek- trizität auf Alkoholhefe. Starke Belichtung hemmt nach Lubimenko(7), doch ist Gewöhnung an intensives Licht bis zu einem gewissen Grade möglich. Daß die chemisch wirksamen, besonders die ultravioletten Strahlen nicht allein das Wachstum, sondern auch direkt den Gärungs- chemismus hemmen werden, ist wohl zu erwarten (8). Auch die bekannten Wirkungen fluorescierender Farbstoffe bei Belichtung sind bei Gärung wiedergefunden (9). Die Wirkung elektrischer Ströme auf die Gär- kraft des Hefepreßsaftes ist von Resenscheck(IO) studiert worden; die Flüssigkeit zeigte um die Kathode herum Zunahme der Gärkraft. Bis zu einer Quantität von 150 Millionen Zellen pro Kubikzenti- meter ist nach Slator(II) die Menge der entwickelten CO2 der Hefe- menge direkt proportional. Die von einer einzelnen Zelle pro Sekunde vergorene Zuckermenge F fand Slator in folgendem Verhältnis von der Temperatur abhängig: 1) Hayduck u. Bulle, Woch.schr. f. Brauerei, 29, 489 (1912). — 2) A. Slator u. A. J. Sand, Joum. Chem. See, 97, 922 (1910). — 3) A. J. Vandevelde, Chem. Zentr. (1903), /, 414; (1904). /, 527; Koch Jahresber. (1902), p. 243; Bull. Assoc. Gand, 13, 83 (1907). — 4) Nägeli, Theorie der Gärung (1879), p. 32. Temperatur u. Alkoholgärung: J. T. van Amstel, Proefschr. Delft (1912). — 5) P. Bert, Compt. rend., 80, 1579. — 6) F. W. Tullo, Woch.schr. f. Brauerei, 22, 155 (1905). — 7) W. LuBiMENKO u. Frolow-Bagreüw, Compt. rend., 154, 226 (1911). — 8) J. E. Pur VIS u. W. A. Wilke, Proceed. Cumbridge Phil. Soc, 14, 361 (1907). Maurain u. Warcollier, Compt. rend., 149, 155 (1909). — 9) H. v. Tappeinee, Biochem. Ztsch., 8, 47 (1908). — 10) Fr. Resenscheck, Ebenda, 9, 255 (1908). — 11) A. Slator, Woch.schr. f. Brauerei, 28, 141 (1911). § 3. Die Alkoholgärung. 321 Celsius 5 10 15 20 25 30 35 40" F. 101* 0,14 0,345 0,68 1,30 2,08 3,0 4,05 5,05. Daraus ergibt sich als Temperaturkoeffizient: kio_2o = 3,6; k3o-4o = l,6- Unter der Voraussetzung, daß der vergorene Zucker glatt in CO, und CgHgO zerfällt und kein Alkohol und keine COg anderweitig ver- braucht wird, müßten im Gärungsvorgange für 100 Teile vergorenen Zucker 48,6 Gewichtsteile COg und 52,4 Gewichtsteile Alkohol entstehen. Nun werden aber, wie Pasteur(I) fand, und Jodlbauer(2) in neuerer Zeit bestätigte, 46,4% CO2 und 48,3% Alkohol als Gärungs- produkte gefunden. Pasteur wollte diese Differenz durch die von ihm entdeckte Bildung von Glycerin und Bernsteinsäure erklären, und kam zu der Ansicht, daß die bereits durch Gay Lussac(3) und Döber- einer (4) aufgestellte Gleichung der Alkoholgärung 1 Äqu. Glucose = 2 Äqu. CO2 + 2 Äqu. Alkohol durch eine andere Gleichung zu ersetzen sei, die auch die Bildung von Glycerin und Bernstein säure berücksichtigt. Es wird im folgenden zu begründen sein, daß die Gay LussACsche Gärungsgleichung tatsächlich zu recht besteht. Da die von der gärenden Hefe produzierte Gesamt-COg nicht ausschließlich der Zuckerspaltung entstammt, so ist es nicht auffallend, wenn gewisse Schwankungen des -»00 500 600 700 «0» 900 1000 1100 Fig. 4 (nach Lebedew). Kurve AB: Zuckennengen berechnet nach der entwickelten CO2; Kurve AC: Zucker- mengen nach direkter Bestimmung. Quotienten CgHeO/COg während des Gärungsvorganges stattfinden. Nach LiNDET und Marsais (5) übersteigt anfangs die Bildung des Alkohols um ein geringes die COg -Produktion, wie es der Gärungsgleichung ent- spricht; später wird aber relativ mehr COj gebildet. Aus der bei- stehenden Kurve nach Lebedew ist zu ersehen, daß die ermittelten COg-Mengen den tatsächlich zersetzten Zuckermengen nicht entsprechen (Fig. 4), sondern mehr Zucker verbraucht wird, als man nach der ge- fundenen COg-Quantität anzunehmen hätte. Bezüglich des Alkohols hat man zu bedenken, daß stets ein gewisser Anteil der weiteren oxydativen Verarbeitung zum Opfer fällt (6). Der Nachweis des Äthylalkohols als Gärprodukt und sein Einfluß auf den Gärungsverlauf sind von besonderer Wichtigkeit. Wie schon Pasteur und Duclaux (7) angaben, sind die im Destil- lationsbeginne bei alkoholhaltigen Flüssigkeiten im Halse des Destillations- 1) L. Pasteub, Compt. rend., 52 (1861). — 2) Jodlbauer, Ztsch. Ver. Rüben zuckerindustr. (1888), p. 308. — 3) Gay Lussac, Ann. de Chim., 76 (1810); 95 (1815). — 4) DÖBEREINER, Schweigg. Journ., 20, 213 (1817). — 5) Lindet u. P. Marsais, Compt. rend., 139, 1223 (1904). — 6) Vgl. P. Lindner u. Cziseb, Woch.schr. f. Brauerei, 29, 1 (1912). — 7) Duclaux, Microbiologie, 3, 6. Czapek, Biocbemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 21 322 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. kolbens auftretenden öligen Streifen und Tropfen, welche durch den wieder kondensierten Alkohol entstehen, eine brauchbare Reaktion auf Alkohol. Hansen und Klöcker(I) fanden diese Probe sehr zweckentsprechend und empfindüch; die Grenze des Nachweises geht bis zu 0,002 Volumprozent herab; Aceton gibt die Probe gleichfalls, jedoöh nicht Acetaldehyd und Essigsäure. Gewöhnüch benützt man zur Aufsuchung des Äthylalkohols in den ersten Teilen des Destillates die Jodoformprobe von Lieben (2): Die Probe wird mit Jod und NagCOg (Vermeidung von Alkaüüberschuß!) vorsichtig erwärmt, worauf eine schwefelgelbe Trübung durch das charak- teristisch riechende, mikroskopische hexagonale Kryställchen bildende Jodo- form CJgH auftritt. Beim Schütteln von alkoholhaltigen Lösungen mit Benzoylchlorid und Natronlauge entsteht der charakteristisch riechende Benzoesäureäthylester (3). Weitere Methoden zum Nachweise des Äthyl- alkohols beruhen auf der Überführung in Acetaldehyd durch Oxydations- mittel und Erkennung des Aldehyds durch die Rosanihndisulfitprobe (4). Farbenreaktionen auf Äthylalkohol sind mehrfach empfohlen. Verdünnte Methylviolettlösung mit Alkalipolysulfid Uefert bei Alkoholgegenwart eine violettrote Färbung [v. Bittö (5)]. 50% HNOg auf 90% Alkohol geschichtet, gibt einen grünen Farbenring (6). Farbenreaktionen treten bei Gegenwart von Alkohol (aber auch von Oxysäuren) ein mit alkalischer Diazobenzol- sulfonsäure sowie mit Sulfanilsäure + NaNOg (7). Bei hoher Verdünnung findet sich fast der gesamte Alkohol im ersten Viertel des Destillates (8). Gewöhnhch bestimmt man den Alkohol des Destillates aräometrisch, doch kann man den Alkoholgehalt rasch und genau auch durch das Capillari- meter bestimmen. Colorimetrische Methoden zur Alkoholbestimmung be- ruhen z. B. auf der Fuchsindisulfitprobe nach vorheriger Überführung in Aldehyd (9), auf der Benutzung der Grünfärbung mit Chromat (1 0) ; andere Methoden basieren auf derÄthoxylbestimmung(ll) oder auf der Überführung in Essigsäure (12). Bekannt ist der hemmende Einfluß, welchen höhere Alkoholkonzen- trationen der Gärflüssigkeit auf den Fortgang der Gärung entfalten. Be- sonders hat sich Mucorhefe gegen Alkohol empfindhch gezeigt. Hier hegt die Schädhchkeitsgrenze nach Fitz bei 3,5—4% Alkohol und die Gärung von Rhizopus nigricans sistiert schon bei 1,3% Alkohol (13). Hefe zeigt nach Kochmann (1 4) bei ^/goo— ^/soo Alkoholgehalt eine Förderung der Gärung, welche auf einer Begünstigung der Fermentproduktion beruhen dürfte. Bis zu 3% wird die Reproduktion der Hefe nicht behindert; 4,2% Alkohol 1) A. Hansen, C. r. Carlsberg, /, 175 (1881). A. Klöckee, Ebenda, w, 99 (1911). — 2) Lieben, Ber. Chem. Ges., 2, 549 (1869). — 3) Berthelot, Compt. rend., 73, 496. Palladin, Ber. Botan. Ges. (1906), p. 276. — 4) E. de Stoecklin, Compt. rend., 150, 43 (1910). G. Deniges, Bull. See. Chim. (4), 7, 951 (1910). — 5) B. V. Bittö, Chera.-Ztg., /;, 611. — 6) J. Kössa, Pharm. Zentr. Halle, 46, 893 (1905). — 7) L. Rosenthaler, Chem.-Ztg., 36, 830 (1912). — 8) Nicloux u. Baüduer,-Bu11. See. Chim. (3), 17, 424, 455 (1897). — 9) Argenson, Ebenda, 27, 1000 (1902). — 10) H. Agulhon, Ebenda (4), 9, 881 (1911). — 11) Stritar, Ztsch. physiol. Chem., 50, 22 (1906). — 12) Bourcart, Ztsch. analyt. Chem., 29, 608 (1890). Sonst: R. Gaxjnt, Ztsch. analyt. Chem., 44, 106 (1905), kryoskopisch ; Landsberg, Ztsch. physiol. Chem., 4t, 506 (^1904). Kapeller, Öst.-ungar. Ztsch. Zuckerindustr., jahierte den Bückstand mit Äther- alkohol. Aus dem Extrakt läßt sich die Bernsteinsäure durch Herstellung ihres Kalksalzes gewinnen. Durch nochmahge Extraktion mit Ätheralkohol erhält man das Glycerin. Von den bisher zur Glycerinbestimmung in Gär- flüssigkeiten angewendeten Methoden befriedigt keine ganz(1). Da nach Buchner (2) auch bei der „zellfreien Gärung" nicht wenig Glycerin gebildet wird, so muß doch wohl wenigstens teilweise eine nähere Beziehung der Glycerinbildung zum Gärung? mechanismus angenommen werden. Bei lang- samer Gärung und niederer Temperatur (3), ferner bei wenig Alkohol er- zeugenden Hefen (4) fand man mehr Glycerin. Zusatz von Nährstoffen fördert die Glycerinbildung. Nach Seifert und Reisch (5) ist bei Weinhefe zur Zeit der intensivsten Gärung und Zellvermehrung auch die Glycerin- bildung am stärksten. Für die Bestimmung der von Pasteur (6) gleichfalls 1858 als Gärungs- produkt aufgefundenen Bernsteinsäure hat man neuerdings verbesserte Methoden angegeben (7). Sehr viel Bernsteinsäure entsteht nach Goupil (8) bei der durch Mucor {,,Amylomyces") Rouxii bedingten Gärung, wo zu Be- ginn der Gärung über 25%, am Ende 6% des verbrauchten Zuckers an Bern- steinsäure vorhanden ist. Bernsteinsäure entsteht nach Buchner (2) und Ehrlich (9) bei der zellfreien Gärung nicht, und muß somit einen anderen Ursprung haben als das Glycerin. Die Forschungen Ehrlichs haben gezeigt, daß die Muttersubstanz der Bernsteinsäure ein Spaltungsprodukt der Hefe- eiweißkörper, die Glutaminsäure ist, welche sich wahrscheinhch auf dem Wege über Oxyglutarsäure, Aldehydbernsteinsäure in Bernsteinsäure um- wandelt: Glutaminsäure COOH-CHNHaCHj-CHgCOOH -> Oxyglutarsäure COGH-CHOH -CHg-CHgCOOH und NHg -> Bernsteinsäurealdehyd C00H-CH2-CHs u. Baldes, Biochem. Ztsch., 45, 157 (1912). — 4) G. Deniges, Compt. rend., 150, 529 (1910). Vgl. auch Prinqsheim, Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 1 (1909). — S) Khoudabachian, Ann, Inst. Pasteur, 6, 600 (1892). Ameisensäure: P. Thomas, Compt. rend., 136, 1015 (1903). Essigsäure: MAUMENE, Ebenda, 57, 398 (1863). P. Reisch, Zentr. Bakt. II, 14, 572 (1905). R. Meissner, Ztsch. Gär.physiol., 2, 129 (1913). — 6) R. Stoppel, Ztsch. f. Botan. (1912), p. 625. BiouRGE, La CeUuIe, //, I (1896). — 7) H. Franzen u. O. Steppuhn, Ztsch. physiol. Chem., 77, 129; 78, 164; 80, 274 (1912); Ber. Chem. Ges., 44, 2915 (1910). — 8) A. Lebedew, Biochem. Ztach., w, 454 (1908). — 9) E. Büchner u. Meisenheimer, Ber. Chem. Ges., jCH-CH2-CH(NH2) • COOH + HgO = ^^3>CH • CH2 • CHgOH + ^"3 I '-'"3 + CO2+NH3 Bei künsthcher Zufuhr von Leucin läßt sich die Amylalkoholbildung der Hefe denn auch entsprechend steigern. Ferner gelingt es durch Ver- fütterung von Isoleucin an Hefe in ganz analoger Weise den sonst nicht gebildeten normalen d-Amylalkohol darzustellen, wo der Prozeß offenbar durch die folgende Gleichung wiedergegeben werden kann: J^Jj3>CH-CH(NH2).COOH + H2O = J^2^>CH-CH20H + CO2+ NH3. Mit dieser Theorie steht im Einklänge, daß es bei anderen Amino- säuren gleichfalls gehngt die Abspaltung von COg durch Hefe zu erreichen, so daß man aus Tyrosin (4)OH-CeH4.CH2-CHNH2-COOH den p-Oxy- phenyläthylalkohol (4)OH-CgH4-CH2'GH20H auf dem genannten bio- logischen Wege darstellen konnte (8). Eine Reaktion des Amylalkohols ist die blauviolette Färbung mit einem Gemisch von a-Naphthol, p-Phenylen- diamin und Natriumcarbonat (9). Abgetötete Hefe ist im Einklänge mit der Th3orie von Ehrlich über die Fuselölentstehung bei der Gärung nicht imstande, mehr als Spuren von Iso- Amylalkohol zu erzeugen (10). Den gleichen Ursprung wie das Fuselöl dürfte auch das von Stoehr(11) bei Hefegärung nachgewiesene Pjrazin und 2,5-Dimethylpyrazin haben, welche aus Gly- kokoll resp. Alanin entstehen können über die Aldehyde dieser Amino- säuren (12), Pyrazin ist 1) E. Kayser, Compt. rend., 155, 185 (1912). — 2) Henninqer u. Sanson, Ebenda, J06, 208 (1888); 95, 94 (1882). — 3) C. A. Browne jun., Journ. Amer. Chem. Soc, 28, 453 (1906). — 4) L. Lindet, Compt. rend., -107, 182 (1888); 112, 102 (1891). — 5) Gentil, Monit. sei., //, 568 (1897). H. Pringsheim, Biochem. Ztsch., 10, 490 (1908); 16, 243 (1909). — 6) B. Ratman u. Kruis, Chem. Zentr. (1904), /, 736. — 7) F. Ehrlich, Ztsch. Ver. Rübenzucker! ndustr. (1905), p. 539; Biochem. Ztsch., 2, 52 (1906); Ber. Chem. Ges., 40, 1027 (1907). Epfront, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 23, 393 (1905). — 8) F. Ehrlich, Jahrb. Versuchsanst. Brau. Berlin, 10, 515 (1907). — 9) H. v. Wtss Herzfeld, Ztsch. physiol. Chem., 64, 479 (1910). — 10) H. Pringsheim, Ber. Chem. Ges., jp, 3713 (1906). Ehrlich, Ebenda, p. 4072. — 11) C. Stoehr, Journ. prakt. Chem., j^, 481 (1897). — 12) T. KiKKOJi u. Neuberg, Biochem. Ztsch., 20, 466 (1909). § 3. Die Alkoholgärung. 327 /CH = GH\ N^ 7N \CH = GH/ Manche Hefen zeichnen sich durch besonders reichliche Bildung von Fettsäureestern aus und werden nach diesen Riechstoffen als Fruchtäther- hefen bezeichnet. Dahin zählen u. a. Formen der WilUa anomala und Myco- derma- Arten. Önanthäther wurde von Ordonneau(I) beobachtet. Über die Bildung von Furfurol bei der Gärung haben Kruis und Rayman (2) Mitteilungen gemacht. Andererseits wird von Lintner (3) be- richtet, daß Hefe imstande ist, anwesendes Furfurol zu Furylalkohol zu reduzieren. Die von Pozzi-EscOT (4) studierte Schwefelwasserstoffbildung durch gärende Hefe hängt nicht mit der Alkoholbildung zusammen. Daß unter Umständen kleine Mengen von Mercaptan entstehen, ist bei der gleich- zeitigen Gegenwart von SH2 und Alkohol nicht zu verwundern (5). Die von Taverne (6) beobachtete sehr geringe Menge von Palmitin- säure ist natürlich auf das Fett zugrunde gegangener Hefezellen zu beziehen. Ebenso dürften die von Pasteur erwähnten geringen Reste bisher noch nicht untersuchter stickstoffhaltiger Substanzen unter den Gärprodukten nichts direkt mit der Gärung zu tun haben. Die wechselvolle Geschichte der Kenntnis von der Alkoholgärung hat ihre ausführliche Darstellung so oft in trefflichen Schriften erfahren, daß hier nur kurz darauf verwiesen sein mag, wie durch die Studien von Lavoisier, Fourcroy, Gay Lussac besonders der chemische Grund- charakter der Gärung aufgeklärt ward, wie sich später die Erkenntnis von der Pflanzennatur der Hefe, deren Zellen schon 1695 Leeuwen- H0EK(7) wahrgenommen hatte, sowie von dem ursächlichen Zusammen- hange der Gärung mit vitalen Prozessen der Hefepilze durchrang: in erster Linie augebahnt durch die Arbeiten von Schwann (8) 1837, Cagniard Latour (9) 1838; wie andererseits 1839 Liebiq (10) den Versuch unternahm die Gärungsvorgänge molekularmechanisch zu erklären und in richtiger Vorahnung des Sachverhaltes Mitscherlich(II) Kontakt- reaktionen an unbelebten Stoffen mit der Gärung verglich. Es ist dann bekannt, wie weiter in erster Reihe die Arbeiten Pasteurs unsere Kenntnisse von dem Lebensprozesse der Alkoholgärungspilze mächtig gefördert haben, während bis in die neueste Zeit die chemische Auf- fassung keine wesentlichen Fortschritte machte, bis es 1896 E.Buchner(12) 1) Ch. Ordonneau, Bull. Soc. Chim., 45, 332 (1886). Bedingungen der Fruchtätherbildung: Bokoeny, Chera.-Ztg., 28, Nr. 24 (1904). — 2) Kruis u. Ray- man, Zentr. Bakt. II, i, 637 (1895). — 3) C. J. Lintner, Ztsch. ges. Brauwes., jj, 361 (1910). Lintner u. H. J. v. Liebig, Ztsch. physiol. Chem., 72, 449 (1911). — 4) E. Pozzi-EscoT, Bull. Soc. Chim. (3), 27, 692 (1902). — 5) L. Mathieü, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 28, 971 (1911). — 6) H. J. Taverne, Chem. Zentr. (1897), //, 48. — 7) Leeuwenhoek, Arcana naturae (1695). — 8) Th. Schwann, Pogg. Ann., 41, 184 (1837). — 9) Cagniard Latour, Compt. rend., 7, 227 (1838); Ann. de Chim. et Phys. (2), 68, 206 (1838); ferner Quevenne, Journ. Pharm, et Chim., 24, 265, 329 (1838); Döpping u. Struve, Journ. prakt. Chem., 4/, 255, stellten noch 1847 die He/ebildung als sekundären Vorgang hin. Die Möglichkeit, keim- dichten Abschluß durch Baumwollpfröpfe zu erzielen, zeigten 1854 H. Schröder u. Th. V. Dusch, Lieb. Ann., 89, 232. — 10) J. Liebig, Journ. prakt. Chem., 18, 129 (1839). — 11) E. Mitscherlich, Pogg. Ann., 59, 94 (1843); Lieb. Ann., 48, 193 (1843); 44, 186 (1842). Vgl. auch die interessanten Bemerkungen von Berzelius in dessen Jahresber., 22, 480 (1843). — 12) E. Buchner, ßer. Chem. Ges., 30, 117, 1110 (1897); 31, 568 (1898). Die Zymasegärung (1903), Woch.schr. f. Brauerei, 21, .ö07 (1904). M. Hahn, München, med. Woch.schr. (1908), p. 515. H. Fischer, Naturwißs. Rdsch., 23, 313 (1908). R. Rapp, Lafars Handb., 4, 346. 328 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u, Kohlenhydraten durch Pilze. gelang durch die Herstellung eines haltbaren zellfreien Preßsaftes aus Hefe und durch den Beweis, daß die Wirkung auf Zucker auch im Preßsafte erhalten bleibt, die experimentellen Grundlagen zum exakten biochemischen Studium dieses Spaltungsprozesses und seiner Katalyse zu liefern. Die früheren Bemühungen verschiedener Forscher hatten nur zu zweifelhaften Ergebnissen geführt. So hatte Lüdersdorff (1) schon 1846 berichtet, daß Hefe beim Zerreiben ihre Wirksamkeit verüert, offenbar m- folge unzweckmäßiger Behandlung des Hefebreies, während Manassein (2) im Gegenteile zerriebene Hefe, wohl infolge unzureichender Zerreibungs- vorrichtungen noch wirksam fand. Döbereiner (3) sah Hefe durch Alkohol- behandlung unwirksam werden, während es Gunning (4) angebüch gelang, mittels Glycerinextraktion unwirksam gemachte Hefe durch Wiederhinzu- fügen des Glycerinextraktes neuerlich wirksam zu machen. Der Befund von SCHUNCK (5), daß auch das Krappferment „Erythrozym" Zucker in CO2 und Alkohol spaltet, ist offenbar auf Mikroben zurückzuführen. Die bekannte Methode Buchners zur Gewinnung von Hefepreßsaft besteht darin, daß gewaschene und trocken gepreßte Bierhefe mit Quarz- sand und Kieselgur zu einem Teige verrieben wird, und die durch Zer- reißen der Zellen feucht gewordene Masse unter dem Drucke einer hydraulischen Presse ausgepreßt wird, wodurch man aus 1 kg Hefe etwa 450 ccm eines gelben nach Hefe riechenden gut wirksamen Preßsaftes erhalten kann. Dieser Hefesaft versetzt 20%ige Rohrzuckerlösung rasch in Gärung, wobei annähernd gleiche Mengen von Kohlensäure und Alkohol entstehen (6). Er läßt sich ohne Verlust seiner Wirksamkeit durch Chamberlandkerzen hindurchpressen (7). Hinzufügen von Toluol oder Chloroform beeinträchtigt seine Gärwirkung nicht (8), hingegen wird die letztere durch Erhitzen rasch vernichtet. Man kann den Preßsaft im Vakuum eintrocknen, ohne daß die Gärwirkung verloren geht (9), und auch mit Alkohol fällen, wodurch der wirksame Stoff im Niederschlage erhalten wird (10). Alle diese Gründe haben Buchner bewogen, die Existenz eines den Zucker in Kohlensäure und Alkohol spaltenden Enzyms, der Zymase, anzunehmen, eine Auffassung, die wir jetzt zu den gesicherten Grundlagen der Gärungstheorie zählen dürfen. Auf die anfangs von verschiedenen Forschern geäußerten Bedenken gegen die Enzymnatur der Zymase brauchen wir heute nicht näher einzugehen, und die eine Zeitlang erörterte Hypothese, ob nicht die Zymase über- lebendes Zellplasma sei, gehört wohl bereits der Geschichte des Gärungs- problems an. Von historischem Interesse für die Enzymtheorie der Alkoholgärung sind die älteren Angaben von Duclaux(II), wonach Glucose im Sonnenlicht bei Gegenwart von Alkali langsam zu Kohlensäure und Alkohol gespalten wird, sowie die Versuche von Traube (12) über Platin- 1) W. LÜDEKSDORFF, Pogg. Ann., 6t, 408 (1846). — 2) M. v. Manassein. Mikroskop. Untersuch, v. Wiesner (1872), p. 126; Ber. Chem. Ges., jo, 3061 (1897). M. Herzog, Hofmeisters Beitr., 2, 102 (1902). — 3) Döbereiner, Schweigg. Journ., 12, 229 (1814). — 4) Gunning, Just Botan. Jahresber. (1873), p. 136. — 5) E. ScHüNCK, Lieb. Ann., 81, 336 (1852); Ber. Chem. Ges., j/, 309 (1898). — 6) Buchner u. R. Rapp, Ber. Chem. Ges., j/, 1084 (1898). — 7) Ebenda, jo, 2668 (1897). — 8) Buchner, Sitz.ber, Morpholog. Ges. München (1897), p. 33. — 9) Buchner, Ber. Chem. Ges., 30, 1110 (1897); j/, 1531 (1898); j2, 127 (1899); 34, 1523 (1900). — 10) Buchner, Ebenda, jo, 1110 (1897). Albert u. Buchner, Woch.schr. f. Brauerei (1900), p. 49. — 11) Duclaux, Ann. Inst. Pasteur, 7, 751 (1893). — 12) M. Traube, Ber. Chem. Ges., 7, 115, 886 (1874). § 3. Die Alkoholgärung. 329 liatalyse des Zuckers bei höherer Temperatur. Der letztgenannte Forscher hat sich bereits 1874 bestimmt dahin geäußert, daß die Alkoholgärung enzymatischer Natur sei, und auch Duclaux berichtet, daß Cl. Bernard ähnliche Anschauungen gehegt habe(l). Die Zymase gehört nach ihrem ganzen Verhalten zu jenen En- zymen, welche ihre Wirksamkeit innerhalb der Zelle an den bereits auf- genommenen Stoffen entfalten, und die wir allgemein als Endoenzyme bezeichnen (2), Die Zuckervergärung ist demnach ein intracellulärer Vorgang, und spielt sich nicht, wie einst Nägeli(3) annahm, zum größeren Teile außerhalb der Zellen ab. Die Umtaufung der Zymase in Alkoholase, wie sie Buchner und seine Mitarbeiter aus dem Grunde, weil immer mehr die komplexe Natur des Enzyms wahrscheinlich wurde, vorgenommen haben, wollen wir hier nicht mitbefolgen, da dieser Name der herkömmlichen Nomenklatur der Enzyme widerspricht. Buchner und Albert (4) haben im weiteren gezeigt, daß man gär- kräftige Hefe durch Behandlung mit Ätheralkohol oder besser noch mit Aceton sicher töten kann, ohne daß die Zymase der Zellen ihre Wirksam- keit einbüßt. Die jetzt im Handel erhälthche Acetondauerhefe ist als „Zymin" oder ,,Hefanor' zu einem wichtigen Behelf bei der Erforschung der Alkohol- gärung geworden. Übrigens behält auch getrocknete Hefe ihr Gärvermögen noch wochenlang (5) bei. Einen weiteren Fortschritt erzielte in dieser Richtung Lebedew (6), dessen Verfahren einen so wirksamen Macerations- saft aus Hefe zu gewinnen gestattet, daß man in vielen Fällen auf das um- ständUche und kostspielige Preßverfahren verzichten kann. Lebedew trocknet Hefe nach vorherigem guten Auspressen bei 25—30*' in dünner Schichte auf Filtrierpapier. Dieser Vorgang soll in 2 Tagen vöUig beendet sein. Dann maceriert man die Hefe 2 Stunden bei 35" oder 6 Stunden bei 25" mit Wasser und filtriert durch ein gewöhnUches Papierfilter. Der Saft ist so aktiv, daß Zuckerlösung damit versetzt sofort zu gären beginnt. Durch Filtrieren durch ein Ultrafilter verüert aber der Saft seine Wirksamkeit und auch der Rückstand ist nur von sehr geringer Aktivität (7). Der BucHNERsche Preßsaft enthält außer der Zymase eine sehr wirk- same Endotryptase, welche durch die Prozesse der Selbstverdauung das Alkohol bildende Ferment beim Stehen des Präparates bei Zimmertempe- ratur rasch zerstört. Durch Hinzufügen von Blutfibrin läßt sich nach Buchner (8) durch Adsorption das proteolytische Enzym aus der Lösung entfernen. Die gleichzeitig anwesende Maltase konnte jedoch bisher von der Zymase nicht abgetrennt werden. Die Zymase selbst läßt sich nach Michaelis (9) weder durch elektronegative noch durch' positive Adsor- bentien adsorbieren. Außer den erwähnten Enzymen enthält der Preßsaft 1) Duclaux, Microbiologie, /, 26. — 2) M. Hahk, Zisch. Biol., 40, 172 (1900). — 3) NlGELi, Theorie der Gärung (1879), p. 48; Ztsch. Biolog., 48 (1882). - 4) Albert, Ber. Chem. Ges., jj, 3775 (1900); Zentr. Bakt. II, 7, 737 (1901). Albert u. Buchner, Ber. Chem. Ges., 35, 2376 (1902). A. Richter, Bull. Ac. Petersburg (1911), p. 813. Acetondauerpräparate aus Mucor und Aspergillus: S. Kosty- T8CHEW, Zentr. Bakt. II, /j, 490 (1904). — 5) Bokorny, Allgem. Brauer- u. Hopfen- Ztg, (1901), p. 54. — 6) A. Lebedew, Compt. rend., 152, 49 (1911); Ann. Inat. Pasteur, 25, 68 (1912); 26, Nr. 1; Ztsch. physiol. Chem., 73, 447 (1911); Ztsch. Gärphysiol., 2, 104 (1912). E. Kayser, Compt. rend., 152, 975 (1911). H. vak Laer, Zentr. Bakt., 35, 23 (1912). — 7) A. v. Lebedew, Biochem. Ztsch., 20, 114 (1909). — 8) E. Buchner u. R. Hoffmann, Ebenda, 4, 215 (1907). — 9) L. Michaelis u. Rona, Ebenda, 15, 217 (1909). 330 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze» noch eine ganze Reihe anderer, unter denen Invertin, Peroxydase, Glyko- genäse sich befinden (1). So wie die Hefe, so vermag die Zymase im Preßsaft, Macerations- saft und in Dauerhefe nur die vier Hexosen: Glucose, Mannose, Fruc- tose und Galactose in Alkohol und GOg zu spalten. Die Konzentration spielt bei Fermentgärung keine große Rolle, und es ist Buchner ge- lungen, noch 60-, ja 100%ige Zuckerlösungen durch Preßsaft zu ver- gären. Glucose und Fructose verschwinden etwa gleich schnell, die Galactose jedoch wird viel langsamer umgesetzt. Deswegen muß man aber noch nicht eine besondere Zymase für die Galactose leicht ver- gärenden Milchzuckerhefen annehmen, wie es Maze (2) getan hat, weil auch Hilfsstoffe bei der leichteren Vergärung der Galactose eine Rolle- spielen können. Geringe Konzentrationen von OH'-Ionen fördern die Zymase Wirkung. Neutralsalze zu 1 — 2% drücken die Gärung herab. Am schnellst-en setzt die Preßsaftwirkung bei 28—30" ein, bleibt aber durch 8 Tage dann fast konstant. Die absolut größte Gärwirkung er- zielt man bei 12 — 14*^, wo die Wirkung 7 Tage stetig wächst und dann ein höheres Maximum erreicht als bei Anwendung höherer Temperaturen. Oberhalb 30° wird die Wirkung geringer und erreicht keine höheren Werte als die Gärung bei 5 — 7 ^, welche bis zum 10. Tage stetig steigt. Bei diesen Versuchen stört die Endotryptase nicht so stark, wie ohne Gegenwart von Zucker, weshalb man hier vorteilhaft mit größeren Rohr- zuckerkonzentrationen arbeitet. Zymase wirkt auch noch in starker Glycerinlösung. Hemmend sind jedoch nach Buchner und nach Wroblewski Blausäure, Sublimat, Am- moniumfluorid, Metarsenit und Natriumazoimid. BoKORNY(3)fandO,5%ige H2SO4 für Zymase tödlich. Die Giftigkeitsgrenze von Alkohol wurde für Zymase mit 15% bestimmt, liegt also etwas höher als für die lebende Hefe. Natriumarsenit schädigt, doch kann man durch reich- lichen Glucose-, noch besser Saccharosezusatz diese Wirkung (wahrschein- lich durch Komplexbildung) eliminieren. Meisenheimer sah, daß noch der bis auf das 25 fache verdünnte Preßsaft eine erhebliche Wirkung ent- faltet (4). Harden und Young(5) haben 1904 zuerst nachgewiesen, daß es sich in der Zymasegärung um einen zusammengesetzten Vorgang handelt. Der Hefesaft enthält kochbeständige Stoffe, die sich von der Zymase vollständig abtrennen lassen und die Zymasewirkung außerordentlich stark fördern. Es wird hier gewöhnlich von „Kofermenten" gesprochen, doch wird es besser sein, bloß von Aktivierung der Zymase zu reden. Die durch ein Martin- Gelatinefilter filtrierte Zymase ist nur minimal wirksam und kann durch Hinzufügen von Hefekochsaft, welcher ge- wöhnlich als Aktivator benützt wird, bis zur normalen Wirksamkeit ge- langen. Viele Mißerfolge, das Gärungsenzym von der Zelle zu trennen, mögen dadurch veranlaßt gewesen sein, daß man es verabsäumte, die komplexe Natur des Gärungsenzyms in Betracht zu ziehen. So gelingt es selbst Glycerinextrakt aus frischer Hefe durch Hinzufügen von Koch- 1) A. Wroblewski, Ber. Chem. Ges., j/, 3218 (1898); Journ. prakt. Chem.,. 64, 1 (1901). Buchner, Zymasegärung, p. 76. Invertin: E. Büchner u. W. An- TONi, Ztsch. physiol. Chem., 44, 209 (1905). — 2) P. Maze, Ann. Inst. Pasteur, /;, 11 (1904). — 3) Th. Bokorny, Pflüg. Arch., 114, 535 (1906). — 4) J. Meisen- heimer, Ztsch. physiol. Chem., 37, 518 (1903). — 5) A. Harden u. Young, Journ. of Physiol. (1904), p. 32; Proceed. Roy. Soc, 77, B, 405 (1906); Woch.schr. f. Brauerei, 22, 712 (1905). § 3. Die Alkoholgärung. 331 saft ZU aktivieren (1). Buchner und Antoni(2) meinten anfänglich, diese Tatsachen durch die günstige Wirkung von Alkaliphosphaten er- klären zu können, doch ist nach den weiteren Arbeiten von Harden(3) löslichen Phosphaten nicht die Wirkung eigen, den inaktivierten Preß- saft wieder wirksam zu machen. Zugleich ergab sich die wichtige Be- obachtung, daß zugesetzte Phosphate in der gärenden Flüssigkeit sich in der Weise verändern, daß der Phosphor nicht mehr durch Magnesia- mischung oder Silbernitrat nachweisbar ist. Harden und Young dachten alsbald an die Möglichkeit einer Veresterung der Phosphorsäure mit Glucose, was sich in der Tat voll bestätigt hat. Es lassen sich nach Harden (4) solche Glucosephosphorsäureester aus dem Preßsaft isolieren, und man kann auch nachweisen, daß im Preßsaft ein Enzym existiert, welches diesen Ester spaltet, und als Hexosenphosphatase bezeichnet wurde. Die Esterbildung erfolgt bei Anwendung von Glucose, Fructose und Mannose in gleicher Weise, und wird von Harden durch die Gleichung 2C6H12O6 H- 2R'2HP04 = 2 CO2 + 2C2HgO + CeHio04(P04R'2)2 + 2 H2O ausgedrückt. Fast gleichzeitig mit Harden kam Iwanoff (5) zu dem Ergebnis, daß bei der Gärung durch Zymin der größte Teil zugesetzten Phosphates in phospho-organische Bindung übergeführt wird, und hatte als die ent- stehende Verbindung Triosephosphorsäureester angesehen. Euxer ist der Meinung, daß sowohl Triosemonophosphorsäureester entstehen könnte als auch Hexosediphosphorsäureester. Jedenfalls ergibt die Analyse auf sechs C- Atome zwei Phosphatreste (6). Die Hexosenphosphatase ließ sich in verschiedenen Enzympräparaten nachweisen (7). Iwanoff (1. c.) hat zuerst den Gedanken ausgesprochen, daß die Esterifizierung der Phosphorsäure im Hefesaft durch ein synthetisch wirksames Ferment, eine „Synthease", bedingt sei. In der Tat kann man nach Euler und seinen Mitarbeitern durch Erhitzen den synthetisierenden Faktor ver- nichten, und EuLER hat die wirksame Substanz mit dem Namen Phos- phatese belegt. Die Phosphatese entfaltet ihre beste Wirkung bei schwach alkalischer Reaktion und ist von ziemlich geringer Stabilität (8). Man kann sie von der Zymase abtrennen. Mit der Erforschung der merkwürdigen Rolle, welche die Phosphorsäure bei der Gärung spielt, ist aber die Kofermentfrage nicht berührt, da man nach Harden nicht daran denken kann, daß die Glucosephosphorsäure etwa mit dem Ko- ferment identisch ist. Nach Büchner und Haehn (9) verliert der Koch- saft der Hefe seine Kofermentwirkung, wenn er 3 Tage mit 2,5% 1) P. RiNCKLEBEN, ChecQ.-Ztg., 35, 1149 (1911). — 2) E. Buchner u. W. Antoni, Ztsch. physiol. Chem., 46, 136 (1905). — 3) A. Harden u. Young, Proceed. Roy. Soc, 7«. B, 369 (1906); Proc. Chem. 80c., 21, 189 (1905). — 4) Harden u. Young, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 299 (1908); B, 8r, 336 (1909); 82, 321 (1910); ßiochem. Ztflch., 32, 173 (1911). Young, Proc. Roy. Soc, 81, 528; Biochem. Ztsch., 32, 177 (1911). Harden u. Young, Zentr. Bakt. II, 26, 178 (1910). — 5) L. IwANOFF, Ztsch. physiol. Cham., 50, 281 (1906); Zentr. Bakt. H, 24, 1 (1909). — 6) H. Euler u. H. BXckström, Ztsch. physiol. Chem., 77, 394 (1912). Auch A. Lebedew, Ann. Inst. Pasteur, 23, 847 (1911); Compt. rend., 153, 136 (1911); Biochem. Ztsch., 20, 114 (1909). — 7) V. J. Harding, Proceed. Roy. Soc, 85, B, 418 (1912). H. Euler u. Funke, Ztsch. physiol. Chem., 77, 488 (1912). — 8) H. Euler u. Kullberg, Ztsch. physiol. Chem., 74, 13, 15 (1911). Eulee u. Ohlsen, Biochem. Ztsch., 37, 133 (1911); 41, 215 (1912). Euler u. Johansson, Ztsch. physiol. Chem., 80, 175 (1912). — 9) E. Buchner u. Haehn, Biochem. Ztsch., 19, 191 (1909). 332 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Na^COg gestanden war. Das Koferment soll auch die Zymase vor dem Angriff der Endotryptase schützen (1). Buchner und Klatte fanden, daß Lipasebehandlung das Koferment des Preßsaftes vernichtet, wonach man an Phosphatide als Aktivatoren denken könnte (2). Durch kolloidales Fe(0H)3 wird das Koferment wahrscheinlich ausgefällt (3). Die optimale Kofermentkonzentration hat Clowes(4) zu ermitteln gesucht. Für die Kofermentfrage dürfte es nicht ohne Bedeutung sein, daß Pankreas- pulver Hefegärung stark fördert (5), sowie daß Euler (6) in uuclein- saurem Natron eine aktivierende Substanz auffand. Dem sog. „Bios", welches in der Gärungsliteratur eine Zeitlang eine gewisse Rolle spielte, scheint mir nichts anderes als eine unklare Erkenntnis von dem Vor- handensein von Koferment zugrunde zu liegen (7). In allen Zymaseversuchen hat Buchner den sterilen Ablauf der Gärung durch Zusatz von Toluol erreicht, in dessen Gegenwart, ebenso wie in Gegenwart von Chloroform die Zymase gut wirksam ist. Dieses Ver- halten steht im Gegensatze zu der raschen Aufhebung der Gärung lebender Hefe durch die erwähnten Narkotica. Euler und Kullberg (8) haben sich bemüht, hierfür eine Erklärung in dem Zusammenhang mit dem lebenden Plasma zu finden, ohne zu einem befriedigenden Ergebnisse zu gelangen. Vielleicht sind Hemmungen durch Adsorption im Spiele, wenn die Zymase in den narkotisierten Zellen unwirksam wird. Bei der Zymasegärung entstehen annähernd gleichviel Alkohol und CO2 und es wird der vorhandene Zucker fast vollständig zersetzt. Nach Buchner und Meisenheimer(9) entsteht hierbei keine Bernsteinsäure, jedoch bemerkenswerter Weise nicht wenig Glycerin. Die Kinetik der Zymasereaktion ist in einer Reihe von Arbeiten behandelt worden, ohne daß es gelungen wäre die Sachlage einigermaßen aufzuklären. Bei lebender Hefe und bei Zymin besteht die Schwierigkeit, daß der Vorgang von dem Eindringen des Zuckers in die Zellen abhängig ist. Aberson(IO) untersuchte den Vorgang an lebender Hefe auf polarimetrischem Wege, allerdings ohne die Möglichkeit des Einflusses entstehender Zwischen- produkte in Rechnung zu ziehen und nahm an, daß die Formel k=l/t-ln (a -r x)/(a — x) dem Vorgange entspricht. Die Reaktions- geschwindigkeit sei annähernd proportional der verwendeten Hefemenge, Herzog (11) untersuchte die Gärung durch Zymin und fand, daß die Reaktionsgeschwindigkeit in befriedigender Weise durch die Formel k = 1/t • In a/(a— x), weniger gut durch die Formel von Henry (12) k = V2t'ln (a+x)/(a — x) ausgedrückt werden kann. Die Reaktion ist jedenfalls keine unimolekulare und die ältere Annahme von 0'Sullivan(13), daß die Vergärungsgeschwindigkeit der jeweils vorhandenen Zuckermenge proportional sei, wurde bisher nicht bestätigt gefunden. Auch für die I) Buchner, 1. c. Über Einfluß der Autodigestion ferner A. Petruschewsky, JZtßch. physiol. Chem., 50, 251 (1906). — 2) Buchner u. Fr. Klatte, Biochem. Ztsch., 8, 520 (1908). — 3) Fr. Resenscheck, Ebenda, 15, 1 (1908). — 4) G. H. Clowes, Proc. See. Exp. Biol. Med. New York, 6, 44 (1909). — 5) E. Vahlen, Ztsch. physiol. Chem., 59, 194 (1909). H. Schmidt, Ztsch. exp. Pathol. u. Ther., /, 551 (1905). — 6) H. EuLER u. Berggren, Ztsch. Gär.physiol., /, 203 (1912). — 7) A. AmAxW, La Cellule, 21 (1904). M. Ide, Zentr. Bakt., 18, 193 (1907). — 8) H. Euler u. S. Kullberg, Ztsch. physiol. Chem., 73, 96 (1911). — 9) Buchner u. Meisenheimer, ßer. Chem. Ges. (1906), p. 3203. — 10) J. H. Aberson, Reo. trav. chim. Pays-Bas, 22, 78 (1903). — 11) R. O. Herzog, Ztsch. physiol. Chem., 37, 149 (1902). — 12) Henri, Ztsch. physik. Chem., 39, 194 (1901). — 13) O'SuL- livan, Chem. Zentr. (1898), //, 454. § 3. Die Alkoholgirung. 333 GäruDg in Buchner schein Preßsaft ist die Annahme, daß wir es mit einer Reaktion erster Ordnung zu tun haben, bisher nicht zu begründen gewesen (1). Daß innerhalb weiter Grenzen die Reaktionsgeschwindigkeit der Enzymmenge proportional ist, kann man den Versuchen von Slator(2) entnehmen, welcher bei Gärung durch lebende Hefe den Kohlensäure- druck der vorhandenen Hefemenge proportional fand, jedoch nie pro- portional der vorhandenen Zuckerkonzentration, überhaupt (außer in sehr verdünnter Lösung) recht unabhängig von der Zuckerkonzentration. Von großem physiologischen Interesse ist sodann die Wärmetönung der Gärungsreaktion. Dieselbe wurde bereits von Dubrunfaut und Ber- thelot gemessen (3), und der letztere Forscher stellt den Gewinn an freier Wärme bei der Alkoholgärung gleich ^/u der bei der vollständigen Verbren- nung der gleichen Zuckermenge entwickelten Wärme. Nach Brown (4) werden bei der Gärung von 1 g Maltose 119,2 Cal. frei. Rubner (5) bestimmte die Gärungswärme von 1 g Saccharose mit 149,5 Cal. 1 Mol Glucose liefert nach den Berechnungen von Brown bei der Alkoholgärung 67 Cal. Zymase muß wohl überall- angenommen werden, wo Zucker zu Alkohol und COj zerfällt, und man hat in der Tat nicht nur bei den verschiedensten Pilzen wenigstens Acetondauerpräparate als Bestätigung dieser Erkenntnis dargestellt, sondern hat, wie weiter unten gezeigt werden soll, auch dafür Anhaltspunkte, daß bei Blütenpflanzen im an- aeroben Leben Zymase und deren Tätigkeit eine wichtige Rolle spielt. Herlitzkas (6) Vermutung, daß die Zymasewirkung einem nucleo- histonartigen Stoff zukommt, ist wohl nicht streng bewiesen, sondern es konnte in diesen Fällungen ganz wohl die Zymase einem an sich unwirk- samen nucleinartigen Bestandteile anhaften. Die Ausarbeitung einer wissenschaftüch gut begründeten chemischen Theorie der Alkoholgärung ist zurzeit in vollem Flusse begriffen, und es sind erfreuhcherweise bereits einige Fragen so weit geprüft worden, daß man gewisse Mögüchkeiten sicher ausschalten kann. Dies gilt besonders von der Frage, inwiefern Milchsäure als Zwischenprodukt der Gärung an- zunehmen sei. Da Milchsäure bei Behchtung, insbesondere bei Einwirkung von ultravioletten Strahlen in Alkohol und Kohlensäure zerfällt (7) und Buchner (8) kleine Milchsäuremengen wiederholt bei Hefegärung ge- bildet fand, so war die Annahme von Milchsäurebildung als Zwischenprodukt der Gärung besonders verlockend. Doch besteht nach den neueren Arbeiten von Slator(9) und von Buchner und Meisenheimer (10) kein Zweifel, daß zugesetzte Milchsäure durch gärende Hefe nicht im mindesten ver- 1) Vgl. H. EüLEK, Ztsch. physiol. Chem., 44, 53 (1905); 73, 85 (1911). — 2) A. Slator, Proceed. Chem. Soc, 21, 304 (1905); Journ. Chem. Soc, 89, 128 (1906). — 3) Dubrunfaut, Compt. rend., 42, 945 (1856). Berthelot, Ebenda, 59, 904 (1864). — 4) A. J. Brown, Chem. Zentr. (1901), /, 1380; //, 139; Koch Jahreeber., 12, 126 (1901), Vgl. auch Fitz, Ann. Önol., 2, 428. — 5) M. Rubner, Arch. Hyg., 49, 355 (1904). — 6) A. Herlitzka, Zentr. Bakt. II (1904), p. 412; Zentr. Physiol. (1903), p. 669. — 7) Duclaux, Compt. rend., /oj, 881 (1886). Euler, Arkiv f. Kemi, 4, Nr. 8 (1911). — 8) Buchner u. Meisenheimer, Ber. Chem. Ges., 37, 417 (1904); 38, 620 (1905). Maze, Compt. rend., 138, 1514 (1904); 134, 241 (1902); Ann. Inst. Pasteur, 16, 446 (1902). F. G. Kohl, Beihefte botan. Zentr., 15, I, 115 (1910). — 9) A. Slator, Journ. Chem. Soc, pj. 217 (1908); Ber. Chem. Ges., 40, 123 (1907). — 10) Buchner u. Meisenheimer, Landw. Jahrb., 38, Erg.-Bd. V, p. 265 (1909); Ztsch. allgem. österr. Apoth.-Ver. (1909), p. 595; Ber. Chem. Ges., 43, 1773 (1910). 334 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. arbeitet wird, und somit Milchsäure selbst kein Gärungszwischenprodukt sein kann. Dieser Einwand berührt auch die von Schade (1) entwickelten Vorstellungen, in denen eine interessante Parallele mit einer zu Alkohol und COg führenden chemischen Zuckerspaltung gezogen wurde. Es ist nämlich mögUch durch Alkaheinwirkung Glucose in 2 Äqu. Milchsäure zu zerlegen und die Milchsäure durch Katalyse mit Rhodiummohr in Acet- aldehyd und Ameisensäure zu spalten: CHa-GHOHCOOH = CHg-CHO + H-COOH. Wenn ein solcher Vorgang wirküch stattfindet, so kann es sich nicht um Milchsaure selbst, sondern um ein hypothetisches Vorstadium handeln, welches die analoge Spaltung erleidet. Die größere Bedeutung der von Schade entwickelten Anschauungen hegt in der Betonung, daß Acetaldehyd und Ameisensäure als Vorstadien der Bildung von Alkohol und CO2 zu erwarten wären. Diese Vorstellung scheint sich in der Tat als fruchtbar zu erweisen. Jedenfalls hat sich bisher keine Tatsache ergeben, welche diese Vorstellung widerlegen könnte. So ist es gelungen, wie aus den Arbeiten von Franzen und Steppuhn (2) zu ersehen ist, zu zeigen, daß bei der Hefegärung stets kleine Mengen von Ameisensäure entstehen und daß Hefe imstande ist, Ameisensäure zu verarbeiten. Wir wissen sodann schon lange, daß Acetaldehyd unter den Gärprodukten nie fehlt, und Kostyt- SCHEW (3) hat den wichtigen Nachweis geführt, daß man durch Hinzu- fügen kleiner Mengen von Zinkchlorid eine beträchtüche Anhäufung von Acetaldehyd erreichen kann, welche sich durch behinderte Weiterverarbeitung eines Intermediärproduktes ganz gut verstehen läßt. Auch kann Acet- aldehyd nach Embden (4) im Tierkörper in Alkohol übergehen. Der Um- satz von Acetaldehyd und Ameisensäure in die Gärungsendprodukte kann nur in der Weise erfolgen, daß die Ameisensäure in COj und Hg zerfällt und der Hg in statu nascendi den Acetaldehyd zu Alkohol reduziert. Daß bei der Alkoholgärung Reduktionswirkungen entfaltet werden, ist aber durch mehrere Tatsachen schon gezeigt worden. So hat Grüss (5) darauf aufmerksam gemacht, daß Schwefel zu SHg reduziert wird. Palladin (6) bewies die Reduktion von Natriumselenit, und auch Reduktion von Ni- traten ist angegeben worden (7). Die genannten Forscher haben sich für die Annahme eines bei der Alkoholgärung mitwirkenden reduzierenden Enzyms, einer Reduktase, entschieden. Es wäi-e nun noch zu zeigen, ob bei der Alkoholbildung aus Acetaldehyd gleichfalls ein derartiges Enzym mitwirkt, wie es die von Schade zuerst entwickelten Ansichten verlangen würden. Lebedew(8) behauptet allerdings, daß die Reduktion des Al- dehyds nur bei Abwesenheit, nicht aber bei Anwesenheit von Zucker vor sich gehe. Wenn auch der Gedanke, daß Milchsäure als Zwischenprodukt der Gärung auftritt, aufzugeben ist, so ist es doch ungemein wahrscheinlich, daß vorerst ein Zerfall der Kohlenstoffkette der Glucose in zwei dreigUedrige 1) H. Schade, Ztsch. physik. Chem., 57, 1 (1906); 60, 510 (1907); Biochem. Ztsch., 7, 299 (1908). Büchner, Meisenheimer u. Schade, Bar. Chem. Ges., jp, 4217 (1906). G. Bruhns, Zentr. Zuckerindustr., 20, 395 (1912). — 2) H. Franzen u. Steppuhn, Ber. Chem. Ges., 44, 2915 (1910); Ztsch. physiol. Chem., 77, 129 (1912). Steppuhn u. Schellbach, Ebenda, 80, 274 (1912). — 3) S. Kostytschew, Ztsch. physiol. Chem., 79, 130, 359 (1912); 83, 93 (1913); Ber. Chem. Ges., 45, 1289 (1912). — 4) G. Embden u. Baldes, Biochem. Ztsch., 45, 157 (1912). — 5) J. GRÜSS, Ber. Botan. Ges., 26a, 191 (1908); 26, 191 (1908). — 6) W. Palladin, Ztsch. physiol. Chem.,* 56, 81 (1908). — 7) G. Paris u. Marsiglia, Staz. eper. agric. ital., 41, 223 (1908). A. Febnbach u. Lanzenberg, Compt. rend., 15U 726 (1910). E. Kayser, Ebenda, p. 816. — 8) A. v. Lebedew, Ber. Chem. Ges., 45, 3267 (1912). § 3. Die Alkoholgärung. 335 Teilstücke stattfindet. Dafür kann man vorbringen, daß Glycerin anscheinend bei jeder Gärung entsteht und kaum anders als aus Zucker hervorgehen kann; ferner daß sowohl das Dioxyaceton als der Glycerinaldehyd durch Hefe vergoren werden kann (1). Doch ist es bisher nicht gelungen, Dioxy- aceton oder Glycerinaldehyd in den Gärungsflüssigkeiten nachzuweisen, und insbesondere die von Boysen- Jensen (2) vertretene Ansicht, daß Zucker in 2 Äqu. Dioxyaceton zerfalle und aus dem Dioxyaceton direkt Alkohol und CO2 entstehe, ist von mehreren Seiten wohl endgültig widerlegt worden (3). Als die hypothetische Substanz, welche in dem oben angeführten Schema des Gärungsvorganges an Stelle der nicht nachweisbaren und nicht in Betracht kommenden Milchsäure aus chemischen Gründen vor allem ins Auge zu fassen wäre, ist nach Wohl (4) das Methylglyoxal oder der Aldehyd der Brenztraubensäure CHg-CO-GHO zu nennen. Glucose würde 1 Äqu. Glyoxal und 1 Äqu. Glycerinaldehyd zu liefern haben. Leider ist es bisher weder gelungen Glyoxal in Gärungsflüssigkeiten nachzuweisen (5), noch auch selbst zu zeigen, daß Glyoxal von Hefe verarbeitet wird. Die letztere Frage ist vielmehr wiederholt in negativem Sinne beantwortet worden (6). Würde Brenztraubensäure als Zwischenprodukt entstehen, so könnte man an einen direkten Zerfall derselben auf fermentativem Wege in COg und CHg-COH durch das von Neuberg in Hefe nachgewiesene Enzym Carboxylase denken, sowie an die sekundäre Entstehung von Alkohol aus dem Aldehyd durch enzymatische Reduktion. Daß die Zymase ein Fermentkomplex ist, machen auch andere Gründe wahrscheinhch. Die Depolymerisierungshypothese von W. LÖB (7) nimmt gleichfalls die intermediäre Entstehung von Triosen an, an welche sich jedoch eine Spaltung in Glykolaldehyd und Formaldehyd anschüeßen soll, woraus Alkohol und COg hervorgehen. Diese Theorie betont besonders die physi- logische Parallele mit dem Polymerisierungsprozeß am Formaldehyd in der Kohlensäureassimilation. Im Wesen der Sache scheint mir jedoch diese Theorie sich nicht allzuweit von den oben referierten Ansichten zu entfernen. Die Ansicht von Kusserow (8), daß ein primärer Zerfall der Hexose in Hexit und Sauerstoff stattfinde, und der erstere bei der Gärung Alkohol, CO2 und Hg liefere, ist durch keinerlei Tatsachen gestützt. Für die polarimetrische Kontrolle des Zuckergehaltes gärender Flüssig- keiten ist es notwendig zu beachten, daß auch nach vollständiger Umwand- 1) Für Dioxyaceton: Bertkand, Ann. de China, et Phys., (8), 3, 181 (1904). Lebedew, Ann. Inst. Pasteur, 25, 847 (1911); Ber. Chem. Ges., 44, 2932 (1910); 45, 3256 (1912); Biochem. Ztsch., 46, 483 (1912). Buchner u. Meisenheimer, Ber. Chem. Ges., 43, 1773 (1910); 45, 1633 (1912); Verhandl. Ges. Naturf. Salzburg (1909), II, /, 51. Glycerinaldehyd: Büchner, Ber. Chem. Ges., 43, 1173 (1910). Lebe- dew, 1. c. A. Harden u. Young, Biochem. Ztsch., 40, 458 (1912). Negative Ergeb- nisse nur bei Slator, Ber. Chem. Ges., 45, 43 (1912). — 2) P. Boysen-Jensen, Ber. Botan. Ges., 26 a, 666 (1908). Diss. (Kopenhagen fHagerup] 1910). — 3) Karau- SCHANOW, Ber. Botan. Ges., 2p, 322 (1911). Fr. Chick, Biochem. Ztsch., 40, 479 (1912). Buchner, Ber. Chem. Ges., 45, 1635 (1912). H. Euler u. Fodor, Biochem. Ztsch., 36, 401 (1911). — 4) A. Wohl u. Nef, Lieb. Ann., 335, 254, 279 (1904). Wohl, Ztsch. angewandt. Chem., 20, 1169 (1907); Biochem. Ztsch., 5, 45 (1907). A. Fernbach, Woch.schr. f. Brauerei, 28, 573 (1912). Darstellung: J. Meisenheimer, Ber. Chem. Ges., 45, 2635 (1912). Reaktionen: Deniges, Bull. Soc. Chim. (4), 5, H (1909); Compt. rend., 148, 172, 282, 422 (1909); vgl. auch ebenda, p. 570. ^ 5) Buchner u. Meisenheimer, Ber. Chem. Ges., 43, 1773 (1910). — 6) Buchner, Ztsch. allgem. österr. Apoth.-Ver. (1909), p. 595 für Preßsaft; Ber. Chem. Ges., 39, 3201 (1906) für Acetondauerhefe. 1. Mayer, Biochem. Ztsch., 2, 435 (1907). — 7) W. LöB, Ztsch. f. Elektrochem., 13, 511 (1907); Biochem. Ztsch., 29, 311 (1910). — 8) R. Kusserow, Zentr. Bakt., 26, 184 (1910). 336 Siebenteß Kapitel: Die Resorption yon Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze- lung des gärungsfähigen Materials optisch aktive Stoffe verschiedener Art zurückbleiben (1). Bezüglich des Einflusses der Sauerstoffzufuhr auf den Fort- gang der Alkoholgärung durch Pilze, eine Frage, welche schon die älteren Physiologen, wie Colin, Saussure (2) und besonders Pasteur (3) lebhaft interessierte, können wir uns angesichts der wohlbegründeten Enzym- theorie des Gärungsvorganges darauf beschränken, hervorzuheben, daß für den Gärungsmechanismus selbst die Sauerstoffzufuhr irrelevant sein muß,, da ja die Zymase zu ihrer Tätigkeit oxydative Prozesse nicht braucht. Doch ist es natürlich eine andere Frage, ob nicht die Zymaseproduktion durch Lüftung des Substrates beeinflußt wird. Für die Hefe steht es durch vielfältige Untersuchungen fest, daß sie sowohl bei reichlichem Luftzutritte als auch bei vollkommenem Luftabschlüsse kräftige Gärung hervorrufen kann. Ebenso wissen wir durch Wehmer, daß die Mucor-Arten bei ungehindertem Luftzutritt ansehnliche Alkoholmengen formieren. Die bekannte Theorie Pasteurs, wonach Alkoholgärung mit Sauerstoffmangel in genetischem Zusammenhange s.tehe, trifft also auf Hefe nicht beweisbar zu, ist aber bei anderen Pilzen, z. B. Aspergillus, Penicillium ohne weiteres ex- perimentell beweisbar. Auch bei den höheren Pflanzen ist bekannthch die Alkoholbildung nur bei sehr beschränkter oder sistierter Sauerstoff- zufuhr nachzuweisen. Natürlich können auch bei Sauerstoff zufuhr Vor- gänge bei der Zuckerspaltung mitspielen, welche, obwohl sie nicht mit Alkoholbildung verbunden sind, doch chemisch mit der Alkoholgärung nahe verwandt sind. Trotz der essentiellen Unabhängigkeit der Alkohol- gärung von Sauerstoffzufuhr ist es a priori natürhch nicht ausgeschlossen,, daß Lüftung irgendeinen durch sekundäre Einflüsse hervorgerufenen Effekt auf die Alkoholgärung entfaltet. In der Tat haben verschiedene Autoren in neuerer Zeit nachgewiesen, daß man durch reichhche Lüftung das Wachs- tum, die Zellvermehrung der Hefe, günstig beeinflussen könne, wodurch ein gewisses Plus in den entwickelten Gärungsprodukten sich ergibt. Solche Bedingungen werden in den Versuchen von Nägeli, Brown, Korff, Nathan und Fuchs (4) und anderen Autoren maßgebend gewesen sein. Wenn andere Forscher wieder, wie Pedersen, Hansen, Giltay und Aberson, ferner Chudjakow (5) zu dem Ergebnis kamen, daß bei Luft- zutritt die Gärung gehemmt wird, so konnte dies an allerlei teilweise un- beachtet gebliebenen Versuchsbedingungen Hegen. In dieser Hinsicht ist es lehrreich, daß in Chudjakows Versuchen das behufs Durchlüftung vor- genommene Schütteln wahrscheinlich die Ursache der beobachteten Hem- mungseffekte gewesen ist (6). Wir werden uns angesichts dieser Sachlage 1) Vgl. C. Neüberg, Biochem. Ztsch., 24, 430 (1910). — 2) Colik, Ann. de Chim. et Phys. (2), jo, 42 (1825). Saussüre, Joum. prakt. Chem., 24, 47 (1841). — 3) L'. Pasteur, Compt. rend., 52, 1260 (1861); 70,2. 1260; fitudes sur la bifere^ p. 229. — 4) Nägeli, Theorie der Gärung (1879), p. 18. Bechamp, Compt. rend., 88, 430, 719 (1879). A. J. Browk, Joum. Chem. Soc. (1892), /, 369. G. Korff, Zentr. Bakt. II, 4, 465 (1898). L. Nathan u. Fuchs, Ztsch. ges. Brauwes., 2g, 226 (1906). — 5) R. Pedersen, Med. Carlsberg Labor., /, 72 (1878). E. Chr. Hansen, Ebenda, 2 (1881). E. Giltay u. J. H. Aberson, Jahrb. wiss. Botan., 26, 543 (1894). N. v. Chudjakow, Landw. Jahrb., 23, 391 (1894). — 6) Vgl. R. Rapp, Ber. Chem. Ges., 29, 1983 (1896). Buchner u. Rapp, Ztsch. Biol., 37, 82 (1899). Dies fällt mit den Beobachtungen von Horvath, Pflüg. Arch., 17, 125 und Ray, Compt. rend., 123, 907 (1896) über den hemmenden Einfluß von Erschütterungen zu- sammen. Stetige Bewegung der Flüssigkeit kann aber, v^enn sie nicht zu stark ist, nach Hansen, Med. Carlsberg, /, 271 und Delbrück, Dingl. polytechn. Journ., 263, 530 die Vermehrung der Hefe begünstigen. § 3. Die Alkoholgärung. 337 nicht wundern, wenn wieder andere Autoren keinen ausgesprochenen Effekt der Luftzufuhr auf die Hefegärung konstatieren konnten (1). In Hefekulturen mit großer Oberfläche (erstarrter Zuckergelatine) läßt sich nach Buchner und Rapp die Gärtätigkeit durch Begünstigung der Sauerstoffatmung nicht erhebhch herabdrücken, indem kaum ^/^ des konsumierten Zuckers durch vollständige Oxydation zerstört wird. Giltay und Aberson fanden bei reichhcher Durchlüftung 75%, bei Luftabschluß 90% des dargereichten Zuckers vergoren. Die Hefe nützt demnach auch bei Luftzutritt den Sauer- stoff nur sehr wenig aus und ist als ein der anaeroben Lebensweise hoch- gradig angepaßter Organismus zu betrachten. Die Hemmung der Hefegärung durch Gifte hat schon das Interesse älterer Autoren erregt (2). Liebig hatte gefunden (3), daß man die Gärung durch Chloroform ziemlich schnell aufheben kann, und auch Gl. Bernard (4) sah vorübergehende Sistierung der Hefegärung durch Chloroform. Duclaux (5) fand die Wirkung von Chloroform bei frischer Hefe ungleich schwächer als bei alter erschöpfter Hefe. Jedenfalls ist aber auch nach neueren Erfahrungen die Chloroformwirkung auf lebende Hefe eine sehr starke, was um so bemerkenswerter ist, als die Zymase im Preß- saft nach Duchacek (6) durch Narkotica relativ wenig beeinflußt wird. Fraktionierte Fällung mit Aceton vermindert nach Buchner (7) die Wirkung von Preßsaft stark, was man nicht allein durch den Wegfall der Koferment- wirkung erklären kann. Säuren wirken in geringer Konzentration entschieden fördernd auf die gärende Hefe, wobei man in der Praxis auch zu berücksichtigen hat, daß Bacterien in der Regel gegen Säure weniger resistent sind als Sproßpilze und so das Gedeihen der letzteren durch Beseitigung der Konkurrenz be- günstigt wird. Wilde Brauereihefen werden, wie Hansen (8) zeigte, durch Weinsäure gefördert, und manche Weinheferassen werden nach Lafar(9) durch Essigsäure verschieden stark affiziert. Milchsäure setzt man in der Praxis der Spiritusbrennerei zu, um die Hefe im Kampfe mit den Bacterien wirksam zu unterstützen. Die fördernde Wirkung tritt nach Hayduck(IO) bei 0,1—0,5% Milchsäure oder 0,02% H2SO4 hervor. Die Grenze der Gärung bei Anwesenheit von Säure haben Rosenblatt und Rozenband (11) für eine größere Anzahl inorganischer und organischer Säuren bestimmt. Die Werte hegen füi je 1 Mol HCl bei einer Verdünnung auf 5 1, H2SO4 bei 10 1, für PO4H3 bei 3 Mol auf 1 1, HNO3 bei 1 Mol auf 9 1, Oxalsäure bei 1 Mol auf 10 1, Essigsäure 1 Mol auf 2 1, Citronensäure 3 Mol auf 1 1 usw. Bei höherer Saccharosekonzentration ist übrigens die Resistenz der Hefe gegen Säure eine höhere (12). AlkaUen sind auf Hefen nach Bokorny in ähnhchen Kon- zentrationsverhältnissen schädhch wirksam wie die Säuren; 0,5% NaOH ist binnen 24 Stunden schädhch, 0,1% noch nicht, wohl aber binnen 5 Tagen. 1) Z. B.: IwANOWSKY, Betau. Zentr., 5^. 344 (1894). Büchner u. Kapp in Büchner, Zymasegärung (1903), p. 350. — 2) Vgl. T. A. Qüevenne, Jouro. de Pharm. (1838), p. 265. ß. Wagner, Journ. prakt. Chem., 45, 241 (1848) 3) Liebig, Sitz.bi pheQom. de la vie, /, 276. — 5) Düclaüx.. Microbioloeie, //, 491 (1900). — 6) Du 3) Liebig, Sitz.ber. München. Ak. (1869). — 4) Cl. Bernard, Legons sur les CHACEK, Biochem. Ztsch., j8, 211 (1909). — 7) Büchner u. Düchacek, Ebenda, /5. 221 (1909). — 8) Hansen, Ztsch. ges. Brauwes., 15, Nr. 1 (1892). — 9) F. Lafar, Laiidw. Jahrb. (1895), p. 445. Die günstige Wirkung schwacher Acidität auf Hefe ist schon Rousseau, Journ. prakt. Chem., 29, 267 (1843) bekannt gewesen. — 10) M. Hayduck, Ztsch. Rüben zuckerindu^str., 19, 231 (1882). — 11) M. RoSEN- BLATT u. Rozenband, Compt. rend., 149, 309 (1909); Ann, Inst. Pasteur, 24, 196 (1910). Vgl. auch Bokorny, Ztsch. Spiritusindustr. (1901). — 12) Rosenblatt, Compt. rend., 150, 1363 (1910). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. .S. Aufl. 22 338 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Die Einwirkung von Kalkmilch auf Hefen ist mehrfach als schädlich erkannt worden (1). Von sonstigen Wirkungen inorganischer Giftstoffe seien nur kurz erwähnt die stimulierende Wirkung von Arseniten und Arseniaten auf die Gärung (2), die gleiche Wirkung kleiner Mangandosen (3), die Wirkung von Schwerraetallen im Sinne einer Hemmung (4), die intensive hemmende Wirkung von Kupfer (5), Quecksilbersublimat und Gyankahum (6), Uran- verbindungen (7), die Hemmung durch Fluorid, wogegen Borsäure fast un- wirksam ist (8). Zinnchlorür gehört in kleinen Dosen zu den Stimulantien der Gärung (9). Von organischen Verbindungen kennt man Fettsäuren, und zwar Ameisensäure (10) und Essigsäure (11), als hemmende Stoffe. Für die Essigsäure läßt sich zeigen, daß die Wirkung viel stärker ist, als sie der Dis- soziationsstärke dieser Säure entsprechen würde und daß wahrscheinüch die unzersetzten Molekel der wirksame Faktor sind. SaUcylsäure wirkt schon in kleiner Menge als Stimulans (12). Oft untersucht ist ferner die Wirkung von Phenol, welches nach Duchacek die Wirkung von Preßsaft nur um 40% herabsetzt, wenn es in 0,5%iger Lösung angewendet wird, Benzoe- säure wirkt nicht sehr stark, Brenzcatechin gleichfalls wenig. Praktisch bemerkenswert ist die Gärungshemmung durch Tanninfarbstoffe von Früchten (13). Endhch seien erwähnt die eigentümhchen Förderungs- wirkungen, welche Dzierzbicki durch Humusstoffe bei Hefegärung be- obachtete (14), sowie die Hemmung, \velche Bourquelot bei Anwesenheit von Stoffwechselprodukten aus Schimmelpilzkulturen konstatierte (15). Wenig Einbück gewähren die Versuche über die Beeinflussung der Gärung durch andere Enzyme (16), indem die benützten Enzympräparate weit da- von entfernt sind, nur das zur Untersuchung gewünschte Enzym zu ent- halten und andere Reizstoffe und Hemmungsstoffe in vielen Fällen mit in Betracht kommen. Deswegen wirken viele Enzymlösungen auch nach dem Abkochen noch fördernd oder hemmend ein. Bei der Beurteilung der Beziehung zwischen Konzentration des an- gewendeten Hemmungsstoffes und des Effektes auf die Gärung hat man natürhch stets zu berücksichtigen, daß Anreicherung durch Adsorption in dem Gärungsmaterial in Rechnung zu stellen ist und diese Beziehung natur- gemäß keine ganz einfache sein kann (17). §4. Milchsäuregärung. Diese zweite wichtige mikrobische Zuckerspaltung war seit den ältesten Zeiten von der Säuerung der Milch her bekannt, und man lernte 1) Jägeb, Arbeit, kais. Gesundh.amt, 5, II. Steüber, Ztsch. ges. Brauwes., 19, 41. Knoesel, Zentr. Bakt. II, 8, 241 (1902). — 2) Zuletzt: Hardek u. Young, Proceed. Chem. Soc, 22, 283 (1906); Procfeed. Roy. See, 83, B, H51 (1911)'. - 3) E. Kayser u. Marchand, Compt. rend., 144, 574, 714 (1907); 152, 1279 (1911). — 4) L. Nathan, Zentr. Bakt. II, 14, 289 (1905); 75, Nr. 10/11; 16, Nr. 14 (1906). — 5) PuBVis u. WiLKS. Proceed. Cambridge Phil. Soc., 14; 361 (1908). H. Fiechter, Disa. (Basel 1875). Will, Ztsch. ges. Brauwes. (1893), p. 151; (1894), p. 53. — 6) H. Lange, Woch.schr. f. Brauerei, 24. 417 (1907) f. Zymasebildung. BiERNAC^i, Pflüg. Arch. (1891). Mann, Ann. lust. Pasteur, 8, 785 (1895). — 7) E. Kayser, Compt. rend., 755, 246 (1912). — 8) LtJHRiG u. Sartori, Pharm. Zentr. Halle, 49, 934 (1908). — 9) G. Gimel, Compt. rend., 147. 1324 (1908). — 10) Lühriq u Sartori, 1. c. — 11) F. Johannessohn, Biochem. Ztsch., 47, 97 (1912). — 12) G. Heinzelmann, Ztsch. Spiritusindustr. (1882), p. 458. H. Dreser, Arch. int. Pharm., 75, 365 (1906); f. Preßsaft Ddchacek, Biochem. Ztsch., 18, 211 (1909). — 13) P. Carles u. Niviere, Compt. rend., 725, 452 (1897). — 14) A. Dzierzbicki, Bull. Acad. Cracov. (1909), p. 651. — 15) Bourquelot u. Herissey, Soc. Biol. (1895), p. 632. — 16) S. Lwow, Ztsch. Gär.physiol., 7, 19 (1912). — 17) Vgl. A. Dorner, Ztsch. physiol. Chem., 81, 99 (1912). § 4. Milcheäuregärung. 339 auch das Gärungsprodukt, die Milchsäure, bereits in den ersten Tagen der wissenschaftlichen Chemie durch Scheele 1780 kennen. Die bei der Gärung von Rüben, Reis usw. auftretende Säure hatte Braconnot anfänglich als „acide nanc6ique" beschrieben, bis sie von Vogel (1) als mit der Milchsäure identisch erkannt wurde. Die Umwandlung des Rohrzuckers in Milchsäure nach Infektion mit keimender Gerste oder tierischen Membranen beschrieben 1840Boutron-Charland und Fr6my(2). Diese Forscher, deren Untersuchungen 1844 durch v. Blücher be- stätigt wurden, dürfen als die Entdecker der Milchsäuregärung des Zuckers betrachtet werden. Das Verdienst von Louis Pasteur(3) aber ist es die Ätiologie der Milchsäurebildung zuerst aufgehellt zu haben. Früher wurden z. B. von Blondeau(4) Sproßpilze als die Gärungg- erreger angesehen. Pasteur aber erhielt zuerst Stäbchenbacterien als Erreger von Milchsäuregärung. Die ersten Reinkulturen wurden aller- dings erst 1877 durch Lister (5) angelegt. Die Milchsäuregärung des Zuckers (6) ist im Pflanzenreiche ein typisch bacterieller Prozeß. Dabei ist es aber nicht ausgeschlossen, daß Milchsäure auch von Pilzen gebildet werden kann. Speziell für Mucorineen: Mucor Rouxii und Rhizopus chinensis liegen aus neuerer Zeit Angaben vor, welche die Milchsäurebildüng bei diesen Pilzen beweisen (7). Ja vielleicht kommt Milchsäure hier und da selbst bei Blütenpflanzen vor, denn nach Mo George (8) soll der Blättersaft von Agave Sisalana viel Milchsäure enthalten, und auch im Extrakt von Erythraea Centaurium ist Milchsäure nach einer Angabe enthalten (9). Es ist natürUch die Frage, ob wir es in allen diesen Fällen mit typischen Milchsäuregärungen zu tun haben, wie sie bei Bacterien vorkommen und wie sie ihr Seitenstück in der Milchsäure- bildung im tierischen Muskel und im Autolysengemisch aus tierischen Organen besitzen. Bei der Autolyse kann übrigens die Milchsäure nicht nur aus Kohlenhydraten, sondern auch aus Eiweißstoffen hervorgehen (10). Roberts (11) und Meissner (12) zeigten zuerst, daß in steriler Milch keine Gärung auftritt. Boutroux(13) und Pirotta(14) suchten sodann bestimmte Bacterienarten als Milchsäurebildner sicherzustellen. Van- DEVELDE (15) sah irrigerweise Bac. subtiUs als Bildner von Milch- und Butter- säure an. HuEPPE (16) war aber wohl der erste Forscher, welcher bosser 1) Vogel, Schweigg. Journ., 20, 425 (1817). Beaconnot, Ann. de Chira., 86, 84. — 2) Boutron-Charland u. E. Fremy, Corapt. rend., 12, 728 (1841); Ann. de Chim. et Phys. (3), 2, 257 (1841); Lieb. Aun., jp, 181 (1841). H. v. Blücher, Pogg. Ann., 63, 425 (1844). — 3) L. PasteüR, Compt. rend., 45, 913 (1857); 47, 224 (1858); 48, 337 (1858); 52, 344 (1861). — 4) Blondeau, Journ. Pharm, et Chim., 12, 244, 336 (1847). — 5) Lister, Quart. Journ. Micr. Scj., 13, 380 (1873); Pharm. Journ. Transact. (1877), p. 285. ~ 6) Zusammenfassende Übersichten in den zu Beginn von § 3 näher bezeichneten Handbüchern von Düclaux, Green- Windisch, Effront, Oppenheimer, sowie bei Weidmann in Lafurs Handb. d. techn. Mycol., //, 48. — 7) K. SAiTO,. Zentr. ßakt., 2g, 289 (1911). Calmette, Ann. Inst. Pasteur, 6, 605 (1892). Boullanger (1901) gab Milchsäurebildung durch Schimmelpilze von Rumexarten an. — 8) W. Mo George, Journ. Amer. Chem. Soc, 34, 1625 (1912). — 9) J. Habermann, Chem.-Ztg., 30, 40 (1906). — 10) R. TxJrkel, Biochem. Ztsch., 20, 431 (1909). K. Inouye u. Kondo, Ztsch. physiol. Chem., 54, 481 (1908). SsoBOLEW, Biochem. Ztsch., 47, 367 (1912). — 11) Roberts, Phil. Trans., 164, 465 (1874). — 12) Meissner, zit. bei Hüeppe, Mitteil. kais. Gesundh.amt, 2, 309 (1885). — 13) L. BoDTROUX, Compt. rend., 86, 605 (1878). — 14) R. Pirotta u. G. Ri- BONi, Just Jahtesber. (1879), /, 557. — 15) G. Vandevelde, Ztsch. physiol. Chem., 8, 367 (1884). Berichtigt von E. Büchner, Ebenda, p, 398. Bac. anthracis bildet jedoch wirklich Milchsäure: Napias, Ann. Inst. Pasteur (1900), Nr. 4. — 16) F. Hüeppe, Mitteil. kais. Gesundh.amt, 2, 309 (1885); auch H. G. Beyer, Med. News, 49, 511 (1886). Grotenfelt, Fortschr. Mediz. (1889), Nr. 4, p. 121. 22* 340 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. definierte Arten von Milchsäurebacterien isoliert hat. Die Anzahl der seit 1885 beschriebenen Milchsäuregärungsbacterien ist eine sehr bedeutende geworden und es ist nicht leicht, eine Übersicht über diese Formen zu ge- winnen (1). Zwei wichtige Formenreihen von Bacterien der Milch werden vertreten durch die Begriffe Bac. lactis aerogenes Escherich, welcher nach Kruse wesentUch mit dem HuEPPEschen Bac. acidi lactici zusammen- fällt, und Streptococcus lacticus, auch Bac. Guentheri genannt. Die erstere Form ist stark sauerstoffbedürftig und bildet Stäbchen, die zweite besteht aus kettenförmig geordneten rundüchen Zellen und ist fakultativ anaero- bisch. Das Bact. lactis acidi von Leichmann ist mit Streptococcus lacticus zu vereinigen. Ein verbreiteter Milchsäurebildner ist ferner Leichmanns Bac. Delbrückii (2). Praktisch wichtig und interessant ist der von Lindner (3) aufgefundene Pediococcus acidi lactici. Auf die in den verschiedenen Milch- säuregärungen, die bei der Konservierung von Nahrungsmitteln eine Rolle spielen, vorkommenden Bacterienformen kann hier unmöghch näher ein- gegangen werden und es darf auf die größeren Handbücher, in erster Linie Lafars Handbuch der technischen Mykologie verwiesen werden. Manche der hier vorkommenden Formen sind sicher identisch mit den oben an- geführten Hauptarten, andere, wie das Bact. Brassicae der Sauerkraut- gärung (4) oder Bac. bulgarieus im Yoghurt (5), Bac. Mazun (6), sollen besondere Formen darstellen. Im Gegensatze zur rechtsdrehenden Fleischmilchsäure oder Para- milchsäure, welche man aus tierischen Muskeln stets erhält, ist die bei der Milchsäurebildung aus Zucker durch Bacterien entstehende Milchsäure sehr oft optisch inaktiv. Erst Nencki und Sieber (7) fanden rechts- drehende Milchsäure als Produkt eines anaeroben Micrococcus. Später wies Schardinger (8) nach, daß die bis dahin unbekannt gewesene 1-Milch- säure als Stoffwechselprodukt des Bac. acidi laevolactici bei Rohrzucker- verarbeitung auftritt. Es können somit alle optischen Modifikationen der racemischen a-Oxypropionsäure oder Äthylidenmilchsäure: CH3^g^0H bei der bacteriellen Milchsäuregärung auftreten. Dies kann nur dadurch erklärt werden, daß primär optisch inaktive Milchsäure gebildet wird, und durch elektive Verarbeitung der Komponenten ein größerer Teil bald der einen, bald der anderen optisch aktiven Form verschwindet. Günther und Thierfelder wiesen bei spontaner Milchsäuerung öfters i-Milchsäure und d-Milchsäure gleichzeitig nach (9). Auch 1-Milchsäure und d-Miich- säure können gleichzeitig vorkommen (10). Ein von Frankland und 1) Vgl. Weigmann, 1. c. F. LöHNis, Zeiitr. Bakt. II, i8, 97 (1907); 22, 553 (1909). W. Kruse, Ebenda, I, 34, 737 (1903). Leichmann u. Bazabewski, Ebenda, II, 6, 245 (1900). BoNSKA, Koch Jahresber., 14, 340 (1903V Epstein, Arch. Hyg., 37, IV (1900). — 2) Vgl. Henneberg, Zentr. Bakt.'/j, 26Ö (1905). — 3) P. Lind- ner, Woch.schr. f. Brauerei (1887), p. 437. — 4) In. Grduer. Zentr. Bakt., 22, 555 (1909). C. Wehmer, Ber. Int. Kongreß angewandt. Chem. Berlin, VI, j, 712 (1903). — 5) G. Bertrand u. Duchacek, Compt rend., 148, 1338 (1909). Güerbet, Soc. Biol., 60, 650 (1906). — 6) Weigmann, Gruber u. Huss, Zentr. Bakt., ig, 70 (1907). Veränderlichkeit der Milchsäurebacterien: R. BüRRi, Zentr. Bakt. II, 23, 23 (1909); Ztsch. Unters. Nähr.- u. Genußmittel, 18, 449 (1909). — 7) Nencki u. Sieber, Monatsh. Chem., 10, 532 (1889). — 8) F. Schardinger, Ebenda, //, 545 (1890). — 9) C. GÜNTHER u. H. Thierfelder, Hyg. Rdsch., 4, 1105 (1895); Arch. Hyg., 25, 164 (1896). — 10) KozAi, Arch. Hyg., j/, 337 (1899). § 4. Milchsäuregärung. 341 Mc Gregor (1) kultiviertes Bacterium ließ aus i - milchsaurem Kalk d-Milchsäure übrig. Elektive Verarbeitung von Gärungsmilchsäure unter Rücklassung von d-Milchsäure wurde übrigens auch bei Penicillium glaucum durch Lev7kowitsch und Linossier festgestellt (2). Früher meinte man, daß allgemein bestimmte Milchsäuregärungs- erreger eine bestimmte Milchsäuremodifikation bilden, und auch aus neuerer Zeit liegen Angaben vor, wonach Bac. lactis aerogenes sehr die Bildung von 1-Milchsäure hervortreten lasse, während der Strept. lacticus d-Milchsäure in der Kulturflüssigkeit zur Ansammlung bringt (3). Für viele Fälle wird dies gewiß zutreffen. Doch kann man bei zahlreichen Formen sicher durch Variation der Zuckernahrung und der Stickstoffversorgung die Neigung zur Hinterlassung der einen oder der anderen optisch aktiven Milchsäure abändern. So fand P6re (4), daß Bact. coh aus dem Darm des Erwachsenen nur 1-Milchsäure gibt, während die gleiche Art aus Säughngsdarm je nach der Ernährung sowohl d- als 1-Säure liefern kann. Die rasch vergärenden Zucker geben d- Säure, die weniger rasch vergärenden, wie Invertzucker, Mannose, Galactose aber i-Milchsäure. Arabinose und Lactose ergeben 1- Säure. In Glucose-Peptonlösung hinterläßt coh d- Säure, in Glucose -{- Ammonsalz 1-Säure, in i-Calciumlactat + Ammonsalz ebenfalls 1-Milchsäure. Cholera- vibrio bildet nach Gosio (5) 1-Milchsäure, und viele andere Angaben lauten gleichfalls dahin, daß die Art der Milchsäure wechseln kann (6). Aus che- mischen Gründen ist es wahrscheinhch, daß in allen Fällen primär i-Milch- säure entsteht. Wenn eine oder die andere Komponente zurückbleibt, so haben wir hierfür eine Parallele in der Darstellung optisch-aktiver Milch- säuren aus i- Säure durch fraktionierte Krystalhsation der Lactate optisch aktiver Alkaloide, wie Morphin (7). Die Angabe Hilgers (8) aus älterer Zeit über die Bildung von ^-Oxy- propionsäure oder Äthylenmilchsäure bei Vergärung von Inosit durch Bacterien aus faulendem Käse ist unbestätigt gebheben. Man erhielt bei Wiederholung dieser Versuche nur Gärungsmilchsäure (9). Nachweis und Bestimmung der Milchsäure. Milchsäure gibt, wie Uffelmann(IO) zeigte, mit einer schwachblauen Mischung von Eisen- chlorid und Phenol einen grünen Farbenumschlag. Diese Reaktion wird zum Nachweise von Milchsäure im Magensaft häufig angewendet. Äthyl- alkokol gibt jedoch diese Reaktion ebenfalls, sowie auch verschiedene Oxysäuren. Uffelmanns Probe läßt sich statt mit Phenol auch mit 1) P. Frankland u. Mc Gregor, Trans. Chem. Soc. (1893). — 2) G. Li- nossier, Bull. Soc. Chim. (3), 5, 10 (1891). — 3) P. G. Heinemann, Journ. of Biol. Chem., 2, 603 (1907). — 4) A. Pere:, Soc. Biol. (1896), p. 446; Ann. Inst. Pasteur, 6, 512 (1892); 7, 737 (1893); u, 63 (1898). Auch Harden, Journ. Chem. Soc. (1901). E. Katser, Ann. Inst. Pasteur, 8, 737 (1894). — 5) B. Gosio, Arch. Hyg., 21, 114 (1894); 22, I (1894). — 6) Blachstein, Koch Jahresber. (1892), p. 80. KUPRIANOW, Arch. Hyg., 19, 282, 291 (1893). Täte, Journ. Chem. Soc. (1893), /, 1263. Grimbert, Ann. Inet. Pasteur, 10, >08 (1896). Für Bac. bulgaricus: Bertrand u. Duchacek, Compt. rend., 148, 1338 (1909). J. N. Currie, Journ. of Biol. Chem., 10, 201 (1911). — 7) Vgl. J. C. Irvine, Proceed. Chem. Soc, 22, 159 (1906); Journ. Chem. Soc., 8g, 935 (1906). Assymmetrische Synthese der Milch säure: A. Mc Kenzie, Journ. Chem. Soc, 87, 1373 (1905). Racemisierung der opt aktiv. Milchsäure bei Erhitzen: R. O. Herzog u. Slansky, Ztsch. physiol. Chem., 73, 240 (1911). — 8) HiLGER, Lieb. Ann., löo, 336 (1871). — 9) Vohl, Maly's Jahresber. Tierchem. (1876), p. 274. — 10) J. Uffelmann, Ztsch. klin. Med., 8, 392 (1884). G. Kelling, Ztsch. physiol. Chem., 18, 397 (1894). 342 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Salicylsäure anstellen (1). Behrens (2) schlug vor, die charakteristischen Sphärite des schwerlöslichen Yttriumlactates zum Milchsäurenachweis zu benützen. Man schüttelt die angesäuerte Probe mit Äther aus, dunstet den Äther ab, neutralisiert den Rückstand mit NHg und setzt etwas Yttriumsalzlösung zu. Vournasos (3) führt die Milchsäure mit Jod und Kalilauge in Jodoform über und weist letzteres durch die Isonitrilbildung mit Methylamin nach, wobei man nach Croner(4) statt Methylamin Anilin benützen kann, um das charakteristisch riechende Isocyanphenyl zu erhalten. Sonst sind noch als Erkennungsproben angewendet die Reduktion von Ammonmolybdat und Chromat (5); ferner die Spaltung mit H2SO4 unter Bildung von Acetaldehyd und der Nachweis des letzteren durch die Farbenreaktionen mit Nitroprussidnatrium und Piperidin, mit Guajacol oder mit Codein (6). Mit Alkali erhitzt gibt Milchsäure Glieder der Essigsäurereihe und höhere ungesättigte Fettsäuren (7). Wasserstoff- peroxyd verwandelt Milchsäure vollständig in Essigsäure (8). Die Isolierung der Milchsäure erfolgt gewöhnlich aus dem Alkohol- extrakt des Untersuchungsmateriales, indem man dieses eindunstet, sodann nach vorherigem Ansäuern mit Äther extrahiert, und die Herstellung des Zinksalzes aus dem ätherlöslichen Anteil vornimmt. In wässeriger Lösung ist das Zinksalz der d-Säure linksdrehend, das Zinksalz der 1-Milchsäure hingegen rechtsdrehend (9). Ferner hat man die Bildung von Acetaldehyd bei der Oxydation von Milchsäure und die quantitative Bestimmung des Aldehyds herangezogen (10). Im Licht zerfällt bekanntlich Milchsäure gleichfalls in Acetaldehyd und Kohlensäure, und auch Brenztraubensäure ist unter den Spaltungsprodukten. In allen Fällen läßt sich Acetaldehyd qualitativ leicht nachweisen, indem man als Reagens Filtrierpapierstreifen benützt, die erst mit 10% Nitroprussidnatrium getränkt und dann mit 5% Piperazin befeuchtet wurden. Acetaldehyd gibt damit eine blau- violette Färbung, die sonst nur noch mit Propionaldehyd erzielbar ist (11). Als Material der Milchsäuregärung sind allgemein die vier gärungs- fähigen Hexosen: Glucose, Fructose, Mannose und Galactose anzusehen, doch sind viele Fälle bekannt, in denen auch Hexite, wie Mannit, ferner Pentosen und Methylpentosen (Rhamnose) unter reichlicher Bildung von Milchsäure umgesetzt werden. Es scheint, als ob noch verschiedenartige Prozesse unter dem Begriffe der bacteriellen Milchsäuregärung zusammen- gefaßt würden. Dafür spricht auch der Umstand, daß die Milchsäuremikroben nicht wahllos Glucose, Mannit und Pentosen verarbeiten, sondern z. B. Bac. bulgaricus wohl Glucose und Galactose vergärt, nicht aber Mannit (12). 1) H. KtTHL, Pharm. Ztg., 55, 120 (1909). — 2) J. Behrens, zit. von Beijerinck, Zentr. Bakt. II, p, 21 (1902). — 3) A. Ch. Vournasos, Ztsch. an- gewandt, ehem., 75, 172 (1902). — 4) W. Croner u. Cronhekvi, Berlin, klin. Woch.schr., 42, 1080 (1905). W. Thomas, Ztsch. physiol. Cham., 50. 540 (1907). — 5) C. Reichard, Pharm. Zentr. Halle, 53, 1 (1912). — 6) R. 0. Herzog, Lieb. Ann., 35U 263 (1907). G. Deniges, Bull. Soc. Chim. (4), 5, 647 (1909). — 7) H. S. Raper, Journ, of Physiol., 32, 216 (1905). — 8) Effront, Compt. rend., 154, 1296 (1912). — 9) Vgl. u. a. S. Suzuki u. Hart, Journ. Amer. Chem. Soc, j/, 1364 (1909). — 10) 0. v. Fürth u. Charnas, Biochem. Ztsch., 26, 199 (1910). E. Jerusalem, Ebenda, 12, 361, 379 (1908). W. Sobolewa u. Zaleski, Ztsch. physiol. Chem., 6g, 441 (1910). J. Mondschein, Biochem. Ztsch., 42, 91, 105 (1912). — 11) D. Ganassini, Boll. Chim. Farm., 48, 785 (1909); Giern. Farm. Chim,, 6/, 540 (1912). — 12) Bertrand u. Duchacek, Compt. rend., 148, 1338 (1909); Biochem. Ztsch., 20, 100 (1909). § 4. Milchsäuregärung. 343 Glycerin wird gleichfalls von manchen Milchsäuremikroben verarbeitet. Die künstlich dargestellten Hexosen und höherwertigen Zucker sind bisher hinsichtlich ihrer Eignung noch nicht geprüft worden. Eine Zusammen- stellung der vergärbaren Substanzen hat Weigmann (1) verfaßt. Zahlreiche Angaben sind in den Arbeiten von Pere, Kayser, Grimbert (2) sowie be- züghch Bac. bulgaricus bei Bertrand und Duchacek enthalten. Aus der nachfolgenden Tabelle Kaysers geht hervor, welche Art von Milchsäure von dem betreffenden Bacterium aus den Kohlenhydraten gebildet wurde: i s = « g r « a -S SgS ^2| oa 3 'S» 3 -4iSa'"S.2u Arabinose in Seinewasser, Pepton Xylose, Pepton . . . Mannit, Malzkeiminfus Glucose, ,, Fructbse, „ Galactose, „ Maltose, Bierwürze . „ Peptonwasser Milchzucker, peptonisierte Milch ,, Malzkeiminfus Saccharose ,, Melezitose, Peptonwasser . Trehalose, ,, Stärke, Malzkeiminfus . 1 . 1 . 1 li+1 . 1 . 1 i i . 1 1 1 1 1 . 1 1 1 Bact. Bischleri (eine coü sehr ähnhche Form) verarbeitet nach Nencki(3) Glycerin zu i-Milchsäure, Bact. coli aber zu d-Säure. Ein Milchsäurebacillus von Benedix (4) verarbeitete unter Darreichung von Pankreaspulver Xylose leicht, etwas weniger gut Rhamnose, noch weniger gut Arabinose, gar nicht Saccharose. Ein Bacillus von reifen Birnen, welchen Täte (5) untersuchte, bildete aus Dextrose und Mannit 1-Milchsäure, aus Rhamnose i-Säure. Über die Milchsäurebacterien aus Brennereimaischen und Brau- produkten finden sich ferner Angaben bei Henneberg (6). Dies möge ge- nügen, um die obwaltenden hochgradigen Verschiedenheiten zu illustrieren. Nach Kayser werden im günstigsten Falle 95% des zugesetzten Zuckers in Milchsäure gespalten. Es finden sich jedoch bei den Milchsäure- gärungen alle möglichen Verhältnisse bezüglich der Milchsäuremenge, bis zu ganz geringen Mengen herab. Daneben treten als Gärungsprodukte auf: Äthylalkohol, Essigsäure, Bernsteinsäure, Ameisensäure, Aceton, ferner Kohlensäure; auch Wasserstoff und Methan wurden bei Milchsäuregärern gefunden, so beim Bacterium lactis aerogenes, nach Baginsky (7), welches aus Milchzucker Essigsäure, Aceton, COg, CH4, H2, etwas Milchsäure bilden 1) Weigmann, Lafars Handb., 2, 91. — 2) Pere, Soc. Biol. (1896), p. 446; Ann. Inst. Pasteur, 6, 512 (1892); 7, 737 (1893); 12, 63 (1898). E. Kayser, Ebenda, 8, 737 (1895). L. Grimbert, Ebenda, w, 708; Soc. Biol. (1896), p. 260. — 3) M. Nencki, Zentr. Bakt., 9, 304 (1891). — 4) E. Benedix, Zentr. Bakt. II, 6, 503 (1900). — 5) G. Täte, Journ. Chem. Soc. (1893), /, 1263. — 6) W. Henneberg, Woch.schr. Brauerei, 18, Nr. 30 (1901); Zentr. Bakt. II, 8, 184 (1902). — 7) A. Ba- ginsky, Ztsch. physiol. Chem., 12, 434; 13, 353 (1888). 344 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. soll. Es ist sehr schwierig, das Gebiet der Milchsäuregärung scharf abzu- grenzen. Zur Illustration des Stoffwechsels bei Mi Ichsäure gär ung mögen die Angaben von Grimbert(I) über den fakultativ anaeroben Friedländer- schen Pneumoniebacillus dienen, welcher auf vielen Nährböden 1-Milch- säure bildet. 100 g von: gaben als Stoffwechselprodukte: g Alkohol Essigsäure 1-Milchsäure Bernsteinsäure Traubenzucker . . . Spur 11,06 58,49 _ Galactose . 7,66 16,60 53,33 — Arabinose .... 36,13 49,93 — Saccharose .... Spur 29,53 43,50 wenig Maltose 35,53 wenig nicht »> bestimmbar Mannit . . 11,40 10,6 36,63 — Dulcit . . 29,33 9,46 — 21,63 Glycerin . 10,0 Spur und 11,82 27,32 Dextrin etwas höhere 1 10,13 13,96 Alkohole Kartoffeln Vorhanden, doch nicht bestimmbar nicht bestimmt Lactose in destill. ,, Wasser . 16,66 30,66 Spur 26,76 „ in 2% Pept. 15,0 19,53 ,, 30,73 in Salzlös. u .20/, Pept. 13,33 21,36 >> 23,16 Für eine Reihe von Produkten, die häufig bei Milchsäuregärung er- scheinen, wie Äthylalkohol, Ameisensäure, Essigsäure und Propionsäure, liegt die Möglichkeit sehr nahe, daß sie aus Milchsäure durch sekundäre Um- setzungen entstanden sind. Nach Raper (2) entstehen in der Tat bei der Behandlung von Calciumacetat mit fixem Alkah oder Magnesia Ameisen- säure, Essigsäure, Propionsäure, Butter- und Isobuttersäure und höhere ungesättigte Säuren. Manche Formen von Gärung lassen soviel Propion- säure entstehen, daß man von einer Propionsäuregärung gesprochen hat. Dies tut namentlich das von Freudenreich studierte Bact. acidi propionici aus Milch (3). Verbreitet ist die Bildung von Bernsteinsäure, bei der man nicht sagen kann, ob sie einem Umsätze von Zucker entstammt oder anderweitige Quellen hat. Man sondert sie in den Gärungsprodukten von der Milchsäure ab durch Herstellung der Barytsalze (4). Essigsäure soll nach Bartel (5) besonders unter ungünstigen Wachstumsbedingungen entstehen, doch sind gewiß auch spezifische Differenzen nicht ausgeschlossen, da von coH an- gegeben wird, daß er ein besserer Essigsäurebildner ist als Bac. typhi (6). Eine Form der Milchsäuregärung soll nach Draggendorff (7) Mannit 1) L. Grimbert, See. Biol. (1896), p. 192, 684. — 2) H. S. Raper, Journ. of Physiol.. 32, 216 (1905). — 3) E. v. Freudenreich u. O. Jensen, Zentr. Bakt. II, 17, 529 (1906). A. Wolff, Ebenda, 34, 494 (1912). — 4) Guerbet, Sog. Biol., 6o, 168 (1906). — 5) Bartel, Zentr. Bakt. II, 6, 417 (1900). — 6) F. Duchacek, Biochem. Zentr., 4, Nr. 1223. — 7) Draggendorff, Arch. Pharm., 12, 47 (1879). § 4. Milch Säuregärung. 345 liefern. Hinsichtlich der quantitativen Schwankungen der gebildeten Milch- säure sei auf die Untersuchungen von Schierbeck (1) verwiesen. Auch bezüghch der gebildeten gasförmigen Produkte herrschen große Verschiedenheiten, die teilweise sicher artspezifischer Natur sind. So bildet die Sammelart Bac. lactis aerogenes meist ziemhch reichhch Gas, während die Formen des Streptococcus lacticus sehr schwache Gasbildner sind. Den Hauptbestandteil des entwickelten Gases pflegt COg darzustellen; außer- dem wird Wasserstoff gebildet. Micrococcus Sornthalii von Adametz (2) bildet etwa ^j^ der produzierten Gase an COg und ^J^ an Hg. Bei Bact. coH amindohcum werden die beiden Gase nach Lembke (3) in dem Verhältnisse 3:5 formiert. Bact. coli anaerogenes bildet gar kein Gas. Obwohl es bisher nicht gelungen ist, aus Milchsäurebacterien einen auf Zucker im Sinne der Milchsäuregärung wirksargeji Preßsaft zu er- halten und mit dem zellfreien Preßsaft nach Analogie der Zymase Gärungsversuche anzustellen, so dürfte es doch als sicher betrachtet werden können, daß die Milchsäuregärung der Glucose ein enzymatischer Vorgang ist. Buchner und Meisenheimer(4) haben gleichzeitig mit ihren erfolglosen Versuchen, einen wirksamen Preßsaft aus den Bacterien zu gewinnen, Dauerpräparate durch die Acetonmethode aus Bacillus Delbrückii hergestellt, welehe imstande waren, Milchsäure aus Zucker zu bilden. Herzog hat gleichfalls über positive Versuche in dieser Richtung Mitteilung gemacht (5). Nur bei tierischen Organen gelingt es nach Stoklasa(6) Preßsäfte zu gewinnen, welche aus Zucker Milchsäure bilden. Durch Chloroform läßt sich an lebenden Bacterien geradesowenig die Milchsäuregärung von den übrigen Lebenserscheinungen trennen, wie es bei der Alkoholgärung möglich ist. Natürlich darf man dies nicht als ein Gegenargument gegen die Enzymtheorie der Milchsäuregärung benützen (7). Vielleicht ist auch die Beobachtung von Chassevant und Richet(8), wonach verdünnte Metallsalzlösungen die Vermehrung der Milchsäuremikroben schon sistieren, wo sie die Gärung noch gar nicht beeinflussen, für die Enzymtheorie mit ins Treffen zu führen. Das frag- liche Milchsäure bildende Enzym hat bereits verschiedene Namen er- halten: von Buchner als Lactacidase, von Stoklasa als Lactolase be- zeichnet, von Malvezin(9) wieder als Pastorase benannt, entbehrt es noch immer einer rationellen Benennung, wie sie der üblichen Enzym- nomenklatur entsprechen würde. Vielleicht wäre „Glucolactacidase" ein zutreffender Ausdruck. Da nach Embden(IO) im Tierkörper leicht aus Glycerinaldehyd und ebenso aus Dioxyaceton Milchsäure gebildet wird, und nach Oppen- heimer (11) der gleiche Vorgang durch Natronlauge erzielbar ist, so wäre daran zu denken, daß die Überführung der Glucose in Milchsäure auf dem Wege über Triosen erfolgt, aus denen Methylglyoxal und Milchsäure hervor- 1) N. P. Schierbeck, Arch. Hvg., j-S, 294 (1901). — 2) S. Adametz, Zentr. Bakt. II, /, 465 (1895). — 3) W. Lembke, Arch. Hyg., 27, 384 (1897). — 4) E. Buchner u. Meisenheimer, Lieb. Ann., 349, 125 (1906); Ber. Chera. Ges., 36, 634 (1903); 38, 621 (1904). — 5) R. O. Herzog, Ztsch. physiol. Chem., 37, 381 (1903); 49, 482 (1906). — 6) J. Stoklasa, Zentr. Physiol, 16, 713 (1903); Zentr. Bakt. II, 7j, 86 (1904); Ber. Botan. Ges., 22, 460 (1904). — 7) Dies tat Beijerinck, Arch. N^erland (2), 6, 212 (1901). — 8) Chassevant u. Richet, Compt. rend., 117, 673. — 9) Malvezin, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 22, 1064 (1905). — 10) G. Embden, Baldes u. Schmitz, Biochem. Ztsch., 4s, 108 (1912). — 11) M. Oppenheimek, Ebenda, p. 134. 346 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. geht. Mit der Bildung von Triose als Intermediärprodukt steht auch die Tatsache im Einklänge, daß primär wohl stets i-Milchsäure entsteht, so daß wir ein racemisches oder inaktives Produkt als die vorhergehende Spaltungs- stufe anzusehen haben (1). Für viele Milchsäurebacterien hegt die optimale Temperatur für den Gärungsprozeß bei 30—35°, doch hat Beijerinck (2) nach der hohen, mittleren und tiefen Lage des Temperaturoptimums drei Floren von Milch- säuregärungsbacterien unterscheiden können, die eine ganz charakteristische Zusammensetzung besitzen. Der Einfluß der Lüftung auf den Gärungs- prozeß ist ein sehr verschiedener, da es sich um Formen von differentem Sauerstoffbedürfnis handelt. Nach den vorhegenden Angaben dürfte ge- ringer Sauerstoffzutritt keinen besonderen Einfluß entwickeln, während reichhche Lüftung auf manche Formen sehr entschieden zu Ungunsten der Gärung einwirkt (3), und dieselbe sogar auf einen sehr geringen Betrag ein- schränken kann. In anderen Fällen hat die Lüftung wieder einen entschieden fördernden Einfluß (4). Über die Gärkraft der Bacterien mit Berücksichtigung der Leistung der einzelnen Zelle hat Rahn (5) interessante Untersuchungßn angestellt. In der Milchsäure erzeugen sich die Bacterien selbst einen Stoff, welcher ihr Wachstum bald in erhebüchem Maße einschränkt. Deshalb ist es geboten in Kulturen, die eine möghchst ausgiebige Milchsäurebildung erreichen sollen, geschlemmte Kreide als Zusatz zu verwenden. Zum Nachweise der Säure- bildung kann man nach Beijerincks Vorschlag (6) einem erstarrenden Nährboden feingeschlemmte Kreide zufügen und an der Aufhellung der Gelatine oder des Agars um die Kolonien herum die Säurebildung erkennen. In Milch wird immer mehr Säure gebildet als in Zuckerlösung, wahrschein- lich weil manche Milchbestandteile Säure binden (7). Nach Michaelis (8) vermag Bact. coh bis zu 1 • 10~^ H '-Ionen zu ertragen, und bildet bis zu dieser Grenze Milchsäure. Ein von Neumann (9) untersuchtes Bacterium aus Weiß- bier erzeugte als höchste Acidität an Milchsäure eine Menge, welche 3 ccm NaOH pro 100 ccm Kulturwürze entsprach bei 20—30". Hirschfeld (10) fand die Grenze der Säurehemmung entsprechend 0,01—0,02% HCl; 0,07% sistierte ganz. Andere Mikroben scheinen widerstandsfähiger zu sein (11). Über sonstige chemische Hemmungen und aktivierende Wirkungen ist bei der Milchsäuregärung noch nicht allzuviel bekannt. In erster Linie hat sich Richet (12) mit diesen Fragen befaßt, und insbesondere auf die starken Wirkungen von äußerst kleinen Dosen von Metallsalzen aufmerksam gemacht. Auch Chlorbaryum ist noch in sehr kleinen Mengen hemmend wirk- sam. Ferner ist die Wirkung von Radiumstrahlen von Richet geprüft worden. Hervorzuheben ist, daß die allerkleinsten Giftmengen nach Richet 1) R. O. Herzog u. Hörth, Ztsch. physiol. Chem., 6o, 131 (1909). — 2) Beijerinck, Arch. N^erland, /j, 356 (1908). Ältere Lit.: A. Meyeh, Maly's Jahresber. (1892), p. 598. Flügge, Ztsch. Hyg., /;, 300. Ch. Richet, Corapt. rend., 5.9, 750 (1879). Mac Donnell, Zentr. Bakt. II, 6, 120 (1900). — 3) G. KoESTLER, Zentr. Bakt. II, 19, 40, 236 (1907). — 4) A. Mayer, Koch Jahresber. (1891), p. 173. — 5) O. Rahn, Zentr. Bakt. II, j2, 193, 375 (1912); auch M. Grimm, Ebenda, p. 1. — 6) Beijerinck, Zentr. Bakt., p, 781 (1891). — 7) Timpe, Arch. Hyg., / gelang die Synthese von /9-Äthyl- galactosid durch Kefir lactase. Die Empfindlichkeit des Enzyms gegen Alkohol und Säuren berühren Angaben von Bokorny (9). Spaltung von Glucosiden ist für die saprophy tisch lebenden Bacterien und Pilze bei der großen Verbreitung solcher Stoffe zur Aus- nützung des in abgestorbenen Pflanzen enthaltenen Materials von großer Bedeutung. Dabei kommt es allerdings meist nur auf die Gewinnung des Glucosidzuckers an, da die Paarlinge gewöhnlich nur einen geringen Nährwert haben. Zweifellos werden bei Bacterien glucosidspaltende En- zyme sehr häufig produziert, wenngleich Erfahrungen hierüber erst in geringerer Zahl vorliegen. Fermi und Montesano(IO) fanden einige der von ihnen untersuchten Bacterien auf AmygdaUn wirksam ; bezüglich des Bäct. coli gehen die Meinungen auseinander (11), Typhusbacillen sollen Amygdalin und Arbutin nicht spalten. Dabei tat es nichts zur Sache, ob anderweitig Zucker geboten war oder nicht. Nach Hinkins(12) wird Triacetylglucose durch Bacterien gespalten. Besser untersucht sind die 1) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 27, 3479 (1894). Dienert, Compt. rend., 129, 63 (1899). — 2) E. Buchner u. MeisenBeimer, Ztsch. physiol. Chem., 40, 170 (1903), — 3) BoüRQUELOT u. Herissey, Compt. rend., /2/, 693 (1895); 137, 56 (1903); Journ. Pharm, et Chim. (1903). Armstrong, Proceed. Roy. Soc, 74, 188 (1904). — 4) Armstrong u. Horton, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 321 (1908). — 5) Armstrong u. Horton, 1. c. M. Stephenson, ßiochem. Journ., ö, 250 (1912). — 6) Pottevin, Ann. Inst. Pasteur, /;, 31 (1903). Lactasen in Pflanzen: Brachin, Journ. Pharm, et Chim. (1904). — 7) Porcher, Bull. Soc. Chim. (3), jj, 1285 (1905). — 8) BouRQUELOT u. Herissey, Compt. rend., 755, 1552 (1912). — 9) Bo- korny, Chem. Zentr. (1903), //, 1334. — 10) Permi u. Montesano, Zentr. Bakt, 15, 723 (1894). Gerard, Journ. Pharm, et Chim. (6), j. 233 (1896). — 11) Ing- hilleri, Zentr. Bakt., 75, 821 (1894). Gonnermann, Apoth.-Ztg., 21, 976 (1906); Pflüg. Arch., 77J, 168 (1906). Unwirksam ist ferner Bac. boocopricus: Emmerling, Ber. Chem. Ges , 29, 2726 (1896). — 12) J. E. Hinkins, Amer. Chem. Journ., 34, 164 (1905). 364 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Schimmelpilze in ihrem Verhalten zu Glucosiden, wo nach den über- einstimmenden Berichten einer Reihe von Forschern zweifellos viele Glucoside wie Salicin, Helicin, Coniferin, Amygdalin, Quercitrin, Arbutin, Saponin, Glycyrrhizin u. a. aufgespalten werden können (1). Doch sind die Fähigkeiten nicht gleich, so daß Allescheria wohl Amygdalin und Coniferin, nicht aber Salicin spaltet, wie Laborde zeigte. Bei Oidium fructigenum und Penicillium ist die Enzymproduktion nach Behrens nicht an die Gegenwart eines spaltbaren Glucosides gebunden. Nach Herissey wird bei Aspergillus die Enzymmenge umso geringer, je mehr sich der Pilz der Conidienreifung nähert. Das Enzym schwindet bei reichlicher Ernährung und tritt beim Hungern wieder auf (2). Mutter- korn enthält gleichfalls Amygdalin zerlegendes und CNH bildendes En- zym (3), ferner ebenso Coprinusarten (4). Glucosidspaltendes Enzym fand Bourquelot (5) auch in einer Reihe von baumbewohnenden Hutpilzen, wogegen es in Erdpilzen vermißt wurde. Kohnstamm (6) bestätigte das Vorkommen solcher Enzyme in baumparasitischen Pilzen, wo offenbar bei der Ausnützung der Zellraembranstoffe im Holze esterartige Kohlen- hydratbindungen (Hadromal-Celluloseester) zerstört werden müssen. Heut (7) fand ferner in Flechten glucosidspaltende Enzyme, und zwar soll Peltigera, auf Rinden wachsend, solches Enzym hervorbringen, während es bei Exemplaren vom Erdboden vermißt wird. Schließlich sind auch in Hefen glucosidspaltende Enzyme enthalten. Die Natur dieser Enzyme ist in vielen Fällen noch zweifelhaft. Gewöhn- hch spricht man von Emulsin, wobei es dahingestellt bleiben muß, ob diese Identifizierung gerechtfertigt ist, und zu beachten bleibt, daß der Emulsin- begriff nicht überall in derselben Bedeutung genommen wird. Das Enzym aus Polyporus sulfureus, welches Bourquelot (8) untersuchte, wirkt auf dieselben Glucoside ein, wie Aspergillusenzym: Amygdahn, Sahein, Coniferin, Ar- butin, Aesculin, Hehcin, Populin, Phloridzin werden gespalten, nicht aber das Solanin, Hesperidin, Convallamarin, Convolvulin und Lactose. Vom Mandelemulsin ist es dadurch verschieden, daß es etwas auf PopuUn und Phloridzin einwirkt. Man weiß natürhch nicht, ob man nicht ein Gemisch von mehreren Enzymen vor sich hat. In der Hefe scheint nach den Unter- suchungen von Henry und Auld, sowie von Guignard (9) wirkhch Emulsin vorhanden zu sein. Durch Hefe werden gespalten: das Amygdalin, und zwar vollständig unter Blausäurebildung, dann Mandelnitrilglucosid, Sahein, Arbutin, Phaseolunatin; dagegen nicht Digitahn, Quercitrin und Sinaibin. a-Methylglucosid fanden schon Fischer und Thierfelder durch Hefe spaltbar (10); das betreffende Enzym muß von Maltase und Inv3rtin ver- schieden sein, da dieses Glucosid, wie jetzt sicher feststeht, weder von Maltase noch von Invertin zu spalten ist. Im Gegensatze dazu wirkt Aspergillus kaum auf das a-Methylglucosid ein, während er /5-Glucosid leicht zerlegt (11). 1) Gerard, Soc. ßiol. (1893), p. 651. Bourquelot, Bull. Soc. Mycol. (1893), p. 230. Laborde, 1. c. Püriewitsch, Ber. Botan. Ges., i6, 368 (1898). J. Behrens, Zentr. Bakt. II, j, 577 (1897). Brukstein, Beihefte botan. Zeutr., lo, 1 (1901). — 2) Herissey, Thfese Paris (1899); Recherches sur TEmulsine, p. 33. — 3) L. Rosen- THALER, Apoth-Ztg, 25, 5 (1910). — 4) J. R. Weib, Flora, 103, 263 (1911). — 5) Bourquelot, Compt, rend., //;, 383 (1893); Bull. Soc. Mycol. (1894), p. 49. — 6) Ph. Kohnstamm, Beihefte botan. Zentr., w, 90 (1901). — 7) G. Heut, Arch. Pharm., 23p, 581 (1901). — 8) Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 121, 693 (1895). — 9) Th. A. Henry u. Auld, Proceed. Roy. Soc, 76, B. 568 (1905). Guignard, Bull. Sei. Pharm., 13, 75 (1906). — 10) E. Fischer u. Thierfelder, Ber. Cham. Ges., 27, 2031 (1894). — 11) A. W. Dox u. Neidig, ßiochem. Ztsch., 46, 397 (1912). § 7. Verarbeitung hochzusammengesetzter Kohlenhydrate. 355 Daß unter Umständen bei der Glucosidspaltung durch den lebenden Pilz andere Produkte entstehen, als bei der autolytischen Enzyn\spaltung, darf nicht überraschen, da sich sekundäre Zersetzungsvorgänge rasch an- schließen können. So fand Puriewitsch bei der Amygdahnverarbeitung durch Schimmelpilze keine Blausäure, sondern NHg gebildet. Bei Ghloro- formzusatz erscheinen hingegen wie sonst Benzaldehyd und CNH. Den glucosidspaltenden Enzymen wird auch die Hadromase anzu- reihen sein, welche nach meinen Befunden (1) bei holzbewohnenden Pilzen die verholzten Zellwände des Substrates zerlegt, unter Abspaltung von Ceilulose und des aldehydartigen Hadromals. Feines Holzpulver, mit dem Preßsaft von Meruhus und Toluol digeriert, gibt nach einiger Zeit Cellulosereaktionen und gestattet mit Äther viel Hadromal, kenntlich an der starken Reaktion mit Phloroglucin und HCl, auszuziehen. Die Verarbeitung der bekannten Trisacchariden, iu erster Linie der Raffinose, hat für die Bacterien und Pilze in der Natur wohl nie größere Bedeutung. Für einzelne Bacterien, \yie den FrIedländer- schen Pneumoniebacillus, sodann für Aspergillus niger, Monilia sitophila, ferner für manche Hefen ist es bekannt (2), daß sie Raffinose zu spalten vermögen, doch ist die Wirkung besonders bei den Hefen nur eine träge. Auch von Streptocokken wird durch Winslow(3) angegeben, daß Raf- finose minder gut als die Disaccharide verarbeitet wird. Deshalb ist es leicht möglich, daß kein besonderes Raffinose spaltendes Enzym im Spiele ist, sondern die Spaltung in Melibiose und Fructose, wie sie regelmäßig beobachtet wird, dem Invertin zuzuschreiben ist. Ein Melezitose hydrolysierendes Enzym wurde von Bourquelot in Aspergillus nachgewiesen (4), durch welches der Pilz die Spaltung dieses Tri- saccharids in Glucose und Turanose vollzieht. Die letztere vermag er jedoch nicht anzugreifen. Nach Tanret (5) soll Bierhefe auch Turanose sehr langsam zu Glucose aufspalten können. Milchsäurebacterien verarbeiten nach Kayser Melezitose vollständig unter Bildung von 1-Milchsäure (6). Die Gentianose wird nach Bourquelot durch die Enzyme von Aspergillus aufgespalten, und möghcherweise ist hierbei ebenfalls nur Invertin im Spiele (7). Sonst sind noch manche Lücken bezüghch der Kenntnisse von dem Ver- brauche zusammengesetzter Zuckerarten durch Bacterien und Pilze aus- zufüllen. Speziell über die Verarbeitung künstUch dargestellter Disaccharide hegen keine Angaben vor. §7. Verarbeitung hochzusammengesetzter Kohlenhydrate. Stärke wird Bacterien und Pilzen in der Natur so häufig dar- geboten, daß die Fähigkeit sich dieselbe als Nährmaterial durch amylo- 1) F. Czapek, Ber. Botan. Ges., /;, 166 (1899). — 2) Bourquelot, Journ. Pharm, et Chim. (6). j, 390 (1896). A. Bau, Chera.-Ztg.. i8, 1794 (1894); Ztsch. 8piritU8industr. (1894), Nr. 45; Woch.schr. f. Brauerei (1894), Nr. 43. C. Scheibler u. H. Mittelmeier, Ber. Chem. Ges., 22, 3118 (1889). Berthelot, Compt. rend., log, 548. D. Loiseaü, Ebenda, p. 614 (1889). Frankland, Stanley u. Frew, Journ. Chem. Soc. (1891), /, 253. K. Andrlik, Chem. Zentr. (1898), //, 1273. H. GiLLOT, Ebenda (1899), //, 129. P. Regensburger, Zentr. Bakt. II, 16, 289 (1906). — 3) C. E. A. WiNSLOW, Proc. Soc. Exp. Biol. New York, 9, 35 (1912). — 4) Bour- quelot u. HfeRissEY, Comp, rend., 123, 116 (1897); Journ. Pharm, et Chim., 4, 385 (1897). — 5) G. Tanret, Compt. rend., 142, 1424 (1906). — 6) E. Kayser, Ann. Inst. Pasteur, 8, 737 (1894). — 7) Bourquelot, Compt. rend., 126, 1045 (1898). 366 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. lytische Enzyme zugänglich zu machen von großer allgemeiner Be- deutung ist. Die Zersetzung der Stärke beim Stehen von Kleister an der Luft studierte Saussure (1) bereits 1819, freihch ohne die mikrobische Natur dieses Vorganges zu erkennen. Später wendeten Prillieux, Wortmann und Krabbe ihre Aufmerksamkeit den durch Bacterien verursachten Korro- sionen von Stärkekörnern zu und Wortmann isolierte bereits durch Alkohol- fällung eine Bakteriendiastase (2). Sodann haben besonders die Arbeiten von Fermi (3) dargetan, daß die Produktion von Diastase bei Bacterien ein sehr verbreitetes Vorkommnis ist. Man kann die Bacterien zum Nachweise des Enzyms entweder direkt auf Stärkeagar kultivieren, oder bringt eine Aufschwemmung der Mikroben mit Karbolstärkekleister zusammen, mit welchem sie längere Zeit digeriert werden (4). Kräftig diastatisch wirkende Bacterien wnrden auf Getreidekörnern gefunden (5), doch gehören hierher auch eine Reihe von tierpathogenen Formen wie Anthraxbacillen (6), Tuberkel- bacillen (7), Eiterstreptocokken (8), sodann viele- Milchsäm-ebildner (9) und auch anaerobe Buttersäuregärer (10), sowie Darmbacterien (1 1 ). Auch der Bac. Megatherium sowie der mit ihm verwandte Ahnitbacillus sind Diastase- bildner (12). Dazu kommen die typischen Bewohner stärkehaltiger Sub- strate, wie der Bac. prodigiosus und mesentericus u. a. m. Negative Erfolge bei Darreichung von Stärke ergaben sich u. a. bei Bact. coh (13), Eiterstaphylo- cokken, Pyocyaneus, Essigbacterien (14), Bac. booeopricus von Emmer- LING und Streptococcus mucosus (15). Nach Fermi fehlt die Diastasebildung auf eiweißfreiem Substrate, was wahrscheinlich als pathologische Erscheinung zu deuten ist. Zwei als Glucobacter proteolyticus und peptolyticus beschrie- bene Darmbacterien erzeugen nach Wollman(16) in Kartoffelkulturen Diastase, hingegen nicht in Agarkulturen. Manche Bacterien, wie Bact. tartricus und der FRiEDLÄNDERsche Pneumoniebacillus greifen zwar Dex- trine an, vermögen jedoch nicht Stärke aufzulösen (17), was man zugunsten der Ansicht verwerten kann, daß die Diastase kein einheitüches Enzym ist, sondern aus einer Amylase und einer Dextrinase zusammengesetzt ist. Auch verarbeitet nach Henneberg das Bact. oxydans wohl 1% Dextrin, aber keine Stärke. Von mehreren Seiten wurde berichtet, daß bei bacteriellem Stärkeabbau krystalUnische Polysaccharide vom Charakter der Dextrine auftreten. Dahin gehört offenbar das von Villiers(18) bei Bac. Amylobacter gefundene „Cellulosin", ein krystalünisches, rechtsdrehendes, nicht redu- 1) ÖAUSSURE, Ann. de Chim. et Phys. (2), //, 379 (1819). — 2) J. Wort- mann, Ztsch. phyeioi. Chem., 6, 287 (1882). E. Prillieux, Bull. Sog. Botan, (1879), p. 31, 187. Krabbe, Jahrb. wiss. Botan., 21, 58 (1890). Billings, Flora (1900), p. 288. — 3) Cl. Fermi, Zentr. Bakt., 12, 713 (1892). — 4) Fermi, 1. c. Eijkman, Ebenda, I, 2g, 841 (1901). Gottheil, Ebenda, II, 7, 463 (1901). E. de Kruyff, BuU. Dept. Agr. Ind. N6erl., 2, 1 (1906). — 5) Cavazzani, Zentr. Bakt., 13, 587 (1893). Marcano, Compt. rend. (1895). — 6) Maumüs, Soc Biol. (1893), p. 107. — 7) Cl. Fermi, Zentr. Bakt. I, 40, 187 (1906). — 8) E. Salomon, Ebenda, 47, 1 (1908). — 9) Hueppe, Mitteil. kais. Gesundh.amt, 2 (1884). Kayser, Ann. Inet PaBteur, 8, 737 (1894). — 10) Chudjakow, Zentr. Bakt. II, 3, 389 (1898). Schatten- froh u. Grassberger, Ebenda, II, 4, 69'^ (1899). — 11) Ch. ß. Schmidt, Schweiz. Woch.schr. Pharm., 49, 577 (1911). — 12) B. Heinze, Zentr. Bakt. II, 8, 553 (1902). — 13) Chantemesse u. Widal, Koch Jahresber. (1892), p. 80. Schmidt, Anna. 11. — 14) Henneberg, Zentr. Bakt. II, 4, 20 (1898). — 15) E. Salomon, Ebenda, I, 47, 1 (1908). — 16) E. WOLLMAN, Ann. Inst. Pasteur, 26, 610 (1912). — 17) Grim- BERT u. FiCQÜET, Soc. Biol. (1897), p. 962. Frankland, Stanley u. Frew, Journ. Chem. Soc. (1891), /, 253. — 18) A. Villiers, Compt. rend., 112, 433, 536; //j, 144 (1891). Amylobacter: Bbedemann, Zentr. Bakt., 23 (1909). § 7. Verarbeitung hochzusammengesetzter Kohlenhydrate, 367 zierendes Kohlenhydrat, welches in kleiner Menge von der genannten Mikrobe bei der Stärkeverarbeitung formiert wird. Sodann hat Schar- dinger(I) bei der Verarbeitung von Weizenstärke durch Bac. macerans krystalHsierbare dextrinartige Polysaccharide erhalten, welche rote Jod- reaktion geben und nach Pringsheim eine ringartige Struktur besitzen dürften, welche wohl auch in der Stärke selbst anzunehmen sein wird. Die sonstigen Stoffwechselprodukte bei der bacteriellen Stärkeverarbeitung sind im allgemeinen dieselben wie bei der direkten Zuckerdarreichung. Kurze Erwähnung mögen hier nur finden die Amylalkoholbildung aus Stärke durch Bac. amylozymicus von Perdrix (2), die Bildung von Butylalkohol und COg durch Beijerincks Granulobacter butyhcus (3), dann die Befunde von DuCLAUX (4) an Amylobacter butyhcus, welcher aus Stärke Essigsäure, Buttersäure, Propylalkohol, Butylalkohol, Äthylalkohol und etwas Aldehyd bildet. Ähnüch verhält sich Amylobacter aethyhcus. Mit großer Reserve ist die Angabe Fernbachs über die Bildung von Dioxyaceton durch Tyro- thrix tenuis aufzunehmen (5). Die Sproßpilze zeichnen sich nur selten durch stärkere Wirkung auf Amylum und Dextrine aus, und manche Erfahrungen stehen nicht mit einander im Einklang. Schizosaccharomyces Pombe wurde wegen seiner hervorragend starken Wirkung auf Dextrin geradezu als Dextrin vergärende Hefe bezeichnet (6). Beijerinck hebt die Dextrinverarbeitung besonders für Saccharomyces acetaethyhcus und Mycoderma sphaeromyces hervor (7). Nach Lindner (8) ist außer den beiden Schizosaccharomycesarten auch Moniha variabihs und Sachsia suaveolens als dextrin vergärend zu bezeichnen. Bei den Brauereihefen ist die Wirkung auf Dextrin zumindest nicht immer gleich. Von Brown und Morris (9) wird Amylodextrin als unverwendbar für S. cerevisiae bezeichnet. Hörmann gibt an, daß Sacch. Marxianus, eine Danziger Brauereihefe und Torula pulcherrima am besten wirkten (10). Ein krystalUsiertes Dextrin wird auch von Schizosacch. Pombe als Stoffwechsel- produkt angegeben. Diese Substanz bildet Sphärite, gibt keine Jodreaktion und wird durch Logoshefe angegriffen. Bei den übrigen Pilzen ist Stärkeverarbeitung und Diastasebildung ganz allgemein nachzuweisen; von den Myxomyceten angefangen, wo bei Fuügo varians schon von Wortmann Diastase nachgewiesen wurde, bis hinauf zu den baumparasitischen Hutpilzen, deren Mycel in allen Fällen Diastase führen dürfte (11). Jedoch scheinen nach Herzberg die Ustilago- arten keine Diastase zu bilden, und auch für die Oidiumarten haben Fermi und Schnell die Verarbeitung von Stärke nicht konstatieren können (12). Hormodendron hordei soll nach Bruhne gleichfalls keine Diastase erzeugen, bildet jedoch auf Dextrinnährboden Säure. Allescheria Gayoni wirkt sowohl auf Stärke als auf Dextrin ein, verarbeitet aber wohl das letztere besser. 1) F. SCHARDINQER, Zentr. Bakt., 22, 98(1908); 2g, 188(1911). H. Pkings- HEIM u. A. Lanqhans, Ber. Chem. Ges., 4s, 2533 (1912). — 2) L. Perdrix, Ann. Inst. Pasteur (1891), Nr. 5. — 3) Beijerinck, Rec. trav. Pays-Bas, 12, 141. — 4) E. DucLAUX, Ann. Inet. Pasteur, 9, 811 (1896). — 5) Fernbach, Compt. rend., 151, 1004 (1910). — 6) F. RoTHENBACH, Zentr. Bakt. II, 2, 395 (1896). — 7) Beijerinck, Ebenda, //, 68 (1892); II, /, 224 (1895). — 8) P. Lindner, Woch.schr. f. Brauerei, 27, 509 (1910); 28, 393, 541 (1911). — 9) Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc. (1889), p. 453. A. Meyer, Stärkekörner (1895), p. 48. — 10) P. Hörmann, Diss. (Münster 1907). Frühere Lit.: Morris u. Wells, Koch Jahresber. (1892), p. 120. Lintner, Ztsch. angewandt. Chem. (1892), p. 328. Medicus u. Immerheiser, Ztsch. »inalyt. Chem., jo, 665 (1892). E. Laurent, Koch Jahresber. (1890), p. 54. — 11) Hartig, Zersetz. Erschein, d. Holzes (1878), p. 23. Ph. Kohnstamm, Beihefte botan. Zentr., :o, 90 (1901). — 12) E. Schnell, Zentr. Bakt., ^s, 37 (19 12). 368 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Chlamydomucor Oryzae soll nach Prinsen Geerligs nur Dextrin und nicht Stärke verarbeiten. Die anderen Pilze zersetzen Stärke und Dextrin gleich- mäßig gut. Man kennt allerdings erst von gewissen Schimmelpilzen die amylo- lytischen Enzyme genauer. Aus Hutpilzen hat man wiederholt Diastase nachgewiesen (1), doch scheint nur die Untersuchung von Zellner über die Fermente holzbewohnender Pilze etwas näher auf die Sache einzugehen (2). Näher bekannt ist besonders die Aspergillusdiastase von niger, glaucus und besonders Oryzae, von der unter dem Namen „Takadiastase" ein halt- bares, gut wirksames Präparat im Handel ist, das übrigens eine ganze Reihe von anderen Enzymen enthält (3). Auch die Penicilhumarten verzuckern kräftig Stärke. Darunter ist nach Gosio (4) Pen. brevicaule, bei dem man phenolartige Stoffwechselprodukte des Stärkeabbaues für die Erregung der Pellagra verantworthch machen wollte. Ferner sind energische Stärke- verzehrer die Mucorineen, von denen außer den gewöhnhchen einheimischen Mucorarten M. Rouxii (der. früher als „Amylomyces Rouxii" bezeichnete Schimmelpilz), ferner M. Cambodja, M. alternans Erwähnung verdienen (5). Das gleiche gilt von Rhizopusarten (6). Das Mutterkornsclerotium ist gleich- falls diastasehaltig (7). Die Art der Diastaseproduktion ist bisher nur für Mucor durch Panta- NELLi und Bruschi (8) genauer verfolgt worden. Hier zeigt es sich, daß in der Kulturflüssigkeit zunächst ein Stärke verflüssigendes Enzym erscheint, welches wohl durch echte Sekretion in die Kulturflüssigkeit austritt. Später kommt reichhch Stärke verzuckerndes Enzym und dann auch Proamylase hinzu. Regulatorische Einflüsse scheinen sich auf Diastasebildung besonders häufig geltend zu machen. Pfeffer und Katz fanden zuerst (9), daß reichUche Zuckerdarreichung bei Schimmelpilzen und Bacterien die Diastasebildung hemmt. Schon in 1,5% Rohrzuckerlösung wird von Penicilüum Stärke nur sehr wenig konsumiert, und 10— 15% Saccharose unterdrückt die Diastase- bildung ganz. Traubenzucker, etwas weniger auch Maltose, haben denselben Effekt. Für Mucor gelten nach Pantanelli ähnliche Beziehungen. Katz zeigte auch, daß man durch Ausfällen der produzierten Diastase durch Tannin die Enzymbildung beträchtüch steigern kann. Die Stickstoffnahrung hat auf die Diastasebildung nach den Erfahrungen von Katz, Cavazzani und Fermi ebenfalls Einfluß auf die Diastasebildung, wenn auch die Angaben von Saito(10), daß bei Ernährung mit (NH4)2S04 auf stärkefreiem Substrate bei Asperg. Oryzae die Diastase ganz ausbleibt, durch die Untersuchungen 1) Z. B. für Lycoperdon bovista: J. Blanksma, Chem. Weekbl., lo, 96 (1913). — 2) J. Zellner. Monatsh. Chem., jo, 231 (1909). Boletus: Eüler, Ark. f. Kemi, /, 365 (1906). 'Polyporus: Buller, Ann. of Botany, 20, 51 C 1906). Coprinus: Weir, Flora, 103, 263 (1911). — 3) Aspergillus: Düclaux, Chimie biolog., p. 193, 195, 220. Atkinson, Proceed. Roy. Soc, 32, 299 (1881). Büsgen, Ber. Botan. Ges., 3, LXVI (1885). Kellner, Mori u. Nagaoka, Ztsch. physiol. Chem., 14, 297 (1889). Effront, Compt. rend., 115, 1324 (1892). Asp. batatae: Saito, Zentr. Bakt. II, 18, 30 (1907). — 4) Gosio, Botan. Zentr., 87, 131 (1901); Gaz. chim. ital., 23, 136 (1893). Pen. glaucum: GrÜss, Festschr. f. Schwendener (1899), p. 189. — 5) Amylomyces: Calmette, Ann. Inst. Pasteur, 6, 604 (1892). Sanguinetti, Ebenda, //, 264 (1897). Vuillemin, Botan. Zentr., 89, 688; 90, 159 (1902); E«v. Myco!., 24, 45 (1902). Cambodja: Chrzacz, Zentr. Bakt. II, 7, 326 (1901). Alter- nans: Gayon u. Dubourg, Ann. Inst. Pasteur, /, 532 (1887). — 6) Nakazawa, Zentr. Bakt., 24, 482 (1909). — 7) J. Schindelmeiser, Apöth.-Ztg., 24, 837 (1909). — 8) E. Pantanelli u. Bruschi, Ann. di Botan., 8, 133 (1910). — 9) Pfeffer, Ber. kgl. Sachs. Ges. (1897). J. Katz, Jahrb. wiss. Botan., j/, 599 (1898). — 10) K. Saito, Woch.schr. f. Brauerei, 27, 181 (1910); Zentr. Bakt, 17, 20 (1906). § 7. Verarbeitung hochzusammengesetzter Kohlenhydrate. 369 von Kita (1 ) dahin zu modifizieren sind, daß die Diastasebildung da nur eine Verminderung erleidet. Die chemischen Erfahrungen über Pilzdiastasen beziehen sich fast ausschließUch auf die Takadiastase aus dem japanischen Aspergillus Oryzae. Durch Aussalzen und Dialyse stellten Wroblewski und später Munter daraus reinere wirksame Präparate her (2), und Wohlgemuth (3) zeigte, daß diese Diastase sich durch große Resistenz gegen Säuren auszeichnet. °/io Essigsäure fördert, Alkalien hemmen, ebenso Alkaloide (4). Effront hat aktivierende Effekte von Asparagin, AI-Salzen, Phosphaten angegeben (5). Die Wirkung ist nach Takamine (6) innerhalb gewisser Grenzen der Enzym- menge proportional. Philoche hat weitere Versuche zur Kinetik dieser Enzymreaktion angestellt (7), Das Temperaturoptimum wird für Bakterien- diastasen zu 63® angegeben (8). Verarbeitung von Glykogen spielt eine große Rolle im Stoff- wechsel der Pilze, indem das Glykogen einen der wichtigsten Reserve- stoffe bei den niederen und höheren Gliedern dieser Pflanzengruppe darstellt. Leider sind die biochemischen Kenntnisse über die Modalitäten des Glykogenumsatzes noch sehr mangelhaft. Glykogenspaltende Enzyme, die im Tierreiche nachgewiesen sind (9), müssen auch hier, wie bei den Glykogen führenden Bacterien überall vorkommen. Im Hefepreßsaft verschwindet nach Buchner (10) das Glykogen rasch. Henneberg hat ein besonderes Glykogen lösendes Enzym der Hefe angenommen (11). Da nach den Erfahrungen von Koch und Hosaeus(12) Hefe in der Nähr- lösung enthaltenes Glykogen nicht vergärt, so dürfte die Glykogenase ein typisches Endoenzym sein, und auch das Glykogen nicht hinreichend in die Zellen eindringen. Heinze(13) hat die Resorption von Glykogen durch Aspergillus näher verfolgt. Vielleicht sind bei den pflanzlichen Glykogenasen die Wirkungssphären auf Stärke und Glykogen nicht so scharf getrennt, wie bei tierischen Enzymen, wo es nach Fischer in Kellerasseln ein Enzym gibt, welches gar nicht auf Stärke, wohl aber intensiv auf Glykogen wirkt, und das Pankreasferraent nach Philoche (14) auf Stärke und Glykogen gleich gut wirkt, während Malzdiastase Glykogen viel schwächer hydrolysiert. Bacterien spalten wohl meist Glykogen. Angegeben ist dies von Bact. coli, Bac. tuberculosis; Bact. oxydans und andere Essigbacterien verarbeiten jedoch nach Henneberq Glykogen nicht Die enzymatischen Abbauprodukte des Glykogens sind noch sehr wenig bekannt. Sie scheinen denjenigen der Stärkehydrolyse im ganzen analog zu sein, und tnan hat auch hier Achroodextrine, Isomaltose und Maltose als die entstehenden Intermediärprodukte angegeben (15). 1) Kita, Woch.schr. f. Brauerei, 29, 460 (1912). — 2) Wroblewski, Ber. Cham. Ges., j/, 1130 (1898). F. Munter, Landw. Jahresber., 39, Erg.-Bd. III, 298 (1910). — 3) J. WoHLGEMüTH, Biochem. Ztsch., 39, 324 (1912). — 4) P. E. Göbel. Diss. (St. Petersburg 1905). — 5) Effront, Corapt. rend., 115, 1324 (1892). — 6) Takamine, Journ. tioc. Chera. Ind., /;, 437 (1898). — 7) Ch. Philoche, Thfese de Paris (1908); Journ. de Cbini. phys., 6 (1908). — 8) Flügge, Mikroorganisnien (1896), /, 198. — 9) Z. B. W. Fischer, Hofmeisters Beitr., 3, 163 (1902). Wein- land u. Rittes, Ztsch. Biol., 43, 490 (1902). Neilson u. Terry, Zentr. Physiol. (1905), p. 532. — 10) Buchner u. Rapp, Ber. Chem. Ges., 31, 209 (1898). — 11) W. Henneberg, Zentr. Bakt. II, 13, 102 (1904). — 12) A. Koch u. Hosaeus, Zentr. Bakt., 12, 145. Laurent, Koch Jahresber. (1890), p. 54, ebenso Heinze, fanden hin- gegen Assimilation von Glykogen durch Hefe. — 13) ß. Heinze, Zentr. Bakt. II, 12, 180 (1904). — 14) Ch. Philoche, Sog. Biol., S9, 260 u.,263 (1905). — 15) Külz u. J. Vogel, Ztsch. Biol., 31, 108 (1894). Clautriau, Etüde chim. du Giycogfene chez les Champignons, Bruxelles (1895), p. 49. Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 24 370 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. Die Verarbeitung von Inulin wurde nur bei einigen Schimmel- pilzen näher studiert. Aspergillusarten, auch Rhizopus, pflegen Inuün leicht zu assimiheren (1 ). Ferner ist für Ustilago durch Grüss (2), sowie für Hormo- dendron hordei Verbrauch von Inuhn angegeben. Hingegen soll Hefe Inulin nicht vergären, wenn man nicht künstUch Inulin spaltendes Ferment hin- zufügt. Die von Tanret in Topinamburknollen als Begleitkohlenhydrate des Inulins aufgefundenen Stoffe Syjianthrin und Helianthin sollen von Hefe assimiherbar sein. Bourquelot (3) hat zuerst aus Aspergillus ein auf Inuhn wirksames Enzym gewonnen, welches sich mit Alkohol fällen heß und durch seine Temperaturresistenz von der Trehalase zu trennen war. BosELLi (4) fand, daß die Inulase unter allen Bedingungen produziert wird und leicht in die Kulturflüssigkeit diffundiert, während Dean (5) das Enzym nur in den Hyphenzellen als Endoenzym beobachten konnte. Inulase wirkt am besten in schwachsaurer Lösung, und ihr Aciditätsoptimum hegt um so tiefer, je höher die Temperatur gehalten wird. Bei Morchellamycel ist Frou (6) die Aufnahme von Inuhn und Amylum festzustellen gelungen. Zweifellos werden ferner viele Bacterien imstande sein Inuhn zu verarbeiten. Von den Essigbacterien gibt aber Henneberg an, daß sie 1% Inuhnlösung unberührt lassen, und ebenso konnte die von Pool (7) studierte Gärungssarcina Inuhn nicht assimilieren. Die Verarbeitung von Zellwaudkohlenhydraten durch Bacterien und Pilze spielt überall dort, wo sich, wie im Humusboden oder im Grundschlamm von Süßwasserbecken, Pflanzenreste reichlich ansammeln, in der Natur eine außerordentlich wichtige Rolle, und es gehören diese Prozesse zu den wichtigsten Teilerscheinungen der Huraus- bildung (8). Die verarbeiteten Stoffe sind sehr verschieden: es handelt sich einmal um leichter spaltbare Derivate von Pentosen und Hexosen, die man als Hemicellulosen zusammenzufassen pflegt, sodann um die Pectinsubstanzen, die schwerer spaltbare echte Cellulose, endlich um die verholzten, verkorkten und cuticularisierten Zellmembranen. Wir werden selbstredend hier überall die Mitwirkung von Enzymen zu erwarten haben, wenn diese Stoffe aufgeschlossen werden sollen. So wird aber auch ein jeder parasitischer Pilz, welcher in das Innere der Gewebe des Wirtes einzudringen hat, dies nur durch Vermittlung zellhautlösender Enzyme vermögen, außer der von ihm aufgebrachten mechanischen Arbeitsleistung beim Einbohren. Die zellhautlösenden, Enzyme kennt man erst ßehr unvollkommen. Immerhin kann man schon drei Gruppen unterscheiden. Die Cytase wirkt hauptsächlich auf Hemicellulosen, die Pectinase auf Pectinstoffe und die Cellulase auf die den Cytasen unzugängliche Cellulose der Zellmembranen. Auf Lösungsvorgänge an Zellmembranen durch Bacterien woirde 1850 Mitscherlich (9) zuerst aufmerksam, der die Auflösung der Zellwände bei faulenden Kartoffeln wahrnahm. Reinke und Berthold (1 0) bahnten 1) Saito, Zentr. Bakt. II, i8, 30 (1907). Hanzawa, Mycol. Zentr., /, 76 (1912). — 2) Grüss. ßer. Botan. Ges., 20, 213 (1902). — 3) E. Bourquelot, Compt. rend., 116, 826 u. 1143 (1893). — 4) J. Boselu, Ann. Inst. Pasteur, 25, 695 (1911). — 5) A. L. Dean, Botan. Gaz., 35, 24 (1903). — 6) G. Frou, Compt. rend., 140, 1187 (1905). — 7) J. F. A. Pool, Pharm. Weekbl., 44, 664 (1907). — 8) Vgl. u. a. O. Bail, Zentr. Bakt. II, 9, Nr. 13 — 18 (1902). — 9) Mitscherlich, Berlin. Ak. (1850), p. 102; Lieb. Ann., 75, 305 (1850). Er beobachtete auch bereits die Lösung der Reservecellulose bei der Getreidekeimung. — 10) Reinke u. Berthold, Zersetz, d. Kartoffeln durch PUze (1881). Später E. Kramer, Österr. landw. Zentr. (1891), p. 11. Wehmer, Ber. Botan. Ges., 16, 172 (1898); Zeutr. Bakt. II, 4, 694 (1898). § 7. Verarbeitung hochzusammengesetzter Kohlenhydrate. 371 1881 die richtige Erkenntnis des Vorganges durch die Feststellung an, daß bei diesem Prozesse Buttersäurebildner tätig sind. Gellulosegärungen wurden nun überall in ähnlicher Weise gefunden: im Dünger und Stroh durch Deherain und Gayon(I) und durch Tappeiner auch im Darm der Pflanzenfresser, wo das Auftreten von Methan und Wasserstoff nun auf die Cellulosezersetzung zurückgeführt wurde (2). Popoff hatte bereits 1875 die Sumpfgasgärung im Kloak^enschlamme mit den Zersetzungsprozessen im Darme verghchen (3). Wir wissen heute, daß in allen diesen Fällen Bac- terien die Gellulose zersetzen, im Coecum des Pferdes ebensowohl wie im Schlamme und Dünger. vanTieghem führte die Cellulosezersetzung auf seinen seither als Sammelart erkannten Bac. amylobacter zurück, dessen Natur als Buttersäurebildner durch van Tieghem und Prazmowski erkannt worden ist (4). Die ersten umfassenden chemischen Untersuchungen über den Vorgang der Cellulosegärung verdankt man Hoppe-Seyler (5). In einem Gemenge von Flußschlamm oder Erde und sterihsiertem Filtrier- papier mit sterihsiertem Wasser wurden in 4 Jahren 15 g Gellulose zersetzt. Die Gärungsprodukte waren neben unwesentUchen Mengen organischer Zer- setzungsstoffe GO2 und Methan. Zucker war nicht nachzuweisen, vielleicht waren aber dextrinartige Stoffe vorhanden. Luftzutritt war zu diesem Prozesse nicht notwendig. Bei Lüftung entstand mehr GO2 und weniger GH 4. Hoppe- Seyler stellte die Ansicht auf, daß die Gellulose zunächst in Glucose über- geführt wird und diese nach dem Schema G^Hij^^s = ^^^2 + ^^^4 die erwähnten Endprodukte gibt (6). Ob vielleicht Essigsäure als Intermediär- produkt entsteht und diese nach der Gleichung GaH402 = GOg + GH4 zerfällt, wurde unentschieden gelassen. VAN Senus (7) war der erste Forscher, welcher daran dachte, daß die Mittellamelle der Zellhaut durch Bacterien auch allein oder wenigstens zuerst angegriffen werden könne, womit man das Zerfallen der Gewebe bei der Zersetzung in Zusammenhang bringen kann. Er faßte die anaerobe Zersetzung der Mittellamellensubstanz als Buttersäuregärung auf und gab als die entstehenden Produkte GOg, GH4, Hg, Butter- und Essigsäure, Spuren höherer Fettsäuren, Alkohol und Aldehyd an. Ferner ist durch van Senus die erste Angabe über ein isoherbares Enzym, welches Zellmembranen ver- ändert, gehefert worden. Er fällte die Kultur flüssigkeit der Bacterien mit Alkohol und löste den Niederschlag in Wasser; die erhaltene Lösung brachte die Zellwände von Bohnenkeimblättern zur Quellung und Lösung. Wir nennen diese Enzyme Gytasen. Die eigentüche Gellulosegärung hat sodann besonders Omelianski (8) in umfassender Weise studiert. Er stellte zunächst fest, daß der 1865 durch Trecul beschriebene und von van Tieghem mit der Gellulosezersetzung in Verbindung gebrachte Bac. amylobacter nur eme Sammelart ist und nichts 1) Deherain u. Gayon, Compt. rend., 98. Hubert, Ebenda, 115, 1321 (1892). — 2) H. Tappeiner, ßer. Chem. Ges., 14, 2375 (1881); 15, 999 (1882); 16, 1734 (1883); Ztsch. physiol. Chem., 6, 482 (1882); Ztsch. Biol., 24, 105 (1887). A. Scheu- NERT, Ztsch. physiol. Chem., 48, 9 (1906). H. v. Hoesslin u. Lesser, Ztsch. Biol., 54, 47 (1910). — 3) B. Popoff, Pflüg. Arch., 10, 113 (1875). — 4) Ph. van Tieghem, Bull. Soc. Botan. (1879), p. 25; Compt. rend., 88, 25; 8g, 5 (1879). Prazmowski, Botan. Ztg. (1879), p. 409. — 5) Hoppe-Seyler, Ber. Chem. Ges., 16, 122 (1883); Ztsch. physiol. Chem., /o, 201 u. 401 (1886); //, 257 (1887). — 6) J. Boehm, Ber. Chem. Ges., 8, 634 (1875). — 7) A. H. van Senus, Koch Jahresber. (1890) p. 136. Auch Krabbe, Jahrb^ wiss. Botan., 21 (1890). — 8) W. Omelianski, Compt. rend., 121, 653 (1895); 125, 970 u. 1131 (1897); Zentr. Bakt. II, 8, 193 (1902); Arch. Sei. biol., 7, 411; p, Nr. 3 (1900); 12, Nr. 2 (1905); Zentr. Bakt. II, ;/, 370 u. 703 (1903); 15, 673 (1906); 36, 339 (1912); Lafars Handb., j, 425. Maze, Koch Jahresber., 14, 457 (1903). 24* 372 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. mit der echten Cellulosegärung zu tun hat. Hingegen war ein aus Newa- schlamm isolierter anaerober dünner Bacillus auf Cellulose sehr wirksam. Zugleich stellte sich heraus, daß der Prozeß nicht einheitlich ist, sondern aus zwei Teilvorgängen besteht. Der eine Vorgang entwickelt reichlich Methan und wurde als Methangärung bezeichnet. Diese tritt nur ein, wenn man für eine rasche Entfernung der gebildeten Säure Sorge trägt und formiert außer CH4 noch CO2, viel Essigsäure und wenig Buttersäure. Wahrschein hch ist die Essigsäure hier als Intermediärprodukt aufzufassen. Der zweite Prozeß wurde als Wasserstoffgärung bezeichnet. Er bildet wechselnde Mengen COg, Hg, Essigsäure, Buttersäure, Valeriansäure und eine Spur Ameisensäure. Die Bacillen beider. Gärungen sind einander sehr ähnüch. Sie haben endständige Sporen, die Wasserstoffgärungsmikrobe gibt Blaufärbung mit Jod, die andere nicht. Durch kurzdauerndes Erhitzen des Impfmateriales konnte Omelianski die Vorgänge der Wasserstoff- und der Methanvergärung trennen, indem die Inkubationszeit beider Gärungen verschieden lang ist. Die Methangärung scheint nicht auf Cellulose beschränkt zu sein, sondern kommt auch bei Pentosanen vor und ferner auch bei proteinartigen Materiahen, wie Leim und Wolle. WahrscheinUch ist nur die Essigsäurebildung eine Vorbedingung. Nach Söhngen (1) werden übrigens auch die Kalksalze der höheren GUeder der Essigsäurereihe bis Calciumcaprinat von Bacterien unter Bildung von GH 4, GOg und CaGOg gespalten, vorausgesetzt, daß sie eine gerade Zahl von C-Atomen haben. Es gibt aber offenbar auch eine Menge von aeroben Vorgängen, bei denen Cellulose durch Bacterien umgesetzt wird. Für denitrifizierende Formen hat dies zuerst van Iterson (2) beobachtet; es scheinen sodann auch die stickstoffixierenden Bacterien des Erdbodens, wie Azotobacter, an solchen Prozessen beteiligt zu sein (3), sowie noch andere Bodenbac- terien (4). Nach Kroulik (5) sind thermophile, Cellulose verarbeitende Bac- terien mit einem Temperaturoptimum von 60—65® C in Mistbeeterde usw. sehr verbreitet. Darunter befinden sich aerobe und anaerobe Formen. Die produzierten Gase bestehen aus COg und Hg; Methan fehlt. Auch Wasserbacterien gehören hierher, wie die von Merker (6) beschriebenen auf Elodeablättern peu'asitisch lebenden Microcokkenformen. Die chemische Natur dieser Vorgänge ist offenbar zunächst immer die Hydrolyse der Cellulose zu Glucose und die sekundäre' Weiterverarbeitung des Zuckers zu den charakteristischen Produkten. Doch ist Zucker erst in wenigen Fällen gefunden. Nach Pringsheim entsteht nachweislich Cellobiose, die man auch beim künstlichen Celluloseabbau als Zwischen- produkt erhalten hat. Enzympräparate wurden in neuerer Zeit aus cellulose- lösenden Bacterien nicht dargestellt. Es ist wahrscheinhch, daß mindestens zwei Enzyme mitwirken, von denen das eine die Cellobiose spaltende Cellase ist, die Cellobiose ihrerseits jedoch durch ein anderes Enzym formiert wird. Die Untersuchungen über Cytasen worden von Winogradsky und Fribes weiter geführt (7), welche aus der Flachsröste einen aeroben Spalt- 1) N. L. SÖHNGEN, Di88. Dslft (Juli 1906). — 2) C. van Iterson jun., Zentr. Bakt., //, 689 (1904); Akad. Amsterdam (1903), p. 807. ' H. Pringsheim, Ztsch. physiol. Chem., 78, 282 (1912). — 3) H. Pringsheim, Zentr. Bakt., 23, 300 (1909); 26, 222 (1910). A. Koch, Ebenda, 27, 1 (1910). - 4) Christensen, Ebenda, 27, 449 (1910). Kellerman u. Mac Beth, Ebenda, 34, 63 u. 485 (1912). — 5) A. Kroulik, Zentr. Bakt. II, jö, 339 (1912). — 6) E. Merker, Ebenda, j/, 578 (1911). Darrabacterien : Distaso, Sog. Biol., 70, 995 (1911). Porchek, Ebenda (1910), p. 150. — 7) S. Winogradpky u. V. Fribes, Compt. rend., 121, 742 (1895). L. M ARMIER, Miscellan^s biol. död. au Prof. Giard (1899), p. 440. § 7. Verarbeitung hochzusaminengesetzter Kohlenhydrate. 373 pilz isolierten, der Cellulose oder arabisches Gummi nicht angreift, jedoch die Pectinstoffe der Mittellamelle rasch löst. Solche auf Pectinstoffe wirk- same Mikroben entdeckte sodann auch Behrens (1) bei der Wasserröste des Hanfes und Beijerinck und van Delden bei der Leinröste (2). Diese Bacterien müssen über ein Enzym verfügen, welches Pectin hydrolysiert. Behrens hat solche Enzyme unter dem Namen Pec tos in äsen zusammen- gefaßt. Der Granulobacter peotinivorus der Leinröste verzuckert zunächst das Pectin und erzeugt sekundär Wasserstoff, COj und Buttersäure. Hin- gegen bildet nach Schardinger (3) der Bac. macerans bei Pectingärung Alkohol, Ameisensäure, Essigsäure und Aceton in größerer Menge. Pectin- verzehrende Bacterienformen dürften auch verschiedene Parasiten sein, welche Bacterienfäule in fleischigen Pflanzenorganen erzeugen. Dahin wird Bac. carotovorus gehören, welcher nach Harding und Morse (4) in der Tat eine Pectosinase isolieren läßt, ferner die von Foster und Potter von Rüben angegebene Pseudomonas destructans, wo allerdings bei der Pectin- zersetzung auch Oxalsäure als Lösungsmittel des Calciumpectats mitwirken soll (5). EndUch wird der von Rossi (6) beschriebene Bac. Comesii, welcher lebende Pisumstengel in Wasser maceriert, zu den Pectingärungsbacterien gehören. Eine Reihe von Bacterien wirkt endlich spezifisch auf die leichter hydrolysierbaren Pentosane und Mannane aus Zellhäuten ein, die man zu- sammen meist als Hemicellulosen bezeichnet. Daß es solche Bacterien gibt, hat schon Hoppe-Seyler (7) durch die bacterielle Vergärung von Xylan (Holzgumrai) mit Flußschlamm bewiesen. Auch werden bei der Bier- gärung nach Tollens (8) die Pentosane zum größten Teile durch Bacterien verarbeitet. Der Bac. macerans von Schardinger erzeugt bei einer Zwet- schengärung Rückgang der Pentosanmenge. Nach den Erfahrungen an tierischen Verdauungssekreten dürfte bei der Verarbeitung der Pentosane eine besondere Xylanase als wirksames Enzym in Frage kommen (9). Die von Mannose dcrivierten Hemicellulosen oder Mannane werden an- scheinend von Bacterien häufig verarbeitet. So fand Sav/amura (1 0) das Mannan aus Hydrangeasamen und den ArnorphophallusknoUen durch Bac. mesentericus leicht verflüssigt, und PRiNGsnElM(ll) sah, daß Steinnußspäne, deren Hauptbestandteil ein Mannan ist, durch Bacterien angegriffen werden, wobei ein Trisaccharid, Trimannose, als Intermediärprodukt beobachtet wurde; hingegen ist keine Mikrobe angegeben, welche Galactan angreifen würde. In die Nähe dieser Cytasevsdrkungen ist wohl die Verflüssigung von Agargallerte zu stellen, die bei Bacterien nicht zu selten festgestellt wurde (12). Die von Gran beobachteten Bacterien entstammten dem Seewasser, während 1) J. Behrens, Zentr. Bakt II, 8 (1912); w, 524 (1903). Lafars Handb., j, 269 (1905). Stöemer, Zentr. Bakt., /j, 35 (1904). — 2) Beijerinck u. A. van Delden, Arch. N^erland (2), g, Alh (1905). — 3) F. Schardinger, Zentr. Bakt. II, 14, Nr. 25 (1905); 19, 161 (1907). — 4) H. A. Harding, Morse u. Jones, New York Agr, Exp. Stat. (1909), Nr. 11. Jones, Zentr. Bakt. II, 14, 257 (1905). — 5) C. Potter u. Foster, Zentr. Bakt. II, 7, 355 (1901). — 6) G. Rossi u. de Grazia, Ebenda, 15, 212 (1905); 21, 434 (1908). Für Bac. mesentericus: Vignal, Soc. Biol. (26. Mai 1888). — 7) Hoppe-Seyler, Ztsch. pliyeiol. Chem., 13, 82 (1889). — 8) Tollens, Koch Jahrceber. (1898), p. 281. — 9) Im Schneckendarrasaft: G. Seillere, Soc. Biol., 58, 20, 409, 640 (1905). Pacadt, Ebenda, r 29. Seillere, Compt. reud., 14h 1048 (1906). — 10) Sawamüra, Agric. Coli, ifokyo (1902), p. 259. Uyeda, Chem. Zentr. (1906), /, 1757. — 11) H. Pringsheim, Ztsch. physioi. Chem., 80, 370 (1912). — 12) H. Gran, Borgens Museums Aarbog (1902), Nr. 2. W. Biernacki, Zentr. Bakt, II, 2g. 166 (1911). H. Prinqsheim, Ebenda, 26, 222 (1910). 374 Siebentes Kapitel: Die Resorption von Zucker u. Kohlenhydraten durch Pilze. der Bac. Nenckii von Biernacki auf Malagatrauben gefunden wurde. In- teressant ist die Wirkung von Azotobacter auf Agar in den Beobachtungen von Pringsheim. Gran nannte das hierbei in Betracht kommende Enzym, dessen Wirkung auch vom Leben der Mikroben getrennt sichergestellt wurde, Gelase. Die Wirkungen der Bacterien auf Holz sind nach den vorhegenden Mitteilungen, die noch sehr unzureichend sind, nicht sehr merkhch, doch werden sich wohl noch bessere Beispiele für die bacterielle Holzzersetzung auffinden lassen (1). Das Chitin, welches als Membranstoff der Pilze im Pflanzenreich bedeutungsvoll ist, wird nach Benecke (2) durch ein Meer- wasserbacterium, Bac. chitinovorus, das aber auch auf faulenden Hutpilzen vorzukommen scheint, gelöst und zersetzt. Bemerkt sei, daß durchaus nicht alle Buttersäurebildner Cellulose verarbeiten. Die Wärmetönung aller dieser Zersetzungsprozesse ist relativ sehr gering (3). Bei den höheren Pilzen sowohl saprophytischer als parasitischer Lebens- weise beobachtete man lösende Wirkungen auf Zellhäute infolge der Pro- duktion zellhautlösender Enzyme sehr häufig. Auch hier hat man zwischen Cellulasen, Cytasen und Pectosinasen zu unterscheiden. Cytase ist be- sonders häufig aufzufinden. De Bary (4) machte zuerst darauf aufmerksam, daß die auf vielen Gartenpflanzen parasitisch lebende Sclerotinia Libertiana (Peziza sclerotiorum) so reichUch Cytase erzeugt, daß der Preßsaft aus in- fizierten Rüben deuthch die Zellwände von Fabasaraen auflöst. Das Sclero- tiniaenzym läßt sich aus dem Glycerinauszuge von erkrankten Geweben mit Alkohol fällen. Besonders die Mittellamellen, wie es bei der Wirkung parasitischer Pilze die Regel ist, werden von dieser Cytase sehr energisch angegriffen. Später gelang es M. Ward (5), aus einer auf Lilium schma- rotzenden Botrytis gleichfalls eine wirksame Cytaselösung darzustellen, und diese Tatsachen haben sich in neuerer Zeit so sehr gemehrt, daß man Cytase, die auf Mittellamellen und Reservecellulose von Samen wirkt, zu den allgemeinsten Pilzenzymen zu rechnen hat. Ein sehr wirksames cyta- tisches Enzym ist in der Takadiastase aus Aspergillus Oryzae enthalten (6), und andere Aspergillus- und PenicilHumarten wirken in der gleichen Weise (7). Sodann sind solche Enzyme vielfach in Mucorineen: Mucor und Rhizopus, nachgewiesen (8), in Ustilagoarten durch Herzberg und Grüss, in Coprinus- arten von Weir(9). Eine spezielle Wirkung auf Pectinstoffe ist seitens der auf Früchten lebenden Fusarium- und MoniHaarten von Bruschi (10) hervor- gehoben worden, und auch Mucor hiemalis, der nach Wehmer(II) haupt- sächlich als Agens bei der Tauröste in Betracht kommt, dürfte reichhch Pectosinase produzieren. Die eigenthche Cellulosezersetzung durch Pilze 1) PasqüAle, Nuov. Giorn. Bot. Ital., 23, 184 (1891). B. MalenkoviÖ, Ztsch. landw. Versucbswes. Österr., 8, 852 (1905); Bakt. Zentr. II, 15, 651 (1906). — 2) W. Benecke, Botan. Ztg. (1905), /, 219. — 3) Vgl. O. Jensen, Zentr. Bakt., 22, 305 (1908). — 4) DE Bary, Botan. Ztg. (1886), p. 419. — 5) M. Ward, Ann. of Botan., 2. 317 (1888). — 6) F. Newcombe, Ann. of Botan., 13, 49 (1899); Botan. Zentr., 7J, 105 (1898). — 7) Aspergillus: Wehmer, Zentr. Bakt. II, 2, 140 (1896). Saito, Ebenda, 18, 30 (1907). Penicilliura: MiYOSHi, Jahrb. wiss. Botan., 28 (1895). Grüss, Festschr. f. Schwendener (1899), p. 191. M. Ward, 1. c. Schellenberg, 1. c. — 8) Rhizopus: Kean, Botan. Gaz., 75. 173 (1890). Mucor: Schellenberg, Flora, 98, 257 (1908); Arch. Sei. phys. Genfeve, 20, 574 (1905). — 9) J. R. Weir, Flora, 103, 263 (1911). — 10) D. "Brüschi, Atti Acc. Line. Roma (5), 21, I, 225 (1912). — 11) C. Wehmer, Ann. Mycol., /. 37 (1903). Haüman, Ann. Inst. Pasteur, 16, 379 (1902). Aspergillus: Bourquelot u. Herissey, Joum. Pharm, et Chim. (6), 8, 145 (1898). § 7. Verarbeitung hochzusamraengCBetzter Kohlenhydrate. 375 ist erst in neuerer Zeit besser bekannt geworden. Nachdem Kissling und Behrens auf die Verarbeitung der Cellulose durch Pilzparasiten aufmerk- sam gemacht hatten (1), ist es Kohnstamm und sodann Euler gelungen (2), im Preßsaft von Meruhus lacrimans eine Cellulase sicher nachzuweisen und nach Pringsheim kann man ferner im Preßsaft von nicht näher bezeichneten Schimmelpilzen ein derartiges Enzym sicherstellen, welches zu den Endo- enzymen gehören soll (3). Schimmelpilze spielen als Cellulose verarbeitende Organismen im Humusboden sicher eine sehr wichtige Rolle (4). Holzbewohnende Pilze dürften eine ganze Reihe von Enzymen brauchen, um ihr Substrat vollständig aufzuschließen. Einmal ist es wahrscheinlich, daß die Pentosane des Holzes (Xylan) von diesen Pilzen ausgenützt werden, und für die Xylaria hypoxylon hat Molliard (5) diese Fähigkeit nach- gewiesen. Doch war in den Versuchen von Malenkowic an Reinkulturen von Coniophora cerebella Xylan nur ein mäßig guter Nährstoff (6). Daß die verholzten Zellwände direkt aufgelöst werden, hat schon Hartig gezeigt (7), und es ist eine bekannte Tatsache, daß das angegriffene Holz schon in den ersten Stadien der Veränderung Gellulosereaktionen gibt. Dies dürfte durch eine Abspaltung der aromatischen Paarhnge der Holzsubstanz (Hadromal) Zustandekommen, wobei ein esterspaltendes Enzym, die Hadromase, eine RoJle spielt (8). Sodann wird die abgespaltene Cellulose hydrolysiert (9), eventuell fallen andere vorher verestert gewesene Kohlenhydrate der Zell- haut diesem Schicksal anheim. Schon bei der Keimung der Conidien scheinen diese enzymatischen Wirkungen nach Freeman zutage zu treten. VAN Iterson(IO) hat gezeigt, daß vor allem Hyphomyceten bei der Cellulose- zersetzungim Erdboden beteiligt sind, und er hat die wirksamen Arten durch Kultur auf Filtrierpapier, welches mit Mineralsalznährlösung befeuchtet und mit Erde geimpft wurde, in reicher Auswahl zu isolieren vermocht. Für die holzzerstörende Tätigkeit der Bodenmikroben hat Majmone(II) gleichfalls in erster Linie Fadenpilze verantwortlich machen können. Agargallerte wird von Pilzen sehr wenig ausgenützt, wie Thom (12) für Penicilliumarten fand. Ob Pilze oder Bacterien bei den Prozessen der Torf- und Kohlenbildung mit beteiligt sind, und in welchem Ausmaße dies der Fall ist, müssen noch künftige Untersuchungen erläutern (13). 1) KissLiKG, Hedwigia (1889), p. 227. Behrens, Zentr. Bakt. II, 4, 549 (1898). — 2) Kohnstamm, Beihefte bot. Zentr., 10, 116 (1901). H. Euler, Ztsch. angewandt. Chem., 25, 250 (1912). Biffen, Ann. of Botan., 15, 127 (1901) f. Bul- garia inquinana. — 3) H. Pringsheim, Ztsch. physiol. Chem., 78, 266 (1912) f. Merulius; Woch.schr. f. Brauerei, 27, 222. — 4) D. Carbone, Biochem. Zentr., //, 438 (1911); ebenda (1912), p. 821. — 5) Molliard u. Gatin, Bull. Soc. Botan., 97, 127 (1910). SCHORSTEIN, Zentr. Bakt. II, 9, 446 (1902). Baumaterialienkunde, n, Nr. 5 (1906). — 6) B. Malenkovic, Zentr. Bakt., 16, 405 (1906). Holzkonservierung im Hochbau (1907), p. 73. — 7) R. Hartig, Zersetzungserschein, d. Holzes (1878); Lehrb. d. Baumkrankh., 2. Aufl. (1889), p. 161. — 8) F. Czapek, Ber. Botan. Ges., 17, 166 (1899). BüLLER, Ann. of Botan., 20, 51 (1906). - 9) Biologie der holzbewohnend. Pilze: TuBEUF, Lafars H^ndb., j, 286. Rumbold, Naturwise. Ztsch. f. Land- u. Forst wirtsch., 6, 81 (1908). J. Tdzson, Zersetzung u. Konservierung d. Rotbuchen- holzes (Berlin 1905). J. Lindroth, Naturwiss. Ztsch. f. Land- u. Forstwirtsch., 2, 393 (1904). R. Falk, Hausschwamraforschungen, /, 53 (1907). Fresman, Ann. Mycol., 8, 192 (1910). — 10) van Iterson jnn., Zentr. Bakt., //, 689 (1904). Kgl. Akad. Amsterdam (1903), p. 807. — 11) B. Majmone, Arch. Farm, sper., 8, 221 (1909). Zur Biologie des Vorganges: C. Kratz, Diss. (Berlin 1906). S. Suzuki, Bull. Coli. Agrio. Tokyo, 7, 95 (1906). — 12) Ch. Thom, Cultural Stud. on Peni- cillium. U. S. Dept. Agric. Washington (1910). — 13) Vgl. Lumiere, Biochem. Zentr., 4, Nr. 2107. 376 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. Achtes Kapitel: Die Kohlen Stoffassimilation und Zucker- bildung bei Pilzen und Bacterien. § 1. Allgemeines. Wenn wir nun an die Frage herantreten, wie sich die Versorgung der Bacterien und Pilze in jenen Fällen stellt, wo andere Kohlenstoff- verbindungen als Zucker zur Ernährung geboten werden, so stehen wir an einem fast unerschöpflich weiten Gebiete der Experimentalphysiologie, in welcheni zurzeit eben die ersten Ansätze zur tiefergehen den Bearbei- tung vorhanden sind. Zweifellos ist Zucker, und zwar der Trauben- zucker und seine nächsten Verwandten in der Zuckerreihe, für die weit- aus größte Zahl der bekannten Pilze und Bacterien nicht gut vollständig zu ersetzen, aber wenn man die organischen Verbindungen in bezug auf ihren Nährwert ordnet, so fimdet man, daß die mit dem Zucker in naher chemischer Beziehung stehenden Substanzen dennoch in der Regel sehr gute Nährstoffe sind. Da Traubenzucker zum Aufbau der Körpersub- stanzen nun unter allen Umständen bei sämtlichen Lebewesen nötig ist, so ist es wohl gerechtfertigt, wenn in die Überschrift dieses Kapitels der Begriff der ZuckerbilÜung mit aufgenommen erscheint. Höchstwahrschein- lich ist die Zuckerbildung eines der chemischen Hauptziele aller jener Vorgänge, welche mit der Assimilation dargebotener Kohlenstoffverbin- dungen verknüpft sind. Wenn wir zu beurteilen haben, ob eine Substanz mehr oder weniger leicht Zuckerbildungsmaterial darstellen kann, so sind wohl in erster Reihe chemische Überlegungen von Bedeutung, doch ist leicht einzusehen, daß man damit die Sache nicht erschöpft, da nur die physiologische Eigenart und der jeweilige Zustand des Or;^anismus dafür entscheidend sein kann, wie viel von der Substanz in die Zelle aufgenommen wird, ob überhaupt etwas davon aufgenommen werden kann, und inwieweit eine Verarbeitung in der Zelle stattfindet. So besteht selbst die Möglich- keit, daß gewisse Substanzen nur bis zu einer gewissen Grenzkonzen- tration nach abwärts oder nach aufwärts als Nährmaterialien fungieren, nicht a^er außerhalb dieser Grenzen. Es ist noch unzureichend für die einzelnen Stoffe bekannt, wie verdünnt sie sein dürfen, damit noch Nähr- wirkung eintritt (1). Andererseits gedeihen manche Wassermikroben auf ihrem besten Nährsubstrate nicht, wenn die Konzentration 2% über- steigt, was uns die über meine Anregung von E. Kohn(2) angestellten Untersuchungen über saccharophobe Bacterien gelehrt haben. Hier ist die empirische physiologische Forschung vorderhand das wichtigste Hilfs- mittel, da allgemeine gesetzmäßige Beziehungen nur zum geringen Teile aufgedeckt werden konnten. So ist das Glyc^rin eine Substanz, welche relativ leicht Zuckersynthese erlaubt, und die auch für sehr zahlreiche Bacterien und Pilze eine ausgezeichnete Kohlenstoffnahrung darstellt. Doch gibt es eine Anzahl von Bacterien, welche viel besser mit ein- 1) Von mancher Seite [Pütter, Pflüg. Arch., /J7. 595 (1911)] behauptet man, daß die im Wasser in Verdünnungen von 1:30 — 100000 vorhandenen organischen Stoffe für Wassertiere eine dominierende Rolle als Nahrung spielen. Vgl. hingegen Kerb, Interqat. Rev. Hydrobiol., j, 49G (1911). — 2) E. Kühn, Zentr. Bakt. II, is, 690 (1905); 17, 446 (1906). § 1. Allgemeines. 377 fächeren Kohlenstoff verbin düngen ernährt werden können, sogar, wie das Beispiel der Nitrit bildenden Nitrosomonaden lehrt, aus kohlensaurem Ammoniak. Sodann ist es eine nicht seltene Tatsache, daß eine Kohlen- stoffverbindung für verschiedene Vegetationsstadien von Pilzen ungleichen Wert als Nährstoff besitzt. So fand Duclaux(1), daß Essigsäure, Gly- cerin und Milchsäure in den ersten Keimungsstadien des Aspergillus viel schlechter verarbeitet werden, als durch das voll ausgebildete Mycel. Nach Thiele (2) ist ferner der Temperatureinfluß manchmal sehr merk- lich, so daß Penicillium bei Temperaturen unter 31*^ besser auf Glucose wächst, während es bei 35—36° entschieden besser auf Glycerin ge- deiht 9,1s auf Traubenzucker. Wie aus den Untersuchungen von Nencki(3) hervorgeht, kann auch das Nebeneinandervorkommen ver- schiedener Pilze in Mischkulturen den Nährwert einzelner Verbindungen erheblich beeinflussen. Sehr wichtig ist schließlich der Schutz und der Mehrverbrauch bestimmter Stoffe bei gleichzeitiger Darbietung der- selben in einer Kultur. Pfeffer (4), der sich zuerst mit diesen be- merkenswerten Verhältnissen beschäftigte, konnte feststellen, wie mit steigendem Glucosegehalte der Nährlösung gleichzeitig dargereichtes Glycerin immer mehr von dem Verbrauche geschätzt wird, so daß bei üppigem Wachstum von Aspergillus, welchem 8% Glucose geboten wurden, vom Glycerin nach 20 Tagen die gesamte ursprüngliche Menge von 0,92 auf 100 wiedergefunden werden konnte, während die Hälfte des Zuckers verschwunden war. Ähnlich wird Milchsäure durch Glucose geschützt, nicht aber Essigsäure, welche neben Zucker in großer Menge ver- arbeitet wird. Natürlich wird es eine weitere Aufgabe bilden müssen, die Ur- sachen dieser Differenzen näher zu analysieren, wobei man schon auf die Verschiedenheiten in der Aufnahme der einzelnen Substanzen in die Zelle unter verschiedenen Bedingungen zu achten haben wird. Eine Änderung der Adsorptionsverhältnisse in der Plasmahaut muß unter allen Umständen eine Alteration des Nährwertes einer Verbindung zur Folge haben, da sich die aufnehmbaren Substanzmengen ändern. Ein lehr- reiches Beispiel liefern die Wirkungen von Salzen, Blausäure und Licht auf die Permeabilität der Plasmahaut für Zucker, die sich in zahlreichen Untersuchungen im hiesigen Institute ergeben haben. Selbstverständlich können auch bei der verschiedenen physiologischen Eignung chemischer Isomerer solche physikalische Faktoren entscheidend wirken. Die be- deutende Verschiedenheit in der Wirkung der drei isomeren Oxybenzoe- säuren(5) dürfte sich nach den Versuchen von Böeseken und Watek- MAN(6) zum Teil wenigstens durch die Löslichkeits Verhältnisse dieser Säuren verstehen lassen. In zahlreichen anderen Fällen sind aber sicher nur chemisch-strukturelle Differenzen für den verschiedenen Nährwert isomerer Verbindungen verantwortlich zu machen. Besonders oft findet man, daß Stoffe mit einfacher Kohlenstoff kette viel besser verarbeitet werden, als Substanzen mit verzweigtem Aufbau. Sodann ist eine Reihe von Fällen bekannt, welche den hervorragenden Einfluß sterischer 1) DüCLAUX, Ann. Inst. Pasteur, j, 67 (1889). — 2) R. Thiele, Temperatur- grenzen d. Schimmelpilze; Diss. (Leipzig 1896). — 3) M. Nencki, Zentr. Bakt., //, 225 (1892). — 4) W. Pfeffer, Jahrb. Viss. Botan., 28, 215 (1895). — 5) Wehmer, Chera.-Ztg. (1897), 21, Nr. 10. Czapek, Hofmeisters Beitr., j, 52 (1902). — 6) J. Böeseken u. Waterman, Ztsch. Koll.Chem., //, 58 (1912); Kgl. Akad. Amsterdam (1912). 378 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. Differenzen bei sonst ähnlichen Verbindungen deutlich vor Augen führen. Der klassische Fall der Malein- und Fumarsäure hat sich auch in der Ernährungsphysiologie als treffliches Beispiel verschiedener Taug- lichkeit als Nährstoffe bei sterischer Isomerie bewährt. Während die Fumarsäure ein allgemein gut verwendbarer Nährstoff ist, wird die Maleinsäure nicht, oder nur spärlich angegriffen (1). Methylieren wir beide Säuren, die Fumarsäure zur Mesaconsäure, die Maleinsäure zur Citraconsäure, so erhalten wir in beiden Fällen untaugliche Produkte, während die mit beiden Derivaten isomere Itaconsäure wenigstens in geringem Maße von Penicilhum ausgenützt wird (2). Die elektive Verarbeitung optisch aktiver Komponenten racemischer Verbindungen ist in chemischer wie in physiologischer Hinsicht von be- sonderem Interesse. Bekanntlich war der erste einschlägige Fall dieser Art, welchen man kennen lernte, die Zerlegung der Traubensäure durch Penicillium [Pasteur, 1858(3)], und Bacterien unter Verarbeitung von d-Weinsäure und Rücklassung von 1- Weinsäure, Pfeffer hat sodann diese Erscheinung als elektive Verarbeitung unter relativer Deckung der 1-Weinsäure richtig gekennzeichnet und hat zahlreiche Pilze namhaft gemacht, welche annähernd beide Weinsäuren gleich verarbeiten. Anderer- seits gibt es eine Bacterienart, welche vorwiegend 1-Weinsäure konsu- miert, bevor sie an die d-Säure herangeht. Nach Böeseken und Water- MAN(4) gelingt es durch Kultur von Aspergillus niger in Traubensäure in 6 Tagen 60% der theoretischen Linksweinsäuremenge zu erhalten. Später wird auch die I-Weinsäure verbraucht. Analog ist auch die Ver- arbeitung von d- und 1-Milchsäure durch Penicillium und durch Bac- terien zu beurteilen (5), ferner von Glycerinsäure und Phenylglycerin- säure(6), sodann von einer Reihe Alkyloxyfettsäuren (7), Mandelsäure (8), Methylpropyl- und Äthylpropylcarbinol (9), Äpfelsäure und einigen Amino- säuren wie Leucin, Alanin, Asparagin und Glutamin. Dieses umfassende Tatsachenmaterial ist an einigen Orten ausführlich wiedergegeben (10). Methodische Winke sind in den Arbeiten von Ulpiani und Condelli einzusehen (11). 1) Büchner, Ber. Chera. Ges., 25, 1161 (1892). Wehmer, Beitr. z. Kenntn. einheim. Pilze, 2, 87 (1895). Ishizuka, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 2, 484 (1897). Czapek, Hofmeisters Beitr., 2, 584 (1902). Dox, Journ. of Biol. Chera., 8, 265 (1910). — 2) Le Bel, Bull. Soc. Chim. (3), //, 292 (1894). Dox, 1. c. — 3) L. Pasteur, Compt. rend., 46, 617 (1858); 5/, 298 (1860). — 4) Böeseken u. VVater- MAN, Akad. Amsterdam (29. Juni 1912). — 5) L'INOSSIER, Bull. Soc. Chim. (3), 5, 10 (1891). Lewkowitsch, Ber. Chem. Ges., 16, 2720 (1883). Pere, Ann. Inst. Pasteur, 7. 737 (1893). Kayser, Ebenda, 8, 737 (1894). Frankl.and u. Mc Gregor, Journ. Chem. Soc. (1893), /, 1028. Blachstein, Koch Jahresber. (1892), p. 80. Nencki, Zentr. Bakt., 9, 304 (1891). Tier. Oxydation: Parnas, Biochem. Ztsch., 38, 53 (1912). — 6) Lewkowitsch, Ber. Chem. Ges.. 16, 2720 (1883). Frankland, Zentr. Bakt., is, 106 (1894). Plöchl u. Mayer, Ber. Chem. Ges., 30, 1600 (1897). Frankland u. Done, Proc. Chem. Soc, 21, 132 (1905). — 7) Purdie n. Walker, Chem. News, 67, 36 (1893). Mac Kenzie u. Harden, Proc. Chem. Soc, ig, 48 (1903). — 8) Lewkowitsch, Ber. Chem. Ges., 15, 1505 (1882); j6, 1569 n893). Mac Kenzie u. Harden, Journ. Chem. Soc, 83, 424 (1903). — 9) Le Bel, Bull. Soc. Chim. (3), //, 292 (1894); 33, 206. Combes u. Le Bel, Chem. Zentr. (1892), //, 451. Propylglykol : PfeRfi, Ann. Inst. Pasteur, //, 600 (1897). — 10) Winther, Ber. Chem. Ges., 28, 3000 (1895). S. Fränkel, Ergebn. d. Physiol., 3, I, 290 (1904). O. Emmerling, Lafars Handb., /, 429. Pringsheim, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., 2, 190 (1909). — 11) C. Ulpiani u. Condelli, Gaz. chim. ital., 30, I, 344 u. 382 (1900). Condelli, Ebenda, 34, H, 86 (1904). § 2. Wichtigere Bpezielle Erfahrungen. 379 § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen. Bei der kritischen Zusammenfassung der auf dem in voranstehen- dem in allgemeinen Zügen gegebenen Verhältnissen ist zu berücksichtigen, daß in der älteren Literatur viele wichtige Umstände unbeachtet ge- blieben sind, wodurch der Wert dieser Arbeiten erheblich herabgesetzt werden muß. Das Interesse an solchen ernährungsphysiologischen Studien wurde in erster Linie durch die erfolgreichen mikrobiologischen Untersuchungen Pasteurs wachgerufen, und in der Folge zeichneten sich auf diesem Gebiete Raulin, Nägeli, Reinke, Loew u. a. Forscher besonders aus (1). Man be- gnügte sich anfangs vielfach, die spontane Besiedelung der offen aufgestellten Proben abzuwarten, um zu beurteilen, ob eine Kohlenstoffverbindung nährt oder nicht. Die moderne Methodik verlangt natürhch eine bestimmte Zahl von Sporen oder Conidien aus einer Reinkultur als Impfmaterial zu nehmen, und das Nährsubstrat vorher zu sterihsieren. Letzteres geschieht, wo Er- hitzen nicht angängig, durch Filtration mittels Chamberlandkerzen oder PuKALLscher Ballonfilter. Die Erfahrung hat gezeigt, daß der Kohlenstoff- gehalt der Pilzernte bei normalem Gedeihen und normaler Fruktifikation innerhalb enger Grenzen prozentisch schwankt, so daß man ohne erhebhchen Fehler aus dem Erntetrockengewicht einen Rückschluß auf die Assimilation der Kohlenstoffverbindung ziehen darf, natürlich unter der Voraussetzung, daß die Atmungsintensität und Kohlensäureproduktion ebenfalls annähernd gleich ist. Der letztere Faktor erschwert selbstredend die Bilanz und man hat womögüch die während des Versuches produzierte CO2 mitzubestimmen, um die C-Assimilation genau zu kontrolheren. Auch wird es gut sein, gleiche Kulturen derselben Art in verschiedenen Zeitabschnitten zu untersuchen, damit man nicht das Maximum der Entwicklung, welches nach verschieden langer Zeit erreicht sein kann, übersieht, und zu niedrige Werte einsetzt (2). Schimmelpilze, allenfalls auch Hefen, sofern sie rasch wachsen und zur Trockensubstanzbestimmung leicht gewaschen und abfiltriert werden können, sind zu solchen Versuchen das geeignetste Material. Unter günstigen Be- dingungen bringt Aspergillus niger binnen 3—4 Wochen etwa ein Drittel des Gewichtes der gesamten dargereichten organischen Nahrung an Trocken- gewicht hervor (3). Man hat zu beobachten, daß Mindererträgnisse durch Produktion schädUcher Stoffwechselprodukte, z. B. Säuren, vorkommen können. Auch sind die verschiedenen Wachstumsformen und Vermehrungs- arten bei verschiedener Ernährung im Resultate mit zu berücksichtigen, und es besagt vom heutigen Standpunkte der Ernährungsphysiologie wenig, wenn gesagt wird, eine Mikrobe zeige unter diesen oder jenen Verhältnissen spärUches Wachstum usw., wie man häufig in Literatur angaben findet. Praktisch empfehlenswert ist der Vorschlag Pfeffers (4) zur Be- urteilung der Nährwirkung jene Substanzmenge anzunehmen, welche der Pilz an Trockengewicht hervorbringt, wenn er i g eines Nährstoffes verzehrt 1) Raulin, Ann. Sei. Natur. Botan. (5), //, 93 (1870). Nägeli, Untersuch, über nied. Pilze (1882). Reinke, Untersuch, a. d. botan. Labor, d. Univ. Göttingen, 3 (1883). O. LoEW bei Nägeli 1. c. — 2) G. Ekman, Finska Vet. Soc. Förh., 53, Nr. 16 (1910). — 3) Czapek, Hofmeisters Beitr., /, 538 (1902). Bokorny, Pflüg. Arch., 89, 454 (1902). — 4) Pfeffer, Jahrb. wiss. Botan., 28, 257 (1895). H. Kunst- mann, Diss. (Leipzig 1895). 380 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. hat. Das Verhältnis der verbrauchten Nährstoffmenge zum Erntetrocken- gewicht gilt als „ökonomischer Koeffizient". Die Zahl jener Organismen, welche mit einfach gebauten Kohlen- stoffverbindungen ihre Lebensbedürfnisse vollständig decken können, ist viel größer als man je erwartet hatte, und es erscheint derzeit nicht mehr gerechtfertigt, in der Physiologie die chlorophyllgrünen Pflanzen als Organismen mit iuorganischer Nahrung allen anderen Lebewesen gegenüber zu stellen. Die ersten COj-verarbeitenden Mikroben, die man kennen lernte, waren die Nitrifikationsbacterien [Hüeppe und Heraeus, 1886(1)], welche alle Stoffe ihres Körpers aus Ammoniumcarbonat auf- zubauen vermögen, und wie Winogradsky (2) später zeigte, dabei das Ammoniak zu Nitrit oxydieren. Nathansohn hat sodann gezeigt, daß bestimmte marine Schwefelbacterien, welche H^S oder Thiosulfat oxydieren, gleichfalls imstande sind COg zu reduzieren und dieselbe als alleinige C-Quelle auszunützen (3). Dies hat Beijerinck(4) bestätigt und zu- gleich nachgewiesen, daß der von ihm neu aufgefundene Thiobacillus denitrificans im anaeroben Leben bei Darreichung von Schwefel als Pulver, KNO3, CaCOg und NagCOg den Schwefel oxydiert, den Salpeter zerlegt und das Calciumcarbonat zur Bildung der Kohlenstoffverbindungen seiner Leibessubstanz verwendet. Der Hauptsache nach soll folgendes Formelbild dem Wesen des Prozesses gerecht werden: 6 KNO3 -I- 5 S + 2 CaCOg = 3 K^SO^ -f 2 CaSO^ + 2 CO, + 3 N,. Endlich findet nach Lebedeff (5) bei den Wasserstoff oxydierenden Bodenbacterien im Wesen derselbe Vorgang statt wie im Chlorophyll- korn, indem die CO2 unter Entbindung des gleichen Volums von Sauer- stoff zerlegt wird. Beijerinck und van Delden(6) haben diesen kohlensäurefixierenden Mikroben weitere merkwürdige Formen hinzu- gefügt, welche auf festem Agar- und SiOg-Substrate lebend, ohne Zusatz löslicher Kohlenstoffverbindungen zu existieren imstande sind, indem sie die in der Atmosphäre enthaltenen Spuren gasförmiger C-Verbindnngen aufnehmen, ohne aber imstande zu sein, die CO^ auszunutzen. Diese angeblich in Gartenerde sehr verbreitete als Bac. oligocarbophilus be- zeichnete Mikrobe dürfte wohl auf die nach Henriet und Trillat(7) in der Luft regelmäßig vorkommenden Spuren von Formaldehyd und Ameisensäureverbindungen oder auf die von Gautier gefundenen Spuren kohlenstoffhaltiger Gase (8) angewiesen sein. Formaldehyd dürfte nach Trillat bei jeder unvollständigen Verbrennung in Spuren entstehen, und nach diesem Forscher sind in der Pariser Stadtluft pro 100 cbm 47 — 55 mg Formaldehyd enthalten, was mit den Angaben von Wol- pert (9) übereinstimmt, der in der freien Außenluft von Berlin mindestens 0,015 pro Mille, oder etwa 4,5% des Gesamt-COj-Gehaltes an verbrenn- lichen gasförmigen C-Verbindungen konstatierte. Von nicht geringer 1) F. HuEPPE, Zentr. Bakt.. 3, 420 (1888). W. Heraeus, Ztech. Hyg., /, 193 (1886). — 2) S. Winogradsky, Ann. lost. Pasteur, 6, 270 u. 462 (1891). — 3) Nathansohn, Mitteil. zool. Stat. Neapel, 15, 655 (1903). — 4) Beijerinck, Zentr. Bakt. II, //, 593 (1904). — B) A. J. Lebedeff, Biochera. Ztsch., 7, 1 (1907); Ber. Botan. Ges., 27, 598 (1909). — 6) Beijerinck u. van Delden, Akad. Amsterdam (1902); Zentr. Bakt. II, 10, 33 (1903j. — 7) Henriet, Compt. rend., 135, 101 (1902); 136, 1465 (1903); 138, 203 (1904). A. Trillat, Bull. Soc. Chim., jj, 393 (1905). — 8) A. Gautier, Compt. rend., 137, 693 (1898). — 9) H. Wolpert, Arch. Hyg., 52, 151 (1904). § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen. 381 Bedeutung im Kreislaufe des Kohlenstoffes in der Natur dürfte sodann die Verarbeitung von Methan sein, dessen Brauchbarkeit für die als Bac. methanicus bezeichneten Mikrobe und andere Bacterienformen nach den Untersuchungen von Söhngen und Kaserer(I) außer Zweifel steht. Methan entsteht in der Natur durch die bacteriellen Prozesse der Buttersäuregärung und Cellulosezersetzung häufig und in großen Mengen. Es wird durch die Methan verarbeitenden Bacterien schließlich zu CO2 oxydiert. Methylalkohol ist gleichfalls noch in seiner Verwend- barkeit auf bestimmte Bacterien beschränkt, doch soll der von Loew und seinen Schülern (2) als Methylalkohol verarbeitende Mikrobe erkannte Bac. methylicus in Erde sehr verbreitet vorkommen. Bokorny(3) fand noch eine kleine Sproßhefe Methylalkohol assimilierend, sonst aber ist diese Substanz für die Mehrzahl der Bacterien und für alle Pilze- noch immer nicht als Nährstoff zu bezeichnen. Für Pichia membranaefaciens und Oidium lactis ist er nach Lindner (4) ungeeignet. In weit größerem Maßstabe wird Ameisensäure von Pilzen und Bacterien verarbeitet. Nachdem schon vor längerer Zeit für eine Reihe von Bacterien durch Maassen(5) diese Erscheinung erkannt worden war, hat Franzen(6) durch genaue Untersuchungen an Proteus vulgaris, Bacill. kiliensis und Prodigiosus die Ameisensäureassimilatjon analytisch verfolgt und dieselbe vöUig sichergestellt. Aber auch verschiedene Sproßpilze vergären Ameisen- säure diesem Forscher zufolge in namhafter Menge. Von verschiedenen Seiten ist selbst für Schimmelpilze die Verarbeitung von Ameisensäure beobachtet worden, doch reicht für die Keimung der Aspergillusconidien Ameisensäure als alleinige C-Quelle noch nicht aus (7). Es gibt einige bacterielle Zersetzungsprozesse der Ameisensäure, welche Erwähnung verdienen. Dies ist einmal die von Hoppe-Seyler und Popoff (8) be- schriebene bacterielle Spaltung von Calciumformiat in Carbonat und Wasserstoff, ferner die von Pakes und Jollyman(9) beobachtete Ver- arbeitung von Natriumformiat unter Bildung von Bicarbonat und Hj. Der von Kaserer(IO) beschriebene Bac. azotofluorescens soll Ammonium- carbonat in N und Ameisensäure zerlegen und letztere verarbeiten. Harnstoff, welcher als Amid der Kohlensäure auch noch in die Verwandt- schaft der einfachen C-Verbindungen zählt, ist bereits für viele Bacterien und Pilze ein gutes Nahrungsmittel (11). Von den zweigUederigen C-Verbindungen sind Äthylalkohol und noch mehr die Essigsäure bereits sehr allgemein Pilznährstoffe. Äthyl- alkohol vermag in 2 — 4%iger Lösung oder in Dampfform dargereicht das Wachstum von Saccharomyceten, Oidium, Torulaceen, Mucor und 1) N. L. SÖHNGEN, Kgl. Akad. Amsterdam (1905); Zentr. Bakt. II, 15, 513 (1905); Diss. (Delft 1906); Rec. trav. Chlm. Pays-Bas. 29, 238 (1910). H. Kasereb, Ztsch. landw. Versuchswea. Österr., 8, 789 (1905). — 2) O. Loew. Zentr. Bakt, 12, 462 (1892), Katayama, Bull. Agr. Coli. Tokyo, 5, 255 (1902); 6, 185, 191 (1904). Takeuchi, Ebenda. — 3) Bokorny, Zentr. Bakt., '29, 176 (1911). — 4) P. Lind- ner, Ztsch. Spiritusindustr., 35, 185 (1912). — 5) A. Maassen, Arb. kais. Gesundh.- amt. 12, 390 (1896). Jaksch, Ztsch. physiol. Chem., 5. 405. — 6) H. Franzen u. Braun, Biochera. Ztsch., 8, 29 (1908). Franzen u. Greve, Ztsch. physiol. Chem., 64, 169 (1909). Franzen u. Steppuhn, Ebenda, 77, 129 (1912); 83, 226 (1913). — 7) DiAKONOW, Ber. Botan. Ges., 5, 386 (1887). — 8) Popoff, Pflüg. Arch., 10, 142; Hoppe-Seyler, Ebenda, 12, 1. — 9) Pakes u. Jollyman, Proc. Chem. Soc, /;, 29 (1901). — 10) H. Kaserer, Ztsch. landw. Versuchswea. Österr., lo, 37 (1907). — 11) DiAKONow, 1. c; Czapek, 1. c. (1902). Basidiobolus : Raciborski, Mora, 82, 115 (1896). 382 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. anderen Schimmelpilzen zu unterhalten (1 ) und ist bekanntlich für die Essig- bacterien das gewöhnliche Oxydations- und Nährmaterial. Für Bacterien liegen weniger Daten vor, doch dürfte auch da Alkohol allgemein aus- nützbar sein. Nach Duclaux wirkt Alkohol noch besser, wenn er mit anderen C-Quellen zugleich dargereicht wird, was für Allescheria durch Laborde(2) bestätigt wurde. Acetaldehyd wurde für Bacterien sowie für eine Torula als verwendbar angegeben (3). Essigsäure darf bereits für höhere und niedere Pilze ganz allgemein als brauchbai'er Nährstoff be- zeichnet werden. In der Literatur sind speziell Oidium lactis, Mycoderma, Penicillium, Aspergillus (4) als Acetat verarbeitend angegeben, und ebenso ist wohl für Bacterien anzunehmen, daß sie Essigsäure in den aller- meisten Fällen gut ausnützen können (5). Methylacetat ist nach Will (6) für Mycoderma, Willia, Pichia ein mäßig guter Nährstoff. Selbst neben Glucose werden Acetate durch Aspergillus verbraucht, doch übt nach Reichel(7) Zucker auf gleichzeitig anwesendes Acetat eine Schutz- wirkung aus. Die Keimung von Aspergillus findet bei alleiniger Gegenwart von Ammoniumacetat (nach eigenen Erfahrungen) nicht statt, und auch bei der Weiterkultur auf Acetaten hat man zu berücksichtigen, daß die E^sigsäureanionen rascher verarbeitet werden, als die Kationen der Salze, so daß leicht Alkalescenz auftritt und das Wachstum gehemmt wird. Auf Zusatz von Essigsäure setzt das Wachstum sofort wieder ein (8). Einer der interessantesten Umsetzungsprozesse der Essigsäure durch Bacterien ist die von Hoppe-Seyler (9) geschilderte anaerobe Methan- gärung der Essigsäure, wobei sie glatt in CH4 und COj zerfällt. Essig- säure ist ein weitverbreitetes Intermediärprodukt bei der Verarbeitung von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißstoffen und spielt in jeder Hinsicht im Zellstoffwechsel eine allgemein wichtige Rolle. Sonst sind die niederen Glieder der Reihen aliphatischer Kohlenstoff- verbindungen zum großen Teile mäßig gute Nährstoffe, allerdings nicht in gleichem Maße für alle Pilzformen. Während Hefe nach Laurent aut Methylamin und Acetamid nicht wächst, gedeiht Aspergillus nach eigenen Erfahrungen besonders auf letzterem nicht allzuschlecht, ebenso auf Acetonitril und Guanidin, noch besser auf vielen Aminen mit zwei, drei und mehr Kohlenstoffatomen. Die Derivate der Ameisensäure sind fast alle stark giftig, noch mehr gut dies von der Cyanwasserstoffsäure, doch soll selbst diese nach Kaserer(IO) von einem Bac. Hiltneri in COj und Stickstoff gespalten werden können. Bei den höheren aliphatischen Verbindungen steigt der Nährwert verbreitet mit dem Sauerstoffgehalt, doch finden sich selbst unter den 1) H. Will, Zentr. Bakt., 34, 9 (1912). Schnell, Ebenda, jj, 24 (1912). Wehmer, Ber. Botan, Ges., 23, 216 (1905). P. Lindneb u. Cziser, Woch.schr. f. Brauerei, 2g, 1 (1912); Ber. Botan. Ges., 29, 403 (1911). Stockhausen, Chem.-Ztg., 35, 1197 (1912). HoYER, Zentr. Bakt. II, 4, 873 (1898). Wehmer, Mycol. Zentr., /, 285 (1912). Kroemer, Landw. Jahrb., 43, Erg.bd. /, 172 (1912). — 2) Maz±, Botan. Zentr., 89, 536 (1902). — 3) A. Perrier, Compt. rend., isr, 163 (1910). Bokorny, Zentr. Bakt., 29, 176 (1911). — 4) Mycoderma: Will u. Leberle, Zentr. Bakt., 28, 1 (1910). Basidiobolus: Raciborski, Flora, 82, 115 (1896). Penicillium: Hassel- £RING, Botan. Gaz., 45, 176 (1908). Molisch, Wien. Ak., 103, I, 562 (1894). Nägeli, Untersuch, üb. nied. Pilze (1882), p. 5. Rose, Just Jahresber. (1885), /, 279. Zöller, Wien. Ak. (1874). — 5) Jaksch, 1. c. Essigbacterien : C. A. Browne, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 16 (1903). — 6) Will u. R. Heüss, Ztsch. ges. Brauwes., 35, 128 (1912). — 7) J. Reichel, Biochem. Ztsch., 30, 152 (1910). Pfeffer, 1. c Duclaux, 1 c. — 8) E. Kohn u. Czapek, Hofmeisters Beitr., 8, 302 (1906). — 9) Hoppe- Seyler, Ztsch. physiol. Chem., //, 561 (1887). — 10) H. Kasereb, Ztsch. landw. Versuchswes. Österr., ro, 37 (1907). § 2. Wichtigere spezielle Erfahrungen. 383 O-freien Verbindungen nicht wenige, welche ungiftig sind und deutliche Nährwirkungen haben. Überraschend wirkte die Entdeckung, daß selbst Paraffinkohlenwasserstoffe von Schimmelpilzen etwas ausgenutzt werden können (1). Zwei solche Formen (Macrosporium, Trichaegum?) sah Gola in flüssigem Vaselinöl sehr gut gedeihen. Der Ernährungsvorgang ist hier noch näher aufzuhellen, insbesonders ob die Verarbeitung der Kohlenwasserstoffe intracellulär erfolgt. Propylamin und Dipropylamin wirken bei Aspergillus günstig. Bei den höheren Alkoholen nimmt die Giftwirkung zu stark zu, als daß ihre Nährwirkung in einigem Maße in Betracht kommen könnte, doch nutzen die Essigbacterien immerhin noch Propyl-, Isopropyl- und Butylalkohol aus (2). Hier, wie bei den höheren Fettsäuren, kommt wohl auch die stark abnehmende Wasser- löslichkeit als hemmender Faktor in Betracht. Auffallend ist die Steigerung der Nährwirkung, wenn wir die Oxyfettsäuren mit der Essig- säurereihe vergleichen. So wirkt die Milchsäure viel allgemeiner und besser als Propionsäure (3), ^Ö-Oxybuttersäure ungleich besser als Butter- säure. In einem ähnlichen physiologischen Verhältnisse stehen die ein- wertigen zu den zweiwertigen Alkoholen, so daß Äthylenglykol bereits weitaus den Äthylalkohol an Nährtauglichkeit überragt. Ähnliches gilt auch für den Tierkörper (4). Mit weiterer Zunahme der Hydroxyle, z. B. vom Glykol zum Glycerin und von da zum Erythrit nähert sich die Nährwirkung mit großen Sprüngen der vollen Zuckerwirkung. Die Fettsäureester stehen in ihrer physiologischen Wirkung ihren Alkoholen näher als den Stammsäuren und werden nicht immer so gut benützt wie die letzteren. Doch verarbeiten verschiedene Sproßpilze gut Äthyl- acetat, nicht aber Penicillium (5). Aldehyde sind vielfach ausgeprägt Giftstoffe, das Aceton ist in verdünnten Lösungen ungiftig und gestattet Bacterien wachstu m (6). Seit Pasteurs Untersuchungen über die Weinsäure kennt man den hohen Nährwert der verschiedenen ein- und mehrbasischen Oxysäuren für viele Bacterien und Pilze und weiß auch, daß von einer all- gemein gültigen Rangordnung hier, wie in anderen Fällen, nicht die Rede sein kann. So verarbeiten Hefen nach Schukow(7) am besten Citronen- säure, dann Äpfelsäure, viel weniger Weinsäure und sehr wenig Bernstein- säure, während Mycoderma nach Will und Leberle am besten Essig- säure, dann Bernsteinsäure, Äpfelsäure und Milchsäure benutzt, so gut wie gar nicht Citronensäure und Weinsäure. Auch für den Bac. perli- bratus ist entgegen den gewöhnlichen Befunden nach Beijerinck(8) Weinsäure ein schlechterer Nährstoff als Essigsäure. In verdünnter Citronensäure siedelt sich nach Wehmer(9) besonders Verticillium glaucum, in Weinsäure Citromyces an. Streptothrix odorifera verarbeitet 1) O. Rahn, Zentr. Bakt. II, i6, 382 (1906). H. Kühl, Pharm. Ztg., 52, 487 (1907). Gola, Bull. Soc. Botan. Jtal. (19. Okt. 1912). — 2) Seifert, Zentr. Bakt. II, j, 337 (1897). — 3) Propionsäure: Troili-Peterson, Zentr. Bakt., 24, 333 (1909). Im Tierkörper: Ringer, Journ. of Biol. Chem., 12, 511 (1912). Milch- säure: Oidium: Schnell, Zentr. Bakt. II, 35, 24 (1912). Mycoderma: Will u. Leberle, Ebenda, 28, 1 (1910). Troili-Peterson, 1. c. Fettsäuren: Bokorny, Chem. Zentr. (1897), /, 327. — 4) Parnas u. Baer, Biochem. Ztsch., 4/, 386 (1912). MiURA, Ebenda, 36, 25 (1911). — 5) Will u. Heuss, Ztsch. ges. Brauwes., 35, 128, (1912). Hasselbring, Botan. Gaz., 45, 176 (1908). — 6) H. Coupin, Compt. rend., 13S, 389 (1904). Bokorny, Zentr. Bakt. II, //, 343 (1903>. — 7) J. Schukow, Zentr. Bakt. II, 2, 601 (1896). — 8) Beijerinck, Ebenda, 14, 834 (1893). — 9) Wehmer, Beitr. z. Kenntn. einheim. Pilze, 2, 143 (1895). 384 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. nach Salzmann (1) außer Zucker am besten die zweibasischen Oxysäuren, nicht aber Acetate, Propionate, Lactat und Oxalat. Für Bact. denitri- ficans II ist nach Jensen (2) Citronensäure noch besser als Glucose selbst. Der häufigste Fall bei saprophy tischen Pilzen ist aber der, daß, wie bei Aspergillus, an der Spitze der tauglichen Säuren Citronensäure, Aconitsäure und Äpfelsäure stehen, welchen Bernsteinsäure und Wein- säure folgen, sodann Maleinsäure und Glycerinsäure, endlich Malonsäure und Milchsäure (3). Die bei der Verarbeitung der organischen Säuren entstehenden Stoffwechselprodukte sind sehr verschieden und von vielfachem physio- logischen Interesse. Man dürfte aus den entstehenden Intermediär- produkten und Endprodukten manchen wichtigen Schluß auf den Chemismus der Pilzzelle ableiten können. Hoppe-Seyler(4) lehrte schon 1878 die Spaltung von glykolsaurem Kalk durch anaerobe Fäulnisbacterien kennen, welche daraus COg und CH4 formieren, so daß der Schluß nahe liegt, daß intermediär eine Reduktion zu Essigsäure stattfindet, welche weiter in die genannten Endprodukte zerfällt. Bei der Oxypropionsäure oder Milchsäure liegen die Verhältnisse bereits wesentlich anders, indem einmal bei der bacteriellen Verarbeitung ein stufenweiser Abbau zu Propionsäure und Essigsäure vorzukommen scheint, wobei allerdings außerdem Buttersäure, COj, Hg, Äthylalkohol bei der Verarbeitung von Calciumlactat gefunden wurden (5). Keyes und Gillespie(6) fanden bei der Verarbeitung von Ammoniumlactat durch Bact. coli und typhi den Quotienten COg : Hg von 1 wenig verschieden, während er bei An- wendung von Glucose viel größer als 1 war. Andererseits ist eine Spaltung der Milchsäure zu Acetaldehyd und COg möglich, die bei Allescheria vorzukommen scheint, da Maze hier Äthylalkohol und COj als Produkte der Lactatverarbeitung angibt (7). /?-Oxybuttersaures Calcium zerfällt nach Araki(8) in der Spaltung durch Fäulnisbacterien zunächst unter Bildung von 2 Äqu. Essigsäure, COj und Hg, worauf das Calcium- acetat CO2, CaCOg und CH4 liefert. Als Produkte der Spaltung von Oxyvaleriansäure fand Giacosa (9) Valeriansäure, Buttersäure, COj und Hg. Die Oxalsäure ist im Hinblick auf ihre Verarbeitung durch Pilze und Bacterien noch wenig bekannt. Proskauer gibt an, daß sie vom Tuberkelbacillus gut ausgenutzt wird (10). Bei aerober Kultur wird wohl unzweifelhaft ein erheblicher Teil zu COj und HgO verbrannt, doch ist ebensowenig zu bezweifeln, daß Intermediärprodukte noch aufzufinden sein werden. Auch für die Malonsäure fehlen noch Untersuchungen. Aus Bernsteinsäure bilden nach Bechamp Bacterien Propionsäure, COg, aber keinen Wasserstoff (1 1 ). Methylbernsteinsäure oder Brenzweinsäure COOH.CHCH3.CH2.COOH lieferte CH„ CO2 und keine flüchtigen 1) Salzmann, Zentr. Bäkt. II, . So vermag Aspergillus das mellithsaure Ammon C.COONH4 NH4OOC • C r" "^1 C . COONH4 NH400C.ct^^JC.COONH4 C.COONH4 nur sehr wenig zu assimilieren, während Quercit: 1) Emmerling, Ber. Chem. Ges., rp, 272G (1896). — 2) E. Morin, Compt. rend., 105, 816 (1887). — 3) Voisenet, Ebenda, 131, 518 (1910). — 4) K. E. Schulze, Ber. Chera. Ges., 15, 64 (1882). — 5) J. Reinke, Untersuch, a. d. botan. Labor, d. Univ. Göttingen, 3 (1883). — 6) H. J. Waterman, Diss. (DeJft 1913). — 7) F. E. Lott, Chera. Zentr. (1903), /, 1026. — 8) Gl. Fermi u. MontEsano, Zeutr. Bakt., 15, 722 (1894). — 9) H. Herissey u. Lebas, Journ. Pharm, et Chim. (7), 3, 521 (1912). 25* 388 Achtes Kapitel: Die Kohlenstoffassimilation und Zuckerbildung bei Pilzen. CHa HOHCr^"^CHOH HOHCL^^CHOH CHOH in meinen Versuchen mit Aspergillus selbst Glycerin an Nährwert übertraf, in Ekmans Versuchen allerdings viel weniger wirksam war(1). In Nägelis Versuchen trat die Eignung der Chinasäure sehr hervor. Von Interesse ist die Bildung von Protocatechusäure durch Bacterien aus Chinasäure, welche schon Loew(2) beobachtete und die nach Emmer- LiNQ und Abderhalden (3) dem Micrococcus chinicus in besonderem Maße eigen ist. Die Ringsprengung bei der Verarbeitung von Benzol- derivaten ist für die bacterielle Kohlenstoffassimilation noch sehr wenig bekannt. Möglich daß in manchen Fällen eine Hydrierung des Benzol- ringes und nachfolgende Ringsprengung stattfindet, es könnte aber auch nach dem von Jaffe (4) angegebenen Falle der Überführung des Benzol- ringes in Muconsäure im Tierkörper: CH CH HC r-^"^| CH OHO- C-^"^| CH HC'I^^CH "^ OHO-C^^CH CH CH CHrCHCOOH oder • Muconsäure CH:CH.COOH eine Überführung in ungesättigte aliphatische Verbindungen auf oxy- dativem Wege stattfinden. Erwähnt sei noch, daß Inosit von Bacterien verarbeitet wird (5). Zum Schlüsse mag noch angeführt werden, daß die Huminstoffe des Bodens nach den Feststellungen von Reinitzer und Nikitinsky (6) für Pilze und Bacterien keine besondere Bedeutung als Nahrungsstoffe haben können. Für Schimmelpilze wurde nur eine ganz minimale Ver- wendbarkeit eruiert, wobei noch immer ungenügende Reinheit oder sekundäre Umsetzungen nicht ausgeschlossen sind. Nach Nikitinsky können Bodenbacterien zwar Huminsäure unter COg-Entbindung zersetzen, doch ist auch hier eine Ernährung mit der Huminsäure allein nicht möglich. Künstlich aus Zucker hergestellte Huminsäure erwies sich für Penicillium gleichfalls als Kohlenstoff quelle unbrauchbar. Im Gegensatze hierzu fanden Robertson und Irvine natürliche und künstliche Humin- stoffpräparate für Penicillium verwendbar (7). Da jedoch die Reinheit solcher Präparate nur schwierig oder gar nicht zu kontrollieren ist, und überdies die Möglichkeit chemischer Reizwirkungen durch Humus- substanzen nicht außer acht zu lassen ist (8), so erscheinen diese Diffe- renzen leicht möglich. 1) G. Ekman, Finska Vet. See. Förh., 53 A, Nr. 16 (1910/11). — 2) O. LoEW, Ber. Chem. Ges., 14, 450 (1881). — 3) Emmerling u. Abderhalden, Zentr. Bakt. II, 70, 337 (1903). — 4) Jaff6, Ztsch. physiol. Chem., 62, 58 (1909). — 5) G. Meillere, Soc. Biol., 62, 1096 (1907). — 6) F. Reinitzer, Botan. Ztg. (1900), p. 58. Nikitinsky, Jahrb. wies. Botan., 37, 365 (1902). — 7) R. A. Robertson u. Irvine, Biochem. Journ., 2, 458 (1907). — 8) Für Hefe: Dzierzbicki, Anzeig. Akad. Krakau (1909), p. 651. Neuntes Kapitel; Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. 389 Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. §1. Speicherung von Kohlenhydraten bei Algen. Soweit sich nach dem heutigen sehr lückenhaften Stande des Wissens beurteilen läßt, herrscht bei den verschiedenen Algengruppen auf dem Gebiete der Reservekohlenhydrate entsprechend den großen phylogenetischen und physiologischen Gruppentrennungen große Mannig- faltigkeit, und die Verhältnisse sind hier noch weit entfernt von der großen Einheitlichkeit, die wir bei den Blütenpflanzen finden. Über- sichten über die einschlägigen Verhältnisse sind ausführlicher in den Werken von Clautriau, Oltmanns und 0. Richter gegeben (l). Bei den sich holophytisch ernährenden Flagellaten sind mehrere Stoffe aus der Kohlenhydratreihe als Reservestoffe nachgewiesen. Hiervon ist das Paramylum, welches 1850 von Gottlieb (2) bei Euglena entdeckt und näher studiert worden ist, am besten bekannt. Man kennt es nicht nur aus dem Zellinhalte der grünen und farblosen Eugleniden, darunter durch Chawkin von Astasia ocellata (3), sondern auch von einer Monadinee, der Leptophrys vorax nach Zopf(4). Mit dem Paramylum aus Euglena befassen sich besonders Arbeiten von Klebs, Schmitz und Bütschli(5). Es bildet geschichtete scheibenförmige Körner des Zelhnhaltes von verschiedener Größe, manchmal in einer für die Spezies charakteristischen Form, mitunter ringförmig gestaltet. Die Körner geben keine Jodreaktion, sind in 6% KOH, sowie in Kupfer- oxydammoniak löshch, namentüch aber in Formahn quellbar und löshch. WahrscheinHch entstehen die Paramylumkörner bei Euglena viridis nicht im Chromatophor, sondern im Cytoplasma. Daß die Körner vielfach den Chromato- phoren anhegen, ist in dieser Frage kein entscheidender Umstand. Es ist auch noch nicht definitiv entschieden, ob die Paramylumkörner bei lange fortgesetzter Verdunkelung verbraucht werden und schwinden. Diastase greift sie nicht an. Größere Mengen von Paramylum gewann Gottlieb dadurch, daß er Euglenen mit viel Wasser angerührt, diurch ein feines Draht- sieb goß, mit Äther, Alkohol und schheßhch mit kochendem Alkohol und HCl behandelte, hierauf in Wasser verteilte und durch ein Baumwolltuch koherte. Aus der Flüssigkeit setzt sich das Paramylum ab, das in KOH gelöst und mittels HCl. unter Alkoholzusatz wieder gefällt wird. Es soll bei der Hydrolyse Glucose Hefern, hat die Zusammensetzung CgHi^Og und gibt mit Br und AggO oxydiert nach Habermann (6) Gluconsäure. Als Leu CO sin wurde von Klebs (7) ein Inhaltsstoff bei Dinobryon bezeichnet, der nach Meyer jedoch nicht wie Klebs annahm, eiweißartiger Natur ist, sondern ein Kohlenhydrat zu sein scheint. Es bildet sich bei 1) Clautriau, Miscell. biol. dMi6s au Prof. Giard. Paris (1899), p. 114. F. Oltmanns, Morphol. u. Blol. d. Algen (1905), //, 147. O. Richter, Die Er- nährung d. Algen (Leipzig 1911) [Monogr. u. Abhandl. d. Internat. Eevue d. ges. Hydrobiologie, //). — 2) J. Gottlieb, Lieb. Ann., 75, 51 (1850). — 3) Chaw- kin, Just Jahresber. (1888), /, 169. — 4) Zopf, Schenks Handb. d. Botan., 3, II, 17 (1887). — 5) Klebs, Untersuch, a. d. botan. Inst. Tübingen, /, 270 (1883); Botan. Ztg. (1884), p. 567. SCHMTTZ, Jahrb. wias. Botan., 15, I (1884); Botan. Ztg. (1884), p. 809. O. BÜTSCHLi, Arch. Protistenkunde, 7. 197 (1906). Ch. Tebnetz, Jahrb. wiss. Botan., 5/, 441 (1912). — 6) Habermann, JJeb. Ann., 172, 14. — 7) Klebs, Ztsch. wiss. Zoolog., 55. Lemmermann, ßer. Botad. Ges., 18, 506 (1900). 390 Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. reichlicher Versorgung der Organismen mit Kohlenhydraten unabhängig von der Behchtung. Nicht viel sicheres weiß man bezüglich der Kohlenhydrate der Bacillaria- ceen, Peridineen und Cyanophyceen. Bei der erstgenannten dieser Gruppen findet vielleicht überhaupt nur Speicherung von Fett statt und nicht von Reservekohlenhydraten. Doch ist das Vorkommen von Glykogen hier nicht ganz ausgeschlossen. Bei den Peridineen wurde Vorkommen von Amylum- körnchen beobachtet. Da sich verschiedene Cyanophyceen, wie Nostocaceen und Oscillarien mit Jod braun färben, so hat schon Errera (1) daran gedacht, daß hier Glykogen oder ähnhche Kohlenhydrate vorhegen könnten, und auch für eine grüne Euglenacee, Colacium vesiculosum, wurde dieselbe Ver- mutung ausgesprochen. Nach Hegler (2) ist in der Tat hier Glykogen \ or- handen und man kann dasselbe durch anhaltende Verdunkelung zum Schwinden bringen. Beijerinck (3) hat auch für eine Grünalge, Chlorella variegata die Gegenwart von Glykogen festgestellt. Das Paraglykogen der Zooprotisten hat Errera bei der Merismopedia glauca Näg. und elegans A. Br. nachgewiesen. Im übrigen sind die Reservestoffe der Blaualgen noch wenig geklärt. Nach A. Fischer (4) ist in Anabaena ein besonderes Kohlen- hydrat, Anabaenin, enthalten, welches durch Enzymwirkung (,,Ana- baenase") löshch ist. Das japanische Nostoc Phylloderma soll angebhch über 50% Stärke enthalten (5). Die von BORzi und Hieronymus als ,,Cyano- phycin" bezeichneten Körnchen, welche oft in großer Menge im parietalen Plasma vorkommen, wurden von Zacharias und Nadson für Kohlen- hydratsubstanzen gehalten, während sie durch Chodat und Manilesco, sowie A. Fischer für eiv/eißartige Inhaltsstoffe erklärt wurden. Palla (6) hatte die Cyanophycinkörner bei Gloeotrichia Pisum für das erste sichtbare Assimilationsprodukt gehalten. In den Sporen sollen sie als Reservestoffe fungieren. Bei den höheren Algengruppen tritt sehr häufig Stärke als Reserve- stoff in den Chloroplasten auf, schon von den niederen Chlorophyceen an- gefangen. Doch fehlt anscheinend die Phanerogamenstärke den großen Formenkreisen der Braun- und Rotalgen vollständig. Von Interesse ist das anscheinend nicht seltene Vorkommen von optisch inaktivem Tetrit, Erythrit, bei den Protococcaceen. Bamberger und Landsiedl wiesen Etythrit auch in Trentepohha lohthus nach (7). Es ist zu vermuten, daß der Ery- thrit auch in den Flechten, wo er wie in Roccella Phycopsis mitunter reichlich vorkommt, an die Algenzellen gebunden ist (8). Mannit ist zuerst von Stenhouse (9) in verschiedenen Laminariaarten nachgewiesen worden, wo er den getrockneten Thallus oft als weißer Überzug bedeckt. Nach den Untersuchungen von Kylin(IO) ist der Mannit bei Braunalgen eine sehr verbreitete Substanz. Stärke fehlt in den Chloroplasten mancher Grünalgen gänzhch, wie von Vaucheria und anderen Siphoneen wohlbekannt ist. Es bleibt noch zu untersuchen, ob hier irgendwie löshche Kohlenhydrate außer Fett vorkommen. Bei parasitischen Chlorophyceen, wie Phyllosiphon und Phytophysa kommen Körnchen vor, welche in ihrem Verhalten zu Jod 1) Errera, Ber. Botan. Ges. (1887), p. LXXVII, Anm. Glycogöne et Para- glycogfene (Bruxelles 1905). — 2) R. Hegler, Jahrb. wiss. Botan., jö, 229 (1901). Heinze, Zentr. Bakt. II, 12, 56 (1904). — 3) Beijerinck, Rec. trav. botan. N6er- land. (1904), Nr. 1. — 4) A. Fischer, Botan. Ztg. (1905), /, 65. — 5) Nami- KAWA, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 7. 123 (1906). — 6) Palla, Jahrb. wiss. Botan., 25, 511 (1893). — 7) Bamberger u. Landsiedl. Monatsh. Chem., 21, 571 (1900). — 8) O. Hesse, Journ. prakt. Chem., 7J, 113 (1906). — 9) J. Stenhouse, Lieb. Ann., 5^ 349 (1844). — 10) H. Kylin, Ztsch. physiol. Chem.. 83, 174 (1913). § 1. Speicherung von Kohlenhydraten bei Algen. 391 Ähnlichkeit mit Florideenstärke oder mit „ Amylodextrinstärke" zeigen (1 ). Sie wurden bei Phytophysa als „Cellulinkörner" beschrieben, doch ist es un- sicher, ob sie mit den gleichnamigen von Saprolegnia bekannten Gebilden etwas zu tun haben ; dasselbe gilt von den durch Schaarschmidt (2) von Vaucheria angegebenen Cellulinkörnern, die durch Chlorzinkjod und durch verdünnte H2SO4 nicht verändert werden, und gut mit Nigrosin, im inneren Teile auch mit Eosin, färbbar sind. Die Dasycladaceen enthalten, wie Nägeli und Gramer (3) zuerst mitgeteilt haben, meist Inulin als Reservekohlen- hydrat im Zellsaft gelöst. So ist eS bei Botryophora, Acetabularia und Polyphysa peniculus. Stärke fand Gramer nur in der letztgenannten Art sowie bei Neomeris Kelleri. Nach Ernst (4) führen auch manche Derbesia- arten Stärke. Die Kohlenhydrate der Florideen und Braunalgen weichen in vieler Hinsicht stark von den bei Grünalgen vorkommenden ab. Die stärkeartigen Inhaltskörper der Florideenzellen sind schon von Nägeli und van Tieghem behandelt und später von Schmitz und Schimper, in neuerer Zeit besonders von Hansen, Bruns, Kolkwitz und Kylin studiert worden (5). Die Körner sehen den Phanerogamenstärkekörnern meist sehr ähnlich, verhalten sich jedoch gegen Jodlösung ganz anders. In starker Jodlösung werden sie nach Kylin und Bruns zunächst gelbbraun, quellen sodann stark auf unter Annahme einer violetten Färbung, welche beim Liegen in Wasser wieder schwindet. Daher sieht man in den Präparaten oft verschiedene rote und violette Farbentöne nebeneinander. Im polarisierten Lichte zeigen die Körner dieselben Erscheinungen wie die gewöhnhchen Amylumkörner. Kolkwitz wies nach, daß diese Stärkekörner bei den Florideen in sehr allgemeiner Verbreitung vorkommen. Zweifellos besitzen sie hier die Bedeutung von Reservekohlenhydraten, wie die Phanerogamenstärke. Nach Henckel und Kylin ist es gegenüber früheren Angaben ganz sicher, daß die Florideen- stärkekörner an der Oberfläche der Ghromatophoren entstehen und sich später ablösen, woher es kommt, daß sie oft eine schalenartige, einerseits konkave, andererseits konvexe Form haben. Kylin hat nachgewiesen, daß die Florideenstärke bei der Hydrolyse Glucose hefert und daß sie in warmem Wasser verkleistert, durch Malzdiastase leicht angegriffen wird, während die unveränderten Körner nicht gelöst werden. Die Kenntnis der Kohlenhydrate der Braunalgen war bis auf die neueste Zeit in sehr ungeklärtem Zustande und ist erst in der allerjüngsten Zeit durch die an- geführte Arbeit von Kylin beträchtlich gefördert worden. Die schon von Bauer (6) stammende Angabe über das Vorkommen von reduzierendem Zucker in Braunalgen wurde bestätigt, so daß Glucose und Fructose auch bei diesen Pflanzen als normale Assimilationsprodukte angesehen werden dürfen. Hingegen fehlt Stärke vollständig. Nach Kylin dürfte ein in vier weit verbreiteten Formen nachgewiesenes lösüches dextrinartiges Kohlen- 1) Schmitz, Botan. Ztg. (1882), p. 541. Just, Ebenda, p. 23. Mme Weber- VAN Bosse, Ann. jard. bot. Buitenzorg, 8, 165 (1890). — 2) J. Schaarschmidt, Just Jahresber. (1884), /, 220; (1885), /, 390. — 3) Nägeli, Sitz.ber. bayr. Akad. (1862). C. Gramer, Denkechr. d. Schweiz. Gesellsch., 30 (1887). — 4) A. Ernst, Botan. Zentr., gg, 485 (1905). -- 5) Nägeli, Die Stärkekörner (1858); p. 533. van Tieghem, Compt. rend., 61, 804 (1865). Mer, Bull. Soc. Botan., 22, 146 (1875). Schmitz, Chromatophoreo ä. Alg. (1882), p. 151. Schimper, Jahrb. wiss. Botan., 16, 199. Belzung, Ann. Sei. Nat. (7), 5, 224. Hansen, Mitteil. Zoolog. Stat. Neapel, //, II. E. Bruns, Flora (1894), Erg.-Bd., p. 173. Kolkwitz, Ber. Botan. Ges., /;, Generalvers., p. 173. Wiss. Meeresuntersuch., Abt. Helgoland (1900); Ztsch. wiss. Mikr., /;, 263 (1900). Henckel, zit. bei Kylin, 1. c. (1913). Bütschli, Verhandl. Naturhistor. med. Ver. Heidelberg, 7, 519 (1904). — 6) Bauer, Ber. Chem. Ges., 22, 618 (1889). 392 Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. hydrat, das Laminarin, die Stärke vertreten. Laminarin ist in seiner Lösung linksdrehend und scheint bei der Hydrolyse ausschließlich Glucose zu liefern. Dieses Laminarin wurde schon von Schmiedeberg vor längerer Zeit angegeben, doch wurde damals auf die physiologische Rolle dieser Substanz nicht eingegangen (1 ). Die stark hchtbrechenden Bläschen, welche in Fucaceenzellen sehr verbreitet sind, sind kleine Gerbstoffvacuolen. Den Inhalt derselben hatte Hansteen (2) als „Fucosan" bezeichnet und ihn erst als Kohlenhydrat, sodann als Glucosid mikrochemisch bestimmt. Nach Kylin(3) kann darüber kein Zweifel sein, daß es sich um eine phenol- artige Substanz handelt, die oxydabel ist und postmortal jenen Farbstoff liefert, welcher schon seit langem als „Phycophaein" in der Algenchemie eine große Rolle spielt und früher meistens als nativer Chromatophoren- farbstoff angesehen wurde, bis besonders MoLiscH und Tswett (4) zeigten, daß es sich um ein postmortal entstandenes Produkt handle. Nach den Analysen von König und Bettels (5) beträgt der Gehalt der Meeresalgen an wasserlöslichen Kohlenhydraten nicht selten 40—50% der Trockensubstanz, wobei es aber nicht leicht zu sagen ist, ob nicht ein größerer Anteil derselben auf Rechnung von Membranschleimen fällt. §2. Resorption von Kohlenhydraten und Kohlenstoffgewinnung durch Algen. Soweit in der Natur bei Algen saprophytische und parasitische Ernährungweise in Betracht kommt, darf wohl auch die Bildung von verschiedenen auf Kohlenhydrate einwirkenden Enzymen durch diese Organismen angenommen werden. Doch ist auf diesem Gebiete noch recht wenig bekannt. Für eine farblose Euglenidenform, die Astasia ocellata, hat Chawkin die Produktion von Amylase sichergestellt, die bei Protozoen ja weit verbreitet nachgewiesen ist. Die künstliche Kultur von verschiedenen niederen Algen, ebenso auch von Algen, welche als Flechtengonidien leben, hat zuerst Beijerinck erfolgreich durchgeführt und gezeigt, daß man dieselben ganz gut auf Zuckerpeptonagar gedeihen lassen kann (6) Übrigens scheint nach späteren Erfahrungen von Artari (7) die Gonidienalge der Flechte Xanthoria parietina auf Zucker- peptongelatine besser zu wachsen, als die höchstwahrscheinlich zu derselben Art gehörige freilebende Chlorococcum infusionum. Es schienen nach Artari übrigens auch bei freilebenden Algen Rassendifferenzen be- züglich der Neigung zur saprophytischen Lebensweise zu existieren. Chlorella vulgaris bleibt nach Artari und Radais (8) auch bei Zucker- darreichung schön giün, während Stichococcus in Lichtkultur auf Zucker- nährboden weniger Chlorophyll ausbildet und sogar farblos wird (9). 1) SCHMIEDEBEEG, Tageblatt. Vers. Naturf. u. Ärzte Straßburg (1885). — 2) Hansteen, Jahrb. wiss. Botan.. 24, 317 (1892); 35 (1900). Crato, Botan. Ztg. (1893), /, 157. Bruns, 1. c. Für Dictyota: Hunger, Jahrb. wiss. Botan., 38, 70 (1902). — 3) Kylin, Arkiv f. Botan., //, Nr. 5 (1912); 1. c. (1913). — 4) H. Mo- lisch, Botan. Ztg., 63, I, 131 (1905). M. Tswett, Ber. Botan. Ges., 24, 2.35 (1906). — 5) J. KÖNIG u. Bettels, Ztsch. Unters. Nähr.- u. Genußmittel, 10, 457 (1905). — 6) Beijerinck, Botan. Ztg. (1890), p. 725; Zentr. Bakt.. 13, 368 (1893). Lit. bei O. Richter, Ernährung d. Algen (Leipzig 1911). — 7) A. Artarl Ber. Botan. Ges., 20, 172 (1902). — 8) Radais, Compt. rend., 130, 793 (1900). — 9) Matruchot u. MoLLiARD, Ebenda, /j/, 1248 (1900); Rev. g^n. Botan., 14, 113 (1902). Auch Beij- erinck, 1. c. Krüger, Zopfs Beitr., 4 (1894). Charpentier, Ann. Inst. Pasteur, 77. 369 (1903). Pampaloni, Nuov. Giorn. Botan. Ital., 10, 602 (1903). § 2. Resorption von Kohlenhydraten und Kohlenstoffgewinnung durch Algen. 393 Artari fand den Scenedesmus acutus besonders geeignet um das Ver- schwinden des Chlorophylls bei saprophytischer Lebensweise zu zeigen. Nach Chodat(I) verliert Hormococcus sein Chlorophyll nur in Glucose- kulturen, nicht aber in Glycerinkulturen, die viel weniger üppig sind als die ersteren. Besonderes Interesse beanspruchen die bei Reinkulturen von Dia- tomeen erzielten Ergebnisse, die sich allerdings vorläufig nur auf eine farb- lose und eine farbstofführende Art der Gattung Nitzschia sowie eine I^avicula beschränken. Nach 0. Richter (2) nützen die rein gezüchteten braunen Arten Navicula minuscula und Nitzschia Palea Glucose, Inulin, Saccharose, Mannit und Dulcit sehr gut aus, darunter die beiden erstgenannten Stoffe am besten, und können Milchzucker und Galactose nicht verwerten. Glycerin ist ein mäßiger Nährstoff. Dasselbe gilt von der farblosen Nitzschia putrida Ben. Alle Arten wirken auf Agar lösend und produzieren offenbar ein auf Agar hydrolysierend einwirkendes Enzym, Gelase. Amylase aufzufinden gelang bei ihnen nicht. Nostoc punctiforme wird nach Bouilhac (3) im Dunkebi auf zucker- haltigem Nährboden nicht farblos. Diese Alge verarbeitet gjit Glucose, Maltose, Saccharose und Stärke, hingegen nicht Fructose, Galactose, Sor- bose, Trehalose, Melezitose, Raffinose, Mannit, Dulcit, Arabinose, Xylose, Dioxyaceton, Perseit, Dextrin und Gummi arabicum; Milchzucker unter- hielt geringes Wachstum. Manche dieser Angaben müssen wohl noch mit reinen Präparaten nachgeprüft werden ; dasselbe gilt von der Angabe Richters über die schlechte Wirkung von Fructose bei Diatomeen. Daß Cyano- phyceen bei heterotropher Kultur im Dunkeln nicht farblos werden, hat neuerdings Pringsheim (4) für reinkultivierte Formen bestätigt. Die Resorption von Kohlenhydraten durch verschiedene Grünalgen ist oft untersucht worden. Nach Klebs(5) bilden entstärkte Zygnema- fäden im Dunkeln lebhaft Stärke in 5%igem Glycerin, aber nicht in Rohr- zuckerlösung. Hydrodictyon hingegen zeigt ebenso wie Phanerogamen- blätter Stärkebildung in Lösungen von Maltose und Saccharose. Nach den Erfahrungen von Nadson(6) ist beim Einlegen von Spirogyra-, Hydrodictyon-, Oedogonium- und Cladophoraarten in Saccharose, Glucose oder Glycerin in allen Fällen Stärkebildung zu erzielen. Daß speziell Glycerin zur Stärkeformation bei Algen sehr verbreitet geeignet ist, vielleicht häufiger als bei Phanerogamenblättern, geht auch aus Be- obachtungen von de Vries und von Assfahl hervor (7). Die Poly- saccharide wurden noch wenig untersucht. Cystococcus humicola speichert nach Charpentier(8) gleichfalls reichlich Stärke, wenn er im Dunkeln auf Glucose kultiviert wird. Nachdem Zumstein(9) für Euglena gracilis angegeben hatte, daß sie Citronensäure als alleinige Kohlenstoffnahrung ausnützt, ist es Tre- BOux(lO) gelungen nachzuweisen, daß eine ganze Reihe von Chloro- 1) Chodat, Bull, de l'Herb. Boissier (1903), Nr. 7, p. 648. — 2) O. Richter, Ber. Botan Ges., 21, 493 (1903); Sitz.ber. Wien. Ak., 115, I (Januar 1906); Denk- schrift Wien. Ak., 84 (1909). — 3) R. Bouilhao, Compt. rend., 125, 880 (1897); r33, 55 (1900). — 4) E. Pringsheim, Beitr. Biol. d. Pfl., 12, 49 (1913). — 5) Ki.ebs, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, //, 538 (1888); Botan. Ztg. (1891), Nr. 48. — 6) Nadson, Botan. Zentr., 42, 48 (1890). — 7) H. de Vries, Botan. Ztg. (1888), p. 229. Assfahl, Diss. (Erlangen 1892). — 8) Charpentier, Compt. rend., .134, 671 (1902). — 9) H. ZuMSTEiN, Jahrb. wiss. Botan., 34 (1899). H- Pringsheim, Beitr. Biol. d. Pfl., 12, 1 (1913) erzielte weniger gute Nährerfolge mit Citrat. — 10) O. Treboux, Ber. Botan. Ges., 23, 432 (1905). 394 Neuntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Algen. phyceen im Dunkeln Oxysäuren und auch Glieder der Essigsäurereihe als Kohlenstoffnahrung verwenden. Auf essigsaurem Kali gediehen Chlorella, Scenedesmus, Raphidium, Kirchneriella, Coelastrum, Westella, Protococcus, Microthamnium, Haematococcus und Chlamydomonas. Für eine Art der letztangeführten Gattung war Zucker sogar schlechter als Acetat. Scenedesmus und Coelastrum verarbeiten Lactat, während die Ausnützung von Butyrat bei Euglena viridis sichergestellt werden konnte. Nach Tobler(I) ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Kohlen- stoffnahrung der Flechtengonidien teilweise in organischen Säuren besteht, welche der Pilzsymbiont hervorbringt. LoEW und BoKORNY (2) haben sehr zahlreiche Versuche an Spirogyren über die MögHchkeit einer Verwertung verschiedener Kohlenstoffverbin- dungen angestellt, die größtenteils bisher nicht wiederholt und bestätigt worden sind. Bei Lichtversuchen dürfte es in vielen Fällen nicht leicht sein, die Kohlensäureassimilation völüg auszuschließen. Jedenfalls werden Algen, die längere Zeit währende Verdunklung ohne Schaden aushalten, bei Nach- prüfungen besonders zu berücksichtigen sein. Bokorny konnte bei Dar- reichung von Methylal an verdunkelte Spirogyren keine Nährwirkung und Stärkebildung konstatieren, während im Licht unter möghchst gutem COa-Ausschluß reichhch Stärke auf Kosten des Methylais entstanden sein soll. Welche Rolle das Licht hierbei spielte, läßt sich nicht beurteilen. Asparaginsäure soll Spirogyren auch im Dunkeln Kohlenstoffversorgung bieten können, weniger gut Hexamethylentetramin. Beide Stoffe dienten auch als N- Quellen. Nach späteren Angaben der genannten Autoren bildet Spirogyra auch aus formaldehydschwefhgsaurem Natron bei mäßiger Beleuch- tung viel Stärke, und positive Ernährungserfolge sind ferner erzielbar bei Darreichung vonGlykol, Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure 0,1 %,Valerian- säu^eO,l%, Milchsäure 0,1%, Acetessigester, Bernsteinsäure 0,1%, Citronen- säure, saurem Calciumtartrat, saurem Calciummalat, Glykokoll, Trimethyl- amin 0,05 %, Tyrosin, Leucin, Urethan, Harnstoff 0,05%, Hydantoin, Kreatin und Pepton. Hartleb (3) fand Stärkebildung aus Methylalkohol bei Spirogyren und erzielte ungünstige Ergebnisse mit Essigsäure und Oxal- säure. Maleinsäure ist für Spirogyra nach ISHIZUKA (4) viel giftiger als Fumeirsäure. Jedenfalls geht aus dem bisher an Algen gewonnenen Materiale hervor, daß häufig Zwischenformen zwischen autotropher, streng auf der photosynthetischen Kohlensäureassimilation fußender Ernährung und hemi- saprophytischen Ernährungsformen zu beobachten sein werden. Die Ver- hältnisse sind hier sicher weit variabler als bei den autotrophen Blüten- pflanzen. Damit hängt natürhch die Frage zusammen, inwieweit wir dem Cytoplasma der Algen die Fähigkeit zusprechen dürfen, Zucker zu bilden, eine Fähigkeit, die, wie aus den Versuchen von Laurent hervorgeht, bei den Moosen, Farnpflanzen und Phanerogamen möghcherweise auf die den Hexosen zunächststehenden Stoffe, wie das Glycerin, beschränkt ist. Doch wären umfassende Untersuchungen im Hinbhck auf diese spezielle funda- mental wichtige Fragestellung dringend geboten. 1) ToBLER, Ber. Botan. Ges., 29, 3 (1911). — 2) O. LoEW u. Th. Bokorny, Journ. prakt. Chera., 144, 272 (1887). Bokorny, Ber. Botan. Ges., ö, 116 (1888). BoDiLHAO, Botan. Zentr., 8g, 463 (1902). LoEW, Ebenda, 94, 315 (1890). Bo- korny, Ber. Botan. Ges., 9, 103 (1891); Biolog. Zentr., /;, 1 (1897). — 3) Hart- leb, Beihefte botan. Zentr., 5. 490 (1895). — 4) Ishizuka, Botan. Zentr., 7/, 367 (1897). Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. 395 Anhang: Bemerkungen über den Kohlenhydratstoffwechsel bei Moosen und Farnen. Die Verhältnisse nähern sich bei den Moosen schon so stark den bei den Blütenpflanzen zu besprechenden Grundzügen, daß sich eine gesonderte Darstellung der Befunde bei diesen Pflanzen nur auf die Hervorhebung einiger weniger Dinge im Anhang an die übrigen Kryptogamen beschränken kann. Sowohl Moose als Farne führen in ihren Sporen neben sehr viel Fett nur wenig Kohlenhydrat als Reservestoff. Moossporen sind nach dieser Richtung noch kaum analysiert. Lycopodiumsporen enthalten nach BuCHOLZ und Rebling gegen 3% Zucker, nach Langer 2,1% Saccharose neben viel Fett (1). In den unterirdischen Teilen ist bisher nur Stärke als Reservestoff bekannt. Ebenso gehören die Blätter zu jenen Organen, welche typisch Stärke als Reservestoff bilden. Für Moosblätter hat Pfeffer (2) die Bildung von Stärke aus dargereichtem Zucker nachgewiesen. Marchal (3) fand Stärke- bildung bei Moosblättern nach Darreichung von Glucose, Saccharose, Mal- tose und Lactose, sowie auch Dextrin, hingegen nicht aus organischen Säuren. Das Verschwinden der Stärke aus den Blattzellen bei Verdunklung ist binnen einer Nacht nicht vollständig zu erreichen, sondern bedarf längerdauernder Verdunklung. Auch Protonemen lassen sich auf Glucosesubstrat gut kulti- vieren. Dabei beobachtete Goebel (4), daß starke Stärkespeicherung in den Zellen einsetzt und die Bildung von Moosknospen unterbleibt. Man kann solche Erscheinungen mit Goebel der Ausbildung von Jugendformen vergleichen. Auch Laage (5) berichtete über die Ernährung von Moos- protonemen mit Glucose. Analoge Untersuchungen stellte Perrin (6) mit der Ernährung von Farnprothalhen durch Zuckerlösung an. Abschnitt 3: Die Saccharide im Stoffwechsel der Blütenpflanzen. Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. § 1. Zuckerarten. Wenn auch Hexosen in ruhenden Samen sich in manchen Fällen sicher nachweisen lassen, so ist ihre Menge doch so klein, daß ihre Bedeutung nur die eines Intermediärproduktes sein kann. In der Gerste fand O'SuLLivAN (7) 0,62—1,1% an Glucose, Fructose und Maltose; Glucose und Fructose sind ferner durch Castoro aus den Samen von Cicer arietinum angegeben (8) und von Bourdet (9) aus der Kolanuß. 1) Vgl. Flückiger, Pharmakogno6ie, 3. Aufl. (1891), p. 252. — 2) Pfeffer, Arbeit, a. d. botan. Inst. Tübingen, 2, 310 (1886). — 3) El. et Em. MArchal, Soc. Roy. Botan. Belg., 43, 115 (1906). — 4) K. v. Goebel, Beihefte botan. Zentr., 21, I, 325 (1907). — 5) A. Laage, Ebenda (1907), p. 76. — 6) C. Perrin, Thfese Paris (1908). — 7) O'SuLLivAN, Journ. Chera. Soc. (1886), /, 58. — 8) Castoro, Gaz. chira. ital., 39, I, 608 (1909). — 9) L. Boürdet, Bull. Sei. Pharm., 16, 650 (1909). Die gegenteiligen Angaben von Poehl, Pharna. Ztg. f. Rußland, 13, 321 (1874) und ASBOTH, Chem.-Ztg., 12, 25, 53 (1888) enthalten unbegründete Zweifel. 396 Zehntes Kapitel: Die ReserTekohleahydrate der Samen. Saccharose hingegen kann bereits als ein wichtigeres Samen- kohlenhydrat angesehen werden, und ihre Verbreitung ist nach den Untersuchungen von Schulze und dessen Mitarbeitern (1) eine sehr allgemeine in Stärke- und Fettsamen. Als Reservestoff darf sie direkt beim Zuckermais angesprochen werden, wo die Rohrzuckermenge bis zu 11% ansteigt (2). Viel Rohrzucker enthalten auch die Sojabohne (3), ferner 4% Saccharose die Samen von Aleurites moluccana (4), 3% die Samen von Xanthium strumarium (5) und ähnhche Werte dürften häufig erreicht werden. In Pinus Cembra fanden Schulze und GoDET (6) 6% und vermißten überhaupt Rohrzucker nur in dem ein- zigen Falle des Samens von Lupinus. Im Kastanienmehl fand Leoncini (7) über 26% Rohrzucker. In Getreidesamen ist Saccharose mehrfach nach- gewiesen: für Hordeum durch Kühnemann (8), für Oryza und Triticum durch Marcacci(9). Im ruhenden Gerstenkorn soll die untere dem Em- bryo benachbarte Hälfte weniger Saccharose enthalten als die obere (10). Von Leguminosen sind mit positivem Erfolge geprüft Phaseolus(1 1 ), Cicer(12), Arachis (1 3), Pisum und viele andere. Weitere Angaben beziehen sich auf Coffea (14), Camelha und Ginkgo (15), Myristica (16), Strychnos (17). Val- lee (18) fand bei süßen Mandeln 2,97 % Saccharose 0,09 % reduzie bitteren „ 2,94 % 0,12 % Ricinussamen 1,06 % 0,12 % Cucurbita 1,37 % 0,12 % Pistacia 3,26 % 0,20 % Sesamum 0,64 % 0,14 % Kokkelskörnern 0,61 % 1,05 % enden Zucker Zum Nachweise von sehr geringen Rohrzuckermengen ist vor allem das von Schulze(I9) ausgebildete Verfahren der Fällung mit heißer Strontian- lösung zu empfehlen. Doch kommt man bei Vorhandensein etwas größerer Mengen schon mit der Extraktion durch 95% Alkohol bei 50'' aus. Zum qualitativen Nachweis kann man die Behandlung mikroskopischer Schnitte mit Invertinlösung heranziehen (20). Nach Papasogli (21 ) sollen Rohrzucker und Raffinose mit alkahscher verdünnter Kobaltlösung eine amethyst- fa»*bige Reaktion geben, während Maltose und Glucose eine himmelblaue Färbung erzeugen. 1) E. Schulze u. Frankfurt, Ztsch. physiol. Chem., 20, 511 (1895); 27, 267 (1899); Ber. Chem. Ges., 27, 62 (1894); Ztsch. physiol. Chem., 52. 404 (1907). — 2) Washburn u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 22, 1047 (1889). — 3) Stingl u. MoRAWSKi, Monatsh. Chem., 8, 82 (1887). — 4) Charles, Jahresber. Agrik.chem. (1879), p. 106. — 5) A. Zakder, Ber. Chem. Ges., 14, 2587 (1881). — 6) E. Schulze u. Godet, Ztsch. physiol. Chem., 61, 279 (1909). — 7) G. Leoncini, Staz. eper. agric. ital., 44, 113 (1911). — 8) G. Kühnemann, Ber. Chem. Ges., 8, 387 (1875). — 9) Marcacci, Just Jahresber. (1889), 7, 41. — IQ) Hermanauz, Ebenda (1876), /, 877. — 11) W. Maxwell, Amer. Chem. Journ., 12, 265 (1890). — 12) Castoro, Gaz. chim. ital., 39, I, 608 (1909). — 13) Andouard, Compt. rend., //7, 298 (1893). — 14) Schulze, Chem.-Ztg., 17, 1263 (1893). Ewell, Amer. Chem. Journ., 14, 473 (1892). Graf, Chem. Zentr. (1901), II, 1237. — 1B) Suzuki, Chem. Zentr. (1902), //, 379. — 16) Brachin, Journ. Pharm, et Chim. (6), i8, 16 (1903). — 17) J. Laurent, Ebenda (7), is, 225 (1907). — 18) Vallee, Ebenda ^6), /;, 272 (1903). — 19) Schulze u. Seliwanoff, Landw. Versuchsstat., 34, 408 (1887); 73, 35 (1900); Ztsch. physiol. Chem., 52, 404 (1907). — 20) C. Hoff- meister, Jahrb. wiss. Botan., j/, 687 (1898). — 21) Papasogij, Jahresber. Agrik.chem. (1895), p. 501. § 2. Stärke. 397 Raffinose ist schon wiederholt in ruhenden Samen nachgewiesen. Ritthausen fand sie im Gossypiurasamen(l), 0'Sullivan(2) im Gersteu- endosperm, Schulze und Frankfurt (3) im Embryo von Triticum. In neuerer Zeit wurde sie in Samen von Entada und Erythrina durch BouRQUELOT konstatiert (4). Raffinose wird zugleich mit Saccharose durch Strontianlösung gefällt und die beiden Zucker werden durch ihre ungleiche Löslichkeit in Weingeist getrennt. Die Raffinose bleibt im Rückstande nach wiederholtem Auskochen zurück. Die Reaktion nach Seliwanoff mit Resorcin und HCl haben Rohrzucker und Rafflncse gemeinsam. Das in Viciasamen enthaltene Glucosid Vicianin hefert bei der Hydro- lyse nach Bertrand und Weisweiller (5) eine Hexopentose, die Vicianose, deren Lösung rechtsdrehend ist und nicht durch Hefe vergoren wird. Ihre Komponenten sind Glucose und Arabinose. Endhch wäre die Lupe ose zu erwähnen, welche zuerst durch Schulze in den Samen einiger Lupinus- arten aufgefunden wurde (6) und von Tanret (7) als Strontian Verbindung auch aus Phaseolus, Lens, Trifohum, Galega, Soja isoHert werden konnte. Wahrscheinhch ist die Lupeose mit Stachyose identisch. Noch ungeklärt ist die Natur einiger anderer durch Schulze isoüerter Kohlenhydrate aus den Samen von Phaseolus, Onobrychis, Sinapis und Picea. §2. Stärke. L Vorkommen. Wenngleich die Reservestoffe des reifen ruhenden Samens meist aus Fett bestehen, so ist doch sehr reichliche Speicher ung von Stärke im Nährgewebe kein seltenes Vorkommnis und nach den ausführlichen, durch mikroskopische Untersuchung belegten Angaben von Nägeli(8) dürfte etwa Vio aller Gattungen der Phanerogamen Stärke- samen besitzen. Im unreifen Zustande pflegen allerdings auch Fettsamen Stärke zu führen, was bei der mikroskopischen Untersuchung von ge- trocknetem Material beachtet werden muß. Von Gymnospermen und Monocotyledonen hat ungefähr die Hälfte der Familien und Gattungen Stärkenährgewebe; von den Dicotyledonen besitzt nur Ve» von der Ab- teilung der Sympetalen nur Vu der Familien und ein noch viel kleinerer Bruchteil der Gattungen Stärkesamen. Sehr häufig ist das Vorkommen von Stärke im Samennährgewebe ein durchgreifendes Gattungs-, ja Familien-, selbst Ordnungsmerkmal (Farinosae, Centrospermae). Stärke und Fett verteilen sich oft auf Nährgewebe und Embryo (Gramineen, Caryophyllaceen), sind aber in manchen Fällen, wie bei vielen Papilio- naceen miteinander in denselben Zellen vorhanden. Unter den Gymnospermen sind die Cycadeen, Gnetaceen und Ginkgo als Stärkeendosperm führende Pflanzen anzuführen, während bei 1) Ritthausen, Journ. prakt. Chem., 2g, 351 (1884). Scheibler, Ber. Chera. Ges., 18, 1779 (1885). Rischbiet u. Toixens, Ebenda, p. 2611. Sacc, Chem. Zentr. (1885), p. 125. — 2) O'Sullivan, Journ. Chem. Soc. (1886), /, 70; Chem. Newa, 52, 293 (1885). — 3) E. Schulze u. Feankfurt, Ber. Chem. Ges., 27, 64 (1894). Schulze u. Godet, Ztsch. physiol. Chem., 61, 279 (1909). — 4) Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 149, 361 (1909); Journ. Pharm, et Chim., 30, 162 (1910). — 5) G. Bertrand u. Weisweiller, Compt. rend., 150, 180 (1910). — 6) Schulze u. Steiger, Landw. Versuchsstat., 41, 210. Merlis, Ebenda, 48, 419. Schulze, Ztsch. physiol. Chem., 61, 294 (1909); 69, 366 (1910). — 7) G. Tanret, Compt. rend., 155, 1526 (1912). — 8) Nägeh, Die Stärkekörner (1858), p. 378 u. 535. 398 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. den Coniferen nur in einzelnen Fällen neben Fett auch etwas Stärke vorzukommen scheint (1). Von den monocotyledonen Gruppen sind die Gräser, Cyperaceen, Farinosen, Bromeliaceen, Juncaceen, Musaceen hervor- zuheben; von den Dicotyledonen die Piperaceen, Loranthaceen, Quercus, Castanea, die Polygonaceen, Centrospermen, die Nymphaeaceen, Drose- raceen, Anacardiaceen, Aesculus, Borabacaceen und Sterculiaceen, Diptero- carpaceen, Cistaceen, Myrtaceen als Stärke in ihren Samen enthaltend zu nennen. Von den Sympetalen, bei denen nur sehr selten Stärke im Samennährgewebe gefunden wird, seien erwähnt die Plumbagaceen, Aegiceras, wenige Sapotaceen, Avicennia und Acanthus. II. Quantitative Verhältnisse. Bei reichlichem Stärkegehalt kann die Menge des Amylums bis 80% des Trockengewichtes betragen und 60—70% ist die Regel bei reichlich Stärke enthaltendem Nälir- gewebe. Die zahlreichen in der Literatur vorhandenen Angaben sind teilweise recht unverläßlich, da nicht immer ausreichende Methoden zur Bestimmung der Stärke in Anwendung kamen. Aus der als „stickstoffreie Extraktivstoffe" bezeichneten Zahl der praktischen Analyse kann man nur mit großer Vorsicht Rückschlüsse auf den Stärkegehalt machen, da diese Zahl nicht selten auch bei notorisch stärkefreien Samen in einem ziemlich hohen Prozentsatze ausgewiesen wird. Außerdem ist sehr häufig auf den Wassergehalt des lufttrockenen Materials und auf die Samenschale keine Rücksicht genommen, so daß die Sammlung genauer, nicht nur dem praktischen Bedarf genügender Analysen des Stärke- gehaltes für verschiedene biochemische Arbeiten von erheblichem Werte wäre. Das Gleiche gilt auch für die übrigen Reservekohlenhydrate von Samen. Die in der Literatur angegebenen Zahlen bewegen sich zwischen 50 und 85 % der Samen trockensubstanz und erreichen in den Gras- endospermen sowie bei Aesculus ihre höchsten Beträge (2). Für die Kenntnis der Verteilung der Stärke im Samen sind die Unter- suchungen von Hopkins, Smith und East (3) an Zea Mays von Interesse. Die Körner wurden in sechs Teile zerschnitten und in jedem die Kohlen- hydrate bestimmt. Es fand sich (bei drei Maissorten) an Kohlenhydraten: I II III in Spitzenkappe 90,57 % 87,76 % 91,50 % Hülle 93,29% 94,36% 94,30% Hornige Kleberschicht .... 75,87 % 69,09 % 69,07 % Stärkeschicht 91,54% 89,32% 88,58% weiße Bodenstärkeschicht . . . 92,27 % 91,67 % 90,50 % „ Spitzenstärkeschicht . . 93,31 % 91,62 % 90,75 % Keim 33,07% 35,46% 36,73% Ganzes Korn 85,11 7« 83,17 % 80,12 % III. Historisches (4). Die ersten mikroskopischen Beobachtungen über Stärkekörner stammen bereits von Malpighi (5) und besonders von Leeuwenhoek (6), der sich schon bemühte, die Erscheinungen beim Er- 1) Vgl. Burgerstein, Ber. Botan. Ges., i8, 180 (1900). — 2) Vgl. die Tabelle auf p. 308, Bd. I der 1. Auflage dieses Werkes. — 3) C. G. Hopkins, Smith u. East, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 1166 (1903). — 4) Hierzu u. a. B. Herstein, Journ. InduBtr. and Engin. Chem. (1911), p. 158. — 5) Malpighi bildet auf Taf. IV, Fig. 15 seiner Anatorae plantarum Stärkekörnchen in Stengelparenchymzellen ab. — 6) Leeuwenhoek, vgl. Mulder, Physiol. Chem. (1844), p. 215. § 2. Stärke. 399 hitzen von Stärkekörnchen und bei der Verdauung der Stärke durch Tiere näher zu ergründen. Mirbel (1) sprach sich 1815 dahin aus, daß das Stärke- mehl eine krystaUinische Substanz sei und gleichzeitig bildete Villars, vor allem aber seit 1824 Raspail (2) noch die von Leeuwenhoek herrührenden Vorstellungen weiter aus, wonach die Stärkekörnchen bläschenartige Ge- bilde wären ; auch die Arbeiten von GuiBOURT (3) und von Guerin Varry (4) bewegen sich in dergleichen Anschauungen. In einer bewundernswerten Arbeit stellte Fritzsche (5) 1834 den wahren Bau der Stärkekörner, Schich- tung, Kern, vollständig klar und zeigte die Unrichtigkeit der RASPAiLschen Theorie. Auf die eigentümüchen Erscheinungen an Stärkekörnern im pola- risierten Lichte wies 1844 BiOT (6) und später Ehrenberg (7) zuerst hin. Elementaranalysen der Stärke rühren aus älterer Zeit von Berzelius, Marcet (8) und von Payen (9) her; der letztere machte auch auf die gleiche chemische Zusammensetzung der Stärke bei verschiedenen Formverhält- nissen der Körner aufmerksam. 1815 entdeckten Colin und Gaulthier de Glaubry(IO) die Jodreaktion der Stärke. Ein sehr bedeutsamer Fort- schrittwar die 1812 durch Kirchhoff (11) entdeckte Überführung der Stärke in Zucker durch Kochen mit verdünnten Säuren, wozu wenig später die Entdeckung desselben Forschers von der amylolytischen Wirksamkeit des Klebers kam. Schon Davy(12) fand, daß die Säure hierbei nicht zersetzt werde und Saussure (13) erkannte bereits 1815, daß die Stärke bei der Zucker- bildung Wasser aufnehme und gleichsam in einer festen Verbindung fixiere. Braconnot(14) studierte 1833 die Wirkung der Salpetersäure auf Stärke. BiOT und Persoz(15) entdeckten in demselben Jahre die Entstehung einer rechtsdrehenden Substanz bei der Säurehydrolyse der Stärke, welche sie als Dextrin bezeichneten. In die gleiche Zeit fällt sodann auch die erste Darstel- lung von Diastase durch Payen und Persoz (1 6). Payen (17) zeigte ferner, daß Stärke und Dextrin isomer seien. Erwähnt sei noch, daß Fritzsche auch der Entdecker der weinroten Jodreaktion in den ersten Stadien der Stärke- hydrolyse war und daß er sich gegen die Ansicht aussprach, daß Jodstärke eine chemische Verbindung sei. IV. Darstellung reiner Stärke ist nur schwierig und mit großem Materialverlust zu bewerkstelligen. Um im Laboratorium ein größeres Quantum möglichst reiner Stärke zu gewinnen, knetet man am besten das feingemahlene Samenmaterial in einer Menge von einigen Kilogramm 1) C. F. Brisseau- Mirbel, El^mens de phys. v^g^t. (1815), /, 185. — 2) Raspail, Ann. Sei. Nat. (Mars 1826); M6m. soc. d'hist. nat., j, 17 (1827); ferner Caventou, Ann. de Chim. et Phya. (2), j/, 337 (1826). — 3) Guiboürt, Ann. de Chim. et Phys. (2), 40, 183 (1829). — 4) R. T. Guerin- Varry, Compt. rend., 2, 116 (1836); Ann. de Chim. et Phys. (2), 61, 66 (1836); vgl. auch Candolle, Phy- siologie, deutsch V. Röper, 7, 149 (1833). — 5) J. Fritzsche, Pogg. Ann., 32, 129 (1834). Eine Übersicht über die ältere Stärkeliteratur ist von Poqgendorff gegeben in dessen Annalen, 37, 114 (1836). — 6) BiOT, Compt. rend., 18, 795 (1844). — 7) Ehrenberg, Jouru. prakt. Chem., 49, 490 (1850). — 8) Berzelius, zit. Mulder, 1. c, p. 216. Marcet, Ann. de Chim. et Phys. (2), jö, 27 (1827). — 9) Payen, Compt. rend., 3, 224 (1836); Ann. de Chim. et Phys. (2), 65, 225 (1837); Ann. Sei. Nat. (1838), p. 5. — 10) Colin u. Gaulthier de Claubry, Schweigg. Journ., 13, 453 (1815). Stromeyer, Gilb. Ann., 49, 146 (1815). — 11) Nasse, Schweigg. Journ,, 4, 111 (1812). J. C. Schrader, Ebenda, p. 108. Vogel, Gilb. Ann., 42, 125 (1812); Schweigg. Journ., 5, 80 (1812). Gehlen, Ebenda, p. 32. — 12) Davy, Elem. d. Agrik.chem. (1814), p. 146. — 13) Th. Saussure, Gilb. Ann., 49, 129 (1815); Schweigg. Journ., 27, 323 (1819). — 14) Braconnot, Ann. de Chim. et Phys. (2), 52, 290 (1833). — 15) Biot u. Persoz, Ebenda (2), 52, 58, 72 (1833). — 16) Payen u. Persoz, Ebenda, 53, 73 (1833); 60, 441 (1835). — 17) Payen, Ebenda (2), 61, 355 (1836). 400 Zehntes Kapitel: Die ReBervekohlenhydrate der Samen. in einem Tuche unter einem Wasserstrahle aus, schlemmt die aus- gewaschene Stärke mit ammouiakhaltigem Wasser aus, so daß nur größere Stärkekörner zurückbleiben, und wäscht zuletzt mit destilliertem Wasser. Dieses Verfahren ist z. B. bei Bohnen, Erbsen, Weizen, Roggen u. a. möglich, versagt jedoch z. B. bei Reisstärke und in anderen Fällen. Bei der fabriksmäßigen Herstellung von Reisstärke werden die Körner in V* %iger Natronlauge eingequellt, gewaschen und gemahlen. Das Mehl wird wieder mit Alkali behandelt, man beseitigt die schwereren Verunreinigungen durch Absitzenlassen und verarbeitet die Stärkemilch weiter. Über diese und andere technisch, angewendeten Methoden zur Herstellung von Samenstärke im großen, besonders die Methoden unter Zuhilfenahme von Milchsäuregärung, findet man Näheres in den Werken von Wiesner (1), A. Meyer (2) und den technisch-chemischen Hand- büchern. Bau und Entstehung der Stärkekörner. Soweit die dies- bezüglichen Tatsachen und Forschungen in den Rahmen einer allgemein physiologischen Darstellung fallen, muß auf die Lehrbücher der Physio- logie, in erster Linie die Ausführungen Pfeffers (3) verwiesen werden, wo man auch das Nähere über die Entwicklung des heutigen Wissens von den molekularmechanischen Spekulationen Nägelis(4) angefangen bis zu den durch die Entdeckung der farblosen protoplasmatischen Stärke- bildner durch Schimper(5) angebahnten und besonders von A. Meyer (6) ausgebauten modernen biologisch-chemischen Ansichten finden wird. Hin- sichtlich der Detailfragen ist für jeden, welcher sich eingehender mit dem Studium der Stärkebiochemie beschäftigen will, das umfassende Werk des letztgenannten Forschers ein unerläßliches Hilfsmittel. Wie Meyer ausführlich gezeigt hat, ist der bekannte morphologische Aufbau der Stärkekörner ein Ausdruck der Wachstumsgeschichte dieser Gebilde. Die Substanz der einzelnen Schichten des Stärkekorns kann hierbei sowohl bis zu einem gewissen Grade chemisch different sein, als auch verschiedenen Wassergehalt besitzen. Meyer hat zuerst die theoretische Forderung aufgestellt, daß das wachsende Stärkekorn an allen Punkten der Peripherie, wo es noch Zuwachs durch Anlagerung von Stärkesubstanz erfährt, mit seinem Mutterorgan, dem Amyloplasten, überkleidet sein müsse. Tatsächlich sind die Stärkekörner (wenigstens während der Dauer voller Lebensfähigkeit der beherbergenden Zellen) gänzlich in Amyloplastensubstanz eingehüllt (Meyer, p. 162—67), was auch durch cytologische Untersuchungen von Salter (7) bestätigt worden ist. An Orten, wo der Gehalt des Organs an Kohlenhydraten und Zucker ein schwankender ist, infolge periodisch oder in unregelmäßigen Z^tintervallen vermehrter Zuckerzufuhr und Stärkebildung sowie ver- stärkten Zuckerverbrauches und beschleunigter Stärkelösung, drückt sich dies, wie Meyer an sehr lehrreichen Beispielen gezeigt hat, in dem Bau der 1) WiESNEK, Die Rohstoffe des Pflanzenreiches, 2. Aufl., /, 571 (1900). — 2) A. Meyer, Untersuchungen über die Stärkekörner (1895), p. 78—79. Trocknen von Stärke: Maquenne. Conipt. rend., 141, 609 (1905). — 3) W. Pfeffer, Pflanzen- physiologie, 2. Aufl., //, 39 (1901). — 4) Näqeli, Die Stärkekörner (1858); Botan. Ztg. (1881). P- 633. — 5) A. F. W. Schimper, Botan. Ztg. (1880), p. 881 ; (1881), p. 185. — 6) A. Meyer, Ebenda (1881), p. 841. Untersuchungen über die Stärke- körner (1895). Dort ausführlicher Literaturnachweis. Von den Spezialarbeiten sei insbesondre die Studie von A. Dodel, Flora (1892), p. 267 und A. BiNZ, Ebenda, Erg.-Bd. (1892), p. 34 namhaft gemacht. — 7) J. H. Salter, Jahrb. wiss. Botan., 32, 127 (1898). § 2. Stärke. 401 Stärkekörner vielfältig aus. Derartige Verhältnisse herrschen jedoch nie in Samennährgeweben, wo vielmehr die Stärkebildung ruhig und un- gestört, doch häufig langsam vor sich geht und wo wir denn auch im Einklänge mit Meyers Darlegungen runde, zentrisch geschichtete Körner (Meyers „monotone" Stärkekörner, 1. c. p. 189) am häufigsten finden. Nach Meyer (1. c. p. 175) ist beim Entstehen exzentrisch ge- schichteter Stärkekörner auch der Druck des zähflüssigen protoplasma- tischen Wandbelages auf das Chromatophor von Einfluß, wodurch die Amyloplastensubstanz eine ungleiche Verteilung an der Peripherie des Stärkekorns erfahren kann. Da die Amyloplasten gleichzeitig oder sukzessive mehrere oder sehr viele Stärkekörner in sich zu bilden vermögen, so kommt es häufig zur Formation derjenigen Körner, welche man meist mit Nägeli als „zusammengesetzte" Stärkekörner bezeichnet, und für die Meyer die Benennung „adelphische" Körner (oligadelphische, polyadelphische) vor- geschlagen hat. Meyer hat die Entwicklung der polyadelphischen Stärkekörner (1) im Oryzaendosperm eingehend verfolgt und ebenso die Ausbildung der „Großkörner" und „Kleinkörner" im Endosperm von Hordeum. Der morphologische Aufbau der Stärkekörner ist ein schönes Bei- spiel für das Entstehen struktureller Differenzen ohne erkennbare chemische Unterschiede unter dem leitenden Einflüsse lebender Zellorgane. Offenbar ist es auch die Eigenart der Amyloplasten einer bestimmten Species, Gattung oder Familie, wenn bei dieser eine übereinstimmende morpho- logische Beschaffenheit der Stärkekörner vorkommt (Centrospermae, Con- volvulaceae), oder wenn in allen Teilen einer Pflanze die Stärkekörner eine charakteristische Form haben, wie in Beere, Knollen und Stengel der Kartoffelpflanze. Ebenso werden wir für gewisse Familien eine hervor- ragende Neigung der Amyloplasten zur Bildung adelphischer Stärke- körner anzunehmen haben usw. Selbst gewisse Varietäten einer Art können sich durch bestimmte Eigentümlichkeiten ihrer Amylumkörner unterscheiden. So haben nach Darbishire (2) die runden und kantigen Erbsenformen verschieden ge- formte und verschieden quellende Amylumkörner; Bastarde zwischen beiden Formen besitzen Stärkekörner, welche Mittelbildungen darstellen. Über Größe, Formverschiedenheiten der Amylumkörner wolle man im übrigen die zitierten Handbücher vergleichen. Besonders große, bis 27.5 ^ messende Körner finden sich nach Eichler (3) bei Lathraea Squamaria (Rhizomschuppen!). — Buscalioni (4) fand merkwürdige, an die RosANOFFschen Oxalatkapseln erinnernde Einkapselungen von Amylum- körnern bei Juncus und in den Samenschalen von Vicia narbonensis. VI. Physikalische Eigenschaften. Mit Wasser vollständig imbibierte Amylumkörner enthalten wenigstens Vs ihres Trockengewichtes an Wasser. Kartoffelstärke nimmt nach Meyer bis 40% Wasser auf. In frischen keimfähigen Samen dürften die Stärkekörner durchschnittlich etwa 15% Wasser enthalten, Kartoffelstärke des Handels enthält nach Soxhlet meist etwa 20 % Wasser, Getreidestärke weniger. Folgende Zahlen entstammen Bestimmungen von Bloemendal(5): 1) Für Avena auch Gris, Ann. Sei. Nat., 13, 116 (1860). — 2) Darbishire, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 122 (1908). — 3) B. Eichler, Botan. Zentr., 99, 17 (1905). — 4) L. ßuBCALiONi, Malpighia, 13, 1 (1899). — 5) BloemendaiI Pharm. Weekbl., 43, 1249 (1906). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. s. Aufl. 26 402 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. Dichte i.W. Dichte i. Alkoh. 96 % Asche Wasser Verbrenn. Wärme Arayl. Solani 1,458 1,488 0,26 19,88 4000 cal. Amyl. Oryzae 1,498 1,485 0,58 13,23 4001 „ Amyl. Tritici 1,476 1,484 0,40 15,95 4004 „ Amyl. Marantae 1,474 1,495 0,22 16,61 4027 „ Über die Quellungswärme, welche bei Stärkekörnern durch Wasser- aufnahme entwickelt wird, hat besonders Rodewald (1) Untersuchungen angestellt. Wenn Weizenstärke beim Quellen 32,6% Wasser aufnimmt, so wird eine Quellungswärme von 23,4 Calorien entwickelt; 1 g trockene Stärke entwickelt beim Quellen einen Druck von 2523 Atmosphären. Die Dichte der Stärkekörner beträgt mit Schwankungen nach der Pflanzenspezies ± 1,5. Weizenstärke hat nach Rodewald 1,4860 bis 1,5072 spezifisches Gewicht; völlig trocken würde sie die Dichte 1,6122 haben (2). Der Wassergehalt hat natürlich auch großen Einfluß auf die spezifische Wärme. Nach Rodewald ist sie für 0 % Wasser 0,2697, für 33,66 %, für den Sättigungspunkt 0,3054. Auch der Brechungsexponent der Stärke muß wesentlich vom Wassergehalt bestimmt werden. Er ist für lufttrockene Stärke etwas höher als 1,535 und dürfte nicht weit von 1,560 liegen. Für wassergesättigte Stärke bestimmte Meyer n mit 1,475. Er bediente sich des Salicylsäuremethylesters mit n = 1,535 als Ver- gleichsflüssigkeit, indem er verschiedene Mischungen desselben mit Alkohol und Wasser herstellte. E. Ott (3) in Wiesners Laboratorium wendete das ExNERsche Mikrorefraktoraeter an. Die Erscheinungen, welche Stärkekörner im Polarisationsmikroskop aufweisen, sind bekannt. Bei Kreuzstellung der beiden Nicols erscheint in jedem Korn ein orthogonales schwarzes Kreuz, dessen Arme mit den Schwingungsrichtungen in den Nicols zusammenfallen. Lange Zeit galt diese Erscheinung mit Unrecht als eine der Hauptstützen der von NÄGELi begründeten Anschauung von der krystaUinischen Natur der Grundelemente des Aufbaues der Amylumkörner. Nägeli hatte auf Grund der Polarisationserscheinungen angenommen, daß die Stärkekörner aus krystaUinischen „Micellen" konstruiert seien, welche radial angeordnet sind, gerade auslöschen, und deren kleinere optische Elastizitätsachse in die Längsrichtung der Krystalle fällt. In der Tat würde natürlich ein derartiges Krystallaggregat (Sphärokrystall) ein analoges Bild im Polarisationsmikro- skop liefern müssen, wie wir es an den Stärkekörnern beobachten. Diese zuletzt noch von A. Meyer verfochtene Anschauung von den Polarisations- erscheinungen an Stärkekörnern ist jedoch definitiv aufzugeben, da in jedem kolloiden Gel-Aggregat, in welchem die Spannungsverhältnisse symmetrisch verteilt sind, das gleiche Bild zustande kommen muß, wie man es tatsächlich nach H. Fischer (4) bei dem in Alkohol erhärteten Orchideenschleim oder bei den Membranen von Spaltöffnungsschließzellen, welche das Stoma in Form eines Ringes einschließen, beobachten kann. Zugunsten der Theorie vom krystaUinischen Aufbau der Stärkekörner wurden weiter besonders durch Meyer die „radialtrichi tischen" Struk- 1) RoDEWALD, Landw. Versuchsstat., 45, 201 (1895); Ztsch. physik. Chem., 33, 540 u. 593 (1900). — 2) Auch Flückiger, Ztsch. analyt. Chem., 5, 302 (1867). Pabow, Ztsch. Spiritusindustr., jo, 432 (1907). Hysteresis bei der Quellung: A. Rakowski, Ztsch. KoU.chem., //, 269 (1912). — 3) E. Ott, Österr. botan. Ztsch., 39, 313 (1899). Wiesner, Rohstoffe, 2. Aufl. (1900), /, 560. — 4) H. Fischer, Beiträge z. Biolog. d. Pfl., 8, 74 (1898). Die Beobachtungen an Spaltöffnungen (un- veröffentlicht) stammen von Dr. Strecker im hiesigen Institute. Boutaric, Journ. de Physique (5), /, 891 (1911). § 2. Stärke. 403 turen verwertet, die mitunter schon an frischen Amylumkörnern angedeutet sind, bei Sorghum durch konzentriertes Calciumnitrat sichtbar werden, nach BuscALiONi bei Maisstärke nach Kochen mit Chloroform und etwas Chromsäure hervortreten (1). Doch werden derartige Radialstrukturen, die sich bis zum Auftreten feiner Sprünge steigern, keinem erstarrten Gel fehlen und können als eine Eolge der tangentialen Zugspannungen betrachtet werden. Daher ist auch die von Meyer angenommene ,,Porenquellung", welche wesenthch in einer capillaren Wasseraufnahme in solchen ultra- mikroskopischen Spalten besteht, keine wirkliche Quellungserseheinung. Die Geschichte der Erforschung der Natur der Stärkekörner zeigt, wie sich zahlreiche Schwierigkeiten daraus ergeben habgn, daß die Körner in kaltem Wasser nicht merkliche Quellungserscheinungen zeigen und erst oberhalb der Verkleisterungstemperatur plötzlich in einen flüssigen Zustand über- gehen, der an der kolloidalen Natur der Stärkekohlenhydrate keinen Zweifel übrig läßt. Da Meyer überdies das Amylodextrin, ein der Stärke relativ nahestehendes Kohlenhydrat in Sphäriten und in gut ausgebildeten Krystallen darstellen konnte, so ist es begreifhch, daß man zunächst an Amylosekryställ- chen als Bauelemente dachte, welche etwa Eiweißkrystallen bezüglich ihrer physikalischen Natur vergleichbar wären. Damit wäre es durchaus verein- bar, daß diese Kryställchen einer kolloidalen Substanz angehören und steht auch mit der Beobachtung nicht im Widerspruche, daß mit zunehmendem Wassergehalt die Polarisationserscheinungen sich in gewissem Ausmaße ändern. Doch sind manche Punkte noch ungeklärt. So ist kein Zweifel, daß energisches Verreiben der Stärke bis zu einem gewissen Grade Stärke auch in kaltem Wasser zur Lösung bringen kann (Meyer), ja Kraemer (2) gibt an, daß mit Sand verriebene Stärke mit kaltem Wasser eine wirkHche Kolloidlösung gibt. Es scheint nicht, als ob die beim Verreiben entwickelte Wärme allein hinreichend wäre, um diesen Vorgang zu erklären. Anderer- seits müßte, wenn, wie Kraemer annimmt, nur das Zerreißen der peri- pheren Schichten der Körner die Schuld trägt, doch mehr von der inneren Substanz in Lösung gehen, als man tatsächlich beobachtet. Ganz in Ab- rede stellen kann man aber die Annahme einer Differenz zwischen den äußeren und inneren Schichten der Amylumkörner nicht, nachdem die bekannten Blasenbildungen beim Verkleistern der Körner auch auf solche Verhältnisse hinzudeuten scheinen. Beuerinck (3) denkt sich, daß die den Stärkekörnern außen anhaftenden Leukoplastenreste die Beschaffenheit der Außenschicht verändern. BÜTSCHLi(4) hat seit 1893 eine von der Krystalltheorie ganz abwei- chende Ansicht von der feineren Struktur der Amylumkörner verfochten, zu welcher er auf Grund seiner Studien an künstlich gewonnenen Stärke- körnern gekommen war. Diese Vorstellungen stehen in innigem Zusammen- hange mit seinen sonstigen Vorstellungen über den wabenartigen Aufbau von Gelen und unterliegen .'enselben Bedenken wie diese. Sowohl gegen die künsthchen Stärkekörner Bütschlis, welche dieser Forscher 1897 beschrieben hat, als auch gegen die später durch Rodewald und Kattein (5) erhaltenen künstlichen Amylumkörner, welche durch 1) L. BuscALiONi, Nuov. Giorn. Botan. Ital., 23, Nr. 1 (1891). Auch H. Fischer, Beiheft bot. Zentr., 12, 226 (1902); Ber. Botan. Ges., 21, 107 (1903). — 2) H. Kraemer, Botan. Gaz., 40, 305 (1905). — 3) M. Beuerinck, Kgl. Akad. Amsterdam (1912), p. 1252. — 4) O. Bütschli, Verh. Nat. Med. Ver. Heidelberg, 5, 1, 89 (1893): (1897) p. 457. Vorlauf. Bericht üb. Untersuch, an Gerinnungs- achäumen (1894); Verh. Nat. Med. Ver. Heidelberg, 7, 420 (1904). —5) Rodewald u. Kattein, Ztsch. physik. Chem., jj, 579 (1900); Berlin. Akad., 24, 62 (1899). 26* 404 Zehntes Kapitel: Die ReBervekohlenbydrate der Samen. Lösen von Weizenstärke in Jodjodkalium durch Erhitzen auf 130°, Ab- dialysieren des überschüssigen Jodkali, Vertreibung des Jods aus der Stärke durch Erhitzen und nachheriges langsames Abkühlen erhalten war, läßt sich einwenden, daß sie mit der natürüchen Stärke nicht mehr identisch sind, denn sie weichen in ihrem Verhalten mehrfach von der natürUchen Stärke ab. Maquenne(I) hat schheßHch die interessante Erscheinung wahrgenommen, daß der in übhcher Weise bereitete Stärkekleister die Eigenschaft hat, bei längerem Stehen unter antiseptischen Kautelen sich zu trüben und Klümpchen auszuscheiden, welche der genannte Forscher mit der natürhchen Stärke vergleicht ; er spricht deswegen von Rückbildung (Retrogradation) der Stärke. Wenn man bei 0° und neutraler Reaktion arbeitet, so erreicht man im Maximum die Ausscheidung von 30% der Stärke bei diesem Rückgange. Die Retrogradation verläuft um so schneller, je höher die Konzentration des Kleisters ist. Maqüenne stellt sich direkt vor, daß die natürhchen Stärkekörner mit den Ausscheidungen aus altem Stärke- kleister zu vergleichen seien. Sollte diese Anschauung in ihren wesenthchen Punkten zutreffen, so wäre wohl davon abzusehen, in den Amylumkörnern krystalhnische Elemente anzunehmen. VII. Allgemeine chemische Eigenschaften. Auf 110*' erhitzt bleibt trockene Stärke unverändert. Bei 150 — 160° färbt sie sich gelblich und geht in wasserlösliche Produkte (Röstgummi) über, deren Natur noch nicht bekannt ist (2), Auf 200 ° im geschlossenen Rohr erhitzt gibt Stärke Brenzcatechin, vielleicht auch Protocatechusäure (3). Mit Wasser zusammen erwärmt, erfolgt bei einer Temperatur, die in der Regel zwischen 60 und 70° C liegt, die bekannte Erscheinung der Kleisterbildung: Umwandlung der Einzelkörner in eine formlose Masse, die sich mit Wasser entsprechender Temperatur in jedem Ver- hältnis zu einer Kolloidlösung mischt. Es ist nicht leicht die Quellungs- temperatur scharf zu bestimmen, doch finden sich gewiß kleine Unter- schiede in der Verkleisterungstemperatur bei den einzelnen Stärkesorten. Nyman(4) suchte durch die mikroskopische Beobachtung der Licht- brechungsverhältnisse die Verkleisterungstemperatur zu bestimmen; für Getreidestärkesorten ergab sich 57 — 59° C. Der Sprung von der capil- laren Wasseraufnahme zu der rapiden Aufquellung der Körner bei der Verkleisterungstemperatur ist ein ziemlich unvermittelter und der Charakter der Erscheinung legt den Schluß nahe, daß hierbei bereits geringfügige Hydratationsprozesse unterlaufen (5). Beim Gefrieren des Stärkesols scheidet sich die Kolloidsubstanz als schwammartige Masse aus, die beim Erwärmen mit Wasser wieder löslich ist (6). Bekannt ist es, daß eine Reihe von Stoffen die Stärke dazu befähigen, sich bereits bei gewöhn- licher Temperatur in Wasser kolloidal zu lösen. Solche Mittel sind Ca(N03)2, JK, ZnCla, SnClj, Natriumacetat u. a. Ferner wirkt Chloral- hydrat stark quellend; auch Chloroform mit wässeriger ZnClj-Lösung, wobei wohl das Chlorzink den wirksamen Faktor bildet (7). Sehr wirksam 1) L. Maqüenne, Compt. rend., 137, 88, 797, 1266 (1903); 138, 49, 213, 375 (1904); 140, 1303 (1905); Bull. Soc. Chim. (3), 29, 1218 (1903); 33, 723 (1905). Roux, Compt. rend., 140, 943 (1905). — 2) Vgl. St. Schubeet, Monatsh. Chem., 5. 472 (1884). — 3) F. Hoppe-Seyler, Ber. Chem. Gea., 4, 15 (1870). — 4) M. Nyman, Ztflch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 24, 673 (1912). — B) Vgl. V. Syndewski, Lieb. Ann., p. 309, 282 (1899). — 6) Ambbonn, Ber. Sachs. Ges. Wiss. (1891), p. 28. M0LI8CH, Erfrieren d. Pfl. (1897), p. 9. Malfttano u. Moschkoff, Compt. rend., 150, 710 (1910). — 7) Mauch, Chem. Zentr. (1902), /, 1199. Müsset, Ebenda (1896), //, 703. § 2. Stärke. 405 sind verdünnte wässerige Alkalien, während konzentriertes KjCOj auch bei 100° nach Meyer keine Kleisterbildung hervorruft. Erhitzen mit Alkalien leitet so wie das Erhitzen mit Säuren, rasch tiefgreifende Hydrolyse ein. Stärkekleister unter Alkoholzusatz, mit Kalk- oder Barytwasser versetzt, gibt einen Niederschlag, der aus Kohlenhydrat- Erdalkaliverbindungen besteht; analog tritt auch mit basischem Bleiacetat eine Fällung auf(l). Heißes Glycerin bedingt intensive Hydrolyse, wie ZuLKOwsKi fand (2). Bei allen Widersprüchen auf dem Gebiete der Stärkechemie leuchtet doch aus den meisten Untersuchungen die Wichtigkeit eines früher ganz vernachlässigten Faktors hervor, nämüch die Wirkung der anwesenden Elektrolyte. Daß sowohl in der natürlichen als in der lösUchen Stärke Aschenstoffe nie fehlen, haben Fernbach und Fouard(3) gezeigt. Be- sonders PO4 wurde nie vermißt. Als man die Aschenstoffe aus der Stärke- lösung durch Ausdialysieren und Ausfrierenlassen möglichst beseitigte, erhielt man Stärkelösungen, welche viel leichter Gerinnungen ausschieden als die ursprüngliche Stärke, und Fouard gelang es, durch Dialyse daraus zwei Fraktionen zu gewinnen, von denen die durch Kollodium nicht filtrier- bare sehr unbeständig ist, die andere sich in ihren Eigenschaften den echten Lösungen annähert (4). Nach den ausführlichen Untersuchungen von Samec (5) wird die Quellungstemperatur der Stärke durch die Gegenwart von Salzen zum Teil sehr stark beeinflußt, wobei wieder die bekannten lyotropen Reihen der Anionen in der relativen Wirkungsintensität hervor- treten. Auf die Kationen kommt es bei der Entscheidung des Sinnes der Quellungsänderung weniger an. Neutralsalze wirken erst in jenen größeren Konzentrationen stärker ein, von denen man lyotrope Wirkungen zu er- warten hat. Laugen sind in geringsten Konzentrationen weitaus am wirk- samsten. Wahrscheinlich sind bei diesen Effekten lonenadsorptionen im Spiele, vielleicht auch wirküche chemische Verbindungen, w-ie insbesonders von den Alkahen vielfach angenommen wird, daß sie Stärkeverbindungen eingehen (6). Als Kolloidlösung verhält sich Stärkekleister ausgeprägt elektronegativ, adsorbiert Alkalien viel stärker als Säuren (7) und zeigt in alkahscher Lösung manche Eigenschaften geändert (8). Botazzi (9) fand, daß Stärke in saurer Lösung kathodische Konvektion zeigt. Umladung in alkahscher Lösung ist jedoch wie bei Eiweiß möghch, so daß dann ano- dische Kataphorese stattfindet. Osmotischer Druck sowie Leitfähigkeit wurden von Fouard (10) geprüft. Sie sind unmeßbar klein. Ultramikro- skopisch sind Stärkelösungen nicht auflösbar. Daß auch bei der Maqüenne- schen Retrogradation des Stärkekleisters der Elektrolytgehalt eine große Rolle spielt, wird schon d.Tch die erwähnten Kollodiumfiltrationsversuche 1) Vgl. AsBOTH, Checi.-Ztg. (1887), Eef. 147. Linthee, Ztsoh. angewandt. Chem. (1888), p. 232. — 2) Zülkowski, Ber. Chem. Ges., 13, 1398 (1880); 23, 3295 (1890). — 3) Feknbach, Compt. rand., 138, 428 (1904). Fouard, Ebenda, 144, 501 (1907). — 4) Malfitanö u. Mosohkoff, Ebenda, 151, 817 (1910). E. Fouard, Bull. Soc. Chim. (4), 3, 836 u. 1170 (1908); Compt. rend., 146. 285-, 147, 813, 931 (1908). — 5) M. Samec, KoU.chem. Beiheft., 3, 123 (1911). — 6) Vgl. A. Meyeb, l. c., p. 21. Pfeiffer u. Tollens, Lieb. Ann., 210, 288 (1881). — 7) Lloyd, Journ. Amer. Chem. Soc, jj, 1213 (1911). Demoussy, Compt. rend., 142, 933 (1906). — 8) Fouard, Compt rend., 148, 502 (1909); Bull. Soc. Chim. (4), 5, 828 (1909). Reychler, BuU. Soc. Chim. Belg., 23, 378 (1909). — 0) F. Bottazzi, Atti Accad. Line. Rom (5), /*, II, 87 (1909); 19, II, 7 (1910). — 10) Fouard, Compt. rend., i4<^, 978 (1908). 406 Zehntes Kapitel: Die Reeervekohlenhydrate der Samen. von FouARD erwiesen, und besonders Samec(I) hat vor kurzem gezeigt, daß bei den Veränderungen, die sich beim Altern von Kleister abspielen, Elektrolyte die Geschwindigkeit des Vorganges stark ändern. Besonders im Anfange der Alters Veränderungen, welche wesentHch durch die Abnahme der Viscosität und Zunahme der elektrischen Leitfähigkeit charakterisiert sind, tritt dieser Einfluß hervor. Salzsäure erniedrigt die anfängliche Vis- cosität der Kleisterlösung, wirkt jedoch später retardierend und stabili- sierend auf den Vorgang ein (2). Entsprechend niedere Konzentrationen von Laugen haben hingegen den entgegengesetzten Effekt und erhöhen die Viscosität; höhere Laugenkonzentrationen wirken wieder verringernd, während noch höhere einen enormen Viscositätsanstieg herbeiführen. Von Salzen wirkte sowohl das quellungshemmende Ammoniumsulfat als das quellungsfördernde Rhodanat im gleichen Sinne der Verringerung der Viscosität. Ähnlich sind auch die Versuche von Fouard über die Koa- gulationsgeschwindigkeit von Stärke und deren Beeinflussung durch Säuren und Basen zu beurteilen (3). Nonelektrolyte sind hinsichtUch ihres Einflusses auf die Quellungs- temperatur durch Samec geprüft worden und es ergab sich, daß Glycerin und Glucose die Quellungstemperatur erhöhen, während Harnstoff und Chloral- hydrat dieselbe herabsetzten. Auch Formaldehyd wirkt erniedrigend (4). Einige Bemerkungen seien noch den Altersveränderungen von Stärke- kleister gewidmet, deren Kenntnis besonders durch die oben erwähnten Arbeiten von Maquenne und Samec gefördert worden sind. Der Arbeit des letztgenannten Autors sei die folgende Übersicht über die Verringerung der Viscosität und der Zunahme der Leitfähigkeit während 70 Tagen sterilen Aufbewahrens der Kleisterlösung entnommen: Dauer des Alterns . Viscos .-Zeitverhältnis Lei t f ähigke its wer t Dauer des Alterns . Viscos.-Zeitverhältnis Leitfähigkeitswert Die Viöcositätsabnahme kann ohne weiteres, "ie es die genannten For- scher, allerdings unter verschiedener Begründung, taten, mit den Aus- flockungserscheinungen beim Altern in Zusammenhang gebracht werden. Die Erscheinung ist völHg parallel mit den Trübungen, welche in Eiweiß- lösungen beim Stehen auftreten und die besonders bei salzarmen Lösungen zur Ausscheidung des größten Teiles des Eiweißes führen können. Der Prozeß dürfte in einer Umwandlung des gelösten Kolloids in ein wasser- ärmeres, schwer lösliches bestehen, also in einer Art Anhydridbildung. Gleichzeitig kann, wie Samec ausführt, bei hinreichender Lösungskonzen- tration eine Agglutination der ausflockenden Teilchen erfolgen, so daß die miteinander verklebenden Teilchen die Viscosität erhöhen, was bei der Wirkung konzentrierter Laugen sehr in Betracht kommt. Schwieriger ist die Leitfähigkeitszunahme zu verstehen, welche sich Samec durch ein Freiwerden von ursprünglich gebundenen Ionen, vielleicht PO4'", erklärt. . 0 . 5,96 . 0,202 1 2 3 5,48 5,12 4,64 0,222 0,233 0,246 6 Tage 3,72 0,258 . 15 . 2,30 . 0,272 29 51 1,72 1,42 0,288 0,322 90 Tage 1,16 0,345 1) M. Samec, Koll.chem. Beiheft., 4, 132 (1912). — 2) Vgl. auch Woi-ff u. Ferne 4CH, Compt. rend., 140, 1403 (1905), Fouard, Compt. rend., 144, 501 (1907). — 3) Fouard, Ebenda, 144, 501, 1366 (1907); 147, 813 (1908). — 4) Reichard, Ztsch. ges. Brauwes., j/, 161 (1908). Natriumsalicylat : W. Lenz, Ztsch. öffentl. ehem., 20, 224 (1909). § 2. Stärke. 407 In den betreffenden Versuchen war die Aufnahme von Elektrolyten aus der Gefäßwand sorgfältig ausgeschlossen. Die Hypothese einer Amy- lose-Phosphorsäurebindung in dem ursprünglichen Kleister würde in der Tat insbesondere mit dem elektrischen Verhalten von Stärke lösungen in gutem Einklänge stehen, ist jedoch noch nicht so weit experimentell gestützt, als daß man bestimmt mit einer solchen Sachlage rechnen könnte. Gewiß ist nur, daß Elektrolyte sowohl bei dem Prozeß der Kleisterbildung, Quellung, Lösungsquellung, Entflockung (1), wie die verschiedenen Aus- drücke hierfür lauten, ebenso eine Rolle spielen wie bei der Ausflockung oder Entquellung der Stärkesole. Gleichzeitig wollen wir es als wahrschein- üch ansehen, daß Dehydratisierungen und Hydratisierungen in verschiedenen Abstufungen dabei im Spiele sind, welche bei stärkerer Intensität des Lösungsvorganges wohl ohne scharfe Grenze in die eigentUche Hydrolyse übergehen. Bemerkt sei, daß die Ausflockung beim Altern des Kleisters so wie bei Eiweiß keinen reversiblen Vorgang darstellt. Die bekannte Blaufärbung von Stärkelösung rait Jod ist nach Harrison(2) auf das Bestehen einer kolloidalen Jodlösung, in welcher Stärke die Rolle eines Schutzkolloides spielt, zurückzuführen. Alle Einflüsse, welche das Jod in echte Lösung überführen, bringen die Jod- stärkereaktion zum Schwinden. Daher hemmen Alkalien, ferner organische Solventien für Jod, wie Chloralhydrat und Chloroform (3), Tannin (4), viele Phenole, so nach eigenen Versuchen Brenzcatechin, Hydrochinon, Resorcin, Pyrogallol, aber nicht Carbolsäure. Andererseits müssen alle jene Stoffe, welche die Schutzvvirkung der Stärke vermindern, hemmen, woraus sich die Aufhebung der Jodstärkereaktion durch Erwärmen (5), Alkohol, Jodkalium erklärt. Die roten und blauvioletten Farbennuancen, welche bei Stärkekörnern und bei der Stärkehydrolyse auftreten, haben eine viel geringere Bedeutung als man früher angenommen hatte. Selbst mit unverändertem Stärkekleister kann man durch verschieden starken Zusatz von Jodkaii und Schwefelsäure verschiedene blaue und rote Farben- töne erzielen (6). Bei Gegenwart von viel JK wird Jodjodkalium in verschieden großen Komplexen adsorbiert, wodurch rote und rotbraune Färbungen entstehen. Durch Verdünnen mit Wasser läßt sich die blaue Farbe wiederherstellen. Nach Harrison spielt bei den Farben unterschieden selbst bei Hydratationsprodukten der Stäi'ke der Dispersitätsgrad des kolloiden Jod eine größere Rolle als die Differenz zwischen der nativen Stärke und den betreffenden dextrinartigen Abbauprodukten. Nachdem bereits Küster (7) gefunden hatte, daß sich die Abhängigkeit der Jod- menge in Jodstärke von der Konzentration des Jod in der wässerigen 6 Lösung Kw durch den Quotienten |/Kw/Kst ausdrücken läßt, haben die Untersuchungen von Barger (8) und Harrison zur Evidenz erwiesen, 1) Vgl. Malfitano u. Moschkow, Bull. Soc. Chim. (4), //, 606 (1912). WoLFF u. Feknbach, Compt. rend., 20 u. 27, VIII (1906). A. ßoiDm, Corapt. rend., 143, 511 (1906). — 2) W. Hakrison, Ztsch. KoU.chem., p, 5 (1911); Proceed. Chem. Soc, 26, 252 (1911). Vgl. auch Castoro, Gaz. chim. ital., 39, I, 603 (1909). — 3) E. Schär, Pharm. Zentr. Halle, 37, 540 (1896). — 4) Helntz, Jahresber. Agr, Chem. (1879), p. 499. Hemmung durch Eiweiß: Puchot, Ber. Chem. Gee , 9, 1472 (1876). Gekochter Malzextrakt: GrÜss, Jahrb. wisB. Botan., 26, 379 (1896). — 5) Schon beobachtet von Lassaigne, Ann. de Chim. et Phys. (2), 53, 109 (1833). Leroy u. Raspail, Schweigg. Journ., 68, 179 (1833). — 6) A. Bürgstaller, Chem.-Ztg. (1912), p. 589. Rivat, Ebenda, 34, 1041 (1910). — 7) F. W. Küster, Lieb. Ann., 283, 360 (1894); Ber. Chem. Ges., 28, 783 (1895). — 8) G. Barqer u. Ell. Field, Journ. Chem. Soc, 101, 1394 (1912). 408 Zehntes Kapitel: Die ReBerrAkohlenhydrate der Samen. daß es sich um ein Adsorptionsgleichgewicht handelt und daß man bei variierender Stärkemenge und konstanter Jod- und Jodkalimenge den Verlauf nach dem Gesetze der Adsorptionsisothermen graphisch wieder- geben kann. Durch die Untersuchungen von Harrison ist auch die früher allgemein vertretene Meinung gefallen, daß die Gegenwart von Jod- wasserstoff zur Jodstärkereaktion nötig wäre(l). Früher war die Meinung vorherrschend, daß es sich in der Jodstärke um eine chemische Ver- bindung, eine Additionsverbindung handle (2). Küster und nach ihm A. Meyer hatten von einer festen Lösung des Jod in Stärke gesprochen. Bromjod und Chlorjod färben Stärke violett (3). Brom allein gibt einen gelben Farbenton. Ester sind aus Stärke mehrfach dargestellt und besonders die Acetyl- derivate öfters studiert worden. Michael stellte solche aus Weizen- und Maisstärke unter Beibehaltung der Körnerstruktur her (4). Die niedrigsten Acetylderivate haben eine gelatineartige Beschaffenheit (5). Die eingehendsten Untersuchungen über Acetylstärke und Acetochlorstärkederivate stammen von Skraup und Pregl (6). Auch Stärke-Ameisensäureester sind bekannt(7). Über die Einwirkung von Formaldehyd auf Stärke hat Syniewski (8) Mit- teilungen gemacht. Die Oxydation der Stärke mit KMn04 erfolgt nach Lintner(9) unter Bildung kolloidaler „Dextrinsäuren", welche den Huminsäuren nahestehen sollen, der Zusammensetzung GigHjgOn oder CjgHgQOio entsprechen und mit Bleiessig und Barytwasser fällbar sind. Durch Einwirkung von Brom und AggO auf Stärke wird Gluconsäure erhalten (10). Einwirkung von Wasser- stoffperoxyd ergibt nicht nur Oxydationseffekte, sondern auch Hydrolyse nach den Feststellungen von Asboth und Gatin-Gruzewska(II). Der Abbau geht bis zu Maltose und Oxalsäure. Mit Natriumperoxyd wurden von Sy- niewski ähnliche Resultate erhalten (1 2). VIII. Die Kohlenhydrate der Stärkekörner. Auf Grund der von dem normalen blauen Ton verschiedenen Jodreaktion mancher Stärke- körner hat man bisher ziemlich allgemein angenommen, daß die stoffliche Beschaffenheit der natürlichen Amylumkörner nicht in allen Fällen dieselbe sei. Amylumkörner, die sich mit Jod nicht blau, sondern rot- braun färben, fand schon Nägeli(13) im Arillus von Chelidonium, Gris(14) im Reisendosperm, später Meyer (15) im Sorghumendosperm und Genti- 1) Myliüs, Ber. Chem. Ges., 20, 688 (1887). Daß AgNO, die Jodstärke- reaktion aufhebt und HCl dieselbe wiederherstellt, kann ebensogut auf einer Wirkung auf das Stärkekolloid als auf das Jod beruhen. Vgl. Roberts, Chem. Zentr. (1894), //, 147. — 2) Lit. vgl. 1. Aufl. dieses Werkes p. 316. Padoa, Chem. Zentr. (1905), /, 1593; (1908) /, 1457. Feste Lösung: Katayama, Ztsch. anorgan. Chem., 56, 209 (1907). — 3) Beckürts u. Freytag, Pharm. Zentr.- Halle, 27, 231 (1886). — 4) Michael, Amer. Chem. Joum., 5. 359 (1884). — 5) Crosj Bevan u. Traqüair, Chem.-Ztg., 29, 527 (1905). — 6) Skrattp, Ber. Chem. Ges., 3-. 2413 (1899). Pregl, Wien. Akad. (1902), IIb, p. 881. Skraup. Monatsh. Chem., 26, 1415 (1905). — 7) A. Kediaschwili, Chem. Zentr. (1904), //, 1029. — 8) Syniewski, Chem. Zentr. (1902), //, 986. — 9) C. J. Lentner, Ztsch. angewandt. Chem. (1890), p. 546. — 10) J. Habermann, Lieb. Ann., 172, 11 (1874). — 11) Asboth, Chem. Zentr. (1892), //, 867. Z. Gatin-Gruzewska, Compt. rend., 148, 578 (1909); Soc. biol., 68, 1084 (1910). C. Gerber, Compt. rend., 154, 1543 (1912). — 12) Syniewski, Ber. Chem. Ges., jo, 2415 (1897); 31, 1791 (1898). — 13) Nägeli, Stärkekörner (1858). p. 192. — 14) Gris, BuU. Soc. Botan., 7, 876 (1860). — 15) A. Meyer, Arch. Pharm., 21, VII— VIII (1883); Ber. Botan. Ges., 4, 337 (1886); 5, 171 (1887). § 2. Stärke. 409 anarhizom, spätere Forscher(l) in Orchideenembryonen, in Malaxis, Goodyera, Monotropa, Sweertia, Myristica. Besonders auffallend ist das Vorkommen solcher Stärke in den als Klebreis und Klebhirse bezeichneten Varietäten dieser Getreidearten. Der bei A, Meyer niedergelegten Ansicht, daß diese Stärkekörner als Hauptbestandteil das von Meyer als Produkt des Stärkeabbaues krystallisiert gewonnene Amylodextrin enthalten, einen Stoff, welcher nach Meyer typisch eine weinrote Jodreaktion gibt, stehen neuere Befunde von Tanaka(2) gegenüber, wonach Amylodextrin in der Klebreisstärke ganz fehlt. Letzteres wäre ganz gut möglich, nachdem die rote Jodreaktion durchaus nicht auf jene dextrinartigen Stoffe bezogen werden muß. Da nach Meyer und Shimoyama(3) die Klebreisstärke substanzärmer zu sein scheint als die gewöhnliche Stärke, und vielleicht auch wasserlösliche Kohlenhydrate enthält, so könnte die rote Jodfärbung einfach von einer geringeren Jodadsorption und einer höheren Dispersität des kolloiden Jod herrühren. Nach Shimoyama gibt die Klebreisstärke nach 4 stündiger Digestion mit Wasser bei 30° reichlich ein wasserlösliches, sich mit Jod nicht färbendes, durch Alkohol fällbares kolloides Kohlen- hydrat, welches bei der Hydrolyse Glucose liefert Tanaka fand, daß die Klebreisstärke schnell in Dextrin übergeht und weniger Maltose liefert als die gewöhnliche Stärke. Meyer meint, daß die gewöhnlichen Amylumkohlenhydrate auch in der Klebreisstärke niemals fehlen. Ältere Angaben über das Vorkommen dextrinartiger Kohlenhydrate in ruhenden Endospermen und Getreidekörnern, sowie im Sojasamen sind zweifelhaft (4). Die meisten Forscher nehmen gegenwärtig an, daß die Stärke- körner in der Regel mindestens zwei, einander allerdings sehr nahe- stehende Kohlenhydrate enthalten, doch bestehen sehr viele Unklarheiten bezüglich der einzelnen Befunde, so daß es gegenwärtig kaum möglich ist ein abschließendes Urteil über den Stand der Forschungen zu fällen. Nägeu(5) war der Erste, welcher einschlägige Beobachtungen machte. Er bewies, daß man durch lange andauernde Behandlung der Stärke- körner in der Kälte mit Salzsäure oder durch Digestion mit Speichel die jodbläuende Substanz aus den Amylumkörnem entfernen könne, wodurch man ein substanzarmes vollständiges Skelett der Körner zurückbehält, welches nur eine schwach rötliche Jodreaktion gibt. Mohl(6) berichtigte die anfängliche Meinung Nagelis, daß der restierende Stoff mit Cellulose identisch sei und schlug vor diesen Bestandteil mit dem Namen „Fari- nose" zu belegen. Von Nägeli(7) stammt der in der Folge allgemein gebrauchte Ausdruck „Stärkecellulose". Die extrahierbare jodbläuende Substanz, welche den Hauptbestandteil der Amylumkörner ausmacht, nannte Nägeli Granulöse. Eine Zeitlang schwankte A. Meyer (8) be- züglich der Richtigkeit der Annahme zweier nativ vorgebildeter Amylum- kohlenhydrate, doch haben seine späteren Arbeiten, sowie diejenigen von 1) Treub, Embryog^nie de quelqu. Orchid. (1879), p. 22. Russow, Sitz.ber. Dorpat. Naturforsch. Ges., 7. I (1884). Kreüsler u. Dafert, Landw. Jahrb., /j, 767 (1884). Dafert, Ebenda, 15, 259 (1886); Ber. Botan. Ges., 5, 108 (1887). Beütell u. Dafert, Chem.-Ztg., //, 136 (1887). Tschirch, Ber. Botan. Ges., 6, 138 (1888). OVERHAGE, Just Jahresber. (1888), /, 745. — 2) Y. Tanaka, Journ. Industr. and Engin. Chem. (1911), p. 823. — 3) Shimoyama, Dies. (Straßburg 1886); Botan. Zentr., 32, 6 (1887). — 4) Oüdemans, Mülder, Chemie d. Bieres, p. 26, zit. bei Kühnemann, Ber. Chem. Ges., 8, 202 (1875). Pellet, Compt. rend., 90, 1293 (1880). Levallois, Ebenda, 93, 281 (1881). Saito, Botan. Zentr., 88, 125 (1901). — 6) Nägeli, 1. c. (1858), p. 121. — 6) H. v. Mohl, Botan. Ztg. (1859), p. 225. — 7) NiGELi, Botan. Mitteil. (1863), p. 387, 415. — 8) A. Meyer, Botan. Ztg. (1886), p. 697. 410 Zehntes Kapitel: Die Reßervekohlenhydrate der Samen. BßOWN und Heron(I) neuerlich nahegelegt, daß wirklich zwei differente Kohlenhydrate nebeneinander in den natürlichen Amylumkörnern vor- gebildet sind. Meyer nimmt an, daß sie miteinander sehr nahe verwandt sind und gab dieser Meinung dadurch Ausdruck, daß er sie beide als Amylose bezeichnete und das jodbläuende, die Granulöse, als ^-Amylose von der mit der Stärkecellulose identischen als a-Amylose benannten Substanz unterschied. Die a-Amylose wäre als ein anhydridartiges, zur ^-Amylose gehöriges Produkt anzusehen, welches durch verschiedene Mittel in /?- Amylose oder Granulöse übergeführt werden kann. Durch Auf- lösen in warmer KOH, auch durch Erhiucn mit Wasser auf 140 ^ geht a-Amylose in /5- Amylose über (2) und beim weiteren Abbau liefern beide dasselbe Amylodextrin. Doch bemerkt man zwischen den Angaben von Browtn u. Heron und Meyer manche Unstimmigkeiten bezüglich der Ausbeute an a-Amylose, indem man nach Brown und Heron davon aus Stärkekörnern nur 2 — 2,5% erhalten kann, während Meyer aus ausgefrorenem Kleister nicht weniger als 30% erhielt. Dies deutet auf das Vorhandensein eines ungeklärten Punktes. Hier setzen nun die Untersuchungen von Maqüenne(3) mit Erfolg ein. Wie oben erwähnt, beobachtete dieser Forscher, daß beim Stehen von Stärkekleister im Laufe der Zeit Ausscheidungen von Klümpchen erfolgen. Diese Ab- scheidung soll nun damit im Zusammenhange stehen, daß die in der Lösung befindliche Amylose einen Retrogradationsprozeß erleidet, wobei sie teilweise in jenen Stoff übergeht, welchen die früheren Forscher als. Amylocellulose oder a-Amylose bezeichneten. Dieser Vorgang ist fort- schreitend, woraus es sich erklärt, daß so differente Zahlenwerte in früheren Untersuchungen angegeben worden sind. Durch ein in Malz enthaltenes Enzym, die Amylokoagulase, läßt sich dieser Umwandlungs- vorgang beschleunigen, so daß man die Substanz in größeren Mengen rein darstellen kann. Sie unterscheidet sich durch ihre Löslichkeits- verhältnisse von der löslichen Amylose, aus der sie durch Retrogradation entstanden ist. Die feste Form der Amylose gibt auch keine Jodreaktion und „wird durch Diastase nicht angegriffen". Die natürlichen Stärke- körner sollen aber noch einen anderen Bestandteil enthalten, welcher als schleimige Masse in Lösung geht, mit Malzextrakt zwar verflüssigt wird, jedoch keinen Zucker liefert. Diesen Stoff nannte Maqüenne Amylo- pektin. Auch durch Kochen mit hypertonischer Salzlösung ließ sich das Amylopektin von der Amylose absondern, indem nur die letztere in Lösung geht. Natürliche Stärke -oll zu etwa 80 — 85% aus Amylose und zu 15 — 20% aus Amylopektin bestehen (4), Gatin-Gruzewska (5) berichtete hierauf über gelungene Darstellung des reinen Amylopektins, welches durch sehr verdünnte Lauge von der so in Lösung gebrachten Amylose befreit wurde. Diese Forscherin hält dafür, daß das Amylo- pektin in komplexer Bindung an Mineralstoffe hauptsächlich in den äußeren Schichten der Körner vorkomme, während die Amylose in den inneren lokalisiert sei. Die Grundlagen dieser Versuche sind jedoch 1) H. T. Brown u. Heron, Lieb. Ann., 199, 165 (1879). — 2) Vgl. auch Roux, Compt. rend., 140, 410 (1905). — 3) L. Maqüenne u. Roux, Ctompt. rend., 140, 1303 (1905); Bull. Soc. Chim. (3), 33, 723 (1905); Compt rend., 146, 542 (1908); Ann. de Chim. et Phys. (8), 9, 179 (1906); Bull. Soc. Chim., J5, 1 (1908). Castoro, Gaz. chim. ital., jp, I, 603 (1909). Rotjx, Compt. rend., 142, 95 (1906); Bull. Soc. Chim., 33, 471 u. 788 (1905). Wolff, Ann. Chim. anal, appl., 10, 389 (1905). — 4) Vgl. auch J. Wolff, Ann. Chim. anal, appl., //, 166 (1906). — 5) Z. Gatin-Gruzewska, Compt. rend., 146, 540 (1908); 152, 785 (1911); Journ. Physiol. et Pathol. g^n., 14, 7 (1912). § 2. Stärke. 411 nicht unbestritten geblieben. Maqüenne selbst hatte im .insolilusse an seine Retrogradationsversuche angenommen, daß in den Stärkekörnern nicht zwei scharf getrennte Kohlenhydrate vorliegen, sondern die Amy- lose alle möglichen Stufen von leichter und schwerer löslichen Kohlen- hydraten liefere und hatte nur das Amylopektin scharf hiervon zu scheiden versucht Nach Fouard (1 ) ist es aber selbst nicht einmal aus- geschlossen, daß das Amylopektin eine komplexe Verbindung von Amy- lose mit Aschenstoffen darstelle, welche durch Verlust der Ascheubestand- teile in Amylose übergehen könne. Samec hat sich in seiner letzten Arbeit gleichfalls dazu geneigt, diese Auffassung für möglich zu halten, doch ist diese Angelegenheit derzeit noch durchaus nicht spruchreif. Auf die Hypothese von Jentys (2), welcher die Stärke für ein Gemenge von Zucker mit aromatischen kolloiden Stoffen hält, brauchen wir angesichts ihrer Haltlosigkeit nicht einzugehen. Erwähnt sei, daß de Vries und Sy~ NiEWSKi (3) sich der Auffassung von einem einheitüchen Stärkekohlenhydrat zuneigen, während Bourquelot (4) bereits vor langer Zeit die Ansicht aus- sprachjdaß die Stärkekörner aus einer großen Zahl von zahlreichen einander sehr nahestehenden Kohlenhydraten aufgebaut seien. Das von O'Sulli- VAN (5) in kleiner Menge aus Gerste dargestellte a-Amylum und ^-Amylum betrifft wahrscheinlich Kohlenhydrate, welche mit Stärke nichts zu tun haben. IX. Hydrolytischer Abbau der Stärke durch Säuren. Nach dem heutigen Stande des Wissens sind wir genötigt, beim Studium der Stärkehydrolyse uns auf die möglichst genaue Charakterisierung be- stimmter Fraktionen und die Gewinnung von womöglich krystallisierten Präparaten von konstanten Eigenschaften zu beschränken. Es ist nicht bekannt, ob der Stärkezerfall mit der Bildung von wenigen und großen Komplexen beginnt und die Zerfallsprodukte allmählich in einfachere Stoffe übergehen oder ob bereits im Beginn der Hydrolyse neben großen, sehr komplexen Abbauprodukten schon einfachere abgespalten werden. 1. Mehrtägige Einwirkung von verdünnter kalter oder mäßig warmer Salzsäm-e auf Stärke. Unter den auf diesem Wege erhälthchen Hydratations- produkten ist die lösliche Stärke nach Lintner zu nennen (6). Reine Kartoffelstärke bleibt mit 7,5%igem HCl 7 Tage bei Zimmertemperatur oder 3 Tage bei 40° stehen, worauf man die Säure sorgfältig auswäscht und das Präparat trocknet. Solche Präparate üefern keinen weißHch gefärbten trüben Kleister, sondern lösen sich in heißem Wasser klar und filtrierbar auf. Bei Konzentrationen über 2% tritt nach einigen Tagen Trübung ein; 10%ige Lösung gesteht beim Erkalten zu einer salbenartigen Masse. Nach Fouard (7) ist die Asche phosphorhältig. Die Lösung verhält sich als schwache Säure (8) und zeigt infolge ihres Gehaltes an Dextrinen, welche sich entfernen lassen, mehr oder weniger Kupferreduktion (9). Über ihre nähere Zusammensetzung läßt sich wohl nichts weiter sagen, als daß darin die höheren Amyloseanhydride bereits fehlen dürften. Ein einheithches Präparat stellt die Lintnerstärke gewiß nicht dar . Ähnhche F*räparate erhält man durch Erhitzen von Kleister 1) Fouard, Compt. rend., 146, 285 (1908); Bull. Soc. Chira. (4), 3, 836 u. 1170 (1908); Thfese Paris (Laval 1911). — 2) E. Jektys, Anzeig. Akad. Krakau (1907), p. 203. — 3) De Vries, Just Jahresber. (1885), /, 122. Syniewski, Lieb. Ann., 309, 282 (1899). — 4) E. Bourquelot, Compt. rend., 104, 71, 177 (1887). — 5) C. O'SuLLiVAN, Pharm. Journ. Trans., 12, 451 (1881). — 6) C J. Lintner, Journ. prakt. Chem., 34, 378 (1886). — 7) Fouard, Ann. Inet. Pasteur (1907), p. 475. — 8) Ford u. Guthrie, Journ. Chem. Soc., 89, 76 (1906). — 9) E. D. Cl^RK, Biochem. Bullet., ;, 194 (1911). 412 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. bei 2—3 Atmosphären Überdruck (1 ). Auch Einwirkung von 2%iger Lauge führt nach Wroblewski (2) den Prozeß wesentlich bis zu dieser Grenze. ZULKOWSKI (3) gewann löshche Stärke durch Behandlung mit heißem Glycerin, Syniewski (4) durch Behandlung mit Natriumperoxyd. Wroblewskis Prä- parate waren bis zu 3—4% in Wasser mit schwacher Opalescenz löslich und durch MgS04 und (NH4),S04 aussalzbar. Fernbach und Wolff (5) stellten Präparate auf einem dem LiNTNERschen Verfahren ähnlichen Wege her; man erhält nach diesen Forschern auch eine in heißem Wasser lösliche Stärke, wenn man 1— 2%igen Kleister in überschüssiges Aceton eingießt. Die Lösimg dieses Niederschlages wirkt nicht reduzierend. Nach Beijerinck (8) mischt sich die Lösung von Lintnerstärke nicht mit Gelatinelösung. 2. Wochenlange Einwirkung von verdünnten kalten Mineralsäuren oder einstündige Einwirkung von 4%iger Schwefelsäure bei 80° hat wohl schon stets die Bildung eines kleinen Anteiles von Dextrin und Zucker zur Folge. Jedoch erweist sich ein erhebücher Anteil der Stärke übergegangen in ein von A. Meyer näher charakterisiertes, der Stärke noch sehr nahestehendes Kohlenhydrat, das Amylodextrin. Dieses Produkt ist als wasserunlösliches Dextrin oder lösliche Stärke 1870 durch Musculus entdeckt worden (7), und erhielt seine Benennung durch W. Nägeli, der es zuerst krystalüsiert gewann und seine Eigenschaften angab (8). Auch Brown uuid Morris (9) gewannen es in Sphäriten. Nach Meyer (10) ist es schwierig die letzten Spuren von Amylose aus den Präparaten zu beseitigen, was nur durch oft- mahges UmkrystalHsieren gelingt. Amylodextrin löst sich in kaltem Wasser sehr wenig, in heißem in jedem Verhältnisse. Die Lösung diffundiert langsam durch Pergamentpapier. Jodlösung erzeugt rein rote Färbung. Barytwasser fällt. Fehlings Lösung wird schwach reduziert. Die spezifische Drehung ist nach Meyer [oJd + 193,4°. Meyer nimmt an, daß das Erythrodextrin von Brücke (11) und die gleichbenarmten auch in mehreren Modifikationen unterschiedenen Substanzen späterer Autoren wie von LiNTNERund Düll(12), verschieden zusammengesetzte Gemenge von Amylose, Amylodextrin und Dextrinen darstellten. Die mit dem Amylodextrin gleichzeitig entstehenden Hydratationsprodukte aus Stärke dürften dextrinartige Stoffe und Zucker sein, doch ist ihre Natur noch festzustellen. Aus Amylodextrin bestand vor- wiegend auch das von L. Schulze (1 3) durch vierstündiges Kochen unter Druck im Kochsalzbade mit 20%iger Essigsäure erhaltene Produkt. Die lösliche Stärke nach Salomon(14) war wohl ein Gemenge von Amylose und Amylodextrin. 3. Einwirkung von kochender 1 %iger Oxalsäure durch 1 ^ Stunden zerstört nach Meyer das Amylodextrin noch immer nicht vollständig, doch vermag man 1) H. Ost, Chem.-Ztg., ig, 1501 (1895). — 2) A. Wroblewski, ßer. Chem. Ges., 30, 2108 (1897); Chem.-Ztg., 22, 375 (1898). — 3) Zulkowski, Ber. Chem. Ges., 13, 1398 (1880). — 4) Syniewski, Ebenda, 30, 2415 (1897); 31, 1791 (1898). — 5) J. WoLFF u. Fernbach, Compt. rend., 140, 1403 (1905). Fernbach, Ebenda, 155, 617 (1912). Ch. Tanbet, Ebenda, 14S, 1775 (1909); Bull. Soc. Chim. (4), 5, 902 (1909). W. J. GiES, Biochem. Bull., 2, 172 (1912). — 8) Beijerinck, Zentr. Bakt. II, 2, 697 (1896). — 7) Musculus, Compt. (rend., 70, 857 (1870); Ber. Chem. Ges., 3, 430 (1870); 7, 824 (1874); Bull. Soc. Chim., 22, 26 (1874). — 8) W. Nägeli, Beitr. z. näh. Kenntn. d. Stärkegruppe (1874), Lieb. Ann., 173, 218 (1874). — 9) Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc. (1889). — 10) A. Meyer, Die Stärkekörner (1895), p. 31. — 11) Brücke, Wien. Ak., 05, 3. Abt. (1872). — 12) Lintner u. Düll, Ber. Chem. Ges., 26, 2533 (1893); 28, 1522 (1895). Skraup, Monatsh. Chem., 26, 1415 (1905). — 13) L. Schulze, Journ. prakt. Chem., 28, 311 (1883). — 14) Salomon, Ebenda, p. 82. Angebliche Reversion der Erythro- dextrine beim Erhitzen ihrer konzentrierten Lösung: E. T. Reichert, üniv. Pennsylv. Med. BuU., 23, 57 (1910). § 2. Stärke. 413 dasselbe aus der Lösung durch Ausfrierenlassen zu beseitigen. In der Lösung verbleiben erhebliche Mengen von Stoffen, die man mit Meyer als Dextrin zusammenfassen kann und welche durch denMangel der Jodfärbung und ihre Fällbarkeit mit Alkohol abgegrenzt werden. Wesentlich identisch mit dieser Fraktion ist das Achroodextrin von Brücke und späteren Autoren. Die Dextrinfraktion von Meyer ^besaß, vom Amylodextrin und Zucker möglichst befreit, eine spezifische Drehung [ajo + 190° und Reduktion (R)d = 10,8. KrystalUsierbare Produkte haben sich hier nicht ergeben. Alkohol fällt in Tröpfchen, die sich nie in Sphärite verwandeln. Nur konzentrierte Lösungen werden durch Barytwasser gefällt. Eine Molekulargewichtsbestimmung KÜSTERS ergab den Wert 1223 ± 25. Für die Dextrinfraktion ist eine ein- heitliche Zusammensetzung nicht sehr wahrscheinlich, und alle früheren Autoren, wie Musculus und Gruber, die drei Dextrine annahmen (1), O'Sulli- VAN, welcher vier Dextrine unterschied und Brown und Heron, welche sogar sieben Dextrine getrennt haben wollten (2), sind der Ansicht gewesen, daß der Begriff der Achroodextrine kein einheitlicher sein könne. Auch die gärungs- physiologischen Erfahrung, *> über die Dextrin Verarbeitung durch den Schizo- saccharomyces Pomb6 weisen darauf hin, daß es tatsächhch mehrere Achroo- dextrine gibt. Man weiß natürlich nicht wie viele der beobachteten Diffe- renzen durch beigemengten Zucker veranlaßt waren. Man hat Acetochlor- verbindungen (3) und Osazonpräparate (4) aus Dextrinen gewonnen. Dextrin- artige Derivate werden auch schon nach scharfem Trocknen aus Stärke er- halten (5). Erwähnt sei, daß Maquenne und Roux die Entstehung der Dextrine nicht von der Amylose herleiten, sondern vom Amylopektin, während die Amylose schnell in Maltose übergehen soll (6). Fernbach und Wolff (7) wiesen speziell nach, daß die Dextrine bei weiterer Hydrolyse fast vollständig in Maltose übergehen. 4. Einwirkung verdünnter oder konzentrierter Mineralsäuren bei hohen Temperaturen führt die Stärke, wie bekannt, rasch in Glucose über. Allihn(8) fand, daß 2%ige HCl beim Kochen binnen 1^4 Stimden 95,05% eines ver- dünnten Stärkekleisters in Glucose überführt und man kann dieses Resultat durch starke HgSO, auch binnen einigen Minuten erhalten (9). Wenn auch früher von manchen Forschern in Abrede gestellt worden ist, daß die Glucose hierbei über Maltose entsteht, so ist doch nach älteren und neueren Angaben (1 0) nicht daran zu zweifeln, daß aus Dextrin zuerst Maltose hervorgeht, welche zu Glucose hydrolysiert wird. Hingegen ist nach Ost (11) die Annahme der intermediären Entstehung von Isomaltose definitiv aufzugeben, entgegen der Ansicht von Lintner und Dierssen (12), Nach Gatterbauer soll ein bisher nicht beachtetes Disaccharid, das den Namen Glykosin erhielt und durch Hefe sehr langsam vergoren wird, neben Maltose im Stärkezucker vorkommen (13). 1) Musculus u. Geubee, Ztsch. physiol. Chem., 2, 184. — 2) Bbown u. Heäok, Lieb. Ann., 199, 165 (1879). — 3) Kediaschwili, Chem. Zentr. (1905), //, 401. — 4) Scheiblee u. Mittelmeiee, Ber. Chem. Ges., 23, 3060 (1890). A. Meyee, 1. c. (1895), p. 46. — 5) Hierüber MLalfitano u. Moschkow, Compt. rend., 154, 443 (1912). — 6) Maquenne u. Roux, Ebenda, 142, 1387 (1906). — 7) Feenbach u. Wolff, Ebenda, 142, 1216 (1906); 144, 1368 (1907). — 8) F. Allihn, Journ. prakt. Chem., 22, 46 (1880). — 9) Olson, Journ. Ind. and. Eng. Chem., /, 445 (1909). — 10) Musculus, Journ. prakt. Chem., 28, 496 (1883). Effeont, Monit. Scient. (1887), p. 513. Feenbach u. Schobn, BuU. Soc. Chim. (4), //, 303 (1912). Defeen, Chem. Abstr. (1912), p. 3034. Maltosebeetimmung: Wolff, Ann. Chim. appl., 10, 193 (1905). Rolfe, Geeomanos u. Haddock, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 1003, 1015 (1903). — 11) H. Ost, Verband]. Naturforsch. Ges. (1904), II, /, 139. — 12) H. D1EES8EN, Ztsch. angewandt. Chem., 16, 121 (1903). — 13) J. Gattee- BAUEB, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 22. 265 (1911). 414 Zelintea Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. Es ist aber nicht unter die Stärkeabbauprodukte im engeren Sinne zu stellen, da es durch die Säurewirkung bei der technischen Stärkezuckerdarstellung durch Reversion aus Glucose hervorgeht. Bei der Glucosebildung am Ende der Hydrolyse hat man zu beachten, daß zunächst die instabile a-GIucose entsteht, und sich die endgültige Drehung erst nach Übergang in die stabile Glucoseform einstellt (1). Wie zu erwarten, hat die Art der Säure, abgesehen von dem Grade ihrer Stärke keinen spezifischen Einfluß auf den Vorgang der Säurehydrolyse der Stärke gezeigt, was eine Reihe von Arbeiten speziell festgestellt hat (2). Wenn auch gefunden wurde, daß die einzelnen Stärke- sorten nicht immer gleich rasch angegriffen wurden (3), so besteht kein Zweifel, daß in allen Fällen die Abbauprodukte dieselben sind (4). Die Kinetik der Amylum- Säurehydrolyse ist besonders durch van Laer (5) untersucht worden, mit dem Ergebnisse, daß der Vorgang ebenso wie die Rohrzuckerspaltung dem Gesetze unimolekularer Reaktionen ge- horcht. Unter sonst gleichen Verhältnissen ist die Reaktionsgeschwindig- keit proportional der Konzentration der Säure. Die zahlreichen Versuche, welche mit dem Abbau der Stärke durch andere Hydratationsmittel unternommen wurden, wie mit Chlorwasser, Ammoniak, Ätzalkahen (6), heißem Glycerin (7), alleiniger Anwendung von höherer Temperatur (8), von Neilson (9) auch mit Platinmohr, ergaben keine anderen Resultate als die Säurehydrolyse, so daß man annehmen kann, daß die erwähnten Abbauprodukte unter allen Umständen entstehen müssen. Die Platinkatalyse der Stärke führte bis zur Maltose. Auch die künstliche Stärke, welche Maquenne und Roux durch Retrogradation der Amylose gewannen, üefert dieselben Abbauprodukte (10). Die Photolyse der Stärke unter dem Einflüsse von ultravioletten Strahlen ist in neuerer Zeit von mehreren Seiten genauer untersucht worden. Hierbei findet einmal ein hydrolytischer Abbau bis zur Glucose, unter intermediären Bildung von Dextrinen statt, außerdem aber die an Zucker sich einstellenden Oxydationen, so daß Pentosen, Formaldehyd, Säuren auftreten (11). Nach CcLWELL und Russ(12) erzeugen X-Strahlen gleichfalls Stärkehydrolyse, welche aber nur bis zur Bildung von Dextrinen gehen soll. Den Stärkeabbau unter dem Einflüsse der stillen elektrischen Entladung hat LÖB(13) unter- sucht. Man erhält auch hier keine Jodreaktion mehr und es entstehen redu- zierende Produkte. X. Konstitution der Stärkekohlenhydrate. Man hat sich bis in die neueste Zeit viel bemüht, das Molekulargewicht der Stärke zu bestimmen, ohne daß man jedoch sagen könnte, daß diese Ergebnisse eine größere Sicherheit haben. Friedenthal gab für lösliche Stärke 1) Vgl. RössiNG, Cham. -Ztg., 29, 867 (1905). — 2) W. Oechsner de Coninck, BuU. Acad. Roy. Belg. (1910), p. 515; (1911), p. 213, 335, 438, 592, 839: Bull. Soc. €him. (4), 9, 586 (1911). Tollens, Ber. Chem. Ges., 39, 2190 (1906). — 3) Vgl. S. Lang, Ztsch. exp. Pathol., 8, 279 (1910). — 4) Ford u. Guthrie, Journ. Soc. Chem. Ind., 24, 605 (1905). O'Süllivan, Journ. Chem. Soc, 85, 616 (1904). — 5) H. VAN Laer, BuU. Acad. Roy. Belg. (1910), p. 611, 707; (1911), 84, 305, 362, 795; Zentr. Bakt. II, 30, 433 (1911). Oechsner de Coninck u. Raynaud, Rev. gen. Chim. appl., 14, 169 (1911). — 6) Oechsner de Coninck, Bull. Acad. Roy. Belg. (1910), p. 586. — 7) Zulkowski, Chem. Zentr. (1888), //, 1060; (1894), //, 918. — 8) R. Gschwendner, Chem.-Ztg., jo, 761 (1906). — 9) C. H. Neilson, Amer. Journ. of Physiol., 15, 412 (1906). — 10) E. Roux, Compt. rend., 140, 1259 <1905). — 11) J. BlELECKi u. WuRMSER, Compt. rend., 154, 1429 (1912); Biochem. Ztsch., 43, 154 (1912). MA88OL, Compt. rend., 152, 902 (1911); 154, 1645 (1912). — 12) H. A. CoLWELL u. Rüss, Le Radium, 9, 230 (1912). — 13) W. Lob, Biochem. JZtsch., 46, 121 (1912). § 2. Stärke. 415 als kryoskopisch gefundenes Molekulargewicht den Wert 9450 an (1 ). Pfeiffer und Tollens, ferner Mylius(2) wollten die Formel CgHioOä viermal nehmen, Brown und Heron, Sachsse sowie W. Nägeli, Skraup entschlossen sich bereits zu höheren Werten und neuere Forscher, wie Brown und Morris, sowie Rodewald kamen zu der Annahme von Molekulargewichten zwischen den Grenzen 32 400 und 62000, wie insbesondere Rodewald (3) aus seinen Untersuchungen über die Be- ziehungen der Entwicklung der Quellungswärme und der benetzten Oberfläche folgert. Viel kleiner sind wieder die Molekulargewichte, welche Wacker (4) auf Grund seiner durch eine colorimetrische Methode erlangten Ergebnisse für die Stärke und ihre nächsten Abbauprodukte in Anspruch nimmt. Da es ganz unsicher ist, ob wir ein Recht haben Kohlenhydrate von einheitlicher Zusammensetzung als Konstituenten der Amylumkörner anzusehen, so sind alle diese Untersuchungen nur mit grolJem Vorbehalte hinzunehmen, höchstens als Ausdruck für die un- gefähren Grenzwerte, zwischen denen sich etwa das Molekulargewicht einer bestimmten Fraktion bewegen dürfte. Bei der großen Lückenhaftigkeit der chemischen Erfahrungen über die Stärkekohlenhydrate läßt sich natürlich bezügüch der Konstitution des Amylums nichts weiter sagen, als daß eine große Zahl von Glucoseresten in maltoseartiger Paarung als Konstitutionselemente anzunehmen sind. Die Gesamtformel istrichtig(CßHio05)n— (n— 1)H20 oder mit (CgHjgOg)!! + HgO zu schreiben (5). Darin denkt sich A. Meyer zunächst große Amylodextrin- komplexe, welche sich schrittweise in Dextrin- und Maltosekomplexe gliedern. Andere Forscher meinten wieder, daß der Stärkekomplex einer Struktur entspreche, welche schon am Beginn der Hydrolyse große und kleine Bruch- stücke ergibt. Effront (6) Heß die Säurehydrolyse sich von der Enzym- hydrolyse dadurch unterscheiden, daß bei der ersteren gleichzeitig Dextrin und Maltose abgespalten werde, während bei der letzteren sukzedan Dextrin und Maltose gebildet würden. Mittelmeier (7) vertrat die Anschauung, daß die Stärke zunächst in zwei Moleküle chemisch differenter Amylodextrine zerfalle, wovon das eine zersetzlicher ist, und welche verschiedene Dextrine üefern. Auf die Ansichten von Lintner und Düll, von Scheibler und Mittelmeier, von Brown und Morris („Amylointheorie"), von Johnson (8), welcher annahm, daß bei der Säurehydrolyse keine Amyloingruppen, sondern Verbindungen der Glucose mit AmyUngruppen (012^20^10)1 oder „Gluco- amyhnen" auftreten, auf die Amylogentheorie von Syniewski sei hier nur kurz hingewiesen. Pringsheim und Langhans (9) haben auf Grund gewisser Abbauprodukte, die sie aus Stärke durch Mikroben erhielten, geschlossen, daß in der Stärke ringförmige Amylosekomplexe anzunehmen seien. XL Quantitative Stärkebestimmung. Es ist nicht leicht, eine Methode zur Stärkebestimmung zu finden, welche den Fehler vermeidet andere Kohlenhydrate mit aufzuschließen und so als Stärke mitzu- 1) H. Friedenthal, Zeotr. Physiol., 12, 849 (1899). — 2) Pfeiffer u. Tollens, Lieb. Ann., 2/0, 295. Mylius, Ber. Chem. Ges., 20, 694 (1887). — 3) Rodewald, Ztsch. physik. Chem., jj, 593 (1900). — 4) L. Wacker, Ber. Chem. Ges., 41, 266 (1908); 42, 2675 (1909). — 5) Kiliani, Chem.-Ztg., j2, 366 (1908). A. R. LiNG, Journ. Soc. Chem. Ind., 28, 731 (1909). — 6) Effeont, Monit. Scient. (1887), p. 513. — 7) Mittelmeier, Jahresber. Agrik.chem. (1895), p. 199. — 8) H. Johnson, Proc. Chem. Soc. (1897/98), p. 106. — 9) H. Pringsheim u. Langhans, Ber. Chem. Ges., 45, 2533 (1912). 416 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. bestimmen, und dabei eine für wissenschaftliche Zwecke hinreichende Genauigkeit besitzt. Insbesondere sind die älteren Methoden, welche sich der Inversion der Stärke mit Säuren in verschiedenen Modifikationen und der Bestimmung der entstehenden Glucose bedienen (1) sämtlich ungenau. Besser steht es mit jenen Methoden, welche die Stärke mit Diastase verzuckern und so den Fehler der allgemeinen Aufschließung vermeiden. POLLACCI (2) fand es am besten, das Material zunächst mit Trocknea bei niederer Temperatur vorzubereiten, hierauf mit Pepsinbehandlung auf- zuschließen, eine Probe nun zur Bestimmung des direkt vorhandenen redu- zierenden Zuckers zu verwenden, die andere zur Stärkebestimmung mit Säure oder Takadiastase zu hydrolysieren und aus der Differenz der gefundenen beiden Zuckerwerte auf den Stärkegehalt zu schließen. Ein sehr brauch- bares Verfahren von Baumert und Bode (3) zur Bestimmung der Kartoffel- stärke benützt die Verkleisterung durch Kochen mit Natron mit nachfolgen- der Fällung durch Alkohol, wobei eine Reihe von Fehlerquellen glückhch vermieden werden. Auch colorimetrische Methoden, die sich der Stärke- Jodreaktion bedienen, dürften bis zu einem gewissen Grade ausbildungs- fähig sein. Nach Dennstädt und Voigtländer (4), welche eine solche Methode ausgearbeitet haben, soll die Genauigkeitsgrenze derselben bei 0,5% hegen. Als Vergleichsmaterial wählten sie Weizenmehl, in welchem Wasser, Asche, Protein, Fett genau bestimmt waren. Das Verbleibende wurde (allerdings nicht zur vollen Genauigkeit des Verfahrens) als Stärke angenommen. Es wurde eine 0,5 g reiner Stärke entsprechende Mehlmenge auf 4 Dezimalen genau abgewogen, diese Probe in einem 2 Liter- Kolben mit 1 Liter Wasser 1 Stunde gekocht, abgekühlt, sodann im Meßzylinder auf 1 Liter aufgefüllt und absetzen gelassen. In mehrere 100 ccm fassende Meßzyhnder gibt man nun 4,9 und 5,1 ccm der Lösung, färbt mit 1 Tropfen 2%igem Jodkaü und füllt auf 100 auf. Von den ersten Zyhndern ward der hellste, von den zweiten der dunkelste ausgesucht. In dem zu prüfenden Produkt wird die Trockensubstanz genau bestimmt, die 0,5 g entsprechende Menge wird genau abgewogen und so behandelt wie oben. Es werden nun eine Reihe von Portionen zu 5 ccm abgemessen, mit Jod gefärbt und nun in Wasser bis zu jenem Farbentone aufgefüllt, welcher in der Mitte zwischen den zwei Vergleichsproben liegt. Man üest so direkt Stärke in Prozenten, der Trockensubstanz ab. Falls Violettfärbung entstanden ist, so kann man diese durch Waschen des Materials mit Alkohol und Äther beseitigen. Das. Verfahren ist aber sehr umständhch. Kaiser (5) schlug vor, die verkleisterte Stärke in Gegenwart von Natriumacetat durch Jod zu fällen. 1) Näheres über diese Verfahren in dem Handbuche von König. Ferner: Parow u. Neumann, Ztsch. Spiritusindustr., jo, 561 (1907). Pellet u. Metillon,. Ann. Cliim. anal. appL, /j, 9 (1908). BuissoN, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 26, 980- (1909). — 2) G. PoLLACCi, Atti. Instit. Botan. Pavia, //, 1 (1906). Ferner Fbank- Kamenetzky, Chem.-Ztg., 32, 157 (1908). O'Sulltvan, Journ. Chem. See. (1884),. p. 1. Faulenba CH, Ztsch. physiol. Chem., 7. 510 (1883). Noyes, Jumpeb, Flort u. Arnold, Journ. Amer. Chem. Soc, 26, 266 (1904). Lindet, Chem. Zentr. (1901), //, 1322. Zemplen, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., 6, 1 (1912). — 3) Baumert u. Bode, Ztsch. angewandt. Chem. (1900), p. 1074; Ztsch. Untersuch.. Nähr.- u. Genußmittel, /*, 157 (1909). — 4) Dennstädt u. Voigtländer, Jahresber. Agrik.chem. (1885), p. 627. WrrTE. Chem. Zentr. (1903), //, 528. Girard, Compt. rend., 104, 1629 Q887). Das colorimetrische {Salicyl8äure-)Verfahren von C. Cassel». Ztsch. Spiritusinaustr., J5, 591 (1912) erscheint wenig empfehlenswert. — 5) Kaiser Chem.-Ztg. (1902), p 180. § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen. 417 Gegenwärtig ist die polarimetrische Bestimmung der Stärke, haupt- sächlich nach den von Lintner (1 ) und Ewers (2) angegebenen Verfahren die bevorzugte Methode. Nach Lintner hat man 2,5 g Substanz mit 10 ccm Wasser zu verreiben, den Brei mit 15—20 ccm HCl zu mischen und 30 Minuten stehen zu lassen. Man wäscht dann die Masse mit HCl von der Dichte 1,125 in ein 100 ccm-Kölbchen, fügt 5 ccm 4%ige Phosphorwolframsäure zu, füllt mit der HCl auf, filtriert und polarisiert. Das Verfahren von EwERS unter- scheidet sich hauptsächhch durch die Anwendung einer bestimmten Koch- dauer oder Erwärmungsdauer während der Behandlung mit HCl. Deswegen ist hier der molekulare Drehungswinkel ein kleinerer, als er beim Lintner- Ver fahren bestimmt wird. Wenn man nach Lintners Vorschrift arbeitet, so ergibt sich ein Winkel von 205—209°, während bei dem anderen Ver- fahren in den einzelnen Modifikationen Werte von 182—196° molekularer Drehung gefunden werden. Hemicellulosen und Pentosane beeinflussen nach KÖNIG beide Methoden nicht. Die LiNTNERsche Methode ist theoretisch exakter, Hefert jedoch weniger gut zur Polarisation geeignete Filtrate. Dextrine lassen sich von der Stärke durch Alkoholfällung oder Tannin- niederschläge trennen, wobei die Stärke zunächst niedergerissen wird (3). § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen. Neben Stärke wurden in dem Nährgewebe verschiedener Samen geringe Mengen von wasserlöslichen höheren Polysacchariden gefunden, welche jedoch in der Regel gewiß nur untergeordnete Bedeutung im Stoffwechsel besitzen. Schulze und Godet(4) bemerken, daß bei allen von ihnen untersuchten Samen nur lösliche Derivate von Glucose, Fruc- tose und Galactose vorkamen, während lösliche Mannane vermißt wurden. Hier sei das von O'Sullivan in Getreidesamen aufgefundene Amylan erwähnt (5), welches in Gerste hauptsächlich in einer schwerer löshchen, in Roggen und Weizen besonders in einer leichter lösüchen Modifikation vor- kommt, die als a- und /3- Amylan unterschieden wurden. In kaltem Wasser ist nur das /5-Amylan löslich. Beide sind hnksdrehend, reduzieren Fehhng nicht und geben bei der Hydrolyse Glucose. Die Zusammensetzung entspricht der Formel CgH^Og. In Getreidesamen ist aber auch Fructose heferndes Polysaccharid enthalten. Hierher zählt das von Tanret (6) angegebene Lävosin aus Triticum, das Cerosin aus Roggen, Weizen und Gerste, von Maquenne (7), welches aber wahrscheinhch ein Gemenge mit Amylan ist, sodann könnte das durch Schulze und Frankfurt (8) in jungen Roggen- pflanzen gefundene, anfangs yö-Lävuün, sodann Secalose genannte Kohlen- hydrat auch in den ruhenden Samen vorkommen. Secalose ist krystalhsier- 1) C..J. Lintner, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 14, 205 (1907). Schubert, österr. Ztsch. Zuckerindustr., 39, 411 (1910). Greifenhagen, König u. Scholl, Biochem. Ztsch.. 35, 194 (1911). Porst u. Crown, Chem. Abstr. (1912), p. 3034. Baumert, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 24, 449 (1912). Weng- LEIN, Ztsch. ges. Brauwes., j/, .^3 (1908). — 2) E. Ewers, Ztsch. öffentl. Chem., //, 407 (1905); 14, 8 u. 150 (1908); Österr. Ztsch. Zuckerindustr., 38, 213 (1909). F. Schubert, Ebenda, p. 218. Scholl. Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, (1909) 18, 157. — 3) G. Burckhardt, Chem.-Ztg., //, 953. — 4) E. Schulze u. GoDET, Ztsch. physioL Chem., 61, 279 (1909). — 5) O'Sullivan, Journ. Chem. Soc. (1882), I, 26. Vgl. auch Lintner, Ztsch. angewandt. Chem. (1890), p. 519. — 6) Tanret, Bull. Soc. Chim. (3), 5, 724. — 7) Maquenne, Compt. rend., 112, 293 (1891). — 8) Schulze u. Frankfurt, Ber. Chem. Ges., 27, 62 u. 3525 (1894). Czapek, Biochemie der Püanzen. I. 3. Aufl. 27 418 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. bar, linksdrehend, hat die Zusammensetzung CjgHggOig und geht bei der Säurehydrolyse leicht und vollständig in Fructose über. Das Sinistrin von KÜHNEMANN (1) betrifft wohl derartige Stoffe. Als Secalin wurde durch Ritthausen (2) ein optisch inaktiver dextrinartiger Stoff aus Roggen- mehL beschrieben, welcher der Formel CgHjoOg entspricht und bei der Hydrolyse in Glucose übergeht. Noch nicht aufgeklärt ist der von Ritt- hausen (3) in dem Nährgewebe von Lupinus luteus aufgefundene Galactit, welcher in sechsseitigen Täfelchen krystalhsiert, beim Kochen mit Säure Galactose Hefert und eine nicht der Kohlenhydratformel entsprechende Zusammensetzung C^HigO, haben soll. Die Substanz ist von Schulze vergebens gesucht worden und von keinem späteren Forscher wieder ge- funden worden. Ulmensamen enthalten nach Passerini (4) ein dextrin- artiges wasserlösUches Kohlenhydrat zu 14—20%, welches mit basischem Bleiacetat fällbar ist. Die Lösung ist rechtsdrehend, Hydratationsprodukte werden nicht angegeben, die Formel entspricht dem Schema CgHi^Og. WasserlösUche Pentosane fanden Schulze und Godet nur in Lupinensamen in eben bestimmbarer Menge. Es dürfte sich in solchen Fällen um keine Reservestoffe, sondern um Konstituenten gewisser Glucoside (Vernin, Vi- cianin usw.) handeln. Die Samen von Diospyros Kaki enthalten nach IshihS) ein Mannan als feste halbweiche Masse. Dieser Befund leitet uns zu jenen Fällen, in welchen den Zellwänden des Nährgewebes schleimige Membranschichten aufliegen, wie in den Schleimendospermen- der Leguminosen, auf deren Bedeutung als Reservestoffe Nadelmann (6) aufmerksam gemacht hat. Doch ist zu berücksichtigen, daß nach Lindinger (7) bei den Podalyrieen eine Ernährungsfunktion des Schleimendosperms nicht wahrscheinüch ist, sondern daß es sich da eher um ein Quellungsgewebe handeln dürfte, welches bei der Sprengung der Testa bei der Keimung mitwirkt. Die Samen von Cassia occidentahs enthalten nach Möller (8) 36,6% Pflanzenschleim, welcher zum großen Teile diesen Schleimmembranen entstammen mag. Sodann zählt hierher das Gar o bin aus den Samen der Ceratonia SiHqua (9), von dem van Ekenstein (10) nachwies, daß es bei der Hydrolyse Mannose liefert, während Bourquelot und Herissey(II) zeigten, daß außerdem Galactose entsteht. Es handelt sich somit um ein Galactomannan. Nach GoRET(12) besteht das Samennährgewebe der Gleditschia triacanthos aus einer analogen Substanz. Reservecellulose nennt man mit einem Sammelnamen alle jene Reservekohlenhydrate, welche als feste Ablagerungen an den Zellwänden der Nährgewebe erscheinen. Äußerlich leitet häufig die auffallend harte, oft elfenbeinartige Konsistenz des Nährgewebes auf derartige Vorkomm- nisse hin, während man in anderen Fällen, wie in den Getreidesamen, selbst durch die mikroskopische Untersuchung schwer zur Annahme solcher Stoffe hingeleitet wird und erst durch die Veränderungen der 1) KÜHNEMANN, üet. Chera. Ges., 8, 202 u. 387 (1875); 9, 1385 (1876). — 2) Ritt- hausen, Chem.-Ztg., 21, 717 (1898). — 3) Ritthausen, Ber. Cham. Ges., 29, 896 (1896). — 4) N. Passerini, Gaz. Chim. ital., 37, I, 386 (1907). — 5) Loew u. I8HII, Landw. Versuchsstat., 45, 435 (1894). — 6) H. Nadelmann, Ber. Botan. Ges., 7, 248 (1889). TscHiRCH, Angewandt. Pflanzenanat. (1889), p. 193. — 7) Lindinger. Beihefte botan. Zentr., 14, 33 (1903). — 8) J. Möller, Chem. Zentr. (1880), p. 539. — 9) Effront, Compt. rend. (2. Aug. 1897). — 10) A. van Ekensti:in, Ebenda, I2S, 719 (1897). — 11) Boürquelot u. Herissey, Ebenda, 129, 228 u. 391 (1899). — 12) GoRET, Ebenda, 131, 60 (1900). § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen. 419 Zellwände bei der Keimung darauf aufmerksam wird. Stärke ist in jenen Fällen, wo dicke Ablagerungen von Reservecellulose bestehen, meist nicht vorhanden, doch fehlt Fett in reichlicher Menge auch in solchen Fällen nicht. Bei der Keimung werden diese Wandmassen er- weicht uud gelöst Schon Malpighi(I) sagt „natura nam in palmis nucleum solidissimum et cartilagineum vegetatione emoUit" von der Keimung der Dattel. Treviranus (2) erwähnt, daß die harten Kerne von Borassus flabelliformis beim Keimen eßbar und wohlschmeckend werden. MoHL(3) führte das Weichwerden des Palmenendosperms nur auf die Quellung in Wasser zurück und stellte andere chemische Vorgänge in Abrede. Er sagt aber ausdrücklich, daß der Embryo sowohl Zellhäute als Zellinhalt des Albumens resorbiert. Sachs (4) sprach sich zuerst direkt dahin aus, daß bei der Keimung der Dattel die Zellwände in Zucker und Stärke umgewandelt v/erden. Die Auflösung der Wand- verdickungen in dem Tropaeolumsamen wurde von Frank (5) sichergestellt. Von ScHLEiDEN(6) Stammen die ersten Angaben über die blaue Jod- reaktion mancher Reservecellulosen, welche Anlaß zu der Benennung als Amyloid gab. Erst in neuerer Zeit lieferten Arbeiten von Reiss, Green und von Brown und Morris (7) die wichtigsten Grundlagen zur Biochemie der Reservecellulosen. Die morphologischen Tatsachen über Reserve- cellulose dürfen hier als bekannt vorausgesetzt werden. Manchmal, wie bei den Gräsern, handelt es sich um dünne homogene Membranen, die bei der Keimung fast vollständig gelöst werden. In anderen Fällen finden wir buckelige, im Durchschnitt rosenkranzförmige Membranver- dickungen, welche weite Tüpfel oder scharf einspringende enge Tüpfel- kanäle in sehr dicken Wänden einschließen. Die leicht nachweisbaren Plasmodesmen, welche diese Tüpfel durchsetzen, dürften vielleicht auch bei der enzymatischen Lösung der Reservecellulose eine Rolle spielen. Über die Entstehungsgeschichte dieser Ablagerungen (welche optisch anisotrop sind) ist noch nichts bekannt, ebenso wissen wir nichts über plasmatische Organe, welche an der Bildung der Reservecellulose be- teiligt wären. Von FamiUen, bei welchen Reservecellulose als Vorratsstoff im Samen vorkommt, sind zu nennen die Gräser, Palmen, zahlreiche Liliaceen, Ama- ryllidaceen und Iridaceen; von Dicotyledonen manche Rubiaceen, Oleaceen, Loganiaceen, manche Convolvulaceen, die Hydrophyllaceen, Primulaceen, Myrsineen und manche Sapotaoeen; manche Ranunculaceen, Saxifragaceen, Anonaceen, vielleicht auch Malvaceen; die Pittosporeen, Zygophyllaceen, Balsaminaceen, Tropaeolaceen, manche Myrtaceen und PapiHonaceen, denen sich wohl noch viele andere Pilanzengruppen anreihen, wie denn Pirotta und Longo (8) Reservecellukise auch in den Samen von Cynomorium cocci- neum nachwiesen, Schellenberg (9) bei Plantagaceen. 1) Malpighi, Opera Po8thur:a, Venetiis (1698), Folio, p. 72. — 2) Tre- viÄANüS, Physiologie, 2, 589 (1838). — 3) H. v. Mohl, Histor. natur. palraarum § 136. — 4) J. Sachs, Botan. Ztg. (1862). — B) A. ß. Frank, Jahrb. wiss. Botan., 5 (1866). GüDFRiN, Ann, Sei. Nat. (6), ig, 1. — 6) Schleiden, Wiegmanns Arch. (1838), /, 59; Meyens Jahresber. (1838), p. 20. Th. Vogel u. Schleiden, Pogg. Ann., 46, 327 (1839). — 7) R. Reiss, Dies. (Erlangen 1889); Ber. Botan. Ges., 7, 322 (1889); Ber. Chem. Ges., 22, 609 (1889). Green, Phil. Tr. Roy. Soc., 178, 38 (1887). H. F. Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc. (1890), p. 458. — 8) R. Pirotta u. ß. Longo, Botan. Zentr, 86, 93 (1901). — 9) H. C. Schellenberg, Ber. Botan. Ges., 22, 9 (1904). 27* 420 Zehntes Kapitel: Die Reservekohlenhydrate der Samen. Auf Grund der Jodreaktion wollte Nägeli (1) von den „geschichteten Kohlenhydraten", wie er sie nannte, 3 Stufen unterscheiden: das sich mit Jod bläuende Amyloid, das Mesamylin, welches eine gelb- bis braunrote Reaktion gibt, und das Dysamilin, welches sich goldgelb färbt. In neuerer Zeit hat sich Heinricher(2) und in chemischer Hinsicht Winterstein (3) mit dem Amyloid beschäftigt. Die Cellulosereaktion mit Jodschwefelsäure und mit Chlorzinkjodlösung ist bei Reservecellulose sehr häufig; deshalb wäre ihre tiefgreifende Verschiedenheit von der gewöhnlichen Cellulose durch die mikrochemische Untersuchung allein nie entdeckt worden. Ebenso ist die Löslichkeit in Kupferoxydammoniak ein verbreiteter Charakter. Die erwähnten Kohlenhydrate von Schleimendospermen quellen stark in Wasser und färben sich mit den Cellulosereagentien gelb. Die Chemie der Reservecellulose wurde vor allem durch das Stu- dium der Hydratationsprodukte gefördert. Muntz(4) konnte zuerst aus vielen Pflanzensamen Galactose darstellen. Reiss(5) konstatierte, daß bei der Hydrolyse von Reservecellulosen eine bislang unbekannte Zuckerart entsteht (Seminose), welche sich alsbald aber mit der kurz vorher durch Fischer und Hirschberger(6) dargestellten d-Mannose identisch erwies. Späterhin haben E. Schulze und dessen Schüler (7) in einer langen Reihe umfassender Untersuchungen gezeigt, daß Galactose und Mannose sehr verbreitete Produkte bei der Hydrolyse der Reservecellulosen sind, und daß auch eine Pentose, die Arabinose, häufig unter den Abbau- produkten dieser Kohlenhydrate erscheint. Hingegen hat man die Xylose bisher nur aus den Zellwänden der Samen- und Fruchtschalen erhalten können. Schulze hob auch hervor, daß die'se Zellhautkohlenhydrate relativ rasch durch Säure hydrolysiert werden, weswegen er dieselben chemisch als Hemicellulosen von der eigentlichen Cellulose abtrennte. Wahrscheinlich bilden Mannane und Galactane in den Reservecellulosen häufig Mischkohlenhydrate, Mannogalactane. Galactane fanden Schulze und seine Schüler sehr oft: Lupin us, Cicer, Soja, Pisum, Faba, Tropae- olum, Impatiens, Paeonia, Theobroma, Coffea, Cocos, Elaeis, Phoenix seien als Beispiele angeführt. Dazu kommen nach Schulze und Godet noch Amygdalus, Ricinus, Corylus, Cucurbita, Pinus, Helianthus und Juglans, deren Samen kleine Quantitäten von Galactose bei der Säurehydrolyse lieferten. Maxwell gibt von Phaseolus 5,36% Galactan an und der Gehalt an N-freien unlöslichen Extraktivstoffen aus den mit verdünnter KOH und dann mit Diastase behandelten Samen stellte sich bei Pisum auf 20,02%, bei Faba auf 14,41%, Vicia sativa auf 15,16% und Phaseolus vulgaris auf 8,2%. In zahlreichen Fällen begleitet ein Mannan das Galactan oder ist mit demselben als Mischkohlenhydrat verbunden. So 1) C. VON Nägeli, Stärkekörner (1858), p. 209. — 2) E. Heinricher, Flora (1888). p. 163, 179. — 3) Winterstein, Ztsch. physiol. Chem., 77, 353 (1892); Ber. Chem. Ges., 25, 1237 (1892). — 4) Muntz, Compt. rend., 94, 454; 102, 681 (1886). — 5) S. Anm. 7, p. 419. — 6) Fischer u. Hirschberger, Ber. Chem. Ges., 22, 1155 (1889); 21, 1805 (1888). — 7) E. Schulze u. Steiger, Ebenda. 20, 290 (1887). Steiger, Ebenda, 19, 827 (1886). Schulze, Ber. Botan. Ges., 7, 355 (1889). Schulze u. Steiger, Landw. Vers uchss tat., 36, 391 (1889). Schulze, Steiger u. Maxwell, Ztsch. physiol. Chem., 14, 227 (1890); Ber. Chem. Ges., 23, 2579 (1890). W. Max- well, Amer. Chem. Journ., 12, 51, 265 (1890). Schulze, Ber. Chem. Ges., 24, 2277 (1891); Landw. Jahrb., 21, 72 (1892); Landw. Versuchsstat., 41, 207 (1892); Ztsch. physiol. Chem., 16, 387 (1892); ig, 38 (1893); Landw. Jahrb., 23, 1 (1894); Chem.-Ztg., 17, 1263 (1893). Ewell, Ber. Chem. Ges., 26, 59 (1893). Schulze, Ber. Botan. Ges., 14, 66 (1896). N. Castoro, Gaz. Chlm. ital., 39, 1, 608 (1909). Schulze u, Godet, Ztsch. physiol. Chem., 61, 279 (1909). Galactanbestimmung: Miyake, Journ. Coli. Agr. Tohoku, 4, 337 (1912). § 3. Die übrigen Polysaccharide ruhender Samen. 421 ist es bei den Reservekohlenhydraten im Samen von Ceratonia, Medicago sativa und Trigonella Foenum graecum nach Bourquelot und Heris- SEY(1), nach H6rissey(2) auch bei Trifolium repens, bei Umbelliferen- endospermen nach Champenois (3), nach demselben Autor (4) auch bei Aucuba japonica, sodann bei Strychnosarten (5), bei Coffea (6) und besonders bei den harten Monocotyledonensamen, wie den Palmen, wo aUgemein reichlich Mannan vorkommt, und bei Liliaceen, wo man es von Ruscus und Asparagus kennt (7). Vielleicht sind in Palmensamen, wie Bourquelot vermutet, eine Reihe von verschieden leicht hydrolysier- baren Mannanen vorhanden. Baker und Pope fanden, daß in dem aus Phytelephassamen dargestellten Zuckergemisch etwa 5% Fructose der Mannose beigemischt waren, was sie auf die Präexistenz eines Lävulo- mannans beziehen. Sonst ist allerdings, namentlich in den Arbeiten von Schulze nach Fructose stets vergebens gesucht worden. Nur Castoro gab Fructose aus Cicer arietinum an und ist der Ansicht, daß ein Lävulan präformiert sei. Araban ist in recht ungleichen Mengen und nicht immer in den Reservecellulosen enthalten. Das Amyloid der Balsaminaceensamen liefert sehr reichlich neben Galactose Arabinose bei der Spaltung und keine Mannose (8). Auch manche Leguminosen- samen führen reichlich Araban. So dürfte bei der gelben Lupine etwa Vs der Hemicellulosen aus Araban bestehen, bei Lupinus angustifolius Vt (Schulze). Kleinere Mengen Arabinose ließen sich nach Schulze und GoDET auch aus Soja, Amygdalus und Ricinus gewinnen, nach Castoro aus Cicer, während in einer größeren Zahl anderer Fälle danach ver- geblich gesucht wurde. Araban ist auch im Kakao enthalten, und wahr- scheinlich in Piper (9). Die Reservecellulosen kennt man bisher nur als amorphe Präparate, deren gänzliche Reindarstellung noch aussteht. Winterstein gewann das Amyloid der Balsaminaceensamen durch Extraktion des entfetteten und mit Ammoniakwasser behandelten Samenpulvers durch 34%'g6 NaOH und Auskochen mit Wasser unter Druck. Die heiß koherte Lösung wurde durch Alkohol gefällt. Der getrocknete Niederschlag gibt mit kochendem Wasser schleimige Lösungen, die blaue Jodreaktion zeigen und mit Neutralsalzen fäll- bar sind. Die Substanz ist rechtsdrehend; Diastase wirkt auf sie nicht ein. Die bei der Hydrolyse der Reservecellulose entstehenden Zucker- arten sind zur Charakterisierung besonders wichtig. Mannose wird durch ihr schon in der Kälte schwer lösUches Phenylhydrazon erkannt. Mannose wird ferner durch Bleiessig auch in neutraler Lösung gefällt. Galactose besitzt ein Osazon von F 193° (Traubenzucker 205°), welches in eisessigsaurer Lösung optisch inaktiv ist. Die Schleimsäurebildung bei der Oxydation von Galac- tose mit Salpetersäure ist ebenfalls ein wichtiges Erkennungsmerkmal. 1) Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 130, 42 u. 731 (1900); Journ. Pharm, et Chim. (6), 9, 104 u. 589 (1900). — 2) Herissey, C!ompt, rend., 130, 1719 (1900). — 3) Champenois, Journ. Pharm, et Chim. (6), 75, 228 (1902). — 4) Cham- penois, Compt. rend., 133, 895 (1901). — 5) Bourquelot u. Herissey, Ebenda, 130, 1411; 131, 276 (1900). Baker u. Pope, Proc. Chera. Soc, 16, 72 (1900). — 6) Schulze, 1. c. — 7) Palmen: Bourquelot u. Herissey, Compt. rend., 133, 302 (1901). Baker u. Pope, 1. c. Lienard, Journ. Pharm, et Chim. (6), 16, 429 (1902); Compt. rend., 135, 593 (1902). Ru.scua: Castoro, Ztsch. physiol. Chem., 4g, 96. Dubat, Compt. rend., 133, 942 (1901). Asparagus: Peters, Arch. Pharm., 240, 53 (1901). — 8) Winterstein, Ztsch. physiol. Chem., 17, 353 (1892). — 9) Kakao: Maurenbrecher u. Tollens, Ber. Chem. Ges., jp, 3576 (1906). Piper: Böddener u. Tollens, Journ. Landw., 5«. 229 (1910). 422 Elftes Kapitel: Die Resorption v. Zncker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. Elftes Kapitel: Die Resorption von Zucker und Kohlen- hydraten bei keimenden Samen. Resorption der einfachen und zusammengesetzten Zuckerarten. Die Reservekohlenhydrate und zusammengesetzten Zucker der ruhenden Samen sind, wie aus den Darlegungen des vorigen Kapitels hervorgeht, fast ohne Ausnahme Hexosenderivate, und gehen bei der Keimung unter Mitwirkung von Enzymen offenbar zunächst in ihre Stammhexosen über. Doch kann man auch in jenen Fällen, wo be- deutende Mengen von Galactan und Mannan gespeichert sind, bei der Keimung nie etwas anderes als Glucose als Reaktionsprodukt nachweisen, so daß man annehmen muß, daß die Umlagerung der diesen Kohlen- hydraten zugrunde liegenden Hexosen zu Glucose, die ja durch anderweitige chemische Erfahrung wohlbekannt ist, im Momente des Entstehens erfolgt. Das Schicksal der Glucose ist im normalen Keimungsgange vor allem die Oxydation zu Kohlensäure und Wasser als Material der Sauer- stoffatmung. Wie dieser Prozeß erfolgt, wissen wir nicht mit Be- stimmtheit. Es wird auf diese Fragen bei der Behandlung der Sauerstoff- resorption im zweiten Bande dieses Buches einzugehen sein. Bei Sauerstoffmangel scheint der Traubenzucker auch bei den höheren Pflanzen allgemein einem ausgiebigen Zerfalle in Alkohol und COj zu unterliegen. Pasteür(I) äußerte sich schon 1876 bezüglich der Alkoholgärung: „La fermentation est un phenom^ne trhs g6n6ral". Die ersten Beobachtungen über Alkoholbildung bei Phanerogamen unter Sauerstoff abschluß rühren von Lechartier und Bellamy her (2), welche feststellten, daß Alkohol in Früchten, die im sauerstoffreien Räume auf- bewahrt werden, auftritt. Daß bei solchen Früchten die Kohlensäure- produktion fortdauert, war bereits Saüssüre und anderen älteren Forschern bekannt gewesen (3). Übrigens war auch die Alkoholbildung gelegentlich beobachtet worden, ohne daß man diese Erscheinung beachtenswert ge- funden hätte. Erst Pasteür(4) betonte 1872 nachdrücklich den Paral- lelismus dieser Erscheinung mit der Hefegärung und ihm schlössen sich auch Lechartier und Bellamy (5) an, die im weiteren quantitative Bestimmungen von CO, und Alkohol bei Birnen, die monatelang unter Luftabschluß gehalten wurden, vornahmen. Die Gewichtsmengen von Alkohol und CO, erwiesen sich etwa gleich, so wie es die chemische Gleichung der Alkoholgärung verlangt. Traube (6) stellte bei Wein- trauben Alkoholbildung unter den gleichen Verhältnissen fest, selbst wenn dieselben stark verletzt waren; jedoch trat am ausgepreßten Safte diese Wirkung nicht ein. Bis in die neuere Zeit wurden diese Be- obachtungen vermehrt und erweiterte?). Die Arbeiten von Brefeld, 1) L. Pasteur, Etudes sur la bifere (1876), p. 261. — 2) Lechartier u. Bellamy, Compt. rend., 6g, 366 u. 466 (1869). — 3) Rollo, Ann. de Chim., 23, 42 (1798). Saussure, llecherch. chim. (1804), p. 121. Berard, Ann. de Chim. et Phys., 16, 174 (1821). — 4) Pasteur, Compt. rend , 75> 1056 (1872); Ber. Chem. Ges., 5, 880. — 5) Lechartier u. Bellamy, Compt. rend., 75, 1204 (1872); 79. 949 u. 1006 (1874). — 6) M. Traube, Ber. Chem. Ges., 7. 872 (1874). — 7) Le- chartier, Bellamy u. Gayon, Compt. rend., 84, Nr. 19 (1877). P. Bert u. Regnard, Soc. Biol. (1885), p. 462. § 1. Resorption der einfachen und zusammengesetzten Zuckerarten. 423 MuNTZ, DE LüCA(1) zeigten besonders die allgemeine Verbreitung der anaeroben Alkoholbildung auch für Samen und in der Folge wurde durch die Studien von Godlewski, Nabokich, Maz^, Stoklasa, Lubi- MENKO, Iwanoff u. a.(2) die weittragende Bedeutung der Alkohol bil düng aus Zucker bei höheren Pflanzen nicht nur für die Samen, sondern für alle Organe der höheren Pflanzen dargelegt. Auch geht aus den Be- obachtungen von Berthelot an Weizenkeimlingen und denjenigen von Devaux an Baumzweigen hervor, daß die Alkoholproduktion in geringerem Maße auch im aeroben Leben stattfindet und nicht streng an Luftabschluß gebunden ist (3). Insbesonders hat Iwanoff hervorgehoben, daß manche Samen, wie Erbsen, durch Sauerstoffzutritt geradezu in ihrer Alkohol- gärung gefördert werden, während bei anderen Samen, wie Triticum, es nichts ausmachte, ob die Keinilinge sich im Vakuum befanden oder nicht. Es ist möglich, daß dort, wo nicht schon reichliche Vorräte an Gärungs- enzym vorhanden sind, die Bildung des Enzyms durch vorherigen Luft- zutritt gefördert wird. Godlewski, Iwanoff und andere Forscher haben nachgewiesen, daß im anaeroben Leben keimender Samen das Gewichtsverhältnis der ausgeschiedenen COj und des gebildeten Alkohols ganz gut mit den theoretischen Werten der Gärungsgleichung übereinstimmen. Für keimende Erbsen fanden Godlewski und Polszeniusz auf 100 Teile ausge- schiedener CO, für Alkohol die Werte 133,8; 103,3; 109,3; 100,5; 102,5; 96,9; 100,7; 97,0, während der aus der Gärungsgleichung geforderte Wert 104,5 beträgt. Nicht alle Keimlinge zeigten gleich starke Zuckervergärung. Sie war bei Gerste viel schwächer als bei Pisum und Faba. Daß der gebildete Alkohol und die CO, dem Zucker entstammt, wurde besonders deutlich durch die Tatsache erwiesen, daß auch zugeführter Zucker glatt vergoren wird. Inbesondere sind die kohlenhydratarmen Lupinensamen hierzu sehr geeignet. Hier findet unter Ausnützung des zugeführten Zuckers sogar Keimung im sauerstoffreien Räume statt. Glucose schien rascher vergoren zu werden als Fruc- tose. Daß bei der Hefegärung Acetaldehyd bei der anaeroben Zucker- verarbeitung durch höhere Pflanzen auftritt, hat Kostytschew (4) für Populusblüten bewiesen. Um den Nachweis der Zymase in diesen Fällen haben sich vor allem Palladin und Kostytschew, Stoklasa und Iwanoff Verdienste erworben (5). Besonders ist die von Palladin 1) O. Brefeld, Landw. Jahrb., 5, 327 (1876). Mtjntz, Compt. rend., 86, Nr. 1 (1878); Ann. de Chira. et Phys. (5), 13, 543 (1878). De Luca, Ann. Sei. Nat. Bot., 6, 286 (1878). — 2) Godlewski u. Polszeniusz, Anzeig. Akad. Krakau (Juli 1897); Akad. Krakau (1. April 1901 und 1. März 1904); Allgera. Brauer- und Hopfenztg., 44, Nr. 199 (1904); Akad. Krakau (Oktober 1911). Nabokich, Ber. Botan. Ges., 19, 222 (1901); 2/, 467 (1903). Maze, Compt. rend., 128, 1608 (1899); Chem. Zentr. (1902), //, 459; Ann. Inst Pasteur, 18, 378 u. 535 (1904). Stoklasa, Ber. Botan. Ges., 22, 460 (1904); Bull. Assoc. Chim. Sucr., 24, 160 (1906); Chem.- Ztg., 31, 1228 (1908); Ztsch. physiol. Chein., 50, 303 (1907); 5^ 156 (1907); 62, 47 (1909). JuNiTZKY, Rev. g^n. Botan., ig, 208 (1907). Lubimenko, Compt. rend., 143, 130 (1906). L. Iwanoff, Ber. Botan. Ges., 2g, 622 (1911); Biochem. Ztsch., 25, 183. GoLA, Accad. Real Torino, 40 (1905). Takahashi, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 5, 243 (1902); 6, 439 (1905). — 3) Berthelot, Compt. rend, 128, 1867 (1899), Devaux, Ebenda. Claude Bernard, zit. bei Stoklasa. Gerber, Ann. Sei. Nat. (8), 4- — 4) Kostytschew, Hübbenet u. Scheloumoff, Ztsch. physiol. Chem., 83, 105 (1913). — 5) Palladin u. Kostytschew, Ber. Botan. Ges. (1906), p. 273; Ztsch. physiol. Chem., 48, 214 (1906). Stoklasa, Hofmeisters ßeitr., j. 460 (1902); Zentr. Physiol, 16, 652 (1902); Ber. Chem. Ges., 36, 622 u. 4058 (1903); Zentr. Bakt. II, 13, 86 (1904). Blumenthal, Dtsch. med. Woch.schr., 5/, 961 (1903). Iwanoff, 1. c. 424 Elftes Kapitel : Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. eingeführte Methode, die Pflanzen unzerkleinert durch Gefrieren ab- zutöten und dann in Toluolatmosphäre aufzutauen und der Gärung zu überlassen, sehr geeignet um die Zymasewirkung festzustellen. Anders steht es mit der Behauptung von Stoklasa, daß gleichzeitig in den Geweben höherer Pflanzen ein Milchsäure bildendes Enzym tätig sei. Hier stehen die Bestätigungen noch aus, wenn sich auch die verschieden- fach gegen Stoklasa erhobenen Einwände, daß Mikrobenwirkungen im Spiele gewesen seien, wohl nicht aufrecht erhalten lassen. Fettsamen produzieren im anaeroben Leben nur außerordentlich wenig COg, was auf die Bedeutung des Zuckers als Gärungsmaterial hin- weist, welcher aber aus dem Fett nur bei Sauerstoffzutritt entstehen kann; GoDLEWSKi fand den Höhepunkt der Alkoholgärung bei Keimungen meist am dritten Tage erreicht, worauf sich die Intensität des Prozesses 1 bis 2 Wochen lang auf dieser Höhe erhält und schUeßhch langsam abfällt. Bei höherer Temperatur wird das Maximum der Gärungskurve erhöht, dafür erfolgt aber der Abfall früher und vollständiger. Auch Chudjakow fand wesentlich dieselben Verhältnisse für die intramolekulare Atmung auf Kosten von Kohlenhydraten (1). Zu berücksichtigen ist, daß vielfach im Innern von Organen die Luft relativ sauerstoffarm ist, so daß daselbst die Alkohol- gärung des Zuckers keine unwichtige Bolle spielen mag. Die Binnenluft der Zuckerrübe fand Heintz (2) sehr 0-arm und reich an CO2 und N. Bender bestimmte für die Binnenluft von Äpfeln die Zusammensetzung mit 40,2% CO2, 0,43% 0 und 59,37% N und konnte auch im Destillate des Apfelsaftes Alkohol nachweisen (3). Nach Heintz enthält die Binnenluft der Zucker- rübe nur 0,06-2,10% O, 11,49-78,9% CO2 und 21,04-86,98% N. Selbst die Binnenluft von Laubblättern ist nach Grehoult und Peyrou (4) sauerstoffärmer als die Außenluft. Die Gewebe der Sumpfpflanzen bieten nach GoLA gleichfalls Bedingungen, unter denen die Alkoholgärung des Zuckers als anaerobe Betriebskraft eine höhere Bedeutung besitzt. GoD- lewski sowie Nabokich (5) konnten zeigen, daß das Wachstum von Keim- lingen tatsächlich innerhalb gewisser Grenzen durch die Zuckervergärung aufrechterhalten werden kann. Die Wärmeentwicklung bei der Alkoholgärung keimender Samen ist nach den Untersuchungen von Eriksson (6) relativ sehr gering. Bei 125 ccm Material, welches aus verschiedenen Keimpflanzen, Blüten, Früchten be- stand, ergab sich eine Temperaturerhöhung von 0,1-0,3*' C. Die älteren Angaben von de Luca über Wasserstoffentwicklung bei der anaeroben Mannitverarbeitung durch Mannit führende Früchte und Blätter konnten von Kostytschew (7) nicht bestätigt werden. Vielleicht waren Buttersäuregärungsmikroben die Ursache der Wasserstoffentwicklung gewesen. Saccharose ist nicht nur in ruhenden Samen fast allgemein ver- breitet, sondern wird auch in Keimlingen regelmäßig gefunden. Es macht den Eindruck, als ob wenigstens ein Teil des Rohrzuckers ein 1) N. V. Chtjdjakow, Landw. Jahrb., 23, 332 (1894). Vgl. auch A. Amm, Ebenda, 25. 1 (1894). — 2) A. Heintz, Ber. Chera. Ges., 6, 670 (1873). — 3) Bender. Ebenda, 8, 112 (187.5). — 4) N. Grehoult u. Peyrod, Compt. rend., 100, 1475 (1885); loi, 1023 (1885). Auch Palladin, Botan. Zentr., 59, 243 (1894). — 5) Nabokich, Ber. Botan. Ges., ig, 222 (1901). — 6) J. Eriksson, Untersuch, botan. Inst. Tübingen, /, 105 (1881). — 7) Kostytschew, Ber. Bfjtan. Ges., 24, 436 (1906). § 1. Resorption der einfachen Tind zusammengesetzten Zuckerarten. 425 Intermediärprodukt des Kohlenhydratstoffwechsels wäre. In gekeimter Gerste, wo Kühnemann Saccharose neben reduzierendem Zucker zuerst nachwies (1), steigt nach den übereinstimmenden Befunden von Kjeldahl, O'SuLLiVAN, LiNDET, Brown Und MORRIS (2) im Fortgange des Keimungs- prozesses die Saccharose bedeutend an. Schon während des Einweichens der Körner erfolgt nach Petit die Vermehrung der Saccharose, während der Glucosegehalt annähernd gleich bleibt. Nach den Resultaten von Brown und Morris, welche den Saccharosegehalt in Endosperm und Embryo getrennt bestimmten, wurde nach 24stündiger Quellung im Endosperm 0,3 %, im Keim 5,4 % Rohrzucker gefunden. Nach 10 Tagen enthielt das Endosperm 2,2 %, der Embryo 24,2 % Saccharose. Der Zuwachs betrifft also vorwiegend den Embryo. O'Sullivan fand in ungekeimter Gerste 0,8—1,6%, in Malz 2,8—6% Saccharose. Kjel- dahl gab eine Totalvermehrung des Rohrzuckers von 1,5 bis 4,7% an. Vermittels der Invertinreaktion wies Grüss mikrochemisch die Gegenwart der Saccharose im Scutellum und in der Aleuronschichte nach (3). Redu- zierender Zucker fehlt darin. Sowohl Brown und Morris, als auch Grüss konnten bei der Kultur isolierter Gerstenembryonen in Glucose und Maltose die Saccharosebildung sicher nachweisen. Daß bei der Saccharosebildung Oxydationsprozesse indirekt eingreifen, scheint aus den Ergebnissen von Boysen- Jensen (4) hervorzugehen, welcher bei Gersten- und Erbsenkeimlingen in Wasserstoffatmosphäre ein Herabgehen der Saccharoseproduktion beobachtete, welche nach Zulassung von Sauerstoff wieder einer Steigerung Platz machte. Übrigens beeinträchtigte höhere Temperatur die Bildung von Rohrzucker ebenfalls. Auch im Saugorgan von Phoenix fand Grüss Saccharose. Ferner ist sie von Washburn und ToLLENS aus Mais dargestellt worden (5). Lupinus luteus enthält nach Schulze (6) im ungekeimten Samen überhaupt keine Saccharose, während sich aus 6tägigen Keimlingen nach dem Strontian verfahren pro 800 g Trockensubstanz 3 g reiner Rohrzucker herstellen ließ, offenbar nur ein Teil der vorhandenen Gesamtmenge. Es wird nicht wunder nehmen, daß Invertin überall, wo Rohrzucker in Keimlingen vorkommt, gleichfalls vorgefunden worden ist. Doch weiß man über etwaige Beziehungen von Invertin zur Rohrzuckerbildung auch hier noch nichts. Im Gerstenmalz ist Invertin vielfach nachgewiesen worden (7), doch scheint das Ferment nicht sehr kräftig v^ksam zu sein. LiNTNER-Diastase enthält gleichfalls Invertin. In keimendem Weizen fand Johannsen (8) Invertin. Der Sitz des Fermentes scheint der Embryo 1) G. KtJHNEMANN, Ber. Chem. Ges., 8, 202 u. 387 (1875). — 2) Kjeldahl, Compt. rend. Labor. Carlsberg (1881). O'Sullivan, Journ. Chem. Soc. (1886), p. 58. LiNDET, Compt. rend., /;;, 668 (1893); 137, 73 (1903). Petit, Ebenda, 130, 687 (1895). Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc. (1890), p. 459. Jalowetz, Chem. Zentr. (1895), /, 934. Nur Invertzucker fand in Malzkeimen YOSHIMURA, Biochem. Ztsch., 31, 221 (1911). Marcacci, Just Jahresber. (1889), /, 41. — 3) J. Grüss, Woch.schr. f. Brauerei (1897), Nr. 33; (1898) Nr. 7. — 4) P. Boysen- Jensen, Biochem. Ztsch., 40, 420 (1912); Biolog, Arbeiten, Warming zugeeignet, p. 139 (1911). — 5) Washburn u. Tollens. Ber. Chem. Ges., 22, 1047 (1889). — 6) E. Schulze, Ber. Botan. Ges., 7, 280 (1889). — 7) Brown u. Heron. Journ. Chem. Soc, 35, 609 (1879). Holderer, Journ. Soc. Chem. Ind., 28, 733 (1910). Vandevelde, Biochem. Ztsch., 28, 131 (1910), Kröber, Ztsch. ges. Brauwes. (1895), p. 325 wollte die Existenz des Malzinvertins in Abrede stellen. — 8) W. Johannsen, Just Jahree- ber. (1886). /. 134. 426 Elfte» Kapitel: Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. zu sein. Grüss (t) nimmt eine Invertinsekretion durch das Schildchen an, während Kjeldahl in der Keimwurzel das meiste Ferment konstatiert hatte. Weiter ist vom Crotonsamen Invertin angegeben, sowie von Cocos nucifera und Phoenix (2). Das Invertin der Dattel bietet während der Frucht- reife nach ViNSON interessante Änderungen in seiner Löslichkeit. Während es unmöglich ist, aus unreifen Datteln Enzym durch Auslaugen mit Wasser in Lösung zu bringen, gelingt dies bei reifen Früchten ohne weiteres. Zeit- lich fällt diese Änderung zusammen mit dem Verschwinden kolloider Gerb- stoffmassen im Fruchtfleische. Doch dürfte ein ursächhcher Zusammen- hang mit der Löslichkeit des Invertins nicht anzunehmen sein, da man durch Glycerin das Enzym aus dem Tannin-Invertin Niederschlage extrahieren kann, während dies bei den unreifen Früchten nicht gelingt. So muß ein Übergang von einem Endoenzym in ein Ektoenzym durch anderweitige Änderungen der Fermenteigenschaften angenommen werden. Maltose ist als Endprodukt der Stärkehydrolyse natürlich äußerst verbreitet in keimenden Samen. Sie wird sodann aber durch Maltase in allen Fällen in Glucose übergeführt. Nachdem zuerst durch Cüisinier (3) die Maltase aus keimendem Mais bekannt gegeben worden war, sind solche Enzyme aus anderen Getreidearten, sowie überhaupt von Nähr- geweben mit reichlichem Stärkegehalt vielfach angegeben worden. So kennt man eine Gerstenmaltase (4), nach Beijerinck(5) eine Maltase aus Reis, Hirse, Sorghum, Carex, Luzula und Sparganium, nach Huerre eine wirksame Maltase aus Fagopyrum(e) und vielleicht kommt auch in dem fetthaltigen Crotonsamen nach Scurti und Parrozzani eine Maltase vor. Die Maltase aus Mais hat nach Huerre (7) bei den einzelnen Mais- rassen ein verschiedenes Temperaturoptimum, indem bei einigen weißen Maissorten die Wirkung schon bei O^' beginnt, während gelbsamige Sorten erst von 20" an Maltasewirkung zeigen. Für die Maltase aus Gerste und aus Fagopyrum wird von den Autoren das gleiche Temperatur- optimum bei 55® angegeben. Fagopyrum enthält eine lösliche und eine unlösliche Form der Maltase. Die von Schulze und Frankfurt (8) aus jungen grünen Roggen- pflanzen gewonnene Secalose (früher von den Entdeckern /S-Lävulin genannt) schließt sich ihren Eigenschaften nach an die zusammengesetzten Zuckerarten an. Sie ist krystallisierbar, leicht löslich in Wasser, ünks- drehend und gibt bei der Hydrolyse Fructose. Die Zusammensetzung ist wahrscheinlich Cj^HgaOig. Herkunft und Schicksal dieses Kohlenhydrates ist noch nicht bekannt. § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen und die hierbei tätigen Enzyme. Das Verschwinden der Stärke bei der Keimung von Samen und das Auf- treten von Zucker an ihrer Stelle ist gewiß eine seit sehr langer Zeit und 1) Grüss, Woch.schr. f. Brauerei (1897), Nr. 26. — 2) Croton: Scurti u. Parrozzani, Gaz. chim. ital., 37, I, 486 (1907). Cocos: Kruyff, Bull. D^p. Agr. Ind. N^erland, 4 (1908). Phoenix: A. E. Vinson, Journ. Amer. Chena. Soc, 30, 1005 (1908). — 3) Cüisinier, Chem. Zentr. (1886), p. 614. — 4) Kröber, Ztsch. ges. Brauwes. (1895), p. 325. Lintner, Ebenda (1892). IssAEW, Ebenda, 23, 796 (1900). Marino u. Fiorentino, Gaz. chim. ital., 36, II, 395 (I90ö). — 5) Beij- ERiNCK, Zentr. Bakt. II, /, 329 (1895). — 6) R. Huerre, Compt. rend., 14S, 1526 (1909). — 7) Huerre, Ebenda, p. 300 u. 505; Thfese Paris (1910). — 8) E. Schulze u. S. Frankfurt, Ber. Chem. Ges., 37, 62, 3525 (1894). § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 427 allgemein bekannte Erscheinung; doch findet man in den ältesten Ver- suchen die Bestandteile der Samen vor und nach der Keimung zu bestim- men, z.B. beiPROüST(l) (1817) die Stärkehydrolyse noch nicht hinreichend berücksichtigt, und erst Saussures Arbeiten (2) haben das Wechselverhält- nis von Stärke und Zucker richtig dargestellt. Davy(3) verglich die Verzuckerung der Stärke beim Keimen einem Gärungsprozeß, welcher sich nicht chemisch erklären ließe. Von Bedeutung war die Beobachtung KiRCHHOFFs (4) (1815), daß Stärke beim Stehen mit Weizenkleber bei 40^ verzuckert wird. Kirchhoff faßte infolgedessen die Zuckerent- stehung bei der Keimung als rein chemischen Prozeß auf. Saussure (5) sah anfänglich ebenfalls den Kleber für die Ursache der Zuckerbildung beim Keimen an. Übrigens soll schon 1785 Irvine(6) Vermehrung des Zuckers im Malz durch Hinzufügen von Mehl aus gekeimten Samen beobachtet haben. In das Jahr 1833 fällt die folgenreiche Entdeckung von Payen und Persoz(7), daß man das stärkeverzuckernde Agens aus dem Malzextrakte durch Lösen in Wasser und Alkoholfällung isolieren könne, und alsbald entdeckten die genannten Forscher ihre „Diastase" auch in keimenden Kartoffeln, Ailanthuszweigen und anderen Objekten. Sie erkannten auch im wesentlichen die Lokalisation der Diastase, ihre allmähliche Vermehrung bei der Keimung und die wichtigsten Abbau- produkte der Stärke bei Einwirkung des Enzyms, sowie endlich die Unbeständigkeit des Fermentes bei höheren Temperaturen. Quantitative Untersuchungen über den Fortgang der Stärkclösung im Verlaufe der Keimung hegen noch nicht zahbeich genug vor. Nach LiNDET (8) sind bis zur Erreichung des in der Malzbereitung erwünschten Keimungsstadiums bei Gerste etwa 20% der vorhandenen Stärke hydro- lysiert. G. Andre (9) fand bei Phaseolus multiflorus während der Keimung folgende Änderungen im Stärkegehalte: 116,95 g Trockengewicht, 62,07 g Stärke 98,50 g „ 53,84 26. Juni 1899 100 Samen 3. JuU 1899 100 Pflänzchen 5. „ 1899 100 8. „ 1899 100 11. „ 1899 100 15. „ 1899 100 19. „ 1899 100 52,40 g 34,49 g 20,18 g 16,40 g 14,6* g 99,71 g 84,34 g 77,89 g 105,66 g 133,55 g Die Keimung fand in Erde bei Lichtzutritt statt. Zweifellos ist Diastase bereits im ruhenden Samen in einer allerdings nicht zu großen Menge vorhanden und nach den zahlreichen Befunden von WoRTMANfi (10) muß man annehmen, daß nicht nur Stärkesamen, sondern auch Fettsamen schon im Ruhezustand diastatisches Enzym enthalten. Die amylolytische Wirkung ist jedoch bei Fettsamen geringer. Wortmann wies Dia- stase nach bei Phaseolus, Pisum, Lens, Hordeum, Seeale, Triticum, Avena, Zea, 1) Proust, Ann. de Chim. et Phys. (2), 5, 337 (1817). — 2) Saussure, Pogg. Ann., 32, 194 (1834). — 3) H. Davy, Elemente d. Agrik.chem. (1814), p. 243. — 4) C0N8TANTIN Kirchhoff, Schweigg. Journ., 14, 389 (1815). — 5) Saussure, Schweigg. Journ.. 69, 188 (1833). — 6) Zit. bei Payen u. Persoz, Ann. de Chim. et Phys. (2), 53, 73 (1833). — 7) Payen u. Persoz. Ann. de Chim. et Phys. (2), 53, 73 (1833); 56, 337 (1834): 60, 441 (1835); Schweigg. Journ., 08, 177, 220 (1833), 69, 36 (1833). A. La-mpadius, Journ. prakt. Chem., 2, 457 (1834) — 8) L. Lindet, Compt. rend., 137, 73 (1903). — 9) G. Andre, Ebenda, 130, 728 (1900). — 10) Wort- mann, Botan. Ztg. (1890), p. 581. 428 Elftes Kapitel : Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. Linum, Cucurbita und Ricinus; Will und Krauch (1) bei Pinie, Kürbis, Gerste und Mais ; Baranetzky (2) in Pisum, Aesculus und Mirabilis ; end- lich Brasse (3) bei Papaver, Kruyff (4) in der Cocosmilch, Scurti und Parozzani (5) bei Croton Tiglium. Die ruhenden Samen von Medicago sativa enthalten wohl Diastase und Emulsin, aber kein Invertin (6). Stingl und MoRAWSKi fanden sehr wirksame Diastase in Sojabohne (7). Mehrfach wurden diastatisch wirksame Glycerinauszüge aus Samen gewonnen (8). Eine Reihe weiterer Arbeiten befassen sich speziell mit der Diastase in ruhen- den Getreidekörnern (9), wo die Lokaüsation näher erforscht worden ist. Für den ruhenden Maissamen gaben bereits Will und Krauch an, daß das Endosperm bedeutend weniger Diastase enthält als der Embryo. Nach Ford und Guthrie wirkt aus dem ersteren wieder die periphere Schichte mit den Aleuronzellen am intensivsten. Verschiedene Angaben lassen ferner vermuten, daß die im ruhenden Samen vorhandene Diastase von der Kei- mungsdiastase in manchen Punkten abweicht. So ist nach Lintner das Temperaturoptimum hier schon bei 45—50" gelegen, während Malzdiastase am besten bei 50—55" wirkt. Es wird sodann von der Samendiastase be- hauptet, daß sie wohl rasche Verflüssigung von Stärkekleister hervorrufe, die zuckerbildende Wirkung hingegen relativ gering sei. Schon im Beginne der Quellung vermehrt sich die Diastase sehr merk- lich. Effront sowie Glimm (10) fanden bei der Verfolgung des Vorganges der Diastasebildung während des Keimungsprozesses, daß die zuckerbildende Wirkung kontinuierlich lange Zeit zunimmt und erst am 11. bis 22. Tage bei keimender Gerste das Maximum erreicht. Darauf erfolgt allmähliche Abnahme. Dabei zeigt sich nach Effront deutUch, daß die zuckerbildende und verflüssigende Wirkung in ihrer Zunahme nicht ganz parallel gehen. Die letztere nimmt langsamer zu und verharrt noch auf ihrer Höhe, wenn die zuckerbildende Wirkung abzusinken beginnt. Nach Hayduck und Wrede(II) ist die diastatische Wirkung am größten, wenn die Blattkeime der Gerste etwa dreimal so lang sind wie die Frucht. Kjeldahl(12) gab für den Fortgang der Verzuckerungswirkung bei der Malzdiastasebildung folgende Zahlen, welche sich auf die erzielte Kupferreduktion durch gleiche Trockengewichte beziehen : Direkt nach der Quellung 1 Tag alt 70 2 Tage alt 73 3 „ „ 80 4 „ „ 105 ( Keimung am lebhaftesten) 5 ,, ,, 150 6 „ „ 190 7 „ „ 220 8 „ „ 226 1) Will u. Krauch, Landw. Versuchsstat, 23, 11 (1879). — 2) BabInetzky, Stärke umbildende Fermente (1878). — 3) Brasse, Corapt. rend., 99, 878 (1884). — 4) E. DE Kruyff, Bull. D^p. Agr. Ind. N^erland., 4 (1908). — 5) Scurti u. Par- ROZZANi. Gaz. chim. ital., 37, I. 486 (1907). — 6) C. A. Jacobson, Journ. Amer. Chem. Soc., 34, 1730 (1912). — 7) Stingl u. Morawski, Monatsh. Chem., 7, 176 (1886). — 8) GORUP Besanez, Ber. Chem. Ges.. 7, 1478, 1875, 1510 (1874). Van DER Harst, Biedermanns Zentr. (1878), _p. 582. — 9) Lintner u. Eckhardt, Journ. prakt. Chem., 41, 91 (1890). Lintner, Ztsch. ges. Brauwea., //, 497 (1889). Detmer, Pflanzenphysiol. Untersuch, über Fermentbildung (1883). Johannsen, Just Jahres- ber. (1886), /, 134. Ford u. Guthrie, Woch.schr. f. Brauerei, 25, 164 (1908). Eisenberg, Flora, 97, 347 (1907). Y. Tanaka, Journ. Coli. Eng. Tokyo. 4, 39 (1908). — 10) Effront, Compt. rend., 141, 626 (1905). E. Glimm, Ztsch. ge«. Brauwes., 31, 439 (1908). — 11) Hayduck u. Wrede, zit. bei Meyer, Stärkekömer (1895), p. 62. — 12) Kjeldahl, Compt. rend. Carlsberg (1879), p. 138. § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 429 Nach Verlauf einer Keimungswoche ist sowohl im Endosperm als im Embryo Diastase vorhanden, doch konstatierte schon Krauch, daß die Ver- zuckerungswirkung durch das Extrakt aus Maisembryonen bedeutend wirk- samer ist als das Extrakt aus den Endospermen. Ältere und neuere Angaben haben erwiesen, daß das Scutellum der Gramineensamen die größte Tätig- keit bei der Ausbildung des stärkeverzuckernden Enzyms entfaltet (1). Im Endosperm entsteht sowohl in den inneren Zellen als in den peri- pheren Lagen Diastase, doch findet die weitaus stärkere Zunahme, wie Haberlandt und Tschirch (2) nachgewiesen haben, in der Aleuronzell- schichte statt. In den Zahlen von Grüss tritt allerdings die Überlegen- heit der Aleuronschicht nicht deuthch hervor. Er gibt als Werte für die Reduktionswirkung bei Scutellum 0,177, bei Aleuronschicht 0,09, bei Endo- sperm 0,084 an. Nach Brown und Morris verhält sich die Reduktions- wirkung der oberen und unteren Hälften von Hordeum sowie 0,610:1,715. Für die einzelnen Teile des Gerstenkorns wurden folgende Zahlen erhalten: aus 50 halben Endospermen: die dem Embryo anliegende Schicht . . 9,7970 g CuO die andere Hälfte 3,5310 g 50 Würzelchen 0,0681 g 50 Plumulae 0,0456 g 50 Schildchen 0,5469 g 50 ganze Früchte 13,9886 g 50 ungekeimte Früchte 2,4860 g Linz, welcher unter Meyers Leitung mit Hilfe eines modifizierten Kjeldahl- Verfahrens die Diastasebestimmung vornahm, fand bei Maissamen nach zweitägiger Quellung folgende Reduktionswerte: Frischsubstanz: 1 g Embryo ohne Schildchen .... 5,9 Diastasewert 1 g Schildchen , 48,6 1 g Endosperm 5,8 1 g ganze Embryonen 41,2 9 Tage über Schwefelsäure getrocknete Substanz: 1 g Embryonen ohne Schildchen . . 24 1 g Schildchen 128 1 g Endosperm 9,6 1 g ganze Embryonen 115,6 Bei 105" getrocknete Substanz: 1 g Embryonen ohne Schildchen . . 26 1 g Schildchen 134 1 g Endosperm 10,1 Die Schildchen enthalten demnach weitaus die relativ größte Diastase- menge. Es ist allerdings bei solchen Vergleichen der diastatischen Kraft ver- schiedener Teile des Samens zu bedenken, daß durch die Reduktionsmethoden nur die Zuckerbildung zum Vergleiche herangezogen wird und die stärke- verflüssigende oder dextrinbildende Wirkung, die möghcherweise der Endo- spermdiastase und der Embryodiastase in verschiedenem Maße eigen ist. 1) Tangl, Sitz.ber. Wien. Ak., 92 (1885). Brown u. Morris, Journ. Chem. Soc., 57, 508 (1890). Grüss, Ber .Botan. Ges., //, 288 (1893); Landw. Jahrb. (1896). Linz, Jahrb. wiss. Botan., 29, 267 (1896). — 2) Haberlandt, Ber. Botan. Ges., 8, 40 (1890). Tschirch, Angewandt. Pflanzenanat., p. 81, Fig.-Erklär. Stoward, Ann. of Bot., 25, 799 u. 1147 (1911). 430 Elftes Kapitel: Die Resorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. gänzlich unbeachtet bleibt. Mit diesem Vorbehalte seien noch die anderen Zahlen von Linz angeführt, welche sich auf den weiteren Fortgang der Dia- stasebildung beziehen. Je 1 g von Material, 10 Tage bei gewöhnücher Temperatur über Schwefelsäure getrocknet, enthielt an Diastase: 2 Tage Quellung: 5 Tage Keimung: Win-zeln durchschnitthch 7 cm lang, Blätter 4 cm Vers. I Embryo Schild- ohne eben Schild- Schild- ohne eben eben Epithel 24 . 128 2080 Epithel Endo- sperm 9,6 Ganzer Embryo 115,6 1960 460 1175,3 Vers. II 384 1040 Blatt 264 Wurzel 304 / Blatt 480 i Wurzel 112 10 Tage Keimung: Wurzeln 14 cm, Blätter 7,5 cm lang 147 832 / I Wurzel Blatt 176 32 Danach findet entschieden die stärkste Diastasezunahme im Schildchen und zwar besonders im Epithel desselben statt. Reed (1) hat die histo- logischen Veränderungen im Zelhnhalte des Scutellarepithels während der Enzymproduktion näher verfolgt. Bei keimenden Pisumsamen beobachtet man die Lösung der Stärke zuerst in den peripheren Anteilen der Cotyledonen, was nachweislich auf einem größeren Gehalt von Diastase in diesen Gewebspartien beruht (2). Grüss(3) hat ferner die Verteilung der Diastase in den Cotyledonen und Keimpflanzen von Phaseolus untersucht. Von Bedeutung für die Beurteilung des ganzen Ganges der Enzym- bildung ist es, daß es sowohl gehngt, isoUerte Embryonen auf Stärkebrei zu ernähren, als auch isoUerte Endosperme zm* Entleerung ihres Stärke- vorrates zu bringen, wenn man sie nach dem Vorgange von Pfeffer und Hansteen 4) auf Gipssäulchen befestigt, im Kontakt mit genügend großen Wassermengen hält, so daß der gebildete Zucker kontinuierhch abströmen kann. Manche Maissorten entleeren ihre Reservestoffe aus dem isoherten Endosperm ebenso vollständig als wenn sie mit dem Embryo in Verbindung wären. Bei anderen wird die Stärke nur teilweise gelöst. In der Literatur haben solche Erfahrungen zu ausgedehnten Diskussionen Anlaß gegeben, ob man das Endosperm als totes oder lebendes Gewebe betrachten solle. Auch Diana Bruschi (5), welche sich mit diesen Fragen eingehend befaßte, macht einen physiologischen Unterschied zwischen jenen Endospermen, 1) H. S. Reed, Ann. of ßotan., i8, 267 (1904). E. Sargant u. A. Robert- son, Ebenda, 19, 115 (1905). — 2) W. R. Jones, The Plant World, 15, 17ö (1912). — 3) J. Grüss, Jahrb. wiss. Botan., 26, 424 (1896). VAN der Harst, Bieder- manns Zentr. (1878), p. 582. — 4) Pfeffer, Ber. Kgl. sächs. Ges. (1893), p. 422. Hansteen, Flora, Erg.-Bd, (1894), p. 419. Puriewitsch, Jahrb. wiss. Botan., j/, 1 (1897); Ber. Botan. Ges., 14, 207 (1896). Die von Grüss und Linz erhobenen Einwände sind von dem letzteren Autor näher diskutiert und widerlegt worden. — 5) D. Brüscui, Rend. Acc. Line. Roma, 15, H, 384 u. 563 (1906); 16, I, 785 (1907); Annali di Botan., j, 569 (1906); Ann. of Botan., 22, 449 (1908). § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 431 welche sich so verhalten wie Mais, und jenen Fällen, in welchen, wie bei Ricinus, das Endosperm seine Reservestoffe nicht in das umgebende Wasser entleert, sondern selbständig weiterwächst. Fraglos ist das Endosperm- gewebe in beiden Fällen als lebendes Organ anzusehen und nur die Anpassung an eine bestimmte Lebensweise kann zu den erwähnten Differenzen im Ver- halten Anlaß geben. Bei der Ernährung isolierter Embryonen durch Stärke- brei, Versuche, welche seit VAN Tieghem und Blociszewski (1) durch Brown und Morris, Grüss, Linz, Lefevre, Lubimenko und andere Forscher häufig angestellt worden sind (2), tritt wohl die Enzymsekretion durch das Schildchenepithel als hauptsächUch wirksamer Faktor in Erscheinung. Bei allen Samen gehngt jedoch dieser Versuch nicht. Stingl (3) suchte ferner den Einfluß fremder Endosperme auf die Ernährung von Grasem- bryonen sicherzustellen und es ergab sich, daß tatsächhch auch mit artfremden Endospermen die Ernährung der Embryonen gehngt, wenn auch nicht in allen Fällen so gut, wie mit dem arteigenen Nährgewebe. Das Zymogen der Samenamylase ist noch sehr wenig untersucht. Die Beobachtung von Reychler(4), daß beim Behandeln von Weizen- kleber mit verdünnter Säure wirksame Diastase entsteht, was Reychler irrigerweise als künsthche Diastasebildung bezeichnete, ist mehrfach bestätigt worden und solche Beobachtungen sind eigentUch bis auf Kirchhoffs Arbeiten zurückzuleiten. Jegorow und Lintner(5) vermuten, daß dem Kleber Proamylase anhaften dürfte. Daß zur Diastasebildung bei der Keimung Sauerstoffzutritt nötig ist, wird durch manche Beobachtungen gezeigt (6), doch bedarf dies einer wiederholten Untersuchung, da doch bei der anaeroben Atmung von Stärkesamen das Zuckermaterial der Alkohol- gärung der Stärke entstammen muß und es nicht sicher ist, ob nur die bereits im ruhenden Samen vorhanden gewesene Diastase für die Ver- zuckerung verantwortüch zu machen ist. Übrigens wirken nach Eisen- berg Wachstumshemmung resp. Beschleunigung, Temperatur usw. allge- mein als Diastasebildung hemmende bzw. beschleunigende Faktoren. Eine große physiologische Bedeutung hat die Frage nach dem Dif- fusionsvermögen der Diastase. Nach Effront (7) hat es nicht den Anschein als ob Wanderungsvorgänge bei der Ausbreitung der Enzymwirkung wesent- Hch in Betracht kämen. Doch scheint nach verschiedenen Angaben Diastase nicht unbeträchthch zu diffundieren. Brown und Morris zeigten die Dif- fusion in Gelatine ; Krabbe (8) wies nach, daß im Gegensatze zu früheren Angaben Hirschfelds, deutliche Diffusion auch durch Pergamentpapier sowie durch Porzellanröhrchen stattfindet. Ferner gehngt es bei höherem Druck das Enzym durch Tonzellen oder Tannenholzzyhnder hindurch- zupressen (9). Doch stößt das Eindringen des Fermentes in feste Stärke- körner anscheinend oft auf große Schwierigkeiten, worauf die frülier häufig vertretene Ansicht, daß unverkleisterte Stärkekörner überhaupt nicht an- gegriffen werden können, zurückzuführen ist. Allerdings kann es bei Kartoffel- 1) VAN TiEQHEM, Ann. Sei. Nat. (6), 4, 183 (1876). Th. Blociszewski, Landw. Jahrb. (1876), p. 145. — 2) Frühere Zitate und J. Lefevke, Compt. rend., 147, 935; 148, 1533 (1909). Lubimenko, Ebenda (8. Okt 1906). Zaleski u. Tu- TORSKi, ßiocheiu. Ztsch., 43, 7 (1912). — 3) G. Stingl, Flora, 97. 308 (1907). — 4) A. Reychler, ßer. Chein. Ges., 22, 414 (1889); Bull. Soc. Chim. (3), /, 286 (1889). — 5) Jegorow, Koch Jahresber. (1893), p. 279. Lintner u. Eckhardt, Journ. prakt. Chera. (1890), p. 91, — 6) Baranetzky, Stärke umbildende Fermente (1878), p. 19. Detmer, Botan. Ztg. (1883), p. 601; Just Jahresber. (1886), /, 74. Eisen- berg, Flora, 97, 347 (1907). — 7) J. Effront, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 23, 508 (1905). — 8) Krabbe, Jahrb. wiss. Botan., 21, IV (1890). Hirschfeld, Pflüg. Arch., 39, 513 (1886). — 9) Krabbe, 1. c., Grüss, Ebenda, 26, 384 (1896). 432 Elftes Kapitel : Die Resorption v. Zucker u. Kohlenliydraten b. keimenden Samen. stärke monatelang dauern, ehe deutliche Lösungserscheinungen wahrnehmbar sind. Doch gelingt es nach A. Meyer immer und bei jeder Temperatur durch Malzdiastase Stärkekörner zu verändern. Gewiß kann Dichtigkeit der Struktur, insbesondere in den äußeren Schichten, und die durch mangel- hafte Abfuhr der Lösungsprodukte bedingte Hemmung der Abfuhr der Hydratationsprodukte verzögernd eingreifen. Andererseits weiß man aber nicht, ob die Malzdiastase das geeignetste Enzym ist und ob nicht stärker verflüssigend wirkende Diastasepräparate viel schneller einwirken. Stone (1) hat gezeigt, daß verschiedene Stärkesorten sehr ungleich durch ein be- stimmtes Diastasepräparat attackiert werden und auch für die Pankreas- amylase des Tierkörpers ist es bekannt, daß Hafer- und Reisstärke leichter angegriffen werden als andere Amylumkörner (2). Die bekannten Minier- gänge und andere Korrosionserscheinungen, die bei diastatischer Stärke- lösung zu beobachten sind, müssen wohl durch strukturelle Momente, wie capillare Risse, bedingt sein. Der Versuch von GrÜss (3) aus der Verteilung der Oxydasereaktion mit Guajac-HgOg auf ein Nichteindringen der Diastase in Amylumkörner zu schließen, berücksichtigt nicht, daß die Oxydase und Diastase nicht in gleichem Maße diffundieren müssen. Der erwähnte Forscher schreibt allerdings die Guajac- Reaktion der Diastase direkt zu. Die Diffusionsverhältnisse führen uns zur Betrachtung der Adsorptionen bei Diastase. Dieselben sind manchmal sehr beträchtUch und können bei Gegenwart von Organpulvern, wie Starkenstein (4) gezeigt hat, empfind- hch in die Wagschale fallen. Daß Stärke als Adsorbens wirkt, hat Bang (5) gezeigt, doch fehlen auf botanischem Gebiete Untersuchungen über diese fundamentale Frage noch ganz. Kohle, weniger Kaohn adsorbieren deut- lich. Die durch Kohle adsorbierte Diastase wird schon nach kurzer Zeit weniger wirksam und verliert schließhch ihre Aktivität irreversibel und völHg. Die Kataphorese zeigt Diastase als ein amphoteres Kolloid (6), welches je nach der Reaktion der Lösung anodisch oder kathodisch wandert. Bierry (7) hatte allerdings behauptet, daß Diastase im Gegensatze zu anderen Enzymen sich elektropositiv verhalte. Diastaselösungen verUeren relativ rasch offenbar infolge (mikrobischer ?) Zersetzung ihre Wirksamkeit. Doch hat man andererseits in 50 Jahre alten Getreidekörnern die Diastase noch aktiv gefunden (8). Nach Maquenne soll die Wirksamkeit eines schnell auf kaltem Wege hergestellten Malzextraktes beim Stehen zunehmen, wobei möghcherweise Proteolyse, Wegfall von Hemmungen oder Entstehen von aktivierenden Stoffen im Spiele ist (9). Darstellung und chemische Eigenschaften der Amylase. Seit den Arbeiten von Payen und Persoz waren die Fortschritte auf diesem Gebiete bis in die neuere Zeit nur sehr gering. Mülder(IO) wollte allen Eiweißstoffen eine diastatische Wirkung zuschreiben, und noch GoRUP Besanez(11) schrieb die proteolytische und amylolytische Wirkung dem- selben Enzym zu. Dieser Forscher bediente sich zur Darstellung der 1) W. E. Stone, U. S. Dept. of Agric. (1896), Bull. No. 34. — 2) S. Lang, Ztsch. exp. Pathol., 8, 279 (1910). Nagao, Ebenda, g, 227 (1911). — 3) Grüss, Fünfstücka Beitr. wiss. Botan., /, 295 (1895). — 4) Stabkenstein, Biochera Ztsch., 24, 191 (1910). — 5) Iv. Bang, Ebenda, 32, 417 (1911). — 6) L. Michaelis, Ebenda, 17, 231 (1909). — 7) Bierry, Henry u. Schaeffer, See. Biol., 63, 226 (1907). — 8) Brocq-Rousseu u. Gain, Compt. rend., 148, 359 (1909). — 9) Maquenne u. Roux, Ebenda, 142, 1387 (1906). — 10) Mulder, Chem. d. Bieres (1858). Histori- sches bei Führer, Die Diastase (1870). Dubrunfaut, Ztsch. ges. Brauwes. (1880), p. 90. — 11) GoRüP Besanez, Ber. Chem. Ges. (1874), p. 1478; (1875) p. 1510. Methode von Wittich, Pflüg. Arch., 2, 193; 3, 339. § 2. Die Resorption von Stärke in keimenden Samen. 433 WiTTiCHschen Glycerinextraktionsmethode. Bara.netzky wieder begnügte sich bei seinen Untersuchungen mit der rohen Alkoholfällung. Nach zahl- reichen späteren Versuchen zu reineren und wirksamen Fermentpräparaten zu kommen (1), hat erst 1886 Lintner(2) ein gutes, seither viel benutzte^ Rezept zur Bereitung einer Rohdiastase aus Malz gegeben. Hierzu wird 1 Teil Gerstengrünmalz oder abgesiebtes Luftmalz 24 Stunden oder länger mit 2—4 Teilen 20%igem Alkohol (um Milchsäuregärung zu verhindern) digeriert, das Extrakt abgesaugt, und mit 2, höchstens 2^ Volumina ab- soluten Alkohols gefällt. Der Niederschlag wird abgesaugt, unter absolutem Alkohol zerrieben, abfiltriert, unter Äther zerrieben, abgesaugt und endüch über Schwefelsäure im Vakuum getrocknet. 1 g LiNTNER-Diastase wirkt so stark wie 50 g Malz. Eine Bleiessigbehandlung, wie sie LoEW empfahl, bewirkt schwächere Leistung der Präparate. Durch Dialyse konnte Lintner den Aschengehalt auf 5% herabdrücken. Das LiNTNERsche Präparat ent- hält noch Invertin und gibt die Guajac-HgOg-Probe. Es gehngen sämt- liche Eiweißreaktionen damit. Die Elementaranalyse ergab 44,33% C, 6,98% H, 8,92% N, 1,07% S und 32,91% 0. Lintner hat auch die Irr- tümUchkeit der von Cohnheim und Hirschfeld geäußerten Ansicht, daß die Diastase ein gummiartiger Stoff sei, bewiesen (2). Von den neueren Untersuchern der Diastase halten die meisten das Enzym für einen Eiweiß- stoff: Jegorow für ein Nuclein (3), Osborne (4), der die Malzdiastase durch Aussalzen mit Ammonsulfat reinigte, findet, daß Ähnlichkeiten mit albumin- artigen Eiweißstoffen aus Getreide (Leucosin) bestehen und meint, daß es sich möglicherweise um ein Gemenge von Albumin und Proteose handelt. Auch die Diastase von Wroblewski (5) hatte proteosenähnliche Eigenschaften und einen N-Gehalt von 16,53%. Der letztgenannte Forscher suchte eine Trennung der Diastase von den begleitenden Kohlenhydraten (Araban) zu erreichen, was früher nicht geschehen war. Nach Osborne und Ca;!0»bell nimmt die Wirkung der Präparate mit fortgesetzter Reinigung stark ab. Die letzten Arbeiten über Malzdiastase von Fränkel und Hamburg (6) sowie von Pribram (7) suchten die begleitenden kohlenhydratartigen Stoffe durch Vergären mit Hefe zu entfernen und bedienten sich ausgiebig der* Hilfsmittel der Dialyse und Filtration. Pribrams Präparat enthielt schließ- lich noch einen polypeptidartigen Stoff und einen reduzierenden kohlen- hydratartigen Körper. Weniger rein scheint das Präparat von Pankreas- diastase gewesen zu sein, welches Sherman und Schlesinger gewannen, da es von Maltase und Protease nicht frei war (8). Die meisten Diastase- präparate geben deutlich die Peroxydasenreaktion mit Guajacwasserstoff- peroxyd. Man kann aber, ohne die amylolytische Wirkung aufzuheben, diese anhaftende Peroxydase zerstören, indem man bis zu einer bestimmten Temperatm- erwärmt oder mit verdünnter H2SO4 behandelt, wie Jacobson 1) ZuLKOWSKi u. KÖNIG, WicD. Ak., 7u II, 453 (1875). Krauch, Landw. Versuchsstat., 2j, 83 (1879). Düquesnel, Bull, de Th^rap., 87, 20. Musculus, Bull. Soc. Chim., 22, 26 (1874). O. LoEW, Pflüg. Arch., 27, 203 (1882). Wilson, Chem. Zentr. (1891), /, 33. — 2) Lintner, Pflüg. Arch., 40, 311. Cohnheim, Virchows Arch., 28, 241 (1863). Hirschfeld, Pflüg. Arch., 39, 513 (1886). — 3) Jegoroff, Chem. Zentr. (1894), //, 868; Ber. Chem. Ges., 26, 386 (1894). — 4) Th. B. Osborne, Journ, Amer. Chem. Soc, /;. Nr. 8 (1895); Chem. Zentr. (1895), //, 571. Osborne u. Campbell, Journ. Amer. Chem. Soc, 18, 536 (1896); Ber. Chem. Ges., j/, 254 (1898). — 5) Wroblewski, Ztsch. physiol. Chem., 24, 173 (1898); Ber. Chem. Ges., jo, 2289 (1897); j/, 1127 (1898). — 6) S. Fränkel u. Hamburg, Hofmeisters Beitr., 8, 389 (1906). — 7) E. Pribram, Biochem. Ztsch., 44, 293 (1912). — 8) Sherman u. Schlesinger, Journ, Amer. Chem. Soc, 33, 1195 (1911); 34, 1104 (1912). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 28 434 Elftes Kapitel: Die ReBorption v. Zucker u. Kohlenhydraten b. keimenden Samen. sowie Nasse und Framm gezeigt haben (1). Grüss (2) hält allerdings noch an der Annahme fest, daß die Guajacreaktion eine manchen Diastasen eigentümhche Reaktion sei. Nach Panzer (3) bindet gereinigte Malzdiastase viel HGl-Gas und läßt sich im Vakuum davon wieder trennen. Die HCl- Verbindung, deren Natur unbekannt ist, ist unwirksam; nach Trennung des HCl soll das Ferment wieder wirksam werden. Messung der amylolytischen Wirksamkeit. Hierbei ist in den meisten Fällen ausschüeßhch die verzuckernde Kraft der Diastase- präparate berücksichtigt. K jeldahl (4) fand zuörst, daß verschiedene Mengen desselben Malzextraktes bei gleicher Temperatur und gleichlanger Einwirkung auf feine bestimmte Stärkelösung proportional der angewendeten Menge Malzextrakt Zucker bilden, vorausgesetzt, daß das Reduktionsvermögen von 100 g nicht größer ist als das Reduktionsvermögen von 30% Glucose oder 45% Maltose. Statt des von K jeldahl verwendeten Stärkekleisters wendet man besser Lintnerstärke an. Brown und Morris heßen das Enzym bei 30" auf 2% Lintnerstärke durch 48 Stunden unter Chloroformzusatz einwirken. Meyer und Linz arbeiteten bei 60° Thermostatentemperatur. Die Stärkelösung wurde bereitet, indem 2 g Lintnerstärke mit 10 ccm Wasser 5 Minuten lang angerührt wurden und dann 90 ccm kochendes Wasser hinzukam, mit welchem die Probe 2 Minuten lang in vollem Kochen er- halten wurde. Je 50 oder 100 ccm wurden zu einer Probe genommen. Nach Linz erhscht die Proportionahtät schon bei einer Reduktionskraft gleich 10% Glucose. Nach 24stündigem Stehen unter Toluolzusatz wurde das Enzym durch Aufkochen zerstört und die Zuckerbestimmung vorgenommen. Bei Linz findet man eine ausführhche Tabelle zur Feststellung der relativen Diastasemengen. Das von Lintner angegebene Verfahren ist weniger zu empfehlen. Sykes und Mitchell haben die Verfahren von Kjeldahl und Lintner kombiniert (5). Oberhalb 65" gilt nach Wirth das Propor- tionahtätsgesetz nicht mehr (6). Man hat endhch sorgfältig die Gegenwart aktivierender Stoffe bei solchen Versuchen zu beachten (7). Die Viscositätsabnahme von Stärkelösungen ist bisher sehr wenig zur Kontrolle der amylolytischen Wirksamkeit von Diastasepräparaten benützt worden. Methodische Angaben findet man in den Arbeiten von Fernbach und Wolff sowie von Chrzaszcz (8). Das Enzym macht man vorteilhaft durch Zufügen von AlkaU unwirksam, wobei die Menge des- selben nur so groß sein darf, daß die Maltose nicht verändert wird. Die Viscosität nimmt sehr schnell bis zum Endwert ab, wobei man sehen kann, daß sie in den allerersten Stadien schneller absinkt als der Zuckergehalt zunimmt. Chrzaszcz empfiehlt bei höheren Temperaturen (60—65") zu 1) Jacobson, Ztsch. physiol. Chem., /tioR d. B^servekoLlenhydrate beim Austieiben v. SpeicherorgaDen. 4^7 daß nicht die Masse der gespoiclierten Stoffe die Wachstjjmsenergie beim Austreiben bestimmt, sonderi? der Zusammenhang offtnbar ein sehr weiter ist(1). Bei den durch Lubimenko (2) erwähnten Beeinflussungen der Ver- arbeitung der Vörraistot'fe durch sehr schwaches Licht, welches die Kohlen- säureassimilation an sich noch nicht ausreichend erhält, mögen chemische Prozesse wohl noch nicht als wesenthch bestimmendes Momenl in Betracht kommen. Die Untersuchungen von Müller-Thurgau und Schneider- Orelli (3) über den Einfluß des Vorerv/ärmens durch kurze Zeit auf den Stoffumsatz bei Kartoffelknollen und Gonvallariakeimsprosscn haben er- geben, daß hierdurch sicher der Vorgang der Kohlenhydratumsetzung getroffen wird, namenthch tritt eine viel geringere Saccharosespeicherung bei nachheriger Lagerung bei 0° ein, als bei nicht erwärmten Knollen. Diese Wirkung ist ganz analog dem Zustande im Frühling, wo die Knollen ebenfalls die Saccharosespeicherung beim Einkühlen nicht mehr zeigen. Die Vorgänge der Stärkeresorption austreibender Knollen und Rhizome sind sehr oft näher studiert worden und es läßt sich hier leicht das Ver- schwinden der Amylummassen und das Auftreten von Zucker verfolgen. Daß hierbei amylolytische Enzyme in Betracht kommen, wußten schon Payen und Persoz. Baranetzky (4) konstatierte die Ajnwesenheit von Diastase in dem Rhizom von Iris, in Batatenknollen, in austreibenden Stöcken von Daucus und Brassica. Das amylolytische Enzym wurde be- sonders reichhch in den den entstandenen Keimtrieben benachbarten Teilen der Speicherorgane gefunden (5). Ruhende Kartoffelknollen enthalten aber auch bereits Diastase, was Baranetzky noch nicht nachweisen konnte, später jedoch durch Grüss (6) und Müller-Thurgau (7) dargetan wurde. Weitere Angaben über Diastasebefunde betreffen Raphanus (S), Diosccrea (9) und andere Fälle, von denen nur noch die Zuckerrübe erwähnt sei, die wieder- holt mit positivem Erfolge auf Diastase geprüft worden ist (10). Die bei dem Austreiben der Knollen und Zwiebeln aus der Stärke entstehenden Zwischenprodukte sind noch wenig untersucht. Leclerc DU Sablon(11) gibt an, daß bei Ficariaknollen die Stärke von April bis Mai in Dextrin übergeht, letzteres weiter in Zucker, so daß im Sommer etwa die Hälfte der Reserven aus Zucker besteht. Dann nimmt die Amylummenge wieder zu. Nach Marcacci(12) ist in treibenden Kartoffelknollen reichhch Saccharose enthalten. Die Stärkelösung schreitet relativ rasch vor, so daß in Knollen mit 3—4 cm langen Trieben bereits etwa ein Neuntel der vor- handen gewesenen Stärke verbraucht ist (13). Die Angaben, daß Rhizomtriebe Diastase sezernieren und z. B. Triebe von Cynodon beim Durchwachsen von Kartoffelknollen durch Enzymwirkung 1) Vgl. P. Cheistensen, Bull. Acad. Dänemark (1908). — 2) W. Lubimenko, Compt. rend. (13. Mai 1907). — 3) MtJLLER-THTJRGAU u. ScmsrEiDER-ORELLi, Flora, /&/, 309 (1910); 104, 387 (1912). — 4) Baranetzky, Die stärkeumbildenden Fer- mente (1878), p. 17, 30, 57. A. Mayer, Journ. f. Landw., 48, 67 (1900). — 5) A. Prünet, Compt. rend., 115, 751 (1892); 114, Nr. 19 (1892). — 6) J. Grüss, Jahrb. wiss. Botan., 26, 388 (1894). — 7) Müller-Thurgau, I. c. (1910), p. 369. — 8) Saiki, Ztsch. physiol. Chem., 48, 469 (1906). — 9) Bourquelot u. Bridel, Journ. Pharm, et Chim., 38, 494 (1908). — 10) Gonnermann, Chem.-Ztg., 19, Nr. 80 (1895). Matthysen, Ztsch. Ver-. Deutsch. Zuckerindustr. (1912), p. 137. RoBERTSOK, iRvnsTE u. DoBSON, Biochem, Journ., 4, 258 (1910). — 11) Leclerc DU Sablon, Compt. rend., 126, 913; 127, 968 (1898). — 12) A. Marcacci, Just Jahresber. (1891), J. 47. Verarbeitung der Wurzelreserven von Asparagus beim Aus- treiben: Wicherb u. Tollens, Journ. f. Landw., 58, 101 (1910). — 13) Kramer, Zentr. Agrik.chem. (1881), p. 717. 30* 468 Dreizehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel unterirdischer Speicherorgane. das Gewebe auflösen (1), dürfen als widerlegt betrachtet werden (2). Es ist auch kaum richtig, daß bei dem Hervorbrechen der Seitenwurzeln die jungen Organe auf das Muttergewebe durch Enzyme lösend wirken, und nicht ein- mal junge Keimwurzeln sind nach wiederholten Untersuchungen imstande, Diastase nach außen hin auszuscheiden oder tun dies wenigstens nur in Ausnahmefällen (3). Daß Bacterienwirkung bei der Stärkelösung in Rhi- zomen in Betracht kommt, ist eine ältere, gewiß ganz unrichtige Angabe (4). Invertin ist in unterirdischen Speicherorganen mehrfach nachgewiesen, so vor allem in der Zuckerrübe (5), in Dioscoreaknollen (6) und in Hepatica (7). Es wird natürüch überall vorkommen müssen, wo Rohrzucker umgesetzt wird. Maltase ist durch Robertson und Irvine in Wurzel und Blatt der Zuckerrübe gefunden worden und auch Emulsin soll dort gebildet werden, ein Ferment, welches durch Delattre außerdem von Hepaticarhizomen angegeben wird. Die Resorption des Inulips in Speicherorganen findet natürhch eben- falls auf enzymatischem Wege statt, was schon Draggendorff vermutet hatte. Es gelang aber erst Green (8), die Existenz des fraghchen Enzyms in austreibenden Topinambur knollen und anderen Inuün führenden Ob- jekten sicherzustellen. Vor Beginn des Austreibens war das Enzym noch nicht ohne weiteres in Aktion zu bringen, wohl aber nach Anwendung einer gehnden Säurewirkung, weswegen an die Existenz eines Profermentes gedacht worden ist. Inulase wirkt in neutraler oder sehr schwach saurer Lösung am besten, wie Diastase. Längere Einwirkung von Säure oder AlkaU macht sie unwirksam. Das aus Inuhn entstehende Produkt ist Fruc- tose. Intermediärprodukte sind nicht mit Sicherheit bekannt. Immerhin könnten das von Draggendorff beschriebene Lävinuün (9) oder das lös- liche Inuhn (Inuloid), das Popp (10) in unreifen Knollen von Helianthus tuberosus und Dahha gefunden hatte, dazu gehören. Beide Stoffe sind schon beim Kochen mit Wasser leicht zu Fructose zu hydrolysieren. Die Baryt- verbindung des Inuloids soll nur nach Alkoholzusatz fällbar sein. Inulase wird von Robertson und Irvine auch für Zuckerrübe, also ein inuün- freies Objekt, angegeben, wo sie nur in der Wurzel vorkommen soll. Inulase ist ein Enzym, welches wohl bei niederen Tieren gefunden wurde, jedoch den höheren Tieren fehlt (1 1 ). Bei der künsthchen Entleerung von inulin- haltigen Rhizomstücken der Rudbeckia digitata beobachtete Puriewitsch, daß die gleichzeitig daselbst vorkommende Stärke erst nach Verschwinden des Inuhns angegriffen wird. §6- Die Ausbildung der Reservekohlenhydrate in Speicherorganen. Im natürlichen Lebensgange der Speicherorgane findet Entleerung und Neufüllung, wenigstens partiell, so oft statt, als Vegetationsperioden beginnen und enden. Auch künstlich lassen sich solche vieljährige 1) VAN TiEGHEM, Trait^ de Botan. (1884), p. 157. — 2) Pkunet, Rev. g^n. Botan. (1891), p. 166. — 3) Czapek, Jahrb. wiss. Botan., 29, 376 (1896). H. Wohllebe, Diss. (Leipzig 1911). Hingegen H. Molisch, Sitzber. Wien. Ak., pö, 17 (1887). — 4) Vgl. Meyer, Just Jahresber. (1886), /, 134. — B) Matthysen, 1. c. GoNNERMANN, ZtBch. Ver. Rübenzuckerindustr., j*, 667 (1898). Ruhland, Jahrb. wise. Botan., 50, 205 (1911). — 6) Boükquelot u. Bkidel, 1. c — 7) Db- LATTEE, Journ. Pharm, et China. (7), 6, 292 (1912). — 8) J. R. Green, Ana. of Botan., /, 223 (1888). — 9) Vgl. auch Joulie, Bull. Soc. Chim, 7. 262. — 10) Popp, Lieb. Ann., 156, 190. — 11) H. Bieret, Biochem. Ztach., 44, 402 (1912). § 6. Die Ausbildung der Reservekohlenhydrate in Speicherorganen. 469 Speicherorgane beliebig oft entleeren und zur Neufüllung bewegen. Die aufzuspeichernden Stoffe werden in manchen Fällen aus „Wanderstoffen" erst im Speicherorgan selbst formiert, wie man dies von der Stärke voraussetzen muß, die in den Reservestoffbehältern aus zugeführtem Zucker entsteht. In anderen Fällen scheint der fertige Reservestoff schon in den oberirdischen Organen aufzutreten und sich ohne Bildung von intermediären Produkten im Speicherorgan anzusammeln. So dürfte es beim Inulin der Compositen geschehen (1) und auch bei der Saccharose, wenigstens in bestimmten Fällen und teilweise, anzu- nehmen sein. Nach den Angaben von Andrlik und Urban (2) findet die lebhafteste Zuckerbildung in der Rübenpflanze Mitte Juh statt, wo 100 g Krauttrocken- substanz täglich 4,3—4,8 g Zucker bilden, während im Beginne der Zucker- bildung nur 0,5—1,0 g formiert werden. In den Untersuchungen von Strohmer, Briem, Strakosch findet sich ausführlich behandelt, wie sehr der Prozeß der Zuckerbildung in der Wurzel von der Ausbildung des Blatt- apparates sowie von dem Lichtgenusse der Pflanzen (3) abhängt. In der Wurzel ist nach de Vries (4) der Kopf ärmer an Rohrzucker als der Körper. Der letztere enthält den meisten Zucker in seinem dicksten Teil, und zwar in den mittleren Gewebeanteilen des Querschnittes. Die zentral und peripher gelegenen Querschnittsanteile enthalten wieder weniger Saccharose. Im Kopf der Rübe finden sich noch Stärke und reduzierender Zucker. Ob man von diesem Befunde auf eine in der Wurzel lokal stattfindende Bildung von Rohrzucker aus zugeführtem Invertzucker schließen darf, bleibe dahingestellt. Sicherlich kann man nach älteren (5) und den erwähnten neueren Angaben von Strohmer, Briem und Strakosch sowie auch Ruhland (6) annehmen, daß in den Laubblättern von Beta reichüch Rohrzucker vorhanden ist, also wohl dort entsteht, sowie daß auch im Stengel Saccharose in reichhcherer Quantität als Invertzucker vorkommt. Strohmer und seine Mit- arbeiter sowie Stephani (7) stehen deswegen auf dem Standpunkte, daß der Rohrzucker größtenteils fertig gebildet in die Wurzel einwandert und dort gespeichert wird, eine Auffassung, welche ich bereits in der ersten Auflage dieses Werkes als möghch hingestellt habe (Bd. I, S. 375). Die Ein- wendungen, welche Ruhland gegen diese Auffassung erhoben hat, stützen sich einmal auf den Nachweis von Invertin, welches in allen Teilen der Zuckerrübenpflanze gefunden wird (8) sowie auf die Überlegung, daß bei einem reichüchen Gehalt der Wurzel an Saccharose schwerhch das nötige Konzentrationsgefälle für den osmotischen Strom aus den Blättern Zustande- kommen könne. Die Untersuchung der Permeabihtät des Plasmas in den Blattzellen von Beta hat gewisse Unterschiede hinsichthch Glucose und 1) H. VöCHTiNG, Sitz.ber. Berlin. Akad., 34, 705 (1894). H. Fischer, Beitr. z. Biol. d. Pfl., 8, 92 (1898). V. Gräfe u. Vouk, Biochem. Ztsch., 43, 424 (1912). — 2) K. Andrlik u. Urban, Ztsch. Zuckerindustr. Böhm., jj, 83 (1908); 34, 335 (1910). — 3) Fr. Strohmer, Österr.-Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 35, 23 (1906); 37, 18 (1908); 40, I u. VI (1911); Wiesner-Festschrift, p. 479 (Wien 1908). S. Stra- kosch, Wien. Akad., 116, I, 155 (1907); Österr.-Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 35, 1 (1906); 41, II (1912); Ztsch. Ver. Deutsch. Zuckerindustr. (1907), p. 1057. — 4) H. DE Vries, Landw. Jahrb. (1879), p. 417. — 5) A. Girard, Compt. rend., 97, 1305 (1884); 99, 808 (1885); 102, 1324, 1489 u. 1565 (1886); /oj, 72 u. 159 (1886). — 8) W. Ruhland, Ztsch. Ver. Deutsch. Zuckerindustr. (1912), p. 1; Österr.-Ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 41, 713 (1912); Jahrb. wiss. Botan., 50, 200 (1911). — 7) W. Stephani, Kühn- Archiv, /, 107 (1911). — 8) Gonnermann, 1. c. (1898). Stoklasa, Hofmeistere Beitr., 3, 493 (1903). Ruhland, 1. c. 470 Dreuiehntes Kapitel: Der Koidenhydratstoffwechsel unterirdischer Speicherorgane. Saccharose zutage gefördert, die jedoch nach meiner Meinung zu gering sind, um eine Verwertung in unserer Frage zu finden. Ich glaube nicht, daß sich bisher eine Entscheidung zu Ungunsten der Rohrzuckerwanderung ergeben hat. Betreffs der Einwände Ruhlands gegen die Anwendung des von Ma- QUENNE(I) angeführten Prinzipes, daß der niedrigere osmotische Druck der Saccharoselösungen im Vergleich zu gleichkonzentrierten Glucoselösungen ein Agens bei dem Zuströmen des Traubenzuckers nach den Orten der Um- formung zu Rohrzucker darstellt, ist zu sagen, daß ich 1. c. selbst hervor- gehoben habe, daß die Saccharosebildung in den Blättern die Bedeutung dieses Faktors sehr herabsetzt. Ein Konzentrationsgefälle kann aber, wie ich gleichfalls bereits angeführt habe und worauf Ruhland nicht weiter zurückkommt, durch Zellsubstanzen der Wurzel gesetzt werden, welche Saccharose leichter lösen, analog der von Hofmeistei^ und Spiro so ge- nannten „physikaüschen Selektion" (2), die bei der Adsorptionsspeicher ung von Farbstoffen in gequollenen Leimplatten den ausschlaggebenden Faktor spielt. Inwieweit das nachgewiesene Invertin mit dem Rohrzuckertransport in Beziehung steht, läßt ^ich derzeit nicht sagen, wie überhaupt die ganze Frage, die vielleicht mehr praktisches als theoretisches Interesse besitzt, noch einer giündlichen Durcharbeitung bedarf. Stoklasa (3) hat auf die Bedeutung der Kahdarreichung für die Zuckerbildung bei Beta aufmerksam gemacht. Daß Kali die Saccharosebildung sehr fördert, hat man aber auch bei reifenden Samen gesehen (vgl. p. 451). Die Hypothese von Stoklasa, daß OH'-Ionenwirkungen hierbei im Spiele sind hätte zur Voraussetzung, daß Natrondüngung in gleicher Weise wirkt, was nicht der Fall zu sein scheint. Bezüghch der Entwicklungsgeschichte der Stärkekörner in Speicher- sprossen sei nochmals auf die erwähnten monographischen Studien A.Meyers verwiesen, wo sich viele Angaben über die hierbei stattfindenden Wachstums- vorgänge finden. In den Untersuchungen von Vries (4) über den Transport von Kohlenhydraten in neuangelegte Kartoffelknollen wurde gezeigt, in- wiefern ältere Knollen einen Teil ihrer Reservemateriaüen an jüngere Reservestoffbehälter abtreten und nach Erschöpfung der Mutterknolle die assimilatorische Tätigkeit der Blätter die jungen Knollen mit Reservestoffen versieht. Der Gang des Stoffwechsels der heranreifenden Kartoffelknollen wurde durch Kreusler(5) und von Hungerbühler (6) verfolgt; der letzt- genannte Autor gibt für den Gang der Stärkespeicherung vvährend des Sommers folgende Zahlen in Prozenten der Trockensubstanz: Reduzierender Zucker Nach Inversion reduzierender Zucker Stärke 56,7 Prunet (7) fand, daß die Reservestoffe der Kartoffel sich besonders in der Nähe der vorderen Knospen ablagern, die später auch bei der Keimung besonders rasche Entwicklung zeigen. Daß in unreifen Kartoffelknollen tatsächhch reichUch Saccharose vorkommt, haben Schulze und Seliwa- 23. Juni 30. Juni 7. Juü 6,40 0,33 0,72 — 4,50 4,69 56,7 61,3 66,3 1) L. Maqüenne, Compt. rend., 121, 834 (1896); Ann. agron., 2s, 5 (1896). Bkasse, Ebenda, 12 (1886). — 2) Fr. Hofmeister, Arch. exp. Pathol, 28, 210 (1898). K. Spiro, Über physikal. Selektion: Habiüt.-Schrift (Straßburg 1897). — 3) J. Stoklasa, Ztach. landw. Versuchswes. Österr., 15, 711 (1912). — 4) Vries, Landw. Jahrb. (1878), p. 591. Vgl. auch Befunde von A. GIrard, Compt. rend., 116, 1148 (1893). — 5) U. Kreüsler, Just Jahresber. (1886), /, 157. — 6) F. HuNGERBtTHLER, Laudw. Versuchßstat., 32, V, 381 (1886). — 7) Prunet, Rev. g6n. Botan., 5, 49 (1893). Vierzehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel in Sproßorgan, u. Laubknospen. 47 1 N0FF(1) erwiesen. Auch hat Leclerc du Sablon (2) Saccharose bei der Stärkespeicherung in Orchideenknollen (Ophrys) vorgefunden. Die InuUnspeicherung in Reservestoffbehältern ist noch wenig bekannt. Nach den erwähnten Untersuchungen von Vöchting und H. Fischer wird wenigstens ein Teil des Inuhns bereits fertig, oder als ein dem InuUn sehr nahestehender Stoff, den Knollen aus den oberirdischen Teilen zu- geführt. JugendUche Knollen von DahUa und Hehanthus enthalten aber auch viel Fructose und optisch inaktive, leicht in Fructose überzuführende amorphe Kohlenhydrate, wie Lävinuhn [Draggendorff (3)] und Inuloid [Popp (4)]. Inwieweit die Beobachtung von H. Fischer (5), daß der Preßsaft aus halbwüchsigen Topinamburknollen, welcher deutüch Zuckerreaktion zeigt, nach einiger Zeit ruhigen Stehens keinen Zucker mehr nachweisen läßt, zum Verständnis der Kondensation des Zuckers zu Inulin verwertbar sein kann, ist noch nicht näher untersucht. Vierzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel in Sproßorganen und Laubknospen. §1. In Sprossen vorkommende Kohlenhydrate. Als Speichergewebe für Kohlenhydrate in holzigen Stämmen fungiert das Phloemparenchym mit den phloemständigen Markstrahlen; wenn noch vorhanden, meist auch das primäre Rindenparenchym ; im Holze die Xylemstraiilen und die Parenchyinzellgruppen des Holzes. A.Fischer (6) sowie Strasburger (7) haben gezeigt, daß im Bedarfsfalle selbst wasser- leitende Elemente, die Tracheiden und Gefäße, wenigstens temporär als Behälter und Transportwege für Zucker in Stämmen herangezogen werden. Gelöste Stoffe, welche mit dem aufsteigenden Wasserstrom befördert werden können, vermögen auch in plasmaleeren Zellen zu ruhen und zu wandern, während natürlich die Entstehung der Stärkekörner an die Gegenwart von Protoplasma und plasmatischer Organe der Zelle geknüpft ist. Vielleicht gilt überhaupt für die Enzym Wirkungen ähnliches, wenn auch noch zu untersuchen bleibt, wie weit etwa sezernierte Enzyme in tote Zellen der Umgebung vordringen können. Man kennt eine ganze Reihe von Zuckern und Kohlenhydraten als Reservestoffe der oberirdischen holzigen Achsenteile, und diese Stoffe zeigen in ihrem biochemischen Verhalten weitgehende Übereinstimmung mit dem, was von unterirdischen Speicherorganen in den vorangehenden Kapiteln dargelegt wurde. 1) E. Schulze u. Seliwanoff, Landw. Versuchsstat., 34t 403 (1888). — 2) Leclerc du Sablon, Compt. rend., 12s, 134 (1897), — 3) Draggendorff, Mater, z. Monogr. d. Inulin (1870); ferner Dubrünfaut, JaJireaber. d. Chem. (1867), p. 768. Vn.LE, JouLiE, Bull. Soc. China., 7, 262. — 4) Popp, Lieb. Ann., 156, 190. — 5) Fischer, 1. c. p. 93. ~ 6) A. Fischer, Botan. Ztg. (1888), p. 405; Ber. Botan. Ges., 4 (1886); Jahrb. wiss. Botan., 22, 73 (1890). — 7) Strasburger, Bau u. Verrichtung d. Leitungsbahnon (1891), p. 877. 472 Vierzehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel in Sproßorgan, u. Laubknospen. Mannit kommt in holzigen und krautigen Sprossen vielleicht öfter vor, als in Rhizomen und Knollen. Vor allem ist Mannit typisch bei den Oleaceen, z. B. Olea, Fraxinus, Jasminum, in der Rinde zu finden (1), bei Evonymusarten (2), im Cambialsaft der Fichte (3), in der Zimt- rinde (4), in der Rinde von Canella alba (5, und von Warburgia Stuhl- manni(6), bei Genipa brasiliensis Mart.(7) und "bei Basanacantha spinosa(8); außerdem noch in der Rinde von Platanus orientalis(9). Nach Tollens(IO) enthält frischer Saft aus Asparagus-Sprossen keinen Mannit, wohl tritt aber nach einigem Stehen darin Mannit auf. Wahrscheinlich spielen hierbei bereits mikrobische Zersetzungsprozesse eine Rolle (11). Dulcit wurde von einer Reihe von Beobachtern in der Rinde vieler Evonymusarten konstatiert (12), ebenso bei Celastrusarten und Schaefferia. Monteverde(13) berichtet, daß der Dulcit in Evonymus- zweigen während der Winterruhe aus den Geweben verschwindet, analog der Stärke in anderen Fällen, wahrscheinlich in Verbindung mit Fett- bildung. Die Befunde Fischers zeigen, daß viele Bäume in ihrem Holze selbst zur Winterszeit viel Zucker enthalten, so daß man hier die Hexosen mit zu den Reserven zählen darf. Doch soll nach den, allerdings nicht quantitativen, Untersuchungen Fischers der Glucosegehalt im Winter allgemein kleiner sein. Traubenzucker darf gewiß als allgemein ver- breitet gelten, wenn man sich auch meist damit begnügt hat, den Zucker- nachweis auf die Reduktionsprobe zu beschränken. Besonders in sac- charosereichen und stärkearmen Sprossen kommt regelmäßig viel redu- zierender Zucker vor, voraussichtlich Invertzucker. So ist es im Zucker- rohr, wo neben Saccharose stets Invertzucker vorhanden ist, nach Beeson(14) in den Knoten weniger als in den Internodien. Ganz junges Zuckerrohr enthält nach Prinsen-Geerliqs(15) etwa 3,5% Gesamtzucker, alle drei Zuckerarten zu gleichen Teilen. In den jungen Teilen des reiferen Rohres waren 1 7,3 % Gesamtzucker, wobei sich Fruetose, Glucose und Saccharose verhielten wie 1 : 3 : 82. Im vöHig reifen Rohr kann die Fruetose ganz verschwinden, ja selbst der gesamte reduzierende Zucker, wie Wiley(16) für manche Fälle konstatieren konnte. Ähnlich liegen wohl die Verhältnisse für Zea Mays, Panicum(l7) und andere Gramineen, unter diesen besonders bei den Bambuseen, deren Sprosse nach einer Untersuchung von Miyake und Tädoroko(18) keine Stärke, wohl aber 50% der Trockensubstanz an reduzierendem Zucker und Saccharose enthalten, unter denen Traubenzucker am reichlichsten vertreten zu sein I) J. Stenhouse, Lieb. Ann., gi, 255 (1854). Jasminum: J. Ventilesco, Joum. Pharm, et Chim. (6), 25, 373 (1907); 2g, 336 (1908). — 2) Paschkis, Pharm. Zentr. Halle, 25, 193 (1884). — 3) Kachler, Monatsh. Chem., 7. 410 (1886). — 4) Hantjs u. Bien, Ztsch. Unters. Nähr.- u. Genußmittel, 12, 395 (1906). — 5) W. Meyer u. Reiche, Lieb. Ann., 47, 234 (1843). — 6) W. Lenz, Ber. Pharm. Ges., 20, 351 (1910).^ — 7) KwASNiK, Chem.-Ztg., r6, 109 (1892). — 8) Grützner, Arch. Pharm., 233, 1 (1895). — 9) Jandrder, Just Jahregber. (1893), //, 461. — 10) B. ToiXENS, Joum. f. Landw., 59, 429 (1911). — 11) £. Busolt, Ebenda, 60, 393 (1912). — 12) Borodin, Just Jahresber. (1890), //, 299. Höhnel, Ebenda (1900), //, 42; Chem. Zentr. (1900), /, 869. Rogerson, Joum. Chem. Soc, loi, 1040 (1912). — 13) MoNTEVERDE, Just JahresbeT. (1892), /, 442. — 14) Beeson, Amer. Chem. Joum., 16, 454. — 15) ^^rinsen-Geerligs, Chem.-Ztg., 20, 721 (1897). — 16) H. W. WiLEY, Joum. Amer. Chem. Soc., 25, 855 (1903). — 17) Zea: Istrati u. Oettinger, Compt. rend., 128, 1115 (1899); Chem. Zentr. (1900), /, 43. Panicum: Perrot u. Tassillt, Bull. Soc. Chim. (4), 3, 740 (1908). — 18) K. Miyake u. Tadoroko, Joum. Coli. Ägric. Sapporo, 4, 251 (1912). § 1. In Sprossen vorkommende Kohlenhydrate. 473 scheint. Vom Stamme der Xanthorrhoea Preissii gibt Mann(1) 50,87% Kohlenhydrate bei 9,19% Wassergehalt an, worunter 10,25% redu- zierender und 15,86% nicht reduzierender Zucker waren. Auch junge Zweige von Taxaceen wurden als Glucose und Saccharose führend an- gegeben (2). Der Saft von Betula soll nach. Lenz (3) keine Glucose, wohl aber Fructose enthalten. Die Saccharose ist in Stämmen nicht selten in eriieblicher Menge angesammelt Der Zucker aus dem Safte der Palme Arenga saccharifera hat nach den Analysen von Deon (4) einen Gehalt von 87,97% Saccharose, 1,53% Glucose und 0,18% Fructose, womit die Angaben von Kendall überein- stimmen (5), Reichhcher Rohrzuckergehalt ist ferner bekannt von dem Safte der Stämme mancher Ahornarten, wie Acer saccharatum Marsh., bar- batum Michx., Floridanum Chapm., grandidentatum Nutt. in Nord- amerika (6). Reiner Ahornsaft enthält nach Wiley (7) keine Spur von reduzierendem Zucker. Nach Meilläre (8) ist in der Rinde von Quillaja Saponaria Saccharose zugegen und das dort früher angegebene Lactosin ist nur mit Saponin verunreinigter Rohrzucker gewesen. Beim Weinstock fanden Roos und Thomas (9) in den ersten 12 Wochen des Wachstums Saccharose in Blättern und Holz, später aber hauptsächhch Glucose, Mar- TINAND (10) fand, offenbar in späteren Lebensstadien, bei Vitis nur in der Wurzel sehr wenig, im Stamm gar keine Saccharose, wohl aber reichhch in Blatt und Fruchtfleisch, während Invertin in allen Organen nachzuweisen war. Saccharose fand sich sodann in Ranunculaceen(ll), Coniferen und häufig überhaupt beiMonocotyledonen. Agavensaft enthält 9,55% Zucker (12). Bei Gräsern ist Saccharose der gewöhnüchste Reservestoff. Frisches Zucker- rohr enthält nach Vandesmet(13) 12—18% Rohrzucker und bis 0,7% reduzierenden Zucker. In den einzelnen Hahnteilen (ein Halm wog durch- schnittüch 4,4 kg, war 48 mm dick und 2,6 m hoch) war an Zucker enthalten : Weiße Spitze Oberer Teil 0,4 m 0,525 m Saccharose . . 1,914% 7,790% Glucose . . . 2,367% 0,945 Der Stengel von Sorghum saccharatum enthält nach Wachtel (14) im imteren und mittleren Stengelteile 15,3% Rohrzucker, im oberen 16,9%. Im Sorghumzucker selbst fand HouCK(15) 92% Saccharose und 4,5% Glucose. Daß auch der Maisstengel viel Rohrzucker enthält, ist schon lange bekannt (16). Panicum stagninum führt 10% Rohrzucker und 7% Mittlerer Teil Unterer Teil 1,05 m 0,525 m 14,055% 14,700% 0,207% 0,175% 1) E. A. Mann, Journ. See Chem. Ind., 25, 1076 (1906). — 2) Ch. Le- FEBVRE, Arch. Pharm., 245, 493 (1907). — 3) W. Lenz, Ber. Dtsch. Pharm. Ges. /p. 332 (1909). - 4) P. H. Deon, Bull. Soc. Chim. (2), 32, 125 (1879). — 5) Ken- DALL, Chem. Zentr. (1910), /, 1622. Bourqüelot, Journ. Pharm, et Chim. (6), 20, 193 (1904). — 6) W. Trelease, Missouri Botan. Gard., 5. Ann. Bep. (1894), p. 88. Hamilton, Tropenpflanzen, 13, 419 (1909). — 7) Wilet, Chem. News, 51 88 (1885). LiNDET, Chem. Zentr. (1905), /, 827. — 8) Meilleee, Bull. Soc. Chim (3), 25, 141 (1901). — 9) Egos u. Thomas, Compt. rend., 104, 593. — 10) Mar- TiNAND, Ebenda, 144, 1376 (1907). — 11) Remeand, Soc. Biol., 61, 400 (1906). — 12) HouGH, Botan. Ztg. (1909), 2, 88. — 13) Vandesmet, Zentr. Agrik.chem, (1878), p. 295. Ferner H. Winter, Botan. Zentr., 47, 46 (1891). Kobus, Med. Proefstat. Ost- Java (1897). — 14) A. v. Wachtel, Zentr. Agrik.chem. (1880), p. 344. Vgl. auch F. Meunier, Biederm. Zentr. (1880), p. 629. — 15) HoüCK, Pharm Journ. Transact. (1884), p. 969. — 16) Vgl. Pallas, Compt. rend., 2, 461 (1836) 474 Vierzehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel in Sproßorgan, u. Laubknospen. Invertzucker (Perrot und Tassily). Daß in Bambusen reichlich Saccharose vorkommt, wurde schon erwähnt. Bei Mais, auch bei Panicum, fand man nach Kastrierung eine starke Zuckeransammlung im Halm (1 ). Raffinose wurde bisher nur in jungen Zweigen und Blättern von Taxus und verwandten Coniferengattungen gefunden (2). Stachyose kommt nach Vintilesco (3) neben Mannit in der Rinde von Jasminum vor. Von Interesse ist die Auffindung der Glucuronsäure durch Dmochowski und Tollens(4) in den Sproßteilen des Blumenkohls. Die Bedeutung der Stärke als Reservestoff in Baumstämmen wurde schon 1835 durch Th. Hartig(5) gebührend hervorgehoben. Manche Stämme, wie es von den Sagopalmen und Cycas bekannt ist, enthalten zu gewissen Lebensperioden außerordentlich viel Stärke. Das Mark der Palme Medemia nobilis enthält 66% Amylum(6). Hartig wußte bereits, daß die Stärkevorräte der Bäume (Fagus) nur zum kleinen Teile sofortige Verwendung im Frühling finden und daß eine erhebliche Abnahme von Reserven nur bei sehr reichlicher Samenproduktion eintritt. An anderer Stelle wurde bereits der winter- lichen Abnahme der Stärke und deren Überführung in Fett gedacht. Die Schwankungen des Gehaltes an Stärke und Zucker hat besonders Leclerc Du Sablon(7) in einer Reihe von Arbeiten behandelt. So ergaben sich für Castanea folgende Zahlen in Prozenten der Trockensubstanz: Zucker: Stärke: Stamm Wurzel Stamm Wurzel 11. Januar 4,0 1,9 20,7 25,3 26. Februar 4,3 4,7 20,4 21,0 28. März 2,7 3,3 18,8 21,4 20. Mai 2,3 3,1 17,6 16,7 22. Juni 2,1 3,6 18,3 18,2 27. Juli 2,6 3,6 18,5 20,7 12. September 2,2 1,8 23,7 28,5 19. Oktober 2,2 1,6 24,2 27,5 22. November 3,2 1,1 21',5 27,8 26. Dezember 3,7 1,9 19,3 25,4 Während sich bei den laubwechselnden Bäumen das Stärkemaximum im Herbst ergab, liegen die Verhältnisse bei immergrünen Holz- pflanzen nach demselben Autor verschieden. So haben Eiche und Pinus austriaca ihr Maximum zu verschiedenen Jahreszeiten, Pinus im Mai das Maximum und für Anfang Juli das Minimum. Evonymus japonica hat ein Stärkemaximum im März. Über die Verhältnisse der Stärke in Obstbäumen, besonders Holz und Rinde des Birnbaumes haben Mana- resi und ToNEGUTTi Mitteilungen gemacht. Während die Rinde hier 7,41% Amylum enthielt, wies das Holz 3,07% auf (8). Diese Arbeiten enthalten auch nähere methodische Angaben über die Stärkebestimmung 1) E. Heckel, Compt. rend., 155, 686 (1912). — 2) Heeissey u. Lefebvke, Joum. Pharm, et Chim. (6), 26, 56 (1907); Arch. Pharm., 245, 493 (1907). — 3) Vintilesco, Journ. Pharm, et Chim. (6), 29, 336 (1909). — 4) Dmochowski u. ToLLENS, Journ. Landw., 5*, 27 (1910). — 5) Th. Hartig, Journ. prakt. Chem., 5, 217 (1835). Auch Famintzin u. Bokodin, ßotan. Ztg. (1867), p. 385. Russow. Botan. Zentr., 13, 272 (1883). Gkebnitzky u. Baeaketzky, Ebenda, 18, 157 (1884). — 6) Galleeand, Compt. rend., 138, 1120 (1904). — 7) Leclerc du Sablon, Ebenda, 135, 886 (1902); 140, 1608 (1905); Rev. gön. Botan., 18, Nr. 205 (1906). — 8) Makaresi u. Tonegüttx, Staz. sper. agr. ital., 43, 705. 714, 758 (1910). § 2. Resorption und Bildung der Reaervekohlenhydrate in Sproßorganen. 475 in holzigen Achsen. Über die Stärke im Periderm hat Pirotta Angaben gemacht (1). Die Stärkebewegung während des ersten Lebensjahres von Holzpflanzen hat für Acer Hämmerle (2) näher verfolgt. Die besonders morphologisch viel untersuchte und erwähnte Stärkescheide in der primären Rinde krautiger Sprosse ist nach Usslepp(3) nicht als eine Leitungs- formation, sondern als ein Depot aufzufassen, welches wohl mit dem Wachstum der Leitbündel in Beziehung zu bringen ist. Inulin kommt auch bei holzigen Compositen vielfach als Reserve- stoff vor (4). Nach Penzig ist dieses Kohlenhydrat auch im Stamm des Drosophyllum lusitanicum anwesend (5). Etti (6) meinte, daß die in Dahlia- und Helianthusknolien neben Inulin vorkommende Synanthrose oder das Lävulin auch in der Eichenrinde vorkomme. Daß dies nicht der Fall ist, geht schon aus der Angabe hervor, daß das Eichenrindenlävulin bei der Hydrolyse außer Fructose noch Glucose liefert. Der Stoff ist optisch inaktiv, amorph, nicht süß schmeckend, Reservecellulosen dürften nach den Beobachtungen von Schellen- berg (7) als Reservestoffe in Holzpflanzen eine viel größere Rolle spielen als man bisher meist angenommen hatte. Sowohl die Zellwände der primären Rinde als die Membranen der Leptomparenchymzellen sind bei vielen Holzgewächsen im Winter stark verdickt und lassen im Frühling deutliche Auflösungserscheinungen erkennen. Weniger bestimmt ist die Bedeutung der als Hemicellulosen anzusprechenden Membran- bestandteile in den unverholzten Innenlamellen der Libriformfasern, die aber nach Schellenberg gleichfalls Lösungserscheinungen zeigen können. Über die Chemie dieser Stoffe ist noch sehr wenig bekannt. Storer(8) betrachtet auch die im Holze und in der Rinde der Bäume vorkommenden Pentosane allgemein als Reservematerial. Die Menge derselben ist aller- dings erheblich, doch ist es noch unbekannt, in welchem Ausmaße sie wirklich verbraucht werden können. Nach anderweitigen Analogien hätte man wohl für die Arabane, nicht aber für die Xylane die Rolle von Reservestoffen in Anspruch zu nehmen. Über Mannane und Galactane in holzigen Achsen ist noch sehr wenig bekannt. Freie Mannose gibt Tsukamoto (9) als exzeptionellen Befund in den Blattstielen der Hydrosrae Rivieri var. Konjaku an, was anhangsweise hier erwähnt sei. Resorption und Bildung der Reservekohlenhydrate in Sproß- organen. Aul diesem Gebiete überwiegen bisher weitaus die anatomisch- physiologischen Untersuchungen gegenüber dem chemisch-analytischen Wissensmaterial. Selbst die immer wiederkehrenden Angaben über Vor- kommen von Kohlenhydratenzymen sind hier nur spärlich. So werden 1) PlEOTTA, Malpighia, 3, 61 (1889). — 2) Hämmerle, Ber. Botan. Ges., 19, 538 (1901). — 3) K. USSLEPP, Beihefte botan. Zentr., 26, I, 341 (1910). Sonst ToNDERA, Sitz.ber. Wien. Ak., 118, I, 1581 (1909). V. Gregoire, Ann. Soc. 8ci. Bruxell., 34, 5 (1910). — 4) G. Kraus, Botan. Ztg. (1877), p. 333. H. Fischer, Beitr, Biolog. d. Pfl., 8, 89 (1898). — 5) Penzig, Unters, üb. Drosophyllum, Diss. (Breslau 1877). — 6) C. Etti, Ber. Chem. Ges., 14, 1826 (1881). — 7) H. C. Schellenberg, Ber. Botan. Ges., 23, 36 (1905). Vgl. auch Leclerc du Sablon, Rev. g6n. Botan. (Sept. 1904). Potter, Ann. of Botan., 18, 121 (1904). — 8) F. H. Storer, Bull. Bussey Inst. Boston, 2, 386, 437 (1897 u. 1900). — 9) Tsuka- moto, Bot. Mag. Tokyo, w, Nr. 116, p. 74 (1896). 476 Vierzehntes Kapitel : Der KohlenhydratstoffwechBel in Sproßorgan, u. Laubknospen. Invertin von Vitis(l), Maltase von Bambu-Schößlingen (2) angegeben, als vereinzelte Untersuchungsresultate. Über die Diastase von Baumzweigen hat BüTKEWiTSCH (3) eine der wenigen Untersuchungen mit moderner chemischer Methodik geliefert, in der das Auftreten der Stärkehydrolyse in chloroformierten Zweigen bei höherer Temperatur bei Unterbrechung der Winterruhe behandelt wird, und auch über Darstellungsversuche des Enzyms berichtet wird. Diastase ist von Kato in den stärkefreien Bambu- Schößlingen gleichfalls angetroffen worden. Nach Puriewitsch (4) bildet auch bei Zweigen der Austritt des Zuckers resp. Verbrauch der Reserven den Anstoß zur vollständigen Entleerung der gespeicherten Stoffe, und man kann z. B. durch Einstellen von Lindenzweigen in Wasser künstlich einen großen Teil der Reservestoffe als Glucose in das Wasser übertreten lassen und so eine Entleerung des Zweiges herbeiführen. Das Material, welches die anatomische Methodik geliefert hat, ist naturgemäß nur quali- tativer Art und bezieht sich auf die Feststellung der leitenden Bahnen, als welche, wie oben erwähnt, im Notfall auch die wasserleitenden Gefäße und Tracheiden in Anspruch genommen werden; ferner auf den Einfluß der Reservekohlenhydrate auf die Bildung neuer Gewebe, auf den cambialen Zuwachs und die Jahrringbildung (5). Auch der Zu- sammenhang mit der Bildung anderweitiger Stoffe des Stammes, so der reichlich vorhandenen Gerbstoffe mit den Reservematerialien, ist unter- sucht worden, allerdings bisher ohne bestimmtes Ergebnis (6). Klein- stück (7) gab an, im Cambialsafte Formaldehyd nachgewiesen zu haben und bringt diesen Stoff mit der Zellhautablagerung in den neuen Ge- weben in Beziehung. Vor allem wäre jedoch der Nachweis von Formal- dehyd durch sichere Methoden zu erbringen, nachdem die qualitativen Reaktionen sämtlich nicht verläßlich sind. Ausgedehnte Beobachtungen über den Gang der Reservestoff- verarbeitung und Verteilung bei Nadelhölzern und Fraxinus findet man in Arbeiten von H. Bauer (8), wo die Verhältnisse in den vier Haupt- stadien während des jährlichen Vegetationsganges behandelt werden. Das Zuckerrohr mit den Umwandlungsprozessen der Saccharose und Stärke ist durch Prinsen-Geerligs (9) ausführlich studiert worden, und von Interesse sind endlich die Versuche von Leclerc du Sablon(10) über den Einfluß von Ringelungen auf den Stofftransport, die zu ver- schiedenen Jahreszeiten ausgeführt und von Analysen der betreffenden Stammteile begleitet wurden. Sehr häufig untersucht wurde (die Zusammensetzung des zu den jungen Trieben aufsteigenden „Frühjahrssaftes" der Bäume, dessen Zucker- 1) Maetinand, Compt. rend., 144, 1376 (1907). — 2) Kato, Ztsch. physiol. ehem., 75, 465 (1911). — 3) W. Butkewitsch, Biochem. Ztsch., 10, 314 (1908). — 4) K. Puriewitsch, Jahrb. wiss. Botan., 31, 29 (1898). — B) Vgl. hierzu A. Wieler, Ebenda, 18, 70 (1887); Tharander forstl. Jahrb., ^7. 172 (1897). Jost, Botan. Ztg. (1893), p. 89 (dort die ältere Literatur nachzusehen). R, Hartig, Botan. Ztg. (1892), p. 177. Lutz, Fünfstücks Beitr., /, 19 (1895). Ferner E. Wotczai,, Botan. Zentr., 41, 99 (1890). Tr. Müller, Botan. Zentr., 39, 31 (1889). J. Pässler, Tharander forstl. Jahrb., 2, 652 (1893). Für Bambusa: Shibata, Journ. Coli. Sei. Imp. Un. Tokyo, /j, Pt. III, 427 (1900). Hartig, Botan. Ztg. (1862), p. 73. O. Reichardt, Landw. Versuchsstat., 14, 323 (1871). — 6) Z. B.: Renvall, Beihefte botan. Zentr., 28, I, 282 (1912). — 7) Kleinstück, Ber. Chem. Ges., 45, 2902 (1912). — 8) H. Bauer, Naturwiss. Ztsch. Forst- u. Landw., 8, 457 (1910); 9. 409 (1911). — 9) H. C. Prensen-Geerligs, Arch. Java Suiker Ind. (1908), p. 267. — 10) Leclerc du Sablon, Rev. g^n. Botan., 18, 5 (1906); 19, 465 (1907); Compt. rend. (5. Juni 1905). § 3. Die Verhältnisse in Laubknospen. 477 gehalt bereits von Vauquelin (1800) (1) festgestellt wurde. Spätere Ana- lysen des Birkensaftes rühren von Geiseler (2) her. Von den neueren Ar- beiten sind zunächst die Untersuchungen des Frühjahrssaftes von Betula alba und Acer platanoides durch Schroeder (3) zu erwähnen ; dieser Autor fand im Birkensaft nur Fruchtzucker, keinen Rohrzucker, während der Ahornsaft nur Saccharose enthielt. Sowohl in verschiedenen Baumhöhen als zu verschiedenen Zeiten entnommen, wies der Saft verschiedenen Zucker- gehalt auf. Bei der Birke war der Saft aus den Bohrlöchern des oberen Baumteiles zuckerärmer, während beim Ahorn im Gegenteile der Saft daselbst zuckerreicher war als in den unteren Partien des Stammes. Der Bh-kensaft zeigte maximal 1,92%, minimal 0,34% Zuckergehalt. Bei Acer lagen die Grenzen zwischen 3,71% und 1,15%. Bei Acer Negundo fand Harrington (4) im April den Rohrzuckergehalt des Saftes etwa 2,4%, während Acer saccharinum und rubrum 5,15% resp. 2,81% Saccharose aufwies. Für Birke und Hainbuche stellte Hornberger (5) einschlägige Untersuchungen an. Der Betulasaft war der zuckerreichere. Der Zucker- gehalt nahm vom Beginn der Untersuchung an erst zu, sodann wieder ab. In den oberen Teilen erwies sich diesmal der Saft des Baumes viel zucker- reicher. Die Bildung der Reservekohlenhydrate in Stämmen ist nach bio- chemischen Methoden wohl noch kein einziges Mal in ausführücherer Weise studiert worden und Angaben über den Gang dieses Prozesses fehlen noch vollständig. Die Verhältnisse in Laubknospen. Auch die Laubknospen sind während ihrer winterlichen Ruhezeit reichlich mit Reservestoffen erfüllt, von denen besonders die Stärke in ihrer Verteilung in den Knospengeweben durch Schroeder (6) und in den erwähnten Arbeiten A. Fischers studiert worden ist. Geradeso wie bei den Achsenorganen teils periodische Erscheinungen mit erblicher Grundlage, andererseits direkte Einflußnahme äußerer physikalischer Be- dingungen auf die Stoffbewegung wirksam sind, so ist es auch bei den Laubknospen selbst, deren periodische Erscheinungen von Berthold (7) behandelt wurden. Fischer zeigte, wie auch bei Knospen die Stärke- bildung durch Wärmezufuhr auf Kosten des vorhandenen Fettes während der Ruheperiode erzielt werden kann. Man kann bei Knospen wie bei anderen Reservestoffbehältern durch Einstellen in Wasser die selbst- tätige Entleerung herbeiführen. Außer Glucose, Fructose, Stärke, welche auch hier weit verbreitete Reservematerialien darstellen, wäre als erwähnenswertes Vorkommnis Reservecellulose anzuführen, die 'von Schaar(8) in den Knospentegu- menten von Fraxinus nachgewiesen worden ist. Jedoch steht die che- mische Untersuchung der hier vorhandenen und beim Austreiben resor- 1) Vauquelin, Crells Ann. (1800), /, 406; Ann. de Chim., j/. Die übrige ältere Literatur bei Trevtbanus, Physiologie, /, 417. — 2) Geiselek, Journ. prakt. ehem., //, 437 (1837). Brandes, Ebenda, p. 440. — 3) J. Schroedek, Jahrb. wisa. Botan., 7, 261 (1869); Landw. Versuchsstat., 14, 118 (1871). — 4) Hareington, Just Jahresber. (1888), /, 49. — 5) R. Hornberger, Botan. Zentr., jj, 227 (1888); Ber. Chem. Ges., 21, Ref. 481 (1888). — 6) Schroeder, Jahrb. wies. Botan., j, 305. Auch GRÜSS, Ebenda, 23, IV (1892). — 7) G. Berthold, Untersuch, z. pflanzl. Organisation II, /, 208 (1904). — 8) F. Schaar, Sitz.ber. Wien. Ak., gg, I 478 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. bierten Zellhautmassen noch aus. Blütenknospen wurden reicher an Reservestoffen befunden als Blattknospen (1). Eine Reihe von Untersuchern hat sich mit der Resorption der Vorratsstoffe beim Austreiben der Knospen beschäftigt. Daß Diastase bei der Lösung der Stärke auch hier beteiligt ist, konnten für Ailanthus schon 1833 Payen und Persoz nachweisen. Nach den Untersuchungen von Leclerc du Sablon (2) tritt bei der Stärkeresorption in Knospen Saccharose auf. Der allgemeine Gang der Resorptionsvorgänge bei Entfaltung der Knospen wird durch folgende Zahlen, die Desbarres(3) für Rhus aromatica- Zweige ermittelte, illustriert. Trockensubst. Protein Stärke Asche darin P^Og K^O CaO Proz. Winter 72,16 9,42 17,31 1,60 4,56 22,76 42,62 Frühling 66.70 2,25 1,57 1,23 3,42 21,47 41,41 Andre (4) lieferte Angaben über die Entwicklung der Knospen von Aesculus. Mikroskopische Untersuchungen über den Gang der Stärke- umsetzung während der Blattentwicklung stammen von Glatzel(5). Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Lauhhlätter. Die Bedeutung der Stärke in Laubblättem. Durch die schöne Untersuchungsmethode, welche J. Sachs in seiner „Jodprobe" geliefert hat, ist der Beweis leicht zu erbringen, daß energisch assimilierende Laubblätter bei genügender Lichtintensität und Temperatur im Laufe eines Tages in ihren Chloroplasten oft relativ sehr große Stärkemengen ansammeln. Viele Pflanzen entleeren in unserem Klima in warmen Nächten diese aufgespeicherten Stärkemassen voll- ständig und es erscheinen die Blätter am folgenden frühen Morgen gänzlich stärkefrei. Es ist daher nicht schwer, die Überzeugung zu ge- winnen, daß es sich bei der tagsüber stattfindenden Stärkeansammlung um einen Überschuß an assimiliertem Material handelt, welcher den bei Tag und bei Nacht stattfindenden Abfluß von Zucker stark überwiegt und daß daher die Stärke der Chlorophyllkörner, wie anderwärts Stärkekörner, als Reservestoff zu betrachten sei. Nach vielen irrigen Anschauungen der älteren Zeit (noch Meten hatte z. B. die Einschlüsse der Chlorophyllkörner für Sporen der letzteren erklärt!) erkannte zuerst H. v. Mohl (6) (1837) die Stärkenatur dieser 1) Manaresi u. Tonegutti, Staz. sper. agr. ital., 44, 960 (1911). — 2) Le- CliERC DU Sablon, Compt. rend., 127, 968 (1898). Saccharose in den Blutenknospen von Pirus communis: Schulze u. Frankfurt, Ztsch. phvsiol. Chem., 20, 511 <1896). — 3) Desbarres, Biedermanns Zentr. Agrik.chem. (1879), p. 946. — 4) G. ANDRi, Compt. rend., j/, 1222 (1900). — 5) R. Glatzel, Diss. (Göttingen 1912). - 6) H. V. Mohl, Untersuch, üb. die anatom. Verhältnisse des Chlorophylls, Diss. (1837); Ann. Sei. Nat. Botan., 9, 150; Vermischte Schriften (1845), p. 349; Meyens Jahresber. für 1837, p. 61; später Botan. Ztg. (1855). § 1. Die Bedeutung der Stärke in Laubblättem. 479 Körnchen, und wenigstens für Zygnema konnte Mohl sicherstellen, daß sich die Stärkeeinschlüsse erst im fertigen Chlorophyllkorn dieser Alge ausbilden, während er bei Phanerogamen anfangs noch nicht schlüssig werden konnte, ob nicht das Stärkekorn erst nachher seine Chlorophyll- hülle erhalte. Im Gegensatze zu Mulder (1), welcher das Amylum als Mutter- substanz des Chlorophylls ansah, behauptete Mohl die Reservestoffnatur der Stärkeeinschlüsse. Er stellte fest, daß es Pflanzen mit relativ großen sohtären Stärkeeinschlüssen gebe (Valhsneria, Tradescantia discolor) und andererseits Pflanzen mit vielen kleinen, oft schwer sichtbaren Körnchen: Differenzen, wie sie sich z. B. auch in Endospermen finden und zur Ent- stehung solitärer und polyadelphischer Körnchen in den Amyloplasten führen. Sehr kleine Stärkeeinschlüsse kann man nach Schimper(2) viel leichter nachweisen, wenn man die dm-ch Alkohol entfärbten Blätter einige Zeit in konzentriertem Chloralhydrat mit Jodzusatz hegen läßt. Nägeli (3) gab in seinem Buche über die Stärkekörner (1858) weiterhin viel genaue Daten über Verbreitung und Entwicklung der Chloroplastenstärke. 1857 erkannte Geis (4), daß bei Verdunklung der Blätter die Ein- schlüsse der Chlorophyllkörner verschwinden. Sachs (5) bewies hierauf, daß in den stärkefreien Chloroplasten etioherter Pflanzen bei Behchtung Stärkekörner auftreten, und zwar zuerst in den Laubblättern (1862). Er sprach infolgedessen die Stärke als-ein Produkt der Kohlensäureassimilation der Blätter an. Weiterhin (1864) dehnte Sachs (6) diese Erfahrungen durch neue Versuche aus, auf Grund welcher er sagte: „Die Chlorophyll- körner haben die Fähigkeit, zuerst Stärke zu erzeugen, dieselbe im Finstern aufz\ilösen und endhch abermals Stärke in sich zu bilden, je nach der Art der Beleuchtung, der sie ausgesetzt sind." Im wesenthchen war damit unsere heutige Auffassung begründet. Allerdings Ueß Sachs noch die Frage offen, ob die gebildete Stärke ein direktes Produkt der Assimilation sei, oder ob sie aus überschüssigen primär gebildeten Stoffen als Vorratsstoff gebildet werde. In der Tat fand sich späterhin in J. Boehm (7) ein Forscher, welcher den richtigen Schluß von Sachs, daß es sich in der normalen Chloroplasten- stärke um ein an Ort und Stelle aus COg und HgO gebildetes Assimilat handle, nicht anerkannte und allzu einseitig der Meinung nachgab, daß jedes im Blatte vorhandene Zuckermaterial zu Stärkespeicherung in den Chloroplasten Anlaß geben könne. Doch verdanken wir dieser Betrachtungs- weise BoEHMs die wichtige Entdeckung dieses Forschers, daß künsthche Zuckerzufuhr bei Laubblättern Stärkeanhäufung in den Chloroplasten hervorruft. In seiner berühmten Arbeit „Ein Beitrag zur Kenntnis der Er- nährungstätigkeit der Blätter" (1884) bereicherte Sachs (8) die Kennt- nisse von den in Rede stehenden Vorgängen um wichtige Methoden und Tatsachen. Zum makroskopischen Nachweise der Stärke in Laubblättern tötete Sachs zunächst die frischen Blätter durch 10 Minuten langes Kochen in Wasser, legte sie behufs Extraktion des Farbstoffes für Vi Ws V2 Stunde in 96% Alkohol von 50—60« Temperatur (wobei 1—2 Liter 1) G. J. MULDEB, Versuch ein. allg. physiol. Cliem. (1844), p. 294—297. — 2) ScHiMPEE, Botan. Ztg. (1885), p. 739. — 3) Nägeli, 1. c. p. 398. — 4) Qris, Ann. Sei. Nat. Botan., 8, 179 (1857). — 5) Sachs, Botan. Ztg. (1862), Nr. 44. — 6) Sachs, Ebenda (1864). — 7) J. Boehm, Ebenda (1883), p. 33. — 8) Sachs, Arbeiten d. botan. Inst, in Würzburg, 3, 1 (1884). Vgl. auch Eckerson, Botan. Gaz., 48, 224 (1909). 480 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. Flüssigkeit anzuwenden sind) und brachte sodann die völlig weiß ge- wordenen Blätter in braune Jodjodkaliumlösung, in welcher sie mehrere Stunden liegen blieben. Es lassen sich in dieser Weise brauchbare Schätzungen beim Vergleiche des Stärkegehaltes von Blättern anstellen. Die Blätter bleiben bellgelb oder ledergelb, sobald keine Stärke in den Chloroplasten vorhanden ist; sie werden schwärzlich, wenn sehr wenig Stärke zugegen ist; mattschwarz bei reichlichem Stärkegehalt und metallisch schwarz glänzend, wenn der Stärkereichtum maximale Grade erreicht. Durch diese „Jodprobe" lassen sich folgende Tatsachen demon- strieren : 1. Daß etioUerte, sich im Dunkeln entwickelnde Blätter von Pflanzen, die einen anderen Teil ihrer Blätter am Lichte ausbilden können, keine Stärke in den Chlorophyllkörnern enthalten, obwohl diese etiolierten Blätter bei partieller Verdunklung der ganzen Pflanze fast oder ganz normale Größendimensionen besitzen. 2. Daß panachierte Blätter nach kräftiger Assimilationstätigkeit nur in den grünen Blattpartien Stärke speichern, und zwar massenhaft, wie sonst normal grüne Blätter, während die weißen Partien nichts davon enthalten. 3. Daß man durch partielle Verdunklung einer Blattlamina, z. B. durch Umwicklung mit einem Stanniolstreifen, die Stärkebildung in den Chloroplasten daselbst lokal und total unterdrücken kann, während die Stärkespeicherung in den beleuchteten Nachbarpartien normal vor sich geht. 4. Kann man mittels der Jodprobe die „Auswanderung" der Stärke während des Aus^setzens der Kohlensäureassimilation nachweisen, wie sie normal in der* Nacht erfolgt. Die Blätter einer großen Zahl unserer heimischen und Garten- gewächse entleeren ihre Stärke in warmen Nächten vollständig; man findet sie bei Sonnenaufgang gänzlich stärkefrei, während sie am Abend vorher mit Hilfe der Jodprobe als maximal stärkeerfüllt erkannt worden waren. 5. Kann man nach Molls(I) Vorgang zeigen, daß reichlich Stärke führende Laubblätter sich ihrer Stärke gänzlich entledigen, wenn man die betreffende Pflanze in kohlensäurefreie Luft bringt und so die Assimilation unterbricht. Weitere Versuche von analogem Ergebnisse in kohlen säurefreier Luft rühren von Menze(2) her und die gegenteiligen Erfahrungen von Boehm(3) betreffen Crassulaceenblätter, für die wenigstens die Möglichkeit besteht, daß Kohlensäure aus organischen Säuren ge- bildet worden ist und daher trotz der Absperrung des Luftraumes mit Kalilauge Kohlensäureassimiiation stattgefunden haben kann. Nach den zu Buitenzorg durch Costerus(4) gesammelten Er- fahrungen zu urteilen, findet in den Tropen eine gänzliche Entleerung der Stärke zur Nachtzeit viel seltener als in unseren Klimaten statt. Die Ursachen sind in mancher Hinsicht noch aufzuklären; es Hegt aber nahe anzunehmen, daß der Überschuß an assimiliertem Material bei tropischen Pflanzen viel erheblicher ausfallen kann als in gemäßigtem Klima und daß die Verwendung der Stärke deshalb sich weniger im Verschwinden der Blattstärke ausprägt. Für Nicotianablätter fand Hunger (B) in den Tropen, daß zur nächtlichen Stärkeentleerung eine Mindesttemperatur von 22*', bei älteren Pflanzen von 21 "^ nötig ist. 1) Moi.L. Arbeiten d. botao. Inst, in Wiirzburg, 2, |110. Andere Versuche, z. B. bei S. Bain, Univ. of Tenessee Rec., 5. 259 (1902). — 2) O. Menze, Diss. (Halb 1887); Botan. Ztg. (1888), p. 465. — 3) Boehm, Botan. Zentr., 37, 198 (1889). — 4) J. C. C08TERU8, Ann. jard. botan. Buitenzorg, 12, l^l (1894). — 5) F. W. Hünger, Med. s'Landa Plantentuin, 66 (1903). § 1. Die Bedeutung der Stärke in Laubblftttem. 481 Auch tritt die Entleerung bei entgipfelten Pflanzen, so lange nicht neue Sprosse sich entwickelt haben, nicht ein. Die durch Sachs festgestellten Tatsachen lehren jedenfalls, daß die Stärkespeicherung normal funktionierender Laubblätter streng an die Assimilationstätigkeit der stärkeführenden Chloroplasten selbst gebunden ist und nicht durch Abströmen von Zucker aus anderen Blatteilen oder Organen zustandekommt; sie lehren außerdem sehr klar, daß die Stärke- föllung der Chloroplasten nur die physiologische Folge eines Überschusses an assimiliertem Material sein kann und daß die Chloroplastenstärke als Reservestoff aufzufassen ist. Für den Assimilationsprozeß selbst mag die Stärkespeicherung die Bedeutung eines Vorganges haben, welcher die Reaktionsprodukte in dem Maße als sie gebildet werden, bindet, so daß eine Hemmung des Prozesses durch angehäufte Endprodukte nicht eintreten kann. Die chemische Unabhängigkeit der Stärkebildung in den Chloro- plasten von der Assimilation der Kohlensäure selbst, wird dadurch illustriert, daß nicht alle Chlorophyllkörner Stärke bilden, obwohl sie kräftig assimi- lieren. Schon 1857 hatte Boehm gefunden, daß die Chloroplasten von Alliumarten, Galanthus, Hyacinthus, Ornithogalum, die meisten Chloro- phyllkörner von Iris germanica, normal nie Stärke bilden. Briosi(I) kon- statierte dasselbe für Musa und Strelitzia. Nach A. Meyer (2), der diese Verhältnisse einem sorgfältigen Studium unterzog, wird bei den Dicotyle- donen meist reichhch Stärke in den Chloroplasten abgelagert, sehr wenig Stärke jedoch bei Gentiana, Asclepias Cornuti, den graminiformen Eryn- giumarten. Von Monocotyledonen speichern am reichüchsten Stärke die Dioscoreaceen und Juncaceen. Die Liliaceen, AmaryUidaceen, Iridaceen und Erdorchideen pflegen hingegen nur sehr wenig Stärke zu speichern. Meyer zeigte ferner, daß bei manchen stärkefreien oder stärkearmen Chloro- plasten die Stärke durch andere Kohlenhydrate vertreten wird. So führen die Chlorophyllkörner von Alüum porrum Trauben- und Fruchtzucker, die Chloroplasten von Yucca filamentosa Sinistrin. Der Befund von Glucose als Reservestoff von Chloroplasten legt die Frage nahe, wodurch bei solchen Pflanzen der hemmende Einfluß von Endprodukten des Assimilations- prozesses vermieden wird. In den Blättern von Cichorium fanden Gräfe und VouK (3) reichhch Inuhn, anscheinend das Amylum völhg vertretend, und so dürfte es auch bei anderen InuHnpflanzen sein. Die Blattspreiten enthielten 2,9% Hexose und 2,9% Inuhn, die Mittelrippen 9,4% Zucker und 4,24% Inuhn. Der Inuhngehalt wies morgens und abends keinen Unter- schied auf. Stahl (4) hat interessante, vergleichend biologische Betrach- tungen über das Vorkommen von „Stärkeblättern" und „Zuckerblättern" und Beziehungen des Zuckerreichtums zur Transpiration angestellt. In manchen Blättern ist reichhch Mannit zugegen, z. B. bei den Oleaceen, Catha eduhs (5), Genipa brasiliensis (6), Basanacantha spinosa(7); diese Blätter scheinen jedoch allgemein in ihren Chloroplasten Stärke zu führen. Bei manchen Pflanzen, wie besonders Rendle (8) für AlHum Cepa zeigte, läßt 1) Briosi, Botan. Ztg. (1873), p. 529. — 2) A. Meyer, Ebenda (1885), p. 449; für Gentiana lutea auch Arch. Pharm., 221, VII— VIII (1883). — 3) V. Gräfe u. VouK, Biochena. Ztsch., 47, 320 (1912). — 4) Stahl, Jahrb. wiss. Botan., 34, 558 (1900). — 5) Schär, JuBt Jahresber. (1899), //, 57. — 6) W. Kwasnick, Chem.- Ztg., 16, 109 (1892). — 7) B. Grützner, Arch. Pharna., 233, 1 (1895). Langlois, Ann. de China, et Phys. (3), 7, 348 (1843) gab auch für Lindenblätter neben Trauben- zucker Mannit an. — 8) A. B. Rendle, Ann. of Botan., 2, 224 (1888). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. S. Auil. 31 482 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. sich durch kein Mittel Stärkebildung in den Chloroplasten erzwingen. Hin- gegen fand BoEHM (1 ), daß die normal keine Stärke speichernden Ghloro- phyllkörner von Galan thus, Hyacinthus, Ornithogalum und Iris reichlich Stärke bilden, wenn man die Blätter dieser Pflanzen 8—10 Tage lang auf 20%iger Rohrzuckerlösung schwimmen läßt. Bei diesen Gewächsen be- sitzen demnach die Chloroplasten nachweisbar die Fähigkeit, Stärke zu speichern, üben dieselbe jedoch im normalen Lebenslaufe niemals aus. ScHiMPER(2) hat auf Grund einer Reihe zum Teil einschlägiger Erwägungen, unabhängig von A. Meyer 1885 zuerst den Gedanken ausgesprochen, daß Glucose das der Stärke vorangehende Assimilations- produkt sei und daß die Stärkebildung erst oberhalb einer bestimmten Konzentration der in der Zelle enthaltenen Glucoselösung eintritt. Diese Grenzkonzentration kann spezifisch verschieden sein, so daß es im nor- malen Leben mancher Gewächse gar nie bis zur Stärkebildung kommt, während bei anderen Pflanzen die Grenzkonzentration der Glucose regel- mäßig erreicht wird und zur Stärkebildung Anlaß gibt. Später stellte es sich heraus, daß man künstliche Stärkebildung bei Rohrzuckerzufuhr selbst in den chlorophyllfreien Amyloplasten der weißen Stellen panachierter Blätter erreichen kann [Saposchnikoff (3), Zimmermann (4)]. Nach den umfassenden vergleichenden Studien Wink- lers (5) darf man annehmen, daß überhaupt alle Chloroplasten und alle Leukoplasten mit seltenen Ausnahmen zur Bildung der Stärke befähigt sind, wofern sie hinreichend weit entwickelt und noch nicht desorganisiert sind. So bilden normale und etiolierte Chloroplasten auf Zuckerlösung schwimmender Laubblätter gleich rasch und intensiv Stärke. Die Minimalkonzentration wirksamer Zuckerlösungen hegt nach Winkler meist bei 0,2% Saccharose. Bei 10% Saccharose ist das Optimum fast erreicht und die Wirkung wird bei weiterem Ansteigen der Zucker- konzentration nur unerhebhch vermehrt; höhere Konzentrationen sind weniger wirksam und 30%ige Zuckerlösung bedingt niemab Stärkebildung. Die untere Grenztemperatur des Vorganges fand Winkler für die ein- heimischen Pflanzen meist bei + 6 bis 8° C, für Moose + 2 bis 3" G; für tro- pische Pflanzen 12 bis 15° C. Im Winter persistierende Blätter von Primula elatior, Rhododendron hirsutum, Valeriana hatten im Sommer 7" G als Minimaltemperatur; als sie im Winter bei + 1° G geerntet waren, erzeugte Zuckerzufulu" schon bei + 3° C Stärkebildung. Bis 20° G findet Steigerung des Vorganges statt. Weiter hinauf bis zur Temperatm'grenze des Lebens ist eine wesenthche Änderung nicht zu beobachten. Lichtzutritt ist gleich- gültig; Sauerstoff zutritt unerläßhch. Äther und Chloroform hemmen Stärke- bildung wie die Assimilation (6). Herbsthch verfärbte Chloroplasten speichern Stärke, solange sie nicht desorganisiert sind. Chlorotische Chlorophyll- körner konnte Zimmermann bei Versuchen ihit Zea Mays und Canna nicht zur Stärkebildung veranlassen, während Winkler bei Mais, Cucurbita, Fagopyrum und Pisum in beschränktem Maße selbst in chlorotischen Chloro- phyllkörnern Stärkespeicherung durch Zuckerzufuhr beobachtete. Bei 1) BoEHM, Botaa. Ztg. (1883), p. 34. — 2) Schimper, Ebenda (1885) p. 786. — 3) Saposchnikoff, Ber. Botan. Ges., 7, 259 (1889). — 4) A. Zimmermann, Beitr. zur Morphol. u. Physiol. d. Pflanzenzelle (1893), p. 39). — 5) H. Winkleä, Jahrb. wiss. Botan., j2, 525 (1898). — 6) E*uriewitsch (1898), zit. bei Reinhard u. SusCHKOW, Beih. botan. Zentr., 18 (1), 133 (1904). Dort auch über sonstige Gift- und Salzwirkungen auf den Vorgang. § 1. Die Bedeutung der Stärke in Laubblättern. 433 Allium Gepa mißlangen aber auch die Bemühungen Winklers, Stärke- bildung zu erzwingen. Für Leukoplasten waren die Ergebnisse im ganzen ähnlich. Negative Resultate heferten die noch nicht ausgebildeten Amylo- plasten in Fettcotyledonen, ferner jene im Urmeristem von Vegetations- spitzen. Stärkespeicherung war hingegen möglich bei Leukoplasten albi- kanter Blattpartien und bei den normal stärkefreien Leukoplasten in Wund- calluszellen sowie bei den Leukoplasten in vielen Blumenblättern und Früchten. Auch die Chromoplasten von Blüten und Früchten besitzen noch weitverbreitet die Fähigkeit, Stärke zu speichern, und außerdem war es für die unter dem Einflüsse der Winterkälte rotgefärbten Chloroplasten von Coniferen, welche ihre Assimilationstätigkeit temporär ausgesetzt hatten, möghch, die Fähigkeit zur Stärkebildung nachzuweisen. LiDFORSS(l) hat gezeigt, daß die winterüberdauernden Laubblätter in unseren Breiten sich von Anfang Dezember an völlig stärkefrei erweisen, eine Beobachtung, welche Mer (2) sowie Schulz (3) schon früher in be- schränkterem Umfange gemacht hatten. Im Frühjalu' erscheint neuerdings Stärke in den Chlorophyllkörnern. Daß es sich um eine den mehrfach er- wähnten Veränderungen in winterüchen Baumzweigen analoge Umsetzung handelt, ist nach den Versuchen von Lidforss nicht zu bezweifeln. Durch Einbringen der Blätter in höhere Temperatur kann man während des ganzen Winters behebig oft rasche Amylumbildung hervorrufen. Die Blätter sind während des Winters sehr reich an Zucker und zeigen öfters auch erhöhten Fettgehalt. Lidforss (4) nahm an, daß diese Umsetzung einen Kälte- schutz durch die angesammelte Glucoselösung bedeutet, was Maximow(5) bestätigte unter dem Hinweis, daß offenbar die tiefe Lage des eutektischen Punktes bei Glucose die Ursache ihrer hervorragenden Wirkung ab Schutz- mittel gegen Frost ist. Im Übergangsgebiete der mitteleuropäischen Flora in Oberitahen zeigen nach Badalla (6) die einheimischen Gewächse keinen vollständigen Stärkeverlust im Winter, während die nicht akklimatisierten Pflanzen ihre Stärke während der kalten Zeit verheren. In Japan scheinen nach MiYAKE (7) die biologischen Verhältnisse der wintergrünen Blätter ganz analog zu sein. Moosblätter verhalten sich ebenso wie Phanerogamen- blätter. Nach Lidforss enthalten hingegen untergetaucht lebende Blätter, die den Winter überdauern, auch in der kalten Jahreszeit stets reichhch Stärke. Nach eigenen Versuchen (8) beruht die winterhche Stärkelösung darauf, daß die Zuckerkonzentration in den Zellen bei niederer Temperatur größer sein muß, um Stärkebildung eintreten zu lassen als bei höherer Tem- peratur. Keines der von mir untersuchten Blätter vermochte bei niederer Temperatur in Zuckerlösung unterhalb einer Konzentration von 7% Saccha- rose Stärke zu formieren, während bei gewöhnhcher Temperatur bereits weniger als 1% Saccharose genügt. Diese Erscheinung scheint bei allen Speicherorganen dieselbe zu sein, so daß bei winterhchen Temperaturen nicht nur die Grenzkonzentration des Zuckers für Stärkebildung erhöht, sondern auch eine vermehrte Zuckerbildung auf Kosten der schon ab- gelagerten Stärke eingeleitet wird. 1) B. LmFORSS, Botan. Zentr., 68, 33 (1896). — 2) E. Mer, Bull. Soc. Botan., 23, 231 (1876). Coniferennadeln : Fliche u. Gkandeau, Ann. de Chim. et Phys. (5), //, 224 (1877). — 3) E, Schulz, Flora (1888), p. 233, 248. — 4) B. Lidforss, Lunds Univ. Ärskrift, N. F., 2, Afd. 2, Nr. 13 (1907). — 5) MAxmow, Ber. Botan. Ges., 30, 52, 293, 504 (1912). — 6) L. Badalla, Ann. di Botan., 8, 549 (1910). — 7) K. MiYAKE, Botan. Magaz. Tokyo, 14, Nr. 158 (1900); Botan. Gaz., jj, 321 (1902). — 8) F. Czapek, Ber. Botan. Ges., 19, 120 (1901). 31* 484 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. Angaben über die Lebenszeit, während welcher junge Blätter vor ihrer völhgen Entwicklung noch keine Stärke in den Chloroplasten speichern, liegen für Vitis von CuBONi (1) vor. Es bleibt übrigens noch zu untersuchen, ob die Zucker-Grenzkonzentration für Stärkebildung bei jugendhchen Chloroplasten nicht eine andere ist als bei voll entwickelten. Die Stärkemenge in assimiherenden Laubblättern bestimmten Brown und Morris (2) nach Extraktion des getrockneten Blattpulvers mit Äther und Alkohol und Verkleistern der Stärke, durch Verzuckerung der letzteren mittels Diastase. Nach Brown und Morris ist es nur ein kleiner Teil der neugebildeten Trockensubstanz, welcher als Stärke abgelagert wird. In einem ihrer Versuche nahmen die Blätter von Helianthus in 12 Stunden um mehr als 12 g pro Quadratmeter an Trockensubstanz zu und davon war nur 1,4 g abgelagerte Stärke. Ähnhche Resultate ergaben sich für Tropaeolum. Für den Gewinn an Trockensubstanz durch die Assimilations- tätigkeit liegen bereits Angaben von Sachs vor, wonach in einem Versuche Helianthus durchschnitthch pro Stunde 1,648 g „Stärke" pro 1 qm Blatt- fläche gewann, und in 10 Nachtstunden pro 1 qm Spreite 9,64 g „Stärke" abgab. Im allgemeinen schätzt Sachs den Stärkegewinn für 1 qm Blatt- fläche täghch unter günstigen Bedingungen auf 24 g -f 1 g Atmungsverlust. Für Tabakblätter gab später Müller-Thurgau (3) folgende Zahlen: 2 noch grüne Blätter 3 zieml. reif. Blätter 2 ganz reife Blätter 61» p. ca. 71» a. m. G^ p. m. 7^ a. m. Q^ p. m. 7^» a. m. Oberfläche qcm . . 463,5 Trockensubstanz g . 2,2 Zucker in 100 g Trockensubstanz . 1,25 Zucker in 12 qm Blattfläche . . . 0,59 Stärke in 100 g Trockensubstanz . 31,39 Stärke in 12 qm Blattfläche . . . 14,89 Danach kann in reifen Tabakblättern der Stärkegehalt abends bis zu 42% der Trockensubstanz ansteigen. Die unteren Blätter enthalten durchschnitthch weniger Stärke als die darüber stehenden, vielleicht wegen partieller Beschattung. In Untersuchungsreihen von ScHULTZE (4) bei Acer Negundo stieg die Gewichtsdifferenz zwischen Morgen und Abend bis zu 16,2 g. Der Wassergehalt war am größten im Mai, am geringsten im September. Der Glucosegehalt betrug im Mai 8—9%, im Juni 3—4%, im Juh weniger als 2%, im September 2—3%. Nicht reduzierender Zucker war im Mai nicht vorhanden, später höchstens 0,3%. Der Stärkegehalt behef sich auf 5—10%, Ende September auf 7,5%. Saposchnikoff (5) unternahm es, die maximale Anhäufung der Stärke in Blättern zu bestimmen. Für abgeschnittene Blätter von Vitis vinifera glaubte er die Grenze bei 27,5% des Trockengewichtes der Blätter annehmen zu dürfen, während seine Zahlen für Vitis Labrusca zwischen 17 und 25% des Blattrockengewichtes an Stärke schwanken. i42 1,96 996,6 5,63 1003 5,42 454 2,97 450 2,72 0,60 1,05 0,63 0,81 0,41 0,27 0,59 0,34 0,53 0,23 26,74 38,42 33,3 42,62 36,95 11,81 21,71 17,87 27,84 22,31 1) G. CuBONi, Rivista di Viticoltura et Enolog. Ital., j (1885). — 2) H. T. BiiOWN u. Morris, Journ. Chem. Soc (1893), p. 604. — 3) Müller-Thürgaü, Land. Jahrb., 14. 465 (1885). — 4) B. Schultze, Verhandl. Ges. Naturf. (1904), II, /, 175. — 5) Saposchnikoff, Ber. Botan. Ges., 9, 293 (1891); ;/, 391 (1893). § 2. Lösung d. Chloroplastenstarke u. Transport des Zuckers aus den Blättern. 485 Ähnlich waren auch die Ergebnisse, wenn die Blätter mit ihren Stielen nicht in Wasser, sondern in Nährsalzlösung eintauchten. Hingegen lassen sich die gespeicherten Stärkemengen vergrößern, wenn man die Blätter in eine kohlensäurereichere Atmosphäre bringt. Es steigt dann die Maximal- grenze für den Stärkegehalt bis auf 30—35% der Trockensubstanz. Der Zuckergehalt kann bei Anwesenheit von Stärke bis zur Konzentration 6,8% steigen. §2. LOsung der Chloroplastenstarke und Transport des Zuckers aus den Blättern. Aus den hier entwickelten, besonders auf den Arbeiten von Sachs und ScHiMPER fußenden Anschauungen geht hervor, daß Tag und Nacht ein stetiges Abströmen von Zucker aus den assimilierenden Blättern stattfindet und ein Aufspeichern von Stärke in den Chloroplasten nur einen Überschuß der assimilatorischen Tätigkeit über den Verbrauch anzeigt. Wie anderwärts, so erfolgt die Stärkelösung auch in den Chloro- phyllkörnern der Blätter durch amylolytische Enzyme. Meyer (1) nimmt an, daß diese Diastase im Stroma der Chloroplasten gebildet werde. Die Extraktion des Enzyms aus frischen Blättern stößt auf Schwierig- keiten, indem das Enzym fast gänzlich in dem Blätterbrei beim Ab- pressen adsorbiert bleibt und im Filtrate nur spurenweise vorhanden ist; es stören ferner manche gleichzeitig anwesende Substanzen, wie Jentys(2) gezeigt hat, z. B. Gerbstoffe, welche die Diastase aus der Lösung fällen. Durch diese Umstände ist es wohl auch zu erklären, warum Wortmann (3) zur Meinung kam, daß Laubblätter kein amylo- lytisches Enzym enthielten. Andere Forscher, wie Brasse (4), Schimper (5), Baranetzky (6), ViNES(7), Brown und Morris (8) haben übrigens die Existenz amylolytischer Enzyme in Blättern zur Genüge erwiesen und A. Meyer hat für die Gegenwart von Diastase in den Chloroplasten manche wichtige Momente bei den Lösungserscheinungen an den Stärke- körnern daselbst geltend gemacht. Nach Eisenberg (9) ist in Stärke- blättern mehr Diastase enthalten als bei Zuckerblättern, doch gibt es Ausnahmen von dieser Regel. Stärkereiche gut besonnte Blätter sind am reichsten an Diastase. Brown und Morris bereiteten ihre Blätterdiastase aus fein ge- pulvertem trockenen Material. Die Wirkung wurde vergleichend bestimmt, indem 0,5 g trockenen Blattpulvers mit 50 ccm 2%iger Lintner- Stärke 48 Stunden bei 30" digeriert wurden, unter Zusatz von 5 ccm Chloroform pro Liter. Zur Kontrolle wurde eine gleiche Probe derselben Mischung 1—2 Minuten lang gekocht uad darin der im Blattpulver präexistente redu- zierende Zucker bestimmt. Die Differenz beider Proben diente als Maß der amylolytischen Wirkung. Die höchsten Werte erzielten Brown und Morris bei Leguminosen; bei Pisum sativum erzeugten 10 g Blattpulver 240,3 g Maltose. Die Solanaceen ergaben im Vergleiche nur 6,56—8,16 g, 1) Meyer, Stärkekömer (1895), p. 168. — 2) St. Jentys, Botan. Zentr., 54, 193 (1893), — 3) J. Wortmann, Botan. Ztg. (1890), Nr. 37—41. — 4) L. Brasse, Compt. rend., gg^ 878 (1884J. Dort Dubrunfaut zitiert. — 6) Schimper, Botan. Ztg. (1885), p. 742. — 6) Baranetzky, Die stärkeumbildenden Fermente (1878), p. 16. — 7) S. H. Vines, Ann. of Botan., 5, 409 (1891). — 8) H. T. Brown u. Morris, Journ. Chem. See (1893), p. 604. — 9) Eisenberg, Flora, g?, 347 (1907). 486 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratetoff Wechsel der Laubblätter. Hydrocharis nur 0,267 g Maltose. Gerbstoffreiche Blätter gaben aber über- haupt kleinere Zahlen, und es ist wohl kaum möglich, in allen Fällen einen richtigen Schluß auf die tatsächlich vorhandene Diastasemenge zu ziehen. Als die genannten Forscher den Diastasegehalt gut assimiherender Blätter am frühen Nachmittag und am Abend verglichen, ergab sich ein höherer Enzymgehalt der am Abend gesammelten Blätter. Auch stieg der Diastase- gehalt bei abgeschnittenen Blättern von Tropaeolum, welche kräftig assi- miherl hatten, vor dem Zeitpunkt der Ernte während einiger Stunden Liegens im Dunkeln um 118,5%. Auffallend viel Diastase war ferner vorhanden in Blättern, welche mehrere Tage hindurch verdunkelt und hierdurch stärkefrei gemacht worden waren, gegenübw normal assimiüerenden Ver- gleichsblättern. Es scheint demnach, daß die Enzymproduktion regula- torisch beeinflußt wird. Darauf läßt auch das Resultat weiterer Versuche von Brown und Morris schheßen, wonach Blattstücke im Dunkeln, auf Zuckerlösung schwimmend, weniger Diastase enthalten, als gleiche Blätter, welche auf Wasser lagen. Mit dem Einflüsse des Lichtes auf die Blätter- diastase hat sich Green (1 ) beschäftigt. Derselbe fand in stark beleuchteten lebenden Blättern binnen 14 Tagen bis zu 68% Diastaseverlust, und be- sonders die ultravioletten Strahlen schienen auf die Diastase stark einzu- wirken. Green hat auch einige Angaben über das Proferment der Blätter- amylase gemacht. Als nächstes Lösungsprodukt der Stärke gaben Brown und Morris auch hier Maltose an, und wiesen dieselbe in den Blättern neben Saccharose, Glucose und Fructose direkt nach. Frühere Arbeiten, ins- besondere die Studien von Schimper, hatten bereits gezeigt, daß sich bei der Auflösung der Blattstärke, insbesondere in den Leitscheiden der Blattnerven, große Quantitäten von reduzierendem Zucker finden. Die Existenz eines maltosespaltenden Enzyms in Blättern ist zwar recht wahr- scheinlich, wenn auch dieselbe experimentell noch nicht erwiesen ist. Beijerinck(2) hat verschiedene Blätter auf Maltase mit negativem Er- folge untersucht, doch können die Versuche an der bekannten Schwer- löslichkeit der Maltase leicht scheitern und man hätte jedenfalls die Be- mühungen unter Zuhilfenahme von Acetondauerpräparaten zu erneuem. Die meisten quantitativen Zuckerbestimmungen in Blättern sind eines großen Teiles ihres Wertes dadurch beraubt, daß auf Tageszeit, Tem- peratur und andere die Assimilationstätigkeit beeinflussende Momente in den Resultaten nicht Rücksicht genommen wurde. Die nachgewiesenen Zuckerarten sind Saccharose, Glucose und Fructose. In den Blättern von Vitis und Amygdalus persica gibt Petit (3) folgenden Zuckergehalt an : Rohrzucker Glucose 1 kg Weinblätter I 9,2 g 26,55 g 1 kg „ II ... . 15,a g 17,49 g 1 kg Pfirsichblätter 33,0 g 12,0 g Macagno (4) bestimmte für je 1 kg Weinblätter an Zuckergehalt : Blätter am Ende der Fruchtreben .... 14,24 g , „ an der Basis der Fruchtreben . . 10,81 g „ am Ende der Holzreben 11,93 g „ an der Basis der Holzreben . . . 11,65 g 1) J. R. Green, Phil. Trans. Roy. Soc. London, i88, 167 (1897). — 2) M. Beuebinck, Zentr. Bakt. II, /, 338 (1895). — 3) A. Petpf, Compt. rend., 77, 944 (1873). — 4) H. Macagno, Compt. rend., 85, 810 (1877). § 7. Lösung d. Chloroplastenst&rke u. Transport des Zuckers aus den Blättern. 437 Ferner für 1 kg Blätter am Ende der Fruchtreben: Am 20. Juni . . . 14,24 g Am 15. September 20,50 g „ 4. August . . 15,31 g „ 5. Oktober . . 23,70 g „ 16. „ . . 15,96 g „ 22. „ . . 19,04 g „ 31. „ . . 16,62 g Der Rohrzucker von Vitisblättern scheint jedoch nach den neueren Untersuchungen von Deleano(I) recht fraghch zu sein. Auch die von BoETTiNGER aus Weinblättern beschriebene Racefoloxybiose, welche ein Hydrat einer oxydierten Biose darstellen soll, ist von späteren Forschern nicht mehr wiedergefunden worden (2). Ebenso zweifelhaft^ bleibt die Tabacose, die von Attfield (3) als gärungsfähiger und inaktiver Zucker aus Nicotianablättern angegeben wird. Tabakblätter enthalten zwischen 8,2 und 12,8% Zucker. Saccharose ist unstreitig in vielen Blättern reichhch enthalten und man darf sie bereits in ihrer physiologischen Rolle als Zuckerkondensations- produkt auffassen, welches die Konzentration der gebildeten Glucose herab- setzt und so die hemmenden Wirkungen des Reaktionsproduktes auf den Fortgang der Zuckerbildung eliminiert. Rübenblätter, in denen CoREN- WINDER (4) die Saccharose noch übersehen hatte, enthalten, wie Girard (5) zuerst fand, wechselnde Mengen von Saccharose. Tagsüber nimmt der Rohrzuckergehalt deutlich zu, und zwar stärker als der Glucosegehalt, wie aus den folgenden Zahlen Girards hervorgeht: 24. September 26. September 26. September 4t p. m. 41» a. m. 41» p. m. Wasser 86,24% 87,62% 85,15% Saccharose 1,04% 0,60% 1,83% Reduzierender Zucker 3,17% 2,72% 2,66% Saccharose auf 100 Teile Glucose . 33 % 22 % 68 % Ähnliche Erfahrungen machten sodann Brown und Morris. Auch Perrey (6) scheint für Phaseolus analoge Beobachtungen gesammelt zu haben. In Galanthusblättern sind nach Parkin (7) 20—30% der Trocken- substanz an Kohlenhydraten enthalten, darunter keine Stärke und kein Inuhn. Die Rolle als Speicherstoff hat hier wohl Saccharose, die zu Beginn der Vegetationstätigkeit überwiegt, während später mehr Hexosen zugegen sind, und zwar immer mehr an Fructose. Sonst ist Saccharose noch mit Sicherheit bei Viburnum nachgewiesen (8) sowie in Kalmia latifoUa (9). Das auf Saccharose wirksame Enzym, Invertin, ist nach Marcacci (10) in Laubblättern allgemein vorhanden. Bourquelot erwähnt Invertin speziell für Viburnum und Sambucus. Der Gehalt der Laubblätter an Fruc- tose und Glucose wäre noch näher zu verfolgen. Angaben bezüglich Beta lieferte Lindet(11), für Galanthus Parkin. Die Kohlenhydrate und Zucker der Farnblätter behandelte Baesecke (12). 1) N. T. Deleano, Ztsch. physiol. Chem., 80, 79 (1912). — 2) C. Boettinger, Chem.-Ztg., 52, 6 (1901). — 3) Attfield, Pharm, Journ. (1884). Ampola u. Scurti, Staz. sper. agr. ital., 41, 668 (1908). — 4) Corenwinder, Compt. rend., 83, 1238 (1876). — 5) A. Girard, Ebenda, 97, 1305 (1883); 99, 808 (1884); 103, 1489 (1886). — 6) A. Perrey, Ebenda, 94, 1124 (1882). — 7) J. Parkin, Biochem. Journ., 6, 1 (1911). — 8) Bourquelot u. Danjou, Soc. Biol., 60, 83 (1906) r Arch. Pharm., 245, 200 (1907). — 9) Bourquelot u. Fichtenholz, Compt. rend., 153, 1500 (1912). — 10) Marcacci, Just Jahresber. (1889), /, 27. Kastle u. Mart E. Clark, Am. Chem. Journ., 30, 422 (1903). — 11) Lindet, Ann. Agron. (1900), p. 103). — 12) P. Baesecke, Botan. Ztg. (1908), /, 45. 488 Fünfzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel der Laubblätter. Nach BellüCCI(I) vermag die Zuckerzunahme bei Tage die Stärke- zunahme zu übertreffen. In der Nacht sinkt der Stärkegehalt rascher ab als der Gehalt an Zucker. Saposchnikoff (2) hat die Entleerung der Kohlen- hydrate gleichfalls quantitativ verfolgt. Im Einklänge mit den Angaben von Bellucci ergab sich, daß die Abnahme an Stärke und Zucker bei ab- geschnittenen Blättern mindestens fünfmal geringer ist als die Abnahme der Kohlenhydrate bei Blättern im Zusammenhange mit der Pflanze. Heli- anthus amiuus zeigte pro 1 qm Blattfläche in 1 Stunde eine Kohlenhydrat- abnahme von 0,225 g in den an der Pflanze befindlichen Blättern und von 0,042 g bei abgeschnittenen Blättern. Vermindert man durch Abtrennen von Blättern die Blätterzahl einer Pflanze, so steigt die Geschwindigkeit der Entleerung bei den zurückgebhebenen Blättern namhaft. Ebenso zeigt sich eine Proportionaütät zwischen Stoffverbrauch im Wachstum der Pflanze und der Schnelhgkeit des Verschwindens der Kohlenhydrate aus den Blättern. Auch eine Tagesperiode in der Geschwindigkeit der Entleerung der Kohlenhydrate aus den Blättern hat sich herausgestellt. Das Maximum fällt in die ersten Stunden der Nacht. Aus unseren Darlegungen geht hervor, in welcher Weise die „tran- sitorische" Stärkebildung, wie sie in verschiedenen Geweben vorkommen kann, aufzufassen ist. Ein sehr prägnantes Objekt hierfür sind nach ScHiMPER die Leitscheiden der Blattnerven von Hydrocharis morsus ranae, wo Stärke sehr lebhaft regeneriert wird, femer die von A. Meyer (3) in dieser Hinsicht näher studierten jugendlichen Blätter innerhalb der Laubknospen von Tilia. Hier wie im Stengelparenchym usw. zeigt uns die transitorische Stärkebildung nichts anderes an als einen reichlichen Zuckerzufluß zu Amyloplasten führenden Zellen, welchem kein genügend rascher Zuckerabfluß entgegensteht, so daß die Amyloplasten durch Über- schreitung der Zuckergrenzkonzentration zur Stärkebildung veranlaßt werden. Diese Stärkespeicherung (man sprach auch früher von „Wander- stärke", ein Ausdruck, welcher besser aufzugeben ist) ist in der Regel sehr gering und temporär, weil die Zuckerkonzentration über einen mäßig hohen Grad nicht hinausgeht und der Zuckerbedarf sehr wechselt. Steigt der Zuckerkonsum in der Nachbarschaft, so überwiegt die Stärkelösung in den Amyloplasten und die transitorische Stärke schwindet. Daß die in den Blättern häufig vorkommenden roten Farbstoffe in biologischen Beziehungen zur „Stärkeauswanderung" stehen, wurde von H. Pick (4) behauptet, doch fehlen zu dieser Annahme sowohl genügend theoretische als experimentelle Grundlagen. Für das in Cichoriaceenblättern reichlich nachweisbare Inulin ist die Bedeutung als Speicherstoff kaum so weitgehend, wie für die Stärke. Eine Entleerung des Inulins während der Nacht und eine Aufspeicherung während des Tages wurde nicht gefunden, sondern der Inulingehalt ergab sich morgens und abends ungefähr gleich (5). Unbekannt ist es, ob die von Betting(6) in den Blättern von Erythrina nachgewiesene Bildung von Aceton irgendwie mit dem Zucker- stoffwechsel in Beziehung steht. Hemicellulosen scheinen in Blättern, obwohl sie regelmäßig vor- kommen, nach Deleano nicht als Reservematerialien aufzufassen zu sein. 1) G. Bellucci, Just Jahresber. (1888), /, 35. — 2) Saposchnlkoff, Ber. Botaa. Geä., 8, 234 (1890). — 3) A. Meyer, Botan. Ztg. (1885), p. 438. — 4) H. Pick, Botan. Zentr., i6, Nr. 9 (1883). — 5) Geafe u. Vouk, Biochem. Ztsch., 47, 320 (1912). - 6) M. Bettinq, Pharm. Weekbl., 4Ö, 1089 (1909). Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflanzungssystem. 489 Teeblätter führen nach Maurenbrecher und Tollens(I) Araban und Galactan; auch von Gräsern ist Hemicellulose angegeben (2), ohne daß man wüßte, ob darunter sich Reservestoffe befinden. Einer gründlichen Revision sind offenbar die herrschenden An- sichten über das Verhalten der Kohlenhydratreserven beim herbstlichen Laubfall zu unterziehen. Während lange Zeit infolge der von J. Sachs (3) stammenden Lehre von der Entleerung der Blätter im Herbste angenommen wurde, daß ein Rückströmen der Reserven aus den Blättern in die holzigen Achsen in sehr ausgiebigem Maße stattfinde, stimmen neuere Arbeiten mit dieser Auffassung gar nicht überein. So fand Harter (4) im ab- gefallenen Laube amerikanischer Baumarten noch namhafte Stärkemengen: bei Liquidambar styraciflua 10,79 %, bei Platanus occidentalis 9,89 %, bei Styrax americana 5,91 %. Auch Combes(5) vermißte im Herbstlaub nie reichlichen Inhalt an Zucker und Kohlenhydraten, was übrigens auch aus den bereits angeführten Untersuchungen von Schültze über Ahornblätter hervorgeht. So dürfte wohl eher die Meinung von WEHMER(e) zutreffen, welcher der Theorie von der herbstlichen Entleerung der Blätter sehr skeptisch gegenübersteht. Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflanzuiigssystem. § 1- Pollenkörner. Die Pollenkörner der Blütenpflanzen sind seit Vauquelin(7), welcher 1802 den reifen Pollen der Dattelpalme untersuchte und darin Calcium- und Magnesiumphosphat, Äpfelsäure und „tierische Materie" angab, oft Gegenstand von Analysen gewesen. Braconnot (8) analysierte den Pollen der Typha latifolia und fand darin Zucker und Stärke. Der Pollen von Pinus silvestris enthält nach Schulze und Planta (9) 11,24% Saccharose und 7,06% Stärke, nach Kresling(IO) 12,075% Saccharose und 7,4% Stärke. Im Pollen von Corylus Avellana ist nach Planta (11) 14,7% Saccharose vorhanden und 5,26% Stärke. Hingegen wurde von Stift (12) im Zuckerrübenpollen nur eine ganz geringe Menge von Rohrzucker ge- funden; Stärke und Dextrin bildeten 0,80 — 0,82% der Pollensubstanz. Bei der Reifung machen die Pollenkörner allgemein ein stärkereiches 1) Maurenbrecher u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 39, 3581 (1906). — 2) Freär u. Browne jun., Aun. Rep. Pennsylv. Agr. Exp. Stat. (1905). — 3) Sachs, Flora (1863), p. 200. — 4) L. Harter, The Plant World, 13, 144 (1910). — 5) R. CoMBES, Aesoc. Franc. Avanc. Sci.Gongr. Lille (1910), p. 525. — 6) Wehmer, Ber. Botan. Ges., 10, 152 (1892); Landw. Jahrb. (1892), ///. Ferner Fruhwirth u. Zielstorff, Landw. Versuchsstat., 55, 9 (1901). Tuckeb u. Tollens, Journ. f. Laudw., 48, 39 (1900); Ber. Chera. Ges., 32, 2575 (1899). — 7) Fourcroy u. Vauquelijt, Gilb. Ann., 15, 298 (1803). — 8) Braconnot, Ann. de Chim. et Phys. (2), 42, 91 (1829). — 9) E. ScHUME u. Planta, Ztsch. physiol. Chem., w, 326 (1886). — 10) Kres- LING, Arch. Pharm., 22g, 389 (1891). — 11) Planta, Landw. Versuch.sstat., 31, 97 (1884); 32, 215 (1885). — 12) Stift, Just Jahresber. (1895), /, 304; Chem. Zentr. (1896), /, 45; (1901) /, 903. 490 Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflanzungssystem. Stadium durch, welches nach Tischler (l) auch beim Pollen tropischer Pflanzen nicht fehlt. Es gibt Pflanzen, wo der Pollen in ökologischer Hinsicht als Beköstigungsmaterial für die Blütenbesucher dient. Dort persistiert die Stärke reichlich auch im ausgebildeten Pollen, z. B. bei Cassia fistula. Nach Tischler ist hier im reifen Pollen keine Diastase vorhanden. Viel Stärke enthält nach Mangin (2) der Pollen von Coniferen und Nymphaeaceen. Dort ist die Resorption erst beim Austreiben der Pollenschläuche zu beobachten. Übrigens sind nach Molisch (3) auch in den Pollenschläuchen noch Amylumkörnchen zu sehen und bei Kultur in Zuckerlösung verfolgte Mangin die Bildung neuer Stärke im Pollen- korn und Pollenschlauch in reichlichem Maße. Die Beobachtungen von Strasburger (4), wonach die Pollenschläuche von Agrostemma Githago häufig die Membran an Narbenpapillen durch- bohren, sowie die gleichen Beobachtungen von Rittinghaus (5) weisen auf die Bildung von Cytase durch Pollenschläuche hin. Von anderen Enzymen hat van Tieghem(6) im reifen Pollen verschiedener Pflanzen Invertin festgestellt. Außer Invertin fand Green (7) auch noch Diastase in Pollenkörnern und -schlauchen. Sie ließ sich aus diesem Material mit Glycerin extrahieren. § 2. Kohlenhydrate in Früchten. Das Fleisch von saftigen Früchten ist in der Regel reich an Kohlen- hydraten, unter denen im unreifen Zustande die Stärke, im reifen Zu- stande verschiedene Zuckerarten, vor allem Glucose und Fructose, den Hauptbestandteil bilden. Durchschnittswerte für den Gehalt einheimischer Obstsorten an Zucker sind nach Königs Chemie der menschlichen Nah- rungs- und Genußmittel folgende Zahlen: In Prozenten der Trockensubstanz Apfel . . . 47,50 Mirabelle . 19,42 Erdbeere 49,97 Birne . . . 48,49 Pfirsich 22,39 Himbeere 28,19 Zwetsche . 32,35 Aprikose . 24,98 . Heidelbeere 23,28 Pflaume . . 23,51 Kirsche 50,69 Brombeere 32,67 Reineclaude . 16,16 Weintraube 65,88 Maulbeere 60,10 Stachelbeere 49,30 Johannisbeere 41,71 Preißelbeere 14,71 Einzelne Apfelsorten haben aber über 72% der Trockensubstanz an Zucker. Nach Otto (8) ist der zuckerreichste Apfel der „Königliche Kurzstiel" mit 19,24 g Gesamtzucker in 100 ccm Most, die zuckerreichste Birne „Löwenkopf" mit 12,58 g Gesamtzucker in 100 ccm Most. Ein größerer oder geringerer Gehalt an Saccharose ist sehr häufig zu konstatieren. Im weißen Calville-Apfel wurde 5,6% Rohrzucker ge- funden gegenüber einem Invertzuckergehalt im Safte von 13—14%. 1) G. Tischler, Jahrb. wiss. Botan., 47, 219 (1910). — 2) L. Mangin, Bull. Soc. Botan., 32, 337 (1886). — 3) Molisch, Sitz.ber. Wien. Akad., 102, I, 423 (1893). — 4) Strasburger, Neue Untersuch, üb. d. Befruchtungsvorg. b. Phanerogam. (1884), p. 42. — 5) Rittinghaus, Verhandl. Nat.hist. Ver. d. preuß. Rheinlande, 43, 105 (1886). — 6) Ph. van Tieghem, Bull. Soc. Botan., 33, 216 (1886). — 7) J. R. Green, Ann. of Botan., 5, 511 (1891); Phil. Trans , 185, 385 (1894). — 8) R Otto, Just Jahresber. (1899), //, 187. § 2, Kohlenhydrate in Früchten. 491 Einige weitere analytische Daten sind folgende: Paris quadrifolia: der Beerensaft enthält Saccharose: Kromer(I), Ananassa sativa: Saft enthält 9,15—15,23% Zucker nach Kellet (2). Berberis vulgaris: Früchte enthalten 3,57% Zucker nach Lenssen (3). Saft aus unreifen Morusfrüchten : 2,74% Zucker: Wright und Patterson (4). Hagebutten enthalten 10,2-13,76% Invertzucker und 0,59-2,43% Rohr- zucker nach Wittmann (5). Saft aus fast reifen Fragariafrüchten führt 1,28—3,04% reduzierenden Zucker und 0,34-1,23% Saccharose nach Paris (6). Eriobotrya japonica führt Saccharose und Invertzucker, Sorbus domestica und Mespilus germanica nur reduzierenden Zucker nach Born- träger (7). Das Fruchtmus von Gymnocladus canadensis enthält je 15% an Saccharose und reduzierendem Zucker nach Stone und Test (8). Ceratonia siliqua: in den Früchten bis über 43% Gesamtzucker nach Balland (9). Citronensaft enthält 2,45% Glucose nach Carles(10). Vitis vinifera: Rohrzucker ist in manchen Sorten von Weinbeeren tat- sächhch enthalten nach Gore und Alwood(II). Fruchtsaft von Punica Granatum enthält nach Bornträger u. Paris (12) 7,81 — 13,69% reduzierenden Zucker. Opuntia- Früchte : Fructose, Glucose, vielleicht auch Pentose, nach Hare (13). Arbutus Unedo sowie Diospyros virginica, Lotus und Kaki enthalten Invert- zucker nach Bornträger (7). Vaccinium macrocarpum führt im Saft 2,23% Zucker nach Prescott (14). Vaccinium Myrtillus, Fruchtsaft: 8,84% Invertzucker; Oxycoccos: Frucht- ;ßaft 8,20% Invertzucker nach Feder (15), Solanum Lycopersicum enthält 3,105% Glucose nach Both(16). Coffea arabica, reife trockene Früchte enthalten nach Boussingault(17) 8,73% Invertzucker und 2,37% Rohrzucker, Symphoricarpus racemosa enthält in den Beeren 5,9% Invertzucker nach Hermann und Tollens(18). Viburnum dentatum. Beeren enthalten 35,74% Zucker nach Blake (19). Viburnum Lentago führt Invertzucker nach Gillette (20). CitruUus vulgaris, führt im Saft der reifen Frucht, der 43 (jewichtsprozente ausmacht, 5,5% reduzierenden Zucker und meist mehr als 1% Saccha- rose : Sherwin und May (21 ), 1) Kromer, Arch. Pharm., 239, 393 (1901). — 2) W. P. Kelley, Journ. Ind. and Eng. Chem. (1911), p. 403. — 3) E. Lenssen, Ber. Chem. Ges., 3, 966 (1870). — 4) A. Wright u. Patterson, Journ. Chem. Soc, jj, 78 (1878). — 5) Wittmann, Chem. Zentr. (1904), /, 820. — 8) G. Paris, Chem.-Ztg., 26, 248 (1902). — 7) A. Bornträger, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 5, 145 (1902). — 8) Stone u. Test, Amer. Chem. Journ., 15, 660 (1893). — 9) Balland, Journ, Pharm, et Chim. (6), 19, 569 (1904). — 10) P. Carles, Just Jahresber. (1878), /, 251. — 11) H, C, Gore, Journ. Lid. and Eng. Chem. (1909), p. 436. Alwood, Ebenda (1910), p. 481. — 12) Born- TRlGER u. Paris, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel (1898), p. 158. — 13) R. F. Hare, Biochem. Bull., 2, 173 (1912). — 14) Prescott, Just botan. Jahresber. (1878), /, 251. — 15) E. Feder, Pharm. Zentr. Haue, 5 J, 1321 (1912). — 16) Both, Just botan. Jahfesber. (1890), //, 429. — 17) Boüssingault, Compt. rend., 91, 639 (1880); Agronomie, 7, 77. — 18) Hermann u. Tollens, Lieb. Ann,, 230, 50 (1885). — 19) C. R. Blake, Chem. News, wo, 210 (1910). — 20) Gillette, Ebenda, 103, 205 (1911). — 21) Sherwin u. May, Journ. Ind. and Eng. Chem. (1912), p. 585, 492 Sechzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel im Fortpflanzungssystem. Eine große Anzahl tropischer Früchte hat Prinsen Geerligs(I) analysiert, wonach 100 Teile des Fruchtfleisches an Zucker die nachstehenden Mengen aufwiesen: Saccharose Glucose Fructose Gesamtzucker 0/ O/ 0/ 0/ /o /o /o /o Achras Sapota 7,02 3,7 3,4 14,12 Ananassa sativa 8,61 1,0 0,6 10,21 Anona muricata 2,53 5,05 4,04 11,62 reticulata - 6,20 4,22 10,42 „ squamosa 0,5 5,40 3,6 9,50 Artoearpus integrifol 3,7 1,14 — 4,84 Averrhoea Carambola .... 0,82 5,50 3,7 10,02 Garica Papaya 0,85 2,60 2,1 5,55 Cicca nodiflora - 0,33 1,0 1,33 Citrullus edulis 2,13 — 2,75 4,88 Citrus Aurantium 3,06 2,40 1,60 7,06 Durio zibethinus 8,07 1,80 2,20 12,07 Flacourtia sapida 0,50 0,41 0,70 1,61 Garcinia Mangostana .... 10,80 1,0 1,20 13,0 Jambosa alba 0,53 3,2 3,20 6,93 Lansium domesticura .... 9,98 1,67 2,50 14,15 Mangifera indica dulcis . . . 9,48 0,62 1,98 11,98 „ „ acida . . . 3,60 - 1,90 5,50 Musa paradisiaca 13,68 4,72 3,61 22,01 Nephehum lappaceum . . . 7,80 2,25 1,25 11,30 Persea gratissima 0,86 0,40 0,46 1,72 Psidium Guajava 1,66 2,00 0,50 4,16 Spondias mangifera 2,94 1,68 1,84 6,46 Tamarindus indica — 5,81 2,51 8,32 Zalacca eduüs 8,07 2,40 — 10,47 Mannit wurde durch Boüssingaült in den reifen Coffeafrüchten zu 2,21% der Trockensubstanz gefunden; auch die Beeren der Hippophae rhamnoides enthalten nach Erdmann (2) Mannit. Reife Früchte von Prunus Laurocerasus führen nach Vincent und Delachanal(3) Mannit und Sorbit in gleicher Menge. Sorbit ist bei Pomaceen verbreitet: in den Früchten von Sorbus Aucuparia nach Boüssingaült (4), in Birnen, Äpfeln und Mispeln nach Vincent und Delachanal (B). Als Beispiele für den Gang der Reifung und die damit ver- bundenen Änderungen im Zuckergehalte seien noch einige Daten bei- gefügt. Für Pirus salicifolia macht Johanson(6) folgende Angaben: 15. Juli 30. Juli 14. Aug. 28. Aug. 14. Sept. 28. Sept. 12. Okt. O/ 0/ 0/ 0/ 0/ 0/ 0/ /o /o /o /o /o /o /o Trockensubstanz . . 47,29 49,29 46,58 49,06 39,59 36,30 38,01 Wassergehalt . . . 52,79 50,71 53,42 50,94 60,42 63,69 61,99 Asche 1,18 2,05 2,43 1,37 1,80 1,57 1,73 Zucker 1,32 1,58 2,13 3,67 9,06 9,28 11,31 Stärke 3,50 7,04 5,96 8,30 6,53 6,40 6,84 1) Pbinsen Geerligs, Chem.-Ztg., 2/,^ 719 (1897). — 2) Erdmann, Ber. Chem. Ges., 32, 3351 (1899). — 3) Vincent u. Delachanal, Corapt. rend., 114, 486 (1892). — 4) Boüssingaült, Ann. de Chim. et Phys. (4), 26, 376. — 5) Vin- cent u. Delachanal, Bull^ Soc. Chim. (2), 22, 264. — 6} E. Johanson, Apoth.- Ztg., 6, 369 (1891). Durchschnitts- gewicht von 10 Früchten Wasser Trocken fiubst. Gesamt- säare Zucker Asche g 0/ /o 0/ /o 0/ /o 0/ /o % 1 6,375 88,88 11,12 0,213 2,93 0,478 . 8,259 83,73 16,27 0,310 3,13 0,516 . 13,210 82,13 17,87 0,412 4,42 0,646 . 30,800 83,63 16,35 0,421 9,12 0,656 . 37,190 81,22 18,78 0,462 10,26 0,739 § 2. Kohlenhydrate in Früchten. 493 Für die Reifung von Prunus Avium gab Keim (1) die folgenden Zahlen: Grün, erbsengroß, 15. Mai Wenig größer, 21. Mai . Größer, gefärbt, 28. Mai . Annähernd reif, 10. Juni Vollreif, 19. Juni .... Früchte von Vaccinium wurden durch Omeis und Oelze (2) unter- sucht. Für die Heidelbeere konstatierte Omeis folgenden Gang der Zucker- bildung: Acidität /o 0,65 1,62 1,82 1,58 1,07 Vaccinium Vitis Idaea zeigt nach Oelze analoge Veränderungen. Indem auf die Untersuchungen der Reifung der Früchte von Amyg- dalus persica durch Bigelow und Gore (3) sowie auf die Arbeit von Leclerc DU Sablon (4) über Reifung von Cucurbitaceenfrüchten verwiesen werden soll, seien noch die von ScURTi und DE Plato (5) an reifenden Orangen ermittelten Zahlen angeführt; die hier vorkommenden Zuckerarten sind Glucose, Fructose und Saccharose. Reduzierender Zucker 7o Nichtreduzierender Zucker 7o Büße gewöhnl. bittere süße gewöhnl. bittere Sorte Wasser 0/ Trocken- substanz 9. Juni: Beeren grün . . . /o 82,55 /o 17,45 25. „ Beginn der Rötung 76,87 23,13 25. „ rote Beeren . . . — — 7. Juh: Übergang in Blau . 79,47 20,53 12. „ Blaureife Beeren . 83,50 16,50 nvert- Rohr- ucker zucker % % 0,02 0,17 0,42 0,74 1,90 — 1,90 — 5,06 — 16. November 6,13 2,38 1,56 0,57 2,76 0,94 1. Dezember 6,85 2,64 1,77 1,25 3,32 1,13 16. „ 6,85 3,00 2,37 0,71 3,23 0,65 1. Januar , . 7,95 2,92 2,32 1,05 3,78 1,97 18. „ . . — 3,33 2,93 — 3,13 2,05 Die Reifung der Frucht von Solanum Lycopersicum verfolgte Alba- HARY (6), Invertin, welches von Martinand (7) für Traubenbeeren speziell nach- gewiesen ist, dürfte wohl in keiner Frucht, wo Saccharose und Invertzucker gemeinsam auftreten, fehlen, doch sind generelle Untersuchungen hierüber nicht vorhanden. Von besonderem Interesse sind die durch Vinson (8) an der Dattelfrucht aufgefundenen Verhältnisse, wo das Invertin der un- reifen Früchte als Endoenzym zurückgehalten wird und auf den Rohr- 1) W. Keim, Ztsch. analyt. Chem. (1891\ p. 401. — 2) Th. Omeis, Just botan. Jahreeber. (1889), /, 30. Oelze, Ebenda (1890), /, 89. — 3) Bigelow u. GoKE, Joum. Amer. Chem. Soc., 27. 915 (1905). — 4) Leclerc du Sablon, Compt. rend., 140, 320 (1905). Amylaae im Fruchtsaft von Ecballium: A. Bekg, Compt. reud., 154, 370 (1912). — 5) F. ScuRTi u. G. de Plato, Ann. Staz. Chira. agr. spez. Rom. (2), 2, 225 (1907). — 6) Albahary, Compt. rend., 147, 1-16 (1908). — 7) Martinand, Ebenda, /j/, 808 (1900). — 8) A. E. VmsoN, Annual ßep. Univ. Arizona Agr. Exp, Stat. (1907); Plant World, /j, Nr. 1 (1910). 494 Siebzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel bei phanerogamen Parasiten. Zucker nicht einwirkt, in der reifen Frucht aber von den Zellen leicht ab- gegeben wird und die Saccharose hydrolysiert. Invertin ist durch Mierau (1), sowie durch Tallarico (2) ferner in reifenden und reifen Bananen gefunden. Bananenfrüchte enthalten im unreifen Zustande große Massen von Stärke, bis zu 85%, bei 12—19,6% Wassergehalt (3). Diese Stärke schwindet in der Reife und Nachreife durch die Einwirkung des diastatischen Fermentes, welches Tallarico, solange die Früchte grün sind, vorfand. Da Prinsen Geerligs (4) bei der Zuckerbildung in der Nachreife von Pisang und Mango- pflaume das Enzym nicht nachweisen konnte, so wäre wohl an ein Endo- enzym zu denken. In der Nachreife verschwindet die Stärke vöüig und es treten große Rohrzuckermassen auf. Lindet(5) fand in brasiüanischen Früchten 8,2% Saccharose und 2,6% reduzierenden Zucker, während in den an importierten Bananen durch Ricciardi (6) angestellten Analysen, offenbar infolge Inversion, nur mehr 0,2 des Gesamtzuckers Saccharose war. Nach Bailey (7) zeigen folgende Zahlen die stoffüchen Unterschiede zwischen unreifen und reifen Bananenfrüchten: Reduzier. Zucker Zucker nach Inversion Dextrin usw. Stärke Kohlenhydrate total Unreif . Reif. . . 0,08% . 4,21% 0,15% 5,82% 0,5 % 3,43% 13,99 % 0,71% 16,93% 14,92% Der in Früchten abgelagerte Zucker wird zum größten Teil nicht an Ort und Stelle, sondern in den Blättern gebildet. Nach Entblätterung von Wein- stöcken sah Marescalchi (8) den Zuckergehalt der Beeren von 21,0% auf 17,5% sinken und die Säure von 14 ^/qq auf 17,5 "/„o ansteigen. Siebzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel bei phanerogamen Parasiten und Saprophyten. Die merkwürdigen Ernährungsverhältnisse der grünen und chloro- phyllfreien Parasiten und Saprophyten unter den Blütenpflanzen sind selbst bei den mitteleuropäischen Formen trotz vieler umfassender Unter- suchungen, die im Laufe der Zeit über die Lebensweise dieser Gewächse sowie über den anatomischen Bau und den Zusammenhang mit der Wirtspflanze angestellt wurden, in den meisten Stücken noch unbekannt. Speziell der Kohlenhydratstoffwechsel bedarf noch bei fast allen phanero- gamen Saprophyten und Parasiten einer eingehenden Aufklärung. Früher hatte man sich damit begnügt, den chlorophyllführenden sich durch Wurzelhaustorien ernährenden Parasiten aus den Gruppen der Santalaceen und Rhinanthaceen selbständige Kohlensäureassimüation zuzuschreiben und hatte eine Bedeutung des Parasitismus für den Kohlenhydratstoffwechsel gänzlich in Abrede gestellt. Sodann behaup- 1) Mierau, Chem. Zentr. (1893), //, 535. — 2) G. Tallarico, Arch. Farm. Sperim., 7, 27 (1908). — 3) Schellmann, Der Pflanzer, 2, 353 (1906). — 4) Prinsen Geerligs, Archief voor de Java Suik. Ind. (1908), Ijfr. 5, p. 267. — 5) Lindet, Bull. Soc. Chim., 40, 65 (1882). Marcano u. Muntz, Ber. Chem. Ges., 12, 668 (1879). — 6) R1CCLÄ.RDI, Compt. rend.„ 95, 393; Ber, Chem. Ges., 15, 2389 (1882). — 7) Bailey, Journ. Amer. Chem. Soc., 34, 1706 (1912). — 8) A. Marescalchi, Staz. sper. agr. ital., 45, 940 (1912). Siebzehntes Kapitel: Der Kohlenhydratstoffwechsel bei phanerogamen Parasiten. 495 tete aber Bonnier (1), daß die Chlorpplasten der Euphrasia- Arten trotz ihres Chlorophyllgehaltes viel weniger aktiv seien als bei anderen grünen Gewächsen. Dies hat sich jedoch nicht bewahrheitet. Pfeffer und EwART (2) zeigten, daß die Chlorophyllkömer der Euphrasien ebenso lebhaft Sauerstoff ausscheiden wie andere Chloroplasten , und Hein- richer (3) erbrachte durch die an abgeschnittenen Euphrasiasprossen angestellte Jodprobe den Nachweis, daß in den Blättern auch ohne Zusammenhang mit der Wirtspflanze sehr reichlich Stärke entsteht. Ähnlich verhält sich nach Heinricher auch Bartschia alpina. Daß es jedoch wirklich grüne Wurzelparasiten gibt, die nachweislich schwächer Kohlensäure assimilieren als andere grüne Pflanzen, konnte Heinricher an Tozzia alpina konstatieren, einer Pflanze, welche übrigens eine lange Lebensperiode als unterirdischer Holoparasit durchläuft. Tozzia hat nach Heinricher stets einen etwas gelblichen Ton in ihrer Laubfarbe und bestätigt so die ältere Meinung, daß der Chlorophyllgehalt ein deutlicher Hinweis auf die Intensität der selbständigen Kohlensäureassimilation sei. Heinricher (4) wies ferner nach, daß unsere heimischen Melampyrum- arten typische Wurzelparasiten sind, so wie es von Alectorolophus und Euphrasia schon lange feststeht. Nach L. Koch (5) sind bei diesen Gewächsen die Haustorien in einen resorbierenden Teil und einen extra- matrical gelegenen, als Reservestoffbehälter fungierenden Teil physiologisch gegliedert Doch dürften in dem als Speicherorgan dienenden knopf- artigen Teil des Haustoriums kaum Kohlenhydrate in erheblichem Maße vorhanden sein. Die ähnlichen Verhältnisse der Santalaceen sind durch Barber für die Wurzelhaustorien von Santalum(6) sowie durch Fraysse für Osyris in neuerer Zeit erläutert worden (7). Kusano hat sich mit dem Parasitismus von Aeginetia befaßt (8). Die chlorophyllarmen und chlorophyllfreien Formen der Parasiten und Saprophyten sind in ihren Hauptvertretern meist anatomisch sehr ausführlich untersucht worden, bezüglich ihres Kohlenhydratstoffwechsels aber sind nur gelegentlich gefundene Einzelheiten bekannt geworden. Cuscuta monogyna wurde durch Molliard(9) in zuckerhaltiger Nähr- lösung mit Erfolg gezogen und darin auch zur Blüte gebracht. Die Haustorienbildung wurde jedoch durch diese Ernährungsweise nicht be- einträchtigt. Beim Vordringen der Haustorien von Cuscuta in den Ge- weben der Wirtspflanze spielen nach den Feststellungen von Peirce(IO) neben der mechanischen Wirkung zellwandlösende Enzyme eine wichtige Rolle, wie Koch (11) vor längerer Zeit vermutet hatte. Die sekretorischen Vorgänge an den Cuscutahaustorien hatte übrigens bereits Mohl(12) nicht unbeachtet gelassen. Peirce fand zweifellos eine Cytase in dem Haustorialsekret und konnte auch eine starke amylolytische Wirkung des Sekretes durch Korrosion von Starkekörnern nachweisen. 1) G. BoNNiEE, Compt. rend., 113, 1047 (1891). — 2) Pfeffer, Ber. math.- phys. Kl. d. Sache. Ges. d. Wiss. (1896). Ewart, Journ. Linn. Soc, j/, 446 (1896). — 3) Heinricher, Jahrb. wiss. Botan., 32, 438 (1898); jö, 706 (1901). — 4) E. Heenricher, Ber. Botan. Ges., 22, 411 (1904); Jahrb. wiss. Botan., 46, 273 (1909). L. Gautier, Rev. g^n. Botan., ao, 67 (1908). — 5) L. Koch, Ber. Botan. Ges., 5, 350 (1887); Jahrb. wiss. Botan., 20, I (1889). — 6) C. A. Barber, Dept. Agr. India, Bot. Ser, (1907), /, 1. — 7) A. Fraysse, Diss. (Montpelüer 1906). — 8) S. Kusako, Beihefte botan. Zentr., 24, I, 286 (1909). — 9) Moixiard, Compt. rend., 147, 685 (1908). — 10) Peirce, Ann. of Botan., 8, 105 (1894). — 11) Koch, Die Klee- u. Flachsseide (1880), p. 56. — 12) Mohl, Bau u. Winden der flanken (1827). 496 Siebzehntes Kapitel : Der Kohlenhydratstoffwechsel bei phanerogamen Pflanzen. Über die Reservestoffablagerungen bei Holoparasiten sind wir durch Heinricher (1) für Lathraea clandestina und Squamaria näher unterrichtet. In dem großzelligen Rindenparenchym der Lathraea clandestina-Haustorien sind meist viele Stärkekörner vorhanden, die sich gewöhnlich mit Jod rein blau färben, jedoch öfters auch einen rötlichen Ton bei der Jodreaktion geben. In dem Tracheiden führenden zentralen Teil findet sich oft reichlich kleinkörnige Stärke, die sich mit Jod rein rot färbt. Lathraea Squamaria enthält die erwähnte Rindenstärke nicht, wohl aber die kleinkörnige jodrötende Form. Bemerkenswert ist es, daß eine ganze Reihe von chlorophyllfreien und chlorophyllhaltigen saprophytischen Phanero- garaen, wie unter den Orchideen Epipogon, Limodorum, Goodyera, Ma- laxis u. a., femer Gentianaceen, wie Sweertia, Cotylanthera (2) kleine Stärkekörner, die sich mit Jod rot färben, in reichlicher Menge enthalten. Über die Stärkespeicherung im Rhizom von saprophytischen Erdorchideen, CoraUiorhiza, hat Mac Doügal(3) Mitteilungen gemacht, und der Stärke- gehalt des unterirdischen Stammes und anderer Teile der Neottia Nidus wurde bereits durch Drude (4) festgestellt. Monotropa Hypopitys enthält nach Russow(5) jodrötende Stärke. Nach W. Magnus (6) führen im Wurzelsystem der Neottia selbst die von dem endotrophen Mycorrhiza- pilz bewohnten Zellen der Rinde oft kleinkörnige Stärke. Neottia neigt sehr stark zur vegetativen Vermehrung, so daß diese Stärkevorräte eine physiologische Notwendigkeit darstellen (7). Für die Orobanchen und verwandte Parasiten fehlen Angaben. Die Aufnahme der Kohlenhydrate durch alle diese parasitisch und saprophytisch lebenden Pflanzen ist ein schwieriges experimentelles Problem und erst in wenigen Punkten einigermaßen bestimmbar. In neuerer Zeit ist die bereits durch Frank (8) geäußerte Ansicht, daß die mit endotropher Mycorrhiza ausgerüsteten Saprophyten durch die Ver- dauung der Pilzhyphen und Resorption der aus den zugrundegehenden Teilen des Mycels gelieferten Kohlenstoffverbindungen mindestens einen wesentlichen TeU ihres Kohlenstoffbedarfs decken, durch W. Magnus und Shibata(9) sehr wahrscheinlich gemacht worden. Doch sind wir weit davon entfernt, einen einigermaßen befriedigenden Einblick in den Chemismus dieser Vorgänge zu besitzen, nachdem einstweilen vorzüglich morphologische Methoden zur Untersuchung dieses Problems heran- gezogen worden sind. Die ektotrophe Mycorrhiza scheint nach den Untersuchungen von Stahl (10) keine Bedeutung für die Kohlenstoff- gewinnung aus dem Humussubstrate zu besitzen, sondern vor allem einen Ersatz für die mangelhafte Wurzelhaarbildung darzustellen. 1) Heinkicher, Beitr. Biol. d. Pfl., 7. 342 (1896). — 2) Figdor, Ann. jard. botan. Buitenzorg, 14, 224 (1896). — 3) Mac Douqal, Contrib. New York. Botan. Gard. (1899). Symbiose and Saprophytism, p. 520. — 4) Drude, Biol. v. Monotropa u. Neottia (1873). — 5) Russow, Auskleidung d. Intercellularen. Sitz.ber- Dorpater Naturf. Ges., 7, I (1884). Drudes „Monotropin" ist wohl mit der jodrötenden Stärke identisch. — 6) Werk. Magnus, Jahrb. wiss. Botan., 35, II (1900). — 7) Vgl. J. Peklo, Flora, 96, 260 (1906). — 8) A. B. Frank, Ber. Botan. Ges., 9 (1891). — 9) Shibata, Jahrb. wiss. Botan., 37, 644 (19(^). — 10) Stahl, Ebenda, 34, IV (1900). Achtzehntes Kapitel : Resorption von KohlenBtof£verbindungen durch Wurzeln usw. 497 Achtzehntes Kapitel: Resorption von Kohlenstoffverbin- dungen durch Wurzeln und Blätter von Phanerogamen, § 1- Wurzeln. Die Resorption von Kohlenstoffverbindungen durch Phanerogamen- wurzeln ist tatsächlich möglich und hat sich sowohl für stickstoffreie als stickstoffhaltige Substanzen erweisen lassen. Es steht mithin der An- nahme nichts im Wege, daß auch im normalen Leben der Pflanzen eine Aufnahme von Kohlenstoffverbindungen durch das Wurzelsystem vor- kommen kann. Es bleibt jedoch noch zu bestimmen, ob in der Natur faktisch Verhältnisse existieren, unter denen grüne Pflanzen mit Vorteil von Kohlenstoffverbindungen des Wurzelsubstrates Nahrung ziehen und wenigstens teilweise neben der normalen Kohlensäureassimilation regel- mäßigen Nutzen hiervon haben. Bezüglich der Saprophyten wurden die wenigen einschlägigen Erfahrungen im Voranstehenden dargelegt und die Verhältnisse autotropher Pflanzen finden besser bei der allgemeinen Behandlung des Verhältnisses der Pflanzen zum Boden gelegentlich der Besprechung der Aschen Stoffaufnahme Erörterung. Hier genüge der Hinweis, daß erfahrungsgemäß Landpflanzen in völlig kohlenstoffreiem Boden ihr normales Fortkommen finden können, und wie schon Liebig überzeugend dartat, die allgemeinen Verhältnisse der Humusbildung durch Pflanzenreste sehr dagegen sprechen, daß die Kohlenstoffausnutzung eine erhebliche sein kann. Hierzu kommen die neueren Erfahrungen der Bodenbacteriologie, welche die Überlegenheit der Konkurrenz der Mikroben des Bodens bei der Ausbeutung der Humusstoffe hinreichend erwiesen haben. Immerhin sind die Versuche, welche die Möglichkeit einer künst- lichen Versorgung mit Kohlenstoffverbindungen mittels der Wurzel- tätigkeit erwiesen haben, von hohem Interesse. Nachdem Boehm(I) zum ersten Male die Möglichkeit einer Zuckeraufnahme durch die Wurzeln gezeigt hatte, gelang es Acton(2) bei Pflanzen, die in Nähr- lösung kultiviert waren, auch im Dunkeln Stärkebildung in den grünen Teilen zu beobachten, sobald 1 % Glucose, 0,5 % Glycerin, 0,5 % Sac- charose, 1 % Inulin oder 1 % lösliche Stärke durch die Wurzeln dar- gereicht worden war. Hingegen war das Resultat ein negatives bei Darreichung von Dextrin, Glykogen, Lävulinsäure, Humusextrakt, Acrolein, Allylalkohol, Acetaldehyd oder Aminoäthylalkohol. Laurent (3) kultivierte Maispflanzen am Licht in Nährlösung, welcher Glucose oder Invertzucker zugesetzt war, unter Beachtung sorgfältigen Fernhaltens von Bacterien. Auch dieser Forscher konnte an den Kulturen mit Zucker eine stärkere Zunahme an Trockengewicht, eine dunklere Farbe der grünen Blätter im Gegensatz zu den zuckerfreien Kontrollkulturen sowie eine Abnahme des Zuckergehaltes der Nährlösung feststellen. Die Pflanzen hatten demnach Zucker aufgenommen und verarbeitet. Die moderne Versuchs- technik verlangt allerdings zur Beweiskraft derartiger Experimente voll- ständige Abwesenheit von Mikroben, welche die dargereichten organische 1) J. BoEHM, Botan. Ztg. (1883), p. 54. — 2) H. Acten, Proceed. Roy 47, 150 (1890). — 3) J. Laurent, Compt. rend., 125, 887 (1897); 727, 786 135, 870 (1902); Soc. Biol. (1905), Nr. 3. Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 32 498 Achtzehntes Kapitel : Resorption von Kohlenstoff Verbindungen durch Wurzeln usw. Stoffe verändern könnten. Viele Untersuchungen haben gezeigt, daß dies nicht so leicht zu erreichen ist. Trotz aUer verbesserten Methoden zur sterilen Kultur von höheren Pflanzen (1) ist es erfahrungsgemäß am schwersten das Aussaatmaterial bacterienfrei zu machen, so daß es am besten zu sein scheint, Antiseptica anzuwenden und auf die vollständige Entfernung der den Samen anhaftenden Mikrobenkeime zu verzichten (2). Nach Arcichovskij (3) sind jedoch Samen innerhalb ganz unverletzter Früchte sicher keimfrei, und man hat bei Benützung solcher reifer Früchte dann tatsächlich das gewünschte sterile Aussaat- material zur Hand. In neuerer Zeit haben sich besonders Molliard, LuBiMENKO und LEFt:vRE(4) mit Erfolg bemüht, die Resorption von Kohlenstoffverbindungen durch Phanerogamenwurzeln zu studieren. Dabei ergab es sich, daß grüne Pflanzen ohne Kohlensäurezufuhr durch zucker- oder mannithaltige Nährlösung versorgt werden können. Jedoch ist Zutritt von schwachem Licht nötig, das so wenig intensiv zu sein braucht, daß es merkliche Kohlensäureassimilation nicht unterhalten kann. Es ist nicht völlig aufgeklärt, wie diese Ergebnisse zu verstehen sind, doch wäre es immerhin möglich, daß eine, wenn auch außerordentlich schwache, Ausübung der normalen Blattfunktion nötig ist, um ungestörte Ernährung aufrecht zu erhalten. Bemerkenswert ist es sodann, daß nicht alle Zucker- arten unterschiedslos von beliebigen Pflanzenspezies verarbeitet werden, sondern z. B, Saccharose von Nasturtium nicht ausgenutzt wird, während Rhaphanus diese ebenso verarbeitet wie Glucose. Lubimenko gibt an, Alkoholgärung des Zuckers durch die aufnehmenden Wurzeln beobachtet zu haben. Stickstoffhaltige Verbindungen sind besonders in den Ver- suchen von Lefevre berücksichtigt worden, und Fütterung mit Amiden konnte das Anfangsgewicht der Pflanzen binnen 10 — 14 Tagen verdrei- fachen. Rhaphanuswurzeln nehmen nach Molliard Pepton oder Asparagin gut auf. Nach Ravin(5) sind organische Säuren in verdünnter Lösung trefflich geeignet, besser als die Neutralsalze derselben. Nach Lövin- SON werden Formiate, Acetate und Propionate von Phanerogamenwurzeln wohl aufgenommen, entfalten jedoch selbst bei allmählicher Steigerung der Dosis kaum jemals einen nennenswerten Nährerfolg (6). Nach Zaleski und Marx (7) zersetzen Keimlinge von Pisum, Lupinus, Faba (nicht aber unreife Erbsen) Brenztraubensäure, gerade so wie Hefe, in COg und Acetaldehyd, enthalten also Carboxylase. Bokorny(8) nimmt an, daß Methylalkohol von grünen Pflanzen durch die Wurzeln in einem gewissen Ausmaße nicht nur aufgenommen, sondern auch ausgenutzt werden kann. Für den Äthylalkohol hingegen soll das gleiche nicht gelten. Wenn in der Natur wirklich verschiedene Kohlenstoffverbindungen durch die Wurzeln aufgenommen werden sollten, so hätte man wohl die Ausscheidung von hierzu dienlichen Fermenten durch die Wurzeln zu erwarten. Nach den vorliegenden Erfahrungen kann es sich jedoch bei 1) Apparate zur sterilen Kultur höherer Pflanzen: R. Combes, Compt. rend., J54, 891 (1912). V. Gräfe, Abderhaldens Handb. biochem. Arb.meth., 6, 139 (1912). — 2) Vgl. R. DE Zeeuw, Zentr. Bakt., j/, 4 (1911). — 3) V. Aecichovskij, Ebenda, 36, 421 (1912). — 4) Molliard, Compt. rend., 141, 389 (1905); 142, 49 (1906); BuU. See. Botan., 5Ö, 382 (1909); 55, 636 (1908); 53, 61 (1906); Rev. gän. Botffn., 19, 242 (1907). W. Lubimenko, Compt. rend., 143, 130 u. 516 (1906). J. Lefevre, Ebenda, 141, 211, 664, 834, 1035 (1905); 142, 287 (1906); 143, 322 (1906). Maze, Ebenda, 128, 185 (1899); 139, 470 (1904). — 5) Ravin. Ebenda, 154, HOC (1912). — 6) O. LövufsON, Botan. Zentr., 83, 1 (1900). — 7) W. Zaleski u. E. Marx, Biochem. Ztsch., 48, 175 (1913). — 8) Th. Bokorny, Zentr. Bakt., 30, 53 (1911). § 2. Blätter und Laubsproase. 499 Enzymausscheidungen von Wurzeln von Blütenpflanzen höchstens um vereinzelte Vorkommnisse, jedoch nicht um allgemein verbreitete Ein- richtungen handeln. Schon Duclaüx(1) wies auf Grund kritischer Ver- suche die Ansicht ab, daß Phanerogamenwurzeln Invertin, Diastase oder Emulsin sezemieren. Auch die später von Molisoh(2) vertretene Meinung, daß bei Wurzeln tatsächlich invertierende und diastatische Wirkungen vorkommen, hat sich nach eigenen unter sorgfältiger Ver- meidung von Verletzungen und Bacterienwirkungen angestellten Ver- suchen (3) nicht beibehalten lassen, so wie auch Wohllebe (4) höchstens eine gelegentliche Enzymausscheidung durch Wurzeln zugestehen kann. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß es derzeit noch unbekannte Fälle von wirklicher und biologisch bedeutsamer Enzymausscheidung durch manche Wurzeln gibt. Mit großer Reserve nehme ich auch die älteren Angaben auf, wonach beim Durchbrechen der Seitenwurzeln Enzymwirkungen auf das Gewebe der Mutterwurzel entfaltet werden und der Durchbruch nicht nur auf Rechnung von mechanischen Wir- kungen zu stellen ist (5). So wird auch die im natürlichen Boden häufig vorkommende Durch- bohrung von Pflanzenbestandteilen durch wachsende Wurzeln voraus- sichtlich nur durch mechanische Mittel zustande kommen und die An- nahme zellhautlösender Enzyme (6) ist durch nichts gerechtfertigt. Über- haupt stimmen alle diese Befunde darin überein, daß eine Verarbeitung von Humusstoffen durch Phanerogamenwurzeln, wie dieselbe früher allgemein angenommen wurde (7), und selbst in neuerer Zeit in der Literatur noch hier und da immer wieder auftaucht (8), nicht stattfindet. Die kritischen Untersuchungen von Molliard(9) kamen zu dem Er- gebnisse, daß bei Rhaphanus wohl Kohlensäure aus Humusstoffen auf- genommen wird, nicht aber eine Ausnützung von Humusstoffen statt- findet oder höchstens in unbedeutendem Maße. Die Abwesenheit von Enzymen in den von Wurzeln ausgeschiedenen Sekreten, verhindert es nach MAzfi(lO) nicht, daß selbst kolloidale Stärkelösung aufgenommen wird, so daß also Bodenkolloide immerhin als direkt aufnehmbar er- scheinen. §2. Blätter und Laubsprosse. Die Entdeckung, daß in Chloroplasten von Blättern, für deren vorherige Entstärkung durch hinreichend lange Verdunklun(j gesorgt wurde, im Dunkeln durch künstliche Zuckerzufuhr Stärkebildung hervor- gerufen werden kann, verdanken wir J. Boehm(II). Normale und etio- lierte Blätter sind hierzu gleich gut geeignet und es hängt, wie spätere Forschungen ergaben, das Gelingen des Versuches nur von der ver- 1 ) DucLAUx, Compt. rend., wo, 66 (1885). — 2) H. Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak., 96, 1 (1887). — 3) F. Czapek, Jahrb. wiss. Botan., 29, 321 (1896). — 4) Wohl- lebe, Dies. (Leipzig 1911). — 5) Reinke, Hansteins botan. Abhandl., /, 3. VoN- HÖNE, Flora (1880), p. 227. Ph. van Tieghem u. Douliot, Bull. Soc. Botan., 33, 252 (1886). — 6) Z. B.: Höveler, Jahrb. wiss. Botan., 24, 283 (1892). — 7) Vgl. Moleschott, Physiol. d. Stoffwechsels, p. 58 (Erlangen 1851). — 8) Z. B.: Cailletet, Compt. rend., 152, 1215 (1911). In den Versuchen von Coppin, Biochem. Joum., 6, 416 (1912) dürfte es sich wohl um Verwechslung mit Reizwirkungen auf das Wurzel- wachstum handeln. — 9) Molllard, Compt. rend., 154, 291 (1912). — 10) Maze, Ebend«, 152, 783 (1911). — 11) J. Boehm, Botan. Ztg. (1883), p. 36. 500 Achtzehntes Kapitel : Resorption von Kohlenstoff Verbindungen durch "Wurzeln usw. wendeten Pflanzenspezies sowie von der dargereichten Kohlenstoffver- bindung ab. A. Meyer (1), der sich in der Folge eingehend mit der Stärke- bildung aus zugeführter Kohlenstoffnahrung bei abgetrennten Laubblättern befaßt hat, fand relativ wenige Stoffe als ein hierbei geeignetes Material. Sehr allgemein erzielt man Erfolge mit Glucose und Fructose; Galactose ist bei Caryophyllaceen nach Meyer in bestimmtem Grade geeignet. Mannose wurde von Meyer noch nicht geprüft, ist jedoch nach eigenen Erfahrungen gleichfalls ein von verschiedenen Pflanzenblättern resorbier- bares und zur Stärkebildung geeignetes Material. Rohrzucker wirkt fast in allen Fällen als ausgezeichneter Nährstoff; Maltose fand Meyer manchmal sehr günstig. Milchzucker gab fast überall negative Resultate und auch Raffinose war unwirksam. Die Blätter sämtlicher Mannit führender Oleaceen, wie Ligustrum, Syringa, Olea, Phillyrea und Fraxinus bildeten auch auf Mannitlösung Stärke. Dulcit war bedeutend ungünstiger, Erythrit ergab nur negative Resultate. Nach Treboux ist für die Blätter von Rosaceen Sorbit zur Stärkebildung sehr geeignet, obwohl er sonst nicht verarbeitet wird (2), Derselbe Forscher fand Adonit in vielen Fällen als ein brauchbares Material zur Stärkebildung (3). Glycerin führte in Meyers Versuchen vereinzelt zur Stärkespeicheruug. Saposchni- K0FF(4) untersuchte besonders die Resorption von Saccharose durch Laubblätter und gab quantitative Belege über den Vorgang. Die grünen und weißen Partien panachierter Blätter wiesen anscheinend keine Diffe- renzen in ihrer Amylumbildung auf. Nach 7 tägigem Liegen auf 20 %iger Rohrzuckerlösung hatte eine Blatthälfte von Astrapaea Wallichii an Glucose von 0 auf 0,06 g, an Stärke von 0 auf 0,052 g oder 5,3 g auf 1 qm Blattfläche zugenommen. Eine Blatthälfte von Nicotiana zeigte unter den gleichen Verhältnissen ein Plus von 0,097 g Stärke. Lindet(5) verfolgte die Amylumbildung an Zuckerrübenblättern bei Darreichung von Glucose und Fructose. Laurent (6) fand in zahlreichen Experimenten mit etiolierten Kartoffel sprossen von allen geprüften Stoffen Stärkespeicherung nur in den Fällen von Glycerin 10,5%, Glucose und Fructose 15%, 10%, b%, 2,5%, Galactose 10,5%, Saccharose in Konzentrationen zwischen 1 — 40%, Lactose zwischen 5 — 25%, und Maltose 5% und 10 %o. Mannit und Dulcit waren nicht tauglich. Sodann fand Nadson(7) für eine Reihe von Laubblättern Milchzucker, Glycerin, manchmal auch Dextrin tauglich; Inulin ergab nirgends positive Befunde, Mannit nur bei Oleaceen, Dulcit nur bei Ligustrum und Cheiranthus. Mangin(8) injizierte verschiedene Laubblätter mit Lösungen von organischen Säuren, um die Ausnützung dieser Stoffe zu prüfen. Ein positives Resultat ergab sich jedoch in keinem Falle, was bezüglich der früheren durch Liebig verfochtenen Ansicht über die Bedeutung der organischen Säuren für die Zuckerbildung im Assimilationsprozesse vielleicht als Gegenargument in Betracht zu ziehen ist. Aber während das Erscheinen der Stärke in den zur Amylumbildung befähigten Blättern ein sicheres Zeichen für die erwähnte Resorption und Verarbeitung der betreffenden 1) A. Meyer, Botan. Ztg. (1886), p. 105. — 2) O. Treboux, Ber. Botan. Ges., 27, 507 (1909). — 3) Treboux, Ebenda, p. 428. — 4) W. Saposchnikoff, Ebenda, 7, 258 (1889). — 5) Lindet, Compt. rend., 152, IIb (1911). — 6) E. Laurent, Bull. Sog. Roy. Botan. Belg., 26 (1888). — 7) G. Nadson, Botan. Zentr., 42, 48 (1890). — 8) Mangix, Compt. rend., 108, 716. Neunzehntes Kapitel: Sekretion von Zucker und Kohlenhydraten. 501 Verbindung ist, darf man die negativen Ergebnisse nur mit gewisser Vor- sicht verwerten, da eine Resorption und Verarbeitung ohne nachweisbare Stärkebildung vielleicht nicht für alle Fälle sicher ausgeschlossen ist. Bei Blättern, welche normal keine Stärke bilden, ist übrigens die Zucker- aufnahme gleichfalls experimentell sichergestellt worden. So erwies ScHiMPER(l) für die Blätter der saccharophyllen Impatiens parviflora die Aufnahme von Zucker, und Pfeffer (2) konnte Glucosespeicherung für die zuckerfrei gemachten Keimlingsblätter von Allium Cepa sicher- stellen. An Moosblättern ist Amylumbildung bei Zuckerfütterung von Pfeffer gleichfalls beobachtet worden. Nach Kimpflin(3) soll in Farnprothallien im Dunkeln sogar aus Acrolein Zucker- und Stärkebildung möglich sein. Für das normale Leben der Blätter ist in bezug auf die Nischen- blätter der Bromeliaceen die Aufnahme von Kohlenstoffverbindungen aus dem in den Blattbasen angesammelten Humus angegeben worden (4), doch müssen noch weitere Untersuchungen entscheiden, in welchem Umfange solche Prozesse für das Gedeihen dieser Humussammler von Belang sind. Neunzehntes Kapitel: Sekretion von Zucker und Kohlen- hydraten. § 1. Physiologische Vorkommnisse. Die Stellen, an welchen physiologischerweise zuckerhaltige Sekrete produziert werden, pflegt man als Nectarien zu bezeichnen. Bekanntlich sind dieselben ein außerordentlich häufiges Vorkommnis in Blüten. Conrad Sprengel hat dieselben zuerst in ihrer biologischen Beziehung zur Insektenbefruchtung des eingehenden Studiums gewürdigt. Die an Blättern usw. außerhalb der Blüten ebenfalls verbreitet vorkommenden Stellen von Produktion zuckerhaltiger Sekrete faßt man als extranup- tiale oder extrafloi-ale Nectarien zusammen. Schon KoELREUTER (5) sammelte behufs näherer Untersuchung den Nectar aus den Blüten der Kaiserkrone und Hqffmann (6) beschäftigte sich 1788 mit der Analyse des Agavennectars. Doch wurde durch diese und andere ältere Arbeiten (7) noch keine exaktere Fragestellung bezügüch Sekretionsvorgang und Sekretbildung angeregt. Braconnot (8) konsta- tierte die Gegenwart von Rohrzucker in vielen Blütennectarsäften. Der Sekretionsmechanismiis der Nectarien ist erst 1880 durch Pfeffer und Wilson (9) näher studiert worden. Diese Autoren wiesen 1) ScHiMPEB, Botan. Ztg. (1885), p. 743 u. 758. — 2) W. Pfeffer, Arbeit, botan. Inet Tübingen, 2, 310 (1886). — 3) Kimpflin, Soc. ßiol., 66, 176 (1909). — 4) C. PiCADO, Compt. rend., 754, 607 (1912). — 5) Vgl. Senebier, Physiol. vög^t., 2, 888. — 6) C. A. Hoffmann, Crella Ann. (1788). /, .^1. — 7) Treviranus, Physiologie, 2, 31 (1838). — 8) Braconnot, Journ. prakt. Chem., jo, 363 (1843). — 9) Pfeffer, Osmot. Untersuch. (1877), p. 232. Wilson, Untersuch, a. d. botan. Inst. Tübingen, /, 8 (1881). Pfeffer, Pflanzenphysiologie, 1. Aufl.. /, 176 (1880); 2. Aufl., /, 263 (1897). 502 Neunzehntes Kapitel: Sekretion von Zucker und Kohlenhydraten. nachdrücklich darauf hin, daß das Agens bei der Funktion der Nectarien in der Erzeugung osmotisch wirksamer Substanzen liegt, welche, einmal produziert, die Sekretion fortdauernd zu erhalten vermögen. Dadurch ist das Problem der Nectarsekretion auf ein einfaches osmotisches Phänomen zurückgeführt und von den durch andere Wirkungen erzeugten Blutungserscheinungen scharf getrennt. Man kann, wie Pfeffer gezeigt hat, leicht ein künstliches „Nectarium" aus einer ausgehöhlten Rübe, in welche konzentrierte Zuckerlösung oder etwas fester Zucker gebracht wurde, herstellen, und bei gehöriger Wasserzufuhr und Verhinderung des Austrocknens längere Zeit in Tätigkeit halten. In den natürlichen Nectarien bleibt es jedoch nicht bei der einmaligen Produktion von Zucker, sondern der Vorgang wiederholt sich. So kann man in jungen Fritillariablüten den Zucker wiederholt wegwaschen, ohne daß die Nectar- bildung sistiert, während in älteren Blüten durch einmalige Entfernung des Zuckers das Nectarium seine Wirksamkeit einstellt. Nach Schim- PER(1) soll es bei den extranuptialen Nectarien von Cassia neglecta auch durch täglich wiederholtes Auswaschen nicht gelingen, die Funktion der Nectarien einzustellen. Haupt (2) hat durch seine Untersuchungen über die extrafloralen Nectarien die Kenntnisse vom Sekretionsvorgange der zuckerausscheidenden Drüsen erweitert. Jndem bezüglich der histo- logisch während der Sekretion nachweisbaren Veränderungen in den Nectarienzellen auf die Untersuchung von Stockard (3) verwiesen, und von den bei Pfeffer ausführlich behandelten osmotischen Fragen ab- gesehen wird, sei hier hauptsächlich die chemische Seite der Nectar- sekrßtion behandelt. Rohrzucker und Invertzucker sind Stoffe, die in Nectarien äußerst verbreitet sind. Boussingault (4) hat sie für zahlreiche Blütennectarien nachgewiesen, Planta (5) fand dieselben gleichfalls in verschiedenen Nectar- arten. Lippmann (6) erhielt aus den Blumenblättern von Bassia latifoha Invertzucker. Bennett und Anklesaria (7) fanden in den lufttrockenen Blüten dieser Pflanze 18% Wasser, 49,8% Invertzucker und 13,4% Saccha- rose. Rhododendron hirsutum sowie Robinia sollen nach Planta nur redu- zierenden Zucker im Nectar enthalten. Nach Stadler enthält hingegen der Nectar von Pinguicula keinen Zucker, sondern nur sohleimartige Stoffe, was noch zu bestätigen ist (8). Der von Poinsettia pulcherrima reichlich produzierte Nectar liefert nach Stone(9) 69,02% krystallisierten Zuckers. Hiervon sind 57,59% Glucose, 11,23% Saccharose und 30,98% Wasser. Wilson(IO) gibt an, daß bei einer Erbsenart bis 9,93 mg Zucker auf den Nectar je einer Blüte entfiel, bei Claytonia alnoides 0,413 mg. In Fuchsianectar war pro Blüte 7,59 mg Zucker enthalten, hiervon 5,9 mg Saccharose. 125000 Kleeköpfchen würden nach Wilson 1 kg Zucker hefern. Um ein Pfund Honig zu sammeln, müssen die Bienen etwa 2^ Millionen Einzel- blüten des Klees erschöpfen. In getrockneten Verbascumblüten fand Schnee- gans (11) durchschnitthch 10,4% Invertzucker und außerdem wechselnde 1 ) ScmMPER, Wechselbezieh, zw. Pflanzen u. Ameisen (1888), p. 72. — 2) H, Haupt, Flora (1902), p. 1. — 3) Ch. E. Stockard, Science, 23, 204 (1906). — 4) Boussingault, Agronomie, 6, 275 (1878); Ann. de Chim. et Phys. (5), //, 130 (1877). — B) Planta, Ztsch. physiol. Chem., w, 227 (1886). Schulze u. Frank- furt, Ebenda, 20, 511 (1896). — 6) Lippmann, Ber. Chem. Ges., 35. 1449 (1902). — 7) Bennett u. Anklesaria, Pharm. Joum. (4), j/, 141 (1910). — 8) S. Stadler, Beitr. z. Kenntn. d. Nekterien (1886). — 9) Stone, Botan. Gaz., 17, 192 (1892). — 10) Wilson, Chem. News, 3S, 93 (1878); Ber. Chem. Ges., //, 1835 (1878); Just botan. Jahreeber. (1878), /, 602. — 11) A. Schneegans, Ebenda (1898), //, 50. § 1. Physiologische VorkommniBse. 503 Mengen Rohrzucker. Der Nectar von Rhododendron arboreum enthält nach Tassis(I) Feststellungen im Rückstande 5,36% Glucose. Planta fand den Wassergehalt des frischen Nectars verschieden groß; Fritillaria- nectar hatte 93,4% Wasser, Protea melüfera, Hoya carnosa und Bignonia radicans enthielten 82,34 resp. 59,23 und 84,7% Wasser im Nectariensekret. Einige der Analysenresultate dieses Forschers seien noch nachstehend an- geführt : Im Nectar Prozente : In der Trockensubst. Proz. : Nectar von: Trockensubst. Glucose Saccharose Glucose Saccharose Asche Bignonia . . . 15,3 14,84 0,43 97,0 2,85 3,0 Protea .... 17,66 17,06 - 96,6 - 1,43 Hoya 40,77 4,99 35,24 35,65 87,44 - Entsprechend dem hohen Zuckergehalt ist auch die Dichte der Nectar- flüssigkeit eine hohe. Lippmann (2) fand an Blüten von Garex brunescens Ausscheidungen von Trehalose, ein vereinzelt stehender Befund, bei dem noch zu unter- suchen ist, ob nicht pathologische Erscheinungen dabei beteiligt waren. Invertin ist im Nectar wiederholt, so von Planta und von Bonnier (3) nachgewiesen worden. Nach dem letztgenannten Forscher ist übrigens die Rohrzuckerproduktion nicht in allen Stadien der Nectarsekretion gleich groß und sie scheint im Höhepunkt der Sekretion ihr Maximum zu besitzen. Außer Zucker findet man im Nectar auch öfters Säuren, was schon Hoffmann beim Agavenectar auffiel. Auch stickstoffhaltige Sub- stanzen fehlen in geringer Menge nach den Angaben von Planta nicht. Ferner ist es nicht ausgeschlossen, daß hier und da selbst giftige Begleit- substanzen im Nectar vorkommen können. Der Chemismus der Zuckerentstehung in den Nectarien ist noch nicht näher bekannt Stadler sah bei vielen Pflanzen in der Umgebung der Nectarien lokalisierte Stärke, die während der Sekretion verschwindet. Bei Diervilla rosea sollen im Nectar Stärkekömer vorkommen, welche sich mit Jod nicht blau färben. Daraus, daß beim Auftreten des Zuckers in Nectarien (Septaldrüsen von Narcissus) kein Erythrodextrin nachzu- weisen ist, wollte Acton(4) auf Nichtbeteiligung von Kohlenhydraten bei der Zuckerproduktion schließen und brachte andererseits die reichlich anwesenden Proteinkörner mit der Entstehung der Nectarflüssigkeit in Beziehung, was aus verschiedenen Gründen anfechtbar ist. Tatsache ist es, daß fast immer in der Nähe der Nectarien chlorophyllführende assi- milierende Gewebe vorkommen, welche direkt Zucker für die Nectarien liefern können. Auch wäre noch die in der Epidermis von Blumen- blättern vorkommende Stärke (5) in Hinblick auf Zusammenhang mit Nectarbildung in Betracht zu ziehen. Außer der anlockenden Wirkung für die. im Dienste der Bestäubung tätigen Tiere wäre nach Burck(6) an die Wirkung der Nectarien als Transpirationsschutz für den Fruchtknoten, wenigstens in bestimmten Fällen, zu denken. Die nach der Blütezeit sezernierenden postfloralen 1) F. Tassi, Just botau. Jahresber. (1890), //, 429. — 2) V. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 45, 3431 (1912). — 3) Bonnier, Ann. Sei. Nat- (6), - CgHi206 + 6O2 ausdrückt, würde eine Relation zwischen dem aus der aufgenommenen Kohlensäure stammenden Kohlenstoff und dem verbrauchten Wasser von C/HgO^ 72/108 entsprechen, und die verbrauchten Gewichte der CO2 und des Wassers müßten sich ver- halten wie 264:108. Nun wm-den in dem ersterwähnten Versuche Saussures 217 mg C aus COg assimiliert und dabei 315 mg Wasser verbraucht. Der Quotient 315:217 ist 1,459 und kommt dem theoretisch geforderten Verhält- nis 108:72=1,500 sehr nahe. So könnte dieses Resultat die Richtigkeit der Assimilationshypothese bestätigen. Im zweiten Versuche Saussures beträgt der Quotient HgO/C aber 159:159 oder 1, was wieder nicht über- einstimmt. Neue Versuche in dieser Richtung sind daher jedenfalls als sehr wünschenswert zu betrachten. Die Beschaffung von Kohlensäure auf Kosten organischer Säuren bei Succulenten. Schon die Tatsache, daß an den grünen Teilen von Pflanzen mit cactoidem oder aloeartigem Habitus, überhaupt bei succulenten Xerophyten, relativ spärliche Spaltöffnungen vorhanden § 2. Der Gaswechsel bei der Kohlensäureassimilation. 525 sind(1), legt die Annahme nahe, daß mit der Transpiration auch der assimilatorische Gaswechsel bei diesen Gewächsen herabgesetzt sein dürfte. In der Tat fiel bereits Saüssure die relativ geringe Sauerstoffabgabe der Blätter bei Fettpflanzen auf. Zugleich machte Saussure die grund- legende Beobachtung, daß Opuntiazweige in einem mit CO^ -freier Luft gefüllten Rezipienten bei Tag das Mehrfache ihres Volumens an Sauer- stoff produzieren. Auch die richtige Deutung dieses Verhaltens wurde von Saussure geliefert. Das Nächstliegende war, anzunehmen, daß der abgegebene Sauerstoff dem dargebotenen Wasser entstamme. Hierzu meint Saussure: „Doch scheint es, daß die Pflanze nicht direkt diese Zersetzung bewirkte oder daß sie sich nicht unmittelbar den Wasserstoff des Wassers aneignete, indem sie dessen Sauerstoff ausschied. Ein ver- tieftes Studium führt dazu, zu glauben, daß sie nur in der Sonne aus- schließlich aus ihrer eigenen Substanz Kohlensäure bildete und wieder zersetzte." Saussure ließ ferner eine Opuntia 1 Monat lang in einem Rezipienten wachsen. Während dieser Zeit bildete sie das 3 Ya fache ihres Volumens an Sauerstoff. Sodann wurde im oberen Teile des Rezipienten ein Gefäß mit Kalilauge angebracht. Von da an vermehrte der Cactus den Sauerstoff der Rezipieutenluft nicht mehr und in der Kalilauge ließ sich Kohlensäure nachweisen. 1819 beobachtete B. Heyne (2) zuerst, daß die Blätter des Bryo- phyllum calycinum morgens stark sauer schmecken und daß sich der saure Geschmack tagsüber verliert. Link stellte dasselbe Verhalten auch für andere Fettpflanzen fest. Bei Bryophyllum konstatierte A. Mayer (3), daß es in COj-freier Luft Sauerstoff abgibt, daß ferner durch diese Pflanze selbst bei Untertauchen in ausgekochtes Wasser bei Insolation Sauerstoff abgeschieden wird und daß die Säure der Blätter, deren Zu- nahme im Dunkeln und Abnahme im Licht er quantitativ verfolgte, eine Äpfelsäure ist. Die in neuerer Zeit durch Mayer (4) angestellten. Ver- suche, ob Elodea imstande sei, Äpfelsäure im Licht unter CO.>-Entwicklung zu verwenden, führten zu keinem bestimmten Ergebnis. Kraus (5) fand, daß weniger Säure während der Nacht in den Blättern entsteht, wenn die Pflanze tagsvorher in CO,-freier Luft belichtet worden war. Nach de Vries(6) kann man die nächtliche Säurebildung durch höhere Tempe- ratur verhindern. Man hat sich vorzustellen, daß Säurebildung und Säurezerlegung zwei dauernd Tag und Nacht in der Pflanze gleichzeitig vorsichgehende Prozesse sind und die tatsächlich zu beobachtenden Effekte nur durch das Überwiegen der Säurezerlegung bei Tag und der Säurebildung während der Nacht als Resultierende Zustandekommen. Warburg (7) konnte nun nachweisen, daß die nächtliche Säurevermehrung und die Entsäuerung am Licht überall bei Pflanzen mit speziellem Tran- spirationsschutz vorkommt. Doch kalin man da diesen Prozeß immer 1) Über Zählungen der Stomata bei Succulenten: Krocker, De epidermide plantarum (1833). Decandolle, Physiologie, /, 92. Auf eine Quadratlinie entfielen bei Pinus haleppensis 19, bei Abies pectinata 25, bei Aloe nigricans 50, bei Portulaca oleracea 130; hingegen bei Asclepias curassavica 1000, Citrus Aurantium 3116 Stomata. Cereus speciosus hat 18 Stomata per 1 qinm Fläche. — 2) Heyne u. Link, Zit. bei Treviranus, Physiologie, /, 529, und F. RüNGE, Neueste phytochem. Ent- deckungen, p. 197 (Berlin 1820). Historische Daten bei G. Kraus, Abhandl. d. naturf. Ges. Halle, i6 (1886). — 3) A. Mayer, Landw. Versuchsstat., i8, 410 (1875); 21, 277 (1878); jo, 217 (1884); ßer. Chem. Ges., S, 1088 (1875). — 4) A. Mayer, Landw. Versuchsstat., 5/, 336 (1900). — 5) G. Kraus, Stoffwechsel bei den Crassu- laceen (1886). — 6) de Vries, Botan. Ztg. (1884), Nr. 22; Kgl. Akad. Amsterdam (1884). — 7) Warburg, Untersuch, d. botan. Inst. Tübingen, 2, 75 (1886). 526 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. nur in den chlorophyllhältigen Organen und nie bei Hochblättern, Blüten- hüllen usw. konstatieren. Bryophyllumblätter vermögen im Licht aber selbst von außen zugeführte Äpfelsäure (1,5 pro mille) zu zerlegen und dabei erwies sich der rote Teil des Spektrums wirksamer als die kurz- welligen Strahlen. Alle diese Tatsachen führten Warburq zu dem Schlüsse, daß dieser Stoffwechselprozeß mit der Chlorophylltätigkeit zusammenhänge und daß die Succulenten imstande sind, aus den organischen Säuren, die sich infolge geringerer Verarbeitung im Dunkeln vermehren, im Sonnenlichte CO2 zu gewinnen, welche nun in der Chloro- phyllassimilation verwertet wird. Die Äpfelsäure dürfte unter diesen Säuren die Hauptrolle spielen. Da bei den Fettpflanzen der Sauerstoff- konsum in der Atmung ein relativ geringer ist, so mag die langsame Oxydation des als Atmungsmaterial dienenden Zuckers die Säurebildung bei diesen Gewächsen erleichtern. Das in Cotyledon konstatierte Trimethyl- amin(1) dürfte dem Umsatz von Lecithiden entstammen und hat mit dem besprochenen Prozeß nichts zu tun. Die Assimilation der Fett- pflanzen ist schließlich auch noch von Aubert(2) ausführlich untersucht worden, besonders hinsichtlich der Bedingungen der Sauerstoffabgabe im CO2 -freien Räume, wobei die Temperatur eine besonders wichtige Rolle spielt. In vielen Fällen ist die Säurebildung im Dunkeln recht gering, manch- mal aber sehr ansehnhch. So fand Gr. Kraus, daß 1 com Blättersaft von verdunkeltem Bryophyllum eine Acidität von 5,5 com 0,001% NaOH hatte, während bei behchteten Blättern nur 0,45 com Aeiditätswert, in demselben Maße ausgedrückt, vorhanden war. Nach Mayer geben 28 g Bryophyllum- blätter in der Sonne in C02-freier Luft auf Kosten der organischen Säuren bis 40 ccm Sauerstoff. Vielleicht hegt hier eine fermentative Säure Zerlegung vor, und es wäre zu prüfen, ob nicht zellfreier Preßsaft aus Crassulaceenblättern in der Auto- lyse aus Säuren CO2 bildet. Offenbar haben die erwälmten Prozesse die ökologische Bedeutung, den Gaswechsel bei Xerophyten möghchst sparsam und nutzbringend zu gestalten. Daß bei der Säurebildung in Früchten verwandte Vorgänge ins Spiel kommen, wird an anderer Stelle darzulegen sein. Ebenso wdrd noch auf die Unhaltbarkeit der Ansicht, daß die organischen Säuren Zwischenprodukte in der Zuckerbildung aus Kohlensäure durch die synthetische Tätigkeit der Chlorophyllkörner darstellen, weiter unten zurückzukommen sein. Ob die Kohlensäure bei der Assimilation durch andere gasförmige Kohlenstoffverbindungen ersetzbar sei, wurde bereits verschiedenfach untersucht, jedoch fast stets mit negativem Ergebnis. Die Wirkung einer Darreichung von Kohlenoxyd ist nach Saussure dieselbe, wie die eines anderen indifferenten Gases, z. B. Stickstoff. Die Pflanzen gehen darin bei Abwesenheit von CO2 entweder bald zugrunde oder wachsen eventuell, wie die Succulenten, darin noch einige Zeit unter Sauerstoffabscheidung weiter. Dieser Befund ist später wiederholt, so durch BoussiNGAULT, Stutzer, Just (3) bestätigt worden. In neuerer 1) HÖTET, Compt. rend., sg, 29 (1864). Auch A. Mayer, Landw. Versuchsstat., 18, 430 (1875) fand eine flüchtige organische Base. — 2) E. Aubert, Compt. rend., 112, 674 (1891); Rev. g^n. Bot., 4, Nr. 41 (1892). — 3) Boussingault, Agronomie, 4. 300 (1868). A. Stützer, Ber. Chera. Ges., 9, 1570 (1876). L. Just, Wollnys Forsch. Agrik.physik, 5, 79 (1882). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation. 527 Zeit haben jedoch Bottomley und Jackson (1) über Versuche berichtet, welche nach ihrer Beschreibung die Möglichkeit einer Verarbeitung von CO an Stelle von Kohlensäure beweisen würden. Es ist nicht aus- geschlossen, daß es tatsächlich Bedingungen gibt, unter denen CO er- folgreich verarbeitet werden kann, doch ist diese Angelegenheit noch nicht spruchreif. Spuren von CO finden sich häufig in der atmo- sphärischen Luft (2). BoussiNGAULT prüfte die Assimilierbarkeit von Kohlenwasserstoffen durch grüne Pflanzen im Licht mit negativem Erfolge. Wie bei CO, so ist es auch hier ausschlaggebend für den Effekt, ob das Gas rein oder mit Kohlen- säure gemischt dargereicht wird. Das Resultat hängt nur von der Quantität der zur Verfügung gestellten COg ab. Es wäre jedoch zu bedenken, .ob nicht, wie Pfeffer (3) meinte, Sub- stitutionsprodukte der Kohlensäure assimilierbar sind. In erster Linie könnte die Carbaminsäure NHg-CO-OH in Betracht kommen. Möghcherweise heßen sich einschlägige Untersuchungen mit Hilfe der Bacterienmethode durchführen. Stickoxydul fand Vogel (4) in der Chlorophyllassimilation unverwendbar, jedoch nicht giftig. § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation. A. Konzentration der. dargereichten Kohlensäure. Wie erwähnt, ist bereits Senebier der Entdecker der Tatsache gewesen, daß untergetaucht lebende grüne Pflanzen im Lichte in künstlich kohlensäure- reicher gemachtem Wasser mehr Sauerstoff entwickeln als bei Anwendung gewöhnlichen Wassers.- Es soll übrigens, Saussure zufolge, bereits früher Percival(5) beobachtet haben, wie Minze in kohlensäurereicher Luft besser gedieh als in gewöhnlicher Atmosphäre. Bei Landpflanzen wurden die einsclilägigeu Verhältnisse durch Saussure genau verfolgt. Es ergab sich, daß die Versuchspflanzen in einer Atmosphäre, welche V4 ihres Volumens an COj enthielt, wenig gut gediehen; bei Vs Volum CO.-Zusatz war das Wachstum etwas besser, stets gut aber bei Zufügen von V12 Volum Kohlensäure, woselbst das Wachstum sogar günstiger war als in normaler Luft. Boussingaults Erfahrungen (6) bestätigen diese Ergebnisse. Nicht nur Gemische von Luft und Kohlensäure wirkten günstiger als reine Luft, sondern auch Gemische von N mit COj oder Hg mit CO.,; es kommt somit augenscheinlich allein auf die Partiärpressung der Kohlensäure an. Die gute Wirkung des CO^ -Zusatzes beobachtet man aber immer nur im Sonnenlicht und nicht im Schatten. Mit einschlägigen Untersuchungen befaßten sich später Cloez und Gratiolet an Potamogeton (7), J. Boehm(8), Schützenberger und QuiNQUAUD (9), welche für Elodea als beste COa-Konzentration 5—10% 1) W. B. Bottomley u. H. Jackson, Proceed. Roy. Soc, 72, 130 (1903). Größere Mengen von CO sind nach Richards u. Mac Dougäl, Bull. Torrey Bot. Club, j/, 57 (1904), für Phanerogamen stark toxisch. — 2) N. ZuNTZ u. Kostin, Arch. Anat. u. Physiol. (1900), Suppl.-Bd., p. 315. — 3) Pfeffer, Pflanzenphysio- logie, 2. Aufl., /, 311 (1897). — 4) Vogel, Berzelius Jahresber., 27, 270 (1848). — 5) Percival, Mdm. Soc. Manchester II, zit. von Saussure, Rech. Chim., p. 29. — 6) BoussiNGAULT, Agronomie, 4, 269 (1868). - 7) S. CLOfiz u. Gratiolet, Ann. de Chim. et Phys. (3), 32, 41 (1851). — 8) J. Boehm, Sitz.ber. Wien. Ak., 66, I (1872); yS, I, 14(1873). — 9) P. ScHtJTZENBERGEB u. E. QüiNQüAUD, Compt. rend., 17, 272 (1873). 528 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. angaben, sodann auch N. J. C. Müller, Pfeffer und Godlewski(I). BoEHM sah, daß ein zu hoher Kohlensäuregehalt selbst das Ergrünen etiolierter Pflanzen im Lichte verzögert oder gänzlich hindert. GoDLEWSKis mitunter recht schwankende Werte zeigen, daß man jnit 4,8% CO 2- Gehalt der Luft bei Glyceria spectabiUs bereits nahezu den- selben assimilatorischen Effekt erzielen kann, nämhch die Zerlegung von 10,22 ccm CO2 auf 1 qm Blattfläche, wie mit 15,9% Kohlensäuregehalt der Luft. Übrigens wurde das Optimum nicht für alle Pflanzen ganz gleich gefunden. Auch bei Warburg (2) finden sich Angaben über Differenzen bezügUch dieser Verhältnisse bei verschiedenen Pflanzenarten. Kreusler (3) erzielte dadurch einen Fortschritt, daß er kontinuier- Hche Beleuchtung der Pflanzen mit elektrischem BogenHcht verwendete. Die Lichtquelle besaß 1000 Normalkerzen Stärke und war in einer Ent- fernung von 31—45 cm von den Pflanzen aufgestellt. Die Temperatur betrug 25". Unter diesen Bedingungen konnte die Steigerung des Effektes weiter verfolgt werden, als in den Versuchen Godlewskis, offenbar dank den günstigeren Beleuchtungsverhältnissen. Der Assimilationswert hatte sich bei dem siebenfachen Kohlensäuregehalt auf das Doppelte des normalen Betrages erhöht, aber weiter hinauf ging die Steigerung des Effektes nur sehr wenig, so daß der 2,66 fache Assimilationswert erst bei dem 440 fachen Kohlensäuregehalt erzielt wurde. In den Versuchen von Montemartini (4), welcher schon bei 4% COg-Gehalt der Luft das beste Gedeihen der Pflanzen erreicht fand, waren offenbar die Bedingungen der Beleuchtung minder günstig gewesen. Jedenfalls geht aber aus allen diesen älteren Versuchen soviel hervor, daß der in der Luft normal gebotene Kohlensäuregehalt nicht die besten Assimilationsbedingungen schafft, sondern, daß man den Assi- milationseffekt durch reichlichere COa-Darbietung beträchtUch steigern kann. Die in den Versuchen Kreuslers bereits sichtbare Mitwirkung der Licht- intensität an diesem Effekt wurde jedoch erst in den neueren Arbeiten von Treboux und Pantanelli aus Pfeffers Laboratorium (5) klarer erkannt. Für niedrigere Konzentrationen der Kohlensäure sah der erstgenannte der beiden Forscher die von Elodea entwickelte Gasblasenzahl deuthch mit der Zunahme der CO 2 proportional zunehmen, wobei eine Beleuchtung durch Gasglühhcht und eine Temperatur von 16" angewendet wurde. Pantanelli konnte aber durch Belichtung mittels sehr hoher Lichtintensitäten sicher- stellen, daß der Effekt der CO 3- Steigerung noch viel weiter hinausgetrieben werden kann, als bis dahin geschehen war. Bei ^4 der Intensität des Sonnen- Uchtes war der günstigste Effekt durch 10 Volumprozente COo erreichbar, bei ^Ix der SonnenUchtintensität durch 15% CO2, bei der vierfachen Sonnen- hchtintensität aber erst durch 20 Volumprozent CO2. Oberhalb der genannten Grenzkonzentrationen verläuft also für eine bestimmte Lichtintensität die Kurve der Assimilationsintensität gleichmäßig in demselben Niveau. Klare Erkenntnis dieser interessanten Verhältnisse finden wir durch die Arbeiten von Blackman (6) geschaffen. Offenbar ist das Licht bei den Versuchen 1) N. J. C. MÜLLER, Botan. Untersuch., /, 353 (1876). Pfeffer, Arb. bot. Inst. Würzburg, 7, 33 (1870). Godlewski, Ebenda (1873), p. 345; Flora (1873), Nr. 24. — 2) Warbürg, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, 11, 122. — 3) Kreusler, Landw. Jahrb., 14, 913 (1885). Deherain u. Maqüenne, Ann. agron. (1881). — 4) L. Montemartini, Atti Ist. bot. Pavia (1893) und ebenda (1895); Bull. Soc. Botan., 62, 683 (1895). — 5) O. Treboux, Flora, 92, 49 (1903). E. Pantanelli, Jahrb. wiss. Botan., 3g, 167 (1904). — 6) F. Fr. Blackman u. Gabr. Matthaei, Proceed. Roy. Soc, 76, B, 402 (1905). Blackman u. A. M. Smith, Ebenda, 83, ß, 889 (1911). § 3. Einflösse äußerer Faktoren auf die Eohlensäureassimilation. 529 mit steigendem COg- Gehalt des umgebenden Mediums der „limitierende Faktor" im Sinne Blackmans, d. h. es ist für jede Intensität dieses Faktors die obere Grenze der Proportionalität zwischen assimilatorischem Nutzeffekt und Konzentration der Kohlensäure gegeben. Ein Optimum der Kohlensäure- konzentration im Sinne der früheren Forscher gibt es somit nicht, sondern wir können die Assimilationstätigkeit durch Erhöhen der COg-Konzentration um so weiter steigern, je höher die dargebotene Lichtintensität und auch die Temperatur ist. Dementsprechend ist es als rationelle Maßregel zu bezeichnen, wenn man den Vorschlägen von H. Fischer (1) folgend, durch künstliche GOg- Zufuhr, z. B. durch Verbrennung von Alkohol, die Gewächshausluft für die Assimilation der daselbst auf engem Räume gehäuften Pflanzen taughcher macht. Doch dürfte man nach den Beobachtungen von Brown und Es- COMBE (2) die C02-Darreichung nicht übertreiben, da sich nach diesen Autoren schon bei mäßiger Steigerung des CO g- Gehaltes der umgebenden Luft im Gewächshause an verschiedenen Pflanzen pathologische Erscheinungen be- merkhch machen, die sich namentUch im Unterbleiben normaler Blüten- bildung äußern. Es ist allerdings noch zu untersuchen, ob diese Übelstände nicht durch eine intensive BeUchtung behoben werden könnten. Demoussy meint, daß auch Unreinheit der COg im Spiele gewesen sein konnte. Struktiir- veränderungen an Pflanzen in C02-reicher Luft sind in verschiedenen Arbeiten von MoNTEMARTiNi, BoNNiER und namentlich Farmer und Chandler beschrieben (3). Manche dieser Veränderungen können als die« Folge ge- steigerter Assimilationstätigkeit gedeutet werden, andere sind entschieden pathologischer Natur. Verschaffelt (4) fand die Transpiration der Pflanzen bei Kohlensäureentziehung größer als normal. Für gesteigerten COg- Gehalt des Mediums scheinen die Verhältnisse noch unbekannt zu sein. Doch* sah Fr. Darwin (5) in kohlensäurereicher Luft langsam Spaltenschluß ein- treten, so daß demgemäß eine Herabsetzung der Transpiration zu vermuten steht. Bei COg-Entziehung tritt Abwerfen des Laubes ein. Man kann aber durch Darreichung von 0,2—1,5% COj nach Furlani (6), andererseits wieder den im feuchten Räume sonst eintretenden Laubfall hemmen. Inwieweit die Förderung der Assimilation durch gesteigerte COg- Zufuhr es gestattet, aus den Resten eines überaus üppigen Pflanzenwuchses in früheren geologischen Epochen der Erde auf einen höheren Gehalt der Atmosphäre an Kohlensäure zu schheßen, möchte ich dahingestellt sein lassen (7). Brown und Escombe meinen, daß die gegenwärtig auf der Erde lebenden Gewächse entschieden auf den jetzt in der Atmosphäre gebotenen CO 2" Gehalt abgestimmt seien. B. Konzentration des zur Verfügung stehenden Sauer- stoffes. Einfluß von Sauerstoffmangel auf den Assimilations- prozeß. Saüssüre stellte fest, daß Erbsenpflanzen in reinem Sauerstoff- gase im direkten Sonnenlichte fast ebensoviel an Gewicht zunahmen, wie Pflanzen in gewöhnlicher Luft, doch waren die Stengel länger und 1) H. Fischer, Gartenflora, 6i, XIV u. XV (1912); Ber. Botan. Ges., 30, 598 (1912). A. Hansen, Naturwiss. Rdsch., 27, 547 (1912). — 2) H. T. Brown u. Escombe, Proceed. Roy. Soc, 70, 397 (1902). Demoussy, Compt. rend., 138, 291; 139, 883 (1904). — 3) BoNNiER, Compt. rend. (1898), 2, 335. J. Br. Farmer u. Chandler, Proceed. Roy. Soc., 70, 413 (1902). — 4) Verschaffelt, Dodonaea (1890), p. 305. — 5) Fr. Darwin, Phil. Trane., igo, 531 (1898). — 6) J. Furlani, Österr. botan. Ztsch., 56, 400 (1906). — 7) Vgl. Sv. Arrhenius, Zentr. Min. u. Geol. (1909), p. 481. Czapek, Biochemie der Pflanzen. 1. 8. Aufl. 34 530 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. dünner. Im Schatten gehalten, nahmen sie aber binnen 10 Tagen um die Hälfte weniger zu als in normaler Luft. Sie liefern, wie Saussure bemerkt, in reinem Sauerstoffgase stets eine viel größere Menge von Kohlensäure, welche den im Schatten vegetierenden Pflanzen durch ihre Ansammlung schädlich wird, während stark belichtete Pflanzen dieselbe wieder zersetzen. Auch das Verhalten von assimilierenden Pflanzen in sauerstoffreier Luft wurde durch Saussure untersucht. Es ergab sich, daß sich dieselben unter allen Umständen nur durch den in der Assi- milation gebildeten Sauerstoff weiter erhalten können. Bei kleinen Ge- wächsen genügen jedoch bereits sehr geringe Sauerstoffquantitäten zum Fortfristen des Lebens. Im luftleeren Räume treten ganz dieselben Er- scheinungen zutage, wie in verschiedenen sauerstof freien Gasen oder Gasgemischen. Dies ist ein Zeichen dafür, daß es unter allen Umständen nur auf die Partiärpressung des Sauerstoffes ankommt. Auch bei BoEHM(l) finden sich Angaben, welche zeigen, daß schon relativ geringe Sauerstoffmengen hinreichen, um die Assimilation in Gang zu setzen. Nach Friedel(2) wird bei einer Herabsetzung des Sauerstoffdruckes auf den vierten Teil die Art des assimilatorischen Gaswechsels nicht geändert, denn der Quotient CO2 : O3 bleibt nahezu gleich 1. Nur die Intensität der Assimilation nimmt mit sinkender Partiärpressung des Sauerstoffes gesetzmäßig ab. Auch das Ergrünen etiolierter Keimlinge hört bei einer gewissen Grenze des Sauerstoffgehaltes der Luft auf. Bei Helianthus annuus fand CoRRENS (3) 4 % des normalen Sauerstoffgehaltes der Luft, also 30 mm Druck als die zum Ergrünen nötige Sauerstoff zufuhr. Lepidium brauchte sogar 8% oder 60 mm Druck. Um aber binnen 24 Stunden eine schöne Grünfärbung zu erzielen, mußte man den Sonnenblumenkeim- lingen 6% und den Kressenkeimlingen 10% Sauerstoff darreichen. Von älteren und neueren Arbeiten auf diesem Gebiete wären die Studien von Wiesner, ferner jene von Palladin und von Friedel zu nennen (4). Die Angabe von Kohl (5), wonach Ergrünen auch ohne Sauerstoff bei etiolierten Blättern von Scorzonera hispanica möglich sei, könnte immerhin durch Objekte mit sehr niedriger Sauerstoffgrenze ver- ursacht sein; jedoch finden sich in den Protokollen dieser Versuche keinerlei Daten über die Methoden der möglichst vollkommenen Eliminierung des Sauerstoffes. Der minimale Sauerstoffpartiärdruck liegt für das Ergrünen wahrscheinlich in der Regel höher als für das Längenwachstum und den Phototropismus. Eine obere Grenze für die Abhängigkeit der Assimilation vom Sauerstoffgehalt der Luft scheint nicht zu existieren und es hatte auch Friedel Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, daß das Ergrünen in reinem Sauerstoff nicht anders erfolgt als in gewöhnlicher Luft. Doch dürfte nach verschiedenen Erfahrungen, welchen auch die Versuche von jENTYS(e) über Längenwachstum in komprimiertem Sauerstoffgas und in komprimierter Luft nicht widersprechen, die Steigerung der Sauerstoff- atmung in reinem Sauerstoff bei unzureichender Belichtung durch Kohlen- säureanhäufung Störungen hervorrufen. 1) J. BoEHM, SitÄ.ber. Wien. Ak., 6y (März 1873). — 2) J. Friedel, Compt. rend., 13t, ^11 (1900); 140, 169 (1905). — 3) Correns, Flora (1892), p. 141. — 4) Wiesner, Entstehung d. Chlorophylls (1877), p. 17. Palladin, Compt. rend., I2S, 827 (1897). J. Friedel, Ebenda, 135, 1063 (1902); Rev. gdn. Bot., 14. 337 (1902). — 5) F. G. Kohl, Ber. Botan. Ges., 24. 227 (1906). — 6) St. Jentys, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, 2, 419 (1888). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilalion. 531 C. Einfluß des Lichtes. Daß die Assimilationstätigkeit grüner Pflanzen an die Gewährung einer bestimmten, nicht zu geringen Licht- intensität gebunden ist, gehört zu den fundamentalsten Tatsachen der Pflanzenphysiologie. Das Verhalten von bestimmten Bacterien, welche Kohlensäure im Dunkeln unter Verwertung von Energie, die Oxydations- prozessen entstammt, verarbeiten, wie es bei den Ammoniak zu Salpetersäure oxydierenden Nitrifikationsmikroben und den Wasserstoff oxydierenden Mikroben des Bodens der Fall ist, lehrt uns, daß die Energiegewinnung aus dem Sonnenlicht bei den Synthesen im Chlorophyllkorn eben nur einen bestimmten Fall, eine konkrete Form der Anpassung an die normal gebotenen Lebensverhältnisse, darstellt. Während die Aufnahme der Sauerstoffausscheidung und Kohlen- säureverarbeitung ausnahmslos an die Darbietung einer gewissen mini- malen Lichtintensität geknüpft ist, kann man bezüglich der Ausbildung des Chlorophylls in den assimilierenden Pflanzen nicht ganz das gleiche sagen. Allerdings ist es den höheren Pflanzen, wie schon Ray(1) wußte, in der Regel nicht möglich, ihren grünen Farbstoff ohne Be- lichtung auszubilden, und Humboldt sowie Decandolle (2) erkannten, daß das Ergrünen bei Kressenkeimlingen schon bei Lichtintensitäten erfolgt, welche zur Sauerstoffausscheidung noch nicht ausreichen. Doch sind bei Algen, wie Nostoc und anderen Formen, ferner bei den Coni- ferenkeimlingen sowie bei einer Reihe von Samen, welche vor ihrer Reifung ergrünen, ohne daß Lichtzutritt hierbei nötig wäre, Fälle genug bekannt, in denen augenscheinlich erhebliche Chlorophyllmengen gebildet werden, ohne daß sich die sonst nötige Lichtwirkung dabei zu äußern brauchte (3). Die Cotyledonen von Ginkgo biloba und von Gnetum vermögen aber im Gegensatze zu den allermeisten Coniferen im Dunkeln nicht zu er- grünen (4) und wahrscheinhch gilt dasselbe auch für die Cycadeenkeimhnge, unter denen wenigstens für Cycas Rumphii und revoluta, sowie Zamia inte- griföha durch Burgerstein die Abwesenheit von Chlorophyll bei Dunkel- keimhngen gezeigt worden ist. Bei Laub- und Lebermoosen wird, soweit im Dunkeln Wachstum stattfinden kann, Chlorophyll in allen Fällen ge- bildet, und ebenso ist es bei weitaus der größten Zahl der Pteridophyten, wo nur bei Equisetum und Lycopodium die Gewinnung chlorophyllfreier Pflanzen durch Dunkelkultur möghch ist. Selaginella ergrünt im Dunkeln, ebenso ergrünen die echten Farne in allen untersuchten Fällen (5). Bekannte Beispiele von Samen, deren Cotyledonen im Dunkeln ergrünen, sind Pistacia Eriobotrya, Citrus und andere Fälle (6). Daß die Abhängigkeit des Ergrünens vom Licht keine einfache Beziehung ist, zeigt schon die nicht selten zu beobachtende Tatsache, daß 1) John Ray, Historia plantarum, /, 15 (1686). Schon Aristoteles leitet die grüne Farbe der Pflanzen von der Einwirkung des Sonnenlichtes her. Vgl. E. H. Meyer, Geschichte d. Botan., /, 196 (1854). — 2) A. v. Humboldt, Crells Ann. (1792), /, 71 u. 254, Vassali, Ebenda (1795), //, 80. Decandolle, Gilberts Ann., 14, 366 (1803). Physiologie, Deutsch v. Röper, //, 694. — 3) Coniferen: Sachs, Lotos (1859); Flora (1864), p. 504. A. Burgerstein, Ber. Botan. Ges., i8, 168 (1900). Samen v. Eriobotrya: A., Ernst, Beihefte bot. Zentr., /p, I, 118 (1905). Zusammenstellung: K. Bittner, Österr. botan. Ztsch. (1905), p. 302. — 4) Ginkgo: Molisch, Österr. botan. Ztsch. (1889), p. 98. Gnetum: P. FrÖschel, Ebenda, 6r, 209 (1911). — 5) Vgl. SCHIMPER, Jahrb. wiss. Botan., r6, 159 (1885). Karol. Bittner, l c. (1905). — 6) Vgl. G. LopriORE, Ber. Botan. Ges., 22, 385 (1904). A. Ernst, 1. c. (1905). Atw^ell, Botan. Gaz., 75, 46 (1890). 34* 532 Zwanzigstes Kapitel : Eohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. das Chlorophyll im Dunkeln zwar in der Spreite oder in Stammchen entsteht, nicht aber im Blattstiel oder in anderen Teilen. Hier spielen augenscheinlich korrelative Beziehungen mit, die sich auch in den Ver- suchen von Dostal (1) mit unterirdischen, sonst chlorophyllfreien Cotyle- donen ergeben haben. Nicht unbeachtet sind ferner die quantitativen Verhältnisse zu lassen, indem augenscheinlich die reichliche Ausbildung von Chlorophyll, die man als „Ergrünen" bezeichnet, nicht bei allen Pflanzen an die gleichen Bedingungen geknüpft ist, wie die spurenweise Bildung von Farbstoff, die sich noch nicht dem Auge als Grünfärbung erkennen läßt. Auf möglichst vollkommene Abhaltung auch der ge- ringsten Lichtspuren, worauf bisher nur von Friedel(2) geachtet wordeu ist, wird man in künftigen * Versuchen besonderes Gewicht zu legen haben. Jedenfalls kann in manchen Fällen Chlorophyllbildung scjion bei ungemein geringem Lichtzutritt erfolgen, wie man aus der Angabe von IssATSCHENKO (3) schließen darf, wonach noch im Lichte von Photobacterien Ergrünen von Keimlingen nachgewiesen werden kann. "Wiesner (4) suchte durch Abdämpfen des Lichtes einer Gasflamme mittels aufeinandergeschichteter Lagen von Pauspapier die minimale, noch Ergrünen erzeugende Lichtintensität zu bestimmen. 30 Lagen dämpften das Licht soweit, daß Ergrünen von Keimlingen nicht mehr sichtbar war. Ältere Angaben von Hofmeister (5) zeigen für Hymeno- phyllum, Farnprothallien, Moose und Vaucheria das Ergrünen in sehr schwacher Beleuchtung. Wie schon ältere Autoren (6) betonen, ist jedoch das Lichtminimum für das Ergrünen bei verschiedenen Pflanzen nicht gleich und es müssen, wie Wiesner hervorhebt, bereits die anatomischen Strukturdifferenzen Unterschiede erzeugen. Nicht einmal das ist sicher, ob bei den einzelnen Chloroplasten selbst der Lichtschwellenwert für die Chlorophyllbildung derselbe ist. Offenbar kann der Lichteinfluß auf die Bildung des Farbstoffes aus dem Chromogen, wie uns die Fälle von Chlorophyllbildung im Dunkeln lehren, auch durch chemische Mittel ersetzt werden, und es ist die Frage, ob nicht Licht und chemische Ursachen in bestimmten Fällen zusammenwirken werden, wobei natürlich auf die Lichtkomponente ein größerer oder geringerer Anteil fallen kann. Auch sonst hängt, wie Lubimenko(7) ausführte, die Chlorophyllbildung in einer für die Pflanzenart spezifischen Weise von der Beleuchtungs- intensität ab, so daß in manchen Fällen eine reichere Chlorophyllbildung bei schwächerer Belichtung erfolgt, wie es bei ombrophilen Gewächsen gefunden wurde, welche auf diese Weise die Assimilationsbedingungen für sich vorteilhafter gestalten. Etioüerte Blätter sind nach den vorhandenen Angaben wasserreicher als die normalen grünen Organe und weichen auch, wie Church (8) fand. 1) R. Dostal, Ber. Botan. Ges., 28, 193 (1910). — 2) J. Friedel, Compt. rend., 153, 825 (1911). — 3) B. Issatschenko, Zentr. Bakt. II, 10, 497 (1903). — 4) J. Wiesner, Entstehung d. Chlorophylls (1877), p. 64. Intermittierende Beleuch- tung u. Ergrünen: Mikosch u. Stöhr, Wien. Ak. (1880). — 5) Hofmeister, Pflanzenzelle, p. 366. — 6) Vgl. MEYEiT, Physiologie, //, 434. J. Sachs, Flora (1862), p. 213. — 7) W. LUBIMENKO, Compt. rend., 14s, 1347 (1907). — 8) A. H. Church, Joum. Chem. Soc. (1886), p. 839. Etiolierte und grupe Blätter wurden schon von Hassenfratz, Crells Ann. (1789X //, 317, chemisch verglichen. Ana- tomie: F. KÜHLHORN, Diss. (Göttingen 1904). Ricöme, Rev. g6n. Bot., 14, 26 (1902). Stoffwechsel: L. v. Portheim, Sitz.ber. Wien. Ak., 116, I, 1360 (1907). Amide: A. Kiesel, Ztsch. physiol. Chem., 49, 72 (1906). Andre, Compt. rend., (1900) /, 1198; 137, 199 (1903). § 3. Einflösse äußerer Faktoren auf die Eoblensäureassimilation. 533 im Stickstoffgehalte und in der Zusammensetzung ihrer Asche beträchtlich von den grünen Blättern ab. Zur Feststellung derjenigen Lichtintensität, welche eben zur be- ginnenden Sauerstoffausscheidung nötig ist, leistet die Bacterienmethode gute Dienste. Mit Anwendung derselben ließ sich zeigen, daß das Mondlicht unter diesen Schwellenwert fällt, während das Licht der Abend- dämmerung bereits hinreicht, um bei Algen schwache Sauerstoffentwick- lung hervorzurufen (1). Die Experimentaluntersuchungen der älteren Zeit, die sich mit der Abhängigkeit der COg -Assimilation von der Lichtinten- sität befaßten, wendeten meist die Gasblasenzählmethode an. Schon von den Arbeiten Wolkoffs angefangen, der das Licht mit den RoscoEschen Apparate maß, begegnet man immer wieder der Angabe, daß wenigstens innerhalb bestimmter Grenzen die dui-ch die in gleichen Zeiten aus- geschiedene Gasblasenzahl gemessene Assimilationswirkung der Licht- intensität proportional ist (2). Diese Meinung findet man übrigens schon vor Wolkoff 1844 bei Calvert und Ferrand(3) ausgesprochen. Auch in den Versuchen Kreuslers mit kontinuierlicher elektrischer Beleuchtung stellte sich innerhalb gewisser Grenzen die Proportionalität zwischen Assimilationserfolg und Lichtintensität heraus (4). Erst von den Arbeiten von Reinke und von Timiriazeff angefangen, begann man den Umstand zu beachten, daß von einer bestimmten höheren Licht- intensität an keine weitere Steigerung des assimilatorischen Effektes eintritt, sondern daß sich der Vorgang auf etwa derselben Höhe hält. Man sprach von einem verlängerten optimalen Effekt. Timirazeff (5) sah ungefähr bis zur halben vollen Sonnenlichtintensität starkes An- steigen der Assimilation und von da an nur geringe Erhöhung. In den späteren Versuchen von Brown und Escombe mußte sogar die Sonnen- lichtintensität auf den zwölften Teil herabsinken, bis die Assimilation vermindert wurde (6). Pantanelli fand bei Wasserpflanzen in Brunnen- wasser die optimale Assimilationstätigkeit bis zum vierten Teil der Sonnenlichtintensität, darüber hinaus eine leichte Abnahme (7). Aber schon Pfeffer sprach 1897 bezüglich der Versuche Reinkes die Meinung aus, daß ein weiteres Ansteigen des Assimilationseffektes möglicherweise hätte erreicht werden können, wenn man mehr COj dargereicht hätte. In der Tat haben die letzten von Blackman(8) stammenden Untersuchungen zur Evidenz ergeben, daß das Abschneiden der Kurven bei einer bestimmten Lichtintensität in einem annähernd gleichbleibenden Niveau durch nichts anderes als durch den zu geringen COz-Gehalt des Mediums als limitierenden Faktor bedingt ist und daß 1) Pfeffer, Physiologie, 2. Aufl., /, 323 (1897). Boüssingault, Ann. Sei. Nat. (5), 10, 335 (1869), stellte das gleiche mit Hilfe des Aufleuchtens von Phosphor- darapf fest. — 2) A. v. Wolkoff, Jahrb. wiss. Botan., 5. 1 (1866). van Tieghem, Compt. rend. (1869), p. 482. N. J. C. Müller, Botan. Untersuch., /, 3 u. 374 (1872). Famintzin, Bull. Acad. P^tersb., 26, 296 (1880). J. Reinke, Botan. Ztg. (1883), p. 697. Godlewski, Just Jahresber. (1875), p. 787. J. Peyrou, Compt. rend., 10s, 385 (1887). — 3) Calvert u. Ferrand, Ann. de Chim. et Phys. (3), //. 477 (1844). — 4) ü. Kreusler, Landw. Jahrb., 14 (1885). — 5) Timiriazeff, Compt. rend., log, 379 (1889). — 6) H. T. Brown u. Escombe, Proceed. Roy. Soc, 76. B, 55 (1905). — 7) E. Pantanelli, Jahrb. wiss. Botan., 3g, 167 (1903). — 8) F. Blaokman u. G. Matthaei, Proceed. Roy. Soc, 70, B, 402 (1905). Blaokman u. A. M. Smith, Ebenda, 83, B, 389 (1911). 53-1 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. wir nicht das Recht haben von einer optimalen Lichtintensität zu sprechen. Auch im natürlichen Leben der Pflanzen tritt diese Limitierung bei höherer Lichtintensität deutlich zutage. Ist die Außentemperatur ge- nügend hoch, wie bei den Gewächsen warmer Klimate und unseren o p g 020 •010 1 / ? 1 ®( '' / 1^ / 6 / i / ■) / 1 .... / y / / / OOS 010 CO2 Darreichung 5° lÖ" 15° 20° Temperatur Beleuchtung Fig. 5. Schema der Wechselbeziehungen zwischen Assimilation und den äußeren Faktoren (n9,ch Blackman). ombrophoben Pflanzen, so wird die Assimilation durch den niedrigen COj-Gehalt der Luft auf ein gewisses Maximum eingestellt. Ist hingegen die Temperatur niedrig, wie es bei den Pflanzen im Hochgebirge und den zirkumpolaren Gegenden der Fall ist, so wird auch dieser Faktor als Limitations Wirkung eintreten können. Blackman meint sehr richtig, daß die in Wiesners Studien über den Lichtgenuß (1 ) ausf ührhch gewürdigte Tatsache, daß Schattenpf lanzen in den Tropen in reicher Menge vorkommen und sich gegen die Pole zu immer spärlicher zeigen, bis sie in der arktischen Zone ganz fehlen, sich dadurch verstehen läßt, daß der biologische Vorteil hellsonniger Standorte nicht die größere Lichtintensität, sondern die vermehrte Wärmezufuhr ist. Anderer- seits kann durch die Ausbildung von kleinen hnear geformten Blättern, wie Wiesner ausgeführt hat, ein ausgiebiger Schutz gegen starke Wärme- strahlung erreicht werden, indem sich solche Organe bedeutend weniger erwärmen als größere und flache Blattkörper (2). Abgesehen von Form und Größe wird namentlich die Stellung, die ,, Lichtlage der Blätter", mag sie nun veränderhch oder fixiert sein, sehr dazu beitragen können, die Wärme- und Lichteinstrahlung in ihrem Wirkungseffekte zu beeinflussen (3). 1) J. Wiesner, Der Lichtgenuß der Pflanzen (Leipzig 1907); Sitz.ber. Wien. Ak., 114, I, 77 (1905). — 2) J. Wiesker, Ber. Botan. Ges., 26a, 702 (1908). — 3) Messende Methodik: Wiesner, 1. c; Sitz.ber. Wien. Ak., 120, 1, 119 (1911). Flora, 105, 127 (1913); Sitz.ber. Wien. Ak., //p, I, 599 (1910). V. VouK, Ber. Botan. Ges., jo, 391 (1912); Abderhaldens Handb. biochem. Arb.meth., 6, 180 (1912). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation. 535 Quantitativ messende Untersuchungen über die Wirkung der bei xerophilen Pflanzeft häufig ausgebildeten Schutzmittel gegen zu starke Insolation, wie Haarfilze usw., liegen noch nicht in größerer Zahl vor. Nach den thermo- elektrischen Messungen von Baumert (1) kann durch Entfernen des Haar- filzes die Erwärmung um 37,5% stärker sein, als im normalen Zustande. Bei tropischen Laubblättern dient die stark Uchtreflektierende Cuticula mit ihren Glanzlichtern sehr dem Zwecke, zu schroffe Erwärmung hintanzu- halten, während der rote Farbstoff, der häufig die jungen stärker beschatteten wärmeausstrahlenden jungen Triebe tingiert, nach Smith (2) eher dazu bestimmt ist, die Innentemperatur der Blätter zu erhöhen. Bei der Wirkung kräftiger Beleuchtung ist aber auch die Lichtwirkung auf den Schüeßzellen- turgor, somit auf die Weite der Stomata und auf die Transpiration von großer biologischer Bedeutung (3). Bei dicht beblätterten Pflanzen wird die direkte Besonnung der Blätter teilweise durch Selbstbeschattung ver- hindert (4). In dieser Hinsicht ist es wichtig zu wissen, daß das Licht nach seintm Durchtritt durch ein Blatt bereits so geschwächt ist, daß keine Stärkebildung in dem bedeckten Blatte mehr zustande kommt (5). Pflanzen gedeihen auch hinter einem Schirm einer Chlorophyllösung nach Regnard (6) nur schlecht. Bei der Selbstbeschattung greift die weitgehende Zer- teilung des Laubes in vielen Fällen erfolgreich ein (7). Wie tief das Licht in Ge^Vebe,, z. B. in die Stengelrinde, eindringen kann, bevor seine assi- milatorische Wirkung völlig erlischt, ist bereits mehrfach untersucht worden (8). Eine Fülle von Problemen für messende Untersuchungen bietet sodann die Untersuchung der Schattenpflanzen oder ombrophilen Gewächse, deren Befähigung zum Leben in geringer Lichtintensität natürUch auch wieder in verschieden hohem Maße ausgebildet sein kann (9). Während in unserer heimischen Flora in der Mehrzahl der Fälle die Befähigung zum ombro- philen Leben eine fakultative ist und die betreffenden Pflanzen auch bei ziemlich hoher Lichtintensität gedeihen können, ist die Zahl der tropischen streng ombrophilen Pflanzen eine ziemlich große, und für unsere hchtarmen Zimmerkulturen haben die tropischen Wälder Formen, wie Aspidistra, CurcuUgo, Clivia geüefert, die einen so trägen Gaswechsel haben, daß bei ihnen das Lichtbedürfnis in manchen Fällen gänzhch verkannt worden ist(IO). Die im tiefen Schatten lebenden Gewächse suchen sich durch mannigfache Einrichtungen, wozu der Chlorophyllgehalt der Epidermis (11), die Licht- reflexions- und Lichtkonzentrationseinrichtungen gehören, die so weit gehen, daß sie zu scheinbarem Selbstleuchten im schwachen, diffusen Lichte führen 1) K. Baumert, Beitr. Biol. d. Pfl., g, 83 (1907). Schutzmittel in den Tropen: Marloth, Ber. Botan. Ges., 27, 362 (1909). — 2) A. M. Smith, Ann. Roy. Bot. Gard. Peradeniya, 4, V, (March 1909). Trop. Laubblätter: M. Miyoshi, Journ. CoU. Sei. Tokyo, 28, 1 (1910). Insolation: P. C. Freer, Phil. Journ. Sei., 5, 1 (1910). EWART, Ann. of Botan., //. 439 (1897). — 3) Leclerc du Sablon, Compt. rend., 155, 847 (1912); Rev. gön. Bot., 25, 49 (1913). Schellenperq, Botan. Ztg. (1896) I, 169. Kohl, Botan. Zentr., 64, 109^(1895). — 4) Selbstbeschattung: Wiesner, Sitz.ber. Wien. Ak,, 102, 291 (1893); 118, I, 759 (1909). Pfeiffer, Blanck u. Flügel, Landw. Versuchsstat., 76, 169 (1912). — 5) Nagamatsz, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, j, 399 (1887). Griffon, Compt. rend., 129, 1276 (1899). — 6) J. Reqnard, Bull. Soc. Bot., 28 (1881). — 7) Hierzu Wiesner, Sitz.ber. Wien. Ak., 117, I, 1251 (1908). — 8) GOLDFLUS, Rev. g^n. Bot., 13, 49. Blohm, Diss. (Kiel 1896). Balsamo, Just Jahresber. (1892), /, 89. — 9) Vgl. L. Lämmermayr, Jahresber. Staatsgymn. Leoben (1907), p. 3. — 10) Vgl. Maquenne, Compt. rend., 152, 1818 (1911). — 11) DE Moore, Journ of Botan., 25, 358 (1887). 536 Zwanzigstes Kapitel : EohlensftureTerarbeit. u. Zuckersjrnthese im Chlorophyllkorn . können (1), vor allem auch häufig durch die Blattgröße, Hilfsmittel zur Ausnutzung der spärlich gebotenen Beleuchtung zu verschaffen. Wenn auch, wie bekannt, bei den Schattenblättern die Ausbildung des Palisadengewebes gegenüber den Sonnenblättern in den Hintergrund tritt und beim ombro- philen Blattbau die Ausbildung des Schwammparenchyms einen charakte- ristischen Zug in der Struktur bildet (2), so wird doch nach den Fest- stellungen von LuBiMENKO (3) diese Differenz in der Weise wieder ausge- ghchen, daß die Chloroplasten der ombrophilen Blätter größer sind und der Farbstoffgehalt die Sonnenblätter übertrifft. Andererseits sind die Paüsaden- zellen und Chloroplasten tropischer Blätter meist noch kleiner als wir es bei den Pflanzen der gemäßigten KHmate finden, und demgegenüber zeigt die nordische Flora die Ausbildung größerer Assimilationszellen deuthch ausgeprägt. Nach Lubimenko hegt bei den Schattenpflanzen das Be- leuchtungsminimum für erfolgreiche Chlorophylltätigkeit viel tiefer als bei Sonnenpflanzen, was mit dem größeren Chlorophyllgehalt zusammenhängen soll. Dafür ist das Optimum der Lichtintensität bei den Sonnenpflanzen nicht so deuthch ausgeprägt, wie bei ombrophilen Pflanzen, wo offenbar die mit steigender Lichtintensität sich fühlbar machende Wasserabgabe in der Transpiration die assimilatorische Leistung rasch herabdrückt, während sich bei Sonnenpflanzen die Leistung bei starker Bestrahlung durch den Transpirationsschutz immerhin noch auf ansehnhcher Höhe halten kann. Dementsprechend wird es auch verständhch erscheinen, wenn, wie CoMBES (4) fand, nur bei Schattenpflanzen in der ersten Entwicklung ein Beleuchtungsoptimum, d. h. eine Limitierung der Lichtwirkung durch die im Minimum befindhchen gleichzeitig einwirkenden Faktoren zu beobachten ist, und Sonnenpflanzen diese Herabdrückung des günstigsten Helligkeits- punktes in ihrer Jugend nicht so ausgeprägt hervortreten lassen. In dieser Hinsicht tragen unsere Waldbäume den Typus von mehr ombrophilen Pflanzen, und die ersten Blätter der Sprosse zeigen die biologischen Ver- hältnisse von Schattenblättern (5). Die Verlangsamung der Assimilation bei herabgesetzter Lichtintensität bei trübem Himmel macht sich immerhin nach den Erfahrungen von Muntz (6) bei der natürhchen Vegetation in nicht geringem Maße geltend, so daß die Assimilation bei bedecktem Himmel fünfmal geringer ausfällt, als bei vollem SonnenUchte. Doch drückt diese HeUigkeitsverminderung den Ertrag bei weitem nicht so sehr herab als Wassermangel bei anhaltend trockenem Wetter. Durch genügend starke kontinuierüche künsthche Behchtung konnte man andererseits, wie besonders die Versuche von Bonnier (7) unter Anwendung von elektrischem BogenHcht zeigten, namhafte Assi- 1) Protonema von Schizostega: Noll, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, j, 477 (1888). Algen: Molisch, Leuchtende Pflanzen (1904), p. 1. Moose: Gaejeanne, Beihefte bot. Zentr., 26, I, 1 (1910). Phanerogamenblätter: Stahl, Ann. jard. bot. Buitenzorg, /j, 137(1896). Feimmel, Österr. bot. Ztsch., 61, 216(1911). Blauglanz: Gentnek, Flora, 99, 337 (1909). — 2) Licht- u. Schattenblätter: E. Stahl, Einfluß d. sonn. od. schalt. Standortes auf d. Ausbildg. d. Laubbl. (Jena 1882). Vesque, Botan. Zentr., 18, 259 (1884). Graf zuLeinengen, Naturwiss. Ztsch. Land- u. Forst- wirtsch., j, 207 (1905). — 3) W. Lubimenko, Compt. rend., 141, 535 (1905); 143, 609 (1906); J45, 1191 (1907); Rev. g^n. Bot, /7, 381 (1905); 20, 162 (1908); Ann. Sei. Nat. (9), 7. 321 (1908). — 4) R. Combes, Compt. rend., 150, 1701 (1910); C. r. Assoc. Fr. Av. Sei. Lille (1910), p. 531. — 5) M, Nordhaüsen, Ber. Botan. Ges., 30, 483 (1912). Boysen Jensen, Tidskr. f. Skovvaesen, 22, 1 (1910). — 6) A. Mdntz u. Gaudechon, Corapt. rend., 149, 190 (1909); 156, 368 (1913). — 7) Bonnier, Compt. rend., 115, 447 (1892); Rev. gön. Bot., 7, 241 (1895). Corbett, Just Jahresber. (1900), //. 287. § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation. 537 milationsmehrleistungen erzielen, die mit strukturellen Änderungen im Blattbau, aber auch mit pathologischen Erscheinungen verbunden waren. Nach ToLOMEi(l) soll der Einfluß von Magnesiumlicht ein noch kräftigerer sein. In der arktischen Zone dürfte während der ganzen nordischen Sommer- nacht Assimilationstätigkeit dauernd erhalten bleiben (2). Zweifellos wird auch bei den Algen die Anpassung an verschiedene Lichtstärke eine große Rolle spielen und die Verteilung der Meeresalgen auf verschiedene Tiefenzonen muß mindestens teilweise mit der Ombro- philie in Beziehung stehen (3). Nach den Feststellungen von Combes (4) ist aber unter den Grünalgen selbst das Helligkeitsmaximum der Ent- wicklung nicht gleich und Cystococcus und Chlorella haben ein viel geringeres Helligkeitsoptimum als das direkte Sonnenlicht. Die Wirkung der verschiedenfarbigen Strahlengattungen im Sonnen- licht auf Ergrünen und Sauerstoffausscheidung assimilierender Pflanzen war frühzeitig Gegenstand des Interesses der Physiologen, und Sene- BiER(5), der zu solchen Untersuchungen die bekannten, später von Sachs viel benutzten doppelwandigen Glasglocken gebrauchte, behauptete, daß die violetten Strahlen mehr Kraft hätten, das Bleichwerden von Trieben zu verhindern als die anderen Strahlen. Ruhland (6) unternahm 1813 Keimungsversuche in verschiedenfarbigem Licht, Gilby(7) unter- suchte die Assimilation in rotem und in blauem Licht, und es war ins- besondere Daubeny (8), den eingehende Studien zu dem Ergebnis führten, daß die leuchtenden Strahlen des Sonnenlichtes bei der Assimilation vor allem wirksam seien. In den späteren Arbeiten von Draper (9) wurden die seither so viel benutzten Lösungen von KaUumbichromat und von Kupferoxydammoniak als Lichtfilter eingeführt, und es ist bekannt, daß dieser Forscher ebensowohl, wie hernach Hunt (10), Cloez und Gratiolet, Sachs und Pfeffer wesentlich auf dem Boden der von Daubeny be- gründeten Lehre standen, wonach die leuchtenden gelben Strahlen den assimilatorisch wirksamsten Anteil des Sonnenlichtes darstellen. Sachs verwendete hierbei die Gasblasenzählmethode, Pfeffer brachte weitere Verbesserungen der Methodik. Auch für die Chlorophyll- bildung wurde durch Gardener(II) 1845 die Behauptung aufgestellt, daß sie am schnellsten im gelben Lichte erfolge, während Guillemin (12) annahm, daß das Ergrünen im dunklen Wärmestrahlenbereiche des Spektrums stattfinde. Nur von der theoretischen Überlegung ausgehend, daß die vom Chlorophyll am stärksten absorbierten Strahlen, nämlich die im Rot zwischen den Linien B und C gelegenen Strahlen, auch beim Chlorophylleffekte die erste Rolle spielen müssen, kam Lommel(13) 1871 zuerst zu der richtigen Erkenntnis, daß das Assimilationsoptimum nicht im gelben Spektralbezirke, sondern im Rot gesucht werden müsse. 1) ToLOMEi, Chem. Zentr. (1893), //. 377. — 2) G. Gürtel, Rev. g6n. Bot., 2, 7 (1890). SCHÜBELER, Nature (1880), p. 311. — 3) Vgl. A. Richter, Bull. Ac. St. Pötersb. (1912), p. 727. — 4) R. Gombes, Bull. Soc. Bot., 59, 350 (1912). — 5) Senebier, Mem. phys.-chem., /, p. VII (1785); Physiol. v%^t., 4, 273. — 6) Ruhland, Schweigg. Journ., p, 232 (1813). — 7) W. H. Gilby, Ann. de Chim. et Phys. (2), 17, 64 (1821). — 8) Daubeny, Phil. Trans. (1836), /, 149; Berzelius Jahresber. (1838), p. 227. — 9) J. W. Draper, Journ. prakt. Chem., j7, 21(1844). — 10) Hunt, Botan. Ztg. (1851), p. 341. Sachs, Ebenda (1864), p. 363; Experim. Physiol., p. 25 (1865). Pfeffer, Arb. botan. Inst. Würzburg, /, 1 (1871). Morgen, Botan, Ztg. (1877), p. 553. — 11 ) Gardener, Berzelius Jahresber., 25, 413 (1846). — 12) Guillemin, Ann. Sei. Nat. (4), 7, 154 (1859). — 13) Lommel, Ann. Chem. u. Phys., 144, 581 (1871). 538 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. Nachdem N. J. C. Müller (1) versucht hatte, diese Theorie experimentell zu stützen, gelang es wohl Timiriazeff(2), auf genauen spektroskopischen Versuchen fußend, die ersten sicheren Tatsachen zugunsten der An- nahme des Optimums im Rot zu liefern. Seine Methode, die Strahlen- bezirke des Spektrums möglichst rein zu sondern und die verschieden- farbigen Strahlen aus ausgewählten Distrikten wieder durch Konzentration zu vereinigen, erwies sich im folgenden, auch in den Arbeiten von Reinke (3) und Engelmann (4) als sehr fruchtbar. Zweifellos sind in den älteren Arbeiten durch partielle Deckung der Spektraldistrikte durch Dispersion schwere Fehler entstanden, indem das Optimum der Assimi- lation durch Beimengung roter Strahlen mehr nach dem kurzwelligen Ende des Spektrums verschoben wurde. Timiriazeff gelang es schließlich ein so scharfes, helles kleines Spektrum auf einem Laubblatt zu ent- werfen, daß an der besonders reichlichen Stärkebildung im Rot ohne weiteres die optimale Wirkung dieser Strahlen zu erkennen war. Noch bessere Erfolge erzielte Reinke durch Verwendung von Gitterspektren für die Untersuchung des Ergrünens von Keimpflanzen und durch die Einführung des als „Spektrophor" bezeichneten Apparates, welcher ein Isolieren und Konzentrieren von Strahlen aus bestimmten Distrikten des Spektrums viel vollkommener gestattete als die früher gebrauchten Vorrichtungen. Engel- manns Methode bestand einerseits in der Erzeugung eines lichtstarken reinen Spektrums im mikroskopischen Bilde mit Hilfe seines ausge- zeichneten, von Zeiss gebauten, Mikrospektralapparates und in der An- wendung von Bacterien als Sauerstoffreagens. Alle diese Methoden führten einhellig zum Ergebnis, daß das Maximum der Wii-kung im roten Teile des Spektrums liegt, wenn auch einige Differenzen bezüglich der Lage dieser Zone sieh noch nicht beseitigen ließen. Diese Unsicher- heiten liegen aber, wie Pfeffer ausgeführt hat, besonders darin be- gründet, daß die wirksamsten Strahlen beim Durchtritt durch die Schichten der chlorophyllhaltigen Zellen sehr rasch vermindert werden und nun der maximale Effekt auf die Strahlen der angrenzenden Teile des Spektrums übergeht, wodurch Verschiebungen im Resultate bedingt sein müssen. Diese Effekte werden bei dickeren Blättern sehr stark merklich sein, sind aber, wie Engelmann hervorhob, schon beim Durchtritt des Lichtes durch einen Algenfaden nachweisbar. In den eleganten Versuchen Engelmanns wurde ein Cladophora- faden bei ganz engem Spalt des Mikrospektralapparates so in das Ge- sichtsfeld gebracht, daß seine Längsachse zu den FRAUNHOFERschen Linien senkrecht stand. Hierauf wird der Spalt langsam erweitert und man erkennt, wie mit steigender Lichtintensität des Spektrums die Be- wegung der mit eingeschlossenen sauerstoffempfindlichen Bacterien zuerst im Rot beginnt und sich nach beiden Seiten ausbreitet. Im Rot bleibt das Schwärmen aber immer am stärksten. Auch die neueren Studien über Chlorophyllbildung und Assimilation von Algen von Dangeard und Desroche lassen keinen Zweifel darüber, daß die Region der Hauptabsorption des Chlorop'hylls im Spektrum mit der stärksten Wir- kung auf die Assimilationstätigkeit zusammenfällt (5). Bei Chlorella wurde 1) N. J. C. MÜLLER, Botan. Untersuch.. /. 3 (1872); Jahrb. wiss. Botan., 9, 36 (1873). — 2) C. Timiriazeff, Botan. Ztg. (1877), p. 260; Ann. de Chim. et Phys. (5), 12 (1877); Compt. rend., 96, 375 (1884); 110, 1346 (1890). — 3) J. Reinke, Botan. Ztg. (1884), p. 1; Botan. Zentr. (1886), Nr. 42; Sitz.ber. Berlin. Ak., jo, 527 (1893). — 4) Th. Engelmann, Botan. Ztg. (1882), p. 419. — 5) P. Ä. Dangeard, Compt. rend., 152, 277 u. 967 (1911); Bull. Soc. Botan., 57, 91 u. 116 (1910). P. Desroche, Compt. rend., 153, 1014 (1911); Assoc. Franc. Av. Sei. Dijon (1911), p. 485. § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation. 539 von Dangeard das Maximum bei den Wellenlängen A = 670 — 635 ///* ge- funden, während Engelmann und Timiriazeff die Grenzen zwischen 685 /^/i und 655 ixfi. angeben. Die blaugrünen Cyanophyceen, auf deren Eigentüm- lichkeiten weiter unten einzugehen sein wird, nutzen auch die orange- und infraroten Teile des Spektrums aus. Bei den beweglichen Formen kann man eine Anhäufung der Algen in diesem Teile des Spektrums konstatieren. Daß Nadson(I) bei Stichococcus in farbigem Licht das durch Kaliumbichromat filtrierte Licht auf die Entwicklung ungünstig fand, während das blaue Licht wohl anfangs verzögerte, dann aber ganz gute Entwicklung gestattete, widerspricht diesen Ergebnissen nicht, da bei längerer Einwirkung farbigen Lichtes leicht sekundäre Einflüsse den Effekt auf die Assimilation gänzlich aufheben können. Erwähnt sei, daß nach den Feststellungen von Kohl (2) die Bewegungen der Spaltöffnungs- KA a B C Lityj;j'770 =750 730 :710 6910 670 i650 G30 D E t> F f.a H GIO S50 570 550 530 510 49^fl 4T0 450 i4<30 410 :390 370 350 330 0,900 ,* »•.. ,.' ■"-«. ■^^ ^, »••' '' ,'•- \"\ \ .«- »'' *'' \ \ 4400 0,300 0,200 0,100 nnnn ««• »"* \ \ ^. .*^ ^> '^^ /" »^ V s, ■**, _J J V / X ^ Fig. 6. Obere Kurve: Energieverteilung im Normalspektrum des direkten Sonnenlichtes (nach Langley). Kurve links unten : Energieverteilung in dem vom Rotfilter (Rotscheibe Schott F 4512) durchgelassenen Spektralbezirk des direkten Sonnenlichtes. Kurve rechts unten: Energieverteilung in dem vom Blaufilter (Blauscheibe Schott F 3873) durchgelassenen Spektralbezirk des direkten Sonnenlichtes (nach Kniep und Minder). Schließzellen gleichfalls nach der Lichtfarbe verschieden aus^Uen, und ihre Turgorsteigerung im roten Lichte am bedeutendsten ist. Nun ist es auch angesichts der bekannten durch Langley genau studierten Tatsache, daß der Hauptanteil der Sonnenlichtenergie auf den langwelligen Teil des Spektrums mit dem Maximum in der Nähe der Natriumlinie fällt, klar, daß man durch die Sonderung der Strahlen ver- schiedener Wellenlänge Lichtbezirke von verschiedener Intensität erhält, wobei die Versuche von vornherein sehr zu Ungunsten der kurzwelligen Strahlen gestimmt werden. Dieser wichtige Umstand ist erst in letzter Zeit in einer Studie von Kniep und Minder (3) hinreichend beachtet worden und da hat sich in der Tat ergeben, daß Versuche mit roten und blauen Spektral- 1) G. A. Nadson, Bull. jard. bot. P^tersb., lo, 137 (1910). — 2) F. G. Kohl, Beiblatt z. Leopoldioa (1895). — 3) H. Kniep u. Minder, Ztsch. Botan., /, 619 (1909). 540 Zwanzigstes Kapitel : Eohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Cblorophyllkom. anteilen, die sorgfältig auf gleiche Strahlungsintensität unter thermo- elektrischer Kontrolle eingestellt worden waren, zwischen rotem und blauem Lichte einen viel geringeren Unterschied in der assimilatorischen Wirkung ergaben als es nach den älteren Versuchen den Anschein hatte. Wir erkennen daraus auch ohne weiteres, daß die Versuche mit ver- schieden intensivem Lichte von vornherein ein verschiedenes Resultat erwarten lassen müssen, da im ntensiven Sonnenlichte die langwelligen Strahlen in ihrem Effekt bedeutend mehr prävalieren als im diffusen Tageslichte, wo auf die blauen strahlen bereits ein relativ viel beträcht- licherer Anteil fällt. So wird man es verstehen, daß bei Anwendung von sehr heUem Licht der Effekt von Rot viel mehr hervortreten wird, während in schwächerem Lichte bereits die Wirkung von Blau ansehn- lich in Betracht kommt. Daraus erklären sich ohne weiteres die An- gaben von Engelmann über die Existenz eines zweiten kleineren Assi- müationsmaxiuiums in Blau, welches auch Kohl(1) für die Gegend der Linie F wiedergefunden hatte, das aber von Pfeffer(2) nicht bestätigt werden konnte. Nachdem zuerst Hertel (3)' darauf aufmerksam gemacht hatte, daß von allen Strahlen des Spektrums eine wirksame Rolle in der Assimilation erwartet werden könne, daß aber durch die verschiedene Intensität derselben im Sonnenlicht das Verhältnis zu Ungunsten der stärker brechbaren Strahlen von selbst gegeben sei, hat Stahl (4) ein- gehend ausgeführt, welchen wesentlich größeren Anteil die blauen Strahlen an dem Assimilationseffekte nehmen, je mehr die direkte Sonnenbestrah- lung gegen das diffuse blaue Himmelslicht zurücktritt. Daß selbst den ultravioletten Strahlen noch Wirkungen für die Ghlorophyllbildung und Sauerstoffausscheidung im Assimilationsvorgange zukommen, ist von einigen Forschern gezeigt worden. So fanden Bonnier und Mangin (5) für beide physiologischen Prozesse das ultraviolette Licht von einem gewissen Wert, womit eine Reihe älterer Untersuchungen über das Ergrünen bestätigt wurde (6), und Stoklasa(7) fand die Strahlen der Wellenlängen 575—300 ^ix bei Beleuchtung mit der Queck- silberbogenlampe in einer Entfernung von 30 — 35 cm von der Licht- quelle auf das Ergrünen etiolierter Keimlinge rasch wirksam. Licht von kleinerer Wellenlänge als 300 {a(x hatte keinen Einfluß mehr. Hertel (8) hat mit Recht hervorgehoben, daß die Sauerstoffausscheidung in der Chlorophylltätigkeit geeignet sei, den schädigenden Einfluß der im Sonnen- lichte enthaltenen chemisch wirksamen Strahlen für die Pflanzenzellen zu eliminieren. Es wird nicht überraschen, daß Masulli (9) fand, daß sich das Meso- phyll unter dem Einflüsse derjenigen Strahlen am besten ausbildet, welche die Assimilationstätigkeit am wirksamsten unterstützen. Im blauen und violetten Lichte wurde Verringerung und Verkleinerung der Intercellularen konstatiert. 1) F. G. Kohl, Ber. Botan. Ges., is, 361 (1897). — 2) Pfeffer, Physiologie, 2. Aufl., /, 334 (1897).- — 3) E. Hertel, Naturwiss. Woch.Bchr., 22, 81 (1907). — 4) E. Stahl, Zur Biologie des Chlorophylls (Jena 1909); Naturwiss. Woch.schr. (1906), p. 289., — B) Bonnier u. Mangin, Compt. rend., 102, 123 (1886). — 6) Cailletet, Ann. de China, et Phys. (4), 14, 325 (1868). Prillieux, Ann. Sei. Nat. (5), 10 (1869). Deherain, Ebenda (5). 12, 5 (1869). Timiriazeff, Botan. Ztg. (1869). Nr. 11. — 7) J. Stoklasa, Sitz.ber. Wien. Ak., 120, 195(1911). L. Rayband. Rev. gön. Bot., 25, 38 (1918). — 8) E. Hertel, Ztsch. allgem. PhysioL, 4, 32 (1904). — 9) O. Masulli, Bull. Orto Bot. Napoli, 2, 329 (1910). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Eohlensäureassimilation. 541 Aus den Untersuchungen von Lubimenko und von Thelen geht hervor (1), daß der Vergleich der relativen Trockensubstanzproduktion im monochromatischen Licht zu anderen Resultaten führen kann, als uns das Abhängigkeitsverhältnis der Assimilation von der Lichtfarbe anzeigen würde. Der Gesamtnutzeffekt muß sich hier aus mannigfachen Umsetzungen der unter dem Einflüsse des Lichtes primärgebildeten Assimilationsprodukte sowie aus den Abbauvorgängen, wie der Atmung, zusammensetzen, und man kann am Ende eines längeren Versuchs Zeitraumes nicht erkennen, welchen Anteil der primäre Vorgang an dem Resultat besitzt. Deshalb sind die Trockensubstanzbestimmungen überhaupt nur mit größter Reserve bei der quantitativen Beurteilung der Kohlensäureassimilation zu verwenden. Bieten schon die Verhältnisse der Abhängigkeit der Assimilations- vorgänge von den einzelnen Strahlengattungen nicht geringe Schwierigkeiten dar, wenn das Medium Luft ist, so steigern sich diese Unsicherheiten in derzeit noch nicht überwindhcher Weise, wenn es sich um assimilierende Pflanzen handelt, welche in größerer Wassertiefe leben. Wie weit Licht überhaupt in Wassertiefen eindringt, hängt sehr von der Menge trübender Partikel, von der Reinheit des Wassers ab. Fol und Sarrasin (2) fanden im Genfer See im April bis zu 250 m Tiefe Wirkung auf photographische Platten, im September bis zu 170 m. Über andere Versuche zur Bestimmung der in Wassertiefen herrschenden Lichtintensitäten berichten Kny und auch Linsbauer (3). Manche Algen gedeihen noch in großen Tiefen. Hum- boldt fand bei den Canaren noch bis zu 190 Fuß Tiefe Algenvegetationen (4). ScHiMPER(5) unterschied drei Tiefenregionen des unterseeischen Pflanzenwuchses oder Benthos, als Stufen der abnehmenden Beleuchtung oder Lichtregionen: 1. die photische oder helle Region, in welcher die Licht- intensität für die normale Entwicklung von Makrophyten genügt; 2. die dysphotische oder Dämmerregion, in welcher nur noch genügsame Mikro- phyten fortkommen (Diatomeen); 3. die aphotische oder Dunkelregion, in welcher kohlensäureassimiherende Organismen überhaupt fehlen. Die Grenzen dieser Zonen können natürhch verschieden tief Hegen. Nach den Versuchen von Jönsson (6) können grüne Pflanzen (Moose) in geeigneten Apparaten bis 21 m tief unter den Meeresspiegel versenkt werden, ohne daß die Sauerstoffabgabe aufhört. Unstreitig wird bei dieser Verteilung auf die photische und dysphotische Region mit deren Unterabteilungen die Intensität des zur Verfügung gestellten Lichtes sehr in Betracht kommen. Doch ist es eine sehr ansprechende Hypothese, konform mit den Darlegungen von Engelmann und Gaidukov eine Beziehung mit den am meisten ab- sorbierten Lichtstrahlen aufzustellen, da die grünen Algen unstreitig nur in den hellsten Regionen vorherrschen, während Rotalgen in den nJeisten Formen ausgeprägte Tiefenbewohner sind. Nach H üfner absorbiert eine 180 cm lange Wassersäule 50% des Rot, 90% des Grün, 95% des indigofarbenen Lichtes. Rotgefärbte Algen sind daher entschieden in den tieferen Wasserschichten den grüngefärbten gegenüber im Vorteil. Gaidukov beobachtete ferner, daß in Mischkulturen von verschieden gefärbten Oscillarien in gefärbtem Licht die- jenigen Formen schließlich überwiegen, welche die komplementäre Farbe 1) W. Lubimenko, Rev. g^n. Botan., 23, 1 (1911); Verband], russ. Naturf, Versamml., 10, 524 (1910). O. Thelen, Disa. (Rostock 1910). — 2) Fol u. Sarrasin, Arch. Sei. Phys. et Nat., ig, 447 (1888). — 3) L. Kny, Sitz.ber. naturf. Freunde Berlin (16. Okt. 1877). L. Linsbader, Zool. botan. Ges. Wien (1895). — 4) Hüm- BOLDT, zit. in Decandolle, Pflanzenphysiologie, 2, 705. — 5) Schimper, Pflanzen- geographie, p. 818. — 6) B. JöNSSON, Nyt Magazin f. Naturvidensk., 41, I (Kristiania 1903). 542 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. zu dem zur Verfügung stehenden Lichte tragen (1). Allerdings wäre es wünschenswert für die bereits neuerdings hauptsächUch infolge der Ausfüh- rungen von Stahl viel diskutierte- Frage hinreichendes Material über die Spektralzusammensetzung des Lichtes in größeren Meerestiefen zur Ver- fügung zu haben, wofür eben erst Ansätze vorhanden sind (2). Wenn man aber mit Stahl die grüne Farbe des Chlorophylls der Landpflanzen mit dem Minimum der grünen Strahlung im SonnenUcht und Himmelsücht in Beziehung bringt, und die grüne Färbung als Anpassung an das komplemen- täre Licht erklärt, so mag es erlaubt erscheinen, auch die roten und braunen Färbungen bei Algen als eine Adaptation an das infolge der Absorption eigentümhch zusammengesetzte Licht in größeren Tiefen zu deuten. D. Einfluß der Temperatur. Sachs (3) hat gezeigt, daß bei sehr niedriger Temperatur der Prozeß des Ergrünens etiolierter Keimpflanzen bedeutend verlangsamt ist und eo ipso muß da die COg -Assimilation gleichfalls stark herabgesetzt sein. Aber auch an älteren Pflanzen sieht man bei sehr kalter Witterung die jungen Triebe weniger ergrünen als der Norm entspricht. Die Vermutung, daß bezüglich des Temperatur- einflusses auf Chlorophyllbildung und CO... -Zerlegung spezifische Diffe- renzen obwalten, haben neuere Arbeiten mehrfach bestätigt. Die Algen im Polarmeere müssen zeitlebens bei Temperaturen nahe an Null assimi- lieren, während nach Ewart(4) bei tropischen Pflanzen, wie Epidendrum, Aspidium violascens, Mimosa, der Nullpunkt der Assimilation schon bei + 5" C erreicht ist. Unsere europäische Flora scheint nahe an Null noch sehr allgemein Assimilationstätigkeit auszuüben. Bei Pinus Laricio wies BoussiNGAULT (5) CO.,-Zerlegung zwischen 0,5° und 2,5°, bei Wiesengräsern bei 1,5° bis 3,5° mittels des Aufleuchtens von Phosphor- dämpfen nach. In Versuchen von Heinrich (6) schied Hottonia noch bei 4,5° Sauerstoff aus. Picea excelsa soll nach Jumelle(7) selbst bei — 35° C, Juniperus bei —30° bis —40° etwas COj zersetzen. Evernia Prunastri hörte bei — 37°, Physcia ciliaris und Cladonia rangiferina bei — 25° auf zu assimilieren. In einer methodisch viel vollkommeneren Untersuchung konstatierte Miss G. Matthaei (8), wobei für jede Tempe- ratur möglichst günstige Versorgung mit Licht und CO2 geboten wurde, daß bei Prunus Laurocerasus bei — 6° eben merkliche Kohlensäure- zersetzung eintritt. Dies stimmt mit den älteren Angaben von Kreus- LER(9) überein, der bei Brombeersprossen, Bohne, Ricinus und Lauro- cerasus noch zwischen 0 und —2,4° deutliche COo-Zerlegung beobachtet hatte. Höhere Werte finden sich bei Sachs (10), der Vallisneria durch Abkühlen auf +6° zum Sistieren der Sauerstoffausscheidung brachte, und Cloez und Gratiolet(II), die für Potamogeton eine Wasser- temperatur von + 10 ° als Assimilationsminimum angeben. Das Er- grünen von etiolierten Keimlingen konnte Wiesner (12) unterhalb + 4° nicht mehr erreichen. Die kalt gehaltenen Keimlinge sind viel lebhafter gelb gefärbt als Dunkelkeimlinge; ihr Farbstoff wurde von 1) N. Gaidukov, Zentr. Bakt. II, 14, 206 (1905). ~ 2) Vgl. R. Bertel, Ann. de l'lnpt. Oc^anograph. Monaco, 3, VI (1912). — 3) J. Sachs, Flora (1864); Gesammelte Abhandl., /, 137. — 4) Ewart, Journ. Linn. Soc., j/, 400 (1896). — 5) BoussiNGAULT, Ann. Sei. Nat. (5), 10, 336 (1869); Agron , 5, 16 (1874). — 6) Heinrich, Landw. Versuchsstat., 13, 136 (1871). — 7) Jumelle, Compt. rend., 7/2, 1462 (1891) — 8) Gabr. Matthaei, Phil. Trans. Roy. Soc, 797- B, 47 (1904). — 9) U. Kreuslkr. Landw. Jahrb., 17, 101 (1888): 16, 711 (1887). — 10) Sachs. Experimentalphysiologie p. 55 (1865). — 11) CloEz u. Gratiolet, Flora (1851), p. 750, — 12) Wiesner, Entstehung d. Chlorophylls, p. 90 (1877). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Kohlensäureassimilation. 543 Elfving(I) als identisch mit Etiolin erklärt. Alle Untersucher kamen zu dem Ergebnis, daß die Assimilationsleistung mit der Temperatur rasch zunimmt und bei Temperaturen von 30 — 35° einen optimalen Effekt erreicht. Jedoch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß konform den Ausführungen von Blackman und Matthaei(2) dieses scheinbare Optimum nur durch die limitierende Wirkung von anderen Faktoren, die sich im Minimum befinden, im natürlichen Leben der Pflanze ent- weder Lichtintensität oder COg-Zufuhr, bedingt wird. Der Assimilations- vorgang selbst nimmt der Temperatur proportional zu und man kann, wie Kanitz(3) gezeigt hat, aus den Versuchsdaten von Blackman er- kennen, daß hier die Van 't HoFFsche Regel befolgt wird mit einem Temperaturkoeffizienten für 10^ = 2,06. Bei den Untersuchungen von Blättern im natürlichen Sonnenlichte hat man zu berücksichtigen, daß die Innentemperatur wesentlich höher ist als die Außentemperatur, so daß Laurocerasusblätter nach Blackman 7 — 16° über der Thermometer- Schattentemperatur haben. Bei tropischen Laubblättern fand Smith (4) ähnliche Temperaturunterschiede. Daß auch noch bei relativ sehr hohen Temperaturen Assimilation stattfindet, sahen schon ältere Forscher, so Kreusler, der bis 46,4 <> CO.-Zersetzung angibt, und Schützenberger und Quinquaud (5), welche bei Elodea noch bei 45—50*' Gasblasen- ausscheidung beobachteten. Miss Matthaei konstatierte bei Lauro- cerasus bei 43^ ungefähr dieselbe Assimilationstätigkeit wie bei 24°. Wie Blackman gezeigt hat, ist es aber nicht gleichgültig, wie lange bereits die hohe Temperatur eingewirkt hat, wenn man die Ablesungen im Versuche vornimmt, da bei hohen Temperaturen die Werte zwar sehr hoch, der Van 't HoFFschen Regel entsprechend, einsetzen, aber dann sehr rasch absinken, und zwar um so rapider, je höher die Tempe- ratur ist. Man hat also auch einen „Zeitfaktor" zu berücksichtigen, der offenbar auf einer inaktivierenden Wirkung höherer Temperaturen auf die Chloroplastentätigkeit beruht, während der chemische Vorgaug der Assimilation der Temperatur einfach proportional ist. E. Einfluß des Wassergehaltes der Pflanzen. Nachdem die gegen Änderungen des Wassergehaltes überaus leicht reagierenden Spalt- öffnungen die Eintrittspforten der Kohlensäure bei der Assimilation darstellen, so ist es erklärlich, daß durch herabgesetzte Wasserzufuhr empfindliche Störungen in der Assimilationstätigkeit eintreten. Besonders Kreusler (6) hat dargelegt, daß die Pflanzen in trockener Luft erheblich schwächer assimilieren als in genügend feuchter Atmosphäre, sofern der Transpirationsverlust nicht sofort wieder gedeckt wird. So erklärt sich der Vegetationsstillstand bei anhaltend trockenem Wetter, der viel mehr in die Wagschale fällt als der Einfluß anhaltend trüber Witterung. Natürlich hat man die Rolle des Wassers als Assimilationsmaterial mit- zu berücksichtigen. Nach Backhaus (7) sind zur Bildung von 1000 g Pflanzentrockensubstanz 350 Teile Wasser nötig. Selbst die Assimilations- tätigkeit der Moose ist nach Jönsson (8) gegen Feuchtigkeitsschwankungen sehr empfindlich. Hingegen bildet die Herabsetzung des Transpirations- 1) Elfving, Arb. botan. Inst. Würzburg, 2, 495 (1880). — 2) F. Blackman u. G. Matthaei, Proceed. Roy. Soc, 70, ß, 402 (1905). Matthaei, 1. c. (1904). — 3) A. Kanitz, Ztsch. f. Eleictrochem., //, 689 (1905). — 4) A. M. Smith, Proc. Cambridge Phil. Soc, 14, 296 (1907). — 5) Schützenberger u. Quinquaud, Compt. rend., 77, 272 (1873). — 6) Kreusler, Landw. Jahrb., 14, 913 (1885). — 7) A. Backhaus, Verhandl. Ges. Naturf., II, i, 123 (1905). — 8) B. Jönsson, Compt. rend., 119, 440 (1894). 544 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. Stromes in dampfgesättigter Luft, wie erklärlich, kein Hindernis für eine ausgiebige Assimilation. Wie stark die Energie der COg-Verarbeitung der Blätter mit dem Wassergehalt der Organe differiert, haben ferner Untersuchungen von Deherain und Maquenne(I) gezeigt. Diese Einflußnahme erscheint natürlich, indem energisch assimilierende Pflanzen eine erhebliche Menge des aufgenommenen Wassers sowohl in der Kohlen- hydratsynthese direkt, als auch in den anschließenden synthetischen Pro- zessen verschiedener Art verbrauchen. VAN TiEGHEM (2) hat vorgeschlagen, denjenigen Teil der Wasser- bewegung, welcher das unmittelbar zum Assimilationsvorgang nötige Wasser he fert, als Chlorotranspiration oder Chlorovaporisation zu bezeichnen. Diese Unterscheidung ist jedoch vorläufig noch nicht über die Bedeutung einer theoretischen Einteilung hinausgekommen. Bedeutungs- voll ist es, daß die roten Lichtstrahlen der Region B— C die Transpiration ebenso wie die Assimilation am stärksten unterstützen und der Turgor der Schheßzellen durch diese Strahlen am meisten erhöht wird (3). Auch dies muß als Anpassung an die im Sonnenhcht am stärksten vertretenen Energie- anteile aufgefaßt werden, da ein sehr erhebhcher Teil der Strahlungsenergie dazu verbraucht wird, die Verdampfung des Wassers in den Assimilations- organen durchzuführen. Manche Moose und viele Flechten vermögen auf ihrem natürhchen Substrate bis zur Pulverisierbarkeit auszutrocknen, wobei sie natürüch ihre Assimilationsfähigkeit temporär verheren. Bei Eintritt genügender Wasserzufuhr wird jedoch sofort wieder eine energische Assimilation ent- faltet (4). Diese Erfahrungen berechtigen zur Hoffnung, daß es gehngen könnte, wenigstens bei zu einem gewissen Grade bei vorsichtig getrockneten Blättern die Assimilationsfähigkeit zu erhalten, zumal es Molisch (5) ge- glückt ist, bei trockenen Lamiumblättern eine ganz schwache Sauerstoff- ausscheidung mit Hilfe der Photobacterien nachzuweisen. Ältere Angaben berichten allerdings, daß trockene Blätter die CO g- Assimilation für immer vernichtet zeigen (6). Mit der Notwendigkeit einen gewissen Wasservorrat für die ungestörte Assimilation zur Verfügung zu halten, hängen in erster Reihe die vielen merkwürdigen Einrichtungen bei Wüstenpflanzen zusammen, welche den wohlbekannten xerophytischen Habitus dieser Gewächse be- dingen. F. Einfluß des Salzgehaltes des Mediums. Wasserpflanzen, bei denen sich diese Einflußnahme am reinsten studieren läßt, werden nach den vorliegenden Erfahrungen durch einen Salzgehalt des Wassers, welcher von den normalen Bedingungen abweicht, meist ungünstig betroffen. Es handelt sich dabei um osmotische Wirkungen, welche bei Süßwasser- und Meerespflanzen festgestellt wurden. Daß aber selbst Salzkonzentrationen, die den plasmolytischen Grenzwert erreichen, unter geeigneten Verhält- nissen noch nicht die CO g- Verarbeitung ganz hemmen müssen, haben sowohl 1) DtHfeRAiN u. Maquenne, Compt. rend., 103, 167 (1886). — 2) Ph. van TiEGHEM, Bull, Soc. Botan., 33, 152 (1886). — 3) F. G. Kohl, Beibl. z. Leopoldiua (1895). J. W1E8NER. Sitz.ber. Wien. Ak., 74 (Oktober 1876). — 4) Vgl. Bastit, Rev. g4n. Botan., 3, 521 (1891). Tumelle, Eben«^a, 4, 168 (1892); Compt. rend., 112, 888; U3, 920 (1891). — 5) H. Molisch, Botan. Ztg. (1904), /, 1. — 6) Bous- SINGAULT, Agronomie, 4, 317 (1868). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Eohlensäureassimilation. 545 Klebs als Kny beobachtet (1). Hingegen waren in den Versuchen von Treboux (2) plasmolytisch wirksame Konzentrationen bereits dauernd schädigend. Jacobi (3) erschloß bei Elodea mit Hilfe der Blasenzählmethode eine Herabsetzung der Assimilationstätigkeit durch isosmotische Lösungen von Salzen: KNOg 0,5%, NaCl 0,29% und KCl 0,37%, und beobachtete bei KCl die relativ stärkste Wirkung. Treboux gibt als die minimale bereits wirksame Salzkonzentration 0,1% KNO3 an. Auch Pantanelli (4) erzielte wesentlich dieselben Ergebnisse unter Beobachtung weiterer experimen- teller Vorsichtsmaßregeln. Doch entbehren alle bisherigen Untersuchungen noch der generellen Gesichtspunkte hinsichthch einer Feststellung be- stimmter lonenwirkungen und deren relativer Wirkungsstärke, so daß es eine dankbare Aufgabe wäre, diese Einflüsse auf die Assimilation einer ein- gehenden Prüfung zu unter ziehen, wobei mögUcherweise auch der Assimilations- mechanismus eine instruktive Beleuchtung erfahren könnte. Pantanelli kam zu dem Ergebnis, daß die Salzwirkung das Chloroplastenstroma betrifft. Meeresalgen, Enteromorpha und Ulva wurden von Arber (5) hinsichthch der Wirkung des Salzgehaltes im Medium auf die Assimilationstätigkeit untersucht, ohne daß diesen Versuchen die wünschenswerte Sicherheit in der Erkenntnis der einschlägigen Verhältnisse zu entnehmen wäre. See- wasser übertrifft alle untersuchten Salzlösungen an Eignung und destil- hertes Wasser schädigte vermöge seines unzureichenden Gehaltes an CO2 und der Abwesenheit von Salzen die Assimilation dieser Algen bedeutend. Daß nicht wenige Süßwasseralgen aus den verschiedensten Ordnungen imstande sind, sich an Salzlösungen bis zu einem gewissen Grade zu ge- wöhnen, geht aus den Untersuchungen von A. Richter hervor (6). Wie Oltmanns (7) hervorhebt, ist für Meeresalgen rascher und häufiger Wechsel des Salzgehaltes im Medium, wie er sich im Brackwasser findet, nicht günstig. Bei den Landpflanzen, welche salzhaltigen Boden bewohnen, ist eine Änderung im Salzgehalte des Substrates, soweit die Erfahrungen reichen, selbst bis zur gänzhchen Abwesenheit von NaCl von keinem Ein- flüsse auf die Assimilationstätigkeit, wohl aber auf die anatomische Struktur der Blätter. Besonders Lesage (8) hat sich mit eingehenden Studien in dieser Richtung befaßt. Es scheint, als ob der succulente Charakter vieler Halophyten in einem Zusammenhange mit der Schwächung der Assimilation durch vermehrten Salzgehalt stände. Vielleicht kommt auch für eine Reihe von Halophyten der Verwendung organischer Säuren, die sie in ihrem Stoffwechsel bilden, als CO2- Quelle eine Bedeutung zu. Daß der xerophile Habitus der Halophyten als Transpirationsschutz und Schutz gegen über- mäßige Salzzufuhr aus dem Boden aufzufassen sei, hat Schimper (9) in besonderer Rücksicht auf die indomalayische Strandflora dargelegt. Die Stomata der Halophyten sind nach Stahl (10) häufig nicht zum Schheßen befähigt, sondern stehen dauernd offen. Allerdings sind von Rosenberg (11) eine Reihe von Salzpflanzen namhaft gemacht worden, welche keineswegs der Befähigung des Spaltenschlusses entbehren. 1) G. Klebs, Biol. Zentr., 7, 166 (1887). Kny, Ber. Botan. Ges., 13, 396 (1897). — 2) C. Treboux, Flora (1903), p. 49. — 3) B. Jacobi, Ebenda (1899), p. 323. — 4) E. Pantanelli, Jahrb. wies. Botan., jp, 199 (1903). — 5) E. A. Newell-Arber, Ann. of Botan., 15, 39 u. 669 (1901). — 6) A, IIichter, Flora (1892), p. 4, — 7) F. Oltmanns, Sitz.ber, Berlin. Ak. (1891), p. 193). — 8) P. Lesage, Compt. rend , 109, 204 (1889); 112, 113, 337, 672, 891 (1891); Rev. g6n. Botan, 2, 55 (1890). — 8) A. F. W. ScmMPER, Monatsber. Berlin. Akad. (1890), p. 1045. Die indomalayische Strandflora (Jena 1891); Pfianzengeographie (1898). — 10) Stahl, Botan. Ztg. (1894), p. 136. — 11) Rosenberg, Svensk. Vet. Akad. Öfv. (1897), p. 531. Czapek, Biochemie der Ffiansen. I. 3. Aufl. 35 546 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. G. Einfluß der Ansammlung von Assimilationsprodukten oder von künstlicher Zuckerdarreichung. Man darf nach der Analogie anderer chemischer Prozesse auch von der Kohlensäureassimilation vor- aussetzen, daß sie mit der Anhäufung ihrer Reaktionsprodukte yer- laLgsamt wird und vielleicht ganz zum Stillstande gebracht werden kann. Eine solche Hemmung ist namentlich für abgetrennte Blätter, wo die Ableitung der Assimilationsprodukte sistiert ist, mehrfach sichergestellt worden. Schon Boussingault(I) fand bei abgeschnittenen Blättern an- fänglich energische COj-Zerlegung im Sonnenlicht und sodann allmähliche Abnahme des Prozesses. In einer Reihe von Untersuchungen gelang es später Saposchnikoff (2) festzustellen, daß bei abgetrennten Blättern von Vitis und anderen Pflanzen die Stärkespeicherung nur bis zu einem gewissen Grenzwerte geht und dann die COg-Zerlegung überhaupt auf- hört In COj -reicher Luft kann ein Blatt von Vitis Labrusca bis zu 35% seiner Trockensubstanz an Assimilationsprodukten anhäufen, ehe die Kohlensäurezerlegung sistiert Dabei ist zu berücksichtigen, daß, wie die Arbeiten von Brown und Escombe(3) erwiesen haben, bei ab- getrennten Blättern die Spaltöffnungen weiter offen sind, worauf man vielleicht den bemerkenswerten Umstand zurückführen kann, daß solche Blätter etwa um 45% COg mehr zerlegen als normale Blätter. H. Einfluß von Wasserströmungen. Ein solcher wurde bei Wasserpflanzen bezüglich deren Assimilatronsgröße durch Darwin und Pertz (4) gefunden. Elodea, Hottonia und Potamogeton schieden in be- wegtem Wasser deutheh mehr Sauerstoff aus, als in ruhendem Wasser unter sonst gleichen Verhältnissen. Daß hierbei die vermehrte Diffusion der Kohlen- säure eine Rolle spielt, ist wohl außer Frage. Doch sind die übrigen Faktoren, welche die Assimilationsförderung bedingen, wenn das umgebende Wasser in Bewegung verbleibt, noch näher zu bestimmen. I. Einfluß von elektrischen Strömen. Zuerst hat Pollacci (5) einen fördernden Einfluß von elektrischen Strömen auf die Chlorophyll- funktion behauptet, und zwar wurde diese Wirkung bei Gleichstrom stärker beobachtet als bei Anwendung von Wechselstrom. Diese Versuche wurden an den Blättern von Landpflanzen vorgenommen und der assimilatorische Effekt durch den Vergleich der im elektrisierten und nicht elektrisierten Zustande gebildeten Stärkemengen gemessen. Überschritt die Stromstärke ein gewisses Maß, so verwandelte sich der fördernde Effekt in eine Hemmung der Assimilationstätigkeit. Sehr auffallend ist die Angabe von Pollacci, daß auch verdunkelte Pflanzen bei der Einwirkung elektrischer Ströme geeigneter Stromstärke mit Stärkebildung in den Blättern reagieren. Es ist fraghch, ob PoLLACCis Vermutung, daß die elektrische Energie in diesen Fällen die Lichtenergie ersetzt hätte, die richtige ist. Vielleicht fanden Verbrauchshemmungen, oder hydrolytische Zuckerabspaltungen aus anderen Substanzen unter dem Einflüsse der Elektrisierimg statt, welche zur reich- hcheren Ablagerung von Stärke führten. Teilweise gleichzeitig mit Pol- lacci stellte Thouvenin (6) Versuche über die Beeinflussung der Assi- 1) BoussiNGAULT, Agronomie, 4, 303 (1868). — 2) Saposchnikoff, Ber. Botan. Ges. (1890), p. 238; (1891), p. 298; (1893), p. 391; Botan. Zentr., 63, 246 (1895). — 3) H. T. Brown u. Escombe, Proceed. Roy. Soc., 76, B. 29 (1905V D. Thoday, Ebenda, 82, 421 (1910). — 4) Fr. Darwin u. Pbrtz, Proc. Cambridge Phil. Soc. 9 (1896). — 5) G. Pollacci, Rend. Istit. Lombard. Sei. (2), j* (1905); Atti Ist. Bot. Pavia (2), 13 (1907); Bull. Soc. Bot. Ital. (1905), p. 94; Ebenda (1908). — 6) Thouvknin, Rev. g^n. Bot., 8 (1896). § 3. Einflüsse äußerer Faktoren auf die Eohlensäureassimilation. 547 milation von Elodea durch elektrische Ströme an. Er kam gleichfalls zu dem Ergebnis, daß innerhalb gewisser Grenzen der Stromstärke, eine Vermehrung der Kohlensäure Zerlegung bedingt wird. Tote und chloro- formierte Pflanzen zeigten diese Vermehrung der Gasblasenausscheidung durch den elektrischen Strom nicht. Interessant ist die Beobachtung, die auch von Koltonski (1 ) bestätigt worden ist, daß die fördernde Strom- wirkung bedeutender ist, wenn man die Pflanze von der Basis zur Spitze durchströmt, als dann, wenn man die Stromrichtung von der Spitze zur Basis der Pflanze orientiert. Eine Erklärung dieses Verhaltens ist auch durch die letztgenannte Arbeit nicht geüefert worden, wie überhaupt dieses interessante Thema noch einer umfassenden Behandlung bedarf. K. Einfluß des Lebensalters, Daß ganz jugendliche Blätter noch nicht in dem Maße Kohlensäure zerlegen, wie erwachsene Laub- blätter, fiel bereits Ingen-Housz auf und wurde in späterer Zeit wieder- holt festgestellt. Corenwinder sowie Boussingault fanden den Gas- wechsel jugendlicher Blätter bei der Assimilation weniger intensiv (2) und dasselbe ergab sich in Versuchen von Kreu8ler(3). Mittels der Anwendung der Bacterienmethode konnte sich Ewart(4) überzeugen, daß die COg-Zerlegung bei ganz jugendlichen Blättern wohl bald be- ginnt, doch muß ein gewisser Vorrat von Chlorophyll und eine gute Ausbildung der Chloroplastenstromata bereits vorhanden sein, ehe die Assimilation einsetzt. Blätter mittleren Alters assimilieren am kräftigsten. Nach CuB0Ni(5) verhält sich die Stärkebildung in Vitiszweigen, von den jüngsten Blättern nach abwärts aufeinanderfolgend, wie 4:5:6:8:9:10: 8:5:2:0. Combes(6) wies nach, daß das Beleuchtungsoptimum für die verschiedenen Entwicklungsstadien der Blätter verschieden ist. Blätter, die in herbstlicher Verfärbung begriffen sind, assimilieren nach den Untersuchungen von Kreusler und Ewart so lange, als sie noch nicht degenerierte Chlorophyllkörner haben. Nach Kreusler soll sich bei alten Blättern der Abfall in der assimilatorischen Leistungs- fähigkeit, besonders bei höheren Temperaturen, verraten. Friedel(7) fand bei Spinatblättern Mitte Oktober die Assimilation nur etwa Vio nial so intensiv wie Mitte Juni und Pelargonium zonale schied im November im Sonnenlicht nur etwa soviel Sauerstoff aus, daß eben der entgegen- gesetzte Atmungsgaswechsel kompensiert wurde. Ähnliche Verhältnisse herrschen auch bei reifenden Früchten. Daß Früchte, so lange sie grün sind, Kohlensäure wie die Laubblätter zersetzen, zeigte bereits Saus- süre(8), der auch die irrige Ansicht von Berard widerlegte, wonach die COj-Assimilation den fleischigen Früchten fehle. L. Einfluß von Narkoticis und anderer chemischer Sub- stanzen. Daß die Assimilation von Wasserpflanzen durch Chloroform gehemmt wird, hat zuerst Claude Bernard (9) angegeben und viele 1) A. KoLTONSKi, Beihefte bot. Zentr., 23, I, 204 (1908). — 2) Coren- winder, M^m. Soc. Lille (1867), p. 22; Ann. de Chim. et Phys. (5), 14, 118 (1878). BoüSSiNGAÜLT, Agronomie, 5. 18 (1874). — 3) Kreusler, Landw. Jahrb., 14, 913 (1885). — 4) Ewart, Journ. Linn. Soc, j/, 452 (1896). — 5) Cuboni, Botan, Zentr., 22, 47 (1885). E. Griffon, Compt. rend. (25. April 1905). — 6) R. Combes, Ann. Sei. Nat. (9), 11, 75 (1910). — 7) J. Friedel, Compt. rend., 133, 840 (1902). Über die Zusammensetzung und den N-Gehalt herbstlicher Blätter: R O. Kooper, Jahrb. f. Landw., jp, 167 (1910). — 8) Saussure, Ann. de Chim. et Phys. (2), 19, 143 (1821). — 9) Claude Bernard, Lejons sur les phönom. de la vie (1878), p. 278. 35* 548 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthe se im Chlorophy llko rn spätere Untersuchungen (1 ) haben diese Resultate bestätigt. Für die Blätter von Landpflanzen haben die Versuche von Bellucci dasselbe gelehrt (2). Vielleicht mag bei manchen Wasserpflanzen die Wirkung nicht so rasch eintreten wie in anderen Fällen, wie man aus den Er- fahrungen von Frank Schwarz (3) schließen darf, ohne jedoch mit diesem Autor die Richtigkeit der von Claude Bernard beobachteten Hemmung in Zweifel zu ziehen. Sehr widerstandsfähige Objekte muß auch Kny (4) vor sich gehabt haben, der bei Spirogyra crassa noch nach östündiger Einwirkung von Chloroform vvasser (1 Teil gesättigte Chloroformlösung auf das 5 fache verdünnt) Sauerstoffausscheidung nach- weisen konnte. Am vollständigsten sind die experimentellen Er- fahrungen von A. Irving, die sicher zeigen, daß schon sehr geringe Chloroformdosen bei Elodea die Sauerstoffausscheidung soweit hemmen, daß sich der Gaswechsel im Lichte von dem Atmungsgaswechsel nicht mehr unterscheidet (5). Diese Hemmung ist, sobald die Chloroform- konzentration nicht zu groß war, wieder rückgängig zu machen. Von einer Stimulierung der Assimilationstätigkeit durch sehr kleine Dosen von Narkoticis berichten die älteren Arbeiten nichts und Treboux fand gleichfalls, daß die Äthernarkose nur Hemmungen erzeugt. Hingegen gab Kegel (6) an, daß bei Elodea bei Applizierung von 0,7 bis 0,4% Chloroform eine Beschleunigung der Gasblasenausscheidung zeige. Dieses Ergebnis ist jedoch in den letzten Untersuchungen von Irving nicht bestätigt worden. Bezüglich der Transpiration hat übrigens Jumel"le(7) eine Steigerung durch Ätherdampf im Licht behauptet, was einer Nach- untersuchung bedarf, da Schneider (8) diese Angabe nicht bestätigen konnte. Assimilationshemmung durch andere Gifte ist vielfach sichergestellt. Als schädliche Stoffe fand Jacobi (9) Chinin, Antipyi-in, Jod, Schilddrüse. Nach Pantanelli scheint das Chinin sowohl das Chloroplastenstroma als den Chlorophyllfarbstoff schädhch zu beeinflussen. Boussingault berichtete über Herabsetzung der Assimilation durch Terpentindämpfe (10). Queck- silberdampf vernichtet die Assimilation schnell. Schwefeldampf kann als Gegenmittel gegen diese Vergiftung betrachtet werden. Stimulation der Assimilationstätigkeit wurde von Treboux weder durch Metallsalze, CUSO4 ZnS04 in sehr kleinen Dosen beobachtet, noch auch nach der Darreichung von Alkaloiden. Die Giftwirkung bestand immer nur in einer quantitativen Herabsetzung der Funktion. Bemerkenswert ist aber die beschleunigende Wirkung sehr verdünnter Säuren auf die COg-Assimilation, welche in den früheren Untersuchungen von Wieler und Hartleb (11) und von Ewart übersehen worden war und erst durch Treboux sichergestellt worden ist. Die untersuchten Säuren, inorganische und organische, übten diese Wirkung in einer Konzentration von 1 Mol auf 10000 Litern aus. Höhere Konzen- trationen sind natürUch hemmend. Nach Detmers Angaben hemmen Alkalien gleichfalls. Dies ist nicht ohne besonderes Interesse, nachdem die 1) BoNNlER u. Manqin, Ann. Sei. Nat. (7), j, 14 (1886). Detmek, Landw. Jahrb., //, 228. Ewart, Journ. Linn. Soc, 31, 408 (1896). Treboux, Flora (1903), p. 49. — 2) Bellucci, Just Jahresber. (1887), /, 149. — 3) Fr. Schwarz, Unter- such, a. d. botan. Inst. Tübingen, /, 102 (1881). — 4) L. Kny, Her. Botan. Ges., 15, 401 (1897). — 5) A. Irving, Ann. of Bot., 25, 1077 (1911). — 6) W. Kegel, Di.ss. (Göttingen 1905). — 7) Jumellk, Compt. rend., ///, 461 (1890). — 8) A. Schneider, Just Jahresber. (1892), /, 86. — 9) Jacobi, Flora (1899), p. 323. — 10) Boussingault, Agronomie, 4, 336 (1868). — 11) Wieler u. Hartleb, Ber. Botan. Ges. (1900), p. 348. § 4. Die Chloroplasten als Assimilationsorgane. 549 Erfahrungen von Molisch (1) über die Fällung von Eisen- und Mangan- salzlösungen durch Wasserpflanzen im Lichte unter Ausscheidung von Metallhydroxyd dafür sprechen, daß alkalische Produkte im Assimilations- vorgang gebildet werden. Vielleicht beruht die günstige Wirkung verdünnter Säuren vornehmlich auf der Neutralisation dieser Stoffwechselprodukte. Schwache Formaldehydlösung, 0,001%, war in Versuchen von Treboux für Elodea zwar nicht schädlich, doch konnte bei Anwendung dieser Lösung weder im Dunkeln noch im Sonnenhcht Stärkebildung erreicht werden, so daß man auf diesem Wege die bekannte Theorie, wonach Formaldehyd ein Reduktionsprodukt der CO2 im Assirailationsprozeß sei, nicht stützen konnte. Hingegen beobachtete Gräfe (2), daß gasförmiger Formaldehyd im Licht das Gedeihen von Pflanzen merklich förderte, was bei Dunkelpflanzen nicht der Fall war. Geringe Mengen von äpfelsauren, Oxalsäuren und wein- sauren Salzen sollen nach Purie witsch (3) die Assimilationstätigkeit von Wasserpflanzen durch COg-Abspaltung begünstigen. Doch konnte Treboux bei Elodea durch 0,2% Kahumtartrat solche Effekte nicht erzielen. Als Gift für die Assimilation führt sodann Weyl (4) 1% Phenol an. 0,25% Phenol hebt aber die Assimilation noch nicht auf. Hemmung erzielt man sodann durch kalt gesättigte SaUcylsäure, Strychnin und Na2C03 0,25%. Marcacci (5) berichtete über die Hemmung der Chlorophyllbildung bei Lemna durch Chinin, Morphin und Strychninsalze. Praktisches Interesse besitzt die Wirkung der Kupfervitriol-Kalk- brühe auf die Pflanzenblätter, die sich in einem verstärkten Wachstum der Blätter und in einer dunkler grünen Färbung kundgibt (6). Daß sich hier- durch indirekt eine Vermehrung der assimilatorischen Leistung ergeben kann, ist wohl möghch. Eine direkte Vermehrung der Assirailationsenergie bei gekupferten Pflanzen stellt Kirchner (7) in Abrede und will den Mehr- ertrag bei gekupferten Kartoffelpflanzen durch eine Verlängerung der Lebensdauer verstand hch machen. Die Versuche mit Radiumbestrahlung von assimiherenden Pflanzen haben bisher keine entschiedenen Ergebnisse nach der einen oder der anderen Richtung zur Folge gehabt (8). §4. Die Chloroplasten als Assimilationsorgane. Senebier zeigte zuerst, daß nicht die Epidermis Sitz der grünen Farbe der Blätter ist, sondern das innere Blattgewebe; er wußte auch, daß dieses Gewebe nur dann grün ist, wenn sich das Blatt am Lichte ausgebildet hat. Seither nannte man die Ursache der Grünfärbung „grüne Materie". Candolle bezeichnete sie als „Viridine", Desvaux als „Chloronit". Das Mikroskop zeigte bereits den älteren Forschern eine körnige Verteilung des Farbstoffes in den Zellen und man sprach infolgedessen von „grünem Farbmehl", chromule verte, und hielt zunächst 1) H. Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak., iiq, I (1910). Frühere Angaben bei Klebs und Hassak, Untersuch, a. d. Bot. Inst. Tübingen II (1887). — 2) V. Gräfe, Ber. Botan. Ges., 27. 431 (1909); 29, 19 (1911); Biochem. Ztsch., ja, 114 (1911). — 3) PüRiEWiTSCH, Botan. Zentr., 5S, 368 (1894). — 4) Th. Weyl, Sitz.ber. Pbys. med. Soc. (Erlangen 1881). — 5) A. Marcacci, Just Jahresber. (1895). /, 310. — 6) RuMM, Ber. Botan. Ges., //, 79 (1893). Frank u. Krüger, Ebenda, 12, 8 (1894). Berlese u. Sosteqni. Ju8t Jahresber. (1895), /, 292. Tschirch, Ebenda, p. 294. Bain, Naturwiss. Rdsch. (1903), p. 23. Griffon, Ann. Sei. Nat. (8), 10, 1 (1899). — 7) O. Kirchner, Ztsch. Pflanzenkrankh., 18, 66 (1908). — 8) A. Hebert u. Kling, Compt. rend., 149, 230 (1909). 550 Zwanzigstes Kapitel : Eohlensaureverarbeit u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. diese Körnchen für eine Farbstoffablagerung in Form eines körnigen Niederschlages. Meyen(I) wußte aber bereits, daß diese „gefärbten Zellensaftkügelchen" eine ungefärbte Masse zur Grundlage haben und letztere vom Farbstoffe nur durchdrungen ist. Nach Behandlung mit Alkohol oder Äther bleiben die ungefärbten Kügelchen, die man später als Stromata der Chloroplasten bezeichnete, ohne Formänderung zurück. Meyen fand die Stromata in kaltem wie in kochendem Wasser unlöslich, er ließ ihre chemische Natur im übrigen in suspenso. Die Genesis der vom Stroma eingeschlossenen Stärkekörner verstand Meyen noch nicht. Mulder (2) nahm an, daß die Chlorophyllkörner immer aus Amylum hervorgehen, indem sie sich in das mit dem grünen Farbstoff verbundene Wachs verwandeln. Die richtigen Ansichten auf diesem Gebiete be- gründete erst MoHL. Eine im ganzen nicht unzutreffende Anschauungs- weise über die Struktur der Chloroplasten sehen wir aber auch bereits durch Tre VIRANUS (3) 1814 vertreten, welche die Chlorophyllkörner als Eiweißkügelchen erklärt, denen die grüne Materie beigemischt ist. Die Rolle der Stärkeeinschlüsse als Assimilationsprodukte der Chloro- plasten hat, auf den Feststellungen von Mohl, Gris und Nägeli fußend, bekanntlich Sachs in klarer erschöpfender Weise dargestellt. Auch wurde durch J. Sachs (4) die Entwicklung der Chloroplasten bei der Keimung und die Ausbildung des grünen Farbstoffes in ihnen richtig beobachtet In der Darstellung von Hofmeister (5) aus dem Jahre 1867 vermissen wir überhaupt wenig der bis heute bekannten Tatsachen be- züglich des Baues der Chloroplasten. In der Folge spielte die Auf- fassung der Chloroplasten als lakunär gebaute Gebilde, welche aus einem schwammförmig porösen Gerüst von farbloser Beschaffenheit und grünen ölartigen Grana diesem Gerüst eingelagert, bestehen, eine große Rolle. Diese besonders von A. Meyer (6) ausgebaute Auffassung stützt sich besonders auf das öfters deutlich granulierte Aussehen der Chloroplasten von Orchideen (Scheinknollen von Acanthephippium silhetense), dürfte aber für viele andere Fälle kaum durch Tatsachen hinreichend belegt werden. Bei der Chloroplastenuntersuchung hat man zu beachten, daß auch in unverletzten Zellen der Schnitte sich nicht selten rasch eintretende Zerstörungen der Chloroplastenstruktur einstellen. Sicher intakte Chloro- plasten zeigen hingegen körnige Strukturen nach den Beobachtungen von E. LiEBALDT(7) im hiesigen Institut nur dann, wenn sie zahlreiche kleine Stärkeeinschlüsse oder öltröpfchen als Assimilationsreserven führen. Der grüne fettartige Anteil aber ist in kolloidaler Lösung in den voraus- sichtlich eiweißai-tigen Hydrokolloiden, die man als „Stromata" bezeichnete, verteilt. Erst dann, wenn sich Quellungsprozesse einstellen, findet eine Sonderung der Lipokolloide in Form von Tröpfchen statt, die dann zu größeren Tropfen zusammenfließen. Die Konsistenz der Chloroplasten dürfte aber nach den Untersuchungen von Küster und E. Liebaldt bedeutende Verschiedenheiten darbieten, und es scheinen manche Chromato- 1 ) Meyek, System d. Pflanzen physiol., /, 201 (1837). — 2) Mülder, Physiol. Chem. (1844), p. 294. — 3) Trevirakus, Biologie, IV, 95 (1814). — 4) J. Sachs, Botan. Ztg. (1862), p. 365; (1864), p. 289. — 5) Hofmeister, Pfianzenzelle (1867), p. 362. — 6) A. Meyer, Das Chlorophyll körn (1883); Botan. Ztg. (1883), p. 489. Tschirch, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884), p. 12. Schmitz, Jahrb. wies. Botan., 15 (1884). SCHIMPER, Ebenda, 16 (1885). Pringsheim, Ebenda, iz, 288(1881). Chmielewsky, Botan. Zentr., j/, 57 (1887). Stokes, Bull. Torr. Botan. GL, 21, 396 (1894). Chodat, Beihefte bot. Zentr., /, 417 (1891). — 7) E. Liebaldt, Ztsch. Botan., 5. 65 (1913). Vgl. auch Rothert, Bull. Acad. Cracov. (März 1911). § 4. Die Ghloroplasten als Assimilationsorgane. 551 phoren, wie jene der Orchideen und Florideen, praktisch mehr als flüssige Inhaltskörper der Zelle als wie als feste Gebilde gelten zu können (1). Die Meinung von Priestley und Irving (2), wonach das Chloroplastenpigment nur in den äußeren Anteilen der Ghloroplasten lokalisiert ist, wurde wahrscheinlich durch bläschenartige Quellungszustände, die man häufig sieht, erzeugt. Auch Billings(3), der für Tillandsia usneoides sehr kleine bacterienförmige Ghloroplasten angab, hat sich durch Quellungs- zerfallserscheinungen täuschen lassen. Die intakten Ghloroplasten von Tillandsia weichen nicht von den sonstigen Befunden ab. Von einem Grenzhäutchen ist in der Regel bei Ghloroplasten nicht viel zu sehen. Am deutlichsten tritt eine Grenzschicht nach Haberlandt (4) bei den Ghlorophyllkörnern von Selaginella hervor. Auf die sonstigen Fragen bezüglich der Struktur und Bildung der Ghloroplasten einzugehen, hegt hier kein Grund vor, da sich Beziehungen zur chemischen Leistung daraus bisher noch nicht ergeben haben. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß die Ghloroplasten in den meisten Fällen hnsenförmig abgeplattete rundüche Formen darstellen, deren Flanken keinen Unterschied aufweisen. Nuj:" für Chromatophoren von Bryopsis wird eine Differenzierung von Innen- und Außenseite angegeben (5). Die feineren Details der Amylumbildung in den Ghloroplasten wäre noch eingehender Untersuchung bedürftig, da Unterschiede in der Lokaüsation vorkommen und speziell bei Algen schalenförmige Entstehung an der Außenseite be- obachtet ist (6), was anderwärts nicht vorkommt. Der wenig geklärte phototaktische Bewegungsmechanismus wird wohl durch experimental- physiologische Untersuchungen, besonders in Hinbhck auf die Quellungs- wirkungen von Salzen noch besser zu zergUedern sein (7). Die Vermehrung des Ghlorophyllgehaltes während der normalen Aus- bildung von Blättern geht, soweit bekannt, stets mit Vermehrung der Ghloro- plastenzahl Hand in Hand. So ist es bei immergrünen Blättern im Laufe ihrer fortgesetzten Entwicklung (8), wo sich diese Zunahme am stärksten im März, von da abnehmend bis zum Mai äußert. Die Entstehungsgeschichte der Ghloroplasten, welche durch die ScHiMPERSche Lehre, daß sich die Ghloro- phyllkörner so wie der Zellkern stets durch Teilung vermehi en (9), bis in die neueste Zeit einen anscheinend festen Punkt erreicht zu haben schien, ist durch die Entdeckung der in fast allen Pflanzenzellen nachgewiesenen Chondriosomen und Ghondriomiten(IO) in ein gewisses Schwanken geraten. 1) E. KÜSTER, Ber. Botan. Ges., 2p, 362 (1911). — 2) J. H. Priestley u. A. Irving, Ann. of Bot., 2/, 408 (1907). — 3) F. H. Bilmngs, Botan. Gaz., 38, 99 (1904). — 4) G. Haberlandt, Ber. Botan. Ges., 23, 441 (1905). — 5) A. Fa- MiNCYN, Ebenda, 30, 431 (1912). — 6) Cryptomonaden : Dangeard, Bull. Soc. Bot, 55,449(1911). Florideen :Kylin, Ztsch. physiol. Chem., 83, 174 (1913). —7) Chloro- plastenbewegung: G. Senn, Die Gestalts- u. Lageveränderung d. Pflanzenchromato- phoren (Leipzig 1908); Verh. Schweiz. Naturf. Ges. Winterthur (1904), p. 244; Verh. Naturf. Ges. (1906), 2, I, 278. E. Küster, Ber. Botan. Ges., 23, 254 (1905); Ebenda, 24, 255 (1906). Linsbauer, Verh. Naturf. Ges. (1908), 2, I, 193; Wien. Akad., 118, I, 137 (1909). Knoll, Ebenda, //;, J, 1227 (1909). E. Stahl, Zur Biologie d. Chlorophylls (Jena 1909). Temperaturwirkung: Borodin, Botan. Ztg., 67, II, 274 (1909). Kinoplasmat. Verbindungen: Lidforss, Lunds Univ. Arsskrift, N. F., II, 4, Nr. 1 (1908). — 8) VouK, Sitz.ber. Wien. Ak., 117, I, 1337 (1908). 0. Stein, Österr. bot. Ztsch., 59, 231 (1909). — 9) Schimper, Botan. Ztg. (1883), p. 105. — 10) Literatur: Gdilliermond, Compt. rend., 153, 290, 1492 (1911); 134, 286, 888 (1912); Soc. Biol., 72, 86. 276, 459; 73, 7, 110 (1912). Pensa, Anatom. Anzeig., 37, 325 (1910); jp, 520 (1911); Arch. f. Zellforsch., 8, 612 (1912). G. Le- WIT8KY, Ber. Botan. Ges., 28, 538 (1910); 29, 685, 697 (1911). E. W. Schmidt, Progress. rei botan., 4, 163 (1912); Ztsch. f. Botan., 4, 707 (1912). 552 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. Wenn man mit Guilliermond, Lewitsky und anderen Forschern an- nimmt, daß sich alle Chromatophoren aus den kleinen gestreckten bis fadenförmigen Chondriosomen herausbilden, so bleibt es, wie Rudolph mit Recht hervorgehoben hat(l), noch unerklärt, wieso es kommt, daß in der entwickelten Zelle normale teilungsfähige Chloroplasten mit tj'pischen Chondriosomen, aus denen nun gewiß keine Chloroplasten mehr entstehen, zusammen vorkommen. Die Lösung dieser Frage wird wohl auch die noch näherer Untersuchung bedürftige Angelegenheit des Dimorphismus der Chloroplasten (2) fördern. Das Zusammenscharen der Chloroplasten in geschädigten Zellen hat E. LiEBALDT näher studiert. Es handelt sich bei dieser als Aggluti- nation zu bezeichnenden Erscheinung offenbar um Quellungserscheinungen unter Klebrigwerden der äußeren Schichten. Darwins Beobachtungen über die Wirkung sehr verdünnten Ammoniumcarbonates auf die Chloro- plasten von Dionaea gehören wohl ebenfalls hierher (3). Kontraktion der Chloroplasten von Spirogyra rief de Vries durch Plasmolyse hervor (4). Pathologische Veränderungen von Chloroplasten sind früher oftmals fälschlich als Teilungsbilder gedeutet worden (5). Die Frage, ob die Chloroplasten für sich allein die Träger der Kohlensäurezerlegung in der Zelle darstellen, ist besonders durch die schönen Versuche Engelmanns einer Lösung zugeführt worden. Die Bacterienmethode erlaubt mit Bestimmtheit festzustellen, daß in der Spirogyrazelle das Chlorophyllband das einzige Organ ist, welches im Lichte Sauerstoff ausscheidet, weil sich die Bacterien nur an jenen Stellen der Zellperipherie ansammeln, welchen das Chlorophyllband direkt anliegt. Auch hat Engelmann (6) zuerst angegeben, daß einzelne völlig isolierte Chloroplasten unter geeigneten Bedingungen noch einige Zeit fortfahren können im Lichte Sauerstoff auszuscheiden. Diese Beobach- tungen wurden sowohl von Haberlandt als auch von Ewart be- stätigt (7). Demgegenüber hat Kny (8) die Vermutung ausgesprochen, daß auch in den Versuchen mit isolierten Chloroplasten die Mitwirkung des diesen anhaftenden Cytoplasmas mit in Betracht komme. Jedenfalls ist es aber sicher, daß das intakte Cytoplasma zur Assimilation der Chloroplasten nicht nötig ist. Die früher diskutierte Frage, welche Rolle Farbstoff und Stroma der Chloroplasten beim Assimilationsprozeß spielen und ob einer dieser Anteile entbehrlich sei, muß jetzt wohl durch andere Fragestellungen ersetzt werden. Es ist wohl sicher, daß sowohl die kolloidal gelösten Chloroplastenpigmente (und etwa vorhandene nicht farbstoffartige Lipo- kolloide) als auch die als Stroma bezeichneten eiweißartigen Hydro- kolloide der Chloroplasten unentbehrlich sind, weil pur ihr ungestörtes Gefüge das funktionstüchtige Chlorophyllkorn ausmachen kann. Die Tatsache, daß albinotische, nicht grüne Chromatophoren unwirksam sind, würde an sich wenig beweisen, da hier überhaupt abnorme Verhältnisse 1) K. Rudolph, Ber. Botan. Ges., jo. 605 (1912). Vgl. auch A. Meyer, Ebenda, 2p, 158 (1911). — 2) Hierzu: J. d'Arbaumont, Ann. Sei. Nat. (9), 14, 197 (1909). Mattei, Malpighia, 23, 380 (1909). Geremicca, Bull. Soc. bot. ital. (1912), p. 98. GiovANNOZZi, Nuov. Giorn. Bot. Ital., 19, 39 (1912). — 3) Ch. Darwin, Journ. Linn. Soc, 19, 262 (1882). — 4) de Vries, Ber. Botan. Ges., 7. 19 (1889). — 5) Vgl. Küster, Ztsch. allgera. Physiol., 4, 240 (1904). — 6) Th. Engelmann, Botan. Ztg. (1881), p. 446. — 7) Haberlandt, Lage des Zellkerns (1887), p. 118. Ewart, Journ. Linn. Soc., j/. Nr. 217 (1896). — 8) Kny, Ber. ßotao. Ges.. /j, 388 (1897); Botan. Zentr., 73 (1898) § 4. Die Chloroplasten als Assimilationsorgane. 553 vorliegen. Die von Eijgelmann(I) angegebenen Fälle, in denen an- scheinend ganz chlorophyllfreie gelbe Chromatophoren Sauörstoffaus- scheidung im Lichte zeigten, sind nicht vom Vei-dachte frei, daß auch hier assimilatorisch tätige fluorescierende Pigmente vorhanden waren. Wenn Tammes, Josopait und Kohl (2) angaben, daß etiolierte Chloro- plasten assimilatorisch wirksam waren, so ist zu bemerken, daß sich sofort bei Beginn der Belichtung Chlorophyllbildung einstellt; so daß nach wenigen Augenblicken der Assimilationsvorgang einsetzen kann. Von Interesse wäre es, wirklich inaktive und dabei chlorophyll- führende Chloroplasten genauer kennen zu lernen, die nach Friedel(3) bei Ornithogalum arabicum im Fruchtknoten tatsächlich vorkommen sollen. Auch könnte die vergleichende Prüfung der Assimilationsstätigkeit bei den Chromatophoren in reifenden Früchten, während der zunehmenden Verarmung an Chlorophyll und Anreicherung an Carotin in dieser Richtung vielleicht etwas lehren (4). Chlorophyllarme und an Lipo- chromen reiche Chromatophoren sind nach Rothert übrigens auch in Laubblättern sehr verbreitet und man kann an ihnen feststellen, daß die gelben und orangefarbenen Pigmente hier deutlich als Grana in die Chromatophorensubstanz eingeschlossen sind (5). Voraussichtlich werden sich hier überall Unterschiede in der Chloroplastenaktivität mit dem Chlorophyllgehalt ergeben und es besteht die begründete Vermutung, daß eine Verarmung des Assimilationsgewebes an Stickstoff, vielleicht auch an Magnesium, diese Verfärbungen und Inaktivierung hervorzurufen pflegt. So kann man nach Stahl (6) bei Laubblättern das herbstliche Vergilben hemmen, wenn die Ableitung der Stoffe durch Durchschneiden der Leitungsbahnen verhindert wird und nach den Untersuchungen von Todler an reifenden Früchten wird dort wesentlich derselbe Vorgang mitspielen. Auch bei den Winterfärbungen, wie sie an Coniferen häufig vorkommen und in bezug auf die auftretenden Lipochrome durch Tswett(7) untersucht sind, mag eine Verarmung der Blätter an Stickstoff während der winterlichen Vegetationsruhe beteiligt sein. Zu bemerken ist aber, daß auch der entgegengesetzte Fall realisiert sein kann, wo chlorophyll- arme Gewebe stickstoffreicher sind als chlorophyllhaltige Nachbargewebe. So soll es nach Molliard(8) bei panaschierten Blättern und bei Gallen sein, wo man mit dem genannten Forscher wohl einen Vergleich mit heterotroph ernährten Pflanzen ziehen kann und anderweitige Ursachen der Hemmung der Chlorophyllbildung, wie reichliche Zuckergegenwart, vermuten darf. Wiederholt, zuerst von Regnard (9), später wieder von Usher und Priestley(IO), ist behauptet worden, daß dem von den Chloro- plasten abgetrennten Pigment noch immer die Eigenschaft der Kohlen- säurezerlegung zukommen soll. Diese Angaben sind aber stets wieder 1) Engelmann, Botan. Ztg. (1887), p. 418. — 2) Tammes, Flora (1900), p. 205. A. Josopait, Diss. (Basel 1900). Kohl, Untersuch, üb. d. Karotin (1902), p. 136; Ber. Botan. Ges. (1906), p. 228. — 3) J. Friedel, Compt. rend., 142, 1092 (1906). — 4) Vgl. ToBLER, Ber. Botan. Ges., 28, 496 (1910). — 5) Rothert, Bull. Ac. Cracovie (März 1911). Molisch, Ber. Botan. Ges. (1902), p. 442. — 6) E. Stahl, Ber. Botan. Ges., 25, 530 (1907). Biologie d. Chlorophylls (Jena 1909). Auch TsWETT, Ber. Botan. Ges., 26 a, 88 u. 94 (1908). — 7) Tswett, Compt. rend., 152, 788 (1911). — 8) M0LLIARD, Compt. rend., 152, 274 (1911): Bull. Soc. Bot., 59, 341 (1912). —9) Regnard, Comp. rend. 102, 264 (1886); loi, 1293 (1885). — 10) Ushjir u. Friestley, Proceed. Roy. Soc, 78, B, 318 (1906). 554 Zwanzigstes Kapitel : Kohlens&areTerarbei t a. Z ackersynthese im Ghlorophyllkom. in den Nachunters jchungen unbestätigt geblieben (1) und wir werden noch weiter unten darzulegen haben, daß der Chlorophyllfarbstoff nicht gut die ganze chemische Leistung des Assimilationsprozesses ausführen kann, so daß man den übrigen Anteilen des Chlorophyllkorns ihre wesentliche Rolle hierbei nicht absprechen darf. AnschUeßend sei noch einiger wichtiger Färbungsanomaüen der Chloro- plasten, größtenteils pathologischer Natur, Erwähnung getan. Die Panaschüre oder Weißfleckigkeit von Blättern ist eine offenbar aus sehr verschiedenen Ursachen, besonders an kultivierten Pflanzen auftretende Erscheinung, die manchmal, wie Sorauer(2) feststellte, durch gewisse Eingriffe erzielbar ist, oder wie die Erfahrungen an einer Kohl- varietät zeigten, die bei Warmhaustemperatur grüne, bei Kalthauskultur aber albicante Blätter hervorbringt, durch bestimmte Kulturbedingungen auslösbar ist (3). Die Färbung der hellen Flecken der Blätter ist je nach dem Gehalte an Chlorophyll bleichgrün, gelb oder bei völHger Abwesenheit der Pigmente rein weiß. Die nicht grünen Blattstellen haben geringere Dicke, ihr Pahsadenparenchym ist schwächer oder gar nicht entwickelt, die Chloro - plasten sind scharf begrenzt, ungefärbt und dazu befähigt, im Dunkeln Stärke zu bilden, oder sie sind im extremen Fall in körnige Massen zerfallen (4). Die albinotischen Zellen haben reichlichen Oxydasengehalt und höhere plasmolytische Werte. Die erbhchen Formen der Panaschüre sind nach den umfassenden Untersuchungen von E. Baur(5) schöne Belege für die Erb- Uchkeit von Chromatophorenmerkmalen und mithin für die selbständige Existenz der Chloroplasten innerhalb der Zelle. Schließlich ist noch eine interessante Form der Panaschüre in der infektiösen Panaschierung bekannt, welche von Lindemuth an gefleckten Abutilönformen entdeckt und von Baur (6) näher in ihren Eigentümüchkeiten studiert worden ist. Diese Form ist nicht durch Samen vererbbar, wohl aber durch Pfropfung, so daß auch in dem gesunden Anteile der Pfropfunterlage alle nunmehr sich entwickelnden Blätter weißfleckig sind. Jedoch sind nicht alle Formen von Abutilon infizierbar, sondern es kommt auch Immunität gegen die Panaschüre-In- fektion vor. Bei Evonymus japonica wurde eine analoge infektiöse Pana- schüre gefunden. Da Mikroben in den infizierten Organen bisher nicht vor- gefunden worden sind, so hat man die Ansicht aufgestellt, daß es sich um ein eigentümhches Virus handle, welches an Quantität in dem infizierten Organismus zunimmt. Die Mosaik- Krankheit von Nicotiana scheint nach den Erfahrungen von Hunger ein ähnücher Krankheitsprozeß zu sein (7). Panaschüre ist nicht nur bei Laubblättern, sondern auch bei Früchten (Vitis) beobachtet worden (8). Die BiWung aibicanter Blätter der Zuckerrübe 1) JoDiN, Corapt. rend., 102, 767 (1886). Beijerinck, Botan. Ztg. (1890), p. 742. Pringsheim, Ber. Botan. Ges., 4. (86) (1886). Kny, Ebenda, 75. 388 (1897). — 2) SoRAUER, Forsch. Agrik.physik, 10 (1887). — 3) Molisch, Ber. Botan. Ge8., ig, 32 (1901). — 4) Anatomisches: Rodrique, Les feuilles panach^es (Genfeve 1900). Pantanelli, Malpighia, /*, 97 (1904); /p, 44 (1905); Ztsch. f. Pflanzen krankh., 75, I (1905). Timpe, Dies. Göttingen; Zentr. Bakt. II, 9, 568 (1902). Zimmermann, Ber. Botan. Ges., 8, 95 (1890); Beitr. z. Morphol. u. Physiol. d. Pflanzenzelle, // (1891). G. Kranzlin, Ztsch. f. Pflanzenkrankh,, /*. 193 (1908). — B) E. Baur, Ztsch. indukt. Abstammungslehre, /, 330 (1909); 4, 81 (1910). — 6) Lindemuth, Landw. Jahrb. (1907). E. Baur, Ber. Botan. Ges., 22, 453 (1904): Sitz.ber. Berlin. Ak. (1906). p 11; Ber. Botan. Ges., 24, 416 (1906); 26a, 711 (1908). — 7) F. W. T. Hunger, Ber. Botan. Ges., aj, 415 (1905). — 8) R. Chodat, Bull. Soc. Bot. Genfeve (2), / (1909). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten, 556 hat Fallada (1 ) mit Kalkarmut und verminderter Ausbildung des Zellhaut- gerüstes in Verbindung gebracht. Als Chlorose bezeichnete man das völUge Ausbleichen von Blättern, wie es typisch bei Mangel an Eisen eintritt und in seiner Ätiologie zuerst richtig durch Gris (2) erkannt worden ist. Auf Darreichung von Eisensalz tritt rasch Wiederergrünen der Pflanzen ein. Von späteren Forschern hat besonders Sachs (3) ein klares Licht auf diese Erkrankung geworfen. Die Einwände, welche Macchiati (4) gegen die ausschlaggebende Bedeutung des Eisens bei diesem Prozeß erhoben hat, sind nicht berechtigt. Zink ver- mag, wie Dementiew (5) bestätigt hat, die Chlorose nicht zu heilen, ebenso- wenig Mangan. Nach Laurent (6) zeigen die Chloroplasten chlorotischer Blätter Veränderungen, die man als fettige Degeneration bezeichnen kann. Äußerhch der Chlorose vollkommen gleichende und bis jetzt von der- selben nicht unterscheidbare Erkrankungen treten, wie man weiß, auch bei Mangel an Phosphorsäure unter Umständen ein, worüber 0. LoEW (7) Mitteilung gemacht hat. Ferner reagiert nach Maze (8) Mais auf Mangel an Schwefelverbindungen in derselben Weise wie auf Eisenmangel und man kann die bleiche Farbe durch Darreichung von Sulfat binnen wenigen Tagen wieder zum Verschwinden bringen. Ausbleiben oder Schwächung der Chloro- phyllbildung durch Mangel an Magnesium hat Mameli (9) angegeben. Die sogenannte Chlorose der Reben endhch tritt vor allem auf sehr kalkreichem Boden auf, und ist in ihrem Zustandekommen noch nicht völlig aufgeklärt (1 0). Die Angabe von C. Kraus (11), daß Methylalkohol auch im Dunkehi das Ergrünen der Chloroplasten herbeiführen könne, ist bisher unbestätigt gebheben. §5. Die Pigmente der Chloroplasten. Allgemeine und historische Bemerkungen. Daß sich aus Blättern durch Ausziehen mit Alkohol oder Öl eine grüngefärbte Lösung bereiten läßt, war schon Nehemiah Grew(12) bekannt und vielleicht bereits auch früheren Autoren. Die Chemiker des 18. Jahrhunderts gaben über das „grüne Satzmehl" oder „fecule" der Pflanzen gelegentliche Untersuchungen. Rouelle(13) beschrieb 1770 eine Bereitungsweise der grünfärbenden Substanz der Gewächse; er extrahierte den Farbstoff mit Alkohol, hielt das Pigment aber für verwandt mit dem Kleber des Getreidemehles. Meyer gab an, in dem grünen harzigen Anteil der Pflanzenblätter Phosphorsäure gefunden zu haben (14), Fourcroy be- richtet (15), daß Berthollet im grünen Satzmehl Stickstoff nach- 1) O. Fallada, Österr.-Ung. Ztsch. Zuckerindustr., 36, 621 (1907). — 2) E. Gris, Compt. rend., 23, 53 (1846); 25, 276 (1847). — 3) Sachs, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, j, 433 (1888). DuFOUR, Just Jahresber. (1893), /, 291. — 4) Macchiati, Ebenda (1883), /, 42. — 5) Dementiew, Ebenda (1876), //. 925. — 6) Laurent, Botan. Zentr., 90, 408 (1902). — 7) O. Loew, Ebenda, 4S, 371 (1891). — 8) P. Maze, Compt. rend., 153, 902 (1911). — 9) E. Mameli, Atti Soc. Ital. Progr. Sei., 5, 793 (1912). — 10) E. MoLZ, Zentr. Bakt. II, 19, 461 (1907). P. Maze, Rüot u. Lemoigne, Compt. rend., 155, 435 (1912). — 11) C. Kraus, Landw. Versuchsstat., 20, 415 (1877). — 12) Neh. Grew, Anatomy of Plants (1682), p. 273. — 13) Rou- elle, Journ. de M6d., 36, 2.56 (1771). Nach Morren (Dissert. sur les feuilles vert. et col. [1858], p. 59) haben die beiden Rouelle die Löslichkeit des Chlorophyllfarb- stoffes in Alkohol entdeckt; doch ist dies unzutreffend, da diese Entdeckung schon in die frühere Zeit der Jatrochemie fällt. — 14) Meyer, Crells Ann. (1784), /, 521. — 15) Fourcroy, Ann. de Chim., j, 252 (1790). 556 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkron. gewiesen habe. Tingry nahm eine wachsartige Substanz im grünen Blattfarbstoff an. Nach Senebier(1) ist das Pigment zu den rein harz- artigen Stoffen zu rechnen. Der letztgenannte Forscher entdeckte, daß Luft und Licht den Farbstoff in weingeistiger Lösung zersetzen, Ber- THOLLET (2) fand die ausbleichende Wirkung von Chlor auf das Blattgrün. Für ihn war der Blätterfarbstoff die Muttersubstanz der Holz- und Rindenfarbstoffe. Weitere Untersuchungen gaben Proust und Vau- QUELIN(3). ScHRADER(4) verglich den Farbstoff aus den Blättern von Kohl und Schierhng. Pelletier und Caventou(5) schlugen 1817 vor, den Blätter- farbstoff als Chlorophyll zu bezeichnen und waren damals noch ohne Kenntnis der Tatsache, daß es sich dabei um eine Mischung verschiedener grüner und gelber Farbstoffe handle. Späterhin wurde jedoch von ihnen die zusammengesetzte Natur des Blätterextraktes erkannt (6). Es ist aber doch nicht genügend begründet, wenn neuere Autoren, z. B. Tswett, den Namen Chlorophyll auf das Farbstoffgemisch allein angewendet wissen wollen und für die grünen darin enthaltenen Pigmente die Be- nennung Chlorophyllin wählen. Berzelius(7) gewann beim Behandeln des Blätterextraktes mit Alkali zuerst jenes wasserlösliche schön grüne Chlorophyllderivat, welches von Tschirch als Alkachlorophyll, von Will- stätter als Chlorophyllin bezeichnet worden ist. Mulder gab dem Chlorophyll die Formel CigHigNgOs; er schied das reine Blattgrün aus der salzsauren Lösung üiit Calciumcarbonat ab (8). Seine Vorstellungen waren in physiologischer Hinsicht vielfach unzutreffend. Brewster(9) war der Entdecker der Fluorescenz und des Absorptionsspektrums von Chlorophyllösungen (1834) und er gab eine ganz richtige Abbildung des Chlorophyllspektrums. Den späteren Arbeiten von Stokes(IO) verdankt man eine Reihe weiterer wichtiger Aufschlüsse auf diesem Gebiete. Andere Forscher, wie Morot, Pfaundler (11), analysierten den Farbstoff von neuem. Der letztgenannte Forscher teilte die Ansicht von Verdeil, daß das Chlorophyll eisenhaltig sei. Übrigens wurde vielfach, so von Gris und Hofmeister (12), auf Grund der Erfahrungen über die Bleich- sucht der Blätter durch Eisenmangel, das Eisen als wichtiger Bestandteil des Chlorophyllfarbstoffes angesehen. Fremy(13) zeigte 1860 zuerst, daß beim Schütteln des alkoholischen Blätterextraktes mit Äther und Salzsäure ein grünblauer Farbstoff („Phyllo- cyanine") und ein gelbes Pigment („Phylloxanthine") abtrennbar sind Es blieb aber unbestimmt, ob beide Pigmente im Rohextrakt präexistieren, oder ob dieselben bei der Säurebehandlung gebildet werden. Timiria- zeff(14) hob jedoch bereits hervor, daß es sich hierbei um Spaltungs- vorgänge handeln müsse. Eine wirklich einwandfreie Trennung von I) Senebier, Physiol. v^g^t., //, 444 (1800); M^m. Phys. Chim., /// (1782). — 2) Berthollet, Ann. de Chim., ö, 218 (1790). — 3) Proust, Gilberts Ann., is, 278 (1803). Vauquelin, Ann. de China., 83, 42 (1812). — 4) Schrader, Schweigg. Journ., 5, 24 (1812). — 5) Pelletier u. Caventoü, Journ. de Pharm., 3, 486; Ann. de Chim. et Phys. (2), p, 194 (1818). — 6) Dieselben, Ebenda (2), 51, 182 (1832). — 7) Berzelius, Jahresber, 18, 381 (1839). — 8) Mülder, Ebenda, 24, 502 (1845); Physiol. Chem. (i804), p. 272; Journ. prakt. Chera., 33, 478 (1844). Moleschott, Phy.siol. d. Stoffwechsels (1851), p. 319. — 9) Brewster, Transact. Roy. Soc. Edinborough, 12, 538 (1834). — 10) Stokes, Pogg. Ann., Erg.-Bd. 4, 217 (1852). — 11) Morot, Ann. Sei. Nat. (3), 13, 231 (1849). Pfaundler, Lieb. Ann., 112, 37 (1860). — 12) Gris, Ann. Sei. Nat. (4), 7, 201. Hofmeister, Pflanzenzelle, p. 375. — 13) Fremy, Compt. rend., 50, 405 (1860); 61, 180 (1865); Ann. Sei. Nat. (4), 13, 45 (1860). — 14) TiMiRiAZEFF, Botan. Ztg. (1869), p. 884. § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 557 nebeneinander im Blätterextrakte vorkommenden Pigmenten erreichte zuerst Gr. Kraus (1) duich die Ausbildung einer Ausschüttelungs- methode, wobei sich die grünen und gelben Farbstoffe aus dem Extrakte in befriedigender Weise sondern ließen. Kraus nannte die grüne Phase „Kyanophyll", die gelbe „Xanthophyll". Das erstere geht in den als Ausschüttelungsmittel verwendeten Petroläther über, während das Xantho- phyll im Alkohol zurückbleibt. Später gab Fremy an, daß sein Phyllo- cyanin Säurecharakter besitze (2). Wichtige Fortschritte bahnten sodann die Arbeiten von Hoppe- SEYLER(3)an. Dieselben brachten zum erstenmal die Gewinnung krystal- Unischer Chlorophyllderivate in größerem Maßstabe, nachdem frühere Autoren zwar ähnliche Stoffe bereits in den Händen gehabt (4), jedoch nicht weiter beachtet hatten. Hoppe -Seyler extrahierte frisch ge- pflücktes Gras mit kaltem Äther, sodann mit kochendem absolutem Alkohol und stellte so eine möglichst konzentrierte Farbstofflösung her, Beim Stehen in der Kälte schied sich daraus der Hauptanteil der gelben Chloroplastenpigmente, das Carotin, ab. Das Filtrat von dieser Ab- scheidung wurde verdunstet, mit Wasser ausgelaugt und der im Wasser unlösliche Rückstand in Äther gelöst. Die filtrierte Ätherlösung schied nun im Dunkeln langsam verdunstend krystallinisch-körnige Massen aus, welche im auffallenden Lichte braun aussahen, im durchfallenden Lichte jedoch grün erschienen. Nach Waschen mit kaltem Alkohol wurden die Krystalle aus heißem Alkohol umkrystallisiert (5). Diese von Hoppe- Seyler als Chlorophyllan bezeichnete Substanz war aschenhaltig und schloß Magnesia und Phosphorsäure ein. Durch Kochen mit alkoholischem Kali ließ sich die chromophore Gruppe abtrennen, welche sauren Charakter hatte und als „Chlorophyllansäure" bezeichnet wurde. Die phosphor- haltige Substanz wurde als Glycerinphosphorsäure erkannt. Weil sich außerdem aus dem Reaktionsgemische noch Cholin gewinnen ließ, so leitete Hoppe-Seyler aus diesen Ergebnissen den Schluß ab, daß das Chlorophyllan nicht bloß mit Lecithin verunreinigt sei, sondern eine Verbindung von Chlorophyllansäure und Lecithin oder gar selbst ein Lecithin darstelle. Diese Lecithinhypothese hat bis in die neueste Zeit eine bedeutende Rolle in der Chlorophylliteratur gespielt, kann jedoch nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung nicht mehr aufrecht er- halten werden. In den Präparaten Hoppe-Seylers handelte es sich nur um Adsorptionsverbindungen des Pigmentes mit begleitenden Phospholi- poiden. Als Hoppe-Seyler sein Chlorophyllan mit Kali über 200 <> erhitzte, ergab sich die wichtige Entdeckung, daß hierbei eine rotgefärbte krystallisierte Substanz auftritt, die als Dichromatinsäure bezeichnet wurde. Mit Salzsäurebehandlung gab diese Säure ein weiteres Derivat, welches in der Folge große Bedeutung in der Chlorophyllchemie gewann, das Phylloporphyrin. Die gleichzeitig angestellten ausgedehnten Untersuchungen von TscHiRCH und von Hansen (6) brachten eine große Zahl neuer Beobach- 1) Gr. Kraus, Untersuch, üb. Chlorophyllfarbstoffe (1872). — 2) Fremy, Ber. Chem. Ges., lo, 1175 (1877). — 3) F. Hoppe-Seyler, Ztsch. physiol. Chem.. j. 339 (1879); 4, 193 (1880); 5, 75 (1881). — 4) Vgl. Gautier, Bull. Soc. Chim., 28, 147 (1876). FiLHOL, Ann. de Chim. et Phys. (4), 14 (1878); Compt. rend., 79, 612 (1874). Trecul. Ebenda, 61, 635 (1865). Rogalski, Ebenda, 90, 881 (1880). — 5) Vgl. auch A. Meyer, Botan. Ztg. (1882), p. 533. Tschirch, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884), p. 47. Gautier, Bull. Soc. Chim., 32, 499. — 6) Tschirch, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884). A. Hansen, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, 3 122. Die Farbstoffe des Chlorophyllkorns (1889). 558 Zwanzigstes Kapitel : Eohlens&nreTerarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. tungen, lösten jedoch die gestellte Aufgabe, ein „Reinchlorophyll" darzu- stellen, noch nicht. Tschirch hatte als solches ein Säureabbauprodukt in Händen, Hansen ein durch Alkahwirkung erhälthches Spaltungsprodukt des nativen Farbstoffes. Pringsheims Hypochlorin, welches nach seinem Autor das erste Assimilationsprodukt der Chloroplasten darstellen sollte, entpuppte sich als wesentlich identisch mit dem Chlorophyllan (1 ). Während man sich in Deutschland hauptsächlich mit dem chemischen Abbau des Chlorophylls befaüte und die wichtigen Fragen, inwieweit das Ausgangsmaterial einheitlicher Natur ist, zu wenig beachtete, be- arbeiteten englische Phytochemiker unter Benützung der spektroskopischen Methodik mit Glück das Gebiet der Farbstoffdifferenzierung im Blätter- extrakt, und es war vor allem Sorby(2), dessen Arbeiten die ersten Anhaltspunkte dafür lieferten, daß die Blätter der höheren Pflanzen regelmä!ßig zwei einander nahestehende grüne Farbstoffe enthalten und daß es auch eine Anzahl gelber Begleitpigmente der Chlorophyllfarbstoffe gibt. Diese auf dem Kontinent erst in neuerer Zeit voll gewürdigten Ergebnisse, um deren Bestätigung sich besonders Tswett(3) große Ver- dienste erworben hat, führten eine völlige Umgestaltung der Chlorophyll- chemie herbei. Sodann hat sich Schünce im Vereine mit Marchlewski(4) erfolgreich um das Studium möglichst gut charakterisierter Chlorophyll- derivate mit Hilfe der Spektroskopie bemüht. Ein großer Erfolg war es, als Nencki und Marchlewski zuerst die nahe Verwandtschaft der bei eingreifender Reduktion des Chlorophylls entstehenden Produkte mit Reduktionsprodukten aus Blutfarbstoff erkannten und so die biologisch äußerst interessante Beziehung zwischen Chlorophyll und Hämatin sicher- gestellt erschien. Die Chlorophyllmethodik erhielt schließlich in neuerer Zeit eine erwünschte Bereicherung durch die von Tswett ausgebildete Adsorptionstechnik zur Trennung der einzelnen Farbstoffe und schließUch einen besonders mächtigen Anstoß durch die wesenthch verbesserten Untersuchungsmethoden, welche Willstätter (5) ausbildete, wodurch die ersten sicheren Grundlagen zur Erforschung der Konstitution des Chlorophyllfarbstoffes geschaffen worden sind. Koexistenz und Abtrennung der einzelnen Chloroplasten- pigmente. Wie besonders die Untersuchungen von Tswett (6) gezeigt haben, hat man sich die einzelnen Farbstoffe der Chloroplasten mit ver- schieden starker Affinität an das Stroma oder die Hydrokolloide der Chromatophoren adsorptiv gebunden zu denken. Alkohole, wenigstens Methyl-, Äthyl- und Amylalkohol, lösen diese Adsorptionsverbindungen bei allen Farbstoffen schnell und vollständig, so daß weder in frischen noch in trockenen Blättern nach dieser Behandlung ein gefärbter Rück- stand zurückbleibt. Ebenso wirken Aceton, Äther, Acetaldehyd, Chloro- 1) A. Meyer, Botan. Ztg. (1882), p. 530. Tschirch, 1. c. Pringsheim Monatsber. kgl. Ak. Berlin (Nov. 1879, Febr. 1881); Jahrb. wies. Botan., 12, 288 \1881). — 2) H. SoRBY, Proceed. Roy. Soc., 21, 442 (1873). — 3) M. Tswett, Les Chlorophylles dans les Mondes V6g6tal et Animal (Warschau 1910). — 4) March- i^wsKi, Die Chemie des Chlorophylls (1895). Die Chemie der Chlorophylle (Braun- schweig 1909). — 6) R. Willstätter, Abderhaldens biochem. Handlexikon, N .N c-c' \ M„ •■ c-c C-CX y"^--: /C-C . >n/ n^. . c-c^^ c ^C— C Wie erwähnt ist die eine Carboxylgruppe im natürlichen Chlorophyll durch Methoxyl, die andere durch Phytol abgesättigt. Die dritte ist, wie Will- STÄTTER ausgeführt hat, in lactamartiger Bindung mit einer NH- Gruppe. Wenn man Alkali auf Chlorophyll einwirken läßt, so dürfte die vorüber- 1) Schunck, 1. c. Marchlewski, Chemie d. Chlorophylls (1895). Kozniewski u. Marchlewski, Lieb. Ann., JSS, 216 (1907); Akad. Krakau, (1908) IV, 247. M ARCHLEWSKI, Biochem. Ztsch., /o, 472 (1908). Malarski u. Marchlewski, Biochera. Ztsch., 2/, 523 (1909); 28, 48 (1910); 42, 219 (1912). — 2) Willstätter u. Pfannenstiel, Lieb. Ann., 358, 205 (1907). — 3) R. Willstätter u. Fritzsche, Lieb. Ann., j;/, 33 (1910). 574 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersyntheseim Chlorophyllkom. gehende Braunfärbung mit einer Lösung dieser Lactamverbindung ver- bunden sein, worauf sich eine neue alkalibeständige Ringbildung aus einer durch Verseifung freigewordenen Carboxylgruppe unter Grünfärbung herstellt Durch die Bildung der rotgefärbten Porphyrine, die zuerst von Hoppe- Seyler(I) in seiner Dichromatinsäure bekannt geworden sind, tritt das Chlorophyll in nahe Beziehung zu dem Blutfarbstoff. Die zweibasischen und einbasischen Porphyrine entstehen offenbar aus den Mg-haltigen Phylünen durch Ersatz von Mg durch 2 H-Atome, und ihre Formeln werden dementsprechend lauten für: Glauko- und Rhodoporphyrin : C33H3g04N4 Pyrro- und Phylloporphyrin : C32H3g04N4 Es ist schheßhch auch gelungen aufzuklären, wieso zwei isomere ein- basische Porphyrine entstehen. Es ist dies auf die Existenz zweier isomerer Chlorophylhne zurückzuführen, von denen das eine mit Alkah in der Kälte entsteht, das andere, Isochlorophylhn genannt, jedoch nur in der Hitze. Nur aus dem letzteren geht Phylloporphyrin über Phyllophylhn hervor, während das erstere Pyrrophylhn und Pyrroporphyrin hefert. Zu bemerken ist noch, daß sich beide natürhch vorkommenden Chlorophyllmodifikationen zu demselben Pyrroporphyrin abbauen Ueßen, ohne daß sich Differenzen bezüglich der Intermediärprodukte hätten feststellen lassen. Durch die Untersuchungen von Hoppe-Seyler und später besonders durch Nencki und Zaleski (2) weiß man, daß aus der Farbstoffkomponente des Blutpigmentes, dem Hämin, durch Behandlung mit Säure, am besten BrH, sich zwei Stoffe ohne Eisengehalt darstellen lassen, die sich den pflanz- hchen Porphyrinen aus Chlorophyll unmittelbar am:'eihen. Dies ist das Hämatoporphyrin C34H38 0gN4 und das Mesoporphyrin C34H38O4N4. Da man nach Marghlewski (3) durch Oxydation des Phylloporphyrins mit Chromsäure nach der Methode von Küster (4) zur Hämatinsäure in ihrer stickstoffreien Form gelangt, so ist an der wirklichen Verwandtschaft der tierischen und pflanzhchen Porphyrine nicht zu zweifeln, und Blattfarb- stoff und Blutfarbstoff stehen in interessanter und naher Beziehung. Es ist durch Küster gezeigt worden, daß bei der Oxydation von Hämin oder Hämatoporphyrin zwei Hämatinsäuren entstehen, von denen die eine das Imid, die andere das Anhydrid der dreibasischen Säure darstellt, die die Konstitution der l-Methyl-2-Carboxäthyl-Maleinsäure besitzt. CH3-C-C = 0 CH3-C-CO II >NH II >0 HO2C-CH2-CH2-C-C = 0 1) Hoppe-Seyler, 1. c. Ferner Schunck u. Marghlewski, Lieb. Ann., 284, 81 (1895). Zinkphylloporphyrin : Marghlewski, Ebenda, J72, 252. Willstätter, Ebenda, p. 253 (1910). Marghlewski, Ebenda, 388, 63 (1912). Marghlewski u. PiASEGKi, Acad. Cracovie, (1908) ///, 127. Marghlewski u. Robel, Biochem. Ztsch., 32, 204 (1911); 3g, 6 u. 59 (1912). Ein häminartiges eisenhaltiges Derivat von Phylloporphyrin wurde dargestellt als „Phyllohämin" von Marghlewski u. Robel, Ebenda, 34, 275 (1911); Ber. Chem. Ges., 41, 847 (1908); 45, 816 (1912). — 2) Hoppe-Seyler, Med.-chem. Untersuch.. IV, 544 (1871). Nengki u. Sieber, Arch. exp. Pathol., 24, 430 (1888); Monatsh. Chem.. 9, 115; 10, 568. Nengki u. Zaleski, Ztsch. physiol. Chem., 30, 390 (I900j. Zaleski, Eben^ia, 37, 59 (1902). Merünowicz u. Zaleski, Akad. Krakau (1907). p. 633. — 3) Marghlewski, Bull. Acad. Cracovie (1902), p. 1; Biochem. Ztsch., 3, 320 (1907); Chemie d. Chlorophylle (1909), p. 124. — 4) Küster, Lieb. Ann., j/5, 207 (1900); 345, 1 (1905); Abder- haldens Handb. biochem. Arb.meth., 2, 628 (1910). $ 5. Die Pigmente der Ghloroplasten. 575 Durch COj-Abspaltung geht aus diesem Imid das Methyläthyhnalein- CH3-C-C = 0 imid y NH hervor. Küster nimmt an, daß drei, oder CH3-CH2-C-C = 0 sogar vier Moleküle Hämatinsäure aus ebenso vielen Pyrrolkernen des Hämins gebildet werden. Nach Piloty(I) aber sollen nur zwei Moleküle Hämatinsäure entstehen. Nach den Untersuchungen von Willstätter (2) üefert Porphyrin aus Chlorophyll ein Molekül Hämatinsäure, und Maleinimid in einer Menge, die der Entstehung aus zwei Pyrrolkernen entspricht ; es müssen somit mindestens zwei von den vier Pyrrolkernen in den Porphyrinen aus Chlorophyll und Hämin verschieden sein. Die Isoherung der Pyrrolkerne selbst wurde durch Nencki und Zaleski(3) zuerst beim Hämin durch dessen Reduktion mit Jodwasserstoff und Phos- phoniumjodid erreicht, nachdem schon Hoppe-Seyler die Rotfärbung eines mit HCl befeuchteten Fichtenspanes durch Abbauprodukte des Häma- tins gesehen hatte. Nencki und Marchlewski (4) haben hierauf auch die bedeutungsvolle Tatsache aufgefunden, daß man die als „Hämopyrrol" bezeichnete Substanz auch durch Reduktion von Chlorophyllderivaten erhalten kann. Die neuen Arbeiten von Küster, Marchlewski, Piloty, H. Fischer (5) haben erwiesen, daß dieses Hämopyrrol ein Gemisch verschie- dener Pyrrolbasen ist, und das Pyrrolgemisch aus Chlorophyllderivaten stimmt nach Willstätter mit dem Pyrrolgemisch aus Hämin wesent- hch überein, nachdem schon nach Marchlewskis Erfahrungen über Azo- verbindungen aus Chlorophyllpyrrol und Hämopyrrol zu vermuten war, daß mindestens ein Bestandteil beiden Pyrrolgemischen gemeinsam ist. Ursprünglich hatte man das Hämopyrrol beiderlei Provenienz als Methyl- propylpyrrol erklärt, doch war diese Ansicht schon durch die Auffindung des Methyläthyhnaleinimids unter den Oxydationsprodukten unwahrschein- hch geworden, und die Auffindung von Methyläthyl-Substitutionsprodukten in Hämopyrrol stand zu erwarten. Nach Willstätter und Asahina ist nun das früher für einheitlich gehaltene Chlorophyllpyrrol ein Gemisch von drei Basen. Die eine, das Phyllopyrrol, ist an allen vier Kohlenstoffen substituiert, und gibt keine der Farbenreaktionen des Pyrrolgemisches ; ihre Zusammensetzung ist CgHjgN (6). Die beiden anderen isoherten Pyrrol- basen sind isomer und entsprechen der Zusammensetzung CgHjgN. Sie wurden als Hämopyrrol und Isohämopyrrol bezeichnet und sind beide Dimethyl-äthylpyrrole : 1) PiLOTY, Lieb. Ann., j(5ö, 237 (1909). ~ 2) Willstätter u. Asahina, Ebenda, 373, 227 (1910); Ber. Chem. Ges., 44, 3707 (1911). — 3) Nencki u. Za- LESKi, ßer. Chem. Gee., 34, 997 (1901). — 4) Nencki u. Marchlewski, Ebenda, p. 1687. — 5) W. KÜSTER, Ber. Chem. Ges., 40, 2017 (1907); 43, 370 u. 2960 (1910); 45, 1935 (1912); Lieb. Ann., 346, 1 (1906); Ztsch. physioi. Chem., 54, 501; 55, 5U5 (1908;; 82, 463 (1912). O. Piloty, ßer. Chem. Ges., 42, 3253, 3258, 4693 (1909); 43, 489 (1910); 45, 2595, 3749 (1912); 46, 1008 (1913); Lieb. Ann., 366, 237 (1909); 392, 215 (1912). Marchlewski: Ztsch. physioi. Chem., 45, 466 (1905); 47, 331 (1906); 51, 466 (1907); 56, 316 (1908); 61, 276 (1909); 81, 86 (1912); Biochem. Ztsch., 10, 437 (1908); 22, 464 (1909); 21, 548 (1909); Ber. Chem. Ges., 43, 259 (1910); 45, 453 (1912); Akad Krakau, 8, 555 u. 583 (1909). H. Fischer u. Bartholomäus, Ztsch. physioi. Chem., 76, 478 (1912); 84, 262 (1913); Ber. Chem. Ges., 44, 3313 (1911); 45, 466 u. 1979 (1912); 46, 511 (1913). L. Knorr u. Hess, Ber. Chem. Ges., 45, 2626 (1912). — 6) Synthese von Phyllopyrrol: H. Fischer u. Bartholomäus, Ber. Chem. Ges., 45, 466 (1912). Colacicchl Atti Acc. Line. (5), 21, I, 489 (1912> H. Fischer u. A. Hahn, Ztsch. physioi. Chem., 84, 254 (1913). 576 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. I! II Hämopyrrol: HG C-CHg Isohämopyrrol: CHg-G CH NH NH CHg-C C-GHa-CHa II II Phyllopyrrol: GHg-G G-GHg NH Weil sich nach H. Fischers und Pilot ys Untersuchungen bei der Reduktion von Blutfarbstoff noch weitere Pyrrolderivate ergaben, so ist zu erwarten, daß auch die Reihe der aus den Ghlorophyllderivaten dar- stellbaren Pyrrolbasen mit den drei erwähnten noch nicht erschöpft ist. Da die Untersuchungen auf diesem so interessanten Gebiete der Reduk- tionsprodukte von Ghlorophyll und Hämin gerade jetzt in vollem Flusse begriffen sind, so ist es noch nicht zeitgemäß, auf die Fragen des Zusammen- hanges der pyrrolartigen Endprodukte mit den größeren Komplexen in den Farbstoffen einzugehen. Was die Ableitung der Pyrrolgruppen überhaupt betrifft, so hat die Ansicht Pilotys viel für sich, daß Eiweißspaltungspro- dukte, und zwar das Tryptophan, diese Gruppierung Hefern, und das Ghloro- phyll somit seine Entstehung von Eiweißspaltungsprodukten nimmt. Sicher dürfte wohl sein, daß sich die Bildung der Pyrrolbasen unter GOg- Abspaltung aus PjTrolcarbonsäuren vollzieht. Ein Präparat solcher Säuren ist von PiLOTY als „Phonopyrrolcarbonsäure" bezeichnet worden und dürfte eine Säure der nachstehenden Zusammensetzung enthalten haben: CH3.G G-GHa-GHa-GGOH II II GH3.G-NH-GH Zwei Pyrrolkerne sind noch in der durch Piloty isoherten Pyrrolidin- säure beisammen, die unter dem Namen Hämatop^Trolidincarbonsäure be- schrieben worden ist: GHa-GOOH I GH3.G G-GH — G-NH-G-GHs II II II II CHg-G-NH-GH H3G-G G-GH2GH3 Im Hämatoporphyrin und in den aus Chlorophyll darstellbaren Porphyrinen müssen zwei solcher Komplexe in einer noch näher zu bestim- menden Weise miteinander verbunden sein. Aus allem ist zu ersehen, daß sich die beiden Chlorophyllkompo- nenten oder Phytylchiorophyllide in ihrem wesentlichen chemischen Aufbau nicht unterscheiden. Der Unterschied liegt nach Willstätter(I) nur in einem Plus an 1 Atom Sauerstoff im Chlorophyllid b, gegenüber dem wasserstoffreicheren ChlorophylUd a. Die von Willstätter aufgestellten Formeln für die beiden Chlorophylle sind: Phytylchlorophyllid a: CgjHgoON.Mg • (COOCH3) • (COO • C^oHg^) + V2H2O, Phytylchlorophyllid b: C32H2802N,Mg • (COOCH3) • (COO • CgoHsg). 1) WiLLSTÄTTEK u. M. IsLER, Lieb. Ann., jgo, 269 (1912). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 577 Phytylchlorophyllid a hat in der sichtbaren Region des Spektrums nach WiLLSTÄTTER(l) sieben scharf getrennte Absorptionsbänder neben der Endabsorption. Am stärksten tritt je ein Band im Rot, Indigblau und Violett hervor, im Gelb und Grün liegen schwächere Streifen. Das Spektrum von Phytylchlorophyllid b besteht aus neun Bändern. Das Band im Rot und jenes im Orange ist hier in zwei Bänder geteilt, im Grün liegt ein schmaler und schwächerer Streifen, die Absorption im Blau ist sehr intensiv. Sodann wurde im äußersten Rot ein ganz un- deutliches Band gesehen, von dem es noch zweifelhaft ist, ob es dem reinen Chlorophyllid b eigentümlich ist. Die nachstehende Tabelle enthält die von Willstätter beschriebenen spektroskopischen Befunde bei beiden Chlorophylliden im Detail angeführt: (Siehe Tabelle S. 578.) Da nunmehr in der Konstitution der Chlorophyllide die Funktion des Mg, der vier N-Atome sowie die Existenz von drei Carboxylgruppen völlig aufgeklärt sind, so darf man wohl erwarten, in absehbarer Zeit die Konstitutionsformel in den wesentlichen Grundzügen sichergestellt zu sehen, wozu vielleicht die genauere Kenntnis des Hämins erheblich beitragen wird. Somit lassen sich eine Reihe von älterer Hypothesen über die chemische Natur des Chlorophyllfarbstoffes derzeit endgültig ablehnen. Dies gilt einmal für die Ansicht, daß Chlorophyll eine glucosidische Substanz sei, wie früher öfters behauptet worden ist (2), sodann aber auch für die bis in die jüngste Zeit auch in einigen ausgezeichneten physiologischen Werken vertretene Ansicht, daß das Chlorophyll zu den Eiweißkörpern zu zählen sei (3). Auf andere gänzUch unbegründete Anschauungen zur Chlorophyll- chemie brauchen wir nicht mehr einzugehen (4). Während nach den Untersuchungen von Monteverde und LuBi- MENKO (5) der grüne Farbstoff reifer Samen in den meisten Fällen mit Chloro- phyll identisch ist, erwies sich das Pigment der inneren Samenhülle bei den Cucurbitaceen spektroskopisch vom Chlorophyll verschieden, indem es ein Spektrum zeigt, welches mit jenem des später zu erwähnenden Protochloro- phylls identisch ist. Beim Absterben der Zellen verändert das Pigment seine optischen Eigenschaften, jedoch kann man durch rasches Erhitzen der Samenhüllen das Pigment fixieren, so daß es auch nach dem Trocknen der Samenhüllen seine Eigenschaften nicht mehr ändert. Die genannten Autoren nennen den Farbstoff Chlorophyllogen, weil er mit der Chloro- phyllbildung im Zusammenhang stehen soll. Eine für physiologische Zwecke geeignete quantitative Bestimmungs- methode ist für Chlorophyll noch auszuarbeiten. Seit Timiriazeff (6) zu- erst die spektrophotometrische Methodik zu diesem Zweck verwendet bat, sind wiederholt Versuche in dieser Richtung, zuletzt von Tswett und von 1) Willstätter, Stoll u. Utzinger, Lieb. Ann. 385, 156 (1911). — 2) Z. B.: SCHDNOK, Proceed. Roy. Soc, 26, 183 (1884). Sachsse, Chem. Zentr. (1884), p. 113. De Wildeman, Just Jahresber. (1887), /, 198. Griffiths, Chem. News, 49, 237 (1884). — 3) Die von Tswett, Compt. rend., 129, 607 (1899); Botan. Zentr., 81, 81 (1900); 8g, 120 (1902), früher vertretene Ansicht, daß das Chlorophyll ein grün- getärbter Eiweißkörper „Chloroglobiu" sei, war unzureichend gestützt und ist von ihrem Autor selbst aufgegeben worden. Vgl. Monteverde, Script. Bot. Horti Petropol., Fase. 15. — 4) Vgl. 1. Aufl., /, 464. — 5) Monteverde u. Lubimenko, Bull. Jard. imp. Petersb., p, 27 (1909). Lubimenko, Compt. rend., 142, 1432 (1906). — 6) Timiriazeff, Just Jahresber. (1881), /, 60. Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. s. Aufl. 37 578 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorqphyllkom CoC5 CO >l^ I I I M-l I o 05 05 feg? I i I I I : - I coo; I ; j. I I I I I I ^ I g I I I • I s? ui Ol üi g ( CD W CD C _ _ : 3 M B CX) cn Ol Ol , Cn COOOOOi 05 Ol üi oos *k ^J l-i H' moi ' ( W tn U> ( O«D00( s I I o< I s ^1 B ö- B 5" «^'I^t^] MIM: OCl OS CD CO 05 0i CO CD :^ l-l I l-l CO *>■ t i -IM CJl 05 05 00 co^ CO I ifc>. Ol I I cn 05 05 00 CO^ 01 00 c;i . Ui Cn Ol ^ 05 J^ *- CD CT. f' 00 u< — : • I CO j^i. u, m _ oj • CD COOJo 1*^ rfi. CD ijÄ- C7I ;:i w . • I Oi — . • I to 3 ^■ B s: § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 579 MARCHLEWSKlunJ JACOBSON (1), unternommen wor den. Von den chemischen Verfahren wird wohl die von Willstätter angegebene Methode der Phytol- bestimmung sich zur Chlorophyllbestimmung erweitern lassen, da etwa 33% des nativen Farbstoffes an Phytol geUefert werden. Das von Hansen (2) benutzte Verfahren der bloßen Äther-Alkohol-Extraktion nach Verseifen der alkoholischen Farbstofflösung, ist sicher zu ungenau. Tschirch (3) wendete die Darstellung von Phyllocyaninzinkacetat zur Chlorophyllbestim- mung an. Die- von diesen Autoren erhaltenen Werte scheinen alle viel zu hoch zu sein. Tschirch fand 1,8—4% der Trockensubstanz der Blätter an Chlorophyll, und berechnet 0,35—1,23 g Chlorophyll auf 1 qm Blattfläche, während Hansen gar 5,142 g auf den Quadratmeter angab. In den Arbeiten von Willstätter wurde bei Urticablättern etwa 7— 8 g Chlorophyll in 1 kg trockenem Material vorgefunden. Eine colori metrische Bestimmungs- methode suchte JÖNSSON (4) auszubilden und Willstätter (5) verbesserte dieselbe durch Einführung einer Standardlösung von ÄthylchlorophyHid von genau bekanntem Gehalt. Auch diese Bestimmungen ergaben stets einen Chlorophyllgehali von 0,5 — 1% bei den verschiedensten Pflanzen. Die in etiolierten Blättern enthaltenen Farbstoffe sind in vieler Hinsicht noch unzureichend bekannt. Eine charakteristische Eigenschaft etiolierter Chloroplasten besteht darin, daß dieselben bei Behandlung mit Säure einen blaugrünen Farbenton annehmen. Mit dieser Erscheinung befaßten sich mehrere ältere Autoren, wie Phipson, J. Sachs, welche den Farbstoff etiolierter Blätter als Leukophyll be- schrieben, J. BoEHM, der dieses Pigment als „Chlorogon" benannte, Fremy und andere, ohne daß man über unbestimmte Vorstellungen eines genetischen Zusammenhanges zwischen dem gelben Farbstoff etiolierter Chloroplasten und dem Chlorophyll hinauskam (6). Weitere Arbeiten rühren von Askenasy und von Gr. Kraus her (7). Der letztgenannte Forscher äußerte sich vorsichtiger hinsichtlich der Beziehungen des gelben Farbstoffes zur Chlorophyllgenese und kam auf Grund seiner spektral- analytischen Beobachtungen zu dem Ergebnis, daß der „gelbe Farbstoff des Chlorophylls" und der Farbstoff etiolierter Blätter wesentlich identisch seien. Pringsheim(8) erklärte das Pigment etiolierter Blätter als ver- schieden vom Xanthophyll und führte die Benennung Etiolin dafür ein. Aber auch in einer Folge von weiteren Arbeiten wurden die Schwierigkeiten der Etiolinfrage nicht besiegt. Wiesner (9) sowie Tschirch (10) neigten zu der Auffassung, daß die Entstehung des Chloro- phylls mit dem Etiolin verknüpft sei, doch waren die Versuche Wiesners kaum beweisend für die Annahme, daß sich beim Ergrünen etiolierter Hordeumkeimlinge der Etiolingehalt vermindere, da die gelben Farbtöne nur nach dem Augenschein verglichen wurden und die Prüfung fehlte, ob nicht mehrere gelbe Pigmente bei diesen Veränderungen beteiligt sind. 1) C. A. Jacobson u. Marchlewski, Biochem. Ztsch., 40, 296 (1912). — 2) A. Hansen, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, j, 426 (1887). — 3) Tschirch, Just Jahresber. (1887), /, 197; Pharm. Zentr. Halle, 30, 611 (1889). — 4) B. Jönsson, Botan. Zentr., 93, 457 (1903). — 5) Willstätter, Hocheder u. Hüg, Lieb. Ann., 37h 1 (1909"). — 6) L. Phipson, Corapt. rend., 47 (1858). Sachs, Lotos (1859), p. 6; Sitz.ber. Wien. Ak., 37, 1453 (1859). J. Boehm, Ebenda, p. 477. — 7) As- kenasy, Botan. Ztg. (1867), p. 229. G^. Kraus, Untersuchungen usw. (1872), p. 112. — 8) Pringskeim, Monatsber. Berlin. Ak. (1874); Gesamm. Abhandl., .^,1. — 9) Wiesner, Entstehung d. Chlorophylls (1877), p. 26; Osterr. bot. Ztsch. (187<), p. 7. — 10) Tschirch, Untersuchungen (1884), p. 94; Abhandl. bot, Vereins Prov. Brandenburg, 24, 131. 37* 580 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. Wiesner machte ferner auf dfe gewiß wichtige Tatsache aufmerksam, daß bei der Kartoffelpflanze auch jene Leukoplasten, die im normalen Leben niemals ergrünen, Etiohn führen. Elfving(I) hob hervor, daß Etiolin selbst unter Bedingungen entsteht, die Chlorophyllbildung aus- schließen wie niedere Temperatur, und daß Blätter unter solchen Be- dingungen eine lebhaft gelbe Farbe besitzen. Auch die Berichte über die spektroskopischen Befunde differierten, indem Hansen (2) zwischen dem Spektrum des Carotins der Chloroplasten und dem Etiolinspektrum keinen Unterschied finden konnte, während Tschirch charakteristische Differenzen angab. Hansen und Kohl (3) und andere Forscher haben aber unzweifelhaft festgestellt, daß etiolierte Pflanzen reichlich Carotin enthalten; Kohl ging soweit, daran zu zweifeln, ob überhaupt noch ein an- derer Farbstoff als Pigmentbestandteil etiolierter Chloroplasten in Betracht komme. Hervorzuheben ist aus den Befunden von Kohl, daß der Carotingehalt etiolierter Blätter beim Ergrünen nicht abnimmt, sondern steigt, so daß an eine Umbildung der Lipochrome zu Chlorophyll nicht zu denken ist. Mit der KoHLschen Annahme, daß Etiolin wesentlich mit Carotin identisch ist, stimmt es wenig überein, daß, wie Tschirch fand, die Hypochlorinprobe nach Pringsheim auch bei etiolierten Chloro- plasten zu erzielen ist; allerdings soll der entstehende Farbstoff von dem sonst entstehenden Chlorophyllan different sein. Famintzin(4) unter- suchte das Pigment aus den Cotyledonen reifer Helianthussamen, ohne daß sich für die Etiolinfrage neue Gesichtspunkte daraus ergeben hätten. Einen neuen Faktor brachte die Feststellung von Timiriazeff(5) und von Monteverde (6) in die Angelegenheit, wonach etioherte Blätter auch einen fluorescierenden Farbstoff in kleiner Menge enthalten. Dieses Pigment wurde als Protochlorophyll bezeichnet, nachdem Monteverde erkannt hatte, daß das „Protophyllin" von Timiriazeff, welches angeblich sowohl durch Reduktion des Chlorophylls durch Wasserstoff, als durch Ex- traktion aus etiolierten Cotyledonen erhalten worden war, sich nicht als ein- heitlicher Begriff hatte halten lassen. Die anfängliche Vermutung, daß das Protochlorophyll mit der Genese des Chlorophylls direkt zusammenhänge, mußte, jedoch infolge der Ergebnisse lehrreicher Studien von Liro(7) welche durch Issatschenko (8) sowie Monteverde und Lubimenko bestätigt werden konnten, aufgegeben werden. Die eigentliche Mutter- substanz des Chlorophylls konnte nur nach sehr vorsichtigem Trocknen der Blätter im Dunkeln entdeckt werden, da sie thermolabil ist und durch Licht rasch in Chlorophyll übergeht. Hmgegen wird bei der Präparation aus dieser Substanz leicht ein lichtbeständiges fluorescierendes Pigment gebildet, welches nichts anderes ist, als das von Monteverde schon früher erhaltene Protochlorophyll. Das Protochlorophyll gehört somit nicht in die Reihe der Vorstufen des Chlorophylls hinein, sondern ist ein stabiles Um Wandlungsprodukt des labilen Chlorophyllogens, welches als die eigentliche V'^orstufe des Chlorophylls anzusehen ist. Chloro- 1) Elfving, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, 2, III (1880). — 2) A. Hansen, Ebenda, j, 303. — 3) F. Ü. Kohl, Untersuch, üb. d. Carotin (1902), p. 7,ö. Vgl. auch Immendorff, Landw. Jahrb., i8, 516 (1889). Gkeilach, Öitz.ber. Wien. Ak., 113, l, 121 (1904). — 4) Famintzin, M^lang. biol. tir^ du Bull. Ac. Sei. St. Paters- bourg, 13 (1893); ßotan. Zentr., 58, 378. — 5) Timiriazeff, Compt. rend., 102, 686 (1886); 109, 414 (1889); Nature, 34, 52 (1886); j2, 342 (1885). — 6) N. A. Monte- verde, Acta Horti Petropol., 13, 201 (1894); Bull. Jard. Imp. Bot. P^tersb., 7, 37 (1907). — 7) J. LiRO, Ann. Acad. Sei. Fenn. (1908), /, l, Nr. 1, p. 1. — 8) B. Issatschenko, Bull. Jard. Imp. Bot. Petersb., p, 105 (1909). § 5. Die Pigmente der Chloroplasten. 581 phyllogen hat bereits den Absorptionsstreifen im Rot, ist jedoch spektro- skopisch deutlich vom Chlorophyll zu unterscheiden Wenn man noch chlorophyllfreie Pflanzen mit einer geeigneten Vorrichtung während der ersten Belichtung spektroskopisch untersucht, so läßt sich die Chloro- phyllbildung als sehr rasch einsetzender Vorgang direkt beobachten. Als farblose Vorstufe des Chlorophyllogens ist ein noch unbekannter Stoff anzunehmen, den Monte verde und Lubimenko(I) vorläufig als Leukophyll bezeichnet haben. Jedenfalls ist nunmehr allen Theorien, welche einen Zusammenhang der gelben carotinartigen Chloroplasten- pigmente mit Etiolin und Chlorophyllentstehung angenommen hatten, der Boden völlig entzogen und man wird nach anderen Vorstufen des Chlorophylls zu suchen haben. TswETTS Chlorophyllin d wird wohl wesentlich mit dem Proto- chlorophyll zusammenfallen. Die Farbstoffe der herbstlich vergilbten Blätter waren gleich- falls bis in die neueste Zeit Gegenstand lebhafter Kontroversen. Die ältesten Untersuchungen über das Herbstgelb rühren von Guibourt (2) her, welcher 1827 annahm, daß die herbstliche Verfärbung von einem Stoffe herrühre, welcher die Stelle der „grünen Chromula" in den Blättern einnehme. So- dann wollte Macaire-Prinsep (3) die Gelbfärbung auf Oxydationen und eine Art Ansäuerung der ,,Chromule" zurückführen. Berzelius (4) wendete sich gegen diese unbegründeten Ideen, und stellte den gelben Farbstoff durch Extraktion mit kaltem Alkohol dar; er führte dafür den Namen Xanthophyll ein. Das Pliycoxanthin ist natürlich nicht, wie Fremy annahm (5), mit dem Herbstfarbstoff der Blätter identisch. Sachs (6) berührte die chemischen Fragen der Herbstfärbung nicht, stellte aber aus- führhche mikroskopische Untersuchungen an, wobei er sah, wie an Stelle der Chloroplasten eine größere Zahl von kleinen intensiv gelb gefärbten Körnchen zurückbleibt, welche in Alkohol löshch sind. Gegen den Aus- druck „Auswanderung des Chlorophylls", den Sachs gebraucht, ist mancher- lei einzuwenden, wie Mer (7) hervorgehoben hat. Sorby (8) berührte wieder die chemische Frage des Herbstgelbs und unterschied eine Gruppe wasser- löshcher Farbstoffe aus Herbstlaub als Chrysophyll von dem alkohol- löshchen Xanthophyll. Es ist aber, wie auch die Untersuchungen von TswETT (9) gezeigt haben, kein Zweifel, daß die wasserlösHchen Farbstoffe keine Chloroplastenpigmente sind, sondern Oxydationsprodukte verschie- dener anderer Zellsubstanzen beim Absterben der Blätter, die allerdings bei dem Zustandekommen des Gesamteffektes der Färbung eine gewisse Rolle spielen. In der Folge war es die Hauptfrage, in welcher Beziehung das Herbstxanthophyll zu den normalen alkohollöshchen Chloroplasten- farbstoffen steht, insbesondere zum Carotin. Gr. Kraus hielt beide Farbstoffe für identisch, während Pringsheim(IO) Differenzen annahm. Tschirch(II) schlug zwar vor, beide Pigmente als a- und ^-Xanthophyll zu unterscheiden, 1) MoNTEVERDE u. LuBiMENKO, Biol. Zentr., 31, 449 (1911); Bull. Ac. Imp. Sei. St. Pötersb. (1912), p. 009; (1911), p. 73. — 2) Guibourt, Journ. de Pharm., 13, 27 (1827). — 3) Macaire-Prinsep, Ann. de Chim. et Phys. (2), 38, 415 (1828). — 4) Berzelius, Pogg. Ann , 42, 422 (1837). — 5) Fremy, Ann. Sei. Nat. 13, 45 (1860). — 6) Sachs, Flora (1863), p. 193; Exp. Physiol. (1865), p. 333. — 7) E. Mer, Bull. Soc. Bot., 20, 164 (1873). — 8) Sorby, Quart. Journ. Sei. (1871), p. 64; Nature, j/, 105 (1885). — 9) Tswett, Ber. Botan. Ges., 26a, 94 u. 88 (1908). — 10) Pringsheim, Monatsber. Berlin. Ak. (1874); Gesanam. Abhandl., 4, 18. — 11) TscHiRCH, Untersuchungen (1884), p. 88. 582 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. neigte aber doch dazu, Identität derselben zu vermuten. Auch Immen- DORFF(I) glaubte, daß v/esentiich Carotin bei dem Zustandekommen der Herbstfärbung beteiligt ist. Erst in neuerer Zeit hat sich die Ansicht Bahn gebrochen, daß das Herbstgelb von den Lipochromen grüner Blätter zu unterscheiden sei. Staats (2) stellte durch siedenden Alkohol aus Herbst- laub intensiv gelbe Extrakte her, welche durch Kahlauge rotbraune wasser- löshche Niederschläge erfuhren. Aus wässerigem Alkohol war die KaU- verbindung von Linden- und Buchenherbstgelb in schönen rotgelben Nadeln zu erhalten. Das Pigment wurde Autumnixanthin genannt. Kohl (3) kam zwar auf Grund vergleichender Untersuchungen des Carotingehaltes zu dem Ergebnis, daß das Carotin für die Herbstfärbung nicht die ihm früher zugeschriebene Bedeutung haben könne, da der Carotingehalt der Herbstblätter faktisch geringer ist, als bei grünem Laub, doch neigt sich dieser Autor zu der Annahme, daß die anderen gelben Ghloroplastenpigmente sowie geringe Mengen eines mit Chlorophyll nahe verwandten gelben Farb- stoffes, für die Herbstfärbung kausal in Betracht kommen. Nun ist jedoch nach den letzten Untersuchungen von Tswett selbst für die xanthophyll- artigen Pigmente grüner Chloroplasten die Verschiedenheit vom Herbst- gelb nicht in Abrede zu stellen, und man kann nur ganz geringe Mengen der normalen Lipochrome in herbsthchem Laube nachweisen. Übrigens ist es auch möghch, daß das Herbstgelb wieder ein Gemisch differenter Pigmente darstellt, worüber Untersuchungen noch nicht vorUegen. Da man weiß, daß intensive Beleuchtung und andere Faktoren das Eintreten der Herbstfärbung begünstigen (4), so wäre wohl noch die allgemeine experi- mentelle Behandlung dieser Fragen aussichtsvoll, zumal interessante Ver- suche Stahls (5) vorüegen, welche zeigen, wie man durch Hemmung der Ableitung der Blattstoffe durch Durchschneiden der als Leitungsbahnen dienenden Blattnerven das Vergilben umschriebener Blattstellen stark verzögern kann. Unbekannt ist es auch, inwiefern das Vergilben von an- haltend verdunkelten Blättern mit den herbsthchen Veränderungen in den Blattpigmenten vergHchen werden kann. Doch verUeren manche Pflanzen, wie Sachs (6) gezeigt hat, ihr Chlorophyll selbst nach mehrmonathcher Verdunkelung noch nicht. Die winterliche Rötung mehrjähriger Laubblätter, wie sie auffallend bei manchen Coniferen, wie verschiedenen Cupressineen, in Er- scheinung tritt, wird wesenthch durch den in der niedrigen Temperatur ver- minderten Gehalt an Chlorophyll und das stärkere Hervortreten der Chromo- hpoide in den Chlorophyllkörnern bedingt. Schon Haberlandt (7), der diese seit älterer Zeit wohlbekannte Erscheinung (8) genauer verfolgte, konnte sicherstellen, daß durch Einstellen der Pflanzen in einen höher temperierten Raum auch im Winter diese Rötung rückgängig zu machen ist. Bei Thuja soll nach Tswett (9) ein besonderer Farbstoff, der als Thujorhodin unterschieden wurde, die Winterlaubfärbung verursachen, welcher aber nach seinen Reaktionen mit Carotin sehr nahe verwandt ist. Die bei Aloe und 1) Immenporff, Landw. Jahrb., i8, 507 (1889). — 2) G. Staats, Ber. Chem. Ges., 28, 2807 (1895). — 3) F. G. Kohl, Carotin (1902), p. 107. — 4) Vgl Noll, Sitz.ber. Niederrhein. Ges. (1891), p. 80. Mer, Bull. Soc. Botan., 23, 176 (1876). — — 5) E. Stahl, Ber. Botan. Ge.«., 25, 530 (1907); Biologie d. Chlorophylls (Jena 1909). — 6) J. Sachs, Flora (1862), p. 218; Botan. Ztg. (1864), p. 290. — 7) Haber- landt, Österr. botan. Ztsch. (1876), VIII; Sitz.ber. Wien. Ak. (1876). Mer, 1. c. (1876). — 8) Vgl. Mo Nab, Landw. Versuchsstat., 16, 439 (1874). Askenasy, Botan. Ztg. (1867), Nr. 29. Gr. Kraus, Botan. Ztg. (1874), p, 406. — 9) Tswett, Compt. rend., 152, 788 (1911). § 5. Die Pigmente der Cliloroplasten. 583 Selaginella vorübergehend auftretende Rötung des Laubes durch intensive Beleuchtung beruht nach Molisch (1) jedoch auf Einschlüssen von Carotin. Ob eine Vermehrung des Carotingehaltes unter allen diesen Umständen stattfindet, wie man aus der Beobachtung von Schimper schUeßen könnte, wonach beim Wiederergrünen der gelbgewordenen Chloroplasten im Frühjahr die rubinfarbenen Einschlüsse derselben schwinden, wäre noch näher zu prüfen. Nicht zu vergessen ist es, daß sowohl bei der herbst- Uchen als bei winterlicher Laubfärbung häufig auch dem Anthocyangehalt des Zellsaftes eine wesentliche Bedeutung beim Zustandekommen des Ge- samteffektes zukommt. Von analogen Gesichtspunkten hat wohl auch die Untersuchung der Veränderungen der Chloroplasten zu geschehen, welche sich beim Reifen von Früchten einstellen und welche in einer sukzessiven Verminderung des Chlorophylls und Anreicherung an Lipochromen bestehen. Dies geht so weit, daß in der reifen Frucht lebhaft rot gefärbte Chromatophoren vor- handen sind. Häufig begleitet Ausbildung von Anthocyan diese Verände- rungen, die übrigens nicht mehr rückgängig zu machen sind. Bereits Sachs stellte Untersuchungen über diese Vorgänge an den Früchten von Lycium und Solanum Dulcamara an (2). Der Lichteinfluß auf die begleitende Antho- cyanbildung wurde von Askenasy näher studiert (3), Die gelben Begleitfarbstoffe des Chlorophylls in den Chloroplasten sind erst nach der grundlegenden Entdeckung von Kraus einer näheren Untersuchung zugänglich geworden, wonach man durch Hinzufügen von Petroläther zu dem wässerig-alkoholischen Blätterextrakt das Chlorophyll in den Petroläther überführen kann, während die gelben Pigmente im Alkohol zurückbleiben. Nach mehrmaligem Ausschütteln mit Petroläther zeigt der alkoholische Extrakt keine Spur des charak- teristischen Chlorophyllbandes im Rot. Kraus nannte die gelbe alko- holische Fraktion Xanthophyll. Ihr Spektrum zeigte außer der End- absorption zwei Streifen im Blau und Violett; der intensivere von diesen war gleichbedeutend mit Band V der Blattinktur, mit der Lage gleich hinter F, das zweite schwächere Band lag in der Mitte zwischen F uud G. Mit Schwefelsäure gab die KRAUssche Xanthophyllfraktion eine dunkelblaue Färbung. Im Sonnenlicht blaßte die gelbe Färbung der Lösung rasch aus. Wir wissen heute, daß das KRAUSsche Xanthophyll mehrere gelbe Pigmente enthält, unter ihnen auch Carotin. Eine früher von Fremy(4) 1865 gemachte Beobachtung hätte wenigstens bis zu einer Isolierung des Carotins führen können: nach diesem Forscher wird aus dem Blätterextrakt durch Tonerdehydrat der grüne Farbstoff mitgerissen, während ein gelber Farbstoff in Lösung bleibt. Letzterer ist wesentlich mit Carotin übereinstimmend, da Tswett gezeigt hat, daß sonst alle anderen grünen und gelben Pigmente durch Adsorbentien aus der Lösung gezogen werden. Nach Kraus wurden die Entmischungsversuche noch durch Conrad (5) sowie durch Wiesner (6) fortgesetzt und andere Autoren zeigten, daß man krystallisierende rotgefärbte Pigmente aus Blattextrakten gewinnen kann, wozu das Chrysophyll von Hartsen(7), das Erythrophyll von Bougarel(8) sowie das Xanthin von Dippel(9) 1) H. Molisch, Ber. Botan. Ges», 20, 442 (1902). — 2) J. Sachs, Experim. Physiologie (1865), p. 330. — 3) Askenasy, Botan. Ztg. (1875), p. 498. — 4) Fremy, Compt. rend., 61, 189 (1865). — 5) Conrad, Flora (1872), Nr. 25. — 6) Wiesner, Ebenda (1874), Nr. 18. — 7) Hartsen, Arch. Pharm., 207, 136 (1875). — 8) Bou- GAREL, Ber. Chera. Ges., 10, 1173 (1877). — 9) Dippel, Flora (1878), p. 18. Auch BORODIN, Botan. Ztg. (1883), p. 577. 584 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. gehörten. Auch an den Nädelchen des HARTSENschen Farbstoffes wurde die blaue Schwefelsäurereaktion beobachtet. Einen weiteren methodischen Fortschritt erzielte Arnaud, indem es sich ergab, daß man aus dem trockenen Blattpulver durch Petroläther mit Leichtigkeit ein gelbes Blatt- pigment gewinnen kann, welches nach Abdunsten des Lösungsmittels und Waschen mit Äther in reinen orangeroten Krystallen resultiert. Nun wurde sichergestellt, daß dieses Präparat völlig mit dem Carotin aus Daußuswurzeln übereinstimmt (1 ). Dies konnte Hansen (2), der die grünen Blattpigmente durch Verseifung der Alkohollösung und Auf- nehmen derselben mit Wasser von den gelben Pigmenten trennte und dann erst die Petrolätherlösung derselben herstellte, vollkommen be- stätigen. Hansen wies nach, daß im Spektrum der Blattinkturen nur die Bänder I, II, III und IV vom Chlorophyll herrühren, während die Bänder der blauen Spektralhälfte durch die gelbe Komponente des Pigmentgemisches verursacht werden. Auf die Chemie des Carotins wird an anderer Stelle einzugehen sein. Seine Zusammensetzung wurde von Arnaud richtig als die eines Kohlenwasserstoffes bestimmt. Die von Arnaud gegebene Formel CaeHgg ist durch die neueren Unter- suchungen von Willstätter (3) in C40H56 umgeändert worden. Daß Carotin nicht das einzige gelbe Chloroplastenpigment ist, wurde zuerst durch die Beobachtung Borodins über die ungleiche Löslichkeit der gelben Blattpigmente in Petroläther und Alkohol wahrscheinlich gemacht, woran sich spektroskopische Beweisgründe in den Arbeiten von Tschirch(4) und ScHUNCK(5) anschlössen. Tschirch zeigte, daß die Absorptions- bänder im Blau sämtlich vom Carotin herrühren (er ließ die Identität des Chloroplastencarotins mit dem Möhrencarotin noch in suspenso und sprach von „Xanthocarotin"), hingegen läßt Carotinlösung das gesamte Ultraviolett durch. Die Lage der Bänder im Blau ist folgende: Band I A = 487— 470 y.[L II ; = 457-439 [L[L „ III^A = 429—417 (jLti (mit dem Quarzspektrograph untersucht). Fällt man nun aus der alkoholischen gemeinsamen Lösung der gelben Blattpigmente das Carotin als Jodid, so behält die jodfrei ge- machte Lösung ihre gelbe Farbe bei und zeigt Absorption des ultra- violetten Spektralteiles. Für diese restierende Komponente des Farbstoff- gemisches wurde der Namen Xanthophyll beibehalten. Tswett(6) kam auf Grund seiner adsorptionsanalytischen Studien zu dem Ergebnis, daß das Xanthophyll mindestens aus drei verschiedenen Farbstoffen bestehen müsse. Dieselben konnten jedoch bisher noch nicht in hinreichender Menge isoliert werden. Es scheint, als ob die von Tschirch und Schunck(7) unter- suchten Xanthophyllpräparate verschiedene Mischungen dieser Kompo- nenten gewesen wären. Als Xanthophyll haben sodann Willstätter 1) ARNAUD, Compt. rend., 100, 751 (1885); 102, 1119 u. 1319 (1886). — 2) A. Hansen, Sitz.ber. phys.-med. Ges. Würzburp: (1883); Arbeit, bot. Inst. Würzburg, 3, 127 (1884); Farbstoffe d. Chlorophylls (1889). Auch Schunck, Proceed. Roy. Soc. 44, 449. Monteverde, Act. Hort. Petropol., 13, 123 (1893). — 3) Willstätter u. Mieg, Lieb. Ann., 355, 1 (1907). — 4) Tschirch, Ber. Botan. Ges., 14, 76 (1896); Botan. Zentr., 67, 78; Flora (1905). p. 383. — 5) C A. Schunck, Proceed. Roy. Soc, 63, 389 (1898); 65, 177 (1899); 72, 165 (1904). — 6) Tswett, Ber. Botan. Ges., 24, 384 (1906). — 7) SCHDNCK, Proceed. Roy. Soc, 72, 165 (1903); 68, 479 (1901); 65, 177 (1899). § 6. Farbstoffe aus der Gruppe d. Anthocyanine in chlorophyllführ. Pflanzenteilen. 585 und MiEG aus den Mutterlaugen von der Chlorophyllverseifung große Mengen von krystallisiertem gelben Farbstoff isoliert, der an Menge das in dem gleichen Material enthaltene Carotin im Alkoholextrakt um mindestens das vierfache übertraf. Dieses vom Carotin durch Krystall- form, Farbe, Löslichkeitsverhältnisse scharf unterschiedene Lipochrom erwies sich als sauerstoffhaltig und unterschied sich in der Formel vom Carotin nur um einen Mehrgehalt von 2 Atomen Sauerstoff. Carotin: C40H56, Xanthophyll: C40H56O2. Reines Carotin ist leicht löslich in Fetroläther und Schwefelkohlenstoff, wo das Xanthophyll nur wenig, in ersterem gar nicht in Lösung geht, und Xanthophyll ist leicht löslich in Aceton, wo Carotin recht schwer löslich ist. Da das Xanthophyll eine recht leicht zersetzliche Substanz ist, so ist es noch nicht möglich ge- wesen, die verschiedenen Modifikationen dieses Farbstoffes voneinander zu sondern. Auch wird die Angabe von Tschirch(I), wonach Carotin schon bei längerem Stehen an der Luft und durch Behandlung mit ver- schiedenen Reagentien in Xanthophyll übergeht, von Willstätter nicht berührt. Mikroskopische Krystalle der erwähnten Farbstoffe sind auf ver- schiedenem Wege in situ in den Zellen zu erhalten. Frank und Tschirch (2) haben dies durch Behandlung der Schnitte mit Säure erreicht, Molisch (3) konnte mit Sicherheit die charakteristischen gelben Krystalle in den Zellen erhalten, als er die Objekte einige Zeit in konzentriertem alkohoHschem Kah Hegen üeß, Tswett (4) erhielt das gleiche Ergebnis durch Resorcin- behandlung, und wie E. Liebaldt C5) hier gezeigt hat, erreicht man schon durch Behandlung mit verdünntem Alkohol in den meisten Fällen dasselbe Resultat. Bei dieser Reaktion hat man nur zu bedenken, daß es sich hier nicht um eine Probe auf Carotin handelt, wie häufig behauptet wurde, sondern daß die KrystalHsation eine Mischung der verschiedenen Lipochror:ie darstellt (6). Die älteren Angaben über das „Carotin" in etioUerten Chloro- plasten sind noch hinsichthch des Xanthophyllvorkommens zu überprüfen, da es nicht ausgeschlossen ist, daß grüne und etioherte Ghloroplasten ge- wisse Differenzen in dieser Hinsicht zeigen. Der Gehalt an Lipochromen dürfte in etioherten Pflanzen geringer sein als bei normal grünen (7). Als „Phyllofuscin" bezeichnete Kohl (8) einen von ihm aus vollkommen chlorophyllfreien gelben Blättern von Sambucus nigra fohis luteis dar- gestellten wasserlöshchen gelben Farbstoff. Ich halte dieses Pigment sowie das von Macchiati (9) aus Blättern von Evonymus japonica gewonnene „Xanthophylhdrin", eine nach den Angaben dieses Forschers gleichfalls wasserlöshche in gelben Krystallen erhälthche Verbindung, nicht für Chloro- plastenfarbstoffe, sondern wahrscheinHch erst bei der Präparation ent- standene Oxydationsprodukte. § 6. Farbstoffe aus der Gruppe der Anthocyanine in Chlorophyll- führenden Pflanzenteilen. Obwohl solche Farbstoffe niemals in Chloroplasten lokalisiert vor- kommen und mit dem Assimilationsprozeß nie direkt zu tun haben, so 1) Tschirch, Ber. Botan. Ges.. 22, 414 (1904). — 2) Frank, zit. b. Tschirch, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884), p. 92. Tine Tammes, Flora, 87, 204 (1900). — 3) H. Molisch, Ber. Botan. Ges., 14, 18 (1896). — 4) Tswett, Botan. Zentr., 18, 83 (1900). — 5) E. Liebaldt, Ztsch. f. Botan., 5, 65 (1913). — 6) Vgl. Tswett, Ber. Botan. Ges., 29, 630 (1911). — 7) Vgl. Immendorff, 1. c. Montevepde, Botan. Zentr., 47, 132 (1891). Molisch, 1. c. Kohl, 1. c. (1902). — 8) Kohl, 1. c. (1902), p. 145. - 9) Macchiati, Gaz. chim. ital., 16, 231 (1886); Malpighia, /, 478 (1887). 586 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckereynthese im Chlorophyllkom. spielen sie doch hinsichtlich der assimilatorischen Tätigkeit der Blatt- organe oft eine wichtige biologische Rolle, so daß ihre Erwähnung in dem Kapitel über Chlorophylltätigkeit nicht ungerechtfertigt erscheint. Allerdings sind solche Farbstoffe in chlorophyllfreien Organen so häufig vorhanden und stehen mit oxydativen Leistungen im Pflanzenkörper in so deutlicher Beziehung, daß man in Hinkunft wohl besser tun wird, ihre Beziehung zur Atmung in den Vordergrund zu stellen und dieselben in den von Palladin begründeten Begriff der „Atmungspigmente" ein- zuordnen. Wir behandeln hier gemeinsam alle jene roten und blauen Farbstoffe in Blättern, Blüten und Früchten, die man durch Wasser dem zerkleinerten Material ohne weiteres entziehen kann. Schon Nehemiah Gkew(1) stellte solche Extraktionsversuche mit Wasser und Alkohol an. Senebier wußte, daß der rote Farbstoff besonder« in der Epidermis der Blätter lokalisiert ist und dem inneren grünen Gewebe zu fehlen pflegt. Die späteren Arbeiten gaben sich vielfach unfruchtbaren ideahstischen Spekulationen über die Bedeutung der Pflanzenfarbstoffe hin, und nur Studien von Schübler und Frank (2) sind einer Erwähnung wert, weil hier die Farbenverände- rungen an den Pflanzenextrakten richtig mit den Veränderungen durch Säure und Alkah vergUchen werden, welche die Pflanzenteile selbst bei dieser Be- handlung erfahren. Macaire (3) erkannte die Beziehungen der Ausbildung von Blattrot zum Licht, begi-ündete aber auf seine Erfahrungen eine irrige Hypothese über Umwandlung von Chlorophyll in rotes Pigment, die lange Zeit in der Literatur eine Rolle spielte und erst durch Mohl (4) widerlegt worden ist. Cl. Marquart (5) faßte 1835 in dem heute gebräuchüchen Sinne alle roten, blauen und violetten Zellsaftpigmente, die die charakte- ristische Farbenänderung mit Säuren und Alkah zeigen und wasserlösHch sind, als „Anthocyan" zusammen. Aus chemisch-nomenklatorischen Gründen empfiehlt es sich, die vielfach gebräuchhche Änderung des Namens in Antho- cyanin vorzunehm'en. Die Meinung des genannten Forschers, daß zwischen Chlorophyll und Anthocyanin ein Zusammenhang bestehe, war auf un- richtig gedeuteten Beobachtungen begründet und wurde schon von Mohl zurückgewiesen. Übrigens vertrat auch Mulder (6) die Ansicht, daß die gelben und blauen Pigmente durch Zersetzung des Chlorophylls entstehen. MeyEN (7) stellt die chemischen Reaktionen des Anthocyanins bereits gut zusammen. Berzelius (8) untersuchte den roten Farbstoff aus Kirschen und Johannisbeeren, den er unter dem Namen „Erythrophyll' beschrieb. Ebenso wie dieses ist natürhch auch das „Erythrog^ne "von HoPE (9) sowie das „Cyanin" von Fremy und Cloez(IO) mit Anthocyanin identisch. Wenngleich Anthocyaninfarbstoffe sehr gewöhnlich im Zellsaft gelöst vorkommen, so kann man, wie besonders Molisch (11) gezeigt hat, oft genug diese Pigmente in den Zellen in Krystallform ausgeschieden finden. 1) Neh. Grew, Anat. of Planta (1682), p. 273—274. — 2) G. ScHtJBLER u. C. A. Frank, Schweigg. Journ., 46, 285 (1826). — 3) Macaire, M^m. Soc. phys. Genfeve, 4, 49 (1828). — 4) H. v. Mohl, Vermischte Schriften, p. 375. — 5) Cl. Marqüart, Farben der Blüten (1835). Elsner, Schweigg. Journ., 65, 165 (1832); Pogg. Ann., 47, 483 (1839), hatte etwa gleichzeitig auf die Identität der roten Blüteu- und Blattfarbstoffe hingewiesen. Ferner MoRREN, Sur les feuilles vertes et coloröes (Gand 1858). — 6) Mülder, Physiolog. Chem. (1844), p. 284. — 7) Meyen, Pflanzen- phvftiologie, /, 185; 2, 442 (1837). — 8) Berzelius, Lieb. Ann., 21, 257 (1837). — 9) Zit. b. Meyen, 2, 442. — 10) Fremy u. CloEz, Journ. prakt. Chem., 62, 269. — 11) H. Molisch, Botan. Ztg., 63, I, 145 (190.5). § 6. Farbstoffe aus der Gruppe d. Anthocyanine in chlorophyllführ. Pflanzenteilen. 587 Augenscheinlich gehören manche früher angegebenen Befunde, wie die blauen und violetten Körnchen des Zellinhaltes verschiedener Blüten und Früchte, die Hildebrandt (1) beschreibt, sowie die „Farbstoffkörper" in der Fruchtschale reifer Coff eabeeren (2), in diese Klasse von Vorkommnissen. Sodann läßt sich gelöstes Anthocyanin leicht durch Zusatz von verdünnter Essigsäure nach Molisch oder durch Konzentrierung des Vacuolen- inhal 3s bei Plasmolyse (3) innerhalb der Zelle in Krystallform abscheiden. Erwät.^t sei noch, daß Politis(4) angab, daß in manchen Fällen, wie bei C elogyne und Erica, die Bildung des Anthocyanins von besonderen Zell Organen abhängt, die als Cyanop lasten beschrieben worden sind. Schließlich muß hinzugefügt werden, daß bei den Moosen die Zell- membranen sehr häufig reichlich rote und violette Farbstoffe adsorbiert enthalten, die wohl auch nichts anderes sind als Anthocyanin, z, B. bei Frullania und Gottschea (5). Das mikrochemische Verhalten der Anthocyanine sowie ihr sehr häufiges gemeinsames Vorkommen ^mit gerbstoffartigen Verbindungen hat bereits Wigand(6) zur Annahme eines genetischen Zusammen- hanges dieser Farbstoffe mit Gerbstoffen hingeleitet. Eisenreaktion ist bei anthocyaninhaltigen Zellsäften sehr allgemein zu erzielen. Ferner werden diese Stoffe so wie Gerbstoffe, durch Coffein oder Antipyrin niedergeschlagen. Die Fällung mit Bleiacetat eignet sich nach Combes(7) gut zur mikrochemischen Fixierung der Anthocyanine. Die bekannten Farbenumschläge der meisten Anthocyanine mit Säuren und Alkalien machen diese Stoffe zu empfindlichen Indicatoren für Säuren und Al- kalien, so daß man den Farbstoff aus Rotkohl und Radieschen in der Chemie praktisch benutzt hat (8). Nach Overton(9) weist die rote Farbe saurer Anthocyaninlösungen darauf hin, daß die unzersetzten Molekel dieser als schwache Säure aufzufassenden Verbindung rot sind, während die Ionen der Alkalisalze blau sind. Da bei einem vermehrten Alkalizusatz die blaue Farbe in Grün umschlägt, so hätte man daran zu denken, daß das Anthocyanin eine zweibasische Säure sein könnte, deren einwertige Ionen blau, die zweiwertigen Ionen hingegen grün sind. Wiesner (10) brachte die Grünfärbung durch Alkalien mit der gleich- zeitigen Anwesenheit von Gerbstoffen, also wohl Oxydationsprozessen in Zusammenhang. Molisch (11) beobachtete Grünfärbung von Anthocyanin auch beim Abtöten von Blättern in den chlorophyllhältigen Zellen, woraus man auf die Gegenwart von Alkali schließen könnte. Es ist bereits in älteren Arbeiten, z. B. -bei Wiesner, hervorgehoben, daß der Begriff des Anthocyanins eine ganze Klasse von mehr oder weniger einander ähnhchen Farbstoffen umfaßt, doch ist es bis heute noch nicht 1) Hildebrandt, Jahrb. wiss. Botan., j, 3. — 2) Tschirch» Schweiz. Woch.schr. Chem. u. Pharm., 36, Nr. 40 (1898). Kroemer, Just Jahresber. (1900), //, 89. — 3) G. Plim, Journ. of Bot., 22, 124 (1884). Vgl. auch Portheim u. Scholl, Ber. Botan. Ges., 26 0, 480 (1908). O. Gertz, Botan. Notiser (1906), p. 295. — 4) J. PoLiTis, Atti Acc. Line. Roma (5), 20, I, 8J8; II, 343 (1911). —5) F.Czapek, Flora (1899). Jönsson, Compt. rend., 119, 440 (1896). Lokalisation ferner: O. Gertz, Di-ss. (Lund 1906). — 6) Wiöand, Botan. Ztg. (1862), p. 121; Botan. Hefte, II (Marburg 1887). Dennert, Botan. Zentr., 38, 425 (1889). — 7) R. Combes, Botan. Zentr., 120, 676 (1912). Vgl. auch de Toni, Ebenda, in, 261. — 8) Petrow, Pharm. Ztg., so, 990 (1905). Sacher, Chem. -Ztg., 34, 1333 (1910). — 9) Overton, Jahrb. wiss. Botan., 33, 171 (1899). Vgl. auch Schwertschlager, Naturwiss. Rdsch. (1912), Nr. 27, p. 345. — 10) Wiesner, Botan. Ztg. (1862), p. 389; Jahrb. wiss. Botan., 8, 586 (1872). — 11) Molisch, Botan. Ztg. (1889), p. 17. 588 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. gelungen, ein gut begründetes System dieser Farbstoffe aufzustellen. In den ausführlichen Studien von Weigert (1) wurden zwei Gruppen von anthocyam'nartigen Pigmenten unterschieden, deren Typen das Weinrot und das Rübenrot bilden. Die Gruppe des Weinrotes sollte durch die blau- graue oder blaugrüne Farbe ihres Niederschlages mit basischem Bleiacetat, ferner durch die hellrote Färbung und Fällung bei Zusatz von HCl in der Kälte, endhch durch den lackmusartigen Farbenumschlag bei Zusatz von Alkaü charakterisiert sein, welcher genau beim Überschreiten des Neutrahtäts- punktes erfolgt. Diesem Verhalten entsprechen in der Tat sehr zahlreiche Anthocyanine, wie der Weinfarbstoff, der Farbstoff aus den herbsthch roten Ampelopsisblättern, aus den Malvenblättern, Heidelbeeren, Blut- orangen (2), aus Rotkohl, aus den buntblätterigen Coleusformen [,,Colein" von Church(3)], sowie ausPerilla nankingensis, aus blauschaUgen Kartoffeln, Rubus-, Prunusfrüchten und vielen anderen Blüten und Früchten. Hin- gegen ist bei den Chenopodiaceen und Amarantaceen ein anderer Anthocyanin- typus verbreitet, das Rübenrot, w.elches mit basischem Bleiacetat rote Fällungen gibt, durch kalte HCl dunkelviolett gefällt wird und mit starken Laugen eine gelbe Farbe annimmt. Bei schwach alkahscher Reaktion bleibt die Farbe noch erhalten, mit überschüssigem Ammoniak tritt dunkelviolette Färbung ein. Hierher gehört auch der von Hilger und Mai (4) untersuchte Farbstoff der Beeren von Phytolacca. Doch erschöpft, wie aus den Arbeiten von Gräfe und Molisch (5) zu ersehen ist, diese Gruppierung die Antho- cyanine nicht befriedigend. Der Nelkenblütenfarbstoff z. B. scheint in der Mitte zwischen beiden Gruppen zu stehen. Auch die Papaverblütenfarb- stoffe, von denen eine Rhoeadinsäure und eine Klatschrosensäure be- schrieben worden sind (6), sowie das Tradescantia-Anthocyanin repräsentieren nach Overton spezielle Typen der Anthocyanine, die man noch nicht hin- reichend kennt. Als ,, Poncetin" ist durch Arata (7) ein dunkelrotes Pig- ment aus den Blättern der Euphorbia heterophylla beschrieben. Unbekannt ist es auch, ob der von Möbius (8) als Anthophaein bezeichnete Farbstoff der schwarzen Flecke der Blumenblätter von Vicia Faba etwas mit Antho- cyaninen zu tun hat. Spektroskopische Untersuchungen sind wiederholt angestellt worden (9). Erwähnenswert ist die Übereinstimmung im spektroskopischen Verhalten der verschiedenen Farbstoffe von Chenopodiaceen, Caryophyllaceen und Phytolacca, die Hilger(IO) fand. Beachtenswert ist sodann der Befund von FoRMANEK am Rübem-ot (11), wonach die spektroskopischen Verhältnisse hier auf Koexistenz eines roten und eines gelben Farbstoffes schheßcn lassen. Der erstere ist sehr zersetzhch. Das Hypericumrot, der Farbstoff der kleinen dunklen Flecken auf den Blumenblättern von Hypericum perforatum soll nach WOLFF (12) spektroskopische Ähnhchkeit mit dem Oxyhämoglobin aufweisen. Über die optischen Veränderungen, welche Anthocyanine auf 1) L. Weigert, Jahresber. önolog. Lehranstalt Klosterneuburg (1894/95). — 2) Vgl. PuM u. MiCKO, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, j, 729 (1900). — 3) A. H. Chürch, Ber. Chem. Ges., w, 296 (1877). — 4) Hilger u. Mai, Chem. Zentr. (1895), //, 1083. — 5) V. Gräfe, Sitz.ber. Wien. Ak., 115, I, 976 (1906). Molisch, 1. c (1905). Gaütier, Compt. rend., 143, 490 (1906). — 6) L. Meier, Berzelius Jahresber., 27, 277 (1848). — 7) Arata, Repert. Pharm. (1892), p. 45. — 8) MÖBIUS, Ber. Botan. Ges., 18, 341 (1900); 30, 365 (1912). — 9) A. Hansen, Verh. phys.-med. Ges. Würzburg, 18 (1884). H. Pick, Botan. Zentr., /ö, Nr. 48 (1883). V. Jonas, Just Jahresber. (1887), p. 222. N. J. C. Müller, Jahrb. wiss. Botan., 20, 78 (1889). — 10) Hilger, Landw. Versuchsatat., 23, 456 (1879). — 11) Formanek, Journ. prakt. Chem., 62, 310 (1900). — 12) Wolff, Botan. Zentr., 64, 385 (1895). K. Dieterich, Pharm. Zentr. Halle, 32, 683 (1891). § 6. Farbstoffe aus der Gruppe d. Anthocyanine in chlorophyllführ. Pflanzenteilen. 589 Zusatz von Magnesiumsalzen erfalu-en, hat Lepel(I) berichtet. Auch Fluorescenz wurde bei manchen Anthocyaninen beobachtet, indem z. B. der Farbstoff der Blüten von Ajuga reptans nach BoRscow (2) rote Fluorescenz zeigt. Das Anthocyaninspektrum hat nach Hansen ein sehr breites Ab- sorptionsband zwischen D und b. Eine Ähnhchkeit mit dem Ghlorophyll- spektrum fehlt in allen Fällen gänzhch. Die chemische Untersuchung der sehr zersetzUchen Anthocyanine stößt auf nicht geringe Schwierigkeiten. Gräfe (3), dem wir die neuesten umfassenden Arbeiten auf diesem Gebiete verdanken, konnte in vielen Ver- suchen nm- bei dem früher durch Glan (4) untersuchten Malvenblüten- Anthocyanin, sowie bei dem durch Griffiths (5) bearbeiteten Farbstoff aus den Blüten von Pelargonium zonale zu befriedigenden Ergebnissen gelangen. In Bestätigung älterer Vermutungen über die Glucosidnatur mancher Anthocyanine konnte sichergestellt werden, daß in beiden Fällen ein Gemisch von amorphen glucosidischen und einem alkohoUöshchen, krystaUisierbaren nichtglucosidischen Farbstoff vorlag. Das wasserlöshche amorphe Glucosid ist nach Gräfe eine zweibasische Säure der Formel C20H3QO13, der Zuckerpaarhng ist Glucose. Der aromatische Paarling dürfte nach seinen Reaktionen zwei Alkoholhydroxyle und eine Aldehydgruppe enthalten. Das krystallisierte alkohollöshche Anthocyanin der Malven- blüten ergab die Formel Gi4Hi80g. Das Anthocyanin aus Pelargoniumblüten verhält sich im ganzen analog. Der amorphe glucosidische Anteil entsprach hier der Zusammensetzung G24H44O20 und schloß gleichfalls Glucose ein. Das krystaUisicrende Pelargonium-Anthocyanin zersetzt sich schon beim Eindampfen der Lösung auf dem Wasserbade und ist nur im Vakuum über Ätzkali haltbar. Es krystalhsiert mit zwei Molekülen Eisessig und ent- spricht der Zusammensetzung CigHgßOia. Es Heßen sich durch Acetylierung zwei OH-Gruppen sicherstellen, sowie durch die Analyse der Salze drei Carboxylgruppen. Nach dem Verhalten gegen Natriumbisulfit dürften zwei Aldehydgruppen anzunehmen sein. Beim Eindampfen der Lösung scheidet sich Protocatechusäure ab; die Kalischmelze Uefert Brenzcatechin. Bemerkenswerterweise erhält man bei der Spaltung des glucosidischen Anthocyanins keine gefärbte anthocyaninartige Komponente, sondern neben Glucose ein farbloses Spaltungsprodukt, welches sauerstoffärmer ist als das krystallisierte Anthocyanin. Wenn daher Anthocyanin aus diesem Spal- tungsprodukte entstehen soll, so muß Oxydation, aber auch Wasserabspal- tung erfolgen. Gräfe stellt hierfür folgendes Schema auf: C24H44O20 + HaO = CeHi^Oe + CigHg^Ois und C^s^iz^O^s - ^H.O + 0,= C^^^^e^iz- Soweit sich bei der lückenhaften Behandlung des Gegenstandes in früherer Zeit erkennen läßt, stimmen die Befunde Gräfes genügend mit den besseren Arbeiten über andere Anthocyanine überein. Über den Wein- farbstoff, den bereits Glenard und Mulder (6) durch Bleifällungen zu isoHeren trachteten (ihr „Oenocyanin" war allerdings, wie Heise (7) zeigte, nur eine Farbstoff- Blei Verbindung), fehlen leider moderne chemische Arbeiten noch gänzlich. Die von Gautier (8) angegebenen Ampelochroinsäiu-ert, für die die Formeln Cj^HigOio, C2eH240i8 und C^HjgOio angegeben vN^urden, 1) F. V. Lepel, Ber. Chem. Ges., 13, 766 (1880). — 2) E. BoRscow, Botaii. Ztg. (1875), p. 351. — 3) V. Gräfe, Sitz.ber. Wien. Ak., 115, 1 (Juni 1906); 118, I (Juli 1909); 120, I (Juni 1911); Chem.-Ztg., 35, 768 (1912). — 4) R. Glan, Diss. (Erlangen 1892). — 5) A. B. Griffiths, Ber. Chem. Ges., jö, 3959 (1903); Chem. News, 88, 249. — 6) Glenard, Ann. de Chim. et Phys., S4, 366 (1853). Mulder, Chemie d. Weines (1856). — 7) Heise, Arbeit, kais. Gesundh.amt, 5, 618 (1889). — 8) A. Gautier, Compt. rend., 86, 1507 (1878); 1J4, 623 (1892). 590 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. könnten dem Malvenfarbstoff ähnliche Präparate gewesen sein. Auch gibt Gautier an, daß das Weinbeerenpigment ein Aldehyd oder ein catechinartiger Stoff sei. In der Alkalischmelze erhielten Gautier, Heise sowie Weigert phlobaphenartige Produkte. Von den anderen Bearbeitern des Oenocyanins (1 ) hat besonders Sostegni weitere Aufschlüsse geliefert und gezeigt, daß in der Kalischmelze hauptsächüch Protocatechusäure entsteht, daneben Brenzcatechin und vielleicht auch Oxyhydrochinon. Sodann wurde von ihm ein Pentacetylderivat des Weinfarbstoffes dargestellt. Heise und Weigert waren auch für den Weinfarbstoff zu dem Resultate gekommen, daß hier zwei Farbstoffe vorkommen, von denen der eine Glucosidnatur besitzt. Nach Weigert ist ferner der Malvenfarbstoff ein durch verdünnte Säuren spaltbares Glucosid, das in der Kaüschmelze Brenzcatechin und Protocatechusäure hefert. Der Farbstoff aus Heidelbeeren ist mit dem Wein- farbstoff nicht identisch (2). Auch dieser Farbstoff schheßt offenbar ein Glucosid ein. Die Eisenreaktion hat hier eine dunkelbraunrote Nuance. Nach Pabst(3) ist der Himbeerfarbstoff ebenfalls in die Verwandtschaft des Oenocyanins zu stellen, doch fehlen weitere Untersuchungen hierüber ebenso, wie über den Kirschenfarbstoff, der weniger adsorbierbar ist als Weinfarbstoff und ein Triacetylprodukt liefern soll (4). Auch über den Farb- stoff der Rosenblüten, der nach Senier (5) krystalüsierbare Alkaüverbin- dungen hefert, sind ausreichende Forschungen nicht vorhanden. Für Gräser hegen Angaben bezüglich Sorghum und Zuckerrohr vor. In Andropogon Sorghum fand Perkin (6) einen Farbstoff Dhurrasantalin, C^^Uj^^^^, der eine braune Eisenreaktion gibt, keine Methoxylgruppe enthält und in der Kalischmelze Phloroglucin und Paraoxybenzoesäure hefert. Der rote Farb- stoff der Sorghumblätter war durch Passerini als „Sorghin" beschrieben worden (7). Das Anthocyanin aus Zuckerrohr gibt nach Szymanski (8) Gerbstoffreaktionen und hat Säurecharakter. Der violettrote Inhalt der Gerbstoffschläuche bei Musa weist nach Niederstadt (9) alle Charaktere der Anthocyanine auf. Der Farbstoff aus Verbenablüten hat nach Griffiths die Zusammen- setzung CigHißOg und hefert ein Diacetylderivat. Den chemischen Erfahrungen von Gräfe läßt sich kaum etwas sicheres bezüglich der Bildungsgeschichte das Anthoeyanins entnehmen. Es ist nicht unmöglich, daß das krystallisierte Anthocyanin, wie Gräfe annimmt, das primäre Produkt ist, woraus erst das glucosidische Pigment gebildet wird. Doch lehrt eine solche Annahme natürlich nicht, wie das Pigment zuerst auftritt. In dieser Hinsicht beanspruchen physiologische Erfahrungen von Miss Wheldale(IO) an Antirrhinumkreuzungen unser 1) Laurent, Journ. Roy. Micr. Soc. (1B90), p. 476. Terreil, Bull. Soc. Chira., 44, 2 (1885). Marquis, Pharm. Ztsch. Eußl. (1884), p. 186. Sostegni, Chem. Zentr. (1895), /, 456; (1898), /, 61; (1902), //, 905. Carpentieri, Staz. spar. agr. ital., 41, 637 (1909). — 2) Andres, Arch. Pharm., 216, 90 (1880), hatte Identität behauptet. Vogel, Chem.-Ztg. (1888), p. 175. Nacken, Just Jahresber. (1895), /, 311; Chera. Zentr. (1895), //, 1084. R. Heise, Arbeit, kais. Gesundh.amt, 9, 478 (1894). — 3) Pabst, Bull. Soc. Chim., 44, 363 (1885). — 4) Rochleder, Ber. Chera. Ges., j, 238 (1870). G. Masoni, Staz. spar. agr. ital., 45, 885 (1912). — 5) H. Senier, Pharm. Journ. (3), 7, 651 (1877). Naylor u. Chappel, Ebenda (4), /p, 231 (1904). — 6) A. G, Perkin, Journ. Chem. Soc, 97, 220 (1910). — 7) Passerini, Just Jahresber. (1894), /, 399. — 8) Szymanski, Lenders u. Krüger, Ebenda (1896), /. 411. — 9) Niederstadt, Chem. Zentr. (1876), p. 126. — 10) M. Wheldale, Proc. Cambridge Phil. Soc, 15, 137 (1909); Proceed. Roy. Soc, B. 79, 288 (1907); 81, 44 (1909); Journ. of Genetics, /, 133 (1911); Biochem. Journ., 7. 87 (1913); Progress. rei botan., 3, 457 (1910). § 6, Farbstoffe aus der Gruppe d. Anthocyanine in chlorophyllführ. Pflanzenteilen. 591 Interesse. Hier lassen sich nämlich durch Kreuzung von gelbblütigen und weißblütigen Formen anthocyaninhältige Hybride erzielen. Da nun die gelben Formen einen flavonartigen Farbstoff enthalten und die weißen Blüten Oxydasen führen, so kam Wheldale zur Hypothese, daß das Anthocyanin durch Oxydation aus einem Chromogen entsteht, welches in diesem Falle den Flavonkörpern zuzurechnen ist, und in der Pflanze ur- sprünglich in Glucosidform vorkommt. Nach Nierenstein (1) lassen sich in der Tat aus Quercetin, aus Chrysin sowie aus Euxanthon chinon- artige Oxydationsprodukte gewinnen, welche die charakteristischen Farbstoff- eigenschaften der Anthocyanine besitzen. Natürlich ist damit nicht ge- sagt, daß die Genese der Anthocyanine in allen Fällen dieselbe sein muß. Immerhin weisen aber noch andere Erfahrungen auf eine Ent- stehung von Anthocyanin durch Oxydationen und Abspaltungen hin. So hat Labcrde(2) durch Kochen der festen Teile grüner Weintrauben mit verdünnter Salzsäure einen roten Farbstoff dargestellt, welcher ganz das Verhalten des normalen Weinfarbstoffes zeigte. Auch bei Campanula medium ist es nach Karzel(3) möglich, durch HCl-Behandlung der noch grünen Blüten einen rötlichen Farbenton hervorzurufen. Daß anderer- seits Sauerstoff bei der Anthocyaninbildung eine Rolle spielt, geht aus chemischen und physiologischen Erfahrungen hervor. Malvezin (4) sah bei der Bildung des Weinfarbstoffes aus dem Chromogen, daß hierbei Sauerstoffzutritt unerläßlich ist. Wenn man Rhaphanusknöllchen nach MoLLiARD (5) in Gelatine eingebettet erzieht, so bleiben sie farblos, während sie bei Luftzutritt die charakteristische Rotfärbung annehmen. Bei der Anthocyaninbildung an Wundstellen von Amaryllis vittata ist nach Palladin(6) gleichfalls Sauerstoffzutritt unerläßlich. Besonders geht aber aus den Versuchen von Combes(7) über den Gaswechsel von Blättern beim Auftreten und Verschwinden des Anthocyanins deutlich hervor, wie bei der Anthocyaninbildung Sauerstoff konsumiert wird und bei dessen Verschwinden weit stärkerer Sauerstoffverlust als normal ein- tritt. Die Rolle der Oxydasen bei der Anthocyaninbildung haben Keeble und Armstrong (8) näher dargelegt. Einen interessanten Fall, wo Antho- cyanin durch Oxydation aus einem Chromogen hervorgeht, hat Bart- lett(9) von einer Dioscorea bekannt gemacht, wo dieses Chromogen als Rhodochlorogen beschrieben worden ist. Wenn es richtig ist, daß die Narkose Vorgänge mit einer Erschwerung der Sauerstoffversorgung zusammenhängen, wie von selten der Schule Verworns behauptet worden ist, so könnten die Erfahrungen von 0. Richter (10) über Hemmung von Anthocyaninbildung bei chloroformierten Pflanzen in einer nach- teiligen Beeinflussung der Oxydationsvorgänge durch die angewendeten Narkotica eine Erklärung finden. Der Einfluß des Lichtes auf die Anthocyaninbildung ist augenscheinlich sehr verschieden und der Zu- sammenhang nicht durchsichtig genug um eine direkte Beeinflussung 1) Nierenstein, Ber. Chem. Ges., 44, 3487 (1911); 45, 499 (1912); 46, 649 (1913). — 2) J. Labokde, Compt. rend., 146, 1411 (1908); 147, 753 u. 993 (1908). Auch Keegan, Chem. News, 107, 181 (1913) erhielt beim Kochen farbloser Tannine rote anthocyaninartige Farbstoffe. — 3) R. Karzel, Öaterr. bot. Ztsch., 56, 348 (1906). Vgl. auch Combes, Compt. rend., 153, 886 (1911). Keegän, Chem. News, 101, 218 (1910). — 4) Malvezin, Compt. rend., 147, 348 (1908). — 5) Molliard, Ebenda, 148, 573 (1909). — 6) Palladin, Ber. Botan. Ges., 29, 132 (1911). — 7) R. Combes, Compt. rend., 150, 1186 u. 1532 (1910); Rev. gön. Bot., 22, 177 (1910). — 8) Keeble u. Armstrong, Journ. of Genet., 2, 277 (1912). — 9) H. Bartlett, U. S. Dept. Agric. Bull., Nr. 264 (1913). — 10) O. Richter, Verh. Naturf. Ges. (1906), II, /, 276; Med. Klinik (1907), Nr. 34. 592 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. anzunehmen. H. Fischer (1) fand Lichteinfluß nur in der Minderzahl der Fälle wirksam und nach Karzel ist bloß bei der Blütenfärbung des Flieders ein Einfluß des Lichtes deutlich erkennbar. Doch ist es bekannt, daß z. B. Keimwurzeln, die im Dunkeln farblos sind, bei Lichtzutritt reichlich Anthocyanin bilden (2). In den Farbstoffbehältern der Fumariaceen bildet sich nach Zopf (3) das Anthocyanin auch im Dunkeln aus. Über die Schnelligkeit der Anthocyaninbildung bei Keimlingen im Licht hat Batalin (4) bei Fagopyrum Erfahrungen gesammelt. Zur Erzeugung einer Nachwirkung genügt vierstündige Beleuchtung bei entsprechender Temperatur. In einer inhaltsreichen Arbeit hat 0verton(5) darauf hingewiesen, daß weit verbreitet das Auftreten von rotem Zellsaft in enger Beziehung zum Zuckerreichtum der Zellen steht. Deshalb kann man auch bei vielen Pflanzen durch Einstellen der abgeschnittenen Blätter oder Zweige in 2 — 3 % ige Zuckerlösung stärkere Antliocyaninbildung künstlich hervor- rufen. Diese später durch Combes(6) weitgehend bestätigten Angaben erklären offenbar auch die Anthocyaninbildung nach Ringelung von Zweigen oberhalb der Verletzungsstelle, die Linsbauer, Combes, Bus- CALiONi ausführlich geschildert haben (7). Vielleicht lösen in analoger Weise auch Insektenstiche die Anthocyaninbildung aus, sowie pilzliche Parasiten (8). Andererseits darf nicht verschwiegen werden,, daß manche Anthocyaninbildungen auf den Mangel an gewissen Nahrungsbestandteilen zurückgeführt worden sind, so das Auftreten von Anthocyanin im Halm von Hordeum auf Mangel an PO^ und N (9), und manche Erscheinungen der Herbstfärbung (10). Interessant ist die Angabe von Czartkowski(II), wonach man die Zuckerwirkung auf die Bildung von Anthocyanin noch steigern kann, indem man Phloroglucin hinzufügt. Andere mehrwertige Phenole hatten nicht die gleiche Wirkung. Nach Overtons Feststellung ist ferner unleugbar ein Einfluß der Temperatur auf die Anthocyaninbildung vorhanden, und zwar begünstigen niedere Temperaturen das Eintreten der Rotfärbung. Damit steht offen- bar die gesättigte P'ärbung der Blätter und Blüten der Frühjahrspflanzen im Zusammenhang (12), sowie die reichliche Anthocyaninbildung bei Alpen- pflanzen, arktischen (iewächsen(13) und winterlichen Laubblättern. Es ist nicht bekannt, ob solche Organe allgemein reicher an Zucker sind, wenn man von der Tatsache, daß unter diesen Verhältnissen weniger Stärke und reichlicher Zucker abgelagert wird, absieht. Doch dürfte LipF0RSS(14) im Recht sein, wenn er die vermehrte Kälteresistenz solcher Pflanzen mit dem Anthocyaningehalt in Beziehung bringt, da auch be- 1) H. Fischer, Fiora, 98, 380 (19Ü8). Vgl. auch Laurent, Just Jahresber. (1893), /, 34. — 2) Vgl. 8CHELL, Ebenda (1877), p. 562. Chartier u. Colin, Rev. g^n. Bot., 23, 264 (1911). — 3) W. Zope, Gerbstoff- u. Anthocyanbehälter d. Fumariaceen (Cassel 1886). — 4) Batalin, Just Jahresber. (1879), /, 226. Landel. Coiupt. rend., 117, 314 (1893). — 5) Overton, Jahrb. wiss. Botan., jj, 171 (1899). Auch Katic, Diss. (Halle 1905). — 6) Combes, Compt..rend., 148, 790 (1909); Ann. Sei. Nat. (9), 9, 275 (1909). — 7) L. Linsbauer, Österr. bot. Ztsch., 5^. 1 (1901); Wiesner-Festschr. (Wien 1908). p. 42l. R. Combes, Bull. Soc. Bot. (4), 9, 227 (1909); Anm Sei. Nat., 16, 1 (1912). Buscalioni u. Trinchieri, Malpighia, 21, 176 (1907). — 8) Vgl. F. Ludwig, Verh. Naturwiss. Ver. Brandenburg, j/ (1889). MiRANDE, Compt. rend., 145, 1300 (1907); 143, 4i3 (1906). — 9) Suzuki, Bull. Coli. Agric. Tokyo, 7, 29 (1906). — 10) Keegan, Chem. News, 102, 213 (1910). — 11) Czärtkowski, Sitz.ber. Warschauer Ges. d. Wiss. (1911), Lief. 1. — 12) F Hildebrand, Beihefte bot. Zentr., 22, I, 72 (1907). — 13) Th. Wulff, Botan ßeobacht. auf Spitzbergen (Lund 1902), p. 35. Hier Angaben über gefärbte Zell- membranen. — 14) B. LiDFORSS, Botan. Not'.ser (1909), //, 65. § 6. Farbstoffe aus der Gruppe d. Anthocyanine in chlorophyllführ. Pflanzenteilen. 593 richtet wird, daß die an thocyanin reichen Varietäten der Buche usw. im Norden winterhärter sind als die gewöhnlichen Formen (1). Eine der auffälligsten Erscheinungen an tropischen Bäumen ist wieder die intensive Rotfärbung der jungen Blätter durch anthocyaninhaltige Pigmente, die außerordentlich häufig wiederkehrt (2). Die Biologie dieser Erscheinungen bedarf noch näherer Untersuchungen. Zweifellos nehmen, wie Stahl (3) dargetan hat, anthocyaninreiche Blätter bei Bestrahlung eine höhere Temperatur an, als anthocyaninfreie Blätter, denn die Temperatur- differenz zugunsten der roten Blätter beträgt nach den thermoelektrischen Messungen von Smith (4) 5 — 10". Ob aber damit nun wie Stahl an- nimmt, ein trauspirationssteigerndes Element gegeben ist, welches dem ver- zögernden Einfluß der feuchten Luft entgegenwirkt, oder die Erwärmung eine Steigerung der Assimilation sowie der Atmung zum ökologischen Ziele hat, oder ob wir es mit einem Chlorophyllschutz zu tun haben, muß noch dahingestellt bleiben. In früherer Zeit wurde bezüglich des Anthocyanins häufig die Lichtschirmhypothese vertreten, die Kern er (5) begründet und Kny (6) experimentell zu stützen versucht hat. Da aber Engel- mann (7) nachgewiesen hat, daß das Anthocyanin die für die Chlorophyll- funktion und Chlorophyllzerstörung wirksamen roten Strahlen fast un- geschwächt durchläßt, und die Absorptionskurve des Anthocyanins einen ungefähr komplementären Verlauf zur Absorptionskurve des Chlorophylls hat, so schien es, als ob die Rolle des Anthocyanins als Lichtschirm nicht glaubwürdig wäre. Gegen die Versuche von Kny, welche zeigten, daß hinter einem Schirm von Anthocyaninlösung Chlorophyllösung weniger rasch entfärbt wird, ließ sich einwenden, daß die Gesamtstrahlung durch die Farbstofflösung bis zur Unwirksamkeit geschwächt wird. Es könnte nun allerdings das Anthocyanin zur Abwehr der W^irkung aktinischer Strahlen dienen, die im tropischen Sonnenlicht, aber auch im Alpenklima viel mehr in Betracht kommen, als in der gemäßigten Talzone. Von diesem Gesichtspunkte aus würde auch die lange Zeit hindurch verpönte Lehre von Pick (8), wonach das Anthocyanin Strahlen abzuwehren habe, welche die Lösung und Wanderung der Stärke durch Affizierung diasta- tischer Enzyme zu schädigen • imstande sind, eine erneute Berechtigung gewinnen. Die von Miyoshi(9) geschilderte Trockenröte des Laubes tropischer Bäume dürfte wohl ebenfalls eine Reaktion auf aktinische Wirkungen sein. Die lange Zeit umstrittene Frage bezüghch der relativen Assimi- lationsenergie anthocyaninhaltiger Blätter wurde von Jumelle(IO) dahin beantwortet, daß Blutbuche und Blutahorn bis sechsmal weniger intensiv assimiheren als die grünen Formen. GRiFroN(ll) hat darauf erwidert, daß Anthocyaninblätter ebenso stark assimiheren wie grüne, was auch mit 1) Hryniewiecki, Botan. Zentr., loi, 248 (1906). Abbott, Nature, 8o, 429 (1909). Tischler, Beihefte bot. Zentr., i8, I, 452 (1905). — 2) Vgl. Th. Weevers, Ann. jard. bot. ßuitenzorg(Il), Suppl. j,313 (1910). — 3) Stahl, Ebenda (II), /j, 137 (1896). — 4) A. M. Smith, Proc. Cambridge Phil. Soc, 14, 296 (1907). — 5) Kerner V. Marilaun, Pflanzenleben, 1. Aufl., /, 364, 455, 485 (1887). — 6) L. Kny, Botan. Ztg. (1894), 2, 55; Botan. Zentr., 56, 272 (1893). Vgl. auch Buscalioni u. Pol- LACCi, Atti Ist. bot. Pavia, 8 (1902). — 7) Th. Enqelmann, Botan. Ztg. (1887), p. 425. — 8) H. Pick, Botan. Zentr., 16, 281 (1883). JoHOW, Jahrb. wiss. Botan., 15, 1 (1884). Heinsius u. Koning, Biochem. Zentr. (1903), Ref. Nr. 1414. Bert- hold, Untersuch, z. Physiol. d. pflanzl. Organisation, 2, 1, 83 (1904). — 9) Miyoshi, Journ. Coli. Sei. Tokyo, 27, Art. 2 (1909). — 10) Jumelle, Compt. read., ///, 380 (1890). — 11) Griffon, Ann. Sei. Nat. (8), /o, 1 (1899). Czapek, Biocheioia der Pflaiizea. I. 3. Aufl. 38 594 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. den Angaben von Engelmann über die optischen Eigenschaften des Antho- cyanins im Einklänge zu sein schien. Doch sind in Untersuchungen von Plester (1) neuerdings sowohl der assimilatorische als der Atmungs- gaswechsel der „Varietates atrosanguineae" geringer gefunden worden als bei den grünen Stammformen, besonders bei geringer Lichtintensität. Es erscheint die Rotblätterigkeit nicht eine zweckmäßige Anpassung, sondern eher eine retrograde Aberration vom Haupttypus zu sein. Die Leichtzersetzhchkeit des Anthocyanins zeigt sich mitunter auf- fälhg in der lebenden Pflanze. Manche Blüten von Acanthaceen, Ruellia u. a., verbleichen schon beim Welken, wie ich auf Java und Ceylon in einer Reihe von Fällen beobachtete. Von den in unseren Gewächshäusern kulti- vierten Brunfelsia- Arten sowie bei Lycium ist das gleiche Verhalten leicht fest- zustellen. Noch leichter verblassen gewisse Blüten, wie Fitting gezeigt hat (2), bei Anwendung höherer Temperatixren und es läßt sich auch an chloro- formierten Blüten sowie am Extrakt das Verbleichen beobachten. An Ajuga und Strobilanthes hat de Toni (3) den Farbenwechsel beim Erwärmen ge- sehen. Die Farbenänderungen an Cichoriumblüten haben Kastle und Haben (4) näher verfolgt und mit dem wechselnden Gehalt an Oxydasen und Säuren in Beziehung bringen wollen. Schheßhch sind auch chemische Einflüsse auf die Anthocyaninbildung zu erwähnen, worunter der schon von Schübler und Lachenmeyer (5) beschriebene fördernde Einfluß von Eisensalzen und Alaun auf die Farben- sättigung mancher Blüten, wie Hydrangea hortensis, hervorzuheben ist. Nach den Versuchen von Molisch (6) färben sich in der Tat Hortensiablüten bei Darreichung dieser Salze viel intensiver blau. Dasselbe fand Ichimura (7) und auch VouK (8), der bemerkt, daß bei Phlox nur negative Ergebnisse bei Alaundarreichung erzielt werden konnten. Alaun wirkt besser als Aluminiumsulfat. Auf die Beteihgung der Oxydasen bei diesen Vorgängen oder eine andere Analyse des Prozesses ist aber keine dieser Arbeiten ein- gegangen und der Mechanismus der Alaunwirkung daher noch völhg un- bekannt. Nach Katic sollen OH-Ionen die Anthocyaninbildung fördern (9). §7. Die Algenchromatophoren und deren Farbstoffe (10). Die Algen bieten bezüglich ihres Assimilationsapparates manche Besonderheiten dar, welche eine selbständige Erörterung verlangen, wenngleich nach dem heutigen Wissen darüber kein Zweifel besteht, daß die Assimilationsvorgänge bei d'-^n Algen der verschiedensten Gruppen mit der Chlorophyll tätigkeit bei den höheren Pflanzen wesensgleich sind. Auch bei den Algen dürfen wir annehmen, daß die assimilatorische Funktion stets von distinkten protoplasmatischen Organen, Chromato- phoren, besorgt wird und, entgegen älteren Angaben, „formloses" diffus 1) W. Plester, Beitr. Biolog. d. Pfl., n, 249 (1912). — 2) H. Fitting, Ztsch. f. Botan., 4, 81 (1912). — 3) de Toni, C. r. Assoc. Franc. Av. Sei. Reims (1907), p. 415. — 4) J. H. Kastle u. Haden, Amer. Chem. Touru., 46, 315 (1911). — 5) G. Schübler u. Lachenmeyer, Journ. prakt. Chem., /, 46 (1834). — 6) MouscH, Botan. Ztg. (1897), /, 49. — 7) Ichimura, Coli. Sei. Tokyo (1903), 18, 1. — 8) V. VouK, Österr. bot. Ztsch., 58, 236 (1908). — 9) Katic, Dies, (Halle 1905). — 10) Vgl. Oltmanns, Morphol. u. Biol. d. Algen, 2, 117, 144 (1906). Viele interessante Angaben über Algenchromatophoren bei E. Küster, Ztsch. allgem. Physiol., 4, 221 (1904). § 7. Die Algenchromatophoren und deren Farbstoffe. 595 im Plasma verteiltes Chlorophyll nicht vorkommt (1). Selbst bei den Cyanophyceen, deren Zellstruktur noch in manchen Stücken kontrovers ist, steht nichts im Wege, die gefärbte wandständige Plasmapartie als Chroraatophor aufzufassen, der, wenigstens in manchen Fällen, aus dicht zusammengedrängten Einzelchromatophoren bestehen könnte. Eine Eigen- tümlichkeit sehr zahlreicher Algenchloroplasten ist die Ausbildung stark lichtbrechender, anscheinend eiweißreicher Inhaltskörper, die wir nach Schmitz (2) als Pyrenoide zusammenfassen. Ihre Natur ist in morpho- logischer und in physiologischer Hinsicht noch wenig aufgehellt. Schmitz nahm an, sie könnten sowohl durch Neubildung als durch Teilung entstehen. Nach Chmielewskij (3) scheint bei Zygnema nur eine Ver- mehrung durch Teilung vorzukommen. Overton(4) beobachtete bei Gonium und bei Volvox Auflösung und Neubildung von Pyrenoiden. Schmitz neigte der Ansicht zu, daß es sich in ihnen um Anhäufung von Reservestoffen handle. Für Hydrodictyon hat Timberlake (5) dar- gelegt, daß die Pyrenoide mit der Bildung der Stärkekörner in Beziehung zu bringen sind. Jedenfalls ist aber die Natur dieser Beziehungen zu den Stärkekörnchen, welche oft die Pyrenoide in großer Zahl umgeben, noch gänzlich unklar. Lagerheim (6) wies in den Pyrenoiden von Prasiola Eiweißkrystalie nach, Schimper desgleichen bei Bryopsis. Außerhalb der Algen konnte Schmitz nur noch bei Anthoceros Pyrenoide finden. Nach Hansgirg(7) enthalten aber auch die Chloroplasten im Protonema mancher Laubmoose Pyrenoide. Andererseits fehlen Pyrenoide großen Algengruppen, wie den Phaeophyceen und Characeen ganz, und sind bei den Florideen nur selten anzutreffen. Gerassimow (8) hat gezeigt, daß auch in den kernlosen Spirogyrazellen Stärkebildung und Kohlensäure- assimilation stattfinden kann. Während bei Blütenpflanzen die Chloroplasten nur bei einigen sehr chlorophyllarmen Saprophyten, wie Neottia, nicht deutlich grün ge- färbt sind, ist es bei den Algen überaus häufig, daß andere Farbentöne vorherrschen: braun bei allen Phaeophyceen, Diatomeen und Peridineen, lebhaft rot bei den Fiorideen, blaugrün bei den Cyanophyceen, wozu eine große Reihe von Mischfärbungen kommt. Dort, wo der Chlorophyll- farbstoff schon beim ersten Augenschein hervortritt, wie bei den Chloro- phyceen und Characeen, läßt sich der grüne Farbstoff ohne weiteres mit dem Phanerogamenchlorophyll identifizieren, wenngleich es noch nicht bekannt ist, wie weit die bei den Blütenpflanzen verbreiteten beiden Chlorophyllkomponenten auch bei den Grünalgen vorkommen. Das Algenchlorophyllspektrum wurde bereits von Gr. Kraus mit dem Spektrum des Phanerogamenchlorophylls verglichen (9). Aber auch für die Phaeo- phyceen ist an der Existenz vota Chlorophyll nicht zu zweifeln und ebenso ist bei den Florideen Chlorophyll vorhanden. Auf die ver- schiedenen Ansichten sowie über die bisher gefundenen Differenzen des 1) Z. B.: Just, Botan. Ztg. (1882), Nr. 1. Schmitz [Chromatophoren der Algen (1882), p. 5] hat auf die Unrichtigkeit dieser Auffassung nachdrücklich hin- gewiesen. — 2) Schmitz, Ebenda (1882); Jahrb. wiss. Botan., /5, 1 (1884). — 3) W. Chmielewskij, Botan. Zentr., 69, 277 (1897); 77, 108 (1899). — 4) Ovekton, Ebenda, 39, 148 (1889). Klebs, Botan. Ztg. (1891), Nr. 48. Strasbürgek, Zell- bildung u. Zellteilung (1875). Zimmermann, Beihefte bot. Zentr., 4, 93 (1894). — 5) Timberlake, Ann. of Botan., 15, 619 (1901); Science, 17, 460 (1903). — 6) Laqer- HEiM, Ber. Botan. Ges. (1892), p. 366. Schimper, Jahrb. wiss. Botan., 16, 78 (1885). A. Meyer, Botan. Ztg. (1883). — 7) Hansgirg, Flora (1886). — 8) Gerassimow, Zur Physiologie d. Zelle (Moskau 1904). — 9) Gr. Krads, Chlorophyllfarbstoffe (1872), p. 36. Chlorophyll v. Hydfurus: Nebelung, Botan. Ztg. (1878), p. 388. 38* 596 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. Fiicaceenchlorophylls mit dsm Phanerogamonchlorophyll wird weiter unten zurückzukommen sein. Hansen (1), der zuerst aus Fucus das Chlorophyll darstellte, hat für diese .AJgengruppe ferner das Vorkommen carotinartiger Pigmente erwiesen und es ist nach den umfassenden Beobachtungen von Tammes, Kohl, Tswett, Kylin und anderen Forschern nicht daran zu zweifeln, daß Farbstoffe vom Charakter des Carotins und Xanthophylls hier überall vorkommen, und eigenartige xanthophy 11 ähnliche Pigmente werden voraussichtlich bei den braungefärbtea Algen für die auffallende Farbennuance verantwortlich zu machen sein. Nur den Algen und nur in beschränktem Umfange sind die als Phycoerythrin und als Phyco- cyanin bezeichneten Chromatophorenpigmente eigen, die beide offenbar in verschiedenen Modifikationen vorkommen. Im Zellsaft gelöste Pigmente sind hingegen bei den Algen selten. Lagerheim (2) hat aus Zygnema (Pleurodiscus) purpureum einen solchen rotvioletten Farbstoff isoliert und als Phycoporphyrin beschrieben. Mit Anthocyaniu ist dieses Pigment keineswegs identisch, wenn es auch in spektroskopischer Hinsicht mit diesem einige Ähnlichkeiten aufweist und so wie dieses in Gemeinschaft mit Gerbstoffen vorkommt. Alkali färbt das Phycoporphyrin gelbrot, Säure bläulichgrün. Daß Algen, wie besonders die Versuche von Radais (3) an Chlorella und jene anderer Forscher bei niederen Chlorophyceenformen gezeigt haben, ihr Chlorophyll auch im Dunkeln ausbilden können, wurde bereits an anderer Stelle erwähnt. Nach Phipson (4) soll die Assimilations- tätigkeit einzelliger Chlorophyceen eine relativ sehr energische sein. Den assimilatorischen Gaswechsel bei Algenreinkulturen hat Char- pentier(5) an Cystococcus humicola untersucht. Die Algenchloroplasten speichern nicht immer Amylum als Reserven, sondern sehr häufig Kohlen- hydrate anderer, teilweise noch unbekannter Art. Die Florideenstärke steht der gewöhnlichen Stärke relativ nahe. Die Vaucheriachloroplasten scheinen nach den Feststellungen von Ernst und Fleissig befähigt zu sein, Fett als Reservestoff zu speichern, wobei aber dessen Beziehungen zu den primären Assimilationsprodukten noch unbekannt sind (6), Beij- ERiNCK(7) hält das in den Chromatophoren der Diatomeen, Peridineen und Chrysomonaden auftretende Fett für das erste sichtbare Assimilations- produkt dieser Organismen. Erwähnt sei noch die oft auffallend stark flüssige Konsistenz der Algenchromatophoren, die manchmal direkt zer- fließlich genannt werden müssen. Dies erschwert, wie bei Hydrodictyon und auch bei manchen Florideen, die Untersuchung und Deutung dieser Gebilde nicht unbeträchtlich. Das hervorragendste Interesse beansprucht im Assimilationsprozesse der Algen die Bedeutung der roten, blauen und braunen Pigmente, welche so häufig das Chlorophyll begleiten. Zweifellos müssen die Licht- verhältnisse, unter weichen die verschiedenen Algen leben, mit der physiologischen Funktion dieser Pigmente in Zusammenhang gebracht werden. Nach Berthold (8) reicht im Golf von Neapel die Algen- vegetation bis höchstens 120 — 130 m unter den Wasserspiegel herab. 1) A. Hansen, Botan. Ztg. (1884), p. 649; Arbeit, bot. Inst. Würzburg, j, 289 (1885). — 2) Lagerheim, Über das Phycoporphyrin (Christiania 1895); Botan. Zentr., 64, 115 (1895). — 3) Radais, Compt. rend., 130, 793 (1900). — 4) Phipson, Chem. News, 70, 223 (1894); Compt. rend., 121, 719 (1895). — 5) Charpentier, Ebenda, 134, 671 (1902). Reinkultur vgl. auch PI G. Pringsheim, Beitr. Biol. d. Pfl., //, 305 (1912). — 6) Ernst, Beihefte bot. Zentr., 13, 127 (1903). Fleissig, Diss. (Basel 1900). — 7) Beijerinck, Rec. trav. bot. N^erland., /, 28 (1904), — 8) Berthold, Mitteil. d. zoolog. Stat. Neapel, 3, IV (1882). Dysphotische Flora tropiscner Gewässer: Koorders, Botan. Zentr., 8g, 306 (1902). § 7. Die Algenchromatophoren und deren Farbstoffe. 597 In dieser Tiefe wird das Licht so wenig intensiv, daß die Algenvegetation gänzlich erlischt. Die dunkelsten Tiefen werden nur von Rotalgen be- wohnt, und ebenso finden sich höher oben in schattigen Grotten nur Florideen, welche also als die typischen Schattenpflanzen unter den Meeresalgen anzusehen sind. Die seichten, besser beleuchteten Küsten- gewässer werden wieder von den Braunalgen bevorzugt und die Grün- algen bewohnen im allgemeinen die hellsten Regionen. Bei den ombro- philen Formen sind, wie Berthold (1) gezeigt hat, nicht selten in den „irisierenden Platten" Einrichtungen zur Verstärkung des Lichtes durch Reflexion getroffen und auch die von Svedelius(2) bei tropischen Nitophyllumarten angetroffenen scheibenförmigen InhaJtskörper dienen demselben Zwecke. Wie die Ausbildung der Chromatophoren in den inneren Gewebeschichten beweist, vermögen diese Algen selbst noch relativ sehr geschwächtes Licht für die Assimilation auszunutzen (3). Die interessanten Experimentaluntersuchungen von Engelmann und Gaidukov(4) haben nun gezeigt, daß die Farbe wenigstens bei gewissen Algen nicht unbedeutend durch Darbietung farbigen Lichtes beeinflußt werden kann. Bei den untersuchten Oscillariaarten bestand die Wirkung des farbigen Lichtes unverkennbar darin, daß die Algen jenen Farbenton annahmen, welcher zu dem angewendeten Lichte kom- plementär war. Engelmann nannte diese Reaktion daher „Kom- plementäre chromatische Adaptation". Diese Versuche sind von einigen Forschern mit Erfolg wiederholt, von anderen hingegen ent- schieden bestritten worden (5). Sicherlich ist ein positiver Erfolg nicht bei allen Formen von Oscillaria zu erzielen (6). Zu wenig beachtet hat man bisher die Herstellung gleicher Lichtintensitäten bei verschieden- farbigem Licht. Daß sich Farbeuveränderungen in intensivem Lichte einstellen, geht unter anderem aus den Versuchen von Nadson (7) hervor, welche zeigten, daß Cyanophyceen bei intensiver Beleuchtung einen hellgoldgelben Farbenton zeigen und Florideen braungelb werden. In Gaidukovs Experimenten war nach 2 Monaten die Mehrzahl der ur- sprünglich unrein violettgefärbten Fäden im roten Lichte grün gefärbt, in gelbem Lichte blaugrün, in grünem Lichte rot, in blauem Lichte braun- gelb. Aber nur lebende Algen reagieren in dieser Weise (8). Trotzdem nimmt Gaiduxov an, daß es sich um eine direkte Lichtwirkung auf die Chromatophorenpigmente unter Änderung ihrer chemischen Struktur handle, und er erinnert an die Erscheinungen der optischen Resonanz. Zu be- denken bleibt allerdings, daß es sich voraussichtlich nur um verschieden intensive Produktion der einzelnen Chromatophorenpigmente, eventuell um Änderungen in deren Verteilung in den Cromatophoren handeln dürfte. Die bei Chrysonionaden und Diatomeen in Moorwässern zu be- obachtende Grünfärbung an Stelle der sonstigen Braunfärbung gehört 1) Berthold, Jahrb. wias. Botan., 13, 569 (1882). — 2) N. Svedelius, Svensk. Botan. Tidskr., j, 138 (1909). — 3) Wille, Biol. Zentr., 15, 529 (1895). — 4) Engelmann, Arch. Anat. u. Physiol., Suppl. (1902), p. 333; Verh. physiol. Ges. (1902/03), p. 24. Gaidukov, Abhandl. Berlin. Ak. (1902); Ber. Botan. Ges., 21, 484, 517 (1903); 22, 23 (1904). — 5) Für Lyngbya: Dangeard, Compt. rend., 153, 293 (1911). Im hiesigen Institute ergaben sich gleichfalls positive Resultate für ein Phormidium (Boresch). — 6) Vgl. Gaidukov, Zentr. Bakt. II, 14, 206 (1905). Klingstedt, Finsk. Vet. Soc. Förh., 51, Nr. 1 (1909). B. Schindler [Ztsch. f. Bot., 5, 497 (1913)]; P. Magnus u. B. Schindler [Ber. Botan. Ges., jo, 314 (1912)], hält aUerdings alle beobachteten Umfärbungen nicht für Beleuchtungswirkungen, sondern für die Folge bestimmter Ernährungsbedingungen. Vgl. auch K. Boresch, Jahrb. wiss. Botan., 52, 145 (1913). E. G. Pringsheim, Beitr. Biol. d. Pfl., 12, 49 (1913). — 7) Nadson, Bull. Jard. bot. St. P^tersb., 8, 121 (1908). — 8) Gaidukov, Ber. Botan. Ges., 2-^, 1 (1906). 598 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersyntheae im Chlorophyllkom. offenbar in dasselbe Erscheinungsgebiet hinein (1). Im ganzen ent- sprechen die Verhältnisse der komplementären chromatischen Adaptation allerdings der Lichtzusammensetzung in verschiedenen Meerestiefen, wo das rote Licht nur in den oberen Schichten reichlich zur Verfügung steht und das blaugrüne Licht, das zu der Florideenfärbung komplementär ist, in den tiefen Schichten vorherrscht. Das Studium der einzelnen Algenpigmente hat eine Fülle von ein- schlägigen Tatsachen geliefert, über welche nun berichtet werden soll. A. Farbstoffe der Cyanophyceen. Zuerst befaßten sich Nees und KÜTZING (2) mit den Pigmenten von Oscillaria, und der letztere Forscher zeigte, daß diese Algen neben Chlorophyll einen blauen, wasserlösUchen Farbstoff enthalten, welchen er Phycocyan nannte. Allerdings hielt er den- selben für ein postmortal gebildetes Produkt. F. Cohn (3) verstand unter seinem Phycochrom den ganzen Komplex der Oscillariafarbstoffe, also Chlorophyll + Phycocyan. Im Alkoholextrakt von Oscillarien konstatierten sodann Kraus und Millardet (4) noch einen dritten, gelben Farbstoff, ,JiO M 70 1 a i F 0 901 100 1 110 120 13 Ol 140 60 50 40 30 20 10 f \y\ y V \ j \ > / '"^ — 70 60 50 40 30 20 10 B C D E F G iO |€0l 70 1 80 90l 100 I 110 120 130| W r { \ \ 1 \ i / \ > f ^ "~~" _ Fig. 7. Absorptionskurve einer Phycocyanlösung, blaue Modifikation aus einer Phormidiura- art (nach Kylin). Fig. 8. Absorptionskurve einer Phycocyanlösung, blaugrüne Modifikation aus der Floridee Ceraraium rubrum (nach Kylin). den sie Phycoxanthin benannten. Alle drei Farbstoffe lassen sich auch mit Hilfe der Alkoholmethode nach E. Liebaldt (5) nebeneinander mikroskopisch nachweisen, indem Chlorophyll und xanthophyllartige Pigmente krystalUnisch ausfallen und Phycocyanin in den Zellen eine reinblaue Lösung bildet. Über das Cyanophyceenchlorophyll fehlen Spezialuntersuchungen und es ist nicht bekannt, ob es ein Gemisch aus den beiden auch bei Phanerogamen vor- kommenden Chlorophyllarten darstellt. Auch das Phycoxanthin bedarf einer Untersuchung. Es ist wohl sicher eine Mischung von Carotin und xanthophyllartigen Farbstoffen verschiedener Art. Das Phycocyanin kommt nicht allein bei Cyanophyceen vor, sondern wurde bei Florideen durch Kylin (6) mehrfach nachgewiesen. Wesensgleich ist damit auch der von Kraus und Askenasy (7) untersuchte Farbstoff aus den Gonidien der Flechte Peltigera canina. Auch die von Nägeli (8) als ,,Gloeocapsin" und 1) Vgl. Schorler, Verh. Nat. Ges. (1907), 2, I. 2.37. — 2) Nees, Lieb. Ann., /7, 75(1837). KÜTZING, Phycologia general., p. 20; Phil. Botan., /, 165; Arch. Pharm., 41, 38. — 3) F. CoHN, Arch. mikrosk. Anatom., j, 19 (1867). — 4) G. Kraus u. Millardet, Bull. See. Sei. Nat. Strasbourg (1868), p. 22. — 5) E. Liebaldt, Ztsch. f. Botan., 5, 65 (1913). — 6) Kylin, Svensk. Botan. Tidskr., 6, 531 (1912). — 7) Ao- KENASY, Botan. Ztg. (1869), p. 790. — 8) Nägeli, Das Mikroskop, p. 505. § 7. Die Algenchromatophoren und deren Farbstoffe. 599 „Scytonemin" beschriebenen Pigmente gehören zum Phycocyaninbegriffe. In neuerer Zeit haben sich vor allem Monteverde, Molisch und Kylin mit dem Phycocyanin näher befaßt (1), und wir wissen durch diese" Arbeiten, daß das Phycocyanin kein einheitücher Begriff ist, sondern daß es mehrere, durch ihre Farbe unterschiedene Modifikationen dieses Farbstoffes gibt, was für die Beurteilung der komplementären chromatischen Adaptation von Interesse ist. Phycocyanin ist bei Gegenwart kleiner Mengen von Salzen oder Alkahen in Wasser löshch, in Alkohol und Äther unlösHch und kann aus der wässerigen Lösung, wie Molisch zuerst gezeigt hat, durch Sättigen mit Ammoniumsulfat ausgesalzen werden, wobei es in Krystallform aus- fällt. Phycocyanin ist stickstoffhaltig, seine Lösung gerinnt beim Erhitzen und wird farblos. Säuren fällen es flockig aus, während es in Alkali in Lösung bleibt. Nach seinem Verhalten faßt man es als eiweißartiges Pigment auf Pepsinbehandlung gestattet nach Kylin die Protein- und Farbstoffkompo- nente im Phycocyanin voneinander zu trennen. Die verschiedenen von Mo- LISCH und Kylin aufgefundenen Modifikationen des Phycocyanins unter- scheiden sich durch Farbe, Fluorescenz, KrystaUisationsfähigkeit und die spektroskopischen Verhältnisse. Bei Cyanophyceen fand Molisch mindestens drei verschiedene Modifikationen und ebensoviel unterscheidet Kylin für Florideen. Nach der Farbe kann man ein blaugrünes, ein blaues und ein blau violettes Phycocyanin voneinander trennen. Die Fluorescenz ist karmin- rot in verschiedenen Nuancen. Im Absorptionsspektrum zeigen alle Phyco- cyanine ein kräftiges Band zwischen C und D im Orange. Engelmann (2) bestimmte die Lage der Hauptabsorption mit A = 620[x(x. Die Absorption ist bei D noch ziemhch stark und nimmt gegen E hin ab. Von da steigt die Absorption wieder an. Das von Bocat (3) von Oscillaria Cortiana beschriebene rote Phycocyanin rechnet Kylin nach seinen Eigenschaften zum Phyco- erythrin. Das Phycocyanin von Ceramium rubrum besitzt nach Kylin zwei Absorptionsbänder neben dem in Orange zwischen C und D, ein Band im Grün zwischen D und E. Engelmann fand das Assimilationsoptimum über- einstimmend mit der Hauptabsorption des Phycocyanins. Im Zustande des Stickstoffhungers unterbleibt nach Boresch und nach Pringsheim die Ghlorophyllbildung ebenso wie die Phycocyaninbildung (4). Auf die vielfach strittige Angelegenheit der Zellstruktur der Cyano- phyceen kann hier nicht näher eingegangen werden (5). Der allein gefärbte periphere Teil des Protoplasten läßt sich durch FH-Säurebehandlung isolieren. Es fehlt nicht an Angaben, nach welchen distinkte Chromato- phoren auch in Mehrzahl innerhalb einer Zelle, bei gewissen Cyanophyceen- formen zu unterscheiden sein sollen (6). B. Die Farbstoffe der Peridineen und Diatomeen. Bis auf wenige farblose Diatomeenformen, zu denen mehrfach studierte Nitzschia- Arten (7) gehören, sind diese einzelligen Algen braun gefärbt und enthalten 1) N. A. Monteverde, Acta Hort Petropol., 13, 170 (1893). Molisch, Botan. Ztg. (1895), /, 131 ; Sitz.ber. Wien. Ak., 115, I, 795 (1906). H. Kylin, Ztsch. physiol. ehem., 69, 169 (1910); 76, 396 (1912). — 2) Engelmann, Botan. Zig. (1884), p. 90. Vgl. auch Nadson, Botan. Zentr., S3, 315 (1893). — 3) L. Bocat, Sog. Biol. (7. Jan. 1908). Saüvageau, Botan. Zentr., 108, 15 92 (1909). — 4) K. Boresch, Jahrb. wiss. Botan., 52, 145 (1913). E. G. Pringsheim, Beitr. Biolog. d. Pfi., 12, 1 (1913). — 5) Vgl. A. Fischer, Cyanophyceen u. Bakterien (1897), p. 24. Palla, Jahrb. wiss. Botan., 25, 511 (1893). Kohl, Organisation d. Cyanophyceenzelle (1903). E. Zacharias, Botan. Ztg., 65, II, 267 (1907). Guilliermond, Compt. rend., 141, 427 (1905); Soc. Biol. (1905), p. 639 u. 641. — 6) Vgl. Tangl, Denkschr. Wien, Ak., 48, II, 1 (1884). Lagerheim, Ber. Botan. Ges., 2, 302 (1884). — 7) F. Cohn, W. Benecke, Jahrb. wiss. Botan., JS, 535 (1900). G. Karsten, Flora (1901), Erg.-Bd., p. 404. O. Richter, Denkschr. Wien. Ak., 84, 657 (1909). 600 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. gut ausgebildete Chromatophoren, hei den Diatomeen als „Endochrom- platten" bezeichnet, in größerer oder geringerer Zahl. Daß manche Peridineen diffus verteilten Farbstoff enthalten, hat sich nicht bestätigt (1). Farbstoff- haltige Formen können nach Karsten bei xenotropher Ernährung Verküm- merung der Chromatophoren und Abnahme an Farbstoff erleiden. Ob die Grünfärbung mancher Peridineen ein normales Vorkommnis ist, wie an- gegeben wird, ist zu bezweifeln. Pyrenoide sind bei Diatomeenchromato- phoren vorhanden, doch sollen sich solche nach Mereshowsky (2) auch außerhalb der Chromatophoren finden, und andererseits Pigment führende Elaioplasten vorkommen. Bis auf einzelne Peridineen, wo Warming (3) Stärkeeinschlüsse in den Chromatophoren fand, fehlt Amylum allen Diato- meen und Peridineen. Das in den Chromatophoren eingeschlossene Reserve- material ist Fett (4), Daß Diatomeen beim Tode durch Eintrocknen grüne Farbe annehmen, bewog zuerst Kützing (5) diesen Algen Chlorophyll zuzuerkennen, zumal der mit Alkohol extrahierte Farbstoff in seinen optischen Eigenschaften gut mit dem Chlorophyll der höheren Pflanzen übereinstimmte. Den braunen Diatomeenfarbstoff unterschied Nägeli (6) unter dem Namen „Diatomin" als ein spezielles Pigment. Kraus und Millardet schrieben den Diatomeen neben Chlorophyll einen Gehalt an Phycoxanthin zu. Wasserlösliche Pig- mente enthalten weder Diatomeen noch Peridineen nativ. Die braungelbe Alkohollösung von Phycoxanthin, wie sie nach Ausschütteln des Chlorophylls durch Petroläther erhalten wird, wurde von Askenasy (7) spektroskopisch untersucht mit dem Ergebnis, daß eine starke Absorption im Blau und kein Streifen im Rot zu beobachten ist. Engelmann (8) fand das Absorptionsmaxi- mum des Alkoholextraktes aus Diatomeen im Rot zwischen B und C; ebenso liegt das Assimilationsmaximum dieser Algen im Rot. Darauf hat also der Gehalt an Diatomin keinen Einfluß. Jedoch soll etwas hinter E ein stärkeres sekundäres Optimum liegen, für welches vielleicht das Diatomin verant- wortlich gemacht werden könnte. Die Diatominfrage bedarf dringend einer erneuten Untersuchung. In neuerer Zeit entstand eine Kontroverse hin- sichthch der Frage, ob die Diatomeen ein spezielles Pigment enthalten. Molisch meinte (9), daß nur ein einziges braunes Pigment nativ vorliege, welches beim Tode sofort Chlorophyll abspaltet und für welches der Name Di- atomin bleiben könnte. Kohl (10) hingegen leugnet die Existenz eines be- sonderen braungelben Farbstoffes und meint, daß nur Chlorophyll und da- neben Carotin und Xanthophyll, wie bei höheren Pflanzen, vorkomme. Der mikroskopische Befund bei der Alkoholprobe nach Liebaldt scheint auf den ersten Blick für die Ansicht von Kohl zu sprechen, da man nur krystal- linisch ausgeschiedenes Chlorophyll und massenhaft carotinartige Farbstoffe findet. Letztere sind jedoch sicherhch ein Gemisch verschiedener ähn- Hcher Stoffe, und es liegt nahe, anzunehmen, daß darunter auch jener Farb- 1) PouCHET, Journ. Anat. et Physiol. (1887), p. 94. Bergh, Morphol. Jahrb., 7, 177 (1882), widerlegt v. Klebs, Untersuch, aus d. bot. Inst. Tübingen. /, 352. Vgl. auch O. MÜLLER, Ber. Botan. Ges., /, 478 (1883). Mereshowsky, Gesetze d. Endochroms (Kasan 1906). — 2) Mereshowsky, Flora (1903), p. 77. Pfitzer, Ber. Botan. Ges., /, 44 (1883). — 3) Warming, Vidensk Medd. Kjöbnhavn (1875). — 4) Beijerinck, Rec. trav. bot. N^erl., /, 28 (1904). — 5) Kützing, Kieselschalige Bacillarien (1844). — 6) Nägeli, Gattungen einzelliger Algen (1849). — 7) Aske- nasy, Botan. Ztg. (1867); (1869), p. 785. — 8) Th. Engelmann, Botan. Ztg. (1884), p. 90. Mfjnhold, Beitr. Biol,og. d. Pfl., lo, 353 (1911). — 9) H. Molisch, Botan. Ztg., 63, I, 131 (1905); Wiss. Ergebn. Internat, bot. Kongr. (Wien 1905), p. 186. — 10) F. G. Kohl, Untersuch, üb. d. Carotin (1902); Ber. Botan. Ges., 24, 124 (1906). § 7. Die Algenchromatophoren und deren Farbstoffe. 601 Stoff ist, welchem die Algen ihre braune Farbe verdanken, das Phycoxanthin, das wesentUch mit dem Diatominbegriff zusammenfallen dürfte. Auch die Chlorophyllmodifikationen der Diatomeen, die wohl unzweifelhaft nativ in der Zelle vorkommen, sind noch näher festzustellen. Für die Peridineen hatte Bergh ebenfalls die Existenz von Diatomin und Chlorophyll angenommen. Doch scheint der röthchbraune Farbenton der Peridineen für gewisse Differenzen im Farbenstoffgemisch zu sprechen. Seit den Untersuchungen von Schutt (1), welche einer Revision sehr be- dürftig erscheinen, sind die Pigmente der Peridineen nicht mehr eingehend bearbeitet worden. Schutt nannte den Gesamtkomplex der Peridineen- farbstoffe ,,Pyrrophyir', während er für den Komplex der Diatomeenfarb- stoffe den Namen „Melinophyll" vorschlug. Nach Schutt soll in den Peri- dineen ein besonderer wasserlöslichen Farbstoff, das braune Phycopyrrin, vorkommen. Es ist jedoch noch unbewiesen, daß dieses Pigment wirklich den Chromatophoren angehört; das Schicksal des früher bei den Phaeo- phyceen angegebenen wasserlösHchen Phycophaeins, das als postmortal ent- stehendes Oxydationsprodukt aromatischer Zellbestandteile erkannt worden ist, legt die Möghchkeit nahe, daß es mit dem Phycopyrrin eine ähnhche Bewandtnis haben könne. An Alkohol geben Peridineen nach ScHÜTT einen portweinroten Farbstoff ab, der als Peridinin benannt wurde. Die nähere Untersuchung dieses möglicherweise dem Phycoxanthin vergleich- baren Farbstoffes steht gleichfalls noch aus. EndUch wurde von Schutt ein Peridineenchlorophyll im Alkoholauszuge nachgewiesen, von dem ein Vergleich mit dem Phanerogamenchlorophyll zeigen muß, ob die beiden Komponenten hier ebenfalls vertreten sind oder nicht. Die Kohlensäureassimilation ist bei den Diatomeen mehrfach unter- sucht worden (2), während für die Peridineen derlei Untersuchungen noch fehlen. Als seltenes Vorkommnis ist ein blauer Farbstoff bei Diatomeen zu erwähnen, bei Navicula ostrearia auf Austernschalen, welcher von Ray Lankester(3) an blaugrün gefärbten Austern von Marennes aufgefunden worden ist und daher den Namen „Marennin" erhalten hat. Molisch(4) fand jene blaue Naviculaart in Triest auf Steckmuscheln vor. Dieses Pigment könnte nach Bocat(5) ein phycocyaninartiger Farbstoff sein. Es soll das Plasma diffus färben. Die Pigmente der ChromuUna Rosanoffii scheinen sich den Chromato- phorenfarbstoffen der Peridineen und Diatomeen anzureihen. Klebs (6) hat den Farbstoff Chrysochrom genannt. Gaidukov (7) gibt an, daß sich aus der genannten Flagellatenform einerseits ein wasserlösliches goldbraunes Pigment gewinnen läßt, das Phycochrysin, andererseits ein in Alkohol lös- hches Chrysochlorophyll und Chrysoxanthophyll, über deren Eigenschaften noch weitere Untersuchungen anzustellen sind. C. Die Farbstoffe der Phaeophyceen. Die Braunalgen besitzen meist runde scheibenförmige, in anderen Fällen aber auch bandförmige und verzweigte Chromatophoren von hellbrauner Farbe (8). Nach der von Cohn 1) F. Schutt, Ber. Botan. Ges., 8, 11 (1890). — 2) Engelmann, Botan. Ztg. (1883),p. 1. Beijerinck, Ebenda (1890), p. 725. Palmee, Just Jahresber. (1897), /, 205. — 3) Ray Lankester, Quart. Journ. Micr. Sei., 26, 71 (1888). C. Sauvageau,, Soc. Sei. d'Arcachon Stat biol., ro, 1 (1907). — 4) Molisch, Ber. Botan. Ges., 21, 23 (1903) Karsten, Botan. Ztg. (1903), 2, 218. — 5) L. Bocat, C r. Soc. Biol. R^un. Bordeaux (1907), p. 1073. — 6) Klebs, Ztsch. wies. Zool., S5, 395 (1802). — 7) Gaidukov, Ber. Botan. Ges., 18, 331 (1900). — 8) Vgl. Reinke, Ebenda, 4, 213 (1884). Schmitz, Chromatophoren d. Algen (1882). Scuimfeb, Jahrb. wiss. Botan., 16 (1885). 602 Zwanzigfites Kapitel : Eohlens&ureverarbeit. u. Zuckersynthese im Ghlorophyllkom. begründeten, später von Engelmann (1 ) und namentlich von Molisch (2) vertretenen Anschauung ist das Pigment der Phaeophyceenchromatophoren ein einheitlicher brauner Farbstoff, Phaeophyll genannt, welcher als braune Chlorophyllmodifikation gelten kann. Die auffallende Erscheinung, daß die braunen Chromatophoren beim Abtöten sofort eine grüne Färbung annehmen, erklärt Molisch mit einer chemischen Veränderung des braunen Pigmentes unter Übergang in das gewöhnUche Chlorophyll. Tswett (3) hat aber mit Recht hervorgehoben, daß mit dem Tode der Chromatophoren leicht eine Änderung in der Verteilung des Pigmentes stattfinden kann, welche zur Er- klärung dieses Farbenwechsels ausreicht. Auch tritt beim Verreiben von Fucaceen mit Alkohol momentan eine solche Menge grünen Farbstoffes aus dem Gewebe aus, daß nicht gut eine chemische Umwandlung angenommen werden kann (4). Daß tatsächhch Chlorophyll in Phaeophyceen vorkommt, hat zuerst Sachs (5) auf Grund der Grünfärbung der Laminariachromato- phoren mit Kahlauge vermutet, und Millardet (6) wies hierauf nach, daß der braune alkohohsche Auszug aus Fucus an Benzin einen grünen Farbstoff abgibt, der die Eigenschaften von Chlorophyll hat, während im Alkohol ein gelbes Pigment, das Phycoxanthin, zurückbleibt. Ein drittes braungefärbtes Pigment sollte aber aus Fucus mit Wasser extrahiert sein, das Phycophaein von Millardet. Dieses letztgenannte Pigment gehört nun gewiß nicht zu den nativen Chromatophorenfarbstoffen der Phaeophyceen. Nachdem .be- reits Reinke (7) an der primären Natur des Phycophaeins gezweifelt hatte, gelang es Molisch und Tswett (8) sichere Beweise dafür zu gewinnen, daß es sich in diesem Stoffe um ein postmortal durch Oxydationsvorgänge ge- bildetes Produkt handelt, und Kylin konnte nachweisen, daß für die Ent- stehung des sogenannten Phycophaeins ein von Hansteen zuerst in Fucus gefundener aromatischer phenolartiger Stoff, das Fucosan, verantwortUch zu machen sei (9). Die übrigen Farbstoffe der Phaeophyceen, die nun sämt- hch als Chromatophorenpigmente aufzufassen sind, wurden, nachdem sich Hansen (10) mit den Fucuspigmenten befaßt hatte, besonders durch die Forschungen von Tswett aufgeklärt, der auch auf die Bedeutung der älteren Untersuchungen von Sorby(II) für diese Fragen hingewiesen hat. Den Chloro- phyllfarbstoff von Fucus hatte Hansen, der angebhch davon aus 775 g luft- trockenem Algenmaterial nicht weniger als 5 g erhielt, einfach mit dem Phanero- gamenchlorophyll identifiziert. Doch hat Tswett die Ansicht von Sorby, wonach Fucaceen zwei grüne Farbstoffe, die er als ,, blaues Chlorophyll" und ,, Chlor ofu ein" bezeichnete, im wesenthchen bestätigen können. Nach Tswett ist Sorbys blaues Chlorophyll identisch mit dem Chlorophyll a der Phanerogamen. Das Chlorofucin, welches nach der jetzigen Nomenklatur als Chlorophyll c zu bezeichen wäre, ist jedoch eine den Fucaceen eigentüm- Hche gelbgrüne Chlorophyllmodifikation, die das hier nicht vorkommende gelbgrüne Chlorophyll b der Phanerogamen vertritt. Die nähere chemische Untersuchung dieses Farbstoffes steht noch aus. Die gelben Farbstoffe, 1) Engelmann, Botan. Ztg. (1882), p. 669. — 2) H. Molisch, Ebenda, 6j, I, 131 (1905); Ebenda, II, 369; Wiss. Ergebn. Internat, bot. Kongr. (Wien 1905), p. 186. — 3) Tswett, Botan. Ztg., 63, II, 273 (1905). — 4) F. Czapek, Lotes, 59 (1911). — 5) Sachs, Experim. Physiologie (1865), p. 20. — 6) Millabdet, Compt. rend., 68, 462 (1869). Ardissone, Just Jahresber. (1881), /, 61. — 7) Reinke, Jahrb. wiss. Botan., 10, 409 (1876); Botan. Ztg. (1886). p. 213. Schutt, Ber. Botan. Ges., 5. 259 (1887). — 8) M. Tswett, Ebenda, 24, 235 (1906). — 9) H. Kylin, Ztsch. physiol. ehem., 83, 171 (1913); Arkiv för Botanik, //, Nr. 5 (1912). — 10) A. Hansen, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, 3, 289 (1885). — 11) H. Sokby, Proced. Roy. Soc, 21, 442 (1873). § 7. Die Algenchromatophoren und deren Farbstoffe. 603 welche früher als Phycoxanthin, von Hansen als Carotin zusammengefaßt worden sind, müssen nach Sorby und Tswett aus mindestens drei Kompo- nenten bestehen. Für die eine ist die Identität mit Möhrencarotin leicht zu erweisen, das zweite, in festem Zustande gelbe Pigment, entspricht den Xanthophyllfarbstoffen aus Phanerogamen und wird von Tswett als Fuco- xanthophyll bezeichnet. Der dritte Farbstoff endlich, der von Sorby und Tswett als Fucoxanthin benannt worden ist, bildet in festem Zustande rot- braune Krusten und ist nur in verdünnter Lösung gelb gefärbt. Mit starken Säuren gibt dieses Pigment, für welches man mit KYLiN(1)wohl aus~ histo- rischen Gründen den NamenPhycoxanthin beibehalten kann, eine blaue Lösung. Offenbar ruft es die von Molisch beschriebene „Leukocyanreaktion" hervor. Es ist auch die Ursache der dunklen Färbung der Phaeophyceenchromato- phoren. Die Gase in den Blasen von Fucus vesiculosus sind nach Wille (2) reich an Sauerstoff; auch Stickstoff ist darin enthalten, jedoch keine Kohlen- säure. D. Die Farbstoffe der Florideen. Die rotgefärbten Chromato- phoren der Florideen sind äußerst leicht zu schädigen, wie man an dem reich- hchen Austritt des roten Farbstoffes in das umgebende Wasser bei Störungen des normalen Lebens der Algen erkennen kann, z. B. bei Übertragen der Algen in Süßwasser. Hierbei werden die Pflanzen grün. KÜTZING (3) nannte 1843 den in das Wasser übergehenden Farbstoff Phycoerythrin und stellte auch fest, daß man den gesunden Florideen durch Äther Chlorophyll ent- ziehen kann, während das Phycoerythrin an die Chromatophoren gebunden zurückbleibt. Er fand ferner, daß Phycoerythrin durch AlkaU entfärbt wird und die rote Farbe durch Säurezusatz im Extrakt wie an den Pflanzen selbst wiederhergestellt werden kann. Auch erkannte Kützing, daß der Farbstoff mancher Oscillarien mit Phycoerythrin identisch sein dürfte. Den Farbstoff von Rhytiphloea tinctoria, welcher in den Zellwänden seinen Sitz haben sollte und durch Alkah nicht entfärbt wird, unterschied er als Phycohämatin. Nägeli und Schwendener (4) brachten keine Klärung in die Frage dadurch, daß sie den Gesamtfarbstoff der Florideen unter dem Namen Phycoerythrin verstehen wollten, den in Wasser lösHchen roten Farb- stoff aber Porphyrin nannten und behaupteten, daß das zurückbleibende grüne Pigment nicht mit Chlorophyll identisch sei. Cohn (5) schlug vor, den Gesamtfarbstoff der Florideen als Rhodophyll zu bezeichnen. Es ist aber nach den neueren Arbeiten von Noll, Hansen und besonders von Kylin (6) nicht daran zu zweifeb, daß die Florideenchromatophoren analog den anderen Algenchromatophoren ein Farbstoffgemisch enthalten, welches aus phycoerythrinartigen, chlorophyllartigen und chromolipoidartigen Pig- menten zusammengesetzt ist. Nach der Alkoholmethode von Liebaldt lassen sich alle drei Pigmentgattungen nebeneinander, oft in derselben Zelle, als Krystalle ausfällen. Kylin hat die Ursachen der oft auffallend von dem reinroten Phycoerythrintone abweichenden Färbungen bei Florideen, die bei Batrachospermum und Lemanea kaum noch an Florideen erinnern, dadurch erschöpfend aufgeklärt, daß er nachwies, daß es einmal verschie- 1) H. Kylin, Ztsch. physiol. Chem., 82, 221 (1912). — 2) Wille, Chem. Zentr. (1890), /, 1006. Aime, Ann. de Chim. et Phys. (3), 2, 535 (1841). — 3) KÜTZING. Phycolog. gen. (1843), p. 21; Philos. Botan., p. 166. — 4) Nägeli n. Schwendener, Das Mikroskop (1867), p. 498; 2. Aufl. (1877), p. 497. — 5) F. Cohn, Botan. Ztg. (1867), p. 38. — 6) Noll, Flora (1893), p. 27. Hansen, 1. c. Kylin, Ztsch. physiol. Chem., 69, 169 (1910); 74. 105 (1911); 76, 396 (1912); Svenak. Botan, Tidskr., 0, 531 (1912). 604 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. dene Modifikationen des Phycoerythrins gibt, außerdem aber verschiedene Modifikationen von Phycocyanin in Florideen gemeinsam mit Phycoerythrin auftreten, wodurch die dunklen violetten und grünlichen Mischfarben er- zeugt werden. Nach seinem ganzen chemischen Verhalten ist überhaupt das Phycoerythrin so nahe mit Phycocyanin verwandt, daß man die verschiedenen zur Phycocyanin- und Phycoerythringruppe zählenden Pigmente der Algen als Phycochromoproteide zusammenfassen kann. Ja, es dürften nach Kylin selbst Florideen existieren, welche gar kein Phycoerythrin, sondern nur Phycocyanin. enthalten, wie Asterocytis und Batrachospermumarten. Andererseits dürfte es Cyanophyceen geben, welche phycoerythrinhaltig sind und Oscillaria Cortiana dürfte sogar überhaupt kein Phycocyanin, sondern nur Phycoerythrin enthalten. Phycocyanin läßt sich in Florideen neben Phyco- erythrin am besten spektroskopisch durch sein kräftiges Absorptionsband im Orange nachweisen. Übrigens konnte Kylin durch die Krystalhsation beider Pigmente aus gesättigter Ammoniumsulfatlösung dieselben neben- einander in verschiedenen Florideen sicher nachweisen. Bemerkt sei, daß schon Hansen das Vorkommen von Phycoerythrin auch in Bryopsis, Taonia und Dictyota entdeckt hat. Auch ist es nach verschiedenen Untersuchern gewiß, daß Porphyridium cruentum Phycoerythrin enthält (1). Damit wird die Zugehörigkeit dieser Alge in die Reihe der Bangiales gestützt, und Bangia selbst enthält nach Nebelung gleichfalls Phycoerythrin. Das Gleiche gilt nach ScHMiDLE (2) für Thorea. Nachdem in neuerer Zeit Hanson (3) einige Zweifel an der Proteinnatur des Phycoerythrins, die von Molisch zuerst behauptet worden war, ausgedrückt hatte, ist es Kylin gelungen, sicher zu beweisen, daß dieses Pigment tatsächüch eiweißartigen Charakter hat. So wie das Phycocyanin ist Phycoerythrin in ganz reinem salzfreien Wasser unlöslich und kann daher au^ dem Wasserextrakt der Algen durch Dialyse gefällt werden. Säuren fällen den Farbstoff als roten oder violetten amorphen Nieder- schlag, wenn man die Säure sehr verdünnt (HCl 0,05%) anwendet, und die Fällung ist in Alkaü ohne Fluorescenz lösHch. Bei Säureüberschuß tritt die Fällung nicht ein. Erhitzen bringt Phycoerythrinlösungen zum Gerinnen, Lichteinwirkung zerstört den Farbstoff. Durch Einwirkung proteolytischer Enzyme läßt sich ebenso wie beim Phycocyanin die Eiweißkomponente ab- bauen und dadurch die Farbstoffkomponente abtrennen. Die Elementar- analysen führten zu Werten, wie sie bei Eiweißstoffen üblich sind. Die spektroskopische Untersuchung von Phycoerythrin wurde bereits durch Stokes (4) vorgenommen und später haben Rosanoff (5), Pringsheim Reinke, Schutt und Engelmann auf diesem Gebiete gearbeitet. Nach Kylin haben Lösungen ganz reinen Phycoerythrins drei Absorptionsbänder. Zwei derselben liegen zwischen D und E, davon beginnt Band I gleich hinter D und erreicht das Maximum bei A = 569— 565 [ly.; Band II erreicht das Maximum bei A= 541—537 [xjx; das dritte Band liegt zwischen E und F, näher an F und hat das Maximum bei X — 498—492 (jl[x, I ist am stärksten, III am schwächsten, wie aus der beistehenden Absorptionskurve hervor- geht. Das gewöhnÜch vorkommende Phycoerythrin hat eine sehr starke 1) Nach Phipson, Compt. rend., 89, 316, 1078 (1879) „Palmellin". Nebe- lung, Botan. Ztg. (1878), p 409. F. Brand, Ber. Botan. Ges., 26a, 413, 540 (1908). Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak., 115, I, 79.') (1906). — 2) Schmidle. Hedwigia, 35, I (1896). — 3) B. K. Hanson, New Phytologiet, 8, 337 (1909). — 4) Stokes, Pogg. Ann., Erg.-Bd. IV, 263. — 5) Rosanoff, M^no. Soc. Sei. Nat. Cherbourg, 13, 202 (1867). Pringsheim, Monatsber. Ak. Berlin (1875); Ges. Abhai.dl., 4, 41. Reinke, Botan. Ztg. (1886), p. 177. Engelmann, Ebenda (1884), p. 90. SCxTdtt, Ber. Botan. Ges., 5, 36, 305 (1888). § 8. Kohlensäureassimilation bei Bacterien. 605 hochgelbe Fluorescenz, und es soll nach ScHÜTT das Fluorescenzhcht haupt- sächlich aus Strahlen in der Nähe der D-Linie, A = 590—560 (ji(jl, bestehen. Grüne und blaue Strahlen erregen kräftige Fluorescenz. Bei einigen Poly- siphoniaarten und Rhodomela subfusca kommt nach Kylin eine nur sehr schwach fluorescierende Modifikation des Phycoerythrins vor. Engelmann stellte fest, daß das Assimilationsmaximum der Florideen sowie das Ab- sorptionsmaximum des Extraktes gegen Gelb hinter D verschoben ist. Dafür ist das Phycoerythrin verantwortüch zu machen, welches es gestattet, die weniger als das rote Licht im Wasser absorbierten gelben Strahlen weit- gehend auszunutzen und durch die auch in tiefem Wasser reichlich zu Gebote stehenden grünen und blauen Strahlen, welche seine Fluorescenz stark erregen, hinreichend die Assimilation aufrecht zu erhalten (1). Die öfters in Florideen beobachteten roten Krystalle, die als Rhodospermin usw. (2) beschrieben worden sind, sind natürhch mit Phycoerythrin identisch und Molisch hat zuerst nüttels der Aussalzungsmethode künsthch solche Krystalle in Florideenzellen zur Ausfällung gebracht (3). Es gibt einige chlorophyll- freie parasitische Florideen, wie Choreocolax und Harveyella; bei denselben fehlt auch das Phycoerythrin (4). Das Florideenchlorophyll g r ist bisher noch sehr wenig m?° "^°i untersucht worden. In einer Arbeit von Kylin (5) wird der Nachweis geführt, daß es in bezug auf Magnesiumgehalt mit dem Phanerogamenchloro- phyll übereinstimmt. Die Kom- ponenten des Farbstoffes sind hier noch nicht festgestellt worden. Was die chromohpoid- artigen gelben Pigmente anbe- trifft, so hat Kylin die Angabe von Hansen bestätigt, wonach Carotin auch bei diesen Algen vorkommt. Außerdem heß sich ausCeramiumeindemPhanero- gamenxanthophyll sehr ähnlicher gelber Farbstoff isolieren. Die Spuren eines Farbstoffes vom Verhalten des Phycoxanthins könnten nach Kylin von epiphytischen Phaeophyceen und Diatomeen herrühren. Die von Decken- bach (6) angegebenen gelben wasserlöshchen Farbstoffe aus Polysiphonia und Dasya sind unbestätigt geblieben. Fig. 9. Absorptionskurve einer Phycoerythrinlösung aus Ceramium rubrum (nach Kylin). § 8- Kohlensäureassimilation bei Bacterien. Man hat im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von grünen und rot- gefärbten, sicher zu den Bacterien zu rechnenden Organismen kennen gelernt, von denen häufig angenommen wurde, daß sie ebenso wie Algen 1) Vgl. auch C. Sauvageau. C. r. Soc. ßiol. (7. Jan. 1908). — 2) Gramer, Viertel jahrsschr. Natarf. Ges. Zürich (1862), p. 350. Klein, Jahrb. wiss. ßotan., /j, 23 (1881). — 3) Molisch, Botan. Ztg. (1894), p. 177. — 4) Kuckuck, Sitz.ber. Ak, Berlin (1894), p. 983. — 5) H. Kylin, Ztsch. physiol. Chera., 74, 105 (1911). — 6) Deckenbach, Just Jahresber. (1893), /, 522. 606 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckereynthese im Chlorophyllkom. zur selbständigen COg -Verarbeitung im Lichte befähigt seien. Doch haben sich die Ansichten in jüngster Zeit darüber wesentlich geändert. Eine ganze Reihe echter Bacterien besitzt grüngefärbten Zellinhalt und steht oder stand im Verdachte Chlorophylltätigkeit zu entfalten. So hat Engelmann (1) für das übrigens sehr schwach grüngefärbte Bacter. chlorinum behauptet, daß es eine Spirillenform durch den von ihm im Sonnenlicht entwickelten Sauerstoff aölocke. Ein weiterer Fall von Sauerstoffausscheidung im Lic' te durch grüne Bacterien wird von Wino- GRADSKY erwähnt (2). Weniger bestimmt lauten die Angaben bezüglich des grünen Eubacillus multisporus, welchen Dangeard (3) beschrieben hat. Die von van Tieghem(4) aufgefundenen grünen Bacterienformen, Bacterium viride und der sporenbildende Bacill. virescens enthalten nach Dangeard (5) ein Pigment, welches wohl mit Chlorophyll Ähnlichkeit hat, doch nicht damit identisch genannt werden kann. Die Ernährung des erstgenannten Mikrobiums ist von Cathelineau (S) studiert worden, ohne daß sich Anhaltspunkte für eine COg -Assimilation ergeben hätten. Das gleiche gilt für Bacill. viridescens, eine aerobe durch Billiard(7) studierte Form, und den durch Lasseür(8) bezüglich des Pigmentes erforschten Bacill. chlororaphis. Der Farbstoff der letzteren Art soll der Formel C^^HioNgO entsprechen, krystallisiert, und hat den Namen Chlororaphin erhalten. Bacill. virescens, der von Frick(9) beschrieben ist, ferner der die grüne Kinderdiarrhoe verursachende Bacill. viridis von Lesage (10), endlich Bacill. viridans von Symmers und der große Kaul- quappenbacillus Frenzels(II) kommen wohl ebensowenig als chlorophyll- führend in Betracht. Das von Nadson(12) aufgefundene Chlorobium limi- cola wird in die Nähe von Stichococcus, also zu den Algen, gestellt und soll inaktives Chlorophyll haben, im Lichte keinen Sauerstoff abscheiden. Die Existenz grüner assimilierender Bacterien ist somit noch fraglich und bedarf jedenfalls erneuter kritischer Untersuchung. Am bestimmtesten lauteten aber die Angaben von Engelmann (13) hinsichtlich einer Reihe von rotgefärbten Bacterien, Bacter. photometricum, Chromatium vinosum, Warmingii und Okenii, Clathrocystis roseopersicina, die er als Purpurbacterien zusammenfaßte. Engelmann behauptete, daß der Farbstoff hier ebenso wirke wie Chlorophyll und daß er ein echtes Chromophyll sei, insoweit er die in ihm absorbierte aktuelle Energie des Lichtes in potentielle chemische Energie verwandle. Schon der Entdecker dieser interessanten Bacteriengruppe, RayLankester(14), hat deren Farb- stoff studiert und als Bacteriopurpurin bezeichnet. Mit Alkohol läßt sich das Bacterienpigment vollständig extrahieren. Die rote Lösung wird durch oxydicende Agent ien entfärbt, konzentrierte HjSO^ gibt eine intensiv blaue Reaktion. Infolgedessen rechnete Bütschli(15) das Bacterio- 1) Engelmänn, Botan. Ztg. (1882), p. 324. — 2) Winogradsky, ßeitr. z. Morphol. 11. Physiol. d; Bact., /, 51 (1888). — 3) Dangeaed, Le Botaniete (1891), p. 151; Botan. Zentr., 49, 76 (1892). — 4) van Tieghem, Bull. Soc. Bot., 27, 174 (1880). — 5) Daijgeabd, Ebenda, 50, 322 (1909). — 6) Cathelineau, Ann. Inst. Pasteur, 10, 228 (1896). — 7) G. Billiard, Bull. Soc. Bot., 56, 328, 556 (1909). — 8) Ph. Lasseür, Soc. Bio!., 66, 272 (1909); 70, 154 (1911); Thfese Nancy (1911). Mercier u. Lasseur, Compt. rend., 152, 1415 (1911). Macchiati, Zentr. Bakt. II, 15, 268 (1905). — 9) Frick, Virch. Arch., 116. — 10) P. Lesage, Arch. de Physiol. (1888). — 11) Frenzel, Ztsch. Hyg., //. — 12) G. A. Nadson, Bull. Jard. Imp. Bot. St. P^tersb., 12, 55 (1912). — 13) Engelmann, Botan. Ztg. (1888), p. 693. — 14) Ray Lankester, Quart. Journ. Micr. Sei., 13 (1873); 16 (1876). Cohn, Beitr. Biolog. d. Pfl., /, III (1875). VVarming, Om nogle ved Danmarks levende Bacterier (1876). Enqelmann, Pflüg. Arch., 42, 95 (1883); Kgl. Akad. Amsterdam (24. Dez. 1887). — 15) BüTSCHLi, Bau der Bacterien (1890), p. 9. § 8. Kohlensäureassimilation bei Bacterien. 607 purpurin zu den Lipochromen. In Wasser erwärmt, werden die Purpur- bacterien nach Winogradsky goldbraun, sodann schmutziggrün bis farblos. Auch BÜTSCHLi fand, daß bei Alkoholbehandlung die Chromatiumzellen zunächst deutlich grün werden. Die alkoholische Lösung liefert ein- gedunstet rhombische rote Blättchen, welche eine blaue Schwefelsäure- reäktion und eine grüne Jodreaktion geben. Infolge dieser Angaben wurde bereits in der ersten Auflage dieses Buches die Ansicht vertreten, daß das Bacteriopurpurin wahrscheinlich ein Chromolipoid und einen grünen, vielleicht chlorophyllartigen Farbstoff einschließen dürfte. Diese Vermutung hat sich seither in den Untersuchungen von Molisch (1) bestätigt. Nach den umfassenden Untersuchungen dieses Forschers, der eine ganze Reihe von bisher unbekannten Pupurbacterien in Massen- kulturen gewann, stellt das Pigment eine Mischung eines roten Farb- stoffes, auf den der Namen Bacteriopurpurin übertragen werden kann, und eines grünen als Bacteriochlorin bezeichneten Farbstoffes dar. Das Bacteriopurpurin, dessen Spektrum und Entfärbung am Lichte auch durch Dangeard (2) an einigen Schwefelbacterien geprüft worden ist, kommt nach Molisch in zwei Modifikationen vor. Arcichovskij (3) hat aber noch eine weitere Art dieser Pigmente in Purpurbakterien als Begleitfarbstoff gefunden, das Bacterioerythrin, dessen Spektrum in Alkohol- lösung zwei Absorptionsstreifen mit der Position A = 540— 512 ixfx und 507 — 480 fxix aufweist. Hingegen enthält nach demselben Forscher (4) das purpurrote Infusorium Blepharisma lateritiura einen davon ver- schiedenen Farbstoff, das Zoopurpurin, das nicht zu den Chromolipoiden zu zählen ist. Das Bacteriochlorin fluoresciert nach Molisch schwach rot, besitzt aber keinen Absorptionsstreifen zwischen B und C, wie Chlorophyll, sondern einen Streifen bei D. Man kann daher die Purpur- bacterien nicht zu den chlorophyllführenden Organismen zählen. Molisch hat nun auch die Behauptung von Engelmann bezüglich der Sauerstoff- ausscheidung der Purpurbakterien im Lichte ernstlich erschüttert. Es ist sicher, daß die Purpurbacterien ohne organische Nahrung nicht leben können, daß sie geringeres Sauerstoffbedürfnis haben, aber auch, daß Licht ihr Gedeihen wesentlich begünstigt. Hingegen wird Kohlensäure am Licht nicht unter Sauerstoffausscheidung zersetzt. Da Enqelmann demgegenüber genaue Angaben hinsichtlich Assimilationsoptimum im Ultrarot gemacht hat, so wäre es immerhin zu erforschen, wodurch diese Resultate hervorgerufen worden waren. Nach Engelmann sollten die Purpurbacterien noch die durch eine Lösung von Jod in CSj hindurch- gegangenen Strahlen ausnutzen können. Vielleicht spielt bei diesen Ver- suchen die angewendete Lichtintensität eine Rolle. Das von Nadson (5) aus dem Kaspisee beschriebene Rhodosphaerium difforme soll zwischen Bacterien und Algen stehen. Es hat einen roten in Alkohol unlöslichen Farbstoff, enthält Chlorophyll und scheidet am Lichte Sauerstoff aus. Die von Elfving(6) mitgeteilte Kohlensäure- assimilation durch rote Hefen, Saccharomyces glutinis, ist von anderer Seite nicht bestätigt worden. 1) H. Molisch, Die Purpurbacterien (Jena 1907); Verh. Nat. Ges. (1906). 2, I, 282; Botan. Ztg., 64, I, 223 (1906). — 2) Dangeard, Compt rend., 153, 963 (1911). — 3) V. Arcichovskij, Bull. Jard. Bot. St. P^tersb., 4, Nr. 4 (1904). — 4) Derselbe, Arch. f. Protisteukunde, ö, 227 (1905). — 5) Nadson, Bull. Jard. Bot. St. P^tersb., «,113 (1908). — 6) Elfving, Öf versigt a£ Finsk. Vet. Soc. Förh., 27 (1886). Hansen, AUgem. Brauer- u. Hopfenztg. (1887), p. 1109. 608 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. Von der durch F. Hüeppe(I) als „Chlorophyllwirkiing chlorophyll- freier Pflanzen" bezeichnete Assimilation von Ammoniumcarbonat durch die nitrifizierenden Mikroben wird an anderer Stelle die Rede sein. §9. Chlorophyll und Kohlensäureassimilation bei Tieren. In einer eingehenden Behandlung des so wichtigen und merkwürdigen Prozesses der Kohlensäureassimilation durch die chlorophyllgrünen Pflanzen erscheint es angebracht, einen BUck auf gleichartige Vorgänge im Tier- reiche zu werfen. Zweifellos enthalten mindestens manche Formenreihen von Protozoen ebenso Chlorophyll und assimiheren ebenso CO2 wie die Pflanzen. Abgesehen von dem bekannten Beispiele der Euglenaceen, hat Engelmann (2) darauf hingewiesen, daß es Vorticellen gibt, die im Ekto- plasma Chlorophyll führen und im Licht Sauerstoff ausscheiden, van TiEGHEM(3) fand im Seewasser von Roseoff eine grüne Flagellatenart, Dimystax Perrieri, die im Lichte Sauerstoff ausscheidet. Diese Vorkommnisse werden gewiß nicht vereinzelt stehen. Allerdings sind eine Reihe von anderen Fällen, wie die von Geddes (4) studierten Planarien, die grünen Stentor- formen und Hydra (5), ferner Actinien (6), sowie Convoluta roscoffiensis und paradoxa (7) sowie die grüngefärbten Spongien (8) seither als sichere Fälle von Symbiose einzelhger Algen mit Tieren erkannt worden, worauf wohl zuerst 1876 G. Entz und später besonders Brandt (9) aufmerksam gemacht haben. Es glückte Brandt die aus den Tieren isoherten Zoochlo- rellen und Zooxanthellen weiter zu kultivieren und chlorophyllfreie Tiere derselben Art damit erfolgreich zu infizieren. Die späteren Untersuchungen von Brandt erweiterten die Zahl der in Algensymbiose lebenden Tiere außerordenthch. Famintzin (1 0) ist es gelungen die Zoochlorellen aus Para- maecium und Stentor in künsthcher Nährlösung zu kultivieren. Nach Keeble sind die Zoochlorellen der Convoluta roscoffiensis wahrscheinhch nüt einer Carteriaart identisch. Das sogenannte „Enterochlorophyll", wie es sich in der Schneckenleber findet usw. (1 1 ), stammt aus der verzehrten Nahrung und besteht aus augen- scheinhch wenig verändertem Chlorophyllfarbstoff. Früher hatte man es für ein im Tierorganismus gebildetes Produkt gehalten. Von den verschiedenen grünen Farbstoffen, die bei Tieren, besonders bei den Insekten vorkommen, ist wiederholt die Zugehörigkeit zum Chlorophyll behauptet worden, ohne daß es sich für irgendeinen Fall hätte sicher be- 1) F. HUEPPE, Chem. Zentr. (1887), p. 1512; Arch. Anat. u. Phyeiol., Suppl. (1905), p. 33; Wies. Ergebn. Internat, bot. Kongr. Wien 1905, p. 192 (1906); Verh. Nat. Ges. (1902), /. Vgl. auch H. Kaserer, Ebenda (1906), 2, I. 281. — 2) Enqel- MANN, Pflüg. Arch., 32, 80 (1884). Salut, Quart. Journ. Micr. Sei., 24, 165 (1884). — 3) VAN Tieghem, BuU. Soc. Bot., 27, 130 (1880). — 4) Geddes, Compt. rend., 87, 1Ü95 (1878); Nature, 25, 303 (1882); Proceed. Roy. Soc Edinb. (1882), p. 377. — 5) O. Steche, Hydra u. d. Hydroiden (Leipzig 1911). — 6) W. Tren- delenburg, Arch. Anat. u. Physiol. (1909), p. 42. — 7) Keeble u. Gamble, Proceed. Roy. Soc, 77, B, 66 (1905); Quart. Joum. Micr. Sei., 51, 167 (1907); 52, 431 (1908); Plant- Animals (Cambridge 1910). — 8) A. Weber -van Bosse, Ann. Jard. bot Buitenzorg (2), Suppl- 3, 587 (1910). Marchesetti, Just Jahresber. (1884), /, 349. — 9) G. Entz, Sitz.ber. Klausenburger Ver. Med. u. Nat. (1876); ßiol. Zentr., /, 646 (1880); 2, 451 (1882). K. Brandt, Ebenda, /, 524 (1880); ßotan. Ztg. (1882), p. 248; Arch. Physiol. u. Anat. (1881), p. 570. Für Turbellaria: Haber- LANDT, Just Jahreeber. (1891), 7, 490. — 10) A. Famintzin, M6in. Ac P^tersb. (7), 38, Nr. 4 (1801). — 11) Vgl. Fürth, Vergl. chem. Physiol. d. med. Tiere (1903). p. 202. Gaütiee, Soc. Biol., 55, 1582 (1903). § 10. Einfluß organischer Kohlenstoffnahrung auf die Kohlensäureassimilation usw. 609 stätigen lassen. So weicht nach Przibram (1 ) der Farbstoff der Locustiden durch seine Reaktionen vom Chlorophyll ab, und auch der Goconfarbstoff der Saturnia Yamamai ist kein Chlorophyll (2). Daher ist die Angabe von Macchiati (3) über Chlorophyll und Kohlensäureassimilation bei Aphiden sowie die gleichlautende Ansicht von M. von Linden (4) bezüghch der Schmetterlingspuppen, bezüglich welcher die Nachuntersuchungen zu ab- weichenden Ergebnissen geführt haben (5), mit großer Reserve aufzunehmen. TscHiRCH (6) meinte, daß die Flügeldecken der Canthariden Chlorophyllan enthalten. Für den grünen fluorescierenden Farbstoff der Bonelha viridis ist es sicher, daß er vom Chlorophyll differiert (7). Spektroskopische ÄhnUchkeiten sind auf diesem Gebiete mit großer Vorsicht zu verwerten. § 10. Einfluß organischer Kohlenstoffnahrung auf die Kohlensäure- assimilation grüner Pflanzen. Nicht grüne und grüne Parasiten ; Holosaprophyten. Über den Einfluß der Darreichung von Kohlenstoffverbindungen, in erster Linie von fertig gebildetem Zucker, auf die Chlorophylltätigkeit, hegen verschiedene Erfahrungen vor, welche uns zeigen, daß sowohl Fälle vor- kommen können, in welchen die betreffenden Pflanzen ihr Chlorophyll ver- lieren und zu farblosen, holosaprophytischen Gewächsen werden, als auch Fälle, in denen sich unter Beibehaltung des Chlorophylls saprophytische Ernährung zur Gänze oder teilweise einstellt. Dabei ist aber auch der Lichteinfluß von außerordenthcher Wichtigkeit. Euglena graciUs, die übrigens nach Ternetz und Pringsheim (8) ohne organische Nahrung nur sehr lang- sam wächst, bildet im Dunkeln ohne weiteres farblose Formen aus, die jedoch, wie Ternetz im Anschlüsse an Untersuchungen von Zumstein (9) nachwies, doppelter Natur sind, indem neben richtigen etioherten Zellen mit Leuko- plasten, solche vorkommen, die keine Leukoplasten enthalten. Die letzteren sind durch Abspaltuhg aus monoplastiden Individuen entstanden und sind im Gegensatze zu den Leukoplasten führenden Individuen nicht zum Er- grünen im Lichte befähigt. Der Fall von Chlorella variegata, den Beijerinck beschrieb, wo grüne, gelbhche und farblose Zellen unter gleichen Kulturbe- dingungen nebeneinander vorkommen, bedarf noch weiterer Aufklärungen (1 0). Einige einzelüge Grünalgenformen reagieren auf Verdunkelung und organische Ernährung leicht durch Chlorophyllmangel, so Stichococcus bacillaris (11), wo nach Artari die Art der Stickstoffnahrung über das Ergrünen im Dunkeln auf Zuckerlösung entscheidet, indem wohl Asparagin imd Pepton, nicht aber Kaüumnitrat Ergrünen herbeiführt. Nach Adjaroff wächst auch 1) H. Przibram, Lieb. Ann., 35h 44 (1907). Hingegen: Podiapolsky, Blol. Ztsch. Moskau, I, /, 5 (1910); Zoolog. Anzeig., j/, 302 (1907). — 2) Gautier, Soc. Biol. (4. Jan. 1907). Villard, Compt. rend. (11. Juli 1904). — 3) Macchiati, Just Jahresber. (1883), /, 66. — 4) M. v. Linden, Die Assimilationstätigkeit bei Schmetterlingspuppen (Leipzig 1912); Arch. Anat. u. Physiol. (1906), Suppl. /, p. 1; (1907), p. 161; (1909), p. 34. — 5) T. v. Brücke, Ebenda (1908), p. 431; (1909), p. 405. DuBOis u. Couvreür, Soc. Biol., 57, 219 (1907). Mirande, Ebenda (6. Dez. 1907). — 6) TscHiRCH, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884), p. 31. — 7) R. DuBOis, Soc. Biol. (22. Dez. 1906); 62, 654 (1907). — 8) Gh. Ternetz, Jahrb. wiss. Botan., 51, 435 (1912). E. G. Pringsheim, Beitr. Biolog. d. Pfl., 12, 1 (1913). — 9) H. Zumstein, Jahrb. wiss. Botan., 34, 149 (1900). — 10) Beijerinck, Rec. trav. bot. Nöerland, /, 14 (1904). — 11) Matruchot u. Molliard, Compt. rend., 131, 1249 (1900). Artari, Bull. Soc. Natur. Moscoue (1899), Nr. 1; Ber. Botan. Ges. (1902), p. 172 u. 201. Adjaroff, Inst. bot. Univ. Genfeve (6), 7 (1905). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 39 610 Zwanzigstes Kapitel : EohlensäureTerarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. Protococcus chlorophyllfrei auf Zuckerlösung. Hingegen gelang die Chloro- phyllunterdrückung durch xenotrophe Kultur nicht bei Scenedesmus acutus und Pleurococcus nach Artari, Protococcus caldariorum nach Pampaloni (1), Nostoc nach Bouilhac (2), ebensowenig bei den Conidienalgen von Xanthoria und Gasparrinia. Ludwig (3) meint, daß gewisse von ihm als ,,Caenomyceten" bezeichnete Organismen aus dem Schleimflusse von Bäumen, geradezu als infolge des zuckerreichen Substrates farblos gewordene Algen bezeichnet werden können. Vielleicht ist es eine verbreitete Erscheinung, daß sich bei Zuckerkultur an den Chloroplasten gewisse Veränderungen einstellen, welche sich nach Wiederherstellung autotropher Kultur wieder verüeren, wie es Klebs(4) bei Funaria und Elodea beobachtet hatte, und wie sie nach Lud- wig auch an niederen Algen in Zuckerlösung auftreten sollen. Ewart (5) hat die Assimilationsaktivität solcher Chloroplasten mit Hilfe der Bacterien- methode geprüft. Andererseits fand Palladin (6), daß etioHerte Blätter im Lichte rascher ergrünten, wenn er sie auf Zuckerlösung legte, als wenn ihnen nur reines Wasser dargereicht wurde. Über den Gaswechsel unter dem Einflüsse von organischer Nahrung hegen erst spärHche Untersuchungen vor. Molliard fand die COg-Assi- milation bei Rhaphanus unter dem Einflüsse von Zuckerdarreichung sehr gesteigert. Für die saprophytischen farblosen Diatomeen (7) wird nicht berichtet, ob es mögUch ist, dieselben autotroph mit Chromatophorenpigmenten zu erhalten. Da es verschiedene sehr farbstoffarme Diatomeenformen gibt, so wäre es immerhin möghch, daß manchmal fakultative Unterdrückung der Farbstoffbildung vorkommt. Von den parasitischen und saprophytischen Blütenpflanzen darf man wohl sagen, daß eine ganz geringe Assimilations- tätigkeit und Farbstoffausbildung viel weiter verbreitet ist als es den Anschein hat. Aus der scheinbar chlorophyllfreien Cuscuta hat Temme (8) Chlorophyllfarbstoff dargestellt und auch eine schwache Sauerstoffabgabe im Lichte durch diese parasitischen Pflanzen beobachtet. Die Bacterien- methode ergibt nach Ewart und Josopait(9) sogar eine ziemUch lebhafte Sauerstoffentwicklung im Lichte. Selbst die braunen Chromatophoren der streng holoparasitischen Orobanchen, deren Chlorophyllgehalt auf anderem Wege noch nicht sichergestellt werden konnte, scheiden im Licht nach JosoPAiT deuthch Sauerstoff aus» Die grünen Hemiparasiten aus der Familie der Rhinanthaceen, wie Euphrasia, Alectorolophus, Bartschia und andere, denen BoNNiER(10)eine schwächere Assimilationstätigkeit zugeschrieben hatte, zeigen nach Ewarts Versuchen mittels der Bacterienmethode, ganz normale Sauerstoff ausscheidung, und auch nach den Untersuchungen von Hein- richer und Seeger(II) kann man diesen sich durch Wiu-zelhaustorien er- nährenden Gewächsen nur eine vollkommen normale Chlorophylltätigkeit 1) Pampaloni, Ann. di Botan., 2, 231 (1905). — 2) Bouilhac, Compt. rend., /jj, 55 (1901). Scenedesmus: Grintzesco, Rech. exp. sur la Morphol. et Physiol. des Scenedesmus (Genfeve 1902). Für Chlamydomonas vgl. Artari, Jahrb. wiss. Botan., 5«, 410 (1913); Cyanophyceen : E. G. Pringsheim, Beitr. Biol. d. Pfl., 12, 49 (1913). — 3) F. Ludwig, Forschungsber. Plön (1899), V, p. 75. Heinze, Zentr. Bakt., 12, 55 (1904). — 4) Klebs, Untersuch, bot. Inst. Tübingen //. 557 (1888). — B) Ewart, Journ. Linn. Soc, 31, 450 (1896). — 6) Palladin, Rev. g4n. Botan., 9 (1897); Ber. Botan. Ges. (1902), p. 224; Ebenda (1891), p. 229; Compt. rend., 125, 827 (1897). — 7) Vgl. O. Richter, Verhandl. Naturf. Ges., 2, I, 280 (1906); Lotos (1906), p. 186. — 8) F. Temme, Ber. Botan. Ges., /, 485 (1883). Vgl. auch Mirande, Botan. Zentr., 92, 252 (1903). Molliard, Compt. rend., 147, 685 (1909). — 9) Josopait, Diss. (Basel 1900). — 10) Bonnier, Compt. rend., 113, 1074 (1891); Soc. Biol. (1889), p. 651. — 11) E. Heinricher, Jahrb. wiss. Botan., 47, 539 (1910). R. Seeger, Sitz.ber. Wien. Ak., 119, I, 987 (1910). Gautier, Zentr. Bakt. II, 15, 759 (1906). § 11. Die Rolle des Chlorophyllfarbstoffee bei der Kohlensäureassimilation. 611 zuschreiben. Für Viscum wurde das gleiche schon durch Luck(1) aufge- funden. In den gelbUchen Chromatophoren der saprophytischen Orchidee Neottia Nidus avis wurde durch Wiesner und Drude der Ghlorophyll- gehalt nachgewiesen (2), Diese Pflanze entläßt bei Behandlung mit siedendem Wasser einen braunen Farbstoff und nimmt hellgrüne Farbe an. Manche Autoren (3) haben deswegen angenommen, daß Chlorophyll erst cius einem präexistierenden braunen Pigment abgespalten wird; es bedarf aber die An- gelegenheit erneuter Untersuchung, da es leicht mögUch ist, daß hier ana- loge Verhältnisse vorliegen wie bei den Braunalgen, und gewöhnliches Chloro- phyll nativ vorhanden ist. AuchLimodorum abortivum enthält Chlorophyll (4), doch ist nach Griffon (5) der Kohlensäurekonsum im Lichte bei dieser Pflanze nicht so groß, wie die gleichzeitig produzierte Menge der Atmungs- kohlensäure. Bei Monotropa sind die Versuche von Drude und Josopait, Chlorophyll resp. Sauerstoffausscheidung im Licht nachzuweisen, nicht ge- glückt. Vielleicht hegt hier wirkhch ein Fall extremsten Saprophytismus vor. Drosera zeigt nach Musset (6) ganz normale Assimilationsenergie ihrer Blätter. Bemerkt sei noch, daß in den Versuchen von LEFfiVRE (7) über die Möghchkeit, grüne Pflanzen unter Darreichung von Amiden im Licht ohne COa" Darreichung zu ernähren, der Chlorophyllgehalt anscheinend keine Alteration erfuhr. § 11. Die Rolle des Chlorophyllfarbstoffes bei der Kohlensäure- assimilation. Die hohe Bedeutung des Chlorophyllfarbstoffes für die Kohlensäure- verarbeitung am Lichte war bereits Ingen-Housz und Senebier voll- kommen klar, und auch Saussüre würdigte die Rolle des Chlorophylls in vollem Maße, wenn er sich auch bezüglich seiner Versuche mit der roten Gartenmelde wohl allzu vorsichtig ausdrückte (8). Besonders hat aber in der Folge J. Sachs die hohe Bedeutung des Chlorophyllfarb- stoffes in das rechte Licht gestellt und seine Vermutung, daß selbst die roten und braunen Algen „verkapptes Chlorophyll" enthalten dürften, wurde, wie wir sahen, voll bestätigt. Ohne Chlorophyll verarbeiten überhaupt nur bestimmte Bacterienformen die Kohlensäure zu organischen Verbindungen, unter denen die von Hueppe und Winogradsky studierten Nitrifikationsmikroben und einige andere, darunter besonders die Wasser- stoff oxydierenden Bacterien, zu nennen sind. Die Prüfung der Frage, ob etiolierte Chloroplasten imstande sind COj zu zerlegen, stößt des- wegen auf unüberwindliche Schwierigkeit, weil das Chlorophyllogen äußerst rasch nach Beginn der Belichtung in wirkliches Chlorophyll übergeht. Andererseits beweisen jene Fälle, in denen Chloroplasten ohne Chlorophyll in albinotischen Blattstellen unwirksam sind, nicht allzuviel für die Rolle des Chlorophyllfarbstoffes, weil auch das Chloroplastenstroma möglicher- weise Unterschiede gegenüber der Norm aufweist. Sei dem wie immer, jedenfalls beweist die ungeheure Verbreitung des Chlorophyllfarbstoffes 1) E. LucK, Lieb. Ann., 7«, 85 (1851). — 2) Wiesner, Flora (1874), p. 73; Jahrb. wiss. Botan., 8, 574. Drude, Biologie v. Monotropa u. Neottia (1873), p. 17. — 3) LiNDT, Botan. Ztg. (1885), p. 825. Prii.lieux, Compt. rend., 76, 1530. Molisch, Botan. Ztg., 63, i, 131 (1905). — 4) Chatin, Just Jahresber. (1874), //, 442. — 5) Griffon, Compt. rend., 127, 973 (1899); Ann. Sei. Nat. (8), w, 1 (1899). — 6) Musset, Compt. rend., 97. 199 (1883). — 7) J. Lefevre, Ebenda, 143, 322 (1906); Rev. g6n. Botan., 18, 145 (1906). — 8) Saussure, Recherch. chiraiques (1804), p. 56. 39* 612 Zwanzigstes Kapitel : KohlensÄureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. bei assimilierenden Pflanzen und der innige Zusammenhang zwischen Assimilation und Chlorophyllbildung zur Genüge die -überaus große Be- deutung des Chlorophylls. Nach Friedel(I) soll der grüngefärbte Fruchtträger von Ornithogalum arabicum nicht assimilatorisch aktiv sein. Solche Fälle von Inaktivierung chlorophyllhaltiger Organe^ können mög- licherweise sehr zur Aufhellung der Rolle des Chlorophylls beitragen. Temporäre Inaktivierung durch verschiedene chemisclie und physikalische Einflüsse haben Pfeffer und Ewart(2) experimentell hervorgerufen. Trockene und feuchte Hitze bis 60 <• resp. 38 ^'j niedere Temperatur um 0^ irrespirable Gase, wie Wasserstoff, Äthernarkose, verdünnte Säuren und Alkalien, Antipyrin, Einlegen in Zuckerlösung, intensive Besonnung, stark plasmolysierende Flüssigkeiten wirken alle in demselben Sinne. Es liegt nahe, anzunehmen, daß hier das Stroma der Chloro- plasten von der Schädigung betroffen wurde und der Chlorophyllfarbstoff für sich allein nicht ausreicht, um den Prozeß der COj -Assimilation durchzuführen. Da aber chlorotisch gewordene Chloroplasten ihre Fähigkeit Stärke aus Zucker zu bilden beibehalten, hingegen keine Sauerstoff- ausscheidung im Lichte zeigen, so muß es der Prozeß der Zucker- synthese sein, der durch alle die genannten Faktoren alteriert wird. Die Assimilationsfähigkeit der Chloroplasten dürfte sofort nach ihrer Zerstörung noch nicht erlöschen, da es Beijerinck(3) gelungen ist, an den frisch zerriebenen Chloroplasten mit Hilfe von Leuchtbacterien die Sauerstoffentwicklung am Lichte zu konstatieren. Nach Molisch (4) soll es selbst möglich sein, die Sauerstoffausscheidung an einer durch Papier filtrierten Aufschwemmung von vorsichtig im Exsiccator getrocknetem Pulver aus Lamiumblättern zu beobachten. Wenn Bernard (5) dieses Ergebnis nicht wieder erzielen konnte, so mag daran die Mangelhafte Konservierung beim Trocknen schuld gewesen sein. Die Versuche be- weisen allerdings höchstens so viel, daß es möglich ist, die zerriebenen Chloroplasten bis zu einem gewissen Grade, unbeschadet der Fähigkeit Sauerstoff auszuscheiden, zu konservieren, wenn nicht okkludierter' Sauer- stoff die Leuchtbacterienreaktion veranlaßt hat. Schon früher hatte Friedel(6) behauptet, daß es möglich sei, beim Zusammenbringen von Glycerinextrakt aus frischen Blättern mit rasch und vorsichtig ge- trockneten fein gepulverten Blättern im Licht COj-Zerlegung und Sauer- stoffentwicklung festzustellen. Doch sind diese Versuche in der Folge wiederholt, darunter auch von Friedel selbst, ohne Erfolg geprüft worden (7). Es ist in der Tat auch sehr unwahrscheinlich, daß man auf diesem Wege zu einem positiven Resultate gelangen kann, weil es zu den ersten Vorbedingungen gehören müßte, den Chlorophyllfarbstoff mit dem Stroma in die feinste und innigste Mischung zu bringen, was in der beschriebenen Weise unmöglich erreicht werden kann. Auch mit dem Preßsaft aus Blättern sind mehrmals, so von Herzog und von Herlitzka vergebliche Versuche gedaacht worden, um in der Autolyse 1) Friedel, Coiupt. rend., 142, 1092 (1906). — 2) Pfeffer, Ber. math.-phys. Klasse Kgl. Sachs. Ges. d. Wiss. (1. Juni 1896). — 3) Beijerinck, Kgl. Akad. Amsterdam (25. Mai 1900). Auch Baldasseroni, Ann. di Botan., 4, 287 (1906). — 4) H. Molisch, Botan. Ztg., 62, i, 1 (1904); Wiss. Ergebn. internat. bot. Kongr. (Wien 1905), p. 179. — B) Gh. Bernard, Beihefte bot. Zentr., 19, I, 59 (1905). — 6) J. Friedel, Gompt. rend., 132, 1138 (1901). — 7) J. Friedel, Ebenda, 133, 840(1901). Harroy, Ebenda, p. 890. Molliard, Bull. Soc. Bot (1907), p. 191. Bernard, Bull. Herb. Boissier, j, 94 (1905); Gompt. rend., 140, 509(1905); Beihefte bot. Zentr., 16, 36 (1904). PoLLACCi, Botan. Zentr., pj, 425 (1904). § 11. Die Rolle des Chlorophyllfarbstoffes bei der Koblensäureassimilation. 613 an dem Organmaterial die Kohlensäureassimilation festzustellen (1). Die anderslautenden Angaben von Macchiati(2) stehen diesem Material isoliert gegenüber. Die ersten Theorien über die Wirkung des Chlorophyllfarbstoffes schlössen sich an die auffallende Erscheinung an, daß Chlorophylltinktur im Lichte durch Oxydationswirkungen verbleicht. Es lag nahe, anzunehmen, daß sich analoge Erscheinungen bis zu einem gewissen Grade auch im lebenden Chloroplasten abspielen, und man kam so zu der Ansicht, daß sich in den Chlorophyllkörnern stete Neubildung und Zerstörung des Farb- stoffes abspiele [Wiesner, Timiriazeff (3)]. Der letztgenannte Forscher be- nutzte zuerst diese Vorstellung zur Entwicklung einer Assimilationshypothese, indem er annahm, daß das Licht das Chlorophyll unter Sauerstoffabgabe zu einer braungelben Substanz („Phylloxanthin") reduziere und die grüne Farbe sich durch den bei der Dissoziation der Kohlensäure in CO und 0 freiwerden- den Sauerstoff wiederherstelle. Auch bei der später durch Pringsheim (4) verfochtenen sogenannten „Lichtschirmtheorie" spielt die Chlorophyll- zerstörung durch das Licht eine große Rolle, doch betonte Pringsheim viel schärfer als Wiesner, daß dieser Zersetzungsprozeß in keiner Beziehung zur Kohlensäureverarbeitung stehe. Pringsheim fand, daß die Chlorophyll- zerstörung in konzentriertem kalten Sonnenhcht nur bei Sauerstoffgegen- wart stattfindet, wogegen Gegenwart von COg bedeutungslos ist. Da lebende Chloroplasten an den insoüerten Stellen keine Chlorophyllregeneration mehr zeigten, so wollte Pringsheim daraus schheßen, daß die Chlorophyll- zerstörung im Lichte kein normaler physiologischer Akt sei. Doch ist dabei nicht darauf Rücksicht genommen worden, daß durch die starke Insolation auch das Stroma geschädigt sein mußte, weshalb die Chlorophyllneubildung ausbUeb. Das Chlorophyll sollte nach Pringsheim nur die durch die chemisch wirksamen Strahlen erhöhte Atmungsintensität herabzusetzen haben, und so wie eine schützende Decke den schädlichen Lichteinfluß auf das Protoplasma mäßigen. Nach Pringsheims Ansichten müßten auch farblose Chloroplasten unter geeigneten Bedingungen assimiüeron, was nie beobachtet wurde; ferner ist die Annahme einer so intensiven Steigerung der Atmung durch Licht durchaus unbewiesen, und man kann schheßhch durch einen Chlorophyllschirm auch die Atmung farbloser Pflanzenteile nicht herab- setzen (5), TSCHIRCH (6) sprach die Vermutung aus, daß der Chlorophyll- farbstoff im lebenden Chromatophor durch das Licht oxydiert und anderer- seits regeneriert werde. COg-Anfügung und Og-Abgabe solle am Chloro- phyllmolekül selbst geschehen. Viel aussichtsreicher muß es erscheinen, die optischen Eigenschaften des Chlorophyllfarbstoffes, die Lichtabsorption und Fluorescenz. mit seiner physiologischen Rolle in Verbindung zu bringen. Schon Dumas (7) und 1854 auch Helmholtz(8) hatten die Quelle der Energie bei der Bildung 1) Herzog, Ztsch. physiol. Chem., 35, 459 (1902). A. Herlitzka, Biochem. Ztsch., 38, 321 (1912). — 2) Macchiati, Bell. Soc. Botan. Ital. (1901), p. 323; (1902), p. 129: (1903), p. 196; Compt. rend., 13S, 1128 (1902); Rev. g^n. Botan., 15, 20 (1903). — 3) WiESNEE, Sitz.ber. Wien. Ak., 69, I (1874); Botan. Ztg. (1874), p. 116. Timiriazeff, Über d. Chlorophyll (1872). — 4) Pringsheim, Monatsber. Berlin. Ak. (1879 u. 1881); Jahrb. wiss. Botan., 12, 288 (1881). — 6) Kritik: Reinke, Botan. Ztg. (1883), p. 732; (1884X p. 56. Pfeffer, Physiologie, 2. Aufl., /, 325. — 6) TscHiRCH, Kosmos (1885), /, 260. — 7) Dumas, Essai de statique chim. d'ltres organ. (1824), p. 24. — 8) Helmholtz, Wechselwirkung d. Natur- kräfte (1854), p. 37. 614 Zwanzigstes Kapitel : Eohlensäureverarbeit u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. organischer Substanzen im Sonnenlicht durch die grünen Pflanzen in der Lichtabsorption durch den Farbstoff gesucht, dabei allerdings nur an die chemisch wirksamen kurzwelligen Strahlen gedacht, ohne auf die Fluorescenz Rücksicht zu nehmen. Erst Lommel(I) hat 1871 sich präzise dahin ausgesprochen, daß bei der photosynthetischen Tätigkeit der Pflanzen besonders jene Strahlen im Rot eine Wirkung entfalten müssen, welche der Region des Absorptionsmaximums entsprechen, so daß Absorptionsmaximum und Assimilatibnsoptimum zusammenfallen. Da nun auch das Fluorescenzlicht des Ghlorophyllfarbstoffes dieser Strahlen- gattung entspricht, so mußte sich die Bedeutung der Fluorescenz für die Funktion von selbst aufdrängen. Becquerel(2) hat daraufhin ge- zeigt, daß das Chlorophyll mit Chlorsilber gemischt auch in dem Distrikte zwischen B und C des Spektrums eine Silberausscheidung, veranlaßt, die sonst bei Belichtung von Silbersalzen nicht auftritt. Timiriazeff (3) hat diesen Versuch sodann in ähnlicher Weise mit dem gleichen Erfolg wiederholt und es gebührt diesem Forscher das Verdienst, für das Chlorophyll die Transformation kurzwelliger Strahlen in langwellige, 'die Assimilation kräftig fördernde Strahlen als physiologische Rolle zuerst vindiziert zu haben. Etwas ähnliches findet aber, wie wir wissen (4), bei der Sensibilisierung von photographischen Platten durch eine Reihe von stark fluorescierenden Farbstoffen statt und so kam Timiriazeff (5), welcher diesen Gedanken seit 1875 erwog6n und in trefflichen Studien erläutert hat, zu der Auffassung des Chlorophyllfarbstoffes als SensibUi- sator im Assimilationsprozesse, welcher eine möglichst ausgiebige Aus- nutzung von Lichtstrahlen für die chemische Arbeit im Chloroplasten zu ermöglichen hat. Seit dieser Zeit wird die physiologische Rolle des Chlorophylls meist als Sensibilisierung für die absorbierten kurzwelligen Strahlen aufgefaßt. Eine erhöhte Bedeutung gewann diese Auffassung in neuester Zeit durch die Erforschung der sogenannten photodynamischen Wirkungen von fluorescierenden Farbstoffen durch Tapfeiner und Jodl- BAUER und deren Schüler, von denen besonders Hausmann sich um die Kenntnis der einschlägigen Erscheinungen am Chlorophyllfarbstoff verdient gemacht hat (6). Chlorophyll, in sehr verdünntem Methylalkohol gelöst, wirkt nämlich genau so hämolytisch auf rote Blutzellen und giftig auf Infusorien im Licht wie irgendein anderer fluorescierender Farbstoff. Die Parallele mit diesen photodynamischen Erscheinungen, die so wie Chlorophyllwirkung bei Abwesenheit des Farbstoffes und im Dunkeln nicht eintreten, ist noch vollkommener als die Ähnlichkeit mit der Sen- sibiUsierung von Silbersalzen, bei der man immerhin sagen kann, daß es sich nur um eine Erweiterung einer auch sonst bestehenden Wirkung 1) LoMMEL, Pogg. Ann., 143, 568 (1871). Pfeffer, Ebenda (1873), p. 86; Botan. Ztg. (1872), p. 425. — 2) Becquerel, Compt. rend., 79, 185. Gros, Ebenda, 88, 379 (1879). — 3) Timiriazeff, Compt. rend., wo, 851 (1885). — 4) Vogel, Ann. Phys. u. Chem., 150, 453 (1873). — 5) Timiriazeff, Just Jahresber. (1875), p. 783; Arbeit. Petersburg. Ges. Naturf., 13, 9, 10, 135 (1882); Compt. rend., 96, 375 (1883); 102, 686 (18Ö6); 109, 379 (1889); Ann. de Chim. et Phys. (5), 12 (1877); Ann. Sei. Nat. (7), 2, 99 (1885); Proceed. Roy. Soc. (1903), p. 421. Verwertung d. Chlorophylls als Sensibiliaator photograph. Platten: Liesegang, Chem. Zentr. (1894), /, 636. Neühauss, Photograph. Rdsch., 16, 1 (1902). — 6) H. v. Tappeiner, Ergebn. d. Physiol., 8, 698 (1909). Pfeiffer in Abderhaldens Handb. d. biochem. Arb.meth., 5, I, 563 (1911). W. Hausmann u. Kolmer, Biochem. Ztsch., 15, 12 (1908); 16, 294 (1909). Hasselbalch, Ebenda, 19, 435 (1909). Hausmann u. Port- heim, Ebenda, 21, 10 (1909); 30, 276 (1911); Ber. Botan. Ges., 26a, 452 (1908); Jahrb. wiss. Botan., 46, 599 (1909). § 11. Die Rolle des Ghlorophyllfarbstoffes bei der EohlensäureasBimilation. 615 handle, nicht aber um eine neu hinzutretende Erscheinung (1). Deshalb wird man mit Hausmann besser die Wirkung des Chlorophyllfarbstoffes als eine photodynamische bezeichnen. Bei allen derartigen Wirkungen fluorescierender Stoffe muß nach dem von Abney aufgestellten Prinzip die absorbierte strahlende Energie dazu verwendet werden, Zersetzungen der betreffenden Farbstoffe einzu- leiten. So wird auch die Zersetzung des Chlorophyllfarbstoffes im Licht als eine Teilerscheinung der photodynamischen Wirkung mit in Betracht kommen. vSelbstverständlich ist mit der Annahme photodynamischer Wir- kungen seitens des Chlorophylls keine Erklärung der eigenartigen Effekte des Pigmentes bei der Kohlensäureassimilation gegeben. Doch lassen sich über die Art der chemischen Vorgänge, die sich an die Umsetzung der strahlen- den Energie anschheßen, derzeit kaum irgendwelche bestimmte Vorstellungen entwickeln. Die älteren Ansichten hierüber lauten recht allgemein. So lesen wir bei Hoppe- Seyler sehr interessante Ausführungen (2), die in dem Satze gipfeln, daß die das Fluorescenzhcht aussendende Atomgruppe be- sonders große Beweghchkeit entwickle, wodurch die chemische Arbeit haupt- sächhch von dieser Gruppe geleistet werde. Reinke (3) Heß ebenfalls die Zerlegung der COg von der chemischen Tätigkeit der die B-C- Strahlen absorbierenden Atomgruppe des Chlorophyllmoleküls abhängen. Häll- STRÖM spricht (4) von einer Entstehung Hchtempfindhcher COg- Additions- produkte des Chlorophylls. Willstätter hat in neuester Zeit dem Mag- nesium eine bestimmte Rolle in der chemischen Wirkung des Chlorophyl'- farbstoffes zugeschrieben und erinnert an die GRiGNARDsche Synthese mit Hilfe organischer Magnesiumverbindungen. Daß man durch met^- hsches Magnesium Reduktion der COg erreichen kann, und zwar unter Formaldehydbildung, hat Fenton (5) gezeigt. Doch nehmen diese Theorien wieder nicht ausdrücklich auf die photodynamischen Wirkungen des Chloro- phylls Bezug. Grundsätzhch irrig ist es, wie Rülf (6) es tut, dem Chloro- phyll eine Rolle als Katalysator zuzuschreiben, da es in der Natur photo- dynamischer Wirkungen hegt, daß der Farbstoff dabei verbraucht wird. Es ist auch unter der Annahme photodynamischer Chlorophyllwirkungen nicht zu erwarten, daß der Chlorophyllfarbstoff für sich allein imstande ist, die CO2 unter Sauerstoffabscheidung zu zerlegen. Allerdings wiu'de dies wiederholt behauptet, zuletzt von Usher und Priestley, sowie von Schry- ver(7). Doch scheinen kritische Wiederholungen der mit Chlorophyll- films angestellten Versuche dieser Autoren ergeben zu haben, daß die posi- tiven Ergebnisse über Kohlensäurereduktion unter diesen Verhaltnissen sich nicht aufrecht erhalten lassen (8), Die photodynamische Farbstoff- wirkung setzt vielmehr voraus, daß Farbstoff und Reaktionssubstrat nüt- einander in innigem Lösungsgemisch vorhegen, und voraussichthch werden ultramikroskopisch auflösbare Verteilungsgrade des Chlorophyllfarbstoffes nicht mehr ausreichen, um eine Wirkung im Substrate zu erzeugen, wie man 1) Vgl. H. Molisch, Wiss. Ergebn. Internat, bot. Kongr. Wien 1905, p. 179 (1906). J08T, Vorlesungen üb. Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., p. 151 (1908). — 2) Hoppe-Seyler, Ztsch. physiol. Chera., 3, 339 (1879). — 3) Reinke, Ber. Botan. Ges., /, 419 (1883); Botan. Ztg. (1884), p. 53. — 4) J. A. af Hällström, Ber. Chem. Ges., j5, 2288 (1905). — 5) Fenton, Proc. Chem. Soc, 23, 83 (1907). — 6) J. RÜLF, Ztsch. allgem. Physiol., 6, 493 (1907). — 7) Usher u. Priestley, Proceed. Roy. Soc. 84, B, 101 (1911). Schryver, Ebenda, 82, 226 (1910); Chem. News, loi, 64 (1910). — 8) Ewart, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 30 (1908). Mameli u. PoLLACCi, Atti Ist. Botan. Pavia (2), 13, 257 (1908). 616 Zwanzigstes Kapitel: KohlenBäureverarbeit. u. ZuckereynthcBe im Chlorophyllkom. aus Analogien mit photodynamischen Giftwirkungen vermuten darf. Umso aussichtsloser ist es, hinter einem Schirm von Chlorophyllösung eine Farbstoffwirkung auf das Reaktionssubstrat erwarten zu wollen. Wie TswETT (1) ausgeführt hat, i^t es nicht unmöglich, daß das Chloro- phyll nicht nur solange das rote Licht ausstrahlt, als es dem Licht aus- gesetzt ist, eine Erscheinung, die man als Photoluminescenz zu bezeichnen pflegt, sondern daß es auch wenigstens geringgradige echte Phosphorescenz aufweist, d. h. auch nach dem Aufhören der erregenden Bestrahlung fort- fährt, seine spezifischen Strahlengattungen auszusenden. Konsequenterweise muß man bei Annahme photodynamischer Wir- kungen durch Chlorophyll auch für die übrigen fluorescierenden Pflanzen- pigmente die analoge Bedeutung in Anspruch nehmen, und es scheint nichts im Wege zu stehen, das Phycocyanin und das Phycoerythrin in ähnlicher Weise zu beurteilen. Daß lebende Florideen nicht fluorescieren und die Fluorescenz erst, wie Reinke(2) zeigte, an diesen Algen postmortal sichtbar wird, beweist natürlich nur, daß die Bedingungen zur Sichtbar- machung der Fluorescenz während des Lebens in den Chloroplasten nicht vorhanden sind. A. v. Richter (3), der nur dem Chlorophyll der Meeresalgen eine direkte Bedeutung für den Assimilationsprozeß zu- erkennen will und die anderen Pigmente mit der Ombrophilie der Algen in Beziehung bringt, scheint diese Einschränkungen ohne hinreichenden Grund zu machen. Die Ausbildung der genannten Pigmente durch tiefenbewohnende Algen erscheint mir im übrigen, im Einklänge mit der Auffassung von Stahl (4), am besten als Anpassung an jene Strahlen zu deuten zu sein, welche daselbst am reichlichsten zur Verfügung stehen. So ist aber auch nach Stahl das Grün der Landpflanzen eine Anpassungsfärbung an die im Sonnenlichte am ausgiebigsten zur Verfügung stehenden roten und gelben Strahlen, welche den Pflanzen bei Genuß des direkten Sonnenlichtes den Hauptteil der Lichtenergie liefern. Nach TiMiRiAZEFF beträgt die vom Chlorophyll absorbierte Strahlen- energie gegen 27% der Sonnenlichtenergie. Der maximale Ausnutzungs- koeffizient ist 3,3 °/o, unter Hinzurechnung der „Chlorovaporisation" 8^/q. Bei schwachen Lichtintensitäten nimmt die Kohlensäurezersetzung mit der Beleuchtungsstärke rasch in porportionalem Verhältnis zu, aber schon bei V2 der direkten Insolation wird der Betrag konstant, da sich der Kohlensäuregehalt der Luft als limitierender Faktor geltend macht. TiMiRiAZEFF hat die theoretische Forderung scharf betont, daß die Größe der Kohlensäurezerlegung der Energie, mit welcher die Lichtstrahlen im Chlorophyllspektrum absorbiert werden, proportional sein muß. A. Richter hat den zweiten Grundsatz abzuleiten versucht, daß die Assimilations- energie der gesamten absorbierten Lichtmenge, unabhängig von der Wellenlänge, proportional ist (5). Dabei darf man sich nicht daran stoßen, daß die Assimilationsversuche ein Maximum im roten Licht er- geben haben, da bisher meist nicht auf streng vergleichbare Intensitäten der untersuchten Strahlengattungen geachtet worden ist. Ist der Licht- genuß auf die alleinige Darbietung des blauen Himmelslichtes einge- 1) TswETT, Ztsch. physikal. Chem., 74, 413 (1911). — 2) Reinke, Botan. Ztg. (1886), p. 179. — 3) A. v. Richter, Ber. Botan. Ges., 30, 280 (1912); Bull. Acad. Imp. Sei. P^tersb. (1912), p. 727. — 4) Stahl, Zur Biologie d. Chlorophylls (Jena 1909); Naturwiss. Woch.achr. (1906), p. 289. — 5) A. Richter, Rev. g^n. de Bot., 14, 151 (1902). § 11. Die Rolle des Chlorophyllfarbstoffes bei der Kohlensäureassimilation. 617 schränkt, so tritt nach Stahl der relative Anteil des roten Lichtes im Assimilationseffekt so weit zurück, daß eine Differenz zu gunsten des roten Anteiles nicht mehr nachweisbar ist. Die Ausnutzung des blauen Anteiles kommt wohl gleichfalls auf Rechnung des Chlorophylls, dessen Absorption im Blau und Violett ja eine erhebliche ist, besonders bei der gelbgrünen Komponente des Chlorophylls. Man hat es nicht nötig mit Kohl (1 ) an eine Beteiligung der carotinartigen Chloroplastenpigmente zu denken, wogegen namentlich das Nichtvorhandensein der Fluorescenz bei diesen Farbstoffen spricht. Detlefsen (2) hat den experimentellen Nachweis erbracht, daß die von einem assimilierenden Blatte absorbierte Lichtmenge größer ist als jene Lichtmenge, welche dasselbe Blatt in derselben Zeit in kohlensäure- freier Luft unter Ausschluß der Assimilation absorbiert. Allerdings sind fortgesetzte Versuche in dieser Richtung unter Benutzung der modernen Versuchsmittel sehr erwünscht. Später hat Engelmann (3) gefunden, daß die von Langley (4) ermittelte Energiekurve des Sonnen- lichtes eine ziemliche Übereinstimmung mit der Energiekurve für die Assimilation zeigt. Das Maximum gleich 100 gesetzt, waren die er- mittelten Werte die folgenden: A = 680 622 600 589 573 558 522 486 431 fxfx Satewerte} ^^ 95 99 100 95 90 71 56 29 „ Langleys f 89,5 96,5 98 99,5 100 96 89 78 48 „ Energiewerte \ 86 98,5 100 99 98,5 97,5 92 73 47,5 „ Darauf gründete Engelmann den Satz, daß die Assimilationsenergie gleich sei der Absorptionsenergie. Ohne die Wahrscheinlichkeit dieser Beziehung zu leugnen, muß doch hervorgehoben werden, daß Koinzidenzen von Absorption des Lichtes und der maximalen Wirkung bei verschiedenen photochemischen Prozessen vorkommen, ohne daß hierbei die Gesamt- energie des aufstrahlenden Lichtes ausgenützt werden würde. Die Energiebilanz im Assimilationsprozesse ist besonders in eingehen- den Untersuchungen von H. T. Brown und Escombe (6) studiert worden. Die geüeferte Sonnenhchtenergie wird zum größten Teile nicht absorbiert. Ein größerer Bruchteil geht bei der Verdunstung des Wassers auf, ein ge- ringer Teil findet sich in den Assimilationsprodukten wieder. An einem hellen Augusttage fand Brown die einfallende Energie des SonnenUchtes mit 600 000 Calorien. Hiervon werden bei HeHanthus pro Quadratmeter Blattfläche und Stunde verbraucht: 166,800 Cal. oder 27,5% zur Verdunstung von 275 com Wasser, 3,200 Cal. oder 0,5% zur Bildung von 0,8 g Kohlenhydrat. Demnach Gesamt verbrauch 170,000 Cal. oder 28% der gelieferten Energie. Bei diffusem Lichte ist die Relation wesenthch anders. Da werden 95% der gelieferten Energie absorbiert und 2,7% in Form von Assimilations- produkten gespeichert. Überhaupt wird sich die Assimilationsarbeit umso 1) F. G. Kohl, Ber. Botan. Ges., 24, 222 u. Generalvera.-Heft (1906), p. 39. Aber auch Stahl, 1. c. (1909), p. 34. — 2) Detlefsen, Arbeit, bot. Inst. Würz- burg, j, 534 (1888). — 3) Engelmann, Botan. Ztg. (1884), p. 102; (1886), p. 68. — 4) Langley, Ann. de Chira. et Phys. (5), 25, 212 (1881). — 5) H. T. Brown, Rep. Brit. Assoc. Adv. Sei. Dover (1899). Brown u. Escombe, Proceed. Roy. Soc, 76, B, 29 u. 122 (1905). Brown, Nature, 7/, 522 (1905). 618 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. ökonomischer gestalten, je mehr sich die Belichtungsintensität dem Punkte nähert, in dem alle assimilatorisch wirksamen Strahlen verbraucht werden und wo die vorhandene Kohlensäurekonzentration aufhört die Rolle als limitierender Faktor zu spielen. So fand Brown bei einer Insolation von 0,50 Cal. pro Quadratzentimeter und Minute und einer Assimilation von 2,07 ccm CO2 per Quadratzentimeter den Nutzeffekt 0,34%. Als aber die Strahlung auf ^jg reduziert worden war, durch Anwendung von rotierenden Sektoren, so stieg der Nutzeffekt auf 4%, was auch ungefähr dem Verhältnis der assimilatorisch wirksamen Strahlen im SonnenHchte zur Gesamtenergie entspricht. Durch die Steigerung des COg-Gehaltes der Luft auf das 514 fache konnte die Ausnutzung hellen SonnenUchtes von 0,5 % auf das 4 fache oder 2% getrieben werden. Nach einem Kalkül von Pfeffer (1) wird unter Zugrundelegung des PouiLLETschen Wertes von 333 Cal. Gesamtstrahlungsenergie pro Quadrat- meter und Sekunde an heiteren Sommertagen berechnet, daß weniger als 1% dieser Energie von den Pflanzen ausgenutzt wird. 1 qm Blattfläche von Nerium Oleander bildete in 1 Sekunde 0,000535 g Stärke. 1 g Stärke ent- spricht 4100 Cal. Somit ist der Wärmewert der formierten Stärke 2,2 Cal., die gelieferte Energie 333 Cal., die unbenutzte Energie 330,8 Cal. Auch Blackman und Matthaei kamen zu ähnlichen Ergebnissen. In der Natur bei höchstem Sonnenstande nützten aus: Prunus laurocerasus 0,28% und Hehanthus tuberosus 0,68% der zu 1 genommenen Licht- intensität (2). § 12. Quantitatives Ausmaß der Produktion im photosynthetischen Assimilationsprozesse. Die Schätzungen und Messungen der aus der aufgenommenen Kohlensäure produzierten Quantität organischer Stoffe wurden entweder durch die direkte Bestimmung der aufgenommenen Kohlensäure vorge- nommen, wie es Kreusler(3) und in neuerer Zeit besonders Blackman ausführten oder man bestimmt die Trockengewichtszunahme der Blätter auf die Flächeneinheit, nach dem Vorgange von Sachs und anderen Forschern (4). Die Stärkebestimmung in assimilierenden Blättern wurde bisher als ein zu umständliches Verfahren nicht angewendet. Die Kohlensäurebestimmungsmethode verdient entschieden vor der zweitgenannten den Vorzug, besonders wenn man, wie es Kreusler tat, gleichzeitig die Sauerstoffatmung berücksichtigt. Die andere Methode erlaubt wohl eine rasche allgemein ausführbare Schätzung, doch ist zu bedenken, daß alle anderen im Blatte neugebildeten Stoffe, die nicht direkt mit der Kohlensäureassimilation zusammenhängen, wie die Pro- dukte der Eiweißsynthese als Assimilationsmaterialien mitbestimmt werden (5), und man daher viel zu hohe Werte erhält, wie es bei Sachs tatsächlich der Fall ist. 1) Pfeffer, Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., /, 331 (1897). — 2) Blackman u. Matthaei, Proceed. Roy. See. (1905). — 3) Kkeusler, Landw. Jahrb., 14, 951 (1885). — 4) Sachs, Arbeit, bot Inst. Würzburg, j, 1. Brooks, Diss. (Halle 1892); Chem. Zentr. (1893), //, 95. Menze, Diss. (Halle 1887). Thompson u. Prender- GAST, Minnesota Bot. Stud. (1896), VIII. Brown u. Escombe, Proceed. Roy. Soc, 1. c. Thoday, Ebenda, 82, B. 421 (1910). — 5) Vgl. B. Schulze, Verh. Naturf. Ges. (1904), II, /, 175. § 12. Quantitatives Ausmaß d. Produktion im photosyntbet. Assimilationsprozesse. 619 Nach Kreüsler bildeten die Blätter von Rubus bei 31 cm Distanz von einer elektrischen Bogenlampe, was etwa hellem diffusen Tageslicht gleichkam, pro Quadratmeter Blattfläche bei Darreichung von 0,3% COg in der Stunde 1,54 g Stärke, entsprechend 5 g aufgenommener COg. Nach Blackman und Matthaei leistet das Blatt von Hehanthus in der Natui' höchstens eine Aufnahme von 0,0077 g COg in der Stunde pro 50 qcm. Sachs' kam zu dem weit höheren Wert von 0,0150 gCOg. Er berechnet pro Stunde und Quadratmeter Blattfläche für Helianthus 1,8 g, für Cucurbita 1,5 g Trockensubstanzproduktion. Eine kräftige Sonnenblume mit 145 Blättern, deren Gesamtfläche 1% qm beträgt, könnte demnach in 15 Tagesstunden 36 g Assimilate erzeugen und in einem Sommer 2000 g Assimilate neu bilden. Aus dem Verbrauch an COg berechnen Brown und Escombe folgende Werte für den Quadratmeter Blattfläche und eine Stunde: Helianthus annuus 0,4—0,5 g Kohlenhydrat Tropaeolum malus 0,2—0,3 g „ Polygonum Weyrichii . . . . 0,2— 0,6 g Bei 0,03% Kohlensäuregehalt der Luft war für Helianthus die Maximal- leistung 2,86 g. Der von Kreüsler direkt bestimmte Atmungsverlust betrug für Rubus in hellem Tageslichte nur den 31. Teil der aufgenommenen COg. Hingegen war er in 1 — 1^4 ni Abstand von der elektrischen Bogenlampe schon ebenso groß wie die assimilatorische COg-Aufnahme. Sachs hatte den Atmungs Verlust mit Yia ^^ Rechnung gestellt. Nach den Messungen von Brooks fällt das Assimilationsmaximum bei wolkenlosem Himmel auf die letzte Vormittagsstunde zwischen 11 und 12 Uhr. Nach den Messungen von Ramann (1.) an Buchen- Stangenholz ist die Blätterzahl eines Stammes 10950, mit einer Area von 22,45 qm, wobei aber das Blattgewicht nur 1,4—2,4% des Gesamtgewichtes der Pflanze bildet. Ein Hektar bewaldeten Landes konsumiert nach Ebermayer (2) im Jahr 11000 kg Kohlensäure, und nach A. Mayer (3) bringt ein Hektar Landes jährlich 6700—6800 kg organischer Trockensubstanz hervor. Nach Du- BOis (4) soll sich der Jahreskonsum an Kohlensäure seitens der Gesamt- vegetation der Erde auf V70 ^^^ ^^ ^^^ Erdatmosphäre überhaupt vor- handenen Kohlensäure quantität belaufen, so daß eine außerordentlich ergiebige Kompensation hierfür nötig ist, welche offenbar durch die Atmung der nicht chlorophyllhaltigen Organismen und andere Oxydationsprozesse gehefert wird. Innerhalb der letzten geologischen Epochen hat sich der Kohlensäurevorrat in der Erdatmosphäre sicher nicht geändert (5). Da die Kohlensäureassimilation, wie alle anderen physiologischen Funktionen, in zahllosen Wechselbeziehungen zu den Einrichtungen und Tätigkeiten des Organismus steht, so kann es uns nicht wunder nehmen, wenn ihre Intensität bei verschiedenen Pflanzen spezifisch different ist. Mit C. Weber (6) darf man daher von einer spezifischen Assimilations- energie sprechen. Dieselbe ist die spezifisch verschiedene Resultante 1) E. Ramann, Ztsch. Forst- u. Jagdwes., 43, 916 (1911). — 2) Ebermayeb, Sitz.ber. bayer. Ak., 15, 303 (1885). — 3) A. Mayer, Landw. Versuchsstat., 40, 205 (1892). — 4) DüBOis, zit. bei Mayer, Agrik.chem., 5. Aufl., /, 77 (1901). — 5) Dumas u. Boüssingault, Pogg. Ann., S3, 407 (1841), kamen auf Grund unzu- reichender Berechnungeu zum Ergebnis, daß die von den Pflanzen konsumierte CO,- Menge wahrscheinlich die CO^-Produktion der Tiere übersteigt. — 6) C. Weber, Arbeit, bot. Inst. Würzburg, 2, 346. 620 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. nach allen Beeinflussungen, welche der Assimilationsprozeß bei einer bestimmten Pflanzenart erfahren kann. Wird die Assimilationsenergie von Tropaeolum gleich 100 gesetzt, so beläuft sich nach Weber jene von Phaseolus auf 72, Ricinus auf 118,5 und Helianthus auf 124,5. Tropaeolum produzierte pro Quadratmeter Blattfläche und 10 Stunden 4,466 g Trockensubstanz. Webers Versuche wurden allerdings an Ge- wächshauspflanzen angestellt. Nach Blackman und Matthaei ist bei allen Blättern der ökonomische Koeffizient in der Assimilation nahezu derselbe. Doch scheint der Hauptunterschied in der verschieden großen Aktivitätsvermehrung zu liegen, welche die Assimilation bei steigender Temperatur erfährt. Zwischen h 10^. und 20^ steigert sich die Assimi- lation von Laurocerasus um das 2,1 fache, während sie bei Helianthus auf das 2,5 fache anwächst. Nach den Angaben von Arno Müller (1) besitzen jene Blätter, die nur Zucker als Assimilationsreserven ablagern, eine geringere Assimilationsgröße als die stärkebildenden, amylophyllen Pflanzen; hingegen scheint zwischen der assimilatorischen Leistung von Sonnen- und Schattenblättern eines Baumes kein Unterschied in der Assimilationsarbeit zu bestehen. Griffon(2) gibt an, daß zwischen heller und dunkler grünen Blättern einer Art keine Differenz der Assi- milationsenergie bestehen muß. Auch konstatierte Gilbert (3), daß durch reichliche Stickstoffdüngung wohl der Chlorophyllgehalt der Pflanzen ver- mehrt wird, jedoch die Produktion an organischer Substanz nicht ansteigt. Für Algen gab auch Engelmann (4) an, daß der sehr blasse Scenedesraus caudatus viel energischer Sauerstoff ausscheidet als chlorophyllreichere Palmellaceen in demselben Wassertropfen. Hingegen stimmt in dem oben angeführten Beispiel spezifischer Assimilationsdifferenzen aus Webers Versuchen die Reihenfolge in der Assimilationsenergie mit der Chloro- plastenzahl überein, da nach Haberlandt (5) die Chloroplastenzahl pro 1 qmm der Blattoberseite bei Phaseolus 283000, bei Ricinus 403 000 und bei Helianthus 495 000 beträgt. Von Interesse ist die Angabe von Giltay(6), daß die Assimilationsenergie von Tropenpflanzen sich wesentlich innerhalb derjenigen Grenzen bewegt, die man bei Pflanzen im gemäßigten Klima beobachtet. Helianthus zeigte, in Europa und in Java gezogen, denselben Assimilationsmittelwert. § 13. Ansichten über die chemischen Vorgänge bei der Synthese von Kohlenst'^^verbindungen aus Kohlensäure und Wasser durch chlorophyllgrüne Pflanzen im Lichte. Wenn wir auch mit großer Wahrscheinlichkeit dem Chlorophyll- farbstoff eher bei der Energieübertragung in der photosynthetischen Tätigkeit der Laubblätter eine Hauptrolle zuschreiben dürfen, als im eigentlichen chemischen Mechanismus der Kohlensäurereduktion und in dem Aufbau der Assimilate, und dem farblosen Stroma der Chloroplasten die Hauptbedeutung bei dem letzteren Vorgang zuzuteilen geneigt sind, so ist es gar nicht sicher, ob nicht doch dem Chlorophyllfarbstofl wichtige chemische Funktionen zufallen und das Stroma nicht das allein synthetisch 1) Arno MiJLUER, Jahrb. wiss. Botan , 40, 443 (1904). — 2) Griffox, Compt. rend, 127, 253 (1899). — 3) Gilbert, Nature, jj, 91 (1885); Chera. News (1885), p. 263. — 4> Engelmann, Botan. Ztg. (1888), p. 718. — 5) Haberlandt, Jahrb. wisB. Botan., /j, 95 (1882). — 6) Giltay, Ann. Jard. Buitenzorg, 15, 43 (1898). § 13. Ansichten üb. d. ehem. Vorg. b. d. Photosynthese v. Kohlenstoff verbind, usw. 621 wirksame Agens ist. Doch wissen wir derzeit über die Rollenverteilung der Chloroplastenbestandteile so wenig, daß man diese Frage nicht gut näher diskutieren kann. Was den chemischen Hauptvorgang anbetrifft, so verfügen wir über eine Reihe von scharfsinnig erdachten, zum Teil recht wahrscheinlichen Hypothesen, ohne daß wir jedoch irgendein Teil- gebiet dieser Vorgänge in den Bereich gesicherter Kenntnisse rechnen dürfen. Alles, was wir berichten können, sind nur unsichere, auf indirekten Schlüssen aufgebaute Folgerungen und Hypothesen von größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit. I. Dasjenige Produkt, welches die Kondensation von Kohlensäure und Wasser zum ersten Ziele hat, sind wahr- scheinlich Hexosen. Diese Meinung hat wohl zuerst Davy aus- gesprochen. Sie geriet später in Vergessenheit, findet sich nur hier und da, z. B. von Mohl zitiert, und erwachte zu neuem Leben durch die grundlegenden Arbeiten von Mohl, Gris und besonders Sachs, durch die bewiesen wurde, daß das Auftreten von Amylumkörnchen in den Chloroplasten mit der Aufnahme der Kohlensäureassimilation kausal verknüpft ist. Sachs nannte die Chloroplastenstärke „das erste sichtbare Assimilationsprodukt". Boehm versuchte später einzuwenden, daß die Stärkebildung nicht nur durch autochthon entstandenen Zucker, sondern auch durch Zucker, der aus anderen Teilen der Pflanze, oder künstlich von außen, zugeführt wird, vermittelt werden könne. Durch diese Ein- wände kam allerdings Boehm zu der wichtigen Entdeckung, daß fast alle Chloroplasten aus zugeführtem Zucker Amylum erzeugen können. Doch werden die Zweifel an der SACHSschen Auffassung schon durch die Tatsache widerlegt, daß die Stärkekörner in den Chloroplasten exakt nach Beginn der Belichtung auftreten. Famintzin(I) fand bei Spirogyra in hellem künstlichen Lichte schon nach 30 Minuten Amylumbildung, Kraus (2) im Sonnenlicht sogar schon nach 5 Minuten. Bei Phanero- gamen sind nach Godlewski(3) in gewöhnlicher Luft zur Entstehung nachweisbarer Stärkemengen 60 Minuten, bei Darbietung von 4—8 % COj sogar nur 15 Minuten nötig. Sodann beweist die 1884 durch Sachs dargelegte Lokalisierung der Stärkebildung im Lichte auf die einzelnen direkt beleuchteten Blattpartien überzeugend die Auffassung der Chloro- plastenstärke in Blättern als autochthon gebildetes Assimilationsmaterial. Allerdings läßt sich die Stärkebildung nicht immer als Argument für die primäre Bildung von Kohlenhydraten in Chloroplasten benutzen, da viele Algen, wie Diatomeen, Peridineen, Phaeophyceen, Vaucheria und manche Phanerogamen stets Oleinschlüsse und nie Stärke in den Chloro- plasten aufweisen. Anfangs von Briosi(4) für Musa und Strelitzia und von Borodin (5) für Vaucheria akdirekte Assimilationsprodukte aufgefaßt, haben sich diese Fettröpfchen durch die Studien von Holle, Godlewski, FLEISSIG, Ernst und anderen (6), als Reservestoffe sekundärer Bildung herausgestellt. Speziell für Musa konnte Godlewski zeigen, daß auch hier bei höherem Kohlensäuregehalt der Luft reichlich Chloroplastenstärke auftritt. Andere Blütenpflanzen erreichen zwar im normalen Leben nie eine so hohe Zuckerkonzentration in den Chloroplasten, daß sie Stäi-kanlage- rungen bilden könnten („saccharophylle Pflanzen"), lassen aber bei künst- 1) Famintzin, Jahrb. wres. Botan., 4, 31 (1867); M^lang. biol., 5, 528(1865). — 2) Gr. Kraus, Jahrb. wiss. Botan., 6, 511 (18(39). — 3) Godlewski, Just, Jahresber. (1875), p. 788. — 4) Briosi, Botan. Ztg. (1873), p. 529. — 5) Borodin, Ebenda (1878), p. 513. — 6) Holle, Flora (1877), p. 113. Godlewski, L c. 622 Zwanzigstes Kapitel : Eohlensäureverarbeit u. Zuckersynthese im Ghlorophy Ukorn . lieber Darreichung von Zuckerlösung höherer Konzentration ihre Be- fähigung zur Stärkebildung erweisen. Als eine Stütze der Anschauung, daß als Produkt der COj-Assimilation zunächst Zucker entsteht, wird gewöhnlich auch die seit Saüssüre bekannte und oben bereits dargelegte Tatsache angeführt, daß für ein 1 Volum aufgenommener COj ein gleiches Volum Sauerstoff abgegeben wird, so daß das Gasvolumen in einem ab- geschlossenen Räume, in dem sich assimiherende Pflanzen befinden, an- nähernd konstant bleibt. Daraus zog schon Davy den Wahrscheinlich- keitsschluß, daß zunächst in der Pflanze eine Verbindung entsteht, welche auf 1 Äqu. Sauerstoff 2 Äqu. Wasserstoff enthält, so wie es eben bei Zucker und Kohlenhydraten der Fall ist. Schließlich kann man auf Grund der von Boehm(I) und A.Meyer(2) zuerst gewonnenen experimentellen Erfahrungen prüfen, ob bei Blättern, die im Dunkeln auf Lösungen verschiedener Substanzen schwimmen, Zucker in der Tat das beste Material zur Stärkebildung in den Chloroplasten abgibt. Nun sind wirklich die vier Hexosen: Glucose, Mannose, Fructo^e und Galactose, sowie Saccharose, weit verbreitet die einzig geeigneten Materialien zur Stärkebildung, wenn wir von wenigen positiven Erfolgen mit Mannit und Dulcit, sowie von einem vereinzelten Fall absehen, in dem bei Cacaliablättem Glycerin etwas Stärkebildung hervorrief. Am allgemeinsten und besten scheinen Fructose, Saccharose und Glucose zu wirken. Galactose fand Meyer nur bei Caryophyllaceenblättern gut ge- eignet, Mannit nur bei Oleaceen und Dulcit bei Evonymus, entsprechend dem Vorkommen dieser Stoffq als Reservematerial. Daß die genannten Hexosen so allgemein als Substrat der Stärkebildung dienen können, vermag als eines der besten biologischen Argumente für das primäre Entstehen dieser Stoffe im Assimilationsprozesse zu dienen. Wenn manche Forscher, wie Brown, Went, Marcacci oder Perrey(3) den Rohrzucker als primäres Assimilationsprodukt hinstellten, so kann man dies nur insoweit gelten lassen, als daß sehr frühzeitig die Rohrzucker- bildung aus den vorerst formierten Hexosen stattfindet. Da es bekannt ist, daß Glucose, Fructose und Mannose sehr leicht ineinander übergehen, so braucht die Frage, welcher dieser drei Zucker primär entsteht, nicht diskutiert zu werden, weil sich je nach den Bedingungen in der assimi- lierenden Zelle das Gleichgewicht zugunsten der einen oder anderen Hexose neigen kann. Daß Glucose das der Stärke vorangehende Assimi- lationsprodukt ist und eine gewisse Grenzkonzentration derselben zur Stärkebildung benötigt wird, weshalb man die Stärke als Reservestoff auf- zufassen hat, haben zuerst Mer und besonders Schimper(4) in nach- drücklicher Weise hervorgehoben. Während auch in den neueren Untersuchungen von Laurent und von Nadson (5) die ausschüeßhche Eignung der genannten Zuckerarten als Material für die Bildung der Chloroplastenstärke betont wird, liegen für Algen eine Anzahl von Angaben vor, speziell für Spirogyra seitens Bo- korny (6), wonach auch einfachere Kohlenstoffverbindungen zur Amylum- 1) BoEHM, Botan. Ztg. (1883), p. 36. — 2) A. Meyek, Ebenda (1885), p. 435. — 3) H. T. Bbown, Meet. Brit. Assoc. Adv. Sei. Nottingham (1893), p. 811. Mar- cacci, Just Jahresber. (1889), /, 26. A. Perkey, Compt. rend., 94, 1124 (1882). — 4) ScfflMPER, Botan. Ztg. (1885), p. 737. Mer, Bull. Soc. Bot., 20, 164 (1873); Compt. rend., 112, 248 (1891). — 5) Laurent, Botan. Ztg. (1886), p. 151. Nadson, Botan. Zentr., 42, 48 (1890). — 6) Bokobny, Biolog. Zentr., 17, 1 (1897); Landw. Vereuchsstat. (1889); Chem.-Ztg., 20, 1005 (1896). § 13. Ansichten üb. d. ehem. Vorg. b. d. Photosynthese v. Kohlenstoffverbind, usw. 623 bildung benutzt werden können. So soll Glykol in Betracht kommen, aber auch die verschiedensten anderen Kohlenstoffverbindungen, darunter selbst aromatische, wie Phenol. Bei der durch Jackson gefundenen Stärkebildung aus Glykolaldehyd konnte eine Polymerisierung zu Hexose helfend ein- gegriffen haben. Obzwar für die Pilze die Fähigkeit, Zucker auf Kosten der verschiedensten Kohlenstoffmaterialien zu bilden, feststeht, so bedarf dieser Punkt für die chlorophyllführenden Algen noch einer gründlichen Nachprüfung, besonders hinsichtUch des ümstandes, ob in Bokornys Ver- suchen die Kohlensäureassimilation wirküch absolut ausgeschlossen war. BoKORNY(l) gab an, daß die Assimilation der Zuckerarten durch Spirogyra überhaupt nur im Licht stattfinden könne. Stärkebildung aus Glycerin beobachtete übrigens auch Klebs an Zygnema (2). Daß Pentosen im Assimilationsprozesse nicht gebildet werden, ist durch eine Reihe von Erfahrungen ziemüch sichergestellt (3). Man findet natürUch niemals die Gesamtmenge der Assimilate als Stärke und Zucker vor, weil sich eine partielle Weiterverarbeitung der- selben unmittelbar an die Zuckersynthese anschließt. Saposchnikoff (4) schätzt die wirkhch vorgefundene Menge der Kohlenhydrate auf 64 bis 87% der Gesamtassimilate ein. Diese Tatsache steht mit der Annahme einer primären Zuckersynthese im Einklang und muß nicht etwa in dem Sinne einer Annahme einer primär stattfindenden Eiweißsynthese verwertet werden. II. Auf welchem Wege entstehen Hexosen aus Kohlen- säure und Wasser? Von allen in neuerer Zeit hierüber aufgestellten chemischen Hypothesen steht noch immer, und jetzt mehr denn je, die geistvolle 1870 von A. v. Baeyer(5) aufgestellte Idee im Vordergrunde, wonach die Kohlensäure zunächst durch Reduktion in Formaldehyd ver- wandelt wird und dieser Aldehyd durch Kondensation in Zucker übergeht. In ihrer ursprünglichen Form knüpfte die BAEYERsche Hypothese aller- dings nicht nur an die BuTLEROwsche Kondensation des Formaldehyds an, sondern nahm auch an, daß der Chlorophyllfarbstoff, ähnlich wie das Hämoglobin, Kohlenoxyd binde. Durch Sonnenlicht sollte die Kohlen- säure, so wie es bei hohen Temperaturen der Fall ist, sich in CO und 0 dissoziieren, der Sauerstoff sollte entweichen und das CO sich mit dem Chlorophyll verbinden. Diese Hypothese war viel glücklicher kon- zipiert als die ältere, vom chemischen Standpunkte aus jedoch vollkommen plausible Theorie von Liebig (6) aus dem Jahre 1843, wonach die Kohlensäure zunächst zur Entstehung organischer Säuren führe, welche bei weiterer Reduktion Zucker liefern. Es ergab sich aber im Laufe der Zeit, daß sich diese letztere Theorie, die bis in die jüngste Zeit immer wieder vereinzelte Anhänger fand (7), mit vielen physiologischen Tatsachen schwer in Einklang bringen läßt. Im wesentlichen sind die organischen Säuren als Oxydationsprodukte des Zuckers und nicht als Vorstufen der 1) BoKORNY, Chem.-Ztg., 20, 1005 (1896). — 2) Klebs, Untersuch, bot. Inst. Tübingen, 2, 538; ßotan. Ztg. (1891). Assfahl, ßotan. Zentr., S5, 148 (1893). — 3) G. DE Chalmot, Amer. Chem. Soc, 15, 618 (1893). — 4) Saposchnikoff, ßer. ßotan. Ges. (189U), p. 241. A. Meyer, ßotan. Ztg. (1888), p. 465. — 5) A. V. Baeyer, ßer. Chem. Ges., j, 63 (1870). — 6) J. v. Liebig, Liebigs Ann., 46, 66 (1843). — 7) ßALLO, ßer. Chem. Ges., /;. 6 (1884). Stutzer, Landw. Ver- Buchsstat,, 21, 93 (1877). Leplay, Compt. rend., 102, 1254 (1886). Brünner u. Chüard, Juat Jahresber. (1887), /, 163. E. ßAUR, Ztsch. physik. Chem., 63, 683 (1908). Hierzu Euler, Ztsch. physiol. Chem., 59, 122 (1909). Inghilleri, Ebenda, ^l, 105 (1911); Rend. Acad. Fisiocrit. Siena, 218, VI (1911). H. M01S8AN, Compt. rend., 140, 1209. 624 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. Zuckerbildung aufzufassen. Bei den Succulenten häufen sich die Säuren nicht bei Tage, sondern während der Nacht an. Deshalb ist auch die neuere Theorie von Baur abzuweisen, welche die Reaktion der Oxal- säurebildung aus CO2 und HjjO unter der Mitwirkung des Lichtes zur Erklärung der Chlorophyllwirkung heranziehen wollte. Eine Reihe anderer Assimilationshypothesen sind nie zu größerer Bedeutung gelangt, wie die Theorie von Sachsse (1), wonach Chlorophyll das erste sichtbare Assimilationsprodukt sei, welches durch COg-Reduktion entstehe und durch weitere Veränderungen fortwährend Fett und Kohlen- hydrate liefere. Ferner die Ansicht Pringsheims(2), wonach das durch Säuren aus den Chloroplasten zum Austritt zu bringende „Hypochlorin" [dessen Natur als Chlorophyllan durch A. Meyer und Tschirch erkannt wurde] das erste Assimilationsprodukt sei. Sodann die Hypothese von Cräto(3), daß zunächst Benzolderivate entstehen, die Ansicht von Ma- QUENNE(4), daß Methan als Zwischenprodukte auftrete usw. Diejenigen Forscher, welche die experimentelle Prüfung der Baeyer- schen Hypothese in Angriff nahmen, begannen zunächst nach der Gegen- wart von Formaldehyd in assimilierenden grünen Pflanzen zu suchen. In der Tat wies Reinke(5) in Blättern flüchtige stark reduzierende Stoffe nach und er konnte auch finden (6), daß verdunkelte Blätter diese Stoffe meist in geringerer Menge enthalten. Reinke und Curtius(7) sahen aber alsbald, daß die Hauptmenge dieser Produkte nicht Formal- dehyd, sondern eine andere aldehydartige Verbindung sei, deren Natur in jüngster Zeit durch Curtius und Franzen(8) aufgeklärt worden ist. Es ist dies mit Sicherheit der a, /5-Hexylenaldehyd mit der Konstitution CH3 . CH2 • CH2 . CH : CH • COH. Da diese Substanz dasselbe Kohlenstoff- skelett hat wie die Glucose, so ist es wahrscheinlich, daß wir es hier mit einem sekundär entstandenen Reduktionsprodukt des Zuckers zu tun haben. Dieser Aldehyd fand sich in allen untersuchten Blättern, so daß seiner Entstehung ein überall vorkommender Prozeß zugrunde liegen muß. Die flüchtigen Säuren der bisher am ausführlichsten untersuchten Carpinusblätter sind Ameisensäure und Essigsäure sowie geringe Mengen höherer Säuren, unter denen wohl die dem Hexylenaldehyd ent- sprechende Hexylensäure nicht fehlt. Bei der Untersuchung der flüchtigen Aldehyde hat es sich weiter herausgestellt, daß auch Formaldehyd in den Blättern vorhanden ist, wie die Überführung in Ameisensäure un- zweideutig zeigte. Sonst konnten noch Acetaldehyd, n-Butylaldehyd, Valeraldehyd und höhere Homologa des Hexylenaldehyds nachgewiesen werden. Die vorkommenden Alkohole erwiesen sich als Butylenalkohol, Pentylenalkohol, Hexylenalkohol, ein Alkohol CgH^^O und mehrere höhere Alkohole. Der ganze Charakter dieses Stoff gemisches läßt darauf schließen, daß alle diese Substanzen mit den photogenen Reduktionsprozessen im Chlorophyllkorn zusammenhängen. Man kann sie sämtlich als Reduktions- 1) R. Sachsse, Sitz.ber. Naturf. Ges. Leipzig (1875), p. 115; Chem. Zentr. (1881), p. 169, 185. — 2) Pringsheim, Monatsber. Berlin. Ak. (1879 u. 1881); Jahrb. wiss. Botan., 12, 288 (1881). — 3) Crato, Ber. ßotan. Ges. (1892), p. 250. — 4) Maquenne, Chem. Zentr. (1882), p. 329. — 5) J. Reinke, Ber. Chem. Ges., 14, 2144 (1881); Botan. Ztg. (1882), p. 289. Reinke u. Krätzschmar, Studien üb. d. Protoplasma, 2. Folge, p. 59 (1883). — 6) Reinke u. Bradnmüli.er, Ber. Botan. Ges., 17, 7 (1899). — 7) Reinke u. Curtids, Ebenda, 15, 201 (1897). — 8) Th. Curtius u. Franzen, Lieb. Ann., 390, 89 (1912); Ber. Chem. Ges., 45, 1715 (1912); Sitz.ber. Heidelberg. Ak. d. Wiss,, mathem.-naturwiss. Kl. (1910 u. I9l2). Franzen, Chem.-Ztg., 34, 1003 (1910). § 13. Ansichten üb. d. ehem. Vorg. b. d. PhotosyntheBC v. Eohlenstoffverbind. usw. 625 stufen der Kondensationsprodukte des Formaldehyds bis zu Hexosen hinauf auffassen. Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt die Auf- findung des Formaldehyds besonderen Wert, da es natürlich nicht aus- geschlossen erscheint, daß dieser Aldehyd anderweitigen Umsetzungen im Stoffwechsel entstammt und nicht unbedingt als Reduktionsprodukt der CO2 zu gelten braucht. Die kritischen Versuche von Fincke(I) fordern allerdings zu einer weiteren Prüfung der Angelegenheit auf. Seit längerer Zeit hat man verschiedene qualitative Reaktionen, in erster Linie Farbenreaktionen, zur Auffindung des Formaldehyds in Blättern, ja zur Lokalisation der Reaktion in den Chloroplasten herangezogen. So hat PoLLACCi (2) im Destillate aus zerquetschten Blättern eine Reihe von Reaktionen erhalten, die auf Aldehyde bezogen werden können und welche bei Verdunklung, Kohlensäureentziehung, sowie bei chlorophyllfreien Organen nicht erhalten werden. Die Meinung dieses Forschers, daß gleichzeitig mit Formaldehyd etwas Wasserstoff und Methan von assimilierenden Blättern gebildet werde, ist in neuerer Zeit von ihm selbst nicht mehr wiederholt worden und dürfte auch in der Tat durch die Beimengung von Verbrennungs- gasen in der Versuchsvorrichtung entstanden sein. Pollacci zog besonders die Fuchsinbisulfitreaktion nach Schiff als Beweis für Formaldehyd heran, Gräfe (3) benutzte die mit einer Nitrosoverbindung enthaltenden H2SO4 und Diphenylamin entstehende Grünfärbung, welche für Formaldehyd charakte- ristisch sein soll, KiMPFLiN (4) führte mit Glaskapillaren eine Mischung von Natriumbisulf it und Methyl-p-amino-m-Kresol in das Gewebe von Agaven- blättern ein und schloß aus der Rötung auf die Formaldehydbildung, GiBSON (6) verwendete die Probe mit Gallussäure und H2SO4, und andere einschlägige Angaben rühren von Bokorny und Gentil her (6). Gleich- gültig ob man diese Reaktionen benutzt oder eine der anderen zahlreichen Farbenreaktionen des Formaldehyds, wie die Reaktion von Rimini: Blau- färbung mit Phenylhydrazinchlorhydrat, Nitroprussidnatrium und NaOH (7), oder die Blaufärbung mit Carbazol-Schwefelsfiure (8), oder die Rotfärbung mit Benzoylperoxyd und Schwefelsäure (9), oder die Violettfärbung mit Eiweiß und HCIH- KN02(10) oder eine der anderen (11), immer hat man zu bedenken, daß es sich in den wenigsten Fällen um genügend charakteristische Formaldehydreaktionen handelt und dieselben bei einer größeren oder geringeren Zahl von anderen Aldehyden mit verschiedener Nuancierung gleichfalls eintreten (12), Es ist auch in der Tat wahrscheinhch, daß der in den Blättern vorhandene Hexylenaldehyd für das Zustandekommen der erhaltenen Reaktionen in hohem Grade verantwortUch gemacht wer- den muß. 1) H. FrNCKE, Biochem. Ztsch., 52, 214(1913). — 2) G. Pollacci, Arch. Ital. Biolog., 35, 151; 37, 446 (1902); Atti let. bot. Pavia, 7, 45 ^899); Ebenda (1900, 1902); 9 (1904); 10 (1905). Mameli u. Pollacci, Atti Acc. Line. (5), 17, I, 739 (1908); Ebenda, 16, I, 199 (1907). — 3) V. Gräfe, Osterr. bot. Ztsch., 56, 289 (1906). — 4) KiMPFLiN, Compt. rend., 144^ 148 (1907); Essai sur rassimil. photo- chlorophyllienne (Lyon 1908). — 5) R. H. G1B8ON, Ann. of Botan., 22, 117 (1908). — 6) BoKORNY, Chem.-Ztg., 33, 1141 (1909). Gentil, Bull. Assoc. Chim. Sucr., 27, 169 (1909). — 7) RmiNi, Chem. Zentr. (1898), /, 1152; (1901), //, 99. Meth, Chem.-Ztg., 30, 666 (1906). Balbiano, Atti Acc. Line. Roma (5), 20, II, 245 (1911). Anqeli, Ebenda, p. 445. — 8) Gabutti, Boll. Chim. Farm., 46, 349 (1907). — 9) Golodetz, Chem.-Ztg., 32, 245 (1908). — 10) Voisenet, Compt. rend., 150, 40 (1910); Bull. Soc. Chim. (3), 25, 748 (1906). — 11) Die sehr empfiodliche Reaktion mit Atractylis-Glucosid und H^SO^ gestattet nach Angelico und Catalano, Gazz. chim. ital., 43, I, 38 (1913), in verschiedenen Gewebesäften Formaldehyd nachzu- weisen. — 12) Vgl. Planchek u. Ravekna, Acc. Line. (5), 13, II, 459 (1904). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 40 626 Zwanzigstes Kapitel: Kohlensäureverarbeit. u. Zuckersynthese im Chlorophyllkom. Einen anderen Weg schlugen zuerst Loew und Bokorny(I) in zahlreichen Untersuchungen ein, um zu beweisen, daß Formaldehyd ein Zwischenprodukt der COj-Assimilation sei. Sie suchten zu zeigen, daß Derivate des Formaldehyds, vor allem formaldehydschwefligsaures Natron und Methylal, geeignet seien, um bei grünen Pflanzen bei Kohlensäure- abschluß Stärkebildung hervorzurufen. In der Tat soll es bei Spirogyren gelungen sein, dieses Resultat zu erzielen. Gasförmiger Formaldehyd wurde grünen Landpflanzen in Versuchen von Gräfe (2) dargeboten und es soll geglückt sein, ein üppigeres Wachstum bei belichteten, in kohlen- säurefreier Luft gehaltenen Pflanzen durch Formaldehyd zu erzeugen. Natürlich hat man die durch den giftigen Formaldehyd zu erwartenden Reizwirkungen dabei wohl zu beachten. Doch wird von Gräfe an- gegeben, daß bei Lichtabschluß der günstige Erfolg durch Formaldehyd nicht zu erreichen sei, sondern derselbe streng an Lichtzutritt gebunden sei. Dies wäre durch die Annahme einer Stimulations Wirkung nicht ohne weiteres zu verstehen. Ältere Versuche haben nicht immer der- artige Formaldehydwirkungen festzustellen vermocht. So konnte Tre- B0üx(3) bei Darbietung von 0,001 % Formaldehyd bei Elodea keine Stärkebildüng erreichen, obwohl die Konzentration ganz gut vertragen wurde. In Versuchen von B'6üilhac(4) an Algen und jungen Pflanzen von Sinapis alba wurde gutes Gedeihen bei Formaldehydzusatz beob- achtet, ohne daß sich bestimmte Folgerungen aus diesen Erfahrungen ableiten ließen. Manche Keimlinge sind nach Windisch (5) gegen Formaldehyd recht empfindlich und Spirogyren werden nach BoKORNY(e) in ihrer Assimilationstätigkeit bereits durch minimale Formaldehydmengen gehindert. Im ganzen lassen es alle diese Erfahrungen als ziemlich sicher erscheinen, daß Formaldehyd in assimilierenden Blättern gebildet wird und die BAEYERsche Hypothese steht gegenwärtig entschieden besser gestützt da, als vordem. Die Richtigkeit dieser theoretischen Vorstellungen vor- ausgesetzt, hätte man anzunehmen, daß der Vorgang der Kohlensäure- verarbeitung und Zuckersynthese im Lichte aus zwei Teilprozessen be- steht: einmal aus der Reduktion der Kohlensäure zu Formaldehyd und zum anderen der Kondensation des Aldehyds zu Hexosen. Nach ihren chemischen Eigenschaften ist die Kohlensäure in wässeriger Lösung am besten als Oxy- Ameisensäure aufzufassen: OH • COOH. Sie muß bei ihrer Reduktion zunächst Ameisensäure bilden: H • COOH. In der Tat hat Lieben (7) gezeigt, daß Kohlensäure bei der Reduktion durch Natriumamalgam bei gewöhnlicher Temperatur Formiat liefert. Nach LosANiTSCH und Jovitschitsch (8) gibt Kohlensäure und Wasser unter dem Einflüsse dunkler elektrischer Entladung Sauerstoff und Ameisen- säure. MoissAN(9) gelang die interessante Synthese der Ameisensäure 1) O. Loew, Ber. Chem. Ges., 22, 482 (1889); Zentr. Bakt. (1892), Nr. 14. BoKORNT, Landw. Jahrb., 21, 445 (1892); Biolog. Zentr., 12, 481 (1892); Ber. Botan. Ges., 9, 103 (1891); Pflüg. Arch., 125, 467 (1908); 128, 565 (1909); Biochem. Ztsch., 36, 83 (1911). — 2) V. Gräfe, Zentr. Physiol., 26, 113 (1912); Biochem. Ztsch., 32, 114 (1911); Ber. Botan. Ges., 27, 431 (1909); 2g, 19 (1911); Osterr. bot. Ztsch., 59, 19 (1909). — 3) Treboux, Flora (1903), p. 73. — 4) R. Boüilhac, C!ompt. rend., 135, 1369 (1902); 136, 1155 (1903). — 5) R. Windisch, Landw. Versuchsstat., 55, 241 (1901). — 6) Th. Bokorny, Chem.-Ztg. (1903), Nr. 44. — 7) Lieben, Monatsh. Chem., 16, 211 (1895); 19, 333 (1898). Kolbe u. Schmitt, Lieb. Ann., 119, 251. Ck)EHN u. Jahn, Ber. Chem. Ges., J7, 2836 (1904). — 8) Losanitsch u. Jovitschitsch, Ebenda, jo, 135 (1897). — 9) Moissan, Compt. rend., 134, 18, 261 (1902); 136, 723 (1903). § 13. Ansichten üb. d. ehem. Vorg. b. d. Photosynthese v. Kohlenstoffverbind, usw. 627 aus CO2 und Kaliumhydrür: CO^ + KH = H • COOK. Ehrenfeld hat aus CO2 durch elektrolytische Reduktion Ameisensäure gewonnen (1). Die nächste Reduktionsstufe ist natürlich Formaldehyd: H • CO • H, wenn beide OH- Gruppen der Kohlensäure dureh H ersetzt sind. In neuerer Zeit ist es auf verschiedenen Wegen gelungen, diese weitgehendste Reduktion der CO2 künstlich zu erreichen. BeRthelot und Gaudechon(2) sowie Stoklasa(3) haben durch ultraviolette Bestrahlung diesen Effekt erreicht, W. LOB (4) durch stille elektrische Entladung, und außerdem ist es durch An- wendung der Wirkung von Uranacetat(5) sowie durch Radium (6) gelungen zu dem gleichen Resultate zu gelangen. Es ist sehr schwierig die Trag- weite dieser Erfahrungen für den natürlichen photosynthetischen Prozeß in der Pflanze zu ermessen. Jedenfalls sind die beobachteten Wirkungen durch Ultraviolett essentiell verschieden von der natürlichen Photo- synthese, da das Sonnenlicht keine der verwendeten ultravioletten Strahlen von Wellenlängen unter 300 y.[i. enthält (7). Es wäre allerdings zu er- wägen, ob nicht Transformationen der Lichtstrahlen in elektrische Energie im Chlorophyllkorn in Betracht kommt und Putz (8) hat daraufhin eine besondere Assimilationstheorie aufzubauen gesucht. Doch fehlen dies- bezüglich noch alle Anhaltspunkte, inwieweit solche Erwägungen eine tatsächliche Basis haben könnten. Elektrische Veränderungen in be- lichteten Blättern, welche durch rote Strahlen am stärksten angeregt werden, hat übrigens Waller (9) beschrieben. Leider sind diese Unter- suchungen seither nicht wieder aufgenommen worden. Die von Ma- QUENNE(IO) im Destillate von Blättern oft gemachten Befunde von Methyl- alkohol könnten dadurch ihre Erklärung finden, daß Formaldehyd nach der CANNizzAROschen Umlagerung Methylalkohol und Ameisensäure liefert. Daß der im Assimilationsprozesse freiwerdende Sauerstoff einer leicht zersetzlichen peroxydartigen Verbindung entstammt, welche intermediär entsteht, ist gar nicht unwahrscheinlich, und es hat schon 1877 Erlen- meyer (11) daran gedacht, daß Wasser und CO2 zunächst Ameisensäure und Wasserstoff peroxyd hefern könnten. In neuerer Zeit hat besonders Bach (12) die Hypothese aufgestellt, daß die Kohlensäure zunächst Perkohlensäure, Wasser und Kohlenstoff hefere nach der Gleichung: 3H2GO3 = 2 H2CO4 + H2O + C. Sodann würden 2 H2CO4 in 2 COg + 2 HgOg zerfallen und das Hydroperoxyd Sauerstoff und Wasser Uefern. H2O und C aber müssen zusammen Formaldehyd geben. Bach stützte sich, wenn die Perkohlensäure auch nicht nachgewiesen worden ist, darauf, daß Kohlensäure bei BeUchtung 1) Ehrenfeld, Ber. Chem. Ges., 38, 4138 (1905). — 2) Berthelot u. Gau- DECHON, Journ. Pharm. Chim. (7), 2, 5 (1910); Compt. rend,, 150, 1690 (1910). — 3) J. Stoklasa u. Zdobnicky, Monatsh. Chem., 32, 53 (1911); Chem.-Ztg., 34, 945 (1910); Biochem. Ztsch., jo, 433 (1911); 41, 333 (1912); 47, 188 (1912). — 4) W. LöB, Ztsch. Elektrochem., //, 745 (1905); 12, 282 (1906); Landw. Jahrb., 35, 541 (1906); Chem.-Ztg., 34, 1331 (1910); Biochem. Ztsch., 26, 231 (1910); j/, 358 (1911); 43, 434 (1912). — B) ÜSHER u. Priestley, Proceed. Roy. Soc, B. 77, 369 (1906); 78, 318 (1906). — 6) Herchfinkel, Compt. rend., 149, 395 ('1909). — 7) Kluyver, Österr. bot. Ztsch., 63, 49 (1913). — 8) H. Pütz, Die Reduktion der Kohlensäure im pflanzlich. Organismus, Sep.-Abdr. aus d. Jahresber. d. kgl. Lyceums zu Passau (1885/86). — 9) Waller, Zentr. Physiol. (1900), p. 688; C. r. Soc. ßiol., 52, 1093 (1900). Vgl. auch Tompa, Beihefte bot. Zentr , 12, 99 (1902). — 10) Maquenne, Compt. rend., loi, 1067 (1886); Delepine, Ebenda, 123, 120 (1896). — 11) Erlen- meyer, Ber. Chem. Ges., 10, 634 (1877). — 12) A. Bach, Compt. rend , 116, 1145 u. 1389 (1893); iig, 1218 (1894); Chem. Zentr. (1898), //, 42. J. Cho, Ebenda (1896), /, 114. BoKORNY, Ber. Botan. Ges., 7. 275 (1889). Perkohlensäure: Riesen- feld u. Reinhold, Ber. Chem. Ges., 42, 4377 (1909). 40* 628 Zwanzigstes Kapitel : Kohlensäureverarbeit, u. Zuckersynthese im Chlorophyllkorn. in Uranacetatlösung wirklich Formaldehyd liefert (1). Eine sichere Grund- lage zu geben, sind jedoch diese interessanten Vorstellungen nicht in der Lage. Wenn wir der COg- Reduktion etwa das Schema zuteilen: OH-CO- OH + H -OH + H-OH = H -CO- H + OH-OH + OH-OH = H-COH + 2 HgO + O2 so haben wir damit natürlich nur eine grobe Annäherungs- vorstellung ohne wirkliche Einsicht in den Vorgang gewonnen. Die Sauer- stoffabspaltung aus dem Peroxyd könnte das Werk einer Katalase sein. Seit den Versuchen von Butlerow, 0. Loew (2) und später E. Fischer und Passemore (3) wissen wir bestimmt, daß Formaldehyd in alkalischer Lösung leicht zu Zucker kondensiert wird. Allerdings hat man Glucose unter den Reaktionsprodukten nie auffinden können, sondern nur gärungs- unfähigen Zucker, wie i-Fructose und i-Arabinoketose [Euler(4)]. Zunächst entsteht nachweislich Glykolaldehyd, welcher weiter kondensiert wird (5). Die Kondensation wurde aber auch durch ultraviolette Bestrahlung erreicht (PribraM und Franke), nicht nur durch Alkali. Es ist möglich, daß die Kondensation des Aldehyds auch in den Chloroplasten eine durch das Licht bedingte Reaktion ist, doch wissen wir darüber noch nichts bestimmtes. Stoklasa (6) hat andererseits den Alkalien eine kondensierende Wirkung in der Zelle zuschreiben wollen und hat die günstige Wirkung von Kali- düngung durch eine direkte Wirkung auf den Assimilationsprozeß erklären wollen. Dafür besteht jedoch kein hinreichender Grund. Zu untersuchen wäre jedoch, ob die von Tröndle (7) in belichteten assimilierenden Zellen beobachteten Änderungen der Permeabilität der Plasmahaut mit der Pro- duktion irgendwelcher Stoffe im Assimilationsvorgange etwas zu tun hat. Das durch Wasserabspaltung aus Ameisensäure entstehende Kohlen- oxyd CO ist bisher stets als unbrauchbar für die Aktion des Chlorophyll- apparates gefunden worden (8). Doch ist es fraglich, ob man nicht doch Bedingungen finden könnte, unter denen CO verarbeitet wird. Insbesondere wäre an Darbietung von Wasserstoff oder Beteiligung von Reduktiöns- prozessen noch zu denken, da CO + Hg Formaldebyd geben würde. Mit der ausführlichen Prüfung der Formaldehydhypothese ist jedoch die eingehende Untersuchung anderweitiger photochemischer Reaktionen, bei dcQcn CO2 eine Rolle spielt, zu verbinden, was gewiß in größerem Aus- maße geschehen sollte, als es bisher der Fall war. So ist bekannt, daß Kohlen- säure von vielen organischen Verbindungen addiert wird, insbesondere von Aminosäuren (9), aber auch durch Alkohole, Oxysäuren und Zucker. Sodann gehen bekannthch auch Phenole unter COg-Aufnahme in Carbonsäuren über (10). Wenigstens bei der Kohlensäure bindung in den Chloroplasten könnte eine oder die andere dieser Reaktionen irgendeine Bedeutung haben. Van 't Hoff hat die Frage aufgeworfen, ob nicht in Anwesenheit von Zymase eine Kondensation von Äthylalkohol und Kohlensäure im Licht zu Zucker möglich wäre, was gleichfalls auf eine Kohlensäureanlagerung an eine zur weiteren Kondensation fähige Verbindung hinausgehen würde. 1) Vf!;l. auch Usher u. Priestley, Proceed. Roy. Soc, 77, ß, 369 (1906). — 2) ßüTLEROW, Lieb. Ann., 120, 295. O. LoEW, Journ. prakt. Cham., 23, 321; 34, 51 (1886); Ber. Chem. Ges., 20, 141, 3039 (1887); 22, 470 (1889); 38, 1592 (1906); Pflüg. Arch., 128 (1909). — 3) E. Fischer u. Passmore, Ber. Chem. Ges., 22, 359 (1889). — 4) H. u. A. Eüler, Ebenda, 39, 39 u. 45 (1906). — 5) R. Pribram u. A. Franke, Monatsh. Chem.., jj, 415 (1912). Euler, 1. c. — 6) J. Stoklasa, Ztsch. landw. Versuchswes. Österr., 15, 711 (1912). — 7) A. Tröndle, Ber. Botan. Ges., 27, 71 (1909). — 8) Zuletzt von Krascheninnikoff, Rev. gen. Bot., 21, Yll (1909). — 9) Siegfried, Ztsch. physiol. Chem., 44, 85; 46, 401 (1905); JP, 376 (1909). — 10) K. Brunner, Lieb. Ann., 351, 313 (1907). EinundzwanzigstOB Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. 629 Doch ist die Chemie und Physiologie gegenwärtig noch völlig machtlos, um die zahlreichen Möghchkeiten bei der chemischen Verarbeitung der Kohlensäure im Chlorophyllapparate der Pflanzen einigermaßen zu ordnen und zu überbücken. Mit weitreichenden allgemeinen Theorien, wie jene von JuL. Fischer(I), der das Wesen des Vorganges in einer Überführung der Sonnenhchtenergie in Wärme sieht, ist natürlich ein wirklicher Fortschritt nicht angebahnt. Geradezu unvereinbar mit dem Geiste wahrer wissenschaftHcher Forschung ist es jedoch, wenn Kassowitz (2) den Prozeß der Photosynthese mit all- gemeinen Betrachtungen über Assimilation und Dissimilation im lebenden Plasma zu erledigen trachtet. Abschnitt 5: Die Saccharide als Skelettsubstanzen des Pflanzenkörpers. Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. § 1. Die Zellhaut der Bacterien. Die methodischen Schwierigkeiten bei der Untersuchung der Bac- terienzellmembranen haben es mit sich gebracht, daß die meisten Punkte auf diesem Gebiete derzeit noch kontrovers sind. Sicher ist nur, daß die ältere Ansicht aufzugeben ist, wonach die Zellhäute der Bacterien stets aus demselben Cellulose bestehen, wie sie in den Membranen der höheren Pflanzen enthalten ist. So hatte Mulder (3) für die Kahmhaut der Essigbacterien („Essigmutter") Cellulose angegeben und nach Nägeli und LoEw(4) sollte daraus durch Behandlung mit NaOH und HCl ein in Kupferoxydammoniak löslicher Stoff darstellbar sein, welcher bei der Hydrolyse Zucker liefert. Nencki und Schaffer (5) berichteten über Cellulose aus Fäulnisbacterien, Süringar(6) über Cellulose aus Sarcina. Zuletzt hatte auch A. I. Brown (7) die Membran von Bact. xylinum für reine Cellulose erklärt. Die Zellhäute dieser Bacterie färben sich jedoch mit Jod direkt blau, weshalb sie Beijerinck(8) mit dem Amyloid aus Samen verglichen hat. Nun konnte Emmerling (9) bei einer wieder- holten Untersuchung der Zellmembranen von Essigbacterien 2 — 3 % N in der Zellhautmasse konstatieren und fand, daß sie, in Salzsäure gelöst, bei anhaltendem Kochen salzsaures Glucosamin liefern, was auf die Gegen- wart von Chitin hindeutet. In Kupferoxydammoniak sind die Mem- branen nach Emmerling nicht löslich. 1) JuL. Fischer, Ztsch. Elektrochem., 12, 654 (1906). — 2) M. Kassowitz, Wies. Ergebn. Internat, bot. Kongr. (Wien 1905), p. 216; Naturwiss. Rdsch., 20, 417 (1905). — 3) MuLDEE, Lieb. Ann., 4 B, 474 (1907). J. C. Irvine, Journ. Chem. Soc, 95, 564 (1909). — 3) H. Wester, Diss. (Groningen 1909); Arch. Pharm., 247, 282 (1909); Zoolog. Jahrb. Syst. Abt., 28, 531 (1910); Ztsch. f. Botan., 2, 510 (1910). Zur Mikro- chemie des Chitins auch O. Tunmann, Pflanzen raikrocheraie p. 608 (Berlin 1913). —4) L. Mangin, Coinpt. rend., 117, 816 (1893); 151, 279(1910); Bull. Soc. Bot., 38, 1 (1893); 41, 373 (1894); Journ. de Bot., 13, 209 (1899). — 5) C. Tanket, Compt. rend., 151, 447 (1910). — 6) Wichers u. Tollens, Journ. f. Landw., 5*. 238 (1910). § 2. Die Zellmembranen der Pilze und Flechten. 637 porus vaporarius 4,01 %. In Fomes und Xylaria war auch Methyl- pentosan nachweisbar, und der erstgenannte Pilz lieferte Mannose, aber nicht Galactose bei der Hydrolyse. In Schimmelpilzen haben Dox und Neidig (1 ) Pentosane nachgewiesen. Bulgaria inquinans gibt nach Ulander und ToLLENS(2) bei der Hydrolyse Traubenzucker, etwas Mannose und Galactose und dürfte ein licheninartiges Kohlenhydrat enthalten; Für- furol und Methylfurfurol wird auch hier bei der Destillation mit HCl erhalten. Iwanoff meint, daß alle von ihm untersuchten Schimmel- pilze und Hutpilze stickstoffreie Substanzen neben Chitin in der Membran der Zellen enthalten. Aus den Untersuchungen von Wintersteit^ (3) kennt man zwei dextranartige schleimige Kohlenhydrate. Das PaiA- dextran aus Steinpilzen wurde durch Behandlung mit verdünnter HjSO^ dargestellt; es ist in verdünnter 5%iger KOH löslich, in Kupferoxyd- ammoniak unlöslich, gibt keine Jodreaktion und liefert bei der Hydrolyse Traubenzucker. Die Formel ist CgHioOg. Polyporus betulinus lieferte das ähnliche Paraisodextran, welches jedoch mit Jod -f H2SO4 sich bläut. Tanrets Fongose und wohl auch ein Teil der als Callose beschriebenen Stoffe fallen mit Dextranen zusammen. Was es mit den direkt eine blaue Jodreaktion gebenden Zellwandstoffen der Pilze für eine Be- wandtnis hat, ist noch unbekannt. Crie(4) hat die zugrundeliegende Substanz als Amylomycin bezeichnet. Errera(5) wies auf die Mög- lichkeit hin, daß in den sich mit Jod bläuenden Ascis lichenin- und isolicheninartige Kohlenhydrate vorkommen dürften. Bekannt ist die Jodbläuung von den Ascusspitzen vieler Disco- und mancher Pyreno- myceten, wie Sordaria und Sphaeria, von den Hyphen des Dematium pullulans (6), den Sporenhäuten des Schizosaccharomyces octosporus und anderen Fällen. Das Mutterkorn soll nach Voswinkel(7) ein Mannan enthalten, welches möglicherweise einen Reservestoff der Sclerotien dar- stellt, und auch in Penicillium glaucum soll ein von Mannose abstammendes Kohlenhydrat vorkommen (8), das Mannin. Endlich sind nach Zopf (9) zu den Zellwandkohlenhydraten der Pilze noch eigentümliche Inhaltskörper der Conidien von Podosphaera zu rechnen, deren Substanz von ihm als Fibrosin beschrieben ist und die nach Foex(IO) unter den Begriff der Callose fallen sollen. Ein positiver Ausfall der „Holzstoffreaktionen" an Pilzzellmembranen findet sich für einige Fälle von Harz (11) ange- geben, und zwar für die Capillitiumfasern von einigen Bovisten und Elapho- myces. Schon früher hatte Niggl(12) angegeben, daß Rotfärbung mit Indol + HCl bei manchen Pilz- und Flechtenmembranen zu erzielen sei. Während FoRSSEL (13) und auch Linsbaüer(14) nur negative Befunde bei ihrer Nachuntersuchung zu verzeichnen hatten, gelang es Schellen- berg (15) bei Penicillium, Cetraria und Cladonia positive Indolreaktion 1) Dox u. Neidig, Journ. Biol. Chem., g, 267 (1911). — 2) Uuander u. T0LLEX8, Ber. Chem. Ges., jp, 407 (1906). — 3) Winterstein, Ber. Chem. Ges., 26, 3098 (1893); 28, IIA (1895); Ztsch. phyeiol. Chem., 26, 438 (1899). — 4) Crie, Compt. rend., 88, 759, 985 (1879). DE Seynes, Ebenda, p. 820 u. 1043. Rolland, Bull. Soc. Mycol., j, 134 (1887). — 5) L. Errera, L'Epiplasme des Ascomycfetes, p. 19 (Bruxelles 1882). — 6) Vgl. Smith, Zentr. Bakt. II, 15, 793 (1906). — 7) A. Voswinkel, Pharm. Zentr.halle (1891), p. 505 u. 531. — 8) Zanotti, Chem. Zentr. (1899), /, 1209. — 9) W. Zopf, Ber. Botan. Ges., 5, 275 (1887). — 10) E. Foex, Compt. rend., 155, 661 (1912). — 11) CO. Harz, Botan. Zentr., 24, 271 (1885); 25, 386 (1886). — 12) Niggl, Flora (1881), p. 545; Just Jahresber. (1881), /, 386, 414. Hier wird auch Phloroglncinreaktion von den Membranwarzen von Cosmarium- arten angegeben. _— 13) Forssell, Sitz.ber. Wien. Ak., pj, I, 220 (1896). — 14) Linsbauer, Österr. bot. Ztsch. (1899), Nr. 9. — 15) Schellenberg, Jahrb. wiss. Botan., 29, 249 (1896). 638 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. zu erzielen. Vielleicht handelt es sich nicht um konstante Befunde, oder um Infiltration mit phenolartigen Stoffen usw. IV. Flechten. Die Membranen der Flechten scheinen im allgemeinen in ihrer Zusammensetzung von den Pilzzellhäuten erhebhch abzuweichen, indem bei ihnen das Chitin stark zurücktritt, was angesichts des symbion- tischen Charakters der Lichenen von Interesse ist. Wisselingh und Wester fanden nur in Peltigeraarten, Ramahna calycaris, Lecanora rubina, Solorina, Stereocaulon, Cladoniaarten viel Chitin, sonst wenig, ja in Cetraria islandica und nivalis gar keines. Auch ist der Chitingehalt nahestehender Arten oft bedeutend verschieden, und selbst die Hyphen bei Exemplaren derselben Art können nach Wester sehr verschiedene Chitinmengen enthalten. Die Zellmembranen der Flechtenalgen besitzen nach Escombe (1 ), Wisselingh und Wester fast stets Cellulosecharakter ; nur bei Peltigera canina gehngt an den Algenzellen weder die Chitin- noch die Cellulosereaktion. Es gibt Flechtenzellmembranen, die, mit Wasser gekocht, zu Gallerte verquellen, wie es bekannthch bei Cetraria islandica der Fall ist. Berzelius verghch den Stoff der Islandflechte mit Stärkekleister und nannte ihn Flechten- stärke, Moosstärke oder Lichenin (2). Payen.(3) erkannte, daß das Lichenin ein Membranstoff ist. Berg (4) beobachtete, daß sich die Gallerte beim Stehen in zwei Kohlenhydrate scheidet, von denen dem unlösUchen der Namen Lichenin verbUeb. Lichenin reagiert nicht mit Jod (5), ist nur in kochendem Wasser löshch, wirkt stark reduzierend und ist optisch inaktiv. Die meisten Autoren geben an, daß es bei der Hydrolyse nur Traubenzucker liefere (6), während Escombe Lichenin für ein Galactan erklärt hatte. Nach Eindampfen des Filtrates vom Lichenin erhält man das ebenfalls der Zu- sammensetzung CgHjoOg entsprechende Isohchenin, welches in kaltem Wasser löshch ist, eine blaue Jodreaktion gibt und rechtsdrehend ist. Lichenin und Isohchenin lassen sich nicht ineinander überführen. Die Aus- beute an Lichenin fand Berg 20%, an Isohchenin 11% des Flechtengewichtes, Nach Hansteen (7) beträgt bei Cetraria islandica der Gehalt an Rohfaser 4,6%, an N-freien Extraktstoffen 79,2%, bei Cetraria nivaUs an Rohfaser 2,07% und an N-freien Extraktstoffen 90,2%. In Lecanora esculenta soll 10,75% Lichenin enthalten sein (8). Das von Stüde (9) aus Evernia pru- nastri isoherte Evernin ist nach Ulander und Tollens vom Lichenin sicher verschieden, da seine Lösung rechtsdrehend ist. Neben Glucose scheint es bei der Spaltung etwas Galactose zu ergeben. Im übrigen sind nach den Feststellungen von Ulander und von K. Müller (10), von Mannose und Galactose abstammende Hemicellulosen bei Flechten verbreitet und auch Pentosane sowie Methylpentosane dürften recht häufig vorkommen. Die Islandflechte enthält nach Poulson 3% Pentosan, neben 50% Lichenin. Wodurch die bei vielen Flechten in Apothecien, Ascis, Rinde und Mark des 1) F. Escombe, Ztsch. physiol. Chem., 2a, 288 (1896). — 2) Bebzelius, Schweigg. Journ., 7. 317 (1813); Ann. de Chim., 90, 277 (1814). Güerin-Vabry, Ann. de Chim. et Phys. (2). 56, 225 (1834). Mülder, Meyens Jahresber. (1838), p. 9. — 3) Payen, L'Institut (1837), p. 128 u. 145. — 4) Th. Berg, Jahresber. f. Chem. (1873), p. 849. — 5) Errera, DIbs. (Brüssel 1882), p. 18. — 6) Klason, Ber. Chem. Ges., /p, 2541 (1886). Bauer, Arch. Pharm., 224; Journ. prakt. Chem., 34, 46 (1886). HöNiG u. Schubert, Monatsh. Chem., 8, 452 (1887). G. Nilson, Chem. Zentr. (1893), //, 942. ülandeb u. Tollens, Ber. Chem. Ges., jp, 401 (1906). PouLSON, Festechr. f. Hammarsten (1906). — 7) Hansteen, Chem.-Ztg. (1906), p. 638. — 8) E. Lacour, Just Jahresber. (1880), /, 463. — 9) Stüde, Lieb. Ann., 131, 241. Vgl. auch K. Müller, Ztsch. physiol. Chem., 45, 272 (1905). — 10) A. Ulander, Diss. (Göttingen 1905). K. Müller, 1. c. § 3. Die Zellmembranen der Algen. 639 Thallüs vorkommende blaue Reaktion mit Jodlösung (1) hervorgerufen wird, ist nicht bekannt. Nägeli und Schwendener (2) gaben an, daß sich dieser Stoff aus den Flechtenascis durch verdünnte HCl ausziehwi läßt. Nach FüiSTiNQ (3) sind in der Ascusmembran von Verrucaria zwei isomere Stoffe zugegen, von denen sich der eine mit Jod bläut, der andere aber rot färbt. Die Gonidienmembranen von Phylliscum sollen einen in heißem Wasser lösUchen jodbläuenden Stoff enthalten. Die Gallertflechten scheinen nach WISSELINGH hinsichtUch des reaktionellen Verhaltens der Zellmembran nicht sehr von den anderen Flechten abzuweichen. Usnea, die nach Mangin Ce}lulosemembranen haben sollte, führt eine Membransubstanz, die wohl eine rotviolette Reaktion mit Jod -j- HgSO^ zeigt, jedoch nicht der Einwirkung von Glycerin bei 300®, so wie die Gellulose, widersteht. Sie wurde besonders in den Hyphen des axilen Stranges' der Thallusäste gefunden und von WlsSEiiiNGH als „Usnein" unterschieden. Die älteren Angaben über Holz- stoffreaktionen bei Flechten haben sich nicht bestätigen lassen. Ein bisher unbekanntes Kohlenhydrat scheint die cystolithenartigen Körper im Thallus von Physma dalmaticum zu formieren (4). Die Zellhäute der Pilzhyphen sind nicht selten mit verschiedenen Stoffen infiltriert, die sich leicht ohne nachweisbare Strukturveränderungen der Membran entfernen lassen. Harz sprach direkt von einer Um- wandlung der Hyphenmembranen in Harz, doch ist diese Angabe mit Vorsicht aufzunehmen. Auch Färbungen der Membran durch bestimmte Stoffe kommen nicht selten vor, sowohl schichten weise als in der ganzen Dicke der Zellhaut. So enthalten die Zellmembranen der Nectria cinna- barina das Nectriarot, welches nach Bachmann (5) harzartiger Natur sein soll, jedoch nach seinen Löslichkeitsverhältnissen, der Lichtempfindlichkeit und der blauen Reaktion mit konzentrierter H^SO^ zu den carotinartigen Stoffen gehören wird. Die Natur der häufig vorkommenden braunen Pigmente ifet noch unbekannt. Auch die Ursache der von Niggl beob- achteten „Ligninreaktionen" bei Fomes fomentarius und Trametes ist nicht erforscht. Auf die Oxalateinlagerungen in Pilzzellhäuten wird an anderer Stelle einzugehen sein. §3. Die Zellmembranen der Algen. Die chemische Beschaffenheit der Zellhaut bei den Algen ist zum großen Teile noch unbekannt. Es scheinen bei den einzelnen Formen- kreisen tiefgreifende stoffliche Differenzen vorzuliegen. I. Die Zellhaut der Euglenaceen, die zuerst von Klebs(6) untersucht worden ist, zeigt keine Cellulosereaktionen, sondern scheint sich den Proteinstoffen zu nähern. Gl. Hamburger (7) fand darin zwei Substanzen, von denen die eine bei Euglena Ehrenbergii und viridis nach 24 stündigem Liegen in Pepsin-HCl fast ganz schwindet. Bei anderen Arten gelingt die Verdauung nur schwierig und bei Phacus .bleibt die Zellhaut nach Klebs selb&t nach tagelanger Pepsineinwirkung anscheinend 1) Vgl. DE Baby, Morpholog. d. Pilze (1866), p. 255, 281. — 2) Nägeli u. SCHWENDEKEB, Das Mikroskop, 2. Aufl. (1877), p. 518. — 3) FüiSTiNG, Botan. Ztg. (1868), p. 661. — 4) E. Senft, Sitz.ber. Wien. Ak., ii6, I, 429 (1907). — 5) Bachmann, b. Zopf, Die Pilze: Schenks Handb. d. Botan., 4, 426. — 6) Klebs, Untersuch, bot. Inst. Tübijigen, /, 239 (1883). — 7) Cl. Hamburgeb, Sitz.ber. Ak. Heidelberg (1911), p. 1. 640 EinundzwanzigBtes Kapitel: Das ZellhautgerüBt der Pflanzen. ungeändert. Auch Fäulnisbacterien greifen Euglenazellhäute durch ihre Enzyme an. Manchmal bleibt nach der Pepsinverdauung ein Rest zurück, der die ursprüngliche Hautstruktur erhalten zeigt. Vielleicht ist dieser Stoff mit den Hyalogenen niederer Tiere verwandt. Bei Euglena spiro- gyra ist Eisenoxydeinlagerung in die Membran nachgewiesen. IL Cyanophyceen. Hier ist nicht viel sicheres über die Chemie der Zellmembranen bekannt. Vor allem ist das Vorkommen der Cellulose noch ganz unsicher. Nach Nägeli und Schwendener(I) lösen sich die Membranen mancher Formen nicht in Kupferoxydammoniak, ja die Hüllhäute von Gloeocapsa opaca und Gloeocystis vesiculosa quellen darin nicht einmal. Klebs(2) fand die Gallertscheide von Ghroococcus mit Jodlösung nicht färbbar und stark quellend in Schwefelsäure oder Chlor- zinkjod, während die Gallertscheiden von Sirosiphon ocellatus, Tolypothrix und Oscillaria in Chlorzinkjod nicht verquollen. Auch Gomont (3) kon- statierte auf mikrochemischem Wege die Widerstandsfähigkeit der Zell- membran fädiger Cyanophyceen gegen Säuren, Kupferoxydammoniak und Jodreagentien. Auf Grund mikroskopischer Färbungsmethoden nahm Lemaire(4) an, daß die Gallerte von Gloeocapsa und Nostoc aus Pektin- stoffen bestehe, hingegen die Scheide von Stigonema, Lyngbya und anderen Formen aus einem eigentümlichen Kohlenhydrat, Schizophycose genannt, zusammengesetzt sei, während die Gallertscheiden von Stylonema- und Tolypothrixarten Cellulose neben Schizophycose führten. Virieux(5) findet im Schleime der Cyanophyceen Callose, Schizophycose und pektin- artige Stoffe. Das „Nostochin" von Strohecker (6) war ein in kochendem Wasser lösliches Kohlenhydrat aus dem Schleime von Nostoc commune. Namikaw^a(7) fand bei der Analyse der japanischen Nostoc Phylloderma auf 81,43% Trockensubstanz 3,64% „Rohfaser", 4,5% Pentosane und 1,86% Galactan. Die Angaben von Hegler und von Kohl, wonach die Zellmembranen der meisten vegetativen Cyanophyceenzellen aus Chitin beständen (8) (nur die HeteroCysten sollten nach Kohl Cellulosewände besitzen) hat sich durch die mikrochemischen Untersuchungen von Wisselingh und Wester nicht bestätigt. III. Peridineen. Nach Bergh(9) gibt die zierlich aus Tafeln zusammengesetzte Haut der Peridineen, welche den Zelleib panzer- oder schalenartig umgibt, die Reaktionen pflanzlicher Cellulosemembranen. Auch die mächtigen hornartigen Fortsätze mancher Formen, wie Ceratium, verhalten sich ebenso. Mangin(IO) fand die Peridineenmembranen in Kupferoxydammoniak löslich und gab an, daß sie neben Cellulose nur sehr wenig pektinartige Stoffe einschlössen. IV. Diatomeen. Die chemische Natur der merkwürdigen doppel- schaligen Kieselpanzerhaut dieser Algen ist noch nicht aufgeklärt. Die darin vorkommende Siliciumverbindung muß nicht direkt SiOj sein, sondern ist möglicherweise eine andere organische oder inorganische Verbindung (11). 1) N.Xgeli u. Schwendener, 1. c. (1877), p. 524. — 2) Klebs, 1. c, p. 391. — 3) (lOMONT, Bull. Soc. Bot., 35 (1888). — 4) A. Lemaire, Journ. de Bot., 15, 302 (1901). — B) J. ViRiEUX, Compt. rend., 151, 334 (1910). — 6) Strohecker, ÖstPiT. bot. Ztsch., 28, 155 (1878). — 7) Namikawa, Bull. Coli. Agric. Tokyo. 7, 123 (1906). — 8) R. Hegler, Jahrb. wiss. Botan., 36, 279 (1901). F. G. Kohl, Organis, u. Physiol. d. Cyanophyceen zelle (1903). — 9) Bergh, Morphol. Jahrb., 7 (1882). — 10) Mangin, Compt. reud. (13. Mai 1907), p. 1055. Struktur: Werner, Ber. Botan. Ges., 28, 103 (1910). — 11) Vgl. Pfitzer, Schenka Handb. d. Botan., 2, 410 (1882). § 3. Dio Zellmembranen der Algen. 641 Nach dem Veraschen bleibt amorphe Kieselsäure als Skelett zurück. Behandelt man die Membran mit FH, so bleibt eine zarte Haut zurück, welche selbst nach Behandlung mit Schulzes Macerationsgemisch, keine Cellulosereaktionen gibt. Mangin(I) nimmt an, daß die Zellmembran der Diatomeen keine Cellulose, aber reichlich Pektin enthalte. Die Gallert- bildungen der Diatomeen, welche als Stiele festsitzender Formen auf- treten, wurden durch Klebs studiert. Sie sind kieselsäurefrei und werden durch konzentrierte H^SOi gelöst. V. Grünalgen. Nach den mikrochemischen Merkmalen zu urteilen, scheint die Zellhaut der Chlorophyceen meist den allgemeinen Charakter von „Cellulosemembranen" zu haben, wie sie in den parenchymatischen Geweben von Phanerogamen auftreten. Doch ist über die bei der Hydrolyse auftretenden Zuckerarten noch sehr wenig bekannt. Da MÜLLER (2) aus Cladophora neben Glucose auch Xylose gewann und nach RÖHMANN in Ulva, nach König und Bettels in Enteromorpha corapressa ein Rhamnose lieferndes Methylpentosan vorkommt (3), so dürften sich bei eingehenden Untersuchungen noch interessante Befunde herausstellen. Enteromorpha enthält nach König in lufttrockenem Zu- stande 14,17% Wasser, 7,37% Pentosan, 16,52% Methylpentosan und 5,3 % „Rohfaser". Die Zellwand von Closterium führt nach Wisse- LiNGH(4) außer Cellulose Pektin und enthält Eisen in den äußeren Schichten abgelagert. Über die Natur der Gallertscheiden verschiedener Algen hat Klebs (5) ausführhche Studien angestellt. Die von Kützing als „Gelacin" bezeichnete Substanz der Gallertscheiden ist von der Zellhaut scharf unterschieden. Sie ist nicht quellbar in kalter Lauge oder Essigsäure, hingegen löshch in siedendem Wasser, Chlorzinkjod, Salzsäure und siedendem Eisessig. Die Gallerte besteht aus zwei Stoffen, einer indifferenten sehr schwach hcht- brechenden Grundsubstanz und einem in Form von Stäbchen eingelagerten dichteren Bestandteil (6), welcher Farbstoffe speichert. Kultur in Glucose- pepton bedingt eine abweichende, viel dichtere Gallertbildung; die für N-Gehalt und leimartige Natur dieser Einlagerung oder ,, Verdickung" angeführten Gründe sind jedoch kaum entscheidend. Chlorzinkjod und J + H2SO4 lassen die Gallerte farblos, während sich die Zellhaut blau färbt. Kochendes Wasser und auch Chlorzinkjod lösen den Farbstoff speichernden Gallertbestandteil auf, während die Grundsubstanz zurückbleibt. Der erstgenannte Gallertstoff verbindet sich nach Klebs mit Gerbsäure und mit SubUmat und ist von der bei Kultur in Glucosepepton auftretenden Substanz verschieden. Klebs zeigte sodann, wie man künsthche Nieder- schläge (z. B. Berhnerblau) in der Gallerte von Zygnema einlagern kann, ohne das Leben der Zellen zu stören, und wie solche Gallerthüllen schließUch abgestoßen werden. Auch die Zellwand selbst hat bei Zygnema nach Klebs keine einheit- hche Zusammensetzung. Kochen mit verdünnter HCl bringt einen Membran- stoff in Lösung, der in normalen Zellhäuten Speicherung von Anihnfarb- 1) L. Mangin, Compt. rend. (6. April 1908). — 2) K. Müller, Ztsch. physiol. Chera., 45, 2.65 (1905). — 3) J. König u. Bettels, Ztsch. Untersuch. Nahr.- u. Genußmittel, 10, 457 (1905). Röhmann, Festschr. f. Salkowski (1904). — 4) C. VAN Wisselingh, Zt«ch. f. Botan., 4, 337 (19)2). — 5) Klebs, 1. c. (1886), p. 355. Hansgirg, Botan. Zentr. (1888), Nr. 28. B. Schröder, Verhandl. Nat. Med. Ver. Heidelberg:, 7, 139 (1902). — 6) Vgl. auch F. Brand, Ber. Botan. Ges., 24, 64 (1906): 26, 114 (1908). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. S. Aufl. 41 542 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellbautgerüst der Pflanzen. Stoffen verursacht. Vielleicht ist dies eine Hemicellulose. Der restierende Teil ist in Kupferoxydammoniak rasch löslich, färbt sich mit Kongorot und gibt die üblichen Cellulosereaktionen. Mesocarpus, Spirogyra, Chaetophora und Desmidiaceen zeigen nach Klebs ganz analoge Verhältnisse. Bemerkenswerte Abweichungen bieten die Zellmembranen derSiphoneen. Es hat CoRRENS (1) gezeigt, daß nach Einwirkung von konzentrierter H2SO4 auf Caulerpen und folgendem Wasserzusatz, sich aus der Membransubstanz Sphärite bilden. Dieselben lösen sich in Kupferoxydammoniak und in Laugen, bläuen sich nicht in Jodlösungen und dürften einem Hauptbestand- teil der Zellhaut entstammen. Schacht (2) gab an, daß bei Caulerpa nach Behandlung mit Ätzalkah Cellulosereaktion auftritt. Frische Caulerpa zeigt nach Correns nie Cellulosereaktion. Noll (3) nahm zwei Membran- stoffe an : einen durch H2SO4 extrahierbaren und sich mit Jodlösung bläuenden und einen rückbleibenden Bestandteil. Mirande (4) vermißte bei allen Caulerpaceen, Bryopsis, Derbesiaceen und Codiaceen Cellulose und schreibt diesen Algen Callose und Pektin zu. Cellulose-Pektinmembranen hat nach diesem Forscher nur Vaucheria. VI. Phaeophyceen. van Wisselingh hat gezeigt, daß die Zeil- wände von Fucus Cellulose enthalten und daß außerdem noch ein sich mit Jodkalium und 1 % HgSO^ blaufärbendes Kohlenhydrat zugegen ist, welches als „Fucin" unterschieden worden ist. Das Fucin ist in der Mittellamelle lokalisiert. Rutheniurarot färbt die gesamte Wandsubstanz. Fucus ist sodann das klassische Objekt der Pentosan- und Methylpentosan- forschung. Schon 1850 gelang es Stenhouse(5) durch Behandlung von Fucus mit H2SO4 ein flüchtiges Produkt zu gewinnen, welches er als Fucusol beschrieb. Maquenne (6) erst hat 40 Jahre später nachge- wiesen, daß das Fucusol ein Gemenge von viel Furfurol mit etwas Methylfurfurol darstellt. Wie Maquenne hervorhob, entsteht das letztere bei Behandlung von Methyl pen tosen und deren Kondensationsprodukten mit starken Mineralsäuren in gleicher Weise wie Furfurol aus Pentosen. Es gibt mit Alkohol und konzentrierter H2SO4 eine grüne Farbenreaktion. Seine Konstitution ist: CH CH II II CH3 . C— 0— C • COH. ToLLENS und Günther (7) haben zuerst nachgewiesen, daß man bei der Hydrolyse von Fucus wirklich eine Methylpentose erhält, welche der Rhamnose isomer ist, Fehlings Lösung reduziert und stark links- drehend ist. Diese, als Fucose bezeichnete Menthylpentose liefert beim Kochen mit HCl Methylfurfurol. Ihr Osazon krystallisiert, schmilzt bei 159° und ist sehr leicht löslich. In den folgenden Arbeiten von Tollens und seinen Mitarbeitern (8) wurde die Konstitution der Fucose endgültig 1) Correns, Ber. Botan. Ges., 12, 355 (1894). — 2) Zit. bei Correns, 1. c, p. 358, Anm. — 3) F. Noll, Al)handl. Senckenberg. Naturf. Ges., 15, 142 (1887). — 4) R. Mirande. Compt. rend., 756, 475 (1913). — 5) J. Stenhouse, Lieb. Ann., 74, 278 (1850). — 6) Maquenne, Compt. rend., /op, 571, 603 (1889). Vgl. Bieler u. T01.LENS, Ber. Chem. Ges., 22, 3063. Widsoe u. Tollens, Ebenda, jj, 143 (1900). OsHiMA u. Tollens, Ebenda, 34, 1425. — 7) GIjnther u. Tollens, Ebenda, 23, 2585 (1890); Lieb. Ann., 271, 86. — 8) Müther u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 37, 298, 306 (1904). Mayer u. Tollens, Ebenda, j5, 3021 (1905); 40, 2434 (1907). Tollens u. Rorive, Ebenda, 42, 2009 (1909). Votocek, Ebenda, 37, 3859 (1904). § 3. Die Zellmembranen der Algen. 643 sichergestellt. Sie ist der optische Antipode der Rhodeose und hat den der 1-Galactose entsprechenden Aufbau: OH H H OH CH3-I 1 1 l-COH. H OHOH H Fucosan sowie Pentosane müssen in Fucaceen, Laminariaceen und den verwandten Gruppen überall verbreitete Zellhautstoffe sein, da die Analysen von König und Bettels und von Suzuki (1) für die Trocken- substanz dieser Algen Pentosanzahlen zwischen 6—7 % und 1,5 bis 2,2% an Methylpentosan aufweisen. Galactan scheint nie vorhanden zu sein, da Schleimsäure aus Braunalgen nicht dargestellt werden konnte. Der Laminariaschleim gibt nach einer Angabe von Bauer (2) bei der Hydrolyse Glucose. In der Cuticula von Ectocarpus soll nach Sauva- GEAU Pektin enthalten sein (3). Andere aus Laminaria dargestellte Kohlenhydrate gehören wohl dem Zellinhalte an und sind als dextrinartige Reservekohlenhydrate auf- zufassen. Dies betrifft die von Schmiedeberg (4) beschriebenen beiden Stoffe, das Laminarin und die kolloide stark quellbare Laminarsäure, ferner das von Stanford (5) aus Laminaria dargestellte Algin oder die Algensäure, welche wesentlich mit der kolloiden Laminarsäure identisch gewesen sein dürfte und ihren geringen N-Gehalt Beimengungen ver- danken dürfte. Wenigstens war die von Kreftling in neuerer Zeit gewonnene Tangsäure ein N-freies Präparat, das als Glucosederivat auf- zufassen ist (6). Die Zahlen der „Rohfaser" der Braunalgen sind in den Daten von Warington und König sehr verschieden hoch, betragen für Lami- naria 9 — 12% der lufttrockenen Substanz, steigen bei Cystoseira bis 17%, bei Cystophyllum fusiforme bis über 26% an. VIL Florideen. Nach Wisselingh besteht das Gewebe von Sphaerococcus crispus aus dicken Cellulosewänden mit einer Intercellular- substanz, welche durch Glycerin bei 300° zerstört wird. Rutheniumrot färbt alle Membran teile rot. Viele Florideen sind reich an Zellwand- stoffen, die mit kochendem Wasser eine schleimige Masse bilden (7). Darauf beruht die Anwendung der Handelsprodukte, die als Carrageen aus Chondrus crispus und Gigartina mamillosa bereitet werden, ferner des von Gracilaria lichenoides stammenden Agar-Agar, endlich des aus Por- phyra laciniata hergestellten japanischen Nahrungsmittels Nori. Carra- geenschleim wird durch Kupferoxydammoniak nicht gelöst und gibt nur eine schwache Rötung mit Jod (8;. Mit Salpetersäure eingedampft, liefert Carrageen reichlich Schleimsäure und die Ausbeute beträgt soviel, daß sie 20—28% Galactosegehalt der Muttersubstanz entspricht (9). Neben Galactan sind im Carrageen, nach den Befunden von Sebor zu schließen, 1) J. KÖNIG u. J. Bettels, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 10, 457 (1905). Y. Suzuki, Transact. Sapporo Nat. Hist. See., / (1905/06). — 2) R. W. Bauer, Ber. Chem. Gee., 22, 618 (1889). Vgl. auch Tunmann, Pharm. Zentr.halle, 48, 241 (1907). — 3) Sauvageau, Compt. rend., 122, 896 (1896). — 4) Schmiede- berg, Tagebl. d. Naturf. Vers. (1885), p. 231. — 5) Stanford, Chem. News, 47, 254 (1883); Journ. Chem. See. (1886), p. 218. — 6) A. Kreftling, Just Jahresber. (1897), //, 76; Pharmacia, 6, 151 (1910). Torup, Ebenda, p. 153. — 7) Quellungs- vorgänge: Fr. Tobler, Ztsch. wiss. Mikrosk., 26, 51 (1909). — 8) O. Tunmann, Apoth.-Ztg., 24, 151 (1909). — 9) Haedicke, Bauer u. Tollens, Lieb. Auu., 238, 302 (1887). 41* 644 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. noch Derivate von Glucose und Fructose zugegen (1) und es fehlen ferner geringe Mengen von Pentosan und Methylpentosan nicht. Auch die Kohlenhydrate des Agar, die als Gelose bezeichnet wurden, schließen reichlich Galactan ein, so daß etwa ^4 des Agars aus Galactan bestehen dürfte (2). Agar gibt eine rotviolette Jodreaktion. Mit Salpetersäure entsteht Schleirasäure und Oxalsäure. Aber auch das japanische Nori enthält nach Tollens und Oshima^S) viel Galactan, daneben ein Mannau und Fucosan. Daß Florideen regelmäßig viel Galactan enthalteri. folgt auch aus den Analysen von König und Bettels. Der Cellulosegehait dürfte nicht sehr groß sein. § 4. Der Zellmembranen der Moose und Farne. Die Mooszellmembranen enthalten nach den wenigen vor- liegenden Untersuchungen wohl stets einen gewissen Anteil an Celiulose, doch ist dieselbe durch die gewöhnlich angewendeten Reagentien in der Regel nicht direkt nachzuweisen, sondern erst nach Kochen mit ver- dünnten Alkalien (4). Dabei geht aber ein erheblicher Teil der Zellvvand- substanz in Lösung und läßt sich durch Neutralisation als gallertartiger Niederschlag ausfällen. Draggendorff(5) und Treffner führten diese Substanz als „Metarabinsäure". In der Tat scheinen nach K. Müller (6) Araban, Xylan, wohl auch Methylpentosan bei Moosen verbreitet vorzu- kommen und der gallertartige Membranstoff aus Sphagnum scheint speziell ein Xylan zu sein, Polytrichum enthält nur sehr wenig Pentosan. In Bryaceen wies Winterstein (7) Mannan nach. Die Zellwände von Sphagnum geben mit MiLLONschem Reagens eine lebhaft rote Reaktion, und es läßt sich der wirksame Körper, der einstweilen als ,,Sphagnor' be- schrieben wurde und phenolartiger Natur ist, daraus mit verdünnter Lauge extrahieren. Die Substanz gibt eine rotbraune Eisenreaktion. Sie ist sehr reichHch in den Zellmembranen von Sphagnum, Fontinahs, Trichocolea und Hypnaeeen enthalten, überhaupt bei Moosen von nassen Standorten verbreitet. Da sie ziemhch stark toxisch wirkt, so scheint es sich in biologischer Hinsicht um einen Schutzstoff zu handeln. Ferner sind bei Moosen eisen- bläuende, aromatische Stoffe in den Zellmembranen sehr verbreitet, die ich als ,,Dicranumgerbsäure" zusammengefaßt habe. Auch diese Stoffe lassen sich durch verdünntes Alkah aus den Zellhäuten in Lösung bringen, sind in Wasser leicht löslich, wenig löshch in starkem Alkohol und fällen Leimlösung. Man kann durch schwaches Alkah Polytrichumblätter in lebendem Zustande braun färben, ohne daß die Zellen geschädigt werden, weil die erwähnte gerbstoffartige Substanz im alkahschen Medium leicht oxydabel ist (8), 1) J. Sebor, Osterr. Chem.-Ztg., j, 441 (1900); ßotan. Zentr., 86, 70 (1901). — 2) Geeenish, Ber. Cham. Ges., 14, 2253 (1881); 15, 2243 (1882); Arch. Pharm., 17, 241, 321. MoRiN, Compt. rend., 90, 924 (1880). Pobumbaru, Ebenda, p. 1081. Bauer, Journ. prakt. Chem., jo, 367 (1885). König u. Bettels, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußraittel, 10, 457 (1905). Cooper, Cantab u. Nuttall, Pharm. Journ. (4), 26, 588 (1908). — 3) Oshima u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 34, 1422 (1901). — 4) F. Czapek, Flora (1899), p. 361. — 5) Draqgendorff, Analyse v. Pflanzen (1882), p. 88. Treffner, Just Jahresber. (1881), /, 157. — 6) K. Müller, Ztsch. physiol. Chem., 45, 286 (1905). Über Sphagnum auch Ibele, Ber. Botan. Ges., j/, 74 (1913), ^— 7) E. Wintekstein, Ztsch. physiol. Chem., 21, 152 (1895). 8) K. V. Schoenaü, Flora, 105, 246 (1913). Lebermoose: Garjeanne, Ebenda (1913), p. 370. § 5. Das Zellhautgerüst der Phanerogamen : Die Cellulose. 645 Dicranumgerbsäure findet sich charakteristischerweise besonders bei xero- phytischen Moosen wie Grimmia, Barbula, Tortula, Orthotrichum, Di- cranum, Leucobryum. Sie ist nicht so giftig wie Sphagnol. Mooszellmembranen geben nach Gjokic(I) regelmäßig eine rote Färbung mit Rutheniumsesquichlorür. Die Holzstoffreaktionen fallen stets negativ aus. Gänzlich unbekannt ist die chemische Natur der gelben und braunen Membranfarbstoffe, welche besonders die mechanischen Gewebe der Moose lebhaft tingieren. Bei den Farnen hat GiLSON (2) durch die yerstellung von Cellulose- sphäriten aus der Lösung der Membranen in Kupferoxydammoniak die Gegenwart der gewöhnUchen Dextrosoceliulose außer Zweifel gesetzt. Sodann scheinen nach den Untersuchungen von Winterstein und von Merkel- bach (3) Mannane bei den Pteridophyten verbreitet vorzukommen. Schwerer hydrolysierbare Galactane sind dem letztgenannten Autor zufolge gleich- falls verbreitet. Von Pentosanen konnte nur Araban gefunden werden, während Xylan auffallenderweise in keiner einzigen Farnpflanze zu kon- statieren war. Methylpentosan wird von Lycopodium clavatum erwähnt. Die Pektinverbindungen in den Parenchymzellwänden von Equisetum wurden durch Mangin(4) eingehend studiert. Bei Equisetum arvense bildet Calcium- pektat im Parenchym der Stengelknoten kleine knopfartige, in die Inter- <;ellularräume vorstehende Erhebungen. Konkretionen von Calciumpektat als einfache oder verzweigte, gebogene Stäbchen fand Mangin im Blattstiel- parenchym von Pteridium aquihnum und Blechnum brasihense. Linsbauer (5) hat die Verbreitung der „Ligninreaktionen" bei den Gefäßkryptogamen untersucht. Die gefärbten Sclerenchymzellwände der Farne geben meist deutUche Holzstoffreaktion, während bei Equisetum die Reaktion an den mechanischen Elementen ausbleibt. Die Tracheiden bei Jsoetes geben die Phloroglucinreaktion nicht, jene von Salvinia nur schwach. Manche Farne zeigen die Ligninreaktion an Parenchymzellwänden,- die Lycopodien sogar im Mesophyll. Sehr häufig tritt die Reaktion an den Epidermiszellwänden des Blattstieles ein, aber nicht an jenen der Lamina (6). Ligninreaktion erfolgt endhch an den Sporangienwänden. Über das mikro- chemische Verhalten d^r gefärbten Schutzscheidenzellwände bei den Farnen finden sich bei Rumpf (7) Angaben. Perrin (8) behauptet, daß die 2^11wände der FarnprothalUen keine Cellulose enthalten, sondern nur Hemicellulosen, welche von der jungen Farnpflanze ausgenutzt werden. §5. Das Zellhautgerüst der Phanerogamen: Die Cellulose. Die erste Entdeckung auf dem Gebiete der Zellhautchemie war die Beobachtung von Braconnot (9), daß bei der Einwirkung von kochender Schwefelsäure auf Holz und Leinwand Zucker entsteht (1819). Gmelin(10) fügte hinzu, daß bei der Säurebehandlung von Papier aus 1) Gjokic, Österr. bot. Ztsch. (1895), Nr. 9. — 2) Gir^ON, La Cellule, 9, 397 (1893). — 3) W. Merkelbach, Diss. (Freiburg 1907). — 4) Manqin, Journ. de Botan., 7, 37 (1894). — 5) K. Linsbaüer, Österr. bot. Ztsch. (1899), Nr. 9. Burgerstein, Sitz.ber. Wien. Ak., 70, I, 9 (1874), Anm. — 6) Lemaire, Ann. Sei. Nat. (6), 15. Thomae, Jahrb. wiss. Botan., 17, 99 (1886). — 7) G. Rumpf, Rhizo- dermis, Ilypodermis u. Endodermifi der Farnwurzel (Marburg 1904); Biblioth. botan., Nr. 62. — 8) G. Perrin, Thfese (Paris 1908). — 9) H. Braconnot, Ann. de Chim. et Phyfl. (1819), p. 172; Schweigg. Journ., 27, 328 (1819). — 10) Gmelin, Ebenda, 58, 374, 377 (1830). 646 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. diesem ein gallertartiger Stoff entsteht, welcher sich mit Jodlösung blau färbt Das Verdienst, die wissenschaftliche Begründung der physiologischen Chemie des Zellhautgerüstes der Pflanzen geschaffen zu haben, kommt jedoch Payen(I) zu. Dieser Forscher war in seinen seit 1834 fort- laufenden Arbeiten bestrebt, die Zellwände möglichst zahlreicher Pflanzen- teUe durch sukzessive Behandlung mit Säuren, Alkalien, Wasser, Alkohol, Äther möglichst rein zu gewinnen und die Präparate zu analysieren. Er kam zur Überzeugung, daß man schließlich immer eine mit Stärke isomere Substanz, CgHioOg erhält, welche er als Cellulose bezeichnete. 1838 beobachtete Schleiden(2) zuerst die Eigenschaft der Zellwände sich mit Jod und H2SO4 blau zu färben, wenngleich ihm anfangs die irrige Ansicht unterlief, daß hierbei Stärke entstehe und er meinte, daß Jod allein zu dieser Reaktion ausreiche. Mohl(3) fand die allgemeine Verbreitung der Jod + H2SO4 -Reaktion bei Cellulose wänden, ebenso Karting (4). Die Einführung des bekannten Chlorjodzinkreagens ver- dankt man Schulze in Rostock (5). Man erfuhr auch bald, daß viele Zellmembranen, wie Cuticula, Kork, Holz, diese Reaktion nicht geben, und Payen meinte, daß die Reaktion trotz nachgewiesener Gegenwart von Cellulose in solchen Zellmembranen deshalb unterbleibe, weil die Cellulose „verschieden aggregiert" und von „inkrustierenden Substanzen" durchdrungen sei. Die Folgezeit brachte einmal zahlreiche Analysen pflanzlicher Zellhäute (6), andererseits bemühte man sich, freilich mit geringem Erfolge, die „Inkrusten" aus den Membranen darzustellen. Die von Fr]&my und Terreil(7) eingeführten Namen „Paracellulose", „Cutose", „Vasculose" blieben ziemlich inhaltsleere Begriffe. Der 1842 durch Schleiden(8) geäußerte Gedanke, daß es möglicherweise eine ganze Reihe von Cellulosen geben könnte, welche graduell verschieden sind und von denen nur wenige Glieder bekannt sind, wurde in neuerer Zeit in gewissem Sinne bestätigt, als man endlich dazu überging, die rein qualitativ-mikrochemische Methodik aufzugeben und die Zuckerarten näher zu studieren, welche bei der Hydrolyse der pflanzlichen Zellmem- branen entstehen. Zunächst Müntz (9), sodann Schulze und Steiger (10) zeigten, daß man nicht selten bei der Zellhauthydrolyse aus verschiedenem Pflanzenmaterial Galactose unter den Produkten beobachtet. 1886 fand sodann Koch (11), daß das von Thomsen(12) zuerst dargestellte Holz- gummi bei der Hydrolyse eine neue Zuckerart, Xylose, liefert, welche ebenso wie die aus Pektin und Kirschgummi darstellbare Arabinose als fünfwertiger Zucker aufzufassen sei. Bald lehrte eine stattliche Reihe von Untersuchungen, größtenteils den Laboratorien von E. Schulze und von B. Tollens stammend, daß Galactane wie Pentosane weit 1) Payen, Ann. Sei. Nat. (2), 2, 21 (1839); Ebenda (1840), p. 73; M^moir. 8ur les developpements des v^götaux (Paris 1842); Compt. rend., 10, 941 (1840). J. M0LE8OHOTT, Physiol. d. Stoffwechsels (Erlangen 1851), p. 101 ff. — 2) Schleiden, Pogg. Ann., 43, 391 (1838). Liebig, Lieb. Ann., 42, 298 u. 306 (1842). — 3) H V. MoHL, Flora (1840); Vermischte Schrift. (1845), p. 335; Botan. Ztg. (1847). p. 497. — 4) Harting, ßerzelius Jahresber., 26, 613 (1847). — B) Vgl Radlkofeb, Lieb Ann., 94, 332 (1855) — 6) v. Baümhaüer, Journ. prakt. Chem., 32, 204 (1844), Lieb. Ann., ^S, 356 (1843). Fromberg, Ebenda, 4B. 353 (1843). Mulder, Physiol. Chem. (1844), p. 198. — 7) Fremy u. Terreii^ Journ. Pharm, et Chim., 7. 241 (1868). Vgl. auch Schleiden, Grundzüge d. wiss Bot., 4. Aufl., p. 121 (1861). — 8) SCHLEIDEN, Flora (1842), p. 237 — 8) Muntz, Compt. rend., 94, 453 (1882); wi, 624, 681 (1885). — 10) Schulze u. Steiger, Ber. Chem. Ges., 20, 290 (1887). — 11) F. Koch, Ber. Chem. Ges., 20, Ref. p. 145. Tollens, Lieb. Ann., 254, 304; 260, 289. — 12) Thomsen, Journ. prakt. Chem., /p, 146. § 5. Das Zellhautgerüst der Phanerogamen : Die Cellulose. 647 verbreitete Zellwandbestandteile darstellen müssen. Dazu kam noch 1889 die Entdeckung von Reiss(I), daß eine weitere Hexose, anfangs Seminose genannt, bald aber von E. Fischer mit der synthetischen Mannose identifiziert, häufig an dem Aufbau von Zellwänden Anteil hat. Genaue Untersuchungen von E. Schulze und dessen Schülern sowie anderer Forscher lehrten den Unterschied zwischen denjenigen Zellwandbestand- teilen, welche in Reservestoffbehältern vorkommen und beim Keimen und Austreiben gelöst werden und denjenigen, welche nie verbraucht werden und als typische Gerüstsubstanzen aufzufassen sind, kennen. Die REisssche Reservecellulose, das Mannan der Dattel, war einer der ersten Fälle, in denen der Reservestoffcharakter von Zell wandschichten gezeigt wurde. Weiter bewiesen die Arbeiten von Schulze und Gilson, daß die einzelnen Wandbestandteile bei der Hydrolyse mit verdünnter Mineral- säure ungleich widerstandsfähig sind und man trennte die leicht hydro- lysierbaren Zellhautstoffe, die schon bei Behandlung mit 3% H,S04 verzuckert werden, als „Hemicellulosen", von den Cellulosen oder schwer angreifbaren Membranstoffen ab. Zu den Hemicellulosen gehören sowohl die Reservecellulosen, Galactan und Mannan, als auch die den typischen Gerüstsubstanzen der Zellhaut zuzurechnenden Pentosane. Schwer angreifbar ist vor allem die vom Traubenzucker herzuleitende eigentliche Cellulose, der Hauptbestandteil der meisten Zellhäute bei den Phanero- gamen. welcher sich vielleicht eine Mannosecellulose, möglicherweise noch eine Galactocellulose anreihen werden. Die neueren Arbeiten bezüglich Kork, Holz, Cuticula, Schleimmem- branen, Pektin- und Gummisubstanzen sind in den nachfolgenden Paragraphen namhaft gemacht. Hier wenden wir uns zunächst der Cellulose zu. In Parenchymzellwänden, Baumwollhaaren und anderen derartigen Zellmembranen macht Cellulose über 90 % der Gesamtmasse aus. Sie ist, worauf GiLSON (2) aufmerksam gemacht hat, vielleicht das einzige Wand- kohlenhydrat, das bei der Hydrolyse ausschließhch Traubenzucker hefert. Cellulose fehlt im Tierreiche nicht ganz, denn wie zuerst von C. Schmidt (3) nachgewiesen wurde, besteht der Panzer der Tunicaten aus Celluloso, die mit der Pflanzencellulose vollkommen identisch ist (4). Für die Kenntnis der Cellulose war in neuerer Zeit das von Gilson entdeckte Verfahren wertvoll, die Cellulose aus ihrer Lösung in Kupfer- oxydammoniak in Sphärokrystallen auszufällen und so von den anderen Wandkohlenhydraten abzutrennen. Auf diese Art kann man sowohl von Schnitten, als aus größeren Mengen gereinigten chemischen Materials die Cellulose durch langsame Abscheidung aus der Lösung rein darstellen (5). Das Kupferoxydammoniak wurde 1857 durch E. Schweizer (6) als Lösungs- mittel für pflanzhche Zellmembranen bekannt gegeben. Man erhält es durch Auflösen von Kupferoxyd in konzentriertem Ammoniak, wobei die Gegen- wart von etwas Ammoniumsalz nötig ist (7), oder durch Lösen von metalli- schem Kupfer in NHg unter Durchleiten von Luft (8), oder auch beim Lösen 1) REISS, Diss, (Erlangen 1889); Ber. Chem. Gea., 22, 609. — 2) Gilson, La Cellule, p, 397 (1893). — 3) C. Schmidt, Journ. prakt. Chera., j*. 433 (1846). C. LoEWiQ u. KoELLiKER, Compt. rend., 22, 581 (1846). — 4) Franchimont, Ber. Chera. Ges., 12, 1939 (1879). Winterstein, Ebenda, 26, 362 (1893). Abderhalden u. Zemplen, Ztsch. phyeiol. Chem., 72, 58 (1911). — 5) Vgl. auch Johnson, Botan. Gaz., 20, 16 (1895). Früher hatte Grimaux, Compt. rend., 98, 1434 (1884), Cellu- lose als Kolloid durch Dialyse der Kupferoxydammoniaklösung gewonnen. Auch BÜTSCHLi, Fortgesetzte Untersuch, an Gerinnungsschäumen usw. (1894). — 6) E. Schweizer, Journ. prakt. Chem., 76, 109, 344 (1857). — 7) Maumene, Compt. rend., pj. 223 (1882). — 8) Escombe, Nature (1905), p. 170. 648 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. von Cu(0H)2 in 20% Ammoniak. Man kann schließlich auch nach de Toni (1) durch Auflösen einer Mischung von 5 Teilen feingepulverten CUSO4 und 1 Teil Soda in konzentriertem Ammoniak ein wirksames Schweizer- sches Reagens herstellen. Vorbehandlung mit Lauge unterstützt die SchnelHg- keit der Lösung der Zellmembranen wesenthch. Auch in einer ammoniakah- schen Lösung von Kupfercarbonat ist Cellulose lösüch (2). Diese Lösungen sind optisch aktiv (3) und enthalten Kupferalkahcellulose (4). GiLSON befreite nicht zu dünne Schnitte aus Betawurzeln mittels Eau de Javelle oder NaOH von den ZelHnhaltsstoffen, wusch sie aus und Heß sie im verschlossenen Gefäße 5—12 Stunden in Kupferoxydammoniak stehen. Sodann kamen dieselben in mehrfach gewechseltes Ammoniak und wurden mit Wasser ausgewaschen. Bei Anwendung von 5% NHg erhielt er dendritische Gebilde. Größere Mengen krystallisierter Cellulose stellte GiLSON aus pulverisiertem Mark von Kohlstengeln her. Dasselbe wurde sukzessive mit ^% NaOH, fünfstündigem Kochen mit 2% H2SO4, 14 Tage langem Liegen in 12 Teilen Salpetersäure von 1,15 D mit 0,8 Teilen KCIO3, einstündigem Liegen in verdünntem Ammoniak bei QO^ behandelt und zwischen je zwei Operationen mit Wasser gewaschen. Zuletzt wurde mit Alkohol gewaschen und getrocknet. Nach Behandlung mit Kupferoxydammoniak und Ammon erhielt man dann vollständig krystalhnische Massen. Aus der konzentrierten Kupferoxydammoniaklösung selbst scheiden sich nur kleine Sphärite aus. Dieselben kann man mit Kongorot, einem Cellulose leicht färbenden Farbstoff, tingieren (5). Das gleiche Verhalten ist von keinem anderen Kohlenhydrate der Zellwand bekannt. Ob aber nicht doch eine geringfügige Hydrolyse bei der Kupferoxydammoniakbehandlung unter- läuft, ist nicht sicher. Von verdünnten Mineralsäuren wird Cellulose bei gewöhnUchem Druck sehr wenig angegriffen, erhöhter Druck beschleunigt die Hydrolyse be- deutend, hat jedoch den Nachteil, daß ein erhebhcher Teil des entstandenen Traubenzuckers weiter abgebaut wird (6). Am rationellsten ist es, die Cellulose zuerst mit kalter konzentrierter H2SO4 zu behandeln, in der sie sich glatt auflöst, dann auf 1—2% Säuregehalt zu verdünnen und auf 100—120^ zu erhitzen (7). So erhält man die beste Ausbeute an Glucose, welche das einzige Abbauproduki zuckerartiger Natur darstellt (8). Die Zwischen- produkte des Säureabbaues der Cellulose sind bisher nur zum Teil einer wissenschafthchen Charakterisierung zugänghch. Wenig bekannt ist die Natur der unlösüchen Produkte, die bei gehnder Schwefelsäurewirkung zunächst entstehen und in der Praxis als ,, Pergament" (Amyloid) bezeichnet werden. Sodann entsteht eine in Wasser kolloidal löshche Cellulose (9). Beide Produkte so wie EKSTRÖMSAcidcellulose geben mit Jod Blaufärbung (10) ohne Schwefelsäure. Euler beschrieb als „Cellulosedextrine" Produkte, 1) DE Toni, Botan. Zentr., 104, 320 (1907). — 2) Riesenfeld u. Taurke, Ber. Chem. Ges., 38, 2798 (1905). — 3) Levallois, Conapt. rend., 9S, 732 (1884); 99, 1027. Bechamp, Ebenda, p. 1122; wo, 368, 279 (1885). — 4) Normann, Chem.- Ztg., 30, 584 (1906). — 5) Vgl. Carano, Ann. di Botan., 7. 707 (1909). Mikro- chemie: O. TüNMANN, Pflanzenmikrochemie, p. 545 (Berlin 1913). — 6) Ost u. Wilkening, Ch'em.-Ztg., 34, 461 (1910). FH: Ville u. Mestrezat, Compt. rend., 150, 783 (1910). BrH: Oechsner de Coninck, Bull. Ac. Roy. Belg. Gl. Sei. (1910), p. 587. Oxalsäure: Knecht, Journ. Soc Chem. Ind., 28. 700 (1911). — 7) Ost u. Brodtkorb, Chem.-Ztg., 35, 1125 (1911). — 8) Flechsig, Ztsch. physiol. Chem.. 7, 523 (1883). Gilson, 1. c. Ernest, Ber. Chem. Ges., 39, 1947 (1906). — 9) GüiGNET, Compt. rend., 108, 1258 (1889). v. Weimarn, Ztsch. Koll.Chera., //, 41 (1912). Schwalbe u. Schulz, Ber. Chem. Ges., 43, 913 (1910). — 10) Über direkte Jodbläuung „verkleisterter" Cellulose auch Arcichowskij, Trav. Soc. Imp. Nat. P^tersb., 43, 347 (1912). § 5. Das Zellhantgerüst der Phanerogamen: Die Cellulose. 649 die er durch 68tündige Behandlung mit 75% H2SO4 bei 30® erhalten hatte (1). Damit fällt wohl wesentlich auch die Hydrocellulose der Literatur zusammen, welche durch Jodbläuung und Reduktionsvermögen ausgezeichnet ist (2). Vielleicht entsprechen der Zusammensetzung der Cellulose zwei Hydro- cellulosereste. Die Hydrocellulose von Girard (3) war in heißer Kalilauge und kochendem Essigsäureanhydrid löslich. Derartige geUnde Hydra- tationen erzielt man sodann auch durch Metallchloride im Vereine mit Salz- säure (4), und es ist die Hydrolyse je nach der Natur des Metalles mehr oder weniger weitgehend. Antimon, Quecksilber, Wismut und Zinn wirken am stärksten. Mit Wasser läßt sich die Cellulose wieder aus der Lösung fällen. Eine bekannte Anwendung von diesen Reaktionen wird in dem allgemein gebrauchten Chlorzinkjodreagens gemacht, das man auch einfach durch aufeinanderfolgende Behandlung mit JodjodkaU und Zinkchlorid ersetzen kann (5). Schon bei HaSO^-Behandlung allein erfolgt Veresterung unter Bildung von Sulfosäuren (6), und man kann bei der Behandlung von Cellulose mit konzentrierter H2SO4 und Säureanhydriden allgemein gleichzeitig hydro^ lytischen Abbau und Esterbildung beobachten. Alle entstehenden Ester sind Derivate von Hydrocellulosen, so die Acetylcellulose (7), die Aceto- sulfate (8), Benzoyl- und Phenolcellulose (9), Formylcellulose (10), Oxal- säureester (11) usw. Dies hat man auch bezüghch der praktisch-wichtigen Nitroderivate der Cellulose zu beachten, bei deren Gewinnung die Schwefel- säure die zur Nitrierung nötige Hydratationsstufe herstellt. Die Schießbaum- wolle ist höchstens zum kleinen Teil eine Adsorptionsverbindung von Salpeter- säure und Cellulose und zum größten Teile ein Gemisch von Tetra-, Penta- und Hexanitraten der Cellulose (12). Von Interesse ist der Befund von 1) H. Euler, Ztsch. angewandt. Chem., 25, 280 (1912). — 2) Schwalbe, Ber. Chem. Ges., 40, 4523 (1907); Ztsch. angewandt. Chem., S2, 155 (1909); 24, 12 (1911). Büttner u. Neumann, Ebenda, 21, 2609 (1908); 22, 585 (1909). Ost u. Westhoff, Chem.-Ztg., jj, 197 (1909). Je»tgen, Ztsch. angewandt. Chem., 23, 1541 (1910); 24, 11 (1911). Gross u. Bevan, Journ. Chem. Soc, 85, 691 (1904). Briggs, Journ. Soc. Chem. Ind., 28, 340 (1909). — 3) A. Girard, Ann. de Chim. et Phys. (5), 24, 337 (1881); Ber. Chem. Ges., 9, 65 (1876); 12, 2085 (1879). - 4) H. G. Deming, Journ. Amer. Chem. Soc, jj, 1515 (löll). — 5) Nowopo- KROWSKY, Bull. Jard. Imp. St. P^tersb., //, 109 (1911); Beihefte bot. Zentr., 28, I, 90 (1912). — 6) HONIG u. Schubert, Monatsh. Chem., 7, 455 (1886). — 7) Gross u. Bevan, Ber. Chem. Ges., 23, Ref 247 (1890). Franchimont, Compt. rend., 92, 1053 (1881); Rec. trav. chim. Pays-Bas, 18, 472 (1899). Skraup, Ber. Chem. Ges., 32, 2413 (1899). Gross u. Bevan, Chem.-Ztg., 29, 527 (1905). Haeussermann, Ebenda, p. 667. Skraup, Monatsh. Chem., 26, 1415 (1905). Schwalbe, Ztsch. angewandt. Chem,, 23, 433 (1910); 24, 1256 (1911). Ost u. Katayama, Ebenda, 25, 1467 (1912); Naturf. Ges. (1912), //, 1, 124. — 8) Gross, Bevan u. Briggs, Ber. Chem. Ges., 38, 3531 (1905). — 9) Cross u. Bevan, Chem. News, 65, 77 (1892); 67, 236 (1893). Hauser u. Muschner, Ztsch. angewandt. Chem., 26, 137 Q913). Nastjukow, Chem. Zentr. (1903), /, 139; (1908), /, 821. G. J. Briggs, Ztsch. angewandt. Chem , 20, 255 (1913). — 10) Woodbridge, Journ. Amer. Chem. Soc., 31, 1067 (1909). Berl u. Smith, Ber. Chem. Ges., 40, 903 (1907). Worden, Journ. Soc. Chem. Ind., 31, 1064 (1912). — 11) Briggs, Ebenda, 31, 520 (1912). — 12) Lit. Bümcee u. Wolffenstein, Ber. Chem. Ges., 32, 2493 (1899). Haeusser- mann, Ebenda, 36, 3956 (1903). Will, Ebenda, 24, 400 (1891). Gross, Bevan u. Jenks, Ebenda, 34> 2496 (1901). Lunge u. Weintraub, Ztsch. angewandt. Chem. (1899), p. 441. Lunge u. Bebie, Ebenda, 14, 483 (1901). A. Müller, Ztsch. Koll. Chem., 2, 173 (1907). Haeussermann, Chem. Zentr. (1908), /, 2024. Rassow u. Bongre, Ztsch. angewandt. Chem., 21, 732 (1908). Kullgren, Chem. Zentr. (1908), /, 2024. Hake u. Bell, Journ. Soc. Chem. Ind., 2*, 457 (1909). Mosenthal, Ebenda, 30, 782 (1911). Jentgen, Ztsch. angewandt. Chem., 25. 944 (1912). Berl u. Smith, Ber. Chem. Ges., 41, 1837 (1908). Tassart, BuH. Soc. Chim. (4), //, 1009 (1912). H. Schwarz, Ztsch. KoU.-Chem., 12, 32 (1913). J. E. Grane, Chem. Abstracts (1913) p. 2113. 650 Einondzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Berl(1), daß man unter den stickstoffhaltigen Abbauprodukten nach der Alkaliverseifung der Nitrocellulose das Pentanitrat einer komplexen Kohlen- hydratsäure, der Gellonsäure, erhält. Die Acetolyse von Cellulose mit Essigsäureanhydrid und konzen- trierter Schwefelsäure war von besonderem theoretischen Interesse, weil Skraup (2) auf diesem Wege zuerst das Octacetylderivat einer neuen Biose erhielt, der Cellobiose oder Cellose, welche offenbar ein wichtiges Struktur- element im Cellulosemolekül ist. Dieses Disaccharid hefert bei der Oxy- dation mit Brom eine Bionsäure (3) und gibt ein schwerlöshches Osazon, muß also eine freie Aldehydgruppe enthalten. Bei der Hydrolyse entsteht nur d-Glucose. Es scheint nach Bertrand (4) ein besonderes auf Cellose wirksames Enzym zu geben, welches in Mandeln, Gerste, Aspergillus niger gefunden wurde. Diese Cellase muß wohl auch im Verdauungssaft der Weinbergschnecke vorkommen, welcher Cellulose auflöst (5). Die Cellobiose dürfte nach E. Fischer so wie Isomaltose und Gentiobiose, dem Typus der ^-Glucosidoglucosen entsprechen. Ihre Konfiguration ist aber noch unbe- kannt. Zemplen (6) gelang es neuestens Produkte der partiellen Hydro- lyse der Cellulose zu isolieren, die auch nach längerer Säureeinwirkung noch ungespaltene Cellobiosekomplexe enthalten. Da in der vollständig acetyherten Cellulose auf je einen Hexosenrest konstant drei Acetylgruppen kommen, so hat A. Green (7) die Vermutung aufgestellt, daß in der Cellulose Gruppen von der Form CHOH-CH;- CHOH. I >0 >0 CHOH-CH^- CHg^^ als Strukturelemente anzunehmen seien. Cellulose erleidet bei Behandlung mit kalter Kalilauge Veränderungen, die praktisch in der Mercerisierung der Baumwolle (John Mercer, 1844) verwendet werden. Dabei dürfte ein Natriumcellulosat der Form CiaHijOi^Na entstehen (8). Gewiß handelt es sich bereits um eine Spaltung des ursprüng- lichen Cellulosemoleküls. Diese Umwandlung in stark quellbare Massen erfolgt durch konzentrierte Ätzlaugen, auch durch alkoholische Laugen (9), jedoch nicht durch Ammoniak. Sachs(IO) zeigte bereits, daß solche gequol- lene i&ellmembranen sehr stark Cu(0H)2 auflösen. Gross und Bevan(II) gaben an, daß man aus dieser gequollenen Cellulose durch mehrstündige Behandlung mit Schwefelkohlenstoff ein in Wasser lösliches Cellulosederivat 1) E. Berl u. Fodor. Ztsch. f. Schieß- u. Sprengatoffwesen, j (1910). — 2) Skraup u. König, Ber. Chem. Ges., 34, 1115 (1901); Monatsh. Chem., 22, ICH (1902); 26, 1415 (1905). Fenton, Proc. Chem. Soc, /;, 166 (1901). Klein, Ztsch. angewandt. Chem., 25, 1409 (1912). Schliemann, Lieb. Ann., 37S, 366 (1911). — 3) Maquenne u. Goodwin, Bull. Soc. Chim, (3), j/, 854 (1904). Hardt-Stremayr, Monatsh. Chem., 28, 63 (1907). — 4) Bertrand u. Holderer, Bull. Soc. Chim. (4), 7, 177 (1910). Bertrand u. Compton, Ebenda, p. 995; Compt. rend., 151, 402 u. 1076 (1910); 153, 360 (1911); Ann. Inst. Pasteur, 24, 180 u. 931 (1910). Fischer u. Zemplkn, Ber. Chem. Ges., 43, 2538 (1910); Lieb. Ann., 365, 1 (1909); 372, 254 (1910). — 5) G. Seilliere, Soc. Biol., 61, 204 (1906). — 6) G. Zemplen, Ztsch. physiolog. Chem., 85, 180 (1913). — 7) A. Green, Ztsch. Färb.- u. Textlichem., 3, 97 u. 309 (1904V Green u. Perkin, Proc. Chem. Soc, 22, 136(1906). Gross u. Bevan, Ztsch. Farb.chem., 3, 197 (1904). Ost, Ztsch. angewandt. Chem., 19, 993 (1906). — 8) W1CHELHAÜ8 u. ViEWEG, Ber. Chem. Ges., 40, 441, 3876 (1907); 41, S269 (1908). TiEHLE, Chem.-Ztg., 25, 610 (1901). Schwalbe u. Robinow, Ztsch. angewandt. Chem., S4, 256 (1911). O. Miller, Ber. Chem. Ges., 40, 4903 (1907); 41, 4297 (1908); 43, 3430 (1910). Briggs, Chem.-Ztg., 34^ 455 (1910). —8) Mangin, Compt. rend., 113, 1069 (1892). — 10) Sachs, Sitz.ber. Wien. Ak. (1859), p. 1. — 11) Cross, Bevan u. Beadle, Botan. Zentr., 63, 60 (1895). Ost, Westhoff u. Gessner, Lieb. Ann., 3S2, 340 (1911). Thiocyanate: DUBOSQ, Caoutchuc, 10, 6895 (1912). § 5. Das Zellhautgerüst der Phanerogamen: Die Cellulose. 651 erhalte, die „Viscose", ein heute technisch verwendeter Artikel, welcher ein Xanthogenat der Alkahcellulose darstellt. Dieselben Forscher be- schrieben nicht reduzierende „Hydratcellulosen", die durch mehrmonathche Einwirkung von Alkali erhalten waren- (1). In der Ätzalkalischmelze ist Cellulose, wie besonders Hoppe- Seyler gezeigt hat (2), sehr beständig, und bleibt bis zu Temperaturen von 180" unverändert. Bei noch höheren Temperaturen entstehen aus Cellulose Huminstoffe, Protocatechusäure und Brenzcatechin. Mit Glycerin erhitzt bleibt Cellulose nach Wisselingh bis zu 3Ö0® unzersetzt und sie kann hierdurch von verwandten Kohlenhydraten unterschieden werden. Bei der trockenen Destillation hefert Cellulose Formaldehyd, Furfurol, co-Oxymethylfurfurol, Maltol, y-Valerolacton (3). Die Oxycellulosen, von denen schon Vignon(4) eine durch Erhitzen von Cellulose mit Kahumchlorat und HCl gewann, und die auch durch HNOg- Behandlung entstehen (S), haben für uns hier weniger Bedeutung, ebenso die durch Ozon, Ammoniumpersulfat und andere Mittel dargestellten peroxyd- artigen CelluloseabkömmHnge (6). Inwieweit bei allen diesen Präparaten partielle Hydrolyse unterlaufen ist, bleibt noch zu prüfen. Den hier vorgebrachten Daten wird zu entnehmen sein, daß über die Konstitution der Cellulose sich derzeit wenig Sicheres aussagen läßt. Cross und Bevan haben in einer langen Reihe von Arbeiten ihre Ansicht dahin ge- äußert, daß die Cellulose wegen ihres Überganges in co-Oxymethylfurfurol oder bei der Behandlung mit Bromwasserstoff in das Bromid dieses Furolkörpers (7) eine Ketonkonstitution haben müsse, und nicht als Polyaldosenderivat auf- zufassen sei. Außerdem sollte in Cellulose eine Furfuroidmethylen Verbindung 0 C5H8O3 CH^ \/ 0 vorhegen (8). Dies ist alles unsicher und es scheint gegenwärtig die auf der Untersuchung der AcetyUerungsprodukte begründete Meinung von Green (9) vorzuziehen zu sein, daß ein inneres Anhydrid des Traubenzuckers der Form CHOH-CH-CHOK I >o >o CHOH-CH-CH2 das Bauelement der Cellulose bilde. Als Maßstab des Abbaues kann man nach Ost (10) die „Kupferzahl", d. h. die gebildete Meage der Kupferalkali- ceilulose verwenden. 1) Gross u. Bevan, Chem.-Ztg., 33, 368 (1909). — 2) Hoppe-Seyleh, Ben Chera. Ges., 4, !•'> (1870); Med.-chem. Untersuch. (1S68), j). 587; Ztsch. physiol. ehem., 13, 66 (1889). — 3) E. Ebdmann, Ber. Chem. Ges., 43, 2391, 2398 (1910). Klason, Heidenstam u. Norlin, Ztsch. angewandt. Chem., 22, 1205 (1909). — 4) ViGNON, Compt. read., 12s, 448 (1897). — 5) Faber u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 32, 2589 (1899). Cftoss u. Bevan, Journ. Chem. Soc, 43, 22 (1883). Bull, Ebenda, 7/, 1090 (1897). Nas iukow, Ber. Chera. Ges., 33, 2237 (1900); 34, 719 (1901). MüRüMOW, Sack u. Tollens, Ebenda, p. 1427. Wolffenstein u. Bümcke, Ebenda, p. 2415; 32, 2493 (1899). — 6) Cross n. Bevan, Ztsch. angewandt. Chem., 20, 570 (1907). Zimmermann, Ebenda, p. 1280. H. Dixz, Chera.-Ztg., 31, 833 (1907). L. Meyer, Ebenda, p. 902. H. Ditz, Jouro. prakt. Chem., 7S, 343 (1908). CüNNiNGHAM u. DoREE, Journ. Chem. Soc, loi, 497 (1912). R. Oertel, Ztsch. angewandt. Chem-, 26, 246 (1913). —7) Gostling, Proc. Chem. Soc., 18, 250(1903). — 8) Gross, Bevan u. Beadle, Ber. Chera. G<»., 26, 2520 (1893); 29, 1457 (1896); Journ. Chem. Soc. (1895) /, 433; Researches on Cellulose, ///(London 1905— 1910). — 9) A. Green, Ztsch. Färb.- u. Textlichem., 3, 97, 309 (1904). — 10) H. Ost, Ztsch, angewandt. Chem., 24, 1892 (1911). 652 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zell hau tgerüst der Pflanzen. Die bekannten und schon erwähnten violetten Farbenreaktionen mit Jod und Schwefelsäure, Chlorzinkjodlösung, werden bei Cellulose auch in den Kombinationen von JodjodkaUum mit konzentrierter Phosphorsäure, Aluminiumchlorid und anderen wasserentziehenden Agentien erhalten (1). Über das Verhalten der Cellulose zu Anihnfarben hat besonders Mangin Mitteilungen gemacht (2), welchen zufolge besonders Farbstoffe der Diazo- reihe, wie Orseilün BB, Crocein u. a. in neutraler oder schwach saurer Lösung, sowie Farbstoffe der Benzidinreihe, wie Kongorot (3) in neutraler oder schwach alkalischer Lösung die Cellulose färben. Die Angabe von Giltay, daß Häma- toxylin eine für Cellulose charakteristische Färbung hervorruft, ist be- stritten worden, und es sollen vielmelir Pektinstoffe an dieser Färbung beteiligt sein (4). Für die Lehre vom Wachstum der Zellmembran vermochte die Cellulose- forschung bisher keine Fortschritte zu vermitteln. Verschiedene Eigen- schaften, die an den mit Säure behandelten Zellmembranen auftreten, wie der Zerfall in Körnchen, Wiesners „Dermatosomen"(5) oder das Auftreten von Spiralstrukturen (6) lassei) irgendwelche bestimmte Schlüsse nicht zu. Die Isoüerungsmethoden und quantitativen Bestimmungsmethoden für Cellulose beruhen sämtHch auf der Erfahrung, daß Cellulose unter allen Membranstoffen die widerstandsfähigste Substanz ist, welche auch nach sehr eingreifenden Operationen praktisch vollständig zurückbleibt. Schon die Arbeiten von Payen bedienten sich dieses Prinzipes. Man extrahiert das Material mit Säuren und Alkalien, wendet Oxydationsmittel an, wie Eau de Javelle, LABARRAQUEsche Flüssigkeit (erhalten durch Einleiten von Chlor in eine Lösung von 15 Teilen Soda auf 70 Teile Wasser) (7), oder das von Schulze und Henneberg eingeführte Gemisch von Salpetersäure und KaHumchlorat (8). Auch ist das Kochen mit saurem Calciumsulfit unter Druck ein technisch viel zur Cellulosebereitung verwendeter Prozeß. Die in der Praxis gebräuchliche Bestimmung der ,, Rohfaser" in pflanz- Uchen Materiahen läuft auf die Darstellung und Wägung unreiner Cellu- losepräparate hinaus, welche besonders Pentosane als Beimengung zur Cellulose enthalten. Das gebräuchhchste der hierher gehörigen Verfahren ist das HENNEBERGsche oder Weender Verfahren (9). Man kocht ^ Stunde mit 1^% Schwefelsäure, sodann mit 1/4% Natronlauge, wäscht mit heißem und kaltem Wasser, Alkohol und Äther aus, trocknet und wägt. Dieses Ver- fahren wird nach bestimmten Vereinbarungen in der Praxis ausgeführt, die man in Königs bekanntem Handbuche und a. a. 0. ausführhch erläutert findet. Auch sind verschiedene Modifikationen empfohlen worden; Dmo- CHOWSKi und ToLLENS(IO) behandeln die gewonnene Rohfaser noch mit 1) Mangin, Bull. Soc. Bot, 35, 421 (1888). — 2) Mangin, Compt. rend., ///, 120 (1890). — 3) Vgl. Heinricher, Ztsch. wiss. Mikrosk., 5, 348 (1889). — 4) Gil- tay, Arch. Neerland., 18 (1883). E. Carano, Ann. di Bot., 6, 161 (1907). — 5) J. WiESNEK, Sitz.ber. Wien. Ak., 93, I (1886); Elementarstruktur u. d. Wachstum d.- leb. Subst. (1892); Botan. Ztg. (1892), p. 473. Pfeffer, Studien z. Energetik (1892). CoRRENS, Jahrb. wiss. Botan., 26, 590 (1894). Die Erscheinung der „Zerstäubung" oder Carbonisierung wurde zuerst beobachtet von Meyen u. Mitscherlich, Wieg- raanns Arch., /, 297 (1838). — 6) Vgl. Rosenthaler, Ber. Pharm. Ges. (1910), p. 368. Auch A. Herzog, Ztsch. KoU.Chem., 5. 246 (1909). — 7) Labarraque, Berzelius Jahresber., *. I.ö3 (1829). — 8) F. Schulze, Chem. Zentr. (1857), p. 321. Hennebero, Lieb. Ann., 146, 130. — 9) J. König, Untersuch landw. u. gewerbh wichtiger Stoffe, 4. Aufl. (Berlin 1911). Tollens. Landw. Versuchsstat., 39, 401 (1891). Holdefleiss, Landw. Jahrb., Suppl.-Bd. VI, 103 (1877). Tollens, Journ. f. Landw., 45, 295 (1897). Gregoire u. Carpiaux, Bull. Soc. Chim. Belg., 24, 217 (1910). — 10) Dmochowski u. Tollens, Ebenda, 58, 1 (1910). § 5. Das ZellhautgerÜBt der Phanerogamen: Die Celiulose. 653 Salpetersäure. Doch wird die Methode, je reiner die Celiulose wird, um so weniger quantitativ (1). H. Müller (2) verwendete zur Zerstörung der Zell- inhallsstoffe und Isoüerung der Celiulose Bromwasser. Hoffmeister (3) empfahl zur Hintanhaltung von Verlusten, bei Behandlung mit Schulze- scher Mischung zunächst mit Äther zu extrahieren, dann mit HCl (auf 1 Teil Substanz 6 Teile Säure von 1,05 Dichte) zu übergießen, allmählich bis zur Sättigung chlorsaures Kali zuzusetzen und 24 Stunden stehen zu lassen. Nach einer späteren Vorschrift werden die Materiahen in der Kälte durch verdünnte HCl und NHg erschöpft, sodann mit >5— 6% NaOH behandelt. Der Rückstand wird mit Kupferoxydammoniak extrahiert und das Gelöste als Celiulose berechnet. Ungelöst bleibt ,,Lignin". Die höchste Ausbeute an reiner Celiulose hefert das Chlorierungsverfahren nach Cross und Bevan, nach Renker (4) besonders, wenn man die Alkahbehandlung wegläßt. Nachdem das Rohmaterial mit Wasser und mit Alkohol-Benzol ausgekocht und getrocknet ist, werden 1—2 g des mit Wasser befeuchteten Materials im eisgekühlten Becherglase ^—1 Stunde mit gewaschenem Chlorgas be- handelt. Wenn sich die verholzten Fasern gelb gefärbt haben, unterbricht man, übergießt mit wässeriger SO2, filtriert, wäscht und kocht schUeßlich mit 2% NajjSOg aus, wobei die gelben Chlorierungsprodukte mit roter und schließÖch brauner Farbe in Lösung gehen. Dieser Prozeß wird nach Bedarf mehrmals wiederholt. Ein anderes von Cross und Bevan angegebenes Ver- fahren benutzt die Einwirkung von Salpetersäure. Die Oxydation mit KaUum- permanganat in Gegenwart von Salpetersäure nach Zeisel und Stritar (5) scheint etwas geringere Ausbeuten zu üefern. Auf der großen Widerstands- fähigkeit der Celiulose gegen Schmelzendes Ätzkah beruht die von Lange (6) beschriebene Methode, welcher von Simon und Lohrisch eine Kombination mit Wasserstoffperoxydbehandlung hinzugefügt worden ist (7). Jedoch sind diese Verfahren wegen der starken damit verbundenen Verluste gegenwärtig wieder aufgegeben worden. Hönig (8) schlug vor, die Unveränderhchkeit der Celiulose in siedendem Glycerin zur Bestimmung heranzuziehen. Wisse- lingh (9) fand, daß bei Behandlung von Gewebsschnitten mit Glycerin bei SOO** die Cellulosemembranen allein zurückbleiben; sie lösen sich sofort in Kupferoxydammoniak auf und geben die Jod-Schwefelsäurereaktion. So heß sich die Celiulose in den Endospermzellwänden nach Zerstörung der Reservecellulose als ein feines Netzwerk nachweisen und man konnte zeigen, daß Baumwolle in Glycerin bei SOO'^ nur geringe Veränderungen erleidet. Gabriel (10) schlug vor, in einer Mischung von 33 Teilen Kali auf 1 Teil Glycerin auf 180" zu erhitzen. Doch haben alle diese Methoden Ver- luste an Celiulose oder Hefern unreine Produkte (11). 1) Vgl. auch Lohrisch, Ztsch. physiol. Chem., 47, 200 (1906); 69, 143 (1910). SCHEUNERT u. LÖTSCH, Ebenda, 05. 219 (1910). — 2) H. Müller, Zentr. Agrik.- Chem., //, 273 (1877). Councler, Chem.-Ztg. (1900), p. 368. — 3) W. Hoff- meister, Landw. Versuchsstat., jj, 153 (1886); 39, 461 (1891); 48, 401 (1897); 55, 115 (1901); Landw. Jahrb., 17, 239 (1888); / bestimmte für die Pektinstoffe aus Kalmia und Verbascum die spezifische Drehung mit + 158". Harlay für Pektin aus Aucuba mit + 217,3", aus süßen Orangen mit + 176,6". Gegenwart organischer Salze verringert das Drehungsvermögen(IO). Vielleicht stehen die Pektinstoffe von allen Membran- substanzen den Gummiarten am nächsten (11). Den Pektingehalt der Traubenbeeren bestimmten MuNTZ und Laine(12> mit 1,05-3,25 Promille. Manche Punkte sind ferner noch unklar hinsichtUch der Koagulation von pektinhaltigen Pflanzensäften. 1840 hatte Fremy (13) zuerst beobachtet,, daß neutrale pektinhaltige Extrakte auf Zusatz von Pflanzensäften gallertige Pektinniederschläge bilden. Fremy führte diese Wirkung auf ein Enzym,, die Pektase, zurück. Er fand, daß hierbei Sauers toffgegenwart nicht nötig sei, Gasentwicklung nicht stattfinde und daß das Temperaturoptimum bei 30" liegt. Nach Bertrand und Mallövre (14) ist es jedoch eine Vorbe- dingung zur Pektasewirkung, daß ein löshches Erdalkahsalz, Kalk, Baryt oder Strontian, zugegen ist, so daß der Niederschlag nicht allein aus der FREMYschen Pektinsäure besteht, sondern aus pektinsaurem Kalksalz. resp. Baryt oder Strontiansalz. Der Pektasewirkung sind bereits sehr ge- ringe Säuremengen hinderlich, woraus es sich erklärt, daß Fremy den Saft unreifer saurer Äpfel nicht wirksam fand. Da in unreifen Früchten nur da& 1) A. Herzfeld, Chem, Zentr. (1891), //, 618. — 2) J. Weisberg, Bull. Sog. Chim. (4), 3, 601 (1908). A. Wilhelmj, Ztsch. Ver. Deutsch. Zuckerindustr. (1909), p. 89.5. — 3) Javillier, Journ. Pharm, et Chim. (6), p, 163, 513 (1899). — 4) R. W. Bauer, Landw. Versuchsstat., j angegebene Reaktion ist hinsichtlich ihrer Bedeutung ungewiß: Man be- handelt Holz mit Eau de Javelle, sodann legt man das Präparat auf 12 Stunden in Bleiessig und wäscht mit Schwefelsäure aus, worauf Rot- färbung eintritt. Statt Bleisalz läßt sich auch Zinksulfat verwenden. Wahrscheinlich spielt hier Furfurolabspaltung eine Rolle. Aromatische Stoffe wurden aus Holz bereits vor langer Zeit dar- gestellt. Brdmann sowie Rente fanden unter den Abbauprodukten des Holzes Brenzcatechin und Protocatechusäure, und auch Lange beobachtete diese Stoffe als Produkt der Erhitzung von Holz mit Ätzlauge neben den Ligninsäuren. Vielen Beobachtern fiel auch an einzebien Fraktionen bei Verarbeitung von Holz ein Geruch nach Vanillin auf (6). Die an Hqlz, welches mit Phenol und Salzsäure befeuchtet wurde, im Sonnenlicht ein- tretende blaugrüne Färbung wollten Tiemann und Haarmann durch einen Coniferingehalt des Holzes erklären. Das Coniferin, entdeckt von Th. H ARTIG (7) im Cambialsafte der Lärche ist ein Glucosid des Coniferyl- alkohols oder m-Methoxy-p-Oxyzimtalkohols. Es gibt mit Salzsäiu-e eine 1) Lange, Ztsch. physiol. Chem., 15, 283 (1889). — 2) Stkeeb, Chem. Zentr. (1893), //, 184. L1ND8EY u. T0LLEN8, 1. c. P. Klason, Schriften d. Vereins d. Zellstoff- u. Papierchemiker, II (Berlin 1911). Sulfit- u. Natron Zellstoff: Schwalbe,. Wochenbl. f. Papierfabrikat., 37 (1906). Bücheeeb, Naturf. Versamml. (1906K II, /, 136. — 3) C. Mäule, Verhalten verholzt. Membran, zu KMnO^, Habilitat schrift (Stuttgart 190,1). Geneau de Lamarliebe, Rev. g6n. Botan., 15, 149 (1903). — 4) Vgl. M. Renker, Papierfabrikant (1910); Chem. Zentr. (1910), //, 999. — 5) R. C!ombe8, Bull. Sei. Pharm., 13, 293 (1906). — 6) Singer, Sitz.ber. Wien. Ak., 85, I, 349 (1882). Hoffmeister, Landw. Jahrb., 17, 260 (1888). Allen u. Tollens, Lieb. Ann., 267, 304 (1891). Lindsey u. Tollens, Ebenda, p. 341. Anonymus, Dingl. polytechn. Joum., 216, 372. — 7) Th. Hartig, Jahrb. f. Förster, /, 263 (1861). § 12, Verholzte Zellmembranen. 689 schön blaue Reaktion und liefert mit Chromsäure oxydiert Vanillin. Auch HöHNEL (1) schloß sich der Ansicht von Tiemann an. 1878 führte Wiesner die seither meist angewendete Reaktion des Holzes mit Phloroglucin und Salzsäure ein (2), welcher sich zahh-eiche andere Farbenreaktionen des Holzes mit Phenolen und Salzsäure zur Seite stellen lassen. Holz gibt mit Salzsäure und: Phenol (im Sonnenlicht!) Phloroglucin Resorcin Orcin Brenzcatechin .... Pyrogallol Guajacol Kresol Naphthol Thymol Anisol Anethol Indol Scatol Carbazol Pyrrol Methylheptenon . . . eine blaugrüne Färbung nach „ violettrote „ violette „ rotviolette „ giünhchblaue „ blaugrüne „ gelbgrüne „ grünUche „ grünliche „ grüne „ grünhchgelbe „ grünhchgelbe „ kirschrote „ kirschrote „ kirschrote „ rote „ rote Runge. Wiesner. Wiesner. Lippmann (3). Wiesner. Wiesner, Ihl(4). Czapek. Czapek. Ihl (5). Ihl Ihl Ihl V. Baeyer, Niggl (6). Mattirolo (7). Mattirolo. Ihl (8). Erdmann (9). Zusatz von KaHumchlorat befördert die Reaktion mit Phenol oder a-Naphthol (10). Nach Linde (11) tritt auch mit Mj^rhenöl eine Farben- reaktion ein, und man erzielt mit 65% Schwefelsäure allein gleichfalls eine grüne, auf Wasserzusatz blau werdende Färbung bei Coniferenholz. Eine zweite Reihe von Farbenreaktionen des Holzes bilden die gelben, grünen oder roten Reaktionen mit verschiedenen aromatischen Basen, von denen die Gelbfärbung mit Anihnsalzen schon 1834 durch Runge (12) be- kannt geworden ist. Ähnüche Reaktionen erhält man mit Paratoluidin nach Singer, Xyhdin und Metaphenylendiamin nach Molisch (13), während nach Wurster (14) Dimethylparaphenylendianün eine Rotfärbung gibt, ferner mit a- und ^-Naphthylamin nach Nickel (15), Toluylendiamin und Thallinsulfat nach Hegler(1 6) salzsaurem o-Bromphenitidin nachPiUTTi(17), Lepidin nach Ihl (18), Diphenylamin nach Ellram (19). Mit Thiophen ent- steht Grünfärbung (20), mit Paranitroanihn eine ziegehote Färbung (21). 1) F. V. HÖHNEL, Sitz.ber. Wien. Ak., 76, I, 527 (1877). — 2) Wiesner, Ebenda, 77, I, 60 (1878). — 3) v. Lippmann, zit. b. Wiesneb, 1. c. — 4) Ihl, Chem.-Ztg. (1885), p. 266. — 5) Ihl, 1. c. Schaeffeb, Ber. Cham. Ges., 2, 91 (1869). Bei /^-Naphthol geht die Eeaktion schneller. — 6) Niggl, Flora (1881), p. 545. V. Baeyer, Lieb. Ann., 140. — 7) Mattirolo, Ztsch. wiss. Mikr., 2, 354 (1885). — 8) Nach Ihl die empfindlichste Eeaktion: Chem.-Ztg., 14, 1571 (1890). LUBAWIN, Ber. Chem. Ges., 2, 99 (1869). — 9) E. u. H. Erdmann, Ebenda, 32. 1213 (1899). — 10) T0MMA8I, Ebenda, 14, 1834 (1881). Molisch, Ber. Botan. Ges., 4, Vn (1886). — 11) O. Linde, Arch. Pharm., 244, 57 (1906). — 12) F. Runge, Pogg. Ann., 31, 65 (1834). Tangl, Flora (1874), p. 239. — 13) Molisch, Verh. Zool. Bot. Ges. (1887), p. 30. — 14) Wurster, Ber. Chem. Ges. (1887), p. 808. — 16) Nickel, Farbenreakt. d. Kohlenstoffverbindungen, 2. Aufl. (1890), p. 51. — 16) Hegler, Flora (1890), p. 33; Botan. Zentr., 3S, 616 (1889). — 17) A. Piutti, Gazz. chim. ital., 28, II, 168 (1898). — 18) Ihl, Chem.-Ztg. (1890), 14, 1571. — 19) Ellram, Chem. Zentr. (1896), //, 99. - 20) Ihl, Chem.-Ztg. (1890), p. 1707. — 21) A. Berge, Bull. Soc. Chim. Belg., 20, 158 (1906). Wheeler, Ber. Chem. Ges., 40, 1888 (1907). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 44 690 EünundzwanzigBtes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Diazotierte und methylierte Aniline geben mit Holz keine Farbenreak- tionen (1). Ferner wurden Farbenreaktionen mit Phenylhydrazin be- obachtet (2). Holz gibt auch endlich Farbenreaktionen mit Amylalkohol und Schwefelsäure (3). Als Ursache aller dieser Reaktionen, die sich natürlich beliebig vermehren Ueßen, wurden im Laufe der Zeit verschiedene Stoffe des Holzes verantwortlich gemacht. Wie erwähnt, dachten Tiemann und Haarmann an Coniferin und Singer machte auf Grund vergleichender chemisch unzureichend durchgeführter Untersuchungen die Gegenwart von Vanillin im Holze hierfür verantwortlich, eine Ansicht, welche bis in die neueste Zeit besonders durch Gräfe in der Literatur vertreten worden ist. Seliwanoff sowie Nickel wiesen mit guten Argumenten (4) darauf hin, daß im Holze ein aromatischer Aldehyd zugegen sein dürfte, weil die Lignin- reaktion verschwindet, nachdem das Holz mit Natriumbisulfit oder Hydro- xylamin behandelt wurde und es die ScHiFFsche Reaktion mit Fuchsin- schwefliger Säure gibt. Doch waren diese Angaben noch von keinem ge- lungenen Darstellungsversuch des fraghchen Aldehyds unterstützt ge- wesen (5). Wenig begründet waren die Vermutungen von Ihl (6), welcher der Reihe nach Zimtaldehyd, Eugenol, Safrol, Anethol als Holzbestandteile auf Grund der äußeren Aiialogie in der Farbenreaktion ansah, doch kann man aus dem Ausfalle der Phloroglucinreaktion, wie ich gezeigt habe, nicht einmal auf eine bestimmte Atomgruppe oder Seitenkette sich einen Schluß erlauben. Von manchen Seiten endlich wurden die Ligninreaktionen gar nicht auf aromatische Stoffe bezogen, sondern mit der Abspaltung von Furfiu'olderivaten aus Kohlenhydraten in Beziehung gebracht (7). Wie ich 1898 gezeigt habe (8), läßt sich die wirksame Substanz durch kochende Zinnchlorürlösung aus dem Holze abspalten, worauf man die- selbe mit Benzol oder Äther ausschütteln kann. Zinnchlorür hat vor anderen später verwendeten Mitteln den Vorteil, daß es reduzierend wirkt und Oxydation während der Spaltung verhindert. Das Benzolextrakt wird im Vakuum abdestilliert und der Rückstand mit siedendem Ligroin aufge- nommen. Daraus scheidet sich die Substanz beim Erkalten in unreinen Krusten aus. Durch Lösen in Äther und Herstellung der Bis ulfit Verbindung gelang die Gewinnung einer kleinen Menge in krystallinischem Zustande. Das extrahierte Holz färbt sich mit Chlorzinkjod violett, so daß also wenig- stens ein Teil der Cellulose frei geworden sein muß. Die Quantität der gewonnenen Substanz ist, soweit man aus der sehr verlustreichen Dar- stellung schließen darf, sehr klein und beträgt nicht über 1—2% der Holz- substanz. Nach ihren Eigenschaften ist die wirksame Substanz, das Hadro- mal, ein Aldehyd. Elementar analysen fehlen und die Konstitution ist unbekannt. Hadromal riecht erwärmt etwas an VanilUn erinnernd, schmilzt bei 75—80'', ist in heißem Wasser wenig löslich, sehr leicht in Alkohol, 1) Grandmougin, Ber. Chem. Ges., 40, 2453. Zusammenstellung: Ztsch. Farben u. Textilchem., 5. 321 (1906). Gräfe, Ztach. wiss. Mikrosk., 22, 581 (1906). — 2) E. Senft, Monatsh. Chem., 25, 397 (1904). Covelli, Chem. -Ztg., 25, 684 (1901). — 3) A. Kaisee, Ebenda, 26, 335 (1902). — 4) Seliwanoff, Botan. Zentr., 45, 279 (1891). Nickel, Chem.-Ztg. (1887), p. 1520; Botan. Zeutr., 38, 753 (1889). — 5) Vgl. Czapek, Ztsch. physiol. Chem., 27, 153 (1899). H. Tauss, Chem. Zentr. (1889), //, 445; (1890), //, 187. — 6) Ihl, Chem.-Ztg. (1889), p. 432, 560; (18^1), p. 201. — 7) Hancock u. Dahl, Ber. Chem. Ges., 28, 1558 (1895). van Ketel, Beihefte bot. Zentr. (1897), p. 423. Reinitzeb, Ztsch. physiol. Chem. 14, 466 (1890). Gross, Bevan u. Briggs, Ber. Chem. Ges., 40, 3119 (1907). König u. HÜHN, Ztech. Farbenindustr., w, 297 (1912). — 8) Czapek, Ztsdi. physiol. Chem., 27, 154 (1899). § 12. Verholzte Zellmembranen. 691 Äther und anderen organischen Solventien, am wenigsten in kaltem Ligroin. Alle Lösungen reagieren neutral. AlkaU löst die Substanz mit intensiv gelber Farbe, und aus diesej Lösung ist die Substanz nicht auszuäthern, Säuren fällen sie in Flocken. Konzentrierte H2SO4 erzeugt intensiv rot- violette Färbung. AmmoniakaUsches Silbernitrat wird in der Wärme rasch reduziert, Fehlings Lösung jedoch nicht. Millons Reagens ruft Rotfärbung hervor, Eisenchlorid erzeugt rötlich braunviolette Färbung. Die ScHiFFsche und PENTZOLDsche Aldehydprobe fällt positiv aus, auch gibt Hadromal eine in Wasser leicht lösÜche Bisulfitverbindung. Aromatische Amine hefern dieselbe Gelbfärbung mit Hadromal wie mit Holz. Auch die Phenole in salzsaurer Lösung verhalten sich gegen Hadromal ebenso wie gegen Holz. Phloroglucin-HCl erzeugt in konzentrierteren Hadromallösungen einen violetten Niederschlag. Vielleicht bildet Hadromal bei Reduktion mit Natriumamalgam Eugenol. Aus chemischen und biologischen Gründen darf man vermuten, daß das Hadromal zum Coniferylalkohl Beziehungen hat. Der von Tiemann und Haarmann, später von Molisch (1) vermutete Gehalt des Holzes an Coniferin selbst, erscheint jedoch zweifelhaft, da die für Coniferin "gedeuteten Reaktionen nicht mit den Proben bei reinem Coniferin übereinstimmen. Die Vermutung, daß Coniferylalkohol mit dem Hadromal zusammenhängt, hat seither durch Klason (2) neue Stützen erhalten, aus dessen Unter- suchungen sich ergab, daß Propenyl-, vielleicht auch Oxypropenylgruppen im „Lignin" vorkommen, die direkt auf Coniferylalkohol hindeuten. Klason hält dafür, daß ein Kondensationsprodukt des Oxyconiferylalkohols vor- hegen könnte und hält die Aldehydnatur des betreffenden Stoffes nicht für sicher. Gräfe hat versucht, das Hadromal als ein Gemisch von Brenzcatechin, VaniUin und Methylfurfurol zu deuten (3), doch war es mir nicht möghch, aus diesen drei Substanzen eine Mischung zu erhalten, welche den Eigen- schaften von Hadromal entsprechen würde. Auch darf man nicht, wie es Gräfe tut, die Zersetzung des Holzes mit 10% HCl oder Wasser bei 180®, mit der Zinnchlorürspaltung identifizieren, da bei den ersteren Spaltungen eingreifende Oxydationen unterlaufen, welche tatsächHch zu einer Umsetzung des Hadromals in Vanilhn und Brenzcatechin führen, Stoffe, welche bei der oben angenommenen Konstitution des Hadromals aus diesem entstehen müssen (4). Überdies konnte ich zeigen, daß kleine Hadromalquantitäten dem Holze durch direkte Alkoholextraktion zu entziehen sind, unter Be- dingungen, wo Entstehung von VanilHn oder Brenzcatechin nicht möghch ist. Wahrscheinhch ist Hadromal zum größten Teile als Ester von Cellulose und anderen Kohlenhydraten, wie die Holzstoffreaktion der Mittellamellen zeigt, zugegen. Coniferenhölzer lassen nach Mäule ihr Hadromal besonders schwer extrahieren. Hingegen konnte Potter (5) aus den innersten Ver- dickungsschichten der Holzzellmembranen die Substanz schon durch kochendes Wasser entfernen. Die Eigentümlichkeit mancher Hölzer sich mit Salzsäure allein violett zu färben, beruht auf der gleichzeitigen Anwesen- heit von Phloroglucinderivaten in manchen Parenchymzellen (6). 1) Molisch, Ber. Botan. Ges., 4, 301 (1886). — 2) P. Klason, Arkiv för Eemi, 3, Nr. 5 u. 6 (1908); Beitr. z. Kenntn. d. ehem. Zusammensetzung d. Fichten- holzes (Berlin 1911). — 3),V. Gräfe, Sitz.ber. Wien. Ak., 113, I (Mai 1904). — 4) Nach LiPPMANN, Ber. Chem. Ges.. 37, 4521 (1904), entsteht Vanillin auch bei natürlichen Zersetzungsprozeesen des Holzes unter gewissen Verhältnissen. — 5) M. C. Potter, Ann. of Botan., 18, 121 (1904). — 6) Höhnel; Lewakowsky, Just Jahresber. (1882), /, 422. 44* 692 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Nach Hancock und Dahl (1) gibt das Schwimmholz von Aeschyno- mene aspera keine Ligninreaktion und enthält auch kein Pentosan. Von Interesse wäre auch die Untersuchung von „Schwammhölzern", z. B. von Carica quercifoha u. a. (2). Worauf die an Holz mit Nesslers Reagens nach einiger Zeit auf- tretende dunkle Färbung zurückzuführen ist, ist nicht untersucht (3). Die Speicherung von Fuchsin durch verholzte Membranen, wie sie durch Bert- hold (4) als Holzreaktion verwendet wurde, hat wohl mit Hadromal nichts zu tun. Im Coniferenholz färben sich die Schheßhäute der Tüpfel, wie die Mittellamellen mit Rutheniumrot lebhaft wie auch mit Anilinblau und Hämalaun. Die von Morawski (5) aufgefundene „Reaktion auf Fichten- holz", Violettfärbung beim Erwärmen mit Essigsäureanhydrid und H2SO4 ist eine Harzreaktion, analog der Cholestolprobe. Erwähnung verdient die Bedeutung der „Methylzahl" für die Holz- chemie. Verholzte Gewebe haben stets eine höhere Methylzahl als unver- holzte, und es NNTirde durch Benedikt und Bamberger, Herzog und GiESLAR(6) auf die praktische Bedeutung dieser Untersuchungsmethode hingewiesen. Das Hadromal kann nicht die einzige Substanz sein, welche für die relativ hohe Methylzahl des Holzes verantwortüch zu machen ist. Welche Stoffe hierbei eine Rolle spielen, bleibt noch festzustellen. Herzog gab als „quantitative Ligninbestimmung" folgende Methylzahlen an: BaumwoUe 0,00 Nesselfaser 0,00 Bombaxwolle 12,99 Chinagras 1,46 Rohrkolbenwolle 18,08 Jute 40,26 Manilahanf 30,11 Papier maulbeer bäum .... 4,74 Agavefaser 16,02 Flachs, russisch 0,92 Aloehanf 17,22 „ belgisch 0,00 Gocosfaser 41,59 Hanf, gehechelt 5,33 Tillandsiafaser 21,13 „ polnisch 5,46 Ein Versuch, die Phloroglucinreaktion colorimetrisch zur quantitativen „Ligninbestimmung" anzuwenden, rührt von Zetzsche (7> her. NatürUch ist eine derartige Methode im Falle der besten Brauchbarkeit eine Hadromal- bestimmung und keine Ligninbestimmung. Man wird sich übrigens sogar bei der qualitativen Anwendung der Hadromalreaktionen stets vor Augen halten müssen, daß der positive Ausfall dieser Reaktionen durchaus nicht an Membranen identischer Zusammensetzung eintreten muß. Gewiß sind viele Zellmembranen, welche deutUche Phloroglucinprobe geben, im che- mischen Aufbau von den Zellhäuten des Holzkörpers sehr verschieden und dürfen nicht einfach mit letzteren als ,, verholzt" zusammengeworfen werden. Ea wäre kritiklos, wollte man z. B. das Mesophyll von Cycas, die Membran mancher Orchideenwmzelhaare usw. als mit Holz gleichartig ansehen. 1) Hancock u. Dahl, Ber. Chem. Ges., 28, 1558 (1895). — 2) Vgl. Schorler, Isis (1894). — 3) Malenkoviö, Holzkonservierung (Wien 1906), p. 38. — 4) Bert- hold, Protoplasmamechanik, p. 39. — 5) Th. Morawski, Chem. Zentr. (1888), II, 1630. — 6) Benedikt u. Bamberger, Monatsh. Chem., u, 260 (1890). A. Herzog, Chem. Ztg., 20, 461 (1896). Cieslar, Mitteil, forstl. Verauchswes. Österr., XXIII (1897); Chem. Zentr. (1899), /, 1214. A. S. Wheeler, Ber. Chem. Ges., j*. 2168 (1905). — 7) Zetzsche, Botan. Zentr., 70, 206 (1897). Cross, Bevan u. Briggs, Chem.-Ztg., j/, 725 (1907). § 12. Verholzte Zellmembranen. 693 Faber (1) hat denn auch gefunden, daß die Hydathodenzcllwände der Blätter von Anamirta Cocculus wohl die Phloroglucinprobe, nicht aber die MÄULEsche KMn04-Reaktion geben. Sie sind daher kaum als verholzte zu bezeichnen. .Übrigens kann selbst die Hadromalprobe nicht eindeutig genannt werden, da sie durch eine Anzahl aromatischer Stoffe in derselben Weise erzeugt wird. Zu untersuchen wäre, ob die wiederholt festgestellte Bildung von Ameisen- und Essigsäure bei der Säurehydrolyse des Holzes auf Abspaltung aromatischer Seitenketten beruht, oder auf andere Ursachen zurückzuführen ist (2). In der Kahschmelze wurde aus Holzmehl Oxalsäure erhalten, was bei Baumwolle nicht der Fall war (3). Unsicher ist es schließlich, ob die Vermutung von Kleinstück (4) berechtigt ist, daß der im Cambialsafte der Fichte konstatierte Gehalt an Formaldehyd, der allerdings nur durch quah- tative Farbenreaktionen nachgewiesen wurde, etwas mit dem mit der Holz- bildung verbundenen Kondensationsprozesse zu tun hat, wie angenommen wurde. Bezüghch der kleinen Menge stickstoffhaltiger Substanzen im Holze, welche zahlreiche Analysen gefunden haben (es scheint stets weniger als 1% N bei der Elementaranalyse gefunden worden zu sein), dürfte wohl kaum eine andere Meinung berechtigt sein, als die, daß es sich um Inhalts- stoffe von Markstrahlzellen oder anderen lebenden Holzelementen handelt. Es wurden auch die jüngeren Holzlagen der Kiefer stickstoffreicher ge- funden (5). Der Aschengehalt des Holzes ist in der Regel sehr gering und die Reinaschenzahlen, wie sie in Wolffs Zusammenstellungen vorhegen, zeigen meist Werte unter 1%, selbst weniger als 0,5%. Die Asche ist meist sehr kalkreich und enthält häufig 70—80% CaO, auch der Kieselsäm-egehalt ist in der Regel 3—5%. Der Kahgehalt unterhegt großen spezifischen Schwankungen, steigt bis über 20% an und fällt bis auf 5%. Ähnhch ist es mit dem Magnesiagehalt. Der Kalkgehalt ist im Kernholze manchmal ein sehr hoher, indem daselbst kohlensaurer Kalk sehr reichhch abgelagert werden kann, wie Molisch (6) an guten Beispielen gezeigt hat. Das Teak- holz zeigt den merkwürdigen Fall von Konkretionen aus phosphorsaurem Kalk ; infolgedessen ist der Phosphorsäuregehalt fast zu 30% der Reinasche gefunden worden. Unter den Farbstoffen, welche verholzte Zellmembranen oft leb- haft gelb, rot, braun, braunviolett tingieren, finden sich die verschieden- sten Substanzen: Benzolderivate, wie Hämatoxyhn, heterocycUsche Stoffe wie das Fisetin usw., auch Alkaloide, wie Berherin. Die meisten werden passend an anderen Stellen verteilt zur Sprache kommen. Verbindimgen mit Membranstoffen gehen diese nur adsorbierten Pigmente nie ein, imd man kann sie durch Extraktionsmittel dem Holze ohne weiteres entziehen (7). 1) F. C. V. Faber, Ber. Botan. Ges., 22, 177 (1904). Von diesem Gesichts- punkte aus wären manche auffallende Angaben, wie jene von Boodle, Ann. of Botan., 16, 180 (1902), über Verholzung von Siebröhren wänden, nochmals zu untersuchen. Hingegen dürfte es sich in der Verholzung von Wundgeweben [Devaux, Soc. Linn. Bordeaux (22. April 1903)] wohl um einen der Holzbildung analogen Prozeß handeln. — 2) Cboss u. Tollens, Journ. f. Landw., S9^ 185 (1911). Jedliöka, Coilegium (1913), p. 33. Gross, ßer. Chem. Ges., 43, 1526 (1910). — 3) Ä. v. Hedenbtröm, Chem.-Ztg., 35, 853 (1911). — 4) M. KletnstüCK, Ber. Chem. Ges., 45, 2902 (1912). — 5) Fr. Weis, Botan. Zentr., loi, 174 (1905). — 6) Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak., 84 (Juni 1881). — 7) Farben v. Hölzern: Schramm, Jahresber. Ver. angewandt. Botan. (1907). 694 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Das Vergilben und Bräunen von Holz unter Einfluß von Licht und Luft beruht möghcherweise auf den aromatischen Bestandteilen. Beim Vergrauen der Hölzer spielt nach Schramm Eisengegenwart eine Rolle. Nur das merkwürdige schwarze Pigment des Ebenholzes (1 ) sei hier noch erwähnt. Bezüghch dessen Genese und Natur hatte sich Molisch (2) dahin geäußert, daß die inneren Membranschichten der Tracheen Gum- mosis erleiden und die Gummimassen sodann „humifizieren". Im Kernholze von Diospyros Ebenum sollen 4,63% Humussäuren und 1,3% Humus- kohle vorhanden sein. Auch Belohoubek (3) nahm an, daß der schwarze Farbstoff des Ebenholzes nach allen seinen Eigenschaften als Kohle be- trachtet werden müsse, deren Muttersubstanz noch nicht sichergestellt werden konnte. Will und Tschirch (4), von denen die letzte Untersuchung über den Ebenholzfarbstoff stammt, fanden, daß der Zelhnhalt des Eben- holzes nicht als ein Humifikations- oder Carbonisationsprodukt aufzufassen sei, sondern daß er sich auf ganz normalem Wege aus dem hellen Sphntsekrete durch sekundäre Einlagerung eines, allerdings gegen Reagentien sehr resi- stenten, schwarzen Farbstoffes bilde. Näheres ist über das Pigment nicht bekannt. Vielleicht handelt es sich um aromatische Substanzen. ÄhnUche kohlenartige Massen finden sich auch anderwärts, wie im Pericarp der Compositen und auch in den Zellmembranen der Wurzel von Perezia (5) („Phytomelane"). Die bei verholzten Membranen von Monocotytedonen (Palmen) häufig vorkommenden braunen Farbstoffe sind in biochemischer Hinsicht noch gänzlich unbekannt. Die bisherigen Kenntnisse vom Verholzungsprozesse genügen nicht, um uns eine klare Vorstellung von der biochemischen Bedeutung der Ligni- fikation zu verschaffen. Zweifellos läßt sich feststellen (Lange, Nathan- SON (6) und nach eigenen unveröffentüchten Beobachtungen), daß in deü jungen Tracheiden die Verholzung immer im lebenden plasmaerfüllten Zustande eintritt. Zuerst verholzen hier die Schraubenleisten, während die Membran noch Gellulosecharakter aufweist. Zugleich mit Aufhören des Wachstums ist der Verholzungsprozeß beendet [Schellenberg, War- burg (7)], weswegen die physiologische Bedeutung der Verholzung direkt in einer Sistierung der Wachstumsfähigkeit gesucht wurde. Gegen diese Anschauungsweise läßt sich jedoch eine Reihe schwerwiegender Bedenken erheben, welche Nathanson in treffender Weise dargelegt hat. Die mecha- nischen Veränderungen, welche die Zellwand durch Verholzung erleidet, wurden von Sonntag (8) einer eingehenden Würdigung unterzogen ; die- selben zählen jedoch nicht mehr in den Wirkungskreis der biochemischen Methodik. Linsbauers (9) Ausführungen über den Zusammenhang zwischen Verholzung und Wasser Ökonomie sind zu unbestimmt, um als heuristisches Moment benutzbar zu sein. Eher wird an die konservierenden und anti- septischen Eigenschaften der aromatischen Holzbestandteile anzuknüpfen sein. 1) Sadebeck, Just Jahresber. (1887), //, 514. — 2) Molisch, Sitz.ber. Wien. Ak. (1879), /. I/II, 80. — 3) Belohoubek, Botan. Zentr. (1884), p. 293; Just Jahresber. (1884), //, 399; /, 176. — 4) Tschiech u. Will, Arch. Pharm., 237, 369 (1899). — 5) Vgl. T. F. Hanaüsek, Sitz.ber. Wien. Ak., 116, I (1907); Wiesner- Festschr. (1908X p. 139. O. Tünmann, Pflanzenmikrochemie (1913), p. 574. — 6) Lange, Flora (1891), p. 393. A. Nathanson, Jahrb. wies. Botan., 32, 671 (1898). — 7) ScuELLENBERG, Ebenda, 2p, 237 (1896). Wakburg, Ber, Botan. Ges., n, 425 (1893). — 8) Sonntag, Landw. Jahrb., 2/, 839 (1891); Ber. Botan. Ges. (1901), p. 138; Jahrb. wiss. Botan., 39, 71 (1903). — 9) K. Linsbaüer, Verhandl. ZooL Bot. G08. Wien, 5«, [89] (1908). § 13. Die verkorkten Zellhäute. § 13. Die verkorkten Zellhäute. Als wesentliches Moment im chemischen Aufbau von Korkmembranen ist die hervorragende Beteiligung von Fettsäuren an der Zusammen- setzung solcher Zellhäute anzusehen. Nach den bisherigen Ergebnissen scheint mindestens die Hälfte der Korktrockensubstanz aus solchen Fett- säuren gebildet zu werden. Im übrigen sind unsere Kenntnisse über Verkorkung noch so lückenhaft, daß es z. B. noch zweifelhaft ist, ob Cellulose, und welche Kohlenhydrate überhaupt, in Korkschichten vor- handen sind. Aromatische Stoffe kommen neben Fettsäuren vielleicht regelmäßig im Kork vor; die Mittellamelle pflegt die bekannte Phloro- glucinreaktion zu geben, doch ist Hadromal bisher im Kork noch nicht nachgewiesen worden. Sonst scheinen Oxydationsprodukte aromatischer Stoffe, Phlobaphene, im Kork kaum je zu fehlen. Der Aschengehalt des Korkes ist sehr gering. 1787 fand Brugnatelli(I), daß die Einwirkung von Salpetersäure auf Kork Korksäure entsteht, der wir heute die Konstitution CHa.CHa.CHg.GOOH CHa-CHa-GHa-COOK geben. Bouillon la Orange (2) entschied, daß dieser Stoff im Kork nicht vorgebildet ist und unterschied ihn scharf von der Oxalsäure. Fourcroy (3) verglich die Rinde verschiedener Bäume mit dem Kork der Korkeiche. Chevreul (4) behandelte Kork unter Druck mit kochendem Wasser; er gewann im Extrakte Farbstoffe, Gallussäure, stickstoffhaltige Substanz, Eisen, Kalk, Magnesiaverbindungen usw. Als er den Rückstand mit Alkohol auszog, gelangte er zu einer krystaUisierbaren Substanz, die er „Cerin" nannte. Chevreul glaubte in dieser grundlegenden Arbeit, daß die färbenden, harzigen und fettigen Stoffe im ZeUinhalte der Korkzellen vorkämen. Den in Wasser und Alkohol unlöshchen Anteil nannte er „Suberin". Boussin- GAULT (5) gab dem Gerin die Formel GggHgoO; er entdeckte, daß das „Suberin" großenteils in Alkali löslich ist und dieser löshche Teil durch Säuren als brauner Niederschlag gefällt wird- Dieser Niederschlag gibt mit Salpeter- säure behandelt Korksäiu-e. Aus derselben Zeit stammen Untersuchungen über die Natur und Entwicklung des Korkes von Dutrochet (6). Doepping (7) gab dem von ihm dargestellten Gerin die Formel G25H20O3. Durch Salpetersäurewirkung gewann er daraus die wachsartige „Cerin- säure" G42H34O3. Den nach Behandlung des Korkgewebes mit Salpeter- säure zurückbleibenden Teil erklärte Doepping als Gellulose. Suberin war für diesen Forscher der in Wasser, Salzsäure, Alkohol, Äther unlösHche Teil des Korkes. Mulder (8) betont, daß die Jodreagentien für Gellulose bei Kork wirkungslos sind. Er meint, daß keine Beziehungen zwischen Cellulose und Kork bestehen, daß der Kork eher mit der Guticularsubstanz 1) L. Brugnatelli, Crells Ann. (1787), /, 145. — 2) Bouillon lä Orange, Ann. de Chim., 23, 42 (1797). — 3) Fouecroy, Systeme des connaiss. chim., 8 (1801). — 4) Chevreul, Ann. de Chim., 96, 141 (1815); 62, 313 (1807); Schweigg. Journ., 16, 323 (1816). Über Suberin auch Brandes, Schweigg. Journ., 32, 393 (1821). — 5) BOU88INGAULT, Compt. rend., a, 77 (1836); Journ. Chim. et Pharm. 2), 2 (1836). — 6) Dutrochet, Compt. rend., 4, 48 (1837). — 7) O. Doepping, ieb. Ana., 45, 286 (1843). — 8) Mulder, Physiol. Chem. (1844), p. 507. g> 696 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Verwandtschaft besitzen dürfte. Mitscherlich(I) fand die Resistenz des Korkes gegen konzentrierte Schwefekäure auf. Von Mohl (2) rührt die Erfahrung her, daß Korkgewebe nach Behandlung mit Kalilauge, am schnell- sten nach Kochen hiermit, die Eigenschaft erhält, sich mit Jodschwefel- säure blau zu färben. Siewert (3) bemühte sich, die Natur des Cerins näher aufzuhellen und untersuchte krystalhsierende Fettsäuren aus dem Alkohol- extrakt; seine „Decacrylsäure" sollte der Formel CjoHigOg entsprechen. Hofmeister (4) hielt Stickstoffgehalt von Korkmembranen für ein wesent- liches Moment. Payen(5) machte 1868 die wichtige Angabe, daß der Kork von Kartoffelknollen nach Erschöpfung mit Salzsäure, Essigsäure, Kahlauge und Wasser einen Rückstand liefert, welcher in Kupferoxydammoniak gänzUch lösUch ist und als Cellulose anzusprechen sei. Mit dem Nachweise der Cellulose im Korkgewebe befassen sich weiter Wiesner (6) und Haber- LANDT (7), welche sich zm* Entfernung der „Inkrusten", wie Payen die Fettbestandteile des Korkes auch hier nannte, der Behandlung mit Chrom- säure oder mit Schulzes Gemisch bedienten, und aus dem extrahierten Gewebe durch Kochen mit Kahlauge ein Präparat gewannen, welches sich mit Jodschwefelsäure leicht bläute. Fr^my und Urbain(8) nahmen im Kork 43% „Cutose", 29% „Vasculose", 12 % Cellulose und Paracellulose und 15% in Säuren und AlkaHen löshche Stoffe an. Ihre „Cutose" entspricht dem Suberin. Höhnel (9) teilte den Korkzellen eine stark verholzte Mittel- lamelle zu, welche beiderseits je eine Suberinlamelle und die Zellen innen auskleidend eine Celluloselamelle umgibt. Das Suberin ist nach Höhnel ebensowohl charakterisiert wie Cellulose und Lignin. Die tropf igen Bil- dungen, welche bei der zerstörenden Einwirkung von Schulzes Gemisch auf Korkmembranen beobachtet werden, nannte Höhnel „Cerinsäurereaktion". Die Fettsäuren des Korkes wurden 1884 durch Kügler(IO) zuerst mit Erfolg chemisch untersucht. Dieser Forscher erschöpfte Kork mit Chloroform und behandelte den Verdunstungsrückstand des Extraktes mit absolutem Alkohol. So win-de ein amorpher und ein krystallisierbarer Anteil gewonnen. Letzterer bestand aus langen farblosen Nadeln von F 250*', leiclit JösUch in Alkohol, Äther und von der Zusammensetzung CgoHggO. KüGLER nannte die Substanz Cerin; in der Tat dürfte sie dem Cerin der älteren Autoren entsprechen. NachTHOMS(ll) wäre Cerin eine phytosterin- artige Substanz der Zusammensetzung CgoHgoOg oder C32H54O2 und gibt die Cholestolreaktion und andere Cholesterinproben. Istrati und Ostro- govich(12) schieden das Cerin in einen in Chloroform leichtlösUchen Anteil, den sie Friedehn nannten und das schwerer lösücbe eigenthche Cerin. Cerin wäre C27H44O2, seidige weiße Krystalle vom F =234— 234,5 •', Friedehn Q3H70O2, glänzende Nadeln von F 263—263,5", schwächer hnksdrehend als das Cerin. Der amorphe Anteil von Küglers Korkextrakt enthielt Stearinsäure, eine neue Fettsäure (Phellonsäure) und Glycerin. Phellon- 1) MiTSCHERLiCH, Monatsber. Berlin. Ak. (18. März 1850). — 2) Mohl, Botan. Ztg. (1847), p. 497. Auch Schacht, Lehrb. d. Anat. u. Pliysiol., /, 287 (1856). — 3) Siewert, Ztsch. gesamt. Naturwiss., 30 (1867). — 4) Hofmeister, Pflanzenzelle (1867), p. 252. — 5) Payen, Compt. rend. <1868). — 6) Wiesner, Einleitung in die Techn. Mikrosk. (1867), p. 120. — 7) Haberländt, Österr. bot. Ztsch. (1874), Nr. 8. — 8) Fremy u. Urbain, Journ. Pharm. et>Chim. (5), 5 (1882). — 9) F. VON Höhnel, Sitz.ber. Wien. Ak., 76, I, 527 (1877). — 10) K. Kügler, Dies. (Straßburg 1884); Arch. Pharm., 22, 217 (1884); Ber. Chem. Ges., 17 (1), Ref. 213 (1884). — 11) H. Thoms, Chem. Zentr. (1898). //. 1102. — 12) C. Istrati u. A. OSTROQOVICH, Compt. rend., 128, 1581 (1899); Bull. Soc. Chim. (3), 7, 164 (1899). § 13. Die verkorkten Zellhäute. 697 säure gewann Kügler aus dem mit Chloroform und Alkohol erschöpften Korke durch zweitägiges Kochen mit alkohoUscher Kalilauge. Beim Er- kalten des filtrierten Extraktes schied sich ein Niederschlag aus, aus dem durch Salzsäure und Trennung nach Heintz(I) Stearinsäure und Phellon- säure G22H42O3 erhalten wurde. Krystallisierte Phellonsäure schmilzt bei 96<^, ist in kaltem Alkohol sehr wenig lösüch. Vom Korkrückstand gibt Kügler noch Gellulose an. Küglers Korkanalyse ergab in Summa: Oiloroformextrakt 13,00%, hiervon 2,9% Gerin, 10,1% Fett- säuren Alkoholextrakt 6,00% Gerbstoffe. Alkoholisches Kaliextrakt . . 32,65%, hiervon 30% Säuren, 2,65% Glycerin Wasserextrakt 8,00% Gellulose 22,00% Wasser 5,00% Asche 0,5 % Rest 12,85%, wurde von Kügler als „Lignin" bezeichnet. Das Suberin ist für Kügler ein eigentliches Fett, welches durch die gewöhnlichen Lösungsmittel für Fett aus Kork nur wegen des schwierigen Eindringens der Solventien nicht extrahiert wird Weitere wichtige Aufklärungen über die Fettsubstanzen des Korkes lieferte 1890 Gilson (2). Gilson kochte Flaschenkorkpulver mit 3%iger alkoholischer Kahlauge % Stunde lang auf dem Rückflußkühler. Das heiß filtrierte Extrakt setzte beim Erkalten einen krystallinischen Rück- stand ab. Die färbenden Bestandteile des letzteren wurden durch Be- handlung mit 25%iger, schwach alkalisch gemachter Kochsalzlösung ent- fernt. Der nun weiße Rückstand enthielt Gerin und phellonsaures Kaü, von denen das Gerin durch siedenden Äther in Lösung gebracht und ab- getrennt werden konnte. Aus dem von Gerin und Phellonsäure befreiten Kalialkoholextrakte des Korkes erreichte es Gilson nun in sehr geschickter Weise durch Herstellung der Fettsäure-Magnesiumsalze zwei weitere Fett- säuren zu isoUeren, die krystalhsierte Phloionsäure und die amorphe Suberin- säure. Die drei Korkfettsäuren charakterisierte Gilson folgendermaßen: 1. Phellonsäure. KrystalKnisch, F95— 96", Zusammensetzung G22H43O3; geht bei 170—180"^ bei Luftabschluß in ein Anhydrid über. Die Säure selbst, wie ihre Salze geben mit Ghlorzinkjodlösung eine rotviolette Färbung, und Gilson meint, daß frühere Forscher bei ihren Angaben über Gellulose- reaktionen von Kork möghcherweise öfters nur die Phellonsäurereaktion beobachtet hätten. Phellonsäure ist einbasisch. 2. Suljerinsäure. Bei gewöhnlicher Temperatur fadenziehend, halb- flüssig. Formel: G17H30O3. Das amorphe KaHsalz ist in Wasser leicht löslich. 3. Phloionsäure. Feine weiße Nädelchen, F 120—1210. N^ch mehr- tägigem Trocknen über Schwefelsäure war die Zusammensetzung G11H21O4, nach mehrwöchigem Trocknen G22H40O7. BezügUch der Phellonsäure hatte M. v. Schmidt (3) angenommen, daß es sich um eine cyclische einbasische gesättigte Oxysäure handle. Doch 1) Heintz, Journ. prakt. Chem., 66, 7 (1855). — 2) Gilson, La Cellule, 6, 63 (1890). Flückiger, Arch. Pharm., 228, 690 (1890). — 3) M. v. Schmidt, Monatsh. Chem., 25, 277, 302 (1904); j/, 347 (1910). Zeisel, Journ. prakt. Chem., 84, 317 (1911); 85, 226 (1912). 698 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerfist der Pflanzen. fanden in neuester Zeit Scurti und Tommasi (1), daß die Formel der Phellon- säure in C22H4^03 umzuändern sein dürfte und daß die Eigenschaften der Phellonsäure in befriedigender Weise mit dem Verhalten der a-Oxybehen- säure übereinstimmen, so daß sich die Konstitution dieser Fettsäure in ein- facherer Weise aufklären ließe, ab es früher den Anschein hatte. Im Kork von Quercus Suber fand Gilson im ganzen 44% rohe Fett- säuren, wovon 8% unreine Phellonsäure, 36% Suberinsäure und nur sehr wenig Phloionsäure waren. Im Kork von Ulmus suberosa wurde Phloion- säure überhaupt nicht gefunden. Das mikrochemische Verhalten von Korkgewebe ist nach Gilson folgendes (2): Natürlicher Eichenkork gibt Gelbfärbung mit Chlorzinkjod, gleichmäßige Rotfärbung in allen Membranschichten mit Phloroglucin-HCl, und in den meisten Zellen lange Nadeln von Cerin. Erschöpfung mit Chloro- form ändert an diesem Verhalten nichts. Werden die Schnitte jedoch längere Zeit mit konzentrierter Sodalösung gekocht, so erscheinen die inneren Mem- branschichten mehr weniger gefaltet und von der Mittellamelle getrennt. Die braunen Farbstoffe sind nun entfernt, Chlorzinkjod färbt alles gelb. Mehrstündige Behandlung mit 40% Natronlauge oder kurzes Kochen mit dieser Lauge, hierauf Auswaschen in Wasser, hefert Präparate, in denen sich die Membranen mit Chlorzinkjod rotviolett oder kupferrot färben lassen. Schaltet man hinter die Kahbehandlung eine Extraktion der Schnitte mit siedendem Alkohol ein, so bleibt die erwähnte Chlorzinkjodreaktion aus. Andauernde Einwirkung von heißen konzentrierten Ätzlaugen läßt nur die Mittellamellen zurück, welche verschieden starke Phloroglucin- reaktion geben. Umgekehrt zerstört das ScHULZEsche Gemisch die Mittel- lamellen früher als die Suberinlamellen. Läßt man nach Behandlung mit dem Macerationsgemisch einige Augenblicke KaUlauge einwirken, wäscht aus und legt in Chlorzinkjodlösung ein, so färben sich die Reste der Mittel- lamelle blau, die Suberinlamelle aber kupferrot. Gilson betonte, daß es unzulässig sei, den Kork als eigentliches Fett zu betrachten und von einer Mischung von Fett und Cellulose zu sprechen. Für Gilson ist das Suberin eine Mischung von wenig löslichen zusammen- gesetzten Estern, Kondensations- oder Polymerisationsprodukten ver- schiedener Säuren. Inwieweit die Korkfettsäuren als Glycerinester und als freie Säuren vorkommen, ist aus den vorhegenden Angaben über die gefundenen Glycerin- mengen nicht zu ersehen. Es wäre auch an lactonartige Anhydride dieser Säuren zu denken, doch konnte sich v. Schmidt nicht von dem Vorhanden- sein eines Phellonsäureanhydrids überzeugen. Nach diesem Autor enthält der durch Chloroform extrahierbare Teil des Korkes außer Cerin auch ziem- hch viel Fettsäureglyceride. Der Rückstand aber enthält wahrscheinhch nur verseifbare Anhydride und keine Glycende mehr. Im jungen Kork sollen wahrscheinhch nur Glyceride vorkommen. Es ist auch noch nicht entschieden, ob amdere noch unbekannte Fettsäuren verbreitete Kork- bestandteile sind. Die drei von Gilson studierten Säuren sind wohl sämthch Oxyfettsäuren, und die Suberinsäure dürfte ungesättigt sein. Doch denkt Gilson auch daran, daß Aldehydo- oder Ketogruppen in solchen Säuren vorhanden sein könnten. Die Bildung von Korksäure ist auch sonst aus - 2) Vgl, F. ScüRTi u. ToMMASi, Ann. Staz. Chim. Agrar. Roma (2), 6, I, 67 (1913). auch O. Tunmann, Pflanzenmikrochemie (Berlin 1913), p. 598. § 13. Die verkorkten Zellhäute. 699 Oxyfettsäiiren beobachtet. So erhält man aus Ricinusöl nach Markowni- KOFF bis 13% Korksäure (1). Kohlenhydrate verkorkter Zellwände. Die früher ziemHch allgemein anerkannte Meinung, daß verkorkte Membranen Gellulose ent- halten, hat in neuerer Zeit van Wisselingh (2) zu erschüttern gesucht. Nach diesem Autor kann man an der mitÄtzkaü oder Chromsäure behandelten Suberinlamelle nicht allein mit Chlorzinkjod, sondern mit Jodjodkah allein eine violette Färbung erhalten. Ferner wird durch Erhitzen von Schnitten aus Korkgewebe in Glycerin auf 250—290° das ganze Suberin zerstört, ohne daß Gellulose nachweisbar zurückbleiben würde. Demgegenüber deuten die erwähnten mikrochemischen Beobachtungen Gilsons darauf hin, daß mindestens in gewissen Schichten der Korkmembran Kohlenhydrate vorkommen, welche sich gegen die Jodreagentien analog der Cellulose verhalten, und es ist zu berücksichtigen, daß bei der von Wisselingh an- gewendeten Methode Hemicellulosen zerstört werden müssen, eventuell auch geringe Quantitäten von Cellulose vielleicht übersehen werden konnten. Allerdings sind mit Rücksicht auf das Verhalten des Kahumphellonates zu den Jodreagentien die älteren Angaben über Cellulose in Korkzellwänden nicht mehr als beweiskräftig anzusehen. Aus jüngster Zeit Hegt nun die bemerkenswerte Angabe von Zempl^n (3) vor, wonach man nach dem Verfahren von Gross und Bevan zur Isoherung von Cellulose aus Kork zu einem Produkt gelangt, das in seinem allgemeinen Verhalten an Gellulose erinnert, in Kupferoxydammoniak löslich ist, bei der Hydrolyse Trauben- zucker liefert, jedoch nach der SKRAUPschen Acetolyse keine Cellobiose- Oktacetat zu gewinnen gestatten. Woran dies hegt, ist noch unentschieden. Jedenfalls sprechen diese Befunde für die WahrscheinUchkeit, daß wirkhch in verkorkten Zellwänden celluloseartige Kohlenhydrate enthalten sind. Nachdem Gouncler(4) beim Destillieren von Rinden mit Salzsäure nicht unerhebhche Mengen von Furfurol erhalten hat, so ist daran zu denken, •daß auch Pentosane im Kork vorkommen. Möghcherweise enthält die verholzte Mittellamelle auch Xylan. Nach Gouncler enthält Fichtenrinde 10,32-11% Pentosan, Eichenrinde 11,56-14,89%, Buchenrinde 15,84 bis 16,89% und die Rinde von Pinus Strobus 10,62% an Pentosanen. Gerbstoffartige und phlobaphenartige Stoffe sind im Kork immer vorhanden. Allerdings weiß man nicht, ob hiervon auf die Membranen ein erhebhcher Teil fällt. Teilweise handelt es sich sicher um Inhaltsstoffe einzelner Korkzellen, die leicht mit Wasser oder Alkohol extrahierbar sind. Das Hadromal, der aromatische Aldehyd des Holzes, scheint, wie erwähnt, ein regelmäßiger Bestandteil von Korkmembranen zu sein. Kügler fand im Kork kleine Mengen von Goniferin und VaniUin auf. Bezüghch des Vanillins wurden diese Befunde in neuerer Zeit durch Bräutigam und Thoms bestätigt (5). Die Aschenstoffe des Korkes betragen nach Kügler nur ^% der Trockensubstanz und enthalten relativ viel Mangan. Nach der Analyse von Korkholzabschabsel durch Mastbaum (6) enthält die Asche davon 50,87% GaO, 4,62% MgO, 3,79% Fe und AI, 5,55% KgO und 1,88% PO4. 1) Markownikoff, Journ. Russ. Chem.-Phys. Ges. (1893), I, 378; Ber Chem. Ges., 26, III, 3089 (1893). — 2) van Wisselingh, Arch. Kurland., 12, I (1888); Just Jahresber. (1888), r, 689; Arch. N^rland., 26, 305 (1893); Verhandl. Akad. Amsterdam (1892^; Chem. Zentr. (1892), //, 516. — 3) G. Zemplen, Ztsch. physiol. ehem., 8s, 173 (1913). — 4) Councler, vgl. Tollens, Journ. f. Landw., 44, 171 (1896). — ß) Bräutigam, Pharm. Zentr.halle, 39, Nr. 38 (1898). Thoms, Ebenda, Nr. 39. — 6) H. Mastbaum, Chem.-Ztg., 30, 39 (1906). 700 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Auf dem reichlichen Gehalte des Korkes an fettähnlichen Stoffen beruht auch sein Speichervermögen für einige in Fett leicht lösliche Farb- stoffe. So für Chlorophyll und Alkanna wie Correns(I) fand, für Cyanin nach Zimmermann (2), ferner für Sudan III, Orleanfarbstoff nach Sonn- tag (3). Lagerheim (4) hat noch einige andere Farbstoffe als Korkreagentien namhaft gemacht. Auch die Reduktion von Osmiumsäure gehört zum Fett- charakter des Korkes und deutet auf ungesättigte Fettsäuren hin (5). Drabble und Nierenstein (6) gaben an, daß man durch Einwirkung von Säuren auf eine Mischung von Formaldehyd und Phenol, bzw. Oxy- benzoesäure und Gerbsäure Produkte erhalte, die ein ähnUches miki'O- chemisches Verhalten zeigen wie Kork. Es kann sich wohl bloß um einige äußerliche Analogien handeln. BezügHch der Entstehung der Verkorkung ist zu bemerken, daß sowohl ein nachträgliches Verkorken ursprüngUcher Cellulosewände vorkommt, wie in der unmittelbaren Nachbarschaft verletzter Zellen, als auch Anlage von Membranen, die zur sehr frühzeitigen Verkorkung von vornherein bestimmt sind, wie bei den Phellogenzellen. In allen Fällen ist mit dem Eintritte der Verkorkung ein Absterben des lebenden Zellinhaltes verbunden^ imd es ist bisher nur bei Hakea gelungen, andauernd lebende Zellen zu beob- achten, die nach dem mikrochemischen Verhalten zu urteilen, verkorkte Membranen besitzen (7). § 14. Cutinisierte Zellmembranen. , Die Cuticula, welche als abschließende Schutzhaut die Oberfläche der grünen Teile bei Landpflanzen zu überziehen pflegt und als Schutz gegen intensivere Wasserdampfabgabe fungiert, zeigt in ihrem ganzen chemischen Verhalten so viele Analogien mit verkorkten Membranen^ daß noch mehrere Autoren der Neuzeit sich dahin aussprachen, daß Cuticula und Kork denselben chemischen Aufbau haben dürften. So tat es V. Höhnel, und auch Zimmermann (6) hob die große Übereinstimmung hervor, welche das Verhalten von Cuticula und Kork gegen Farbstoffe: Chlorophyll, Alkannin, Safranin zeigt Hingegen konnte van Wisse- LiNGH(9) auf mehrere bemerkenswerte Differenzen im chemischen Ver- halten von Kork und Cuticula hinweisen. Die Cuticula ist gegen zerstörende Einflüsse aller Art höchst resistent. Schon Brogniart(IO) beobachtete die Widerstandsfähigkeit der Oberhautschicht von Landpflanzen gegen längere Fäulnis der Gewebe. MoHL(ll) sah, daß auch konzentrierte Schwefelsäure lange Zeit hindurch die Cuticula unversehrt läßt; er gab an, daß sich die Cuticula mit Jod- schwefelsäure gelb färbt und sah in der Bildung der Cuticula an den 1) CoKRENs, Sitz.ber. Wien. Ak., 97, 658, Anm. — 2) Zimmermann, Ztsch. wiss. Mikrosk., 9, 58 (1892). — 3) P. Sonntag, Ztsch. wies. Mikrosk., 24, 21 (1907). — 4) G. Lagerheim, Ebenda, 19, 525 (1902). Petit, Botan. Literatiirblatt (1903), p. 280. — B) Mikrochemisches vgl. auch H. Müller, Botan. Ztg., 64, I, 53 (1906). Kroemer, Wurzelhaut, Hypoderrais usw. (Marburg 1903); Bibl. bot., LIX. — 6) E. Drabble u. Nierenstein, Biochem. Journ., 2, 96 (1907). — 7) F. Schnee, Diss. (Leipzig 1907). Vgl. auch Mylius, Das Polyderm, Diss. (Marburg 1912). — 8) Zimmermann, Botan. Mikrotechn. (1892), p. 146. — 9) Wisselingh, VerhandL Akad. Amsterdam (2), 3, Nr. 8 (1894); Arch. Nöerland , 28, IV/V (1894); Botan. Zentr., 62, 234 (1895). — 10) A. Brogniart, Ann. Sei. Nat. (1), 18, 427 (1830) r 21, 65 (1835). — 11) V. Mohl, Linnaea (1842), p. 401; Vermischte Schriften (1845), p. 266. § 14. Cutinisierte Zellmembranen. 701 Epidermiszellen nicht nur eine chemische Umwandlung der Cellulose- schichten, sondiern auch eine Strukturänderung. Mulder (1) wies gleich- falls auf die hohe Resistenz der Cuticula gegen konzentrierte Mineral- säuren hin und gab für die Epidermis von Phytolaccablättern und von den dick cuticularisierten Agaveblättern folgende Zahlen: Phytolacca decandra Agave americana C 52,90% 52,70% G 63,51% 63,28% H 6,79 6,80 H 8,82 8,89 0 + N 40,31 40,50 0 + N 27,67 27,83 MiTSCHERLiCH (2) erhielt durch Einwirkung von Salpetersäure auf Cuticula von Aloe üngua Korksäure und Bernsteinsäure als Oxydations- produkte. Schacht; (3), welcher die Cuticula als Sekretionsprodukt der Oberhautzellen ansah, entdeckte, daß die Cuticula in der Regel von kochen- derKahlauge leicht angegriffen wird, und zerfällt oder gelöst wird. Mohl(4_> machte darauf aufmerksam, daß die Cuticula nach Kochen in Ätzkali Cellulosereaktionen gibt. Auch Hofmeister (5) erklärte auf Grund des Verhaltens der Cuticula gegen ÄtzkaH oder Schulzes Macerationsgemisch die Gegenwart von Cellulose darin für erwiesen, nahm jedoch im Anschlüsse an ältere Analysen von Payen (6) Stickstoffgehalt der Cuticula an, wo- rauf nach Hofmeister auch das mikrochemische Verhalten hindeuten sollte; er betonte ferner die Übereinstimmung von Cuticula und Kork. Fremy und Urbain (7) beschrieben den Hauptbestandteil der Cuti- cula als „Cutose". Zu deren Reindarstellung wurde die Cuticula von Agave mit siedendem AlkoHol und Äther extrahiert und mit Kupferoxydammon von Cellulose befreit. Starke Säuren greifen die Cutose nicht an. Bei Be- handlung mit kochender Lauge soll sie die krystaUisierte Stearocutinsäure ^66^48^2 (F 76*^) und die flüssige Oleocutinsäure CagHaoOg hefern. Höhnel (8) untersuchte das Verhalten gegen verschiedene Reagentien bei Cuticula und Kork vergleichend, und konstatierte, daß die Cuticula gegen heiße Kahlauge entschieden widerstandsfähiger als Kork ist, doch wollen König und HüHN(9) Cutin und Kork in geradem Gegensatze hierzu dadurch unterscheiden, daß Cutin größtenteils mit ÄtzkaU verseifbar ist. Kork hin- gegen nicht. Es dürften wohl verschiedene Übergänge zwischen leicht und schwer verseifbarer Cuticularsubstanz vorkommen. Die Cuticula im engsten Sinne, d. h. das dünne, die äußere Oberfläche der Blätter überziehende Häutchen ist nach v. Höhnel frei von Cellulose. Mit Geneau de Lamar- LifcRE kann man diese Schichte als „Epicuticula" unterscheiden (10). Die angrenzenden cuticularisierten Membranschichten oder Cuticular schichten stellen sich als mit Cutin durchsetzte Celluloseschichten dar. Wisselingh wollte daher die Cuticula durch den Gehalt an Cellulose vom Kork scheiden, dem er, vielleicht mit Unrecht, den Cellulosegehalt absprach. Auch konnte van Wisselingh die aus Kork isoherbare Pbellonsäure aus Cutin nicht erhalten. Die aus Cutin darstellbaren Fettsäuren scheinen von jenen aus Kork verschieden zu sein, Nach-SiSrrTHOFF (11) ist Cutin eine wachsartige 1) MuLDEK, Physiol. Chem. (1844), p. 499. — 2) Mitscherlich, Lieb. Ann., TS (1850). — 3) Schacht, Lehrb. Anat. Phys., /, 133 (1856). — 4) Mohl, Botan. Ztg. (1847), p. 497. — 5) Hofmeister, Pflanzenzelle (1867), p. 249. — 6) Payen, Mömoir. sur les developpements, .p. 114, 116. — 7) Fremy u. Urbain, Ber. Chem. Ges., /o, 90 (1877); Compt. rend., pj, 926 (1882); Ann. Sei. Nat. (6), /j, 360 (1882); Compt. rend., wo, 19 (1885). — 8) F. v. Höhnel, Osterr. bot. Ztsch. (1878), p. 81. — 9) KÖNIG u. HüHN, Ztsch. Farbenindustr., /o, 297 (1912). — 10) L. Geneau DE Lamarliere, Rev. g6n. Botan., i8, 289 u. 372 (1906). — 11) W. Sutthoff, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, />, 662 (1909). 702 EinundzwanzigstcB Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. Substanz, welche bei der Elementaranalyse 68,12—69,97% Kohlenstoff und 9,65-12,40% Wasserstoff ergibt. Nach Verseif ung mit 20% KOH ließ sich mit Petroläther ein Alkohol C17H34O vom Schmelzpunkte 55—56® extrahieren, und nach Ansäuern eine Säure der Zusammensetzung CgHjgOa fällen; wahrscheinlich stellt sowohl dieser Alkohol als auch die Säure vorerst Gemische dar. Geneaü de LAMARLifeRE (1) machte darauf aufmerksam, daß die Cuticula gewisse Aldehydreaktionen (mit fuchsinschwefliger Säure, mit ammoniakalischem AgNOj) gibt. Die Ursache dieses Verhaltens ist noch festzustellen. Hadromal ist ausgeschlossen. Gutinisiert ist gewöhnhch auch die Exine der PoUenköraer (2). Wahr- scheinlich war die Cuticularsubstanz auch ein Bestandteil des von älteren Chemikern [Braconnot, John (3)] aus Pollenkörnern beschriebenen „Polle- nin", welches schon Fritzsche (4) als zusammengesetztes Geroisch er- kannte. Einige Erfahrungen zeigen, daß auf Rechnung der Outicula ein hoher Anteil des Trockensubstanzgewichtes von Pollen fallen kann. Nach Planta (5) entfällt bei Coryluspollen 3,02%, bei Pinuspollen 21,97% auf , Cuticula". Kresling(6) fand in Pinuspollen 19,06% „Cellulose". Von Pollenkörnern der Zuckerrübe gab Stift (7) 11,06% Pentosane an, in anderen Analysen 12,26 und 7,27%. Ob sie aus Nucleoproteiden oder Zellmembranen stammen, ist unbekannt. Als „cutinisiert" oder „verkorkt" wurden vielfach Membranen von Sekretzellen [Milchzellen der Convolvulaceen : [Zach ARIAS (8), Höhnel(9)], von Sekretgängen (Umbelliferen), von Krystall- zellen [Comesperma : Chodat und Hochreutiner(IO)] bezeichnet, aus dem einzigen Grunde, weil Chlorzinkjod diese Membraneschichten gelb färbt. Die Auskleidung der Umbelliferenölgänge, Vittae, ist von van Wisse- LINGH(II) einem näheren Studium unterzogen worden. Diese Membran- schichten sind nicht so wie Cuticula in kochender Kalilauge gut lösUch, sondern werden nur partiell angegriffen. Cellulose kann in diesen Membran- schichten vorkommen oder fehlen. Tschirch(12) hält es für möglich, daß hier Pektin und Protopektin vorkommen. Die Auskleidungen von Intercellu- laren(13) werden wohl wieTscHiRCH. mit Recht annimmt, mit Cuticulari- sierung nichts zu tun haben, sondern aus Pektinsubstanzen, Pektin und Protopektin TscHiRCHs, bestehen. Man hatte denselben irrigerweise in früherer Zeit öfters eine protoplasmatische Natur zugeschrieben und sie später als cutinisiert beschrieben. Nach den Beobachtungen von Tittmann (14) kann die Cuticula von Agave und Aloeblättern nach künstUcher Abtragung wieder regeneriert 1) L. Geneau de Lämaeliere, Bull. Soc. Bot. Fr. (4), 3, 268 (1903). — 2) Über die Membran der Pollenzellen: Th. Biourqe, La Cellule, 8, 45 (1892). — 3) Braconnot, Ann. de Chim. et Phya. (2), 42, 91 (1829). John, Schweigg. Journ., 12, 244 (1814). — 4) J. Fritzsche, Pogg. Ann., 32, 481 (1834). — 5) Planta, Landw. Versuchsstat., 32, 215 (1885); 31, 97 (1884), — 6) Kresling, Arch. Pharm., 22g, 389 (1891). — 7) Stift, Österr. Ztsch. Zuckerindustr., 24, 783 (1895); (1901) p. 43; Botan. Zentr., 88, 105 (1901). — 8) Zacharias, Botan. Ztg. (1879), p. 637. — 9) HÖHNEL, Ebenda (1882), p. 181, für CombretaceendrQsen. Mikrochemisches ferner bei O. Tunmann, Pflanzenmikrochemie (1913), p. 598. — 10) Chodat u. HocHREüTiNER, Botan. Zentr., 53, 108. — 11) Wisselingh, Arch. Neerland., 2p, 199 (1895). — 12) TscHiRCH, Ber. Pharm. Ges., /;, 237 (1909). — 13) Vgl. Russow, Dorpater Naturf. Ges. (23. Aug, 1884); Botan. Ztg. (1885), p. 491. Schenck, Ber. Botan. Ges., j. 217 (1885). Berthold, Ebenda, 2, 20 (1884). Wisselingh, Arch. Neerland., 21 (1886); Botan. Ztg. (1887), p. 222. Schips, Ber. Botan. Ges., //, 311 (1893). Mattirolo u. Büscalioni, Malpighia, 7. 305 (1893). Frank, Beitr. z. Pflanzen physiol. (1868), p. 154. Gardiner, Nature (1885). — 14) Tittmann, Jahrb. wies. Botan., 30, 116 (1897). Für Caulerpa vgl. auch Strasbürger, Bau u. Wachs- tum der Zellhäute (1882), p. 8. § 16. Membranschleime. 7Q3 werden. Daß die Cuticularbildung durch physikalische Faktoren, wie Luftfeuchtigkeit, Beleuchtung, Salzgehalt des Bodens stark, quantitativ beeinflußt wird, ist eine bekannte biologische Tatsache. Die Bildung der Cuticula ist ein bis heute noch nicht gelöstes Problem. Es ist unbekannt, ob sich in den äußeren Membranschichten der Epidermis sukzessive ein Umbildungsprozeß der Zellhaut vollzieht, welcher in völligem Verschwinden der Cellulose und gänzlicher Cutini- sierung endigt oder ob Stoffe vom Plasma fortdauernd ausgeschieden werden, die Membran durchwandern und dann gleichsam Auflagerungen bilden. Daß es sich um fettartige Substanzen handelt, würde keinen Gegengrund^ gegen die zweite Eventualität abgeben, da wir wissen, daß selbst fette Öle die Zellhaut in wasserdurchtränktem Zustande zu passieren vermögen. § 15. Schleimige Epidermisüberzfige, fälschlich ebenfalls Cuticula genannt. Die schleimige Oberhautdecke der Wurzeln sowie jene aller Teile von Wasserpflanzen werden meist nach einem nicht zu billigenden Sprach- gebrauch ebenfalls als Cuticula bezeichnet. Da es sich um wasser- durchtränkte, sehr imbibitionsfähige Membranschichten handelt, welche notorisch von der Cuticula der Luftorgane von Landpflanzen ganz ver- schiedene biologische Funktionen erfüllen, so ist es wohl empfehlenswert, diesen Unterschied auch in der Benennung auszudrücken, und ich habe hierfür die Bezeichnung Mucosa als Sammelbegriff vorgeschlagen. In chemischer Hinsicht sind die mucösen Überzüge gänzlich un- bekannt. Chlorzinkjod färbt sie allgemein gelb. In der Epicuticula von Wasserpflanzen nimmt Geneau de Lamar- LiERE(l) Überwiegen von Pektinstoffen an, doch bildet Cellulose die Grundmasse dieser Hautschichten. Die mikrochemischen Reaktionen der die „Aufzellen" und die Wurzelhaare überkleidenden schleimigen Membranschichten sind von Kroemer ausführlicher diskutiert und zusammengestellt (2). Tittmann (3) hat für die Transversal wände der Cladophoren gezeigt, daß die Mucosa nach Zerschneiden des Fadens daselbst künstlich erzeugt werden kann, nachdem diese Zellwände zu äußeren Begrenzungsflächen geworden sind. § 16. Membranschleime. Durch Verschleimung von größeren und kleineren Schichtenkom- plexen der Zellmembranen entstehen die im Pflanzenreiche nicht seltenen dicken Schleimüberzüge an der Außenfläche der verschiedensten Organe im befeuchteten Zustande. Es mag auch sein, daß manche Fälle von Schleimentwicklung im Inhalte von Zellen des Grundgewebes oder von Sekretbehältern (Schleimzellen, Schleimgänge) nicht, wie bisher ange- 1) L. Geneau de LA^fARLIERE, Rev. g^n. Botan., i8, 289 (1906). — 2) Kroemer, Wurzelhaut, Hypodermis usw. (Marburg 1903); Bibl. botan., LIX. G. Rumpf, Rhizodermis, Hypodermis der Farnwurzel (Marburg 1904); Bibl. botan., LXII, 8. — 3) Tittmann, 1. c, p. 136. Biolog. Literatur über die Mucosa der Wasserpflanzen: Ebenda u, Schenck, Anatomie d. submersen Gewächse (1896). 704 Eiflundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. nommen wurde, auf Schleimbildung im Protoplasma, sondern auf Ver- schleimung der innersten Membranschichten, resp. auf Schleimbildung statt Membrandickenzuwachs zurückzuführen sind. Die Blattepidermis ist bei nicht wenigen Pflanzenblättern Sitz einer diffusen Schleimbildung (z. B. Barosma, Serjania, Ericaceen), so daß ent- weder die ganze Epidermis oder Zellgruppen und einzebe Zellen Schleim produzieren (1). Walliczek hat gezeigt, daß der Sitz der Schleimbildung in der Innenwand der Epidermiszellen zu hegen pflegt, welche sich durch sekundäre Schleimmembranschichten verdickt. Ein weiteres Vorkommen verschleimter Epidermidalmembranschichten ist häufig bei Samenschalen [Sinapis und viele andere Cruciferen, Linum, Lythraceen, Plantago u. a. (2)]. Dabei kommen manchmal sehr merkwürdige Strukturen vor, wie die sich als scheinbare Haare vorstülpenden schleimigen Verdickungsmassen der Epidermis des Cupheasamens [Correns, GRiJTTER(3)]. Hier pflegt sich Außen- und Innenwand der Epidermiszellen, be- sonders erstere an der Ausbildung schleimiger sekundärer Membranver- dickungen zu beteiügen. Verschleimung der Epidermis von Früchten ist für viele Nyctaginaceen bekannt [Heimerl (4)], Bei den Wasserpflanzen wird der manchmal außerordentUch mächtige Schleimüberzug der jüngeren Teile und Blattstiele [Brasenia, Cabomba : Goebel (5)] durch besondere Schleimhaare, in anderen Fällen durch Schleimdrüsen, Zotten, dm-ch die Ränder von Stipulargebilden oder durch sogenannte „Intravaginalschuppen" produziert (6). Es wurde ferner Schleimbildung durch die an Intercellularen gren- zenden Zellmembranen beobachtet [alpine Primeln: Lazniewski (7)]. An Wm-zehi von Pflanzen, die auf sehr trockenen Wellenkalk- Stand- orten wuchsen, fand Contzen (8) eine besonders starke Schleimschichte von der Dicke der Wurzelrinde ausgebildet, welche als Schutz gegen Aus- trocknung dient. In allen diesen Fällen ist sicher Verschleimung von Zellmembranen im Spiele. Auch der Schleim der Viscumfrüchte zählt zu den Membran- schleimen. Jeder Schleimfaden beim Auseinanderziehen des verschleimten Fruchtfleisches entspricht einer Zelle und zeigt schraubige Struktur, die besonders nach Blaufärbung mit Chlor zinkjodlösung deutHch hervor- tritt (9). In den äußeren Schichten des Viscumschleimes handelt es sich nach Tomann (10) um Celluloseschleim, in den inneren aber um Pektose- schleim; Loranthusfrüchte entwickeln nur Pektoseschleim. Es kann jedoch selbst bei schleimbildenden Haaren die Schleim- absonderung im Protoplasma ohne Beteihgung der Zellmembranen ver- 1 ) Über Schleimepidermen : Bary, Vergl. Anatomie, p. 77. Radlkofer, Mono- graphie von Serjania (1875). Flückiger, Schweiz. Woch.schr. Pharm. (1873). TscHTRCH, Angewandt. Pflanzenanat. (1889), p. 251. Walliczek, Jahrb. wiss. Botan., 2S, 227 (1893). — 2) Schleimschicht von Samenschalen: TscfflRce, 1. c, p. 193. — 3) CoRRENS, Ber. Botan. Ges., lo, 143 (1892). W. Grütter, Botan. Ztg. (1893^ /, 1. Popovici, Dies. (Bonn 1893). — 4) Heimerl, Sitz.ber. Wien. Ak., 97, I. 692 (1888). — 5) K. GoEBEL, Pflanzenbiolog. Schilderung. (2), 2. Lief. (1893), p. 232. — 6) Literatur: J. Schrenk, Just Jahresber. (1888), /, 681. Schillikq, Flora (1894), p. 280. Schleim an den Winterknospen von Wasserpflanzen: Theortn, Arkiv f. Botan., w, Nr. 8 (1911). — 7) W. v. Lazniewski, Flora (1896), p. 224. Ob die von NoACK, Ber. Botan. Ges., jo, 645 (1892\, von Orchideenwurzeln beschriebenen „Schleimranken" hierher zählen, ist zweifelhaft. — 8) F. Contzen, Verhandl. Phys.- med. Ges. Würzburg, 38 (1906). — 9) Meine diesbezüglichen Beobachtungen sind wiedergegeben bei Gjokic, Sitz.ber. Wien. Ak., los, I, 451 (1896). — 10) G. Tomann, Ebenda, 115, I (1906). § 16. Membranschleime. 705 laufen. So haben Gardiner und Ito(1) angegeben, daß bei den Haaren von Blechnum und Osmunda keine membranogene Schleimbildung vor- Uegt, und Groom (2) hat bei einer Reihe von Colleteren, die dem Knospen- schutze dienen, nachgewiesen, daß der produzierte Schleim in keiner Be- ziehung zu der Zellhaut steht. In den Bereich der Schleimmembranen gehört jedoch nach Tschirch und Walliczek (3) der schleimige Inhalt der innerhalb des Gewebes liegenden sehr analog gebauten Schleimzellen der Tiliaceen, Malvaceen und der Kakao- samenschalen. In diesen Fällen wird vom Plasma eme Schleimlösung zwischen Zellwand und Hyaloplasma ausgeschieden. Hier ist also der Schleim kein se- kundär auftretendes Umwandlungsprodukt der Membran wie etwa bei Samen- schalen-Epidermiszellen. Derselbe Entstehungsmodus gilt nach Walliczek auch für den Schleim der Cacteen, der von Nägeli und von Wigand für Verdickungsschichten der Zellwand erklärt worden war (4), von Lauter- bach aber als Schleim plasmatischen Ursprunges hingestellt wurde (5). BezügUch der Schleimzellen der Urticaceen, Girardinia u. a., wird von SCHORN (6) angegeben, daß es sich um geschichtete, nicht inkrustierte Schleimcystoüthen handle, welche natürlich membranogenen Ursprunges sind, und als Wasserspeicherungsvorrichtungen dienen. Der Schleim der Raphidenzellen gehört hingegen zu den „Inhalts- schleimen". Ebenso entsteht der Schleiminhalt der bekannten Schleim- zellen in den Knollen epiphytischer Orchideen, wie schon Frank dartun konnte (7), aus dem Plasmakörper. Auch diese Zellen dienen als Wasser- speicher. Hingegen sind die gleichartigen Zellen in den Erdknollen der Orchisarten wohl ebenso wie die Schleimendosperme mancher Leguminosen als Behälter von Reservekohlenhydraten anzusehen. Die Membranschleime, soweit sie in den Kreis dieser Betrachtung fallen, scheinen nie die biologische Rolle von Reservestoffen zu spielen, sondern dienen als Mittel zum Festhalten des Wassers: Transpirationsschutz und Keimungsschutz, Quellungsmechanismus, zur Befestigung von Samen am Substrate, zum Schutze der Wasserpflanzen gegen tierische Feinde, als Gleitmechanismen usw. (8). Ravenna und Zamorani (9) fanden, daß Lein- samen eine Hemmung ihrer Keimung erfahren, wenn man ihnen den Schleim der Samenschale wegwäscht, und denken, daß immerhin die Aufnahme von Zucker und Mineralstoffen aus dem Schleim eine gewisse Rolle bei der Keimung spiele. In chemischer Hinsicht sind die Pflanzenschleime noch sehr un- zureichend bekannt. Beziehungen zu Gummi und Pektinsubstanzen sind vielleicht nicht selten vorhanden, doch nie mit Bestimmtheit nachgewiesen. Die Membranschleime allgemein als Hydratationsprodukte der Cellulose anzusehen, wie es Gardiner (10) tat, ist eine viel zu weitgehende Be- 1) Gardiner u. Ito, Ann. of Botan., /, 27 (1887). — 2) P. Groom, On Bud- Protection in Dicotyledons; Trans. Linn. Soc. Lond. (2), j, Pt. VIII (1893). — 3) TscraRCH, 1. c, p. 125. Walliczek, 1. c. über Althaea-Schleimbehälter femer A. Guirand, Botan. Zentr., 6i, 376 (1895). Rhamnus: Höhnel, Sitz.ber. Wien. Ak. (1881). Mikrochemisches bei O. Tunmann, Pflanzenmikrochemie (1913), p. 576. — 4) Nägeli u. Gramer, Vorkommen u. Entstehung einiger Pflanzenschleime (Zürich 1855). Wigand, Jahrb. wias. Botan., 5 (1865). — 5) Lauterbach, Botan. Zentr. (1889). — 6) F. ScHORN, Sitz.ber. Wien. Ak., 116, I (1907). P. GufiRiN, Bull. Soc. Bot., 57, 399 (1910). — 7) A. B. Frank, Jahrb. wies. Botan., 5 (1865). — 8) Vgl. Schröder, Biolog. Zen^r., 23, 457 (1903). — 9) C. Ravenna u. Zamorani, Atti Acc. Line. Roma (5), /p, II, 247 (1910). — 10) Gardiner, Proc. Cambridge Phil. Soc, 5, 183 (1886). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. w 706 Einundzwanzigstes Kapitel: Das Zellhautgerüst der Pflanzen. hauptung. Im Wasser bilden alle Schleime kolloidale Lösungen. Sie lassen sich in einer Reihe von Fällen durch Ammoniumsulfat aussalzen, wie nach Pohl die Schleime von Althaea, Linum und Cydonia(l). Chlor- zinkjodlösung färbt Schleime meist nicht violett. Jene Schleime, welche damit eine violette Reaktion geben, hat Tschirch als „Celluloseschleime" bezeichnet, z. B. jene von Cruciferensamen, Quitten- und Mistelschleim. Methylenblau und andere „pektinfärbende" Farbstoffe tingieren ver- schiedenen Beobachtern zufolge Pflanzenschleim sehr häufig, so auch Ru- theniumrot. Mangin (2) hat, auf das tinktorielle Verhalten der Membran- schleime gestützt, verschiedene Gruppen unterschieden: Celluloseschleime, Pektinschleime, Calloseschleime und gemischte und unbestimmte Schleim- arten. In die chemische Natur und Entstehung der Schleime ist jedoch damit schwerlich ein tieferer Einblick gewonnen. Zu den Cellulose- schleimen rechnete Prolliüs(3) auch den Schleim der Aloeblätter. Bei der Hydrolyse geben die meisten Pflanzenschleime Arabinose und Galactose. Schon Vauquelin(4) stellte durch Behandlung von Leinsamenschleim mit Salpetersäure Schleimsäure dar, in neuerer Zeit CuLLivAN(5). A. HiLGER(6) erhielt bei der Hydrolyse des Leinsamen- schleims Galactose, Glucose, Arabinose und Xylose. Aus Quittenschleim gewannen Gans und Tollens(7) Arabinose. Nach den Untersuchungen von YosHiMURA und Harlay liefert auch der Opuntiaschleim Arabinose und Galactose (8). Schirmer (9) erhielt aus dem Schleime des Markes von Sassafras varriifolium vorwiegend Arabinose und auch Dextrose. Der Althaeaschleim ergab 5,47% Araban, 8,21% Galactan und 21,05% vergärbare Zucker als Glucose gerechnet. Der Schleim von Ulmus fulva lieferte Galactan, Fructosan, 12,18% Pentosane, 10,26% Methylpentosane und 26,25% Galactan. Von den Pektinen unterscheiden sich die Schleime vor allem äußerlich durch den Mangel der Fähigkeit Gallerte zu bilden. Von Gummi kann man die ^chleime durch chemische Gesichtspunkte derzeit schwer abtrennen, da unsere Kenntnisse der Hydratationsprodukte usw. noch viel zu lückenhaft sind. Vielleicht nimmt an der Konstitution der Pflanzenschleime Dextran einen Anteil, während Glucose bei Gummiarten und Pektinstoffen unter den Produkten der Hydrolyse fehlt. Jedoch dürfte die von Kirchner und Tollens(IO) früher aufgestellte Ansicht, daß der Quittenschleim eine chemische Verbindung von Cellulose und Gummi repräsentiere, wohl schwerlich unseren jetzigen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen, wenn wir derzeit auch eine zutreffende Anschauung an die Stelle der älteren Vorstellungen noch nicht setzen können (11). § 17. Die Bildung von Zellmembranen. Obwohl das Problem, wie die Zellhaut entsteht, schon von den älteren Anatomen, wie Mohl, später von Pringsheim, eines eingehenden 1) J. Pohl, Ztsch. physiol. Cham., 14, 151 (1890). — 2) Mangin, Bull. Soc. Botan., 41, p. XL (1894). — 3) Pkollius, Arch. Pharm., 222, 553 (1884). — 4) Yau- QUELIN, Ann. de Chim., 80, 314 (1811). — 5) Cullinan, Just Jahresber. (1884), /, 71. Bauer, Landw. Versuchsstat., 40, 480 (1892). — 6) A. Hilgee, Ber. Chem. Ges., jö, 3198 (1903). — 7) Gans u. Tollens, Lieb. Ann., 24g, 245 (1889). — 8) YosHiMURA, Agric. Coli. Tokyo, 2, 207 (1895). Harlay, Journ. Pharm, et Chim. (6), 16, 193 (1902). — 9) W. Schirmer, Arch. Pharm., 250, 230 (1912). — 10) Kirchner u. ToLLENS, Lieb. Ann., 175, 205 (1874). — 11) Ältere Lit.: Mülder, Journ. prakt. Chem., 15, 293 (1838); 37, 334 (1846). Braconnot, Berzelius Jahresber., 22, 280(1843). § 17. Die Bildung von Zellmembranen. 707 Studiums gewürdigt worden ist und in neuerer Zeit auch mehrfach inter- essante experimentelle Erfahrungen und theoretische Gesichtspunkte hinzu- gekommen sind, kann man nur sagen, daß wir weit davon entfernt sind, dieses eminent chemische Problem heute mit chemischen Methoden er- folgreich angehen zu können. Wie zuerst die Beobachtungen von Klebs über Membranbildung und plasmolysierte Protoplasten und ausgetretene Protoplasmaballen von durchschnittenen Vaucheriaschläuchen gelehrt haben, ist die Hautschicht des Plasmas nicht nötig, um MembranbUdung um kernhaltige Protoplasmaportionen zu ermöglichen. Die von Klebs (l) ge- äußerte Vermutung, daß kernlose Protoplasmakörper ohne lebende Kon- tinuität mit dem Zellkern zur Membranbildung nicht befähigt sind, schien nach den Untersuchungen von Townsend(2) zuzutreffen, wonach die Membranbildung um anscheinend kernlose Plasmateile nur dann eintritt, wenn diese Ballen durch äußerst feine Plasmafäden mit kernhaltigen Portionen zusammenhängen. Jedoch hat Palla(3) später in erneuten Untersuchungen gezeigt, daß vom Kern abgetrennte Plasmaballen Mem- branen ausbilden, was sich auch aus Beobachtungen von Acqua(4) und von WissELiNGH(5) an kernlosen Spirogyrazellen zu ergeben scheint. Doch sind erneute Beobachtungen geboten, zumal die Kulturbedingungen offenbar nicht in allen Fällen die günstigsten gewesen sind und hierorts gemachte Wahrnehmungen gezeigt haben, daß man bei Kultur von Plastnaballen in verdünnter van 't HoFFscher Chloridmischung bedeutend bessere Erhaltung durch lange Zeit gewährleisten kann. Zur Färbung der neuentstandenen Membranen setzt Klebs der Nährlösung etwas Kongorot zu. Die jungen Zellwände sind sicher reine Cellulose wände. Wie entsteht nun die Cellulose? Die älteste Ansicht nahm an, daß es sich um Ausscheidung von Celluloseteilchen aus dem Plasma handle. Pringsheim stellte 1854 eine gänzlich abweichende Lehre auf, wonach sich die Hautschicht des Protoplasmas direkt in Cellulose um- wandeln soll. Die Streitfrage, ob Ausscheidung oder Umwandlung, hat sich bis in die neueste Zeit fortgesetzt und mehrfach wurde beobachtet, daß sich Protoplasmastränge, welche zwei Plasmamassen verbinden, ganz in Zellhaut umwandeln können [Klebs, Tischler (6)]. Aus neuerer Zeit liegen analoge Beobachtungen vor von den Haustorien des Embryosackes bei Pedicularis (7), vom Embryosack von Plantago(8), vom Fadenapparat der Synergiden (9) sowie auch von den Zellen der endotrophen Mycor- rhiza epiphytischer Orchideen, wo sich an Stelle der Pilzknäuel schließlich vielfach verzweigte Stränge von Cellulose vorfinden (10). Ob man in diesen Fällen von Ausscheidung oder von Umwandlung in Membran- substanz sprechen soll, dürfte sich nicht leicht entscheiden lassen, da es sich in diesen Ausdrücken um nicht genügend scharfe Begriffe handelt und man in vielen Fällen ebensogut von Ausscheidung wie von Um- wandlung sprechen könnte, wie Tischler (ll), und besonders Bieder- 1) G. Klebs, Tagebl. 59. Vers, deutsch. Naturf. (1886); Untersuch, bot. Inst. Tübingen, //, 500 (1888). Haberlandt, Sitz.ber. Wien. Ak., 98 (1889). J. Clark, Rep. Brit. Assoc. (1892), p. 761; Just Jahresber. (1892), /, 530. — 2) Townsend, Jahrb. wiss. Botan., 30, 484 (1897). — 3) E. Palla, Ber. Botan. Ges., 24, 408 (1906); 7, 330 (1889).'— 4) C Acqua, Malpighia (1891), p. 3; Ann. di Bot., 8, 43 (1910). — 5) VAN WissELiNGH, Botan. Jaarboek Dodonaea (1907), p. 61. — 6) Tischler, Ber. Königsberg. Ökon. Phya. Ges. (1899). — 7) Ed. Schmid, Beihefte botan. Zentr., 20, 285 (1906). — 8) L. Buscalioni, Malpighia, 8 (1894). — 9) A. Habermann, Beihefte botan. Zentr., 20, 309 (1906). — 10) F. Czapek, Sitz.ber. Wien. Ak., 118, I, 1576 (1909). — 11) Tischler, Biolog. Zentr., 21, 247 (1901). — 45* 708 Einundzwanzigstes Kapitel: Das ZellhautgerQst der Pflanzen. MANN(l) in seinen interessanten Untersuchungen über „geformte Sekrete", treffend dargelegt haben. Strasbürger(2) vertrat die Anschauung, daß bei der ersten Ausbildung der Teilungsmembran durch das aktive Filarplasma oder Kinoplasma Ausscheidung anzunehmen sei, daß aber in anderen Fällen, wie bei dem Cytoplasma, welches in die Massulablasen von AzoUa einwandert, höchstwahrscheinlich aber auch bei der Bildung der Zellhautbalken von Caulerpa, von einer direkten Verwandlung des Cyto- plasmas in Membranstoff gesprochen werden müsse. Ganz unerklärt sind schheßlich auch die Bildungen der Leisten und Stacheln des Exospors bei Farnpflanzen, wie z. B. bei Marsilia(3) oder der Exine von Pollenhäuten (4), die sich anscheinend ganz außerhalb des Kontaktes mit Cytoplasma vollziehen. Für die grobhöckerigen oder schaumigen Sporendecken, die man als Perispor zusammenfaßt, hat Hannig den Zusammenhang mit den Periplasmodien der jungen Spo- rangien nachgewiesen (B). Trotzdem besteht jedoch kein Grund für die wachsende Zellmembran eine „Vitalität" anzunehmen, wie dies in neuester Zeit noch von van der Wölk (6) geschehen ist. Von großem Interesse ist für alle Fälle die zuerst von Dippel(7) festgestellte Tatsache, daß beim ersten Sichtbarwerden von Membran- verdickungen am Protoplasmaschlauche selbst eine genau diesen Ver- dickungsleisten entsprechende Zeichnung sichtbar wird, was seither mehr- fach Bestätigung erfahren hat (2). So drückt der lebende Protoplast der zu bildenden Membran gleichsam seine Form auf, oder mit Biedermann zu sprechen, die Zellhaut ist ein „geformtes Sekret". Die biochemische Forschung hätte mit der Eruierung derjenigen Stoffe des Plasmas einzusetzen, welche an der Cellulosebüdung sowie an der Bildung der Zellwandstoffe überhaupt beteiligt sind. Man weiß nur so viel, daß in vielen Fällen unverkennbar Stärkeverbrauch bei der beginnenden Membranbildung zu beobachten ist. Nach den Beobachtungen von NoLL(8) sind im Zellsafte gut genährter Derbesiaexemplare Sphärite und faserartige Gebilde, beide anscheinend eiweißartiger Natur, stets zu beobachten, welche bei Verletzungen die Wundstelle verkleben. Diese Substanzen wurden von Küster (9) mit dem Wundverschlusse in bio- logischen Zusammenhang gebracht, während Noll diese Wirkung als zufällige ansieht und meint, daß es sich um Reservestoffe handle. Man könnte vielleicht an Glucoproteide denken, welche bei der Cellulose- büdung eine Rolle spielen; doch fehlen noch alle Anhaltspunkte, um wissenschaftlich brauchbare Ansichten über den Chemismus der Membran- bildung aufzustellen. 1) Bebdebmakn, Ztsch. allgem. Physiol. (Verworn), 2, 460 (1902). — 2), Strasburger, Jahrb. wiss. Botan., 31, 573 (1898). — 3) Vgl. Strasburger, Flora, 97, 126 (1907). — 4) Z. Woycicki, Ber. Botan. Gee., 29, 636 (1911). — B) E. Hannig, Flora, 102, 335 (1911). — 6) P. C van der Wölk, Publicat. 8ur la Physiol. V^göt. Nymwegen (1912). — 7) Dippel, Abhandl. Naturf. Ges. Halle, 10 (1868). Crdger, Botan. Ztg. (1855), ferner die Beobachtungen von Zacha- RIA8 an Chararhizoiden. — 8) Noll, Ber. Botan. Ges., 17, 303 (1899). A. Ernst, Flora, 93, 520 (1904). — 9) Küster, Ebenda, p. 77. Klemm, Ebenda, 78, 24 (1894). Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. 709 II. Teil: Die Lipoide im Stoffwechsel der Pflanze. Abschnitt 1: Die Nahrungsüpolde der Pflanzen. Die vielen fettartigen Bestandteile der Pflanzen sind chemisch und physiologisch heterogener Natur. Gemeinsam besitzen sie nur das generelle Vorkommen in jedem Zellplasma sowie die Löslichkeitsverhältnisse in der Beziehung zum Stoffaustausch der Zelle. Entstehung und Verwendung sind im übrigen bei allen diesen Stoffen, zu denen wir die eigentlichen Fette (Nahrungsfette im biologischen, Neutralfette im chemischen Sinn), ferner die Lecithide (Phospholipoide), Cerebroside, Phytosterine, Wachs- arten und Chromolipoide zählen, sehr verschieden. Am passendsten werden wir zwei biologische Gruppen formieren, die wir als Nahrun gs- lipoide oder Tropholipoide, und Cytolipoide unterscheiden. Jedermann kennt die allgemeine Verbreitung der gememhin als „Fett" bezeichneten Stoffe, die wir als Nahrungslipoide zusammenfassen, und ihre wichtigsten chemischen Kennzeichen (1). Ebenso ist bekannt, daß es sich in den Fetten bei Tier und Pflanze um Reservestoffe handelt, welche das wichtigste Vorratsmaterial für die Energieproduktion in der Sauerstoffatmung darstellen. Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. § 1. Vorkommen und Bedeutung. Die Fette stellen unter den stickstoffreien Reservestoffen der Samen das häufigste Vorkommnis dar. Nach Nägelis eingehenden Unter- suchungen (2) dürfte bei etwa Vs al^Gr natürlichen Phanerogamengruppen Fett als Hauptbestandteil des Samennährgewebes vorliegen. Fett und Kohlenhydrate schließen sich übrigens in ihrem Vorkommen nicht gegen- seitig aus; man kann vielfach finden, daß in Stärkesamen der Embryo reichlich Fett enthält (Gräser), oder es kommt Fett neben Stärke oder Reservecellulose in den Nährgewebszellen selbst gemeinsam vor (Myristica, manche Papilionaceen und andere). Für viele Gattungen, UnterfamUien und Familien ist der Fettgehalt des Samennährgewebes recht charak- teristisch; in anderen Fällen herrschen wieder stark wechselnde Ver- hältnisse, was aber wohl seltener ist. 1) Zusammenfassende Werke über die Chemie der Fette sind: Benedikt und Ulzer, Analyse d. Fette u. Wachsarten, 5. Aufl. (Berlin 1908). F. Ulzer u. J. Klimont, AUgem. u. physiolog. Chemie d. Fette (Berlin 1906). J. Lewkowitsch, Chemical Technology and AnaJysis of Oils, Fats and Waxes, A^^ Edit., 3 Vols. (Lon- don 1909). A. Jolles, Chemie der Fette, 2. Aufl. (Straßburg 1912). C. Brahm in Abderhaldens biochem. Handlexikon, j, 1 (1911). Schaedler, Technologie d. Fette, 2. Aufl. (1892). W. Glikin, Chemie d. Fette, Lipoide u. Wachsarten (Berlin 1913), 2 Bde. — 2) Näoeli, Die Stärkekömer (1858), p. 467 ff. 710 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. Bei Nägeli finden sich diesbezüglich zahlreiche auf ausgedehnten mikroskopischen Beobachtungen fundierte Angaben, auf welche ich hier verweise. Es seien nur einige Hauptsachen kurz erwähnt. Unter den Gymno- spermen sind die Coniferen (ausschheßhch Gingko) mit Ölsamen typisch ausgerüstet. Bei den Monocotyledonen ist Fettgehalt des Embryos die Regel, auch wenn das Endosperm Stärke führt; häufig, wie bei der ganzen Liliiflorenreihe und den Palmen, führt das Endosperm Fett und Reserve- cellulose. Die Gräser haben meist Stärke-Endosperme, jedoch sind weiche, fettreiche Endosperme besonders bei den Aveneen, Apera, Alopecurus, Dactyhs, Lepturus usw. in einer Reihe von Fällen beobachtet (1). Unter den Archichlamydeen ist Fettnährgewebe weitaus vorherrschend in der Verwandtschaft der Salicales, Fagales usw.; die Centrospermae führen im Embryo Fett und haben Stärkeendosperm ; die Ranales haben größtenteils Fettnährgewebe; bei den Leguminosen wechselt Stärke mit Fett stark ab, die übrigen Gruppen haben meist Fettsamen. Bei den Sympetalen gehört Stärke im Nährgewebe geradezu zu den Ausnahmen. Experimentell Bedingungen herzustellen, unter welchen ein sonst Stärke führendes Nährgewebe Fett speichert (und vice versa), ist bisher nicht gelungen. Nach Nägeli kommt es aber bei keimungsunfähigen Gramineensamen mitunter vor, daß statt des normalen Stärkeendosperms ein Fettnährgewebe ausgebildet ist (Phragmites, Anthoxanthum , Alo- pecurus). Die fetthaltigen Zellen des ruhenden Samennährgewebes pflegen ein ganz anderes Bild darzubieten als wir es vom tierischen Fettgewebe kennen. Große Fettropfen oder Fettvacuolen sind in intakten Endosperm- zellen nie nachgewiesen worden. Handelt es sich um Fette von hohem Schmelzpunkt, so sieht man bei 15 — 20'' C Untersuchungstemperatur in den Nährgewebszellen ansehnliche Krystallbündel oder Einzelkry stalle, wie es z, B. von Theobroma, Myristica, Bertholletia, Elaeis sehr bekannt ist. Am häufigten aber ist das Fett im Plasma in äußerst feiner, wohl amikronischer, Emulsion vorhanden, welche optisch auch bei stärksten Vergrößerungen nicht auflösbar ist [„Ölplasma" von Tschirch (2)]. Morphologisch differenzierte „Ölbildner" sind in Fetten dospennen nicht vorhandenes). Nach Eindringen von Wasser in die Zellen der Schnitte sind sofort deutliche Fettröpfchen wahrnehmbar. Hingegen konnte An- drews (4) bei ganzen Samen selbst nach 12 stündiger Quellung in Wasser durch Zentrifugieren kein Fett abtrennen. Mit mehrtägigen Keimlingen gelingt jedoch der Versuch leicht. Quantitative Verhältnisse. Bei den meist zu rein praktischen Zwecken vorgenommenen Fettbestimmungen in Samen wurde in der Regel nur das ,, Rohfett", d. h. die Gesamtmenge aller in Äther löshchen Stoffe bestimmt; auch beziehen sich die Angaben vielfach auf ungeschälte Samen oder ganze SchUeßfrüchte. Für biochemische Zwecke ist natürUch die Untersuchung isoherter Nährgewebe mit Feststellung des Reinfettes er- wünscht. Bei der gebräuchHchen „Rohfettbestimmung" (5) werden 5 g möghchst fein zerriebenen Materials in eine fettfreie gewogene Papierhülse 1) M. Matlaköwna, Bull Ac. Sei. Cracovie (Mai 1912). — 2) A. Tschirch, Ber. Pharm. Ges., lo, 214. Kritzler, Aleuronkörner, Dissert. (Bern 1900). — 3) Wakker, Jahrb. wise. Botan., 19, 455, 473, 487. — 4) F. M. Andrews, Ebenda, 38, 2 (1903). — 5) Näheres in J. König, Untersuch, landwirtsch. u. gewerbl. wicht. Stoffe, 4. Aufl. (Berlin 1911) und anderen einschlägigen Handbüchern. Methodisches femer bei C. Lehmann, Pflüg. Arch., 97, 419 (1903). W. Völtz, Ebenda, p. 606. F. Ruppel, Ztsch. f. analyt. Chem., 45, 112 (1906). § 1. Vorkommen nnd Bedeutung. 711 „Schleicher & Schüll 80 X 33 mm" eingefüllt und bei 90" getrocknet und gewogen. Man erschöpft nun die Probe in einem der gebräuchlichen Extrak- tionsapparate (1 ), dessen Äther kölbchen vorher austariert wurde, durch 6 stündige Extraktion mit reinem absolutem Äther. Nach vollzogener Extraktion wird der Äther in Kölbchen verdunstet und das Kölbchen zurück- gewogen; die Gewichtszunahme ist das „Rohfett". Seine Menge ist um mehrere Trockengewichtsprozente größer als jene des Reinfettes. Man kann auch aräometrisch aus der Änderung der Dichte des Lösungs- mittels den Fettgehalt bestimmen (2). An Stelle des Äthers wiirde mit Vorteil Petroläther, Tetrachlorkohlenstoff (3), oder nach Rosenfeld (4) 14 stündiges Auskochen mit Alkohol und darauf folgend 6 stündige Cbloro- formextraktion verwendet. Die zuerst von Liebermann (5) vorgeschlagene Methode der direkten Verseifung, welche zu tierphysiologischen Zwecken neuestens besonders von Kumagawa (6) weiter ausgebildet worden ist, schheßt das Untersuchungsmaterial zunächst mit Kahlauge auf; die Seifen werden hierauf mit Schwefelsäure zerlegt, die freien Fettsäuren sodann mit Petroläther aufgenommen und entweder durch Wägung oder durch Titration quantitativ bestimmt. Auch kann man das Material zunächst nach Kuma- gawa mit Alkohol extrahieren und die Verseifung im Alkoholextrakt vor- nehmen. Die Werte aller dieser Methoden stimmen miteinander gut überein. Bei fettreichen Nährgeweben beträgt der Reinfettgehalt meist 50—70% der Trockensubstanz und kann selbst bis gegen 80% steigen. Es hat sich ergeben, daß fettreiche Samen im allgemeinen auch reicher an Eiweiß sind als Kohlenhydrat führende Nährgewebe. Dies illustrieren die nachfolgenden Zahlenwerte, welche ich dem bekannten Handbuch von König (7) entlehne: Kohlenhydrate Fett Eiweiß in Proz.d. Trockensubst. A. Kohlenhydratsamen: Triticum vulgare 68,65% 1,85% 12,04% Fagopyrum esculentum . . 71,73 1,90 10,18 Pisum sativum 52,68 1,89 23,15 Chenopodium Quinoa . . . 47,78 4,81 19,18 Aesculus Hippocastanum . 68,25 5,14 6,83 Castanea vesca 43,71 2,49 3,80 Quercus pedunculata . . . 46,83 3,08 3,26 B. Fettsamen: Linum usitatissimum Brassica Rapa . . . Papaver somniferum Cannabis sativa . . Amygdalus communis Aleurites moluccana. Gocos nucifera . . . 23,23% 33,64% 22,57% 24,41 33,53 20,48 18,72 40,79 19,53 21,06 32,58 18,23 7,84 53,02 23,49 4,88 61,74 21,38 12,44 67,00 8,88 1) Hierzu Auld u. Pickles, Chem. News, 99, 242 (1909). — 2) L. Pouget, Monit. scient. (4), 16, II, 651 (1902). — 3) O. Ramstedt, Chem.-Ztg. (1909), p. 93. W. Glikin, Pflüg. Arch., 95, 107 (1903). — 4) G. Rosenfeld, Zentr. inn. Mediz. (1905), Nr. 14 und in Abderhalden, Handb. biochem. Arb.meth., 2, 238 (1909). — 5) L. Liebermann u. Szekely, Pflüg. Arch., 72, 360; 108, 481 (1905). — 6) M. Kumagawa u. K. Suto, Biochem. Ztsch., 8, 212 (1907). Inaba, Ebenda, p. 348. Shimidzu, Ebenda, 28, 237 (1910). Watanabe, Ebenda, 41, 71 (1912). Kumagawa, Abderhaldens biochem. Arb.meth., 5, l, 477 (1911). SzEKi;LY, Biochem. Ztsch., 42, 412 (1912). L. Berczeller, Ebenda, 44, 193 (1912). — 7) J. König, Chemie d. menschl. Nähr.- u. Genußmittel, 4. Aufl., / (Berlin 1903). 712 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. Ausnahmen, wie Pisum, Faba, Cocos, gehören zu den seltenen Fällen. Die Bedeutung dieses Verhältnisses ist noch unbekannt. Für die ökonomischen Vorteile der Fettspeicherung ist die doppelte Eignung der Fette als Substanzen von hohem Kohlenstoff- gehalt und Wärmewert einerseits und als Stoffe, welche mit den Mitteln des lebenden Organismus leicht oxydabel sind, andererseits wichtig. Hierbei kommt natürlich die Hauptbedeutung den Fettsäuren selbst zu, von denen 3 hochwertige Moleküle mit 1 Molekül Glycerin in 1 Fett- molekül zusammentreten. Bei Triolein bildung z. B. geben 92 Gewichts- teile Glycerin (10,4% des Trioleins) mit 846 Gewichtsteilen Ölsäure, 884 Gewichtsteile Triolein und 54 Gewichtsteile Wasser. 284 g oder 1 Mol. Stearinsäure enthält ebensoviel Kohlenstoff wie 594 g oder 3 Mol. Hexose; Stearinsäure hat 76%, Traubenzucker 36,3% Kohlenstoff. Fett ist demnach eine weitaus kompendiösere Form der Kohlenstoff- speicherung. Freilich ist eine intensive Sauerstoffaufnahme zu ihrer Ausnutzung erforderlich, und es ist bemerkenswert, daß intramolekulare Atmung im sauerstoffreien Räume bei Fettsamen fast gänzlich fehlt, also eine Energiegewinnung ohne Sauerstoffaufnahme aus Fett dem Organismus nicht in der Weise möglich ist, wie aus Zucker (1). Die Verbrennungs- wärme von Fetten ist sehr hoch und erreicht fast jene der kohlenstoff- reichsten Pflanzenstoffe, wie Wachs und Terpene, die jedoch nicht als Oxydationsmaterial ausgenutzt werden können. Die Wärmewerte von Fettstoffen im Vergleiche zu anderen Bau- und Abfallstoffen des Pflanzenorganismus betragen nach den Untersuchungen von Stohmann (2) und Longuinin (3) in kleinen Calorien : Caprylsäure . . . 1138,7 cal. für 1 Mol Substanz (Longuinin) Laurinsäure . . . 1759,7 „ Myristinsäure . . 2061,8 „ Palmitinsäure . . 2371,8 „ Trilaurin 5707,7 „ Trimyristin. . . . 6607,9 „ Für je 1 g verbrannte Substanz nach Stohmann in cal. : Leinöl 9323 Myricatalg . . 8 974 Glycerin .... 4317 Olivenöl .... 9328 Carnaubawachs 10 091 Traubenzucker . 3692 Mohnöl .... 9442 Cetylalkohol . 10 348 Rohrzucker . . 3866 Rüböl I .... 9489 Terpentinöl . 10 852 Cellulose .... 4146 Rüböl II . . . 9619 Inulin 4070 Caprinsäure . . 8463 Stärke .... 4123 Palmitinsäure . 9226 Eiweiß 5567 Myristinsäure . 9004 Asparagin . . . 3428 Stearinsäure . . 9429 Bernsteinsäure . 3019 Japantalg . . . 8999 Das Auftreten der Fettsäuren als Glycerinester spielt bei diesen Ver- hältnissen eine sehr geringfügige Rolle, da bei der Bildung der Fette aus 1) GoDLEWSKi u. PoLSZENiusz, Üb. d. intramolekulare Atmung u. Alkohol- bildung (1901), p. 256. — 2) F. Stoömann, Journ. prakt. Chem., ig, 115 (1879); 31, 273 (1885); Ztsch. f. Biolog., 13, 364 (1894). — 3) W. Longuinin, Compt. read., 102, 1240 (1886). Vgl. H. C. Sherman u. i. F. Snell, Chem. Zentr. (1901), /, 1179. § 2. Das Reinfett u. seine Beimengungen. Physikal. Eigenschaften der Fette. 713 Säuren und Glycerin, und bei der Verseifung der Fette nur ein relativ kleiner Energieumsatz stattfindet. Historisches. Die chemische Erforschung der Pflanzenfette be- gann 1784 mit der Entdeckung des Glycerins als Fettbestandteil durch Scheele (1 ) und den gleichzeitig angestellten Verbrennungsanalysen von Fetten durch Lavoisier. Fourcroy unterschied erstarrende und trock- nende Öle (2). Die Bedeutung der Öle als Reservestoffe wurde, wie Sene- BiERs (3) Darstellung zeigt, damals noch nicht erkannt, und noch de Can- DOLLE (4) war bezügUch der Bedeutung der Pflanzenfette als Reservestoffe unsicher. Bestimmter tritt die richtige Anschauung bezüghch der bio- chemischen Rolle der Fette erst bei Treviranus und besonders bei Meyen(5) auf. Durch die zahlreichen glänzenden Arbeiten Chevreuls (6) wurde gezeigt, daß in den Fetten das Glycerin an eine Reihe von Säuren gebunden ist, von welchen er die Ölsäure, Margarinsäure und Stearinsäure unter- schied. Die zweitgenannte wurde erst viel später durch Heintz (7) als ein Gemenge von Stearinsäure mit der im Palmöl durch Fremy entdeckten Palmitinsäure erkannt. Cheväeul verdankt man auch die Kenntnis von der Natur und den Eigenschaften der fettsauren AlkaUen oder Seifen; er lehrte endHch noch die Eigenschaften der Buttersäure, Capronsäure und Caprinsäure kennen. Das Reinfett und seine Beimengungen. Physikalische Eigen- schaften der Fette (8). Das Ätherextrakt aus Fettendospermen enthält außer dem „Reinfett" eine große Menge verschiedener Stoffe, worunter wohl stets Lecithide, Phytosterine und eine geringe Menge von Fettfarbstoffen zu finden sind, außerdem mehr oder weniger verbreitet: Terpene, Harze, Benzol- derivate, Glucoside, Pyridinderivate und andere Pflanzenalkaloide, Purin- basen, organische Säuren, Farbstoffe, auch mitunter Chlorophyll, ja auch sehr geringe Mengen stickstoffhaltiger Substanzen, worunter van Ketel(9) Enzyme (Emulsin) nachwies. Die Gesamtmenge dieser Bei- mengungen übersteigt, soweit bekannt, nicht 3% des Extrakttrocken- gewichtes. Man vermindert das „ätherlösliche Nichtfett" merklich, wenn man nach Draggendorffs Vorschlag (10) zuerst Petroläther (Kp unter 45'' C) als Extraktionsmittel anwendet, welcher viele harzartige äther- lösliche Stoffe ungelöst läßt; das Petrolätherextrakt kann man überdies noch mit Wasser ausschütteln. Wichtig ist für die Fettanalyse die Abscheidung aller unverseif- baren Stoffe durch Anwendung einer geeigneten Verseifungsmethode. 1) Scheele, Crells Ann. (1784), /, 99. Auch J. D. Brandts, Commentatio de oleorum natura (1875), wies Glycerin in allen Pflanzenfetten nach. — 2) Vgl. auch CORNETTE, Crells Ann. (1786), //, 437. — 3) J. Senebier, Physiolog. v^göt. 2, 370 (1800). — 4) A. F. de Candolle, Pflanzenphysiologie, deutsch v. Röpek, /, 268 (1833). — 5) L. Chr. Treviranus, Physiol. d. Gewächse, 2, 46 (1838). F. J. F. Meyen, Neues System d. PflanzenphysioL, 2, 293 (1838). — 8) Chevreul, Ann. de Chim. (1), 88, 225 (1815); Schweigg. Journ., 14, 420 (1815); Ann. de Chim. et Phys. (2), 2, 339 (1816); 7, 155 (1817); 16^ 197 (1821); 23, 16 (1823); Schweigg. Journ,, J9, 172 (1823). J. Moleschott, Physiologie d. Stoffwechsels (1851), p. 134. — 7) W. Heintz, Pogg. Ann., 87, 553 (1852); 89, 579 (1853). — 8) Hierzu F. RöHMANN in Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 199 (1909). — 9) ß. A. van Ketel, Chem. Zentr. (1895), //, 549. — 10) Draggendorff, Qualit. u. quantit. Analyse von Pflanzen (1882), p. 7. 714 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. Damit eliminiert man die Phytosterine, Fettalkohole, Alkaloide, Lipo- chrome und andere Beimengungen. Die Gesamtmenge der unverseif- baren Stoffe eruiert man nach der von König gegebenen Vorschrift folgendermaßen: 10 g Substanz werden in einer Porzellanschale mit 5 g KOH und 50 com Alkohol 15 Minuten auf dem kochenden Wasserbade erhitzt; man verdünnt hierauf die Lösung mit dem gleichen Volumen Wasser und schüttelt mit Petrolätber (Kp unter 80°) aus. Der Petroläther wird mit Wasser ge- waschen, verdunstet und der Rückstand als „un verseif bar" in Rechnung gestellt. Im verseifbaren Anteile des Rohfettes begegnen wir außer den Fett- säuren und Fettsäureglyceriden selbst, den Lecithinen und Harzsäuren. Zur .\btrennung der Harze und Harzsäuren kann man die Eigenschaft vieler dahin gehöriger Stoffe benützen, sich aus kaltem 70%igem Alkohol durch Zusatz von verdünnter Salzsäure abzuscheiden (1). Der Verseifungsprozeß wird meist durch heiße alkohoHsche Natron- lauge vollzogen. König gibt folgende Vorschrift: 3—4 g Fett sind in einer Porzellanschale von etwa 10 cm Durchmesser mit 1—2 g NaOH und 50 ccm Alkohol zu versetzen und unter öfterem Umrühren 15—30 Minuten auf dem Wasserbade bis zur vollständigen Verseif ung zu erwärmen. Weniger gut ist die Verseifung durch längeres Stehen in der Kälte (2). Trefflich für biochemische Untersuchungen geeignet ist die zuerst von Kossel und Obermüller (3) vorgeschlagene Verseifung mit Natriumäthylat. Nach der von Kossel und Krüger (4) herrührenden Vorschrift werden 5 g Fett mit 10 ccm absolutem Alkohol auf dem Wasserbade gelöst, hierauf 10 ccm einer 5%igen Lösung von metalhschem blanken Natrium in absolutem Alkohol (frisch bereitet!) hinzugefügt und eingedunstet. Der Prozeß ist nach 12 Mi- nuten beendet und alles Fett verseift. Auch für mikrochemische Unter- suchungen läßt sich diese Methode nach eigener Erfahrung ausgezeichnet verwenden. Zur Abscheidung der Seifen aus wässeriger Lösung wendet man Aussalzung an. Die zu den nicht verseifbaren Anteilen des Rohfettes gehörenden gelben und rotgelben Fettfarbstoffe oder Lipochrome sind in der Regel in viel zu kleiner Menge vorhanden, als daß sie sich leicht isolieren Ueßen. Manche Palmenfette sind lebhaft orangegelb gefärbt; ferner ist von Schröt- ter (5) reichhches Vorkommen von krystallisierbarem Lipochrom im Arillar- fett der Samen von Intsia (Afzeha) cuanzensis (Leguminosae) angegeben worden ; es scheint sich hier um eine Substanz der Carotingruppe zu handeln, welche, abweichend vom gewöhnhchen Vorkommen, nicht an Chromato- phoren gebunden, sondern im Fett gelöst reichhch auftritt. Nach BouCHARDAT (6) ist in Fetten nach der Verseifung ein schwach reduzierender und eine Phenylhydrazinverbindung gebender Stoff Ci8H2804 nachzuweisen. Auch stickstoffhaltige Substanzen sind beigemengt. 1) Über Trennung von Fettsäuren u. Harzen: Barfoed, Ztsch. analyt. Chem., 14, 20 (1875). Draggendorff, 1. c, p. 109. Zum Nachweis von Harzen empfiehlt Malacarne, Chem. Zentr. (1903), /, 1440, die LiEBERMANNsche Cholestolprobe. — 2) R. Henriqües, Ztsch. angewandt. Chem. (1895), p. 721; (1896), p. 221; (1897), p. 366. D. Holde, Chem. Zentr. (1896), //, 142. — 3) A. Kossel u. K. Ober- müller, Ztsch. physiol. Chem., 14, 599 (1890). — 4) Kossel u. M. KRtJGER, Ebenda, 15, 321 (1891). Henr. Bull, Chem.-Ztg., 23, 1043 (1899); 24, 814 (1900). — 5) H. V. Schrötter-Kristelli, Botan. Zentr., 61, 33 (1895); Sitz.ber. Wien. Ak. (1893). - 6) G. BoucHARDAT, Compt. rend., 154, 1620 (1912). § 2. Das Reinfett u. seine Beimengungen. Physikal. Eigenschaften der Fette. 715 Die meisten Nährgewebsfette sind bei 15 — 20° C viscose Flüssig- keiten, im Gegensatze zu der Mehrzahl der Tierfette, welche bei Zimmer- temperatur salbenartige bis feste Konsistenz besitzen. Bekanntlich hängt dies mit dem reichlichen Gehalte der Pflanzenfette an ungesättigten Fettsäuren zusammen, was schon Chevreul angegeben hatte. Doch fehlt es auch nicht an pflanzlichen Fetten, welche bei 15 — 20° C feste Massen bilden. Im allgemeinen kommen Fette mit höherem Erstarrungs- punkt und Schmelzpunkt nur in Samen tropischer Gewächse vor. Samen- fett von niedrigem Schmelzpunkt enthalten Pflanzen gemäßigter Klimate ebensowohl wie solche aus heißen Klimaten. Bisher ist noch nicht untersucht worden, ob eine direkte Anpassung in der genannten Hinsicht bei Kultur einer Pflanzenart in gemäßigtem und heißem Klima möglich ist. Als Beispiele führe ich an: Nicht tropische Samenfette F Lallemantia iberica .... — 34° bis — 35° Pinus silvestris — 30° Juglans regia — 26° „ — 28° Cannabis sativa — 25° „ — 28° Nicotiana tabacum .... — 25° Papaver somniferum ... — 17,7° „ — 20° Helianthus annuus .... — 16° ,, — 18,7° Linum usitatissimum ... — 12° „ — 27,5° Vitis vinifera - 11° „ - 17° Amygdalus communis ... — 10° ,, — 25° Cucurbita pepo — 15° Brassica rapa — 10° ,, — 1° Olea europaea — 6° „ + 4° unter -16° - 5° Tropische Samenfette F Aleurites cordata . . Croton tiglium . . . , Thea sinensis . . . Arachis hypogaea BerthoUetia excelsa . Sesamum indicum . Gossypium herbaceum Aleurites moluccana. Telfairia pedata . . Carapa guyanensis . Cocos nucifera . . . Theobroma Cacao. . Allanblackia Stuhlmanni Myristica fragans . . . + bis 2,5° „ 1° 0° „ 2° „ 0° 7° + 10° + 20° + 30° + 40° + 45° -17° -13° - 7° - 5° - 2° + 28° + 34,5° + 51° Der Erstarrungspunkt der verflüssigten Fette liegt in der Regel tiefer als der Schmelzpunkt des erstarrten Fettes; der Unterschied ist um so größer, je höher der relative Gehalt des Fettes an Stearin und Palmitin ist. Für Kakaobutter z. B. beträgt die Differenz zwischen E und F mindestens 5° C. Manche Fette zeigen die merkwürdige Eigenschaft, doppelten Schmelzpunkt 716 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. zu besitzen (1), was wahrscheinlich auf die Existenz fester und flüssiger Modifikationen zurückzuführen sein wird (2). Bezüglich der Methoden zur Schmelzpunkt- und Erstarrungspunktbestimmung bei Fetten sei besonders auf die Zusammenstellungen von König (3) hingewiesen. Man hat bei flüssigen Fetten auch vielfach zu praktischen Zwecken Viscositätsbestim- mungen ausgeführt, über deren Resultate und Methodik z. B. das bekannte Werk von Benedikt und Ulzer Auskunft gibt. Das spezifische Gewicht der Samenfette wird bei 15" C meist zu etwa 0,92 gefunden ; es sinkt selten unter 0,9 und erreicht niemals 1,0. Die höchsten Werte besitzen stearinreiche Fette, worunter Theobroma Cacao bis 0,976, Myristica fragrans bis 0,995 erreicht. Näheres in der angefügten Ubersichts- tabelle und in den Werken von König und von Benedikt-Ulzer. Das optische Verhalten der Fette ist in bezug auf Brechungsindex im verflüssigten Zustande und in bezug auf optische Aktivität von Interesse. Die meisten Samenfette haben einen Brechungsindex von 1,42—1,49(4). Eine Wirkung auf die Schwingungsebene polarisierten Lichtes ist bei Fetten meist sicherzustellen (5). Einige Öle, wie Ricinusöl (ao = + 40,7'*) und Crotonöl (od -f- 42,65**) sind stark rechtsdrehend. Die meisten Fette drehen nur- schwach rechts oder Unks. Ihre optische Aktivität dürfte meist mit ihrem Gehalte an Phytosterin und Lecithin zusammenhängen. Das ultramikroskopische Verhalten von kolloiden Fettlösungen (Oleo- solen) haben Schneider und Just studiert (6). Wahrscheinlich sind selbst die Lösungen von Fett in organischen Solventien als Kolloidlösungen (Organo- sole) und nicht als echte Lösungen aufzufassen (7). Zur physikaüschen Chemie der physiologisch wichtigen Ölemulsionen sind die Darlegungen von Ellis (8) zu vergleichen. §3. Die chemischen Eigenschaften der Fette. Trotz der oft sehr differenten physikalischen und chemischen Eigen- schaften der Pflanzen- und Tierfette schwankt deren prozentische Zu- sammensetzung aus C, H und 0 in relativ engen Grenzen. In den Zusammenstellungen bei König finde ich den relativ niedrigsten C-Gehalt beim Ricinusöl (74,0%), welches zugleich mit 15,71 % 0 das sauerstoff- reichste Pflanzenfett darstellt; den höchsten C-Gehalt bei der stearin- reichen Kakaobutter mit 78,01 %, welche nur 9,66 % 0 enthält. Die Zahlen für Wasserstoff bewegen sich zwischen 10,26 % bei Ricinus und 13,36 % bei Brassica Rapa. Der C-Gehalt schwankt von 9,43 % (Brass. Rapa) bis 15,71 % (Ricinus). Für Tierfet-te gibt König 76,5—76,61 % C, 11,9-12,03% H und 11,36—11,59% 0 an. 1) Vgl. H. Kreis u. Hafner, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 5> 1122 (1902). — 2) Ad. Grün. Ber. Chem. Ges., 45, 3691 (1912). — 3) Ferner E. Carlinfanti, Gazz. chim. ital., 39, II, 353 (1909).| Prouzergue, Chem. Zentr. (1912), /, 1150. A. Shukoff, Chem.-Ztg., 25, Uli (1901). Le Chatelier u. Ca- VAiGNAC, Compt. rend., 156, 589 (1913). — 4) F. Strohmer, Chem. Zentr. (1889), //, 213. Refraktionskonstanten: J. Klimont, Ztsch. angewandt. Chem., 24, 254 (1911). R. K. Dons, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 13, 257 (1907). — 5) W. Bishop, Hilgers Vierteljahr, üb. d. Fortschr. d. Chem. d. Nähr.- u. Genuß- mittel, 2, 528 (1887). PfiTER, Bull. Soc. Chim., 48, 483 (1887). M. Rakusin, Chem. Zentr. (1905), //, 523. — 8) Schneider u. Just, Ztsch. wiss. Mikrosk., 22, 481 (1906). — 7) S. Loewe, KoU. Ztsch., //, 179 (1912). Adsorption : Loewe, Biochem. Ztsch., 42, 190 (1912). — 8) R. Ellis, Ztsch. physik. Chem., 80, 597 (1912). Ober- flächenspannung von Seifenlösungen: BoTTAZzi, Rend. Acc. Line. Roma (1912), p. 365. § 3. Die chemischen Eigenschaften der Fette. 71 7 Die kryoskopische Molekulargewichtsbestimmung bei Fetten be- handelt Normann (1). Die weitaus überwiegenden Bestandteile von Pflanzenfetten sind bekanntlich Ester des Glycerins mit Fettsäuren. Seifen oder fettsaure Salze von Alkalimetallen sind möglicherweise in Pflanzenzellen in geringer Menge vorhanden, aber noch nicht nachgewiesen. Die auffallende Angabe von Hebert (2) über Vorkommen von Kahumoleat im Fruchtsaft von Musa paradisiaca ist noch nicht näher geprüft worden. Bis in die neueste Zeit war man der Ansicht, daß die Pflanzen- fette normale dreifache Ester des Glycerins mit einer einzigen Fettsäure seien. Es treten jedoch immer mehr Tatsachen zutage, welche lehren, daß gemischte Glyceride sehr verbreitet im Pflanzenorganismus vorkommen. Heise, Klimont, Kreis und andere Chemiker ^3) fanden Oleodistearin in Fett von Allanblackia Stuhlmanni, Garcinia indica, Theobroma Cacao, Shorea, Mangifera indica; Oleodipalmitin im Fett von Sapium sebiferum, Theobroma Cacao. Auch in Tierfetten sind Mischglyceride bereits nach- gewiesen. Mischglyceride sind nicht leicht verseifbar, werden schwer ranzig; nach dem Schmelzen und Wiedererkalten hat die Substanz einen variablen Schmelzpunkt im Gegensatz zum krystallisierten Ausgangs- material. Dreifach gemischte Glyceride wurden auch bereits synthetisch dargestellt (4). Die Chemie der Monoglyceride und Diglyceride hat für die Kenntnis der Fette noch keine Bedeutung gewonnen, weil sich un- gesättigte Glyceride als natürliches Vorkommnis noch nicht nachweisen ließen. Das Dierucin aus altem Rüböl ist nur ein Produkt der Zer- setzung (5). Die Angabe von Kassner (6), wonach das fette Öl der Hirse kein Glycerid sei, ist unbestätigt geblieben. Die Glycerinfettsäure-Ester werden durch Basen und Säuren schon in der Kälte und sehr rasch bei höherer Temperatur gespalten. Wie bekannt verfügt die Pflanze auch über fettspaltende Enzyme (Lipasen). Wasser allein spaltet bei 200" Fette schnell auf. Triolein ist schwerer verseifbar als andere Glyceride. Wenn sich auch die Intermediärprodukte nicht immer leicht nachweisen lassen, so sprechen doch theoretische Gründe (7) dafür, daß der Abbau stufenweise erfolgt, so daß bei der Verseifung ungesättigte Glyceride entstehen, welche sukzessive vollständig zerfallen. Bei der Verseifung mit Äthylnatrium entstehen zunächst Glycerinnatrium und Fettsäureäthylester, welche sich sodann mit Wasser in NaOH, Glycerin, Äthylalkohol und Fettsäure umsetzen (8). Bei der alkalischen Spaltung von Rüböl in alkoholischer Lösung wurde reichliche 1) W. NoRMANK, Chem.-Ztg., j/, 211 (1907). — 2) Hebert, Bull. Soc. Chim. (1896), p. 17. — 3) R. Heise, Arbeit, kais. Gesundh.amt Berlin, iz, 540 (1896); 13, 302 (1897). Henriques u. Künne, Ber. Cham. Ges., 32, 387 (1899). J. Klimont, Ebenda, 34, 2636 (1901); Monatsh. Chem., 23, 51 (1902); 24, 408 (1903); 25, 929 (1904); 26, 563 (1905); 30, 341 (1909). H. Kreis u. Hafner, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 8, 641 (1904). Bömer, Ebenda, /;, 353 (1909). R. Fritz- weiler, Arbeit, kais. Gesundh.amt, 18, 371 (1902). J. Sack, Pharm. Weekbl., 48, 307 (1911). A. BÖMER u. LiMPRiCH, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 23, 354 (1913). Holde, Ber. Chem. Ges., 45, 3701 (1912). — 4) A. Grün u. Skopnik, Ber. Chem. Ges., 42, 3750 (1909). Grün u. Schreyer. Ebenda, 45, 3420 (1912). — 5) C. L. Reimer, Ber. Chem. Ges., 40, 256 (1907). — 6) G. Kassner, Arch. Pharm. (3), 25, 1081 (1887). — 7) Kremann, Monatsh. Chem. (1906), p. 607. Lewkowitsch, Ber. Chem. Ges., 33, 89 (1900); 36, 3766 (1903); 39, 4095 (1906). R. Wegscheider, Monatsh. Chem., 29, 83 (1908). J. Kellner, Chem.-Ztg., jj, 453, 661 (1909). J. Meyer, Ztsch. Elektrochem., 13, 485 (1907). V. Fortlni, Chem.-Ztg., 36, 1117 (1912). — 8) K0S8EL u. Krüger, Ztach. physiol. Chem., 15, 321 (1891). Ober- müller, Ebenda, 16, 152 (1892). 718 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. Bildung von intermediärem Di-acin beobachtet (1). Den Vorgang der Fettspaltung in alkoholischer Lösung unter Bildung des entsprechenden Fettsäurealkylesters bezeichnet man als „Alkoholyse" [Haller (2)] ; sie gelingt mit höheren Fettsäuren nicht so leicht; Fettsäurealkylester bilden sich in gewisser Menge schon beim Eindampfen der alkoholischen Fett- säurelösungen (3). Über Fettverseifung durch Hydroxylamin berichtet MORELLI (4). Die wesentlichen Eigenschaften der Alkaliäeifen dürfen ais bekannt vorausgesetzt werden. Von Interesse ist, daß konzentrierte Seifenlösung weniger kolloidalen Charakter hat als verdünnte, ja meßbare Leitfähigkeit besitzt (5). Dies legt den Gedanken nahe, daß das eigentliche Seifen- kolloid ein hydrolytisches Spaltungsprodukt der Alkaliseife ist, wahr- scheinlich das saure Alkalifettsäuresalz und die hydrolytisch abgespaltene Fettsäure (6). Seifenlösung verhält sich negativ im elektrischen Feld (7). Die Fettsäureglyceride können aus ihren Komponenten synthetisch gewonnen werden, wenn man die Fettsäure mit Glycerin im stöchio- metriscüen Verhältnis auf 200 — 300" erhitzt. Sowohl die ungesättigten als die gesättigten Ester lassen sich so künstlich darstellen. Wichtig ist es, das entstehende Wasser fortwährend völlig ozu entfernen (8). Abgesehen von den bekannten organischen Fettlösungsmitteln, wie Äther, Petroläther, Ligroin, CS2, CCI3H u. a., darf auch siedender Eisessig als Solvens last aller Fette angesehen werden. In kaltem Eisessig lösen sich nicht alle Fette leicht; gutlösHch sind darin, z. B. Ricinusöl, Crotonöl, Oliven- kernöl. Die kritische Trübungstemperatur beim Zusammenbringen gleicher Volumina Fett und Eisessig hat man zur Charakterisierung natürlicher Pflanzenfette benützt : Valentas Essigsäureprobe (9). Außer den Glycerinestern enthalten Pflanzenfette fast regelmäßig noch größere oder kleinere Mengen freier Fettsäuren. Beim Aufbewahren der Fette nimmt der Fettsäuregehalt stark zu. Rechenberg (10) be- stimmte für reife frische Samen den Säuregehalt der Fette mit folgenden» Zur Neutralisation von Auf Prozente an 100 g Fettsäure sind er- freier Ölsäure von forderlich : mir umgerechnet : Brassica Rapa 0,036 g KOH 0,3286% Napus 0,032 „ „ 0,2900 Camelina sativa 0,324 „ „ 2,9576 Linum usitatissimum 0,053 „ „ 0,4838 Rhaphanus sativus oleiferus . . . 0,142 „ „ 1,296 1) R. Fanto u. Stritar, Lieb. Ann., jj/, 332 (1907); Monatsh. Chem., 98, 383 (1907); 29, 299 (1908). — 2) A. Haller, Compt. rend., 143, 657 u. 803 (1906); 144, 462 (l907). G. D. Elsdon, The Analyst, 'j*, 8 (1913). — 3) W. H. Emerson u. Dumas, Joum. Amer. Chem. Soc, 31, 949 (1909). — 4) E. Morelli, Atti Real. Accad, Line. Roma (5), 17, II, 74 (1908). — 5) L. Kä.hlenberg u. O. Schreiner, Ztsch. physik. Chem., 27, 552 (1898). J. Mc Bain u, Taylor, Ber. Chem. Ges., 43, 321 (19_10). Mc Bain, Cornish u. Bowden, Joum. Chem. Soc., loi, 2042 (1912). — 6) Über Natriumpalmitat: R. Cohn, Ber. Chem. Ges., j*, 3781 (1905); 40, 1307 (1907). D. Holde u. Schwarz, Ebenda, 40, 88 u. 2460 (1907). — 7) A. Mayer, G. Schaeffer u. Terrolne, Compt. rend., 146, 484 (1908). F. Bottazzi u. Vic- TOROW, Acc. Line. 1 oma (5), 19, I, X (1910). — 8) Vgl. J. Bellucci, Ebenda (5), 20, I, 125 u. 235 (1911); Gazz. chim. ital., 42, II, 283 (1912). Scheu, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 18, 169 (1896). H. Kreis u. Hafner, Ber. Chem. Ges., 36, 1123 u. 2766 (1903). Kremann u. Schoulz, Monatsh. Chem., jj, 1063 (1912). B. W. van Eldik Thieme, Ber. Chem. Ges., 46, 1653 (1913). — 9) Chattaway, Jones, Chem. Zentr. (1894), //, 457. — 10) v. Rechenberg, Ber. Chem. Ges., 14, 2216 (1881); Joum. prakt. Chem., 24, 512 (1881). § 3. Die chemischen Eigenschaften der Fette. 719 Schmidt und Roemer(I) fanden in den als Drogen käuflichen Kokkels- körnern, Muskatbutter und Lorbeerfett erhebliche Mengen freier Fettsäuren. Nach NoERDLiNGER (2) war im Petrolätherextrakte von frischen Samen an freier Säure (nach Geissler als Ölsäure berechnet) vorhanden: Rüböl ....'.. 0,77- 1,10% käufl. Baumwollöl . 0,42-0,50% Mohnöl 2,15- 9,43 Oüvenöl 1,66 Erdnuß 0,95- 8,85 Ricinusöl 0,62-5,52 Sesam 2,62- 9,71 Leinöl, techn. . . . 0,41-4,19 Palmkernöl ..... 4,17-11,42 Kokosfett 1,0 -6,31 Lophira alata" . . . 14,4—34,72 Bikuhybafett, techn. 18,55 Die Bestimmung der freien Säuren geschieht am besten in alko- hoHscher oder ätherischer Lösung durch Titrierung mit alkohoüscher Natron- lauge und Phenolphthalein als Indikator (3). Daß sich aber trotz mancher Veränderungen Pflanzenfette sehr lange Zeit erhalten können, haben Untersuchungen von Salbölen aus altägyptischen und altrömischen Grabstätten gezeigt (4). Qualitative Fettreaktionen. — Zur Entscheidung, ob in einem Äther- oder Petrolätherextraktionsrückstand Fette enthalten sind, benutzt man am besten die weiter unten eu beschreibende Acroleinentwicklung bei trockener Destillation von Glycerin und seinen Estern. Auch der Nachweis des Glycerins selbst durch dessen Reaktionen {§ 5), sowie der Nachweis flüchtiger Fettsäuren nach Verseifung mit verdünnter Schwefelsäure, end- hch die Untersuchung ausgeschiedener fester Fettsäuren dient in vielen Fällen der Diagnose. Ölsäure ist an der „Elaidinreaktion" zu erkennen, bei welcher Probe emige Fette auch gewisse Farbenreaktionen zeigen (5). Linolein verrät sich oft durch starke Temperaturerhöhung beim Vermischen mit konzentrierter Schwefelsäure [Probe von Maumene (6)]. Eine Reihe von Farbenreaktionen hat man mit molybdän-schwefelsaurem Natron be- obachtet (7). Damit färben sich schwarzbraun: Mandelöl, Baumwollöl, Lein-, Nuß-, Mohn-, Rüböl, Bucheckeröl; purpurrot: Erdnußöl, schön grün: Kürbisöl; ohvgrün: Sesamöl usw. Sesamöl gibt Rotfärbung mit Salzsäure und Traubenzucker (8), blauschwarze Farbe mit Formahn + H2SO4, violettblaue Färbung mit Resorcin (Benzollösung) + HNO3, violett- rote Reaktion mit aromatischen Aldehyden + HCl; die Rotfärbung mit Furfurol + HCl ist mit der Traubenzuckerprobe identisch (Reaktion von Baudouin). Diese Proben dürften nach Kreis auf einer Beimengung phenolartiger Stoffe im Sesamöl beruhen (9); Enzyme, wie Winckel(IO) 1) E. Schmidt u. Roemer, Arch. Pharm., 221, 34 (1883). — 2) H. Noerd- LINGER, Ztsch. analyt. Cheai., 28, 183 (1889). — 3) Hierzu König, l. c. Waltke, Chem.-Ztg., 20, 480 (1896). Holde, Hilgers Vierteljahrsschr. Chem. Nähr.- u. Genuß-"^ mittel (1889), p. 435. F. Stohmann, Journ. prakt. Chem., 24, 506 (1881). K. ZuL- KOWSKY, Ber. Chem. Ges., /ö, 1140 (1883). — 4) C. Friedel, Compt. rend., 124, 648 (1897). — 5) Draggendorff, Analyse (1882), p. 99. — 6) Droop Richmond, Chem. Zentr. (1895), /, 813. E. Richter, Ztsch. angewandt. Chem., 20, 1605 (1907). M. ToRTELLi, Chem.-Ztg., 33, 125 (1909) [TJiermoleometer u. Thermozahl z. Charak- terisierung der natürlichen Fette]. Mannhardt, Journ. Ind. Eng. Chem., 5, 129 (1913). — 7) VAN ENGELEN, Chem.-Ztg., 20, 440 (1896). K. Dieterich, Pharm. Zentr.halle, 37, 609 (1896). Sergers Reaktion mit Natriummolybdat: Uxz, Rev. Fett-Harz Industr., 19, 128 (1912). — 8) Tambon, Journ. Pharm. Chim. (6), 13, 57 (1901). Farbenreaktionen mit salzsaurem SnCl,: P. Soltsien, Chem. Zentr. (1906), /, 787. - 9) Sesamöl: H. Kreis, Chem.-Ztg.", 26, 1014 (1902); 27, 1030; 28, 956 Villa vecchia u. Fabris, Ztsch. angewandt. Chem. (1893), p. 505; Chem. Zentr (1897), //, 773. C. Fleig, Bull. Soc. Chim. France (4), j. 984 u. 992 (1908). P. N VAN Eck, Chem. Zentr. (1907), //, 1869. P. GüARNIERI, Ebenda (1909), //, 869- H. DiTZ, Chem. Ztg., 29, 705 (1905). A. Gawalowski, Ztsch. österr. Apoth.-Ver- (1904), p. 18. — 10) M. WiNCKEL, Apoth.-Ztg., 20, 209 (1905). 720 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. annimmt, sind an der Vanillin + HCl-Reaktion kaum beteiligt. Baumwoll- samenöl reduziert AgNOg (Becchi) und gibt beim Erhitzen mit Amyl- alkohol und CSg, welcher 1% S enthält, eine orangerote Färbung (Reaktion von Halphetn) (1). Die Ursache dieser Reaktionen ist nicht sichergestellt. Durch Wasserstoffanlagerung mittels Palladiumkatalyse ,, gehärtetes" Baumwollsesamöl gibt nicht mehr die HALPHENsche Probe, hingegen ge- härtetes Sesamöl noch immer die Reaktion von Baudouin (2). Trocknende Öle geben nach Ralphen (3) Trübung oder Niederschlag mit einem Reagens, bestehend aus 28 Volumteilen Essig, 4 Volumteilen Nitrobenzol und 1 Volum- teil Brom. Beim Erhitzen mit ätherischer Urannitratlösung auf 102° geben manche Fette, z. B. aus Sojabohnen, Gelbfärbung (4). Die mikroskopische Diagnose von Fettröpfchen im Zelünhalte und deren Unterscheidung von anderen mit Wasser nicht mischbaren Ihhalts- flüssigkeiten ist nicht immer leicht (5). Wo angängig, wird man sich an die Regel halten, die analytisch-chemische Untersuchung des Materials voraus- zuschicken. Ist dies nicht tunhch, so kann man durch die LösUchkeits- verhältnisse zu WahrscheinUchkeitsschlüssen geführt werden. Die Mehr- zahl der fetten Öle löst sich nicht merklich in kaltem Alkohol, Eisessig, Chloralhydrat, während viele aromatische Öle, Terpene usw. in Alkohol unschwer löslich sind, besonders bei Gegenwart von etwas Alkali. Die Fette bleiben ferner beim Erwärmen auf 120—130° zurück, während sich viele ähnliche stark lichtbrechende Tröpfchen von ätherischen Ölen usw. ver- flüchtigen. Vielfach bewährt sich die mikroskopische Verseif ungsprobe, entweder in der Modifikation von Molisch, oder in der in meinem Labora- torium meist verwendeten Natriumalkoholatmethode ; die in absolutem Alkohol nach vollendeter Verseifung zu untersuchenden Präparate zeigen im Polarisationsmikroskop auch sehr kleine Mengen von Seifenkrystallen an. Wenn sicher Fette vorhegen, so läßt sich die Schwärzung der Tropfen durch Überosmiumsäure auf das Vorhandensein ungesättigter Fettsäuren (Ölsäure) beziehen. Palmitate und Stearate geben die OSO4- Reaktion nicht. Für sich allein verwendet, gestattet die sehr vieldeutige Osmiumprobe aber keinen 1) Becchi, Chem.-Ztg. (1887), p. 1328. G. Halphen, Journ. Pharm. Chim. (6), 6, 390 (1897). P. SOLTSIEN, Ztsch. öff. Chem., 5, 106 (1899); Pharm. Ztg., 48, 19 (1903). L. Rönnet, Journ. Pharm. Chim. (6), 29, 379 (1909). L. Garnier, Ebenda, p. 273. B. Kühn u. F. Bengen, Chem. Zentr. (1906), //, 1022. Gastaldi, Giom. Farm. Chim., 6/, 289 (1912). — 2) A. Bomer, Ztsch. Nähr.- u. Genußmittel, 24, 104 (1912). — 3) G. Halphen, Journ. Pharm. Chim.,^(6), 14, 359 (1901); Bull. Soc. Chim. (3), jj, 108 (1905). K. Fischer u. Peyau, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 9, 81 (1905). — 4) L. Settimi, Giern. Farm. Chim., 61, 495 (1912). — 5) Mikrochemie der Fette: A. Meyer, Chlorophyll körn (1883). Zimmermann, Botan. Mikrotechnik (1892), p. 69. H. Molisch, Histochemie d. pflanzl. Genußmittel (1891), p. 10. Ranvier, Techn. Lehrb. d. Histologie (1888), p. 97. O, Tunmann, Pflanzen- mikrochemie (1913), p. 154. C. Handwerck, Ztsch. wiss. Mikrosk., 15, 177 (1898). A. Meyer, Flora (1899), p. 431. Bdscalioni, Botan. Zentr., 76, 398 (1898); Mal- pighia, 12 (1898). Colassak, Arch. Entwickl.mech., ö, 453 (1898). A. Sata, Ztsch. wiss. Mikrosk., i8,- 67 (1901). Herxheimer, Michaelis, Ebenda, /p, 66 (1902); Zentr. allgem. Pathol., 14, 841 (1903). Deflandre, Ztsch. wiss. Mikrosk., 2/, 76 (1904). Neubauer, Zentr. Physiol., 19, 149 (1905). Golodetz, Chem. Zentr. (1910), /, 1648. W. D. Halliburton, Ergebn. d. Physiol.. 4, 81 (1905). Bell, Amer. Journ. Anat., p, 401 (1909). Eisenberg, Virch. Arch., 199, 502 (1910). F. Fischler, Zentr. allgem. Pathol., /5, 913 (1905). G. Jacobson, C. r. Soc. Biol., 60, 24 (1905). Guebbet, Mayer, Ebenda, 68, 353 (1910). Holthüsen, Zieglers Beitr., 49^ 595 (1910). KAsarinoft, Ebenda, 491 (1910). Friediger, München, med. Woch.schr., 59, 2865 (1912). J. Boas, Berlin, klin. Woch.schr., 48, 1282 (1911), f. Chlorophyll.; B. F. Kingbbury, The Anatom. Record, 5, 313 (1911); Ztsch. wise. Mikrosk., 29, 571. § 4. Die Fettsäuren der Samenfette. 721 direkten Schluß auf vorhandenes Fett. Endlich wird zu mikroskopischen Zwecken die Speicherung von Farbstoffen durch Fett (1) häufig herangezogen ; zu den bekanntesten Farbstoffen dieser Art gehört Chlorophyll, Alkanna, Sudan III, oder Amidoazobenzol-azo-|ö-naphthol, Cyanin, Dimethylamido- ozobenzol, Scharlach R, Nilblau u. a. Nach Jacobson färben sich nur freie Fettsäuren mit Carbolfuchsin, nicht aber freie Fettsäuren. Fischler führt die Fettsäuren mit Kupferacetat in unlösUche Verbindungen über, welche mit Weigert- Hämatoxylin Lack bilden. Ungesättigte Fettsäuren geben leicht Färbung nach Gram (Guerbet). Nach Manea (2) hefern Cellu- lose und Pflanzenfasern überhaupt, mit Ölsäure + H2SO4 eine rote Farben- reaktion. §4. Die Fettsäuren der Samenfette. Wenn auch gewisse Säuren, besonders solche mit 18 Atomen C auffallend häufig den prävalierenden Bestandteil der Samenfette aus- machen, so ist doch das Gesamtbild der Zusammensetzung dieser Stoffe ein sehr wechselvolles. Man darf wohl annehmen, daß noch bedeutungs- volle Tatsachen ihrer Entdeckung harren. Man kennt bisher aus Samen- fetten nur einbasische Fettsäuren mit meist normaler Kohlenstoffkette; doch ist die Auffindung mehrbasischer Säuren nicht ganz ausgeschlossen. Die bis jetzt isolierten Fettsäuren sind teils gesättigte, teils ungesättigte Verbindungen. Von den gesättigten Säuren, der Reihe der Essigsäure angehörend (3), sind bisher folgende von Saraenfetten angegeben worden: Säuren der Formel C2H2O2 Essigsäure (4), Propionsäure, Normal- und Iso-Buttersäure (5), Isovaleriansäure, Isobutylessigsäure, Oenanthylsäure (fraghch), Gaprylsäure (6), Pelargonsäure (fraghch) (7), Caprinsäure (8), Laurinsäure (9), Myristinsäure (10), 1) Zur Frage, inwieweit hierbei der HENRY-NERNSxache Verteiluneasatz oder die Adsorptionsgesetze eine Rolle spielen: S. Loewe, Biochem. Ztsch., 42, 150 (1912). — 2) A. Manea, Chem. Zentr. (1908), //, 1702. — 3) Dissoziationskonstanten dieser Säuren: Billitzer, Monatsh, Chem., 20, 666 (1899). Oxydation: Mabgülies, Ebenda 15, 273 (1894). — 4) Essigsäureglycerid im Evonymus-Öl: Schweizeb, Lieb. Ann., 80, 288 (1851). -- B) Butyrin in Sapindusfrüchten: Gorup-Besanez, Journ. prakt. Chem., 46, 151 (1849). — 6) Caprylsäure: Cahours u. Demar5AY, Ber. Chem. Ges., la, 2257 (1879). — 7) Nonylsäuren: Fr. Bergmank u. Schmidt, Arch. Pharm., 22, 331 (1884). — 8) Caprinsäure aus Cocosfett: Görgey, Lieb. Ann., 66, 291 (1848). — 9) Laurinsäure: F. Krafft, Ber. Chem. Ges., 12, 1664 (1879). Caspari, Amer. Chem. Journ., 27, 303 (1902). van Eldik Thieme, Journ. prakt. Chem., 85, 284 (1912). Das „Laurostearin" von MLarsson, Lieb. Ann., 4:, 329 (1842), war ein Ge- menge. — 10) Myristinsäure aus Muscatbutter: Playfaer, Lieb. Ann., 37, 152 (1841). Masino, Ebenda, 202, 172 (1880). Lutz, Ber. Chem. Ges., 19, 1433 (1886). NÖRDLiNGER, Ebenda, p. 1893. Thoms u. Mannich, Ber. Pharm. Ges., //, 263 (1901). Czapek, Biochemie der Pflanaen. I. 3. Aufl. '^6 ,, ,, 1 C3HA „ ,, , QH30, ,, ,, , CgHioOa „ ,, , GeHiA 11 11 , C,HiA „ „ , CgHieO^ 11 11 , C«H,30, 11 11 CjoHgoOg 11 11 , C12H24O2 11 11 , C,,H2«02 722 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. ^igHggOa Palmitinsäure (1 ), C17H34O2 Margarin und Daturinsäure (2), CigHaeOg Stearinsäure (3), C20H40O2 Arachinsäure (4), C22H44O2 Behensäure (5), C24H48O2 Lignocerin- und Carnaubasäure (6). Manche ältere Angaben über in dieser Übersicht nicht enthaltene Säuren sind widerlegt, wie jene bezüglich der „Umbellulsäure CnH2202" (7) und der „Theobrominsäure C64H128O2", der Isocetinsäure C15H30O2 u. a. Von gesättigten Oxysäuren kennt man als natürliches Vorkommnis in Fetten nur: C18H36O4 Dioxystearinsäure (8). Von ungesättigten Säuren aus der Reihe der Ölsäure, mit einer Doppel- bindung, sind bisher nachgewiesen: Säuren der Formel C5H8O2 Tiglin- oder Methylcrotonsäure, „ „ „ CißHgoOg Hypogaeasäure (9), C18H34O2 Ölsäure: CH8.(CH2)7-CH = GH. (CHg),. COOK (10), „ C18H34O2 Petroselinsäure: CH3(CH2)io-CH =CH. (CH2)4.COOH(11), „ „ „ C18H34O2 Rapinsäure (12), Cheiranthussäure (13), „ ,, „ C21H40O2 Gynocardiasäure (14) (fraghch), „ „ „ C22H42O2 Erucasäure (15). Aus der Reihe der Leinölsäure mit zwei Doppelbindungen kennt man bisher nur Säuren der Zusammensetzung: 1) AuB Palmöl dargestellt von Fremy, Joum. prakt. Chem., 22, 120 (1841). Sthameb, Lieb. Ann^^, 43, 335 (1842). Chittenden u. Sahth, Ber. Chem. Ges., 18, Ref. p. 62 (1885). Über die isomere Gallipharsäure: Kunz-Krau8E, Verh. Naturf. Ges. (1907), IL 2, 475. — 2) Holde, Ber. Chem. Ges., 35, 4306 (1902); jÄ, 1247 (1905). Krafft, Ebenda, 12, 1668 (1879). Daturinsäure: E. M. Gerard, Ann. de Chim. et Phys. (6), 27, 549 (1890); Compt. rend., 120, 565 (1895). H. Meyer u. Beer, Monatsh. Chem., 33, 311 (1912). Bömer u. Limprich, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 23. 641 (1912). — 3) Die isomere Isostearinsäure aus Can- thariden: KuNZ Krause, 1. c. — 4) Aus Arachisöl erhalten von GössMAifN, Lieb. Ann., 89, 1 '(1854). Tassinari, Ber. Chem. Ges., //, 2031 (1878). Baczewski, Monatsh. Chem., 17, 528 (1896). Muntz, Paulmyer u. Rrv^ALS, Chem. Zentr. (1909), /, 1117. GuARNERi, Ebenda (1909), //, 1278. H. Kreis u. E. Roth, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 25, 81 (1912). — 5) Behensäure: Völcker, Lieb. Ann., 64, 342 (1848). Hazura, Monatsh. Chem., 9, 469 (1888). Baruch, Ber. Chem. Ges., 26, 1807 (1893); 27, 172 (1894). Spieckermann, Ebenda, 29, 810 (1896). Haase u. Stutzer, Ebenda, 36, 3601 (1903> Fileti, Gazz. chim. ital., 27. II, 298 (1897). — 6) Carnaubasäure b. Coffea: H. Meyer u. Eckert, Monatsh. Chem., j/, 1227 (1910). — 7) J. M. Stillmann u. O'Neill, Chem. Zentr. (1902), //, 1302. — 8) P. JuiLLARD, Bull. Soc. Chim. (3), 13, 238 (1895). — 9) Entdeckt von GÖSSMANN u. Scheven, Lieb. Ann., 94, 230 (1855). Caldwell, Ebenda, 99, 305 (1856); loi, 97 (1857). — 10) Ölsäure: Edmed, Joum. Chem. Soc. Lond., 73, 627 (1898). H. Rondel, Proc. Chem. Soc. Lond., 20, 207 (1904). Molinari, Ber. Chem. Ges., J5, 2735 (1906). PoNzio, Ebenda, 569. Kerschner, Ztsch. physik. Chem., 79, 759 (1912). — 11) Petroselinsäure: Vongerichten u. Köhler, Ber. Chem. Ges., 42, 1638 (1909). — 12) Rapinsäure: Reimer u. Will, Ebenda, 20, 2385 (1887\ Zellner, Monatsh. Chem., 16, 309 (1896). — 13) Matthes u. Boltze, Arch. Pharm.. 250, 211 (1912). — 14) Gynocardiasäure: Schindelmeiser, Ber. Pharm. Ges., 14, 164 (1904). — 15) Erucasäure: Reimer u. Will, Ber. Chem. Ges., /p, 3320 (1886). Hazura u. Grüssner, Monatsh. Chem., p, 947 (1888). Holde u. Marcussohn, Ztsch. angewandt. Chem., 23, 1260 (1910). § 4. Die Fettsäuren der Samenfette. 723 C18H32O2 und zwar Linolsäure (1)CH3.(CH2)4.CH =CH.CH2-CH = CH(CH2)7COOH, Isolinolsäure (fraglich), Eläostearinsäure (2)CH3-(CH2)3.CH = CH.(CH2)2-CH = CH.(CH2)7-COOH, Telfairiasäure (3), Hirseölsäure (4) (fraglich). Isomer diesen Säuren ist die Chaulmoograsäure, welche nach Power und GoRNALL (5) die Bruttoformel : G18H32O2 mit der cykhschen Anordnung GH = CH.GH.(CH2)i2-GOOH I I GH2 GH2 hat. Die Hydnocarpussäure scheint nach Power (6) ein niederes Homologon aus dieser Reihe zu sein mit 16 G- Atomen: CigHagOa oder GH = CH-CH.(GH2)io-GOOH 1 I GH2 GH2 Drei Doppelbindungen besitzen die Säuren der Linolensäure- Reihe, aus welchen nur die Säure C18H30O2 Linolensäure: GH3.GH2-GH = GH.GH2-GH = GH-GHa-GH = = GH.(GH2),-G00H kennt [in zwei stereoisomeren Modifikationen bekannt (7)]. In der Taririnsäure G18H32O2 wird eine dreifache (Propiolsäure)bindung angenommen : GH3 • (GH2)io • G ^ G • (GH2)4 • GOOH (8). Die Isansäure G14H20O2 ist eine ungesättigte Fettsäure mit vier Doppel- bindungen (9). Aus der Reihe der Oxyölsäure ist bekannt: C18H34O5 die Ricinolsäure, die vielleicht ein Isomeres besitzt, (Ricinisolsäure) (10), Ricinolsäure ist GH3.(GH2)5-GHOH -CHa-GH = GH .(CH2)7.COOH 1) Linolsäure: Bauer u. Hazüba, Monatsh. Chem., 7, 216 (1886). Petees, Ebenda, p. 552. Hazura, Ebenda, 8, 156 u. 260 (1887); 9, 180, 198 u. 944 (1888). Sacc, Lieb. Ann., 51, 213 (1844). Schüler, Ebenda, loi, 252 (1857). Goldsobel, Journ. russ. phys.-chem. Ges., 42, 55 (1910). Rollet, Ztsch. physiol. Chem., 62, 410 (1909). — 2) Eläostearinsäure: Majima, Ber. Chem. Ges., 42, 674 (1909). KAMBitAKA, Journ. Chem. Soc. Lond., 83, 1042 (1903). Identisch mit der Eläo- margarinsäure CuHj^O^ von CloEz, Ber. Chem. Ges., 9, 1934 (1876). Morrell, Journ. Chem. Soc, loi, 2082 (1912). — 3) Telfairiasäure: H. Thoms, Arch. Pharm., 238, 48 (1900). — 4) Kassner, Ebenda, 225, 1081 (1887). — 5) F. B. Power u. Gornall, Proc. Chem. Soc. Lond., 20, 135 (1904); 23, 70 (1907). — 6) Power u. Barrowcleff, Ebenda, 21, 175 (1905); 23, 70 (1907). — 7) Bauer u. Hazura, Monatsh. Chem., 9, 459 (1888). Linolensäure: Erdmann u. Bedford, Ber. Chem. Ges., 42, 1324, 1334 (1909); Ztsch. physiol. Chem., 69, 76 (1910). Rollet, Ebenda, 62, 422 (1909); 70, 404 (1911). Erdmann, Ebenda, 74, 179 (1911). — 8) Taririn- säure: Grützner, Chem.-Ztg., 17, 879 (1893). Arnaud, Compt. rend., 122, 1000 (1896); BuU. Soc. Chim. (3), 27, 486 (1902). — 9) A. Hebert, Compt. rend., 122, 1550 (1896); BuU. Soc. Chim., 15, 941 (1896). — 10) Ricinolsäure: Saalmüller, Lieb. Ann., 64, 108 (1848). Svanberg u. Kolmodin, Journ. prakt. Chem., 45, 431 (1848). Gantter u. Hell, Ber. Chem. Ges., 17, 2212 (1884). Goldsobel, Ebenda, 27, 3121 (1894). Walden, Ebenda, p. 3471; 36, 781 (1903). Chonowski, Chem. Zentr. (1912), /, 737. Ricinisolsäure: Hazura u. Grüssner, Monatsh. Chem., 9, 475 (1888); Ber. Chem. Ges., 42, 3339 (1909). A. Grün, Ebenda, p. 3759. 46* 724 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. Hinsichtlich der Beschreibung der chemischen Eigenschaften aller dieser Säuren sei auf die neueren einschlägigen Handbücher verwiesen (1). Die Isoüerung stößt häufig auf große methodische Schwierigkeiten. Den Biochemiker interessiert besonders die relative Häufigkeit des Vorkommens bestimmter Säuren und die Art der Beziehungen zwischen Fettzusammensetzung und systematischer Verwandtschaft. Im allgemeinen herrschen die Glyceride der höheren ungesättigten Fettsäuren in Pflanzen- fetten weit mehr vor, als in Tierfetten, wo Stearin und Palmitin die Haupt- bestandteile der talgartigen Warmblüter fette ausmachen. Doch fehlen z. B. Linolsäure und Linolensäuren auch Tierfetten nicht (2). Tristearin ist in Pflanzenfetten wahrscheinlich viel weniger verbreitet als man bisher annahm, während Tripalmitin, besonders bei den Fetten tropischer Pflanzen mit hochgelegenem Schmelzpunkt, einen verbreiteten Hauptbestandteil darstellt. Ohne in nähere Details bezüglich der überaus zahlreichen Spezial- untersuchungen über einzelne Samenfette, von denen viele in der Technik und Industrie einen höchst wichtigen Platz einnehmen, einzugehen (3), mag eine kurze Übersicht über die Ordnungen der Blütenpflanzen hinsicht- lich der Samenfette zeigen, wie weit allgemeinere Prinzipien der Verbreitung und Zusammensetzung der Fette sich aufstellen lassen. Von den Gymnospermen-Ordnungen enthalten, so weitbekannt, nur die Coniferen(4) in ihren Samen reichlich Fett, welches aus Glyceriden ungesättigter Säuren besteht, unter denen Linolsäure reichhch vertreten ist. Von den Monocotyledonen-Ordnungen kennt man die Samen der Palmen und Liliifloren als ölreich. Während bei letzteren ungesättigte Säuren vorherrschen (Olein), haben die Palmen oft Fette, die viel Laurinsäüre- und Myristinglycerid, ferner auch Palmitin und Carnaubin führen, deshalb bei Temperaturen unter 20° salbenartig fest sind. Besonders Trilaurin ist oft über 80% der Gesamtglyceride. Häufig, wie besonders vom Cocosfett bekannt, ist das Vorkommen geringerer Mengen von Capron-, Capryl- und Caprinsäure, welche den charakteristischen Geruch dieser Fette verursachen. In Gramineensamen ist meist nur wenig Fett vorhanden, in welchem un- gesättigte Säuren vorherrschen; von Oryza wurden kleine Mengen von Arachin, Behenin und Lignocerin angegeben, von Avena Erucin. Ordnungen der Dicotyledonen. Von den Archichlamydeae haben die Juglandales, Fagales, Urticales fettreiche, die Polygonales und Centrospermae fettarme Samen. In den Fetten dieser Gruppen herrschen Glyceride ungesättigter Säuren mit C^g vor. Reich an Leinöl- säure sind die Fette der Juglandaceae, Moraceae, Ulmaceae; die seltene Isansäure ist angegeben von den Samen der Olacacee Ongokea Gore (Hua) Engl. Ulmenöl soll auch Buttersäure und Caprinsäure enthalten. Erucasäure angeblich im Samen von Beta vulgaris (5). Die fettreichen Samen der zu den Ranales zählenden Pflanzen sind durch das häufige Vorherrschen von Trilaurin und Trimyristin ausgezeichnet. Dies betrifft besonders die Anona- 1) Z. B. : Abderhalden, Biochera. Handlexikon, / (1911 — 2) Amthor u. Link, Ztsch. analyt. Chem., j(5, 1 (1897). — 3) Vgl. von neueren Werken besonders Wehmee, Pflanzen Stoffe (Jena 1911). Brahm in Abderhaldens biochem. Handlexik., 3 (1911). Von älterer Literatur Schaedler, Technologie d. Fette, 2. Aufl. (Leipzig 1892). Benedikt-Ulzer, Lewkowitsch, Bornemann und die anderen eingangs zitierten Werke. Vgl. auch die 1. Aufl. dieses Buches, /, 115 ff. — 4) Vgl. Cl. Grimme, Chem.-Ztg., 35, 925 (1911). Adams u. Holmes, Journ. Ind. Eng. Chem., 5, 285 (1913). — 5) Neville, Journ. Chem. Soc, loi, 1101 (1912). § 4. Die Fettsäuren der Samenfette. 725 ceae, Myristicaceae, Lauraceae, nicht aber die Magnoliaceen (1) und Meni- spermaceen, die flüssige Fette aus Estern ungesättigter Säuren bestehend aufweisen ; Michelia soll aber auch butterartiges Fett enthalten. Die Reihe der Rhoeadales(2) führt nur Glyceride ungesättigter Säuren, sehr oft viel Lino- lein, Erucin,aber auch Behenin, Rapinsäureglycerid; die der Ölsäure isomere Cheiranthussäure wurde bisher nur in Cheiranthus Cheiri als vorwiegender Bestandteil des Samenfettes gefunden (3). Myristin wird von dem sonst Behenin und Olein enthaltenen Fett von Moringa angegeben. Auch bei den Rosales sind nur ungesättigte Fettsäuren als Hauptbestandteile nach- gewiesen, vor allem Ölsäure; Arachinsäure (4), seltener Hypogäasäure, Lignocerinsäure, Behensäure kommen nebenbei vor (5). — Reihe Gerani- ales: Mit einigen Ausnahmen nur ungesättigte Fettsäuren als Haupt- bestandteil; bei Tropaeolum Erucasäure, bei Linum Linolsäure und reichlich Linolensäure; auch die Samenfette der Rutaceen enthalten Olein, Linolein, Linolenin. Bei den Simarubaceen ist das Samenfett mitunter buttereu'tiger Kon- sistenz, enthält außer ungesättigten Fettsäuren (Irvingia) Laurin und Myristin; die Arten der Gattung Picramnia lieferten aus ihrem Fett die seltene Taririnsäure (6). Die Burseraceen enthalten in ihrem Fett, soweit bekannt, nur ungesättigte Säuren, während Laurin und Myristin wieder im Meliaceenfett (Azadirachta, Guarea), Myristin auch bei Polygalaceen, auf- treten. Die Dichapetalaceen lieferten Oleodistearin (7). Sehr wechselnd ist die Konstitution des Samenfettes bei den Euphorbiaceen. Croton Ti- glium enthält viel flüchtige Säuren: Ameisensäure, Essigsäure, Isobutter- säure, Isovaleriansäure, Tiglinsäure, ferner Laurin und Palmitin; Ricinus liefert Ricinolsäure und etwas Dioxystearinsäure ; Aleurites die Eläostearin- säure ; Jatrcpha Curcas und Aleurites Myristinsäure ; Sapium Oleodipalmitin, Hevea besonders Linolensäure. — Die Familien der Celastrales enthalten sämtlich ungesättigte Fettsäuren als Hauptbestandteil ihrer Samenfette; Evonymus lieferte etwas Triacetin; bei den Sapindaceen ist Arachinsäure verbreitet. — Rhamnales: bei Chailletia (Rhamnaceae) ist Oleodistearin nachgewiesen; Vitis enthält Linolein, etwas Frucin. — Malvales: meist un- gesättigte Säuren als Hauptbestandteil; nur die Sterculiaceae führen mitunter feste Fette, reich an Oleodipalmitin (Theobroma). — Parietales: wechselnde Verhältnisse: die Ochnaceae, Garyocaraceae, Theaceae führen hauptsächlich ungesättigte Säuren (Arachinsäure bei Lophira, Ochnaceae, nachgewiesen); bei den Guttiferen sind butterartige oleodistearin reiche Fette häufig (Penta- desma, Calophyllum, Garcinia, Allanblackia); Caraipa (Guttiferae) lieterte auch Butyrin und Caprylin. Auch die Dipterocarpeenfette sind bekannthch feste an Oleodistearin reiche Substanzen (Shorea u. a.). Das Flacourtiaceen- genus Hydnocarpus ergab die merkwürdigen als Chaulmoogra- und Hydno- carpussäure bekannten Fettbestandteile, während Gynocardia aus der gleichen Familie flüssiges linoleinreiches Fett liefert. — Über Fette der Opuntiales ist nichts bekannt. — Myrtiflorae: Meist oleinreiche flüssige Fette (Lecythidaceae, Combretaceae, Myrtaceae); Myrtus enthält etwas 1) BULIR, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 24, 309 (1912) f. Illicium. — 2) Cruciferenöle: ÖRIMME, Cham. Rev. Fett- u. Harzindustr., /p, 102 (1912); Pharm. Zentr.halle, 5J, 733 (1912); Pharm. Ztg., S7, 520 (1912). — 3) Matthes u. ßoLTZE, Arch. Pharm., 250, 211 (1912). — 4) Für Eriobotrya: Madebna, Chem. Zentr. (1911), /, 25. — 5) Leguminosen : Grimme, Chem. Rev. Fett- u. Harzindustr., 18, 53, 77; Pharm. Zentr.halle, 52, 1141 (1911). Behensäure in Physostigma, Ery- thrina: A. H. Salway, Journ. Chem. Soc. Lond., 99, 2148 (1911). — 6) Grimme, Chem. Rev. Fett- u. Harzindustr., /p, 51 (1912). — 7) Dichapetalum : Power u. Tutin, Chem. Zentr. (1906), //, 1209. 726 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. Myristinsäure. — Auch den Umbelliflorae sind flüssige Fette aus un- gesättigten Säuren eigen (1 ). — Unter den Metachlamydeen liegen zunächst von den Ericales durchaus ungenügende Untersuchungen über Samen- fette vor, ebenso von den Primulales gar nichts. — Ebenales: Bei den Sapotaceen gewöhnlich butterartige, an Palmitin-Mischglyceriden reiche Fette, die auch Laurin, Myristin, bei Butyrospermum Arachin, bei Dumoria Carnaubin und Cerotin enthalten (2); die nahestehenden Ebenaceae und Styraceae scheinen nur Oleinfett zu führen. — Gontortae: Olein als Haupt- bestandteil bei den Oleaceen, Salvadoraceen, Loganiaceen und Apocynaceen. In Strychnossamen angeblich auch Butyrin, Gaprinin (?), Arachin (3). — Tubiflorae: Nur Glyceride ungesättigter Säuren in den Fetten. Pharbitis Nil L. (Convolvulaceae) ergab etwas Triacetin (4); die Solanaceen führen Oleinfett, weniger Linolein (Datura Uefert Daturinsäure (5), Scopolia Arachinsäure) ; Linoleinfett scheint bei den Labiaten verbreitet zu sein, während Sesamum (Pedaliaceae) wieder besonders Olein (etwas Myristin) enthält; über die Scrophulariaceen, Bignoniaceen, Acanthaceen usw. fehlen Erfahrungen. — Auch bezüghch der Rubiales liegen nur wenige Unter- suchungen vor. Coffea enthält viel Linolein, weniger Olein, ferner Carnaubin, Daturin, etwas Gaprinin (5). Sambucus Heferte hauptsächhch Olein, weniger Linolein, ferner Capron-, Gaprin- und Gaprylsäure (6). — Die Familie der Gampanulatae sind nur hinsichtlich der Gucurbitaceen und Gompositen untersucht, wo Linoleinfett die Regel zu sein scheint; nach Peckolt hat Anisosperma (Gucurbit.) talgartiges Fett. Telfairia pedata Hook. f. Ueferte Telfairiasäure, wenig Arachin (7); in Compositenfetten wurde manchmal etwas Myristin konstatiert. Man wird dieser Übersicht leicht entnehmen, wie sehr die Säuren mit Ci8 als Hauptbestandteile der Fette prävalieren und ihnen zunächst die benachbarten Glieder der Säurereihen. Von den übrigen Säuren sind die Glieder mit gerader Kohlenstoffatomzahl bevorzugt. Stearin- säure sowie die viel verbreitete Palmitinsäure dürften noch öfter in Form von Mischglyceriden vorhanden sein, als heute sichergestellt ist; vielleicht gilt ähnliches auch von Laurin- und Myristinsäure, die gleichfalls recht häufig vorgefunden worden sind. Die Glyceride der gesättigten Säuren sind die luftbeständigsten Fettbeatandteile. Ihre niedersten Glieder (Triacetin, Tributyrin) sind flüssig; Trimyristin schmilzt bei 55®, Tripalmitin bei 66,5", Tristearin in einer der beiden bekannten Modifikationen bei 71,6". Alle diese festen Glyceride sind gut krystallisierende Stoffe. Die Glyceride aller ungesättigten Säuren sind bei gewöhnUcher Tem- peratur Flüssigkeiten. Triolein erstarrt bei — 6" G und ist im Vacuum ohne Zersetzung destiUierbar. Die Mischester von Ölsäure und Palmitin- sowie Stearinsäure sind feste krystalüsierbare Stoffe (Oleodistearin F 45—46"). Olein und Linolein verändern sich an der Luft, ohne daß hierbei Mikroben- tätigkeit nötig wäre, in charakteristischer Weise. 1) ümbeliiferen: Grimme, Pharm. Zentr.halle, 52, 661 (1911). — 2) Duraoria: A. HUBERT, Bull. Soc. Chim. (4), p, 662 (1911). — 3) Harvey u. Wilkje, Chena. Zentr. (1905), //, 688. Heiduschka, Arch. Pharm., 250, 398 (1912). — 4) Kromer, Chem. Zentr. (1896), //, 631. — 5) H. Meyer u. R. Beer, Sitz.ber. Wien. Ak., 121, IIb, 19 (1912). — 6) H. Meyer u. Eckert, Monatsh. Chem., j/, 1227 (1910). — 7) Byers u. Hopkins, Journ. Amer. Chem. Soc, 24, 771 (1902). Arachin nach Zellner, Monatsh. Chem., 23, 937 (1903). § 4. Die Fettsäuren der Samenfette. 727 Die Ölsäureglyceride nehmen hierbei den eigentümlichen ranzigen Geruch an, ändern die Farbe und nehmen merkhch an Gewicht zu. Sicher sind immer Oxydationsvorgänge durch den Luftsauerstoff im Spiele; doch spielen unter gewöhnlichen Verhältnissen Mikrobenentwicklung und Licht- zutritt gleichfalls eine Rolle (1). In Stickstoffgas unterbleibt der Prozeß; Feuchtigkeit spielt keine Rolle. Den bekannten Geruch und Geschmack ranziger Fette führt Scala auf die Entstehung von Önanthaldehyd CHy (CH2)5-GOH zurück. Außer Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure, Capron- säure, Önanthsäure, Pelargonsäure wurden in ranzigen Fetten auch Azelain- säure, Sebacinsäure und Dioxystearinsäure nachgewiesen. Jodzahl und Verseifungszahl (s. u.) ändern sich infolge dieser Bildung größerer Mengen niedrigerer gesättigter Säuren und zwar muß die Jodzahl abnehmen und die Verseifungszahl steigen. Außer den Säuren entstehen wahrschein- hch verschiedene Aldehyde. Man kann nach Schmid zum chemischen Nach- weise der Veränderungen beim Ranzigwerden das Fett im Dampfstrome destillieren und in der Vorlage mittels frisch bereitetem l%igem Meta- phenylendiamin-chlorhydrat auf Aldehyde und Ketone prüfen (gelbe oder braune Färbung). Die Glyceride der mehrfach ungesättigten Fettsäuren werden an der Luft rasch dickflüssig und trocknen unter Bildung harzartiger Oxydations- produkte ein. Besonders in dünner Schicht auf Glasplatten ausgestrichen, werden Öle, die Linol- und Linolensäure enthalten, bald fest. Hierbei ist die Linolensäure besonders wirksam (2). Nach Bauer und Hazura ent- stehen beim Trocknen einerseits gesättigte Säuren, andererseits auch Oxy- säuren. Hauptprod,ukte dürften die Glyceride mehrerer Oxysäuren (CigHgoO, ?) sein, mit welchen wohl Mulders „Linoxyn" identisch ist, und die feste Stoffe darstellen. Oxydationsfördernde Mittel, wie feinverteiltes Blei, Kupfer, Mangan, ferner Terpentinöl beschleunigen den Eintrocknungs- vorgang stark („Siccative" der Praxis). Ozon wird von den ungesättigten Fettsäuren unter Bildung von Ozoniden an Stelle der Doppelbildungen fixiert (3), z. B. ist Ölsäureozonid CH3. (GHg), -GH GH . (GH2)7 -GOOH 1/ \l 0=0 = 0 Diese Ozonide werden durch Kochen mit Wasser in Aldehyde und Säuren gespalten; bei Ölsäure entstehen Nonylaldehyd und Nonylsäure einerseits, Azelainsäure und deren Halbaldehyd andererseits (Harries und Thieme). Mit Zinkstaub reduziert iefern die Fettsäureglyceride Kohlenwasser- s offe vom Verhalten des Rohpetroleums (4). Das natürhche Erdöl dürfte 1) Wichtigere Lit: E. Duclaux, Compt. rend., 102, 1077 (1886); Ann. Inst. Pasteur (1888). A. Scala, Chem. Zentr. (1898), 7, 439;SGazz. chim. ital., 38, I, 307 (1908). Reinmann, Zentr. Bakt. II, 6, 131 (1900). Eichholz, Ebenda, 10, 474 (1903). Rahn, Ebenda, is, 53, 422 (1905). O. Jensen, Ebenda, 8, 11 (1902). M. WiNCKEL, Apoth.-Ztg., 20, 690 (1905); Verhandl. Naturf. Ges. (1904), II, /, 210. Siegfeld, Chem. Zentr. (1909), /, 319. herman u. Falk, Joum. Amer. Chem. Soc, 25, 711 (1903). Ryan u. Marshall, Amer. Joum. Pharm. (1907), p. 308. A. Schmid, Ztsch. analyt. Chem., 37, 301. — 2) Trocknende Öle: Saüssure, Ann. de Chim. et Phys. (2), 49, 225 (1832). Livache, Arch. Pharm. (1886), p. 942. Bauer u. Hazura, Monatsh. Chem., 9, 459 (1888). E. Orlow, Chem. Zentr. (1912), /, 861. — 3) C. Harries, Ber. Chem. Ges., 39, 3728, 3732 (1906); Lieb. Ann., 343, 354 (1906). Molinari, Ber Chem. Ges., 39. 2735 (1906); 4/. 2782. 2789, 2794 (1908). — 4) J. Lewkowitsch, Ebenda, 40, 4161 (1907). C. Neuberg, Sitz.ber. Berlin. Ak., (1907) 2, 265; Ber. Chem. Ge«., 40, 4477 (1907). 728 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. in der Tat, nach den heute vorliegenden Erfahrungen zu urteilen, seine Entstehung den Fettsäuren aus Organismenresten, welche anaerober Zer- setzung anheimfallen, verdanken. Reduktion von natürlichen Fetten mit Wasserstoff bei Anwesenheit geringer Mengen von kolloidalem Palladium gelingt unter vollständiger Hydrierung (1); die ungesättigten Säuren gehen in die gesättigten von gleicher Kohlenstoffzahl über („gehärtete Fette"). Bestimmung und Trennung der Fettsäuren. — Ohne erst die nach Verseifen des Fettes mit Äther extrahierten freien Fettsäuren trennen zu müssen, gewährt die zur vollständigen Verseifung nötige AlkaU- menge Anhaltspunkte zur Beurteilung der Menge und Molekulargröße der vorhandenen Fettsäuren. In der Praxis spielt daher die „Verseifungszahl" oder KÖTTSDORFERsche Zahl (x mg KOH verseifen 1 g Fett) eine wichtige Rolle zur Charakterisierung der natürlichen Fette (2). Je reicher ein Fett an niederen Fettsäuren, desto größer muß diese Konstante ausfallen. Für Fette aus Triolein, Pripalmitin und Tristearin bestehend, liegt die Verseifungs- zahl zwischen 190 und 200, für Tributyrin bei 557, für Triacetin bei 772. Die niederen Glieder der Essigsäure sind aus dem angesäuerten Ver- seifungsgemisch leicht durch Destillation abzutrennen, wobei die „flüchtigen Fettsäuren" bis zur Laurinsäure mit den Wasserdämpfen übergehen. [REiCHERT-MEisSLsche Zahl = x ccm Vio normal NaOH neutralisieren die flüchtigen Säuren aus 5 g Fett unter bestimmten Bedingungen (3)]. Von ungesättigten Fettsäuren würde nur die Tigünsäure aus Crotonöl mit diesen Säuren übergehen. Ameisensäure und Essigsäure einerseits und die höheren Fettsäuren andererseits trennt man durch deren Ca- und Ba- Salze, welche vom Propionat aufwärts schwer löslich sind. Ameisensäure erkennt man durch die starke Reduktion von Ag und Hg-Salzen, an der Calomel- bildung beim Kochen mit HgClg [quantitative Bestimmung nach Scala (4)] und an der Bildung des arrakartig riechenden Äthylesters beim Kochen mit H2SO4 und Alkohol. Essigsäure wird erkannt an der rotbraunen Färbung mit Eisenchlorid (beim Kochen Niederschlag von basischem Acetat), an ihrem schwerlöshchen Silbersalz und dem charakteristischen Gerüche von Äthylacetat, welches beim Erhitzen von Essigsäure mit HgSO^ und Alkohol entsteht. Von der Buttersäure angefangen, sind die Säuren mit wässerigen Neutralsalzlösungen nicht mehr mischbar. Die höheren flüssigen Fettsäuren lassen sich von den festen schon durch Petroläther scheiden, welches bei gewöhnlicher Temperatur die festen Fettsäuren nur sehr wenig löst (5). Ferner sind die Bleisalze der höheren gesättigten Säuren in Äther sehr wenig lösUch, während ölsaures und Hnol- saures Blei in den Äther übergehen. Um diese Trennung auszuführen, neutralisiert man das Verseifungsgemisch mit Essigsäure, löst die Seifen in kochendem Wasser und fällt mit Bleiacetat; der gewaschene und ge- 1) C. Paal u. K. Roth, Ber. Chem. Ges., 41, 2282 (1908); 42, 1541 (1909). Eläostearinsäure: Majima, Ebenda, 45, 2730 (1912). — 2) J. Köttsdorfer, Ztsch. analyt. Chem., 18, 199 (1879). E. Valenta, Dingl. polytechn. Journ.. 249, 270 (1883). Schreibeb, Journ. Amer. Chem. Soc., 29, 74 (1908). Kippenbebger, Ztsch. angewandt. Chem., 18, 1024 (1905). — 3) Reichert, Ztsch. analyt. Chem., 18, 68 (1879). E. Meissl, DingL polytechn. Journ., 233, 231. König u. Hart, Ztsch. analyt. Chem., 30, 292 (1891). Caldwell u. Hubtley, Journ. Chem. Soc. Lond., 95, 853 (1909). Welde, Biochem. Ztsch., 28, 504 (1910). Niedere Fettsäuren: Vgl. auch Langheld u. Zeileis, Ber. Chem. Ges., 46, 1171 (1913). Edelstein u. Welde, Ztsch. physiol. Chem., 73, 152 (1911). Edelstein u. Csonka, Biochem. Ztsch., 42, 372 (1912). — 4) Scala, Gazz. chim. ital., 20, 393 (1890). A. Lieben, Monatsh. Chem. (1893). Czapek, Jahrb. wiss. Botan., 29, 336 (1896). — 5) S. Facchini u. Dorta, Chem. Zentr. (1910), //, 597. § 4. Die Fettsäuren der Samenfette. 729 trocknete Bleiniederschlag wird nun mit Äther oder Benzol extrahiert, die ätherlösliche und äther unlösliche Fraktion sodann wie übUch mit HgS zer- legt und die freien Säuren werden ausgeäthert (1 ). David (2) benützt zur Ab- trennung der gesättigten und ungesättigten Säuren die Unlöslichkeit der Ammoniumsaize der ersteren in Ammoniak. Beer(3) fand die Lithiumseifen als zur Trennung der Fettsäuren gut geeignet. Nach Facchini und Dorta(4) läßt sich auch die AcetonlösHchkeit der AlkaHseifen zur Fettsäuretrennung mit heranziehen. Stearinsäure ist bei 0» in Alkohol praktisch unlöshch(5). In der Praxis findet zur Beurteilung der unlöslichen Fettsäuren natürlicher Fette die „HEHNERsche Zahl" Anwendung: x Gramm unlösliche Säuren in 100 g Fett (6). Die Reinigung der unlöshchen Fettsäuren geschieht am besten durch fraktionierte Destillation der Äthylester im Vacuum (7). Alle ungesättigten Säuren lagern für je eine Doppelbindung zwei Atome Jod oder Brom an, wobei sie in die Halogenderivate der entsprechen- den gesättigten Säuren übergehen. So gibt Ölsäure Di jod- Stearinsäure: CH3 1 CH3 1 CH^),- -CH = CH 1 (CH)2 + 2 J • COOK -^ (CH,),- -CHJ- -CHJ 1 (CH^), • COOH Linolsäure addiert dementsprechend 4 J, Linolensäure 6 J. Zur praktischen Verwendung dieser Reaktion dient das bekannte Verfahren nach HüBL (8), wonach zu einer in Chloroform gelösten bestimmten Menge Fett das Jodreagens im Überschusse zugesetzt wird, und der noch vor- handene Jodüberschuß nach längerem Stehen zurücktitriert wird. Nach Waller dient als Jodlösung eine Lösung von 25 g J und 30 g HgClg in 1000 Teilen 95%igem Alkohol + 5% rauchender HCl (D 1, 19). Die „Jod- zahl" ist die vom Fett absorbierte Jodmenge in Prozenten der Fettmenge. Bei sehr langer Einwirkungsdauer der Jodlösung steigt die Jodzahl, wes- wegen man die Zeit der Einwirkungsdauer anzugeben hat (9). Die Jodzahl gibt ein Maß für die Quantität der in dem Fett enthaltenen ungesättigten Säuren, ohne daß eine analytische Abtrennung der letzteren nötig wäre. Nach Arnaud entstehen bei Behandlung der Jodfettsäureadditionsprodukte mit alkalischer Kalilauge neben der ursprünglichen Fettsäure auch Oxy- derivale. Die Addition von Brom ergibt „Bromzahlen" der Fette, welche jedoch bisher wenig verwendet worden sind (10). Man kennt ferner auch Schwefeladditionsprodukte der ungesättigten Säuren (11). 1) Farnsteiner, Chem. Zentr. (1898), //. 392; (1899), /, 545; (1903), /, 898. DE KoNiNGH, Hilgers Vierteljahrsschr. (1892), p. 415. G. B. Neave, The Analyst, J7, 399 (1912). — 2) David, Compt. rend. (I9l0). — 3) R. Beer, Lotos (1912), p. 117. — 4) Facchini u. Dorta, Chem. Rev. Fett- u. Harzindustr., 19, 11 (1912). — 5) Heiduschka u. Burger, Ztsch. öff. Chem., 19, 87 (1913). — 6) Hehner, Ztsch. analyt. Chem., 16, 145 (1877). — 7) Holland, Journ. Ind. and Eng. Chem., 3, 171 (1911). — 8) Jodzahl: HÜBL, Dingl. polytechn. Journ., 253, 281 (1884). Waller, Chem.-Ztg. (1895), p. 1831. Mascarelli u. Blasi, Gazz. chim. ital., 37, I, 113 (1907). J. A. WiJS, Ber. Chem. Ges., 31, 750 (1898). Er, Richter, Ztsch. angewandt. Chem., 20, 1605 (1907). Borde, Chem. Zentr. (1910), /, 383. Arnaud u. P08TERNAK, Compt. rend., 149, 220 (1909); 150, 1130, 1525 (1910). — 9) PoNZio u. Gastaldi, Gazz. chim. ital., 42, II, 92 (1912). — 10) Hehner, Chem. Zentr. (1895), /, 813; II, 467; (1897), /, 775. F. Telle, Journ. Pharm. Chim. (6), 2/, 111, 183 (1905). Vaubel, Ztsch. angewandt. Chem., 23, 2077 (1910). Sprinkmeyer u. Diedrichb, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 23, 679 (1912). — 11) Alt- schul, Ztsch. angewandt. Chem. (1895), p. 535. Henriques, Ebenda, p. 691. 730 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Das Reservefett der Samen. Aus der Jodzahl berechnet man unter der (häufig ganz unzutreffenden) Voraussetzung, daß die Ölsäure die einzige quantitativ in Betracht kommende ungesättigte Fettsäure ist, die Menge der ungesättigten Säuren durch Multi- plikation mit dem Faktor 1,163. Bei Einwirkung von salpetriger Säure in statu nascendi gehen die Glieder der Ölsäurereihe leicht in stereoisomere Säuren von viel höherem Schmelzpunkt über: „ Elaidin probe" (1). Ölsäure üefert hierbei Elaidin- säure (F 44-45«) CHg-CCHa), H CHa-lCHa),. .(CH2)7.GOOH >G = G<( -> >C = C< H^ ^(CH2),-G00H H^ ^H Erucasäure gibt Brassidinsäure (F 56—60°) (2): ^19"39 — ^ — " ^19^39 — ^ — H II -> II H-G-GOOH COOH-G-H Aus Hypogäasäure erhält man Gaidinsäure (F 39''), aus Taririnsäure nach Arnaud und Posternak Tarelaidinsäure. Dieselben Autoren zeigten, daß man durch Dehydrierung von Stearinsäure Elaidinsäure, durch die ent- sprechende Operation aus Behensäure Brassidinsäure gewinnt. Durch H2SO4 erhält man bei Ölsäure und Elaidinsäure dieselbe Oxystearinsäure, mit alkalischem KMn04 jedoch verschiedene Dioxystearinsäuren aus beiden Isomeren (3). Die Elaidinprobe stellt man an, durch Zusatz einer konzentrierten KNOg-Lösung und vd. H2SO4, oder durch Schütteln des Öls mit HNO3 und etwas Quecksilber oder noch besser Kupferspänen. Ölsäurereiche Fette werden nach 1—3 Stunden fest. Etwa vorhandenes Linolein scheidet sich aus der festen Masse als darüberstehende Ölschicht aus. Die Probe fällt auch mit Oxyölsäuren positiv aus: Ricinolsäure geht mit HNOg in die Stereo-isomere Ricinelaidinsäure (F 53") über. Die Säuren mit zwei und mehreren Doppelbindungen geben die Elaidinreaktion nicht. Hier lassen sich aber nach Hazura(4) die Oxy- dationsprodukte mit KMn04 bei alkalischer Reaktion zur Trennung und Gharakterisierung der Säuren benützen. Ölsäure bildet in dieser Reaktion Dioxystearinsäure : GH3.(CH2)7, /H >G = G< +02-> H ^ ^(GHa)., GOOH -> GH3.(GH2)7-(CHOH)2-(GH2)7.GOOH 1) Entdeckt von F. Boudet, Schweigg. Journ. Chem., 66, 186 (1832). Lau- rent, Ann. de China, et Phys. (2), 65, 149; 66, 154 (1837). Fokin, Chem. Zentr. (1910), //, 1747. Gawalowski, Ebenda (1905), /, 804. Arnaud u. Posternak, Compt. rend., 150, 1130 u. 1245 (1910). In der Ölsäurereihe ist aber nach Fokin, Chem Zentr. (1912), //, 2058, auch die Stelle der Doppelbindung in der Kohlenstoff- kette von Einfluß auf den krystallinischen oder flüssigen Charakter der Säure. — 2) Holt, Ber. Chem. Ges., 25, 961 (1892). Albitzky, Chem. Zentr. (1903), /, 318, — 3) Tscherbakoff u. Saytzeff, Journ. prakt. Chem., 57, 27 (1898). Shukoff u. ScHETAKOFF, Ebenda, 67, 414 (1903). Saytzeff, Jahresber. Agrik.chem. (1886), p. 297. Holde u. Marcusson, Ber. Chem. Ges., 36, 2657 (1903). — 4) K. Hazura, Monatsh. Chem., 9, 180, 198 (1888). § 5. Das Glycerin der Samenfette. 731 und zwar gleichzeitig zwei isomere Dioxystearinsäuren als Hauptprodukte, dann Azelainsäure, Pelargonsäure und Oxalsäure (1). Linolsäure liefert unter den gleichen Bedingungen Tetraoxystearinsäure oder Sativinsäure CiTHaj— (0H)4-C00H. Aus Linolensäure entsteht analog Hexaoxystearin- säure oder Linusinsäure. Zur Ermittlung des Gehaltes an Linolensäure dient, wie Hehner und Mitchell (2) gezeigt haben, trefflich die Darstellung des schwerlöslichen Hexabromids durch Sättigen mit Brom unter Eiskühlung, wobei sich nach mehrstündigem Stehen die Bromide abscheiden. Man wäscht den Niederschlag mit gekühltem Äther aus und bestimmt ihn durch Wägung. Diese „Hexabromidzahl" kann man auch aus dem unverseiften Fett ermitteln. Nach Eibner und Muggenthaler sind die Hexabromid- zahlen von Mohnöl 0, chinesischem Holzöl 0, Perilla nankingensis 64,12, Okumi 60,98, Rüböl 6,34, Soja 7,17, Leinöl 51,73-57,96. Über die Sauer- stoffabsorption bei trocknenden Ölen und deren quantitative Bestimmung mögen die Angaben von Wilson und Heaven (3) eingesehen werden. Ricinusöl liefert mit alkalischem KMn04 zwei Trioxystearinsäuren von differentem Schmdzpunkt, woraus man auf die Existenz zweier isomerer Säuren im Ricinusöl schließen wollte. Mit überschüssiger H2SO4 hefert Ricinolsäure Dioxystearinsäure und reichHch deren Anhydrierungsprodukte als H2S04-Ester (4). Bei Oxydation der Ölsäure mit GrOg in eiseesigsaurer Lösung tritt erst grüne, dann kirsch- rote Farbenreaktion ein mit charakteristischem Absorptionsspektrum (5). Praktische Anhaltspunkte für die Ermittlung des Gehaltes von Fetten an Oxysäuren gewährt die Bestimmung der „Acetylzahl" nach Benedikt- Ulzer, wobei man die Differenz der Verseifungszahlen der freien Fettsäuren vor und nach der Acetylierung ermittelt (in Milligramm KOH pro 1 g Fett) (6). Genauere Details über die anzuwendende Methodik findet man in den zitierten Werken von König, Röhmann und in den angeführten Original- arbeiten. §5. Das Glycerin der Samenfette. Das Glycerin, dessen chemische Eigenschaften hier als bekannt voraus- gesetzt werden (7), gewinnt man aus dem Verseifungsgemisch der Fette leicht, indem man die Seifen aussalzt, das Filtrat vom Seifenniederschlag 1) F. Edmed, Journ. Chem. Soc, 73, 627 (1898). Dioxystearinsäure als Produkt der Fettoxydation im Ackerhumus: O. Schreiner u. Shorey, Journ. Amer. Chem. Soc, 30, 1599 (1908). — 2) O. Hehner u. C A. MrrcHELL, The Analyst, 23, 310 (1898). H. Sprinkmeyer u. A. Diedrichs, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 23, 679 (1912). Eibner u. Muggenthaler, Farbenztg., 18, 131 (1913). — 3) Wilson u. Heaven, Journ. Soc. Chem. Ind., 31, 565 (1912). — 4) Ad. Grün, Ber. Chem. Ges., 3g, 4400 (1906). — 5) Lifschdtz, Ztsch. physiol. Chem., 5'^, 446 (1908). — 6) Benedikt u. Ulzer, Monatsh. Chem., 8, 41 (1887). Lewkowitsch, Chem. Zentr. (1890). //, 855; (1897), //, 395. Willstätter, Ber. Chem. Ges., 45^ 2827 (1912). Normann, Chem. Rev. Fett- u. Harzindustr., 19, 205 (1912). Hierbei ist zu beachten, daß nach dem Verfahren von Lewkowitsch Acetolyse stattfindet. — 7) Das von Scheele entdeckte „Ölsöß" wurde von J. Pelouze, Ann. de Chim. et Phys. (2), öj, 19 (1836), neuerlich studiert. In krystallisiertem Zustand schmilzt es bei 13—15'' [Chem. Zentr. (1891), //, 374]. Mit schmelzendem Atzkali liefert es Wasserstoff, Essigsäure, Ameisensäure (beide aus der intermediär auftretenden Acryl- säure stammend), Buttersäure und Milchsäure: E. Herter, Ber. Chem. Ges., //, 1167 (1878). Die wichtige und interessante Oxydation von Glycerin mit H.,0^ und etwas Ferrosulfat liefert Dioxyaceton und Glycerinaldehyd : H. Fenton u. " H. Jackson. Chem. Zentr. (1898), //, 1011. 732 Zweiimdzwanzigstcs Kapitel: Das Reservefett der Samen. vorsichtig eindampft und den Rückstand mit Ätheralkohol extrahiert; der sirupöse Rückstand enthält das Glycerin. Qualitativ wird Glycerin gut erkannt durch seine Eigenschaft bei trockener Destillation oder bei Behand- lung mit wasserentziehenden Agentien bei höherer Temperatur, Acryl- aldehyd oder Acrolein zu liefern: CHgOH. CHg^ > CHOH = ) CH + 2 H2O CHaOH'^ COH/ Zur Anstellung der „Acroleinprobe" (1) wird am besten die Substanz mit der doppelten Menge feingepulverten KHSO4 vermischt, sodann in ein Röhrchen eingefüllt, durch dessen Kork ein gebogenes Glasrohr führt, und bis zum lebhaften Schäumen auf dem Sandbad erhitzt. Das gebogene Glasrohr mündet in ein gekühltes Reagensglas, worin sich das Acrolein kondensiert. Acrolein hat einen eigentümhch stechenden Geruch, reduziert ammoniakaüsches AgNOg sehr stark in der Kälte und gibt mit Piperidin und Nitroprussidnatrium eine blaue Färbung (2). Borax mit Glycerin be- feuchtet erzeugt grüne Flammenfärbung (3). Eine weitere Reaktion ist die „Glycereinprobe" nach Reichel(4). Dieselbe ist schon bei Anwendung von 2 Tropfen fetten Öles deutlich. Man erwärmt die Probe vorsichtig mit der gleichen Menge Phenol und konzentrierter H2SO4, bis sich in der Schmelze feste Massen bilden; schüttelt vorsichtig mit etwas kaltem Wasser aus und setzt zum Rückstande einige Tropfen Ammoniak zu, worauf Rotfärbung eintritt. Quantitative Glycerinbestimmungsmethoden sind in größerer Zahl angegeben, jedoch alle mehr oder weniger ungenau und umständUch. Hierher gehört die Benzoyüerungsmethode von Dietz (5), ferner einige Methoden, welche das vorhandene Glycerin vollständig oxydieren und den Überschuß des Oxydationsmittels zurücktitrieren [Permanganatverfahren von Bene- DlKT-ZsiGMOND y (6), Bichromatmethode von Hehner(7)]; ferner die Acety- Herungsmethode von Lewkowitsch (8) und die sehr exakte Methoxyl- methode von Zeisel und Fanto (9), wonach das Glycerin durch über- schüssigen JH in der Hitze in Isopropyljodid übergeführt wird, welches sich durch Umsatz mit AgNOg genau bestimmen läßt. Sehr kleine Glycerin- mengen bestimmt NiCLOUX(IO), indem er 5ccm der zu untersuchenden Flüssig- keit mit 5— 7ccm konzentrierter H2SO4 mengt und solange KgCrgO^-Lösung (19 g im Liter) aus einer Bürette zufüeßen läßt bis die Farbe der zum Sieden erhitzten Flüssigkeit aus Blaugrün nach Gelbgrün umschlägt. Lösungen, die über 0,1% Glycerin enthalten, sind zu verdünnen. Lecco(II) schlug 1) Hierzu Grünuut, Ztsch. analyt. Chem., 38, 37 (1898). Anwendung von Borsäure statt H2SO4 bei der Reaktion: Wohl u. Neuberg, Ber. Chem. Ges., 32, 1352 (1899). Entdeckung der Reaktion durch Brandes : Redtenbacher, Lieb. Ann., 47, 113 (1843). Oechsner de Coninck, Bull. Ac. Roy. Belg. (1912), p. 524. Ga- NAS8IOT, Biochem. Zentr., 14, 772 (1912). — 2) Lewin, Ber. Chem. Ges., 32, 3388 (1899). — 3) Senier u. Loew, Ebenda, //, 1268 (1878). — 4) Hierzu Donath u. Mayrhofer, Ztech. analyt. Chem., 20, 379 (1882). " A. Meyer, Flora (1899), p. 436. — 5) R. DiETz, Ztsch. physiol. Chem,, //, 472 (1887). — 8) Benedikt u. Zsigmondt, Chera.-Ztg., g, 975. Mangold, Ztsch. analyt. Chem., j;, 718 (1892). — 7) O. Hehner, Ber. Chem. Ges., 22, Ref. 605 (1889). Gantter, Ztsch. analyt. Chem., 34, 421 (1895). Probeck, Joum. Ind. and Eng. Chem., 3, 253 (1911). — 8) Lew- kowitsch, The Analyst, 26, 35 (1901). — 0) S. Zeisel u. R. Fanto, Ztsch. landw. Versuchswes. Österr., 5, 729 (1902). WillstStter u. Madinaveitia, Ber. Chem. Ges., 45, 2825 (1912). — 10) M. Nicloux, Bull. Soc. Chim. (3), /;, 455 (1897); 29, 245 (1903). — 11) Lecco, Ber. Chem. Ges., 25, 2074 (1892). Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung 733 vor, 10 ccm der zu prüfenden Substanz mit 1 g getrocknetem Ätzkalkpulver gut zu mischen, 10 g Quarzsand zuzusetzen und auf dem Wasserbade fast bis zum Eintrocknen zu verdampfen. Der Rückstand werde 4— 5 mal mit heißem absolutem Alkohol extrahiert und die gesammelten Auszüge werden in ein 100 ccm-Kölbchen filtriert; nun dampfe man das Filtrat ein, löse den Rückstand in 5 ccm Alcohol absol., setze 10 ccm Äther zu und lasse im gut verkorkten Kolben einige Stunden bis zur Kläiung stehen. Die klare Lösung wird abgegossen und eingedampft, der Rückstand getrocknet und gewogen Glycerin in Rechnung gestellt. Vielfach sind bei pflanzenbiochemischen als Arbeiten ganz unzureichende Glycerinbestimmungsmethoden verwendet worden. Dreiundz wanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung. § 1- Der Fortgang des Resorptionsprozesses. Es ist bereits von Saüssüre(I), Meyen(2), Letellier und Bous- siNGAüLT(3) hervorgehoben worden, daß das Fett beim Keimen von Öl- samen aus den letzteren verschwindet und so seinen Charakter als Re- servestoff bekundet. Später hat eine ganze Reihe von Experimental- untersuchungen diesen Vorgang sowohl analytisch, als mikroskopisch verfolgt. Insbesondere hat Sachs (4) das Verdienst, die anatomische Seite der Frage zuerst gründlich untersucht zu haben. Bei der Keimung von Curcurbita, deren Cotyledonen hierzu, wie jene von Helianthus, gute Studienobjekte darstellen, beobachtet man etwa am 4. — 5. Keimungstage deutliche Veränderungen im Zellinhalte des fettführenden Gewebes. Das Plasma ist grob schaumig geworden, und in seinen Strängen und Platten sind zahlreiche Öltropfen sichtbar. Es macht den Eindruck, als ob das Fett anfänglich in kolloidaler Lösung im nicht vacuolisierten Plasma vorhanden gewesen wäre und bei Er- reichung eines bestimmten Quellungszustandes des Protoplasten eine Entmischung erfolgt wäie. Die Öltropfen nehmen nun an Zahl all- mählich deutlich ab, je weiter die Keimung fortschreitet. Es nimmt also das Fett im keimenden Samen die Form einer groben Emulsion an. Hellriegel (5) untersuchte Rapssamen in fünf Entwicklungsperioden mit folgenden Ergebnissen: 1) Saussure, Frorieps Notizen, 24, Nr. 16. — 2) Meyen, Neues System der Pflanzenphysiol., //, 293 (1838). — 3) Letellier, Journ. prakt. Chem. (1855), p. 94. B0U88INGAULT, Die Landwirtschaft, Deutsch v. Graeger, /, 203 (1851). — 4) J. Sachs, Botan. Ztg. (1859), Nr. 20, 21, p. 177. Von neuerer Literatur zu er- wähnen: E. Mesnard, Compt, rend., u6, 111 (1893). — 5) Hellriegel, Dissert., Journ. prakt. Chem. (1855), p. 94. Nobbe, Samenkunde, p. 158, erwähnt noch ältere Untersuchungen von Boussingault, Reunert und M. Siewert. Letzterer fand für Eaps nach lOtägiger Keimung einen Fettverlust von 20,3 7o. "»ch weiteren 4 Tagen von 70,4 %. Das schließlich ausgebrachte Öl reagierte sauer. 734 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung. Ruhende Keimungsperiode : Samen I II III IV V Fettes Öl in Proz. der Trocken- substanz 47,09 47,76 43,77 41,0 38,66 36,22 Zucker, Bitterstoff, organische Säuren 7,69 8,68 10,52 12,36 13,67 15,41 Eiweiß, Legumin 5,22 2,58 2,58 1,77 1,78 1,81 Peters (1) ermittelte für normal am Licht gedeihende Kürbiskeim- linge folgende Zahlen in Prozenten der Trockensubstanz gerechnet: Cotyle- Hypo Total 49,51 donen cotyl Ungekeimt I. Cotyledonen farblos; keine Nebenwurzeln 51,67 40,48 6,36 II. Cotyledonen ergrünend; Nebenwurzeln vorhanden . . 33,43 26,40 3,93 III. Cotyledonen ausgewachsen; die ersten Blätter entwickelt. 12,71 7,2 2,68 Fleüry(2) gibt folgende instruktive Analysen von keimenden Fett Samen : Fettgehalt in Prozenten bei Brass. . , , Euphorb. Wurzel %Fett 4,83 3,10 2,83 Rapa ^ygd«^»^ Lathyris 46,0 54 40,3 28,3 - - 45 Ricinus Ungekeimt 46,6 Nach 6 Tagen. . . . 45,9 11 „ . . . . 41,6 16 „ . . . . 33,1 21 „ . . . . 7,9 26 „ . . . . 10,3 31 „ . . . . 10,28 _ _ _ Demnach würden in 100 g Ricinussamen 4,29 g Fett täglich verbraucht werden, bei Brassica 2,52 g. MüNTZ (3) ermittelte für andere Objekte ähnHche Resultate. Keimung von Rhaphanus sativus im diffusen Lichte: 5 g ungekeimte Samen 1,750 g Fett 5 g 2tägige Keimlinge 5 g 3tägige 5 g 4tägige Papaver somniferum 20 g Samen ungekeimt . . 20 g 2tägige Keimlinge 20 g 4tägige „ . _ Raps im Dunkeln: 20 g Samen ungekeimt ..... 8,540 g Fett 20 g Stägige Keimlinge .... 5,235 g „ 20 g 5tägige „ .... 3,700 g „ 1) Peteks, Versuchsstat., j, 1 (1861). Vgl. auch N. Laskowsky, Ebenda, 77, 240 (1874). — 2) Fleüry, Ann. de Chim. et Phys. (4), /, 38 (1865). — 3) A. MUNTZ, Ann. de Chim. et Phys. (4), 22, 472 (1871). Boussingault, Agronomie, 5. 50 (1874). 1,635 g 1,535 g 0,790 g „ im Dunkeln: 8,915 g Fett 6,815 g „ 3,900 g „ § 1. Der Fortgang des Resorptionsprozesses. 735 Nach Nach 7 Tagen 10 Tagen 96,91 94,03 17,09 15,20 8,64 4,59 23,99 24,50 Für Cannabis sativa macht Detmer(I) folgende Angaben (Dunkel- keimlinge) : Die Zahlen bedeuten Gewichtsteile des ruhenden Samens. Ruhender Samen Gesamttrockensubstanz . 100 Fett 32,65 Stärke — Eiweiß 25,06 Wenn sich in manchen dieser Versuchsreihen im Anfang der Keimung eine kleine Steigerung des Fettgehaltes ergab, so dürfte dies darauf beruhen, daß die Fettreaktion beim gekeimten Material leichter vollständig geUngt, als bei dem ungekeimten Samenmaterial. Vielleicht ze/fallen auch im Keimungsbeginn komplexere Verbindungen (Lecithalbumine ?) unter Bil- dung von ätherlöslichen Substanzen (2). Von weiteren Untersuchungen (3) sind zu erwähnen jene von Leclerc DU Sablon über die Keimung von Ricinus, Cannabis und Juglans, von Wallerstein über die Keimung von Hordeum, von Merlis über Lupinus. Den Untersuchungen von Maqüenke über Arachis und Ricinus entnehme ich die nachstehenden Daten: Fett Saccharifizierbare N-haltige Stoffe Substanz als Rohr- als Albuminoide zucker berechnet berechnet Arachis ungekeimt . 51,39 11,55 24,83 Nach 6 Tagen. . 49,81 8,35 23,40 „ 10 „ . . 36,19 11,09 23,96 „ 12 „ . . 29,0 12,52 25,20 „ 18 „ . . 20,45 12,34 24,31 „ 28 „ . . 12,16 9,46 24,87 Ricinus ungekeimt . 51,40 3,46 18,36 Nach 6 Tagen. . 33,71 11,35 18,71 „ 10 „ . . 5,74 24,14 18,32 „ 12 „ . . B,48 19,51 16,69 „ 18 „ . . 3,08 8,35 17,50 Die Verminderung des Reinfettgehaltes des Nährgewebes geschieht nach den vorliegenden Untersuchungen je nach den Bedingungen des Ver- suches recht ungleich schnell. Sani fand bei der Keimung der OUve den Fettgehalt binnen 1 Woche von 42% auf 6,23% vermindert, bei Fagus binnen 8 Tagen von 38,19% auf 5,43% (4). Fürth konstatierte bei Ricinus 1) W. Detmer, Phys.-chem. Untersuchung über die Keimung ölhaltiger Samen (Leipzig 1875), p. 40 (Habilitationsschrift). — 2) Die Beobachtungen von J. Ner- KING, Pflüg. Arch., 85, 330 (1901), gehören wohl ebenfalls hierher, doch halte ich die dort vertretene Meinung von der Existenz von Fetteiweißverbindungen für uner- wiesen. — 3) Leclerc du Sablon, Compt. rend., 117, 524 (1893); iig, 610 (1894); Rev. g^n. Bot., 9, 313 (1897). M. Wallersteik, Chem. Zentr. (1897), /, 63. S. Frankfurt, Versuchsstat., 43, 143 (1894). M. Merlir, Ebenda, 48, 419 (1897). L. Maquenne, Compt. rend., 127, 625 (1908) G. Sani, Chem. Zentr. (1900), /, 773. O. V.FÜRTH, Hofmeisters Beitr., 4, 430 (1903). — 4) G. Sani, Atti Accad. Line. Roma, 13, 382 (1904). 736 Dreiundzwanzigetes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung. nach vierwöchentlicher Keimung bei Zimmertemperatur noch 7,5% Fett, während bei Bruttemperatur nach 9 Tagen nur noch 11,7% vorhanden waren. Jegorow(I) gibt an, daß in Gucurbitakeimlingen binnen 28 Tagen der Fettgehalt auf ein Drittel des anfänglichen Vorrates sinkt. Hingegen fand Deleano (2) bis zum 8. Keimungstage keine nennenswerte Fett Verminderung, dann aber schwanden in 2—3 Tagen 90% des Fettgehaltes ohne Abnahme des Samentrockengewichtes und unter Zunahme der wasserlösUchen Stoffe. Miller (3) sammelte an Helianthuskeimlingen ähnUche Erfahrungen. Die Vermutung, daß die Art der Fettsäuren auf die Schnelligkeit der Fettver- arbeitung Einfluß nehmen könnte, scheint durch die Erfahrungen von S. Iwanow (4) bestätigt zu werden: Fette, die reich sind an gesättigten Säuren, werden infolge des langsameren Abbaues dieser Fettsäuren merk- lich langsamer zum Verschwinden gebracht als Fette, die sehr wenig ge- sättigte Säuren enthalten. Schon Siewert und Müntz erwähnen die Tatsache, daß in keimenden Samen reichliche Bildung freier Fettsäuren zu konstatieren ist. Der letzt- genannte Autor fand bei Rhaphanus, im diffusen Licht gekeimt, nach 2 Tagen 54,62 % freie Fettsäuren, während ungekeimte Samen hiervon 10,17 % enthielten; nach 3 Tagen war der Säuregehalt auf 79,25 %, nach 4 Tagen auf 95,06 % gestiegen. Auch Papaver und Brassica Napus, im Dunkeln gekeimt, hatten nach 4—5 Tagen fast die gesamten Säuren des Fettes frei gemacht. Diese Beobachtungen stimmen auch mit neueren Angaben von Leclerc du Sablon, Wallerstein, Green (5), Jegorow und Iwanow. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß bei rascher Auf- arbeitung des Reservematerials, wie es offenbar bei den Versuchen von Deleano an Curcurbita der Fall war, der Säuregehalt sich innerhalb gewisser Grenzen hält: besonders wenn viel ungesättigte Säuren auf- treten, welche rascher verschwinden. Das Glycerin, welches neben den Fettsäuren entstehen muß, findet man meist nur in sehr geringen Mengen, Ist die Weiterverarbeitung gehemmt, wie bei Sauerstoffentziehung oder Narkose, so häufen sich Glycerin und Fettsäuren sehr stark an (6). Das Ätherextrakt aus gekeimten Ölsamen hat einen unangenehm ranzigen Geruch, braune Farbe und viscose Beschaffenheit, Sani betont, daß die Jodzahl stark herabgeht (für Fagus von 108,72 auf 57,47) und das an- fangs flüssige Fett eine fast feste Konsistenz annimmt. Dies hat sich mehrfach bestätigt (Miller, Jegorow, Iwanow), doch ist die Abnahme der Jodzahl bei verschiedenen Keimlingsspecies ziemhch different. Im ganzen stimmt auch diese Wahrnehmung zu der Annahme, daß die ge- sättigten Säuren weniger rasch verschwinden als die ungesättigten. Mit Hilfe der Bromierungsmethode kam Iwanow zu dem weiteren Ergebnis, daß die mehrfach ungesättigten Säuren (Linolensäure, Linolsäure) rascher verschwinden als die Säuren mit einer einzigen Doppelbindung (Ölsäure). Die Verseifungszahl des Fettes während der Keimung wurde wiederholt verfolgt, ohne daß sich klare Schlüsse ergeben hätten. Die Menge der flüchtigen Säuren nimmt stark zu. 1) M. Jegorow, Botan. Zentr., loi, 597 (1905). — 2) N. T. Deleano, Arch. Sei. Biol. St Pötersbourg, 15, 1 (1910). — 3) E. C Milleb, Ann. of Botan,, 24, 693 (1910); 26., 890 (1912). — 4) S. Iwanow, Jahrb. wiss, Botan., 50, 375 (1912). — 5) J. R. Green, Ann. of Botan., 4 (1890). Geben u. Jackson, Proceed, Roy. Soc, 77, B, 69 (1905). — 6) Vgl. V. Gräfe q. 0. Richter, Sitz.ber. Wien. Ak. (Dez. 1911). § 2. Fettspaltende Enzyme (Lipasen) in keimenden Samen. 737 Fettspaltende Enzyme (Lipasen) in keimenden Samen. "Wir wissen, daß bei der Keimung von Samen die Fettspaltung ebenso von Enzymen spezifischer Wirkung auf Fette katalysiert wird, wie es von der tierischen Fettverdauung und der Wirkung des Pankreas- sekretes seit Claude Bernard (1849) bekannt ist. Pelouze(I) beob- achtete zuerst, daß im Brei aus zerdrückten Ölsamen das Fett rasch bis auf einen geringen Rest in Glycerin und Fettsäuren zerfällt. Nachdem sich noch viel später Krauch (2) vergeblich bemüht hatte, Lipasen in Keimlingen aufzufinden, gewann zuerst Sigmund (3) Anhaltspunkte für die Existenz solcher Enzyme, indem er zeigte, daß mit Hilfe der WiTTiCHSchen Methode aus Keimlingen Extrakte erhalten werden, welche auf emulgiertes Fett spaltend einwirken, und daß auch in Chloroform- wasserautolyse diese Wirkung vor sich geht. Green (4) wies sodann in keimenden Ricinussamen, Lumia(5) außerdem in Curcurbita und Cocos Lipase nach. Ricinus, wie auch andere Euphorbiaceensamen sind besonders stark auf Fette wirksam, weswegen die Ricinuslipase durch zahlreiche Forscher, wie Connstein, Hoyer, Armstrong, Taylor, Fokin, Ja- LANDER und andere (6) besonders gründlich untersucht worden ist. Ein sehr aktives Präparat liefert auch keimende Arachis(7), nach Fokin ebenso Chelidonium. Zahlreiche andere untersuchte Samen lieferten weit schwächer wirksame Fermentextrakte. Man hat die Vermutung gehegt, daß die Lipasen aus verschiedenen Pflanzenarten different sind (8), doch ist dies zahlreicher methodischer Schwierigkeiten wegen nicht leicht zu ent- scheiden. Schon Green beobachtete, daß Erwärmen des Ricinussamen- breies mit verdünnter Säure starke lipoly tische Wirkung hervorruft; er deutete dies dahin, daß durch diesen Vorgang ein Zymogen in aktives Ferment übergeht. Bei der eigentlichen Lipolyse soll aber nach Green neutrale Reaktion des Gemisches die günstigsten Bedingungen schaffen. Später hat Connstein auf Grund seiner ausgedehnten experimentellen Erfahrungen mit Ricinusmaterial behauptet, daß eine erhebliche Lipolyse nur nach Ansäuren des Reaktionsgemisches erfolge; unterläßt man dieses, so erfolgt erst nach entsprechender Ansammlung von Fettsäuren nach einigen Tagen sprunghaft eine energische Fettspaltung. Nach Jalander und Tanaka(9) jedoch scheint es sich doch um Aktivierungsvorgänge zu handeln ; denn der erstgenannte Autor berichtet, daß eine Vorbehandlung 1) Pelouze, Arch. Chim. et Phys. (3), 45, 319 (1855). — 2) Krauch, Landw. Versuchsjtat., 23, 103 (1879). — 3) W. Sigmund, Sitz.ber. Wien. Ak., 99, I, 407 (Juli 1890); wo, 328 (1891); wi, 549 (1892); 119, l, 284 (1910). — 4) F. R. Green, Ann. of Botan., 4 (1890); Proceed. Roy. Soc, 47, 146; 4^, 370 (1891); 77, B, 69 (1905). — 5) C. LuMiA, Staz. sper. agr. ital., j/, 397 (1898). — 6) Connstein, Ber. Chem. Ges., 35, 3988 (1902); Ergebn. d. Physiol., 3, I, 194 (1904); Physiol. Zentr. (1905), p. 556. Hoyer, Ber. Chem. Ges., 37, 1436 (1904); Ztsch. physiol. Chem., 50, 414 (1907). H. E. Armstrong u. E. Ormerod, Proceed. Roy. Soc. Lond., 76, B. 606 (1905); 78, B, 376 (1906). A. E. Taylor, Journ. Biol. Chem, 2. 87 (1906). S. Fokin, Chem. Zentr. (1903), //, 1451; (1904), 7, 1365; //, 1463, 1617; (1906), //, 1463; (1907), /, 313. Jalander, Biochem. Ztsch., 36, 435 (1911). Sommervllle, Biochem. Journ., 6, 203 (1912). NiCLOUX, Compt. rend., 138, 1175, 1288 (1904); 139, 143 (1904); Soc. Biol., 56, 839 (1904). Jacoby, Abderhaldens biochem. Arb.- raeth., 3, I, 402 (1910). — 7) Dunlap u. Seymoür, Journ. Amer. Chem. Soc, 27, 935 (1905). — 8) Dunlap u. Seymoür, 1. c. Fokin, Chem. Zentr. (1906), //. 1463. — 9) Jalander, 1. c Y. Tanaka, Chem. Zentr. (1910), //, 1637. H'-Iouen- konzentration auch H. Davidsohn, Biochem. Ztsch., 49, 249 (1913). Czapek, Biochemie der Pflancen. I. s. Aud 47 738 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung. des Fermentpräparates mit "/jq Essigsäure allein genüge, um selbst in Wasser späterhin eine maximale Enzymwirkung zu erzeugen. Im Ricinussamen ist nach Connstein soviel Ferment enthalten, daß einige Gramm entfetteten Samenpulvers genügen, um binnen 4 Tagen bei Zimmertemperatur und Zusatz von 5 g "/j^ H2SO4 25 g verschiedener Fette völUg zu spalten. Statt entfettetes Samenpulver direkt zu verwenden,, gewinnt man den größten Teil der Lipase, wenn man Samenpulver in Wasser aufschwemmt, sodann die gröberen Teilchen durch Zentrifugieren entfernt und die erhaltene feine Emulsion (eventuell noch durch Ausschütteln mit Petroläther vom größten Teile des Fettes befreit) benützt. Jal ander stellte mit Petroläther noch eine enzymreiche Fällung her, die man monate- lang als trockenes Pulver ohne Verlust der Wirksamkeit aufbewahren kann. Es macht den Eindruck als ob die Lipase an Fetteilchen adsorbiert wäre. In rein wässeriger Lösung ohne Fettgehalt hat man sie noch nicht erhalten, hingegen geht sie in Äther ebenso, wenn dieser fetthaltig ist, wie in fett- hältiges Wasser über (1). Um ein Endoenzym scheint es sich auch in der Ricinuslipase nicht zu handeln. Will man in den Enzym versuchen eine mög- hchst starke Wirkung erzielen, so ist es nötig, die Mischung von Zeit zu Zeit zu schütteln. Die Temperatureinflüsse auf Ricinushpase sind die gewöhnlich bei Enzymen gefundenen (2). Taylor gibt den Van 't HoFFschen Koeffi- zienten mit 2,6 an. In Fettemulsion ist Lipase gegen Erhitzen relativ resi- stent. Es scheint das Fett als Schutzkolloid zu dienen, da nach Entfetten die Widerstandsfähigkeit des Fermentes gegen höhere Temperaturen sinkt. Die Säureaktivierung beginnt schon mit sehr kleinen Dosen (n/2000 Essigsäure nach J ALANDER) ; über '»/k, Essigsäure schädigt, ebenso ist das Ricmus- ferment gegen AlkaU empfindhch. Hingegen fanden Raffo und Pandini (3) die Lipase aus Koloquintensamen bei Gegenwart von Alkali am stärksten wirksam. Die Aktivierung von Lipase durch kleine Dosen von Mangansalzen ist bereits längere Zeit bekannt (4). Falck (5) fand, daß Mangansulfat selbst die durch Erhitzen inaktivierte Ricinushpase in einem gewissen Ausmaße wieder aktiv macht; dies wmrde dadurch erklärt, daß das Mangan nicht die Lipasereaktion selbst fördert, sondern ähnüch wie die Säuren die Überführung des Zymogens in wirksames Enzym. Die Lipasen wirken nicht auf alle Glycerinester gleich ein, es läßt sich allgemein sagen, daß die Alkylgruppen hierbei weniger entscheidend sind als die Acylgruppen (6). Während die tierischen Lipasen aus Magen, Pankreas, Darm usw. besonders die Ester niederer Fettsäuren leicht angreifen, spaltet Ricinuslipase am besten Tri- olein und andere Ester höherer Fettsäuren. Nach Jalander wird 1 g Tri- olein durch 3 mg Enzympräparat in 136 Stunden zu 88,4% gespalten. Tributyrin wird wenig angegriffen (Armstrong). Während frühere Angaben mehrfach dahin gelautet haben, daß die Reaktion der Ricinushpase mit Triolein als unimolekular der Wilhelm Yschen Gleichung folge (Taylor, Fokin), stimmen die Ergebnisse neuerer Autoren, wie Jalander, befriedigend mit der Annahme überein, daß das Verhältnis von Verseifungszahl x und Enzymmenge e sich der ScHÜTZschen Regel entsprechend durch die Gleichung 1) Vgl. für Pankreaslipase L. Berczeller, Biochem. Ztsch., 34, 170 (1911). — 2) Pennington u. Hepbukn, U. S. Dept. Agr. Washington (1912), Circ Nr. 103. — 3) Raffo u. PANrnm, Giorn. Farm. Chim., 61, 433 (1912). — 4) Einflüsse auf die Ricinuslipase: Falk u. Nelson, Joum. Amer. Chera. Soc, 34, 735 (1912). R. H. Fond, Amer. Journ. Physiol., 19, 258 (1907); Botan. Gaz., 45, 232 (1908). Bitnij-Schljachto, Biochem. Zentr., j, Nr. 33 (1904). — 5) K. G. Falck u. Hamlin, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 210 (1913). — 6) Kastle, Chem, Zentr. (1906), I, 1536. § 2. Fettspaltende Enzyme (Lipasen) in keimenden Samen. 739 ^ = k ausdrücken läßt. Da auch für die tierischen Lipasen sich bereits in einer Reihe von Fällen ein analoges Ergebnis herausgestellt hat(1), so dürfte diese Reaktionsformel der Wahrheit am nächsten kommen. Die von Tierlipasen bekannte Reversibilität der Fermentwirkung findet sich ebenso ausgeprägt bei Ricinuslipase, wie eine ganze Reihe von Arbeiten festgestellt hat (Taylor, Bradley, Connstein, Jalander, VVelter, Iwanow, Dunlap, Krausz u. a. (2). Die Lipolyse wird durch den Wasser- gehalt, die Fettsynthese durch die Verarmung des Substrates an Wasser begünstigt. Welter fand bei Palmölfettsäuren und Glycerin bis 35% Glyceride durch Ricinusenzym rückgebildet, bei den Komponenten des Cocosfettes 21%, Mais 22%, Arachis 19%, Ricinus 14%, Olein 26%. Man läßt 100 Teile Fettsäuren, 20 Teile 96%iges Glycerin und 10 Teile Ricinus- ferment gemischt 2 Tage stehen. Galle und cholsaure Salze, welche sowohl Fettspaltung als Fettbildung durch Pankreaslipase beschleunigen, sind auf RicinusUpase ohne Wirkung (3). Über fördernde und hemmende Einflüsse auf tierische Lipasen existiert bereits eine reiche Literatur (4). Ricinuslipase, die von Tanaka (5) in einem haltbaren Trockenpräparat untersucht wurde, wird nach diesem Autor durch die Fettsäuren nur wenig beeinflußt, jedoch durch Glycerin gehemmt, während Falk (6) Glycerin und Glucose wirkungs- los fand, wogegen Methylalkohol, Äthylalkohol, Aceton ausgesprochen die Hydrolyse von Äthylbutyrat hemmten. Oxydierte trocknende Öle, sowie ranzige Fette sah Tanaka von Lipase weniger angegriffen. AlkaÜ- salze sollen nach Tanaka fördern, und Pekelharing (7) vermutet, daß diese Förderung durch eine beschleunigte Ausscheidung der als Reaktions- produkte auftretenden Fettsäuren als Seifen Zustandekommen könnte. Doch scheinen nach Falk (8) die Verhältnisse nicht so einfach zu liegen, und es kommen möglicherweise koaguUerende Einflüsse auf das Enzym ins Spiel. Magnesia, Kalk, Kupfer hemmen nach Tanaka schon in geringen Mengen. Leucin undAsparagin hatten fördernde Wirkung, wogegen Eiweiß- zusatz ohne Effekt war. Die Beobachtungen von Dakin und von Neu- berg (9) haben gezeigt, daß bei den Lipasen auch sterische Differenzen im Substrate eine Rolle spielen können. Wenn inaktiver Mandelsäure- äthylester durch Lipase hydrolysiert wird, so wird zuerst vorwiegend die Rechtskomponente gespalten. Die Verfolgung der Lipolyse geschieht meist 1 ) A. Kanitz, Ztsch. physiol. Chem., 46, 482 (1905). H. Engel, Hofmeisters Beitr., 7, 77 (1905). Stade, Ebenda, j, 311 (1902). — 2) Außer den früheren Zitaten: H. 0. Bradley, Journ. Biol. Cham., 8, 251 (1910). A. Welter, Ztsch. angewandt. Chem., 24, 385 (1911). S. Iwanow, Beihefte bot. Zentr. 28, I, 159 (1912). Dunlap u. Gilbert, Journ. Amer. Chem. Soc, 33, 1787 (1911). M. Kraüsz, Ztsch. angewandt. Chem., 24, 829 (1911) Für tierische Lipasen vgl. A. Hämsik, Ztsch. physiol. Chem., 59, 1 (1909); 65, 232 (1910); 71, 238 (1911). Loevenhart, Amer. Journ. Physiol., 6, 331 (1902). Lombroso, A.rch. Farm, sper., 14, 429 (1912). Dila- tometr. Verfolgung der Volumzunahme bei Fettsynthese: Galeotti, Ztsch. phyeik. Chem., So, 241 (1912). — 3) Kalaroukoff u. Terroine, Soc. Biol., 63, 372 (1907). Donath, Hofmeisters Beitr., 10, 390 (1907). Loevenhart, Journ. Biol. Chem., 2, 391 (1907). Jansen, Ztsch. physiol. Chem., 69, 400 (1910). — 4) Vgl. Amberg u. Loevenhart, Journ. Biol. Chem., 4, 149 (1908); 2, 397 (1907) mit Peirce; Nicholl, Ebenda, 5, 453 (1909). Terroine, Biochem. Ztsch., 23, 404 (1910); Compt. rend.. 14S, 1215 (1909). Kastle, Chem. Zentr. (1906), /, 1555. Pottevin, Compt. rend., 136, 767 (1903). MoR'EL u. Terroine, Journ. de Physiol. et de Path. g^n., 14, 58 (1912). — 5) Y. Tanaka, Journ. Coli. Eng. Imp. Univ. Tokyo, 5. 125 (1912). — 6) K. G. Falk, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 616 (1913). — 7) Pekelharing, Ztsch. physiol. Chem., 81, 355 (1912). — 8) Falk, 1. c, p. 601. — 9) C. Neuberg. Biochem. Ztsch., /, 368 (1906). Darin, Proc. Chem. Soc, 19, 161 (1903); Journ. of Physiol., 32, 199 (1905). 740 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Resorption der Fette bei der Samenkeimung. auf acidimetrischem Wege durch Titration, doch kann man mit Vorteil nach IzAR(1) die Capillaritätsmessung mit dem TRAUBEschen Stalagmo- meter anwenden. Von den anderen Samenlipasen ist weit weniger bekannt. Euler (2) zeigte, daß auch im Preßsaft von Rapskeimhngen lipolytisches Enzym vor- handen ist. Angaben hegen sonst vor, bezüghch der Lipase aus Kolasamen (3), derjenigen aus den Haustorien der Cocossamen [Kruyff (4)], ferner über Lipase aus Crotonsamen (5), Amygdalus communis dulcis [Tonegutti (6)]. Hevea brasihensis (7), unreifen und reifen Bananenfrüchten (8) u. a. Überall scheint schon im ruhenden Samen reichhch Lipase vorgebildet zu sein, die bei der Keimung nur (durch Säure ?) aktiviert wird. Gehalt an Fett und Lipase gehen aber nicht bei allen tierischen und pflanzhchen Organen parallel (9). § 3. Weiteres über Fettspaltung und Fettresorption. Umwandlungs- produkte der Fettsäuren. Da die allgemeine Verbreitung von Lipasen in keimenden Ölsamen eine unbezweifelte Tatsache ist, so wird man genötigt sein, der Lipolyse für die Resorption und den Transport der Fette aus dem Nährgewebe in die Organe der Keimpflanze eine besonders wichtige Rolle zuzu- schreiben. Doch sind manche Punkte hinsichtlich der Fettresorption noch unklar. Vorerst wissen wir noch nicht, wie weit die Umwandlung des Fettes in den Nährgewebszellen an Ort und Stelle geht. Möglich ist es, daß ein völliger Umsatz des Fettes zu Kohlenhydraten in den Endospermzellen selbst stattfindet, und erst der gebildete Zucker weiteren Transport erfährt. van Tieghem (10) zeigte, daß isolierte Ricinus- endosperme ohne Embryo wachsen und ihr Fett selbst resorbieren; dieser Prozeß läßt sich durch Austrocknen hemmen und durch geeignete Bedingungen neuerlich wachrufen. Ferner spricht die lokal stattfindende Fettbildung in reifenden Samen für die Wahrscheinlichkeit eines Gegen- prozesses bei der Fettresorption. Endlich läßt sich der Erfolg der Versuche von Hansteen und Puriewitsch(II) an isolierten Endo- spermen, die mit künstlichen Absaugevorrichtungen zur Entfernung der Umsatzprodukte versehen waren, und wo bei Stärkeendospermen ohne Mitwirkung des Embryos starke Entleerung der Reservekohlenhydrate stattfand, bei Fettendospermen aber eine Entleerung nicht erreicht werden konnte, kaum anders verstehen als daß der oxydative Fettumsatz in den Nährgewebszellen selbst einsetzt. Andererseits besteht die Möglichkeit, daß wenigstens in be- schränktem Umfange ein Transport des Fettes in fein emulgiertem Zu- stande, mindestens der Fettsäuren in Emulsoidform, von Zelle zu Zelle stattfindet. Daß man künstlich feinst emulgiertes und gefärbtes Fett 1) G. IzAR, Biochem. Ztsch., 40, 390 (1912). — 2) A. u. H. Euler. Ztsch. physiol. ehem., sh 244 (1907). — 3) H. Mastbäum. Chem. Zentr. (1907), /, 978. VAX DEN Driessen-Mareeuw, Pharm. Weekbl., 46, 346 (1909). — 4) E. de Kruyff, Bull. Dep. Agric. Buitenzorg, 4; Chem. Zentr. (1908), /, 746. — 5) F. Scurti u. Parrozzani, Gazz. chim. ital., 37, I, 476 (1907). — 6) M. Tonegutti, Staz. sper. agrar. ital., 43, 723 (1910). — 7) Dunstan, Proc. Chem. Soc, 23, 168 (1907). — 8) Bailey, Journ. Amer. Chem. Soc, 34, 1706 (1912). — 9) Vgl. H. C Bradley, Journ. Biol. Chem., /j, 407 (1913). — 10) van Tieghem, Compt. rend., 84, 578 (1877); Ann. Sei. Nat. (6). 4, 180 (1876). — 11) B. Hansteen, Flora (1894), Erg.bd., p. 424. K. Püriewitsch, Jahrb. wiss. Botan., 31, 17 (1897). § 3. Weiteres über Fettspaltung und Fettresorption. 741 zur Aufnahme in das Innere von Zellen bringen kann, haben RH. Schmidt und Pfeffer (1) auf pflanzenphysiologischem Gebiete schon vor längerer Zeit dargetan. Eigene Erfahrungen lehrten mich, daß diese Aufnahme von Fettemulsoiden bei hinreichend oberflächenaktiven Lipoiden sogar zur bleibenden Schädigung von Zellen führen kann. Bereits Schmidt hebt die Bedeutung der lipolytisch erzeugten Fettsäuren für die Er- zeugung haltbarer feinster Fettemulsoide hervor, da diese zur Bildung von Schutzhüllen um die Fettröpfchen (Seifenhäutchen) Anlaß geben (2). Auf tierphysiologischem Gebiete wurde früher die Bedeutung der Re- sorption feinstemulgierten Fettes wohl zu hoch eingeschätzt (3). Jeden- falls aber wird der Fettumsatz durch die Emulgierung und Oberflächen- vergrößerung sehr erleichtert, und schon die Verseifung muß hierdurch bedeutend gefördert werden. Das Glycerin verschwindet, wie schon erwähnt, besonders rasch nach der Lipolyse; es ist nur unter abnormen Lebensbedingungen reich- licher nachzuweisen. Ohnedies macht es nur 8 — 10 % des Fettgewichtes aus. Erwähnt wurde auch, daß nach Iwanow Gründe zur Annahme bestehen, daß die Säuren mit mehreren Doppelbindungen zunächst um- gesetzt werden; ihnen nach folgen die einfach ungesättigten Säuren und dann erst die gesättigten Säuren, wie man aus der relativen Vermehrung der letzteren und aus dem raschen Sinken der Hexabromidzahl schließen darf. Vielleicht wird bei künftigen Untersuchungen über den Fettumsatz etwas mehr auf die Parallele mit dem Ranzigwerden von Fetten an der Luft zu sehen sein, und man wird nach niedrigen Fettsäuren und ver- schiedenen Fettsäurealdehyden zu suchen haben. Zweifellos sind die Umsetzungen der Fettsäuren oxydativer Art, da im anaeroben Leben von Samen nach Godlewski(4) die primären lipolytischen Produkte unverändert verbleiben. Doch werden sich da voraussichtlich Ausnahmen auf anderen Gebieten (anaerobe Bacterien) ergeben, wie auch Wein- land (5) über einen merkwürdigen Spaltungsvorgang von Fetten unter Bildung von COg und Hg im Brei aus Calliphorapuppen bei Luftabschluß berichtete. Um eine der bekannten Oxydationen von Fett, mit suk- zessiver Abspaltung von COg und Bildung von Oxysäuren, dürfte es sich beim Aufarbeiten des Reservefettes kaum handeln. Nach Hanriot(6) kann Fett bis 15 % aktiven Sauerstoffes binden, wobei als Oxydations- produkte unter anderem Essigsäure und Buttersäure auftreten; es entstehen hierbei aber weder Ameisensäure noch Oxalsäure, noch irgend ein Zucker oder ein Kohlenhydrat. Seit Sachs' Untersuchungen über den Keimungs- vorgang wissen wir aber, daß Ölsamen ansehnliche Mengen von Trauben- zucker, Rohrzucker und Stärke bilden, wenn das Fett aufgezehrt wird. Nach Leclerc du Sablon(7) enthalten ungekeimte Ricinussaraen nur 0,4 % reduzierenden Zucker (als Traubenzucker berechnet), während bei 1 ) R. H. Schmidt, Flora (1891). — 2) Vgl. auch Gad, Dubois Arch. (1878), p. 181. Donnan, Ztsch. physik. Chem., j/, 42 (1899). Meunier u. Maurt, Cham. Zentr. (1910), //, 1416. — 3) Z. B.: MuNK, Zentr. Physiol., 14, 121 (1900). An- dererseits: Hofbauer, Pflüg. Arch., 5/, 263 (1900); 84, 619 (1901). Pflüger, Ebenda, 80, 131 (1900); 81, 375 (1900). Friedenthal, Zentr. Physiol., 14. 258 (1900). Levites, Ztsch. physiol. Cham., 49. 273 (1906); 5J, 349 (1907). Whitehead, Amer. Journ. Physiol., 24, 294 (1909). — 4) Godlewski u. PolszEniusz, Intra- molekul. Atmung von Samen (Krakau 1901), p. 256. Chudjakow, Landw. Jahrb., 23 (1894). — 5) E. .Weinland, Ztsch. f. Biol., 48, 87 (1906). — 6) Hanriot, Compt. rand., 727, 561 (1898). — 7) Leclerc du Sablon, Ebenda, //;, 524 (1893); //9, 610 (1894); Rev. gen. Bot., p, 313 (1897). 742 Vi erund zwanzigstes Kapitel: Die Fettbildung in reifenden Samen u. Früchten der Keimung der Glucosegehalt bis zu 20% ansteigt. Maze(1) gab an, in der Autolyse von Ricinussamenbrei eine Vermehrung des redu- zierenden Zuckers gefunden zu haben; da jedoch in seinen Daten eine entsprechende Fettabnahme nicht klar erwiesen ist, so liegt der Verdacht nahe, daß der Zucker auf enzymatischem Wege aus Reservecellulose oder Stärke hervorgegangen war. Vierundzwanzigstes Kapitel; Die FettbilduDg in reifenden Samen und Früchten. Bezüglich der Vorgänge der Fettbildung in reifenden Ölsamen (die mehrfach studierte Fettbildung im Fruchtfleisch der Olive sei hier im Einschlüsse mitbehandelt) sind unsere Kenntnisse gleichfalls noch sehr unbefriedigende. Schon Meyen und Mulder (2) wußten, daß unreife Ölsamen reichlich Stärke enthalten. Alle folgenden Untersuchungen haben ergeben, daß die Fettsamen im unreifen Zustande in ihrem Nähr- gewebe anfangs verschiedene Zucker und Kohlenhydrate, jedoch kein Fett enthalten, und daß sodann ein steigender Gehalt an Fett sicher- zustellen ist, während sich Zucker und Kohlenhydrate bis auf einen geringen Betrag vermindern. Äußerlich gibt sich dieser Umschwung im Stoffwechsel reifender Ölsamen schon in der Änderung des respira- torischen Koeffizienten zu erkennen. So lange die Ricinussamen noch weich und grün sind, ist der Quotient CO2/O2 kleiner als 1, d. h. es wird mehr Sauerstoff verbraucht als CO2 abgegeben; der Zuckergehalt ist groß, der Fettgehalt ganz gering. Während die Samen fester werden und die Testa sich färbt, wird der respiratorische Quotient größer als 1, d. h. es wird mehr COg abgegeben als O2 verbraucht. In der völligen Reife des Samens ist CO2/O2 wieder < 1 (3). Ganz ähnliche Verhältnisse wurden auch bei der Reifung von Oliven gefunden, die im unreifen Zustande Mannit enthalten. Nach Leclerc du Sablon (4) ist die fortschreitende Zuckerverminde- rung speziell im Glucosegehalt ausgeprägt, welcher bei jungen Samen von Juglans und Amygdalus recht bedeutend ist und während der Reife rasch absinkt. In diesen Fällen zeigen Saccharose und Stärke hingegen eine schwache Zunahme bis zur Reife, was aber ihrer geringen Quantität halber keine Rolle spielt. Als Beispiele der analytischen Befunde seien zuerst die von Rousille (5) bei der Reifung der Ohven ermittelten Zahlen angeführt : 1) Maze, Compt. rend., 130, 424 (1900); 134, 309 (1902). O. v. Fürth, Hof- meisters Beitr., 4, 430 (1903). — 2) Meyen, Neues System d. Pflanzenphysiol., 2, 293 (1838). Mulder, Physiolog. Chemie (1844—1851), p. 269 (wo allerdings irriger- weise ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Fettbildung und Sauerstoffabgabe angenommen wird. — 3) C Gerber, Compt. rend., J35, 658, 732 (1897). — 4) Le- clerc DU Sablon, Ebenda, 123, 1084 (1896). Saccharose in Mandeln: Vallee, Ebenda, J36, 114 (1904). Juglans nigra: Mo Clenahan, Journ. Amer. Chem. Soc, j7, 1093 (1909); 35, 485 (1913). — 5) A. Rousille, Compt. rend., 86, 610 (1878). VierundxwanzigstCB Kapitel: Die Fettbildung in reifenden Samen u. Früchten. 743 Rohfett: Eiweißgehalt Am 30 Juni . . . . 1,397% „ 30 Juli ... . 5,490 „ 30. August . . . 29,19 14,619% „ 30. September . . 62,304 4,189 „ 30. Oktober . . . 67,213 4,411 „ 25. November . . 68,573 4,329 Später haben Funaro und Zay(1) mit ähnlichen Ergebnissen die Fettbildung bei der Olivenreifung studiert. Die Beziehungen des Man- nits zur Fettbildung bilden aber nach Funaro noch eine offene Frage. Nach Hartwich und Uhlmann (2) läßt sich eine nennenswerte Vermehrung des Ölgehaltes der unreifen OHve erst im Juh konstatieren ; bis Mitte August enthält die Frucht 5,02% Fett, bis Ende Oktober aber schon 21,33%; von Januar an (Mitte Januar 22,85% Öl) bis zum Februar geht der Öl- gehalt etwas zurück. SCURTI und ToMMASi (3) fanden für zwei Olivensorten von Anfang August bis Anfang November den Fettgehalt von 3,66 resp.4,62% ansteigend bis 38,12 resp. 37,15%. Bei Ligustrum nahm vom 28. September bis Ende Dezember der Fettgehalt der Samen von 11,23—15,01% zu. In den Unter- suchungen von S. Iwanow (4) stellte sich eine deuthche Beziehung zwischen Fettbildung und Glucoseabnahme heraus, während die Saccharose schwach bis zur Samenreife zunahm. Bei Linum und Brassica Napus trat deutlich zutage, wie im ersten Monat der Samenreife das Fett rapid von 5—10% bis 30—45% zunahm, und sich später nur um wenige Prozente vermehrte. In bestimmten Fällen kommt es auch v^or, daß sich der Fettgehalt während der Samen- reife vermindert und Kohlenhydrate auf Kosten des Fettes entstehen. So ist es nach Korsakow (5) bei Agrostemma Githago, wo eine Abnahme des Fettes von 14,99 auf 6,77% beobachtet wurde. Vieles spricht dafür, daß ein Zuströmen von Zucker zu den Stätten der Fettbildung im Nährgewebe von auswärts erfolgt, und sodann in den Nährgewebszellen lokal die Fettbildung einsetzt. So konnte Pfeffer (6) an unreif der Kapsel entnommenen Samen von Paeonia sicherstellen, wie Fett an Stelle der massenhaft gespeicherten Stärke tritt. Nähere histologische Untersuchungen über die Ablagerung des Reservefettes im Zellplasma stehen aus. Zur Kenntnis der Fettbildung ist es wichtig, daß der unreife Samen ein Stadium passiert, in welchem er sehr reich an freien Fettsäuren ist [Leclerc du Sablon, Rechenberg (7)]. So fand Rechenberg an freien Säuren in Prozenten der Gesamtfettmenge: Unreife Unr. Samen in off. Samen Schale lieg, gelass. Brassica Rapa 0,133% 0,074%, Napus 2,137 0,138 CameUna sativa 2,070 — Halbreife Samen Vorjähr, voll- reife Samen 0,036% 0,032 0,324 0,087% 0,87 0,313 1) A. FuNARO, Landw. Versuchsstat., 25, 52 (1880). C. E. Zay, Staz. sper. agrar. ital., 34, 1080 (1901). — 2) C. Hartwich u. Uhlmann, Arch. Pharm., 240, 471 (1902). — 3) F. ScuRTi u. Tommasi, Ann. Staz. Chim. Agr. sper. Roma (2), 4, 253 (1910); 5, 103 (1912); 6, 29, 39 (1913). — 4) S. Iwanow, Beihefte bot. Zentr., 28, I, 159 (1912). — 5) M. Korsakow, Compt. rend., 155, 1162 (1912). - 6) W. Pfeffer, Jahrb. wies. Botan., 8, 510 (1872); Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., /, 616 (1897). Auch Spampani, Boll. Soc. Bot. Ital. (1899), p. 139. Härtwich, 1. c. Mesnard, Ann. Sei. Nat. (7), r8 (1894). — 7) v. Rechenberg, Ber. Chem. Ges., 14, 2216 (1881). 744 Vierundzwanzigstes Kapitel: Die Fettbildung in reifenden Samen u. Früchten. In den Versuchen von Iwanow sank die Säurezahl bei Raps während des ersten Reifungsmonats von 74,31 bis 13,88, im zweiten Monat bis zur Vollreife auf 9,4. Bei Papaver sank die Säurezahl von 46,19 auf 8,093. Dahingegen war bei Linum nur eine relativ geringe Abnahme der Säurezahl (von 15,4 bis 5,65), am geringsten bei Cannabis (5,81 bis 2,49) zu konstatieren. Man kann daraus schließen, daß zunächst freie Fettsäuren sich bei der Fettbildung in größerem oder geringerem Maße anhäufen, worauf sich deren Esterifizierung zu Glyceriden anschheßt. Iwanow (1) hat diesen Prozeß im Brei aus zerriebenen unreifen Ricinussamen direkt verfolgt, und ebenso kamen Dunlap und Gilbert (2) zu dem Ergebnis, daß fett- freier feinzerteilter Ricinussamen, mit Glycerin und Ölsäure zusammen- gebracht, Triolein bildet. Zweifellos handelt es sich um eine synthetische Wirkung der Lipase. Man darf also die Glyceridsynthese als aufgeklärt ansehen. Bezüglich des Auftretens der Fettsäuren finden sich Ansätze zur näheren Aufhellung des Vorganges in den Arbeiten von Iwanow, Von Interesse ist das Verhalten der Jodzahl während der Samenreife. Bei Samen, die, wie Linum, sehr viel ungesättigte Säuren enthalten, kann man deutlich verfolgen, wie die Jodzahl zunimmt (von 120,6 bis 175,3). Da auch die Bromierungsmethode nach Hehner-Mitchell zeigt, daß die Ausbeute an Hexabromid am stärksten zunimmt, sodann die Ausbeute an Tetrabromid, so darf man schließen, daß besonders die Linolensäure an dem Wachsen der Jodzahl beteiligt ist. In anderen Fällen (Brassica, Cannabis, Papaver) sind die Schwankungen der Jodzahl nur gering, während die Menge der freien Säuren beträchtlich wird; letztere können in ihrer Hauptmasse demnach nur aus gesättigten Säuren bestehen. Iwanow schließt aus seinen Ergebnissen, daß die gesättigten Fettsäuren zuerst auftreten, und aus ihnen die ungesättigten hervorgehen. Diese zuerst auftretenden gesättigten Säuren müssen auch zum größten Teil bereits aus höheren nicht flüchtigen Säuren bestehen, da die Reichert- MEissLsche Zahl zu Beginn der Fettbildung nicht größer ist. Woher nun die erstgebildeten Fettsäuren kommen, ist bisher nicht aufgehellt. Da auch in Iwanows Analysen der Glucoseverbrauch bei der Fettbildung stark hervortritt, so räumt dieser Autor wie die früheren Forscher, der Glucose die erste Stelle unter den Fettbildungsmaterialien ein. Auch in der Tierphysiologie ist reichliche Fettbiidung durch Kohlen- hydratzufuhr mehrfach sichergestellt (3). Der Mechanismus dieses Vor- ganges ist jedoch noch völlig kontrovers. Für die Entstehung der Säuren mit Ci2 und Cjg, die ja so häufig als Fett-Hauptbestandteile a,uftreten, hat die Idee von E. Fischer (4), wonach sie sich aus 2 — 3 Glucose- molekeln kombinieren, viel bestechendes. Weniger leicht kann die Physio- logie der Meinung Fischers folgen, wenn er die Palmitinsäure aus 1 Hexose- und 2 Pentosenmolekeln entstehen läßt, da man bisher über eine Rolle von Pentosen im aufbauenden Stoffwechsel nichts in Erfahrung gebracht hat. In neuerer Zeit hat eine andere Theorie des Überganges von Glucose zu Fett Aufmerksamkeit erregt, welche auf die Bedeutung 1) S. Iwanow, Ber. Botan. Ges., 29, 595 (1911). — 2) F. L. Dunlap u. Gilbert, Journ. Amer. Chem. Soc, jj, 1787 (1911). — 3) Lehmann u. Voit, Ztsch. f. Biol., 42, 619 (1901). J. B. Leathes, Ergebn. d. Physiol., 5, 356 (1909). — 4) E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 23, 2138. Untersuch, üb. Kohlenhydr. u. Fer- mente (1909). Vierundzwanzigstes Kapitel: Die Fettbildung in reifenden Samen u. Früchten. 745 des Acetaldehyds als Intermediärprodukt hingewiesen hat. Magnus- Levy(1) hatte zur Erklärung der Bildung von Buttersäure, Capronsäure und Essigsäure bei der Leberautolyse angenommen, daß zunächst aus Zucker Milchsäure und aus dieser COg, Hg und CH3 • COH entstehen. So könnten SCaHgOg -^ 9C2H4O + QHg + 9CO2 geben und 9C2H4O + 7H2 Stearinsäure und 7 HgO liefern. Auch Büchner und Meisenheimer, Nencki, Raper undEuLER(2) haben an ähnliche Vorstellungen angeknüpft. Der letztgenannte Forscher denkt sich den Übergang Glucose über Glycerinaldehyd — Milchsäure — Acetaldehyd, Kondensation von 2 Mol. Acetaldehyd über Aldol zum dem Aldehyd der Sorbinsäure: CH3 — CH = CH — CH = CH — COH, Oxydation zu Sorbinsäure, die zu Capronsäure reduziert wird. Kondensation vouc 3 Mol. Sorbinaldehyd müßte analog zu Ölsäure bei unvollständiger Reduktion und zu Stearinsäure bei voll- ständiger Reduktion führen. Euler macht darauf aufmerksam, daß der- artige Vorstellungen sowohl die gerade Kohlenstoffzahl, als auch die normale Kohlenstoffkette der gewöhnlich vorkommenden Fettsäuren ohne weiteres verständlich machen. Die erwähnte Theorie hat physiologisch das für sich, daß sie an Prozesse anknüpft, welche mit der Alkohol- gärung und Glucolyse verwandt sind. Ida Smedley(3) hat ferner darauf hingewiesen, daß die Kondensation von Aldehyden mit Brenztrauben- säure in alkalischer Lösung zu a-Ketosäuren Ausblicke auf das Problem der Fettbildung ermöglicht. Die Ketosäuren müßten bei der Oxydation unter COg- Abspaltung ^-Oxysäuren und ungesättigte Säuren ergeben, z. B.: CH3 . COH + CH3 . CO . COOK = CH3 . CHOH • CH2 • CO • COOH CH3 . CHOH . CH2 • CO . COOH f 0 = COo + CH3 • CHOH • CH2 • COOH CH3 . CHOH . GH2 . COOH — H2O = CH3 . CH : CH . COOH. Die Glycerinbildung aus Glycerinaldehyd in der überlebenden Leber wurde bereits von Embden(4) experimentell nachgewiesen. Bildung höherer Fettsäuren aus Eiweiß ist wohl von tierchemischen Prozessen bekannt [Brei von Schmeißfliegenlarven, Weinland (5)], jedoch nicht aus dem Pflanzenkörper. Die Bedeutung der relativ großen Protein- mengen in Ölsamen ist zurzeit gänzlich unklar. Vielleicht wird man zum Verständnis der Fettbildung aus Kohlen- hydraten die Bildung von Buttersäure, Capronsäure, Giycerin bei Bacterien auf Glucosenährboden künftighin noch heranzuziehen haben. Selbst Palmitinsäurebildung ist von Emmerling(6) bei Bac. butylicus beobachtet worden. Durch einige Forscher wurden noch ganz andere Stoffe mit der Fettsynthese in Beziehung gebracht, so für die Fettbildung bei Juglans nigra das Tannin [Mc Clenahan(7)], und für die Entstehung des Oliveufettes durch Scurti und Tommasi (1. c.) wenigstens partiell die in den Blättern gebildete Wachsalkohole, wie das Oleanol bei Olea europaea, das Ligustrol bei Ligustrum und das Phillyreol bei Phillyrea media. 1) A. Magnus -Levy, Arch. Anat. u. Pfays., Phys. Abt. (1902), p. 365. — 2) Buchner u. Meisenheimer, Bar. Cham. Ges., 43^ 1773 (1910). Nencki, Ebenda, 10, 1033 (1877). H. St. Raper, Proc. Chem. Soc, 23, 235 (1907); Journ. of Physiol., 32, 216 (1906). H. Euler, Pflanzenchemia, //, 212 (1909). — 3) Ida Smedlet, Zentr. Physiol., 26, 915 (1912); Journ. of Physiol. (Dec. 1912). — 4) G. Embden, Schmitz u. Baldes, Biochem. Ztsch., 45, 174 (1912). — 5) Weinland, Ztsch. f. Biol., 5', 197 (1908). Vgl. auch H. Schütze, Arch. Hyg., 76, 116 (1913). — 6) Emmerling, Ber. Chem. Ges., 30, 451 (1897). — 7) Mo Clenahan, Journ. Amer. Chem. Soc, 31, 1093 (1909). 746 Fünfundzwanzigstes Kapitel: Reserrefett in Achsenorganen und Laubblättern . Fünfundzwanzigstes Kapitel: Reservefett in Achsenorganen nnd Laubblättern. Fett als Reservestoff von unterirdischen Stämmen, Zwiebeln, Knollen und Wurzeln. In unterirdischen Speicherorganen kommen größere Mengen von Reservefett nur in relativ seltenen Fällen vor, fast immer finden sich hier ausschließUch Kohlenhydrate als stickst of freies Reservematerial. Er- hebhche Mengen Fett führen die Wurzelknollen einiger Cyperaceen [Cyperus esculentus 27— 28 %(1); Kyllinga monocephala(2)]. Nägeli(3) gibt auf Grund mikroskopischer Untersuchung von Bupleurum stellatum L. ziemlich viel Fett, von Parnassia und Androsaemum viel Fett in den Rhizomen an. Kleine Mengen Fett dürften sich aber wohl überall finden. In den nachfolgenden Literaturangaben beziehen sich die Zahlen für Rohfett und Kohlenhydrate auf Prozente der Trockensubstanz. Wasser- Roh- Kohlen- gehalt fett hydrate Proz. Proz. Proz. Polystichum FiHx — 6 — LucK, zit. in Flückiger, mas Pharm. (3. Aufl.), p. 316. Cyperus esculentus — 28,06 43,07 R. Y. LUNA 1. c. Colocasia antiquo- 81,71 1,03 80,77 Kellner, Jahresber. Agr. rum ehem. (1884), p. 409. Alocasia indica — 0,89 Alocasia macror- - 1,01 - rhiza Xanthosoma viola- ceum - 1,24 - Peckolt, Just Jahresber. (1893), //, 472. Xanthosoma sagitti - — 1,60 — fohum Conophallus Kon- 91,76 0,98 75,16 Kellner, Versuchsstat., ?o, jaku 42. Erythronium Dens — 0,135 — Draggendorff, Arch. Pharm. canis 213, 7 (1878). LiHum tigrinum, Zwiebel 71,46 0,83 75,69 Kellner 1. c. (1884). Alhum Cepa, 88,55 2,08 76,54 Jahresber. Agr.-chem. (1887), Zwiebel p. 421. Iris germanica, Rhiz . — 9,62 57,04 Passerini, Jahresber. Agr.- chem. (1892), p. 178. Dioscorea japonica 80,74 0,84 22,13 Kellner 1. c. Dioscoreaknollen — 0,158 bis 0,3 - J.M.Maisch, Just(1893),p.464. Dioscoreaknollen, Brasilien — 0,02 bis 1,18 - Peckolt, Just (1885), /, 77. 1) R. y. LuNA, Lieb. Ann., 7S, 370 (1851). C. Hell u. Twerdomedoff, Ber. Chem. Ges., 22, 1742 (1889). — 2) Wahlenberg in Treviranus, Physiologie, 2, 47 (1838). — 3) Nägeli, Stärkekörner (1858), p. 559, 563, 567. § 1. Fett alB Reserveßtoff v. unterird. Stämmen, Zwiebeln, Knollen u. Wurzeln. 747 Wasser- Roh- Kohlen _ gehalt fett hydrate Proz. Proz. Proz. Curcuma sp., 8,07—9,08 7,51—8,84 — Leach, Chem. Zentr. (1904), Rhizom //, 1621. Nelumbo nucifera 85,84 1,44 78,79 Kellner 1. c. Beta vulgaris 91,76 1,82 56,76 Jahr.ber. Agr.chem. (1887) 1. c Zuckerrübe 86,97 0,61 69,74 Jahr.ber. Agr.chem. (1887) 1. c Manihot Aipi, ge- 61,30 0,17 30,98 EwELL u. WiLEY, Jahresber schälte Knollen Agr.chem. (1894), p. 213 Joannesia princeps 55,83 0,2 — Th. Peckolt, Ber. pharm. Vell., Wurzelknolle Ges. 15, 183 (1905). Polygala Senega L. — 4,55 — A. Schroeder, Arch. Phar., Wurzel 243, 628 (1905). Daucus carota, 87,76 3,82 65,28 Jahresber. (1887) 1. c. Wurzel Peucedanum Canbyi , — 2,12 27,68 Trimble, Just (1890), /, 91 Wurzelknollen Cicuta maculata L. - 0,54 — Blacksmann, Just (1893), II 454. 81,27 Kellner 1. c. Ipomoea Batatas 75,01 1,16 Solanum tuberosum 75,90 0,46 83,05 Jahresber. (1887), I.e. Stachys tuberifera 78,83 0,18 16,57 Planta, Versuchsstat., 55, 478 (1888). Dipteracanthus — 0,123 — Th. Peckolt, Ber. Pharm. tomentosus Ges. 22, 388 (1912). Bignonia exoleta Vell ., Wurzelrinde — 0,2 — Knollen 80,58 0,302 — Stemnolobium stans D. Don, Th. Peckolt, Ber. pharm. Wurzelrinde 57,5 0,205 — Ges. 22, 24 (1912). Zeyhera montana Mart., Rhizom 46,66 0,6 — Jacaranda racemosa Cham., Wurzelrinde 13,0 0,253 — Cichorium Intybus 77,3 0,20 17,30 A. Mayer, Jahresber. Agr.- chem. (1883), p. 352. Arctium Lappa 73,68 0,82 69,13 Kellner 1. c. Dem Werke von König seien noch nachstehende Daten entnommen ; der Fettgehalt ist hier in Prozenten der Frischsubstanz ausgedrückt; die Zahlen sind Mittelwerte. Wassergehalt Fettgehalt Solanum tuberosum 74,98% 0,09- -0,19% Heüanthus tuberös. 79,24 0,14 Brassica Napus escul. 87,80 0,21 Rapa 90,78 0,22 Beta vulgaris. 87,50 0,14 Zuckerrübe 82,25 0,12 Jatropha Manihot 67,65 0,40 Rhaphanus sativ. 93,34 0,15 Cochlearia Armorac. 76,72 0,35 748 Fünfundzwanzigstes Kapitel: Reservefett in Achsenorganen und Laubblättem. Wassergehalt Fettgehalt Allium Cepa 85,99% 0,10 % „ Porrum 87,62 0,29 „ sativum 64,66 0,06 Chaerophyllum bulbos. 65,34 0,32 ,, Prescottii 76,00 0,60 Daucus Carota 86,79 0,30 Pastinaca sativa 82,05 0,55 Apios tuberosa 57,60 0,80 Boussingaultia baselloid. 85,10 0,27 Sagittaria sagittifol. 66,86 0,55 Scorzonera hispanic. 80,39 0,50 Apium graveolens 84.09 0,39 Eine kleine Reihe von Analysen hat sich mit der Feststellung der Fettsäuren im Reservefett unterirdischer Speicherorgane befaßt. Nephrodium Filix mas, Rhizom, enthält nach Katz(1) Olein, Pal- mitin, Cerotin und Spuren von Buttersäure. LuCKs ,,Filixolinsäure" ist nur Ölsäure. Nephrodium spinulosum enthält im Rhizomfett nach Farup (2) Triolein, 4% Linolein, wahrscheinlich auch IsoUnolensäure und geringe Mengen fester Fettsäuren. Das Öl aus Cyperusknollen besteht nach Hell und Twerdomedoff 1. c. hauptsächlich aus Olein, Myristin, Palmitin und Stearin. Trimyristin findet sich auch im Irisrhizom [Flückiger(3)]. Das Rhizom von Iris versicolor L. enthält nach Power und Salway(4) Laurin, Stearin, Palmitin, wenig Olein und Cerotin. Die Wurzel von Paeonia Moutan führt nach Martin (5) Caprinsäure. In der Wurzel von Lasiosiphon Meissnerianus fand Rogerson (6) Palmitin und Olein. Oenanthe crocata enthält nach Tutin (7) Palmitin und Linolein. Für die Archangelicawurzel ist von R. Müller (8) Oxymyristinsäure angegeben. In der Wurzel von Scopoha carnioHca fanden Dunstan und Chaston ^9) Arachinsäure. Withania somnifera führt in der Wurzel nach Power und Salway(IO) Cerotinsäure, Palmitin, Stearin, Olein, Linolein und höhere Alkohole. Im Fett von Kartoffelknollen konstatierte Eichhorn (11) freie Fettsäuren. Das|Fett von Br yonia dioica- Wurzel enthält nach Power und Moore (1 2) Olein, Linolein, Palmitin, Stearin. In dem Fett aus der Wurzel von Polygala Senega fand Schroeder (13) Valeriansäure, Essigsäure, 7,93% Palmitinsäure, 79,29% Ölsäure. Aus dem Fett der Taraxacumwurzel wurden Palmitinsäure, Ölsäure, Linolsäure, Meüssinsäure und Cerotinsäure isohert (14), aus der Wurzel von Caulo- 1) J. Katz, Arch. Pharm., 236, 665 (1898). — 2) P. Farup, Ebenda, 242, 17 (1904). — 3) Flückiger, Ebenda, 208, 481 (1876). — 4) Fr. B. Power u. A. H. Salway, Amer. Journ. Pharm., 83, 1 (1911). — 5) G. Martin, Arch. Pharm., 213, 335 (1878). — 6) H. Rogerson, Amer. Journ. Pharm., 83, 49 (1911). — 7) Fr. Tutin, Pharm. Journ. (4), jj, 296. — 8) R. Müller, Diss. (Breslau 1880). — 9) W. R. Dunstan u. Chaston, Pharm. Journ. (1889), p. 461. — 10) Power u. Salway, Journ. Chem. Soc. Lond., 99, 490 (1911). — 11) H. Eichhorn, Pogg. Ann., 87, 227 (1852). — 12) Power u. Ch. W. Moore, Journ. Chem. Soc. Lond., 99, 937 (1911). — 13) A. Schroeder, Arch. Pharm., 243, 628 (1905). — 14) F. B. Power u. H. Browning jun., Journ. Chem. Soc, wi, 2411 (1912). § 2. Fett als Reservestoff von Stamm u. Zweigen bei Holzgewächsen. 749 phyllum thalictroides Olein, Linolein, Palmitin, Stearin, Cerotin(l), aus der Wurzel von Phaseolus multiflorus Olein und Linolein (2). Im ganzen scheinen die Verhältnisse dem Samenfett analog zu hegen. Über Fettbildung und Fettresorption bei unterirdischen Speicherorganen sind Untersuchungen bisher .nicht angestellt worden. Fett als Reservestoff von Stamm und Zweigen bei Holzgewächsen. Bis in die neuere Zeit herrschte die Annahme, daß im oberirdischen Stamme von Holzpflanz^n nur Kohlenhydrate als stickstoffreiche Reserve- stoffe vorkommen, woselbst sie im Herbst abgelagert werden, den Winter über ruhen und im Frühling auszuwandern beginnen. Russow(3) hat 1882 zuerst gezeigt, daß in den meisten Holzpflanzen während der Winterruhe eine mehr oder weniger reichliche Bildung von Fett auf Kosten des Vorrates an Kohlenhydraten (Stärke) erfolgt. Vom September bis Dezember nimmt bei den Holzgewächsen Nord- und Mitteleuropas die Stärke ganz allmählich ab, während sich Fett ablagert. Fett ist daher auch für die Stämme der Holzpflanzen als typischer Reservestoff anzunehmen. Baranetzky und Grebnitzky (4) bestätigten die Richtig- keit jener Befunde vollkommen, und es hat sodann A. Fischer (5) diese merkwürdige Stoffwechselerscheinung einer ausführlichen Untersuchung gewürdigt. Nach Baranetzky sind 9—10% der Trockensubstanz an Fett in Tüiazweigen während der Winterruhe vorhanden. Truman(6) gab für die Stamm- und Wurzelrinde von Juglans cinerea sogar 50 % fettes Öl an. Es fehlt auch nicht an Angaben über das Vorkommen von Fett in Stammorganen tropischer Pflanzen, z. B. Zuckerrohr (7). Für Farnstengel hat Rostowzew Fett als Reservestoff nachgewiesen (8). Auch wurde neuerdings das Fett verschiedener Objekte chemisch untersucht. Das Fett aus Rinde, Splint und Kernholz der Eiche besteht nach Metzger (9 j aus Olein, Palmitin und Stearin. F. Grüttner(IO) fand im Rinden- fett von Hamamelis virginica L. Olein und Palmitin als Hauptbestand- teile. Im unangenehm ranzig riechenden Holze von Goupia tomentosa fanden Dunstan und Henry (11) Ameisensäure, Isovaleriansäure, n-Capron- säure und Laurinsäure. Die Rinde von Rhamnus Purshiana enthält nach Jowett(12) 2 % Fett, bestehend aus den Glyceriden der Arachin- und Myristinsäure sowie aus freier Arachinsäure ; jene von Evonymus atropurpurea nach Roger- S0N(13) führt Oiein, Linolein, Palmitin und Cerotin; jene von Erythro- phloeum guineense nach Power und Salwäy (14) Cerotin, Palmitin, Stearin, Olein und Linolein. 1) Power u. Salway, Journ. Chem. Soc, 103, 191. — 2) Power u. Sal- WAY, Pharm. Journ. (4), 36, 550 (1913). — 3) E. Russow, Dorpat. Naturf. Ges., 6, 492 (1882). — 4) Baraketzky, Botan. Zentr., iS, 157 (1884). Über TUiafett ferner F. G. WiECHMANN, Amer. Chera. Journ., /; (1895). — 5) Alfred Fischer, Jahrb. wies. Botan., 22, 73 (1890). — 6) E. D. Truman, Just Jahresber. (1894), //, 401. — 7) F. SzYMANSKi, W. Lenders u. W. Krüger, Botan. Zentr., 67, 196 (1896). Festes Fett und Lecithin. — 8) Rostowzew, Just Jahresber. (1894), / 179 (Ophio- glosaura). — 9) P. Metzger, Diss. (München 1896). ~ 10) F. GrtJttner, Arch. Pharm , 236, I (1898). — 11) W. R. Dünstan u. T. A. Henry, Just Jahresber. (1898). //, 16. — 12) H. A. D. Jowett, Chera. Zentr. (1905), /, 388. — 13) H. RoGERSON Journ. Chem. Soc, loi, 1040 (1912). — 14) F. B. Power u. Salway, Amer Journ. Pharm., 84, 337 (1912). 750 Fünfundzwanzigstes Kapitel: Reserrefett in Achsenorganen und Laubblättem Fischer fand, daß bei manchen Bäumen die Stärke während der Winterruhe gänzlich schwindet und an deren Stelle massenhaft Fett auf- tritt, während bei anderen Baumarten nur relativ geringe Stärkeabnahme und Fettbildung zu konstatieren ist. Die ersteren („Fettbäume" Fischers, z. B. Tilia, Betula, Pinus silvestris) sind in der Regel weichholzig, im Gegensatze zu den oft hartholzigen „Stärkebäumen", wie Quercus, Corylus, Ulmus, Platanus, Pirus, Fraxinus und andere. Übergangsglieder zwischen beiden Typen sind die meisten Coniferen und Evonymus europaea. Die Umwandlung der Stärke beginnt nach Fischer Ende Oktober und Anfang November, dauert ungefähr 4 Wochen und ist (in Mitteleuropa spätestens Mitte Dezember vollendet. Das Fett bleibt drei Wintermonate hindurch (bis Ende Februar) liegen. Ende Februar beginnt die Regeneration dar Stärke, an welche sich im Frühling der Transport der saccharifizierten Kqhlenhydrate anschheßt. Die Fettbildung beginnt zuerst in den chloro- phyllhaltigen jungen Rindenteilen. Im Holze schreitet sie nach Fischer von der Markgrenze zentrifugal nach dem jüngeren Holze zu fort. Die Er- setzung der Stärke durch Fett läuft lokal in den Zellen des Speicherparen- chyms von Rinde und Holz ab, und ist mit keiner Translozierung von Reserve- material aus Zelle zu Zelle verbunden. Ein ganz geringer Rest von Stärke scheint meist, auch bei sehr reichhcher Fettbildung, in den Zellen zurück- zubleiben. Kurz nach Fischer beobachtete auch Suro2 (1) die Erscheinung mit ganz ähnhchen Ergebnissen. Nach diesem Autor scheinen zur Zeit der Fettbildung die Stärkekörner in winzige Körnchen zu zerfallen, zwischen welchen allmähhch Fettropfen verschiedener Größe auftreten. Bei Betula und Prunus soll hingegen die Stärke in sehr große kleisterähnhche Tropfen von unregelmäßiger Form übergehen, welche schüeßhch keine Jodreaktion mehr geben und sich mit Osmiumsäure intensiv schwärzen. Bei Betula werden sie alsbald durch kugeUge Öltropfen ersetzt, während sie bei Prunus den Winter unverändert überdauern und nur vorübergehend eine geringe Zahl kleiner Öltröpfchen formieren. Die mikroskopischen Befunde bedürfen wohl noch genauerer Kontrolle. Die Umwandlung m Fett beginnt in den älteren Zweigen und setzt sich auf die jüngeren fort. Nach SuROi^ beginnt der Prozeß in Rußland bei allen untersuchten Bäumen fast gleichzeitig im September und hat mit Erreichung des Fettmaximums im November sein Ende erreicht. Dann aber soll eine Fetteinwanderung aus den jüngeren Zweigen in die älteren Stammteile erfolgen, welche bis zu völUgem Verschwinden des Fettes in den dünnen Zweigen führt. Fischer beobachtete eine solche Trans- lokation nicht. Diese Fettbildungsvorgänge sind der Fettbildung in reifenden Samen ganz analog und mit der letzteren wenigstens physiologisch, wenn nicht auch chemisch, identisch. Ob die Ansicht berechtigt ist, daß die winter- liche Fetteinlagerung bei Holzpflanzen eine Art Kälteschutz darstellt (2), ist mir sehr zweifelhaft. Die Rückverwandlung des Fettes in Kohlenhydrate (Fettresorption) beginnt in unseren Breiten nach Fischer durchschnittUch Anfang März, also zu einer Zeit, wo wenigstens in den Mittagsstunden im Sonnen- schein bereits höhere Temperaturen geboten sind. Schon Russow konnte zeigen, daß man bereits im Januar oder Februar bei abgeschnittenen 1) SuROz, Beihefte bot. Zentr. (1891), p. 342. — 2) A. Fischer, 1. c. LiD- FORSS, Botan. Zentr., 68, 43 (1896); Vandevelde, Chem. Zentr. (1898), /, 466. Auftreten von Fett bei Laubblättern. 751 siärkefreien Zweigen verschiedener Baumarten durch Einstellen in Wasser bei 17® im Laboratorium binnen 24 Stunden reichliche Stärkebildung in den Rindenparenchymzellen hervorrufen kann. Im Kalthause bei 1—5° dauert die Stärkeregeneration hingegen einige Tage. Man kann selbst durch Wiederabkühlen in Rindenstücken eine neue Rückverwandlung der Stärke in Fett, allerdings sehr langsam, erzielen. Fischer sah die genannten Veränderungen sogar an dickeren mikroskopischen Schnitten beim Aufbewahren in der feuchten Kammer auftreten. Allenthalben scheint es sich um einen in der Zelle lokaUsiert auftretenden Vorgang zu handeln, und die Stärke erscheint dort wieder, wo sie im Spätherbste in Fett übergegangen war. In der Rinde und an der Markgrenze beginnt die Fettresorption gleichzeitig, und sie schreitet im Holze zentrifugal gegen das Gambium hin fort. Nach Sxjro2 setzt der Prozeß in den allerjüngsten Trieben ein und pflanzt sich auf die älteren Zweige fort. Jonescu(I) hat aber im Holze von Fagus silvatica noch in der zweiten Hälfte des Mai viel Fett konstatieren können, nachdem in den beiden Vormonaten daselbst nur Stärke in reichUcher Menge gefunden worden war. Dabei gehört die Buche zu den typischen „Stärkebäumen" im Sinne Fischers, d. h. sie bildet während des Winters nur relativ wenig Fett aus. Dieses Verhalten bleibt noch aufzuklären. Da NiKLEWSKi (2) später auf analytischem Wege die mikro9hemischen Befunde A. Fischers vollkommen bestätigen konnte, ist an der winterüchen Fettanhäufung in vielen Bäumen nicht zu zweifeln. Doch wird dies nicht immer im gleichen quantitativen Ausmaße zu erwarten sein, wie man aus den Angaben von Fabricius (3), Vandevelde und Befunden von Bert- hold (4) schüeßen darf. Als bloße Reaktion auf Temperaturerniedrigung darf man die winterUche Fettbildung nicht auffassen, sondern es spielen periodische Verhältnisse des Organismus hier eine große Rolle [Niklewski, Weber (5)]. Für die Knospen der Holzgewäches dürfte nach Fischer ebenfalls winterUche Fettbildung anzunehmen sein, so daß sich auch diese Organe den übrigen Reservestoffbehältern in ihrem Verhalten anschüeßen. Für unterirdische Speicherorgane allein stehen einschlägige Beobachtungen völhg aus, und es ist ungewiß, ob auch da Fettbildungsvorgänge in der Winterruhe vorkommen können. § 3. Auftreten von Fett bei Laubblättern. In ähnlicher Weise wie in den Achsenorganen zu Beginn der Winterruhe Fett aus Kohlenhydraten formiert wird, kommt auch in den wintergrünen Laubblättern nach mehrfachen Feststellungen eine Fett- bildung bis zu einem gewissen Grade zustande, so daß auch für Laub- blätter das Vorkommen von Reservefett sichergestellt ist. Die Unter- suchungen von Her, Schulz, Lidforss, Miyake, Czapek (6) haben 1) JoNESCü, Ber. Botan. Ges., 72, 134 (1894). — 2) B. Niklewski, Beihefte bot. Zentr., ig, I, 68 (1905). — 3) L. Fabeicius, Naturwiss. Ztsch. Land- u. Forstwiss., 3, 137 (1905). — 4) Berthold, Untersuch, z. pflanzl. Organis., //, 1. Hälfte, p. 122 (1904) und private Mitteilungen. — 5) F. Weber, Sitz.ber. Wien. Ak., 118, I, 967 (Juli 1909). Anatomisches über Fettröpfchen u. Stärke in Hoftüpfeln: G. Lakon, Ber. Botan. Ges., 2g, 175 (1911). — 8) E. Mer, Bull. Soc. Bot. France, 23, 231 (1876). E. Schulz, Flora (1898), 223, 248. B. Lidforss, Botan. Zentr., 68, 33 (1896). K. Miyake, Bot. Mag. Tokyo, 14, Nr. 158 (1900); Botan. Gaz., jj, 321 (1902). F. Czapek, Ber. Botan. Ges., ig, 120 (1901). 752 Fünfundzwauzigstes Kapitel: Reservefett in Achsenorganen und Laubblättern. Übereinstimmend ergeben, daß (in unseren Breiten Ende Oktober) mit Eintritt der Winterruhe die Stärke der immergrünen Blätter zu schwinden pflegt und Fettropfen in den Blattparenchymzellen auftreten. Nach Badalla(I) tritt im oberitalienischen Winterklima der Stärke- verlust in den Schließzellen nicht mehr bei allen Arten auf. In Laub- blättern ist aber niemals die Umwandlung der Kohlenhydrate so reichlich zu beobachten wie im Stamm, und das Endprodukt der Stärkelösung ist meist Zucker. Es wird noch näher darzulegen sein, daß dieser als Kälte- wirkung zu betrachtende Vorgang im wesentlichen darauf hinausgeht, daß das Zellplasma die Fähigkeit gewonnen hat, Zucker in erhöhtem Maße zu speichern („Erhöhung der Zuckerkonzentrationsstimmung"). Warum jedoch die Fettbildung auf Kosten des Zuckers eintritt, ist noch nicht aufklärt. Von einschlägigem Interesse ist auch der Umstand, daß wintergrüne Blätter, wie Bonnier und Mangin(2) fanden, in der Dunkel- heit zur Winterszeit weniger CO2 ausatmen, als sie Og aufnehmen. Der CO respiratorische Koeffizient -^^ wird dadurch während des Winters kleiner O2 als 1 und man kann die Atmung der Blätter im Winter mit der Atmung keimender Fettsamen analogisieren. Ob es Laubblätter gibt, welche bei normaler Außentemperatur Fett als normalen Reservestoff bilden, ist nicht bekannt. Einzelne Be- obachtungen wären wohl in dieser Richtung weiter zu verfolgen (3). Fettes Öl ist in manchen Haaren (besonders den Perlhaaren der Ampe- lideen) reichlich vorhanden (4). Nach einer Angabe von Peckolt(5) enthalten die Blätter von Dipteracanthus tomentosus 0,25 % Fett Power und Browning (6) isolierten aus dem Kraut von Euphorbia pilulifera Olein, Linolein, Pal- mitin und Melissinsäure; Heyl und Hepner(7) gewannen aus den Blättern von Zygadenus intermedius Stearin, Palmitin, Linolein, Olein, Isolinolenin und Cerotinsäure. Jedenfalls hat man dabei die Wachs- überzüge mit analysiert. Angaben über Reinfettbestimmungen an Blättern hegen bisher sonst nicht vor. Die Frage, ob Chloroplasten Fett statt Stärke als Speicherungs- produkt führen können, wurde bereits an anderer Stelle behandelt. 1) L. Badalla, Annali di Botan., 8, 549 (1910). -^ 2) Bonnier u. Mangin, Compt. rend., wo, 1992 (1885). — 3) Z. B.: L. Radlkofer, Sitz.ber. München. Ak., 20, 105 (1890), wo angegeben Avird, daß die Blätter von Cordiaceen, Combreta- ceen, Cinchoneeu im Parenchym krystallinisches Fett in keulenartigen, optisch doppelt- brechenden Massen führen. Hingegen betreffen die Vorkommnisse, welche N. A. MoNTEVERDE (Just Jahresber. [1888], /, 673) beschreibt, wohl andere Stoffe als Fettsäureglyceride. Vgl, auch die Beobachtungen von Rywosch, Ber. Botan. Ges., 15, 195 (1897). — 4) J. HOLMGREN, Botan. Zentr., //-, 482 (1911). — 5) Th. Peckolt, Ber. Pharm. Ges., 22, 388 (1912). — 6) Power u. Browning jun., Pharm. Journ. (4), 36, 506 (1913). — 7) F. W. Heyl u. Hepner, Journ. Amer. Chem. Soc, jj, 808 (1913). Sechsundzwanzigstes Kapitel : Fett als Resenestoff b. Thallophyten, Moosen usw. 753 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff bei Thallo- phyten, Moosen, Farnen, Pollenkörnern. § 1- Fett bei Bacterien. Fettropfen sind in Bacterienzellen häufig zu beobachtende Inhalts- körper. In einzelnen Fällen gelingt es, wie A. Meyer (1) für die bei Bac. tumescens kurz vor der Sporenbildung auftretenden Tröpfchen im Zellinhalte und für andere Vorkommnisse zeigen konnte, deren Fettnatur direkt chemisch nachzuweisen. Es führen aber nicht alle Bacterien Fett als Reservestoff. Meyer (2) wies das Fett durch Naphtholblaufärbung nach; die Reaktion stellt man mit a-Naphthol und Dimethyl-p-Phenylen- diamin bei schwach alkalischer Reaktion an. Eisenberg (3) beizte mit alkalischer Naphthollösung und färbte mit Fuchsin. Die Quantität des Ätherextrakts kann, wenngleich dem Fett hier auch andere Stoffe mitunter in nicht geringer Menge beigemengt sind, auch bei den Bacterien in der Regel als ungefähres Maß des Fettgehaltes gelten. Solche Rohfettbestimmungen liegen vor von Nencki und Schaffer (4) für Fäulnisbacterien (noch keine Reinzucht) 6—7% der Trockensubstanz; für Bacillus erythematis nodosi 8,97% nach Bovet(5); für Bacillus pro- digiosus 4,83% und Xerosebacillus 8,06% nach Kappes (6); füi- Tuberkel- bacillen 26,2—28,2% nach Hammerschlag (7); für Diphtheriebacillen 1,62% nach Dzierzkowski (8); für Rotzbacillen 39,29% und Tuberkelbacillen 37,57% nach Schweinitz und Dorset (9); für WEiCHSELBAUMsche Meningo- cokken 5,94% nach Ditthorn und Woerner(IO) und für Essigbacterien 1,56% Rohfett nach Alilaire (11). Gramer (12) erhielt bei verschiedener Ernährung von Spaltpilzen folgende Werte für den Ätherextrakt: auf 17o Pepton 5 7o Pepton ö'/^ Traubenzucker Pfeiffers Bacillus 17,7% 14,63% 24,0% „Wasserbacillus Nr. 28" 16,9 17,83 18,4 Pneumoniebacillus 10,3 11,28 22,7 Rhinosclerombacillus 11,1 9,06 20,0 Wie aus diesen Angaben, so geht auch aus dem Bericht von Lyons (13) hervor, daß die Rohfettmenge mit steigendem Traubenzuckergehalt des Substrates zunimmt. Das Maximum wird jedoch bereits bei 5% Glucose erreicht. 1) A. Meyer, Flora (1899), p. 431; Zentr. Bakt. I, 29, 809 (1901). A. Grimme, Zentr. Bakt., 32, 1 (1902). Sata, Zentr. allgem. Pathol. (1900), p. 97 (Sudanfärbung). — 2) A. Meyer, Zentr. Bakt. I, 34, 578 (1903). — 3) Ph. Eisen- berg, Ebenda, 48, 257 (1908); 51, 115 (1909). — 4) Nencki u. Schaffer, Ber. Chem. Ges., 12, 2386 (1879). — 5) V. Bovet, Monatsh. Chem., 9, 1152 (1888). — 6) H. C. Kappes, Koch Jahresber. Gär.org. (1890), p. 28. — 7) Hammerschlag, Zentr. klin. Med. (1891), Nr. 1. — 8) Dzierzgowski u. Rekowski, Koch, Jahresber. Gär.org. (1892), p, 65. Vgl. auch Menard, Soc. Biol., 72, 980 (1912). — 9) E. de Schweinitz u. M. Dorset, Journ. Araer, Chem. Soc, /;, 605 (1895); 18, 449 (1896); 25, 354 (1903). BüLLOCH u. Macleod, Journ. of Hyg. (1904), p. 1. — 10) F. Ditthorn u. Woerner, Hyg. Rdsch., 19, 1 (1908). — 11) E. Alilaire, Compt. reud., 143, 126 (1906). — 12) E. Gramer, Arch. Hyg., 16, 151 (1892). — 13) Lyons, Ebenda, 28, 30 (1897). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. .'i. Aufl. 48 754 Sechsundzwanzigstes Kapitel : Fett als ReserveBtoff b. Thallopbyten, Moosen usw. Die chemischen Eigenschaften der Bacterienfette wurden bisher nur am Ätherextrakt aus Tuberkelbacillen genauer festgestellt. Dieses Fett hatnachdenübereinstimmenden Befunden von Aronson, Kuppel, Kresling, Fontes (1 ) wachsartigen Charakter durch seinen reichhchen Gehalt an Fettsäureestern höherer Alkohole (83% Cerylalkohol, vielleicht auch Myricyl- alkohol). Baudran(2) gibt außerdem 15—18% Stearin und 10—12% Olein an; Palmitin fehlt gleichfalls nicht. Dieser Autor gibt das Gesamtfett mit 36—44% der Leibessubstanz an. Kresling gewann aus Tuberkelbacillen 38,95% Fett; die Konstanten waren folgende: F 46»; Säuregehalt 23,08; Reichert-Meisslzahl 2,007; Hehnerzahl 74,236; Verseifungszahl 60,7; Äther- zahl 36,62; Jodzahl 9,92; freie Fettsäuren 14,38%; aus ihren Estern abge- schiedene Alkohole 39,1% von 43,5—44° F. Kozniewski (3) erhielt aus Tuberkelbacillen vom Menschen 3,74% Ätherextrakt und 21,38% Aceton- extrakt; Rindertuberkulosebacillen lieferten 8—10% mehr. Das Produkt war ein weißes Wachs. Die Zusammensetzung C24H48O2 würde auf Dodecyl- alkohol-Lam-insäureester deuten, doch stimmt die Verseifungszahl nicht zu dieser Annahme. Tuberkelwachs ist gut löslich in Chlorhydrinen (4). Wahrscheinlich beruht die Schwierigkeit der Entfärbung der Tuberkel- bacillen bei Säurebehandlung, wodurch man sie gewöhnlich von begleitenden Mikroben differenziert, auf ihrem großen Gehalt an „Tuberkelwachs" (5). Für das Fett aus Rotzbacillen gaben Schweinitz und Dorset Olein und Palmitin als Bestandteile an. Nach Emmerling (6) scheint Bac. butyricus auf Traubenzuckerlösung Palmitinsäm-e zu bilden. Die Kenntnisse über die Chemie der Fettbildung bei Bac- terien sind sehr geringfügige. Nach den oben mitgeteilten Tatsachen scheint Zuckernahrung das beste Material zur Fettsynthese abzugeben. Doch wissen wir, daß auch auf Kosten von Eiweißstoffen in den Bacterien- leibern Fett gelDÜdet werden kann. So erfolgt bei der ReifuDg ver- schiedener Käsesorten nach neueren Untersuchungen (7) tatsächlich im Sinne älterer Angaben von Blondeau (1847) eine Fettvermehrung auf Kosten von Eiweiß. Ebenso ist es wohl bei der Bildung des Leichen- wachses oder Adipocire. Im weiteren Sinne gehört wohl auch hierher die schließliche Bildung von Petroleumkohlenwasserstoffen aus ver- schiedenen Fettsäuren, wenn eine langsame anaerobe Zersetzung der organischen Stoffe erfolgt (Erdölbildung) (8). Die Fettbildung bei Pyo- cyaneus in Bouillonkulturen wurde durch Beebe und Buxton(9) näher verfolgt. Fettspaltung und Fettresorption sind Vorgänge, die nicht von allen Bacterien gleich energisch ausgeübt werden. Krüyff(IO) nennt 1) Aronson, Berlin. kUn. Woch.Bchr. (1898), p. 484; (1910) 47, Nr. 35. W. G. RUPPEL, Ztsch. physiol. Chem., 26, 218 (1898). Die Proteine (1900), p. 90. Kresling, Zentr. Bakt. I, 30, 897 (1901); Arch. de Biol. P^tersbourg, //, 359 (1903). A. Fontes, Zentr. Bakt. I, 49, 317 (1909). — 2) G. Baüdran, Compt. rend., 142, 657 (1906). — 3) T. Kozniewski, BuU. Int. Acad. Sei. Cracovie, A (1912), p. 942. — 4) Salimbeni, Compt. rend., 155, 368 (1912). — 5) Vgl. Camus u. Pagniee, Soc. Biol., 59, 701 (1905). Auclair u. Paris, Compt. rend., 144, 278 (1909). G. Detcke, München, med. Woch.schr., 57, 633 (1910). — 6) O. Emmerling, Ber. Chem. Ges., 30, 451 (1897). — 7) Jacobsthal, Arch. gesamt. Physiol., 54, 484 (1893). Windisch, Arbeit, kais. Gesundh.amt, /; (1900). Rosenfeld, Ergebn. Physiol., 7, I, 655. H. Schütze, Arch. Hyg., 76, 116 (1913). — 8) Lit. bei F. Baum, Abder- haldens biochem. Handlexikon, i, 17 (1911). — 9) S. P. Beere u. B. H. Buxton, Amer. Joum. Physiol., 12, 466 (1905). Slosse, Arch. Int. Physiol., /, 284 (1904). — 10) E. DE Kruyff, BuU. Dept. Agr. Int. Nöerl., 9 (1908). § 1. Fett bei Bacterien. 755 die energischen Fettspalter „Lipobacterien". Zu ihrem Nachweis ver- wendet man eine Tributyrin oder Triolein in Emulsion enthaltende Nähr- gelatine (1), die Aufhellung um die Kolonien deutet die Lipolyse an. Auch Milch ist ein günstiger Nährboden. Starke Fettzehrer und Fett- spalter sind z. B. pyocyaneus und tetragenus nach Sommaruga (2), fluorescens liquefaciens [Laxa, Jensen, Krüyff(3)], putrificus, Stutzeri und eine mesentericus-ähnliche Form nach Söhngen (4); Jensen fand auch prodigiosus stark fettspaltend. Unter den von Wells und Corper untersuchten Mikroben wirkte Staphylococcus pyogenes aureus am stärksten lipolytisch, sodann Pyocyaneus, weniger Dysenterie- und Tuberkulose- baciilen. Milchsäuregärungsbacterien sowie Tyrothrix fand Laxa ohne Wirkung; Huss(5) isolierte aus Milch ein gut wirksames Clostridium lipolyticum. Milzbrandbacillen bilden nach Iwanow^(6) Fettsäuren in Milchkulturen; ihre Virulenz wird durch Fettzusatz zum Nährboden ge- schwächt (7). Auf Baumwollsaatraehl beobachtete König (8) Mikroben aus der Gruppe des subtilis und des mesentericus als Fettspalter. Andere Angaben über Mikroben auf zersetztem Fett finden sich bei Rahn (9). Rubner(IO) untersuchte die Fettresorption, durch Boden- bacterien. Aus den Arbeiten von Söhngen geht hervor, daß auch die bac- terielle Fettspaltung durch Lipasen ausgeübt wird. Das Medium hat keinen entscheidenden Einfluß auf die Produktion der lipolytischen Bacterienenzyme; nur eine verminderte Produktion ließ sich bei Gegen- wart von Säure feststellen. Die Lipasen werden auch bei Sauerstoff- abschluß produziert; hier häufen sich jedoch, da keine Weiterverarbeitung der Verseif ungsprodukte stattfindet, die letzteren an (11). Mehr wie andere Lipasen sind die bacteriellen Fettspaltungsenzyme empfindlich gegen saure Reaktion, sind aber recht resistent (bei Gegenwart von Fett) gegen Hitze. Nach Söhngen lassen sich vielleicht zwei Lipasen, a- und ^-Lipase nach ihrem differenten Diffusionsvermögen und verschiedener Säureresistenz unterscheiden; /S-Lipase wirkt nur in neutralem Milieu. Daß Fettsynthese durch Bacterienlipase möglich ist, hat Söhngen gleichfalls nachgewiesen. Die weitere Fettverarbeitung geschieht auch hier auf oxydativem Wege. Die Intermediärprodukte, welche aus den Fettsäuren entstehen, kennt man auch hier nicht. Bei Verabreichung von Glycerin werden Äthylalkohol, Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure und Bernsteinsäure gebildet (12). Fijrth und Schwarz (13) machen darauf aufmerksam, daß auch bei den Bacterien die Verarbeitung höherer Fettsäuren wesentlich schwieriger erfolgt als die Assimilation von Zucker, 1) ElJKMAN, Zentr. Bakt. I, 2p, 841 (1901). Wells u. Corpeb, Journ. Infect. Diseas., //, 388 (1913). — 2) E. v. Sommaruga, Ztsch. Hyg., 23, 441 (1894). — 3) O. Laxa, Arch. Hyg., 41, 119 (1901). O. Jensen, Zentr. Bakt. II, 8, 250 (1902). Kruyff, 1. c. — 4) N. J. Söhngen, Kgl. Akad. Amsterdam, 19, 689, 1263 (1910); 2o, 126 (1911). — 5) H. Hubs, Zentr. Bakt. II, 20, 474: (1908). — 6) Iwanow, Ann. Inst. Pasteur (1892), p. 131. — 7) L. Manfbedi, Just Jahresber. (1887), /, 111. — 8) König, Spieckermann u. Bremer, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genuß- mittel, 4, 721 (1901). König, Fühlings landw. Ztg. (1903), IX. — 9) O. Rahn, Zentr. Bakt. II, 15, 53, 422 (1905); 16, 488 (1906). — 10) M. Rubner, Arch. Hyg., 38, 67 (1901). Zusammenfassung bei Connstein, Ergebn. d. Physiol., j, I, 226 (1904). — 11) SÖHNGEN, Kgl. Akad. Amsterdam (1910), p. 667; Folia microbiologica, /, 199 (1912). K. Schreibeb, Arch. Hyg., ^/, 328 (1902). — 12) E. Buchner, Botan. Zentr. (1885), /, 348, 385. Frankland u. Fox, Proceed. Roy. Soc. Lond., 45, 345 (1890). O. Emmerling, Ber. Chem. Ges. (1896), p. 2726. — 13) O. V. FÜRTH u. Schwarz, Arch. di Fisiol. (Festschr. f. Fano), 7, 440 (1909). 48* 756 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reaervestoff b. Thallophy ten, Moosen usw. § 2. Fett bei Hefen. In kräftig vegetierender Hefe dürfte nach den Ermittelungen von Payen(I), Nägeli(2) und Duclaux(3) der Fettgehalt zwischen 2 und 5 % der Trockensubstanz betragen und Henneberg (4) gibt neuestens dieselbe Fettmenge für Hefe an. Alte Hefezellen sind nach Duclaux sehr fettreich; ihr Fettgehalt steigt auf 10 — 13%, in 15 Jahren war bei einer in Bier aufbewalirten Hefenprobe der Fettgehalt bis auf 52% an- gewachsen. Hier handelt es sich offenbar um kein Reservefett, sondern um eine fettige Degeneration der Hefezellen (Henneberg 1. c). Meist ist das Hefefett im Plasma fein verteilt, doch ist das Auftreten von Fettvacuolen ein häufiger Befund. Duclaux meinte, daß das Hefefett viel Oxysäuren enthalten dürfte, doch sind solche von keinem anderen Untersuchcr darin gefunden worden. Gerard und Darexy(5) fanden Palmitin, Stearin und etwas Butyrin, dazu die entsprechenden freiien Fettsäuren; nach Hinsberg und Roos(6) sollten zwei Säuren der Öi- säurereihe CigH340.^ und C12H20O2 darin vorkommen sowie eine ge- sättigte Saure CijHg^Oo vom Schmelzpunkt 56°; letztere Säure dürfte aber späteren Angaben dieser Forscher zufolge doch nur Palmitinsäure sein. Bakanntlich ist in gärenden hofehältigen Flüssigkeiten stets etwas Glycerin enthalten, und man muß erwägen, inwiefern diese Glycerinbildung mit dem Fettstoffwechsel zusammenhängen kann. Pasteur(7), der zu- letzt auf die Regelmäßigkeit dieses Befundes aufmerksam machte, fand meist 2,5—3,6% des vergorenen Zuckers an Glycerin und 0,4—0,7% an Bernsteinsäure. Er brachte die Bildung beider Stoffe in eine direkte Be- ziehung zur Zuckerspaltung und suchte dies durch eine entsprechende Gärungsgleichung auszudrücken. In neuerer Zeit ist wieder Udranszky(8) so weit gegangen zu behaupten, daß die Glycerinbildung nicht den mindesten Zusammenhang mit der Alkoholgärung habe und mit dem Fettumsatz in Beziehung stehe. Daß es als Fettspaltungsprodukt aus toten Zellen austritt, wird dadurch unwahrscheinlich, daß nach UoRANSZKYder Glycerin- gehalt bei langem Stehen von Hefeaufschwemmungen abnimmt, und die gebildete Glycerinmenge steigt, je kräftiger die Hefe wächst und je günstiger ilixe Lebensbedingungen sind (9). Sonst sind aber die Glycerin quantitäten recht schwankend. Wichtig war der Nachweis Büchners, daß kleine Glycerin- mengen auch in der künsthchen Zymasegärung aus Zucker gebildet werden. Dadurch wird es wahrscheinhch, daß das Glycerin irgendwie m seiner Ent- stehung mit den Intermediärprodukten der Alkoholgärung zusammenhängt, und mindestens nicht in seiner Totalität mit dem Fettumsatz kausal ver- knüpft ist. Das Glycerin hat schon Nägeli als Inhaltsstoff der Bierhefe- 1) Payen, M^m. sav. Strang., 9, 32. — 2) Nägeli u. O. Loew, Lieb. Ann., 193, 322 (1873); Journ. prakt. Chem., 17, 403. Nägeli, Fettbild. b. nied. Pilzen, Kgl. bayr. Ak. (Mai 1879), p. 289. — 3) Duclaux, Traite de Microbiol., 3, 151. — 4) W. Henneberg, Ztsch. Spiritusindustr., 27, 96 (1904); Naturf. Ges. (1911), 2, I, 240. — 5) E. Gerard u. P. Darexy, Bull. Soc. Mycol. France, 13, 183 (1897); Journ. Pharm, et Chinj. (6), 5, 275 (1897). — 6) O. Hinsberg u. Roos, Ztach. phy.siol. ehem., 38, 1 (1903); 42, 189 (1904). — 7) L. Pasteur, Ann. de Chim. et Phvs. (3), 58, 323 (1860). — 8) L. v. Udranszky, Ztsch. physiol. Chem., 13, 542 (1889). — 9) Thylmann u. Hilger^ Arch. Hyg., 8, 451. A. Rau, Ebenda, 14, 225 (1892;. Effront, Compt. rend., 119, 92 (1894). Brefeld, Landw. Jahrb., 3, 65 (1874); 4, 405 (1875). KuLiscn, Ztsoh. angewandt. Chem. (1896), p. 418. Kauschke, Hilgers Vierf,eljahrs8chr. (1897), p. 68. § 3. Fett bei höheren Pilzen. 757 Zellen nachgewiesen. Udranszkys Bestimmungen ergaben, daß Bierhefe etwa 0,053% Glycerin enthält, während käufhche Preßhefe 0,017% lieferte. Die Meinung von Carracido (1), daß das Glycerin ein Produkt des Eiweiß- umsatzes sei, basiert nur auf dem Befund, daß stärkere Eiweißdarreichung die Glycorinbildung durch gärende Hefe erhöht. Bezüghch der MögHchkeit Saccharomyccten mit Fett zu ernähren liegt die Angabe von van Tieghem(2) vor, wonach blos eine als neu beschrie- bene Art (Sacch. olei) sich auf Fettnährboden entwickeln konnte. Eine fettspaltende Torulaform isolierte Rogers (3) aus Konservenbutter, doch war dieselbe wenig lipolytisch wirksam. § 3. Fett bei höheren Pilzen. In allen Gruppen der höheren Pilze ist Fett als Reservestoff sowohl in Sporen und Conidien als auch in Dauermycelien, Sclerotien, jungen P'ruchtkörpern überall verbreitet. Auch im Plasmodium von Fuligo septica fanden Keinke und Rodewald (4) 4% Fett vom gewöhnlichen Charakter. Den zahlreichen bei König zusammengestellten Daten über den Fettgehalt der Hutpilze ist zu entnehmen, daß der Fettgehalt der frischen Pilzsubstanz 0,2—5,8 %, in Beziehung zur Trockensubstanz etwa das lOfache dieser Werte beträgt. Die sorgfältig an ausgesuchtem Material von Margewicz(5) angestellten Analysen ergaben für die unter- suchten Hyraenomyceten Zahlen zwischen 5,34 und 7,37 %. Der Fett- gehalt des jungen Hymeniums war bedeutend größer als der Fettgehalt im oberen Teile des Hutes: Hymenium ^^'^gj^f ^^'^^ Boletus scaber Bull. 5,81% 4,07% 3,51% 1 Fett der „ eduhs Bull. 7,97 5,82 4,41 | Trocken- „ aurantiacus Schaff. 8,53 4,79 6,32 J Substanz Bei verschiedenen Lactariaarten erhielten Bougault und Ohara ux (6) ähnhche Zahlen. Boletus BelHni enthält 5,03% Rohfett [Chiapella (7)] ; Tramotcs suaveolens Fr. 0,8% [Zellner (8)] ; Polyporus igniarius Fr. 1,08% [Zellner (9)] ; Pholiota squarrosa Müll. 3,5% des lufttrockenen Mycels (10); Meruhus lacrimans nach Goeppert(II) 13,08% Fett. Das Sclerotium von Claviceps purpureaTul. enthält nach Ficmus (12) bis 30% Fett, und es kann der Fettgehalt nach Flückiger (13) selbst bis auf die Hälfte des Trocken- gewichtes ansteigen. Die reifen Conidien von PeniciUium crustaceum enthalten nach Gramer (14) 7,3% Rohfett. Im Mycel von Schimmelpilzen, welche auf Peptonfleischextraktbouillon mit 2% Glucose und 1% Weinsäure kultiviert 1) Carracido, Biochera. Zentr., j, Ref. 1261 (1904). — 2) van Tieghem, Bull. Soc. Bot. France, 2S, 137 (1881). — 3) L. A. Rogers, Zentr. Bakt. II. /o, 381 (1903); 12, 388 (1904). — 4) Reinke u. Rodewald, Untersuch, bot. Inst. Göttingeii, II (1881). — 5) Margewicz, Just Jahresber. (1885), /, 85. — 6) J. Bougault u. Charaux, Journ. Pharm, et Chim. (7), 5, 65 (1912). — 7) Chiapella, Cb-m. Zentr. (1907), //, 547. — 8) J. Zellner, Monatsh. Chera., sg, 45 (1908). — 9) Zellner, Ebenda, p. 1171. — 10) Zellner. Ebenda, 34, 321 (1913). — 11) Goefpert, Der Hausschwamm (1885), p. 20. — 12) O. FiciNUS, Arch. Pharm., 2oj, 219 (1873). — 13) Flückiger, Pharmakognosie, 3. Aufl., p. 295. — 14) E. Cramer, Arch. Hyg., 20, 197 (1894). Über Schimmelpilze auch Marschall, Ebenda, 2S, 16 (1897). 758 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff b. Thallophyten, Moosen usw. worden waren, fand Marschall (1) bei Aspergillus niger 4,7%, Penicillium crustaceum ^XVo u^d bei Rhizopus nigricans 7,0% Rohfett. In den Conidien von Aspergillus Oryzae sind nach Aso (2) nur 0,377% der Trockensubstanz an Ätherextrakt vorhanden. Im Gegensatze zu den höheren Pflanzen sieht man bei den Pilzen in fettreichen Geweben das Fett oft in großen Tropfen, welche das ganze Hyphenlumen erfüllen, ähnliche Bilder wie in tierischen Fettzellen dar- bietend, z. B. im Mutterkorn. Die nähere chemische Erforschung der Pilzfette hat eine Reihe erwähnens- werter Befunde ergeben. Aus Lactariaarten gewannen Bougault und Cha- RAUX(3) eine Ketostearinsäure C18H34O3, die Lactarinsäure (F87*^); ihre Kon- stitution wurde als 6-Keto-Stearinsäure: CH3-(CH2)ii'GO-(CH2)4-COOH be- stimmt. Sie bildet bei allen untersuchten Arten den Hauptbestandteil der Fettsäuren, begleitet von etwas Stearinsäure, Ölsäure, Buttersäure, Essig- säure (4). Das Mutterkornfett enthält 68% Olein, 22% Oxy-Ölsäureglycerid und 5% Palmitin [Rathje(5)]. Im Fett von Ustilagc Maydis fand Zellner(6) viel Olein, flüchtige und feste Fettsäuren. Trametes suaveolens hat gleich- falls Olein als Fetthauptbestandteil (Zellner). Von Polyporus officinaUs gab ScHMTEDER(7) eine der Bicinolsäurß isomere Oxyölsäure, eine Fett- säure G14H24O2 und Getylalkohol an. Das Fett der Amanita muscaria be- steht nach Zellner (8) zu 90% aus freier Ölsäure; außerdem enthält es Palmitinsäm-e und Butyi-in; Linolensäure fehlt. In Amanita pantherina und Boletus luridus fand Opitz (9) gleichfalls Olein und Palmitin, die Hälfte der Fettsäuren frei. Vom Fett des Polysaccum pisocarpium gab Fritsch (10) Ölsäure, Buttersäure, Essigsäure, Alneisensäure und höhere Säuren an. Zellner gibt noch folgende analytische Daten : Fett von Armillaria mellea : Säurezahl 89,1, Verseifungszahl 179,6, Jodzahl 94,2; enthält Palmitinsäure und flüssige Säuren. Lactaria piperata: Säurezahl 121, 3, Verseifungszahl 200,2 (Stearinsäure = Lactarsäure) ; Phohota squarrosa Müll.: Säurezahl 51,8, Verseifungszahl 168,3. Polyporus betulinus Fr.: Säurezahl 96,3, Ver- seifungszahl 155,0, Jodzahl 98,6. Nach Blanksma(11) kommt in Lycoperdon bovista ein stearinartiger alkohollöshcher Körper vom Schmelzpunkt 165« vor. Die Bildung des Fettes bei Pilzen ist bisher noch sehr wenig untersucht worden. Perrier(12), der bei verschiedenen Schimmelpilzen die Fettbildung bei Darreichung von Zucker oder Weinsäure, Milchsäure, Glycerin verfolgte, fand, daß das Pilzfett völlig den gewohnten Charakter als Reservestoff aufweist. Die Abhängigkeit von der Art der Kohlen- stoffnahrung äußert sich, wie Nägeli(13) erfuhr, nur darin, daß bei sonst 1) Marschall, Arch. Hyg., 28, 16 (1897). — 2) K. Aso, Bull. Agric. Coli. Tokyo, 4, 81 (1900). — 3) J. Bougault u. Charaux, Compt. rend., /jj, 572, 880 (1911); Journ. Pharm, et Chim. (7), 4, 337 u. 489 (1911); 5. 65 (1912). Die älteren Angaben bei Bissinger, Arch. Pharm. (1883), p. 321 und Chodat u. Chuit, Chem. Zentr. (1889), //, 144, betreffen nur Stearinsäure. — 4) E. Gerard, Bull. Soc. Mycol. France, ö, 115 (1890). — 5) A. Rathje, Arch. Pharm., 246, 692 (1908). Früher MjofiN, Ebenda, 234, 278 (1896). — 6) J. Zellner, Sitz.ber. Wien. Ak. (1910). — 7) J. Schmieder, Arch. Pharm., 224, 641 (1886). — 8) Zellner, Sitz.ber. Wien. Ak., 114, IIb, 253 (1905); Monatsh. Chem., 25, 537 (1904); 26, 121 (1905). - 9) E. Opitz, Arch. Pharm., 22g, 290 (1891). — 10) R. Fritsch, Ebenda (3), 27, 193 (1889). — 11) J. Blanksma, Chem. Weekbl., 10, 96 (1913). — 12) A. Perrier, Compt. rend., 140, 1052 (1905). — 13) Nägeli, Fettbild. b. nied, Pilzen; München. Ak. (1879), p. 287. § 3. Fett bei höheren Pilzen. 759 günstigen Ernährungsbedingungen bei niederen Pilzen auch die Fett- bildung eine Förderung erfährt. Ob eine Anreicherung an Zucker oder Kohlenhydraten der Fettbildung in der Pilzzelle vorangeht, ist noch nicht bekannt. Daß verschiedene Pilze auf Fettnährboden gut gedeihen und das Fett vor dem weiteren Abbau durch Lipase spalten, ist durch zahlreiche Untersuchungen dargelegt worden, van Tieghem (1 ) beobachtete Wachstum aui Olivenöl bei Verticillium cinnabarinum, Mucor, Penicillium und einigen Ascomyceten; in Lein- oder Rüböl wuchs aber das genannte Verticillium nicht. In Mohnöl fand Kirchner (2) einen neuen Sproßmycelien bildenden Pilz: Elaeomyces olei. Über das Wachstum von Schimmelpilzen liegen zahlreiche Angaben von Ritthausen, König und Spieckermann, Schreiber, Hanus, Laxa, Haselhoff, Rahn, Coupin, Roüssy(3) vor. Eine von Biffen(4) auf Cocosendosperm aufgefundene Hypocreacee resorbiert gleichfalls gut Fette. Das Optimum des Wachstums ist nicht bei allen Arten bei demselben Fettgehalt des Substrates gefunden worden; die meisten Schimmelpilze gedeihen nach Roussy am besten bei 8 bis 10 % Fettgehalt. Nach Ohta (5) ist Actinomucor repens ein besonders kräftiger Fettzehrer; er brachte 60% des dargereichten Leberfettes zum Verschwinden, Aspergillus Oryzae (der auch nach Haselhoff und Mach energisch Fett resorbiert) nur 17—20 %, Cladosporium 14 %, Peni- cillium 6—8 %. Nach Roussy wirken Fette für Phycomyces, Rhizopus, Aspergillus niger so gut wie Kohlenhydrate, wenn man dem Substrate nur 6 — 10 % Fett beimengt, so daß man annehmen sollte, daß Ölsäure und Palmitinsäure leicht zu verarbeiten sind. Doch fand Rahn durch Penicillium „glaucum" und luteum Ölsäure nicht angegriffen, während niedere Fettsäuren gut resorbiert wurden. Penicillium soll aber nach Rahn selbst Paraffinkohlenwasserstoffe verarbeiten. Die Produktion fettspaltender Enzyme ist bei Pilzen weit verbreitet, und nicht nur bei Kultur auf fetthaltigem Nährsubstrat. Zuerst sah Camus (6) lipolytische Wirkungen des Wasserextraktes von Penicillium und Aspergillus. Gerard und Garnier (7) bestätigten diese Beobachtungen, und später sammelten Biffen, Spieckermann, Laxa und andere Forscher einschlägige Erfahrungen. Ferner kennt man das Vorkommen hpolytischer Enzyme im Mutterkorn (8), in zahbeichen Hutpilzen aus den Gattungen Polyporus, Lactaria, Lepiota, Hydnum, Ciavaria, Amanita u. a. [Zellner (9)], in Ustilagineen (10) bei Oidium lactis(ll) usw. Über die Eigenschaften der 1) VAN Tieghem, Biül. Soc. Bot. France, 27, 353 (1880); 28, 137 (1881). — 2) O. Kirchner, Ber. Botan. Ges., ö, CI (1888). — 3) Ritthausen u. Baumann, Versuchsstat., 47, 389 (1896). König u. Spieckermann, Ztsch. Untersuch. Nahr.- u. Genußmittel, 4, 721 (1901). Spieckermann u. Bremer, Landw. Jahrb., 31, 81 (1901). Schreiber, Arch. Hyg., 41, 328 (1902). Laxa, Ebenda (1901), p. 119. Hanus u. Stocky, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, j, 606 (1900). Bremer, Zentr. Bakt. II, w, 156 (1903). Haselhoff u. Mach, Landw. Jahrb. (1906), p. 445. O. Rahn, Zentr. Bakt., 15, 53, 422 (1905); 16, 488 (1906). A. Piedallu, Compt. rend., 148, 510 (1909). Spieckermann, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 23, 305 (1912). Coupin, Compt. rend., 150, 1192 (1910). A. Roussy, Ebenda, 149, 482 (1909); 153, 884 (1911). — 4) R. H. Biffen, Ann. of Botan., 13, 373 (1899). — 5) K. Ohta, Biochem. Ztsch., 31, 177 (1911). — 6) L. Camus, Soc. Biol. (1897), p. 192, 230. — 7) E. Gerard Compt. rend., 124, 370 (1897). Garnier, Soc. Biol., 55, 1490, 1583 (1903). — 8) J. Schindelmeiser, Apoth.-Ztg., 24, 837 (1909). — 9) J. Zellner, Monatsh. Chem., 26, 727 (1905); 27, 281 (1906); 29, 1171 (1908). Buller, Ann. of Botan. (1906), p. 49. — 10) Zellner, Monatsh. Chem., 32, 1065 (1910/11). — 11) E. Schnell, Zentr. Bakt. II, 35, 23 (1912). 760 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff b. Thallophyten, Moosen usw. Pilzlipasen wissen wir durch Deleano und Rouge (1), daß es sich um Fer- mente handelt, welche gegen Hitze recht empfindlich sind (schon 68" schädigt nach Rouge), durch Alkalien stark gehemmt werden und auf Glyceride spezifisch wirksam sind. Da BiFFEN erwähnt, daß im Mycel des von ihm kultivierten Pilzes nach Resorption des lipolytisch gespaltenen Nahrungsfettes reichlich fettes Öl in Tropfenform auftritt, so scheinen die Verhältnisse wesentlich so zu liegen, wie bei der Fettresorption im Darm, wo in den Lymphwegen das resorbierte Fett als solches gleichfalls reichhch wiedererscheint. Ein Über- gang in Kohlenhydrate in ähnlicher Massenhaftigkeit wie bei höheren Pflanzen ist beim Pilzfett nicht gesehen worden und man weiß noch nichts über das nächste Schicksal der Fettsäuren bei deren oxydativem Abbau. Andf re Vorkommnisse von Fett bei Kryptogamen. Flechten. Hier scheint (die diesbezüghch angestellten Unter- suchungen sind allerdings noch wenig zahlreich) der Fettgehalt sehr zu variieren. Lacour (2) gibt für die Leca»iOra esculenta nur 0,73% Äther- extrakt (Fett und Wachs) an; Hansteen (3) fand in Cetraria islandica 0,4%, in C. nivalis 3,99% Rohfett. Nach Fünfstück ^4) geht hingegen der Fett- gehalt bei Kalkflechten hoch hinauf, und soll bei Verrucaria calciseda sogar 80% der Trockensubstanz betragen. Bei Kalkflechten findet sich das Fett in eigentümlich blasenartige Auftreibungen der Hyphen ein- geschlossen [„Ölhyphen", „Sphäroidzellen" von Zukal (5)]. Zukal hielt die Substanz für Reservefett. Nach Fünfstücks Untersuchungen sind be- sonders Kalkflechten durch reichhches Vorkommen von Ölhyphen ausge- zeichnet, und es scheint die Ansicht von Zukal über die biologische Be- deutung dieser Inhaltsstoffe zum mindesten noch nicht hinlänglich erwiesen zu sein. Die Fettabscheidungen der Kalkflechten bedürfen also noch wieder- holter Untersuchung (6). Algen. Für die verschiedenen Algengruppen ist die Bedeutung des hier und da sicher konstatierten Fettes im ganzen noch recht wenig erforscht. Diatomeen wie Peridineen führen im Zelleninhalte regelmäßig Fett. Bei den ersteren kommt das Fett allgemein verbreitet (7) in größeren oder kleineren dem Plasma eingebetteten Tropfen vor, oder auch im Zellsaft in Tröpfchen, Die Peridineen besitzen nach Schutt (8) tafelförmige Inhaltskörper von verschiedener Größe ,, Fettplatten", die sich mit OsO^ schwärzen. In Cyano- phyceenzellen wies Kohl (9) mit Sudanlösung Fettröpfchen nach. Wenigstens für die Diatomeen ist es ziemlich sicher [die einschlägigen Beobachtungen sind allerdings nur Augenschätzungen (10)], daß es sich um Reservefett handelt; ähnUch wie man auch für Protozoen Fettabnahme bei Hunger- zustand konstatierte (11), so nimmt das Diatomeenfett bei rascher Vermeh- 1) N. T. Deleano, Arch. Sei. Biol.- P^tersb., 14, Nr. 3 (1909); Biochem. Ztsch., 17, 225 (1909). Rouge, Zentr. Bakt., 18, 403 (1907). — 2) E. Lacour, Juet Jahresber. (1880), /, 463. — 3) Hansteen, Chem.-Ztg. (1906), p. 638. — 4) M. FÜNFSTÜCK, Beitr. wiss. Botan., /, 157 (1895); Schwendener-Festschr. (1899), p. 341. E. Bachmann, Ber. Botan. Ges., 22, 44 (1904). — 5) H. Zukal, Botan. Ztg. (1886), p. 761. — 8) Vgl. auch E. Lang, Beitr. wiss. Botan., 5, 162 (1903). — 7) E. Pfitzer in Schenks Handb. d. Botan., //, 425. — 8) F. Schutt, Berlin. Ak. (1892), p. 377. — 9) F. G. Kohl, Organ, u. Phys. d. Cyanophyceenzelle (Jena 1903). — 10) Lüders, Botan. Ztg., 20, 41 (1862). Vgl. Oltmanns, Morphol. u. Physiol. d. Algen,//, 147(1905). — 11) E. Nikenstein, Ztsch. aUgem. Physiol, 10, 137 (1909). Staniewicz, Anzeig. Akad. Krakau (1910), B, p. 199. § 4. Andere Vorkommnisse von Fett bei Kryptogamen. 761 rung merklich ab. „Elaioplasten" oder Ölbildner plasmatischer Natur sollen nach Golenkin(I) bei Florideen vorkommen, wo man, abgesehen von den weitverbreiteten Fettmassen in den ruhenden Fortpflanzungszellen, nur selten Fett zum Nachweis bringen kann. Wichtig ist, daß die Chloro- plasten von Vaucheria und anderen Siphoneen Fett formieren, welches in Tröpfchenform an deren Außenseite erscheint. Besonders Fleissig (2) hat dargetan, daß es sich darin um Reservematerial handelt, wie bereits früher Bokodin und Klebs angenommen hatten. Nach LoEW und Bokorny (3) enthalten Spirogyren und andere Faden- algen 6—9% der Trockensubstanz an Fett. Sestini (4) gab als Fettgehalt einiger mariner Algen folgende Zahlen an: Ulva latissima 29,75% Wassergehalt 0,21% Fett Valonia Aegagropila 7,62 ,, 0,15 „ Gracilaria confervoides 20,01 „ 0,11 „ Fucus vesiculosus 27,11 ,, 0,67 „ Vaucheria Pilus 20,50 „ 2,94 Aus Analysen von KÖNIG (5) stammen folgende Zahlen : Lufttrockenes Material von Wasser Ätherauszug Porphyra sp. 5,91%, 0,87%, Porphyra tenera 4,57 0,59 Gehdium raw 7,36 0,98 Gelidium bleached 6,82 0,73 Gelidium cartilagineum 13,00 0,80 Laminaria sp. 6,16 0,50 Laminaria japonica 4,20 0,39 CystopHyllum sp. 16,82 0,50 Cystophyllum fusiforme 15,15 0,43 Enteromorpha compressa 14,17 0,20 Ecclonia bicycUs 11,56 0,28 ,,Undaria pinnatifida" 9,22 0,65 In Nostoc Phylloderma fand Namikawa (6) 0,93% der Trockensub- stanz an Rohfett. Moose. Angaben über den Fettgehalt verschiedener Leber- und Laubmoose haben Arbeiten von Treffner (7), JöNsson und Olin (8) gehefert. Die letztgenannten Autoren erhielten aus manchen Species an- sehnhche Mengen Ätherextrakt, so von Bryum roseum bis 18,05%, wovon ein großer Teil aus Fettsäureglyceriden bestand. Bei Bryum brevifolium und turbinatum ist das Fett nach den Angaben Jönssons krystalhnisch in Stamm- und Blattzellen ausgeschieden anzutreffen. Auch wird der Schmelzpunkt des Ätherextraktes oft sehr hoch angegeben. Wie viel vom Ätherextrakt auf Wachs und andere ätherlösUche Stoffe (Chlorophyll usw.) abzurechnen ist, ist noch nicht bestimmt worden. JöNSSON und Olin meinen, daß die Zellmembranen vielfach von Fett imbibiert seien. Loh- mann (9) fand an Rohfett in der Trockensubstanz einiger Lebermoose Zahlen zwischen 2,3% und 4,3%. 1) GoLENKiN, Bull. See. Nat. Moscou (1894), p. 257. -- 2) P. Fleissig, Diss. (Basel 1900). Hier die frühere Lit. — 3) LoEW u. Bokorny, Journ. prakt. Chem. (1887). — 4) Sestini, Bomboletti, Del Torre, Zentr. Agrik.chem. (1878), p. 875. — 5) J. König u. J. Bettels, Ztsch, Untersuch. Nähr,- u. Genuß- mittel, 10, 457 (1905). — 6) S. Namikawa, Chem. Zentr. (1906), //, 544. — 7) E. Treffner, Diss. Dorpat, Just Jahresber. (1881), /, 157. — 8) B. Jönsson u. E. Olin, Lunds Univ Arsskrift, 34 (1898). — 9) Lohmann, Beihefte bot Zentr., 15, 248 (1903). 762 Sechsundzwanzigstes Kapitel: Fett als Reservestoff b. Thallophyten, Moosen usw. Die Ölkörper der Lebermoose sind nach den angestellten Unter- suchungen nicht zum Reservefett zu zählen (1). Sie bestehen aus einem protoplasmatischen wabigen Stroma, in welches öltröpfchen eingelagert sind. Sie entstehen stets durch Neubildung, und lassen sich auch im Dunkeln zur Entwicklung bringen. Nach Küster haben sie mit den Elaioplasten, zu welchen sie von Wakker und Raciborski gezählt wurden, nichts ge- mein und verhalten sich physiologisch wie ein Exkret. Lohmann und K. Müller (2) haben gezeigt, daß auch das in vielen Lebermoosen vorhandene ätherische Öl in den Ölkörpern lokahsiert sei. Die Ölkörper dürften daher wesentUch als Schutzorgane gegen Angriffe von Tieren dienen. Die Ent- wicklung der Ölkörper wurde in neuerer Zeit durch Garjeanne (3) genau verfolgt; sie entstehen aus Vacuolen. Pteridophyten. Hier sei das näher untersuchte Fett der Sporen von Lycopodium clavatum kurz erwähnt. Nach Langer (4) enthalten die Bärlappsporen 49,34% Fett. 80—86% desselben bestehen aus einer Säure CigHagOg, Lycopodiumölsäure, die wahrscheinhch der Konstitutionsformel QH^ GH • CH • C N = (CH3)3 Seine wässerige Lösung gibt beim Kochen Glykol und Trimethylamin. Chohn kommt nach vielen Erfahrungen (9) in verschiedenen Ptlanzen- -1) W. Koch, Ztsch. physiol. Chem., 37, 183 (1903); Joum. Biol. Chem., j. 53 (1907). O. PoRGES u. E. Neubauer, ßiochem. Ztsch., 7. 152 (1907). J. H. Long u. Gephart, Joum. Amer. Chem. Soc, jo, 881 (1908). Schippers, Biochem. Ztsch., 40, 189 (1912). — 2) Lecithinemulsionen : Porges u. Neubauer, Koli. Ztsch., 5, 193 (1909). H. Handovsky u. Wagner, Biochem. Ztsch., j/, 32 (1911). J. Fein- schmidt, Ebenda, j5, 244 (1911). B. KiscH, Ebenda, 40, 183 (1912). Boas u. RosENBLOOM, Proc. Soc. Exp. Biol. New York, 8, 132 (1911). Pascucci, Hof- meisters Beitr., 7, 457 (1905) Fällung durch Ricin). — 3) Thunberg, Skand. Arch. Physiol., 24, 90 (1911). — 4) C Deflandre, Ztsch. wiss. Mikrosk., 21, 11 (1904). — 5) LoiSEL, Soc. Biol., 55, 703 (1903). Vielleicht ist die WELMANsche Reaktion mit Natriumphosphatmolybdat bei Fetten auf Lecithin zu beziehen: Seiler u. Verda, Chem. Zentr. (1903), /, 736. — 6) W. D. Halliburton, Ergebn. d. Physiol., 4, 82 (1905). — 7) Vgl. Fränkel u. Pari, Biochem. Ztsch., 77, 68 (1909). — 8) A. Rollet, Ztsch. physiol. Chem., 61, 210 (1909). — 9) Schulze, Ebenda, 12, 414 (1888); 77, 140. 193 (1892). K. Polstorff, Festschr. f. Wallach (1909), p. 569. Buschmann, Arch. Pharm., 24g, 1 (1911). Reuter, Ztsch. phys. Chem., 78, 1 (1912). YosHiMURA u. Trier, Ebenda, 77, 290 (1912). Zur Chemie des Cholins: E. Schmidt, Lieb. Ann., jj7, 37 (1904). W. Cramer, Joum. of Physiol., j/, 30 (1904). F. W. Schmidt, Ztsch. physiol. Chem., 53, 428 (1907). Renshaw, Journ. 768 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide), Organen auch frei, nicht in Phospholipoidbindung vor, ohne daß man Grund genug hätte, es als Phosphatidspaltungsprodukt aufzufassen. Struve(I) unterscheidet von allgemein verbreiteten Cholinverbindungen noch wasser- lösüche und wasserunlöshche Chohneiweißverbindungen, deren Existenz bei Pflanzen noch zu erweisen wäre. Trier (2) hat die sehr interessante Tatsache aufgefunden, daß der Amino-Äthylalkohol CHaOH.CHgNHg, oder Monaminoglykol sehr ver- breitet unter den Spaltungsprodukten pflanzlicher und tierischer Lecithide auftritt. Dieser Stoff, von Trier ,,Colamin" genannt, hängt gewiß mit der Genesis des Chohns zusammen und dürfte mit Fettsäure-Glycerophosphor- säure „Colaminlecithide" bilden, welche durch Methyherung in das gewöhn- hche „Chohnlecithin" übergehen. Colamin geht schon bei Zimmertemperatur mit Jodmethyl und methylalkoholischer KaUlauge in Chohn über. Nach Njegovan (3) soll das Phosphatid der Samen von Lupinus albus kein Cholin, sondern eine noch unbekannte Base mit 2 N-Atomen einschheßen, das Vidin, C9H2gN202. Doch hat Trier gewichtige Gründe dafür beigebracht, daß es sich auch in diesem Falle nur um Cholin, mit Ammoniumsalzen verunreinigt, handelt (4). Aus dem Chohn geht durch Oxydation und Wasserabspaltung die Trimethylaminoessigsäure oder das Betain hervor, welches nach seinem ersten Fundort, der Zuckerrübe, den Namen trägt. Liebreich (5) hat es aus Chohn künsthch dargestellt und seine Beziehungen zum Neurin, einer häufig im Tierreiche, aber noch nicht im Pflanzenreiche gefundenen Base, sichergestellt. Das Betain ist Oxyneurin. COO. CHg Betain: ^N = (CH3)3 Neurin: •• CHg CH>v^ ivT — OH' ;>N = (CH3)3 Neurin erhält man leicht bei der Säurehydrolyse von Lecithin durch Veränderung des Cholins. Auch Betain ist ein häufiges Vorkommnis in Pflanzen (6), wo es sich offenbar vom Chohn herleitet; Das Chohn ist sehr hygroskopiscn und hat stark basische Eigenschaften. Bei der Darstellung aus Pflanzenmaterial (7) fällt man nach Schulze am besten das Wasserextrakt (wobei man die Bei- mengung unzersetzter Phosphatide vermeidet) entweder mit Bleiacetat Amer. Chem. Soc, 32, 128 (1910); 34, 1615 (1912). Blanchetiere, Soc. ßioL, 68, 169 (1910). K. A. Hofmann u. Höbold, Bar. Chem. Ges., 44, 1766 (1911). P. RoNA, Abderhaldens biochem. Handlexikon, 4, 828 (1911). 1) H, Struve, Lieb. Ann., 330, 374 (1903). — 2) G. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 73, 383 (1911); 76, 496 (1912); 80, 409 (4912). — 3) Vl. Njegovan, Ebenda, 76, 1 (1911). — 4) Trier, Einfache Pflanzenbasen usw. (1912), p. 96. — 5) O. Liebreich, Ber. Chem. Ges., 2, 13, 167 (1869); 3, 761 (1870). — 6) Vgl. C. Scheibler, Ber. Chem. Ges., 3, 155 (1870). Liebreich, Ebenda, p. 161. Huse- mann, Arch. Pharm., j, 216 (1875), zeigte die Identität des Lycin aus Lycium mit Betain. Schulze u. Urich, Versuchsstat., 18, 409 (1875). Frühling u. Schulz, Ber. Chem. Ges., 10, 1070 (1877). Kitthaüsen u. Weger, Journ. prakt. Chem., 30, 32 (1884). Stanek, Chem. Zentr. (1902), /, 1050; (1903), //, 24. Willstätter, Ber. Chem. Ges., 35, 2700 (1902). Andrlik, Chem. Zentr. (1904), //, 309. Betain: A. Velich, Ztsch. Zuckerindustr. Böhm., 2p, 14, 205, 410 (1904). K. Andrlik, Ebenda, 28, 404. Stanek, Ebenda, p. 578; 34, 297 (1909). Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 67, 46 (1910). Stoltzenberg, Ztsch. Ver. deutsch. Zucker- industr., 62, 440 (1912); Ber. Chem. Ges., 45, 2248 (1912). Über Neurin: Gule- WITSCH, Ztsch. physiol. Chem., 21T, 175 (1898). — 7) E. Schui^e, Ebenda, 60, 155 (1909); 67, 46 (1910); Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 522 (1910). Kauff- mann u. Vorländer, Ber. Chem. Ges., 43, 2735 (1910).^ § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide. 769 oder mit Phosphorwolframsäure. Cholin, Betain (und das zu erwähnende Trigonellin) werden nicht durch Blei, wohl aber durch Phosphorwolfram- säure gefällt. Beim Bleiverfahren wird das Filtrat von der Bleifällung mit HgS entbleit, der Verdampfungsrückstand sodann mit Alkohol aufgenommen und mit alkohoHscher SubHmatlösung gefällt. Beim anderen Verfahren zerlegt man den Phosphorwolframniederschlag mit Baryt, verdampft nach Abstumpfung des Alkah, zieht den Rückstand mit heißem Alkohol aus und fällt wie oben mit HgClg. Die Quecksilberdoppelverbindungen der Basen werden aus heißem Wasser umkrystallisiert und mit H2S zerlegt. Nach Trennung vom Sulfid und Eindampfen gewinnt man ChoUnchlorhydrat durch Aus- laugen mit kaltem absolutem Alkohol. Im Rückstand bleibt Betain, eventuell Trigonellin. Die Identifizierung geschieht durch die Chloroplatinate oder Chloraurate. ChoUngoldchlorid hat 44,43% Au. StanSks Verfahren der Fällung durch KaUumtri Jodid scheint weniger empfehlenswert zu sein (1). Es wurde vermutet, daß in manchen Phosphatiden das Betain an die Stelle des Cholins tritt (2) und nach Schulze und Pfenniger (3) sollte dies beim Phosphatid aus Hafermehl der Fall sein. Doch zweifelt Trier daran, daß Betain jemals in Lecithiden gebunden vorkommt. In der Tat ist Betain, so allgemein Cholin gefunden wird, nur eine sporadische Er- scheinung im pflanzÜchen Stoffwechsel. Nach den Erfahrungen von E. Schulze und von Stan£k ist in manchen Pflanzenorganen (z. B. Samen von Pisum, Trigonella) das Betain diu-ch eine von der Nicotinsäure ableitbare Base von analogem Bau, das Trigonellin vertreten, welche auch analytisch sich ähnlich verhält. Trigonelhn ist ein Methylbetain der Nicotinsäure: CH CH2-CO CH^\C CO Betain ist | | Trigonellin ist ^„1 L.^ 1 N 0 (-H^^^^CH I Weiteres über diese den Pyridinbasen zuzurechnende Substanz vgl. Bd. II. Betain scheint immer zu fehlen, sobald Trigonellin vorkommt. Mit Phosphatiden hängt Trigonellin wohl nicht zusammen. Ähnliches gilt von dem in beschränkterer Verbreitung vorkommenden Stachydrin(4), welches als Methylbetain der Methylpyrrolidincarbon- säure (Hygrinsäure) aufzufassen ist: CH2 CH CO CH2\ /CH2 N CH3 CH3 Auch in tierischen Phospholipoiden scheint Cholin die häufigste N-hältige Gruppe darzustellen. Sonst ist nur Neurin in einigen Fällen an- 1) V. Stanek, Ztsrh. physiol. Cham., 4S, 334 (1906); 46, 280 (1905); 47, 83 (1906). A. Kiesel, Ebenda, 53, 215 (1907). — 2) Stanek, Ebenda, 4S, 343 (1906). V. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 20, 3201 (1887). Shorey, Journ. Amer. Chera. See, 20, 113 (1898). — 3) E. Schulze u. U. Pfenninqer, Ztsch. physiol. Cham., 7^ 174 (1911). — 4) Vgl. E Schulze u. G. Trier, Ebenda, 67, 59 (1910). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. *" 770 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). gegeben; bei vielen Phospholipoiden aus dem Tierreich ist die basische N-hältige Gruppe noch nicht definierbar. Mc Lean (1) meint, daß im Ovolecithin walirscheinhch noch ein anderes N-hältiges Radikal (Aminosäurerest ?) vorhanden sei. Die von Kutscher (2) im Fleischextrakt gefundenen Homologen des Cholins (Novain, Oblitin) scheinen mit PhosphoUpoiden nicht in Beziehung zu stehen. Mit einer einzigen fraglichen Ausnahme (Phosphatid aus der Wurzel von Daucus Garota) kommt bei vegetabiUschen PhosphoHpoiden nur ein Choünrest auf ein Molekül. Man nimmt gewöhnlich an, daß dieser Cholin- rest an einen Phosphorsäurerest gebunden ist, der seinerseits mit Glycerin verbunden steht [Diakonow, Strecker (3)] ; doch geschieht die Abspaltung des Choüns nach Malengreau (4) nicht nach Art eines Phosphorsäure- esters. Langheld (5) stellte' einen Phosphorsäure-Äthyl-Chohnester künst- lich dar, welcher das ChoHn in der bei Lecithin angenommenen Bindung enthält. Nach Spaltung dieser Bindung läßt sich Ghohn auch durch die FLORENCEsche Reaktion (6) nachweisen : Entstehung braunschwarzer feiner Kryställchen beim Behandeln einer auf dem Objektträger eingetrockneten Probe mit starker Jodjodkaliumlösung (2 Teile Jod, 6 Teile K J auf 100 HgO). Neurin, Betain, Muscarin, aber auch Purinbasen geben dieselbe Reaktion. Choün üefert dieselbe rote AUoxanreaktion (mit Alloxan eingedampft) wie Eiweiß (7). Vielleicht treten an Stelle des Choüns in manchen Phospholipoiden Metalle. Burow (8) berichtet über ein eisenhaltiges Lipoid aus Milzsubstanz. Agfa-Lecithin (9) des Handels gibt nach eigenen Beobachtungen deutüche Eisenreaktion, die aber auch auf Gegenwart anderer organischer Fe-Ver- bindungen beruhen kann. Wie schon erwähnt, liefern die PhosphoUpoide meistens Glyceryl- phosphor säure bei der Hydrolyse, wie Gobley beim Ovolecithin zuerst feststellte. Pelouze hat eine solche Verbindung zuerst durch Erhitzen von Glycerin mit H3PO4 auf 180° synthetisch dargestellt (10). Dieses Präparat ist jedoch nicht identisch mit der aus Ovolecithin darstellbaren Glyceryl- phosphorsäure. Die Formel für den Glycerinphosphorsäureester kann nämlich eine symmetrische oder eine asymmetrische sein: 1) Mac Lean, Biochem. Journ., ^, 240 (1909). — 2) Kutscher, Zentr. Physiol. (1905), p. 504; Ztsch. physiol. Cheni., 48, 331 (1906). Malengreau u. Lebailly, Ebenda, 67, 35 (1910). Berlin, Ztsch. Biol., S7, 1 (1911). — 3) Dla.- KONOW, Zeutr. med. Wies. (18G8), p. 438. Strecker, Lieb. Ann., 148, 77 (1868). E. GiLSON, Ztsch. physiol. Chem., 12, 585 (1888). Hundeshagen, Journ. prakt. Chem., 28, 219 (1883). — 4) F. Malengreau u. G. Prigent, Ztsch. physiol. Chem., 77, 107 (1912). — 5) K. Langheld, Ber. Chem. Ges., 44, 2076 (1911). — 6) H. Struve, Ztsch. analyt. Chem., jp, 1 (1900). — 7) Cholinproben : Rosen- heimer, Journ. of Physiol., 33, 220 (1905). Halliburton, Ergebn. d. Physiol., 4, 68 (1905). Quantitative Gewinnung von Cholin aus Lecithin: Morüzzi, Ztsch. physiol. Chem., 55, 352 (1908). Maclean, Ebenda, p. 360. — 8) R. BuROW, Biochem. Ztsch., 25, 165 (1910). W. Glikin, Ber. Chem. Ges., 41, 910 (1908). — 9) Agfa- Lecithin: Altschul, Biochem. Ztsch., 45, 505 (1912). — 10) Pelouze, Journ. prakt. Chem., 36, 257 (1845). Über Glycerin phosphorsäure: Portes u. Prunier, Journ. Pharm, et Chim. (5), 29, 393 (1894). Delage u. Gaillard. Chem. Zentr. (1896), //, 125. Adrian u. Trillat, Journ. Pharm, et Chim. (6), ö, 481 (1897); 7, 163, 225 (1898); Bull. Soc. Chim. (3), 19, 263 (1898); Compt. rend., 126, 1215 (1898). Imbert u. Belugou, Ebenda, 125, 1040 (1897). A. Astruc, Journ. Pharm, et Chim. (6), 7, 5 (1898). Falieres, Ebenda, p. 234. A. Lumiere u. Perrin, Compt. rend., 133, 643 (1901). Carr6, Ebenda, 138, 47 (1904). Power u. Tutin, Journ. Chem. Soc. Lond., S7I88, 249 (1905). Ilijn, Biochem. Zentr., 5. 534 (1906). Tutin u. Hann, Transact. Chem. Soc, 89 (1906). Self, Pharm. Journ. (4), 26, 627 (1908). § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide. 77 1 CHgOH CHg— 0— Phosphorsäurerest CH-0— Phosphorsäurerest CHOH I ' I CH2OH CH2OH I. symmetrisch II. asymmetrisch. Der nach Formel II gebaute Ester enthält ein asymmetrisches C-Atom. WiLLSTÄTTER und Lüdecke(I) haben in der Tat gefunden, daß bei der Barytverseifung von Lecithin linksdrehende Glycerylphosphor- säure entsteht, und daß die Annahme von Ulpiani (2), wonach für die Glycerylphosphorsäure aus Lecithin Formel II anzunehmen ist, zu Recht besteht. Ovolecithin ist nach Ulpiani rechtsdrehend, weswegen dieser Forscher die asymmetrische Glycerylphosphorsäure im Lecithin annahm; doch könnte noch Asymmetrie durch differente Fettsäurereste hervor- gerufen werden. Die Glycerylphosphorsäuren werden schon beim Erhitzen mit Wasser verseift. Die Hydrolyse ist wahrscheinhch auch durch tierische Gewebsfermente möglich (3). Glycerylphosphorsaurer Kalk ist in heißem Wasser schwerer löslich als in kaltem, und scheidet sich beim Kochen als glänzende Blättchen aus. Das Zinksalz enthält 15,97% Zn. Während man früher die Glycerylphosphorsäure für einen nie fehlenden Konstituenten des Lecithinmolekels gehalten hatte, kennt man bereits derzeit glycerinfreie Phosphohpoide, wenigstens tierischer Herkunft [Car- naubon aus Rinderniere, nach Dunham und Jacobson(4)], wo das Glycerin durch Galactose vertreten ist). Es ist nicht ausgeschlossen, daß es auch derartige vegetabilische Phosphohpoide gibt. Die Nachforschungen von Schulze, Winterstein und deren Schülern (5) haben erwiesen, daß die pflanzhchen Phosphohpoide in den meisten Fällen Kohlenhydrate einschließen, und Schulze hat vorgeschlagen, die kohlen- hydrathältigen Phosphatide als „Glucophosphatide" zusammenzufassen. Doch ist die Wahrscheinhchkeit groß, daß nur Gemenge von Lecithiden und Cerebrosiden vor Hegen (Trier). Durch solche Beimischungen erweist sich der Phosphorgehalt vieler vegetabihscher Phosphatidpräparate viel niedriger als der Wert, welcher sich aus der Formel der DiAKONOWschen Distearyl- Chohn-Glycerylphosphorsäure, dem einfachsten Lecithinschema, berechnet. Während Präparate aus Samen von Vicia und Lupinus P- Werte von 3,67% und 3,69% ergeben (es berechnet sich für Dioleyllecithin 3,86%, für Diste- aryllecithin 3,84%,, für Dipalmityllecithin 4,12% P), sinkt der P-Gehalt von Gerealienphosphatiden auf etwa 1,5—2,6%, bei Castanea auf 2,63%, Aesculus auf 2,46% P. Hingegen hatte ein Präparat von Pinus Cembra 3,6% P und ließ kein Kohlenhydrat nachweisen. Beim Kochen mit 6% 1) WiLLSTÄTTER u. LÜDECKE, Ber. Chem. Ges., J7, 3753 (1904). — 2) Ul- piani, Gazz. chim. ital.^ 31, II, 47 (1901). — 3) Grosser u. Husler, Biochem. Ztsch., 39, 1 (1912). Über die Hydrolyse noch E. Malengreau u. Prigent, Ztsch. physiol. ehem., 73, 68 (1911). P. Carr6, Compt. rend., 154, 220 (1912); 155, 1520 (1912). CoNTARDi, Gazz. chim. ital., 42, II, 270 (1912). Eogier u. Fiore, Bull. Sei. Pharm., 20, 7 (1913). A. Grün, Ber. Chem. Ges., 45, 3358 (1912). — 4) Dun- ham u. Jacobson, Journ. Biol. Chem., 4, 297; Ztsch. physiol. Chem., 64, 302 (1910). H. Maclean, Journ. of Physiol., 45, III (1912). — 5) E. Schulze, Ztsch. physiol. Chem., 52, 54 (1907); 55, 338 (1908), Winterstein u. Hiestand, Ebenda, 47, 496 (1906). Hiestand, Beitr. z. Kenntn. d. pflanzl. Phosphatide, Dissert. (Zürich 1906). Winterstein u. Hiestand, Ztsch. physiol. Chem., 54, 288 (1908). Winter- stein u. Smolenski, Ebenda. 58, 506 (1909). Winterstein u. Steqmann, Ebenda, p. 502, 527. Smolenski, Ebenda, p. 522. Wirtgen u. Keller, Arch. Pharm., 244, 3 (1906). 49* 772 SiebenundzwanzigBtes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). H2SO4 lieferte ein Phosphatidpräparat aus Weizen 16% reduzierenden Zucker. Man darf wegen der Zersetzlichkeit der Kohlenhydratgruppen in alkalischer Lösung bei diesen Untersuchungen die sonst bevorzugte Ver- seifung der Phosphatide mit Ba(0H)2 nicht anwenden. Nach Winter- stein können verschiedene Kohlenhydratgruppen in Phosphatiden vor- kommen; d-Glucose, Galactose, Pentosen und Methylpentosen wunden in einzelnen Fällen nachgewiesen. Der Gesamtgehalt an Kohlenhydraten behef sich bei den von Hiestand untersuchten Phosphatidpräparaten (Triti- cum, Avena, Lupinus) auf 13—20%. Bisher hat man die Kohlenhydrat- gruppen bemerkenswerterweise stets neben Glycerylphosphorsäure unter den Spaltungsprodukten pflanzUcher Phosphatide gefunden. Bei tierischen Phosphoüpoiden sind Kohlenhydratgruppen gleichfalls sehr verbreitet, z. B. beim Jecorin d-Glucose (1), in anderen Fällen Galactose, vielleicht auch Aminogalactose (2) oder Pentose. Was endhch die Fettsäiu-ereste anbetrifft, die regelmäßig in Phospha- tiden vorhanden sind, so haben Schulze und Likiernik(3) in ihren Lecithin- präparaten Ölsäure und feste Fettsäuren nachgewiesen; letztere dürften teils Palmityl-, teils Stearylgruppen sein. Es ist wahrscheinhch, doch noch nicht sichergestellt, daß Mischglyceride unter den Phosphatiden vorkommen. Nach dem Cadmiumverfahren gewann Ulpiani (4) ein Ovolecithin, dessen Fettsäuren zu 91,5% aus Oleinsäure bestanden, neben Stearinsäure; CousiN(5) fand aber in einem Ovolecithin auch noch Palmitinsäure und Linolsäure. Linolsäure wurde noch gefunden im tierischen Cuorin aus Herzmuskulatur (6). Carnaubasäure, Stearinsäure und Palmitinsäure wurden erhalten aus dem Carnaubon (Rinderniere) (2), Myristinsäure aus dem Vesalthin im Rinder- pankreas, welches auch acetonlösUch ist (7). Für die Feststellung der Fett- säurereste in Lecithiden eignet sich besonders die Überführung in Ester durch Alkoholyse mit methylalkohohscher Salzsäure (8). Auch die Hydro- genisation durch Palladiumkatalyse ist nach Paal (9) vorteilhaft, da man eih festes krystalhnisches Hydrolecithin gewinnt, welches nur mehr ge- sättigte Fettsäuren einschUeßt. Diese Versuche werden es voraussichtUch gestatten, je nach der Art der Fettsäuren verschiedene Lecithide in ihren Gemengen zu unterscheiden. Ob Cholesterin, welches Winterstein und Smolenski im Weizenmehl- Phosphatid fanden, ein Konstitutionsbestandteil von PhosphoHpoiden ist, möchte ich bezweifeln. Die Jodzahl wurde für Ovolecithin mit 96—102 bestimmt, was mit der Annahme in Einklang steht, daß reichhch Ölsäxu-e darin vorkommt. Es wurde schon erwähnt, daß das natürhche Ovolecithin rechtsdrehend optisch aktiv ist, was sich durch die asymmetrische Glycerylphosphor- säureformel erklären läßt (Ulpiani, Willstätter). Es ist auch gelungen, durch Einwirkung höherer Temperatur aus Agfalecithin die optisch in- aktive racemische Form herzusteilen, und aus dieser durch fermentative elektive Spaltung zu der bisher unbekannten linksdrehenden Modifikation 1) A. Baskoff, Ztsch. physiol. Chem., 57, 395 (1908); 61, 426 (1909). — 2) Hierzu Dunham u. Jacobson, Ebenda, 64, 302 (1910). Linnert, Biochem. Ztsch., 26, 41 (1910). — 3) Schulze u. Likiernik, Ztsch. physiol. Chem., is, 413 (1891). — 4) C. Ulpiani, Acc. Line. Roma (5), /o, 421 (1901). — 5) H. Cousin, Compt. rend., /J7, 68 (1903). — 6) A. Erlandsen, Ztsch. physiol. Chem., 5/, 71 (1907). — 7) S. Fränkel u. Pari, Biochem. Ztsch., 77, 68 (1909). •— 8) Fourneau u. PiETTRE, Bull. Soc. Chim. (4), //, 805 (1912). — 9) C. Paal, ßer. Chem. Ges., 46, 1297 (1913). § 1. Vorkommen und chemische Natur der Lecithide. 773 zu gelangen (1), was allerdings mit möglichst reinen Phosphatidpräparaten zu wiederholen wäre. Das DiAKONOW-SxRECKERSche Formelbild für Di- stearyllecithin ist: OH CH2-0-PO(OH).O.CH2-CH2.N.(CH3)3 Darin kann die ^Stearinsäure offenbar durch verschiedene gesättigte und ungesättigte Säurereste ersetzt werden. Da Hiestand das Molekular- gewicht für Ovolecithin mit 1446 bestimmte, so wäre diese Formel zu ver- doppeln. Cerealienphosphatid hat nach diesem Forscher ein viel höheres Molekulargewicht (etwa 2200). Über die physiologischen Funktionen der PhosphoHpoide sind ver- schiedene Hypothesen aufgestellt worden, welche sich zum Teil noch experi- mentell prüfen lassen werden. Overton (2) hält es für möglich, daß die Phosphatide zu jenen Bestandteilen der Plasmahaut gehören, welche die diosmotischen Qualitäten derselben bestimmen. Koch (3) hat die Bedeutung der Phosphatide als Bildner von Niederschlagsmembranen in den Plasma- kolloiden hervorgehoben und gezeigt, daß man die Lecithinfällung durch CaClg mittels NaCl verhindern kann. Vielfach wurden sodann die Phospho- lipoide mit Enzymreaktionen (als Aktivatoren) und mit Immunoreaktionen (als Komplemente) in Beziehung gebracht (4). Die Sauerstoffabsorption durch Phosphatide legt es nahe an Beziehungen zur vitalen Oxydation in der Atmung zu denken, und diesbezüglich hat Palladin (5) bemerkens- werte Ideen geäußert; bei der Abtötung von Weizenkeimhngen schädigen gerade jene Stoffe die Atmungsenergie am meisten, welche Phosphatide leicht entziehen. Stoklasa(6) brachte die Phosphatide in Zusammenhang mit der Chlorophyllfunktion; doch ist es seither unsicher geworden, welche Rolle Phosphatiden beim Aufbau der Chloroplasten zukommt. Zu erwähnen ist endUch die Annahme von 0. Loew (7), daß die Verbrennung der höheren Fettsäuren in Form von Lecithin stattfinde. Da bei der normalen Keimung am Licht das Lecithin stetig mit dem Heranwachsen der Pflanzen zunimmt (Maxwell(8), Stoklasa), so könnte nur eine dauernde Neubindung und ein gleichzeitiger oxydativer Zerfall von Fettsäuren im Spiele sein, und die Phosphatide sind keineswegs als trophoplastische Zellsubstanzen wie die Fette aufzufassen. Es ist behauptet worden, daß gewisse thermolabile Lipoide als Nahrungsbestandteile von Tieren unentbehrlich wären (9). 1) P. Mayer, Biochem. Ztsch., /, 39 (1906). Versuche zur Synthese von Lecithin: A. Grün u. Kade, ßer. Chem. Ges., 45, 3367 (1912). — 2) E. Overton. Vierteljahrsschr. Naturf. Ges. Zürich, 44, 88 (1899); Jahrb. wiss. Botan., 34^ 669 (1900); Ztsch. physikal. Chem., 22, 189 (1897). — 3) W. Koch, Ztsch. physiol. Chem., 63, 432 (1909). — 4) M. Korsakow, Biochem. Ztsch., 28, 121 (1910). J. Bang, Ergebn. d. Physiol., 8, 463 (1909). Prowazek, Biolog. Zentr., 28, 383 (1008). Terroine, Biochem. Ztsch., jj, 506 (1911), — 5) W. Palladin, Ber. Botan. Ges., 28, 120 (1910). J. Nerking, Intern. Beitr. Pathol. u. Ther. d. Ernährungsstörungen, ///, 4 (1912). — 6) J. Stoklasa, Ber. Chem. Ges., 29. 2761 (1896); Ztsch. physiol. Chem., 25, 398(1898); Sitz.ber. Wien. Ak., 104, I (1896). Die in der letztgenannten Arbeit angeführten Versuche, welche die Resorption von Lecithin durch Wurzeln in Wasserkultur beweisen sollen, sind nicht einwändfrei, indem die Resorption von P-hältigen Spaltungsprodukten des Lecithins nicht ausgeschlossen war. — 7) O. Loew, Biolog. Zentr., //, 269 (1891). — 8) W. Maxwell, Just Jahresber. (1890), /, 46; Amer. Chem. Journ., 13, 16, 428 (1891). — 9) W. Stepp, Ztsch. f. Biolog., 59, 366 (1912). 774 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). §2. Lecithide in Samen. E. Schulze und seine Schüler (1) haben eine große Zahl einschlägiger analytischer Daten geliefert, gewonnen durch Bestimmung der ätherlös- lichen Phosphorsäure als Pyi'ophosphat und MultipHkation dieser Gewichts- zahl mit dem Faktor 7,2703: Zea mays, gelb 0,25% „ weiß 0,28 Triticum vulgare 0,65 „ Keim allein . . . 1,55 Seeale cereale 0,57 Hordeum distichum . . . 0,74 Cannabis sativa 0,88 Fagopyrum esculentum, ge- schält 0,47 Papaver somniferum . . . 0,25 Lupinus luteus Vicia sativa „ Faba . . Lens esculenta Pisum sativum „ „ unreif . Glycine hispida . . . Linum usitatissimum. Sesamum indicum . . Cucurbita Pepo, geschält ..... Helianthus annuus, geschält 0,44 1,55- 1,22- 0,81 1,20 1,2.3 0,50 1,64 0,88 0,56 0,43 -1,59% -0,74 Nach Merlis enthalten an „Lecithin' Kiefer . . Fichte . . Weißtanne Mais . . . Weizen . . Gerste . . Hanf. . . 0,49% Buchweizen 0,53% 0,27 Blaue Lupine, geschält I 2,19 0,11 „ „ „ II 2,20 0,25 Gelbe Lupine 1,64 0,43 Wicke 1,09 0,47 Erbse 1,05 0,85 Lein 0,73 V. Bitt6 (2), welcher das Material oftmals mit Methylalkohol auskochte, gibt teilweise höhere Zahlen an: Zea Mays-, gelb 0,48% Triticum vulgare 0,49 Seeale cereale 0,68 Hordeum vulgare .... 0,68 Lupinus luteus 2,09% Vicia sativa 1,78 Glycine hispida 2,03 Capsicum annuum .... 1,85 Hingegen gibt Riegel (3) für Glycine hispida nach Methylalkohol- extraktion nur 0,15% Lecithin an. Man entnimmt diesen Daten, daß die Leguminosensamen am meisten, bis über 1,5%, an Phosphatiden enthalten; von den ölreichen Samen sind jene von Cannabis und Linum die phosphatid- reichsten, noch mehr die von Capsicum; andere Ölsamen führen nicht mehr Phosphatid als die Getreidearten. Neuere Analysen stimmen mit diesen Angaben überein. 1) Schulze u. Frankfurt, Landw. Versuchsstat., 43, 307 (1894). Merlis u. Schulze, Ebenda, 48, 203 (1897). Schulze, Ebenda, 67, 57 (1907). Hiestand, 1. c, p. 62. — 2) B. V. B1TT6, Ztsch. physiol. Chem., 19, 489 (1894). Vgl. ferner auch die Bestimmungen von Heckel u, Schlagdenhauffen, Corapt. reud., /oj, 388. Schlagdenhauffen u. Reeb, Ebenda, 135, 205 (1902). Auch A. Stellwag, Versuchsstat., 37, 135 (1890), wo jedoch auffällig hohe Werte augegeben werden. — 3) M. Riegel, Pharm. Ztg., 55, 428 (1910). § 2. Lecithide in Samen. 775 Beta, geschält .... 0,46% Phosphatid Stromer und Fallada, Chem. Zentr. (1906) /, 1440. Pinus Cembra L. . . . 0,99% E. Schulze, 1. c. 1907. Carya olivaeformis . . 0,5 % Deiler und Fraps, Amer. Chem. Journ., 43, 90 (1910). Salvia nilotica .... 0,46% A. Parrozzani, Ann. Staz. Sper. Rom., 5, 77 (1910). Die Meinung von Stoklasa(1), daß der Phosphatidgehalt eiweiß- reicher Samen größer sei als der Gehalt bei eiweißärmeren Samen, ist im allgemeinen richtig: Fett Lecithin Eiweiß Triticum vulgare 1,85 0,65 12,04 Zea Mays 4,36 0,28 9,12 Fagopyrum esculentum, geschält . 1,90 0,47 10,18 Pisum^ativum 1,89 1,23 23,15 Vicia Faba 1,68 0,81 25,31 Lupinus luteus 4,38 1,59 38,25 Glycine hispida 14,03 1,64 32,18 Linum usitatissimum 33,64 0,88 22,57 Papaver somniferum 40,79 0,25 19,53 Cannabis sativa 32,58 0,88 18,23 Helianthus annuus 32,26 0,44 14,22 Trier (2) versucht, diese Erscheinung durch die Annahme zu erklären, daß die Säuren der Proteinstoffe und die Alkoholgruppen der Lecithide nach der CANNizzAROschen Reaktion gleichzeitig aus Aldehydgruppen hervorgehen. Von Bedeutung ist es gewiß, daß die Keime von Samen viel mehr Phosphatid enthalten als das Nährgewebe. Es wird sich auch in Hinkunft empfehlen, den Phosphatidgehalt für Embryo und Endosperm gesondert zu bestimmen. Weizenkeime enthalten mehr als doppelt so viel Phosphatid als Weizenendosperm. Für Oryza geht dasselbe aus den Angaben von Bernardini (3) hervor. Solche Befunde machen es unwahrscheinlich, daß die Phosphatide bloße Fettbegleiter sind und lenken die Aufmerksamkeit auf ihre Rolle beim Aufbau des Cytoplasmas. Sowohl Cholin als Betain kommen im Samen präformiert vor ; daß sie nicht erst bei der Präparation entstehen, hat Schulze speziell nachgewiesen (4). Chohn ist ganz allgemein verbreitet und wurde u. a. aufgefunden in den Samen von Fagus silvatica („Fagin" von Herberger 1833), Gossypium (Böhm), Strophanthus (Thoms), Humulus (Griess und Harrow), Blüten- köpfchen der Artemisia Cina (Jahns), Samen von Lupinen, Soja, Cucurbita, Vicia (E. Schulze), nach Jahns in Cannabis, Trigonella foenum graecum, Arachis, Lens, Robinia, Lathyrus, ferner Areca Catechu und Pimpinella Anisum; in Weizenkeimen und in Malz gefunden durch Schulze und Frank- furt in Kakaosamen und PauUinia sorbihs durch Polstorff (5), Da nach 1) J. Stoklasa, Sitz.ber. Wien. Ak., 104, I, 617 (1896). — 2) G. Trier, Die einfachen Pflanzenbasen usw. (Berlin 1912), p. 33. — 3) L. Bernardini, Atti Accad. Line. Roma (5), 21, I, 283 (1912). — 4) E. SchuLze, Ztsch. phvsiol. Chem., 15, 140 (1891). Schulze u. Trier, Ebenda, 81, 53 (1912). — 5) Böhm, Arch exp. Pathol., 19, 60, 87. H. Thoms, Ber. Chem. Ges., 31, HI (1898). P Griess u. G. Harrow, Ebenda, 18, 717 (1885). E. Jahns, Ebenda, 26, II, 1493 (1893). E. Schulze, Ztsch. physiol. Chem., //. 365 (1887); 12, 405, 414 (1888); 17, 193 (1892); Ber. Chem. Ges., 22, 1827 (1889): Landw. Versuchsstat., 46, 383 (1895). Jahns, Ber. Chem. Ges., 18, 2520 (1887); 23, 2972 (1890); Arch. Pharm., 235, 151 (1897). Schulze u. Frank- furt, Ber. Chem. Ges., 26, 2151 (1893). Schulze, Frankfurt u. Winterstein, Landw. Versuchsstat., 46, I (1895). K. Polstorff, Festschr. f. Wallach (1909), p. 569. 776 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide.) den Ergebnissen der Untersuchung von Trier (1) auch der Aminoäthyl- alkohol ein häufiger Begleitstoff der Phosphatide ist, so begegnen wir in diesen Substanzen unzweifelhaften Nebenprodukten des Lecithinstoff- wechsels. Betain, dessen natives sporadisches Vorkommen durch Ritt- HAUSEN (2) in den Samen von Vicia, Cicer, Lathyrus, Gossypium, Artemisia Cina, durch Schulze und Trier (3) in jenen von Hehanthus annuus, durch Stanek(4) bei Beta und Amarantus durch Polstorff in Cola konstatiert wurde, ist wohl als oxydatives Abbauprodukt des ChoHns zu deuten. Als Begleiter der GereaHenphosphatiden fanden Winterstein und Smolenski (5) außer Gholin das Trigonellin auf, welches seither auch in Goffeasamen ent- deckt worden ist (6). Auch die Nicotinsäure in Reiskleie (7) deutet auf TrigonelHn hin. Da ScHLAGDENHAUFFEN uud Reeb (8) in der Asche des Petroläther- extraktes von Samen häufig etwas Galcium- und Manganphosphat fanden, ist es nicht unmöglich, daß in komplexen Phosphatiden das Gholin teil- weise durch die genannten Metallbasen substituiert ist. Winterstein mit seinen Mitarbeitern hat ausführhch gezeigt, daß die meisten Samenphosphatidpräparate erhebhche Mengen Kohlenhydrat- gruppen einschUsßen (9). Ein durch Winterstein und Stegemann aus Lupinus albus dargestelltes Phosphatid von 3,62% P-Gehalt gab bei der Spaltung mit H2SO4 Galactose neben anderen Hexosen. Das von HiE- STAND aus Lupinus luteus gewonnene Präparat scheint Pentosenreste ent- halten zu haben. Phosphatid aus Weizenmehl, oder besser das Gemisch verschiedener Phosphatide, das man aus diesem Material erhält (Smo- lenski versuchte dieses Gemisch zu fraktionieren) ergab gleichfalls Reak- tionen, die auf Hexosen, Pentosen, vielleicht auch Methylpentosenreste hindeuten. Eine der SMOLENSKischen Phosphatidfraktionen aus Weizen- keimen war fest und heß sich krystalUnisch abscheiden, eine andere bildete eine ölige Flüssigkeit. Während der Samenreife ändert sich der prozentische Phosphatid- gehalt der Samen. In unreifen Samen fanden Schulze und Frank- FüRT(IO) 0,5% Phosphatid, in reifen Samen 1,23%. Unreife Samen von Juglans nigra enthalten aber nach Mc Clenahan(11) prozentisch mehr Phospholipoide als reife Samen. Bei der normalen Keimung im Lichtgenusse vermehrt sich, wie zuerst Maxwell (12) feststellte, der Phosphatidgehalt noch weiter. Bei Phaseolus stellte sich das Verhältnis des Phosphatids in ungekeimten Samen zu Keimlingen wie 100:159. Stoklasa(13) fand in ungekeimten Rübensamen 0,45 % Phosphatid, während ötägige Keimlinge in nährstoff- 1) G. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 7J, 383 (1911); 70, 496 (1912). — 2) Ritt- hausen u. Weger, Journ. prakt. Chem., 30, 32 (1884). Maxwell, Amer. Chem. Journ., 93, 469. — 3) E. Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 76, 258 (1911). — 4) Vl. Stanek, Ebenda, 72, 402; 75, 262 (l9ll). Stanek u. Domin, Ztsch. Zuckerindustr. Böhm., 34, 297 (1909). — 5) Winterstein u. Smolenski, Ebenda, 58, 506 (1909). — 6) Polstorff, 1. c. K. Gorter, Lieb. Ann., 372, 237 (1910). — 7) U. Suzuki u. Matsunaga, Journ. Agric. Coli. Tokyo, 5, 59 (1912). — 8) Schlag- denhaüffen u. Reeb, Compt. rend., 135, 205 (1902). — 9) Winterstein u. Hie- stand, Ztsch. physiol. Chem., 47, 496 (1906); 54, 288 (1908). Winterstein u. Stegemann, Ebenda, 58, 502 (1909); mit Smolenski, Ebenda, p. 506, 522; mit Stegemann, Ebenda, p. 527. Hiestand, Diss. (Zürich 1906). — 10) Schulze u. Frankfurt, Landw. Versuchsstat., 43, 307 (1894). — 11) F. M. Mc Clenahan, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 485 (1913). — 12) Maxwell, Just Jahresber. (1890), /, 46; Amer. Chem. Journ., 13, 16, 428 (1891). — 13) J. Stoklasa, Sitz.ber. Wien. Ak., 104, I, 617 (1896). § 2. Lecithide in Samen. 777 freier Sandkultur 5,22 % enthielten. Die Phosphatide sind daher durchaus keine Reservestoffe. Für keimende Gerste konnte Wallerstein (1) ebenfalls erhebliche Phosphatidvermehrung in den späteren Entwickiungs- stadien sicherstellen. Nach 9 Tagen war die Phosphatidmenge von 3,06 % der Fettmenge auf 5,04 % gestiegen. In den isolierten Keimen betrug die Phosphatidmenge 11,99%. Weitere Versuche von Stoklasa ergaben für ruhende Betasamen 0,45 % der Trockensubstanz an Phosphatiden, nach 9 Tagen Keimung {Cotyledonen noch in der Samenschale verborgen) 1,78 %. Für Buchweizen wurde gefunden: ruhende Samen 0,51 %, Stägige (nicht grüne) Keimlinge 1,03 %. Ähnliche Resultate gewannen Green und Jackson (2) für das Ansteigen des Phosphatidgehaltes bei der Keimung von Ricinus. Bernardini und Chiarulli{3) sahen bei der Keimung von Getreidekörnern Zunahme von freien und gebundenen Phos- phatiden. Die Neubildung begann mit dem Auftreten des Chlorophylls. Bei Entwicklung der Keimlinge uiiter Lichtentziehung wird der Phosphatidgehalt in den Keimpflanzen vermindert. Nach Schulze und Frankfurt enthalten Wickensamen 0,74—1,22 % Phosphatid, etiolierte junge Wickenpflanzen 0,86 %. Stoklasa fand für lOtägige Beta- keimlinge: etiolierte Pflanzen 0,84% Phosphatid; grüne Pflanzen 1,47% Phosphatid. Für Erbsenkeimlinge war der Phosphatigehalt bei etiolierten 0,38 %, ,bei grünen Keimlingen 0,69 %. Bei etiolierter Vicia fand Prianischnikoff(4) die Abnahme der Phosphatide in folgender Pro- gression: Ungekeimter Samen. lOtägige 20täglge Keimung % Phosphatid 1,08 0,58 0,54 Merlis(5) verfolgte die absolute Verminderung der Phosphatide in etiolierten Keimlingen von Lupinus angustifolius und fand in 15tägigen Keimlingen 1,14% Phosphatide, während ungekeimte Samen 2,20% enthielten. Auch Zaleski(6), Iwanoff (7) sowie Bernardini und Chia- rulli kamen zu analogen Ergebnissen. Mit diesem Phosphatidzerfall steht wohl die von Schulze nachgewiesene reichliche Gegenwart von Cholin in etiolierten Keimlingen im Zusammenhange. Im Gegensatze zu allen diesen Befunden steht die von Frank- furt (8) beobachtete Phosphatidvermehrung in etiolierten Helianthus- keimlingen gegenüber ungekeimten Samen. Da von Zaleski(9) bei der Autolyse von Lupinenkeimlingen Abnahme und Spaltung der Phosphatide beobachtet worden ist, so wäre noch zu prüfen, ob ein besonderes phos- phatidspaltendes Enzym in Keimlingen vorkommt oder die Lipase ent- sprechend wirkt. Nach Schumoff-Simanowki und N. Sieber (10) wird Lecithin durch Pankreaslipase und Ricinuslipase gespalten. Auch für das Betain ist durch Stanek eine Vermehrung bei der Samenkeimung nachgewiesen. 1) M. Wallerstein, Chem. Zentr. (1897), /, 63. — 2) J. R. Green u. H. Jackson, Proceed. Roy. Soc. Lond., 77, B, 69 (1905). — 3) L. Bernardini u. G. Chiarulli, Staz. sper. agr. ital., 42, 97 (1908). — 4) Prianischnikoff, Eiweiß- zerfall bei der Keimung (1895), russisch. — 5) Mertjs, Landw. Versuchsstat., 4S (1897). Vgl. auch Schulze u. Winterstein, Ztach. physiol. Chem., 40, 116 (1903). — 6) Zaleski, Ber. Botan. Ges., 20, 426 (1902). — 7) Iwanoff, zit. bei Z ALESKI. — 8) Frankfurt, Landw. Versuchsstat., 43, 175 (1894). — 9) W. Zaleski, Ber. Botan. Ges. (1906), p. 285. — 10) C. Schumoff-Simanowski u. N. Sieber, Ztsch. physiol. Chem., 49, 50 (1906). A. Clementi, Arch. Fisiol., 8, 399 (1911). 778 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecitbide (Phospholipoide). § 3. Lecithide in anderen Teilen von Blutenpflanzen. Viele Befunde zeigen, daß Phospholipoide in allen Organen der Pflanzen regelmäßig vorkommen und beweisen so die Ansicht, daß es sich in diesen Substanzen um cytoplastische Stoffe handelt. Für unterirdische Reservestoffbehälter werden Befunde von Phosphatiden hervorgehoben für die Zuckerrübe [Lippmann (1)], die Wurzel von Althaea officinalis [Orlow(2)], dieWurzel von Daucus, wo nach den Ana- lysen von Euler (3) ein Phosphatid vorkommt, welches zwei Atome N auf ein Atom P enthalten dürfte. Cholin hat man häufig in Wurzeln, Rhizomen und Knollen gefunden: Ipecacuanhawurzel, Atropa Belladonna und Acorus Calamus [Kunz (4)] ; in Kartoffelknollen [Schulze (5)] ; es steht auch hier offenbar im Zusammenhang mit dem Phosphatidstoffwechsel. Das Betain wurde im Zuckerrübensaft durch Scheibler (6) überhaupt zum ersten Male aufgefunden. Planta (7) isoherte es aus den Knollen von Stachys tuberifera, Orlow(8) aus der Wurzel von Althaea, Schulze(9) gewann aus 25 kg frischen Knollen von HeUanthus tuberosus 2 g Betamchlorid. Das Verschwinden des Betains beim Austreiben der Zuckerrübe (Stanek) muß nicht als „Wanderung" dieses Stoffes gedeutet werden, sondern könnte auch auf gänzlichem Abbau desselben beruhen, trotz der gleich- zeitig stattfindenden Anhäufung des Stoffes in den Blättern. Das Stachydrin, welches Planta und Schulze (10) in den Stachys- knollen zuerst entdeckten, scheint in die Alkaloid-Physiologie zu gehören, ebenso das Trigonellin, welches Schulze und Trier (11) in den unterirdischen Teilen der Scorzonera hispanica und Dahha variabihs nachwiesen. Daß Phosphatide im Stoffwechsel der Laubknospen, Laub triebe und Blätter eine wichtige Rolle spielen, läßt sich wohl aus dem vor hegen- den Tatsachenmaterial bestimmt erschheßen. Schon Hoppe-Seyler (12) fand in Knospen „Lecithin" auf. Nach Stoklasa(13) enthalten die Laub- knospen von Aesculus 0,46% der Trockensubstanz an Lecithin (entwickelte Blätter 0,94 %), die Fraxinusknospen 0,32 % (entwickelte Blätter 0,78 %). Shorey(14) isoherte Phosphatide aus Zuckerrohr und fand darin Betain. Über die Phosphatide aus Aesculusblättern berichtet Hiestand (1. c. 1906), daß dieselben ebenfalls als „Glucophosphatide" anzusehen sind. Aus Ricinus- blättern gewannen Winterstein und Stegmann (15) Phosphatid von 5,27% P-Gehalt, welches 6,74% CaO einschloß. „Glucophosphatid" stellte Hiestand ferner aus Knospen von Crataegus und jungen Blättern von 1) E. O. V. Lippmann, Ber. Chem. Ges., 20, 3201 (1887). — 2) N. Orlow Just Jahresber. (1900), //, 49. — 3) H. Eüler u. E. Nordenson, Ztsch. physiol Chem., 56, 231 (1908). — 4) Künz, Arch. Pharm., 25, XI; Ebenda (3), 23, 721 (1886); 226, 539 (1888). — 5) Schttlze, Frankfürt u. Winterstein, Laudw. Ver suchsstat, 46, I. Hiestand, 1. c. (1906). — 6) C. Scheibler, Ber. Chem. Ges., 2 292 (1869). Frühling u. J. Schultz, Ebenda, w, 1071 (1877). Schulze u. Urich Landw. Versuchsstat., /5, 296 (1875). Andrlik, Velich u. Stanek, Biochera. Zentr (1903), Ref. Nr. 648. F. Ehrlich, Ber. Chem. Ges., 45, 2409 (1912). Stoltzen- BERG, Ebenda, 46, 558 (1913). Urban, Ztsch. Zuckerindustr. Böhm., 37, 339 (1913) — 7) V. Planta, Ber. Chem. Ges., 23, 1699 (1890). — 8) Orlow, Just Jahresber, (1897), //. 102; Chem. Zentr (1898), /, 37. — 9) E. Schulze, Ztsch. physiol. Chem. 65, 293 (1910). — 10) A. V. Planta u. Schulze, Ber. Chem. Ges., 25,^939 (1893); 23, 1699 (1890). Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 59, 233 (1909); 67, 59 (1910); Ber. Chem. Ges., 42, 4654 (1909). R. Engeland, Arch. Pharm., 247, 463 (1909). — 11) E. Schulze u. G. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 76, 258 (1911). — 12) Hoppe-Seyler, Med -ehem. Untersuch., 1. c. — 13) Stoklasa, Sitz.ber. Wien. Ak., 104, I, 620 (1896). — 14) E. C. Shorey, Journ. Amer. Chem. Soc, 20, 113 """"^ - 15) E. Winterstein u. Stegmann, Ztsch. physiol. Chem., 58, 527 (1909). § 3. Lecithide in anderen Teilen von Blütenpflanzen. 779 Ulmus dar. In Weidegräsern ist nach Hiestand, A. Stutzer und Becker (1) der Lecithingehalt ein hoher. Das sorgsam getrocknete Material enthielt 0,078% ätherlösUchen Phosphor. In Blättern von Lactuca und Rheum ist der Phosphatidgehalt gleichfalls ein hoher. Die Blüten enthalten nach Vageler merkhch weniger Phosphatid. Ein besonders starkes Ansteigen findet zur Zeit des Fruchtansatzes statt. Die grünen Früchte von Legu- minosen ergaben besonders hohe Phosphatidzahlen: Pisum 3,8%, Phaseolus 6,5% der Trockensubstanz. Nach Hanai (2) verheren alte Blätter von Thea sinensis im Frühling einen Teil ihrer Phosphatide, während die jungen Blätter während ihres Wachstums an Phosphatidgehalt zunehmen. Auch in der Rinde von Prunus Cerasus soll im Frühling Phosphatidverminderung erfolgen. Durch diese Tatsachen wird jedoch die Ansicht Hanais, wonach wir in den Phosphatiden Reservestoffe zu erbhcken haben, nicht unmittelbar bewiesen. Cholin kommt nach Jahns (3) als intermediäres Glied des Phosphatid- stoffwechsels außerordentlich verbreitet in Stengeln, Blättern, Blüten, Rinden und Früchten verschiedener Pflanzen vor. Auch ist nach diesem Forscher das von Bombelon in Capsella bursa pastoris gefundene Alkaloid „Bursin" nichts anderes als ChoHn. Polstorff (4) fand Chohn in Teeblättern, Struve (5) in den Blattstielen von Vitis, Kunz- Krause (6) in Holz und Blättern vonFabiana imbricata, sowie in den Blättern von Hex paraguayensis ; ferner wird es angegeben von Ajuga reptans, Glechoma, Galeopsis, Ros- marinus [Yoshimura und Trier (7)] und von den Blättern des HeHanthus annuus [Buschmann (8)]. Mit dem Betainstoffwechsel, der offenbar mit den Phosphatiden nahe zusammenhängt, hat sich Stanek(9) in neuerer Zeit besonders ein- gehend befaßt und als bemerkenswert hervorgehoben, daß bei der Zucker- rübe besonders die jungen Blätter und die jungen Sprosse an Betain reich sind. Die Wurzel von Beta enthält 1,2%, die Blätter führen 2,6% Betain. Auch in etiolierten Blättern wird es gefunden. Das Verschwinden des Betain nach Beendigung der vegetativen Tätigkeit aus den Blattorganen deutet Stanek nicht als Zerfall, sondern als Rückwanderung und legt darauf Ge- wicht, daß das Verschwinden des Betain aus der austreibenden Wurzel und die Anhäufung in den Blättern koinzidieren. Jedenfalls sind weitere Studien hierüber nötig. Daß das Betain kein Reservestoff ist, zeigt sein Vorkommen in den Samenschalen der Zuckerrübe. Von Vorkommen des Betains seien erwähnt die Fälle von HcUanthus- blüten [Buschmann], unreifen Hülsen von Vicia [Schulze und Trier(IO)], Cascarillarinde [Naylor(II)], Blätter von Nicotiana (12), alles nur spora- dische Erscheinungen. Das Trigonellin ist durch Schulze und Trier in jungen Pisumpflanzen nachgewiesen, durch Yoshimura und Trier bei Mirabihs Jalappa(13). 1) A. Stutzer, Verhandl. Naturf. Ges. Köln (1908), 2, I. 138; Pharm. Post, 41, 809 (1908). J. Becker, Fühlings Landw. Ztg., 59, 420 (1910). H. Vageler, Biochem. Ztsch., 77, 189 (1909). — 2) T. Hanai, Bull. Agric Coli. Tokyo, 2, 503 (1897). — 3) Jahns. Arch. Pharm., 235, 151 (1897). — 4) K. Polstorff, Festschrift f. Wallach (1909), p. 569. — 5) Struve, Ztsch. analyt. Chcm., 41, 544 (1903). — 6) H. Kunz-Krause, Arch. Pharm., 2j/, 613(1893); 237, 1 (1899), — 7) K. Yoshi- mura u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 77, 290 (1912). — 8) E. Buschmann, Arch. Pharm., 24g, 1 (1911). — 9) Vl. Stanek, Ztsch. physiol. Chem., 72, 402; 75, 262 (1911); Sitz.ber. böhm. Ges. Wiss. (1912). — 10) E. Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 70, 258 (1911). — 11) Naylor, Pharm. Journ. Tr. (4) (1898). Nr. 1447. — 12) Deleano u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 79> 243 (1912). — 13) Trigonellin: E. Schulze, Ztsch. physiol. Chem., 60, 155 (1909); Abderhaldens biochem. Arb.meth., 2, 522 (1910). 780 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). Diesem hier und da vorkommenden Methylbetain der Nicotinsäure reiht sich an das Methylbetain der Methylpyrrolidincarbonsäure oder Stachydrin, welches Jahns (1) nach der Entdeckung dieses Stoffes in den StachysknoUen durch Planta und Schulze, in den Blüten von Citrus auffand. Schulze und Trier (2) sowie Engeland (3) bestimmten seine Konstitution durch den Nachweis seiner Identität mit dem Belain der n-Methylhygrinsäure : I I CH, N 0 I (CHg)^ Man weist es nach durch die Fichtenspanreaktion (Pyrroldämpfe), welche beim Erhitzen des Chlorides eintritt, sowie durch die charakte- ristischen Krystalle seiner Goldchloriddoppelverbindung (4). Vorkomm- nisse von Stachydrin sind bekannt in den ober- und unterirdischen Teilen von Stachys tuberifera; in Stachys silvatica, Galeopsis und Betonica: hier auch Oxystachydrin C7H23NO3; in Blättern und Fruchtschalen von Citrus; in Chrysanthemumblüten (dalmatinisches Insectenpulver). Oxystachydrin (Betonicin) oder das Dimethylbetain von Oxyprolin kommt auch in jungen Wickenpflanzen vor, und es dürften ähnhche Basen noch weiter gefunden werden (5). In Pollen wurden Phosphatide zuerst von Stoklasa (6) nachge- wiesen. Apfelbaumpollen enthält nach diesem Autor 5,16%, Betapollen 6,04% Phosphatide. Hiestand konstatierte an den Phosphatiden von Alnus viridis-PoUen und Pinus montana-Pollen, daß auch hier Gluco- phosphatide vor hegen. Die Ausbeute betrug bei Alnus 3,31% (doch viel- leicht nicht quantitativ). Möghcherweise ist der spermaähnhche Geruch der männUchen Blüten von Castanea auf Basen der Cholingruppe zurückzuführen. Trimethylamin, welches sich bei vielen Pflanzen durch den Geruch verrät: Chenopodium vulvaria [Dessaignes (7)], Pomaceenblüten, wie Crataegus (8), Pirus, Sorbus, Fagussamen, Arrfica montana, Mercurialis annua u. a. ist wohl kaum anders aufzufassen als als Zersetzungsprodukt des Cholins. Andere Amine, die man in faulenden Pflanzen fand (Äthylamin, Dimethylamin) entstammen vielleicht dem bacteriellen Eiweißabbau. Methylamin kommt hingegen nativ vor in Beta und in MercuriaHs (9). Bei der Destillation von Camphorosma monspeüaca mit KOH wurde Pro- pylamin erhalten (10). §4. Lecithide der Pilze und Bacterien. Auch für die höheren Pilze darf das Vorkommen von Phosphatiden als allgemeine Erscheinung gelten. Die vorhandene Menge scheint mit 1) E. Jahns, Ber. Chem. Ges., 29, 2065 (1896). — 2) Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chera., .59. 233 (1909); Ber. Chera. Ges., 42, 4654 (1909). — 3) R. Engeland, Arch. Pharm., 247, 463 (1909). — 4) Schulze u. Trier, Ztsch. physiol. Chem., 67, 59 (1910). — 5) Schulze u. Trier, Ebenda, 79, 235 (1912). — 6) Stok- lasa, 1. c. (1896). — 7) Dessaignes, Compt. rend., 33, 358; 34, 670; Lieb. Ann., 5/, 106 (1852). — 8) W. Wicke, Lieb. Ann., 91, 121 (1854). — 9) „Mercurialin" von Schmidt, Lieb. Ann., 193, 73 (1877). — 10) Schimmel, Chera. Zentr. (1902), //, 1207. § 4. Lecithide der Pilze und Bacterien. 781 den bei Blütenpflanzen gefundenen Verhältnissen übereinzustimmen. Schulze und Frankfurt (1) geben für Psalliota campestris 0,32%, für Boletus edulis 1,94 % an Phosphatiden an, was wahrscheinlich zu gering ist. Nach Zellner (2) würde der Phosphatidgehalt von Amanita mus- caria 7,42% betragen. Für PeniciUium, Aspergillus und Mucor hat Sieber (3) das Vorhandensein von Phosphatiden gezeigt. Fritsch (4) wies Phosphatid in Polysaccum pisocarpium nach. Zellner (5) in Ustilago Maydis. Nach den Untersuchungen von Winterstein und Hiestand (6) handelt es sich in den Phosphatiden aus Boletus edulis und Cantharellus cibarius um „Glucophosphatide" oder Gemische von Lecithiden und Cerebrosiden. Chohn ist in einer Reihe von Befunden aus Pilzen sichergestellt worden: Im Mutterkorn durch Brieger(7); das daselbst vorkommende Trimethylamin dürfte wohl ein Zersetzungsprodukt des Cholins sein. Nach einer älteren Angabe [Wenzell (8)] kommt auch Propylamin im Mutter- korn vor, doch ist dies wohl eine Verwechslung mit dem früher für Pro- pylamin gehaltenen Trimethylamin. Böhm (9) fand in Boletus luridus und Amanita pantherina 0,1% der Trockensubstanz anCholin; Polstorff(IO) gibt für Cantharellus und Agaricus 0,005—0,01% der Frischsubstanz an Chohn an. Fernere Angaben lauten für Helvella esculenta [Böhm und Külz{11)], Boletus satanas [Utz(12)], Russula emetica [Kobert(13)], Psal- liota campestris [Kutscher(14)]. Identisch mit Chohn sind das Amanitin aus Am. muscaria [Schmiedeberg und Harnack(15)] sowie das Lurido- chohn aus Boletus luridus [Böhm (16)]. Betain ist im Vergleiche zu den vielen Angaben über Chohn auffallend selten gefunden worden. Ich kenne nur die Angaben von Krafft für das Mutterkornsclerotium und von Kutscher für ein Nährmittelpräparat aus Psalhota campestris. Unstreitig steht auch das in wenigen Hymenomyceten vorkommende Muscarin, der Giftstoff des Fliegenpilzes, aber nach Böhm(17) auch der Am. pantherina und des Boletus luridus in naher Beziehung zum Chohn. Seitdem Schmiedeberg und Hoppe(18) diese Base zuerst aus Am. muscaria dargestellt haben, ist es noch nicht gelungen, die Schwierigkeiten der Rein- gewinnung des Muscarins völhg zu überwinden; auch ist seine Konstitution noch nicht einwandfrei festgestellt. Harnack(19) zeigte, daß es ein Atom 1) Schulze u. Frankfurt, Landw. Versuchastai., 43, 156, 307. — 2) J. Zellner, Monatsh. Chem. (1904), p. 176; Chemie der höheren Pilze (1907); Monatsh. ehem., 34, 321 (1913). — 3) N. SiEBEfe, Journ. prakt. Chem., 23, 412 (1881). — 4) R. Fritsch, Arch. Pharm. (1889), p. 193. A. Lietz, Dies. (Dorpat 1893). — B) J. Zellner, Sitz.ber. Wien. Ak. (1910). — 6) E. Winterstein u. O. Hiestand, Ztsch. physiol. Chem., 54, 28§ (1908). Hiestand, Diss. (Zürich 1906). — 7) L. Brieger, Ztsch. physiol. Chem., //, 184 (1887). Krafft, Arch. Pharm., 244, 336 (1906). — 8) Wenzell, Jahreeber. f. Chem. (1864), p. 14. — 9) R. Böhm, Arch. exp. Pathol., 19, 60 (1885). — 10) K. Polstorff, Feetschr. f. Wallach (1909), p. 569. — 11) BÖHM u. KÜLZ, Arch. exp. Pathol., 19, 60 (1885). — 12) ütz, Apoth.-Ztg., 20, 993 (1905). — 13) KoBERT, Chem. Zentr. (1892), //, 929. — 14) F. Kutscher, Ztsch. Untersuch. Nähr.- u. Genußmittel, 21, 535 (1911). — 15) Schmiedeberg u. Harnack, Arch. exp. Pathol., 6, 101 (1876). — 16) Böhm, Arch. Pharm., 222, 159 (1884). — 17) R. Böhm, 1. c. — 18) Schmiedeberg u. Hoppe, Das Muscarin (1869). Lit. in Husemann-Hilger, Pflanzenstoffe, 2. Aufl., /, 288 (1882). Ferner Berliner- blau, Ber. Chem. Ges.. 17, 1139 (1884). Löchert, Bull. Soc. Chim. (3), j, 858. Parry, Chem. Zentr. (1893), /, 34. G. Nothnagel, Ber. Chem. Ges., 26, 801 (1893). Harmsen, Arch. exp. Pathol., 50, 361 (1903). Bode, Lieb. Ann., 267, 291. E. Fischer, Ber. Chem. Ges., 26, 468; 27, 166. Zellner, Chemie der höheren Pilze (1907). — 19) Harnack, Arch. exp. Pathol., 4, 168. 782 Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die pflanzlichen Lecithide (Phospholipoide). Sauerstoff mehr hat als Cholin, entsprechend der Formel CgHigNOg, und daß es beim Erhitzen Trimethylamin liefert. Da man bei der Oxydation des ChoHns nach Schmiedeberg und Harnack(I) (Cho.inplatinchlorid + konz. HNO3) eine bis auf die physiologischen Wirkungen sehr ähnliche Base erhält, die offenbar der zum ChoHn gehörende Aldehyd COH-CHg- OH . N CH2-CO Sowohl vom Cholestenon als vom Cholesterin selbst gelangt man durch Reduktion und Wasserstoffanlagerung zu dem gesättigten einwertigen Alkohol Dihydrocholesterin oder /S-Cholestanol (4). C23H30 — CHiCHj G23H39 — CH2 CHs / \ -^ / \ CH2— CHOH CH2-C Mit Chromsäure und Eisessig erhält man aus letzterem ein gesättigtes Keton, ^-Cholestanon (5): CHjK I /G23H39— CHg— CH3 CO ^ Wenn man Cholesterin mit rauchender HNO3 behandelt, entstehen gesättigte Mononitroderivate, ableitbar vom /?-Cholestanol, welche wahr- scheinlich einen neuen Ringschluß von der Vinylgruppe her erfahren (Windaus) : I )C23H3»-CH:CH2 -> | >C23H39-CN02/^" CHOR/ CHOH/ Reduziert man dieses Derivat mit Zinkstaub und Essigsäure, so ent- steht NH3 und ein gesättigtes Keton der Form C23H39 CNO2 ^3jj^ C23H^ CO (Dehydro- CHOh\h-CH -^ CH0H-CH-aH2 cholestanon-ol) Aus diesem gewann Windaus (6) durch Phosphorpentachlorid das /8-Chlorderivat des Dehydrocholestanons : 1) W. E. Walttzky, Compt. rend., 92, 195 - 2) Diels u, Lnm, Ber. Chem Ges. 41, 544 (1908). — 3) Diels u. Abderhalden, Ebenda, 37, 3099 (1904). D1EL8 u. LiNN, 4h 260, 544 (1908). — 4) Diels u. Abderhalden, Ebenda, 39, 884 (1906). Willstätter u. E. W. Mayer, Ebenda, 41, «il99 (1908). — 5) Diels u. Abderhalden, Ebenda, 39, 889 (1906). — 6) Windaus u. Stein, Ebenda, 37, 3702 (1904). 790 Neunundzwanzigstea Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. Wenn man dieses in Eisessiglösung mit rauchender HNO3 oxydiert, so entsteht die Säure -COOH GH2-CHCI-CH-COOH Dies zeigt uns, daß die CO-Gruppe im Dehydrocholestanon einem hy- drierten Ringe angehört. Im weiteren wurde aus diesem Chlorderivat die ^^'^^ a„H.. COOH COOH und durch Oxydation über die Ketodicarbonsäure G22H37 COOH C22H37 COOH y^ \. die Tetracarbonsäure / \ erhalten. CH2-CO-CH-COOH COOH CH-COOH COOH Damit war nachgewiesen, daß die sekundäre Alkoholgruppe des Chole- sterins in einem hydrierten Ring steht [Windaus und Stein (1)]. Die Auf- spaltung dieses Ringes an der CH OH -Gruppe vollzieht sich bei der Oxy- dation des Cholesterins mit KaHumhypobromit direkt unter Bildung der Dicarbonsäure C22H37-CH:CHo / \ [DiELS und Abdekiialden, Windaus (2)], COOH CH2-COOH Eine isomere, dochdifferente Säure entsteht in kleiner Menge nachWiNDAUS(3) bei der Oxydation von Cholestenon mit neutralem KMn04 mit dem Haupt- produkte, einer gesättigten Ketomonocarbonsäure C26H42O3. Da die letztere bei weiterer Oxydation in die Tricarbonsäure C26H42O6 übergeht, so muß wohl eine cyclisch gebundene CO-Gruppe vorhanden sein, welche unter Ring- sprengung in COOH übergeht: CO COOH COOH-Co3H39< I ^ COOH-C23H39/ ^CH2 ^COOH Die Existenz dieser Ketosäure ist wichtig, da sie uns zeigt, daß Chole- CO stenon am wahrscheinlichsten dem Aufbau CHg'.CH — C23H33<' | haben ^CH2 dürfte, d. h., daß die Vinylgruppe eine offene endständige Kette darstellt und daher die Doppelbindung nicht etwa einem ungesättigten Ring angehört. Die Säure C27H41O4, die als Nebenprodukt auftritt, dürfte dann die Formel CO COOH — CHOH — C23H39<^ | besitzen. Da die erwähnte Ketomono- ^CHo 1) G. Stein, Über Cholesterin, Diss. (Freiburg 1905). — 2) Windaus, Ber. Chem. Ges., 41, 611, 25.58 (1908); Arch. Pharm., 246, 117 (1908). Diels u. Ab- derhalden, Ber. Chem. Gea., j6, 3177 (1903); 37, 3092 (1904). — 3) Windaus, Ebenda, 39. 2008 (1906). § 1. Allgemeines. 791 carbonsäure CaeH4203 (neben COg) auch beim Kochen des Ozonids des Cholestenons mit Wasser entsteht (1 ), so dürfte die erwähnte Anschauung über die Stelle der Doppelbindung im Cholesterin derzeit recht gesichert sein. Noch eine zweite Kohlenstoffkette Ueß sich eruieren. Da Windaus fand, daß bei der Oxydation von Cholesterin mit heißer rauchender HNO, CH NO Bernsteinsäure und Dinitro-Isopropan fu'>C<;p^Q2 entsteht, so muß CH wohl die Gruppe pTj^C<; im Cholesterin vorkommen. Später ist es dem- selben Forscher gelungen (2) durch schrittweise Oxydation der obenerwähnten Ketodicarbonsäure C27H4QO5 zu Tricarbonsäure C26H4QOg, welche letztere in a-Oxyisobuttersäure und Tetracarbonsäure CgiHaoOg zerfällt, zu beweisen, daß es sich im Cholesterin offenbar um einen Isoamylrest handelt. y-iTT v^GH — CH2 — CH2 — Clj^Hgg — CH : CHg CHj CHOH CH welchem die bei der Oxydation entstehende Säure ^yj^^CHOH • COOH entstammt. Daß neben der CHOH -Gruppe im hydrierten Ringe CH2- Gruppen stehen, stimmt auch mit neueren Erfalirungen von Windaus (3) überein. Aus der Zahl der Wasserstoffatome in der Gruppe Ci^Hgg folgt, daß darin mehrere hydrierte Ringe stecken dürften. Wind aus (4) schUeßt aus seinen letzten Versuchen, daß sich für das Cholesterin mit großer Wahrscheinlichkeit die Konstitutionsformel ^||3>CH.CH2.CH2-CiiH„ CH ^- CH HgCr^^tV^ -^^GH-CHa HgcL^/JcH, ^CH CHOH CHg ableiten läßt. Bemerkt sei, daß im voranstehenden die Cholesterinformel C27H4gO zugrunde gelegt wurde, welche derzeit von Diels und Windaus bevorzugt wird, während die Formel C27H44O besonders von Mauthner und SuiDA vertreten wurde; definitiv entscheiden läßt sich diese Frage noch nicht. Die Erforschung der Cholesterinkonstitution bietet große Schwie- rigkeiten, da beim stufenweisen Abbau fortwährend die Gefahr von Umlage- rungen droht. Nicht selten haben sich beim stufenweisen Abbau des Cholesterins deutliche Analogien mit der Terpenchemie ergeben. Erst kürzüch hat Windaus (5) gefunden, daß der bei dem oxydativen Abbau von Cholesterin öfters beobachtete wohlriechende Stoff mit Methyhsohexylketon identisch ist, welches als Dihydroderivat des wichtigsten aliphatischen Terpenketons Methylheptenon aufgefaßt werden kann: 1) Ch. Doree u. Gardner, Journ. Chem. Soc, pj, 1328 (1908). Diels, Ber. Chem. Ges., ^/, 2596 (1908). — 2) Windaus, Ebenda, 4', 2558 (1908). - 3) Vgl. Windaus, Ebenda, 44, 1316 (1912). — 4) Windaüs, Ebenda, 45, 2421 (1912). — 5) Windaus, Ebenda, 46, 1246 (1913). 792 Neunundzwanzig8te8 Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. Methylisohexylketon: CH3-CO-CH2-CH2-CH2-CH<^^3 Methylheptenon : CH3 • CO • CHg • CHg • CH : C <^JJ3 Auch bieten die Farbenreaktionen der Cholesterine Vergleichspunkte mit Harzsäuren, nach Mach(1) vor allem mit der Abietinsäure CigHagOg dar, einem Retenabkömmling , welcher Liebermanns Cholestolreaktion gleichfalls gibt. Doch fehlen alle bestimmten Anhaltspunkte zu einer Her- leitung der Cholesterine von den Terpenen nicht nur in chemischer, sondern auch in physiologischer Richtung. Die von Schrötter(2) geäußerten Ansichten über die Cholesterinkonstitution mußten vom Autor selbst zurück- gezogen werden. Es besteht aus allen diesen Gründen derzeit kein Anlaß, die Cholesterinkörper biochemisch an die Betrachtung der Terpene und Harze anzugliedern. Hingegen ist die physiologische Parallele nüt den übrigen komplexen Lipoiden der Zelle unleugbar da; die Verbindung mit hochmolekularen Fettsäuren, die ausgesprochene Sauerstoffaufnahme, geringe Quellbarkeit in Wasser haben sie mit den Phosphatiden gemein. Overton hat in seinen denkwürdigen Untersuchungen über die Stoffaufnahme in Zellen auch an die Cholesterine als Konstituenten der hpoiden Plasmahaut in erster Reihe gedacht. Allerdings mögen manche Phytosterinalkohole in Rinden, Milch- säften, Samenschalen bereits dem destruktiven Stoffwechsel angehören. Zur quantitativen Bestimmung der Cholesterine verfährt man nach Schulze und Barbieri (3) bei Pflanzenmaterial am besten, indem der Ätherextrakt mit alkoholischer KOH verseift wird und das Seifengemisch nach Verjagei;i des Alkohols mit Wasser aufgenommen, und nun das Cholesterin mit Äther ausgeschüttelt wird. Nach Ritter (4) hat man dabei die Seifenmassen gut mit NaCl zu vermengen. Die Rückstände der Äther- ausschüttelung werden in sehr wenig heißem Alkonol gelöst, aus welchem dann beim Erkalten die Cholesterinkörper krystallinisch ausfallen. Die von Obermüller (5) angewendete Verseifung mit Natriumäthylat soll nach CoRPER(6) Fehler in der CholesterinrSstimmung bedingen. Lewkowitsch(7) schlug vor, Cholesterin mit Essigs?;.ureanhydrid vollständig zu acetyheren und durch Feststellung der Verseifungszahl des Acetylproduktes das Chole- sterin zu bestimmen. In Fetten aber ist die Acetylzahl zur quantitativen Cholesterinbestimmung nach Nukada(8) unverwendbar. Weiter hat man die Bromierung, die Jodaddition (Jodzahl 68,3) und auch die Saponin- fällungen zur Cholesterinbestimmung herangezogen. Der Cholesteryl- benzoesäureester wurde von DoRi)E und Gardner (9) zur Ausfällung des Cholesterins verwendet. Endlich sind colorimetrische Verfahren ange- geben (10). 1) H. Mach, Monatsh. Chem., 15, 627 (1895). Seifert, Ebenda, 14, 726 (1893). Thoms, Arch. Pharm., 23S, 39 (1896). Walitzky, Ber. Chem. Ges., p, 1310 (1876); 18, 1808. LATScmNOFF, Ebenda, 12, 1526. Stein, Dies. (Freiburg 1905). — 2) H. Schrötter, Monatsh. Chem., 29, 245, 749 (1908); 30, 395 (1909). — 3) E. Schulze u. Barbieri, Journ. prakt. Chem., 25, 159 (1882). übertragen der Ver- eeifungemethode für die Cholesterinbestimmung in tierischen Geweben. A. Grigaut, Soc. Biol, 7r, 441, 513 (1911); 72, 1046 (1912). — 4) E. RrrTER, Ztsch. physiol. Chem., 34, 430 (1902). Modifikation: H. J. Corper, Journ. Biol. Chem., 12, 197 (1912). — 5) K. Obermüller, Ztsch. physiol. Chem., 16, 143 (1892). —-6) H. J. Corper, Journ. Biol. Chem., //, 37 (1912). — 7) J. Lewkowitsch, Ber. Chem. Ges., 2S, 65 (1892). — 8) NuKADA, Biochem. Ztsch., 14, 424 (1908). — 9) Dobee u. öARDNER, Proceed. Eoy. Soc, 81, 113 (1909). — 10) P. G. Weston u. Kent, Journ. Med. Research, 26, 523 (1912). § 2. Sterinolipoide in Samen und Keimlingen. 793 §2. Sterinolipoide in Samen und Keimlingen. Nach den bisherigen Erfahrungen darf es wohl als sicher gelten, daß eine gewisse Quantität Phytosterine ruhenden Samen nie fehlt. Die Untersuchungen von E. Schulze, Bürchard, Heckel und Schlagden- HAUFFEN(l) haben sowohl im Nährgewebe als im Embryo als auch in Samenschalen solche Stoffe kennen gelehrt. Deren Menge im Gesamt- samenmaterial kann bis 1,5 % steigen. Den vorliegenden Literatur- angaben entnehme ich die folgenden Zahlen: Fett von Zea Mays 1,33 bis 1,40/ 3 Phytosterin (Hopkins). Fett von Cocos nucifera 0,09 bis 0,3 Phytosterin, Kedrowitsch, Ztsch. Nähr.- u. Genußmittel 24, 334 (1912). Samenfett v. Carya ohvae- • 0,28 Phytosterin (Deiler u. Fraps, formis Amer. Chem. Journ. 43, 90 (1910). Samen von Beta, geschält 0,96 Strohmer u. Fallada, Chem. Zentr. (1906), /, 1440. Bibes rubrum 1,58 B. Krzizan, Chem. Zentr. (1909), /, 455. Fett aus Bubus idaeus 0,7 B. Krzizan, Chem. Zentr. (1907), //, 923. Fett aus Brombeersamen 0,6 B. Krzizan, Chem. Zentr. (1908), /, 756. Fett aus Glycim hispida 0,7 H. Matthes u. Dahle, Arch. Pharm. 249, 4.36 (1911). Samen von Lupiaus luteus, 0,137 Schulze u. Barbieri, Journ. geschält prakt. Chem. 25, 159 (1882). Samen von Gosgypium 0,79 Baumer, Zeitschr. angew. Chem. 1898, p. 555. Fett von Bhamms cathar- 0,48 Krassowski, Chem. Zentr. tica (1906), //, 348. Samen von Vitisvinifera 0,12 G. Paris, Staz. spar. agr. ital. 44, 669 (1911). Samen von Sesanum in- 1,32 Baumer, 1. c. dicum Samen von Salvii nilotica 0,54 Parrozzani, Ann. Staz. Sper. Borna, j, 77 (1910). Alle Phytoiterinpräparate, die man bisher aus Samen dargestellt hat, sind vom tieischen Cholesterin sicher verschieden. Nach Windaus (2) ist das Cholesteririibromid in Äther- Eisessig schwerer löslich als alle pflanz- hchen Cholesterinvörper die man bisher kennt. Ferner ist die Löslichkeit in Chloralhydrat )ei Cholesterin und Phytosterinen verschieden (3). Eine sehr große Zahl er Samenphytosterine ist wohl identisch mit dem durch BURIAN (4) und dif-ch Bitter (5) zuerst aus Weizenkeimen rein dargestellten 1) E. ScHUL'E u. Barbieri, 1. c. H. Bürchard, Diss. (Rostock 1889). Heckel u. Schlag?enhauffek, Compt. rend., 102, 1317 (1886). — 2) Windaus, Chem.-Ztg. (1906), [• 1011. — 3) H. Scherer, Diss. (Straßburg 1909). — 4) R. BuRiAN, Monatsh. iliem., 18, 551 (1897). — 6) E. Ritter, Ztsch. physiol. Chem., 34, 461 (1902). 794 Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. Sitosterin. Dieses Phytosterin hat dieselbe Formel und, soweit bekannt, dieselbe Konstitution wie das tierische Cholesterin. Verschiedene den Abbauprodukten des Cholesterins ganz analoge Sitosterinderivate wurden von Burian, Windaus und Pickard und Yates dargestellt (1). Sitosterin hat einen wesentlich niedrigeren Schmelzpunkt als Cholesterin (137 gegen 148,5**) und eine geringere spezifische Drehung (links) [od— 26,71** gegen —29,92^; auch die Krystallform ist verschieden. Mit Sitosterin sicher identisch sind Präparate aus Physostigma venenosum, wo Hesse (2) zuerst das pflanzliche Phytosterin vom tierischen Cholesterin unterschied (WiNDAUS und Haute, 1. c), aus Zea Mays nach Gill und TuFTs (3), ferner kennt man Sitosterin aus Leinöl, Öl von Gossypium, Laurus, Lippia [Windaus und Welsch(4)], vom Cacaofett [Matthes und RoHDiCH (5), von Erythrina subumbrans (6). Mit großer Wahrscheinlich- keit dürfen weitere Phytosterinpräparate als unreines Sitosterin angesehen werden, wie jene aus Pisum sativum (Hesse, 1. c), Lupinus lutous (Schulze und Barbieri, 1. c), Colchicum autumnale [Paschkis (7)], Juglans regia [Menozzi (8)], Petrosehnum sativum [Matthes (9)], Brucea antidysenterica [Lam. [Power und Salway(IO)], Chailletia toxicaria [Power und Tutin(II)], Moringa pterygosperma [vanItallie(12)], Phaseolus vulgaris [Jacobson(13)], Vitis vinifera [Paris(14)], Strychnos nux vomica [Heiduschka(15)], Casi- miroa edulis [PowERundCALLAN(ie)]. Sitosterin kommt vielleicht noch vor im 0hvenöl(17), Sesamöl (18) und in den Samen von Cycas circinalis (19), Beta (20), Cheiranthus (21) und anderen. Sitosterin gibt die gleichen Farben- reaktionen wie Cholesterin. Einen Begleitkörper des Sitosterins aus Weizenkeimen beschrieb Ritter als Parasitosterin. Ein zweites, gut definiertes und verbreitet vorkommendes Sterino- lipoid aus Samen erkannte Wind aus (22) in dem zuerst aus Physostigma- samen isolierten Stigmasterin, welches die Zusammensetzung C3QH48 (oder H5o?)0 hat. Es ließ sich vom Sitosterin durch sein schwerlösliches Dibromid abtrennen. Durch den hochgelegenen Schmelzpunkt (170**) und die starke Linksdrehung ([oJd — 45,01®) ist es leicht vom Sitosterin zu unterscheiden. Die Krystalle sind mit Sitosterin isomorph. Stigmasterin gibt gleichfalls die Farbreaktionen des Cholesterins. Nach Matthes (23) 1) Burian, I.e. Windaus u. Hauth, Ber. Chem. Ges., jp, 4378 (1906); 40, 3681 (1907). Pickard u. Yates, Joum. Chem. Soc, 93, 1928 (1908). — 2) 0. Hesse, Lieb. Ann., 192, 175 (1878). — 3) Gill u. Tufts, Joum. Amer. Chem. Soc., 25, 498 (1903). — 4) Windaus u. A. Welsch, Ber. Chem. Soc., 42, 612 (1909). — 5) H. Matthes u. Rohdich, Ebenda, 41, 19 (1908). Über Qossypiumphytosterin auch Heiduschka u. Gloth, Pharm. Zentr.halle, 49, 836 (1908). Matthes u. Heintz, Arch. Pharm., 247, 161 (1909). — 6) N. H. Cohen, Chem. Zentr. (1909), //, 1576. — 7) H. Paschkis, Ztsch. physiol. Chem., 8, 356 (1884). -- 8) A. Menozzi u. Moreschi, Chem. Zentr. (1910), /, 1777. — 9) Matthes u. Heintz, Ber. pharm. Ges.; 19, 325 (1909), — 10) F. B. Power u. Salway, Pharm. Joum. (4), 25, 12ö (1907). — 11) Power u. Fr. Tutin, Joum. Amer. Chem. Soc.,,28, 1170 (1906). — 12) VAN Itallie u, Nieuweland, Arch. Pharm., 244, 159 (1906). — 13) H.IJacob- SON, Ztsch. physiol. Chem., /j, 32 (1888). — 14) G. Paris, Staz. aper. agr. ital., 44, 669 (1911). — 15) A. Heiduschka u. Wallenreuter, Arch. Pharm., 230, 398 (1912). — 16) Fr. B. Power u. Callan, Journ. Chem. Soc. Lond., 99, 1993 (1911). BiCKERN, Arch. Pharm., 241, 166 (1903) „Casimirol". — 17) G. Sani, Chem. Zentr. (1903) /, 93. Gill u. Tufts, Joum. Amer. Chem. Soc, 25, 498 (1903). — 18) Villa- VECCHiA u. Fabrts, Chem. Zentr. (1897), //, 772. Canzoneri u. Pbrciabosco, Ebenda (1904), /, 45. — 19) J.VAN Dongen, Ebenda (1903), /, 1313. — 20) Neville, Ebenda (1912), //, 843. — 21) Matthes u. Boltze, Arch. Pharm., 250,211 (1912). — 22) A. Wendaus u. Hauth, Ber. Chem. Ges., 39, 4378 (1906). Jaeger, Bec. trav. chim. Pays- Bas, 25, 334 (1906). — 23) H. Matthes u. Dahle, Arch. Pharm., 249, 436 (1911). § 2. Sterinolipoide in Samen und Keimlingen. 795 findet sich dasselbe Sterin in der Sojabohne, wo Klobb(I) ein besonderes „Sojasterol" angibt, ferner wahrscheinhch in der Gacaobutter (2), wohl auch in Cucurbitaceen [Ecbalüum (3), Cucurbita (4)], und nach Cohen (5) in den Samen von Erythrina subumbrans. Ein weiteres Sterinpräparat aus Rüböl gaben Windaus und Welsch (6) als Brassicasterin an. Es entspricht der Zusammensetzung CggH^^O, hat den Schmelzpunkt 148'', die spez. Drehung —64,25*'. Nach Cohen könnte es auch in Erythrina subumbrans vorkommen; sonst ist es bisher nirgends nachgewiesen. Das „Ampelosterin" aus Vitis von Sani (7)^ sowie das aus Cocosbutter von Matthes (8) beschriebene Phytosterinpräparat sind noch ungewisser Zugehörigkeit. Häufig werden wohl mehrere Sterino- lipoide gemeinsam vorkommen, wie Heiduschka und Wallenreuter in Strychnossamen drei solche Substanzen unterscheiden konnten. Lindenmeyer (9) gab an, daß bei Erbsen der Phytosteringehalt mit zunehmender Reife steigt. Aus neuerer Zeit fehlen Untersuchungen über das Verhalten der Phytosterine in reifenden Samen. Bei der Samenkeimung nimmt den Untersuchungen von Schulze und Barbieri(IO) zufolge die Quantität der Sterine zu und es treten in den leimpflanzen von Lupinus luteus Phytosterine von höherem Schmelz- punk auf. In ungekeimten Samen von Lupinus luteus war der Phyto- steriDgehalt 0,137 %, in etiolierten Keimlingen 0,20%. Etiolierte Keim- pflanzen von Triticum und Lolium perenne enthielten mehr als doppelt sovid Phytosterin als das ungekeimte Material. Für die einzelnen Teile der etioherten Lupinenkeimhnge im Ver- gleicke zu ungekeimten Samen geben die genannten Autoren folgende PhytQsterinmengen in Prozenten der Trockensubstanz an: I. II. Ungekeimte Samen 0,152% 0,135% Keimhnge 0,306 0,324 Cotyledonen der letzteren 0,392 0,391 Die übrigen Teile 0,227 0,258 In grünen am Lichte erzogenen Keimlingen soll nach Schulze und Babieri nur sehr wenig Phytosterin vorkommen. Wie diese Differenz zu erklären ist, ist noch unbekannt. Das Phytosterin aus den Cotyledonen war nur sehr wenig verschieden von dem Phytosterin der ungekeimten SaBen. Hingegen ließ sich aus Hypocotyl und Wurzel ein abweichender Steif vom Schmelzpunkt 158—159° isoheren, welcher von Schlt^ze als Caiilosterin unterschieden wurde. Caulosterinisthnksdrehend: [ajo— 49,6''. Fürdas Cotyledonenphytosterin ergab sich F 136—137" und [oJd — 36,4°. Caiilosterin gibt die HESSEsche Probe. Mehrfach wurden in den Samenschalen von Leguminosen Stoffe voi Charakter der Phytosterine angetroffen, die jedoch wahrscheinlich 1) P. Klobb u. Bloch, Bull. Soc. Chim. (4), /, 422 (1907). — 2) Matthes u. EoHDicH, Ber. Chem. Ges., 4U 1591 (1908). — 3) F. B. Power u. Moore, JoKi. Chem. Soc. Lond., 95, 1985 (1909). — 4) Power u. Salway, Journ. Amer. Chta. Soc., 32, 346, 360 (1910). — 5) N. H. Cohen, Chem. Zentr. (1909), //, 1576. — i) WiNDAUs u. Welsch, Ber. Chem. Ges., 42, 612 (1909). — 7) G. Sani, Accad. Lii; Roma (5), /j, II, 551 (1904). — 8) Matthes u. Ackermann, Ber. Chem. Ges. 41, 2000 (1908). — 9) O. Lindenmeyer, Dias. (Tübingen 1863), zit. b. Hoppe- SeUER, Physiol. Chem., i, 82 (1877). — 10) E. Schulze u. Barbieri, Journ. prakt. Ch(D-, 2s, 159 (1882). 796 Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. eine differente physiologische Bedeutung haben. Es pflegen ihnen schwer trennbare Fettalkohole (von Lupinenschalen gab Jacobson Cerylalkohol an) anzuhaften. Likiernik(I) isolierte aus der Testa von Lupinus luteus zuerst das Lupeol, dem er die Formel C2eH420 gab; ein einwertiger Alkohol unbekannter Konstitution von hohem Schmelzpunkt (265®), rechts- drehend ([a]D + 27,06®). Lupeol färbt sich mit Essigsäureanhydrid + H2SO4 violettrot; wenn man die Chloroformlösung mit H2SO4 schüttelt, so färbt sich die Probe nach einiger Zeit braun. Das Lupeol ist, wie heute bekannt, ein in Rinden, Milchsaft, Blüten verbreiteter Stoff, der öfters als Zimtsäureester, aber nie als Fettsäurester beobachtet wurde. Seine physiologische Bedeutung dürfte nicht in der Rolle von Zellipoiden zu suchen sein. Bei Pisum kommt nach Likiernik ein Phytosterin in den Samenschalen vor, das im Schmelzpunkt mit Hesses Phytosterin übereinstimmt. In Phaseolussamenschalen fand der genannte Forscher das lupeolartige Phasol (F 189—190®), rechtsdrehend ([a]D + 30,6), zu- sammen mit dem linksdrehenden Paraphytosterin F 149—150®, [oJd — 44,1 ®, C24H40O oder C25H42O. Das letztere Phytosterin gibt, wie das Phyto- sterin aus der Testa von Pisum, die Cholestolprobe sowie die Reaktion nach Salkowski-Hesse. Das Phasol zeigt diese Reaktionen weit schwächer. Ein weiteres rechtsdrehendes Sterin gaben endlich Power und Moore (2) von den Coloquinthensamen an, welches die Zusammensetzung C20H34O und den Schmelzpunkt 158—160® hat; es wird begleitet von einem optisch inaktivem Phytosterin C27H48O, H2O (F 160—162®). § 3. Sterinolipoide in anderen Teilen von Phanerogamen. Rhizome, Wurzeln. Man dürfte aus physiologischen Gründen ver- muten, daß die Phytosterine unterirdischer Reservestoffbehälter den Saraen- phytosterinen sehr ähnlich sind, und es wäre speziell das Sitosterin auch hier zu erwarten. Bei erneuter Nachprüfung wäre daher z. B. das sogenannte „Hydrocarotin" der Möhrenwurzel, das „Angeücin" der Wurzel von Ar- changeüca officinalis mit den Samenphytosterinen genau zu vergleiöhen[(3). Bisher hat man jedoch die meisten besser studierten Phytosterinen aus Wurzeln und Rhizomen als spezielle Phytosterinkörper angegeben. So soll nach RüMPLER (4) das durch Lippmann zuerst in der Zuckerrübe nach- gewiesene Sterin von allen Sterinen verschieden sein und wurde als Beta- st er in C2«H440 beschrieben. Es wird charakterisiert durch optische In- aktivität, niederen Schmelzpunkt (117®) und einige Abweichungen in den Farbenreaktionen. Der Gehalt an Linksphytosterin („Hydrocarotin") in der Möhrenwurzel beläuft sich nach Euler und Nordenson(5) auf 1,3 g aus 23 kg Material. Es wird begleitet von einer noch geringeren Menge eines Sterins der Formel C2eH4204, F 283®, welches die Reaktion nach Sal- kowski-Hesse schön zeigt. Vielleicht ist dieses Daucosterin ein Oxy- dationsprodukt der gewöhnüchen Phytosterine. Aus dem Rhizom von 1) A. LiKiEKNiK, Ber. Chem. Ges., 24, 183, 2709 (1891); Ztsch. physiol. ehem., 15, 415 (1891). E. Schulze, 4U 474 (1904). — 2) F. B. Poweb u. Moore, Journ. Chem. Soc. Lond., 97, 99 (1910). — 3) Daucus: Feoehde, Journ. prakt. Chem., 102, 7. Husemann, Arch. Pharm., 12g, 30. F. Reinitzee, Monatsh. Chem., 7. 598. Arnaud, Compt. rend., 102, 1319. Archangelica: Brimmer, Lieb. Ann., 180, 269 (1876). — 4) A. Rümpler, Ber. Chem. Ges., 36, 975 (1903). Lippmann, Ebenda, 20, 3201 (1888); 32, 1210 (1899). — 5) H. Ehler u. E. Nordenson, Ztsch. physiol. Chem., 56, 228 (1908). § 3. Sterinolipoide in anderen Teilen von Phanerogamen. 797 Apocynum androsaemifolium gab Moore (1) das Androsterin CapHg^O F 208-210», Od + 29,9 und das Homandrosterin C5y7H440, F 192» an. Dem Androsterin homolog ist nach Power (2) das Taraxasterin C29H47-OH aus der Wurzel von Taraxacum officinale. Seine Konstanten sind F = 221"; [a]D+96,3». Es wird begleitet vom Homotaraxasterin CagHgg-OH, F = 163— 4^*, [a]D + 25,3". Das Verosterin ist durch Power und Roger- S0N(3) im Rhizom der Veronica virginica gefunden: C27H4gO, HgO; F 135 bis 136", linksdrehend. Vielleicht ist das Linksphytosterin aus der Wurzel von Ipomoea orizabensis mit Verosterin identisch, ebenso jenes aus der Wur:el von Convolvulus Scammonia (4). Da» Onocerin in der Wurzel von Onoais spinosa,C26H4402 („Onocol") ist nach Thoms (5) ein zweiwertiger sekun- däre' Sterinalkohol. Lupeol (s. o.) finde ich bisher nur von der Wurzel des Phyilanthus distichus erwähnt (6). Sonst sind Phytosterine untersucht aus der Wurzel von Hydrastis canadensis, Aristolochia argentea, Hygroptila spirosa (7), Rhizom von Gelsemium sempervirens (8), Wurzel von Echino- phca spinosa L. (9), Rumex Ecklonianus Meissn. (10). Iris versicolor (Rhi- zon) (11), Wurzel von Lasiosiphon Meissnerianus (12), von Withania somni- feri(13), Bryonia dioica, woein Alkohol Bryonol €221^3402(011)2 F 210 bis 21!i" neben einem Phytosterin von üblichem Charakter durch Power und Mcore (14) angegeben wird; Fagara xanthoxyloides, wo durch Priess (15) eirFagarol CgoHjgOg (F 127—128", Reaktion Salkowski- Hesse positiv) isciertwurde ; Rhizom von Caulophyllum thahctroides (C27H4gO, F 153") (16); Wirzel von Phaseolus multiflorus (C27H4gO, F 130") (17). In Laubblättern, wo Reinke (18) zuerst auf Sterinolipoide aufmerk- s&a machte, sind derartige Bestandteile wohl überall vorhanden, aber noch reht wenig untersucht. Man darf sitosterinartige Körper wohl auch hier eivarten, wenn auch erst aus neuerer Zeit bestimmte Angaben in dieser Pchtung für Ipomoea purpurea, Oenanthe crocata und Anona muricata vrliegen (19). Vielleicht wird eine erneute Bearbeitung des Phytosterins as Grasblättern, aus denen schon Tschirch (20) ein Präparat der Formel (;H440, H2O (F 138,5") dargestellt hat (dieser Autor bemerkt, daß die vrschiedensten Pflanzenblätter den gleichen Körper lieferten) angezeigt sn. In den Exkrementen der Pflanzenfresser erscheint wahrscheinlich ei Abbauprodukt des Blätterphytosterins (Hippokoprosterin) (21). Inter- ©ante Angaben hinsichtlich der Sterine aus OUvenblättern liegen von I)WER und Tutin (22) vor. Hier ist eine ganze Reihe von sterinartigen 1) Ch. W. Moore, Joum. Chem. Soc. Lond., 95, 734 (1909). — 2) Fr. B. }WER, Ebenda, loi, 2411 (1913). — 3) F. B. Power u. Roqerson, Ebenda, 97, M (1910). — 4) Power u. Rogerson, Ebenda, wi, 1 (1912); Trans. Chem. Soc. }nd. (1912), p. -398. — 5) H. Thoms, Ber. Chem. Ges., 29, 2985 (1896). F. ^ Hemmelmayr, Monatsh. Chem., 27, 181 (1906). — 6) J. Dekker, Pharm, 'eekbl., 45, 1156 (1908). — 7) Kerstein, Arch. Pharm., 228, 52 (1890). O. Hesse, )enda, 233, 684 (1895). Warden, Ber. Chem. Ges., 25, Ref. 685 (1892). — ä Moore, Joum. Chem. Soc. Lond., 97, 2223 (1910). — 9) Tarbourich u. Hardy, tem. Zentr. (1907), //, 969. — 10) Tütin u. Clewer, Joum. Chem. Soc. Lond., (98, 1 (1910). — 11) Power u. Saeway, Amer. Joum. Pharm., 83, 1 (1911). — *.) RoGERSON, Ebenda, p. 49. — 13) Power u. Salway, Joum. Chem. Soc. >nd., 99, 490 (1911). — 14) Power u. Moore, Ebenda, p. 937. — 15) H. Priess, ■T. Pharm. Ges., 21, 227 (1911). — 16) Power u. Salway, Joum. Chem. Soc, ?, 191 (1913). — 17) Power u. Salway, Pharm. Joum. (4), 36, 550 (1913). — i) Reinke, Ber. Botan. Ges., 3, p. LV (1885). A. Hansen, Arb. a. d. botan. Inst, ürzburg, 3, 123 (1884). — 19) Power u. Rogerson, Amer. Journ. Pharm., 80, 1 (1908). Tutin, Pharm. Joum., 33, 296 (1911). Callan u. Tutin, Ebenda, 87, 3 (1912). — 20) Tschirch, Ber. Botan. Ges., 14, 82 (1896). - 21) Doree u. iRDNER, Proceed. Roy. Soc, 80, B, 212 (1908). — 22) Power u. Tutin, Proc. Chem. 'C, 24, 117 (1908). Früher: Canzoneri, Gazz. chim. ital., 36, U, 372 (1906). 798 NeunundzwanzigBtes Kapitel: Sterinolipoide der Pflanzen. Alkoholen abgeschieden worden: Oleasterol C20H34O, einwertiger Alkohol, F 174"; Oleanol CaiHg^Og, H2O, enthält 2 OH-Gruppen, von denen jedoch die eine Phenolcharakter hat, F 303— 304^ rechtsdrehend: a + 78,3<'. Olestranol C25H42O2, F 217®, ein niederes Homologes von Oxjphyto- sterin. Homolestranol C27H4g02, F 210*^, dem Oxyphytosterin Isomer, rechtsdrehend (+71®), beide dem Oleasterol sehr ähnlich. Die Physiologie dieser Stoffe näher zu beleuchten, wäre eine interessante Aufgabel Aus Lippia scaberrima Sond. gewannen Power und Tutin (1) außer einem rhyto- sterin C27H4eO, H2O (F 134°), welches mit einem Phytosterin aus Gyno- cardia identisch war, das Lippianol C25H3g04, einen einwertigen Akohol mit den Konstanten F 300-308» und od + 64,9». j Die Blätter von Prunus serotina enthalten nach Power und MooIe (2) das Prunol C31H50O3, einwertig, F 275— 77°; mit H2SO4 + Essig^ure- anhydrid eine rote Farbenreaktion gebend. Aus Euphorbia piluhfeil ge- wannen Power und Browning (3) außer Phytosteringlucosid das Jan^ilol, CieH304(OH) , farblose Nadeln aus Pyridin, F 328°, wohl kein StLo- hpoid, und das dem Androsterin und Taraxasterin homologe Euphoferol CgsHaglOH), F 275°. TuTlN und Clewer(4) isoüerten aus dem Krautjder Cluytia simihs (Euphorbiac.) das Cluytiasterin C27H44O, F 159°, [djn —9,6°. Das von Heyl und Hepner(5) aus Zygadenusblättern gewonnene Prälat muß wohl Sitosterin sein, ebenso der von Zellner (6) aus Pilzgallenj^on Rhododendron ferrugineum (Exobasidium Vaccinii) Phytosterinhabt- bestandteil, der von einem hochschmelzenden (F 280°) begleitet y-d. Sonstige Angaben beziehen sich auf Phytosterine in den Blättern von ly- throxylon hypericifolium (7), Aethusa cynapium (8), Grindelia (9) tid Ornithogalum thyrsoides (10). Blüten. Aus verschiedenen Blüten, namentlich Blütenköpfchen t)n Compositen wurden Phytosterinpräparate gewonnen, die jedoch noch nbt in jeder Hinsicht klargestellt sind. Cohen (11) hat dargelegt, daß das zi«t von Klobb(12) dargestellte „Anthesterin" aus Anthemis nobihs wohl nits anderes als Lupeol ist. Klobb gibt diesem Stoff die Formel C^^ll^^^, 3 l|), die Konstanten F 195°, ajy + 79,4°. Aus den Blüten von Arnica monta isolierte Klobb (13) ein zweiwertiges Arnisterin C2gH4e02 („Arnidi[) von höherem Schmelzpunkt (250°) und stärker rechtsdrehend ; aus den Blih von Tussilago Farfara das zweiwertige Faradiol (F 210°) und Li^- phytosterin C28H48O, F 127 — 129° (14); ferner aus Matricaria Chamonk ein Gemisch zweier Linksphytosterine, ein einwertiges Phytosterin auchp Antennaria dioica. Aus Tanacetumblüten stellten Matthes und SerIi ein sitosterinartiges Phytosterin dar (15). Für die Calendulablüten nahii Hilger und Kirchner (16) die Identität des gelben Farbstoffes mit Ph; 1) Power u. Tütin, Arch. Pharm., 245, 337 (1907). — 2) Power u. Mo< Journ. Chem. Soc Lond., 97, 1099 (1910). — 3) Fr. B. Power u. Browning j Pharm. Journ. (4), 36, 506 (1913). — 4) Fr. Tutin u. H. W. Clewer, Jo Chem. Soc, 101, 2221 (1912). — 5) F. W. Heyl u. Hepner, Journ. Amer. Cl Soc, 35, 803 (1913). — 6) J. Zellner, Monatsh. Chem., 34, 311 (1913). 7) Heckel u. Schlagdenhalffen, Compt. rend., 102, 1317. — 8) Power u. Tu Journ. Amer. Chem. Soc, 27, 1461 (1905). — 9) Power u. Tutin, Chem. Ze (1906), 71, 1623. — 10) Power u. Rogerson, Pharm. Journ. (4), 30, 326 (19 — 11) N. H. Cohen, Arch. Pharm., 246, 520 (1908). — 12) M. T. Klobb, I Soc. Chim. (3), 27, 1229 (1902); Compt. rend., 138, 763 (1904); 148, 1272 (19 752, 327 (1911); Ann. de Chim. et Phys. (8), 24, 134 (1911). — 13) Klobb, Cor rend., 140, 1700 (1905); Bull. Soc Chim. (3), 33, 1075 (1905); J5, 741 (1906) 14) Klobb, Compt. rend., 149, 999 (1909); Ann. de Chim. et Phys. (8), 22, 5 (19 — 15) Matthes u. Serger, Arch. Pharm., 247, 418 (1909). — 16) Hilgei Klrchner, Botan. Zentr., ^7, 354 (1894). Kirchner, Dies. (Erlangen 1892). § 3. Sterinolipoide in anderen Teilen von Phanerogameri. 799 sterinfettsäureestern an. Marino-Zucco (1) berichtete über einen zwei- wertigen Phytosterinalkohol C2gH470(OH)2 aus den Blüten von Chrysanthe- mum cinerariifolium (Insektenpulver), den er für ein höheres Homologon des Cholesterins hielt (F 170—176°). Weitere Befunde von Linksphyto- sterinen rühren her von Rogerson (2) für die Blüten von Trifolium incar- natum, von Klobb (3) für Verbascum Thapsus (Verbasterol, Formel unsicher, F 142—144*', od —3,3^), Tilia europaea und die ganze blühende Pflanze von Linaria vulgaris. Rinden. Die chemische Untersuchung zahlreicher Rindendrogen hat die Gelegenheit zur Feststellung weiter Verbreitung von Cholesterin- körpern auch hier gegeben. Doch ist es ziemHch schwierig, bei diesen Körpern die Grenze der Zugehörigkeit zu den Sterinen zu ziehen, da es anscheinend verschiedene Übergänge zu Sesquiterpenen und Harzalkoholen gibt. Im übrigen wird wohl auch hier zwischen den häufig als Fettsäureester auf- tretenden Linksphytosterinen und den hochschmelzenden rechtsdrehenden lupeolartigen Sterinen zu unterscheiden sein, die physiologisch und chemisch zwei Gruppen bilden dürften. Zu der ersten Gruppe gehören die Phj'to- sterine, welche SALWAYund Thomas (4) von Brucea antidysenterica, Power und Tutin (5) von Olea europaea angeben, ferner wohl das mit Palmitin- säure in der Rinde von Prunus serotina gefundene Sterin (6), vielleicht auch die Rhamnusphytosterine, von denen jenes aus Rhamn. Purshiana (Rhamnol) C20H34O, F 135 — 1360 vielleicht mit Quebrachol identisch ist (7); Rhamnosterin aus Rhamn. cathartica wird von Tschirch (8) als C13H28O2 mit F 83— 85° beschrieben. Die Rinde von Evonymus atro- purpurea heferte Rogerson (9) das Evonysterol CgiHßiOlOH), F 137*', [aJD —28,2**, phytosterinähnhch, das Homoevonysterol C4oHg90(OH), F 133 bis 134" und Atropurol, C27H44(OH)2, inaktiv, F 283 -285°. Power und Salway(IO) wiesen ein Phytosterin C27H46O, F 130—133", in der Rinde von Erythrophloeum guineense nach. Andere Sterine werden gewonnen aus Tiha und Sambucus (11). Mit Sitosterin ließ sich bisher kein Rinden- sterin identifizieren. Die lupeolartigen Rechtssterine scheinen öfters als Cinnamylester vorzukommen. Sicheres Lupeol ist nach Sack und Tollens (12) das Sterin aus der Rinde von Roucheria Griffithiana Planch. Das Olenitol, Ci4HioOe, F 265", wurde von Power und Tutin (5) aus Olivenrinde isoliert, ein Phyto- sterin aus Cleistanthus collinus Bth. durch Dekker (12). Nach Trauben- berg (13) gehört auch das Betuli n der Birkenrinde: C27H40O2, mit zwei Hydroxylgruppen, F 252", od + 15,68" zu den zweiwertigen Rechtsphyto- sterinen, da es eine Reihe der für die Phytosterine charakteristischen Farben- reaktionen gibt; daraus wurde auch ein Keton dargestellt. Als Verwandte der Sterine hat man vielfach eine- Reihe von Stoffen aus Cinchonarinden angesehen, welche manche Cholesterinreaktionen, be- 1) F. Marino-Zucco, Gazz. chim. ital., 19, 209 (1889). — 2) H^ Rogerson, Journ. Chem. Soc. Lond., 97, 1004 (1910). — 3) Klobb, Ann. de Chim. et Phys. (8), 24, 410 (1911); Bull. Soc. Chim. (3), 35, 1210 (1906). Zusammenstellung in Bull. Sei. Pharm., 17, 160 (1910). — 4) Ä. H. Salway u. Thomas, Pharm. Journ. (4), 25, 128 (1907). — 5) Power u. Tutin, Proc. Chem. Soc., 24, 117 (1908). — 8) H. FiNNEMORE, Pharn^. Journ, (4), j/, 604 (1910). — 7) Jowett, Chem. Zentr. (1905), /, 388. — 8) Tschirch u. Bromberger, Arch. Pharm., 249, 218 (1911). — 9) H. Rogerson, Journ. Chem. Soc, loi, 1040 (1912). — 10) Fr. ß. Power u. Salway, Amer. Journ. Pharm., 84, 337 (1912). — 11) Bräutigam, Pharm. Ztg., 43, Nr. 105 (1898). — 12) Sack u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 37, 4105 (1904). Dekker, Pharm. Weekbl., 46, 16 (1909). — 13) J. Traubenberg, Chem. Zentr. (1912), /, 1815. 800 Neunundzwanzigstes Kapitel: Sterinolipoide der Klanzen. sonders die Probe nach Salkowski- Hesse und die LiEBERMANNsche Chole- stolprobe geben. Liebermanns (1) Cholestol oder Oxychinoterpen, C30H48O2, F 139» ist der Typus solcher Stoffe. Hesse (2) rechnete eine Reihe isomerer Substanzen der Formel C20H34O, wachsartiger Natur, wie Cupreol, Quebrachol, Cinchol in die Nähe der Cholesterinkörper. Vielleicht fällt aber Cinchol mit dem Oxychinoterpen und Cincho- cerotin (Helm) zusammen. Conduransterin aus Condurangorinde kommt nach Carrara(3) teilweise als Zimtsäureester vor. Das Alcornol, CgaHgaCOH), F 205», od + 33,83« wurde von Dünnenberger(4) aus der Alcornocorinde von Bowdichia virgilioides H. B. K. isoliert. Über Harzstoffe und deren cholesterinartige Farbenreaktionen sei auf die Angaben von Reinitzer, Vesterberg und Tschirch (5) verwiesen. Das Amyrin aus Elemi-Harz z. B. hat Eigenschaften, welche jenen der Cholesterine recht ähnlich sind (6), krystallisiert in seidenglänzenden Nadeln, die Lösung ist rechtsdrehend. Nach Vesterberg (7) besteht es aus zwei isomeren Alkoholen, C3oH49(OH), a-Amyrin, F 180-182«; ^-Amyrin, F 193 bis 194«. Durch Reduktion entstehen die Kohlenwasserstoffe C30H48 (Amy- rilen). Icacin, C47H„(OH) wurde von Hess (8) aus demselben Harz be- schrieben. Die MACHsche Cholesterinreaktion mit eisenhaltiger HCl wurde von Weyl(9) mit der RiBANschen Probe des Terpendihydrochlorids mit starkem FeClj vergüchen. Im Balsam von Dipterocarpusarten findet sich übrigens nach van Itallie (10) ein richtiges Rechtssterin, das Diptero- carpol, G27H4e02, F 134-135«, [aJD + 64,6«, welches die Mehrzahl der Farbenreaktionen gibt. Schließlich sei noch kurz auf die Phytosterine in Milchsaft hingewiesen, von denen Lupeol als Zimtsäureester in Guttapercha, als Essigsäure- ester im Dyera-Milchsaft durch Romburgh(11) nachgewiesen wurde. Aus dem Milchsafte der Alstonia costulata Miq. gaben Sack und Tollens (12) drei phytosterinartige Stoffe an: Alstol, C24H38O, F 158«, ajy +56,4«; Alstonin,Ci4H220, F 191-192«, od + 49«; Isoalstonin, C14H22O, F 163«, Od + 65,5«. Cohen (13) hingegen fand Alstonin und Alstol in diesem Milch- saft nicht, sondern Lupeol und a- und /S- Amyrin. In der Balata fand Cohen ^-Amyrinacetat (identisch mit a-Balalban von Tschirch) und Lupeolester Auch der afrikanische Kautschuk enthält /5-Amyrinacetat und Phytosterine; im Castilloakautschuk fand Ultee (14) ^-Amyrinacetat, Lupeolacetat, a-Amyrin und dessen Acetat, im Ficuskautschuk nur a-Amyrinacetat. Von den Phytosterinen des Kautschuks ist eines merkwürdigerweise iden- tisch mit den Isocholesterin aus Wollfett ; Lupeol wurde hier nicht gefunden. Über andere Milchsaftharzalkohole oder Pseudophytosterole vgl. Bd. II (Cynanchol, Lactucerol usw.). 1) Liebermann, Ber. Chem. Ges., 18, 1803 (1885). — 2) O. Hesse, Lieb. Ann., 228, 288 (1885). — 3) G. Carrara, Gazz. chim. ital., 21, 204 (1891). — 4) Dünenberger, Botan. Zentr., 87, 216 (1901). Hartwich, Arch. Pharm., 238, 341 (1900). — 5) F. Reinitzer, Monatsh. Chem., 7, 598 (1886). Vesterberg, Kemiska studier ofver nagra hartser (üpsala 1890)^ Tschirch, Die.vHarze, 2. Aufl., I (Berlin 1906). — 6) E. BüRi, Buchner Rep. Pharm., 25, 193. - 7) Vesterberg, Ber. Chem. Ges., 20, 1242 (1887); 23, 3186 (1890); 24, 3834 (1891). — 8) Hesse, Lieb. Ann., 192, 179 (1878). — 9) Th. Weyl, Duboie Arch., Physiol. Abt. (1886), p. 182. — 10) L. van Itallie, Pharm. Weekbl., 49, 314 (1912). — 11) P. van Rombubgh, Kon. Akad. Amsterdam (Juni 1905); Compt. rend., 14s, 926 (1907). R JüNGFLEiscH u. Leroux, Compt. rend., 144, 1435 (1907). — 12) Sack u. Tollens, Ber. Chem. Ges., 37, 4110 (1904). — 13) N. H. Cohen, Arch. Pharm., 245, 236 (1907); ebenda, p. 245; 246, 510, 515, 592. Lupeol: Rec. trav. chim. Pays-Bas, 28, 368 (1909). Amyrin: Ebenda, p. 391. — 14) A. J. Ultee, Chem. Weekbl., 9, 773 (1912). § 4. Sterinolipoide bei Pilzen und Bacterien. 301 §4. Sterinolipoide bei Pilzen und Bakterien. Zweifellos sind Sterine auch bei höheren und niederen Pilzen all- gemein verbreitet. Obwohl diese Stoffe nicht so gut bekannt sind, wie manche Phytosterine aus Blütenpflanzen, so deutet manches darauf hin, daß hier eigentümliche Sterine vorkommen. Schon Boehm(I) fiel es bei den ersten Versuchen, Pilzphytosterine aus Boletus luridus und Amanita pantherina darzustellen, auf, daß diese Stoffe die Rotfärbung mit H2SO4 in Chloroformlösung nicht geben. Dieses Verhalten fand später Tanret(2) auch bei dem Ergosterin aus Mutterkorn, welches in der Tat bei höheren Pilzen nach den Arbeiten von Zellner (3), GoRis und Mascre(4) und anderen weit verbreitet scheint: nach Zellner in Amanita muscaria, Polyporus, Trametes, Hypholoma, Ustilago; nach Bamberger (5) in Lycoperdon, Scleroderma. Das Ergosterin wird nach Tanret im Mutterkorn von einem ähnlichen, aber in Äther leichter lösHchen Sterin, Fungisterin, begleitet; die erwähnten Arbeiten über andere Hutpilzsterine lassen darauf schließen, daß meist zwei Sterine gemeinsam vorkommen. Das Ergosteringemisch aus Armillaria meUea fand Zellner linksdrehend F 155"; aus Lactaria piperata bei 138" sinternd, bei 146" schmelzend; aus Pholiota squarrosa mit F 159"; aus Polyporus betulinus mit F 139—144" und [a]© — 97,6". Ergosterin, dessen Formel nicht feststeht [C27H42O nach Tanret, C24H40O nach Ottolenghi (6)], schmilzt bei 165", ist linksdrehend: qd— 132" in Chloroformlösung. Es ist in H2SO4 klar löslich, und die Probe bleibt nach Schütteln mit Chloroform farblos. Fungisterin schmilzt bei 144", ist linksdrehend (od — 22,4"), Formel vielleicht C25H4oO(7). Füi den Fliegenpilz scheint nach Zellner dasselbe Ergosterin anzunehmen zu sein, hingegen sind die Schmelzpunkte der von Bamberqer und Land- siEDL aus Scleroderma aurantium (Vaill.) dargestellten Präparate be- trächtlich höhere gelegen. Gerard (8) wies Phytosterin auch für Mucor mucedo und die Flechte Sticta pulmonarea nach. In der Hefe fand Nageli schon 1878 Phytosterin, welches von Gerard und später von Hinsberg und Roos(9) wieder untersucht wurde. Nach der Beschreibung ist es ein Linksphytosterin von 135 — 136" Schmelzpunkt und der spezifischen Drehung — 105". Da von den letztgenannten Autoren der Schmelz- punkt mit 159" bestimmt wurde, so dürften mehrere ähnliche Stoffe in Mischung vorhanden sein. Die Formel wird mit C28H44O angegeben. Mit konzentrierter H2SO4 gibt es eine rote Lösung; auf Wasserzusatz entsteht ein grüner Niederschlag der in CCI4 mit grüner Farbe löslich ist. Fettsäurephytosterine sind bisher in Pilzen nicht nachgewiesen. Es wäre 1) R. BoEHM, Arch. exp. Pathol., 19, 60 (1885). — 2) C Tanret, Journ. Pharm, et Chim. (5), 19, 225 (1889); Compt. rend., 108, 98 (1889); r47, 75 (1908); Ana. de Chim. et Phys. (8), 15, 313 (1908). — 3) J. Zellner. Monatsh. Chem., 26, 727 (1905); 2g, 45, 1171 (1908); 32, 133 (1911); ebenda, p. 1057; Anz. Wien. Ak., 42, 423 (1910); Monatsh. Chem., 34, 321 (1913). — 4) A. GoRis u. Mascre, Compt. rend., 153, 1082 (1911). — 5) Jd. Bamberger u. Landsiedl, Monatsh. Chem., 26, 1109 (1905); 27, 963 (1906). — 6) D. Ottolenghi, Chem. Zentr. (1906), /, 541. — 7) Tanret, Compt. rend., 147, 75, 165 (1908); Ann. de Chim. et Phys. (8), 15, 313 (1908). Gaubert, Compt rend., 147, 498 (1908). — 8) E. Gerard, Compt. rend., Ji4y 1544 (1892); 121, 723 (1895); Journ. Pharm, et Chim. (6), /, 601 (1895). — 9) O. Hinsberg u. ßoos, Ztsch. physiol. Chem., 3S, 12 (1903). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Aufl. 51 g02 Dreißigstes Kapitel: Pflanzliche Ghromolipoide. auch nach pflanzlichen Cholesterasen zu suchen (1). Aus dem Plas- modium von Fuligo varians ist durch Reinke und Rodewald (2) ein Sterin „Parachol esterin" angegeben worden, welches seither nicht untersucht worden ist. Nach der Beschreibung handelt es sich um ein Linksphytosterin C26H44O, H2O, F 134— 135,5», ac — 27,24» bis —28,08», welches die Rot^ärbung mit CdlgH + H2SO4 gibt. Von Bacterien sind Cholesterinkörper mehrfach angegeben. Ni- SHiMüRA(3) fand einen solchen in einem Wasserbacillus. Kresling(4) in RotzbacUlen, Baüdran(5) in Tuberkelbacillen 5 — 7% Cholesterin. Hingegen meint Panzer (6), daß in Tuberkelbacillüs ein anderer mit Digitonin fällbarer höherer Alkohol vorkomme, kein Cholesterin. Erwähnt sei, daß Schreiner und Shorey(7) aus Lehmboden ein „Agr oster in", C2eH440, gewannen, welches wohl mit Mikroben irgendwie zusammenhängt. Von Sterinolipoiden aus Algen ist gar nichts bekannt. Da man die Erdölbildung mit marinen Ablagerungen von Algenresten in Zusammenhang gebracht hat, so wären einschlägige Untersuchungen nicht ohne Interesse (8). Dreißigstes Kapitel: Pflanzliche Chromolipoide. Allgemeines. Die meisten Fette der Pflanzen und Tiere zeigen, wenn sie in größerer Menge aus dem Untersuchungsmaterial extrahiert werden, eine deutlich gelbe oder selbst orangerote Färbung. Man faßt die dieser Erscheinung zugrundeliegende Pigmente als „Lipochrome" zusammen. Die wenigsten dieser Körper sind bisher genauer charakterisiert worden. Man kennt sie aus allen Tierklassen (9), vom Farbstoff des Augenfleckes der Protisten angefangen bis zum Dotterpigment und Fettpigment der höchsten Vertebraten, ebenso aus allen Pflanzenklassen, wo sie bei den orangerotgefärbten Pilzen, in Blüten, Früchten, Samen am meisten auf- fallen. Auch da, wo sie durch das Auge nicht direkt wahrnehmbar sind, können sie reichlich vorhanden sein, wie das wichtige Vorkommen solcher Farbstoffe in Chromatophorep beweist. Der Farbstoff der Möhrenwurzel war der erste dieser Gruppe, den man durch Wackenroder (10) 1827 als ,.Carotin" kennen lernte. So wie dieser 1) Vgl. RöHMANN, Berlin, klin. Woch.schr., 49, 1993 (1912). Cytkonbekg, Biochem. Ztsch., 45, 281 (1912). — 2) REr^KE u. Rodewald, Lieb. Ann., 207 ,229 (1881). — 3) NiSHiMURA, Arch. Hyg., 18, 330 (1893). — 4) K. Kresling, Koch Jahresber. (1892), p. 67. — 5) G. Baudran, Compt. rend., 142, 657 (1906). — 6) Th. Panzer, Ztsch. physiol. Chem., 78, 414 (1912). — 7) O. Schreiner u. Shorey, Journ. Amer. Chem. Soc, 31, 116 (1909); Journ. Biol. Chem., p, 9 (1911). — 8) Erdöl und Cholesterinabbauprodukte: C. Enqler u. Bobrzynski, Chem.-Z£g., 36, 837 (1912). — 9) Hierzu Abderhalden, Biochem. Handlexikon, 6, 303 (1911). O. v. FtJRTH, Vergleich, chem. Phyeiol. d. nied. Tiere (1903), p. 83, 509. Neu- meister, Lehrb. d. physiol. Chem., 2. Aufl. (1897), p. 89. Neumann, Virch. Arch., 170, 363 (1903). — 10) Wackenroder, Diss. de Anthelminticis (Göttingen 1826); Geigers Mag., 33, 144; Berzelius Jahresber., 12, 277 (1833). § 1. Allgemeines. 803 Farbstoff leicht krystallisieriar ist, so sind auch andere ähnliche Substanzen aus Pflanzenmaterial häufig krystallisiert erhalten worden, öfter als bei tierischen Lipochromen, welche meist als unreine amorphe Präparate ge- wonnen werden. Die chemische Natur aller dieser Verbindungen ist noch unbekannt. Wiederholt hat man auf Analogien bei synthetischen Produkten hinweisen können, z. B. Kozniewski und Marchlewski (1 ) mit dem von Pechmann aus Benzoylacrylsäure dargestellten Farbstoff, der sich spektral ähnhch verhält und die chara^kteristischt Blaufärbung mit konzentrierter H2SO4 gibt. Doch haben sich bestimmte Anhaltspunkte in dieser oder in anderer Richtung nicht ergeben. Auch di^ von verschiedenen Forschern früher (Kohl, Tschirch u. a.) mit größerer oder geringerer Bestimmtheit vermuteten Beziehungen zu den Phytosterinen, haben sich als nicht vor- handen herausgestellt. Abgesehen von den Löslichkeitsverhältnissen und dem Vorkommen in den meisten Organismen haben die Fettfarbstoffe noch weitere Eigen- tümlichkeiten, die es physiologisch berechtigt erscheinen lassen, sie an die Zellipoide anzureihen und als Chromolipoide zusammenzufassen. Wenigstens für manche Chromolipoide steht es fest, daß sie sehr stark Sauerstoff aufnehmen, so wie die Phosphatide und Sterine. Ferner ist zu vermuten, daß die Fettfarbstoffe zum Teil ebenso wie die genannten Lipoide als Fettsäureester vorkommen; jedoch ist dies für eine Reihe von Chromolipoiden durch deren Kohlenwasserstoffnatur ausgeschlossen. Es erscheint deshalb am ehesten berechtigt, die Fettfarbstoffe im Anschluß an die Zellipoide abzuhandeln, ebenso wie die Sterine, wenn sie auch chemisch direkt nichts mit fettartigen Stoffen zu tun haben. Früher hat man die Benennung „Carotin" meist auf alle Chromolipoide übertragen. Als es bekannt wurde, daß Differenzen zwischen manchen dieser Farb- stoffe bestehen, sprach man von „Carotinen" oder „Carotingruppe". TswETT(2) schlug die Bezeichnung „Carotinoide" vor. Nachdem Arnaud entdeckt hatte, daß das Möhrencarotin ein Kohlenwasserstoff sei, wurde es in „Caroten" umgetauft, und Zopf (3) schlug vor, zwei Gruppen von „Carotinen" zu unterscheiden. 1. Carotinine, wahrscheinlich Sauerstoff enthaltend und Alkaliverbindungen liefernd; 2. Eucarotine, Kohlenwasser- stoffe, keine Alkaliverbindungen gebend. Die von ihm früher vorge- nommene Einteilung in gelbe und rote Carotinfarbstoffe („Lipoxanthine" und „Liporhodine") hat Zopf selbst zurückgezogen. Die Chromohpoide lassen sich im allgemeinen durch ihre große Kry- stalhsierfähigkeit aus den ätherischen, petrolätherischen oder Benzollösungen der Pflanzenextrakte gut isoKeren. Schwierigkeiten entsteheh bei reichücher Gegenwart anderer Farbstoffe. Hier hat Willstätter(4) die Technik des Lösungs-Trennungsverfahrens treffüch ausgebildet und Tswett (5) in ge- schickter Weise die verschiedene Adsorption der Pigmente durch Kreide- pulver oder andere Adsorbentien herangezogen. Hierbei spielt die Un- verseifbarkeit der Chromohpoide eine Rolle, indem man sie deshalb vom Chlorophyll, welches in wässerig-alkahsche Lösung geht, abtrennen kann, ferner 1) Kozniewski u. Marchlewski, Anzeig. Akad. Krakau (1906), p. 81. Nach anderer Richtung knüpft Tschirch, Ber Botan. Ges., 22, 419 (1904) an das Fulvea an. — 2) Tswett, Ber. Botan. Ges., 29, 630 (1911). — 3) W. Zopf, Biol. Zentr., f5, 417 (1895); Beitr. z. Morphol. u. Physiol. nied. Organe, I (1892), p. 30. — 4) WiLLSTÄTTER u. MiEG, Lieb. Ann., 355- 1 (1907). — 5) Tswett, Ber. Botan. Ges., 24, 316 (1906). 51* 304 Dreißigstes Kapitel: Pflanzliche Ghromolipoide. ihre bessere Löslichkeit in Petroläther, welche es mit sich "bringt, daß auch Schütteln mit Adsorbentien diese Pigmente aus der Lösung in Petroläther nicht wie die anderen Farbstoffe mitreißt. Näheres vgl. das Kapitel über die Begleitfarbstoffe des Chlorophylls in den Chromatophoren. Die meisten Eigenschaften der Chromolipoide finden wir an dem Carotin der Möhren wurzel typisch vertreten, einem Stoff, der nach seiner Entdeckung von Wackenroder, durch Vauquelin und Bou- CHARDAT(l) studiert und von Zeise(2) zuerst krystallisiert erhalten worden ist. Bley(3) untersuchte zuerst den analogen Farbstoff der Aprikosenfrüchte. Schon Zeise erklärte das Carotin für einen Kohlenwasser- stoff. Nachdem durch die Autorität Husemanns (4) längere Zeit hindurch der Farbstoff für eine sauerstoffhaltige Verbindung C18H24O gehalten worden war, zeigte Arnaud(5) aufs neue, daß das Carotin die Natur eines ungesättigten Kohlenwasserstoffes habe und eigentlich „Caroten" zu nennen wäre, und Willstätter(6) stellte die Formel C40H58 endgültig fest. Die Darstellung aus Möhrenwurzel geschieht nach Euler (7) aus dem mit Wasser gekochten, gut abgepreßten, sodann mit Sand ver- riebenen und bei 50® getrockneten Material mit Schwefelkohlenstoff bei 20"^. Der Extraktrückstand wird mit Äther aufgenommen und der Ver- dampfungsrückstand aus diesem Äther über wasserfreiem Na2S04 ge- trocknet. Dieses Produkt wird in wenig Petroläther gelöst. Es enthält noch viel Phosphatide, welche man teilweise durch Alkoholzusatz fällt. Die Petrolätherlösung muß zur Beseitigung der noch vorhandenen Phos- phatidbeimengungen mit alkoholischer Lauge verseift werden. Die Äther- ausschüttelung aus der Seifenmischung enthält noch immer außer den Chromolipoiden die Cholesterinkörper, die durch hier nicht näher zu beschreibende Krystallisationsmethoden abgetrennt werden müssen. Außer Carotin fanden Eüler und Nordenson in der Daucus- wurzei in kleiner Menge ein weiteres Chromolipoid, welches wohl mit dem von Willstätter aus Blättern zuerst rein dargestellten Xanthophyll C40H56O2 identisch ist. Nach seinem ganzen Verhalten ist das Xanthophyll ein Oxyd des Carotin, welches wahrschein- lich mit Carotin überall als Begleitstoff vorkommt. Aus Blättern erhält man sogar viel mehr Xanthophyll als Carotin. Von Interesse ist es, daß nach Willstätter und Escher (8) das „Lutein" aus Hühner- eidotter in seinen Eigenschaften mit Xanthophyll ganz übereinstimmt; nur der Schmelzpunkt ist etwas verschieden. Carotin und Xanthophyll unterscheiden sich durch den Habitus ihrer KrystaUisationen. Nach van Wisselingh (9) lassen sich sogar mikroskopisch 1) Vauquelin u. Bouchardat, Schweigg. Journ., 5*, 95 (1830). — 2) Zeise, Journ. prakt. Chem., 40, 297 (1847); Lieb. Ann., 62, 380 (1847). — 3) Bley, Journ. prakt. Chem., 6, 294 (1835). — 4) Husemann, Lieb. Ann., //;. 200 (1860). — 5) Arnaüd, Compt. rend., 102, 1119, 1319 (1886); Journ. Pharm, et Chim., 14, 149 (1886). Immendorff, Landw. Jahrb., 18, 506 (1889). — 6) Willstätter u. Mieg, Lieb. Ann., J55, 1 (1907). — 7) Eüler u. Nordenson, Ztsch. physiol. Chem., 56, 223 (1908). Ältere Methodik: Arnaud, I.e. Reinitzer, Monatsh. Chem., 7 (1886). A. Hansen, Sitz.ber. Würzburger med. chem. Ges. (1883); Farbstoffe des Chloro- phylls (1889), p. 69. F. G. Kohl, Untersuch, über d. Carotin (Leipzig 1902), p. 51. — 8) Willstätter u. Escher, Ztsch. physiol. Chem., 76, 214 (1912). Bestritten von Serono, Arch. Farm. Sper., 14, 509 (1913). Der Farbstoff des Corpus luteum aus Säugetierovarien ist nach Escher, Ztsch. physiol. Chem., 83, 198 (1913) typisches Caroten. — 9) C. van Wisselingh, Pharm. WeekbL, 50, 49 (1913); Kon. Akad. Wet. Amsterdam (Okt. 26 u. Nov. 30 1912). § 1. Allgemeines. 805 Carotin und Xanthophyll durch die Tracht der Krystalle, die Schnelligkeit des Eintrittes der H2SO4- Reaktion u. a. Reaktionen, genügend scharf neben- einander nachweisen. Ferner ist Carotin selbst in dünner Schicht rot gefärbt, Xanthophyll jedoch gelb. Der Schmelzpunkt hegt bei Carotin bei 167,5 bis 168**, bei Xanthophyll bei 172®. Carotin ist ferner im Gegensatze zu Xantho- phyll sehr lösUch in niedrig siedendem Petroläther und kaltem CSg, sehr wenig lösUch in kaltem Alkohol und Aceton; im letzteren löst sich Xantho- phyll leicht. Beide Stoffe kennzeichnen sich durch die Bildung von Di- Jodadditions Produkte als ungesättigte Verbindungen mit einer Doppel- bindung. Optisch aktiv ist keiner von beiden; von den Farbenreaktionen der Sterine gehngt keine einzige. An der Luft sind beide Pigmente stark autoxydabel; die Gewichtszunahme durch Sauerstoffaufnahme kann 30 bis 40% betragen. Dabei bleicht die Farbe rasch aus. Auch dann ist nie eine der Cholesterinreaktionen aufzufinden; frühere Angaben in positivem Sinne erklären sich durch die Benützung phytosterinhältiger Präparate. Beide Farbstoffe lösen sich in konzentrierter HgSO mit indigoblauer Farbe. Xanthophyll enthält nach seinen Reaktionen weder eine OH- noch eine CO-Gruppe und ist keine Säure. Die alkoholischen Lösungen beider Stoffe zeigen ein Absorptionsspektrum, welches aus zwei breiten Bändern im Indigoblau und einer Endabsorption besteht. Die Lage der Absorptions- bänder ist nach Willstätter und Mieg: bei Carotin IX 488-470 /tyu II 456-438 ;u^u „ Xanthophyll .... I A 480-470 „ II 453-437 „ (1). Bekanntlich krystallisiert Möhrencarotin in den Parenchymzellen der Wurzel spontan in stab- oder dreieckförmigen verzogenen Bildungen aus. Schimper(2) hat nachgewiesen, daß die Krystalle durch ihren Zusammen- hang mit den Leukoplasten, in welchen sie ausgeschieden werden, abnorme Formverhältnisse (Zwangs- oder Hemmungsbildungen) erfahren. Künstlich kann man die Chromolipoide innerhalb der Zelle durch verschiedene Methoden krystallisiert in situ nachweisen. Man hat dazu benützt: Einwirkung verdünnter Säuren (3), Einlegen in starke Kalilösung in verdünntem Alkohol (4), konzentrierte Resorcinlösung (5) usw. Sehr einfach ist die Benützung verdünnten Alkohols (30%), konzentrierter Phenylurethanlösung oder anderer capillaraktiver Lösungen passender Konzentration (6). Tammes (7) hat diese Methoden benützt, um die all- gemeine Verbreitung carotinartiger Farbstoffe im Pflanzenreiche zu illu- strieren. Doch ist TswETT (8) in seiner kritischen Würdigung der erwähnten Methodik ganz im Recht, wenn er darauf aufmerksam macht, daß man keinen Grund habe, von Carotinnachweis hierbei zu sprechen. Mikroskopisch lassen sich, wie erwähnt, die einzelnen Chromolipoide voneinander nach VAN WISSELINGH duTch die Krystallform und die Eintrittsgeschwindigkeit der Bläuung mit H2SO4 unterscheiden. 1) Vgl. auch MoNTEVEBDE, Acta Hort. Petropol., 13, 151 (1893). — 2)£chimpek, Jahrb. wies. Botan. (1885). A. Guilliermond, Compt. rend., 155, 411 (1912). — 3) TßcmBCH, Untersuch, über d. Chlorophyll. (1884). B, Fkank, Botan. Zentr., jo (1882). — 4) MöoscH, Ber. Botan. Ges., 14, 18 (1896)..— 5) Tswett, Botan. Zentr., 81, 83 (1900). — 6) E. Liebaldt, Ztsch. Botan. (1913), p. 65. Vgl. auch Tunmann, Pharm. Ztg., 50, 1055 (1905). — 7) Tine Tammes, Flora, 87, 205, 244 (1900). — 8) Tswett, Ber. Botan. Ges., 29, 630 (1911). g06 Dreißigstes Kapitel: Pflanzliche Chromolipoide. Solange nicht die Alkoholnatur bei manchen Chromolipoiden sicher- steht, müssen die Angaben von Hilger und seiner Schüler (1) bezüglich Fettsäureverbindungen mit carotinartigen Farbstoffen nüt Vorbehalt auf- genommen werden. Nach Hilger besteht z. B, der gelbe Farbstoff der Calendula-Blüten aus einem zweiwertigen cholesterinartigen Alkohol, ^26^42(011)2 Hnksdrehend, F 229—230", in Esterbindung mit Laurinsäure, Myristinsäure, Pentadecylsäure, Palmitin- und Stearinsäure; ferner aus einem Kohlenwasserstoff, F 63''. Es ist wohl wahrscheinlich, daß es sich in dem analysierten Material Hilgers um ein Gemenge von carotinartigen Pigmenten, Phytosterinen und Phosphatiden gehandelt hat; doch ist es durchaus im Bereiche der Möglichkeit, daß bestimmte ChromoHpoide tat- sächlich als Fettsäureester vorkommen. Carotin und Xanthophyll können dabei allerdings nicht in Betracht kommen, da sie kein OH enthalten. Zur quantitativen Bestimmung des Carotins hat Arnaud (2) den coloriraetrischen Vergleich vorgeschlagen. Das Material wird im Vacuum getrocknet und in der Kälte nüt benzinfreiem Petroleum extrahiert. Der Rückstand des Extraktes wird mit CSg aufgenommen und diese Lösung colorimetrisch geprüft. So gibt Arnaud an, ermittelt zu haben, daß je 1(X) mg trockene Blätter bei Spinacia 76,5 und 79 mg, bei Urtica dioica 95 mg, bei Gräsern 71 mg Carotin enthielten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß relativ sehr viel von anderen Chromolipoiden (Xanthophyll) in Blättern vorkommt, was die Genauigkeit solcher Messungen beeinträchtigen muß. Die Bedeutung der Chromolipoide im Stoffwechsel ist noch wenig sicher bekannt. Man kann aber Willstätter(3) nur beipflichten, wenn er in erster Linie an die beträchtliche Aufnähmefähigkeit dieser Stoffe für Sauerstoff denkt, wenn die ökologische Rolle dieser Stoffe ausfindig gemacht werden soll. Es ist gewiß von Belang, »wenn zahlreiche sauer- stoffbegierige ungesättigte Zellipoide, wie Phosphatide, Sterine und Chromo- lipoide mit dem Nahrungsfett vergesellschaftet vorkommen, einem Stoff, welcher sehr viel Sauerstoff zu seiner Oxydation benötigt. Viel weniger gestützt ist die seinerzeit von Kohl vertretene Idee, daß Carotin bei der Kohlensäureassimilation eine besondere Bedeutung besitze. Went(4) dachte daran, daß Zellenzyme durch Carotin gegen zer- störende Lichtwirkungen geschützt werden könnten. Die Feststellung von Tobler (5), daß der Carotingehalt der Möhre bei verschiedenen Sorten mit dem Gehalte an Stärke und Zucker parallel gehe, hingegen abnehme, wenn der Chlorophyllgehalt wächst, läßt sich einstweilen noch in keiner bestimmten Richtung verwerten. § 2. Chromolipoide in Blütenteilen; gelbe Blfitenfarbstoffe fraglicher Natur. Eine Untersuchung über den Farbstoff der gelben Narzisse liefert bereits Caventou [1817] (6). Schübler und Frank (7) unterschieden 1) A. Hilger. Botan. Zentr., 57, 375 (1894). C. Ehring, Ebenda, 6g, 154 (1897). Th. Papst, Arch. Pharm., 230, 108 (1892). K. Lendeich, Ebenda (1892), p. 38. A. Kirchner, Diss. (Erlangen 1892). F. Wirth, Diss. (Erlangen 1891). O. Schüler, Diss. (Erlangen 1899). — 2) Arnaud, Compt. rend., 104, 1293 (1887); 109, 911 (1889). G. ViLLE, Ebenda (1889), p. 397, 628. — 3) WillstItter, Lieb. Ann., 355, 10 (1907). — 4) Went, Rec. trav. botan. N^erland, /, 106 (1904). — 6) G. u. F. Tobler, Ber. Botan. Ges., 30, 33 (1912). — 6) Caventou, Ann. de Chim. et Phys. (2), 4, 321 (1817); Journ. Pharm., 2, 540. — 7) G. Schübler u. C. A. Frank, Untersuch, üb. d. Farben d. Blüten (Tübingen 1826). § 2. Chromolipoide in Blütenteilen; gelbe Blütenfarbstoffe fraglicher Natur. 807 eine Reihe gelber Blütenfarbstoffe und eine Reihe blauer Farbstoffe, welche sie unbegründeterweise als oxydierte und desoxydierte Reihe be- nannten. Candolle(I) sprach von xanthischen und cyanischen Farben. Von Marquart [1835] (2) rühren die Bezeichnungen „Anthoxanthin" und „Anthocyan" her. Die von Hope und von Macaire vertretene Ansicht, daß der gelbe Farbstoff durch Säureeinfluß aus dem blauen entstehe, wurde bereits von Meyen(3) verworfen. Durch Marquart war es auch bereits bekannt geworden, daß gelbe Blütenfarben eine tiefblaue Färbung mit konzentrierter Schwefelsäure geben, doch wurde dies irrigerweise auf Ähnlichkeiten mit Chlorophyll bezogen (Meyen). Man wurde auch darauf aufmerksam, daß es gelbe Blütenfarbstoffe gibt, welche in Wasser unlöslich sind, und solche, welche sich in Wasser lösen. Fremy und Cloez(4) nannten die in Alkohol löslichen Farbstoffe „Xanthin", die in Wasser löslichen (Dahlia) „Xanthein". Fremy (5) erkannte sodann die Differenzen seines aus Chlorophyll dargestellten Phylloxanthins von diesen Farbstoffen. Kraus (6) machte auf die Ähnlichkeit des Spektrums der Blütenfarbstoffe mit dem Spektrum des aus Blätterextrakt gewonnenen gelben Farbstoffes aufmerksam. Pringsheims (7) Vermutung über gene- tischen Zusammenhang zwischen Chlorophyll und Anthoxanthin beruhte wohl auf Täuschungen durch beigemengte Chlorophyllspuren. Hansen (8) äußerte sich 1883 dahin, daß sich in den Blüten relativ wenige Arten von Farbstoffen finden; er erkannte die Lipochromnatur der gelben Blütenpigmente und erhielt diese Farbstoffe in einzelnen Fällen krystaUisiert; desgleichen Immendorff (9). Es ist in der Tat nach den späteren Feststellungen, die sich in Kohls Werk zusammen- gefaßt finden, kein Zweifel, daß Chromolipoide weit verbreitet in Blumen- blättern von gelber und roter Färbung vorkommen. Besonders Tammes hat viele neue Vorkommnisse angegeben. In Pollenkörnern wurde Carotin von Bertrand und Poirault nachgewiesen (10). Hilger und Kirch- ner (ll) haben, wie schon erwähnt, den Farbstoff der Calendulablüten als Fettsäureester beschrieben. Wahrscheinlich handelt es sich dort, wo der Farbstoff an Chromatophoren gebunden auftritt (12), stets um carotin- artige Farbstoffe. Mit den carotinartigen Ghromoüpoiden steht auch der gelbe, wasser- löshche Farbstoff der Cjocusnarben (Safran) in unleugbarer Beziehung, die sich schon in der indigoblauen Schwefelsäurereaktion zeigt. Bouillon- Lagrange und Vogel (13) benannten das Pigment als Polychroit und hielten es für eine Verbindung von färbenden Bestandteilen und flüchtigem 1) DE C ANDOLLE, Physiologie, 2, 716. — 2) Cl. Marquart, Die Farben der Blüten (Bonn 1835). — 3) Hope, L'Institut (15, ftvr. 1835). Meyen, Neu. Syst. d. PflanzenphysioL, 2, 445. — 4) Fremy u. Cloez, Journ. Chim. et Pharm. (3), 25, 249 (1854). — 5) Fremy, Compt. rend., 61, 190 (1865). Filhol, Ebenda, 51, 373. — 6) G. Kraus, Zur Kenntn. d. Chlorophyll farbstoffe (1872). — 7) N. Pringsheim, Mon.ber. Berlin. Ak. (1874); Gesammelt. Abhandl., 4, 12. — 8) Hansen, Sitz.ber. d. Würzb. phys.-med. Ges. (1883). Auf die Ähnlichkeit des Spektrums tierischer Lipochrome mit dem Blütenfarbstoffspektrum machte bereits Thudichum, Proceed. Roy. Soc, 16, 253 (1869), aufmerksam. — 9) Immendorff, Landw. Jahrb., 18, 506 (1889). — 10) G. Bertrand u. G. Poirault, Compt. rend., 25, 828 (1892). — 11) A. Hilger, Botan. Zentr., sT, 354 (1894). A. Kirchner, Diss. (Erlangen 1892). — 12) Über die Chromatophoren gelber Blüten: A. F. W. Schimper, Jahrb. wiss. Botan., 16 (1885). CouRCHET, Recherch. sur les chromoleucites (1888), p. 82. M. MÖBius, Botan. Zentr., 24, 115 (1885). R. Hollstein, Botan. Ztg. (1878), p. 25. — 13) Vogel u. Bouillon- Lagrange, Ann. de Chim., «0, 188 (1811); Journ. Pharm. (1821), p. 397. 808 Dreißigstes Kapitel: Pflanzliche Chromolipoide. Öl. Rochleder und Mayer (1) fanden die Abspaltung von Zucker bei der Hydrolyse; die neben Zucker entstehende Komponente des Glucosides wurde als Crocetin beschrieben. Das Glucosid selbst wird jetzt meist ab Cr o ein angeführt. Schunk und Marchlewski (2) bewiesen die Identität der „Crocose" aus Grocin mit Traubenzucker. Dem Crocetin gab man die Formel Cj£H2o04, andere Angaben lauten auf Cs4H4g04, beides ganz unsicher(3). Crocetin liefert mit Ammoniak, Chinin, Brucin gut krystallisierende Ver- binduneen (Salze ?), während Crocin nur amorph bekannt ist (4). Einer Aufklärung bedarf noch die Angabe von Schüler (5) bezüglich der Bindung des Crocins an Phytosterine und Fettsäuren. Aus dem Safran ist überdies noch ein farbloses Glucosid beschrieben, welches bei der Spaltung angeblich Zucker und Terpenkohlenwasserstoff hefert. Das Nyctanthin aus den Blüten der Oleacee Nyctanthes arbor- tristis bildet Krystalle der Zusammensetzung C20H27O4, F 225— 230*^ und gibt eine Monoacetylverbindung. Konzentrierte H2SO4 erzeugt Blauf ärbung(6). Unzm^eichend bekannt ist die Natur der wasserlöslichen gelben Blüten- pigmente, welche von Prantl(7) als Anthochlor bezeichnet wurden und die TscHiRCH (8) Anthoxanthin nannte. Der im Zellsaft mancher Blumen- blätter auftretende, nicht an Chromatophoren gebundene Farbstoff in blaß- gelben Blüten, aber auch in Citronenschalen, ist von Hansen (9) gleichfalls als Anthochlor bezeichnet. Weitere Angaben findet man in den Schriften von SCHIMPER, Dennert, A.Weiss(IO). Viele dieser Pigmente haben sicher nichts mit Chromolipoiden zu tun, wie denn der- gelbe Malvaceenblütenfarbstoff bei Hibiscus und Thespesia schon als ein Flavonderivat erkannt worden ist (11). TsCHiRCH(12) ist sicher beizustimmen in der Ansicht, daß die Mannigfaltig- keit der gelben Blüten- und Fruchtfarbstoffe bedeutend größer ist als bisher angenommen wurde. Der letztgenannte Forscher hat es auch mit Erfolg unternommen, mit Hilfe des Quarzspektrographen die Absorptions- spektra der Blütenpigmente in Gruppen anzuordnen, worüber die Details in dem Originale verglichen werden wollen. §3. Chromolipoide in Frfichten und Samen. Mit der Ausnahme der leicht kenntlichen roten Fruchtfarbstoffe aus der Gruppe der Anthocyanine werden wohl die meisten roten Pigmente von Früchten zu den Chromolipoiden gehören. Jedoch ist von allen nur der Tomatenfarbstoff, das Lycopin oder Solanorubin, durch die Arbeiten von Montanari(13) und Willstätter(14) in neuerer Zeit 1) ßocHLEDER u. Mayee, Journ. prakt. Chem., 74, 1. — 2) Schunck.u. Marchlewski, Lieb. Ann., 278, 349. — 3) Weiss, Journ. prakt. Chem,, wi, 65. K. Kayseb. Ber. Chem. Ges., 17, 2228 (1884). — 4) Pfyl u. Schettz, Chem.-Ztg. (1906), p. 299; Ztsch. Untersuch. Nähr- u. Genußmittel, 16, 337 (1908). F. Dekkek, Chem.-Ztg., 30, 18 (1906). — 5) O. Schüler, Diss. (München 1899); Botan. Zentr., 87, 152 (1901). — 6) E. G. Hill u. A. Pb. Sirkar, Journ. Chem. Soc, 91, 1501 (1907). — 7) Prantl, Botan. Ztg. (1871), p. 426. — 8) A. Tschirch, Untersuch, üb. d. Chlorophyll (1884), p. 97. — 9) A. Hansen, Verhandl. phys.-med. Ges. Würzburg, 18 (1884). — 10) Schimper, Jahrb. wiss. Botan. (1885). E. Dennert, Botan. Zentr., 3S, 430 (1889). A. Weiss, Sitz.ber. Wien. Ak., 90, I, 109 (1884). — 11) Pebkin, Journ. Chem. Soc., 95, 1855 (1910). — 12) A. Tschirch, Ber. Botan. Ges., 14, 76 (1896). — 13) Montanari, Chem. Zentr. (1905), I, 544. Früher: MiL- LARDET, Just Jahresbet. (1876), 7, 368; 17, 783. de Negri, Ber. Chem. Ges., 12, 2369 (1879), Rubidin. Schunck, Proceed. Roy. Soc., 72, 165 (1903). über Blütenfarbstoffe femer J. Schwertschlager, Denkschr. kgl. bayr. botan. Ges. R^ensburg, j, 1 (1911). — 14) WlLLSTlTTER u. EscHER, Ztsch. physiol. Chem., 64, 47 (1909). § 4. Chromolipoide bei Algen. 809 besser bekannt geworden. Der Farbstoff ist nach Willstätter ein mit Carotin isomerer ungesättigter Kohlenwasserstoff C^qU^^, der immer in Nadeln (nie in Täfelchen, wie Carotin) von carminroter Farbe krystalli- siert, und bei 168 — 169** schmilzt. Er absorbiert noch stärker Sauer- stoff als Carotin. Nur amorphe Jodadditionsprodukte waren zu gewinnen. Auch für das Tomatenchromolipoid ist früher behauptet worden, daß es ein Gemenge von Estern eines zweiwertigen Phytosterins und von Kohlen- wasserstoffen handle (1). Die übrigen Chromolipoide von Früchten sind nicht genauer gekannt. Hierher gehören die von Hartsen(2) dar- gestellten Pigmente aus den Beeren von Solanum Dulcamara, Tamus und Asparagus und die schlechthin als „Carotin" bezeichneten Farbstoffe aus dem Fruchtfleische der Aprikose [Desmoulieres (3)] und des Kürbis [ScHRÖTTER (4)]. Nach ToBLER (5) enthält die Fleucht von Momordica Balsamina im Exo- und Mesokarp sowie im Endocarp differente Chromo- lipoide. Hier und da sind auch wasserlösliche gelbe Farbstoffe in Früchten gefunden. Auf das „Anthochlor" der Citronenschalen wurde schon auf- merksam gemacht. Macchiati (6) fand in Fichtenzapfen unter drei ver- schiedenen Pigmenten einen in Wasser löshchen orangeroten Farbstoff. Ein anderes in goldgelben Krystallen erhältüches Pigment („Gardenin") enthalten die „Gelbschoten" von Gardenia grandiflora, welches nachSTEN- HOUSE und Groves (7) mit Crocin identisch sein soll. Crocin wurde auch von Fabiana indica angegeben (8). Lebhaft gelb und rot gefärbte Samenarillen enthalten ebenfalls Chromolipoide. Courchet(9) zeigte dies von den Arillargebilden bei Evonymus, Taxus und anderen Pflanzen, Schrötter(IO) von Afzelia (Intsia) cuanzensis. Abweichepde Befunde erhielt Held (11) bei der Untersuchung des gelbroten Macisfarbstoffes, welcher Phenolcharakter haben soll. I§4. Chromolipoide bei Algen. Die große Verbreitung carotinähnhcher Pigmente bei Algen ist durch eine Anzahl neuerer Untersuchungen ebenfalls außer Zweifel gestellt worden Die Chloroplasten chlorophyllgrüner Algen führen nach den Beobachtungen von T. Tammes, der es gelang, die CarotinkrystalHsation durch die Kali- methode an vielen Objekten zu erzielen, ebenso Chromolipoide wie die Chlorophyllkörner der Phanerogamen. Daß auch Braunalgen Chromohpoide enthalten, zeigte bereits Hansen(12) für Fucus vesiculosus. Andere Angaben für Pbaeophyceen finden sich in der Arbeit von Tammes, wo auch Chromo- lipoide in Florideen, Diatomeen. Cyanophyceen nachgewiesen erscheinen. I) C. Ehring, Just Jahresber. (1897), /, 153. — 2) M. Hartsen, Compt. rend. (1873), /, 385. — 3) A. Desmotjliere, Chem. Zentr. (1902), //, 1001. — 4) H. V. Schrötter-Kristelli, Verhandl. Zool. Botan. Ges. Wien, 44, 298 (1895). — 5) G. u. F. Tobler, Ber. Botan. Ges. (1910), p. 365. — 6) L. Macchiati, Just Jahresber. (1889), /, 53. — 7) J. Stenhouse u. C. E. Groves, Journ. Chem. Soc., 35, 688; Ber. Chem. Ges., 10, 911 (1877); Just Jahresber. (1879), /, 364. Stenhouse, Lieb. Ann., 98, 316 (1856). — 8) Filhol, Compt. rend., 50, 1184. — 9) Courchet, Ann. Sei. Nat, (7), 7, 263 (1888). — 10) H. v. Schrötter-Kristelli, Botan. Zentr., 61, 33 (1895). — 11) Fr. Held, Dies. (Erlangen 1893). — 12) A. Hansen, Arbeit, botan. Inst. Würzburg, 3, 296 (1885). 810 Dreißigstes Kapitel: Pflanzliche Chromolipoide. Ferner sind die roten Pigmente, welche bei Dauerzuständen von Algen so häufig auftreten, zu den ChromoHpoiden zu rechnen. Schon de Bary(1) beobachtete die blaue Schwefelsäurereaktion bei den rotgefärbten Sporen von Bulbochaete. Derselbe Fall Hegt vor bei Sphaeroplea, Botrydium u. a. F. CoHN (2) beschrieb vom Augenfleck der Euglena viridis Blaufärbung mit Jod; er fand ähnhches Verhalten beim roten Farbstoffe vieler Algen- dauersporen, ferner bei Chlamydococcus pluviaUs. Cohn nannte das Pig- ment Hämatochrom und glaubte an genetische Beziehungen desselben zum Chlorophyll (3). Zum Hämatochrom rechnete Klebs (4) auch den orangeroten Farbstoff von Phyllobium dimorphum. Ebenso wie Gohns Hämatochrom, so fällt auch Rostafinskis (5) „Ghlororufin" aus Trente- pohUa unter den Sammelbegriff der Chromohpoide. Zopf (6) hat den Trente- pohhafarbstoff zuletzt dargestellt und seine Analogie mit anderen carotin- ähnlichen Pigmenten erwiesen. Beziehungen zum Chrysenchinon, wie sie ROSTAFINSKI der blauen H2S04-Reaktion wegen annahm, bestehen nicht. Von Pigmenten niederer Algen sind ebenfalls einige Chromolipoide bekannt. Hierher gehört das Augenfleckpigment der Euglenen [Klebs (7)]. Schön krystaUisierendes Chromohpoid gewann Zopf (8) aus Polycystis flos aquae Wittr. Auf Grund spektroskopischer Differenzen unterscheidet Zopf (6) das „Polycystin" vom Möhrencarotin als spezielles Chromohpoid. Nach Gaidukov(9) enthält ChromuUna Rosanoffii (Wor.) wahrscheinlich ein Chromohpoid, welches er als ,,GhrysoxanthophyH" bezeichnete. §5. Chromolipoide bei Pilzen und Bacterien. Die größte M»?hrheit der orangegelb und rot gefärbten Pilze scheint Farbstoffe aus der Reihe der Chromohpoide zu enthalten, welche aber in keinem einzigen Falle näher präzisiert worden sind. Es muß sich noch zeigen, ob das Möhrencarotin überhaupt bei Pilzen und Bacterien vorkommt. Bachmann (10) wies Chromohpoide bei Uredineen in einer Reihe von Fällen nach. Zopf (11) bezeichnete den Farbstoff der Calocera viscosa (Tremel- hneae) als Carotin; Dacryomyces stellatus enthält einen sehr ähnhchen Farbstoff. Ebenso ist das Pigment von Polystigma, Nectria cinnabarina, verschiedenen Pezizaceen, den genannten Autoren zufolge (11) zur Garotin- gruppe gehörig. Von Flechtenpigmenten ist nach Bachmann der Farbstoff des Baeomyces roseus „ein Lipochrom". Nach Zopf (12) ist ferner der gelbrote Farbstoff, welcher hier und da bei Phycomyceten auftritt, ein Carotin (z. B. bei Pilobolus, Mucor u. a.). 1) DE Bary, Ber. Naturf. Ges. Freiburg (1856). — 2) F. Cohn, Nov. Act. Leop., 22, 645 (1850); Arch. mikrosk. Anat., j, 44 (1867). Cl. Hamburger, Arch. f. Protistenkunde, ö, 111 (1905). — 3) Bedingungen der Bildung des Hämatochroms : H. C. Jacobsen, Folia microbioL, / (1912). — 4) G. Klebs, Botan. Ztg. (1881), p. 271. — 5) J. RosTAFLNSKi, Ebenda, p. 461. — 6) W. Zopf, Beitr. Morphol. u. Physiol. nied. Organism., I, 30 (1892). Ältere Literatur über Trentepohlia-Carotin: Caspary, Flora (1858), Nr. 38. A. B. Frank, Cohns Beitr. z. Biol., 2, 160. Hilde- brand, Botan. Ztg. (1861), p. 82. Ferner: G. Karsten, Ann. jard. bot. Buitenzorg, /o, 38 (1890). Zopf, Biol. Zentr., 75, 425 (1895). >- 7) G. Klebs, Untersuch a. d. botan. Inst, Tübingen, /, 261 (1883). Über Euglenafarbstoff auch A. G. Garcin, Journ. Botan., j, 189 (1889). — 8) W. Zopf, Ber. Botau. Ges., 18, 461 (1900). — 9) N. Gaidükov, Ebenda, 18, 333 (1900). — 10) E. Bachmann, Spektroskopische Untersuchung von Pilzfarbstoffen (1886). — 11) W. Zopf, Die Pilze (1890)-, Schenks Handb. d. Botan., 4, 414; Flora (1889), p. 353. — 12) Zopf, 1. c. und Beitr. z. Physiol. u. Morphol. nied. Organism., II, 3 (1892). Einunddreißigstes Kapitel: Die Produktion v. Wachs (Cerolipoiden) b. Pflanzen. 811 Bei den Pilzen tritt Carotin in der Regel in ölartigen Tröpfchen gelöst auf; ob das Lösungsmittel (wie wahrscheinlich) Fett ist, und ob in allen Fällen ein fettes Öl, ist nicht näher untersucht. Das „Pezizaxanthin", welches SORBY(I) von Am-eha Aurantia beschrieb, ist wohl mit einem Carotin identisch. In einer späteren Arbeit gab Zopf (2) an, daß die aus Hypocrea- ceen (Polystigma, Nectria) ausziehbaren Carotine mit Daucuscarotin nicht übereinstimmen. Polystigma rubrum enthält nach Zopf zwei Pigmente, davon ein rotes m reichücher Menge. Polystigma ochraceum Wahlenb. enthält ein hiervon differentes gelbes krystallisierbares Chromohpoid. Die Conidienform der Nectria cinnabarina enthält einen gelben und einen roten Farbstoff; der rote wurde Nectriin genannt. Vielleicht sind die gelben Pigmente, wie das Xanthophyll, sauerstoffhaltige Chromolipoide, was schon Zopf für Nectriin und Polystigmin vermutete, der sie als Lipoxanthine den Liporhodinen gegenüberstellte. Bei Myxomyceten wies Zopf (3) für Arten von Stemonitis und Lyco- gala Chromoüpoide nach. Der Lycogalafarbstoff besitzt nach Zopf (4) vier Absorptionsbänder des Spektrums und gehört in die „gelbe Reihe" der carotinartigen Pigmente. Zopf versuchte auf Grund der Zahl der Bänder im Absorptionsspektrum eine generelle Einteilung der „Lipoxanthine" zu treffen („Di-, Tri-, Tetrahpoxanthine"). Auch bei Bacterien kommen die an ihrem Farbenton leicht kennthchen Chromohpoide nicht selten vor. Zopf (5) berichtete zuerst über „Carotin" bei Bacterien für Staphylococcus rhodochrous, Micrococcus superbus, stellatus u. a. Wenn man einige Tropfen des Petrolätherextraktes aus diesen Bacterien auf dem Objektträger eindunsten läßt und konzentrierte H2SO4 zusetzt, so entstehen Ideine dunkelblaue Kryställchen: „Lipocyanreaktion" von Zopf (6), Diese Probe gelingt mit allen carotinartigen Farbstoffen. Ähnliche Pigmente beschrieb Zopf noch für Bacterium egregium(7) und Micrococcus Erythromyxa (8), Schrötter (9) für Sarcina aurantiaca und Staphylococcus pyogenes aureus. Nach Zopf wird der Farbstoff bei Micro- coccus Erythromyxa durch die lebenden Bacterienzellen ausgeschieden und lagertrsich krystallinisch ab. Die Mikrobenchromolipoide sind nach Zopf sauerstoffhaltig. Einunddreißigstes Kapitel: Die Produktion von Wachs (Cerolipoiden) bei Pflanzen. § 1. Charakteristik und Vorkommen von Pflanzenwaclis. Der typische^ Repräsentant der Wachsarten, das Bienen wachs (1 0), welches hauptsächlich aus freier Cerotinsäure und Palmitinsäure-Myricyl- ester besteht, wird durjch die größere Härte und den hochgelegenen 1) SoRBY, Proceed. Roy. Soc, 2/, 457 (1873). — 2) Zopf, Beiträge usw., III (1893), p. 26. — 3) Zopf, Ber. botan. Ges., 18, 466 (1900). — 4) Zopf, Flora (1889). p. 353: Beiträge usw., II (1892). — 5) Zopf, Ber. Botan. Ges., p, 27 (1891). - 6) Zopf, Ztschr. wies. Mikroskopie, 6, 172 (1889). - 7) Botan. Ztg. (1889), p. 58. Ferner: Ä. OtERBECK, Koch Jahresber. (1891), p. 85. — 8) Zopf, Beitr. z. Morph, u. Phys., II (1892), p. 32. — 9) H. v. Schrötter-Kristklli, Zentr. Bakt. I, 18, 781 (1895). — 10) Vgl. V. FÜRTH, Vergl. ehem. Physiol. d. nied. Tiere (1903), p. 407. 812 Einimddreißigstes Kapitel: Die Produktion v. Wachs (Cerolipoiden) b. Pflanzen Schmelzpunkt sowie durch die geringere Löslichkeit in heißem Alkohol von den Fettsäuretriglyceriden physikalisch unterschieden; man hat Pflanzen Stoffe fettartiger Natur von ähnlicher physikalischer Beschaffen- heit seit jeher als Pflanzenwachs zusammengefaßt. Die chemische Zu- sammensetzung jener Substanzen ist jedoch, wie die nicht allzu zahlreichen näheren Untersuchungen deutlich erwiesen haben, sehr different und läßt nicht leicht eine biochemische Präzisierung des Begriffes der Pflanzen- wachsarten zu. Wenn auch Glyceride gesättigter Fettsäuren meistens gefunden werden, ja öfters sehr reichlich vorhanden sind, so kommen darin verschiedene höhere Alkohole als Fettsäureester vor, welche im Nahrungsfett fehlen, ferner auch einbasische gesättigte Säuren, wie Carnaubasäure, Lignocerinsäure, Cerotinsäure, die sich in Neutralfett nur selten und in geringer Menge finden, endlich zweibasische Fettsäuren, wie Japansäure, die im Nahrungsfett ganz fehlen. Dies muß uns ge- nügen, um den Begriff jener Fettstoffe, welche als Wachs oder Cero- lipoide zu bezeichnen sind, zu umschreiben: Lipoide von hohem Schmelz- punkt, die außer Glycerinestern Ester hochwertiger Alkohole führen und in der Regel reich sind an hochwertigen Fettsäuren und ärmer an Stearin und Palmitinsäure. Aber auch die physiologische Charakteristik und das Vorkommen trennt die Cerolipoide vom Nahrungsfett Pflanzenwachs wird vor allem als physiologisches Produkt an der Außenfläche krautiger Sprosse, an Unter- und Oberseite der Laubblätter, als Überzug von Früchten von der Epidermis erzeugt Die Wachsproduktion steht in einem ahnlichen Verhältnis zur Produktion von Zellwandstoffen, wie die Bildung von Nahrungsfett zur Stärkebildung; besonders wenn man bedenkt, daß die Bildung fettartiger Zellwandstoffe in Cuticula und Kork möglicherweise mit dem Chemismus der Wachsbildung in mancher Hinsicht vergleichbar ist An den Luftorganen von Landpflanzen stellt der Wachsüberzug eine mehr weniger dichte Decke von öfters charakteristischen morpho- logischen Eigenschaften dar, oder es bildet auch das Wachs Einlagerungen in die äußeren Wandschichten der Epidermis (Cuticula, Epicuticula), welche durch Ätherextraktion leicht herausgelöst werden können. Die Wachsüberzüge können zusammenhängende Membranen bilden oder sie bestehen aus zarten dichtgestellten Stäbchen oder aus größeren und kleineren Körnchen [de Bary(1)]. Wiesner (2) wies die optische Aniso- tropie der Wachsauflagerungen nach. Ihre Entwicklungsgeschichte ist von DE Bary behandelt. Unterirdischen und submersen Organen fehlen Wachsüberzüge; aber selbst an den auftauchenden Teilen einer Wasser- pflanze (Myriophyllum proserpinacoides) konstatierte Tittmann (3) eine vorübergehende Wachsbildung. Bei der Wachsproduktion an krautigen Pflanzenteilen machen sich regulatorische Einflüsse insofern geltend, als feuchte Luft die Wachsausscheidung vermindert (Tittmann). Wie Wilhelm (4) zuerst fand, sind die Vorhöfe der Coniferenspaltöffnungen reichlich mit feinkörnigem Wachs erfüllt, welches als Transpirations- schutz fungiert. Von verkorkten Membranen hat man Wachsinkrusta- tionen beim Weidenkork beobachtet (5). Ein reichschichtiges mit wachs- artigen SuDstanzen angefülltes Periderm besitzt die xerophytische Gera- 1) DE Bary, Botan. Ztg. (1871), p. 128, 566; Vergl. Anat. (1877), p. 87. — 2) J. Wiesner, Botan. Ztg. (1871), p. 769. — 3) H. Tittmann, Jahrb. wisa. Botan., 30, 128 (1897). — 4) K. Wilhelm, Ber. Botan. Ges., /, 325 (1883). Th. Wulff, Osterr. botan. Ztsch. (1898), Nr. 6. Fr. Darwin, Journ. Linn. Soc, 22, 99 (1886). — 6) HöHNEL, Sitz.ber. Wien. Ak., 76, I, 507. § 1. Charakteristik und Vorkommen ron Pflanzenwacba. 813 niacee Sarcocaulon rigidum, wo überdies eine Harzbedeckung der Zweige als Transpirationsschutz vorhanden ist(1). Wachsartige Drüsenausscheidungen kennt man ebenfalls. So kommen Wachsdrüsen auf Blättern und Zweigen von Ficusarten vor [Renner (2)]; Caladium violaceum Desf. besitzt auf der Unterseite junger Blätter nach Fenizia(3) wachssezernierende Papillen, ferner soll endlich das Sekret der Haare von „Gold- und Silberfarnen" (Gymnogramme, Notochlaena, Cheilanthes) nach Zopf (4) neben krystallinischen Stoffen auch wachs- artige Lipoide enthalten, wobei es freilich noch nicht ganz ausgeschlossen ist, daß das gefundene Wachs von der umgebenden Eipidermis und nicht aus den Drüsen selbst stammt. Blasdale(5) gab an, daß das Sekret von Gymnogramme triangularis sphärische Massen nadeiförmiger Krystalle bildet und aus zwei verschiedenen Stoffen besteht: Ceropten, schöne hellgelbe trikline Krystalle, Ci^Uif^Oi, F = 135'', ein Benzolüerivat, leicht löslich in Alkohol, Äther, Chloroform; eine andere Substanz amorph, weiß, unlöslich in Äther. Daß sich der Wachsüberzug bei Früchten auch nach mehrmahgem Abbürsten regeneriert, war bereits de Gandolle (6) bekannt. Nach Titt- mann ist jedoch die Regenerationsfähigkeit des Wachsüberzuges nicht bei allen Pflanzen zu konstatieren. Wahrscheinhch können die Epidermiszellen nur so lange Wachs produzieren, als sie lebendes Plasma enthalten. Unter- sucht ist dies aber noch nicht, ebenso noch nicht, welche Umstände den Vorgang der Wachsregeneration hemmen und ob ein Zusammenhang mit dem^ Membranwachstum besteht. Wie das verbreitete Vorkommen starker Wachsüberzüge bei succu- lenten Blättern, bei den an trockenen Standorten lebenden „glauken" Varietäten von Gräsern und anderen Pflanzen lehrt, steht die Ausbildung der Wachsschichten mit der Anpassung an xerophytische Lebensweise in Zusammenhang. Dies wird auch durch die Beobachtungen an Meerstrand- gewächsen bestätigt. In manchen Fällen wird wohl kein Wachs produziert, sondern es entstehen andere dem gleichen Zwecke dienhche Stoffe. So besteht nach Volkens (7) der lackartige Überzug der Blattflächen vieler Xerophyten nicht aus Wachs, sondern aus Harz. Nach Knuth (8) soll bei Crambe maritima und anderen Strandpflanzen der Überzug der Blattober- fläche direkt fettartigen Charakter besitzen. Seltene Fälle bildet die Produktion wachsartiger Stoffe im Innern von Zellen. Bei der Wachsablagerung in den Parenchymzellen des Fruchtfleisches japanischer Arten der Gattung Rhus: Rh. succedanea, vernicifera, acuminata und anderen, bildet sich nach den Untersuchungen von A. Meyer (9) und von Möbius(IO) im Innern der Zellen ein gleichmäßig dicker Belag der Zell- membran, der manchmal fast das ganze Zellumen einnimmt. Bei der Keimung der Samen wird diese Substanz nicht aufgezehrt. Ihre biologische Bedeutung dürfte damit zusammenhängen, daß die Früchte 1—2 Jahre hindurch von dem Baume nicht abfallen. Die chemische Untersuchung hat hier reichüch 1) Vgl. Volkens, Flora d. ägypt.-arab. Wüste (1887), p. 109. Solereder, Vergl. Anat. d. Dicotyledonen, p. 197. — 2) O. Rekner, Flora, 97, 24 (1907). — 3) C. Fenizia, Just Jahresber. (1896), /, 479. — 4) Zopf, Ber. Botan. Ges. (1906) p. 264, Göppert, Nov. Act. Leop., 18, Suppl. I, 260 (1844). Klotzsch, Botan Ztg. (1852), p. 200. de Bary, Ebenda (1871), p. 131. Wiesner, Ebenda (1876) p. 236, — 5) W. C. Blasüale, Just Jahresber. (1893), /, 317. — 6) A. P. de Can DOLLE, Pflanzenphysiologie, /, 198 (1833). — 7) G. Volkens, Ber. Botan. Ges., 8 120 (1890). — 8) P. KyuTH, Just Jahresber. (1889), /, 47. — 9) A. Meyer, Arch Pharm., 234, 15 (1879). — 10) M. MöBius, Ber. Botan. Ges., 15, 435 (1897). 814 Einunddreißigstes Kapitel: Die Produktion v. Wachs (Cerolipoiden) b. Pflanzen. Glyceride ergeben, noch dazu viel Paimitylglycerid neben freier Palmitin- säure, so daß die Substanz einen stark fettähnlichen Charakter hat. Eine Besonderheit bildet der Befund der als Japansäure bezeichneten Dicarbon- säure C2oH4o(COOH>2, F 117", wahrscheinhch als Mischglycerid mit Palmitin- säure vorhanden (1), ferner Ceryl- und Myricylalkohol, zwei charakteristische Bestandteile der Cerohpoide. Japanwachs oder Japantalg schmilzt bei 52—53° und hat wie alle Wachse eine sehr niedrige Jodzahl (12). Eine weitere Wachsart in Gewebezellen ist das Balanophorin, bei manchen Balano- phoraceen (Bai. elongata, Langsdorffia hypogaea) in großer Menge in den Knollen, bis zu 65%, vorhanden. Nach neueren Untersuchungen (2) ent- wickelt es beim Verbrennen kein Acrolein, scheint somit Glyceride nicht zu enthalten und gibt bei der Spaltung Palmitinsäure. Schmelzpunkt 56—57° G. Unsicher ist Lokahsation und Natur der von Kraft (3) aus dem Rhizom von Nephrodium filix mas gewonnenen Wachssubstanz. Was für eine Bedeutung die in manchen Milchsäften beobachteten wachsartigen Stoffe haben, ist unbekannt. Durch Boüssingault (4) ist eine solche Substanz vom Milchsafte des Brosimum galactodendron be- kannt geworden; sie schmilzt bei 50°, hat die prozeatische Zusammen- setzung: 79,28% C, 11,7% H, 9,02% 0, nähert sich also im Kohlen- stoffgehalte den Fetten; näher untersucht ist dieses „Wachs" in neuerer Zeit nicht. Hingegen konnten Greshoff und Sack (5) von dem Wachs aus dem MUchsafte von Ficus ceriflua Jungh. bestätigen, daß es sich um hoch schmelzende Verbindungen handelt. Für das Wachs aus dem Opium, in welchem Hesse (6) die Cerylester der Palmitin- und der Cerotinsäute angab, ist es zweifelhaft, ob es (wie seine Zusammensetzung vermuten läßt) von der wachsreichen Epidermis der Mohnkapseln, oder aus dem Milchsafte stammt. §2. Chemie der Wachsarten. Die pflanzlichen Wachssubstanzen waren schon den älteren Bio- chemikern wohlbekannt und finden sich bereits bei Senebier(7) in ihren wesentlichen Eigenschaften geschildert. Die älteren Autoren hielten sie irrigerweise für im wesentlichen identisch mit Bienenwachs [Trevi- RANüS(8)]. Proust (9) wies Wachs im Blütenstäube nach, Faure(IO) isolierte wachsartige Stoffe aus der Rinde von Buxus. Über das Cai- naubawachs berichtete zuerst Brande (11). Auch das Myricawachs zählt 1) A. C. Geitel u. van der Want, Journ. prakt. Chem., 6i, 151 (1900). Sonst: BuRi, Arch. Pharm., 243, 403 (1879). Trommsdorff, Journ. prakt. Chem., /, 151 (1834). Eberhardt, Diss. (Straßburg 1888). Ahrens u. Hett, Ztsch. angewandt. Chem. (1901), p. 684. Schaal, Ber. Chem. Ges., 40, 4784 (1907). Matthes u. Heintz, Botan. Zentr., 113, 591 (1910). E. Tassily, Bull. Soc. Chim. (4), 9, 608 (1911). — 2) M. Simon, Sitz.ber. Wien. Ak., iip, IIb (Nov. 1910). M. Strigl, Ebenda, 117, I (Nov. 1908). Früher: Th. Poleck, Nov. Act. Leop., 22, (1847). SUDA, Bull. Agr. Coli. Tokyo, 5, 263 (1902). — 3) Kraft, Schweiz. Woch.schr. Chem. Pharm., 34 (1896). — 4) J. Boüssingault, Agronom., 7, J95. — 5) M. Greshoff u. J. Sack, Reo. trav. chim. Pays-Bas, 20, 65 (1901). Ältere Angaben bei Fr. Kessel, Ber. Chem. Ges., 11, 2112 (1878) und Just Jahresber. (1878), /, 259. — 6) O. Hesse, Ber. Chem. Ges., 3, 637 (1870). — 7) J. Senebier, Physiol. v^g^t., a, 424 (1800). Dort von älteren Autoren zitiert: Boucher (1798), Tinöry. — 8) L. Chr. Treviranus,- Physiologie, 2, 42 (1838). — 9) Proust, Journ. de Physique, j6, 87. — 10) Faure, Journ. de Pharm., 16, 435 (1830). — 11) Th. Brande, Gilberts Ann., 44, 287 (1813). J. Virey, Journ. Pharm., 20, 112 (1834). § 2. Chemie der Wachsarten. 815 ZU den lange bekannten Wachsarten [Cadet (1803) (1)]. Über das durch Humboldt bekannt gewordene Palmenwachs von Ceroxylon andi- cola berichten Boussingaült (2) und Bonastre (3). Die ältere Literatur ist auch bei de Candolle referiert (4) Den Reif der Früchte von Benincasa cerifera untersuchten Nees und Marquart(5). Unter der Reihe von Elementaranalysen über Wachsarten befinden sich neben den Untersuchungen über das Bienenwachs von Saussure, Oppermann, Hess, Mulder (6) auch viele Angaben bezüghch Pflanzen- wachs. Mulder, welcher übrigens lange Zeit irrige Vorstellungen über einen genetischen Zusammenbang zwischen Wachs und Chlorophyll hegte, berechnete für Pflanzenwachs die Formel C4QHß40io. Das Ceroxylonwachs analysierte Boussingaült, das Wachs der Zuckerrohrstengel Dumas (7) und AvEQUiN. Ceroxylon . . . 81,6% C, 13,3% H, 5,1% O Saccharum . . . 81,4% C, 14,1% H, 4,5% 0 (F 82«) Nach einer langen Reihe von Arbeiten über die Konstitution des Bienenwachses, worunter besonders die Studien von Lewy(8) und von Gerhardt (9) Erwähnung verdienen, gelang es erst Brodie (10), die Natur der alkohoUöshchen und unlöslichen Fraktion des Bienenwachses („Cerin" und „Myricin") zu ergründen, und zu zeigen, daß die erstere im wesent- Hchen ai'= der freien Cerotinsäure C27H54O2, letztere aus dem Palmitin- säiureester des Mehssyl- oder Myricylalkohols besteht. Im Garnäubawachs fand Maskelyne(II) Cerotinsäure und Melissyl- alkohol. Heute besteht kein Zweifel darüber, daß die Zusammensetzung der meisten Pflanzenwachsstoffe vom Bienenwachs erheblich abweicht. Da in den Wachsüberzügen, wie zuerst Wiesner vermutete, tatsächlich Fett- säureglyceride sehr verbreitet vorkommen, sodann verschiedene ein- und zweibasische gesättigte Carbonsäuren und Oxycarbonsäuren, frei und in Esterform, ferner hochwertige Fettalkohole, Kohlenwasserstoffe, gefunden werden, endlich phytosterinähnliche Stoffe frei und in Esterform bei- gemengt sein können, so ist der Begriff „Pflanzen wachs" mehr eine bio- logische Bezeichnung als eine Gruppenbenennung. Doch können wir immerhin manche besser definierte Wachsstoffe darin biochemisch als Cerolipoide zusammenfassen. Wachsüberzug von Blättern. Das beststudierte Material bildet das Palmenwachs des Handels, insbesondere das „Garnäubawachs" von 1) Ch. L. Cadet, Ann. de China., 44, 140 (18Q3). Ferne^^ J. Bostock, Gehlens Journ., 6, Ö45 (1806). J. F. Dana, Schweigg. Journ., 32, 338 (1821). — 2) J. B. Bous- singaült, Ann.de Chim. et Phys. (2), 29, 330 (1825); 59, 19 (1835). — 3) Bonastre, Journ. Pharm., 14, 349 (1828). — 4) A. P. DE Candolle, Pflanzenphysiol., /, 198 (1833). — 5) Nees von Esenbeck u. Cl. Marquart, Buchners Rep. Pharm., 51, 313 (1835). — 6) Th. de Saussure, Ann. de Chim. et Phys. (2), 13, 339 (1820). Ch. Opper- mann, Ebenda (2), 49, 240 (1832). H. Hess, Pogg. Ann., 43, 382 (1838); Journ. prakt. ehem., 13, 411 (1838). Mulder, Berzelius Jahresber., 25, 598 (1846); Journ. prakt. ehem., 32, 172 (1844); Versuche allgem. phyeiol. Chem. (1844), p 276. B. CoLLiNS Brodie, Lieb. Ann., 67, 180 (1848); 71, 144 (1849); Journ. prakt. Chem., 45, 335 (1848); 48, 385 (1849).'— 7) Dumas, Ann. de Chim. et Phys. (2), 75, 222 (1841). Avequin, Lieb. Ann., 37, 170 (1841). — 8) B. Lewy, Ann. de Chim. et Phys. (3), 13, 438 (1845). — 9) Ch. Gerhardt, Ebenda (3), 15, 236 (1845). — 10) Brodie, Phil. Mag., 33, 217; Berzelius Jahresber., 29, 365 (1850). — 11) Mas- KELYNE, Ber. Chem. Ges., 2, 44 (1869). 816 EinunddreißigateB Kapitel: Die Produktion ▼. Wachs (Gerolipoiden) b. Pflanzen. Copernicia cerifera Mart. aus Brasilien. Lewy(1) gab zuerst Elementar- analysen. Maskelyne(2) wies zuerst Cerotinsäure und Melissylalkohol darin nach, Stürcke (3) außerdem einen Kohlenwasserstoff F 59'', Cerylalkohol CaeHga • CHgOH von 76*» F; einen zweiwertigen Alkohol C23H4g(CH20H)2 von F 103,5"; die der Lignocerinsäure isomere Cai-nauba- säure; eine der Cerotinsäure isomere Säure von F19^; eine Oxysäure CigHag« PH CHgOH-COOH oder deren Lacton Ci9H38<^"2;>0. Cerotinsäure hat nach Marie (4) die Formel C25H50O2, nach Henriques (5) aber CgeHgaOa- Melissylalkohol, oder auch Myricylalkohol genannt, ist Ca^HgaO. Palmitin- säure kommt im Carnaubawachs nicht vor. Dieses Wachs schmilzt bei etwa 85° C. Die Verseifungszahl wird meist mit 79—80 angegeben. Zur Ver- seifung löst Berg (6) 4 g Wachs in 20 g Xylol, mischt 50 ccm "/g alkoholische Lauge bei und kocht 2 Stunden am Rückflußkühler. Jodzahl ist 10—13,5. Das Wachs von Ceroxylon andicola soll im ganzen mit dem Copernicia- wachs übereinstimmen. Hingegen hat nach Haller (7) das Wachs der Palme Raphia Ruffia eine ganz andere Zusammensetzung und besteht hauptsächlich aus einem mit Arachylalkohol C20H42O isomeren Alkohol. Das Wachs von Ghamaerops ist von Teschemachee (8) untersucht. BouGAULT (9) verdankt man eingehende Studien über das Wachs von Coniferenblättern, welches wieder ein ganz anderes Bild hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung ergibt. Es handelt sich um Estergemische, welche bei der Verseifung Oxysäuren üefern. So ist die bei Coniferen ver- breitete Juniperinsäure CigHggOa Oxypalmitinsäure, die Sabininsäure C12H24O3 ist Oxylaurinsäure ; außerdem wurde öfters in kleinerer Menge die Thapsiasäure CigH3Q04, eine zweibasische Säure, aus der Wurzel von Thapsia garganica L. bekannt, aufgefunden. Diese Säuren sollen in peptid- artiger Verkettung vorkommen, indem die Oxysäuren untereinander ester- artig verknüpft sind („Estolide"). Vom Wachs der Grasblätter wurden durch KÖNIG (10) Myricylalkohol, Mehssinsäure und ein Kohlenwasserstoff, Ceroten C27H54, als Hauptbestandteile angegeben. Das Wachs der Blätter bei Vaccinium vitis Idaea besteht nach Oelze(11) in ähnlicher Weise aus Cerylalkohol und M3rristylalkohol, verestert mit Cerotinsäure, Melissin- säure, Palmitinsäure und Myristinsäure ; die beiden letztgenannten Säuren sind am spärlichsten vorhanden. Überhaupt sind häufig in CeroUpoiden Fettsäuren mit den zugehörigen Alkoholen verestert. Da wir wissen, daß bei der CANNiZAROschen Umlagerung aus dem zugehörigen Aldehyd Alkohol und Säure entstehen, so daß zwei Moleküle Aldehyd ein Molekül Ester liefern, 80 kann man wohl an derlei Prozesse in der lebenden Zelle denken, nach dem Schema: Acetäldehyd 2CH3.COH + HgO -> CH3CH2OH +GH3GOOH 1) Lewy, zit. BoussiNGAULT, Agronomie, 7, 190. — 2)MA8KELYNe, Ber. Chem. Ges., 2, 44 (1869). — 3) H. Stürcke, Lieb. Ann., 223, 283 (1883). Ferner; L. v. PiEVEKLiNG, Ebenda, 183, 344 (1876). A. Gascard, Joum. Pharm, et Chim. (5), 28, 49 (1893). — 4) T. Marie, Compt. rend., 119, 428 (1894); Ann. de Chim. et Phys. (7), 7. 145 (1896); Bull. Soc. Chim. (3), 15, 590 (1896). — 5) Henriques, Ber. Chem. Ges., jo, 1415 (1897). — 6) R. Berg, Chem.-Ztg., 33, 885 (1909). Buchner. Ebenda, j/. 126, 270 (1907). Konstanten: Radcliffe, Pharm. Joum. (1. Dez. 1906). — 7) A. Haller, Compt. rend., 144, 594 (1907); Chem.-Ztg., j/, 387 (1907). Jumelle, Compt. rend., 141, 1251 (1905). — 8) J. E. Teschemacher, Journ. prakt. Chem., 39, 220 (1846). — 9) J. Bougault u. Bourdier, Compt. rend., 147, 1311 (1908); JSo, 874 (1910); Journ. Pharm, et Chim. (6), 30, 10 (1909); (7) j, 101 (1911). — 10) J. König, Ber. Chem. Ges., 3, 566 (1870). König u. Kiesow, Ebenda, 6, 500 (1873). — 11) Battelli u. Stern, Soc. biol. (6. Mai 1910). § 2. Chemie der Wachsarten. 817 Dieselbe Reaktion ist nun von Battelli und Stern (1) bei Anwendung von Leberbrei beobachtet worden. Nach Parnas (2) ist nicht daran zu zweifeln, daß Lebergewebe ein Enzjrm enthält, welches die GANNiZAROsche Umlagerung katalysiert. Dieses Enzym wurde ab „Aldehydmutase" bezeichnet. Ähnliche Untersuchungen würden wohl auch für den pflanz- lichen Stoffwechsel derartige Reaktionen auffinden lassen, und es ist recht wahrscheinhch, daß gerade im Fettstoffwechsel und bei der Wachsbildung solche Erscheinungen eine Rolle spielen. Wachs von Musablättern ist nach Greshoff(3) im wesentlichen Ester von Myricylalkohol mit einer der Cerotinsäure isomeren Säure, die jedoch einen viel niedrigeren Schmelzpunkt hat als jene. Eucalyptus- wachs enthält nach Hartner(4) vielleicht Cerylalkohol. Barbaglia (5) findet das Wachs von Buxusblättern aus Myricylpalmitinsäm'eester be- stehend. Tabakblätter enthalten nach Kissling (6) 0,14% Wachs, das wahrscheinlich Myristyklkohol-Melissinsäureester ist; Thorpe und Hol- mes (7) fanden darin einen Kohlenwasserstoff. Das in neuerer Zeit als Handelsartikel erschienene Candehllawachs von Euphorbia antisyphiütica aus Mexiko ist nach Hare und Bjerregaard (8) ähnhch wie das Wachs von Zuckerrohr aus Fettsäuren, deren Estern und einem Alkohol bestehend (F 67— 68*'). Das unter demselben Namen gehende Wachs von Pedilanthus Pavonis (Euphorb.) ist von Niederstadt (9) untersucht. Die meisten Wachsarten enthalten somit Myricylalkohol (Ggo) und Cetylalkohol {C^), ferner Cerotinsäure C27 und Melissinsäure (C30), beide Paare um drei Kohlen- stoffatome verschieden, ähnlich wie es häufig bei den Fettsäuren der Neutral- fette gefunden wird. Hochwertige Ketone wurden von jACOBS0N(10>-aus Luzerne dargestellt: Myristin F 67,5—77« und Alfalfon C21H42O ; es ist aber nicht gewiß, ob diese Stoffe hier aus dem Wachsüberzug der Pflanze stammten. Angaben liegen ferner vor bezüglich des Wachses von Olivenblättern (11) und von Eupatorium Rebaudianum(12). Das aus dem Kraut von Euphorbia pilulifera erhaltene Wachs enthält Cerylalkohol und Melissinsäure (13). Von den Stengeln der Euphorbia gregaria Marl, üeß sich 2,44%Wachs gewinnen(14) Aus dem Wachsüberzuge der Epidermis stammen vielleicht auch die festen Kohlenwasserstoffe, welche Abbot und Trimble(15) aus Phlox caro- liana und Rhamnus Purshiana durch Petrolätherextraktion darstellten. Diese Stoffe schmolzen über 196® und entsprachen der Zusammensetzung (ChHi8)x- Power und Moore (16) gewannen aus den Blättern von Prunus serotina außer Fetts äureglyceriden Pentatriakontan C32H72, Hentriakontan C3iHg4 und Cerylalkohol. Hentriakontan (F 68®) ist auch aus Blättern 1) Battelli u. Stekn, Soc. biol. (6. Mai 1910). — 2) J. Parkas, Biochem. Ztsch., 28, 274 (1910). — 3) M. Gbeshoff, Just Jahresber. (1899), //, 24. Gres- HOFF u. Sack, Rec. trav. chim. Pays-Bas, 20, 65 (1901). — 4) Hartner, Ber. Chem. Ges., 9, 314 a876). — 5) Bärbaglla., Just Jahresber. (1884), /, 153. — 6) Kissling, Ber. Chem. Ges., 16, 2432 (1883); Chem.-Ztg., 25, 684 (1901). — 7) Thorpe u. Holmes, Proc. Chem. Soc., /;, 170 (1901). — 8) Hare u. Bjerregaard, Journ. Ind. and Eng. Chem. (1910), p. 203. — 9) Niederstadt, Chem.-Ztg., jj, 1190 (1911); Verhandl. Naturf. Vereamml. (Münster 1912), 2, I, 170. C. Lüdecke, Chem. Zentr. (1912), //, 878. — 10) C. A. Jacobson, Joum. Amer. Chem. Soc., jj, 2048 (1911); 34, 300 (1912). — 11) Canzoneri, Gazz. chim. ital., 36, II, 372 (1906). — 12) Dieterich, Pharm. Zentr .halle, 50, 435 (1909). — 13) Fr. B. Power u. H. Browning jun., Pharm. Joum. (4), 36, 506 (1913). — 14) H. Thoms, Notizbl. Kgl. Garten Dahlem, 5, 234 (1911). W. Lenz, Arb. Pharm. Inst. Berlin, 9, 228 (1913). — 15) Abbot u. Trimble, Ber. Chem. Ges., 2t, 2598 (1888); Amer. Chem. Journ., 10, 439 (1889). — 16) Power u. Moore, Journ. Chem. Soc. Lond., 97, 1099 (1910). Czapek, Biochemie der Pflanzen. I. 3. Auf 52 318 Einunddreißigstes fiapitel: Die Produktion v. Wachs (Cerolipoiden) b. Pflanzen. von Zygadenus intermedius dargestellt (1). Hesse (2) wies in den Blättern von Drimys granatensis einen einwertige» Wachsalkohol, Driraol, CggHjgOg nach. Über Wachsausscheidungen bei Moßsen hat Brunnthaler (3) Angaben gemacht; Blätter, Seta, Stämmchen und Kapsel des blaugrün aussehenden Ditrichum glaucesoens (Hedw.) besitzen Wachs Überzug. — Das aus Torf hergestelite „Montanawachs" enthält ^nach Ryan (4) eine Säure CagH^eOg, Montaniosäure, F 83^, einen Kohlenwasserstoff, keinen Wachsalkohol. Blüten: Untersu^iht ist das W^chs der Blumenkrone von Jasminum durch Radcleffe (5), femer das Wachs von Tanacetumblüten, wo Matthes und Serger (6) Tanacetumölsäure, die WÄhrscheinhch mit der Lycopodium- ölsäure identisch ist, Daturinsäure, Stearinsäure und Melissylalkohol angeben; ferner Wachs aus den Blüten von TrifoUum incarnatum, wo RoGERSON (7) den W-achsalkohol C34H,oO (Incarnatylalkohol), Hentria- kontan, Trifohanol und Fettsäureglyceride fand. Inwieweit diese Stoffe vom Pollen stammen, ist nicht bekannt. Früchte: Öftwer Untersuchung ist besonders das Wachs der Traiuben- beeren unterzogen worden. Es schmilzt bei 70—73"; nach Weigert (8) macht es 1,55 Gewichtsprozente der feuchten ausgepreßten Schalen aus. Etard (9) fand im CSg-Extrakt der Fruchtschalen freie Palmitinsäure und deren Ester mit einem Alkohol G26H39(OH)3, HgO, Oenocarpol. Der Schmelzpunkt des freien Alkohols wurde mit 304", jener des Esters mit 272" bestimmt. Es sei anschließend erwähnt, daß Etard eineji wachs- artigen Stoff der Vitisblätter C17H34O, Vitol, und einen anderen •C23H44O2, Vitoglykol, beschreibt. Von Medicago und Bryonia wurde M«dicagol C20H41OH und Bryonan C20H42 angegeben. Mit Bryonan ist nach Matthes (10) das Lauran C20H42 aus Lorbeersaft identisch, welches wohl aus dem Wachsüberzug der Beeren stammt. Seifert (11) macht interessante Angaben über phytosterinartige Stoffe aus dem Wachsüberzuge der Vitis- beeren. Sein Vitin, C20H32O21 krystallinisch, wird auch bei Apfel, Birne, Pflaume, Heidelbeere durch sehr ähnhche Stoffe vertreten. Diese Sub- stanzen haben schwach saure Eigenschaften, sind löshch in alkoholischem NaOH, geben hierin mit Wasser versetzt eine weißüche Trübung, mit Metall- salzen dicke Fällungen. Vitin enthält ein Alkohol-OH, und gibt die Cholestol- probe, jedoch nicht die Reaktion von Hesse-Salkowski. Traubenwachs enthält wahrscheinUch auch Ceryl- und Myricylalkohol, sowie Palmitin- und Cerotinsäure, nach Blümml(12) auch Fettsäureglyceride. Äpfelwachs wurde durch Thomae (13) untersucht, jenes vom Ohvenepicarp durch MiN- GI0LI(14) (F 98—100"). Das Wachs von Lorbeerfrüchten enthält nach Matthes und Sander außer dem erwähnten Lauran C20H42 Myricylalkohol und Mehssinsäure. Von Cucurbitafrüchten wird der Alkohol Gucurbitol C20H40O4, F 260", angegeben (15). 1) F. W. Heyl u. Hepner, Journ. Amer. Chem. Soc, J5. 808 (1913). — 2) O. Hesse, Lieb. Ann., 286, 369 (1895), — 3) Brunnthaler, österr. botan. Ztsch. (1904), p. 94. — 4) H. Ryan, Biochem. Zentr. , w, 294 (1910). — 5) Radcliffe u. Allan, Journ. Soc. Chem. Ind., 28, 227 (1909). — 6) Matthes u. Serger, Arch. Pharm., 247, 418 (1909). — 7) Rogerson, Journ. Chem. Soc. Lond., 97, 1004 (1910). — 8) Weigert, Die Weinlaube (1887), p. 328. — 9) Etard, Compt. rend., 114, 231, 364 (1892). — 10) Matthes u. Sander, Arch. Pharm., 246, 165 (1908). — 11) W. Seifert, Landw. Versuchsstat., 45> 29 (1894); Monatsh. Chem., 14, 719 (1894). — 12) Blümml, Chem. Zentr. (1898). /, 1178. — 13) Thomae, Journ. prakt. Chem., 84, 247 (1911); 87, 142 (1913). — 14) MiNGioLi, Ber. Chem. Ges., 15, 381 (1882), — 15) Power u. Salway, Journ. Amer. Chem. Soc, 32, 346, 360 (1910). § 2. Chemie der Wachsarten. 819 Der Wachsüberzug der Früchte von Myrica cerifera, das bekannte „Myrtle-Wax", besteht nach Smith und Wade (1) vor allem aus Tripalnütin, hat also stark Fettcharakter, Ob die von Gützeit (2) in jungen Heoacleumfrüchten gefundenen Kohlen- wasserstoffe dem Wachsüberzuge entstammen, ist unsicher; sie können auch in den Sekretbehältern enthalteix sein. Krassowski (3) fand einen gesättigten Kohlenwasserstoff F 81** bei der Untersuchung der Früchte von Rhamnus cathartica. Rinden usw. Nach Sack (4) besteht das Wachs von der Rinde der Jatropha curcas aus Mjricylalkohol und dessen MeUssinsäureester und auch das Rindenwachs von Fouquiera splendens (Tamariscaceae), welches an- geblich in Bastfasermembranen enthalten ist, soll dem gewöhnlichen Cha- rakter pflanzHcher Cerolipoide entsprechen (5). Besondere Stoffe wurden von der Rinde der Hex- Arten beschrieben. Aus der einheimischen Hex AquifoHum isolierte Personne (6) seinen Ilicyl- alkohol C25H44O, F 175^; Schneegans (7) gewann von derselben Pflanze aus der Rinde der Frühjahrstriebe das Ilicen CgsHeQ. DiwERS und Kawa- KITA (8) fanden in der Rinde der japanischen Hex integra Thunb., welche den japanischen Vogelleim Tori-mochi liefert, einen dem Ilicylalkohol entsprechenden Stoff C22H38O, F. 172", und den neuen Mochylalkohol CaeHdßO, F 234»; beide als Palmitylester. Nach Windaus und Welsch (9) aber handelt es sich im Ilicylalkohol nur um freies a-Amyrin, aus dem Grenzgebiete der Harzalkohole und Sterinolipoide. Aus dem Wachs von Linumstengeln (gewonnen durch Aus- kochen von Flachs mit Alkohol: 3—4% Ausbeute) stellten Gross und Be- VAN (10) durch Verseifen mit alkohohscher Natronlauge Cerylalkohol dar. Aus dem Abfallsstaub der Flachsspinnereien konnte C. Hoffmeister (11) etwa 10% einer wachsartigen bei 61,5® schmelzenden Substanz gewinnen, welche Kohlenwasserstoffe (dem Ceresin recht ähnlich), ferner Cerylacetat und wahrscheinlich Phytosterinacetat außer Stearinsäure, Pahnitinsäure, Ölsäure, Linolsäure, Linolen- und Isolinolensäure enthält. Wie viel von allen diesen Stoffen als Bestandteile des Wachsüberzuges der Leinstengel gelten kann, läßt sich bei dem leider nicht näher kontrollierbaren Unter- suchungsmaterial nicht feststellen. Pathologische Wachsausscheidungen von Holzgewächsen sind gleich- falls untersucht worden. So entsprach ein von FlüCKIGER (12) analysierter Wachsüberzug auf Buchenrinde (wahrscheinlich durch Insektenstich ent- standen) in seiner Zusammensetzung C27H54O2 und Schmelzpunkt 81—82®, der Cerotinsäure ; doch reagierte die alkohoüsche Lösung nicht sauer, Ist es hier fraglich, ob Pflanze oder Tier das Wachs produziert hat, so muß die Wachsproduktion auf der chinesischen Esche als ausschließlich tierischer Natiu" gelten. Das wachsproduzierende Insekt ist hier Coccus ceriferus; 1) Smith u. Wade, Journ. Amer. Chem. Soc, 25, 629 (1903). Früher: Moore, Chem. Zeatr. (1862), p. 779. — 2) Gutzeit, Ber. Chem. Ges., 21, 2881 (1888). — 3) Krassowski, Chem. Zentr. (1906), //, 348. — 4) J. Sack, Ebenda (1906), /, 1106. — 5) H. Abott, Arch. Pharm. (1886), p. 862. Schaer, J\i8t Jahresber. (1888), /, 45. — 6) Personne, Compt. rend., 98, 1585 (1884). — 7) Schneegans u. Bronnert, Arch. Pharm., 232, 532 (1895); 231, 582 (1894). — 8) Diwers u. Kawakita, Journ. Chem. Soc. Lond. (1888), /, 268. — 9) Windaus u. Welsch, Ber. Chem. Ges., 42, 612 (1909). Welsch, Biochem. Zentr., p, 17 (1909). — 10) C. F. Gross u. J. E. Bevan, Chem. News, 60, Nr. 1567 (1889). — 11) C. HoFF- meister, Ztsch. „Flachs u. Leinen", Nr. 101 (September 1902); Ber. Chem. Ges., 36, 1047 (1903). — 12) F. A. Flückiger, Arch. Pharm., 4, 8 (1875). 820 Draekfehler, Berichtigungen und NachtrSge. das „chinesische Wachs" besteht nach Brodie(I) aus Cerotinsäure-Ceryl- ester. Es sei schließlich noch bemerkt, daß bei den Wachsarten geradeso wie bei Fetten Säurezahl, Verseifungszahl, Jodzahl, Hehnersche Zahl usw. als Konstanten bestimmt zu werden pflegen, hauptsächlich zu praktischen Zwecken. Näheres hierüber in den Werken von Benedikt-Ulzer, Schaed- LER, Wiesner. Bildung der Wachsarten. — Es ist eine offene Frage, ob die Wachsüberzüge aus Bestandteilen der Zellmembranen gebildet werden oder ob die in den Überzügen enthaltenen Substanzen im Protoplasma entstehen und an ihrer endgültigen Stelle zur Ausscheidung gelangen. Der ersterwähnte Fall ist nicht unmöglich, indem die Entstehung von Wachs aus Kohlenhydraten im Leibe der Biene durch Fütterungsversuche von Erlenmeyer und v. Planta (2) nachgewiesen worden ist. Da in der Pflanzenbiochemie einschlägige Experimentaluntersuchungen fehlen, so läßt sich diese Frage derzeit nicht entscheiden. Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. p. 10. Zeile 6: Lies statt „injouring": „injuring". p. 17. Zu Anm. 3: O. TuNMANN, Apoth.-Ztg., 27. 971 (1913). p. 21. Absatz 2 von unten: Streiche den Satz „Die auffallenden Erscheinungen .... einfach erklärt". Statt dessen hat es zu heißen: „Bisher wurden nur die als Perispor bezeichneten Hüllen vieler Famsporen von Hannig(3) als Produkte der „Periplasmodien" erkannt. Jedoch ist . . . ." p. 23. Zu Anm. 1: Heeeera, Arch. Plasmogenie gön., /, 55 (1913). Mikro- chemie des Protoplasmas: O. Tunmann, Pflanzenmikrochemie, p. 438 (Berlin 1913). p. 24. Setze „Krystalloide" statt „Kristalloide". Ferner zu Anm. 1: F. QuADE, Prometheus, 24, 62 (1913). p. 25. Zu Anm. 1: WeimAen, KoU. Ztsch., 12, 124 (1913). R. C. Tolman, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 317 (1913). p. 26. Die Teilchen von Metallsolen sind Schmelzkügelchen : C. Benedicks, Koll.chem. Beihefte, 4, 229 (1913). p. 27. Fraktionierung durch Diffusion: Dabrowski, Bull. Internat. Acad. Cracovie (1912), A, p. 485. p. 29. Zu Anm. 2: Siedentopf, Koll. Ztsch., 12, 68 (1913). p. 30. Einige Beobachtungen in unserem Institute haben mich davon über- zeugt, daß auch im lebenden Cytoplasma in manchen Fällen an den Mikrosomen Brownsche Molekularbewegung wahrzunehmen ist. — Zu Anm. 3: N. Pihlbi^ad, Ztsch. physik. Chem.. 81, 417 (1912). p. 31. Zu Anm. 2: P. Bary, Journ. Chim. Phys., 10, 437 (1912). Bestimmung der Teilchengröße: A. Dumanski, Zabotinski und Ewsejew, Koll. Ztsch., 12, 6 (1913). p. 32. Herstellung von Metallsolen: Pieroni, Gazz. chim. ital., 43, I, 197 (1913). Bancrofts u. Briggs, Journ. Ind. Eng. Chem., 5. 9 (1913). R. Lieseganq, Arch. Entwickluugsmech., 34, 452 (1912), hebt richtig hervor, daß die Schaum- strukturtheorie und die Emulsionstheorie sich nicht aueschließend gegenüberstehen. p. 34. Zu Anm. 4: Jorissen u. Woudstra, Arch. Neerland. Sei. Exact., ///, A, 1 (1913). Beziehungen zur Adsorption: Ishizaka, Ztsch. phys. Chem., 83, 97 (1913). 1) B. C. Brodie, Journ. prakt. Chem., 46, 30 (1849). — 2) E. Erlenmeyer u. A. V. Planta-Reichenau, Malys Jahresber. , Tierchemie, 8, 294; p, 265: 10, 366 (1880). Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. g21 p. 35. Sole: J. Frank, Koll ehem. Beihefte, 4. 195 (1913). V. Henri, Koll Ztsch., 12, 246 (1913). ' p. 39. Zu Anm. 6 schalte ein hinter 475: 739. p. 40. Zu Anm. 3: Zsigmondy, Ztsch. Koll.chem., 12, 16 (1913). p. 43. Parallelismus der Quellungs- und Wachstumsbeeinflussung durch Säuren und Salze: G. A. Borowikow, Biochem. Ztsch., 48, 230; 50, 119 (1913). p. 46. Lies statt Kurve 1: Fig. 1. Im Texte daneben soll es heißen statt >i— ist stets als die auf die Mengeneinheit": „ist stets als die von der Mengen- einheit". — Adsorptionsisothennen: R. Marc, Ztsch. physik. Chem., 81, 641 (1913). Nach VAN Bemmelen, Die Adsorption, p. 110, ist die Verteilungsformel t£i = k schon 1859 durch Boedecbler, Journ. f. Landw., 7, 48, gebraucht worden. p. 47. Zu Anm. 1: v. Georgievics, Monatsh. Chem., 34, 733 (1913). p. 52. Bezüglich der Brownschen Bewegung an Teilchen im lebenden Plasma vgl. das oben Gesagte. Feinste organische Strukturen : Stempell, Naturforsch.- Vers. Münster (1912), 2, I, 257. p. 53. Formbildung bei Amöben unter dem Einflüsse von Narkoticis, Säuren, Alkalien usw. Ishikawa, Ztsch. allgem. Physiol., 14,^1 (1912). Morphologie des Zellkerns: Della Valij:, Koll. Ztsch., 12, 12 (1913). p. 54. Zu Anm. 2: LiESEGANGsches Zonenphänomen und organische Struk- turen: E. KÜSTER, Über Zonenbildung in kolloid. Medien (Jena 1913). Sitz.ber. Niederrhein. Ges. Nat. u. Heilk. (Bonn 1913). R. Liesegang, Naturwiss. Woch.schr., 12, Nr. 25 (1913). p. 56. Zu Anm. 1: H. Kayser, Zentr. Bakt. I, 62, 174 (1912). Wasser- absorption durch lebende und tote Samen: G. Atkins, Proc. Dubl. Roy. Soc, 12, 35 (1909). p. 58. ^Zu Anm. 5: Kritisches bei R. H9BER u. Nast, Biochem. Ztsch., 50, 418 (1913). Übrigens treten Fettemulsionen in lebende Zellen ein, nach Kryz, Ztsch. f. Pflanzenkrankh., 23, 34 (1913), wird auch Vaselineöl durch Pflanzen wurzeln auf- genommen. „Lipolytischer Koeffizient": A. Mayer u. G. Schaeffer, Compt. rend., 156, 1253 (1913). p. 59. Kautschuk als seraipermeablö Lipoidmembran : W. J. Gies, Rosen- BLOOM, Welker, Beal u. Geiger, Biochem. Bull., 2, 55—78 (1913). Nelson, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 658 (1913). Herstellung kleiner Zellen mit Lecithin- häutchen und mit beliebigem Inhalte: E. N. Harvey, Biochem. Bull., 2, 90 (1913). p. 60. Lies statt Boeserken: Boeseken u. Waterman. Zu Anm. 2: Waterman, Diss. (Delft 1912). Zu Anm. 4: Aluminium: J. Szücs, Jahrb. wiss. Botan., 52, 269 (1913). Zu Anm. 6: Harvey, Amer. Journ. Physiol-, 31, 335 (1913). p. 60. Bei allen Versuchen mit lipoidlöslichen Stoffen hat man den Gehalt der Zellen an fettartigen Substanzen, welche die angewendeten Reagentien speichern, sehr zu berücksichtigen, und man hat von vornherein zu erwarten, daß bei fettreichen Zellen, wie sie die meisten tierischen Objekte darbieten, allgemein so konstante Be- ziehungen zwischen Capillaraktivität und Tötungsgrenze nicht erhalten werden können, sondern daß hier wasserlösliche und wasserunlösliche capillaraktive Stoffe Unterschiede darbieten. Diese Differenzen zwischen Tier- und Pflanzenzellen berücksichtigt Ver- NON nicht. Vernon, Biochem. Ztsch., 5/, 1 (1913). Vgl. auch L. Choquard, Ztsch. Biolog., 60, 101 (1913). Zu Anm. 3 auch L. A. Pelous, Journ. Physiolog. Pathol. g^n., 14, 309 (1912). J. Stock, Anzeig. Akad. Krakau (A), (1913), p. 131. p. 62. Zu Anm. 1: Permeabilitätsänderungen durch Anästhetica: Osterhout, Science, 37, 111 (1913). Reversible Änderungen durch Elektrolyte: Osterhout, Ebenda, 36, 350 (1912). Zu Anm. 4: Vaselineöl: F. Kryz, Ztsch. f. Pflanzenkrankh. 23, 34 (1913). p. 63. Zu Anm. 5: Messung: Kanitz, Oppenheimers Handb. d Biochemie, Erg.-Bd. (1913). Erdmänn, Journ. Biol. Chem., 14, 141 (1913). Eiweiß: Botazzi u. d'Agostino, Atti Acc. Line. Roma (5), 21, II, 561 (1912). Einfluß von Licht: Marenin, Hesehus, Chem. Zentr. (1913), /, 1647. Temperaturkoeffizient: P. Walden u. SwiNNE, Ztsch. physik. Chem., 82, 271 (1913). p. 64. Zu Anm. 6: Über die Wirkung der Struktur auf chem. Vorgänge in Zellen (Jena 1913). p. 66. Zu Anm. 2: Quade, Prometheus, 24, 62 (1913). p. 68. Zu Anm. 5: Weitere methodische Vervollkommnung besonders von KoßSEL, Ztsch. physiol. Chem., 84, 354 (1913). Auch Rosenbloom, Journ. Biol. Chem., 14, 27 (1913). 822 DriBckfehler, Beaichtigungen und Nachträge. p. 69. Selbststenerung: Fr. Hofmeister, Chem. Steuerungsvorgäoge im T^er- körper; Schrift, wiss. Ges. Straßburg (1912), Nr. 17. p. 70. Zu Anna. 1: Fischer, Die Naturwiss. (1913), p. 558. Zu Anm. 6: AUBERT, Ann. de China, et Phys,, 26, 145 (1912). Turgorsteigerung beim AbkOhlen als Regulativ: A. Winkxer, Jahrb. wiss. Botan., 52, 467 (1913). Chlamydomonas, Zoosporen, Kälteresistenz: Desroche, Soc. Biol., 72, 748 (1912). p. 71. Zu Anm. 2: AjSDREWS, Bull. Torr. Bot. Club, 39, 445 (1912). Zu Anm. 5: Michaelis u. Rona, Biochem. Ztsch., 49, 232 (1913). p. 72. Mikrokryoskopie: Drucker u. Schreiner, Biolog. Zentr., 33, 99 (1913). p. 75. Zu Anm. 1: Hasselbalch, Biochem. Ztsch., 49, 451 (1913). Biochem. Bi^L, 2, 367 (1913). Zu Anm. 4: Sörensejst u. Palitzsch, Biochem. Ztsch., 51, 307 (1913). Rotkohlfarbatoff: Walbctvi, Ebenda, 48, 291 (1913). p. 77. Über Diffusion voa Ionen durch Gallerten auch Buscalioni u. Pur- GOTTI, Atti Ist. Bot. Pavia (II), 9, 1 ; //, 1 (1911). Bioelektrische Potentialdifferenzen an Membranen: Bernstein", Biochem. Ztsch., 50, 393 (1913). Loeb u. Beutner, Ebenda, Sh 288 300. Beutner, Ztsch. Elektrochem., 19, 319 (1913). p. 81. Zu Anm. 2: B. Schwetzow, Chem. Zentr. (1913), /, 584. Zu Anm. 3: Protoplasraaströmiang: V. VouK, Denkschr. Wien. Akad., 88 (1912). p. 87. Zu Anm. 7: BiDDLE, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 418 (1913). Seihst die so wenig dissoziierten Aminosäuren katalysieren die Spaltung der Fettsäüreester nach Hamun, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 624 (1913). p. 90. RosANOFF, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 173 (1913), unterscheidet direkte Katalysatoren, die sich an der Reaktion beteiligen, jedoch nicht in der stöchio- metrischen Gleichung erscheinen, und indirekte, die sich nicht an der Reaktion be- teiligen, jedoch die Geschwindigkeit der Reaktion ändern. p. 94. Zeile 20 lies statt „Platinsol": „Platinsols", Rhodium- Ameisensäure- Katalyse: Bredig u. Th. Blackadder, Ztsch. physik. Chem., 81, 385 (1912). p. 95. O. Cohnheim, Die Enzyme (New York" 1912). p. 90. W. N. Berg, Biochem. Bull., 2, 441 (1913), hebt hervor, daß schon VON Wittich, Pflüg. Arch., 5, 435 (1872), die Rolle der Enzyme als Reaktions- beschleuniger erkannt hatte. p. 98. Oberflächenspannung von Enzymlösungen: Gramenitzky, Biochem. Ztech., 52, 142 (1913). Adsorption, Diffusioii: W. Ruhland, Biol. Zentr., 33, 337 (1913). Fällung mit feuchtem Aluminiumhydroxyd: Welker u. Marshall, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 822 (1913). p. 100. Mikrochemie der Enzyme: O, Tünmann, Pflanzenmikrochemie, p. 424 (Berlin 1913). p. 101. Endoenzyme, Enzymadsorption : Ruhland, Biolog. Zentr., 33, 337 (1913). p. 106. Zeile 22 lies: „Aldehydmutaae". Emulsin ist, mit heißem Alkohol behandelt, gegpn hohe Temperaturen widerstandsfähiger, so daß 2 Minuten Kochen mit absolutem Alkohol noch nicht wesentlich abschwächt: Bourquelot u. Bridel, Journ. Pharm, et Chim. (7), 7, 65 (1913). p. 109. Zu Anm. 1: Bertrand u. Compton, Ailn. Inst. Pasteur, 26, 161 (1912). Zu Anm. 7: Agulhon, Ann. Inst. Pasteur, 26, 38 (1912). C. Kreibich, Arch. Dermat. u. Syph., 113, 529 (1912). p. 110. Diastase von Aspergillus Oryza'e wirkt gleichfalls noch in 70 7u Alkohol. p. 111. Lipase und Neutralsalze: K. G. Falk, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 601 (1913). p. 121. Daß bei der Invertin-Rohrzuckerhydrolyse eine Vefbindung von In- vertin mit Saccharose eine Rolle spielt, geht deutlich aus den Ergebnissen der Arbeit von Michaelis hervor: Bipchem. Ztsch., 49, 333 (1913). Für diese Verbindung ließ sich die Dissoziationskonstante ermitteln. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist in jedem Momente der Konzentration dieser Verbindung proportional. p. 123. Zu Anm. 5: Rosenthaler, Biocl^em. Ztseh., 50, 487 (1913), hall seine sjyithetisch wirkende Oxynitrilese für verschieden von dem Oxynitril spaltenden ^-Emulsin. Kbieble, Biochem. Bull., 2, 227 (1913). p. 128. Auch der Rotlaufbacillus bildet extraceliuläre Giftstoffe und' Ebdo- toxin: H. J. van Nederveen, Fol. microbiol., 2, 1 (1913). p. 129. Getrocknetes Tetanotoxin, in Glycerin aufbewahrt, hielt sich 7 Jahre wirksam: Nicolle u. TfeuCHE. Ann. Inst. Pasteur, 26, 1031 (1913). p. 132. Zu Anm. 7: W. Ford u. Rockwood, Journ. Exp. Ther., 4, 235, 241 (1913). p. 133. Zu Anm. 9: Kobebt, Landw. Versuchsstat, 79 u. 80, 97 (1913). p. 134. Agglutinogene von einzelligeu Algen: Rosenblatt - Lichtenstein, Arch. Anat. u. Physiol. (1912), p. 414. Druckfehler, Berichtigungen und Nacütrage. 823 p. 136. Thermostabiles Präcipitogen von Anthrax: V. Hecht, Zentr. Bakt. I, 67, 371 (1912). p. 143. Komplement: E. Weil, Biechem. Ztsch., 48, 347 (1913). Vanlooverek, Ztech. Immun.iorsch-, I, /ö, 377 (1913). K. Meyer, Ebenda, 15, 355 (1912). Thiele u. Embljeton, Ebenda, 16, 160 (1913J. Bronfesbrknner u. Noguchi, Biochem. Bull., 2, 166 (1913). JÜefman, Ztech. Jmmua.forsch., 16, 503 (1912). Zu Anm. 11: Kashiwabara, Ztsoh. Immun.forMii., J7, 21 (1913). Courmont u. Düfodrt, Journ. Physiol. Pathol. g^n., 14, 1143 (1913). p. 151. Manchmal sind sehr konzentrierte Lösungen viel weniger wirksam als Terdünnte. V. Aboichowskij, Biochem. Ztsch., 50, 233 (1913). p. 153. Giftresistenz und Substratzusammeneetzung: A. LE Renabd, Ann. Sei. Nat., 16, 277 (1912). p. 157. 0,01 7o Co(NOg), Jiemmt Gärung, aber nicht die Zellvermehrung der Hefe: Th. BoKORifY, Allgem. Brauer- u. Hopfenztg,, 5J, 223 (1913). Fernere Wir- kungen: BoKORNY, Ebenda, p. 941, 957, 973. Wirkung von Kolloiden und von Suspensionen durch Erleichterung des Entweichens der CO,: N. L. Söhngen, Fol. microbiol., 2 (1913). p. 170. Neutralsalzwirkung auf Hefe und keimende Samen: Th. Bokorny, Allgem. Brauer- u. Hopfenztg., 52. 1469, 1905 (1912); Biochem. Ztsch., 50, 42 (1913). Zu Aum. 2: Ebenda (1912), p. 753. p. 171. Eine aus 0,25 7op MgSO^, 0,5 %o K-H,PO„ 0,5 7o NH NO, bestehende Nährlösung für Wasserkulturen ist schäolich und wird durch Ca entgiftet: C. Robert, Oompt. rend., 156, 915 (1913). N. K. Koltzoff, Pflüg. Arch., 149, 327 (1913), fand für die Giftwirkung auf Zoothamnium altemans die Reihe K > Rb > Na > Cs > NH4 > Li gültig, die der eiweißfällenden Wirkung der Kationen entspricht. p. 172. Keimfähigkeät und Salzdüngung^; A. Rusche, Journ, f. Landw., öo, 305 (1912). p. 174. Quellungsförderung und Wachstumsstimulation durch sehr verdünnte ßäuren: BoROWiKOW, Biochem. Ztsch., 48, 230 (1913). Wirkung auf keimende Samen: Bokorny, Ebenda, 50, 67 (1913); auf Pilze: Bokorny, Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). Mucoraceen: Ritter, Jahrb. wiss. Botan., 52, 351 (1913). p. 175. Zu Anm. 4: W. Heimann, Ztsch. Immun.forsch., I, 16, 127 (1913). p. 176. Zu Anm. 4: C. Bianchi, Staz. sper. agr. ital., 14, 680 (1912). Stark verdünnte Alkalien: Th. Bokorny, Arch. Zellforsch., 7, 1 (Wll). p. 177. Bacterien: Trillat u. Fonabsier, Compt. rend., 15s, 1184 (1912). Pilze: Bokorny, Allgem. Brauer- u. Hopfenztg., 52, 2867 (1912); Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). Keimende Samen: Bokorny, Biochem. Ztsch., 50, 37 (1913). Alkali- toleranz von Eucalyptus: Loüghridge, Botan. Zentr., 122, 60 (1913). p. 179. Wirkung kolloider Silberhalogenide: O. Gros, Arch. exp. Pathol., 70, 375 (1912). p. 180. Zink: Javillier, Compt. rend., jss, 1551 (1912). Ch. Lepiebre, ßuU. Soc. Chim. (4), 13, 359 (1913). p. 181. Lies Zeile 14: „bekannt". — Beryllium: Javillier, Compt. rend., 156, 406 (1912). Lepierre, Ebenda, p. 409, Stimulation durch Ammoniakalaun: O. Loew, Chem.-Ztg., 37, 61 (1913), Cadmium: Ch. Lepierre, Compt. rend., 156, 258 (1913). p. i82, Hefe: Th. Bokorny, Allgem. Brauer- u. Hopfenztg., 53, 223 (1913), Für Pilze: Bokorny, Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). Keimende Samen: Biochem. Ztach., 50, 1 (1913). Viele Angaben über Schwermetalle. p. 183. Mangan: G. Bertrand, Bull. Sei. Pharm. (1912), p. 321; Ztsch. Ver, Deutsch. Zuckerindustr. (1913), p. 35; Ann. Inst. Pasteur, 27, 241 (1912). WiLCOX u. Kelley, Hawai. Exp. Stat. Bull, 28 (1912). Varvaro, Staz, sper. agr. ital., 4S, 917 (1912). p. 184. Zu Anm. 4: Wurzeln: E. Hoütermans, Sitz.ber, Wien. Ak., 121, I, 801 (1912). p. 187. Silblfmatwirkung auf Bacterien: Steiger u. Döll, Ztsch. Hyg., 73, 324 (1913). p. 188. Zu Anm. 15: Agulhon, Compt. rend., 155, 1186 (1912); 156, 162 (1913). Becquerel, Ebenda, 156, 164 (1913). Stoklasa, Ebenda, p. 153 (1913), Acqüa, Arch. di farm., // (1912). Lepierre, Compt. rend., 156, 1179 (1913). p, 189. Radiumemanation hemmt Keimlings Wachstum: H. M0LI8CH, Sitz.ber. Wien. Ak., 121, I, 833 (1912). Stimulation durch Radi umstrahlen : J. Stoklasa, Compt. rend., 155, 1096 (1912); Chem.-Ztg., 36, 1382 (1912); Botan. Zentr., 122, 181 (1913). DoüMEB, Ebenda. Petit u. Ancelin, Compt. rend-, 156, 903 (1913). Becquerel^ Ebenda, p. 164 (1913). Schwach bactericide Wirkung: L. Arzt u. Kerl, Wiet. klin. Woch.schr., 26, 530 (1913). — Mesothorium: Fr. Kahn, Münch. 824 Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. med. Woch.8chr. (1913), p. 454. P. Hertwig, Arch. mikroskop. Anat., 8i, 173 (1913). p. 192. Steigerung des Bodenertragea durch Schwefel: B. Heinze, Die Natur- wi88. (1913), p. 111. p. 193. Chlor, Brom: Bokorny, Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). Arci- CH0V8KIJ, Ebenda, p. 333. Fluor: Bokorny, Biochem. Ztsch., 50, 55 (1913). p. 194. Flecken bildung auf Blättern nach Bordarreichung, und Stimulation durch sehr kleine Bormengen: E. Haselhoff, Landw. Versuchsstat., 79—80, 399 (1913). p. 200. Entgiftung von Alkohol durch Adsorption bei Eiweißgegenwart: A. Fischer, Biochem. Ztsch., 52, 60 (1913). M. Verworn, Die Narkose (Jena 1912). H. WiNTERSTEiN, Biochem. Ztsch., 5/, 143 (1913). Br. Kisch, Ztsch, BioL, 60, 399 (1913). — Zu Anm, 8: Kramer, Journ. exp. Med., 17, 206 (1913). Choquard, Ztsch. Bio!., 60, 101 (1913). Vernon, Brit. Med. Journ. (1912), p. 790. Narkotica- Kombinationen : Bürgi, Ztsch. allgem. Physiol., 14, 65 (1912). Kochmann, Ztech. exp. Pathol., 12, 1 (1913). Zorn, Ebenda, p. 529. p. 201. Th. Bokorny, Biochem. Ztsch., so, 87 (1913); Zentr. Bakt. II, J7, 168 (1913). E. G. Sottile, Gazz. osped. e clin. (1912), Nr. 90. Kombination von Salzlösungen und Anäatheticis: Lillie, Amer. Journ. Physiol., j/, 255 (1913). p. 202. Aufnahme von Petroleum durch Wurzeln hindert die Waseerabsorp- tion, ist aber nicht direkt giftig. Kryz, Ztsch. f. Pflanzenkrankh., ig, 449 (1909). p. 203. Organische Säuren: Bokorny, Biochem. Ztsch., jo, 49 (1913). CJoppiN, Biochem. Journ., 6, 416 (1912). Cook u. Taubenhaus, Del. Exp. Sta. Bull., 97 (1913). p. 204. Guanidin wird durch Asparagin entgiftet, durch Nitrat verstärkt. Schreiner u. Skinner, Bull. Torr. Bot. Club, 39, 535 (1913). p. 205. Phenol, Adsorption. Küster, Zentr. Bakt. I, 54, 135 (1912); Ztsch. Hyg., 73, 205 (1912). Cooper, Biochem. Journ., 6, 362 (1912). p. 206. O. Schreiner u. Skinner, Botan. Gaz., 5^, 31. Skinner (1912), p. 245, fanden Cumarin durch Phosphat paralysiert, Vanillin durch Ammoniak, Chinon durch Kali. p. 207. Photodynamische Wirkungen: A. Reitz, Zentr. Bakt. I, 45, 270 (1908). B. Hannes, Diss. (München 1909). p. 208. Paralielismus von quell ungsf ordernden und wachstiunsfördernden Wir- kungen organischer Basen: Borowikow, Biochem. Ztsch., 50, 119 (1913). Wirkung auf Pilze: Th. Bokorny, Zentr. Bakt. II, 37, 168 (1913). p. 209. Tabakr?iuch: A. Purkyt, Sitz.ber. Wien. Ak., 121, I, 737 (1912). p. 210. Chromogene Bacterien: Lasseur u. Thiry, Compt. rend., 156, 167 (1913). p. 211. Säuren und Kugelhefebildung: G. E. Ritter, Jahrb. wiss. Botan., 52, 351 (1913). p. 212. Zu Anm. 5: M. Munk, Mycol. Zentr., /, 388 (1912). .p. 213> Riesenzellenbildung bei Aspergillus fumigatus bei Säureanhäufung: C. Wehmer, Ber. Botan. Ges., j/, 257 (1913). p. 214. Farbstoffbildung bei Haematococcus: H. C Jacobsen, Fol. microbiol., / (1912). p. 216. Borsäurewirkung auf Cucumis: J. Dewitz, Biol. Zentr., 33, 10 (1913). p, 219. Saponin und andere Stoffe: M. Morse, Journ. exp. Zool., 13, 471 (1913), wirken bei Cerebratulus auf die Eientwicklung, Amhioniak am besten bei Arbacia nach J. Loeb, Ebenda, p. 577. p. 221. Zu Anm. 7: G. Hertwig, Ebenda, Si, 88 (1913). p. 226. Gültigkeit des Energiemengengesetzes für den n^ativen ChemotropismoB von Wurzeln: Th. M. Pöbodko, Ber. Botan. Ges., 31, 88 (1913). p. 229. Zeile 21 von unten lies: „reagierte". p. 230. Zu Anm. 4: Th. Vieweger, Arch. Biolog., 27, 723 (1913). p. 235. VariabiUtät der Bacterien: Ph. Eisenberg, Zentr. Bakt. I, 63, 305 (1912). „Mutationen" bei Schimmelpilzen nach Darreichung von p-Oxybenzoesäure und anderen Stoffen: H. J. Waterman Ztsch. Gär.phys., 3, 1 (1913). Individuelle Differenzen in der Entwicklung höherer Pflanzen: KoRlBA, Journ. CoU. Sei. Tokyo, a7 (1909). p. 249. In der Struktur der l-Isorhamnose, am Schluß der Seite, ist die end- atändige Gruppe (OH) im Drucke ausgefallen und zu ergänzen. p. 254. Zu Anm. 6: Michaelis u. Rona, Biochem. Ztsch., 49, 232 (1913). p. 255. Caramelisierung unter Bildung einer maltolartigen Substanz, die eine rote Eisenreaktion gibt: A. Backe, Compt. rend., 150, 510 (1910). p. 257. Zu Anm. 11 ; Berthelot u. Gaudechon, Compt. rend., 156, 233 (1913). Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. 825 p. 261. Zu Anm. 3: J. Bang, Biochem. Ztsch., 49, 1 (1913). Z. Hatta, Ebenda, 52, 1 (1913). p. 269. Umlagerung von 1-Arabinose in l-Ribose in alkalischer Lösung bei 70*: W. A. VAN Ekenstein u. Blanksma, Chem. Weekbl., 10, 213 (1913). — Zu Anm. 2: Spektroskopische Methode: E. Pinoff u. Gude, Chem. -Ztg., J7, 621 (1913). p. 277. Synthetische Aminoglucoside aus d - Glucosamin : J. C. Irvine u. Hynd, Journ. Chem. Soc, 103, 41 (1913). p. 278. Mannit, Schwefelsäureester. W. R. Bloor, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 784 (1913). Emulsin und Glucoside: G. Zemplen, Ztsch. physiol. Chem., 85, 414 (1913). p. 279. Glucosidsynthese: Bourquelot, Herissey u. Brldel, Soc. Biol., 73, 641 (1912). Bourquelot u. Bridel, Compt. rend., 155, 523 (1912); 156, 491, 643, 827, 957, 1104, 1264 (1913); Journ. Pharm, et Chim. (7), 7. HO, 145, 285, 335 HC=CH (1913). — Reduktion der Acetobromglucose zu Glucal: | | HOHC— O-CCHjOH E. Fischer u. Zach, Sitz.ber. Berlin. Ak. (1913), p. 311. p. 280. Synthetische Terpen-/?-Glucoside: Hämäläinen, Biochem. Ztsch., 49, 398; 50, 209 (1913); Skand. Arch. Physiol., 23, 297 (1910). p. 285. Absorption von Rohrzucker durch Tierkohle: W. B. Clark, Journ. Soc. Chem. Ind., 32, 262 (1913). p. 287. Zu Anm. 5: Berthelot u. Gaudechon, Compt. rend., 156, 468 (1913). A. Jolles, Naturf. Vers. Münster (1912), II, /, 132, benützt zur Bestimmung" der Saccharose neben Hexosen das Inaktivwerden der reduzierenden Zucker in »/^ Alkalilösung nach 24 stündigem Stehen bei 37". — Zu Anm. 5: Y. Dahlström, Chem.-Ztg., 36, 437 (1913). p. 289. Gentiobiose: G. Zemplen, Ztsch. physiol. Chem., 85, 399 (1913). p. 290. Viscosität und Leitfähigkeit von Raffinoselösungen : Washburn u. Williams, Journ. Amer. Chem. Soc., 35, 750 (1913). — Z. 17 lies: „Emulsin" statt „Emulsion". p. 294, Huminstoffe aus Zucker und Polypeptiden : Maillard, Compt. rend., 156, 1159 (1913). p, 295. Kolloidbestimmung in Ackererde durch Farbstoffadsorption: M. GoRSKi, Ztsch. landw. Versuchswes., 15, 1201 (1912). p. 297. Nach Zellner, Monatsh. Chem., 34, 321 (1913), enthält Armillaria mellea 10 % Mannit, Lactaria piperata davon 15 '/o- Pholiota squarrosa 1 °l^ Tre- halose. p. 298. Viel Trehalose in Boletus edulis fanden E. Wintersteln, Reuter u. KoROLEW, Landw. Versuchsstat, 79I80, 541 (1913). p. 300. Tierische und pflanzliche Glykogene zeigen gewisse Differenzen in Opalescenz, Jodreaktion und Fermenthydrolyse nach R. V. NoRRis, Biochem. Journ., 7, 26 (1913). p. 310. Mannitferment: E. DüBOURG, Ann. Inst. Pasteur, 26, 923 (1913). p. 314. Ameisensäure: Fincke, Biochem. Ztsch., sr, 253 (1913). Acetate, Formiate, Erkennung: L. Bqnnes, Bull. Sei. Pharm., 20, 99 (1913). Bac. typhi und Paratyphi auf Glucose, Mannit und Dulcit: Fr. Ditthorn, Zentr. Bakt. I, 67, 497 (1913). Für Bac. coli commune ist Glucose besser als Mannit und Milchzucker nach B. Klein, Zentr. Bakt, I, 63, 321 (1912), p. 316. A. GuiLiJERMOND, Les Levures (Paris 1912). p. 322. Alkoholbestimmung mittels der Permanganatmethode: Barendrkcht, Ztsch. analyt. Chem., 52, 167 (1913). Bichromatmethode: NiCLOUX, Soc. Biol., 74, 267 (1913). Mikrochemischer Nachweis als Alkylsulfothiocarbonat mit Schwefel- kohlenstoff und 40 7o KOH eingedunstet: J. Ferrer, Ann. Soc. Espagn. fis. quim., 10, 105 (1913). p. 325. Flüchtige Säuren: A. Fernbach, Compt, rend., 156, 77 (1913). A. OsTERWALDER, Zentr, Bakt. II, 38, 8 (1913). — Zu Anm. 1: Kostytschew, Ztsch. physiol. Chem., 85, 408 (1913), p. 329. Auch die bei Chloroform- oder Ätherbehandlung aus den Zellen aus- tretenden Tropfen enthalten Zymase, was zur Zymasegewinnung benutzt werden kann: S. GiGLiOLi, Atti Soc. Ital. Progr. Sei., j, 864 (1912). p. 330. Papain hemmt: H. van Laer, Zentr. Bakt. II, 37, 529 (1913). p. 331. Zu Anm. 4: Bestätigung der obigen Gleichung Hardens bei EULER u, Johansson, Ztsch. physiol. Chem., *j, 192 (1913)^ Kofermentwirkung toter Hefe- zellen: E. Möufang, Woch.schr. f. Brauerei, 30, 113' (1913). Dioxyaceton-Phosphor- säureester: Lebedew, Ztsch. physiol. Chem., 84, 305 (1913). 826 Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. p. 333. Der Energieverbrauch von Hefe ist nach Rubner, Sitz.ber. Berlin. Ak. (1913), p. 232, 58 mal so groß wie beim Menschen, 157 mal so groß wie beim Pferd und 3 mal so groß wie bei der Maus. Die Oberfläche einer Hefezelle beträgt etwa 3 q(i.. Pro Stunde und qm Zelloberfläche werden bei SO** 5;59 g, bei 38" 8,38 g Zucker verbraucht. Rübner, Arch. Anat. u. Physiol., Phys. Abt. (1912), Suppl.-Bd. /. p. 334. Zu Anm. 3: Kritik: Lebf.dew, Ber. Chem. Ges., 46, 850 (1913). — Zu Anm. 6: S. Lvoff, Ber. Botan. Ges., 31, 141 (1913), nimmt primär Austritt von Wasserstoff aus Zucker an. Atmungspigmente hemmen die Gärung nach Palladin u. Lvoff, Ztsch. Gär.phys., 2, 326 (1913). p. 335. Aldehydbildung im Macerationssaft von Hefe bei Gegenwart von Phosphat und Äther; E. Buchner, Ber. Chem. Ges., 4G, 1972 (1913). p. 336. Zusätze von Kolloiden und Suspensionen fördern durch Erleichterung des Entweichens der Kohlensäure: N. L. Söhngen, Fol. microbiol., 2 (1913). p. 338. Hemmung durch Cyclamin: J. Lundberg, Ztsch. Gär.phys , 2, 223 (1913). Hemmende Wirkung der aus Atmungschromogenen entstehenden Pigmente wie des Pigmentes aus Rübensaft: Palladin u. Lwow, Bull. Ac. Sei. St P^tersb. (1913), p. 241. p. 340. Milchsäuremikroben: C Gorini, Zentr. Bakt. II, 37, 452 (1913). L. A. Rogers u. Davis, U. S. Dept. Agric, 154, 1 (1912). Lactobacillen : Chr. Barthel, Ztsch, Gär.phys., 2, 193 (1913). Farbstoffbildner: M. L. Foster, Journ. Amer. Chem. See., 53, 597 (1913). Bulgariens: Belonowski, Milchwirtsch. Zeutr. (1912), p. 447. Milchsäurebildung durch Essigbacterien : A. Osterwalder, Zentr. Bakt. II, 37, 353 (1913). p. 342. Photolyse: Euler u. Ryd, Biochem. Ztsch., 5', 97 (1913). Milch- säurebestimmung: Ishihara, Ebenda, 50, 468 (1913). Dapper, Ebenda, 51, 398 (1913). p. 345. Zu Anm. 10: Ad. Loeb, Biochem. Ztsch., 50, 451 (1913). Gries BACH, Ebenda, p. 457. Methylglyoxalverarbeitung: C. Neuberg, Ebenda, 49, 502; 51, 484 (1913). p. 346. Wirkung des Kreidezusatzes auf den Fortgang der Gärung: Makri- NOFF, Zentr. Bakt. II, 37, 609 (1913). p. 348. Viscosaccharase: Auch Beijerinck, Fol. microbiol., /, 377 (1912). — Zu Anm. 12: G. Troili-Petersson, Zentr. Bakt. II, 3S, 1 (1913). p. 355. Vorbehandlung mit Rohrzucker steigert die invertierende Wirkung der Hefe, während die Gärkraft abnimmt: H. Euler u. Johansson, Ztsch. physiol. Chem., 84, 97 (1913). p. 356. Ammoniakbehandlung schädigt Invertin nicht: Th. Panzer, Ztsch. physiol. Chem., 84, 408; 85, 225 (1913). NO-Behandlung: Panzer, Ebenda, 85, 392 (1913). p. 358. Michaelis u. Menten, Biochem. Ztsch., 49, 333 (1913), finden die Reaktionsgeschwindigkeit jeweils proportional der Konzentration der vorhandenen Menge der Ferment -Saccharoseverbindung, deren Dissoziationskonstante bestimm- bar ist. p. 360. Zu Anm. 5: Kopaczewski, Compt. rend., 156, 918 (1913). p. 362. Gewöhnung an Lactose erfolgt nicht sprunghaft: J. Klein, Dissert. (Bonn 1912). p. 367. Zu Anm. 1: W. Biltz u. Truthe, Ber. Chem. Ges., 46, 1377 (1913). p. 368. F. Ando, Chem.-Ztg., jö, 1226 (1912)- Kojidiastase wirkt noch in 70 % Alkohol. Gegenwart von Säure und Neutralsalz fördert, über 0,1 7o erzeugt hingegen nur Hemmung. Mangansalze beschleunigen, alkalische Reaktion hemmt mit Ausnahme von K^HPO^. p. 369. Kojidiastase soll nach G. Kita, Journ. Ind. Eng. Chem., 5, 220 (1913), vielleicht bis zu Ghicose abbauen, ohne daß eine besondere Maltase beteiligt ist. NaCl schützt vor hohen Temperaturen mehr als Maltodiastase. Bei konzen- trierten Fermentlösungen treten Hemmungswirkungen schwächer ein als bei ver- dünnten. 1 Teil auf 500 Teile Stärke verzuckert 64 »/^ nach K. Riemer, Arb. Pharm. Inst. Berlin, 9, 206 (1913). p. 372. H. Pringsheim, Mitteil, deutsch, landw. Ges. (1912). Löhnis u Grant Lochhead, Zentr. Bakt. II, 37, 490 (1913). G. Mc Beth u. Scales, Wash. Bur. Plant. Ind. Bull., 266 (1913). p. 373. Phytobacter lycopersicum , der Erreger der Tomatenfäule, löst die Mittellamellen auf: J. Groenewege, Zentr. Bakt. II, 37, 16 (1913). p. 375. Zu Anm. 10: G. Mc Beth u. Scales, Wash. Bur. Plant Ind. Bull., 266 (1913). W. Daczewska, Bull. Soc. bot. Geufeve (2), 4, 255 (1912), findet, daß die Braunfärbung hauptsächlich von den Sporen und Mycelien herrührt, während die Zersetzungsprodukte der Cellulose farblos sind. Druckfehler, Berichtigungen und Nachträge. 827 p. 377. Chemische Substratzusammensetzung und Temperaturoptimum für Mucor Rouxii: Durandard, Compt. rend., 155, 723 u 1026 (1912). p. 380. Waterman, Fol. microbiol., /, 422 (1912), nennt „Plastisches Äqui- valent" die Prozente an Kohlenstoff, welche sich innerhalb einer gewissen Zeit an- häufen; „Atmungsäquivalent" die Prozente an Kohlenstoff, welche innerhalb einer gewissen Zeit veratraet werden. Das Atmungsäquivalent für Bernstein«äure ist sehr groß. Auch die Konzentration ist von Einfluß. p. 383. Zu Anm. 3: Zuckerbildung aus Valeriansäure und Heptylsäure im Tierkörper: Ringer, Journ. Biol. Chera., 14, 43 (1913). Verarbeitung von Berizin, Petroleum, Paraffinen durch verschiedene Mikroben, auch Mycobacteriumarten : N. L. SÖHNGEN, Zentr. Bakt. II, 37, 595 (1913). Es werden 8 mg Paraffin in 24 Stunden pro 2 qdm Oberfläche bei 28° verarbeitet. Die Produkte sind Kohlenssäure und Wasser. Fettsäuren treten wahrscheinlich als Intermediärprodukte auf. p. 384. Milchsäureverarbeitung durch Bac. ethacetosuccinicus: Maze, Compt. rend., 156, 1101 (1913). Es findet Spaltung in Kohlensäure und Alkohol statt, wobei der Alkohol in Essigsäure tibergeht. Mycoderma aceti bildet auf ]\lilchsäure besonders Acetylraethylcarbinol. p. 385. Carboxylase wirkt auch auf Oxyfumarsäure: P. Mayer, Biochem. Ztsch., so, 283 (1913). Chloroform stört Carboxylase im Gegensatze zur Zymase nicht: C. Neuberg u. Rosenthal, Ebenda, 5/, 128 (1913). J. Thompson, Proceed. Roy. Soc, 86, B, 1 (1913), fand, daß Bac. cloacae Citronensäure und Äpfelsäure ver- arbeitet. Die letztere ist nur aerob auszunützen. Die Produkte sind Kohlensäure, Essigsäure, Bern stein säure und etwas Alkohol. Citronensäure lieferte bei aerober Verarbeitung Kohlensäure, Essigsäure, Bernsteinsäure, anaerob auch Ameisensäure. p. 38ü. Tuberkelbacillus wächst ohne Glycerin auf Kuhmilchserum: G. Val- LETTi, Zentr. Bakt. I, 6S, 239 (19.13). p. 387. Pilze verarbeiten Saponine: Solacolu, Soc. Biol., 74, 304 (1913). Zucker schützt Gallussäure erst bei 10 "/„ Konzentration. Aspergillus zeigt vermehrte Tannasebildung bei steigender Tanninkonzentration: L. Knudson, Journ. Biol. Chem., 14, 159 (1913). p. 390. Glykogen bei Cyanophyceen : E. Zacharias, Botan. Ztg. (1907), //, 265. p. 393. Nach Artari, Jahrb. wiss. Botan., 52, 410 (1913), gilt für die Eignung bei Euglenia Ehrenbergii die Reihe Glucose ^ Saccharose, Galactose, Fructoee, Mal- tose "^ Dextrin, Mannit, Arabinose, I^ctose > Inulin, Glykogen, Xylose. p. 396. Ph. de Vilmorin u. Levallois, Bull. Soc. Chim. (4), 13, 294 (1913), fanden für verschiedene Maissorten an reduzierendem Zucker 0,8 bis 4,75 7o' *" Saccharose 0,2 bis 10 7,,. p. 406. Die Adsorption von NaOH durch Stärke ist um so größer, je mehr Salz gegenwärtig ist. Ebenso ist es bei Bariumhydroxyd. Ammoniumchlorid ist unwirksam hierbei. Baryt wird stärker adsorbiert als Natronlauge. A. Rakowski, Koll. Ztsch., 12, 128 (19 J 3). p. 408. Zu Anm. lU Gerber, Soc. Biol, 72, 1002 (1912). Durieux, Bull. Soc. Chim. Belg., 27, 90 (1913). p. 413. Molekulargröße von Dextrinen: Biltz u. Truthe, Ber. Chem. Ges., 46, 1377 (1913). p. 414. Geschwindigkeit der Stärkehydrolyse durch Salpetersäure: DoRO- schewski u. Rakowski, Chem. Zentr. (1907), //, 1325. p. 417. Zu Anm. 1: E. ScHWARZ, Ztsch. ges. Brauwes., jtf, 85 (1913). A. Frei, Landw. Versuchsstat., 72, 161 (1910). p. 423. Zeile 5 von unten lies statt: „Daß bei der Hefegärung Acetaldehyd", richtig: „Daß wie bei der Hefegärung. Acetaldehyd . . ." Daß die anaerobe Atmung von Samenpflanzen nicht einfach niit Zymasegärung identisch ist, zeigt Kostytschew, Ber. Botan. Ges., 31, 125 (1913), durch den Hinweis darauf, daß der Quotient Kohlen- säure : Alkohol alle möglichen Werte annehmen kann. Bei Blättern ist etwa die Hälfte der Kohlensäure durch Zymase abgespalten. p. 434. Zu Anm. 3: Panzer, Ztsch. physiol. Chem., S5, 292 (1913). p. 437. Zu Anm. 3: Dieselben, Journ. Physiol. et Pathol. g4n., 15, 24 (1913). p. 438. Salzsäurebehandlung macht unwirksam, Ammoniak stellt bis zu einem gewissen Grade die Wirksamkeit wieder her. Amraoniakgas schädigt Dia-stase nicht: Panzer, Ztsch. physiol. Chem., 84, 161; 8s, 97 (1913). Freies Jod schädigt, aber nicht alle Diastasepräparate gleich: C. Gerber, Soc. Biol., 72, 1116 (1912). Wasser- stoffperoxyd 1:8000 hemmt Ficusdiastase; 40:1000 die Diastase aus Broussonetia- milchsaft: Gerber, Ebenda, p. 946. 828 DnickfeWer, Berichtigungen und Nachträge. p. 442. Achroodextrin und Erythrodextrin : W. Biltz, Ber. Chem. Ges., 46, 1532 (1913). Die Verzuckerungsgeschwindigkeit ist bei dem ersteren kleiner als bei Erythrodextrin. p. 448. Zu Anm. 2: Gates, Soc. BioL, 64, 903 (1908). p. 451. Enzymatische Stärkekondensation erifolgt nach Pantanelli u. Faure, Acc. Line. Roma, rg, I, 389 (1910), durch ein spezielles synthetisches Enzjn«. Asper- gillus Oryzae enthält Diasta.ee und jenes synthetische Enzym. Das letztere ist am besten bei alkalischer Reaktion wirksam. p. 456. Zu Anm. 4: Bridel, Compt. rend., 756, 627 (1913); Journ. Pharm, et Chim. (7), 7, 392 (1913). p. 468. Entwicklung der Reservestoffe, in der Rübe: E. Levallois, Bull. Ass. Chim. Sucr., 30, 517 (1913). Strohmer, Österr.-ungar. Ztsch. Zuckerindustr., 42, II, 12 (1913). p. 487. Verteilung der Stärke in den Blättern der Leguminosen : H. Klenke, Diss. (Göttingen 1912). p. 488. Stärke und Zucker in absterbenden Laubblättern: Th. Schmidt, Diss. (Göttingen 1913). p. 492. Persea gratissima, E. Pozzi-ESCOT, Bull. Soc. Chim. (4), 13, 400 (1913). Fruchtfleisch enthielt 80,27 7o Wasser und 1,34% Zucker. Citrusfrüchte, Zuckergehalt: H. D. Gibbs u. Agcoili, The Philippine Journ. Sei., 7,.A, 403 (1912). Citrus lima enthielt 0,5 "/o reduzierenden Zucker und keine Saccharose, Madarinen- mark enthielt 4,61 7o Saccharose und 1,94 7o reduzierenden Zucker, p. 493. Reifung von Florida-Orangen: A. Mc Dermott, Journ. Amer. Chem. Soc, 35, 834 (1913). In der Schale Invertin. Zuckergehalt steigt bis. 6,9 7^. p. 495. Parasitismus von Striga. Bei einer Art ähnliche Verhältnisse wie bei Tozzia wahrscheinlich. E. Heinricher, Ber. Botan. Ges , 31, 238 (1913). — Letzte Zeile lies: „Stärkekörnern". p. 505. Manna von Fraxinus Ornus: G. B. Zanda, Arch. farm. sper., is, 66 (1913). p. 529. Zu Anm. 1: H. FiscHER, Sitz. ber. Ges. Naturforsch. Freunde Berlin (1912), p. 517. E. MiTSCHERLiCH fand bei Kohlensäureddngung mittels Begießen mit kohlensäuregesättigtem Wasser keine Erhöhung des Ertrages bei Hafer. MlT- SCHERUCH, Landw. Jahrb., 39, 157 (1910). p. 550. Mikrochemie der Chromatopboren : O. Tünmann, Pflanzenmikrocheraie (Berlin 1913), p. 461. p. 556. Anmerkungen, Zeile 7, lies statt (1804): (1844). p. 575. Magnesium Verbindung des Mesoporphyrins : J. Zaleski, Ber. Chem. Ges., 4Ö, 1687 (1913). Phonoporphyrin aus Hämin: O. Piloty u. Fink, Ber. Chem. Ges., 46, 2020 (1913). Entsteht neben Mesoporphyrin bei der Jodwasserstoff- behandlung. p. 621. Zeile 10 von unten, lies richtig: „Öleinschlüsse". p. 625. Zeile 20 lies: „Nitrosoverbindungen". p. 628. Zeile 24 lies: „haben" statt „hat". p. 671. Anm. 4 lies: Devaux statt Devauy. p. 686. Zeile 18 lies richtig: „Sägemehl". p. 691. Zeile 16 lies richtig: „Coniferylalkohol". p. 700. Zeile 11 von unten lies statt (6): (8). p. 706. Zeile 23 lies richtig: „variifolium". p. 751. Zeile 14 von unten, lies richtig: „Holzgewächse". ' i ftSItLÜDKEÖ.flOHHISCH4C8 ': i'«»osseüDi8ii«iiaaLHPa&