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ÜBRIGEN LÄNDER s Tan ‚ I CENTRALDRUCKEREI BEI SAMSON & WALLIN STOCKHOLM STOCKHOLM. 1882 LEIPZIG, VERLAG VON F. C,. W, VOGEI %, SET. VII. INHALTSVERZEICHNISS. Die Gestalt des membranösen Gehörorgans des Menschen, von Prof. Gustar Rerzws. Mit Tafel I-U..........._....... Beiträge zur Kenntniss der zahnbildenden Gewebe des Men- schen und der Säugethiere, von Cand. Med. Gustar ANNELL. 2 LE BE er ee EEE Studien über den Bau der Trachealschleimhaut mit besonderer Berücksichtigung des Epithels, von Stud. Med. C. WArLtErR Inder BSORKMAN., Mit; Tate! VI.._.2.2......2.2200.:.0.20. Ueber ein Blutgefässe führendes Epitheleewebe im membranö- o » sen Gehörorgan, von. Prof. Gustar Rrrzivs ............................. Zur Histologie der häutigen Gehörschnecke des Kaninchens, von Prof. Gustar Rerzıus. Mit Tafel VII—VIM ............... Ueber die Endigungsweise des (Gehörnerven in den Macul» und Cristee acustiee (aus dem Jahre 1571), von Prof. Gustar Rerzıus Ueber die Anwendung der Gefrierungsmethode in der histolo- gischen Technik (aus d. Jahre 1874), von Prof. Axeı Kerr und Prof. Gustar Rerzıus EM} , ro = Seite. 145 i nz ZAMHIBSREVEN JAnul aut Bu ee in: u IEZarT .. I vi - ah vr Pe ir w ! Tre .| er we ri ee er DE a a u a „ % Li ar ea { aA + ni we u Pr F [*) » Dee Je ut. 11: / KR mt ME re u uw Eu ’ d ’ » « Pan 4 Sl eu 11 eo hut ba) rar” rt RR nal a I + nn Zee 4 ge at Die Gestalt des membranösen Gehörorgans des Menschen von Pror Gustar Rertzıus in Stockholm. Mit Tafel I und I. Wenn man in der anatomischen Literatur die Darstellungen der Mor- phologie des membranösen Gehörorgans des Menschen durchmustert, findet man, dass im Ganzen sein physiologisch wichtigerer Theil, die Schnecke, die Aufmerksamkeit weit überwiegend auf sich gezogen hat, dessen vesti- bulare Abtheilung sammt ihrer Nervenverzweigung dagegen verhältniss- mässig wenig berücksichtigt worden ist. Durch die schöne Entdeckung Reıssxer’s (im Jahre 1851) der nach ihm benannten Membran wurde der zwischen den beiden perilymphatischen Scalen hinziehende, blind endigende Duetus cochlearis oder die eigentliche »Cochlea membranacea> erkannt; später (1863) wurde durch Hexsen’s wichtige und weittragende Entdeck- ung des offenen Zusammenhangs dieses Ductus cochlearis mit dem Sacculus vermittelst des Canalis reuniens Henseni die innige morphologische Zusam- mengehörigkeit der Schnecke mit den vestibularen Theilen des membranö- sen (sehörorgans nachgewiesen. Nachdem dann durch Borrrener's bedeu- tungsvolle Entdeckung (1569) des häutigen Aqusductus vestibuli (Ductus endolymphaticus Hasse) auch die Verbindung des Sacculus mit dem Utrieu- lus dargelegt und durch die umfassenden Arbeiten Hasse's und seiner Schüler die vergleichende Morphologie des Gehörorgans der verschiedenen Wirbelthierklassen eine sichere Errungenschaft unseres Wissens geworden war, erforderte auch das uns am meisten interessirende membranöse Gehörorgan, nämlich dasjenige des Menschen, eine entsprechende, eingehende Darstellung Biol, Unters. II, 1882. l 2 GUSTAF RETZIUS. in Wort und Bild. Zwar waren durch Rerıcuerr (1864), und vor Allem durch Openxıus (1867), viele sehr wichtige Verhältnisse in Betreff der Lage und Anordnung der vestibularen Theile des membranösen Gehörorgans des Menschen ans Licht gezogen worden. Dann wurde auch durch einen Schüler Hasse's, Ausg. Cart, die Morphologie der fraglichen Theile des Säugethier- gehörs zum Gegenstand einer genauen Untersuchung gemacht; leider aber wurde hierbei das menschliche Gehörorgan nur in geringem Masstabe be- arbeitet, was sowohl aus den Worten als noch mehr aus den Abbildungen hervorgeht, welche fast sämmtlich die Verhältnisse beim Rinde wiedergeben. Wenn wir aber nun die anatomischen und physiologischen Handbücher durchmustern, finden wir nicht nur die Beschreibungen sondern vor Allem die bildlichen Darstellungen des membranösen Gehörorgans im Ganzen sehr unbefriedigend und im besten Falle nur einfach schematisch. Wenn man überhaupt aus den vorhandenen Abbildungen eines anatomischen Gebildes auf den Standpunkt unseres Wissens bezüglich desselben schliessen darf, dann ist in Betreff der Morphologie des Gehörorgans des Menschen noch ziemlich viel zu wünschen übrig. Es ist indessen nicht meine Absicht, hier eine erschöpfende historische Darstellung des fraglichen Gegenstandes zu geben, sondern ich beschränke mich darauf, die in der zugänglichen anatomischen Literatur vorhandenen Abbildungen des ganzen membranösen (ehörorgans des Menschen auf einer Tafel (Taf. I) zusammenzustellen, wobei ich jedoch, mit Ausschluss der nunmehr wenig gebräuchlichen Arbeiten der älteren Anatomen (Scarpa, ComParerıı u. A.) mit den Abbildungen Brescnrr's und Issen’s beginne und am Ende die Figuren Carr’s vom Gehörorgan des Rindes zum Vergleich beifüge.’ Brescner® gab im Jahre 1532 (gedr. 1533) eine sehr werthvolle Dar- stellung vom Gehörorgan des Menschen, welcher u. A. drei Abbildungen des vergrösserten linken membranösen Gehörorgans beigefügt sind; ich gebe hier unten (Taf. I Fig. ı A u. B) eine Copie von zweien derselben, von denen ! Jedenfalls ist aus der Darstellung CArL's nicht ersichtlich, was sich daraus auf den Menschen beziehen soll, denn als ganz gemeinsam für Mensch und Rind darf man sie wohl nicht ohne bestimmte Angaben des Verfassers annehmen; bei Berücksichtigung der Abbildungen ist mir am ehesten wahrscheinlich, dass die Darstellung Carr’s hauptsächlich Rindembryonen (mit Alkohol behandelt) entnommen ist, obwohl ein Paar menschliche (ebenfalls in Weingeist aufbewahrte) Embryonen zum Vergleich untersucht wurden, und der geehrte Forscher seine Beschreibung für das Säugethiergehör im Allgemeinen gelten lässt. Die auf der Tafel I zusammengeführten Figuren sind nach den Originalen in der Grösse des Originals möglichst genau wiedergegeben; nur sind, der besseren Uebersicht wegen, alle nach einer Richtung angeordnet. ® G. BRrESCHET, Etudes anatomiques et physiologiques sur Porgane de l’ouie et sur l’audition dans l’homme et les animaux vertebres. Paris 1833. Pl. IV Fig. 2—3. DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. die eine das in der geöffneten knöchernen Kapsel liegende, die andere das aus ihr genommene membranöse Gehörorgan wiedergiebt; die dritte Abbildung stellt die erstgenannte Figur nur noch mehr vergrössert und mit geöffneter Schnecke dar, um besonders den Zusammenhang der Scala tympani und Scala vesti- buli am Schneckengipfel (Helicotrema Brescheti) anzuzeigen. Diese Figuren Brescher's, welche noch lange von anderen Autoren (z. B. in Quaıy’s Ana- tomy 7 Ed. 1867, 8 Ed. 1876) gebraucht worden sind, geben zusammen mit der Beschreibung eine in mehrerer Hinsicht gute Darstellung des fraglichen Organs, obwohl sie nunmehr als veraltet und gar zu wenig exakt angesehen werden müssen, um so mehr als Brescher den Ductus cochlearis und Canalis reuniens sowie den Ductus endolymphatieus nicht kannte; in Betreff des Saceulus giebt er an, dass derselbe dem Utrieulus (Sinus medianus Br.) angeheftet ist, und er vermuthet eine offene Verbindung zwischen ihnen, obwohl er sie wegen der Zartheit dieser Theile nicht darzulegen vermochte. Die Gestalt des Sacculus und des Recessus utrieuli sowie der Ampullen ist übrigens nicht der Natur entsprechend dargestellt. Dagegen giebt er eine genaue Schilderung der Verzweigungsweise des Acusticus beim Menschen (und der übrigen Wirbelthiere), nach welcher der vordere der beiden Haupt- äste desselben die beiden vorderen Ampullen mit je einem Zweige und den Utrieulus (Sinus medianus) mit Bündelchen versieht, während der hintere Ast zur hinteren Ampulle einen Zweig und dann noch die Nervenbündel zum Sacculus und der Schnecke sendet. Endlich ist zu bemerken, dass Brescuer hervorhebt, dass eine Ansammlung perilymphatischer Flüssigkeit zwischen der Steigbügelplatte und dem Saceulus und Utrieulus mit deren beiden Nervenendstellen vorhanden ist. Dann (1846) gab Issen! eine Abbildung des vergrösserten (kehörorgans des neugeborenen Kindes (Taf. I. Fig. ı1), in welcher er u. A. einen eigenthümlichen membranösen Kanal darstellt: »Canalis membranaceus, a superficie inferiore sacci vestibuli in foramen ossis, extra fenestram vestibuli situm, descendens, cocus terminatur». In dem im J. 1881, lange nach dem Tode des Forschers herausgegebenen Texte dieser Arbeit ist dieser bisjetzt von Issun alleine gesehene und beschriebene Kanal, den er für eine embryonale Bildung hielt, näher geschildert worden. In seiner angeführten Figur sieht man übrigens unter dem Utrieulus den Saceulus liegen; feinere Details gehen aber daraus nicht hervor. ’ 1. Issen, Anatomiske Undersogelser over Örets Labyrinth. Tafeln mit Erklürung herausgegeben 1846. Taf, II Fig. 31. Die vollständige Arbeit mit denr Texte nach dem Tode des Verf, herausgeg. von Prof. P. L. Panum 1881, Kjöbenhavn, 4 GUSTAF RETZIUS. Im Jahre 1864 lieferte Reıcherr' in 6-maliger Vergrösserung die Ab- bildung des linken Gehörorgans eines neugeborenen Kindes (Taf. I Fig. ıı), an welcher man mehrere der vestibularen Theile nach Abtragung der knöch- ernen Wand von vorn-aussen sieht. Man bemerkt hier den Sacculus und den von ihm in den Vorhofsabschnitt der Schnecke neben dem Vorhofs- blindsack ReıcHerr's einmündenden, von Hrxsex entdeckten und abgebildeten Canalis reuniens, ebenso den Utrieulus und von ihm abgehende Ampullen u. s. w. Ferner sieht man in dieser Figur neben dem Saceulus einen eigen- thümlichen Nervenzweig, welcher von Reichert » Vorhofsast des Nervus cochlee» genannt wurde und nach diesem Forscher, der ihn zuerst er- wähnt hat, »sich zur beide Vorhofssäckchen trennenden Scheidewand begiebt». In seinen Abbildungen von Durchschnitten der Schnecke giebt übrigens Reichert schöne Figuren des Ductus cochlearis mit der Reissner'schen Mem- bran und der beiden Scalen. Die Reıchertsche Abbildung wurde dann von Hexre’ in seinem Hand- buch d. systemat. Anatomie (1866) reprodueirt. Der Saceulus, dessen Exi- stenz von einigen Forschern sogar bestritten worden war, stellt nach ihm eine kuglige, in einen engen Hals ausgezogene Flasche dar, deren bauchiger Theil in dem Rec. sphzericus liegt, und die den blinden Grund auf- und vorwärts gegen den Utrieulus gerichtet hat und mit der Wand des letzteren an einer beschränkten Stelle zu einem einfachen, die Lumina beider Bläschen tren- nenden Septum verwachsen ist; der Hals, Canalis reuniens, geht aus der unteren Wand hervor, ab- und rückwärts zum Ductus eochlearis. Der Utri- culus ist ein langestreckt elliptischer, in einer auf die mediale Wand des Vestibulum senkrechten Richtung abgeplatteter Schlauch, dessen die nahezu kreisrunde Macula acustica tragende, mediale obere Wand durch Gefäss- und Nervenzweige und durch netzförmiges Bindegewebe an den Recessus ellipti- cus befestigt ist, dessen laterale Wand frei steht und durch einen ansehn- lichen perilymphatischen Zwischenraum von der lateralen Wand des Vesti- bulum und der Steigbügelbasis geschieden ist. Von dem linken Utrieulus mit den Ampullen und Bogengängen giebt Hrxır dann eine Abbildung in etwa natürl. Grösse (s. unten Taf. I Fig. ıv). Der N. acustieus theilt sich nach ihm ferner in zwei Hauptäste, von denen der vordere, N. cochlex, der Schnecke und ihrem Vestibularanhang, der hintere, N. vestibuli, dem Vesti- ® K. B. REICHERT, Beitrag zur feineren Anatomie der Gehörschnecke des Menschen und der Säuge- thiere. Berlin 1864. Pl. II (ID Fig. 10. ® J. Heste, Handbuch der systemat. Anatomie des Menschen. Bd U, Handb. der Eingeweide- lehre des Menschen, 1866. Fig. 605. DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 3) bulum und den Ampullen der Bogengänge Aeste sendet; der N. cochlex giebt einen feinen Ast ab, der in den Recessus cochlearis zum vestibularen Ende des Ductus cochlearis und durch die Macula ceribrosa quarta zur Schei- dewand der beiden im Vestibulum enthaltenen Säckchen verläuft. In Quam’s Anatomy (seventh Edition, 1867) findet man sowohl die erwähnten Figuren von Brescher als auch diejenige von Reıcnerr (nur etwas verändert). Die Beschreibung des membranösen Gehörorgans ist kurz und enthält die gewöhnlichen Angaben; in Betreff der Nervenverzweigung ist an- gegeben, dass der eine Hauptast das Acustieus, N. vestibularis, sich in fünf Zweige theilt, welche zu dem Utriculus, dem Sacceulus und den drei Am- pullen gehen, während der andere Hauptast, N. cochlearis, ausschliesslich zur Cochlea geht. In seimer Monographie über den Bau der Schnecke gab Mippexporr' (1867) ein Gesammtbild des rechten membranösen Gehörorgans vom neu- geborenen Kinde in 3-maliger Vergrösserung (Taf. I Fig. v). Ausser den blossgelegten Bogengängen und Ampullen sieht man daran den länglichen Utrieulus und den runden Sacculus mit dem Canalıs reuniens sowie den Vestibulartheil des Ductus cochlearis. In demselben Jahre (1567) veröffentlichte LuscuhkA” in seiner Anatomie des Menschen eine (»stark vergrösserte») Abbildung des in semer Kapsel blosgelesten linken membranösen Gehörorgans (Taf. I Fig. vi), welche etwas an die Figur von Brescner erinnert, obwohl einige Aenderungen und Zusätze ausgeführt worden sind; so ist z. B. der Saceulus als vom Utrieulus abgelöst gezeichnet und mit dem Canalis reuniens versehen. In der übrigens sehr kargen Beschreibung des membranösen Gehörorgans sagt Luscnka, dass der Sacculus rotundus zwar dicht an den Utrieulus angrenzt, aber mit dem- selben nicht communicirt, sondern durch ein beiden gemeimschaftliches, überaus nervenreiches Septum vollkommen von ihm geschieden ist. Noch in demselben Jahre (1867) erschien die eingehende und genaue Beschreibung des menschlichen Utrieulus und Saceulus von Opextvs’, in welcher jedoch, ausser dem Epithel selbst, leider nur die Macula saceuli und Macula utrieuli abgebildet sind. Aus der Beschreibung möchte hier Folgendes hervorgehoben werden. Der Utrieulus nimmt nicht nur den ' H. W, Mıppenporr, Het vliezig Slakkenhuis in zijne Wording en in den ontwikkelden 'Toe- stand. Groningen 1367. Plaat 2, Fig. 14. ® 7. LuscHhkA, Die Anatomie des Menschen. Band III, 2, 1867. ° M. V. Openıus, Ueber das Epithel der Maculw acustiee beim Menschen. Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd III, 1867. Schon im J. 1866 theilte Opesıus in Acta Universitatis Lundensis eine eingehende Darstellung des fraglichen Gegenstandes mit. 6 GUSTAF RETZIUS. eigentlichen Recessus ellipticus sondern das ganze Gewölbe des Vorhofs, von der Pyramis bis zur hinteren Ampulle, ein und liegt folglich in seinem vor- deren Theile ziemlich horizontal, fällt aber mit dem hinteren schief nach unten-hinten ab. Die Befestigung des Utrieulus geschieht theils von der Macula eribrosa aus durch die von reichlichem lockerem Bindegewebe um- gebenen Nerven, theils durch die vom Vestibulärperioste zu der ganzen oberen Utriculuswand hinübertretenden Bindegewebsfäden und Gefässe, weiter aber auch dadurch, dass seine Wandung längs einer gedachten Grenz- linie, in welcher die obere und die untere Fläche zusammenstossen, sich mit dem Perioste direct und innig verbindet, wobei jedoch an mehreren Stellen zwar dichte aber offene Maschen vorhanden sind. Die fragliche Verbindung findet statt längs der ganzen medialen Wand, an der lateralen dagegen nur von der Pyramis zum hinteren Ende des Vorhofsfensters, wo sie besonders fest zu sein scheint. Hinter dem letztgenannten Punkte zieht sich der laterale Umfang des Utrieulus nach einwärts, wodurch er sich von der Knochenwand entfernt und eine Oeffnung zwischen diesen Theilen ge- bildet wird, welche sich mehr oder weniger nahe an die hintere Ampulle erstreckt. Die hintere Ampulle mündet durch ein dünnes, beiläufig ein Mm. langes, noch im Vorhof liegendes Zwischenstück in das hintere Ende des Utrieulus ein; zu beiden Seiten dieses Ampullenhalses streckt sich nun auch eine dünne membranöse Ausbreitung nach der Crista der hinteren Ampulle und der gegenüberliegenden Vorhofswand, wodurch u. A. der untere Vesti- bularraum nach hinten abgeschlossen wird. Es lassen sich am Utriculus zwei Abtheilungen von ziemlich derselben Länge unterscheiden, von denen die vordere breitere und geräumigere ungefähr zum hinteren Ende des Vor- hofsfensters reicht und an ihrer unteren Wand die ungefähr elliptische, mit der Längsaxe von 2,8—3 Mm. in der Richtung der Pyramis gegen das hintere Ende des Vorhofsfensters gestellte und ungefähr 2 Mm. breite Ma- cula acustica trägt; durch die bis zu 0,8 Mm. dieke Wand der Maeula treten die zu dieken Bündeln vereinigten, nach allen Richtungen ausstrahlenden Nerven zuletzt ins Epithel hinein; in der Ecke unmittelbar hinter der Haupt- masse der Nerven trifft man gewöhnlich ein kleines, abgesondert eintretendes Nervenbündel, das in nur wenige mehr gekrümmte Strahlen ausläuft. Die hintere schmälere röhrenförmige Abtheilung des Utrieulus fängt mit einer Einziehung der lateralen Utrieularwandung an und ist hier nicht so voll- ständig befestigt, sondern durch eine Lücke von der Vorhofswand getrennt, was übrigens einer wechselnden Anordnung unterliegt. Im plattgedrückten Sacculus hat man zwei Wände unterschieden, von denen die innere, die DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. Macula tragende, bis zu 0,42 Mm. dicke Wand vollständig in den Recessus sphericus eingesenkt und an ihn angeheftet ist; die Macula nimmt den grössten Theil der Wand ein und hat eine elliptische Gestalt mit der län- geren beinahe vertikalen Axe von 2,5—3 Mm., der kürzeren von 1,5—1,6 Mm.; die Nervenbündel breiten sich über die ganze Macula aus. Die äus- sere Wand ist sehr dünn (0,017—0,022 Mm.); vorn und hinten setzt sie sich in die innere dicke Wand, unten dagegen unmittelbar in die freie Wand des Canalis reuniens fort, welcher beim erwachsenen Menschen 0,25 — 0,3 breit ist; nach oben befestigt sie sich an der unteren Fläche der freien Utrieularwand in einer dreieckigen Partie von beiläufig 1 Mm. Breite, zum Theil der hinteren-inneren Partie der Macula ac. utrieuli entsprechend. Das »den beiden Säckchen gemeinschaftliche nervenreiche Septum» Reicherrs muss nach Opexius wenigstens in Betreff der Nerven ausschliesslich zum Utrieulus gerechnet werden. Die nach aussen vorspringende Winkelform der Linien, welcher die Insertion der äusseren Saceularwand am Utrieulus folgt, bedingt eine entsprechende, nach aussen convexe Kniekung oder schwache Falte in der Wand, welche Falte sich indessen allmälig nach unten wie nach beiden Seiten abdacht; der Tiefendurchmesser des Sacculus muss demgemäss nach unten abnehmen und immerhin nur gering sein. Der perilymphatische Raum wird durch die Anheftung des Utrieulus an die Vor- hofswand in zwei Abtheilungen getrennt, von denen die untere nach oben vom Utrieulus, nach innen vom Saceulus (und Ree. eochlearis), nach aussen von der Steigbügelplatte und der lateralen Vorhofswand, nach unten von dem Anfangstheile der Schnecke begrenzt wird und hier zugleich frei in die Vorhofstreppe übergeht; sie zeichnet sich durch centrale Lage und Geräumig- keit sowie durch glatte Wände und vollkommen freies Lumen aus und dürfte als »Sinus perilymphaticus vestibuli» besonders hervorzuheben sein. Mittelst der genannten Lücke (oder Lücken) steht sie nach oben und unten in offener Verbindung mit der oberen Abtheilung, welche, den oberen Umfang des Utrieulus umgebend und sich weiter in die Bogengänge hin- einziehend, als ein relativ enger, von Bindegewebsfäden durchzogener Spalten- raum zwischen den häutigen Theilen und der Knochenwand sich darstellt. Ich habe diese Opexius’ische Schilderung so ausführlich angeführt, weil sie, obwohl leider ohne entsprechende Abbildungen und deswegen schwerer verständlich, eigentlich die erste und einzige genaue Darstellung vom Utri- eulus und Sacculus des menschlichen membranösen Gehörorgans in deren Lage und Anordnung geliefert hat. In seiner Arbeit über das häutige Labyrinth in Srricker's Handbuch to) GUSTAF RETZIUS. der Lehre von den Geweben hat Rüpiseer ' u. A. eine Abbildung vom häutigen Labyrinth des Menschen gegeben (Taf. I Fig. vır), an welcher man die drei Bogengänge, die Ampullen und den Utrieulus wahrnimmt. In demselben Werke befindet sich in der berühmten Abhandlung Warpeyer’s' über Hörnerv und Schnecke eine schematische Abbildung vom «Säugethierlabyrmth«, welche in Folge dessen wohl auch für den Menschen schematisch gilt (Taf. I Fig. vım); diese Figur ist dann in Arbeiten an- derer Forscher wiedergegeben worden. Man bemerkt an derselben den Utrieulus mit den Bogengängen, den Sacceulus, den von BorTrcHER nach- gewiesenen Ductus endolymphaticus in seiner Verbindung mit dem Saceulus und Utrieulus, den Canalis reuniens und den Schneckengang. Ein neues einfaches Schema des linken häutigen Labyrinthes (wahr- scheinlich des Menschen) gab W. Kravsz” in dem Handbuche der mensch- lichen Anatomie (Taf. I. fig. ıx). 3 Ausserdem gab Werser-Lien ® eine höchst schematische Darstellung des Labyrinthes, in welcher besonders das Verhalten des Ductus endolymphatieus und D. perilymphatieus angegeben ist. Und Wırpersneim * hat in seinem neuen trefflichen Lehrbuch der vergleich. Anatomie noch eine solche, eben- falls ganz schematische, aber sehr überschauliche Darstellung des gesammten (ehörorgans vom Menschen geliefert. ! STRICKER'S Handbuch der Lehre von den Geweben, Bd II, 1872, Kap. III, Fig. 296, A; IV. Fig. 319, II. 2 W. Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie von €. F. TH. KRAUSE, 3 Aufl., 1876, ®° WEBER-LIEL, Virchows’ Archiv Bd 77, 1879. * R. WIEDERSHEIM, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere I, Jena 1882. Leider finde ich auf der Tafel nicht Platz, auch die letzt erwähnten beiden Schemata wiederzugeben; ich füge sie deshalb hier in der Note bei: Schema des menschlichen Labyrinthes mit den endo- und perilymphatischen Räumen nach WEBER-LIEL. a und 5 Utri- culus und Sacculus im Vesti- bulum; c ein häutiger Bogen- gang mit Ampulle; d Canaliıs reuniens; € Ductus cochlearis; F Aquzxductus vestibuli mit häu- tigem Röhrchen in seiner Ver- bindung mit dem Saceul. in- traduralis (endolymphatieus); h Aqusductus cochlee mit dem Venenkanal zur Zeite; i For- amen ovale mit Steigbügel; k Membran des Foramen ro- tundum. DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 9 Endlich lieferte Hessen ' in Hrrmans’s Handbuch der Physiologie noch ein Schema des häutigen Labyrinths (Taf. I, Fig. x), welches sich wohl auch vornehmlich auf den Menschen bezieht. Im Jahre 1873 gab, wie oben erwähnt, Ausust Carr ?, welcher unter Hasse's Leitung arbeitete, neben mehreren Abbildungen einzelner Theile (und darunter des Recessus utr. des Menschen) zwei besonders gute Figu- ren vom gesammten rechten membranösen Gehörorgan des Rindes. Ich er- laube mir diese beiden Figuren hier unten auf der Tafel (Taf. I, Fig. xı A, B) in Copien beizufügen, da dieselben zum Vergleich mit den Abbildun- gen vom menschlichen Gehörorgan von besonderem Interesse sind. Aus der darauf bezüglichen eingehenden Beschreibung Carr's, welche vielleicht auch für den Menschen sowie im Ganzen für die Säugethiere gelten soll, erlaube ich mir Folgendes anzuführen: Die Längsaxe des Utriculus steht im Allgemeinen von aussen-vorne-oben nach innen-hinten-unten; an ihrem erstgenannten Endpunkte finden sich die Einmündungen der beiden vorde- ren Ampullen, diesen diametral entgegengesetzt die der hinteren Ampulle. Die vordere vertikale Ampulle ist am meisten nach vorne gelegen, mit der Schematische Darstellung des gesammten Gehörorgans vom Menschen, nach WIEDERSHEIM. Aeus- seres Ohr: M, M Ohrmuschel; Mae Meatus auditorius externus; O Wand desselben; Mt Membrana tympani. Mittelohr: Ct, Ct Cavum tympani, 0° Wand desselben ; SAp schall- leitender Apparat, welcher an Stelle der Össieula auditiva nur als stabförmiger Körper eingezeichnet ist. Die Stelle + ent- spricht der Steigbügelplatte im ovalen Fenster; M. Membr. tymp. secundaria des runden Fensters; Tb Tuba Eustachii; Tb’ Ihre Einmündung in den Rachen, OÖ" Ihre Wand. Inneres Ohr mit zum grössten Theil abgesprengtem knöchernem Labyrinth (KL, KL’), 5’ Saceulus; a, b die beiden vertikalen Bogengänge, wovon der eine (b) durchschnitten ist, ec, Co Commissur; Se, De Saccus und Duetus endolymphaticus, wovon sich der letztere bei 2 in zwei Schenkel spaltet; Cp Cavum perilymphatieum; Cr Canalis reuniens; Con häutige Schnecke, die bei + den Vorhofsblindsack erzeugt; Con’ knöcherne Schnecke, Sv und St Scala vestibuli und Scala tympani, welche bei * Scala tympani entspringt und bei Dp’ ausmündet. Der äussere Bogengang ist nicht besonders bezeichnet. in einander übergehen; Dp Ductus perilymphaticus, welcher bei d aus der ' L. Hermann’s Handbuch der Physiologie. Dritter Band, zweiter Theil, 1880 Fig. 22. ®? AUGUST CARL, Beiträge zur Morphologie des utriculus, sacculus und ihren Anhängen bei den Süugetliieren. Anatomische Studien herausg. von Dr Ü. HAssE, 4ites Heft, 1873. Taf, NXXIV Fig. Il u, 12. 1 { Biol, Unters. II, 1882. 2 10 GUSTAF RETZIUS. Längsaxe von aussen-oben nach innen-unten; durch dieselbe wird gewisser- massen der Utrieulus vorn im seiner Längsrichtung fortgesetzt; der ihr zu- gehörige Bogengang veremigt sich mit demjenigen der hinteren Ampulle, deren Längsaxe von innen-unten-hinten nach aussen-oben-vorn gerichtet ist, zu einer Commissur, welche von dem oberen-hinteren Theile des Utrieulus aufgenommen wird und von oben-hinten medianwärts nach den entsprechend entgegengesetzten Richtungen steht. Dicht neben der vorderen vertikalen Ampulle nach aussen und zugleich nach hinten von ihr liegt die horizon- tale Ampulle mit der Axe von aussen-hinten und wenig unten nach innen- vorne und wenig oben; beiläufig in derselben Richtung senkt sich auch ihr Bogengang mit trichterförmig erweitertem Ende in den Utrieulus (oder in die Vorderaussenwand des Mündungsstückes der Commissur); die Axen dieses Bogengangs und der Commissur bilden nahezu einen rechten Winkel mit einander. Die Lage des Sacculus rotundus ist ziemlich compleirt; wenn man seine Form auf die Figur eines Ovals redueirt, ist sein grösster Durchmesser von oben-vorn-aussen, der kleinste von oben-innen-hinten nach den entspr. entgegengesetzten Direktionen gestellt. In Betreff der Ampullen- form sind keinerlei Differenzen zwischen allen dreien zu bemerken; nur ist die Verbindungsröhre der hinteren Ampulle schlanker und eingezogener; die Crista acustica hat, von der Fläche betrachtet, die Gestalt eines Bisquits, ist in der Mitte am höchsten und schmälsten und erstreckt sich mit den beiden kolbenförmig angeschwollenen, gegen die Wand scharf abgesetzten Enden an den Seitenwänden hinauf; concentrische Streifungen von Epi- thelzellen am Cristaende stellen das Planum semilunatum dar; übrigens kommt an manchen Präparaten ein von Hrxtr erwähnter, die Crista um- gebender Hof vor; am Dach der Ampulle findet sich der Raphestreif; die Bogengänge haben einen kreisförmigen Querschnitt. Die Commissur zeigt Verschiedenheiten in Betreff der Richtung sowohl als des Kalibers und der Breite, sie ist an der Einmündung der beiden Bogengänge am breitesten, verschmälert sich dann bis zu einer die Mitte ihrer Höhe erreichenden Einziehung, um von hier an wieder allmälig fast die erste Breite zurückzu- nehmen; ihr Uebergang in den Utrieulus geschieht allmälig und ist auf dem Querschnitt oval. Die kreisförmig gestalteten Mündungsöffnungen der Ampullen setzen sich durch leistenartige Erhebungen gegen den Binnen- raum des Utrieulus scharf ab, und unterhalb derselben ist der Utrieulus Die Form des Utrieulus ist sehr unregelmässig; nicht unbeträchtlich tief. es lassen sich daran zwei Wände unterscheiden, eine vordere-obere-innere (»Dach») und eine hintere-untere-äussere (» Boden >), welche allmälig in ein- DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 11 ander übergehen. Man kann den Utrieulus in zwei durch eine zarte, leisten- förmige, von hinten-aussen nach vorn-innen ziehende Erhebung getrennte Abschnitte theilen, von denen der vordere, sowohl an Weite als an Tiefe geräumigere, der Recessus utrieuli, eine rundliche Schale bildet, in seinem Grunde die einen kreisförmigen Kuchen von mässiger Wölbung darstellende Macula enthält und sich erst beim Uebergange in den zweiten Abschnitt verschmälert, wobei sich der Boden ziemlich plötzlich erhebt; die Macula befindet sich im vorderen-oberen-äusseren Theile des Utriculus und occupirt ebenso Theile des Daches wie des Bodens; auf ihr ruht wahrscheinlich ein rundliches, abgeplattetes Otolithensäckchen. Am zweiten Abschnitte des Utri- eulus erkennt man die drei Oefinungen des horizantalen Bogengangs, der Commissur und der hinteren Ampulle, weshalb er sehr unregelmässig er- scheint; die erwähnte Erhebung des Bodens setzt sich noch weiter bis etwa entsprechend dem Beginn der Commissureinmündung fort, dann senkt sich der Boden, etwas verschmälert, allmälig gegen die hintere Ampulle, an deren Einmündung eine begrenzende Leiste zu gewahren ist. Nahezu auf dem Gipfel jener Erhebung des Bodens, und zwar am vorderen-inneren Theile desselben, etwas näher nach dem Recessus utrieuli hin, findet man nun die Utrieularöffnung des die beiden Vorhofssäckchen verbindenden Kanals; sie steht schief von aussen-hinten nach innen-vorn und kann parallel genannt werden mit der Einmündung der horizontalen Ampulle m den Utrieu- lus; ihre Breite beträgt 0,5 Mm.; der untere Theil des Kanales geht con- tinuirlich in den Boden über, der obere Theil bildet gleichsam eine über- springende Falte von halbmondförmiger Contour, wie an der Oeffnung einer Westentasche. Der Sacculus rotundus ist nicht rund, sondern ähnelt einer Birne; seine Innenwand bildet eine mässig vertiefte Schale, über welche die Aussenwand ziemlich glatt, ohne besondere Wölbung darüber hingespannt ist; der obere-äussere Theil des Sacculus zeigt eine kleine zipfelartige Ver- längerung, welche sich dicht an den Boden des Utrieulus anlegt. Weiter nach hinten und innen mündet in den oberen Theil des Sacculus der Aqux- ductus vestibuli in einer Richtung, welche identisch mit derjenigen des klei- nen Durchmessers des Sacculus ist und die Axe der Commissur unter einem spitzen Winkel von ca. 10° kreuzt. Von einer Einmündung kann man streng genommen nicht reden, da er sich mit trichterförmiger Verbreiterung eontinuirlich mit dem oberen Saceulustheile verbindet, weshalb sich keine Grenze zwischen Sack und Aquzxductus festsetzen lässt. Die untere-vordere Partie des Sackes ist von einem freien, halbkreisförmigen Rande begrenzt. Nach innen-hinten-unten verschmälert sich der Sack immer mehr und zieht 12 GUSTAF RETZIUS. sich zu dem schmalen Canalis reuniens aus, welcher sich in den Ductus cochlearis einsenkt, dessen oberes Ende als den unter der Mitte der hinte- ren Ampulle und etwas nach aussen von ihr liegenden, mit der Axe nach hinten-innen-oben gekrümmten Vorhofsblindsack abgrenzend. Im Grunde des Sacculus befindet sich die Macula sacculi, welche im Allgemeinen die Formen des Sacculus wiederholt, sich gegen den Canalis reuniens hin zuspitzt und gewissermassen in den Anfangstheil desselben hineinragt. Allgemein gesprochen liegt also der Sack unterhalb des vorderen Theiles des Utrieu- lus; doch ist zu berücksichtigen, dass er sich hierbei von hinten und innen unter den Utrieulus schiebt; hier heftet er sich mit dem zipfelartigen Fort- satze an den Boden des Utrieulus an einer Stelle an, die beiläufig der Mitte der Macula utrieuli entspricht. An allen übrigen Stellen berührt er den Utrieulus nicht mehr und es entsteht so ein von lockerem Gewebe er- füllter Raum, der seine obere Begrenzung im unteren Theile des Utrieulus (längs einer Linie, wo Dach und Boden in einander übergehen), seine untere am oberen Rande des Sackes, seine hintere-innere am Vorhofsblind- sacke des Ductus cochlearis findet. Im Ganzen. zeigt der Sack Krüm- mungen in zwei Richtungen, die stärkste in der Richtung des grössten, die schwächste in derjenigen des kleinsten Durchmessers.. Was endlich die Communication zwischen Utrieulus und Sack betrifft, deren Erledigung, übrigens wegen der Zartheit und Zerreisslichkeit der Theile grosse Schwie- rigkeiten darbietet, so geschieht sie durch eine in die oben erwähnte Oeff- nung am Utrieulusboden einmündende schmale Röhre, welche, morphologisch betrachtet, als aus dem Sacke, wie als aus dem Aquzeduct entspringend ge- schildert werden kann; sie entsteht nämlich aus der Vorderseite jener trich- terförmig verbreiterten Uebergangsstelle des Aquzeducts, selbst trichterförmig, steigt ganz wenig nach abwärts und zieht, durch lockeres Zellgewebe an den Boden des Utriculus angeheftet, eine Strecke weit nach aussen und vorne, um dort einzumünden; die trichterförmige Verbreiterung ihres Ur- sprungs verliert sich allmälig; der Canal gelangt zu einer ziemlich constan- ten Breite, um erst kurz vor seinem Eindringen in den Utrieulus wieder an Breite zu gewinnen; er ist 0,6—0,7 Mm. lang. Ich glaube nun die wichtigsten bildlichen Darstellungen und Beschrei- bungen der gröberen Morphologie des ganzen membranösen Gehörorgans des Menschen und im Anschluss dazu auch desjenigen der Säugethiere ange- führt zu haben. Mit Recht lässt sich wohl behaupten, dass dieselben, be- sonders was den Menschen betrifft, im Verhältniss zu der Wichtigkeit des Gegenstandes nicht hinreichend sind. Zwar sind die Schemata von DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 13 WAaLDEYER, Krause und Hexsen sowie die von Weser-Lien und WiEDErs- HEIM im Wesentlichen zutreffend; dieselben sind aber, obwohl mehr oder we- niger, sehr schematisch und geben jedenfalls u. A. den armen »Studirenden und Aerzten» nicht genügende Belehrung über dieses bei ihren Studien so schwerverständliche, verwickelte Organ, dessen genauer Verstand durch die Beschreibungen alleine — vorausgesetzt, dass dieselben im Allgemeinen richtig seien — kaum möglich ist. Dann kommt noch hinzu, dass in den ana- tomischen Lehrbüchern und Monographien die Angaben in mehrerer Hinsicht schwebend oder einander widersprechend sind. So scheint in Betreff der Frage vom Zusammenhang des Saceulus und Utrieulus noch keine ge- sicherte Ansicht unter den Forschern zu herrschen. ' In Betreff der Nervenverzweigung des Acusticus des Menschen liefern die Figuren und Schemata sehr wenig, auch sind, wie ich schon früher angegeben’, meiner Meinung nach nicht ganz zutrefiende Ansichten geltend. Man hat‘ zwar allgemein eme Theilung des Acusticus in zwei Hauptäste, Ramus vestibularis und Ramus cochlearis, erkannt, das weitere Verhalten dieser Aeste aber in verschiedener Weise aufgefasst. »Die einen lassen den Ramus vestibularis vier Zweige haben, welche den Recessus utrieuli (Saccus hemiellipticus) und drei Ampullen mit je emem Nerven versehen, den Ramus cochlearis aber (abgesehen von dem noch dubiösen Reicnerr-Henve'schen feinen Zweigchen) zwei Zweige, welche den Saceulus (Saceus hemisphzrieus) und die Cochlea mit Nerven versorgen. Die anderen Forscher aber lassen den Ramus cochlearis nur die Cochlea versehen und den Ramus vestibularis sich in fünf Zweige theilen, welche zu dem Saceulus, dem Recessus utrieuli und den drei Ampullen gelangen.» * Sogar der auf dem Gebiete der vergleichenden Morphologie des (Gehörorgans erfahrenste, hochverdiente Forscher, Hasst ’, hatte in seiner letzten zusammenfassenden ' Siehe z. B. in der neuen zweiten Auflage (Wien 1882) des berühmten Lehrbuchs der systema- tischen und topographischen Anatomie von Ü. LANGER, wo es heisst: »Der Aquwduetus vestibuli ist ein endolymphatischer Kanal, welcher aus dem Utrieulus in eine intracranielle Blase führt. Das Kanälchen geht nämlich als häutiges dünnes Röhrchen, gleich neben der gemeinschaftlichen Mündung des oberen und hinteren Bogenganges vom Utrieulus ab und gelangt durch das bekannte knöcherne Kanälchen an die hintere Fläche der Pyramide in eine daselbst befindliche Tasche, welche von der Dura mater überlagert wird und vollständig abgeschlossen ist. Ob das Kanälchen auch mit dem Saceulus communieirt, wie an- genommen wurde, ist noch nicht sichergestellt.» 8. ebenfalls WeBer-Lier. Virchows Archiv Bd. 77, 1879, ® GustAar Rerzıus, Zur Kenntniss des inneren Gehörorgans der Wirbelthiere. Archiv f. Anato- mie und Physiologie, Anat. Abtheilung, 1380 (s. a. Nord. Med. Arkiv. 1530). * 6. Hasse, Die vergleichende Morphologie und Histologie des häutigen Gehörorganes der Wir- belthiere. Supplement zu den Anatom. Studien von ©. Hasse Band I, 1873. Ich benutze diese Gele- genheit die von mir in der eben eitirten Abhandlung übersehenen Angaben meines verehrten Freundes hier anzuführen, 14 GUSTAF RETZIUS. Arbeit über dieses Organ, nach einer sehr zutreffenden Darstellung der Ver- hältnisse bei den übrigen Wirbelthieren von den Fischen aufwärts, auch die der Säuger und des Menschen in folgender Weise besprochen: » Diese feinen Zweige des Acusticus werden nun wie die beiden Schneckenäste bei den Säugern und den Menschen zu zwei grossen Zweigen, dem Ramus cochlearis und vestibularis zusammengefasst, von denen jener die Gesammt- schnecke mit Ausnahme des Kuppelblindsacks versorgt, während dieser sich an allen übrigen Theilen verbreitet, mit einem Zweige an die hintere Am- pulle, mit einem an den Saceulus und mit einem mehr zusammenhängenden und erst später sich theilenden an den Recessus utriculi und an die zusam- menliegenden Ampullen geht. » Diesen verschiedenen Ansichten der Anatomen entgegen suchte ich in dem eben angeführten Aufsatze zu zeigen, dass der vordere Hauptast, eher in Uebereinstimmung mit den Verhältnissen bei den übrigen niedrigeren Wirbelthieren, nur den Recessus utrieuli, die vordere und die äussere Am- pulle mit je einem Zweige versieht, der hintere Hauptast dagegen sich auch in drei Zweige theilt, welche zu der hinteren Ampulle, dem Saceulus und der Cochlea gehen. Ich hob bei derselben Gelegenheit zugleich hervor, dass BrescHher die betreffenden Verhältnisse schon vor beinahe fünfzig Jahren (1833) in ähnlicher Weise dargestellt hatte. Ich habe mich nun bemüht, dazu beizutragen, eine genauere Auffas- sung der Gestalt des membranösen Gehörorgans, — dieses morphologisch und physiologisch so wichtigen Organs — auch beim Menschen herbei- zuführen und theile hier zwei meiner Abbildungen desselben nebst Be- schreibung mit. In dem demnächst erscheinenden zweiten Bande meiner grösseren Monographie über das Gehörorgan werde ich noch mehrere Figu- ren davon beifügen. Ich habe das membranöse Gehörorgan des mensch- lichen Embryo vom 5—-6ten Monat zur Darstellung gewählt, weil es mir bei ihm bisher zu wiederholten Malen am besten gelungen ist, das frag- liche Organ in vollständiger Schönheit frei zu präpariren. Ich glaube aber sagen zu können, dass keine wesentliche Verchiedenheiten zwischen diesem Stadium und dem neugeborenen und sogar vollständig entwickelten ob- walten, da es mir auch bei diesen mehrmals gelungen ist sehr erläuternde Präparate zu bekommen; über die vorhandenen Verschiedenheiten der Proportionen und Dimensionen wird bei anderer Gelegenheit berichtet wer- den. Für die Verschaffung des geeigneten Materials spreche ich hiermit mei- nen verehrten Freunden Prof. Dr W. Nerzer und Doc. Dr M. Sarıy meinen herzlichen Dank aus. DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 15 Ich benutzte bei dieser Untersuchung, wie bei meinen Studien über das Gehörorgan der niederen Wirbelthiere, die Ueberosmiumsäure (in '/,— °/, °% Lösung) und suchte durch vorsichtige und allmälige Schnitte mit feinem Scalpell Knochen und Knorpel abzutragen und das membranöse Or- gan mit beibehaltener Nervenverzweigung vollständig blosszulegen. Dies ge- lingt im angegebenen Stadium bei hinreichender Uebung und bei direktem Sonnenlicht ziemlich oft ganz gut; die grösste Schwierigkeit liegt im Weg- nehmen des Periostes und des perilymphatischen Gewebes an der Hinter- fläche des Utrieulus und Sacculus sowie zwischen ihnen; hierbei geht nicht selten das übrigens schöne Präparat verloren. Mit starkem Scalpell lässt sich aber auch, sofern man Zeit und Geduld dazu verwenden will, die harte Knochensubstanz des ausgewachsenen Gehörorgans abschaben. Sobald eine neue Partie der Kapselhöhle geöffnet wird, legt man das Präparat '/,—'/ Stunde in die Ueberosmiumsäure zurück und arbeitet dann in dieser Weise 5) fort. Das meiste, besonders die spätere Bearbeitung des Präparates, geschieht am besten unter Wasser bei Loupenvergrösserung und von unten her re- flektirtem Licht. Von dem membranösen Gehörorgan des Menschen (6-monatl. Embryo) theile ich auf der Taf. II zwei Abbildungen in 10-facher Grösse mit, von denen Fig. I dasselbe von vorn-aussen, Fig. 2 von innen- hinten gesehen wiedergiebt. Man unterscheidet bei ihm, den Verhältnissen bei den übrigen Wir- belthieren entsprechend, eine Pars superior, welche den Utrieulus mit Si- nus superior und Sinus posterior, Recessus utriculi, Ampulla anterior mit Canalis m. anterior, Ampulla externa mit Canalis m. externus, und Ampulla posterior mit Canalis m. posterior umfasst, sowie eine Pars inferior, welche aus dem Sacculus mit dem Ductus endolymphaticus und der aus der gewaltig entwickelten Pars basilaris und der verkümmerten Lagena gebildeten Cochlea besteht. Hauptsächlich in Folge der kolossalen Entwickelung des mensch- lichen Gehirns und der daraus herrührenden veränderten Stellung der Schä- delknochen ist nun aber bekanntlich die bei den niederen Wirbelthieren mehr oder weniger senkrecht gerichtete Höhenaxe des gesammten membranösen (kehörorgans bei dem Menschen nach der Seite hin geschoben, wodurch sie im Ganzen von innen-unten-vorn nach aussen-oben-hinten gestellt ist. Zu gleicher Zeit ist auch die bei den niederen Wirbelthieren mehr oder weni- ger horizontal von vorn nach hinten gerichtete Längsaxe des membr. Ge- hörorgans beim Menschen in der Weise gedreht, dass sie weit mehr senk- recht steht. Hierdurch werden die bei den niederen Wirbelthieren gebrauch 16 GUSTAF RETZIUS. ten Benennungen »vorderer», »hinterer» u. s. w. bei dem Menschen gewis- sermassen weniger zutreffend; sie sind aber ebenso richtig wie »sagittaler>», »frontaler», u. s. w. und lassen sich, besonders beim Vergleich mit den Verhältnissen bei den übrigen Wirbelthieren, mit vollem Recht anwenden. Von Nervenendstellen sind nur sechs vorhanden, nämlich: Macula acustica recessus utriculi, Orista ac. ampulle anterioris, Crista ac. ampulle ex- terne, Orista ac. ampulle posterioris, Macula ac. saceuli und Papilla ac. ba- silaris cochle@e. Wie bei den Säugethieren im Allgemeinen vermissen wir also beim Menschen zwei den meisten übrigen Wirbelthieren von den Fi- schen aufwärts zukommende Nervenendstellen, die Macula ac. neglecta und die Papilla ac. lagen® cochlew. Der Nervus acustieus (na) läuft nach aussen hin durch den Meatus auditorius internus zusammen mit dem N. facialis (f), welcher letzterer ihn dann verlässt und sich nach oben-vorn-aussen dreht, um in dem eigenen Knochenkanal den bekannten Weg fortzusetzen. Der Acustieusstamm selbst, welcher aus lose verbundenen Bündeln besteht, lässt sich in zwei grössere 3ündelpartien zerlegen, von denen die vordere-obere, dem Ramus anterior (ra) der übrigen Wirbelthiere entsprechend, zuerst neben und nach aussen- unten vom Facialis nach aussen-vorn-oben verläuft, um dann, durch eine Knochenwand von ihm getrennt, in einem eigenen kurzen Knochenkanal sich zur sog. Macula ceribrosa superior zu begeben und durch dieselbe in die Höhle des inneren (ehörorgans einzutreten; während dieses Verlaufes dreht sich der Ramus anterior noch mehr nach aussen hin und giebt endlich den aus vielen Bündeln zusammengesetzten Ramulus recessus utriculi (ru) nach aus- sen-unten zur Macula rec. utriculi ab, welcher Zweig den grössten Theil seiner Bündel zur unteren Wand des Recessus sendet, um dieselben in einer unregelmessig syringeblattartiger Ausbreitung zu versenden, während die übrigen Bündel in kurzer Verbreitungsstrecke an der inneren und hinteren Recessuswand emporsteigen, dann geht der übrige Theil des Ramus anterior weiter nach aussen-oben und theilt sich m die zwei ziemlich gleichgrossen Zweige, Ramulus amp. anterioris (raa) und Ramulus amp. externe (rae), die sich endlich winklig von einander trennen und zu je seiner Ampulle treten, um in die resp. Uriste zu endigen. Die übrige Partie der Acustieusbündel lässt sich nun zusammen als ein Ramus posterior auffassen, man kann sie aber auch als aus zwei Zwei- gen, Ramus medius und Ramus posterior s. s., zusammengesetzt betrachten, welche Auffassungsweise ebenfalls viele Vergleichspunkte mit den Verhält- nissen anderer Wirbelthiere darbietet. Der grösste Theil der Bündel sam- DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 17 melt sich nämlich zu einem dicken Ramulus basilaris (rb), welcher nach un- ten-innen vom Facialis und Ramus anterior zur Fossa cochles tritt, um hier in die Schnecke hinein zu treten und sich in bekannter Weise zu verhal- ten. Die übrige nach aussen davon befindliche Bündelpartie des hinteren Astes — Ramus medius, wenn man so will — geht nach aussen-unten hin und theilt sich in zwei Zweige, von denen der vordere, der aus mehreren kurzen getrennten Bündeln bestehende Ramulus sacculi (rs) nach aussen durch die Macula cribrosa media zur Macula ac. sacculi tritt und hier breit fächer- förmig sich verbreitet, der Ramulus amp. posterioris (rap) hingegen nach aussen von ihm als langer, ziemlich cylindrischer, dichter Zweig durch einen eigenen Knochenkanal in fast gerader Richtung nach aussen-hinten-unten läuft, um sich dem Boden der hinteren Ampulle anzulegen und in ihrer Crista zu endigen. Vergebens suchte ich hier nach einem Repräsentanten des Ramulus neglectus, es ist dieser Zweig beim Menschen spurlos ver- schwunden; nicht selten sah ich zwar vom Ramulus amp. posterioris in der Nähe seines Ursprungs einen kleinen Zweig sich abtrennen, derselbe stellte aber nur eine oft vorkommende Anastomose (an) zwischen diesem Ra- mulus und dem Ramus anterior dar. Anfangs nahm ich ferner die Mög- lichkeit an, dass der von Reichert gefundene und von Haste u. A. er- wähnte Zweig, welcher sich vom N. cochlearis zur beide Vorhofssäckchen trennenden Scheidewand begeben soll, dem Ramulus neglectus entsprechen könnte; bei genauer Untersuchung konnte ich aber nie einen solchen Zweig finden, daher ich mich auf das Bestimmteste gegen die Existenz desselben aussprechen muss. In der That wäre es ja auch, da bei den übrigen Wir- belthieren nichts Entsprechendes vorkommt, gegen alle Homologie, wenn ein derartiger Nervenzweig sich beim Menschen zu der Stelle begäbe, wo der Saceulus dem Recessus utrieuli angeheftet ist, also ziemlich weit nach vorn von der Oeffnung des Canalıs utrieulo-saceularis. Wäre beim Menschen ein Ramulus neglectus vorhanden, so würde er gewiss weit nach hinten-aussen hin von dem Ramulus amp. posterioris abgehen und in der nächsten Nähe der hinteren Ampulle, am Wahrscheinlichsten an ihrem Boden, seine Endver- breitung finden. Der Utrieulus proprius des menschlichen Gehörorgans (Fig. 1, 2 «) stellt eine kaum 2 Mm. breite, etwa 3 Mm. lange ', dünnwandige Röhre von ovalem Durchschnitt dar, welche von vorn-oben nach hinten-unten läuft und von oben-hinten nach unten-vorn etwas abgeplattet ist. Nach vorm hin geht er in den bedeutend erweiterten Recessus utrieuli über; nach aus- ’ Die hier mitgetheilten Masse geben siimmtlich die Verhältnisse beim neugeborenen Kinde wieder. ao Biol, Unters, II, 1882. 9 18 GUSTAF RETZIUS. sen-hinten setzt er sich allmälig verengert in den Sinus superior, nach unten hin, ebenfalls verengert, in den Sinus posterior fort und nimmt endlich auch an der vorderen-äusseren Seite seines unteren Endes, gerade wo er in die beiden Sinus ausläuft, das sehr erweiterte Ende des äusseren Bogengangs auf. Der Sinus superior (ss), die sog. Bogencommissur, geht ziemlich ge- streckt nach aussen-hinten-oben und hat eine Länge von etwa 3 Mm.; er hat seine breiteste Stelle beim Abgang vom Utrieulus und verschmälert sich dann nach dem äusseren Ende hin, um sich in der Nähe desselben wieder zu erweitern und die beiden Bogengänge, den vorderen von vorn-oben-aus- sen, den hinteren von aussen-hinten her aufzunehmen, wobei diese beiden Bogengänge mit einander einen Winkel von 35—40° bilden. Der Sinus superior ist im Ganzen etwas von vorn nach hinten abgeplattet: Der Sinus posterior (sp) geht, wie erwähnt, vom unteren Ende des Utrieulus aus, in- dem sich letzterer von seiner Richtung nach unten-hinten allmälıg etwas mehr nach unten umbiegt, wodurch er einen im Ganzen schwachen Bogen bildet; beim Uebergang zum Sinus posterior verengert er sich ziemlich schnell, indem sich sein äusserer Umfang stark nach innen zieht und ohne Grenze in den des Sinus posterior fortsetzt; zugleich senkt sich der innere Umfang des fraglichen Sinus als Fortsetzung desjenigen des Utrieulus zuerst etwas nach innen, um dann, dem ebenfalls nach aussen biegenden oberen Umfang ziemlich parallel, wieder nach aussen zu ziehen; der ganze Sinus posterior bildet also eigentlich die hintere Fortsetzung des Utrieulus pro- prius und stellt eine etwa eylindrische Röhre von ungefähr 1 Mm. Breite und Länge dar, welche in kurzem Bogen nach unten und dann nach unten- aussen läuft, um in die hintere Ampulle als deren » Verbindungsröhre» überzugehen. Nach vorm-oben hin setzt sich der Utrieulus direct in den Recessus utriculi (rec) fort, indem sich letzterer schnell nach innen und nach aussen sowie auch etwas nach vorn hin zu einer ung. 3.5 Mm. breiten und langen, von oben-hinten nach unten-vorn ziemlich stark abgeplatteten, rund- lich-viereckigen oder sogar breit-nierenförmigen Blase erweitert. Am Re- cessus, dessen Eingangsöffnung vom Utrieulus eine Ovale bildet, lassen sich demnach hauptsächlich eine obere-hintere Wand oder »Dach» und eine untere-vordere Wand oder »Boden» unterscheiden; das nach oben-hinten siehende und schwach gewölbte, dünnwandige Dach empfängt in der Nähe seiner abgerundeten vorderen-äusseren Ecke die vereinigte vordere und äus- sere Ampulle vermittelst einer ovalen Mündungsöffnung, deren Längsaxe von oben-vorn-innen nach unten-hinten-aussen steht. Der im Ganzen gleich- DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 19 gestaltete, nach unten-vorn hin etwas gewölbte Boden enthält in der mitt- leren und vorderen, mithin der grössten Partie seiner oberen Fläche die Macula acustica recessus utriculi (mu). Diese Macula hat eine unregelmäs- sige, hauptsächlich schief syringenblattähnliche Gestalt und kehrt die Spitze nach aussen-unten-hinten bis zur Nähe der entsprechenden Ecke des Reces- sus; die Basis zieht sich etwas, obwohl gewöhnlich nur sehr wenig, an dem inneren und vorderen Umfang hinauf, um am letztgenannten Ort sogar mit einem abgestumpften Flügel ein wenig auf das Dach hinüberzugreifen; nach aussen von dieser letzteren Partie findet sich am vorderen Rande der Ma- cula, da also, wo die Macula den vorderen Umfang des Recessus nicht er- reicht, ein ziemlich tiefer, ovaler Einschnitt; nach aussen davon zieht der Macularand unter der Einmündungsstelle der vorderen und äusseren Ampulle neben dem äusseren Recessusumfang in convexem Bogen nach ihrer Spitze an der äusseren-hinteren Ecke hin, um dann wieder in weniger con- vexem Bogen schief über den Boden des Recessus, eine Strecke vor und über die Einmündungsöffnung des Utrieulus proprius, nach dem inneren Umfang zu ziehen. Die Längsaxe der Macula zieht also von der vorderen- oberen-inneren bis zur entgegengesetzten Ecke des Recessus, mithin von vorn-oben-innen nach hinten-unten-aussen und misst etwa 3 Mm.; die grösste Breite fällt ungefähr quer über dieselbe und beträgt etwa 2,4 Mm. Auf dieser Macula liegt eine in ähnlicher Weise gestaltete, sehr dünne, concave Otolithenkristallenmasse. Die membranöse Bodenwand des Recessus ist in der Ausdehnung der Macula, besonders gegen die Mitte hin, wie Opexıus gezeigt hat, nicht unbedeutend verdickt und über ihrer unteren Fläche breitet sich der Ramulus rec. utrieuli in der Weise aus, dass die Anfangs ziemlich parallel neben einander zur Gegend der vorderen- oberen-inneren Ecke gelangenden Bündel allmälig aus einander divergiren, indem die mittleren nach der hinteren-unteren-äusseren Spitze und der in der Längsaxe der Macula liegenden Partie laufen, um sich hier spitzwinklig von einander zu trennen; die vorn-innen-oben davon befindlichen Bündel gehen ebenfalls spitzwinklig auseinander, um den hier befindlichen Theil der Macula zu versehen, den oben erwähnten Einschnitt derselben frei lassend; einige Bündel ziehen auch divergirend am inneren-oberen Umfang des Re- cessus zur hier liegenden Maculapartie empor; die nach hinten-innen-unten von der Längsaxe befindlichen Bündel endlich breiten sich spitzwinklig divergirend über die entsprechende Partie der Maculawand aus. An der am inneren Umfang des Recessus liegenden Ecke der Macula finden sich die von ÖOpexius erwähnten kurzen und mehr gebogenen Bündel, welche 20 GUSTAF RETZIUS. in dieser kleinen hinteren-unteren-inneren Partie der Macula endigen. Alle Fasern dieser Nervenbündel biegen sich nun nach kürzerem oder längerem Verlauf längs der unteren Fläche der Recessuswand um und ziehen durch dieselbe nach dem Maculaepithel hin, um in ihm ihr Ende zu finden. An der eben besprochenen unteren oder Bodenwand des Recessus ist noch die seit Reiıcnert bekannte und von ihm als eine die beiden Vor- hofssäckehen trennende Scheidewand bezeichnete Eigenthümlichkeit vorhan- den, welche Opextus, ebenfalls beim Menschen, genauer beschrieben hat. An der hinteren-unteren-nneren Ecke der unteren oder Bodenwand des Recessus zwischen der Gegend des hinteren Umfangs der Macula, diesen gewöhnlich etwas überragend, und der Einmündungsöffnung des Utrieulus haftet die nach aussen hin umgestülpte, dütenförmige obere Partie des Sacculus in einer etwa dreieckigen, 1 Mm. breiten Ausdehnung sehr fest an; die Wände der beiden Säckchen sind jedoch nicht zu einer einzigen ver- schmolzen, sondern lassen sich bei vorsichtiger Präparation von einander ab- lösen, an der Sacculuswand ist, wie schon Opzxıus bemerkt, keine ihr an- gehörige Nervenverbreitung vorhanden; ich habe hier oben hervorgehoben, dass der von Reicnerr und nach ihm von Hrxtr u. A. als Cochlearast dieses Septum beschriebene Nervenast nicht existirt. Die ganze Eigenthüm- lichkeit beläuft sich also nur auf eine lokale Anheftung der Wand des Sacculus an die des Recessus utrieuli. Gerade nach hinten-unten von dieser Anheftungsstelle zieht sich der innere Umfang des Recessus nach aussen hin hakenförmig ein, wodurch die Grenze gegen den Utrieulus abgegeben wird, und setzt sich in den eingezogenen inneren-unteren Umfang des Utrieulus proprius fort. Von dieser Einschnürungsstelle eine Strecke nach hinten hin ist die untere-innere Wand des Utriculus nach innen von einer nach hinten-unten und dann etwas mehr nach aussen umbiegenden Linie verdickt, während sie nach aussen davon sehr dünn ist; diese Linie stellt gewissermassen eine Firste dar, zu deren beiden Seiten der Utrieulus von vorn-unten nach hinten-oben etwas abgeplattet ist; die dünne nach vorn von der Linie belegene Wand senkt sich nun, eine kleine Strecke hinter der eben besprochenen Einschnürungsstelle, unter den Rand der verdickten Firste ein wenig ausgebuchtet, und von ihr geht der von Borrrenrr entdeckte und dann noch von Carı bei Embryonen von Säugethieren beschriebene Kanal, der Canalis utriculo-saccularis (cus), als schmale und sehr stark ab- geplattete, dem inneren-unteren Utrieulusumfang dicht anschmiegende häutige Röhre ab, welche sich zuerst noch mehr verschmälert und ein nur eng spalten- DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN, 21 förmiges Lumen besitzt, um, der inneren-oberen Utrieuluswand noch im- mer folgend und wieder etwas erweitert, zuletzt in den hier vorbeiziehen- den Duetus endolymphaticus sacculi einzumünden. Es lässt sich dieser Kanal, wie Cart bemerkt, nur bei grösster Sorgfalt der Präparation nach- weisen. Bevor wir den Utrieulus und Recessus utrieuli verlassen, werden wir noch einen Blick auf die Lage und Gesammtgestalt des Recessus utriculi werfen. Der als eine abgeplattete, viereckige aber besonders vorn-oben mit stark abgerundeten Ecken versehene Blase gestaltete Recessus bildet, wie erwähnt, eine directe Fortsetzung des Utrieulus nach oben-vorn; von den vier Ecken befinden sich zwei untere-hintere beim Uebergang in den Utri- eulus, indem eine derselben, die innere, durch die eben beschriebene Ein- ziehung des inneren Umfangs neben der Anheftungsstelle des Sacculus entstanden ist; die zweite, die äussere, nach noch bedeutend stärkerer Auswärts- biegung des äusseren Utrieulusumfangs an der äusseren-unteren Macula- spitze sich befindet und hier, besonders bei der Ansicht von vorn oder vorn- aussen (Fig. 1 rec), als sackartige Ausstülpung auffällt. Von diesen beiden Ecken geht sowohl der innere als auch der äussere Umfangsrand nach vorn-oben hin, um an den beiden entsprechenden Ecken umzubiegen und am vorderen Umfang zusammenzulaufen; die innere der beiden vorderen-oberen Ecken ist ziemlich stark abgerundet und der Recessus schiesst als eine bedeutende sackartige Ausstülpung stark nach innen hin hervor, was besonders bei der Ansicht von oben oder hinten auffällt (Fig. 2 rec); die äussere der beiden Ecken wird durch die nach oben von ihr einmündende vordere und äussere Ampulle gewissermassen verdeckt; sie hat übrigens auch, wie angedeutet wurde, eine ziemlich stark abgerundete Gestalt. Die drei Ampullen sind von ungefähr gleicher Grösse (etwa 2 Mm. Länge); die vordere und die äussere sind zugleich von ziemlich gleich- artiger Gestalt, während die hintere ein wenig davon abweicht. Die vordere Ampulle, Ampulla anterior (aa), stellt eine länglich ovale Blase dar, deren Längsaxe in der Richtung nach vorn-oben-aussen steht; sie ist von den Seiten her etwas zusammengedrückt, hat ein nach oben-hinten siehendes, schön gewölbtes Dach, an dessen Mittellinie nach dem Lumen der Am- pulle hin ein schon für das unbewaffnete Auge wahrnehmbarer Raphe- streifen des Epithels vorhanden ist. Der nach unten-vorn gerichtete, schwächer gewölbte Boden wird durch das quere Septum in eine hintere- untere kürzere und eine vordere-obere grössere Grube getrennt; dies Sep- tum transversum ist, wie bei den übrigen Vertebraten, gewissermassen als 22 GUSTAF RETZIUS. eine durch das Hervordringen des betreff. Nervenzweigs hervorgerufene quere Falte der Bodenwand zu betrachten; das Septum mit den durchzie- henden Nervenfaserbündeln und der auf ihm gelagerten Crista acustica hebt sich an der Mitte, wo es seine höchste Höhe erreicht, vom Ampullenbo- den ungefähr bis zu einem Drittel der Ampullenhöhe empor; mit seinen beiden seitlichen Partien steigt es ziemlich hoch an den Seitenwänden der Ampulle hinauf; hierdurch bekommt der obere Rand desselben, von den Enden der Ampulle gesehen, eine stark concave Gestalt; dieselbe ist aber nicht ganz gleichmässig, sondern das Septum steigt an der äussern Wand etwas höher empor, weshalb der obere Rand erst gegen das innere Ende hin — immer im Verhältniss zur Mittellinie des Ampullendaches — am tiefsten steht. Zugleich ist aber auch die ganze Ampulle etwas schief, so dass das Dach etwas nach aussen von der Mittellinie am höchsten und die äussere Seitenwand der Ampulle etwas flacher ist als die innere. Von der Dach- seite der Ampulle gesehen, erscheint das quere Septum mit der Crista acu- stica schmal bisquitförmig mit schwacher und tief hinabsteigender mittlerer Einziehung und abgerundeten, an den Seitenwänden der Ampulle empor- steigenden Enden. Um jedes dieser beiden Enden bemerkt man an den Sei- tenwänden ferner in der Gestalt eines Halbmondes oder gebogenen Bandes die Anordnung des Epithels, welche als Planum semilunatum beschrieben wor- den ist. Kurz nach vorn von dem Septum transversum ist die äussere Seitenwand, besonders in der unteren Partie, tief ausgeschnitten; sie stösst nämlich hier mit der inneren Wand der äusseren Ampulle zusammen, indem beide Ampullen zu einer Höhle oder kurzen Röhre zusammenmünden, um in den NRecessus überzugehen, wobei die innere Seitenwand der vorderen Ampulle zur inneren Wand dieser Röhre, das Dach derselben Ampulle zu- sammen mit dem der äusseren zur oberen-hinteren Wand der Röhre, an welcher jedoch eine längslaufende Falte die Grenze der Ampullen noch andeutet, und die äussere Seitenwand der äusseren Ampulle zur äusseren Wand derselben Röhre wird; ihre untere-vordere Wand wird ebenfalls durch Zusammenfluss der Bodenwände der beiden Ampullen gebildet. Die kurze gemeinsame Mündungsröhre der beiden Ampullen hat ungefähr die Breite einer derselben und zuweilen etwas mehr, besitzt ferner ovalen Durchschnitt und öffnet sich mit ovaler Mündung, wie oben erwähnt, über der oberen-vorderen-äusseren Ecke des Recessus. Das vordere-obere Ende der Ampulle verschmälert sich ziemlich schnell zu dem schmal röhrenför- migen, etwa 13 Mm. langen vorderen Bogengang, Canalis membran. anterior (ca), welcher nach vorn-oben-aussen hin umbiegt und in sanftem schönem DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 23 Bogen dann nach hinten-oben-aussen, so nach. hinten-unten und ein wenig nach innen läuft, um endlich, wie erwähnt, etwas erweitert in das obere Ende des Sinus superior oder die Bogengangscommissur einzumünden. Die äussere Ampulle, Ampulla externa (ae), hat eine der der vorderen ähnliche Gestalt und Grösse, ist mit ihrer Längsaxe nach vorn-aussen und etwas nach oben gerichtet, kehrt ihr schön gewölbtes, etwas nach oben hin schiefes, mit einem an der Mittellinie belegenen Raphestreifen versehenes Dach nach aussen-unten-hinten, sowie ihren wie bei der vorderen Ampulle gebauten Boden nach innen-oben-vorn hin. ‘ Die äussere Ampulle liegt übrigens nach unten und etwas nach aussen von der vorderen Ampulle. Das Septum transversum mit der COrista acustica ist in ähnlicher Weise wie bei der vorderen Ampulle gebaut, steigt aber an der inneren Seitenwand höher empor, wodurch der obere Rand desselben am tiefsten in der Nähe des äusseren Endes zu stehen kommt und parabolisch erscheint. Ueber beiden Enden der, von der Dachseite betrachtet, schmal bisquitförmigen, mit ab- gerundeten Enden versehenen Crista acustica findet sich je ein Planum seminulatum, ganz wie in der vorderen Ampulle. Wie oben geschildert wurde, steigen der Ramulus amp. anterioris und der Ramulus amp. externe neben einander und gewissermassen zwischen die beiden Ampullen von innen-unten empor, trennen sich dann in der Nähe der dicht zusammen- liegenden Ampullen spitzwinklig von einander und gehen zu je seiner Am- pulle, um in deren Septum transversum einzudringen und in der Crista zu endigen; jeder Zweig theilt sich in Folge der Gestalt der Septa ge- wissermassen gabelförmig und umfasst in solcher Gestalt die Ampulle; zu- sammen mit dem hier etwas verdichteten perilymphatischen Gewebe bilden die beiden Zweige auswendig an beiden Enden der Septa, also an den beiden Seitenwänden der Ampullen eine kleine höckerige Anschwellung. Ueber die Zusammenmündung der äusseren Ampulle mit der vorderen und ihre ge- meinsame Einmündung in den Recessus ist schon berichtet worden. Das äussere-obere Ende der Ampulle zieht sich ziemlich schnell zu dem schmal röhrenförmigen äusseren Bogengang, Canalis membran. externus (ce) zusam- men; dieser läuft zuerst nach aussen-oben-vorn, dann umbiegend nach aussen- unten-hinten und endlich nach hinten-innen, um zuletzt, fast gerade nach innen laufend, in ziemlich spitzem Winkel an das Utrieularende des Sinus su- perior anzutreten und hier sehr, sogar fast blasenartig erweitert sowie etwas nach oben hin gebogen mit grosser ovaler Oeflnung von der lateralen Seite her in das hintere-untere Ende. des Utrieulus nach unten und hinten von der Einmündung des Sinus superior überzugehen; in Folge der etwas 24 GUSTAF RETZIUS. schiefen Einmündungsweise des Bogengangs entsteht an der Oeffnung zwischen ihm und dem Utriculus eine lange concave, von unten-innen nach oben-aussen gerichtete Falte, welche der ähnlichen Bildung bei anderen Wirbelthieren entspricht. Der äussere Bogengang ist etwa 11,5 Mm. lang und im Ganzen nur wenig schmaler als der vordere. Die hintere Ampulle, Ampulla posterior (ap), hat auch im Wesent- lichen eine der der anderen Ampullen ähnliche Grösse und Gestalt; ihr utrieulares, oberes-vorderes Ende ist jedoch schmaler, indem sie, wie oben beschrieben wurde, mit verhältnissmässig enger Mündung von dem nach unten-aussen gebogenen, schmalen kurzen Sinus posterior oder der » Ver- bindungsröhre der hinteren Ampulle» ausgeht; diese Ampulle ist mit ihrer Längsaxe im Ganzen nach unten-aussen-hinten gerichtet, kehrt das schön ge- wölbte, in der Mittellinie mit Raphestreifen versehene Dach nach oben- aussen-hinten und den ein queres Septum besitzenden Boden nach entgegenge- setzter Richtung. Das Septum transversum mit seiner Orista acustica steht nicht ganz in der Queraxe der Ampulle, sondern bildet mit der Längsaxe nicht rechte Winkel, indem das vordere Ende relativ mehr nach innen hin gerückt ist als das hintere; übrigens zeigen Septum und Crista dieselbe Gestalt wie bei den anderen Ampullen; sie umfassen, zusammen mit dem Ner- venzweige, die Ampulle gabelförmig und erscheinen, von den Enden der Ampulle gesehen, concav, indem ihr oberer Rand von der Mitte, die absolut am, höchsten ist, nach beiden Seiten hin an den Seitenwänden der Ampulle mit abgeplatteten Enden emporsteigt; das Septum mit der Crista ist hier aber nicht, wie bei den anderen Ampullen, schief und an der einen Seiten- wand höher emporragend; ebenso wenig erscheint das Ampullendach schief nach einer Seite hin gedrückt. Von dem Ampullendach gesehen ist das Septum mit der Crista ebenfalls schmal bisquitförmig mit abgerundeten, an den Seitenwänden emporsteigenden Enden, über welche je ein halbmond- förmiges oder gebogen bandähnliches Planum seminulatum vorhanden ist. Der von innen-oben-vorn in gestreckter Richtung kommende Nervenzweig geht unter dem Sinus posterior zum Ampullenboden und biegt sich in das Septum empor. Das untere-äussere Ende der Ampulle verengert sich etwas langsamer als bei den anderen beiden Ampullen zu dem hinteren Bogen- gang, Canalis membran. posterior (cp), welcher, sich Anfangs allmälig noch mehr verschmälernd, zuerst nach unten-aussen, dann schwach gebogen und nach oben-aussen umbiegend, nach oben-vorn hin steigt, um endlich nach innen zu ziehen und, wie erwähnt, gemeinsam mit dem vorderen Bogen- gang in das äussere Ende des Sinus superior oder die Bogengangscommissur DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 25 einzumünden. Die Länge des hinteren Bogenganes beträgt 13 Mm. So- wohl an der Bodenpartie der Ampulle wie am Boden des Utrieulus und Sinus posterior suchte ich ganz vergebens jede Spur einer Macula neglecta; dieselbe ist sammt ihrem Nervenzweig wieder vollständig verschwunden, was jedoch von besonderem morphologischem Interesse ist. Nach dieser Schilderung der die »Pars superior» bildenden Theile gehe ich zur Darstellung der Pars inferior über und beginne mit dem Saceulus. Der Saceulus (s) stellt eine nach innen vom Utrieulus liegende, unregel- mässig gestaltete Blase dar, welche im Vergleich mit den Verhältnissen bei den übrigen Vertebratklassen, mit ihrer mittleren und hinteren Partie im Ganzen ungewöhnlich weit vom Utriculus nach innen (unten) hin verscho- ben ist. Der Sacculus ist, wie Opzntus hervorhebt, von aussen nach innen ziemlich stark abgeplattet und lässt sich hier deswegen schwerlich, wie Carı beim Rinde beschrieben und abgebildet hat, mit einer Birne vergleichen. Er ist im Ganzen so unregelmässig, dass sich kaum ein guter Vergleich finden lässt; man kann ihn aber als eine stark abgeplattete ovale Blase von ungefähr 3 Mm. Länge und kaum 2 Mm. Breite auffassen, deren Längs- axe beinahe senkrecht oder eigentlich von oben-innen nach unten-aussen, deren Breitenaxe ungefähr von vorn nach hinten gerichtet ist, und die ihren geringsten Durchmesser in der Richtung von aussen nach innen hat; diese Blase kehrt ihren zugespitzten Theil nach unten und etwas nach aussen hin. Man unterscheidet beim Sacculus, wie Opextus gethan hat, eine in- nere flach-schalenförmige dieke und eine äussere sehr dünne, unregelmässige aber im Wesentlichen ebenfalls schwach eoncave Wand, welche letztere am oberen Ende eine dem Recessus utrieuli angeheftete Ausstülpung aussendet, am äusseren-hinteren Umfang den Ductus endolymphaticus nach aussen hin abgehen lässt und am unteren Umfang, zusammen mit der inne- ren Wand, den Canalis reuniens Henseni nach unten hin ausschickt. Die schwach concave oder schalenförmige innere ovale Wand empfängt von innen her den aus mehreren durch die Knochenwand getrennt verlaufenden Bündeln bestehenden kurzen Ramulus saceuli, welcher sich an ihrer me- dialen Fläche in der Weise breit fächerförmig verzweigt, dass er nach hinten gehend dieselbe grösstentheils bedeckt, indem die unteren Bündel etwas gebogen nach hinten-unten, die mittleren mehr gerade nach hinten und die oberen nach hinten-oben bogenförmig verlaufen, um alle in der hier an der lateralen Wand befindlichen Macula acustica sacculi (ms) zu endigen. Diese Macula hat eine länglich-ovale Gestalt, mit der Längsaxe von etwa 2,5 Mm. in derselben Richtung wie die der Saceulusblase selbst und der Biol, Unters, II, 1882, 4 26 GUSTAF RETZIUS. Breitenaxe von kaum 1,5; Mm. im Ganzen von vorn nach hinten; ihr vor- derer Rand ist ziemlich regelmässig convex, der hintere dagegen ist mit einem breiten Einschnitt versehen, dessen Spitze etwas nach oben von der Mitte fällt; hierdurch erscheint die Macula gleichsam mit zwei nach hinten hin gerichteten, obwohl nicht stark ausgebildeten Flügeln versehen, von denen der eine in der Nähe des oberen, der andere am unteren Ende gelegen ist. Die ganze Macula ist, wie die innere Sacculuswand selbst, sowohl von oben nach unten als von vorn nach hinten etwas schalenförmig ausgehöhlt und auf ihr liegt eine ebenso gestaltete, sehr dünne Scheibe von sehr lose ver- bundenen Otolithenkristallen. Entsprechend der Ausdehnung der Macula ist nun, wie Opexivs gezeigt hat, die häutige Sacculuswand verdickt, und die oben erwähnten Bündel von Nervenfasern durchziehen sie, nach kürzerem oder längerem Verlauf gegen die Maculafläche hin umbiegend. Nach den Rändern der Macula hin verdünnt sich die Wand allmälig und geht jenseits von ihnen in die dünne Wand über, welche, bald umbiegend, die äussere Sacculuswand bildet; diese letztere ist, wie erwähnt, gleich der inneren Wand von aussen hin etwas concav, besonders in ihrem vor- deren und mittleren Theil; nach hinten-aussen hin erhebt sie sich allmälıg, um den Ductus endolymphaticus abzugeben, und oben biegt sie sich bogen- förmig in etwa geradem Winkel nach aussen hin um, um die dreieckig- mützenförmige Ausstülpung zu bilden, welche der unteren Fläche des Re- cessus utriculi neben seinem Uebergang in den Utrieulus innig ange- heftet ist und die ich Sinus utricularis sacculi (sus) nennen will; wie oben gezeigt wurde, lässt sich indessen die Sacculuswand ohne zu zerreissen vollständig vom Recessus ablösen, so dass eine Verschmelzung der beiden Wände — eine gemeinsame Scheidewand — nicht vorhanden ist. Der hintere Umfang des Sacculus erhebt sich, wie erwähnt, nach aussen hin und von ihm geht der von BorTTcHEr zuerst entdeckte Ductus endo- Iymphaticus (de) als sich mit trichterförmiger Mündung allmäliıg verschmä- lernde Röhre aus. Gewöhnlich findet man an dieser Röhre nahe ihrem Abgange eine kleine halsartige Einschnürung, indem sie sich dort ein wenig, besonders nach hinten hin, erweitert und sich etwas nach oben hin umbiegt, um dann, dem medialen Umfang des Utriculus sich nähernd, den Weg neben und hinter dem Utrieulus nach aussen-oben zu nehmen; hierbei verengert sich die Röhre allmälig und nimmt an der hinteren Seite des Utri- culus den ebenfalls von BorTTcHEr entdeckten und oben näher beschriebenen, vom Utrieulus ausgehenden, platten, engen Canalis utriculo-sacceularis (cus) mit spaltenförmiger Oefinung auf. Es kann nun dieser Theil, wie es DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 27 Carı vorschlägt, bis zur Einmündung des eben genannten Kanales als eine röhrenförmig ausgezogene Partie des Sacculus betrachtet und der eigentliche Ductus erst von da ab gerechnet werden; hierdurch gewinnt man den Vortheil, dass die Verbindung zwischen Utrieulus und Sacculus vermittelst des Canalis utrieulo-saccularis in näherer Uebereinstimmung mit den Verhältnissen bei den übrigen Wirbelthierklassen stattfindet; hiergegen spricht nur der Umstand, dass der fragliche Gang beim Menschen, wie es Carr beim Rinde beschrieben und abgebildet hat, beim Eintritt des Ver- bindungskanales nicht mehr weit trichterförmig, sondern schon als ziemlich enge Röhre eine Strecke verlaufen ist und sich deswegen eher als ein Ductus endolymphaticus erweisst. Jedenfalls ist es aber, im Vergleich zu den Ver- hältnissen bei den anderen Wirbelthieren, richtiger, beim Menschen die Sache so aufzufassen, dass der Canalis utrieulo-saceularis in den Ductus endolym- phaticus sacculi — oder in den Sacculus — einmündet, anstatt, wie sonst gewöhnlich geschieht, das Verhalten in der Weise darzustellen, dass der Ductus endolymphaticus durch den Zusammenfluss zweier getrennt vom Utri- eulus und Sacculus kommender Röhren entsteht. Wie man es indessen auffassen mag, die anatomische Einrichtung bleibt jedoch eine und dieselbe. Nachdem nun der Ductus endolymphaticus eine Strecke hinter dem Sinus superior utrieuli nach aussen-oben verlaufen ist, dringt er in den Knochenkanal des Aqusductus vestibuli ein und geht in diesem, wie Co- TuGNo längst beschrieben und BorTTcHEr wieder gefunden hat, weiter, in- dem er sich bogenförmig nach aussen-hinten-unten dreht und in dieser Richtung verläuft, bis er durch die Apertura aquasd. vestibuli an der hinteren-oberen Fläche der Pars petrosa hinausdringt und sich zu dem zuerst von Corusxo, dann von BorrrcHer aufs Neue entdeckten, von Axzı Key und mir näher beschriebenen Saccus endolymphaticus erweitert, welcher als blinde sackartige Ausstülpung zwischen zwei Blättern der Dura mater eingeschlossen liegt. Wie oben hervorgehoben wurde, haftet nur die obere als Sinus utri- eularis sacculi bezeichnete Ausstülpung des Sacculus dem Utrieulus an, der übrige mittlere und untere Theil desselben ist durch einen verhältniss- mässig grossen Raum von dem nach aussen davon befindlichen Utrieulus getrennt. Das untere, am meisten abgeplattete und allmälig verschmälerte Ende des Sacculus verengert sich, nachdem es das untere Ende der Macula acustica enthalten hat, noch mehr trichterförmig und geht allmälig in den von Hexsen entdeckten Canalis reuniens Henseni (csc) über, welcher als dünnwandige Röhre von etwa 1 Mm. Länge und 0,5 Mm. Breite zuerst nach unten hin läuft und sich dann nach aussen biegt, um nach innen von der 28 GUSTAF BETZIUS. hinteren Ampulle in den Ductus cochlearis (Pars basilarıs cochlese), etwas nach innen von dessen blindem vestibularem Ende, einzumünden. Dieser höchst wichtige Verbindungskanal zwischen Saeeulus und Cochlea des mem- branösen Gehörorgans des Menschen, welcher bei den meisten niederen T'hieren bekanntlich Homologa aufzuweisen hat, besitzt keine Nervenendstelle, indem sich, wie erwähnt, die Macula ac. saceuli nicht in ihn erstreckt. Der Ductus cochlearis der Schnecke, bei welchem man die beim Men- schen gewaltig entwickelte Pars basilaris cochlee von der hier nur rudi- mentär vorhandenen Lagena cochlee der übrigen Wirbelthierklassen zu un- terscheiden hat, besteht bekanntlich aus dem vestibularen Schmeckentheil Reıcherr's und dem spiralig aufgewundenen Schneckengang. Der vesti- bulare Schneckentheil, welcher grösstentheils noch im knöchernen Vestibu- lum liegt, beginnt mit dem Vorhofsblindsack Reıcnerrs, der als taschenför- miges äusseres blindes Ende des Ductus cochlearis nach aussen von der Einmündung des Canalis reuniens ausläuft. Von hier aus geht der Schnec- kengang zuerst nach innen und ein wenig nach oben-vorn, dann senkt er sich in schwachem Bogen nach innen-unten-vorn, um ferner die spiraligen Touren nach innen-oben, dann nach einer schwachen winkeligen Kniekung nach oben, so wieder unter etwas stärkerer Biegung nach oben-aussen, dann wieder nach aussen-unten u. s. w. zu ziehen, bis er nach etwa 2'/, maliger helixähnlicher Windung um eine von hinten-innen nach vorn-aussen gestellte Axe unter allmäliger Verschiebung nach vorn hin mit einer blin- den taschenähnlichen Ausstülpung, Lagena (l), endigt. Es liegt nicht in dem Plane dieser Arbeit hier den Ductus cochlearis mit seinen verwickelten Einrichtungen zu beschreiben, da derselbe schon in vielen Arbeiten aus- führlich geschildert worden ist und ich beabsichtige, in dem zweiten Theile meines grösseren Werkes über das Gehörorgan näher darauf einzugehen. Deswegen lasse ich nun dies hochwichtige Gebilde mit seiner langen spira- ligen Papilla ac. basilaris (Organon Corti) und den zugehörigen zahlreichen Nervenbündeln unberücksichtigt und werde nur die Lagena (l) mit einigen Worten besprechen. Diese blinde taschenartige Ausstülpung des Ductus eochlearis, welche der Lagena der übrigen Wirbelthiere oder eigentlich der der Vögel, Reptilien nnd Amphibien homolog ist, stellt nunmehr nur das letzte Rudiment dieses bedeutungsvolles Gebildes dar. Sie hat, nachdem sich aus ihr die Pars basilaris cochlee schon bei den Urodelen entwickelt und bei den Reptilien, Vögeln und Monotremen stärker ausgebildet hat, bei den höheren Säugethieren und beim Menschen gewissermassen die Idee ihres Daseins verloren, hat ihren Entwickelungsgang vollzogen und ist wieder in ein DIE GESTALT DES MEMBR. GEHÖRORGANS DES MENSCHEN. 29 retrogrades Stadium eingetreten, um nur noch als Rudiment ihr Dasein anzukündigen. Sie ist nämlich nicht nur von ganz geringer Grösse, sondern hat vor Allem auch ihre Nervenendstelle, Papilla ac. lagen®, und ihren Ner- venzweig, Ramulus lagen®, ganz verloren. Man sucht in der Lagena des Menschen vergebens nach jeder Spur dieser Nervenendstelle und ihres Nervenzweiges; dieselben scheinen nicht mit der Papilla basilaris und deren Nerven verschmolzen, sondern eher, wie gesagt, ganz verloren gegangen zu sein. Eine Ansammlung von Ötolithenkristallen ist in der Lagena des Menschen ebenfalls nicht mehr vorhanden, ebenso wenig kommt eine solche irgendwo an der Papilla basilaris vor. Bemerkenswerth ist es indessen, dass der nach hinten belegene Boden der Lagena nach ihrem Abgange aus dem Ductus cochlearis etwas vertieft ist, wodurch eine An- deutung ihrer früheren grösseren taschenähnlichen Erweiterung angegeben ist. Die Papilla acustica lagen» ist somit die zweite Nervenendstelle, welche bei den höheren Säugethieren und dem Menschen verschwunden ist, in- dem, wie oben hervorgehoben wurde, die Macula acustica neglecta einen ähn- lichen regressiven Entwickelungsgang durchgelaufen hat, eine Thatsache, die gewiss von hohem morphologischem Interesse ist. Die Papilla ac. lagen hat jedoch vor ihrem Verschwinden ein Kind erzeugt, welches zur wichtigsten Nervenendstelle des gesammten (ehörorgans geworden ist, wodurch sie selbst gleichsam überflüssig wurde. Das Auftreten und Verschwinden der Macula ac. neglecta stellen dagegen ein ungelöstes Räthsel dar, welches gewisser- massen als ein misslungener Versuch der Natur erscheinen dürfte. Je- denfalls steht die eigenthümliche Thatsache fest, dass, während die meisten Fische sieben, die Amphibien, Reptilien und Vögel acht getrennte Ner- venendstellen mit zugehörigen Nervenzweigen haben, die höheren Säuger und der Mensch nur sechs solche besitzen; durch die gewaltige Entwickelung der Papilla ac. basilaris ist dieser scheinbare Mangel jedoch nicht nur aus- geglichen, sondern in hohem Grade übercompensirt geworden. Es ist diesmal nicht meine Absicht, auf das Verhalten des perilympha- tischen JBaumes mit allen seinen Spalten und Gängen, sowie auf das der Sückchen und Bogengänge des membranösen Gehörorgans zu den Wänden der knöchernen (ehörkapsel einzugehen, sondern werde ich diese Fragen in meinem grösseren Werke besprechen, wo ich gleichzeitig die nöthigen Abbildungen mittheilen werde. 30 GUSTAF RETZIUS. Erklärung der Abbildungen. TAFEL I. Zusammenstellung genauer C'opien der bisherigen Abbildungen des gesamm- ten membranösen Gehörorgans des Menschen (und Rindes), wie sie in der betreff. anatomischen Literatur vorliegen. Die Figuren sind nach einer gemeinsamen Richtung angeordnet, um überschaulicher zu werden. Die Bezeichnungen sind meistens in meine Nomenclatur übergeführt worden. Fig. I. A und B nach Brescher (Etudes anat. et phys. sur lorg. de l’ouie ete. 1833); A stellt das in der geöffneten Knochenkapsel liegende vergrösserte linke membranöse Gehörorgan des Menschen (von vorn her) dar. «a Ampulla ante- rior; b Amp. externa; c Amp. posterior, alle drei mit ihren Nervenzweigen versehen; d Sinus superior; e Utrieulus, mit der in seiner Mitte flottirenden Otolithen- masse, in deren Nähe derselbe einen Nervenzweig empfängt; s-Sacculus, dem Utriculus anhaftend und eine zweite Otolithenansammlung enthaltend, in deren Nähe ebenfalls ein Nervenzweig sich verbreitet; g Scala vestibularis der Schnecke; h Scala tympani derselben; zwischen den beiden letztgenannten sieht man die La- mina spiralis; in der Nähe von i finde sich die Fenestra rotunda. Fig. IL B stellt das linke membranöse Gehörorgan des Menschen isolirt und vergrössert und in derselben Anordnung wie in Fig. 1 A, aber mit sämmtlichen Nervenzweigen dar. a,b,c,d,e, f=in Fig. 1A; % Faecialis; ! Ramus anterior acust. mit m Ramulus anterioris; n Ramulus amp. externe und o Ramulus rec. utrieuli; p Ramus posterior acust. mit qg Ramulus sacculi und r Ramulus basilaris. Fig. I stellt nach Issex (Anat. Undersog. o. Örets Labyrinth 1846 und 1881) das vergrösserte linke membr. Gehörorgan des Menschen (neugeb. Kindes) mit theilweise abgetragener Knochenkapsel dar; a Cochlea; b Vestibulum; ce Utri- eulus; d Canalis m. anterior; e 1 vorderes, 2 hinteres Ende des Canalis m. exter- nus; / Canalis m. posterior; g häutiger Kanal, welcher von der unteren Fläche des Utrieulus her in das nach aussen von der Fenestra ovalis belegene Loch des Knochens hinabsteigt und blind endigt; A Steigbügel, in dem Fenster befestigt. Fig. III stellt nach ReıcHerr (Beitrag z. fein. Anatomie der Gehörschnecke d. Menschen u. d. Säugeth. 1864) das Schneckengehäuse des linken Ohres vom Menschen (neugebor. Kinde) mit Oeffnung des knöchernen und Erhaltung des häutigen Vorhofs in 6-maliger Vergrösserung dar. rhs Gegend des Recessus he- misphzricus; /sp Lamina spiralis primaria; Pv Zugang zur Vorhofstreppe; fo Randstück des Foramen ovale; rc Recessus cochlearis; Si‘ scharfkantige Knochen- leiste, welche den Recessus cochlearis von der Ampulle des unteren knöchernen Bogengangs scheidet; re‘, die niedrige, hier aber durch die Beinhaut stark er- höhte Knochenleiste, durch welche der Recessus cochlearis gegen den Recessus hemisphericus abgegränzt wird; cv Gegend der Crista vestibuli, an welche sich, — im weiteren Verlauf zur Pyramis vestibuli hin, — das die beiden Vorhofs- säckchen trennende Septum befestigt; Ymr Sacculus (rotundus); spt Gegend des ERKLÄRUNG DER ABBILDUNGEN. 31 häutigen Septum, welches den Utrieulus (Sacculus oblongus) und Saceulus (S. ro- tundus) von einander trennt; Vmr' der aus dem runden Säckchen unmittelbar hervorgehende Canalis reuniens, welcher in den Vorhofsabschnitt des häutigen Schneckenkanals an der Uebergangsstelle zum Vorhofsblindsack (Cm *) einmündet; Cm* Vorhofsabschnitt des häutigen Schneckenkanals; Cm* Vorhofsblindsack desselben; Ne' Vorhofsast des Nervus cochlex, welcher an der Macula cribrosa quarta in den Vorhof hineintritt und nach der Gegend des Septums zwischen beiden Vorhofssäcken verläuft. Derselbe bildet einen plattgedrückten Nervenstrang, welcher hier, seine dem Recessus hemisphzerieus zugewendete Fläche dem Beobachter zeigt; _Vmo Utrieulus (Sacculus oblongus); Smi Ampulle des häut. hinteren (unteren Reıcn.) Bogenganges; Sme, Sme Durchschnitte des häut. äusseren Bogenganges; Sms Durchschnitt der Ampulle des häut. vorderen (oberen Reıca.) Bogenganges. Fig. IV stellt nach Henze (Handb. d. system. Anat. des Menschen, Bd II, 1866) den Utrieulus und die häutigen Bogengänge (der linken Seite) von aussen dar; va Vorderer, vp hinterer vertik. Bogengang; h äusserer Bogeneang. Fig. V giebt nach Miıppenvorr (Het vliezig Slakkenhuis ete. 1867) das rechte membranöse Gehörorgan des Menschen (neugebor. Kindes) in ungefähr 3-maliger Vergrösserung wieder, besonders um das Verhalten des Sacculus zur Cochlea darzulegen; u Utriculus; aa Ampulla anterior; ae Ampulla externa; ap Ampulla posterior; ca Canalis m. anterior; ce Canalis m. externus; cp Canalis m. posterior; ss Sinus utrie. superior; s Sacculus, csc Canalis reuniens; vb Vor- hofsblindsack, de Ductus eochlearis, ScV Scala vestibularis; Fo Rand der Fenestra ovalis; 1, 2, 3 die drei Windungen der knöchernen Schnecke. Fig. VI stellt n. Luscnka (Die Anat. d. Menschen Bd III, 2, 1867) »das Labyrinth des linken Öhres mit blossgelegten membr. Bogengängen und Vor- hofsäckchen (stark vergrössert)» dar; 1 Schnecke, 2 Apertura aquzeductus cochlewx: 3 Fenestra ovalis; 4 oberer (vorderer), 5 hinterer, 6 äusserer Bogengang; 7 Utri- culus; 38 Sacculus (rotundus); 9 Anfang des Ductus cochlearis; 10 Canalis reuniens. - Fig. VII stellt nach Rüpınser (Stricker's Handbuch der Lehre von den Geweben Bd II, 1872) das häutige Labyrinth vom Menschen dar; 1 äusserer, 2 oberer (vorderer), 3 hinterer Bogengang; 4 Sinus utrie. superior; 5 ampullen- artige Einmündung des äusseren Bogenganges; 6 Utrieulus; 7 Sacculus (rotundus). Fig. VIII stellt nach Warvever (Sırıcker's Handb. d. Lehre von den Ge- weben Bd II, 1872) ein Schema des Säugethierlabyrinthes dar; U Utriculus; S Sacculus; Cr Canalis reuniens; R Aquxductus vestibuli sich in zwei Schenkel für Utrieulus und Sacculus spaltend; © Ductus cochlearis mit V, dem Vorhofs- blindsacke und K, dem Kuppelblindsacke. Fig. IX giebt nach W. Krause (Handb. d. menschlichen Anatomie von C. F. Tu. Krause. Dritte Aufl. Bd I, 1376) ein Schema des linken häutigen Labyrinthes von aussen; c Vorhofsblindsack des Ductus cochlearis; r Saceulus (rotundus); e Utrieulus; s Ampulla anterior; b Ampulla externa (durchgeschnitten) ; i Ampulla posterior; av Aquweductus vestibuli mit zwei Schenkeln aus den beiden Sückchen entspringend; der Sacculus steht mit dem Vorhofsblindsack durch den Canalis reuniens in Verbindung. 32 GUSTAF RETZIUS. Fig. X stellt nach Hrxsen (Hrrmann’s Handb. der Physiologie Band III, 2, 1880) ein »Schema des häutigen Labyrinths» dar; a horizontaler, b vorderer, ce hinterer vertikaler Bogengang mit Ampullen, Crista acustica mit deren Nerven n; d Aquzsductus vestibuli, mit seinen Schenkeln den Utrieulus e, und Saceulus rotundus f, verbindend. Von letzterem geht der Canalis reuniens g zum häutigen Schneckenkanal h, dessen Radix sehr schmal ist, der sich aber bis zum Cupelblind- sack i hin mehr und mehr erweitert. Der Schneckennerv % tritt überall an den dem Centrum der Schneckenspirale zugekehrten Rand des Schneckenkanals gra- denwegs heran, nur am Blindsack läuft er fast parallel mit dem Canal und lässt hier das Helicotrema = als Verbindungsweg zwischen tympanaler u. vestibulärer Fläche d. Schneckenkanals frei. Fig. XI A u. B giebt n. Auc. Carı (Hasse's Anat. Studien 4 Heft, 1873) das häutige Labyrinth des Rindes in toto wieder; A stellt es von vorn-aussen, B von innen-hinten dar; va vordere, h äussere, vp hintere Ampulle; va ' vorderer, h" äusserer, vp ' hinterer Bogengang; co Sinus utrie. sup. (Commissur); s Sacculus; z zipfelartiger Fortsatz des Sackes; av Aquzeductus vestibuli; de Vorhofsblindsack. TAFEL II. Fig. 1 stellt das frei präparirte rechte membr. Gehörorgan eines sechsmonat- lichen menschlichen Embryos in natürl. Gestalt u. Lage der Theile und in ungef. zehn- mal. Vergrös. von vorn und etwas von aussen dar. Beh. mit Ueberosmiumsäure. Fig. 2 stellt dasselbe membr. Gehörorg. von innen-hinten dar. Durch die per- spekt. Verkürz. erscheinen in beiden Fig. der vordere u. äussere Bogengang verkürzt. Für beide Figuren gemeinsame Bezeichnungen: u — Utrieulus. mu — Macula ac. rec. utrieul. ss — Sinus utrieuli superior. ms — Macula ac. saccuh. sp — Sinus utrieuli posterior. cr — (Criste ac. amp. rec — Recessus utrieul. a — Acusticus. aa — Ampulla anterior. ra — Ramus anterior acust. ae — Ampulla externa. ru — Ramulus rec. utrieuli. ap — Ampulla posterior. raa — Ramulus amp. anterioris. ca — Canalis m. anterior. | rae — Ramulus amp. externe. ce — Canalis m. externus. rap — Ramulus amp. posterioris. cp — Canalis m. posterior. rs — Ramulus sacculi. s — Sacculus. rb — Ramulus basilaris. de — Ductus endolymphaticus. an — Anastomos. Zweig vom Ramus cus — Canalis utriculo-saccularis. anterior zum Ram. amp. poster. csce — Canalis reuniens Henseni. f — Faaialıs. ce — Cochlea. mb — Membrana basilaris. vb — Vorhofsblindsack d. Duct. cochl. Is — Ligamentum spirale. il — Lagena. I; Beiträge zur Kenntniss der zahnbildenden Gewebe des Menschen und der Säugethiere von Canp. Meov. GUSTAF ÄNNELL in Stockholm. Mit Tafel III—V. Unter der Leitung des Herrn Professors @. Rerzıus beschäftigte ich mich in diesem Jahre mit Untersuchungen über die feinere Structur der verschiedenen Gewebe, welche bei dem Aufbau der Zähne des Menschen und der Säugethiere interessirt sind. In soweit diese Untersuchungen zu Ergeb- nissen geführt haben, die dazu beitragen können, unsere Kenntnisse des ziemlich verwickelten und recht viel bearbeiteten Gegenstandes zu erweitern, werde ich hier, einige kurze historische Notizen vorausschickend, einen Be- richt darüber abstatten. Die Entwickelung des Zahnsacks. In älterer Zeit nahm man an, dass die Zahnpulpa den einzigen eigentlich wichtigen Bestandtheil des Zahnsacks darstelle, und liess sowohl das Zahnbein (die Dentine) wie den Schmelz sich aus ihr bilden. Die Herkunft des Schmelzes aus einer besonderen Zellenschicht wurde zuerst durch Scuwann (1839)' nachgewiesen. Diese Zellen wurden von Marcusen, Körnıker u. A. aus dem Epithel der Mundschleimhaut hergeleitet; das nach aussen von den Schmelzzellen befindliche Gallertgewebe wurde aber ' Bez. der in dieser Abhandlung angeführten Arbeiten anderer Forscher erlaube ich mir auf das von WALDEYER im Stricker’schen Iandbuche mitgetheilte Literaturverzeichniss hinzuweisen. Biol, Unters. II, 1882, > 34 GUSTAF ANNELL. noch immer als eine Bindegewebsformation betrachtet. Nachdem bekannt- lich u. A. Goopsır die allgemeine Entwickelung des Zahnsackes und seines Inhalts dargelegt hatte, brachte endlich KöLLıker durch seine 1862 erschie- nene Abhandlung »Die Entwickelung der Zahnsäckchen der Wiederkäuer> die Lehre von der Abstammung der Bestandtheile des Zahnsacks in volle Klarheit. Seine Darstellung lautet in Kürze folgendermassen: Die Entwicklung der Zahnsäckchen der Wiederkäuer beginnt mit der Bildung eines besondern epithelialen Organes, das er den Schmelzkeim nannte; dasselbe stellt einen zusammenhängenden (für die ganze Kiefer gemeinsamen) platten Fort- satz der tiefsten Lagen des Epithels dar, welcher auf Querschnitten fast wie die Anlage eines Haarbalgs oder einer Schweissdrüse erschemt und aussen aus cylindrischen, innen aus einer oder zwei Lagen rundlicher, kleinerer Zellen besteht. In den tieferen Theilen des Schmelzkeims findet dann an bestimmten Stellen, entsprechend der Zahl und Lage der Zähne, bald eine reichliche, von dem Cylinderepithel ausgehende Zellenwucherung statt. Hierdurch wird nun eine Anzahl von Haufen rundlicher oder läng- licehrunder Zellen gebildet, die er Schmelzorgane nennt. Sobald die Schmelzorgane sich zu bilden beginnen, wuchert an der tiefern Seite der- selben die Schleimhaut nach und nach bei jedem Organe in eine Warze oder einen Hügel hervor, der einen Eindruck am Schmelzorgane bewirkt; diese Warzen sind die Zahnkeime oder Zahnpapillen; einmal angelegt, wuchern die Papillen rasch; durch ihr Empordringen kommen die Schmelz- organe immer mehr kappenförmig über den Papillen zu liegen. Die cen- tralen runden Zellen der Schmelzorgane werden später sternförmig, und zwischen ihnen sondert sich in reichlicher Menge eine helle Gallerte ab; von den äusseren eylindrischen Zellen werden immer neue runde Zellen gebildet, welche ihrerseits zu sternförmigen werden u. s. w., bis das Schmelzorgan seine volle Grösse erreicht hat. Diejenigen der Cylinderzellen, welche der Zahnpapille zunächst liegen, werden verlängert und stellen das innere Epithel des Schmelzorgans dar, während die übrigen, welche natürlich am Fusse der Papillen mit diesem inneren Epithel zusammenhängen, abge- plattet werden, die Gestalt eines Plattenepithels bekommen und das äussere Epithel des Schmelzorgans genannt werden. Einige Zeit, nachdem Zahnpapillen und Schmelzorgane sich angelegt haben, verdichtet sich all- mälig das umgebende Bindegewebe; so entstehen deutliche Kapseln, welche um die Schmelzorgane auch nach oben hin herumwachsen; hierdurch wer- den diese von dem Schmelzkeim und dem Epithel der Schleimhaut abge- trennt — und damit sind die Zahnsäcke fertig gebildet. ur ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. Die Ergebnisse, zu welchen Köruıker gekommen war, wurden später besonders durch die umfassenden und genauen Untersuchungen WALDEYER's bestätigt; dieser Forscher fand nämlich bei dem Menschen, der Katze und dem Schweine für die Zahnentwiekelung denselben Modus, den KöLLıkEr bei den Wiederkäuern nachgewiesen hatte. Die noch herrschenden Ver- schiedenheiten der Ansichten über die erste Entstehung und Entwickelung des Zahnsäckchens betreffen nur Detaljfragen, zu deren Entscheidung ich keine direete Beiträge liefern kann, da meine darauf bezüglichen Versuche nicht erwünschten Erfolg hatten. Unter den Bestandtheilen des entwickelten Zahnsäckchens in histolo- gischer Hinsicht beschäftigte ich mich nun vor Allem mit dem Schmelz- organ und der Pulpa, deren feineren Bau ich deswegen hier eingehender berücksichtigen werde. Als Untersuchungsmaterial benutzte ich Zahnsäck- chen menschlicher Embryonen vom 5—-9:ten Monat; diese Säckchen wur- den theils in concentrirter Pikrinsäurelösung, theils in 0,5 % Chromsäure- lösung erhärtet, dann in gefrorenem Zustande geschnitten und mit Ros- anilin oder Pikrokarmin gefärbt; theils wurden sie der Isolation der Zellen wegen mit verdünnter Müllerscher Lösung behandelt, theils auch, um Zel- lengrenzen zu verdeutlichen, mit Silberlösung durchtränkt. A. Das Schmelzorgan. Nach der eben mitgetheilten Darstellung der Zahnsacksbildung besteht im entwickelten Zahnsack das Schmelzorgan aus: 1. dem äusseren Epithel, 2. dem Gallertgewebe, 3. dem inneren Epithel, und 4. der intermediären Zellenschicht (Stratum intermedium) zwischen dem inneren Epithel und dem Gallertgewebe, welche letztere Schicht nach Warperer aus kleinen, runden, nicht sternförmig umgewandelten Zellen gebildet sei. Ich fange hier mit der Schilderung des inneren Epithels an. l. Das innere Epithel des Schmelzorgans. GCuvırr hat 1925 diese Bildung zuerst beschrieben; er gab ihr den Namen » Membrane emaillante >» ; ihre feinere Structur und Bedeutung für den Aufbau des Schmelzes waren ihm nicht bekannt. Rascukow wollte ihr einen fibrillären Bau anerkennen und benannte sie mit emer Uebersetzung des Cuvier'schen Namens » Membrana adamantinze». Scnwann legte die zelluläre Beschaffenheit der Schmelzmem- bran dar. Von der Zeit Scnuwann’s her sind die Beschreibungen dieser Zellen der Hauptsache nach sehr übereinstimmend gewesen, sie lassen sich 36 GUSTAF ANNELL. am kürzesten in den Worten Wauperer's (Srrickers Handbuch 1872) zu- sammenfassen: die eylindrischen Randzellen des Schmelzorgans, soweit sie dem Dentinkeim unmittelbar aufliegen, also als dessen Epithel figuriren, »werden ungemein lang und stellen sehr ‘regelmässige, sechsseitige, prisma- tische Körper dar, wohl das schönste und regelmässigste Cylinderepithel, was der thierische Körper darbietet. An den Langseiten der Zellen tritt eine deutliche membranöse Begrenzung hervor, während beide Enden freies Protoplasma zeigen». Korsmann dagegen beschreibt diese Zellen als ziem- lich unregelmässig geformt, nach aussen hin verschmälert und vermittelst ihrer zugespitzten äusseren Enden mit den Ausläufern der Zellen des Stra- tum intermedium zusammenhängend. Wexzer (Untersuch. über die Ent- wickelung der Zahnsubstanzen 1871) stimmt der letzt angeführten Beschrei- bung bei. Eine zutreffende und genaue Darstellung dieser Zellen vermochte ich in der bezüglichen Literatur nicht aufzufinden. Die Abbildungen liessen ebenfalls viel zu wünschen übrig. Bei der Untersuchung von Zerzupfungspräparaten nimmt man bald wahr, dass nicht alle diese inneren Epithelzellen des Schmelzorgans, welche ich, wie früher geschehen ist, kurz »Schmelzzellen» (Emaljzellen) nennen werde, eine und dieselbe Gestalt haben. Einige zeigen eine ziemlich un- regelmässig langgestreckte, andere eine mehr regelmässig cylindrische Form. Wenn man die Stellen genauer beobachtet, von welchen die verschiedenen Präparate genommen werden, kommt man zu dem Schlusse, dass die Schmelz- zellen, je nachdem sie noch nicht begonnen haben, zu der Schmelzbildung beizutragen oder darin schon begriffen sind, zu zwei etwas verschiedenen Gruppen geführt werden können, nämlich: die der Pulpa oder dem Zahn- bein direct anliegenden, welche also an der Schmelzbildung noch nicht theilnehmen, und die, welche neugebildetem Schmelz anliegen und also schon angefangen haben, ihre physiologische Aufgabe auszuführen. Diese beiden Arten sind einander zwar in den meisten Beziehungen gleich, was natürlich erscheint, da sie eigentlich nur verschiedene physiologische Ent- wickelungsstadien einer und derselben Zellengattung darstellen. Bei der Beschreibung der Gestalt dieser Zellen gehe ich nun von der im früheren Stadium begriffenen Zellengruppe aus, um dann hervorzuheben, in welcher Hinsicht die des zweiten Stadiums sich von ihnen unterscheiden. Die Schmelzzellen des früheren Stadiums zeigen oft eine recht unregelmässige Gestalt; sie scheinen gleichsam durch gegenseitigen Druck unregelmässig geformt zu sein. Von der Seite betrachtet erscheinen sie > | ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. lang und schmal, aber keineswegs von gleichmässiger Breite. Das eine oder andere Ende der Zelle ist breiter, während ihr Körper bedeutend schmäler ist; zuweilen ist die Mitte der Zelle eine längere oder kürzere Strecke eingeschnürt oder im Gegensatz dazu verdickt; zuweilen erscheint der ganze Zellenkörper abgeplattet, scheibenförmig u. s. w. Fig. 5 der Taf. III zeigt einige solche Zellen verschiedener Gestalt, obwohl hier bemerkt werden muss, dass die fraglichen Zellen oft etwas unregelmässiger als die hier abgebildeten erscheinen. Von der Endfläche betrachtet (Taf. III Fig. 8.) bietet dieses Epithel ein Bild dar, welches sehr deutlich die unregelmässige und wechselnde Ge- stalt der Zellen angiebt, besonders wenn die Grenzen der letzteren durch Ver- silberung schärfer markirt sind. Die Endflächen der Zellen bilden dann ein Mosaik kleiner, besonders unregelmässiger Felder, welche 3, 4, 5, 6 spitze oder abgerundete Ecken haben oder auch fast oval, rund u. s. w. erscheinen. Die Grösse der Felder wechselt auch viel, gewöhnlich zwischen 0 ,006—0,009 Mm. (am Durchschnitte gemessen); übrigens varüirt sie noch mehr (zwischen 0,004—0,009 Mm.). Die dem neugebildeten Schmelze anliegenden Schmelzzellen besitzen dagegen die Charaktere regelmässiger Cylinderzellen. Von der Seite betrach- tet sind sie lang und schmal, beinahe von gleichmässiger Breite, mit einem etwas erweiterten äusseren Ende, das zuweilen vermittelst einer geringen Ein- schnürung vom eigentlichen Zellenkörper abgesetzt ist (Taf. III Fig. 6 a—e.). Von den Endflächen gesehen zeigt eine Gruppe solcher Zellen ein schönes Bild. Ihre Endflächen bilden nämlich ein Mosaik sehr regelmässiger, 5—6- seitiger, an den Ecken etwas abgerundeter Felder, welche alle beinahe die- selbe Grösse (ung. 0,00% Mm. im Durchschnitt) haben (Taf. III Fig. 7.). Die äusseren, der intermediären Schicht zugewandten Enden der Schmelzzellen zeigen eine eigenthümliche, bisher nicht bemerkte Be- schaffenheit. Das äussere Ende jeder dieser Zellen ist nämlich mit feinen, aber deutlichen Stacheln besetzt (Taf. III Fig. 6.), deren Anzahl etwas wechselt, indem sich zuweilen S—10 rechnen lassen, während sie in eini- gen Fällen von 2—3 etwas gröberen Fortsätzen ersetzt sind. Diese Stacheln sind, wie die Zellen im Ganzen, am kräftigsten in den Partien der fraglichen Schmelzzellenschicht entwickelt, welche dem Schmelze direkt anliegen. Durch Vermittelung dieser Stacheln hängen nun die Schmelzzellen mit den unten zu beschreibenden Stachelzellen der intermediären Schicht innig zusammen, und das Vorhandensein dieser Stacheln erklärt die Schwierigkeit, womit sich in Zer- zupfungspräparaten die äusseren Enden der Schmelzzellen isoliren lassen. 38 GUSTAF ANNELL. Die inneren Enden der Schmelzzellen zeigen an den Stellen, wo die Zellen der Pulpa direkt anliegen, nichts Bemerkenswerthes, aber höher oben am Zahne, wo sie am Schmelze liegen, bieten sie eine wichtige Eigen- thümlichkeit dar, indem vom fraglichen Ende jeder dieser Zellen ein be- sonderer Fortsatz ausläuft (Taf. III Fig. 6.). Werden frische unerhärtete Zahnsäcke geöffnet, so werden dabei diese Fortsätze fast immer und die inneren Enden der Zellen oft von dem Zellenkörper abgerissen und blei- ben an dem Schmelze haften, weshalb man an solchen isolirten Zellen die Fortsätze vermisst. Lässt man aber die Zahnsäcke einige Tage in ver- dünnter Müllerscher Lösung liegen, so isoliren sich bei der Eröffnung des Sackes die Schmelzzellen vom Schmelze in unbeschädigtem Zustand. Die isolirten Zellen zeigen dann einen von ihrem inneren Ende auslaufenden, kurzen, gewöhnlich zapfenförmigen Fortsatz, welcher nach seinem Ent- decker der Toues’sche Fortsatz genannt wird. Die Gestalt desselben wech- selt etwas; zuweilen ist er breit, abgerundet, zuweilen aber schmal und ın eine Spitze ausgezogen; nie sah ich ihn eine bedeutendere Länge besitzen. Zwar sagt Hannover, dass der Fortsatz zuweilen im einen feinen Faden übergeht, dessen Länge doppelt so gross als die der Zelle werden kann; eine so bedeutende Länge aber habe ich nicht nur nicht wahrnehmen können, sondern ich finde auch die ganze Beschaffenheit des Schmelzes dagegen sprechend. Korımann und Wexzen bestreiten das Vorhandensein des Tomes’'schen Fortsatzes; der erstere Forscher sagt, dass er die spitzen Anhänge der Schmelzfasern ebenfalls gesehen habe, dieselben aber »für Producte einer unregelmässigen Ablagerung und für zufällige Bildungen>, nicht für den noch nicht verirdeten centralen Theil einer Schmelzzelle halte. Dass dies jedoch nicht der Fall ist, zeigt sich bei genauerer Unter- suchung bald. Auf Taf. III Fig. 4 ist z. B. ein Schnittpräparat abge- bildet, an welchem eine ganze Reihe von Schmelzzellen vom Schmelze abge- hoben und sie doch sämmtlich mit je einem Tomes’'schen Fortsatz ver- sehen sind. Wexzer's Vermuthung, dass die Entstehung des fraglichen Fortsatzes »Schiefschnitten» zu verdanken ist, verliert jeden Werth durch die Thatsache, dass isolirte Zellen aus Zahnsäcken, die mit verdünnter Müllerscher Lösung behandelt waren, regelmässig mit denselben versehen sind (Taf. III Fig. 6.). Das Vorhandensein des Fortsatzes wurde besonders durch Warpevrer und Hertz bestätigt. Der Inhalt der Schmelzzellen ist ein feinkörniges Protoplasma. Etwas grobkörniger erscheint das äussere, gewöhnlich ein wenig angeschwellte Ende der regelmässig eylindrischen Zellen. Eine Anzahl kleiner, rundlicher, ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 39 stark lichtbrechender Körner verschiedener Grösse kommt fast immer in den Tomes’schen Fortsatz eingelagert oder ihm anhaftend vor; zuweilen lassen sich solche Körner auch im Zellenkörper selbst wahrnehmen. Der Kern der Schmelzzellen ist stets einfach, der Gestalt nach oval, deutlich begrenzt und mit einem oder mehreren Kernkörperchen versehen; seine Länge misst 0,01—0,012 und seine Breite entspricht der des Zellen- körpers. In Betreff der Lage des Kerns in den Schmelzzellen sind die An- gaben der Forscher wechselnd. Mascıror giebt als normal an, dass der Kern in der Mitte der Zelle liegt; Haxnover, WALDEYER und Hertz sagen, dass er stets im äusseren Zellenende belegen sei; Wexzen behauptet, dass letzteres im unteren Theile des Zahnsackes der Fall sei, je höher aber nach dem oberen Theile desselben hin, um so öfter finde man ihn in der Mitte des Zellenkörpers. Keine von diesen Angaben habe ich ganz zutref- fend gefunden. An vertikalen Längsschnitten des Zahnsacks hat man eine treffliche Gelegenheit, die Lage der Kerne der Schmelzzellen zu studiren und an solchen findet man, dass in denjenigen Zellen, die dem Schmelze anliegen, der Kern im äusseren Zellenende belegen ist, wogegen tiefer im Sacke hinab die Kernlage nicht constant ist; hier lässt sich nur sagen, dass der Kern in der äusseren Zellenhälfte liegt, denn er befindet sich ebenso oft in der Mitte der Zelle als in deren äusserem Ende. Die Grösse der Schmelzzellen wechselt sogar m einem und demselben Zahnsack sehr, sowohl was die Länge wie die Breite betrifft. Hinsicht- lich der letzteren habe ich schon oben das Mass angegeben. Ihre Länge ist an der Spitze des Zahnes am grössten, wo sie sich auf 0,04s—0,055 Mm. belaufen kann; am unteren Rande des Schmelzes ist sie bis auf 0,033 —0 ‚036 Mm. vermindert, welche Länge sich dann eine Strecke an der Pulpa hinab beibehält. Dann verkürzen sich die Zellen langsam, im eigentlichen Um- biegungswinkel aber ziemlich schnell. Die eben angeführten Masse sind an Präparaten von Zahnsücken ausgetragener Embryonen genommen. Es scheint, als ob die Zellenlänge in verschiedenen Alters- und Entwicklungs- stadien ein wenig wechsele. Endlich bleibt noch die Frage übrig, ob die Schmelzzellen mit einer Membran versehen sind oder nicht. Viele verschiedene Ansichten sind hier- über ausgesprochen worden; hauptsächlich betreffen dieselben jedoch die Exi- stenz und Beschaffenheit der Membran an den inneren Endflächen der Zellen, weshalb ich mich vor Allem damit beschäftigen und die übrige Zellenmembran nur kurz berühren werde. An den äusseren Endflächen kann wohl, nach dem Nachweise der hier vorhandenen Stacheln, von 40 GUSTAF ANNELL. einer eigentlichen Zellenmembran nicht mehr die Rede sein. An den Sei- tenflächen, und nur an diesen, nimmt, wie erwähnt, WaLpryer das Vor- handensein einer röhrenförmigen Membran an; eine solche wäre zwar und besonders bei den regelmässigen Cylinderzellen annehmbar; ich muss aber gestehen, dass ich weder bei ihnen noch bei den mehr unregelmässig ge- stalteten hier eine deutliche membranöse Bekleidung gesehen habe, weshalb ich keine Membran an den Seitenflächen der Zellen annehmen kann. Die Frage aber, ob eine solche Membran an den inneren Endflächen der Zellen vorhanden, ist sehr verwickelt. Damit hängt eine andere ebenso streitige Frage nahe zusammen, nämlich diejenige von der Membrana pr&forma- tiva; mit dieser letzteren Membran versteht man zwar keine den Schmelz- zellen selbst angehörige Bildung, ihre Lage zunächst unter diesen Zellen bewirkt, dass das, was Einige Membrana pr:formativa nennen, Andere für eine den inneren Endflächen der Schmelzzellen angehörige Membran halten. Deswegen halte ich es für das beste die fraglichen beiden Bildungen gleich- zeitig zu besprechen. Einige kurze historische Angaben dürften des Zusammenhanges wegen hier am Platz sein. Die an den inneren Endflächen der Schmelzzellen lie- gende Membran besteht nach der einen Ansicht aus einer structurlosen, die Pulpafläche überziehenden Haut, unter welcher das Zahnbein und der Schmelz gebildet werden. Rascnkow, welcher (1835) diese Ansicht auf- stellte, gab dieser Haut den Namen »Membrana pr®formativa». Hüuxtrr setzte die Untersuchungen über diese Membran fort und glaubte durch Essigsäurebehandlung des in Entwicklung begriffenen Schmelzes dieselbe in isolirtem Zustande darstellen zu können und schrieb ihr übrigens bei der Schmelzbildung grosse Bedeutung zu. Lrxr behauptet gesehen zu haben, dass die Membran von der Pulpa auf den Dentinrand und davon auf die Aussenseite des Schmelzes übergeht. KörLıker beschreibt die Membrana preformativa als eine unmittelbare Fortsetzung der structurlosen Membran, welche beim Embryo überall Bindegewebe und Epithel trennt. Die zweite Ansicht dagegen ist von KoLLmann dargestellt und später von WENZEL an- genommen; nach derselben gehört die Membran den inneren Endflächen der Schmelzzellen an und ist durch Verschmelzung der Membranen dieser Theile der einzelnen Zellen entstanden. Die letztere Ansicht gründet sich hauptsächlich auf des Vorhandensein der scharf markirten Randzone der inneren Enden der Schmelzzellen; diese Zone bleibt, nach Korımanvs An- gabe, bei der Eröffnung des Zahnsackes je nach verschiedener Behandlungs- methode bald den Schmelzzellen, bald dem Schmelze anhaftend, so dass man ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 41 mithin Zellen mit oder ohne Membran darstellen kann; KorLmann nennt die von ihm dargestellte Membran »Schmelzoberhäutchen», weil er die Ansicht hegt, dass sie nach der Fertigbildung der Zähne verkalkt wird und die Schmelzhaut bildet. Warpeyer und Hertz bestreiten ganz das Vor- handensein jeder Membran und vor Allem hat Tomes durch die Entdeckung der nach ihm benannten Fortsätze der inneren Enden der Schmelzzellen der Lehre von einer diese Zellenenden bedeckenden Membran einen starken Stoss bereitet. Tomes zeigte ferner, dass die von Huxrey dargestellte Membrana praformativa nichts Anderes sei als die jüngste, unvollständig verkalkte Schicht des Schmelzes. Meine eigenen Ergebnisse sind folgende: An vertikalen Längsschnitten des Zahnsacks nimmt man oft an Stellen, wo noch kein Schmelz abgesetzt ist, zwischen den Schmelzzellen und der Pulpa einen recht deutlichen homogenen, gewöhnlich etwas wellenförmigen Saum wahr. Es ist offenbar dieser Saum, welcher der »Membrana prieformativa» einiger sowohl wie dem »Schmelz- oberhäutchen» anderer Forscher entspricht. Dass indessen dieser Saum den Schmelzzellen nicht angehört, geht schon daraus hervor, dass man ihn an vielen Stellen, wo dieselben von der Pulpa abgelöst sind, sich immer sehr deutlich an dem Pulparande und nicht an den inneren Enden der Schmelzzellen fortsetzen sieht. Er gehört offenbar der Pulpa an, geht aber, wie ich deutlich wahrgenommen habe, oben an dem frei hinabsteigenden, neugebildeten Zahnbeinrande weder auf die Aussenseite der Dentine und den Schmelz — bildet also keine Membrana praformativa — noch auf die inneren Endflächen der Schmelzzellen über, woraus noch mehr erhellt, dass er kein Schmelzoberhäutchen im Sinne Kouımany’s darstellt. Dagegen steht dieser Saum in innigstem Zusammenhang mit dem neugebildeten Zahn- bein, dessen unmittelbare Fortsetzung er bildet (Taf. IV Fig. 2’), wie unten o beim Besprechen der Zahnbeinbildung etwas ausführlicher erwähnt werden soll. Der fragliche Saum kann in der "That nichts Anderes sein, als die äusserste, etwas verdichtete Schicht der Intercellularsubstanz der Pulpa, wie auch aus vielen Präparaten deutlick hervorgeht. An der kurzen Strecke, wo die Schmelzzellen dem Zahnbein direkt anliegen, sieht man ihre inneren membranlosen Enden unmittelbar auf der etwas unebenen Zahnbeintläche ruhen. Zwischen den Schmelzzellen einerseits und der Pulpa und der Den- tine anderseits giebt es also weder eine Schmelzzellenmembran noch eine Membrana prweformativa; nun ist es aber die Frage, ob zwischen dem Schmelze und den ihm anliegenden Schmelzzellen eine Membran vorhanden ist. An solchen Stellen der Schnittpräparate, wo die Schmelzzellen vom Schmelze Biol. Unters, II, 1882. 6 42 GUSTAF ANNELL. abgehoben sind, zeichnen sich die zusammenhängenden inneren Ränder der von der Seite betrachteten Schmelzzellen oft als eine recht scharfe Contour (Taf. III Fig. 4); auch an isolirten Zellen kann dieselbe wahrgenom- men werden. Diese Contour oder schmale Zone der inneren Enden der Schmelzzellen wurde, wie schon erwähnt, von KorLsmann für eine wirkliche membranöse Bedeckung der inneren Endflächen der Zellen angesehen. Schon das constante Vorhandensein des Tomes’schen Fortsatzes macht in- dessen die Existenz jeder Art von zusammenhängender Membran an diesen Endflächen unmöglich. Nun lässt sich jedoch einwenden, dass der To- messche Fortsatz nur ein Secretionsproduct der Schmelzzelle, einen unver- kalkten Theil eines Schmelzprismas darstellen könne, und also der Fortsatz und der Zellenkörper selbst durch eine Membran getrennt sein dürfte. Das constante Vorhandensein des Tomes’schen Fortsatzes, seine deutlichen und gut begrenzten Contouren auch bei den mit Säuren behandelten Prä- paraten und seine derjenigen der Schmelzzellen ähnliche Beschaffenheit sind jedoch hinreichende Stützen für die Ansicht, dass derselbe einen wirklichen, protoplasmatischen Fortsatz der Zelle selbst darstelle. Was nun aber die homogene Zone der Schmelzzellen eigentlich bedeutet, ist nicht eben leicht zu sagen. Hertz, welcher der Theorie von der direkten Verkalkung der Schmelzzellen huldigt, sieht sie als einen für die Verkalkung pr#formirten Theil der Zelle an; vielleicht entsteht sie nur durch ein verändertes Licht- brechungsvermögen des inneren Endes der Zellen. Die Schmelzzellen bilden zusammen die sog. »Schmelzmembran» ; diese besteht also aus einer zusam- menhängenden einschichtigen Zellenhaut, welche nach aussen hin durch die erwähnten kurzen Stacheln innig mit der intermediären Schicht ver- bunden ist, gegen welche also kein ganz scharfer Begrenzungsrand, wie KÖLLIKER und, wenigstens für die untere Partie, WEnzeL angenommen haben, vorhanden ist und vorhanden sein kann. Zwar markirt sich das Schmelz- epithel an vertikalen Längschnitten sehr deutlich von der intermediären Schicht ab, dies rührt aber offenbar von der schönen regelmässigen An- ordnung der langen cylindrischen Schmelzzellen her. Nach innen hin über- zieht die »Schmelzmembran» die Pulpa, die Dentine und den Schmelz, denen sie, wie eben nachgewiesen wurde, unmittelbar anliegt. 2. Die intermediäre Schicht (Stratum intermedium). Die intermediäre Schicht stellt denjenigen T'heil des Schmelzorganes dar, welcher zwischen dem inneren Epithel und dem Gallertgewebe liegt. Haxxover sagt von dieser Schicht: sie ist eine dünne aber feste Haut, die aus einer structurlosen u ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 43 Substanz besteht, in welcher eine zahlreiche Menge kleiner Kerne einge- lagert liegt; er nannte diese Schicht »Membrana intermedia». Ihre zellu- läre Natur ist doch deutlich und Warpeyer, welcher die Bezeichnung »Stratum intermedium» einführte, beschreibt sie als eine Schicht runder, un- veränderter, nicht sternförmig umgewandelter Epithelzellen. Ebenso lautet auch die gewöhnliche Darstellung der verschiedenen Histologen. Korımann je- doch beschreibt das Stratum intermedium mit folgenden Worten: Es besteht »aus einer '/,, Mm. dicken Lage polygonaler, vielstrahliger, mit einan- der anastomosirender Zellen, die gekörnt sind und sehr dicht an einander liegen». Die Untersuchung des feineren Baues dieser Schicht bietet ziemlich grosse Schwierigkeiten dar. Meine Ergebnisse, welche nicht ohne histo- logisches Interesse zu sein scheinen, sind folgende: An vertikalen Schnitt- präparaten vom Zahnsack macht das Stratum intermedium, wie KoLLMmanN ebenfalls bemerkt, unzweideutig den Eindruck einer besonderen Gewebsschicht. Es erscheint dunkelkörnig und die Grenzen der dicht an einander liegenden Zellenkerne werden oft nur schwer unterschieden, die Grenzen der ihnen angehörigen Zellen ‘aber fast gar nicht. Die Kerne sind gewöhnlich läng- lich mit der Längsaxe senkrecht gegen die der Schmelzzellen gestellt. Nach unten hin an der Pulpa liegen sie ungefähr in zwei Schichten über einander; nach oben hin erscheint das Stratum intermedium dicker und man rechnet hier 4—5 Kernlagen. Für dies Stratum als ein Ganzes be- zeichnend ist ferner sein inniger Zusammenhang mit den Schmelzzellen ; vom Gallertgewebe, zu welcher der Uebergang sehr schnell geschieht, löst es sich dagegen leicht ab. Um die nähere Beschaffenheit der die fragliche Schicht zusammen- setzenden Zellen zu eruiren, studirte ich sie an Zerzupfungspräparaten. An solchen erhält man nun, oft in Verbindung mit den äusseren Enden der Schmelzzellen, undeutlich stachelige Zellen oder Zellentheile, die gewöhnlich nur theilweise isolirt sind. Zuweilen gelingt es jedoch, diese Zellen in vollständig isolirtem Zustand zu bekommen. Taf. III Fig. 9 zeigt einige solche. Sie stellen dann in der That das Bild der Stachelzellen dar, ob- wohl die Stacheln oft etwas stärker entwickelt erscheinen wie die Stachel- zellen der epithelialen Häute und hier und da sogar mit einem wirklichen Fortsatz versehen sind. Vermittelst dieser Stacheln hängen sie mit den Stacheln der äusseren Enden der Schmelzzellen zusammen. Die Grösse dieser Zellen der intermediären Schicht wechselt zwischen 0,015—0,021 Mm. Ihre Kerne sind oval, gut begrenzt, dunkelkörnig und mit einem oder 44 GUSTAF ANNELL. mehreren Kernkörperchen versehen. In manchen Zellen erscheint der Kern bei verschiedener Behandlung unregelmässig geformt, wie geschrumpft. Durch Versilberung bekommt man die Grenzen dieser Zellen dunkel gefärbt. Taf. III Fig. 10 giebt ein solches Präparat wieder. Die Sta- cheln treten dann nicht hervor, sondern die Ränder erscheinen ziemlich breit und etwas unregelmässig wellenförmig. Die Gestalt der einzelnen Zellen lässt sich dabei leicht bestimmen; sie wechselt ziemlich viel; im All- gemeinen ist sie ziemlich unregelmässig und eckig. Hier und da scheint sich in den Winkeln zwischen den Zellen eine intercelluläre Oeffnung zu befinden. In der Flächenansicht solcher versilberter Präparate erkennt man oft auch unter den Zellen des Stratum intermedium die äusseren Enden der Schmelzzellen, d. h. die sog. Schmelzzellenfüsse. In der Regel ruhen auf jeder der »inter- mediären Zellen», wie dieselben genannt werden können, 7, 8, 9—10 Schmelzzellenfüsse (Taf. III Fig. 10). An den Silberpräparaten sieht man neben den intermediären Zellen und den Schmelzzellen eine Anzahl stärker glänzender, kernähnlicher Gebilde, welche sich besonders durch Glanz aber auch durch Lage und Anordnung von den Schmelzzellenfüssen unterschei- den, denen sie übrigens der Gestalt nach etwas ähneln, obwohl sie ovaler und rundlicher sind; sie scheinen zwischen den intermediären Zellen und den Schmelzzellen zu liegen, sind zu ziemlich ausgesprochenen rundlichen Maschen angeordnet und liegen dabei in einfachen Reihen, in den Maschenecken je- doch mehrere zusammen (Taf. III Fig. 10). Die Maschen sind grösser wie die intermediären Zellen und entsprechen der Gestalt derselben nicht. Was nun diese Kernbildungen bedeuten, muss ich diesmal unentschieden lassen. Aus der hier gegebenen Schilderung geht also hervor, dass das Stra- tum intermedium aus einer 2—4-lagrigen Schicht epithelialer Stachelzellen besteht. Dies ist von besonderem Interesse, wenn man bedenkt, dass das Zellengewebe des Schmelzorgans vom Epithel der Mundschleimhaut ab- stammt. Hier mag indessen bemerkt werden, dass nicht alle Zellen des Stratum intermedium ganz die soeben geschilderte Gestalt haben; die Zellen der äusseren Lagen haben nämlich ein etwas verschiedenes Aussehen, wie ich bei der Darstellung des Gallertgewebes näher beschreiben werde. 3. Das Gallertgewebe. Seitdem KÖLLıkEr dieses Gewebe als aus sternförmigen, mit eimander durch zahlreiche Fortsätze vereinigten Zellen und aus einer in reichlicher Menge zwischen den Zellen abgesonderten hellen Gallerte bestehend geschildert hatte, haben alle Histologen mit seltener Einigkeit dieser Darstellung zugestimmt. Die übrige Entwicklung, welche ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 45 die Lehre von diesen Zellen erhielt, betraf nur die Abstammung der Zellen, welche, wie Huxrey annahm und Köruıker bewies, aus Epithelzellen her- rühren. Dieser Uebergang von Epithelzellen in sternförmige Zellen kam KöLrıker sehr eigenthümlich vor. Der wahren Beschaffenheit der fraglichen sonderbaren Zellen habe ich eine eingehendere Untersuchung gewidmet. In der That stellen dieselben, soweit mir bekannt ist, eine ganz alleine stehende Art von Epithelgewebe dar. An Schnittpräparaten zeigt das bezügliche Gewebe unter dem Mikro- skope ein sehr schönes Bild und man glaubt, besonders bei schwacher Vergrösserung, den wahren Typus eines Gallertgewebes vor sich zu haben (Taf. III Fig. 1—3), wie es die Zahnpulpa und anderes muköses Bindege- webe darbieten. Bei der Untersuchung sorgfältig zerzupfter Partien dieses Gewebes, welche aus den einige Tage mit verdünnter Müllerscher Lösung behandelten Zahnsäcken genommen werden, findet man etwas Anderes als was man gewöhnlich »sternförmige» Zellen zu nennen pflegt. Man erhält nämlich dabei eine reichliche Menge unvollständig isolirter und in der Regel ziemlich undeutlich contourirter, kernführender, grösserer oder kleinerer, mit zahlreichen Fortsätzen versehener Platten. Wenn es gelingt diese Platten vollständig zu isoliren, zeigen sie, in Folge der sehr reichlichen Fortsätze, gewöhnlich ein sonderbares Aussehen. Die Platte ist von unre- gelmässiger Gestalt, an den Rändern wegen der abgerissenen Fortsätze sehr gezackt; die Oberfläche ist oft wie mit Riffen und Vorsprüngen besetzt und als der einzige bestimmte Theil dieses Wirrwarrs tritt der meistentheils scharf contourirte, körnige und dunkler erscheinende, oft von einer körni- gen, dunklen Partie zunächst umgebene Kern hervor. Trotz dem gewöhnlich zerrissenen und fehlerhaften Zustande, den die isolirten Zellen stets darbieten, lassen sich doch Zellenformen darstellen, welche eine vollständige Uebergangsreihe zwischen den beschriebenen Stachel- zellen des Stratum intermedium und den ganz entwickelten grobzweigigen Plattenzellen, wie die Zellen des Gallertgewebes mit Recht genannt wer- den können, bilden. Taf. III Fig. 12—14 zeigen solche Uebergangsformen. Die der Fig. 13 gehört noch dem Stratum intermedium an und giebt ein Beispiel der Zellen dessen äusserster Lage; sie stellt eine kräftig entwickelte Stachelzelle dar, deren Platte grösser und unebener mit im Ganzen längeren Stacheln und breiten Seitenfortsätzen erscheint. Fig. 12 und 14 zeigen die Vergrösserung der Platte und die Vermehrung der breiteren Fortsütze; in Fig. 15 endlich ist eine wirklich grobzweigige Plattenzelle mit ihrer grossen Platte und starken reichlichen Fortsätzen abgebildet. 46 GUSTAF ANNELL. Alle diese Plattenzellen können also als von Stachelzellen herstammend und gewissermassen durch eine nach allen Richtungen in Folge der Aus- spannung der Zwischenräume entstandene, kolossale Entwickelung solcher Zellen angesehen werden. Durch vorsichtige Zerzupfung des Gallertgewebes dünner Schnittpräpa- rate lassen sich diese Plattenzellen am besten erhalten. Es gelingt dann zu- weilen, dieselben von der Fläche her in einfacher Lage und mit den Fort- sätzen in ziemlich unbeschädigtem Zustande zur Ansicht zu bekommen. Zwar lassen sich dabei die Grenzen der einzelnen Zellen nicht genau be- stimmen, indem die Fortsätze in einander unmittelbar übergehen; man be- kommt aber eine schöne und wahre Ansicht des Gewebes (Taf. III Fig. 11). Von den Rändern der Platten sieht man dann zahlreiche, platte, breitere oder schmälere, oft verzweigte Fortsätze ausgehen, welche angrenzende Zellenplatten verbinden und dadurch ein weitläufiges Balkenwerk bilden. Aber auch von den beiden Flächen der Platten gehen zahlreiche Fortsätze aus, welche ein sehr wechselndes Ansehen darbieten. Viele unter ihnen scheinen den Randfortsätzen ganz ähnlich, indem man dieselben von der Fläche sieht, wo sie von einem gewöhnlich breiteren Fusse an der Öber- fläche der Zellenplatte nach verschiedenen Richtungen verlaufen und mit Flächen- oder Randfortsätzen angrenzender Zellen zusammenhängen. Sie nehmen an der Bildung eines Balkenwerkes Theil, welches natürlich mit dem vorher geschilderten zusammenhängt, sind aber grösstentheils vor oder hinter den Zellenplatten selbst (d. h. zwischen ihnen, wenn das Prä- parat mehrere derartige Zellenschichten enthält) belegen. Andere Fort- sätze werden vom Rande her gesehen; sie stehen also senkrecht gegen die Zellenfläche, flügelförmige Vorsprünge bildend, und erscheinen als dunkle, ziemlich schmale Firsten, welche in verschiedener Richtung über die Zellen- fläche verlaufen und angrenzende Zellen mit einander verbinden. Oft scheinen diese Firsten von der den Kern beherbergenden Partie der Zellen- platte auszugehen (Taf. III Fig. 11). Der Kern dieser grobzweigigen Plat- tenzellen ist oval, nach Behandlung mit Chromsäure von körnigem Aussehen, deutlich contourirt, oft im der Nähe eines Randes oder einer Ecke der Zellen- platte belegen, seine Grösse entspricht ungefähr derjenigen der Stachelzellen. Die Anordnung der Plattenzellen im Gallertgewebe ist, wie sich aus der Lage der Stachelzellen im Stratum intermedium vermuthen lässt, der Art, dass sie ihre Flächen nach den Füssen der Schmelzzellen hin wenden und also in concentrischen Schichten um die Zahnpulpa herum liegen. Zwischen den dicht angehäuften Kernen des Stratum intermedium und den ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 47 zerstreut liegenden Kernen des Gallertgewebes geht der Uebergang sehr schnell vor sich. Nach aussen gegen das äussere Epithel hin scheinen oft die Zellen- platten diehter an einander zu liegen und zeigen sich dann an vertikalen Längsschnitten durch die mittleren Partien des Zahnsacks als recht deutlich ausgeprägte, längsgehende, ziemlich dicht beisammen liegende und parallele Streifen. Diese Anordnung der Zellen erklärt ihr »sternförmiges» Aussehen an Schnittpräparaten. Hat man einen Querschnitt des Zahnsacks vor sich, so sieht man den Rand der verzweigten Plattenzellen vom Kerne aus sich nach zwei entgegengesetzten Richtungen hin erstrecken; die Randfort- sätze lassen diese zwei scheinbaren Fortsätze getheilt erscheinen. Von den Flächenfortsätzen, welche, wie oben beschrieben wurde, in allen möglichen Ebenen liegen und grossentheils von der Zellenplatte in der Kerngegend ausgehen, erscheinen die von dem Rande her gesehenen oder im Allge- meinen deutlicher hervortretenden wie Strahlen der sternförmigen Zelle, die man vor sich zu haben glaubt. Bei Längsschnitten durch die mittleren Partien des Zahnsacks wird das Verhältniss ganz dasselbe. Man hat dann die Pulpa, entweder mit oder ohne die Dentine- und die Schmelzschicht, in der Mitte und zu jeder Seite derselben das Gallertgewebe. Die stärksten Fortsätze gehen nach Wixzer in diesem Falle in der Längsrichtung des Zahnsacks; diese Richtung entspricht auch dem Rande der Zellenplatte selbst und es ist offenbar, dass er gerade diese Ränder für Fortsätze genom- men hat; nichts desto weniger laufen aber zwischen den Rändern der ein- zelnen Zellenplatten sehr grosse Fortsütze, so dass die von WEnzEL er- wähnte Anordnung, wie eben hervorgehoben, nur in den äussersten Schich- ten des Gullertgewebes auffällt. Das weitläufige, anastomosirende Balkenwerk, welches die grobzweigi- gen Plattenzellen mit ihren zahlreichen Fortsätzen in dieser Weise bilden, schliesst nun in sich einen das ganze Gallertgewebe hindurch zusammenhän- genden, aber in unzählige Fächer vertheilten Raum ein, der mit einer Flüssig- keit angefüllt ist. Diese Flüssigkeit soll nach den gewöhnlichen Angaben eine gallertartige Beschaffenheit besitzen. Ich fand sie immer klar: bei keinem der vielen Präparate, die ich nach verschiedenen Methoden behan- delt hatte, sah ich eme Trübung, schlag an oder zwischen den Zellen. In Folge dessen und ihres übrigen eine Körnigkeit oder etwaigen Nieder- Aussehens wegen bin ich nieht geneigt anzunehmen, dass sie eine eallertartiee » > o fe} > Beschaffenheit hat, wohl aber dass sie ziemlich diekflüssige ist. Ueber ihre chemische Natur konnte ich keine nähere Erläuterung erhalten. =) 48 GUSTAF ANNELL. 4. Das äussere Epithel des Schmelzorgans. KÖLLıker beschreibt dieses Epithel als einem Plattenepithel ähnlich und erwähnt »Epithelialsprossen>, welche von seiner oberen Partie in das umgebende Bindegewebe hinein- schiessen und zwischen sich gefässreiche und Bindegewebszapfen entsprechende Schleimhautpapillen aufnehmen. Diese Epithelialsprossen wurden schon von Topp-Bowmav wahrgenommen, aber für Drüsenorgane gehalten. Nach Dvrsr setzen sich in der That diese Epithelialballen und Bindegewebspa- pillen während eines früheren Entwickelungsstadiums an dem Halse des Schmelzorgans fort und stehen dort in unmittelbarem Zusammenhang mit den Papillen der Mundschleimhaut. Das äussere Epithel des Schmelzorgans ist oft recht schwer wahrzu- nehmen, weil es der Bindegewebskapsel dicht angeschlossen liegt. In man- chen Schnittpräparaten ist es mir jedoch gelungen, dasselbe in weiter Aus- dehnung vom unteren Umbiegungsrand her zu verfolgen, wo es unter ziem- lich schnell vor sich gehender Erhöhung in das innere Epithel übergeht (Taf. III Fig. 1—3äe). Dieser Umbiegungsrand befindet sich bei verschiedenen Zahnsäcken in etwas verschiedener Höhe, indem er oft den Winkel, wo sich die Pulpa umbiegt und an die Bindegewebskapsel befestigt, nicht erreicht, wodurch an diesem Winkel ein kleiner freier, mit Flüssigkeit erfüllter Raum entsteht (Taf. III Fig. 1, 2). In anderen Fällen (Taf. III Fig. 3) erstreckt sich jedoch das Schmelzorgan mit seiner umgebogenen Epithelschicht bis zum Boden dieses Winkels hinab, die Pulpa und die Bindegewebskapsel auch hier auskleidend, wodurch kein »leerer» Raum ent- steht. Das äussere Epithel des Schmelzorgans besteht übrigens aus nur einer Lage ganz kleiner und niedriger Zellen. Dass die äusseren Zellenlagen des Gallertgewebes sich dichter einander anlegen und sich endlich an das äussere Epithel befestigen, ist oben schon erwähnt worden. In Betreff der epithelialen Fortsätze kann ich nur sagen, dass diese Fortsätze ganze Massen dicht an einander gedrängter und unregelmässig geformter Zellen von deutlich epithelialer Natur enthalten. Zuweilen ähneln sie wirklich gewissermassen Drüsen dadurch, dass sie mit einem schmale- ren Halse versehen sind. Ihre Grösse ist recht bedeutend, indem sie eine Breite und Länge von 0,12 Mm. erreichen. Verzweigte Fortsätze, wie sie KörLıker erwähnt, sah ich nie. Gewöhnlich ist übrigens die Gestalt halb- sphärisch, zuweilen der Breite oder Länge nach ausgezogen. Bevor ich zu einer gedrängten Darstellung der Theorien der Schmelz- bildung übergehe, werde ich die Beschaffenheit des Schmelzes in dessen Bildungsstadium kurz besprechen. Eine in der Entwickelung befindliche ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 49 Schmelzplatte besteht aus sechsseitigen, gegen die Oberfläche der Schmelz- platte senkrecht gelagerten Prismen, welche nach innen hin compact, am äusseren Ende aber röhrenförmig sind und hier den nach innen hin ver- schmälerten Tomes'schen Fortsatz einschliessen. Die Bildung der Schmelz- prismen schreitet also von der Fläche nach dem Centrum hin, wie es Waupeyer beschrieben hat. Dass es sich so verhält, habe ich an meinen Präparaten deutlich gesehen. Von der Oberfläche betrachtet bietet eine dünne Schmelzplatte das Aussehen eines regelmässigen Netzwerks mit sechsseitigen Maschen; die Löcher sind leer und das Netzwerk nimmt an Chromsäure- oder Pikrinsäurepräparaten nach Rosanilinfärbung eine schön dunkelrothe Farbe an. Ferner sah ich auch Stücke von Schmelzprismen im ersten Stadium ihrer Entwicklung, welche röhrenförmig waren und ihrer schiefen Lage zufolge der ganzen Länge nach durchgeschaut werden konnten. An vertikalen Längschnitten der mit Pikrin- och Chromsäure behandelten Zahnsäcke bekommt man na- türlich die Schmelzprismen von der Seite her zur Ansicht. Ihre seitlichen Begrenzungen sind im Allgemeinen sehr undeutlich hervortretend; zu- weilen nimmt man jedoch die die Grenze der Prismen bezeichnenden Linien wahr; sie verlaufen dann einander parallel, aber nicht gerade, son- dern in seichten Biegungen und nicht den kürzesten Weg zwischen dem äusseren und inneren Schmelzrande, sondern schief in verschiedener Richtung. Nach innen hin werden diese Grenzlinien undeutlich und schwer zu verfol- gen, weil die innere, der Dentine anliegende Partie des Schmelzes wie zer- fetzt und theilweise fast zerstört erscheint, was natürlich davon herrührt, dass die älteren, inneren Theile der Schmelzprismen mehr von unorganischen Stoffen enthalten. Der äussere Rand des Schmelzes erscheint an diesen Schnittpräparaten oft gezackt (Taf. III Fig. 4); zwischen den Zacken bemerkt man schalenförmige Vertiefungen, dadurch entstanden, Idass die äusseren röhrenförmigen Enden der Schmelzprismen, etwas schief abgeschnitten, von der Seite gesehen sind. Bezüglich der Weise, in welcher die Schmelzbildung vor sich geht, sind nun hauptsächlich zwei verschiedene Ansichten geltend. Nach der einen Ansicht werden die Schmelzprismen durch direete Verkalkung der Schmelzzellen gebildet, nach der anderen sind die Schmelzzellen Secretions- organe und ihr verkalkter Produkt stellt den Schmelz dar. l. Die Theorie der Schmelzbildung durch directe Verkalkung. Die bezügliche Ansicht, zuerst von Scnwann ausgesprochen, ist von Tomes, War- DEYER und Herız aufgenommen worden. Für dieselbe spricht nach Waupryer Biol, Unters, Il, 1582. $ 50 GUSTAF ANNELL. die innige Verbindung der Schmelzzellen und kleiner Bruchstücke von Schmelzprismen, welche als unmittelbare Fortsetzung der Zellen an die- sen gern haften bleiben; ferner sei die Verkalkungsgrenze an den Zel- len auch durchaus keine lineare, sondern greife oft unregelmässig und verschieden tief herab; behandelt man, sagt WaLveyer, jungen Schmelz mit verdünnten Säuren, so quellen die Schmelzprismen etwas auf und nehmen ganz und gar wieder die Form der früheren Cylinderzellen an; eine deutliche membranöse Begrenzung an den Längsseiten tritt wieder hervor. 2. Die Theorie der Schmelzbildung durch Secretion. Diese Ansicht wurde zuerst von Rascukow ausgesprochen. Sie wurde durch die Schwann'- sche Lehre verdrängt, aber in etwas veränderter Gestalt von Huxrrr wieder aufgenommen; er nahm eine secernirende Membran, »die Membrana prformativa», als den Bildungsheerd des Schmelzes an. Lext stellte eine Wahrschemlichkeitstheorie auf, nach welcher das Secret der Schmelzzellen die Membrana prxformativa durchdringt und sich an ihrer Innenfläche ab- setzt, dann Kalksalze aufnimmt und fest wird. Korzmann und WenxzeL nehmen, wie oben angeführt wurde, eine Membran an den inneren End- flächen der Schmelzzellen an; übrigens stimmt ihre Ansicht mit derjenigen von Leyr überein. . Gegen diese beiden "Theorien können mehrere Einwände hervorge- hoben werden. Gegen die Secretionstheorie, wie sie durch Lest und Korrnmann dargestellt worden ist, wird von Warpryer und Hertz die Be- merkung gemacht, dass weder eine »Membrana pr.eformativa» noch ein »Schmelzoberhäutchen» existire. Zu diesem Ergebniss haben, wie oben beschrieben wurde, meine Untersuchungen ebenfalls geführt. Ich kann es aber nicht einsehen, dass durch das Nicht-Vorhandensein der fraglichen Membran die Lehre von der Schmelzbildung durch Secretion fallen muss. Die schwerste Einwendung gegen die Secretionstheorie dürfte die oft auf- geworfene Frage sein, weswegen die Schmelzprismen, wenn sie nur einer Art Secret entsprechen, die Gestalt der secernirenden Zellen so ausgeprägt wieder- geben; diese Frage lässt sich bis jetzt nicht in ganz befriedigender Weise beantworten. Anderseits mag als Stütze der Secretionstheorie angeführt werden, dass, wie ich gefunden, die Schmelzzellen sich vom Schmelze leicht ablösen, und dabei auch die Tomes’schen Fortsätze aus demselben ausgezogen werden können. Ferner ist es schwer mit WALDEYER anzunehmen, dass die Schmelz- zellen gleichzeitig mit der directen Schmelzwandlung ihrer inneren Enden - ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 51 an den äusseren Enden wachsen; dagegen spricht u. A. die Lage der Kerne, welche bei einem solchen äusseren Zuwachs der Zelle nach innen hin ge- rückt werden dürften; wie ich oben gezeigt habe, ist eben das Gegentheil der Fall. Ein direeter Zuwachs der Zellen in ihrer Länge von den Zellen des Stratum intermedium aus — wie WALDEYER annimmt — ist wohl kaum mehr annehmbar, nachdem ihre Stachelzellennatur nachgewiesen worden ist. Im Zusammenhang mit dieser Darstellung dürfte hier ein Versuch an- geführt werden können, den ich über die Einwirkung verdünnter (2 %) Salpetersäure auf den Schmelz der Zähne eines sechs Monate alten Hundes gemacht habe, indem das Ergebniss desselben möglicherweise auf einen der Gründe Warpeyer’s für die directe Verkalkung der Schmelzzellen Einwirkung haben kann. Die Zähne blieben in der Säure, bis der Schmelz abgeschabt werden konnte, und die ziemlich feinkörmige abgeschabte Masse wurde mikro- skopisch untersucht. Ich fand da in reichlicher Menge Bruchstücke von Schmelzprismen. Die Längsstücke erschienen — was ich nie erwähnt ge- funden habe —- deutlich der Länge nach gestreift. An den am wenigsten angeoriffenen Bruchstückchen sah ich glänzende, ziemlich breite, neben den Rändern der Prismen verlaufende Linien, welche zuweilen sogar von den Rändern auf die Oberfläche übergingen. Möglicherweise stellen diese Linien die Seitenstreifen dar, welche Warpryer als Zeichen der wieder auftretenden membranösen Begrenzung an den Längsseiten angenommen hat. Dass in meinen Präparaten jedoch keine Art Membran vorlag, ging deutlich hervor, als ich die fraglichen Bruchstücke mit anderen von der Säure angegriffenen Partien des Schmelzes verglich. Die Streifen lösten sich nämlich hier und da vom Rande der Bruchstücke in längerer oder kürzerer Strecke ab, die ganzen Schmelzprismen erschienen gestreift und ihre Enden oft fein zerklüftet; von den Seiten derselben löste sich em Streifen nach dem anderen ab und die gröberen Streifen theilten sich in feine Fasern ; die Länge dieser Streifen und Fasern war nie bedeutend. Bei längerer Einwirkung der Säure erhielt ich kleine kurze Bruchstücke der Schmelz- prismen in vollständig faserigem Zerfall begriffen, endlich scheinen nur sehr kleine, kurze und schmale Stücke zurückzubleiben. Aus diesem Ver- halten des Schmelzes gegen Säuren lässt sich annehmen, dass die membra- nöse Zeichnung, welche bei der Einwirkung von Säuren auf Schmelzprismen beobachtet worden, nichts Anderes ist als der erste Schritt zu einem fasigeren Zerfall des Schmelzes. Der eigentliche Verlauf dabei scheint aber 52 GUSTAF ANNELL. bisher nicht wahrgenommen zu sein, weil man wahrscheinlich zu starke Säuren angewandt hat, weshalb der ganze Process zu schnell abgelaufen ist. Im Ganzen scheint mir nun, wenn ich meine eigene Ansicht aus- sprechen soll, die Secretionstheorie mehr Wahrscheinlichkeit für sich zu haben als die Annahme von der directen Umwandlung der Schmelzzellen in Schmelz, obwohl zugegeben werden muss, dass die näheren Verhältnisse des Processes uns nicht hinreichend bekannt sind, da sie sich leider un- serer unmittelbaren Beobachtung entziehen. B. Die Pulpa. Die Zahnpulpa ist, wie WALDEYER sagt, gleichsam das Modell des Zahns, um welches sich die Hartgebilde wie ein Abguss herumlegen, und hat dem- nach eine äusserst variable Form. In Betreff der letzteren wıll ich hier eine, wie es scheint, bisher nicht gemachte Beobachtung anführen, dass sich nämlich die Pulpa an ihrem Fusse ringsum nach aussen und oben um- biegt und an der Innenseite der Zahnsackskapsel eine Strecke emporsteigt (Taf. III Fig. 1—3). Die Pulpa bildet demnach allein den Winkel, m welchem das Schmelzorgan sich hinabsenkt und wo der Uebergang des inneren Epithels desselben in das äussere Epithel vor sich geht. Sein äusseres Epithel kommt also Anfangs auf der Pulpa zu ruhen (Taf. III Fig. 3), jedoch, wie oben angedeutet wurde, nicht immer, weil das Schmelz- organ sich ziemlich oft nicht in den erwähnten Pulpawinkel hinab erstreckt (Taf. III Fig. 1, 2). Es entsteht dann natürlicherweise rings um den Fuss der Pulpa ein von Flüssigkeit angefüllter Raum; dieser Raum ist schon von Macrror erwähnt, der angiebt, dass dieser >vide», wie er ihn nennt, mit der Entwicklung des Zahns wächst, was jedoch nach meiner Erfahrung nicht immer der Fall ist. Das Gewebe der Pulpa bietet nicht Vieles von besonderem Interesse. Es besteht bekanntlich aus einer homogenen Zwischensubstanz mit zahl- reichen eingelagerten verzweigten Zellen und stellt einen Typus des mukösen Bindegewebes dar. Die Fortsätze der Pulpazellen sah ich besonders schön an Präparaten, welche mit Pikrinsäure und Pikrokarmin behandelt waren. Auffallend ist die Spärlichkeit der Zellen in den centralen Partien und ihr Reichthum nach der Oberfläche der Pulpa hin, was ich vor Allem an dünnen Schnitten der Katzenpulpa sehr deutlich wahrnehmen konnte. Die homo- gene Zwischensubstanz scheint indessen an den Stellen, wo noch keine Odon- ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. A toblastenbildung statt findet, an der äussersten Oberfläche der Pulpa nach aussen von den dicht angehäuften Pulpazellen eine besondere dünne Schicht zu bilden. Diese Schicht ist bald etwas verdichtet und erscheint an ver- tikalen Längsschnitten des Zahnsacks als ein etwas wellenförmig verlaufen- der Saum, bald bildet sie einen hellen homogenen Rand äusserst um die Pulpa herum. Bezüglich der Verbreitung der Blutgefässe wird angegeben, dass diesel- ben ein reiches Capillarnetz dicht unter der Oberfläche der Pulpa bilden; dies kann ich bestätigen, vor Allem nach schönen injieirten Präparaten der Kaninchenpulpa, wo auf längeren Strecken ein unmittelbar unter den Odonto- blasten befindliches Capillarnetz verfolgt werden konnte. Ich vermag aber noch hinzuzufügen, dass sich die Capillaren oft in die Odontoblastenschicht selbst, dieht unter der Dentineoberfläche, erstrecken, wie ich sowohl bei Menschen (Taf. IV Fig. 1) wie noch öfter bei Kaninchen und Hunden beobachtet habe. Unter den Bestandtheilen der Pulpa beschäftigte ich mich vor Allem mit den Odontoblasten. Diese Zellen wurden zuerst durch ScHwann entdeckt, welcher sie als eylindrische Gebilde erwähnte. Nach jener Zeit wurden sie manchmal, obwohl merkwürdiger Weise auch bezüglich der ÖOdontoblasten des Menschen, unvollständig und sogar unrichtig beschrie- ben. Die bisher veröffentlichten Abbildungen sind auch wenig erläuternd und bei Weitem nicht befriedigend. Lwvyr wies das Vorhandensein der peripherischen Fortsätze der Odontoblasten nach. Dieselben wurden aber von Macrror bestritten, welcher meinte, dass nur das innere, centrale, nach der Pulpa gerichtete Ende dieser Zellen mit einem Fortsatze versehen sei; die Abbildungen Macırors von Odontoblasten menschlicher Embryonen sind höchst unbefriedigend. Hertz schrieb wenigstens den meisten dieser Zellen eine Membran zu und bestritt den Pulpaprocess; seine Abbildungen be- treffen Odontoblasten menschlicher Embryonen; sie sind aber wenig er- läuternd; im Texte sagt er nicht, ob er die Odontoblasten menschlicher Embryonen besonders meine, er schreibt ihnen aber hier einen oder meh- rere Fortsütze zu. Waupevyer, welcher diese Zellen zuerst Odontoblasten benannte, sagt von ihnen in seiner im Stricker'schen Handbuche gegebenen Beschreibung: »Die äussere Schicht der Pulpa bildet eine Lage grosser, mit zahlreichen Fortsätzen versehener, länglicher Zellen, Odontoblasten, die nach Art eines Cylinderepithels aneinander gereiht sind. Diese Zellen haben eine Länge von 20—30 yı bei durchschnittlich 5 yu Breite, sind feinkörnig und membranlos. Der ziemlich grosse rundliche oder ovoide 54 GUSTAF ANNELL. Kern steckt gewöhnlich in dem der Pulpa zugewandten Ende». Uebri gens beruft sich WALDEYER auf Borr, welcher eine besonders ausführliche Be- schreibung nebst einer grösseren Zahl von Abbildungen der Odontoblasten des Kaninchens, des erwachsenen sowohl wie des neugeborenen, geliefert hat. Die Odontoblasten bieten nach Born die verschiedensten Formen dar. »Das einzige, allgemein gültige Kennzeichen ist das Ueberwiegen des Längs- über den Breitendurchmesser; ersterer übertrifft letzteren meist um mehr als das Doppelte. Die häufigste Form ist die unregelmässig prismatische, doch sind die spindel-, ei- und birnförmigen Odontoblasten, sowie alle möglichen Zwischenformen zwischen den genannten, keineswegs selten». »Constant ist ferner der eine ovale, dunkle Kern, der stets am Pulpaende liegt, mit seinen ein bis zwei erst bei Zusatz von Salzsäure sichtbar werdenden Kern- körperchen». Die Zellen haben nach Borı ferner keine Membran, was aus dem Vorhandensein der zarten commissurenähnlichen Fortsätze hervorgeht, deren sich oft einer bis drei zwischen je zwei Zellen befinden und welche, wie Boss anzunehmen scheint, die Seitenflächen angrenzender Odontoblasten untereinander verbinden. Ausser diesen seitlichen Fortsätzen geht gewöhnlich noch je ein, ja mitunter zwei centrale Pulpafortsätze nach imnen hin von den Odontoblasten aus; ferner erstrecken sich auch von ıhnen aus noch Fortsätze in die Röhren des Zahnbeins, deren Anzahl nach Boss sehr ver- schieden ist; während einige Zellen nur einen einzigen besitzen, zeigen andere drei bis vier, ja sogar fünf oder sechs, »was den betreffenden Zellen ganz das Aussehen von Wimperepithelien gab». Von den beiden anderen Ar- ten von Fortsätzen unterscheiden sie sich durch ein weniger körniges Pro- toplasma und durch grösseren Glanz; sie verästeln sich und communieiren vielfach mit einander. Das ganze complicirte Kanalsystem des Zahnbeins wird von diesen Fortsätzen ausgefällt, wie zuerst besonders von Tours und Brarne dargestellt worden ist. Wenn mehr wie ein Fortsatz vorhanden ist, gehen diese Fortsätze von solchen Odontoblasten aus, die ein quer ab- gestutztes äusseres Ende haben; die übrigen Formen besitzen gewöhnlich nur einen Fortsatz. Die Odontoblasten des erwachsenen Kaninchens sind länger und schmaler als die embryonalen. Wexzer theilte eine besonders ausführliche Beschreibung dieser Zellen mit, welche jedoch ziemlich mit derjenigen von Bors und WALDEYER über- einstimmt und sich zunächst auf die Odontoblasten des Kaninchens bezieht. Er erwähnt speciell, dass die jungen Ödontoblasten rund sind, mit der Zeit aber sich verschmälern, und hebt bezüglich der älteren Odonto- blasten hervor, dass die cylinder-, spindel- und uhrglasförmigen die ge- ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 52] wöhnlichsten Formen darstellen. Eigentliche Abbildungen derselben lieferte er nicht. Bei meinen eigenen Untersuchungen über Odontoblasten benutzte ich als Material nicht nur die Zahnsäcke menschlicher Embryonen, sondern auch Zähne erwachsener Menschen, Hunde, Kaninchen und Schweine. Die embryonalen Zahnsäcke wurden auch für diese Untersuchungen entweder der Isolation der Zellen wegen mit verdünnter Müllerscher Lösung oder, um Schnittpräparate zu gewinnen, mit Pikrin- oder Chromsäure behandelt; beide Methoden lieferten gute Resultate. In die Müllersche Lösung wur- den die Zahnsäcke ungeöffnet während emiger Tage gelegt, dann auf- geschnitten, wonach die Dentinmütze abgehoben wurde. Durch diese Be- handlung bleiben die meisten Odontoblasten an der Pulpaoberfläche sitzen. An Zerzupfungspräparaten der Pulpa bekommt man oft einen wahren Wald von Fortsätzen bedeutender Länge, wogegen es oft recht schwierig ist, die Zellen selbst isolirt zu erhalten. An Schnittpräparaten der mit Säuren be- handelten und in gefrorenem Zustande geschnittenen Zahnsäcke hat man eine besonders gute Gelegenheit, die Form und Anordnung der Odonto- blasten verschiedener Theile des Zahnsacks zu studiren. Zur Untersuchung der Odontoblasten erwachsener Thiere wurden verschiedene Methoden ver- sucht; nach vorsichtiger Zerbrechung der Zähne wurden sie entweder in verdünnte Müllersche Lösung oder Chromsäure ('/,, % nach Bour) gelegt, eine Behandlungsmethode, die mir nur ausnahmsweise gute Resultate ge- geben hat — oder auch wurde die Pulpa von dem Zahnbein abgelöst und mit Goldchlorid und Ameisensäure behandelt; letztere Methode ge- lingt zwar nicht immer gut, aber nicht selten bekommt man dadurch eine sehr schöne violette Färbung der Odontoblasten, welche vor Allem ihre Gestalt wohl beibehalten und noch dazu sich ziemlich leicht isoliren lassen. Uebri- gens eignen sich solche Goldpräparate auch zur Untersuchung der Nerven des Zahns. Bei Zähnen von Kaninchen und Hunden erhielt ich stets die Odonto- blasten als eine zusammenhängende, die innere Zahnbeinfläche bedeckende Schicht; oft folgte ihr auch sogar die äusserste Schicht der eigentlichen Pulpasubstanz. Dies war ebenfalls nicht selten bei menschlichen Zähnen der Fall, oft aber wurden auch, ohne Anwendung besonderer Vorsichtsmassre- geln, die Odontoblasten vom Zahnbein abgelöst und blieben der Pulpaober- fläche anhaftend. Wenn nun Partien der Odontoblastenschicht von der Zahnbeinfläche abgeschabt und zerzupft werden, bekommt man theils vollständig isolirte 56 GUSTAF ANNELL. Zellen, theils auch dünne Theile der Odontoblastenschicht, an welchen so- wohl die Zellenformen als besonders die Anordnung der Zellen fast ebenso schön studirt werden können wie an Schnittpräparaten. Letztere sind des- wegen bei Zähnen Erwachsener nicht nothwendig, was besonders werthvoll ist, da es sehr schwer fällt, an diesen sich durch Säuren so langsam er- weichenden Zähnen die Odontoblasten in natürlicher Gestalt zu erhalten. Bei der folgenden Darstellung der Odontoblasten werde ich ihre ver- schiedenen Formen, jede für sich, beim menschlichen Embryo, beim erwach- senen Menschen, Kaninchen, Hunde und Schweine beschreiben; bezüglich ihres Protoplasma, ihrer Kerne, Fortsätze u. s. w. werde ich aber eine allen Odontoblastenarten gemeinsame Darstellung geben. Ich gehe hierbei von der Darstellung der Odontoblasten mensch- licher Embryonen aus. Um eine Uebersicht des Zusammenhanges der wechselnden Formen dieser Odontoblasten zu liefern, werde ich zuerst eine kurze allgemeine Schilderung der allmäligen Veränderung der Gestalt, Grösse und Anordnung derselben mittheilen, welche wahrgenommen wird, wenn man sie an vertikalen Längsschnitten von Zahnsäcken sieben- bis acht- monatlicher Embryonen von ihrem ersten Auftreten bis zur Spitze der Pulpa verfolgt. Am untersten Theile, wo der Zahnbeinrand ausläuft, zeigen sich die Odontoblasten als runde oder spindelförmige, kleine, dicht liegende Zellen. Etwas höher oben werden sie etwas grösser, im Allgemeinen länglicher, der Gestalt nach unregelmässig, birnförmig, prismatisch, oval u. s. w. (Taf. IV Fig. 2). Allmälig erhalten sie nun eine ziemlich regelmässig eylindrische Gestalt und wachsen gleichzeitig in allen Richtungen (Taf. IV Fig. 2). Diese Cylinderzellen sind zuweilen auf längere Strecken von gleicher Grösse (dieselbe Fig.). Gewöhnlich werden jedoch hierbei einige Zellen kürzer als die übrigen, so dass längere und kürzere cylindrische Zellen mit einer gewis- sen Regelmässigkeit alterniren (dieselbe Fig.).. Zu gleicher Zeit fangen auch die Zellen an, der Gestalt nach unregelmässiger zu werden; bei manchen längeren Zellen erscheinen die äusseren, zwischen den kürzeren liegenden Theile gleichsam eingeklemmt, zusammengedrückt und schmaler; bei anderen werden die Seitenflächen ausgehöhlt oder auch werden die Zellen spindelförmig u. s. w. Nach oben hin nimmt die Odontoblastenschicht stetig an Höhe zu. Je höher nach der Pulpaspitze hin, desto mehr erscheinen die Zellen wie gegen einander gepresst, und im Zusammenhang damit sieht man die Zellenformen immer wechselnder und eigenthümlicher werden. (Grewisse Zellen behalten ungefähr ihre frühere Gestalt. Andere werden ansehnlich ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 2) verlängert; ihre der Pulpasubstanz zugewandten Enden behalten die Cy- linder- oder Spindelform, während dagegen ihre äusseren, zwischen den kürzeren Zellen emporragenden Theile in mehrfacher Weise verändert wer- den, indem sie sich in eine Platte oder einen Strang verwandeln, wel- cher sich wieder zu einer Platte verbreitern kann u. s. w. Die Odonto- blasten zeigen also hier eine recht complieirte Anordnung. Die ein- fachere Anordnung zu einer einfachen Reihe ziemlich gleich grosser Zellen kommt nur im untersten, jüngsten Theile der Odontoblastenschicht vor; je weiter hinab an der Pulpa das Zahnbein wächst, desto länger nach unten hin erstreckt sich auch die complieirte, unregelmässigere Anordnung der Odontoblasten in nur scheinbar mehrfacher Schicht, und in allen vollstän- dig entwickelten Zähnen ist eine solche Anordnung alleine herrschend. Aus dem hier Dargestellten geht schon hervor, dass die verschiedenen Formen der Odontoblasten durch eine Reihe Uebergangsformen in einander übergehen. Sie können deswegen nicht in bestimmt getrennte Formen ge- theilt werden. Hier werde ich deshalb nur der genaueren Kenntniss wegen die hauptsächlichen Typen derselben beschreiben. Von den Odontoblasten lassen sich drei Haupttypen unterscheiden. Zum ersten Typus rechne ich die kleinen runden und spindelförmigen, ebenso die etwas grösseren, unregelmässig geformten, bimförmigen oder prismatischen Odontoblasten, deren eigentliche Bedeutung o > darin liegt, dass sie die Odontoblastenschicht bei ihrem ersten Auftreten und den untersten jüngsten Theil derselben während der ganzen Entwickelung des Zahns allein bilden. Sie können natürlicherweise nur an solehen Stellen vorkommen, wo Neubildung von Odontoblasten vor sich geht, und stellen im Ganzen die primären unentwickelten Formen der Odontoblasten dar. Die kleinsten unter ihnen unterscheiden sich hauptsächlich durch ihre Anordnung sowie etwas durch ihre Grösse von den Zellen der eigentlichen Pulpasubstanz, mit welchen sie übrigens natürlicherweise nahe verwandt sind; ihre Fortsätze sind schwer wahrzunehmen und ihre Contouren ziemlich undeutlich. Zum zweiten Typus gehören die Odontoblasten, deren Form zwi- schen derjenigen der unentwickelten Odontoblasten des ersten Typus und der eigenthümlich ausgebildeten des dritten Typus steht; ihre Gestalt kann sehr wechseln, ist aber im Allgemeinen eylindrisch. Die Odontoblasten der eylindrischen Form zeigen keine scharfe seitliche Begrenzung; oft gehen von ihren Seiten äusserst zarte, zuweilen verzweigte, fast fadenförmige Fort- sätze aus, welche wahrscheinlich den beim Kaninchen von Bort erwähnten Protoplasma-Commissuren entsprechen; nie sah ich aber, wie dieser For- Biol, Unters. II, 1892. 5 58 GUSTAF ANNELL. scher, die zarten Fortsätze die Zellen mit einander verbinden. Auch wenn keine solche kleine Seitenfortsätze vorkommen, sind jedoch die Zellenränder nicht eben, sondern hier und da fein gezackt. Das untere Ende ist bei den kürzeren Zellen gewöhnlich stumpf und abgerundet, bei den längeren aber verschmälert und allmälıg in den Pulpafortsatz übergehend; das obere Ende ist gewöhnlich von einem ganz scharfen, querlaufenden Saume be- grenzt, welcher sowohl gegen den Zellenkörper wie den Fortsatz deutlich markirt ist. Vom äusseren Ende betrachtet zeigen die Zellen eine abge- plattete obere Endfläche, von welcher sich der Fortsatz, von einem dunk- len Rande umgeben, erhebt. Die Länge des Zellenkörpers beläuft sich, obwohl selten, bis auf 0,06 Mm.; die kürzesten, welche gewöhnlich auch die dieksten sind, besitzen nicht mehr wie ein Drittel dieses Masses; Ab- bildungen dieser eylindrischen Odontoblasten smd auf der Taf. IV Fig. 3, 4 b} 17 und 15 dargestellt. Die nicht rem eylindrischen Odontoblasten, die ich zum zweiten Ty- pus rechne, haben eine Gestalt, welche der cylindrischen ziemlich nahe steht und gleichsam durch eine unbedeutendere Veränderung (durch den Druck angrenzender Zellen u. s. w.) aus ihr entstanden zu sein scheint. Die gewöhnlichsten Formen solcher Odontoblasten sind die spindelförmigen (Taf. IV Fig. 7), und diejenigen, deren eine oder beide Seitenflächen eoncav sind oder die eine schmalere äussere Hälfte besitzen u. s. w. Es ist hier keine besondere Beschreibung dieser Formen nothwendig, indem sie in allen Theilen mit den eylindrischen Odontoblasten übereinstimmen. Ihre Länge ist bedeutend, derjenigen der längsten eylindrischen Odontoblasten ent- sprechend. Die Odontoblasten des dritten Typus treten zuletzt auf und zeigen sich zuerst an den Spitzen der Pulpa; sie geben hier, wie erwähnt, durch ihr Auftreten zu einer complicirteren und unregelmässigeren Anordnung Anlass. Ihre eigenthümlichen Formen können gewissermassen als durch Verlängerung eylindrischer Zellen entstanden betrachtet werden, worunter zugleich ihre äussere Partie durch den Druck angrenzender kürzerer Zellen in mehrfacher Weise verändert zu sein scheint. Obwohl also das Aussehen der Zellen sehr verschieden sein kann, sind jedoch gewisse Formen die am öftesten vorkommenden und als für diese Art der Odontoblasten besonders cha- rakteristisch anzusehen. Bei menschlichen Embryonen kommen beson- ders zwei solche Formen vor. Die Odontoblasten der einen Form sind abgeplattet oder plattenförmig. Mit Ausnahme des inneren kernführenden Endes stellt die ganze Zelle eine Platte dar, welche an verschiedenen Stel- ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 99 len eine ungleiche Breite haben kann; die begrenzenden Ränder sind eben; die Grenze zwischen der flachen Zellenplatte und dem äusseren Fortsatz erscheint in der Regel undeutlich, nur selten durch einen queren, schärfer markirten Rand ausgezeichnet. Die Länge dieser Zellen beträgt sich bis zu 0,066 Mm. Die Taf. IV Fig. 5 und S stellt Odontoblasten dieser Form dar. Die Odontoblasten der zweiten Form sind besonders eigenthümlich. Die Zelle erscheint wie in zwei durch eine gewöhnlich ziemlich lange und schmale Mittelpartie verbundene Hälften abgetheilt. Der centrale Theil enthält den Kern, ist oval, zuweilen rund, in der Regel scharf begrenzt und reichlich granulirt. Das Mittelstück besitzt oft nicht grössere Breite als ein gewöhnlicher Fortsatz und geht früher oder später in den äusseren Theil der Zelle über, welcher aus emer flachen, plattenförmigen Ausbreitung ohne körnige Beschaffenheit besteht. Die Form der Platte wechselt und ist zuweilen mit unregelmässigen Einkerbungen versehen; sie geht ohne aus- geprägte Grenze in den Fortsatz über. Die Länge dieser Zellen be- läuft sich bis auf 0,00 Mm. Taf. IV Fig. 9—11, 16 stellt Abbildungen dieser Form dar. Zwischen den eben beschriebenen platten und diesen mit zwei Abthei- lungen versehenen Zellen kommen zahlreiche Uebergangsformen vor. Das Mittelstück kann nämlich breit und kurz sein und sich nur wenig von den Endstücken der Zelle unterscheiden. Auf Taf. IV, Fig. 12—14, sind Odontoblasten abgebildet, welche sich nur schwer zu einem der drei Haupt- typen hinführen lassen; am richtigsten sind sie meiner Ansicht nach zum dritten Typus zu rechnen, weil ihr ziemlich langer, abgeplatteter äusserer Theil am ehesten dem Zellenkörper angehört und nicht als Zellenfortsatz zu betrach- ten ist, indem letzterer, der zwar an seinem Anfang breit sein kann, sich schnell verschmälern pflegt. Zwischen den Odontoblasten findet sich in mehr oder weniger sparsa- mer Menge eine Substanz, welche mit der Intercellularsubstanz der übrigen Pulpa zusammenhängt und unten näher besprochen werden soll. Nach dieser ausführlicheren Darstellung der beim menschlichen Em- bryo vorkommenden Odontoblasten werde ich die entsprechenden Verhält- nisse beim erwachsenen Menschen und den von mir untersuchten 'Thieren kurz besprechen. Beim erwachsenen Menschen scheint man, nach der hierauf bezüg- lichen Literatur zu urtheilen, bisher keine nähere Untersuchungen über die Odontoblasten angestellt zu haben. Ich habe nicht einmal deutliche Angaben 60 GUSTAF ANNELL. gefunden, dass diese Gebilde beim erwachsenen Menschen vorkommen, und ob sie in solchem Falle die beim Embryo vorhandenen Formen behalten oder Veränderungen regressiver Art erleiden, indem ihnen nach der voll- ständigen Entwickelung der Zähne nicht mehr dieselbe physiologische Auf- gabe zufällt. Durch meine diesen Fragen gewidmeten Untersuchungen habe ich mich davon überzeugt, dass beim erwachsenen Menschen die Odontoblasten nicht nur noch vorhanden sind, sondern ungefähr dasselbe Aussehen wie beim Embryo besitzen, weshalb die Eintheilung der Odontoblasten, die oben für den Embryo angegeben wurde, auch für den erwachsenen Menschen gelten kann, wie dies ja auch bei den folgenden Beschreibungen der entspre- chenden Gebilde des Kaninchens und des Hundes der Fall ist. Wie schon oben angeführt wurde, können indessen beim erwachsenen Menschen keine Odontoblasten des ersten Typus des Embryos angetroffen werden. Die Odontoblastenschicht des Erwachsenen besteht durch und durch aus Zellen verschiedener Länge, von der complieirten Anordnung, welche beim Embryo erst beim Auftreten der Odontoblasten vom dritten Typus angetroffen wird. Die Odontoblasten vom zweiten Typus bieten ungefähr dieselben Formen wie beim Embryo dar; die Abgrenzung des Zellenkörpers gegen den Zahnbeinfortsatz scheint jedoch nicht so deutlich markirt zu sein; im Allgemeinen scheinen diese Zellen beim Erwachsenen in allen Dimensionen kleiner zu sein wie beim Embryo. Die Odontoblasten des dritten Typus scheinen hier ebenfalls etwas kleiner wie beim Embryo zu sein. Die äussere Partie der Zellen erscheint entweder abgeplattet aber gleichmässig breit, oder zu einem Strange umgewandelt, welcher an seinem äusseren Ende, von dem der Fortsatz ausläuft, zuweilen eine kegelähnliche Anschwellung zeigt. Die Grenze gegen den Fortsatz ist bei allen diesen Odontoblasten deutlich, nicht selten sogar sehr scharf ausgeprägt. Einige Abbildungen der Odontoblasten des erwachsenen Menschen sind auf Taf. IV Fig. 19—23 mitgetheilt. Uebrigens ist hier zu bemerken, dass es mit ziemlich grossen Schwierigkeiten verbunden gewesen ist, diese Zellen in unbeschädigtem Zu- stande isolirt zu erhalten. Die Odontoblasten des Kaninchens. Diese Gebilde sind schon mehrmals beschrieben worden, aber eime erneute Untersuchung hat nun dargethan, dass die bisherigen Darstellungen in mancher Hinsicht unvoll- ständig und sogar unrichtig waren, weshalb eine gedrängte Beschreibung derselben hier geliefert werden soll. ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 61 Da die Schneidezähne des erwachsenen Kaninchens stets wachsen, wer- den wohl fortwährend neue Odontoblasten gebildet. Man trifft deshalb bei diesen Zähnen am untersten Ende der Pulpa Odontoblasten von der Art, wie beim menschlichen Embryo unter dem ersten Typus beschrieben worden ist. Vom zweiten Typus ist eine reichliche Wechselung der Formen vor- handen. Im Allgemeinen ist hier, wie beim menschlichen Embryo, die ey- lindrische Zellenform vorherrschend. Auf Taf. V Fig. 7—10 sind Abbildungen solcher Odontoblasten verschiedener Länge und Dicke mitgetheilt. Die längeren Zellen sind im Allgemeinen zugleich auch schmaler. Die Grenze gegen den Fortsatz ist scharf vermittelst eines bisweilen ziemlich breiten, dunklen Randes markirt (Taf. V Fig. 9). Ausser den rein cylindrischen Zellen sieht man dreiseitig prismatische Zellen mit dem Fusse gegen die Zahnbeinfläche, sowie spindelförmige, deren Körper allmälig in den Fort- satz übergeht (was doch ungewöhnlich ist), und hin und wieder noch andere seltenere Formen. Vom dritten Typus der Odontoblasten bietet das Kaninchen viele schöne Formen dar. Obwohl man auch den oben beim menschlichen Embryo be- schriebenen vollständig ähnelnde Formen antrifft (Taf. V Fig. 3, 6), so findet sich doch eine besondere Zellenform vor, welche als für diese Art Odonto- blasten des Kaninchens charakteristisch angesehen werden kann. Das innere Ende dieser Zellen ist oval, kernführend; es verschmälert sich allmälig nach aussen hin und setzt sich in einen langen, fast gleichmässig breiten Strang fort, welcher sich nahe unter der Zahnbeinfläche wieder etwas verbreitert, einen umgekehrten, mit der Basis gegen die Zahnbeinfläche gerichteteu Kegel darstellend; die Basis des Kegels, d. h. das äussere Ende der Zelle ist scharf markirt und sowohl dadurch wie auch durch ihre grössere Breite sehr deut- lich vom Fortsatze abgesetzt; die seitlichen Ränder des Zellenkörpers sind nicht eben, sondern hier und da mit kleinen Stacheln und Vorsprüngen versehen. Die Länge dieser Zellen beläuft sich bis auf 0,00 Mm. (Taf. V Fig. 2). Uebergangsformen kommen auch vor, und dies sowohl zu den platten (Taf. V Fig. 5) wie zu den eylindrischen (Taf. V Fig. 4) Odonto- blastenformen; die letzt erwähnten könnten mit Recht uhrglasförmige Zellen genannt werden. Die Odontoblasten des Hundes. Bezüglich derselben gillt das von der Geschichte derjenigen des erwachsenen Menschen Gesagte, indem ich keine Beschreibung von ihnen gefunden habe, wie ich auch im Allgemeinen keine bestimmte Angaben über das Vorkommen der Odontoblasten in voll 62 GUSTAF ANNELL. ständig ausgebildeten, nicht mehr in Entwickelung begriffenen Zähnen in der Literatur antreffen konnte. Die Odonblasten des Hundes besitzen sehr schöne Formen, welche sich durch grössere Regelmässigkeit als bei anderen von mir untersuchten Thieren der Fall zu sein scheint auszeichnen. Odontoblasten vom ersten Typus kommen natürlich nicht in vollständig ausgebildeten Zähnen des Hundes vor. Die Odontoblasten vom zweiten Typus scheinen besonders regelmässig geformt zu sein (Taf. V Fig. 15, 16) und stimmen übrigens mit den entsprechenden Odontoblasten des menschlichen Embryos überein. Als etwas Besonderes verdient bemerkt zu werden, dass, während die Odonto- blastenschicht beim Hunde durch einen scharf markirten dunklen Rand gegen die Dentinfortsätze begrenzt ist (Taf. V Fig. 13, 15), so geschieht es oft, dass dieser Rand den isolirten eylindrischen Odontoblasten fehlt, bei den Zellen vom dritten Typus aber um so viel schärfer hervortritt. Der Hund hat hauptsächlich eine den Odontoblasten vom dritten Typus angehörige Form aufzuweisen. Diese Form ähnelt im Wesentlichen der beim Kanin- chen beschriebenen, unterscheidet sich aber theils dadurch, dass die conische Anschwellung des äusseren Endes fehlt oder wenigstens sehr unbedeutend ist, theils durch die äusserst scharf markirte Abgrenzung gegen den Fortsatz (Taf. VFi Fortsatz von einer querliegenden, kleinen, auf das äussere Ende der Zelle g. 13, 14, 15). An isolirten Zellen sieht es fast aus, als ob der placirten Platte ausgehe (Taf. V Fig. 13). Die Länge der Zellen ist im Ganzen etwas geringer wie beim Kaninchen. Die Odontoblasten des Schweines. Beim erwachsenen Schweine habe ich ebenfalls das Vorhandensein der Odontoblasten bestätigen können; der Form sowohl wie der Anordnung nach stimmen sie im Wesentlichen mit den oben beschriebenen Odontoblasten anderer erwachsener Thiere überein. Nach dieser Darstellung der Odontoblasten der verschiedenen von mir untersuchten Thiere werde ich im Anschluss an das schon oben Ange- führte eine ganz gedrängte Beschreibung von der Anordnung derselben in der Odontoblastenschicht geben und den Antheil recapituliren, den jeder der drei Formentypen an der Bildung derselben hat. Die Odontoblasten vom ersten Typus kommen, wie erwähnt, nur an den Stellen vor, wo Neubildung derselben vor sich geht. Sie können dem- nach nur in noch unausgebildeten oder stets wachsenden Zähnen vorhanden sein. Die Odontoblasten bleiben nicht in diesem Entwicklungsstadium, sondern wachsen, verändern Gestalt und gehen zu Odontoblasten vom zweiten ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 63 Typus über. Diese allein bilden beim menschliehen Embryo in einer kleinen Strecke (Taf. IV Fig. 2, Taf. III Fig. 4) sowie in den Schneidezähnen des Kaninchens (Taf. V Fig. 12) und anderen stets wachsenden Zähnen die Odon- toblastenschicht. Uebrigens dienen sie zur Ausfüllung der Räume, welche zwi- schen den äusseren schmaleren Theilen der längeren Odontoblasten vom dritten Typus gebildet werden; sie erstrecken sich dann natürlicherweise nicht durch die ganze Odontoblastenschicht, sondern reichen nur eine kürzere oder längere Strecke in dieselbe hinein (Taf. IV Fig. 1; Taf. V Fie. 1, 15): Viele ÖOdontoblasten behalten diese Form, während andere sie verändern, verlängern und so in Odontoblasten vom dritten Typus übergehen. Letztere treten, wie oben erwähnt, erst an den Spitzen der Pulpa auf, und ihr Auf- treten giebt zu einer besonders complieirten und eigenthümlichen Anordnung der Odontoblasten Anlass. Die längsten dieser Zellen erstrecken sich durch die ganze Odontoblastenschicht; mit ihren inneren dickeren Enden liegen sie dicht aneinander und bilden dadurch einen ebenen und deutlichen Grenz- rand zwischen der Odontoblastenschicht und der übrigen Pulpa. Zwischen ihren schmalen oder platten Körpern nehmen sie als Ausfüllung kürzere Odonto- blasten theils von eylindrischer, theils von ihrer eigenen Form auf (Taf. IV Fig. 1, 19, Taf. V Fig. 1, 15). Also erstrecken sich nicht alle Zellen von diesem Typus durch die ganze Odontoblastenschicht. Durch diese eigenthümliche Anordnung, welche in vollständig ent- wickelten Zähnen vorherrschend ist, erhält es den Anschein, als ob die Odon- toblasten in mehreren über einander befindlichen Lagen sich befänden. Diese Mehrschichtigkeit ist jedoch nur scheinbar. Alle Odontoblasten er- strecken sich nämlich mit ihren äusseren Enden bis an die Zahnbeinfläche, weshalb von in mehreren Lagen über einander befindlichen Zellen gar keine Rede sein kann. Es mag eigenthümlich erscheinen, dass die eigentliche Zusammensetzung der Odontoblastenschicht bisher kaum richtig geschildert worden ist. Man hat dieselbe im Allgememen als aus einer einfachen Reihe ziemlich gleich hoher Zellen bestehend beschrieben. Es ist dies um so merkwürdiger, als die Gestalt, Grösse und Anordnung der Odontoblasten bei allen Säugethieren ungefähr dieselbe zu sein scheint. Ich werde jetzt zur Darstellung des feineren Baues der Odonto- blasten übergehen. Die Odontoblasten haben einen im Ganzen reichlich granulirten Bau; der Körper der kürzeren Zellen ist durch und dureh mit kleinen, dunklen Körnern durchsetzt, wogegen die langen, zum dritten Typus gehörigen Zellen ein eigenthümliches Verhalten zeigen; nur ihr inneres, diekeres 64 GUSTAF ANNELL. Ende ist granulirt, wogegen der äussere schmale oder platte Theil von aller Körnigkeit frei ist; die Grenze zwischen den beiden Zonen ist oft scharf markirt. (Taf. Vi. Fig.»8;06;# Tai TiEie: 10,0 EIER innere granulirte Zone wird auch durch Färbungsflüssigkeiten stärker gefärbt. Der Kern ist bei allen Odontoblasten gegen das Pulpaende hin be- legen, entweder am tiefsten hinab, das innere centrale Ende der Zelle voll- ständig ausfüllend, oder ein wenig höher empor, ringsum vom Protoplasma umgeben. In den cylindrischen Odontoblasten und besonders in denen des erwachsenen Menschen scheint dieses spätere Verhalten nicht selten vorzu- kommen. Der Kern ist übrigens oval oder rund, scharf begrenzt, mit einem oder zwei deutlichen Kernkörperchen versehen. Eine Membran lässt sich bei den Odontoblasten kaum denken. Bor schon hat darauf hingewiesen. Von den Fortsätzen der Odontoblasten sind hier schon die zarten seitlichen, von den Seitenflächen des Zellenkörpers ausgehenden Fortsätze erwähnt worden; sie scheinen nur geringe Bedeutung zu haben. Die vom inneren Zellenende nach der Pulpa hin auslaufenden sog. Pulpafortsätze scheinen nicht ganz constant zu sein. Sie gehen allmälig in das Zellenende über oder setzen sich gegen dasselbe ab und sind in der Regel ziemlich kurz; hin und wieder findet man sie jedoch lang und dann meistentheils mit kleinen Varikositäten versehen (Taf. IV Fig. 7). Im Allgemeinen scheinen die ceylindrischen Zellen Pulpafortsätze zu besitzen, wogegen sie oft bei den längsten Odontoblasten (des dritten Typus) fehlen. Die vom äusseren Zellenende nach dem Zahnbein hin ausgehenden Ausläufer, die Zahnbeinfortsätze, sind dagegen constant vorhanden. Zu jedem Odontoblast gehört nur ein einziger Zahnbeinfortsatz. Diese Darstellung steht zwar in vollem Widerspruch zu den Angaben von Bors und Wexzer, nach welchen ein einziger Odontoblast bis auf 6 Zahn- beinfortsätze besitzen kann. Nie sah ich nämlich, trotz eifrigen Nach- spürens, bei gut isolirten Odontoblasten mehr als einen einzigen Fortsatz. In einzelnen Fällen sah ich den Fortsatz sogleich von seinem breiten An- fangsende einen zarten Zweig aussenden, so dass bei flüchtiger Betrachtung die Zelle wie mit zwei Fortsätzen versehen zu sein scheint (Taf. V Fig. 9). Als ferner in meinen Präparaten mehrere Odontoblasten in einer Gruppe beisammen lagen, stimmte stets, wenn die Zahnbeinfortsätze und die Kerne sich rechnen liessen, die Anzahl der Fortsätze genau mit der der Kerne überein. Nur durch die Anwendung der eben genannten zwei Me- thoden kann volle Sicherheit in der Beurtheilung der Anzahl der Fortsätze ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 65 der einzelnen Zellen gewonnen werden. Wenn mehrere Odontoblasten in einer Gruppe zusammen liegen, muss bei der Bestimmung der Anzahl der Zellenkörper die grösste Sorgfalt und Vorsicht angewandt werden; hier- gegen dürfte wahrscheinlich gewöhnlich gefehlt worden sein, was auch um so viel leichter geschehen konnte, da man die complieirte Anordnung der Odontoblasten nieht kannte, und die Anzahl der Zellen in einer Odon- toblastengruppe vielleicht nach den sich deutlich markirenden, dicken, äusseren Enden der cylindrischen Odontoblasten berechnete und dabei die zwischen ihnen emporsteigenden, oft fast fadenähnlich schmalen En- den der langen, zum dritten Typus gehörenden Zellen vollständig über- sah. Die Zahnbeinfortsätze werden oft von recht ansehnlicher Länge iso- lirt erhalten, was besonders bei den embryonalen Odontoblasten der Fall ist (Taf. IV Fig. 17). Es ist schon oben erwähnt, dass sich der Fortsatz in den meisten Fällen vom äusseren Ende der Odontoblasten deutlich absetzt; dies hängt theils von dem quer abgestutzten äusseren Ende vieler Odonto- blasten, theils von einer scharf markirten Grenzzone ab, welche den Zellen- körper vom Fortsatz trennt. Was diese dunkel erscheinende Grenzzone eigentlich ist, ob sie von einer lokalen Veränderung des Protoplasma abhängt, muss ich bis auf Weiteres unentschieden lassen. Die Fortsätze der ceylindrischen Zellenformen sind an ihrem Ursprung ziemlich dick (Taf. IV Fig. 3, 4, 6, Taf. V Fig. 7—10) und verschmälern sich schneller oder langsamer. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass je breiter das innere Ende des Odontoblasten ist, desto breiter ist auch der Anfang des Fortsatzes. Taf. V Fig. 4 zeigt Fortsätze, welche bei ihrem Ursprung unge- wöhnlich breit sind. Die gröberen Theile der Fortsätze sind oft, obwohl nur ganz unbedeutend, granulirt; übrigens sind sie aber homogen und glänzend. Bei ihrem eigentlichen Eintritt in die Zahnbeinkanälchen zeigen an Schnittpräparaten von Zahnsäcken menschlicher Embryonen die Odonto- blasten zuweilen ein eigenthümliches Verhalten. Sie gehen nämlich nicht direct in das dem äusseren Zellenende gerade gegenüber belegene Kanälchen hinein, sondern biegen sich nebst dem oberen Ende der Zelle selbst zuerst etwas nach oben in der Richtung der Pulpaspitze um und dann wieder nach aussen, um in das zunächst nach oben davon befindliche Kanälchen einzutreten Kap. IV Fig, 1). Auf die Besprechung der vielen Theorien über die Bildung des Zahn- beins kann ich mich hier nur in grösster Kürze einlassen. In älterer Zeit waren die hierauf bezüglichen Ansichten sehr wechselnd; nunmehr sind besonders drei derselben von Bedeutung. Wanpnyer vertheidigt die Theorie Biol, Unters. II, 1882. y 66 GUSTAF ANNELL. vom directen Uebergang der Odontoblasten in Zahnbein,; diese Ansicht wird auch von BortL gehegt. KöLtıker betrachtet die ÖOdontoblasten als Secretionsorgane und das Zahnbein als das verkalkte Produkt desselben. Hertz endlich meint, dass die Grundsubstanz des Zahnbeins aus der chemisch umgewandelten und verkalkten Intercellularsubstanz der Pulpa bestehe. Gegen die Ansicht WALDEYER's ist WENZEL aufgetreten und hat, wie mir scheint, in überzeugender Weise die Unhaltbarkeit der Theorie von der directen Verkalkung dargelegt, und zu beweisen versucht, dass das Zahn- bein durch Secretion von den Ödontoblasten aus gebildet wird. Was meine eigenen Ansichten in dieser Hinsicht betrifft, so will ich der Intercellularsubstanz der Pulpa eine grosse Bedeutung für die Zahnbein- bildung, wenigstens im ersten Stadium derselben, zuschreiben. Diese Ansicht gründe ich auf die innige Verbindung, welche ich zwischen der Pulpainter- cellularsubstanz und dem Zahnbein darlegen konnte. Erstens, und dies ist schon oben erwähnt worden, sieht man oft, wie an vertikalen Längs- schnitten des Zahnsacks der nach unten hin auslaufende Zahnbeinrand ganz deutlich unmittelbar in den an der Pulpaoberfläche belegenen, wellenförmigen Saum übergeht, welcher, wie oben gezeigt wurde, nichts Anderes ist als die äusserste, etwas verdichtete Schicht der Pulpaintercellularsubstanz. Nicht selten fehlt dieser Saum, und man sieht dann äusserst an der Pulpa einen homogenen, nach aussen hin uneben begrenzten Rand der Intercellularsub- stanz derselben und in einzelnen Fällen, wenn das Zahnbein von der Pulpa abgehoben wurde und derselben nur noch mit seinem untersten Rande anhaftete, konnte man deutlich wahrnehmen, dass das Zahnbein mit der äussersten homogenen Intercellularsubstanzschicht selbst zusammenhängt und in sie übergeht. Zweitens werde ich ein Verhältniss hervorheben, das für diese Frage von grosser Bedeutung ist. Die zuerst auftretenden Odonto- blasten liegen vollständig in die Intercellularsubstanz der Pulpa eingelagert, und noch eine Strecke nach oben hin kann man an vertikalen Längs- schnitten des Zahnsacks sehen, dass Streifen der Intercellularsubstanz der Pulpa sich zwischen die Odontoblasten bis zum Zahnbein empor erstrecken. Noch nach der höchsten Spitze der Pulpa hin, wo die Odontoblastenschicht schon die erwähnte complicirte Zusammensetzung erhalten hat, bemerkt man solche Streifen zwischen den Zellen, doch liess sich nicht entscheiden, wie weit zwischen sie hinein sich dieselben erstrecken. Erhält man Odontobla- sten menschlicher Embryonen im Querschnitt, erscheinen sie als abgerundete polygonale Gebilde, welche in ein deutliches, von der Intercellularsubstanz der Pulpa gebildetes Maschenverk eingebettet liegen. Ich will diese Verhält- ZUR KENNTNISS DER ZAHNBILDENDEN GEWEBE. 67 nisse besonders hervorheben, weil Wenzer sagt, dass die Odontoblasten dicht und ohne Spur von Zwischensubstanz an einander liegen. Die soeben er- wähnten Beobachtungen sind hauptsächlich an Präparaten von den in gefro- renem Zustande geschnittenen Zahnsäcken menschlicher Embryonen (von ung. 5—7 Monaten) gemacht; aber auch an den mit Goldchlorid und Ameisensäure behandelten Zerzupfungspräparaten erwachsener Thiere sieht man zwischen die Odontoblasten eigenthümliche, zarte, bisweilen variköse Streifen emporsteigen, bezüglich deren es jedoch im Allgemeinen schwer ist zu entscheiden, ob sie Intercellularsubstanz oder zarten von den Zellenkör- pern herrührenden Protoplasmafäden oder möglicherweise Nerven entsprechen. Aus dem Gesagten scheint mir hervorzugehen, dass bei der Zahnbein- bildung die Intercellularsubstanz der Pulpa mit in die Rechnung genom- men werden muss und wenigstens in dem ersten Stadium derselben eine wichtige Rolle spielt, übrigens aber auch eine Secretion der Odontoblasten selbst dabei thätig ist und mit Recht als ein wichtiger Factor bei dieser Bildung betrachtet wird. Die Nerven der Odontoblastenschicht. Bouu beschrieb und bil- dete feine Nervenfasern ab, welche von der Pulpa her zwischen die Odonto- blasten emporsteigen und sich sogar etwas über die äusseren Enden der- selben erstrecken; er konnte jedoch nicht entscheiden, ob sie im die Zahn- beinkanälchen hineintauchen. Seine Präparate stammten vom Kaninchen her, deren Schneidezähne zerbrochen und mit sehr verdünnter Chromsäurelösung behandelt worden waren. In zwei der Borr'schen Abbildungen sieht man zunächst unter der eigentlichen Odontoblastenschicht verschiedene grosse, eigen- thümlich geformte Zellen, über deren Natur dieser Forscher nichts erwähnt. Es scheint mir nun mehr wie wahrscheinlich, dass dieselben in der That den inneren diekeren Enden der von mir oben als Odontoblasten vom dritten Typus bezeichneten Odontoblasten entsprechen; da die ihnen angehörigen äusseren, schmalen Theile sich nirgends angedeutet finden, sind gewiss ein- zelne der letzteren als zwischen die Odontoblasten emporsteigende Nerven- fasern gedeutet und zu gleicher Zeit die angehörigen Zahnbeinfortsätze den kürzeren, mehr eylindrischen Zellen zugerechnet worden, wodurch, wie oben schon hervorgehoben wurde, der angenommene, aber nur schein- bare Reichthum dieser Zellen an Fortsützen seine Erklärung findet. Viele der von Bors beschriebenen Nervenfasern sind deshalb nach meiner Ansicht keine wirkliche Nervenfasern. Seine Abbildungen von diesen Nervenfasern überhaupt scheinen übrigens wenig befriedigend zu sein. 683 GUSTAF ANNELL. Was nun meine eigenen Erfahrungen betrifft, habe ich nie an Präpa- raten von Zahnsäcken menschlicher Embryonen zwischen die Odontoblasten verlaufende Fäserchen von der Beschaffenheit wahrgenommen, dass sie für Nervenfasern gehalten werden konnten. Bei erwachsenen Thieren habe ich aber oft an Präparaten, die mit Goldehlorid und Ameisensäure behandelt waren, aber nur an solchen, äusserst zarte, zuweilen variköse Fäserchen gesehen, welche zwischen die Odon- toblasten verlaufen und sich bis zum äussersten Ende derselben erstrecken. Da ich aber nie einen directen Zusammenhang zwischen ihnen und den in der äusseren Pulpaschicht verlaufenden unverkennbaren Nervenfasern nachweisen konnte, liess sich nicht mit Bestimmtheit entscheiden, ob sie in der That Nervenfäserchen sind oder nicht. Diese wichtige Frage fordert zu weiteren eingehenden Untersuchungen auf und ich hoffe ein anderes Mal darauf zu- rückzukommen. — Erklärung der Abbildungen. TAFEL III. Alle- Figuren dieser Tafel stellen Partien des Zahnsacks menschlicher Embryonen dar. Fig. 1 stellt die unteren seitlichen Theile des vertikal der Länge nach ge- schnittenen Zahnsacks eines 6-monatlichen menschlichen Embryos dar, bei welchem das Schmelzorgan von der Pulpa künstlich abgehoben ist. — p Pulpa, k Zahn- sackskapsel, wr unterer Winkelraum, welcher von dem Schmelzorgan nicht aus- gefüllt wird, sondern eine Flüssigkeit enthält; ie inneres Epithel, s& Stratum in- termedium, g Gallertgewebe, äe äusseres Epithel des Schmelzorgans (das letzt er- wähnte Epithel ist theilweise vom Gallertgewebe und der äusseren bindegewebigen Kapsel abgetrennt und sogar an einer Stelle zerrissen). Behand. mit Pikrinsäure und Rosanilin. Gezeichnet bei Ver. Obj. 3+ Ocul. 3 (halb ausgezog. Tubus). Fig. 2 stellt eine ähnliche Partie wie Fig. 1 dar; das Schmelzorgan ist aber nur sehr wenig von der Pulpa abgehoben. Die Bezeichnungen, die Behandlungs- weise und Vergrösserung sind dieselben wie bei Fig. I. Fig. 3. Untere Seitenpartie des vertikalen Längsschnitts eines 7-monat- lichen menschlichen Embryos; das Schmelzorgan steigt hier bis zum Grunde des ERKLÄRUNG DER ABBILDUNGEN. 69 unteren Pulpawinkels hinab, weshalb kein von Flüssigkeit angefüllter Raum dort vorhanden ist. Die Bezeichnungen, die Behandlungsmethode und Vergrösserung wie bei Fig. 1 und 2. Fig. 4. Partie eines vertikalen Längsschnitts des Zahnsacks eines neuge- borenen Kindes, welche der Gegend der Zahnkrone eines Backenzahns, gerade zwischen zwei Spitzen, entspricht. p Pulpa, b Blutgefässe, o Odontoblastenschicht, deren Zahnbeinfortsätze theilweise aus dem neugebildeten Zahnbein (z) ausgezogen sind; s der neugebildete Schmelz, grösstentheils vom Zahnbein und von der inneren Epithelschicht (ie) des Schmelzorgans abgehoben, weshalb die Tomes’schen Fort- sätze blossgelest sind; si Stratum intermedium, y Gallertgewebe. Behand. mit Chromsäure und Rosanilin. Gez. bei V£r. Obj. 6 + Ocul. 3 (ausgez. Tubus). Fig. 5. Isolirte Schmelzzellen vom unteren Theile des Zahnsacks eines neu- gebor. Kindes. Behand. mit verdünnter Müllerscher Lösung, Rosanilin und Acetas kalieus. Gez. bei Ver. Obj. S+ Ocul. 3 (ausgez. Tubus). Fig. 6. a-—e Isolirte Schmelzzellen vom oberen Theile des Zahnsacks eines neugebor. Kindes. Behandl. und Vergröss. wie bei Fig. 5. Fig. 7. Mosaik der inneren Endflächen der Schmelzzellen vom oberen Theile des Zahnsacks eines neugebor. Kindes. Behand. mit Silberlösung und Gly- cerin. Gez. bei Ver. Obj. 8 + Ocul. 3 (ausgez. Tubus). Fig. 8. Mosaik der inneren Endflächen der Schmelzzellen vom unteren Theile des Zahnsacks eines neugebor. Kindes. Behand. und Vergröss. wie bei Hıoaıı Fig. 9. Isolirte Partie von sechs von der Fläche gesehenen Zellen des Stra- tum intermedium eines 5-monatlichen menschl. Embryos. Behand. mit verdünnter Müllerscher Lösung, Rosanilin und Acetas kalicus. Gez. bei Ver. Obj Ss + Ocul. 3 (ausgez. Tubus). Fig. 10. Partie von Zellen des Stratum intermedium eines 5-monatlichen menschl. Embryos, unter welchen die Enden der Schmelzzellen und eigenthüm- liche glänzende Kernreihen erscheinen. Behand. mit Silberlösuı bei Fig. 9. Fig. 11. Partie vom Gallertgewebe des Schmelzorgans eines 7-monatlichen ıg. Vergröss. wie menschl. Embryos. Behand. mit Chromsäure und Rosanilin. Gez. bei Ver. Obj. 8 + Ocul. 3 (ausgez. Tubus). Fig. 12—14. Isolirte Zellen aus der inneren Grenzschicht des Gallertge- webes eines 6-monatlichen menschl. Embryos, welche Uebergangsformen zwischen Stachelzellen und grobzweigigen Plattenzellen darstellen. Behand. mit verdünnter Müllerscher Lösung und Rosanilin. Gez. bei Vir. Obj. 5 + Ocul. 3 (wus- gez. Tubus). Fig. 15. Isolirte Zelle des Gallertgewebes eines 6-monatlichen menschl. Embryos. Behand. und Vergröss. wie bei Fig. 12— 14. 70 GUSTAF ANNELL. TAFEL IV. Partien aus dem Zahnsack menschl. Embryonen und den Zähnen des er- wachsenen Menschen. Alle Figuren dieser Tafel sind bei Ver. Obj. 8 + Ocul. 3 (auseezog. Tubus) gezeichnet. Fig. 1. Partie vom Längsschnitt des Backenzahns eines neugebor. Kindes, aus der Gegend der Zahnspitze; z Zahnbein, o Odontoblastenschicht, p Pulpa, b Blutgefässe. Behandl. mit Chromsäure und Rosanilin. Fig. 2. Partie vom Längsschnitt des Zahns eines neugeborenen Kindes mit dem Uebergang des in Bildung begriffenen Zahnbeins (z) in den Saum (z') an der Oberfläche der Pulpa (p), b Blutgefäss der Pulpa; ie inneres Schmelzepithel, si Stratum intermedium des Schmelzoreans. Behand. mit Chromsäure und Anilin. Fig. 3—18. Verschiedene Formen isolirter Odontoblasten von menschlichen Embryonen; Fig. 3, 4, 6, 7, 17 und 18 stammen aus der Seitenpartie der Pulpa des Backenzahns eines ausgetragenen Embryos her; Fig. 5 und 8 sind der Pulpa des Schneidezahns eines ausgetragenen Embryos entnommen; alle übrigen (Fig. 9—16) geben Odontoblasten der Schneidezähne eines 5-monatlichen Embryos wieder. Behand. mit verdünnter Müllerscher Lösung und Rosanilin. Fig. 19—23. Isolirte Odontoblasten eines erwachsenen (25-jährigen) Menschen nach Behandlung des ganz frischen Zahns mit Goldchlorid und Ameisensäure; bei Fig. 19 hängen die Zahnbeinfortsätze der vier Zellen noch an dem Zahnbein; Fig. 23 stellt die äusseren Enden zweier Zellen dar. TAFEL V. Odontoblasten vom Kaninchen und Hunde. Gez. bei Ver. Obj. Ss + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus); nur Fig. 12 ist bei Obj. 6 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus) gezeichnet. Fig. 1—12. Odontoblasten aus den Schneidezähnen des Kaninchens. Fig. 1—5, 8, 9, 11 mit Goldehlorid und Ameisensäure, Fig. 6, 7, 10, 12 mit Chrom- säure und Rosanilin behandelt. Fig. 13—16. Odontoblasten aus den Zähnen eines 6 Monate alten Hundes. Behandl. mit Goldchlorid und Ameisensäure. III. Studien über den Bau der Trachealschleimhaut mit besonderer Berücksichtigung des Epithels von STUD. men. C. WALLER una G. BIöRKMAN in Stockholm. Mit Tafel VI. Wenn man die anatomische Literatur bezüglich des feineren Baues der Trachealschleimhaut durchmustert, findet man, dass bis auf die letzten Jahre die Angaben und Arbeiten über denselben und vor Allem über das Epithel im Ganzen ziemlich spärlich und wenig befriedigend sind. Sie beschränken sich hauptsächlich auf die kurzen Darstellungen in den anatomischen und histo- logischen Lehrbüchern. Eine verhältnissmässig eingehende Schilderung gab in- dessen KÖLLiker ' vor schon dreissig Jahren. Nachdem dieser Forscher den Bau der Knorpel und Muskeln der Trachea beschrieben, besprach er ihre Schleimhaut in ungefähr folgender Weise. Sie hat zwei Schichten, eine äussere bindegewebige, von 0,12” mit zahlreichen eingestreuten Drüsen und eine innere gelbe, von 0,09 0,1” fast rein elastische. Die Elemente dieser letzteren sind dieselben wie in den Stimmbändern, nur meist etwas stärker, sie ver- laufen jedoch der Länge nach und treten stellenweise, vor Allem an der hin- teren Wand, in starken, oft unter spitzen Winkeln zusammenfliessenden platten Bündeln hervor; der innerste Theil der Mueosa ist häufig, namentlich an der hinteren Wand, wie im Larynx mehr bindegewebig und hat zu in- nerst immer eine mehr homogene Schicht von 0,005”. Auf dieser sitzt das Flimmerepithelium, das geschichtet ist und in Nichts von dem des Larynx abweicht; letzteres schildert er ausführlicher als aus mehreren Schich- ten verschieden gestalteter Zellen bestehend, die alle zusammen 0 ,021—0,04" 1 Rörnıker, Mikroskopische Anatomie oder Gewebelehre des Menschen. II Bd. ?:te Hälfte, I, 1552. u | D 2 €. WALLER UND G. BJÖRKMAN. messen; zu unterst, unmittelbar auf die Schleimhaut, kommen etwa zwei Lagen rundlicher Zellen von 0,004—0,005” mit runden Kernen, dann eine oder zwei Reihen verlängerter Zellen von 0,006—0,01’”, endlich die eigent- lichen Flimmercylinder von 0,015—0,02”’” Länge im Mittel; die letzteren gleichen den Elementen der Cylinderepithelien sehr, nur sind sie gestreckter und am schmalen Ende stärker zugespitzt, häufig auch in einen dünnen Faden auslaufend, der so lang werden kann, dass die Zelle 0,02:—0,027” Länge erhält; der Inhalt der Zellen ist ganz hell, feinkörnig und in ihrem breiteren Theil liegt der länglichrunde Kern; Zellen mit zwei Kernen kom- men vor; die Flimmerhärchen sitzen auf den meist polygonalen Endflächen dieser äussersten langen Zellen und stellen feine, helle, weiche Fortsätze der Zell- membran von 0,0016, 0,0022” Länge dar, die mit etwas breiterer Basıs aus der- selben hervorgehen und zugespitzt enden; meist stehen dieselben eines dicht neben dem anderen über die ganze Endfläche der Zelle, nach VALExTın im Mittel zu 10 bis 22, was KÖLLIKErR eher zu wenig erschien. Eine Ab- bildung vom Epithel der Trachea des Menschen in senkrechtem Schnitte sowohl als von isolirten Zellen wurde von KöLLıker hier ebenfalls mitgetheilt. In der Schleimhaut finden sich viele Drüsen und zwar kleinere in und un- mittelbar nach aussen von der elastischen Lage und grössere nach aussen von den Muskeln und der ganzen Schleimhaut zwischen den Knorpeln; die ersteren kleineren (von '/„—/; ) finden sich besonders an der vorde- ren und seitlichen Wand, die letzteren grösseren (von '/,—1”') mehr an der hinteren Wand, seltener zwischen den Knorpelringen,; der Bau aller dieser Drüsen ist in Bezug auf die äussere Form ganz der der traubenförmigen einfacheren Drüsen, dagegen haben nur die grösseren in den Drüsenbläschen das gewöhnliche Pflasterepithelium, die kleineren aber, von denen einige nur gabelig gespaltene Blindsäcke sind, besitzen ein schönes Cylinderepithe- lium und enges Lumen; die Ausführungsgänge aller Drüsen haben Cylinder- epithel. Auch Nerven hat die Trachea viele und dieselben verhalten sich wie im Larynx; man sieht oberflächliche und tiefere Netze von feineren und mitteldicken Fasern in Menge; sie lassen sich bis in die oberflächliche Bindegewebsschicht verfolgen, entziehen sich aber gegen das Epithel hin dem Blicke. Die danach folgenden Schilderungen der Trachealschleimhaut stimmten mit der hier angeführten Darstellung Körrıker's mehr oder weniger genau überein, obwohl sie nur die hauptsächlichsten Punkte derselben wieder- gaben. So z. B. Köruıker's eigene Beschreibung in seinem Handbuch der Gewebelehre des Menschen, Leyvıe's (1857) und Frey's (1859) in ihren =] wo DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHATT. Lehrbüchern der Histologie, LuschkA’s in der >Anatomie des Menschen > (1862), die Darstellung in Quaıs's Anatomy (1867), u. s. w. Hexe sagt in seinem Handbuch der system. Anatomie (1866) bei der Besprechung der Schleimhaut der Trachea, dass dieselbe aus einem 0,06 Mm. starken einschichtigen cylindrischen Flimmerepithelium mit hier und da unter den Cylinderzellen liegenden kugligen Zellen, einer Basalmembran von nicht ganz 0,01 Mm. und einer Propria von etwa 0,12 Mm. Mächtigkeit be- stehe; letztere sei ausgezeichnet durch starke, vertikale, spitzwinklig anasto- mosirende Züge elastischer Fasern; übrigens sehe man an der Schleimhaut die Mündungen der traubigen, von einem Cylinderepithelium ausgekleideten Drüsen, welche an der hinteren Wand der Trachea eine continuirliche Schichte bilden, die Vertiefungen zwischen den eimander zugewandten Ab- hängen der Knorpelringe ausfüllen und nur auf der höchsten Convexität der letzteren fehlen. . Die im Stricker'schen Handbuche der Lehre von den Geweben (1571) von Versox gelieferte Darstellung der Trachea hat über den feineren Bau der Schleimhaut derselben nur Folgendes mitzutheilen: »Das Innere der Trachea ist von einer 0.13—0.15 Millim. dicken Schleimhaut ausgekleidet, welche durch ihren besonderen Reichthum an längsverlaufenden elastischen Fasernetzen ausgezerehnet ist. Zu innerst erscheint sie zuweilen in einer dünnen Schichte hyalin, was zur Annahme einer besonderen Basalmembran geführt hat, und darauf endlich liegt eine Epitheldecke von Flimmerzellen, deren Höhe 0,06—0,075 Millim. beträgt». Die acinösen Drüsen bilden nach VeErsox eine zusammenhängende Schichte, welche selbst auf der stärksten Convexität der Knorpelringe nicht unterbrochen erscheint. Zu demselben Ergebniss über die Ausbreitung der acinösen Drüsen kam Borprrew ', wel- cher auch wichtige Mittheilungen über die Structur dieser Drüsen beim Menschen und Thieren (Hund, Katze, Schwein, Kaninchen, Ochs) gab; sie bestehen nach ihm aus zwei den der Speicheldrüsen entsprechenden Thei- len, von denen die Ausführungsgänge diekwandige, mit Cylinderepithelium ausgekleidete, dichotomisch getheilte Röhren darstellen; die Alveolen dage- gen sind breiter und dünnwandig, von hellen grossen Zellen ausgekleidet, die nur eine Schichte bilden und ein kleines Lumen zwischen sich lassen; an den Alveolen der Drüsen des Hundes sah er den Gianuzzischen Halb- monden entsprechende Gebilde, die jedoch nicht als aus kleineren Zellen zusammengesetzt gefunden werden konnten; die Alveolen erschienen lang- ’ M. BoLpyrew, Ueber die Drüsen des Larynx und der Trachea. Unters. a. d. Instit. £ Plıysiol, u. Histol. in Graz, herausg, v. A. Rorrert, 2 II. 1871, Biol, Umters. II, 1582. 10 74 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. gestreckt, in Form von bald mehr, bald weniger in die Länge entwickel- ten Schläuchen, an welchen auch dichotomische Theilungen beobachtet wer- den konnten. In einer besonderen Abhandlung über den Bau der Trachealschleim- haut beschrieb Dorkowskı ' das eigentliche Schleimhautgewebe als aus reich- lichen, sehr zarten, mit einander durchflochtenen, theilweise der Längsaxe parallel, grösstentheils aber quer verlaufenden und sich kreuzenden elasti- schen Fasern bestehend; in dem Maschenwerk des Gewebes finden sich zahlreiche runde, einkernige Zellen; solche »kRundzellen» sind besonders unter der Basalmembran vorhanden, aber auch über derselben, um Ersatz- zellen des Epithels zu bilden. Das Epithel besteht aus mehreren Schich- ten, deren äusserste die unten zugespitzten Flimmerzellen bildet, während die mittlere ein- oder mehrreihige Schichte cylindrisch-ovale kleinere Zellen darstellt und die innerste in der Trachea ziemlich selten aus ovalen, gröss- tentheils aus vollkommen runden, Lymphkörperchen ähnlichen Zellen ge- bildet ist. Nachdem F. E. Schurze (in Stricker's Handb. d. Lehre v. d. Gewe- ben 1871) das Vorkommen von Becherzellen in der Schleimhaut der Bron- chien nachgewiesen, werden solche Gebilde nunmehr auch in der Tracheal- schleimhaut erwähnt; so z. B. von Frey (Handb. d. Histol. ete. 4 Aufl. 1874) und Torpr (Lehrb. d. Gewebelehre, 1877); letzterer Forscher sagt » Die innere Oberfläche der Luftröhre ist mit geschichtetem, flimmerndem Cylinder- epithel bedeckt, an welchem mitunter auch Becherzellen beobachtet worden sind»; die Ausführungsgänge der traubigen Schleimdrüsen durchbohren nach ihm die Schleimhaut meist in schiefer Richtung und die sie bekleiden- den Zellen sind noch eine Strecke weit mit Flimmerhaaren besetzt. In seinem Handb. d. menschl. Anat. (Dritte Aufl. 1876) schildert W. Krause das Trachealepithel als aus Flimmerzellen, die zur Basalmembran mit ihren Füssen reichen, Becherzellen und darunter gelegenen Ersatzzellen bestehend; die Ausführungsgänge und übrigen Hohlräume der Trachealdrü- sen werden von Flimmerepithel ausgekleidet. Uebrigens verdient erwähnt zu werden, dass Kızım (1875), wie frü- her Sıxorsky, im Epithel der Bronchien zwischen den echten Epithelzellen verzweigte eigenthümliche Zellen beschrieben hat, welche mit Bindegewebs- zellen der Mucosa in Verbindung treten und nach diesem Forscher als interepitheliale Bindegewebskörperchen aufzufassen sind, die im Dienste des Lymphsystems stehen. . ' E. v. DOLKOWwsKT, Beitrag zur Histologie der Tracheobronchialschleimhaut. Lemberg 1875. ‘ 1 or DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUT. Erst durch die auf Veranlassung und unter der Leitung Srıepa’s an- gestellten eingehenden und umfassenden Untersuchungen Ü. Fraxkex- HÄuser’s ' machte die Lehre vom Bau der Trachealschleimhaut wichtige Schritte vorwärts. Nach ihm ist beim Menschen -das Epithel derselben ein zweischichtiges Flimmerepithel von 0,05—0,0° Mm. Höhe. Die Flim- merzellen sind 0,05 Mm. hoch und haben pyramidale Form, mit den Flim- merhärchen und einer eine zarte Cutieula tragenden Basis gegen das Trachea- Lumen gerichtet; an ihren unteren Enden zeigen diese Zellen unregelmäs- sige Fortsätze, die bisweilen recht lang sind und zwischen die Zellen der unteren Schicht hineinragen; an frischen Präparaten erscheint die Cuticula deutlich der Länge der Zelle nach gestreift und das Protoplasma körnig; an gehärteten Präparaten dagegen ist letzteres hell, ziemlich homogen; der Kern ist oval; bei starker Vergrösserung findet man die Zellen von einem Netzwerk äusserst zarter Linien durchsetzt, in dessen Maschen unregelmässig geformte, stark lichtbrechende Körnchen eingelagert sind, und die Cuticula erscheint dann aus neben einander stehenden hellen und dunklen Stäbchen zusammengesetzt. Zwischen den Flimmerzellen findet man »recht häufig becherförmige Bildungen>, aus welchen eine stark lichtbrechende körnige Masse, welche den grössten Theil der Becher erfüllt, hervorragt; nur der unterste Theil des Bechers enthält ein feinkörniges Protoplasma, in wel- chem ein kleiner ovaler oder abgeplatteter Kern liegt. Ausser den Becher- zellen findet man zwischen den Flimmerzellen auch noch schmale, lange, ceylindrische Zellen, deren Inhalt ziemlich homogen ist und die einen ziem- lich kleinen, ovalen Kern enthalten; diese Zellen erscheinen gleichsam von ihren Nachbarzellen zusammengedrückt. Dann findet man auch spindel- förmige Zellen, deren Protoplasma und Kern vollständig mit dem der Flim- merzellen übereinstimmt. Unter den Flimmerzellen bemerkt man als zweite Schicht des Epithels eine Reihe von kleinen, unregelmässig polyedrischen Zellen; diese haben eine ganz unregelmässige Gestalt, ihr Protoplasma ist feinkörnig, ihr Kern gross und rund; einzelne polyedrische Zellen sind aus der Reihe gerückt und liegen zwischen den Enden der Flimmerzellen, so dass hier und da das Epithel nicht in zwei, sondern in drei Schichten vorhan- den ist. Zunächst unter dem Epithel liegt die Basalmembran von 0,005 Mm. Dicke; sie erscheint trübe und ziemlich homogen; die Dieke ist nicht überall gleich, indem sie sich hier und da über den anliegenden Capillaren verdünnt; ihre Begrenzung ist zackig und steht hierdurch mit dem unterlie- ! ©, FRANKENHÄUSER, Untersuchungen über den Bau der Tracheo-Bronchial-Schleimhaut. Inau- gural-Dissertation zu Dorpat. 1870, 6 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. genden Gewebe in Verbindung; ihrer untern Seite liegen einzelne spindel- förmige Zellen an; zahlreiche sehr feine Kanäle durchsetzen die Basalmem- bran in senkrechter Richtung und durch dieselben treten sehr feine Fäden aus der inneren Faserschicht in die epitheliale Schicht aus; häufig findet man in der Basalmembran kleine runde, farblosen Blutkörperchen ähnliche Zellen. In der inneren Faserschicht sind ausser der Basalmembran noch drei Schichten zu unterscheiden, von denen die äusserste aus ziemlich der- ben, queren, bindegewebigen, sehr wenig elastischen Fasern und einzelnen Muskelzellen besteht; in der mittleren, stärksten Schicht ist das Bindege- websnetz ziemlich derb und enthält in seinen Maschen sehr zahlreiche längs- gehende, zarte elastische Fasern, die innerste Lage hat ein grobmaschiges und zartfaseriges, spindelförmige Zellen besitzendes Bindegewebsgerüst, des- sen Lücken mit zahlreichen lymphoiden Zellen gefüllt sind. Die Tracheal- schleimhaut ist sehr reich an Schleimdrüsen, die an einzelnen Stellen conti- nuirliche Lagen bilden; über den Knorpeln findet man indessen nur selten Drüsen, dagegen findet man in jedem Knorpelinterstitium gewöhnlich drei bis fünf über einander liegende Reihen von Drüsen, fast alle in der Sub- mucosa belegen; im membranösen Theil liegen die Drüsen meist hinter der Muskulatur, doch auch in und vor derselben. Im knorpeligen Theil haben die Drüsen je einen ziemlich kurzen Ausführungsgang, der schräg und häu- fig geschlängelt verläuft, eme etwas erweiterte obere Oeffnung besitzt und nach unten sich selten diehotomisch theilt. Im membranösen Theil sind diese Gänge lang und meist gerade verlaufend. Gleich unter der elasti- schen Längsschicht ist der Ausführungsgang bisweilen stark ampullenartig erweitert. Zu den Drüsenkörpern angelangt, theilt sich der Gang wieder- holt dichotomisch und giebt sehr zahlreiche, röhrenförmige Drüsenschläuche ab, welche geschlängelt und gewunden durch einander verlaufen, sich stark verzweigen und schliesslich kurze Endschläuche bilden, deren (Gesammtheit um jeden Ausführungsgang einen verschieden grossen Drüsenkörper bildet, welcher je nach der Localität verschiedene Formen hat (oval, rund, läng- lich-oval, flach). Die Wand der Schläuche und Ausführgänge besteht aus einer Membrana propria und dem Epithel; die Basalmembran der Schleim- haut geht verdünnt in die der Gänge über. Das Epithel der Gänge ist bei den grösseren Drüsen nur ganz im Anfange geschichtetes Flimmerepithel mit niedrigeren Flimmerzellen; die Zellen der tieferen Schicht sind flach, poly- edrisch. Weiter nach unten hin wird das Epithel allmälig niedriger und in den Aesten des Ganges sogar prismatisch, einschichtig und mit einzelnen unter ihnen liegenden spindelförmigen Zellen. Die Gänge der kleinen Drü- DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUT. 77 sen haben die Epithelauskleidung der Aeste der grösseren Gänge. Das Epithel der Gänge geht, höher werdend, ohne scharfe Grenze in das der Schläuche über. Die Schläuche sind verschieden lang, stark verästelt und schliessen mit kurzen, zuweilen leicht angeschwollenen Endschläuchen ; die Membrana basilaris der Schläuche ist sehr dünn und enthält spindelförmige Kerne; von der Fläche betrachtet scheint sie nur aus sternförmigen, etwas Protoplasma um den Kern besitzenden Zellen zu bestehen, deren Fortsätze mit einander anastomosiren, und man bemerkt nichts von einer Membran in den ‚Lücken, obschon eine solche vorhanden sein dürfte. In den Schläu- chen findet man vorherrschend grosse helle, unregelmässig pyramidale Zel- len mit unterem, der Wand zugekehrtem Fortsatz (und dem kleinen platten Kern in dessen Nähe); der Inhalt besteht aus hellen Körnchen, sieht fast homogen aus. Ausserdem findet man zwischen diesen Zellen und der Basalmembran Gruppen kleiner, polyedrischer, feinkörniger, ziemlich dunk- ler, mit runden Kernen versehener Zellen, welche den Gianuzzischen Halb- monden entsprechen; doch findet man auch Durchschnitte von sehr schma- len Schläuchen, die nur mit diesen Zellen erfüllt sind. Endlich wurde die Trachealschleimhaut von mehreren T'hieren (Katze, Hund, Rind, Schwein, Schaf, Pferd, Dachs, Wiesel, Maulwurf, Igel, Meerschwein, Kaninchen, Hase, Maus, Ratte, Fledermaus u. s. w.) untersucht und bei Allen eine im Ganzen grosse Ueberemstimmung gefunden. Drasen ' der Trachea und gab dabei besonders eine eingehende Darstellung der un- studirte die physiologische Itegeneration des Flimmerepithels tersten kleinen Zellen, der Basalzellen. Diese Zellen sind verschiedener Grösse und Gestalt, entweder mehr kubisch, oben abgerundet mit runden Kernen, oder höher, ebenfalls abgerundet, oben breiter und mit schmaler Basis (keilförmig zwischen solchen mit breiter Basis und schmalem Ober- ende eingefügt); endlich fand er zwischen den langgestreckten und gedrun- genen Zellen » Rudimentzellen» mit ovalem Kern; eine Basalzelle mit zwei Kernen sah er beim Menschen nur einmal, bei 'Thieren (Hund, Meerschwein- chen, Kaninchen) nie. Die untere Platte der Basalzellen ist mit glünzen- den Zacken versehen, welche die Zellen verbinden. Von den übrigen Zellen des Trachealepithels theilte er die Flimmerzellen in solche, welche nur einen Fortsatz, und in solche, welche deren mehrere besitzen. Bei der ersten Form der Zellen endet in den meisten Fällen der verschieden lange Fortsatz mit einer kleineren oder grösseren, unten gezackten Pyramide oder, obwohl sehr t "0. Drascı, Die physiologische Regeneration des Plimmerepithels ‚der Trachen. Sitzungsber. der Kais, Akad, d., Wiss, zu Wien Bd 80, 1580, 78 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. selten, in eine Platte an der Mucosa; der Zellenkern ist oval. Die Flim- merzellen mit mehreren Fortsätzen sind grob granulirt; die Fortsätze sind kurz, gabelförmig oder in mehrere Aeste getheilt. Neben den Flimmer- zellen findet man verschieden lange keilförmige Zellen mit zwei oder meh- reren Fortsätzen und ohne Flimmern; ferner auch Becherzellen, die eben- falls immer mehrere Fortsätze besitzen; die letzteren Zellen sind die Ueber- gänge zu den Flimmerzellen mit mehreren Fortsätzen. »Jede Rudiment- zelle wird zu einer Keilzelle, während welcher Zeit an ihr durch den seit- lichen Druck der um sie gelagerten jüngeren Rudimentzellen die Fortsätze gebildet werden. Einzelne pyramidenförmige Anschwellungen der Fortsätze werden schon frühzeitig abgeschnürt und bilden Rudimente, aus welchen neue Zellen entstehen». Die Keilzellen gehen durch die Formen der Becherzellen hindurch in polygonale, mit mehreren Fortsätzen versehenen Zellen über, an welchen zu einer bestimmten Zeit Flimmern auftreten; die Nebenfortsätze werden abgeschnürt und so entstehen Flimmerzellen mit einem Fortsatze. Die abgeschnürten pyramidenförmigen Anschwellun- gen der ausgestossenen Flimmerzellen bilden wieder Rudimente. In seiner im vorigen Jahre erschienenen Arbeit über den Bau der Lunge des Menschen giebt KÖLLıker ' eine Darstellung der Epithelausklei- dung der grösseren Luftwege, welche, um so mehr als die der Trachea und der grösseren Bronchien ganz ähnlich ist, hier angeführt werden mag. Sein Material war ganz frisch mit Silberlösung und dann mit Weingeist, theils auch nur mit Müllerscher Lösung behandelt worden. In allen grösseren Luftwegen, sagt er, ist das Epithel in sofern geschichtet, als dasselbe aus mehrfachen Zellenlagen besteht, von denen nicht alle die ganze Dicke des Epithels durchlaufen; dies gilt ausnahmslos von den unmittelbar auf der Mucosa aufsitzenden,. beim Menschen meistens kegelförmigen Basalzellen, die auch walzen-, spindel-, keulen- oder kugelförmig sein können und deren Basalfläche wie gezähnelt erscheint. Die zweite Lage oder die Ersatzzel- len erreichen meistens die Mucosa, sich mit ihr und den Nachbarzellen durch Zähnelungen verbindend, und können auch ausnahmsweise bis an die freie Fläche des Epithels herangehen, enden aber gewöhnlich tiefer hinab zuge- spitzt oder mit kleiner Endplatte; diese Zellen sind ebenso mannigfach ge- staltet, sie erschemen in der einen Ansicht schmal und meist spindelförmig, in der andern breit und rechteckig, kegel- oder birnförmig und zugleich mit mannigfachen, vom Drucke der benachbarten Elemente herrührenden t KÖLLIKER, Zur Kenntniss des Baues der Lunge des Menschen. Würzburg 1881. Separat-Ab- druck a. d. Verl. d. Phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg, N. F. XVI Bd. | DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUT. 79 Einbuchtungen. Die dritte Art von Zellen nennt er Hauptzellen, diese reichen von der Oberfläche her sicherlich in der grossen Mehrzahl der Fälle auch bis zur Mucosa herab und bestehen aus den Flimmer- und den Becher- zellen. In Betreff der Flimmerzellen sagt er, dass ihr unteres, schma- les, einfaches oder getheiltes, nicht selten fein gezähneltes Ende wohl aus- nahmslos die Mucosa erreicht und ihre freie Endfläche einen deutlichen Ba- salsaum besitzt. Die Becherzellen sind nach Köruıker als besondere Absonderungszellen anzusehen; sie erreichen ausnahmslos mit einem ver- sehmälerten Fortsatze die Mucosa, sind meist schlauchförmig und am tiefen Ende dieht über dem Fortsatze verbreitert. Der Inhalt der mit Müllerscher Lösung behandelten Becherzellen ist feinkörnig, blass, der mit Silberlösung mässig behandelten dagegen ganz klar. Gegen die Oberfläche des Epithels verschmälern sich alle Becherzellen und münden mit rundlicher Oefinung frei zwischen den Flimmerzellen aus. Von der Fläche betrachtet erschei- nen sie als rundliche Flecke mit nicht selten eigenthümlich punktirtem Rande zwischen den polygonalen Endflächen der Flimmerzellen. Die Grösse und Menge der Becherzellen ist manchen Wechseln unterworfen, bald ste- hen 2, 3, 4 Zellen dicht beisammen, bald nur vereinzelt; die 'Trachea schien weniger solche Zellen als die Bronchien zu enthalten. Die erste Entste- hung der Becherzellen wird am naturgemässesten auf die Ersatzzellen zu- rückgeführt in der Weise, dass man annimmt, dass ein Theil dieser zu Flimmerzellen, ein anderer, an Zahl geringerer Theil zu Becherzellen sich gestaltet. »Doch ist vorläufig auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass auch Flimmerzellen, nachdem sie die Wimpern verloren, zu Becher- zellen sich umwandeln, wie dies Knaurr schon vor Jahren angenommen hat»; Köruıker hat auch bei wahrscheinlich sich entwickelnden Becherzellen am freien Ende Anhänge gesehen, die Reste von Wimpern zu sein schie- nen. Auf der anderen Seite spricht er sich gegen eine Umwandlung der Becherzellen in Flimmerzellen, wie sie Drascon annimmt, aus. Die Entstehung der Flimmerzellen anlangend, so ist es nach Köruıker wohl unzweifelhaft, dass dieselben aus den Ersatzzellen und diese aus den Basalzellen hervor- gehen. Eine Entstehung verloren gegangener Flimmerzellen aus kermlosen Zellenrudimenten (sog. IRudimentzellen) durch Ablösung der Stiele der Ersatzzellen, wie Drascn meint, ist kaum annehmbar; dagegen wurden, aber allerdings nicht häufig, Basalzellen mit zwei Kernen gefunden. Nach dieser Darstellung der bisherigen Arbeiten über den Bau der Trachealschleimhaut gehen wir zu unseren eigenen Untersuchungen über, s0 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. Dieselben, welche ohne Kenntniss der kurz vorher erschienenen Arbeiten von Drascn und KÖöLLıker vorgenommen wurden, hatten zum Zweck, vor Allem die verschiedenen Formen der Zellen des bis jetzt nicht hinreichend bekannten, eigenthümlichen Epithels sowohl einzeln als in ihrer Lage zu einander zu erforschen; im Zusammenhang damit beabsichtigten wir, die Frage von der physiologischen Entstehung und Regeneration der verschie- denen Zellenformen zu studiren. Ausserdem lag es im Plane unserer Ar- beit, die Nervenfasern der Trachea bis ins Epithel zu verfolgen und ihre Endigungsweise zu eruiren. Von diesen Aufgaben ist bis jetzt eigentlich nur die erste in ziemlich befriedigender Weise gelöst. Zwar fallen unsere Ergebnisse in mehrfacher Hinsicht mit denen von FRANKENHÄUSER, DrascH und KÖLLIKER zusammen. Da aber in anderen Beziehungen dies nicht der Fall ist und übrigens noch streitige Fragen hier vorliegen, glauben wir, dass eine eingehendere Beschreibung dieses wichtigen Epithels, vor Allem mit Beigabe einer hinreichenden Reihe guter Abbildungen, von denen bisher nur gar zu wenig erschien, wohl berechtigt ist. Unsere Untersuchungen wurden hauptsächlich an der Trachea des Menschen (des erwachsenen sowohl als des neugeborenen), dann aber auch an der des Hundes, der Katze und des Kaninchens angestellt; vor Allem hielten wir uns aber zu den Verhältnissen des erwachsenen Menschen. Das Material wurde so frisch wie möglich verschafft: von Thieren unmittel- bar, vom Menschen 1—3 Stunden nach dem Tode. Das Epithel wurde theils in frischem unerhärtetem Zustande, theils nach Behandlung mit al- len üblichen Präparationsmethoden (Ueberosmiumsäure, Goldchlorid, Chrom- säure, chromsaur. Kali, Pikrinsäure, Alkohol, Jodserum, Karmin, Holzessig u. s. w.) untersucht. Für eine gute Isolation der Zellen in unbeschädigtem Zustande erwies sich vor Allem 1—S-tägige Behandlung des frischen Materiales mit einer 4—10 mal durch Wasser verdünnten Müllerschen Lösung erfolg- reich. Obwohl zwar auch die übrigen Theile der Trachealschleimhaut Ge- genstand unserer Untersuchungen waren, werden wir hier hauptsächlich eine Darstellung vom Epithel derselben beim erwachsenen Menschen geben, um dann einige Beiträge über die bezügl. Verhältnisse bei den anderen Thieren und über den Bau der Trachealdrüsen hinzuzufügen. Das Epithel der Trachealschleimhaut des Menschen. Wenn man unter dem Mikroskope einen am ehesten mit Karmin oder Hämatoxylin gefärbten senkrechten Schnitt der Trachea betrachtet, er- DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUT. 8 scheint das Epithel derselben als ein palissadenähnliches Gebräme auf der Mucosa, von der letzteren durch ein schmales, helles Band, die Basalmem- bran abgegrenzt, welche dem grösseren Theil der Epithelzellen zum An- ‚ satze dient. Wenn der fragliche Schnitt einigermassen dünn und die Zellen- kerne gut gefärbt sind, sieht man letztere im Epithel zu zwei deutlich her- vortretenden Schichten angeordnet; die eine ganz nahe an der Basalmembran erscheint auffallend regelmässig und besteht anscheinend nur aus einer ein- zigen Reihe neben einander belegener Kerne; die andere Kernschicht, höher oben, ungeführ in der Mitte des Epithels belegen, ist nicht so, obwohl mehr oder weniger, regelmässig angeordnet und hat eine grössere Mächtigkeit. Diese beiden Schichten sind durch eine hellere, nur in spärlicherer Menge Kerne enthaltende Zone getrennt; nach oben von der oberen Kernschicht befindet sich ausserdem eine ähnliche, helle, vollständig kernlose Zone. Schon bei oberflächlichem Ueberblick schemen mithin die Epithelzellen, wenn man die Gruppirung der Kerne beachtet, gleichsam zu zwei Schichten angeordnet zu sein. Wie aus der obigen geschichtlichen Darstellung hervorgeht, sind die Ansichten über diese Verhältnisse sehr streitig, indem einige Forscher nur eine Schicht, andere zwei und noch andere drei Zellenschichten annehmen. Zwar kann diese Verschiedenheit der Ansichten zum Theil von verschiedener Auffassung des Begriffes der Mehrschichtigkeit abhängen, zum "Theil hat sie aber auch ihren Grund im mangelnder Kenntniss der eigenthümlichen Structurverhältnisse. Um nun die Schichtenanordnung dieses Epithels bestimmen zu können, dürfte es am Platze sem, zuerst die Lage und Anordnung der besonderen Zellengattungen zu einander festzustellen. Die meisten Zellen gehen von der Basalmembran aus, scheiden sich aber betrefis der Höhe m zwei Gruppen. Die kürzeren von ihnen bilden an der Basalmembran eine ebene und dichte Reihe der eben beschriebenen untersten Kernreihe ent- sprechend, reichen aber nicht eimmal ein Viertel der ganzen Epithelhöhe empor. Die lüngeren Zellen, welche der eben beschriebenen ersten Zellenreihe sehr unähnlich sind, erstrecken sich dagegen stets zur freien Ober- fläche des Epithels hinauf. Wenn man sich nun bei der Bestimmung der Schichtenanordnung von der verschiedenen Höhe der Zellen leiten lüsst, so wäre das Epithel als zweischichtig anzusehen, wenn aber alle von einer und derselben Basalebene ausgehenden Zellen, ohne Berücksichtigung ihrer ver- schiedenen Höhe, zu einer und derselben Schicht gehören, dann würde das fragliche Epithel eher als einschiehtig zu betrachten sein. Schematisch betrachtet stellt das Epithel der 'Trachealschleimhaut ein Biol, Unters, II, 18982, ı 82 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. Epithel der so eben beschriebenen Art dar, in der Natur aber ist die Anord- nung der Zellen nicht ganz so einfach. Theils ist es noch nicht sicher dar- gelegt worden, dass die längeren Zellen alle die Mucosagrenze erreichen; theils finden sich zwischen diese langen, bis zur freien Oberfläche rei- chenden Zellen andere Zellen unregelmässig eingekeilt, von denen einige die freie Oberfläche, nicht aber die Basalmembran, andere hingegen die Basal- membran aber nicht die freie Oberfläche erreichen, während endlich noch ein dritter Theil sich weder bis zu der Oberfläche noch zu der Basal- membran erstreckt, sondern vollständig von den angrenzenden Zellen um- schlossen zu sein scheint. Da indessen diese letzt erwähnten, unregelmässig angeordneten Zellen keine besondere Schicht bilden — wie zuweilen an- gegeben wird — können sie bei der Frage von der Schichtenanordnung mit Recht übergangen werden. Wenn man sich nun nothwendig dazu be- stimmen will, hier eine gewisse Anzahl von Zellenschichten anzunehmen, sind wir also am meisten dazu geneigt, das Epithel als zweischichtig anzusehen. Die Trachealschleimhaut ist bei weitem nicht eben, sondern im Gegen- theil, besonders an der Membrana transversa, mit zahlreichen längsgehenden Falten und Einbuchtungen versehen. Die Falten und Einsenkungen sind an gut gefärbten Schnitten schon für das unbewaffnete Auge sichtbar; unter dem Mikroskope zeigt sich das Epithel hier weniger hoch wie an der ebe- neren Fläche, bald scheinen die gegenstehenden Wände der Falten weiter von einander ab, bald aber so dicht beisammen zu liegen, dass die Flim- merhaare der Zellen derselben mit einander in Berührung kommen können. In den Präparaten zeigen diese Einsenkungen oft eine auffallende Aehnlich- keit mit dem oberen 'T’heil eines Drüsenausführganges, lassen sich aber bei genauerer Betrachtung stets von einem solchen unterscheiden, obwohl sie damit zuweilen verwechselt zu sein scheinen. Diese Einsenkungen zwischen den Falten können sich, wie man nicht selten an den Querschnitten wahr- nimmt, zuweilen tief unter die freie Oberfläche der Schleimhaut erstrecken. Hier und da sieht man an senkrechten Schnitten der Schleimhaut auch, dass sich das Epithel in die Ausführgänge der Drüsen umbiegt und einsenkt. Selten gelingt es zwar, Schnitte in dieser Weise gelegt zu erhalten, an denen der Drüsengang in seinem ganzen Verlauf verfolgt werden kann, wenn aber dieses zuweilen geschieht, sieht man, dass das Epithel, wie unten näher besprochen werden soll, auf dem Wege von der Mündung des Ganges bis zu den Drüsenschläuchen Veränderungen erleidet. Es fällt sich aber auch bei den besten Schnittpräparaten schwer, die Zellenformen genau zu studiren; selbst bei stärkerer Vergrösserung erscheinen [en DAS EPITHEL DER THRACHEALSCHLEIMHAUT. & die Zellengrenzen theilweise undeutlich und verwischt. Ein besseres Verfah- ren bietet die Isolationsmethode. Mittelst derselben findet man, dass das Trachealepithel eine Menge verschiedener Zellenformen bietet, welche sich, trotz ihres Formenreichthums, auf verschiedene Typen zurückführen lassen ; jedenfalls giebt eine Gruppirung derselben eine bessere Uebersicht des Ganzen. Die grösste Zahl der Zellen, die man bei der Isolation bekommt, ist mit Flimmerhaaren versehen: die Flimmerzellen. Dann kommen, zu- weilen in grosser Menge, Zellen vor, welche in mehrerer Hinsicht den vorigen ähneln, aber keine Flimmerhaare besitzen, und wegen ihres schlund- oder becherförmigen oberen Endes Becherzellen genannt werden. Weni- ger zahlreich trifft man in den Präparaten die von uns beschriebenen Zwischenzellen, welche weder Flimmerhaare noch Becher haben und verschiedenartig gestaltet sind. Endlich erkennt man die kleinen Basal- zellen (polygonale oder polyedrische Zellen), welche sich schwerer isoliren lassen als die übrigen Arten, weil sie an der Basalmembran inniger adhäriren. Die Flimmerzellen. Eier 28, Bei diesen Zellen unterscheidet man die nach der Epithelobertläche ge- wandte obere Endplatte oder Endfläche, den den Kern enthaltenden Zellen- körper und den vom letzteren nach unten hin ausgehenden Fortsatz. Von oben betrachtet erscheint die Endplatte kaum jemals zirkelrund, gewöhnlich aber oval und an der einen oder anderen Seite abgeplattet oder auch poly- gonal; es geht schon aus diesem Verhalten der Endplatte hervor, dass die Zellen nicht regelmässig eylindrisch sind; ihre Form wird gewissermassen durch den Druck der Nachbarzellen bestimmt. Im Allgemeinen haben sie eine länglich ausgezogene Düten- oder Kegelform. Die gewöhnlichste Ge- stalt dieser Zellen ist in Fig. 13 und 20 sowie an der mittleren Zelle der Fig. 22 ersichtlich. Diese Zellen haben alle eine übereinstimmende Gestalt: sie sind oben breit, unten haarfein ausgezogen und mit dem Kern ungefähr in der erweiterten Mitte der Zelle belegen. In den Isolations- präparaten trifft man nicht selten Flimmerzellen von ungefähr derselben Breite am unteren wie am oberen "Theil; bei diesen Zellen lässt sich jedoch eine Verstümmelung vermuthen, um so viel mehr, als dieselben gewöhnlich eine geringe Kürze haben; wenn solche Zellen, wie die in Fig. 13 abgebil deten, durch die Manipulationen ihren feinen Fortsatz verlieren, ist es auch s4 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. natürlich, dass man an ihnen keine Spuren davon bemerkt. Die Höhe der gut isolirten Flimmerzellen wechselt im Allgemeinen zwischen 0,05—0,08 Mm., obwohl einige derselben zuweilen etwas grösser oder auch etwas nied- riger zu sein scheinen. Ihre Breite wechselt zwischen 0,00—0,009 Mm. Wenn man die Flimmerzellen von der Seite her betrachtet, sieht man an ihrem oberen freien Ende die sog. Cutieula als ein das Licht stärker brechendes, in der Richtung der Länge der Zelle gestreiftes, doppelt contourirtes Band, welches als aus neben einander gestellten kubischen oder stabförmigen Elementen zusammengesetzt erscheint. Die Vereinigung der Cuticula mit dem Zellenprotoplasma ist sehr innig, indem man sie nie von demselben ab- gelöst trifft. Auf dieser Cuticula sitzen die am freien Ende stumpf abge- rundeten oder zugespitzten Flimmerhaare, von denen, wie es scheint, jedes einem stabförmigen Element der Cuticula entspricht; sie scheinen nicht, wie oft angegeben wird, an einer Platte in der Mitte der oberen Zellenfläche sondern viel mehr kranzartig um dieselbe herum befestigt zu sein, man trifft sie hin und wieder pinselartig in Kegelform zusammengefilzt. Die Flimmerhaare sind von der Zellenfläche nicht untrennbar, denn man findet ziemlich oft Zellen mit verminderter Anzahl der Flimmerhaare; zuweilen fehlen letztere ganz, so dass die Zellenart nur durch die zurückgebliebene Cutieula angegeben wird. Der nach unten von der Cuticula, zwischen ihr und dem unteren Fortsatz belegene Theil der Zelle, der Zellenkörper, welcher den Kern enthält, besteht aus feinkörnigem Protoplasma, welches bei stärkerer Vergrösserung von einem zarten, weitmaschigen Netzwerk durchzogen erscheint, worin die Körnchen eingelagert sind; stellenweise, besonders um den Kern herum, können die Körnchen reichliger angesam- melt sein. Im Protoplasma, ebenfalls besonders in der Nähe des Kerns, treten oft Vacuolen auf. Gewöhnlich enthalten diese Zellen nur einen Kern, dessen Gestalt oval, selten rund ist; derselbe enthält stets ein oder mehrere Kernkörperchen und erscheint feinkömig; zuweilen hat er eine unregel- mässige Gestalt. Hin und wieder trifft man aber auch Flimmerzellen mit zwei oder drei Kernen, dies kommt besonders in pathologischen Fällen bei inflammatorischen Zuständen des Kehlkopfs und der Lungen in grosser Menge vor. Die meiste Wechselung bietet die Fortsetzung der Flimmerzellen nach unten hin dar, welche, wie oben erwähnt wurde, in der Regel in einen schmalen, oft haarfeinen, fadenähnlichen Fortsatz ausläuft (Fig. 13, 20). Zuweilen hat der Zellenkörper zwei oder sogar drei solche untere Fort- sätze (Fig. 17, 19, 21); in einzelnen Fällen geht ausser dem unteren Fort- DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUT. s5 satz noch ein zweiter höher oben von der Seite des Zellenkörpers ab (Fig. 11). Zuweilen ist ferner der untere Fortsatz nicht fadenähnlich, sondern häutchenartig abgeplattet, so dass er sich bei der Isolation leicht biegt und faltet (Fig. 18); zuweilen ist er stammähnlich gebildet und unten mit zwei kurzen wurzelähnlichen Fortsätzen versehen (Fig. $S). Hin und wieder erscheint das untere Zellenende so gleichmässig abgerundet, dass man eine Fortsetzung desselben nach unten hin nicht als wahrschemlich anneh- men kann (Fig. 16 rechts). Die unteren Fortsätze sind indessen mehr oder weniger leicht abreissbar und veränderlich, so dass man in Isolationsprä- paraten stets eine Menge durch die Manipulationen entstandener Fragmente der Zellen antrifft; dies ist besonders bei nicht ganz frischem Material der Fall; um so frischer das Material war, desto schöner fanden wir stets die Zellen und ihre Fortsätze beibehalten; bei solchem Material eben sind die haarfeinen Fortsätze überwiegend, weshalb man, wie oben geschehen, die letzteren als die normale Einrichtung betrachten muss. Wie enden nun diese Fortsätze nach unten hin? Köruıker sagt, wie erwähnt, dass das untere schmale einfache oder getheilte, nicht selten fein gezähnelte Ende der Zellen wohl ausnahmslos die Mucosa erreiche. Dieser Ansicht lassen uns jedoch bis auf Weiteres unsere zahlreichen Beobachtungen nicht bei- stimmen. Wohl sahen wir die meisten unteren Fortsätze der Flimmer- zellen ziemlich tief hinab und im Allgemeinen sogar zwischen die Bazal- zellen reichen, aber nur in Ausnahmefällen konnten wir ein Hinabdringen dieser Fortsätze bis zur Basalmembran nachweisen. Indessen bemerkt man nicht selten am Ende der feinen Fortsätze eine kleine Anschwellung; wenn die Fortsätze, wie zuweilen der Fall ist, sehr kräftig gebaut sind, findet man diese Anschwellung fast fussähnlich verbreitert (Fig 3, 5, 6) und sogar mit feinen haarähnlichen Anhängen versehen (Fig. 4); solche Formen deuten auf eine Endigung an der Mucosa hin. Manche andere Formenver- schiedenheiten der unteren Enden der Flimmerzellen könnten hier ange- führt werden; wir beschränken uns aber darauf hinzuweisen, dass die unteren Theile der Zellen weit mehr als die oberen durch lokale Verhältnisse (Druck der angrenzenden Zellen) verursachten Wechselungen unterworfen sind, wozu noch eine wahrscheinlich hier fortwährend vor sich gehende Entstehung neuer Zellen hinzukommt. Ausser den eben erwähnten Fortsüätzen kommt an den Flimmerzellen noch eine andere eigenthümliche Art von Fortsätzen vor. Es sind dies äusserst feine, mit knötchenähnlichen, zuweilen perlenschnurartigen An- schwellungen versehene Füden, welche vom unteren Zellenende nach unten 56 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. hin laufen (Fig. 19, 21). Anfangs glaubten wir in diesen varikösen Fäden möglicherweise Nervenendigungen vor uns zu haben. Ihr seltenes Vorkom- men ebenso wie unsere misslungene Versuche sie mit Goldchlorid zu färben haben uns gezwungen, die vermuthete nervöse Bedeutung derselben bei Seite zu lassen. ; Die Becherzellen. Fig. 22—36. Sowohl in Betreff der Gestalt als auch der Anzahl stehen die Becher- zellen den Flimmerzellen am nächsten. Der Unterschied zwischen den beiden Zellenarten ist jedoch nieht unbedeutend. Im Gegensatz zu den Flimmer- zellen sind die Becherzellen mueinführend, erstrecken sich stets durch das ganze Epithel von der Basalmembran bis zur freien Oberfläche, sind am oberen Ende schlundförmig ausgehöhlt und tragen den Kern gewöhnlich etwas tiefer im Zellenkörper hinab. Uebrigens geht der ausgebildeten Becherzelle die Cutieula mit den Flimmerhaaren ganz und gar ab. Es ist schwer, ihr Zahlenverhältniss zu den Flimmerzellen anzugeben; an einigen Stellen können sie relativ zu letzteren ganz sparsam vorhanden sein, während sie an anderen fast ebenso zahlreich wie diese sind. Die Becherzellen haben auch viele Formverschiedenheiten aufzuweisen. Um eine allgemeine Uebersicht der wechselnden Gestalt dieser Zellen zu geben, weisen wir auf die Figuren hin. Von diesen können nach unserer Ansicht Fig. 22 und 23 (zusammen mit Flimmerzellen), Fig. 24 und 25, als typisch angesehen werden. Ausser den schon erwähnten Charakteren sind noch als ihnen gemeinschaftlich zukommend hervorzuheben: die fussähnliche Bildung des unteren Endes der Fortsätze sowie der ziemlich gleichmässig breite, eylindrische Zellenkörper mit schwach blasenartig erweitertem oberen Ende und mit dem Kern im unteren Theile desselben. Dass manche andere Formen des Zellenkörpers auch vorkommen können, geht indessen schon aus den mitgetheilten Figuren hervor, indem Fig. 35 eine glockenartige Ausbuchtung, Fig. 31 eine röhrenartige Ausziehung und Fig. 36 eine tiefe Zweitheilung des oberen Endes desselben darbieten. Die Becherzellen der Trachea haben, wie auch die angeführten Figuren zeigen, keineswegs dasselbe Aussehen wie die becherähnlichen Gebilde der Darmschleimhaut, was wir hier entgegen der Beschreibung und den Abbildungen FraxkexHäÄuser's her- vorheben. Ihre Höhe muss derjenigen des ganzen Epithels gleich sein; unsere DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUT. 87 Messungen haben bei ihnen eine Wechselung von 0,06—0,084 Mm. nach- gewiesen. Als Zellenkörper kann man den Theil der Zelle betrachten, welcher vom oberen freien Ende bis zum Abgang der Fortsätze liegt. Das obere Zellenende stellt die Mündung des Bechers dar; hier, an der oberen, freien Mündungsfläche der Zelle findet sich keine verdichtete Schicht, sondern die Mündung kann gewissermassen als offen angesehen werden. Am Rande dieser Mündung sieht man ringsum als Ausdruck der hier endigen- den Seitenwand der Zelle nach oben hin einen schwach aber deutlich contou- rirten Ring, welcher bisweilen schärfer markirt sein kann und dann als ein Gebräme oder eine Krause hervortritt (Fig. 24, 28, 35). Indessen kann das obere Ende dieser Zellen noch merklichere Bildungen zeigen; es kommen nämlich Zellen von ausgesprochener Becherform vor, welche am oberen Rande mit einer Art Cuticula und Haarbesatz versehen sind (Fig. 26, 32, 33, 34). Diese Gebilde stellen offenbar ein Uebergangsstadium dar und sind wahrscheinlich junge Becherzellen, welche durch die eben angegebe- nen Reste ihre Entstehung aus Flimmerzellen deutlich bekunden. Die Zellenwand umschliesst am oberen Theil des Zellenkörpers eine schlund- ähnliche Bildung, deren Mündung von dem oberen Ende der Zellenwand gebildet wird, die, wie oben erwähnt, oft ringartig verdickt ist und zu- weilen nahe unter sich eine Einschnürung des Zellenkörpers darbietet (Fig. 28); im letzteren Falle erscheint der Zellenkörper im Ganzen nach oben hin verschmälert; sonst aber erweitert er sich etwas (Fig. 29, 35 u. s. w.); eine Erweiterung der Becherzellen nach oben hin bietet keine charak- teristische Eigenschaft dar, wie Körnıker angiebt. Der Zellenkörper er- scheint von einem weitmaschigen Netzwerk feiner Fasern durchzogen, was hier deutlicher wie bei den Flimmerzellen hervortritt; durch diese grossen Maschen scheint er in mehrere grosse Räume abgetheilt zu sein, von wel- chen der Schlund oder Becher selbst den obersten darstellt und am deut- lichsten hervortritt. Bei den schmaleren, gleichmässig breiten Becherzellen ist der Schlund in der Regel nicht so tief wie bei den breiteren, mehr aufgeblasenen Zellen, in welchen er sich bis zur Nähe des Kerns hinab er- strecken kann (Fig. 27, 25). Der Kern, welcher, wie erwähnt, stets im unteren Ende des Zellenkörpers liegt, ist oval und im Ganzen etwas re- gelmässiger als bei den Flimmerzellen; von Kernkörperchen enthält er eins oder zwei, selten mehr. Nie sahen wir in den Becherzellen mehr wie einen Kern in jeder Zelle. Der Zellenkörper zeigt übrigens oft Vacuolen, besonders in der Umgebung des Kerns. Der Zellenkörper der Becherzellen setzt sich nach unten hin gewöhn- Ss C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. lich in eine mehr oder weniger schmale Verlängerung fort, welche zahlreiche Wechselungen darbietet, indem sie verschiedene Gestalt zeigt und mit zwei, drei oder mehr Fortsätzen versehen sein kann (Fig. 27, 34, 35). Diese Fortsätze, welche die Basalmembran stets erreichen, zeigen an ihrer un- teren Spitze stets eine fussähnliche, unten oft zackige Gestalt (Fig. 22, 24, 25, 30 u. s. w.). Zwar werden diese unteren Enden bei der Isolation der Zellen nicht selten abgerissen, aber je frischer das Material ist, desto reichlicher kommen vollständige, mit unteren fussähnlichen Enden versehene Zellen vor. Zuweilen sind nun auch die Becherzellen mit solchen merkwürdigen äusserst feinen varikösen Fortsätzen versehen (Fig. 29) wie sie oben bei den Flimmerzellen beschrieben worden sind. Die Zwischenzellen. Fig. 37 DIR In den Darstellungen des Trachealepithels findet man oft eine Art spindelförmiger Zellen erwähnt und abgebildet, welche zwischen den unteren Theilen der Flimmerzellen und über den Basalzellen eingekeilt sein sollen. Man hat sie mehrmals als »Ersatzzellen» aufgeführt aber nicht näher studirt oder beschrieben, weshalb sie sehr wenig bekannt und von einigen For- schern gar nicht erwähnt sind. Wir haben nun auch zwischen den Flimmer- und Becherzellen andere Zellen gefunden, die zu diesen beiden Zellenarten ebenso wenig wie zu den Basalzellen gerechnet werden können. Ihre Gestalt ist aber nicht eigent- lich »spindelförmig» und stimmt in fast keiner Beziehung mit der kurzen Darstellung überein, welche ihnen bisher in der Literatur gewidmet wurde. Zwar ist die Gestalt dieser Zellen besonders wechselnd, indem vor Allem die Zahl ihrer Ausläufer sehr verschieden ist. Jedoch lassen sie sich un- serer Ansicht nach in eine Gruppe zusammenführen. Wir werden dieselben hier unter der auf ihre physiologische Bedeutung nicht präsumirenden Be- nennung »Zwischenzellen» beschreiben. Je nach der kräftigeren Entwicke- lung des Zellenkörpers nnd der Anzahl der Fortsätze lassen sich aber diese Zellen in zwei Untergruppen theilen, die jedoch durch Uebergangsformen mit einander vereinigt sind. a. Die erste Untergruppe der Zwischenzellen (Fig. 37—41) umfasst solche Zellen, welche dadurch ausgezeichnet sind, dass sie im Ganzen im- mer sehr schmal aber mehr oder weniger gleichmässig breit oder schmal- DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUT. 89 eylindrisch und nur mit unbedeutenden Fortsätzen versehen sind. Zu ihr gehört die Mehrzahl der Zwischenzellen. Sie stehen senkrecht im Epi- thel zwischen den Flimmer- und Becherzellen und erreichen gewöhnlich die Oberfläche der Epithels, zeigen aber am oberen stumpf abgerundeten oder mehr zugespitzten Ende kaum eine Andeutung eines cutieula-ähnlichen Begrenzungssaumes. Der Kern liegt in der Mittelpartie oder tiefer nach dem unteren Zellenende hin. Nach unten hin verschmälern sie sich und endigen oft mit einer haarfeinen Spitze, welche zwischen die Basalzellen hinabdringt; in anderen Fällen tragen sie am unteren Ende eine kleine fussähnliche Verbreiterung gegen die Basalmembran hin, an welche sie sich dann auch ansetzen. Zuweilen findet man das untere Ende dieser Zwischen- zellen in Zweige getheilt (Fig. 41). Dann kommen auch Zellen vor, bei welehen die Fortsätze des unteren Endes zahlreicher sind; diese Zellen stellen die Uebergangsformen zu der zweiten Untergruppe dar. b. Die Zellen der zweiten Untergruppe der Zwischenzellen (Fig. 42—55) scheinen bisher vollständig übersehen worden zu sein, da wir keine Beschreibung oder Abbildung derselben antreffen konnten. In den Isolationspräparaten trifft man sie zwar nicht besonders zahlreich an; die bei der Bereitung dieser Präparate stattfindenden Manipulationen sind aber sehr geeignet, ihre feinen Fortsätze abzureissen, wonach sie schwerer zu er- kennen sind. Bei frischem Material findet man indessen im Allgemeinen einige solche Zellen in jedem Präparate. Jedenfalls sind sie von so eigen- thümlicher Form und Beschaffenheit, dass sie verdienen, als eigene Zellen- gattung aufgeführt und genauer beschrieben zu werden. Sie erstrecken sich wahrscheinlich durch die ganze Höhe des Epithels und zeichnen sich vor Allem durch den Reichthum ihrer stark ausgebildeten unteren Theile an Fortsätzen, ferner durch die lange, stets mit cuticula-ar- tiger Endplatte versehene, halsühnliche Fortsetzung nach oben hin sowie durch die kolbenförmige Anschwellung der unteren Enden der Fortsätze aus. Die euticula-ähnliche obere Endfläche, welche stets die Oberfläche des Epithels erreicht, zeigt indessen nicht die starke Entwickelung der Cutieula der Flimmerzellen, ist nicht gestreift, erscheint sogar nicht doppelt eontourirt und trägt keine Anhänge. Der obere Theil des Zellenkörpers oder Hals ist, wie erwähnt, lang und schmal und von nahezu gleichmässiger Breite bis zu dem Uebergang in den mehr oder weniger bedeutend erweiterten mittleren Theil des Zellenkörpers, welcher den Kern beherbergt. Gewöhnlich ist dieser obere Theil zugleich gerade und senkrecht gerichtet, zuweilen bietet er aber schwache Biegungen dar; am obersten freien Ende erweitert er Biol, Unters. II, 1882. 12 90 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. sich gewöhnlich em wenig. Der mittlere Theil des Zellenkörpers, von dem die meisten Fortsätze entspringen, stellt in der Regel die bedeutendste Par- tie der ganzen Zelle dar; er enthält den Kern, welcher im Verhältniss zur Grösse und Ausdehnung der Zelle im Allgemeinen nicht besonders gross ist; der Kern erscheint sehr feinkörnig und enthält oft mehrere Nucleolen ; seine Form ist gewöhnlich oval, kann aber etwas variren. Das Proto- plasma dieser Zellen erscheint etwas feinkörmiger als bei den Flimmer- zellen; hier und da finden sich in demselben oft Vacuolen verschiedener Grösse, in deren Umfange sich kleine Körnchen angesammelt haben; die in der Umgebung des Kerns auftretenden Vacuolen scheinen durch eine Zusammenziehung der Kernsubstanz entstanden zu sein. Nach unten hin geht der Zellenkörper in eine Anzahl von gewöhnlich 2—4, zuweilen sogar 6 Fortsätzen über, welche sich wieder in Endzweige thei- len können, die dann, wie erwähnt, oft an den äussersten Spitzen kolben- oder kugelförmig angeschwollen sind oder auch ein zipfelartiges Aussehen ange- nommen haben (Fig. 43, 44, 45). Ausser diesen verhältnissmässig dicken Fortsätzen, welche dieselbe körnige Beschaffenheit wie der Zellenkörper selbst darbieten, kommt noch eine andere Art von Fortsätzen vor, welche sehr eigenthümlich und von besonderem histologischem Interesse sind. Die- selben stellen nämlich lange, äusserst feine Fäden dar, welche hier und da knötchenförmig angeschwollen sind. Diese echt varıkösen Fortsätze gehen in der Regel vom Protoplasma des Zellenkörpers direct aus, zuweilen ent- springen sie aber auch von den dickeren Ausläufern und laufen gewöhn- lich nach unten und nach der Seite hin in geradem oder etwas gebogenem Laufe, meistens ungetheilt oder zuweilen noch dichotomisch sich theilend; ihre Knötchen sind sogar an demselben Fortsatz verschieden gross, gewöhn- lich eiförmig. Wie endigen nun diese beiden Arten von Fortsätzen? Offenbar laufen sie nach der Seite zwischen die angrenzenden Zellen ein und ihre knötchen- artigen Enden sind gewiss zwischen den Basalzellen eingefügt. Es ist uns aber nicht gelungen, eine besondere Endigungs- oder Befestigungsweise der- selben darzulegen. Schon oben wurde angeführt, dass wir auch bei den Flimmer- und Becherzellen ähnliche varıköse Fortsätze wahrgenommen ha- ben, die uns Anfangs sehr an Nervenenden zu erinnern schienen. Bei al- len diesen Zellen haben wir indessen keinen weiteren Beleg für die nervöse Natur der Fortsütze als dieses varıköse Aussehen gefunden, weshalb wir bis auf Weiteres ganz von dieser Anschauung abstehen müssen. Die -aus- DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUT. 91 geprägt variköse Natur der Fortsätze ist aber bei nicht nervösen Epithelial- zellen sehr eigenthümlich. Die Basalzellen. Fig. 56—73. . Diese Zellen, welche ausschliesslich der untersten Schicht des Epithels angehören, sind weit kleiner wie die drei oben beschriebenen Zellengattun- gen, von denen sie sich besonders dadurch unterscheiden, dass sie keine Fort- sätze besitzen, sondern sich direct mittelst einer ziemlich breiten, unebenen und gezackten Fläche befestigen, deren kleine Zacken das Licht stark brechen und deswegen glänzend erscheinen; ebenso wenig bietet diese Zellenform solche Wechselungen wie die übrigen dar. Die Basalzellen haben im All- gemeinen entweder Pyramiden- (Fig. 56—60, 71) oder Keulenform (Fig. 66, 67, 68, 70), wobei die Basis der Pyramide und das schmalere Ende der Keule der Basalmembran zugewandt sind. Zwar kommen manche Zwischenformen vor; dieselben stehen aber den erwähnten beiden Haupt- typen so nahe, dass sie zu ihnen hingeführt werden können (Fig. 62, 63, 65 u. s. w.). Für alle diese Zellen besonders bezeichnend ist die geringe Grösse des Zellenkörpers im Verhältniss zum Kern. Fortsätze sind, wie erwähnt, hier nicht vorhanden, wohl aber bemerkt man zuweilen kleine Vorsprünge an den Seitenflächen der Zelle oder am oberen Ende derselben (Fig. 62, 64, 65), oder auch kleine seitliche Zacken wie an der Basal- fläche; dieselben sind aber nie so entwickelt, dass man sie Fortsätze nennen könnte; diese seitlichen Zacken sind wahrscheinlich dazu bestimmt, die Verbindung der Nachbarzellen inniger zu machen. Bei den keulen- förmigen Zellen ist der Zellenkörper zuweilen um den Kern herum erwei- tert. Das obere Ende der Zellen kann entweder zugespitzt oder stumpf, abgerundet, ja sogar schwach eingeschnitten sein. Das Protoplasma_ die- ser Zellen ist, wie bei der nächst vorher beschriebenen Zellenform, fein und gleichmässig vertheilt; zahlreiche kleine und nur selten grosse Vacuolen kommen sowohl in der Umgebung des Kerns als in der übrigen Zelle zum Vorschein. Der Kern ist oval oder rundlich-oval, sehr feinkörnig und mit einem oder mehreren Kernkörperchen versehen. Die Höhe der Basalzellen wechselt zwischen 0,015—0,033 Mm. In den Isolationspräparaten erscheinen die Basalzellen im Allgemeinen gut beibehalten, obwohl der Eingriff bei ihrer Ablösung von der Basalmembran ziemlich stark sein muss. Oft er- 93 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. scheinen an. isolirten Basalzellen mehrere Seitenflächen (Fig. 68—71), ein Verhältniss, durch welches die alte Benennung »polygonale» oder »polye- drische Zellen» gewissermassen berechtigt wird. Wenn die Basalfläche an isolirten Zellen zuweilen beobachtet werden kann, erscheint sie der Angabe von Drasch gemäss napfförmig vertieft (Fig. 69). Die Zellen werden an ihren relativ sehr kleinen Zellenkörpern und an der zackigen und schärfer glänzenden Basalfläche erkannt. Zwei oder mehr Kerne sahen wir nie mit Sicherheit in einer Basalzelle. Nach dieser Darstellung der verschiedenen, das Epithel der Tracheal- schleimhaut zusammensetzenden Zellengattungen wollen wir kurz die Frage von der Regeneration dieses Epithels berühren. Bekanntlich hat man sich in späterer Zeit viel mit dieser Frage beschäftigt, obwohl man unserer Ansicht nach noch nicht die nöthige Kenntniss des normalen Baues des Epithels besass. Streitige Ansichten darüber stehen einander gegenüber. Einige Forscher meinen, dass das Flimmerepithel der Trachea keinem steti- gen Untergang und Erneuern unterliege; künstige Lücken des Epithels wer- den ja sogar durch mehrschichtiges Plattenepithel ersetzt. Andere sind der Ansicht, dass die Iymphoiden Zellen, welche sie meinen, in grösserer Menge in der Mucosa angetroffen zu haben, allmälig die Basalmembran durchdrin- gen und zu Basalzellen umgebildet werden, welche wieder in sog. »Er- satzzellen» übergehen, die sich endlich sowohl zu Flimmerzellen als auch zu Becherzellen entwickeln. Die Ansicht von Drasch über die Regeneration der Flimmerzellen aus Rudimenten und Rudimentzellen ist oben schon erwähnt worden. Wir haben uns mehrfach bemüht, diese Frage von der Regeneration, und besonders der normalen, physiologischen Regeneration des Tracheal- epithels zu beantworten, müssen aber gestehen, dass unsere Versuche in dieser Richtung fast resultatlos geblieben sind. Wir tödteten zu diesem Zweck die Thiere, Hunde, Katzen und Kaninchen (junge sowohl als er- wachsene) und behandelten die ihnen sogleich entnommene Trachea mit 0,5 % Chromsäure- und Pikrinsäurelösung (mit nachfolgender Saffraninfär- bung) sowohl als mit 2 % Salpetersäure und Ameisensäure, um im Epi- thel Theilungsformen der Zellen nachweisen zu können. Es gelang uns nie, trotz guter Bekanntschaft mit den Theilungsformen anderer Epithelzellen, etwaige solche in Theilung begriffene Zellen im Trachealepithel zu finden. DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUT. Js Wenn eine Zellentheilung hier vor sich geht, was wohl nicht bezweifelt werden kann, dürfte sie deshalb nach unseren Ergebnissen nicht besonders häufig sein. In Folge dessen können wir nichts Sicheres über die Ent- wiekelung der Basalzellen zu »Ersatzzellen» und der Ersatzzellen zu Flimmer- und Becherzellen angeben. Durch Vermuthungen und Annahmen geht das sichere Wissen nicht vorwärts; wir meinen deshalb, dass diese Frage bis auf Weiteres offen gelassen werden muss. Oben haben wir erwähnt, dass wir in den Flimmerzellen des mensch- lichen Trachealepithels ziemlich oft zwei oder mehr Kerne angetroffen haben, und dass die Becherzellen oft einen Randbesatz von feinen flimmerähnlichen Haaren tragen. Das sind die einzigen factischen Andeutungen einer Rege- neration, die uns zur sicheren Ansicht gekommen sind. Was dagegen die lymphoiden Zellen betrifit, so sahen wir dieselben nie die Basalmembran durchdringen, und nie trafen wir sie im Epithel, obwohl in dieser Hin- sicht vortreffliches Material und sehr schöne und erläuternde Schnitte zu unserer Disposition standen. Ebenfalls sahen wir gar keine Thatsachen, die die sonderbare Rudimententheorie von Drascn stützen könnten. Eine andere Frage, mit deren Lösung wir uns beschäftigten, war die von der Nervenendigung im Trachealepithel. Es lässt sich von vorne herein mit Recht annehmen, dass hier eine intraepitheliale Nervenendigung vorliegt. Reiche Nervennetze sind von anderen Forschern im der Mucosa angegeben. Ihre Endigung ist aber noch sehr dunkel. Wir versuchten mit allen gewöhnlichen Mitteln (vor Allem Goldchlorid nach den besten Metho- den, Essigsäure, Salpetersäure, Ueberosmiumsäure u. s. w.) diese Nerven- endigungen bei Menschen, Hunden, Katzen und Kaninchen hervorzurufen und darzulegen aber stets vergebens. Zwar gelang es uns, zuweilen zwischen den Epithelzellen feine variköse Fasern nachzuweisen, diese kön- nen aber eben sowohl den oben beschriebenen feinen Fortsätzen der Epithel- zellen entsprechen, als Nervenendigungen sein, indem es uns nie gelang, sol- che feine Fasern durch die Basalmembran hindurch zu wirklichen Nerven- fasern in der Mucosa zu verfolgen. In Betreff der Basalmembran selbst sieht man an Flächenansichten, wie FrAnkennÄuser angiebt, hier und da kleine Löcher, die den Nervenfasern zum Durchgang dienen könnten. 94 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. Die Epithelbekleidung der Drüsen. Von den übrigen Bestandtheilen der Schleimhaut werden wir hier nur das Epithel der Drüsen kurz berühren, da uns dasselbe nicht hinreichend bekannt erscheint. An den Stellen, wo sich die Mündungen der Ausführgänge der Drüsen öffnen, stülpt sich das Epithel der Schleimhaut hinab, um die Wände der Gänge auszukleiden. Bei diesem Uebergang finden wir nicht nur, dass das Epithel an Höhe abnimmt, sondern auch dass der Flimmerbesatz der Zellen unmittelbar nach der Umbiegung, d. h. in der Mündung der Drüsengänge vollständig verschwindet, ohne jemals mehr in der Drüse wieder aufzutre- ten. Diese Thatsache betonen wir entgegen der Angabe FRrANKENHÄUSER's, dass in den ampullenartig erweiterten Gängen der grösseren Drüsen das Flim- merepithel sich eine Strecke weit hinab fortsetzt; aus seiner beigefügten Abbildung dieses Verhältnisses können wir ersehen, was ıhn zu dieser An- nahme geführt hat. Wir sahen nämlich in unseren Präparaten oft sol- che von Flimmerepithel ausgekleidete, ampullenartige Erweiterungen; es ging aber aus einer näheren Untersuchung der Verhältnisse hervor, dass dieselben nicht Drüsenmündungen sondern der Quere nach getroffenen Falten der Schleimhaut entsprechen. Da das Flimmerepithel in der Mündung des Drüsenausführganges auf- hört, tritt ein Cylinderepithel auf, welches allmälig an Höhe abnimmt, so dass es zuletzt in der Nähe der Acini selbst zu einem gewöhnlichen ein- fachen Plattenepithel übergeht. Die Acini der Drüsen sind zweierlei Art, nämlich: eine reichlicher vorhandene muköse und eine weniger zahlreiche seröse Form. Das Epithel der mukösen Drüsenacini besteht aus zwei Zellen- formen: den eigentlichen Schleimzellen, welche länglich oval, durchsichtig, hell und nur schwach feinkörnig oder von einem zarten weitmaschigen Netz- werk durchzogen sind und die kleinen Kerne unten, der dünnen homoge- nen Basalmembran zugewandt und in der Regel unter den Nachbarzellen eingeschoben tragen; diese Zellen umgeben das enge Lumen der Acini. Die andere Zellenart der mukösen Acini entspricht ganz den bekannten Gianuzzischen Lunul® der Schleim-Speicheldrüsen der Mundhöhle, wie sie FRANKENHÄUSER schon beschrieben hat, wovon sich KöLuıker aber später nicht überzeugen konnte; die Lunule bestehen auch hier aus dichtgedrängten, stark körnigen, kleineren Zellen, welche zwischen den Schleimzellen und der Basalmembran gruppenweise liegen. Die zweite Art der Acini enthält DAS EPITHEL DER TRACHEALSCHLEIMHAUDT. 95 dagegen nur eine Art von Zellen, welche im Ganzen der feineren Beschaffenheit nach den Lunulzellen am meisten ähneln, indem sie ebenfalls stark körnig erscheinen; eine genetische Verwandtschaft zwischen ihnen ist jedoch bis jetzt nicht bewiesen; die hellen grösseren Schleimzellen sind in diesen Acini nieht vorhanden. Die Zellenformen des Trachealepithels beim Hunde. Ausser den Studien über die Trachea des Menschen untersuchten wir vor Allem diejenige des Hundes. Wir fanden dabei, dass sowohl die Zellen- formen als die Beschaffenheit und Anordnung des Epithels mit einigen Be- schränkungen den Verhältnissen beim Menschen ziemlich genau entsprechen. Was nun diese Beschränkungen betrifft, so zeigen sich die Flimmerzellen des Hundes nach unten hin stets mit fussähnlichen Fortsätzen versehen, welche die Basalmembran erreichen. Uebrigens zeigt das Trachealepithel des Hundes im Ganzen eine grössere Menge von Becherzellen als dasjenige des Menschen. Die epitheliale Auskleidung der Drüsenacini besteht beim Hunde ausschliesslich aus Schleimzellen (muköse Acmi). Öbige Untersuchungen sind in der Histologischen Anstalt des Caro- linischen Institutes zu Stockholm im Winter und Frühling 1582 ange- stellt worden. 96 C. WALLER UND G. BJÖRKMAN. Erklärung der Abbildungen. TAFEL VL Alle Figuren stellen Zellen aus dem Epithel der Trachealschleimhaut des erwachsenen Menschen dar. Die betreff. Präparate waren mittelst ver- dünnter Müllerscher Lösung behandelt; nur bei Fig. 15 und 51 war Jodserum angewandt. Fig. 1—21. Flimmerzellen. Fig. 1, 2, 9, 10 Sl Obj. 6 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). — Fig. 3—8, 1 eul. 3 (ausgez. Tubus). 2—21 gezeichnet bei VERICK'S 1 gez. bei Ver. Obj. 8 + O- Fig. 22. Zwei Becherzellen, eine Flimmerzelle umgebend. Gez. bei VER. Obj. 6 + Ocul. 3 (ausgez. Tubus). Fig. 23. Zwei Flimmerzellen, eine Becherzelle umgebend. Gez. bei Ver. Obj. 6 + Ocul. 3 (ausgez. Tubus). Fig. 24—36. Becherzellen. Fig. 29, 30, 32, 33 gez. bei Ver. Obj.6 + O- eul. 3 (ausgez. Tubus). — Fig. 24—28, 31, 34—36 gez. bei Ver. Obj. 8 + Ocul. 3 (ausgez. Tubus). Fig. 37—55. Zwischenzellen. Fig. 37—40 Zwischenzellen der einfacheren Art. Fig. 41 und 49, 50, 53, 54 Zwischenzellen, welche Uebergangsformen zwi- schen den beiden Arten darstellen. — Fig. 42—48, 51, 52, 53 Zwischenzellen mit mehrfachen Fortsätzen. Bei Fig. 41 liegt zwischen beiden unteren Fortsätzen eine Basalzelle. — Fig. 49, 50, 53, 54 gez. bei Vrr. Obj. 6 + Oeul. 3 (ausgez. Tubus). — Fig. 37—48, 51, 52, 55 gez. bei Ver. Obj. S + Ocul. 3 (ausgez. Tubus). Fig. 56—73. Basalzellen. Gez. bei Ver. Obj. 8 + Ocul. 3 (ausgez. Tubus). ches EV. Ueber ein Blutgefässe führendes Epithel- gewebe im membranösen Gehörorgan von Pror. Gustar Rerzıus in Stockholm. Bekanntlich gilt es — den aus der mittleren Keimschicht entwickel- ten Geweben gegenüber als ein die wahren Epithelgewebe charakteri- sirendes Kennzeichen, dass die letzteren keine Blutgefässe führen. Als ich im vorigen Jahre mit der Untersuchung über den feineren Bau des membranösen Gehörorgans des Alligators beschäftigt war, stiess ich in der Schnecke dieses Thieres unerwartet auf ein Cylinderepithel, wel- ches zwischen seinen Zellen normal und constant schöne, Blutkörperchen füh- rende und von dünnen endothelialen Wänden begrenzte Kanäle darbot. Es waren offenbar echte Blutgefässe. Das fragliche Epithel ist in der Schnecke nach aussen von der Pa- pilla ac. basilaris auf dem sog. äusseren Schenkel des Schneckenrahmens belegen und zieht als ein langer, oben breiterer, unten schmalerer Wulst oder erhöhtes Band längs der genannten Nervenendstelle — von ihr durch eine ziemlich breite Furche getrennt — vom oberen Ende der Pars basi- laris bis zu ihrem Uebergang in die Lagena. Dieses Epithel zeigt sich nun in Isolationspräparaten und auf senkrechten Schnitten als aus einer Schicht wahrer cylindrischer Epithelzellen bestehend, die an beiden hän- dern des Wulstes niedriger werden, um nach beiden Seiten hin in das an- grenzende, mehr kubische Epithel der erwähnten Furche und der Mem- brana Reissneri überzugehen. Die langen Cylinderzellen des Epithelwulstes stehen mehr oder weniger senkrecht, dieht neben einander und tragen ih- ren rundliehen Kern meistens gegen das obere freie Ende der Zelle hin, Biol, Unters, II, 1882, 13 98 GUSTAF RETZIUS. hier und da jedoch auch in der Nähe des unteren oder Fussendes. Zwi- schen diesen Cylinderzellen verlaufen nun die Blutgefässe, bald nahe an den unteren Enden derselben, bald und am öÖftesten in der Mitte der Höhe des Epithels, bald auch in der Nähe der freien Oberfläche desselben. An senkrechten Querschnitten des Epithelwulstes bekommt man gewöhn- lich quergeschnittene Blutgefässe zur Ansicht (Fig. 1 D); wenn aber die mr p Schnitte nicht gar zu dünn sind, N kann man sie oft sich perspektivisch \) nach oben oder unten hin seitwärts ‚ umbiegen sehen. Diese Blutgefässe, N) von denen in der Regel nur eines oder zwei in jedem Querschnitt des Wulstes vorkommen, sind fast ıim- mer ziemlich schmal (von etwa 0,0105 bis 0,015 Mm. Breite), ungefähr der Breite zweier Epithelzellen entsprech- end, und haben, wie oben erwähnt, eine ganz dünne, einschichtige Wand, an deren Innenfläche hier und da platt-ovale Kerne im das Gefässlumen hineinragen. An der Aussenseite der Fig. 1. Aus der Schnecke eines jungen Alligators. Gefässe bemerkt man bei diesen Aeussere Partie eines vert. Querschnitts; 7 äusserer Rah- @uerschnitten nur ausnahmsweise ein- menschenkel; p Periost; mb Membrana basilaris mit Epi- S 7 thel; mr Membrana Reissneri mit Epithel; e äusserer Epi- zelne platt-ovale Kerne, die der Wand El ER m une re dieht anliegen; sonst findet man hier keine andere Gewebselemente als die epithelialen Cylinderzellen, zwischen welche die Gefässe verlaufen (Fig. 1). Wenn man nun das Epithel von der Fläche her betrachtet, sieht man das gewöhnliche Mosaik der polygonalen oberen Zellenenden, die jedoch in der Regel nicht ganz dicht an einander liegen, sondern kleine Zwischen-. räume zwischen sich lassen. Nach Senken des Tubus bemerkt man die Blutgefässe, welche durch Theilungen und Anastomosen ziemlich weite rund- liche oder ovale Schlingen bilden und das Epithel in dieser Weise mit ei- nem meist der Länge nach verlaufenden Gefässnetz durchspinnen. In Zer- zupfungspräparaten isoliren sich leicht mehr oder weniger grosse Partien dieses (Gefässnetzes, indem die Epithelzellen sich davon abtrennen; an sol- chen Bruchstücken erkennt man noch sicherer als an den Vertikalschnitten, dass die Gefüsswand sehr dünn, wie es scheint, nur einfach ist und an der UEBER EIN BLUTGEFÄSSE FÜHRENDES EPITHELGEWEBE. 99 Innenseite hier und da wandständige Kerne besitzt; die an der Aussen- seite der Gefässwand liegenden ovalen Kerne deuten indessen an, dass ausser der eigentlichen endothelialen Wand (Intima) noch eine ähnliche adventitielle Schicht vorhanden ist, die jedoch der ersteren so dicht anliegt, dass beide nur als eine Schicht erscheinen. Uebrigens sah ich um diese Blutgefässe nie Spuren anderer Gewebstheile als die epithelialen Cylinder- zellen; vor Allem waren nie andere Bindegewebselemente in der Umgebung dieser Blutgefässe nachweisbar. Diese Gefässe laufen also nackt in dem fremden Gewebe, eine 'Thatsache, die ein hohes histologisches Interesse dar- bietet. Die Gefässe schienen mir nie arterieller Natur, sondern immer nur als Capillaren oder zuweilen vielleicht als venöse Capillaren aufzufas- sen zu sein. Von wo stammen nun diese »epithelialen» Blutgefässe? An den Verti- kalschnitten nimmt man hin und wieder wahr, dass aus dem sog. äusseren Knorpelschenkel, dem das fragliche Epithel ansitzt, schmale (Gefässzweige sich nach der Oberfläche hin erheben und ins Epithel eintreten, um eben in das hier beschriebene epitheliale (Gefässnetz überzugehen. Die fraglichen Blutgefässe stammen also aus den Gefässen der unterliegenden, zu den ech- ten Bindesubstanzen gehörenden »membranösen» Wand her und senken sich wieder in die Blutgefässe derselben zurück. Andere Elemente dieser Wand dringen dagegen beim Alligator nicht in das Epithel hinein, was sowohl aus den Vertikalschnitten als aus den Versuchen, die ganze Epithel- bekleidung abzulösen, deutlich hervorgeht; diese Ablösung geschieht äusserst leicht und man sieht dabei nur die einzelnen, ins Epithel ein- oder aus ihm austretenden Grefüsse zerreissen. Die physiologische Bedeutung dieser histologisch so sehr interessanten (Gefässe lässt sich wohl mit der Ausscheidung der endolymphatischen Flüs- sigkeit in Zusammenhang bringen. Einige Zeit nachdem ich diese Beobachtungen beim Alligator gemacht und der hiesigen Gesellschaft der Aerzte mitgetheilt hatte, kam mir die so eben erschienene Schrift von U. Prrrenarp ' über das Gehörorgan des Örnithorhynchus platypus in die Hände, in welcher bei diesem niedrig stehenden Säugethiere ein ähnliches Epithel kurz erwähnt und an Quer- schnitten abgebildet ist. Prrrenarn sagt nämlich: »From this point to the attachment of the membrane of Reissner the epithelium is peculiarly modified, and is traversed by numerous blood-vessels which chiefly run ’ UrBan Prrrcnarp, The Cochlea of the Omithorhynchus platypus. Philosoph. Transactions of The Royal Society, Part II, 1581. 100 GUSTAF RETZIUS. longitudinally (to the cochlea); this is the stria vaseularıs. The shape of these epithelial cells is irregular, somewhat resembling transitional epithe- lium but packed closer together. Numerous blood-vessels traverse the layer but never appear quite on the free surface. As tlıe form of epithe- lium, which is modified so as to recieve the terminations of special nerves, is called 'nerve epithelium’, that of the stria vaseularis might, I think, be very appropriately called 'vascular epithelium‘.:» Unter den Abbildungen PritcHarn’s sieht man an zwei Querschnitten der Cochlea ein Paar querge- schnittene Gefässe in der Stria vascularis, aber nur in der Nähe der mem- branösen Wand und nicht weiter in dem Epithel hinaus. Nach diesen Befunden blieb die Aufgabe zurück, bei den höheren Säugethieren und beim Menschen die homologen Verhältnisse zu erledi- gen. Dass der gefässhaltige Epithelwulst der Schnecke der Croeodilinen der seit Cortts und Köruıker's Arbeiten gekannten sogenannten Stria vascularis der Säugethiere entspricht, ist offenbar. In der That trifft man auch in der betreff. Literatur Angaben über Blutgefässe in dieser Bil-- dung. So findet sich schon in Körzıker's ' Mikroskopische Anatomie eine deutliche Andeutung darüber; die Gefässe der Schnecke, sagt er, bil- den über dem Lig. spirale einen gefässreichen Streifen, >die Stria vascula- ris Corti, der, obschon mit den Gefässen des Periostes zusammenhängend, doch über demselben liegt und wie in das hier zum Theil auch pigmen- tirte Epithel eingebettet ist.» Dieselbe Angabe findet man dann auch in späteren Werken desselben Forschers. HexsEn ® hob hervor, dass in der Stria vascularis der Säugethiere die Blutgefässe ganz gewiss tief in das Epithel hineinragen; das ganze Gebilde lässt sich leicht in eontinuo abzie- hen und dann sind die Blutgefässe mit darin geblieben: die Epithelzellen hängen letzteren fest an und das eigenthümliche Aussehen des Lig. spirale der Embryonen unter ihnen scheint von kernhaltigen Ausläufern dieser Zellen herzurühren, die dann auf solche Weise die Gefässe umspinnen würden; die Formen der Zellen sind sehr buchtig und zackig. In der entwickelten Stria vascularis (der Katze) haften nach BorrrcHer ® die Epithelzellen den ein vollständiges Netz bildenden Blutgefässen ungemein fest an, was durch die nach innen gehenden Fortsätze der Zellen ermöglicht wird; diese zwischen die Gefässe sich hineinschiebenden Fortsätze der Epithelzellen bilden mit " KÖLLIKER, Mikroskopische Anatomie, Bd I. 2, 1, 1852 S. 757. * HENSEN, Zur Morphologie der Schnecke des Menschen und der Säugethiere, Zeitschr. f. wissen- sch. Zoologie Bd 13, 1863. . ® BOETTCHER, Ueber Entwickelung und Bau des Gehörlabyrinths, 1. Theil, 1869, UEBER EIN BLUTGEFÄSSE FÜHRENDES EPITHELGEWEBE. 101 den spärlichen, die Gefässe begleitenden Bindegewebsfasern ein dichtes, schwer entwirrbares Flechtwerk; die Stria vascularis entsteht nach ihm bei Embryonen in der Weise, dass die Epithelzellen lange Fortsätze in das unter ihnen liegende Schleimgewebe hineinsenden, welche die nun ganz oberflächlich liegenden Blutgefässe umfassen und sich in dem Maschenwerk hinter denselben verlieren; das Schleimgewebe verfällt dann allmälig einer völligen Resorption. Nach Gorrstein ' sieht man »nicht nur in der stria vascularis, sondern auch im suleus ligamenti spiralis einzelne Blutgefässe bis an das Epithelstratum herangehen»; die Epithelzellen senden nach ihm ihre Fortsätze nach allen Richtungen hin in das unterliegende Gewebe (Stratum semilunare Gorrsr.), die Stria vascularis »wird dadurch gebildet, dass unter dem Epithel dieser Stelle das Bindegewebe eine Strecke weit fast ganz schwindet und statt dessen zahlreiche Capillaren auftreten, die bis an das Epithel herangehen, ein Vorgang, den wir zwar bereits im suleus ligamenti spiralis gesehen haben, der aber hier nur vereinzelt, in der stria vascularis in der ausgebildetsten Weise zur Erscheinung kommt». Endlich sagt War- DEYER:?” >»Die Stria vascularıs ist ein besonders gefässreicher Theil der Membrana propria. Zwischen den zahlreichen Capillaren findet man hier kaum noch etwas adventitielles Bindegewebe, das cubische, aus kleinen Zellen bestehende Epithel sitzt den Gefässwandungen fast unmittelbar auf; hie und da bemerkt man selbst kleine, schlingenförmige Gefüssvorsprünge». Aus diesen angeführten Angaben geht also hervor, dass die verschie- denen Forscher in der Stria vascularis der Säugethiere Blutgefässnetze ge- funden, wobei indessen einige dieselben ins Epithel hinein verfolgt haben, während andere sie nur an das Epithel hinantreten sahen. Wie es die meisten angeben, löst sich in der That bei den Säuge- thieren (Kaninchen, Mensch u. s. w.) die Stria vascularıs von dem unterlie- genden Gewebe sehr leicht bandähnlich ab; wenn man die abgelöste Stria von der Fläche her betrachtet, erkennt man das gewöhnliche Mosaik polygo- naler Zellen, und etwas unter der Oberfläche nimmt man ein weitmaschiges capillares Blutgefässnetz wahr, welches sehr an das oben beschriebene Gefäss- netz bei dem Alligator erinnert; zerzupft man nun das fragliche Gewebe, so bekommt man wie beim Alligator isolirte Blutgefässschlingen, welche das Aussehen von Uapillaren darbieten und ohne weiteres begleitendes Binde- gewebe verlaufen; die dieselben dieht umgebenden Zellen sind offenbar ' J. Gorrstein, Ueber den feineren Bau und die Entwicklung der Gehörschnecke beim Menschen und den Siäugethieren. Habilitations-Abhandl. zu Breslau 1871, * W, WALDEYER, Hörnery und Schnecke, Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben, II, 1872, 102 GUSTAF RETZIUS. Epithelzellen, erscheinen aber, wie vor Allem Hexsex angegeben hat, mehr oder weniger unregelmässig und greifen mit seitlichen Ausläufern zwischen einander ein, oft sieht man sie sogar in die Länge gezogen, spindelförmig. An senkrechten Durchschnitten erkennt man sowohl in der eigentlichen Stria als auch im Epithel des Sulcus lig. spiralis hier und da runde Quer- schnitte von Blutgefässen zwischen den Epithelzellen, und dies nicht nur an der unteren Grenze der Epithelschicht, sondern weit in derselben hinaus. Es ist aber sehr schwer, die Anordnung der Epithelzellen in der Umgebung der Gefässe zu eruiren;, man erkennt Kerne im verschiedener Höhe der Schicht, die Zellen sind offenbar sehr unregelmässig gestaltet und biegen sich in mannigfacher Weise um die Gefässe herum. Hier und da sieht man die Blutgefässe aus der unterliegenden membranösen Wand in die von ihr übrigens im Ganzen ziemlich scharf abgegrenzte Epithelschicht hinaustreten und in ihr Schlingen bilden; an solchen Präparaten ist es in der That schwer zu sehen, ob mit den Gefässen bei ihrem Hinaustreten andere (Grewebstheile der membranösen Wand folgen; ist dies der Fall, dürfte es bei erwachsenen Thieren jedenfalls nur in geringem Massstabe geschehen. Wie oben erwähnt wurde, bekommt man beim Zerzupfen der Stria kein Bindegewebe um die Gefässe. Bei Embryonen habe ich diese Frage noch nicht näher untersucht, weshalb ich mich über die hierauf be- züglichen Befunde Borrrener's nicht aussprechen kann. Aus der ganzen Darstellung geht nun hervor, dass im Epithel der Stria vascularis und des Sulcus lig. spiralis der Säugethiere ein Blutgefässe führendes Epithelgewebe vorkommt, welches schon bei den Monotremen aus- gebildet ist und bei den Crocodilinen in noch einfacherer und reinerer Form in einem nach aussen von der Papilla ac. basilarıs belegenen mit zahl- reichen Blutgefässschlingen versehenen Zellenwulst aus schönem Cylinderepi- thel em sehr interessantes Homologon besitzt. N Zur Histologie der häutigen Gehörschnecke des Kaninchens von Pror Gustar Rertzıus in Stockholm. Mit Tafel VII und VIII In dieser Abhandlung beabsichtige ich nicht eine vollständige Dar- stellung der häutigen Schnecke zu geben, sondern nur gewisse wichtige Theile, vor Allem das Corti'sche Organ derselben nach eigenen Unter- suchungen zu besprechen. Ich habe dabei besonders die Schnecke des Ka- ninchens ausgewählt, weil sie mir in mancher Hinsicht sehr klare und deutliche Verhältnisse dargeboten hat. Auf den Vergleich mit den ent- sprechenden Theilen des Menschen und anderer Säugethiere werde ich mich diesmal im Ganzen nicht einlassen. Von Kaninchen untersuchte ich so- wohl neugeborene als auch mehr entwickelte Junge in verschiedenen Alters- stadien sowie auch erwachsene Thiere. Unter den Behandlungsmethoden haben mir vor Allem Ueberosmiumsäure und Goldchlorid gute Präparate geliefert. Ueber die Anwendung dieser beiden Reagenzien in Combination, durch welche ich die schönsten Präparate erhalten habe, werde ich demnächst, nach etwas ausgedehnterer Prüfung für andere Zwecke, ausführlicher be- richten. Die Müllersche Lösung g, wie im Allgemeinen die Lösungen chrom- saurer Salze, wirkt besonders auf die Haarzellen so verändernd ein, dass man sie nur ausnahmsweise anwenden kann. Zum Schnittmachen war mir wie früher die kleine Stillesche Scheere besonders nützlich. Im Ganzen werde ich hier übrigens nur die allgemeinen Structurver- hältnisse besprechen und mich auf Massangaben und Verschiedenheiten bei den besonderen Windungen nicht oder nur wenig einlassen. Ich fange mit der Darstellung des Epithels der Crista spiralis an. Schon seit längerer Zeit hat man in den Furchen zwischen den Zäh- 104 GUSTAF RETZIUS. nen und Wülsten der Crista spiralis kleine, kernhaltige, meist in einfacher Reihe liegende, rundliche oder längliche Zellen erkannt (s. u. A. KöLuıker '). Derrers”? beschrieb diese Zellen etwas eingehender als in regelmässiger, ein- facher Reihe die Furchen ausfüllend und meist so dicht hintereinander le- gend, dass sie sich gegenseitig abplatten; sie haben nach ihm einen rund- lichen Kern mit sehr kleinem Kernkörperchen, dem sich die Zellmembran sehr eng anschliesst; vorn und hinten (ob auch seitlich, blieb ihm zweifel- haft) setzt sich diese Membran in Fortsätze fort, durch welche die einzelnen Zellen mit einander verbunden zu sein scheinen; wo diese Zellen nicht er- halten waren, sah er in den Gruben noch ein anastomosirendes Faserwerk mit kleineren spindelförmigen Elementen. He£xsex ° leitete sogar die Bil- dung der Zähne von Epithelzellen her; »man sieht», sagt er, »beim Rinds- embryo von 22 Cm., dass die gestreckten Zellen der Zähne zwischen sich eine helle homogene Masse, eben jene Zahnsubstanz gebildet haben, die freilich nicht ganz an die völlig ebene Oberfläche heranreicht. Diese nämlich wird durch eine dünne Verbreiterung der Epithelzellen selbst gebil- det. Die helle Zwischensubstanz giebt, von oben gesehen, eben das Bild der bei ihrer Entstehung sehr schmalen Zähne. Beim Erwachsenen sind die Zellen so ganz im die helle Zahnsubstanz umgewandelt, dass nicht viel mehr als dicht an der Oberfläche liegende, mit Karmin sich kaum noch fürbende Kerne zurückgeblieben sind». Nach Borrrcner's* Untersuchungen sind die Zähne keine Ausscheidungsprodukte der Epithelien, sondern wach- sen aus der bindegewebigen, hier knorpelartigen Spiralleiste empor; ihre Furchen sind mit den Resten der Epithelien ausgefüllt. v. Winıwarter ° beschrieb die fraglichen Zellen als zwischen den Wül- sten und Hervorragungen liegende, dichtgedrängte, sich gegenseitig abplat- tende kernartige Gebilde, welche stark granulirte Kerne ohne Protoplasma darstellen; »sehr eigenthümlich», sagt eı ferner, »ist die auf der oberen Fläche des Gehörwulstes mit stärkeren Vergrösserungen wahrnehmbare Epi- thelzeichnung, hervorgebracht durch feine, scharf ausgedrückte Contouren ohne Spur von Kernen»; er theilt hierüber eme Abbildung eines mit Ue- berosmiumsäure behandelten Präparates von einem jungen Kaninchen mit. ' KÖLLIKER, Mikroskopische Anatomie 1852, Gewebelehre 4:te Aufl. 1863 u. s. w. ° DEITERS, Untersuch. über die Lamina spiralis membranacea, Bonn 1860. ° Hensen, Zur Morphologie der Schnecke des Menschen und der Säugethiere, Zeitschrift für wis- senschaftl. Zoologie, Bd 13, 1863. * BOETTCHER, Ueb. Entwick. u. Bau des Gehörlabyrinths, 1869. ° v. WINIWARTER, Untersuch. über die Gehörsschnecke der Sängethiere. Sitzungsber. d. K. Aka- demie d. Wissensch. zu Wien, Bd 61, 1870. ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 105 WALDEYER ' rechnet die die Furchen ausfüllenden, kleinen, rundlich- eckigen Zellen der Crista spiralis entschieden zum Epithel des Ductus co- chlearis; nach aussen hin setzen sie sich durch die Furchen direct in das Epithel des Suleus spiralis int. fort, so wie sie andererseits ununterbrochen in das tympanale Epithel der Reissner’schen Membran umbiegen. »Auf der äussersten Zahnkante fehlen sie, ebenso wie auf der Höhe der Vor- sprünge. Hier ruht die Membrana tectoria unmittelbar der osteogenen Substanz der Crista auf; doch begegnet man auch an diesen Stellen mit- unter einzelnen platten °Zellenrudimenten. Nach dem Ansatzwinkel der Rerssser’schen Membran hin fliessen stets die durch die Zähne und Vor- sprünge getrennten Epithelstrassen in ein continuirliches Lager zusammen»; bei Embryonen findet sich überall eine continuirliche Epithelauskleidung des Ductus cochlearis vor, die nur durch die mächtige Entwicklung der osteo- genen Substanz der Crista sowie die Ablagerung der Membrana tectoria scheinbar unterbrochen wird, in der That aber auf dem Wege der inter- dentalen Furchen ungestört fortbesteht. Gorrstein ” opponirt sich gegen die Ansicht, dass die in den Furchen befindlichen Epithelzellen mit dem unter ihnen liegenden bindegewebigen Stratum verschmelzen, sie lassen sich nach ihm sogar durch Mace- ration entfernen. »Bei älteren Individuen verschwindet auf den Vor- sprüngen der Zähne das Epithel vollständig und nur in den interdentalen Furchen findet man die rundlich-eckigen Zellen, die man um so eher als die Epithelzellen zu betrachten berechtigt ist, als ihr Zusammenhang mit dem Epithel der Reissner'schen Membran, wie mit dem des Suleus spiralis sich an manchen Präparaten nachweissen lässt» ; beim Menschen, wo die Cortische Membran etwa in der Mitte zwischen der Ansatzstelle der Reiss- nerschen Membran und dem Labium vestibulare beginnt, findet die Um- wandlung der Epithelzellen in die interdentalen rundlichen Körperchen nur soweit statt, als die Cortische Membran reicht, und nach innen davon bleibt ein continuirliches Lager unveränderter Epithelzellen erhalten, das in un- mittelbarem Zusammenhange mit dem Epithel der lReissner'schen Mem- bran steht. Lavvowsky " sah nach der Versilberung an der Crista spiralis bis an den ' WaArpeyer, Hörnerv und Schnecke, Stricker’s Handb. d. Lehre von den Geweben Bd. Il, 1872, * GoTwsTnIn, Ueber den feinern Bau und die Entwicklung der Gehörschnecke beim Menschen und den Säugethieren. Habilitations.-Abhandl. zu Breslau, Dee. 1571. ° LAVDoWwsKY, Untersuch, über den akustischen Eindapparat der Süugethiere. Archiv f. mikrosko pische Anatomie, Bd. 13, 1876. Biol, Umters, II, 1882, E 106 GUSTAF RETZIUS. Rand des Labium vestibulare eime Schicht kleiner Endothelzellen, die um so grösser werden, je mehr sie sich der Wurzel der Reissner'schen Haut nähern; wie sich dieselben zu der Cortischen Haut verhalten, ist ihm nicht ganz klar geworden. »Sicher ist», sagt er, »dass die Elemente dieser Schicht kernlos sind, dass ihre Contouren fein und dabei gezackt sind, kurz, dass wir es mit richtigen Endothelplättchen zu thun haben, welche scharf von den unterliegenden Zellen der mterdentalen Furchen des Labium vestibulare zu unterscheiden sind.» Er bildet eine Silberzeichnung dieses »Endothels» der Crista von einem ausgewachsenen Hunde ab. Fasst man nun diese Angaben kurz zusammen, so findet man, dass von allen Forschern in den interdentalen Furchen ein kleinzelliges Epithel angenommen wird, welches sich jedoch (die Embryonen ausgenommen) nicht über die Oberfläche der Zähne erstreckt; hier hat dann LavpowskyY ein von diesen Zellen scharf zu unterscheidendes Endothel kernloser kleiner Plätt- chen beschrieben. Ich glaube nun, diese eigenthümlichen Verhältnisse erklären zu können. Nach Versilberung des Ductus cochlearis junger sowohl als erwachsener Kaninchen fand ich eine schöne mosaikähnliche Zeichnung brauner Zelleon- touren, welche die ganze Cristaoberfläche von der Ansatzlinie der Membrana Reissneri bis zum Aussenrande des Labium vestibulare bedeckt (Taf. VIII Fig. 1). In diesen Feldern sieht man zwar keine Kerne, aber bei etwas tieferer Einstellung treten die längst bekannten Kerne der »interdentalen Zellen» hervor. Wenn man dann dem Verhältniss derselben zu den Silber- feldern nachforscht, so findet man ohne Schwierigkeit eine genaue Ueber- einstimmung in Zahl und Anordnung. Die fraglichen Kerne liegen zwischen den langen, schmaler, glänzenden Zähnen in einfachen Reihen, welche radial gestellt sind; in der Anordnung der Silberfelder entdeckt man ebenfalls leicht eine radiale Anordnung; bei genauerer Betrachtung erkennt man dann, dass jeder radialer Kernreihe eine Felderreihe entspricht. Wenn man nun die Zahl der Kerne und der Felder in den einzelnen Reihen rechnet und zusammenstellt, findet man, dass dieselben einander im Ganzen sehr genau decken. In der That liegt im Allgemeinen auch unter siämmtlichen Feldern je ein Kern; das Feld ist aber stets grösser als der Umfang des Kerns und breitet sich immer nach den Seiten hin über die angrenzenden beiden Zähne aus; in der Regel stossen die an einander liegenden Felderreihen ungefähr an der Mittellinie der Zähne zusammen, weshalb man hier gewöhn- lich eine über die ganze Zahnfirste etwas ziekzackartig verlaufende dunkle Linie, die Grenze der Nachbarfelder, antrifft. Die Felder haben übrigens ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 107 eine im Allgemeinen viereckige Gestalt, die oft etwas in die Breite gezo- gen ist. Die Ränder der einzelnen Felder sind gewöhnlich etwas unregel- mässig verlaufend und gezackt, indem sie in einander greifen; die Sub- stanz der Felder erscheint fast homogen oder nur schwach gekörnt. Da- gegen findet man fast immer in der Umgebung der Kerne eine kleine Ansammlung von stärker körnigem Protoplasma, welches zusammen mit den Kernen die interdentalen Furchen ausfüllt. Aus dieser Darstellung geht also schon hervor, dass die Silberfelder und die Kerne einander genau entsprechen. Und in der That haben wir es hier offenbar mit epithelialen Zellen zu thun, welche reihenweise in den Furchen der langen Zähne stehen und ihre vom Zellenprotoplasma umgebe- nen Kerne in dieselben eingesenkt haben, ihre oberen freien Endflächen aber an der Oberfläche der Crista tragen, wo sie besonders durch Versilbe- rung die schöne epitheliale Mosaikzeichnung abgeben. Diese Auffassungsweise wird durch gewisse andere Anordnungen sogar zur Gewissheit erhoben. Die Zähne und Kernreihen laufen im Ganzen ziem- lich gerade in radialer Richtung und einander parallel. Hier und da biegen sie sich jedoch ein wenig nach der einen oder anderen Seite, dann biegen sich auch die entsprechenden Felderreihen ganz m derselben Weise. Zuweilen theilen sich die Zähne während des Verlaufes nach dem äusseren Rande des Labium vestibulare in zwei den Weg fortsetzende, einander parallel ziehende Zähne, die dann eine neue Kernreihe zwischen sich aufnehmen (Taf. VIII Fig. 1). Wenn man in diesem Falle die Anordnung der ent- sprechenden Felderreihen untersucht, findet man, dass sie sich in ganz über- einstimmender Weise verhalten: Gerade an der Stelle der Zweitheilung der Zähne, trennen sich die beiden angrenzenden Felderreihen von einander und nehmen zwischen sich eine neue Felderreihe auf, welche der zwischen den beiden Zweigen des Zahns eingeschobenen neuen Kernreihe vollständig entspricht. Zuweilen schmelzen umgekehrt während des radialen Verlaufes zwei Kernreihen zu einer Reihe zusammen (Taf. VIII Fig. 1); dann gehen auch die zwei Felderreihen in eine einzige Reihe über u. s. w. Zuweilen sind zwei angrenzende Kernreihen durch einen kurzen, nur einen einzigen Kern enthaltenden Verbindungszweig verbunden (Taf. VIII Fig. 1); dann findet man auch über diesem Kern ein zwischen den beiden Felderreihen eingescho- benes kleines Feld u. s. w. Zuweilen kommt es nun aber vor, dass der Kern nicht gerade unter seinem Felde, sondern etwas nach einer Seite verrückt liegt; bei genauerem Nachsehen findet man jedoch, dass dies nur von zufälligen Verhältnissen 108 GUSTAF RETZIUS. herrührt, indem der Verlauf der Zähne eine kleine Verschiebung der Kerne verursacht hat und die betreff. Epithelzellen in Folge dessen etwas schief stehen. Nach innen gegen die Schneckenaxe hin verändert sich bekanntlich die Anordnung der Zähne, indem sie sich mehr oder weniger nach der Seite um- biegen und vor Allem unterbrochen werden; statt der zusammenhängenden Zähne treten längere oder kürzere unregelmässige » Wülste» und »Hügel» auf. Dadurch entsteht zwischen denselben ein complieirtes System anasto- mosirender Furchen, welche von Fortsetzungen der Kernreihen ausgefüllt sind; hier und da sind diese von spärlichem Protoplasma umgebenen Kerne auch zu grösseren oder kleineren Gruppen angesammelt. Wenn man nun das Verhalten der Silberzeichnung an dieser inneren Zone der Crista unter- sucht (Taf. VIII Fig. 1 iz), findet man bald, dass, wie über den eigentlichen Zähnen, jedes Feld einem Kern entspricht, obwohl dieser hier und da etwas nach der Seite verschoben liegt, indem die Felder auch die Wülste und Hügel bedecken. Nach dem Ansatzrand der Membrana Reissneri zu werden diese Wülste immer spärlicher, so dass die Kerngruppen mehr und mehr eine zusammenhängende Zellenschicht bilden, um zuletzt an dem Umbiegungswinkel in das Epithel der Membrana Reissneri direct über- zugehen. (Gegen den Rand des Labium vestibulare hin sieht man indessen oft die Kerne der interdentalen Furchen den über ihnen liegenden Feldern nicht genau entsprechen, indem ihre Anzahl die der Felder ein wenig übertrifft. Die Ursache hierzu zeigt sich deutlich, wenn man den freien Rand des Labium betrachtet. Die epitheliale Silberzeichnung erstreckt sich nämlich über die Zone der Zähne und interdentalen Kernreihen noch eine kleine Strecke nach aussen hinaus, im Allgemeinen ungefähr so weit als die Länge eines Feldes. Der eigentliche Rand des Labium besteht also nicht aus den Zähnen selbst, sondern aus Epithelzellen, welche dort, wo sie frei über den Sulcus spiralis hervorschiessen, kleine Einschnitte und Zacken darbieten (Taf. VIII Fig >' l lv). Wenn man den Mikroskoptubus senkt, sieht man ferner an der nach unten-aussen gegen den Sulcus gerichteten Fläche der Crista eine Fortsetzung der Silberzeichnung, welche endlich in die des Sul- eusepithels übergeht. Die diesen freien Rand und die Aussenfläche der Crista bildenden Epithelzellen haben offenbar ihre Kerne etwas weiter nach innen hin belegen, und hierdurch erklärt sich das eben erwähnte Zusammen- drängen zu einer grösseren Zahl von Kernen an den äusseren Kernreihen als der den über ihnen liegenden Feldern entsprechenden. ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 109 Die hier dargestellten Verhältnisse erkennt man nicht nur bei jungen Kaninchen, sondern in derselben Weise auch beı älteren, bei welchen eine ganz ähnliche Versilberung der Crista gelingt. Bei den älteren Kaninchen scheinen zwar die Zähne breiter zu werden und sich einander noch mehr zu nähern, wodurch die interdentalen Zellen über die Kerne von den Seiten her stärker zusammengedrückt werden. Dadurch wird der Zusammenhang der oberen freien Endfläche mit dem unteren kernführenden Theil verringert, ist jedoch immer noch ganz deutlich. Dass übrigens die interdentalen Zellen nicht mit dem unterliegenden Bindegewebe organisch verbunden, nicht mit ihm verschmolzen sind, geht, wie früher Gorrsteiın hervorhob, offenbar aus der Leichtigkeit hervor, mit welcher die Zellen bei Macerationsversuchen aus den Furchen abgelöst werden. Auf der Cristaoberfläche ruht bekanntlich der innere Theil der Mem- brana tectoria, indem sie derselben ziemlich innig anhaftet. Ich komme hierauf unten bei der Besprechung dieser Membran kurz zurück. Wenn man nun nach Erledigung des Cristaepithels das zunächst nach aussen davon befindliche Epithel des Sulcus spiralis am versilberten Präpa- rate von oben her untersucht, findet man (Taf. VIII Fig. 2 s), dass sich die Epithelzeichnung vom Abhange der Crista spiralis an, also Anfangs vom epithelialen Gebräme des Labium vestibulare überbrückt, mit schönen einschichtigen polygonalen kernführenden Zellenfeldern über den Suleus nach aussen hin fortsetzt, eine unmittelbare Fortsetzung des Cristaepithels bildend, während jedoch die Zellenfelder sehr bald grösser werden und endlich gegen die Reihe der inneren Haarzellen zu in eine Reihe länglicher, radıal ge- stellter Felder übergehen, die nur ausnahmsweise kleinere unregelmässigere Felder unter sich aufnehmen. Neben der Haarzellenreihe endigen sie mit einer fast gerade (spiralig) verlaufenden Grenzlinie, diese Felderreihe ent- spricht offenbar der von Lavpowsky beschriebenen Zone »länglicher, poly- gonaler Plättchen, die wiederum dem T'ypus des Endothels entsprechen und eben so kernlos sind wie das Endothelium des labium vestibulare, obwohl sie sich durch ihre regelmässige Form von ihm unterscheiden. Die letztere Zone bedeckt die inneren Endzellen mit ihren Nerven, sowie zum Theil die akustische Körnerschicht.» Dass hier nun keine Zone von kernlosem Endothel vorliegt, was hier eben sowohl als bei der Crista spiralis sonderbar wäre, geht aus der Betrachtung des radialen Vertikalschnitts hervor (Taf. VII Fig. 1), wo wir kein Endothel, sondern nur eine starke Erhöhung und eigenthümliche Anordnung und Gestalt der Suleuszellen finden; die fraglichen 110 GUSTAF RETZIUS. Zellen (Taf. VII Fig. 1 29) beginnen unten mit schmalem Fusse, enthalten ihren ovalen Kern in der Regel nicht hoch über demselben und breiten sich mit einer länglichen Platte nach aussen hin über die äusseren Nach- barzellen bis zur Haarzellenreihe hinaus. Alle diese Zellen des Suleus internus sind bei jüngeren Thieren grösser, gleichsam angeschwollener und sehr hell, durchsichtig, nur sparsame Körner und Fadennetze zeigend; bei älteren Thieren werden die Zellen niedriger und etwas undurchsichtiger, so dass der Suleus bekanntlich tiefer erscheint. Unter den Zellen findet man, dem unterliegenden Bindegewebe innig anhaftend, eine Basilarmembran, die in radialer Richtung schwach gestreift ist und sich bekanntermassen nach aussen hin in die freie Basilarmembran fortsetzt. Nun beschreibt ferner Lavpowsky zwischen der äusseren Grenze des eigentlichen kernhaltigen (und nach ihm zweischichtigen) Epithels des Sul- cus internus und seiner Zone länglicher endothelialer Plättchen »emen dunkleren und viel schmäleren zelligen Streifen», welcher aus kleinen Zellen besteht und in der Regel nur zwei oder drei Reihen enthält. Da beim Kaninchen nichts Entsprechendes vorhanden ist, werde ich die Besprechung dieser Zone zu einer anderen Gelegenheit aufschieben. An dem versilberten Präparate folgt dann nach aussen hin die ein- fache Reihe der inneren Haarzellen (Taf. VIII Fig. 2 ik), deren freie obere Endflächen als mit der Längsaxe in spiraler Richtung an einander liegende Ovale erscheinen, und deren Aussenrand durch die Versilberung dunkel gefärbt wird; hier und da treten auch bei diesen Präparaten die Haarreihen, obwohl wenig ausgeprägt, hervor. Die Umgebung der Haar- zellen wird kaum oder nur schwach von dem Silber gefärbt. So ist vor Allem der Fall mit der Oberfläche der nach aussen anstossenden Corti'schen Pfeiler (Taf. VIII Fig. 2 cp), indem die radialen Grenzlinien der Kopf- platten nur sehr unbedeutend markirt werden; es scheint demnach hier fast keine solche »Kittsubstanz» vorhanden zu sein, die bei Versilberung die Grenzlinien epithelialer Zellen so stark markirt. Nach aussen von den Kopfplatten der inneren Cortischen Pfeiler trifft man bei den fraglichen Präparaten (Taf. VIII Fig. 2 äh) die drei Reihen der äusseren Haarzellen an, welche gleich den inneren Haarzellen am Rande dunkel gefärbt werden; sie erscheinen deswegen als braune, unregelmässig runde Ringe in der Lamina reticularis, welche übrigens vom Silber nicht gefärbt wird. Im allen meinen versilberten Präparaten sind also nur die Ränder der Haarzellen, nicht die Grenzfäden der Phalangen vom Silber gefärbt; nur einzelne zerstreute dunkle Körner wurden an der Lamina reticularis angetroffen, weshalb ich ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 111 in dieser Hinsicht der Anschauungsweise Lavpowskv's nicht beitreten kann, welcher die Lamina retieularis als vorzugsweise aus der stark entwickelten metamorphosirten Kittsubstanz bestehend betrachtet. Nach aussen von der Haarzellenzone trifft man endlich an den versilberten Präparaten eine Reihe länglicher, radial gestellter Zellenfelder, deren Kerne tief liegen und sich deshalb oft dem Blicke entziehen, und nach aussen von diesen recht grosse kernhaltige polygonale Zellenfelder (Taf. VIII Fig 2 äs) in ziemlich zahl- reichen Reihen ohne bestimmte Anordnung. Wenn wir nach diesem Studium der Oberfläche der versilberten Prä- parate wieder zu dem der radialen Vertikalschnitte übergehen (Taf. VII Fig. 1) so finden wir zuerst, dass sich die Zellen des Suleus internus ge- gen die Zone der inneren Haarzellen erhöhen, um oft nach innen von ihnen einen gleichwohl nicht bedeutenden Wall zu bilden und sich dann etwas zu senken. Wie zuerst und vor Allen Hrxsev dargelegt hat, erhebt sich dann, von der Zone der inneren Haarzellen gerechnet, die Oberfläche der Papilla basilaris nach aussen hin ziemlich stark bis zur äusseren Grenze der Lamina retieularis; hier wird dann diese Erhebung noch steiler, indem die nach aussen davon befindlichen Hensen’schen Zellen (Taf. VII Fig. 1 äs) einen hohen und breiten spiraligen Wulst bilden; an der Aussenseite des- selben senkt sich die Oberfläche wieder, zuerst steil, dann allmäliger, um hier in dem Suleus spiralis internus zuletzt eine nur niedrige epitheliale Bekleidung zu bilden, welche am Ligamentum spirale in das Epithel der äusseren Wand des Ductus cochlearis übergeht. Unter der ganzen Papilla basilaris bis zum Ligamentum spirale läuft als gerade gespannte Haut die Membrana basilaris, deren wichtigster Theil bekanntlich in ihrer ganzen Ausdehnung aus gestreckten, radialen, an ein- ander liegenden Fasern besteht. Ihre Zusammensetzung wird übrigens et- was verschieden beschrieben, und in der That scheinen bei verschiedenen Thieren etwas wechselnde Verhältnisse vorhanden zu sein. Beim Kanin- chen befindet sich an ihrer tympanalen Fläche überall die bekannte homogene Schicht, welche bei jungen Thieren sehr dick, bei älteren dünner wird und im Ganzen wohl dem tympanalen Bindegewebe zuzurechnen ist; in dieser Schicht (Taf. VII Fig 1 Ab) trifft man einzelne, nur sehr sparsam eingebettete längliche Keme; an ihrer tympanalen Obertläche lie- gen aber zahlreiche spiral verlaufende Zellen, welche aus ovalen Ker- nen und von deren beiden Enden ausgehenden feinen varikösen langen Ausläufern bestehen. Diese eigenthümlichen Zellen, welche schon oft, obwohl nicht selten unrichtig, beschrieben und sogar zu Nerven gerechnet 112 GUSTAF RETZIUS. worden sind, gehören offenbar dem tympanalen Bindegewebe an; sie liegen oft in zwei Schichten, besonders in der Mitte der Basilarmembran, um aussen und innen an den Anheftungsrändern derselben zuerst einschichtig zu werden und dann zusammen mit der homogenen Schicht aufzuhören. An dem radialen Vertikalschnitt erschemen diese Zellen als kleine runde oder ovale Kerne (im optischen Querschnitt) mit zwischen ihnen liegenden körnigen Haufen, welche aus Zellenausläufern im optischen Querschnitt bestehen. In der Nähe der Grenze des inneren und mittleren Drittels, von dem Labium tympanale der Crista spiralis bis zum Iigamentum spirale gerechnet, nimmt nun, wie Hrxsen angegeben hat, die Membrana basilarıs an ihrer vestibularen Fläche eine andere homogene Schicht (Taf. VII Fig. 1 hb') auf, dann läuft sie, zwischen dieser und der oben beschriebenen Schicht eingelagert, bis zum Ligamentum spirale; hier hört allmälıg diese homogene Schicht, welche ebenfalls ausnahmsweise länglich ovale Kerne zeigen kann, auf, und dann geht die Membrana basilarıs in das Ligamentum spirale in bekannter Weise über. Ich habe mich bemüht zu eruiren, ob auch an der vestibularen Fläche dieser letzteren homogenen Schicht eine Ausbreitung der faserigen Membrana basilarıs vorhanden ist. An dem Vertikalschnitt zeichnet sich die obere Grenzlinie als eine sehr scharfe Contour ab; nie war ich da- gegen im Stande hier radial verlaufende Fasern sicher zu sehen, was dagegen bei der unter der homogenen Schicht liegenden Ausbreitung der Membran auch an diesen Präparaten oft gut gelang. Da ich jetzt zu einer kurzen Darstellung der auf der Vestibularfläche der Membrana basilaris befindlichen Papilla ac. basilaris oder des Organon Corti übergehe, scheint es am besten zu sein, von den Cortischen Pfeilern auszugehen, welche mit Recht als Stützen der übrigen Theile angesehen werden. Die Gesammtgestalt, Zahl und Verbindung der inneren sowohl als der äusseren Pfeiler ıst aber so oft beschrieben worden, dass ich es nicht nöthig finde, hier darauf einzugehen, um so mehr als diesmal nicht die Verschiedenheiten derselben in den einzelnen Windungen angegeben wer- den sollen. Dass die Körper und Füsse der Pfeiler längsgestreift und sogar aus längsgehenden Fasern bestehen, ist längst bekannt. Ich werde hier nur kurz erwähnen, dass ich zuweilen diese Fasern als aus an einander gereihten Körnern bestehend gesehen, nun findet man aber auch, wie Borrr- CHER angegeben hat, in manchen Präparaten die Köpfe und vor Allem die Kopfplatten der inneren sowohl wie der äusseren Pfeiler in radialer Rich- tung gestreift, und ich habe sie zuweilen in dicht liegende gerade Fasern ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS,. 113 gespaltet gefunden. Auf Taf. VIII Fig. 5 ist diese Streifung angedeutet und auf Taf. VII Fig. 12 f' sieht man die Längsspaltung der Kopfplatten der äusseren Pfeiler; indessen verdient erwähnt zu werden, dass dieser Bau oft nicht sichtbar ist, so dass die fraglichen Gebilde ziemlich homogen er- scheinen. Waroerer' hob hervor, dass feinkörniges Protoplasma nicht nur an den Füssen der Pfeiler sondern auch an den Köpfen derselben vor- kommt und am letzteren Ort sogar einen Kern einschliesst, was nichts Anderes bedeutet, als den kernhaltigen Rest einer der Zellen, aus denen die Pfeiler hervorgehen; Gorrsteın stimmt dieser Ansicht bei. Bei jungen Thieren (Embryonen und eben geborenen Kaninchen) bestehen, wie vor Allem Borrrener beschrieben hat, noch die Pfeiler aus einer körnigen pro- toplasmatischen Zellensubstanz, in deren Axe ein glänzender Faden verläuft; dieser Faden wird dann dieker und erscheint als aus mehreren Fäden zu- sammengesetzt; man erkennt fortfahrend um den glänzenden dieken Strang eine von Borrrcuer erwähnte Scheide. An den Pfeilern der erwachsenen Thiere sieht man gewöhnlich einen körnigen, dem Strang dicht anliegenden Anflug, der zuweilen von ihm etwas abstehen kann (Taf. VII Fig. 4); in ein- zelnen Fällen sah ich aber in schönster Weise eine die Pfeilerstränge rings umgebende und von ihnen ziemlich weit abstehende körnige Scheide (Taf. VII Fig. 3), welche auch die Füsse umhüllte. Dieselbe stellt offenbar noch im erwachsenen Zustand vorhandene Reste des Zellenprotoplasmas dar, aus welchem die Pfeiler entstanden sind. Die körnige Scheide hängt nämlich mit der sogenannten Bodenzelle des Pfeilers direet zusammen. Jedem äusserem wie innerem Pfeiler kommt bekanntlich am Fusse ein von Proto- plasma umgebener Kern zu, welcher in dem vom Pfeiler und der Basilar- membran gebildeten spitzen Winkel liegt. Wie verhält sich nun diese » Bodenzelle» zur Membrana basilaris, d. h. zum Boden des Tunnels zwischen den Pfeilern? Diese Frage ist von den Forschern in verschiedener Weise beantwortet worden. Nachdem Kör- ııker (1852) den Kern der äusseren Pfeiler erkannt und Max Scuuutze (1858) ihn als einer sehr vergänglichen kleinen Zelle angehörig beschrieben hatte, welche zwischen der Corti'schen Faser und der Membrana basilaris eingeklemmt liegt, und nachdem Borrrener (1559) denselben nicht nur bei den äusseren sondern auch bei den inneren Pfeilern als fast constant vor- handen gefunden und abgebildet hatte, obwohl er ihn ebenfalls nieht im Pfeiler selbst sondern diesem nur ansitzen und zuweilen der Basilarmem- " WALDEYER im Stricker'schen Handbuch 1872, Biol, Unters, II, 1882, 114 GUSTAF RETZIUS. bran anheften sah, beschrieb Drrrers (1860) ausserdem ein den Tunnel durchziehendes complieirtes System bindegewebiger Fasern, das er als einen bindegewebigen Stützapparat oder Stützfasersystem des Corti'schen Organes bezeichnete. Von oben her sieht man, sagt er, »ein System sich mehr oder weniger regelmässig verästelnder Fasern, die an manchen ihrer Knoten- punkte erweitert sind und rundliche oder längliche Kerne einschliessen. Der Anfang dieses Systemes geht, wie sich nicht eben schwer beobachten lässt, von den Fasern I. Reihe aus, und zwar entspringen die ersten dieser ana- stomosirenden Fasern direkt von der pyramidenförmig nach innen vorste- henden Anfangsanschwellung der Fasern I. Reihe. An den Objecten, wel- che mir zu Gesicht kamen, konnte ich nicht von jeder Corti'schen Faser einen Theil dieses innern Fasergerüstes abgehend beobachten. Ich glaube daher, dass dies auch wirklich nicht immer so der Fall ist, sondern dass in diesem System die grosse Regelmässigkeit durchaus fehlt, welche sonst die Gebilde der Lamina spiralis auszeichnet. Kurz vor dem Ansatze der Glocken spalten sich die Fasern zum letztenmale und die beiden daraus entstehenden Fasern nehmen dann je eine Glocke und den vor ihr liegen- den Kern (Zelle) zwischen sich und treten zu ihrer Seite heraus, um dann jenseits der Glocke in ein feines nicht weiter zu verfolgendes Ende auszu- laufen». Zwischen den Fasern kann man nach DrrıErs eine äusserst feine, leicht körnige Zwischenmasse, eine »Intercellularsubstanz» sehen. »Ihretwe- gen ist es nämlich leicht möglich, die letzten Theilungen der Fasern für die Contouren der Zelle anzusehen, welcher der vor den Glocken liegende Kern angehört. Diese wird aber wie noch andere Gebilde bloss von die- sem Gewebe getragen». Die Fasern des Gerüstes werden in Folge der Theilungen von ihrem Anfang an allmälig schmäler. Ueber dem beschrie- benen Fasersystem sieht man dann noch ein zweites ähnliches feinfaseriges mit engeren Maschen. »Die Sache ist wohl so zu erklären, dass das Stütz- fasersystem aus mehreren Lagen von theils grossmaschigen aus breitern Fasern bestehenden Netzen theils engmaschigen Netzen mit feineren Fasern besteht, von denen die letztern der Membran fester anhaften als erstere und daher bei Zusammenhangstrennungen nur die ersteren mit dem Corti'- schen Bogen entfernt werden». In Betreff dieses bindegewebigen Appara- tes von Drirers bemerkte Köruıker ’, dass es ihm nicht gelungen ist, auf der Membrana basilaris etwa Anderes als Epithel, Cutieularbildungen und rarıköse Nervenfädchen zu finden mit Ausnahme eines Falles, der ihm ganz ! DEITERS, Untersuch. üb. die Lamina spiralis membranacea. Bonn 1860. ® KÖLLIKER, Handb. der Gewebelehre des Menschen, 4:te Aufl. 1863. ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 115 dunkel erschien. Hessen ', welcher sich, so weit ich sehen kann, nicht über das Deiters'sche Fasersystem äusserte, hielt die an den Ansatzstellen der Bogenfasern liegenden Kerne für wesentliche Bestandtheile der Fasern selbst; die Kerne liegen in einer Zelle, welche sich ganz an den Bögen in die Höhe zieht; namentlich diejenige der inneren Faser überkleidet auch noch ganz die Membrana basilaris unter dem Bogen; es gehören diese Zellen auf das engste zu den Fasern, weil sie dieselben in ihrem Inneren als verdich- tete Schicht bilden; die Kerne werden hin und wieder auch auf der Mem- brana basilaris oder häufiger höher am Bogen angetroffen. - Dann wies Borrrcuer * durch seine ausgedehnte Untersuchungen nach, dass jede kernführende sogenannte Bodenzelle mit ihrem Pfeiler zusammen einer Zelle entspricht, aus welcher sich der Pfeiler entwickelt hat und de- ren Reste übrigens noch beim erwachsenen Thiere als eine den Pfeiler um- hüllende Scheide und die kernführende Protoplasmamasse am unteren Ende (»Bodenzelle») zurückbleiben. Nach Warveyer ® stellt das dem Fusse der Pfeiler angehörige Protoplasma eine kernhaltige, verschieden geformte Partie dar, welche mit der Substanz der Pfeiler fest verbunden ist und, wie die Entwickelungsgeschichte lehrt, nichts Anderes bedeutet, als den kernhalti- gen Rest einer der Zellen, aus denen die Pfeiler hervorgehen; sehr häufig sieht man das Protoplasma auf der Membrana basilaris von einem Pfeiler bis zum anderen ziehen. »Als Reste dieser Verbindungsbrücken findet man nicht selten Fäden zwischen den Pfeilern auf der Membrana basilaris lie- gen, die nicht mit Nervenfäden verwechselt werden dürfen (Deiters'sches Stützfasersystem)». Nurn* hob hervor, dass er von dem Deiters'schen Stützfasersystem unter den Corti'schen Bogen nie etwas gesehen habe, wohl aber eine regel- mässige Zeichnung, indem gewisse Felder durch Linien abgegrenzt sind; es sind äussere und innere Felder vorhanden; die äusseren entsprechen an Zahl den äusseren Cortisschen Bogen. »Die inneren Felder entsprechen an Zahl den inneren Cort. Bogen, obschon ich ihr Verhalten zu deren Fuss- stücken nicht habe ergründen können. Es liegt etwas sehr regelmässiges in dem ganzen Bilde. Als Fasern kann ich die Linien nicht ansehen, son- dern als Begrenzungslinien von Feldern, die durch eine körnige Substanz ' HENSEN, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd 13, 1863. * BOETTCHER, Ueber Entwickeluug und Bau des Gehörlabyrinths, 1869. ° WALDEYER, im Strieker'schen Handb. 1872. * Nuet, Archiv f. Mikrosk. Anatomie Bd 8, 1872. und M&moires couronnds et m&moires des sa- vants Ötrangers publ. p. l’Acaddmie royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique. T. 42, ı, 1878. 116 GUSTAF RETZIUS. ausgefüllt sind. Ich stehe nicht an, dies als eine Flächenansicht der Pro- toplasmastreifen zu erklären, die auf dem Boden des Tunnels die beiden Kerne an den Fussstücken der Cort. Bogen verbinden»; es sind zwei Ar- ten Protoplasmastreifen, die einander entgegenstreben, ohne mit einander zu verschmelzen. Die ganze Zeichnung schwindet bis zu einem gewissen Grade bei älteren Thieren, aber immer findet man noch Andeutungen der- selben. Dann hat Javpowsky ' die Anschauung Derrers von dem Stützfaser- system wieder aufgenommen und bestätigt; nach ihm ist die Riehtung der bindegewebigen Stützfasern constant, indem sie meist quer durch den Tun- nel ziehen, um nach aussen davon mit anderen Stützfasersystemen Lavpow- sky's Verbindungen einzugehen, an den Stellen der Fussstücke der innern -Cortischen Bögen aber kleben sie den Kernen der Bögen so fest an, dass man sie häufig mit diesen Kernen zusammen isolirt findet; ihre Substanz ist homogen, glänzend und ziemlich compact; er bildet sie als feine reich- liche Netze wiederholt dichotomisch getheilter Fasern ab. Nach eingehender Prüfung der fraglichen Verhältnisse habe ich nun Folgendes gefunden. An Präparaten aus der Schnecke junger sowohl als erwachsener Kaninchen fand ich nach Behandlung mit Müllerscher Lösung oder mit Ueberosmiumsäure oder Ueberosmiumsäure in Verbindung mit Goldehlorid am Boden des Corti'schen Tunnels eine Zeichnung feiner glän- zender Linien, welche hauptsächlich in radialer Richtung dicht an der vesti- bularen Fläche des Tunnelbodens verlaufen (Taf. VIII Fig. 4). Diese Linien oder Streifen biegen sich nach innen von der Mittellinie des Bodens nach der Seite hin um und laufen mit den zunächst liegenden Linien in schiefer oder querer Richtung zusammen. Sie umgrenzen in dieser Weise eine Menge von Feldern, welche in zwei Reihen angeordnet sind. Von diesen Reihen erstrecken sich die Felder der inneren Reihe (Taf. VIII Fig. 4 ic) von den Füssen der inneren Corti'schen Pfeiler in radialer Richtung im Allgemeinen über ein Drittel, zuweilen auch etwas weiter, aber nie bis zur Mitte der Tunnelfläche. Die beiden radialen Grenzlinien der Felder laufen im Ganzen ziemlich gerade und einander parallel; jedoch biegen sie sich hier und da etwas nach der Seite hin, so dass die Felder hierdurch keineswegs die ausgeprägt regelmässige Gestalt erhalten, die von Nvru dargestellt worden ist. Ihre Breite wechselt ebenfalls, so dass man breitere und schmälere Felder trifft (Taf. VIII Fig. 4 ic). Im Ganzen sind also die inneren Fel- der länglich rechteckig. Sie reichen, wie erwähnt, verschieden weit über " LAVDOWSKY, Archiv f. Mikrosk. Anatomie, Bd 13, 1876, ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 117 den Tunnelboden, so dass einige kürzer, andere etwas länger sind (Taf. VIII Fig. 4 ic), und endigen bald mit querer, bald mit schiefer, bald mit beiderseitiger, zuweilen sogar langer Zuspitzung. In jedem Felde trifft man am inneren Ende in der Nähe des Pfeilerfusses einen sphärischen Kern, und das ganze Feld erscheint überall feinkörnig (Taf. VIII Fig. 4 ic). Wir haben es offenbar mit einem kernführenden Zellprotoplasma zu thun, und die nähere Beobachtung erweist, dass jedes Feld einer kernführenden Zelle entspricht und die beschriebenen Linien die Zellengrenzen darstellen, wie es Nuer hervorgehoben hat; bei Vergleichung mit den Vertikalschnitten wird es noch deutlicher, dass die inneren Felder den inneren » Bodenzellen» entsprechen. Wie weit nach innen hin erstrecken sich nun diese Zellenfelder? Man sieht die Grenzlinien zwischen die Füsse je zweier innerer Pfeiler eintau- chen, so dass also jedem Feld ein solcher im Querschnitt gewöhnlich vier- eckig erscheinender Fuss zukommt; die innere Grenze der Felder sieht man an diesen Präparaten nicht deutlich; Nurs konnte dieselbe ebenauch nicht sehen. Bei den Silberpräparaten werde ich darauf zurückkommen. Die Reihe oder Zone der äusseren Felder (Taf. VIII Fig. 4 de) er- streckt sich von dem unebenen und ungleichförmigen Begrenzungsrand der inneren Felder über mehr als die Hälfte, stellenweise sogar zwei Drittel der Bodenfläche der Tunnels. Die Seitengrenzen laufen in mehr oder we- niger gerader Richtung radial nach aussen hin, sich hier und da etwas seitwärts biegend, wodurch eine gewisse Unregelmässigkeit der im Ganzen genommen ebenfalls länglich rechteckigen Felder entsteht, was ich gegen Nuver’s Darstellung hervorhebe. Die Länge und Breite der äusseren Fel- der wechselt nicht unbedeutend (Taf. VIII Fig. 4 dc); man findet lange und schmale, lange und besonders am inneren Ende verbreiterte aber auch hin und wieder ziemlich kurze, zwischen die längeren eingekeilte Felder. Diese äusseren Felder sind aber im Ganzen genommen breiter als die inneren, so dass bei genauer Rechnung etwa drei innere Felder auf zwei äussere kom- men. Die äusseren Felder sind wie die inneren fein gekörnt und führen nach innen von den Füssen der äusseren Pfeiler je einen grossen sphärischen Kern, welcher constant bedeutend grösser als der der inneren Felder ist. Es geht, besonders wenn man die Vertikalschnitte zum Vergleich mit- nimmt, schon aus dieser Darstellung hervor, dass die äusseren Felder eben- falls Zellen und die radialen Linien ihre Zellengrenzen darstellen, sie ent- sprechen in der That dem, was man früher die äusseren »Bodenzellen s nannte. Wie die inneren Felder bieten auch die äusseren eine über die Bodenfläche des Tunnels verbreitete, dünne, abgeplattete Protoplasmamasse dar, 118 GUSTAF RETZIUS. welche in der Nähe der Pfeilerfüsse je einen Kern trägt und deren ein- zelne Zellengrenzen von den erwähnten glänzenden Linien gebildet werden. Die ganze Bodenfläche des Tunnels ist in dieser Weise von den eigenthüm- lichen Zellenplatten ausgekleidet, so dass kein Theil von ihnen frei ist, soweit sie nicht durch die Präparation entfernt worden sind. Wie weit erstrecken sich nun diese äusseren Zellenplatten nach aussen hin? Man erkennt bei genauer Betrachtung, dass sich die Grenzlinien zwischen jedes Paar der Füsse der äusseren Pfeiler gerade nach aussen ziehen; sie laufen dann einander fast parallel eine Strecke weiter nach aussen hin und bilden auf diese Weise rechteckige Partien, welche fast die gleiche Breite haben und jede die Fussplatte eines äusseren Pfeilers in sich tragen. Die äussere Grenze dieser Platten findet sich in einer spi- ralig verlaufenden, etwas zackigen Linie, indem kurze sechseckige Felder hier an ihre Aussenseite anstossen (Taf. VIII Fig. 4 dz). Jede der nach aussen von den Füssen der äusseren Pfeiler belegenen Platten gehört offen- bar, zusammen mit der oben beschriebenen, nach innen von ihnen befind- lichen kernführenden, langen Zellenplatte, einer gemeinsamen Zellenplatte an, die an dem 'Tunnelboden bis zur Grenze der inneren Felderzone reicht; in der äusseren Hälfte jeder dieser langen Platten steht ein äusserer Pfeiler, wel- cher sich von seiner Ansatzstelle erhebt, indem, wie oben erwähnt, das Pro- toplasma der Platte, das man früher unrichtiger Weise für eine besondere Zelle hielt und »Bodenzelle» nannte, sich rings um den aufsteigenden Pfeiler von dem Boden erhebt und ihn als dünne, mehr oder weniger kör- nige Scheide bis zum Kopf und dessen Platte umgiebt. Jeder äusserer Pfeiler mit seiner langen, nach innen und aussen hin sich an der Basilar- membran ausbreitenden dünnen Platte stellt also eine Zelle dar, deren axi- aler Theil sich in ganz eigenthümlicher Weise zu einem glänzenden resi- stenten steifen Fibrillenbündel — dem eigentlichen Pfeiler — umwandelt, wie es ja schon früher die Entwickelungsgeschichte dargelegt hat. Dass er sich mit den inneren Pfeilern und Pfeilerzellen in derselben Weise ver- hält, geht schon aus dem oben Gesagten hervor. Was sind nun die Stützfasersysteme von Deimers und LavpowskY? In den mit Müllerscher Lösung, Ueberosmiumsäure und Goldcehlorid behan- delten Präparaten, kommen, wenn man von den unten zu berücksichtigen- den Nervenfasern absieht, keine andere Fasern oder Fasernetze vor, mag man nun Flächenansichten oder Vertikalschnitte vor sich haben; an Osmium- Goldpräparaten sieht man zwar oft im Tunnel eine schwach körnige, durch- sichtige Masse, welche jedoch den Anschein einer ausgefällten, eiweissartigen ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 119 Substanz hat und jedenfalls nie faserig erscheint; höchst wahrscheinlich stellt sie nichts Anderes als den flüssigen, durch die Reagenzien gefällten, eiweissartigen Inhalt des Tunnels dar. Dagegen entsprechen die Grenz- linien der Bodenplatten ‚der imneren und äusseren Pfeilerzellen offenbar dem »bindegewebigen» Stützfasersystem von Drrmers und Lavvowskr. Ich stimme also der Anschauung Nuerr's bei, obwohl ich die ganze Zeichnung des Tunnelbodens viel weniger regelmässig finde, als dieser Forscher sie dar- gestellt hat; die Zellenplatten der beiden Reihen greifen viel mehr in einan- der ein und zeigen eine mehr wechselnde Grösse und Gestalt, als er es ge- schildert hat. Uebrigens muss ich mich auf das Bestimmteste gegen das Vorkommen anderer » Fasern» als Nervenfasern und » Epithelzellenfasern» im Tunnel aussprechen, jedenfalls sind keine bindegewebige Fasern dort vor- handen, wie sie auch sonst im Epithel des Ductus cochlearis — wenn man von den Blutgefüssen und den sie möglicherweise begleitenden Bindegewebs- fasern der Stria vascularıs absieht — nie vorkommen. Die inneren Grenzen der inneren Pfeilerzellen waren indessen bei den geschilderten Präparaten nicht aufzufinden. Sowohl um diese Frage zu beant- worten als auch um die übrigen Verhältnisse zu prüfen, sind die Silberpräparate werthvoll. Bei jeder gut gelungenen Versilberung des Tunnelbodens (Taf. VIII Fig 3) erhält man eine Linienzeichnung, die mit der hier oben von anderen Präparaten beschriebenen vollständig übereinstimmt, was von vorne herein anzunehmen war; die Grenzen der der Membrana basilaris anhaftenden Zellenplatten der Pfeilerzellen treten durch das Silber als braune Linien scharf hervor (Fig. 3 ic, de) in ganz derselben Anordnung, die oben aus- führlich geschildert wurde, weswegen ich die Verhältnisse der Silberzeich- nung hier nicht näher beschreibe. Durch die letztere kommen wir indessen noch einen Schritt weiter. Hier lassen sich nämlich die inneren Grenzen der inneren Pfeilerplatten verfolgen. Die Seitenlinien ziehen zwischen je zwei Pfeilerfüsse eine Strecke gerade nach innen hin und endigen in einer spiraligen Linie grade am Aussenrande der Kanälchen der durchtretenden Nerven (Taf. VIII Fig. 3 nc, aus der Saccularwindung), indem jede Platte eine quere, schiefe oder abgerundete Grenze bekommt, so dass die ge- sammte Grenzlinie etwas gezackt erscheint. An sie stossen dann die Fuss- platten der inneren Stützzellen. Bevor ich die Pfeilerzellen verlasse, will ich noch eine sie betreffende Frage kurz besprechen. Bekanntlich gehen nach der Ansicht einiger Forscher die sich feder- oder wurzelartig verbreitenden Fasern der Pfeiler, besonders der äusseren, in die Membrana basilaris direet über und setzen sich in ihre 120 GUSTAF RETZIUS. Faserung fort. So viel ich sehen kann, ist dies nicht richtig. Die Pfeiler- füsse haften zwar der Membran dicht und innig an; sie können aber von ihr ohne Zerreissungen ganz abgetrennt werden, und die Fasern der Mem- bran sind unter den Pfeilern nach innen hin am Tunnelboden direct ver- folgbar. Nach meiner Ansicht endigen die Pfeilerfasern innerhalb der Grenze jeder der oben beschriebenen Zellenplatten und gehen nicht über sie hinaus. Im Zusammenhang hiermit werde ich auch die Frage von der jeder äusseren Pfeilerplatte entsprechenden Anzahl der Membranfasern kurz be- rühren. Bekanntlich wird von den Forschern eine verschiedene Anzahl der- selben angegeben. Was die Verhältnisse beim Kaninchen betrifft, schliesse ich mich den Angaben Hexsex’s' an, indem ich hier im Ganzen 5 oder höchstens 6 Fasern der Membrana basilaris unter jeder Platte der äusseren Pfeilerzellen fand. Dass Nver zu viele Fasern gefunden und sie gar zu dünn gezeichnet hat, darin stimme ich Hrxsex vollständig bei. Die Fasern sind in der That nicht so unmessbar fein, sondern haben eine gewisse Dicke; sie liegen bekanntlich nicht ganz dicht an einander gedrängt, sondern sind durch kleine helle Zwischenräume getrennt; der Glanz der Fasern ist jedoch so stark, dass man sie, wie Hessen bemerkt, selten sicher in Flächen- ansichten rechnen kann, weshalb die optischen Durchschnitte der gefalteten Membran hierzu weit vorzuziehen sind. Nach aussen von den Platten der äusseren Pfeilerzellen findet man nun, wie NvEL dargethan und Hexsex bestätigt hat, auf der Vestibularfläche der Basilarmembran eine schöne Zeichnung kleiner sechseckiger Felder in am wenigsten drei, zuweilen vier nach aussen von einander geordneten Reihen, welche mit einander regelmässig alterniren und durch ihre ziemlich regelmässige Gestalt ausgezeichnet sind. Ich finde die Felder der innersten Reihe am grössten, die der folgenden etwas kleiner, die der dritten am klein- sten. Diese Zeichnung ist sowohl an Silberpräparaten (Taf. VIII Fig. 3 dz) als auch an Osmium- und Goldpräparaten (Taf. VIII Fig. 4 dz) sehr deutlich wahrnehmbar; sie gehört aber ebenso wenig .wie die Platten der Pfeilerzellen der Basilarmembran selbst an, sondern kann von ihr ganz abgetrennt wer- den (s. Fig. 4 rechts von dz). Was bedeuten nun diese polygonalen Fel- der? Nuver, der zuerst (1872) nur die zwei inneren Reihen gesehen hatte, hielt sie für »Ansatzstellen von Zellen, die nach oben in das membran- artige Gebilde mit den Stielen der Cort. Zellen verlaufen. Die polygonalen Felder müssen mit der Zusammensetzung dieses dunkeln Gewebetheiles die innigste Beziehung haben.» Von den Feldern sah er nämlich die sog. ' HENSEN, Besprechungen, Archiv. f. Ohrenheilkunde N. F. Bd I, ı 1873. u ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 121 Stiele der zwei inneren Reihen der Corti'schen Zellen entspringen. Hexsex, welcher drei Reihen solcher polygonaler Felder fand, hob hervor, dass die dreieckigen Stiele nicht völlig regelmässig im Centrum des Polygons, sondern vorwiegend ein wenig gegen den inneren Rand der zugehörigen Zelle sitzen. »Die drei Zellenbasen», sagt er ferner, »füllen den Raum von der äusseren Grenze der äusseren Pfeilerfüsse bis zu den Stützzellen so aus, dass ich kei- nen Platz für andere Zellenansätze sehe, demnach würde nur eine von den zwei Zellenarten, die unter der Membr. reticularis liegen, auf der Membr. basi- larıs festsitzen können.» Welcher von den beiden Zellenarten die Polygone angehören, sagt er hier nicht. Lavpowsky hat dann auch die sechseckigen Felder gesehen und abgebildet; er hält sie aber für Maschen des perpen- dikulären Theiles eines von ihm beschriebenen faserigen, bindegewebigen Stützapparates, und die in ihren Centra befestigten Fäden sieht er für Stiele der äusseren Endzellen an; nach ihm sind also die die Felder abgrenzenden Linien nicht Zellengrenzen sondern Maschen eines faserigen Netzwerks, welches mit dem Stützfasersystem des Tunnels in Verbindung steht. In seinem späteren Werke (1878) erkennt Nurs ebenfalls drei Reihen sechs- eckiger Felder, welche er für Ansätze seiner aufsteigenden Hörzellen (cellu- les acoustiques ascendantes) hält, während er die in der Mitte der Felder befindlichen Anhängsel als Ansatzpunkte der Füsse der Corti'sschen Zellen betrachtet. Hier liegen also sehr dunkle Verhältnisse vor, welche eine der Fun- damentalfragen in der Histologie des Cortischen Organes auf das Nächste berühren: die Frage vom Wesen und der Gestalt der Deiters'schen Zellen und von ihrem Verhalten zu den äusseren Haarzellen. Ich betrete also jetzt dieses schwierige Feld und _ werde mit einer kurzen Darstellung der ‚Geschichte dieser Frage beginnen. Nachdem zuerst Corrı die oft nach ihm genannten drei Reihen der Corti'schen Zellen entdeckt hatte, fand Deiters '" am freien oberen Ende derselben den Haarbesatz, nach welchem sie später Haarzellen (äussere Haarzellen) genannt wurden; ferner ent- decekte er zwischen ihnen eine besondere Zellenart, die er » Haarzellen » nannte, die aber später mit viel mehr Recht nach dem Entdecker den Na- men der Deiters’schen Zellen erhielten. Drrrers beschrieb nun diese bei- den Zellenarten in folgender Weise: Die Corti'schen Zellen sind vollständig eylindrisch bis zu der Stelle, wo der Fortsatz abgeht; am Anfang müssen sie platt sein, um an dem feinen Balken, wo sie ansitzen, Platz zu finden, sie sind an der Pars reticularis ziemlich fest inserirt; jede Corti'sche Zelle ' Drrrers, Unters, ü, d. Lamina spiralis membr., 1860, Biol. Unters, II, 1882, 16 122 GUSTAF RETZIUS. spitzt sich jenseits des Kerns ganz allmälig zu und geht in einen Fortsatz aus, den Dsimers den » Verbindungsstiel» nennt, weil er sich mit entsprechenden anderen Fortsätzen verbindet; dieser Fortsatz sitzt auf der Basilarmembran fest. Diesem System der drei Corti'schen Zellen der Lage nach fast genau entsprechend ist ein zweites System von ebenfalls drei Zellenreihen; es sind dies die »Haarzellen» von Drrrers oder die Deiters’schen Zellen; sie gehen beiderseits in einen längeren dünnen Faden aus und sind einer bipolaren Ganglienzelle nicht unähnlich; ihr grösster Durchmesser ist breiter als der- jenige der Corti'schen Zellen; der centrale Faden sitzt auf dem Reticulum (d. Lamina retieularis) fest, der peripherische tritt unmittelbar zu dem obe- ren Fortsatze einer ÜCortischen Zelle, um, mit diesem zu einem Theil ver- bunden, den Verbindungsstiel abzugeben. Von der rechten, oberen Ecke je einer Phalanx und eines Stäbchens (d. h. des dem Stäbchen zugehörigen Rahmens) also dicht neben dem Ansatze je einer Corti'schen Zelle ausge- hend steigt der centrale Faden unter der Pars reticularis schräg empor bis zur Spitze einer entfernter liegenden Cortischen Zelle; die Deiters’schen Zellen haben einen körnigen Inhalt und grossen Kern, ihre beiden Fäden sind hyalin, glänzend und ziemlich biegsam. »Nachdem sich die erwähnten rundlichen Stiele allmälich gegen die Membrana basilaris gesenkt haben, gehen sie in eine gewöhnlich dreieckig erscheinende, bei günstiger Lage schaufelförmige Anschwellung aus, welche sich auf der Membran festsetzt>; die drei Reihen solcher Ansatzstellen erscheinen als drei regelmässige Reihen alternirend gestellter dreieckiger Punkte. Derers giebt übrigens mehrere gute Abbildungen der fraglichen Zellen in mehr oder weniger isolirtem Zustande. Ich habe die Darstellung von Derrrers hier ziemlich ausführlich wie- dergegeben, weil sie, obschon die ersten, in vieler Hinsicht sehr genaue und zutreffende Angaben enthalten und "bereits die meiner Meinung nach unrichtigen späteren Ansichten in sich tragen. Ich muss jetzt die Darstellungen der späteren Forscher etwas kürzer anführen. KÖLLIKER folgte in seinem Handb. der Gewebelehre (4:te Aufl. 1863) der Darstellung von Drrrers. Dann wies Hessen ' nach, dass die Phalangen der Lamina reticularis als oberes Ende der Deiters’schen Zellen zu betrachten sind; ihre unteren Stiele (Fasern) fand er unregelmässig begrenzt und von einer feinen Körnermasse umgeben. Die Cortisschen Zellen (die Stäbchenzellen HExsex’s) »sind beim Menschen rundlich, beim Ochsen sehr deutlich langgestreckt, wo sie fast das darunter hin laufende longitudinale Nervenbündel berühren». »Dem Ende der Stäbchenzellen habe ich nicht besonders nachgespürt, weil ' Hensen, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd 13, 1863. N ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 123 meiner Ueberzeugung nach noch nicht genügende Resultate hier zu erzielen sind. Man hat nicht so selten Gelegenheit, variköse Fäserchen an die Zellen herantreten zu sehen, aber man kann nicht entscheiden, ob dieselben an der Zelle ankleben, an ihr in die Höhe laufen oder in sie hineingehen. Die bekannten Stiele der Zellen färben sich in Karmin wenig und scheinen wie die Nerven einen halbflüssigen Inhalt zu haben, mit den Haarzellen habe ich sie nie in Verbindung gesehen. Auffallend ist, dass die Zellen recht oft an ihrem unteren Ende verletzt sind. Es spricht eigentlich Vieles dafür, dass die Stäbchenzellen selbst wirklich die Endapparate der Nerven sind». Rosengerg ' bildet beim (7 Tage alten) Hunde die Deiters’schen Zellen als drei Reihen spindelförmiger Zellen ab, welche unten an der Basilarmembran, oben an der Lamina reticularis befestigt sind, während die drei Reihen der eylindrischen Cortischen Zellen mit ihnen nicht verbunden sondern unten abgerundet sind und radial von innen zutretende Nervenfasern auf- nehmen. Borrrceuer” beschrieb die beiden Zellenarten als »äussere aufstei- gende Hörzellen» und »äussere absteigende Hörzellen». Diese beiden Zellen- arten sind als Nervenendzellen anzusehen und reichen, in alternirender An- ordnung und schiefer Richtung gelagert, von der Membrana reticularis bis zur Membrana basilaris, indem die absteigenden ein oberes breiteres und ein in einen fadenartigen Fortsatz auslaufendes unteres Ende, die aufstei- genden umgekehrt ein an der Basilarmembran breiteres unteres und ein fadenartig feines oberes Ende besitzen, niemals sah er die beiden Zellen- arten einen gemeinschaftlichen Verbindungsstiel haben; in den absteigenden Hörzellen sah er nach Salzsäurebehandlung einen glashellen centralen Faden. v. WinıwArtTer ” beschrieb die beiden Zellenarten, die er Corti'sche und Dei- ters’sche nannte, in nächster Uebereinstimmung mit Borrrcner, indem jene als oben eylindrische mit unterem fadenartigem, an der Basilarmembran sich befestigendem Fortsatz, und diese umgekehrt als unten eylindrische und oben mit fadenartig bis zur Lamina reticularis auslaufendem oberem Fortsatz verse- hene Zellen erscheinen; die beiden Zellenarten hängen nicht direet zusammen. Nach Gortsteın® und Warpeyer’ stehen »die äusseren Haarzellen » in drei (oder vier) spiral verlaufenden Parallelreihen neben einander, so aber, dass die einzelnen Zellen jeder Reihe regelmässig mit denen der Nachbar- " ROSENBERG, Untersuch. üb. d. Entwick. d. Canalis cochlearis der Säugethiere, Dorpat 18068. ? BOETTCHER, Ueber Entwickelung und Bau des Gehörlabyrinths, 1869. ° v. WINIWARTER, a. a. O. * GoTTSTEIN, Innsbruck, Naturf. Versamml. 1869 und o. a. Habilitations-Abhandl. 1871. ° WALDEYER, im Stricker'schen Handbuch 1872. 124 GUSTAF RETZIUS. reihe alterniren. »Jede Reihe zählt etwa so viel Zellen als äussere Pfeiler vorhanden sind. Die Zellen haben nach Gorrstein’s Darstellung zwei Kerne, einen oberen kleineren und einen zweiten in der Nähe des unteren Endes der Zellen gelegenen. Nahe dem unteren Kerne gehen zwei starke Fortsätze vom Zellkörper ab, der gestreckte Basalfortsatz, welcher mit einer kleinen drei- eckigen Anschwellung fest an die Basilarmembran gelöthet ist, als der stärkere und längere, und der Phalangenfortsatz, schmaler und etwas gekrümmt verlaufend, welcher mit einer der zunächst nach aussen und zur Seite (GoTT- stein) liegenden Phalangen der Lamina reticularis verschmilzt. Ausserdem ge- wahrt man nicht selten feine kurze Fädchen, Nervenfortsätze, an den Zell- körpern hängen.» »Der Basalfortsatz läuft gerade am Zellkörper in die Höhe und theilt sich dort in zwei Arme, welche wie eine Zange den obe- ren Kern umklammern». Die Cilien der freien Oberfläche der Zellen bil- den »wie bei den inneren Haarzellen ein dichtes Büschel auf der ganzen Endfläche der Zellen». »Eine genauere Untersuchung der äusseren Haar- zellen erweist, dass dieselben eigentlich aus zwei mit einander verschmol- zenen gestielten Zellen bestehen, wahre Zwillings- oder Doppelzellen sind». »Die Verschmelzung der beiden Zellen zu einem Stücke ist bei verschie- denen Thhieren mehr oder weniger innig. Bei Nagern und Chiropteren kann man die Zellen fast gar nicht von einander trennen». »Beachtens- werth ist, dass der Mensch vier, vielleicht sogar fünf Reihen äusserer Haarzellen besitzt, während bei den von mir untersuchten Thieren stets nur drei Reihen vorhanden waren». (WALDEYER.) In seiner Besprechung des Borrrcner'schen Werkes sagt Hrxsex' in Betreff der Deiters'schen Zellen: »Für Kaninchen glaube ich früher und jetzt wieder die Beschreibung von Drrmers mit Ausnahme der Verbindungs- stiele völlig bestätigen zu können»; er weist aber darauf hin, dass die Zellen bei verschiedenen T'hieren sehr different geformt sein können; in den Corti'schen Zellen beschrieb er eine neue eigenthümliche Bildung: »ovale Kapseln», welche, je eine in der Nähe des oberen Endes der Zelle liegend, eine glänzende, in Spiraltouren verlaufende Streifung zeigten. Gegen die GoTTstEIn-WALDEYER sche Darstellung der Corti'sschen und Deiters’schen Zellen als Zwillingszellen trat Borrrcuer? auf; desgleichen be- kämpfte er die Ansicht WaLpever's, dass die Haare auf der ganzen Endfläche der Zellen sitzen, indem er hervorhob, dass sie deutlich m Hufeisenlinien ‘ HENSEN, Archiv f. Ohrenheilkunde, Bd 6, 1871. * BOETTCHER, Kritische Bemerkungen und neue Beiträge zur Literatur des Gehörlabyrinths, 1872, ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 125 geordnet sind. Nuvrr' stimmt in Bezug auf die Differenzirung der einzel- nen Elemente dieses Conglomerates von Zellen Warperer bei, nach dessen Meinung die Deiters'schen mit den Corti'schen Zellen verschmolzen sind, obschon »den Deiters'schen Zellen eine grössere Selbstständigkeit zukommt, als Warperer es behauptet». Zu seinen früheren Angaben über den Bau der Cortisschen Zellen fügt Hessen” hinzu, »dass die Zelle sich unter dem Kern bald zuspitzt und in einen verzweigten Faden ausläuft. Das Proto- plasma unter dem Kern ist eigenthümlicher Weise viel dichter als das der übrigen Zelle, es färbt sich bei energischer Osmiumbehandlung erheblicher. Die Lehre von den Zwillingszellen hilft uns bequem über die obwaltenden Schwierigkeiten hinweg, aber ich kann darin nur einen Ausdruck für die Thatsache finden, dass die Zellen eng zusammenkleben; für eine wirkliche Verwachsung zweier Gewebselemente zu einem finde ich keinen Beweis». Mit Gorrsteın und Warpeyer sieht dagegen Lavpowsky die »äusseren Endzellen» für combinirte Bildungen, Zwillingszellen, an; nur bei neuge- borenen und sehr jungen Thieren fand er die Corti'schen und Deiters’schen Zellen mitunter in solcher Selbstständigkeit, wie sie BorrrcHer beschrieben hat; bei ausgewachsenen Thieren treten diese Elemente in sehr nahe Be- ziehung zu einander, während die absteigenden Zellen zum Theil auf Kosten der anderen — aufsteigenden — wachsen; die Cortisschen Zellen (Stab- zellen Lav.) sind regelmässig ceylindrisch, membranlos und kernführend; die Deiters'schen Zellen (Zapfenzellen Lav.) sind kegelförmig, heller, mit Mem- bran versehen und kernlos. Endlich hat Nvrr“ in seinem späteren Werke über den Bau der Schnecke die Deiters'schen Zellen (cellules acoustiques ascendantes) als unten cylindrische, auf den polygonalen Feldern stehende, oben zugespitzte und an der Lamina reticeularis befestigte Zellen dargestellt, während die Corti'schen Zellen oben cylindrisch sind und unten in einen dünnen Faden auslaufen, welcher mit seinem untersten etwas verbreiterten Ende in dasjenige der Deiters'schen Zellen eindringt und sich in der Nähe der Mitte des polygonalen Feldes derselben an der Basilarmembran befestigt. Aus dieser Darstellung der Angaben der verschiedenen Forscher in Betreff der Corti'schen und Deiters’schen Zellen geht also hervor, dass die Frage bei Weitem nicht erledigt ist. Die Ansichten sind sehr schwan- ! NuEL, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd 8, 1872, ® HENSEN Archiv f. Ohrenheilkunde, Neue Folge, Bd I, 1573. ® LAVDOWSKY a. a. O. NUEL, M&@m. couronndes et mem. des sav. etrang. p. p. l’Acad. roy. d. sciences d. lettres et d. ’ & PI ) b.-arts de Belgique T. 42, 1378, 4 126 GUSTAF RETZIUS. kend und aus einander gehend. In der That liegt hier auch eine der schwierigeren Fragen der Histologie vor. Ich gehe jetzt zur Darstellung der Ergebnisse meiner eigenen Unter- suchungen in dieser Richtung über und beschränke mich dabei diesmal ebenfalls auf die Verhältnisse beim Kaninchen. An gut gelungenen radia- len Vertikalschnitten der Papilla basilaris dieses Thieres sieht man Folgen- des (Taf. VII Fig. 1). Nach aussen von dem äusseren Corti'schen Pfeiler erkennt man drei lange eylindrische Zellen (äh', äh’, äh’), welche mit ihrem oberen Ende die Oberfläche der Papille erreichen, die, wie Hrxsex dargethan hat, ım Verhältniss zur Ebene der Basılarmembran nach aussen hin ziem- lich stark ansteigt, weshalb jede äussere Zelle höher reicht als die nach in- nen von ihr befindlichen. Es sind dies die Corti'schen Zellen, welche auch äussere Stäbchenzellen, äussere absteigende Hörzellen, äussere Hörzellen, äussere Haarzellen, Stabzellen genannt worden sind. Ich werde sie hier äussere Haarzellen nennen. Sie stehen ungefähr senkrecht zur Ober- fläche und in Folge dessen mit dem unteren Ende schief nach aussen hin, indem ihre Längsaxe einen sehr schiefen Winkel mit der Ebene der Basi- larmembran bildet. Das obere Ende ist ferner bekanntlich in je eine der ringförmigen Oeffnungen der sog. Lamina reticularis eingefügt und so in- nig befestigt, dass es bei Abtrennung der Zellen von dieser Lamina fast ausnahmslos in ihr sitzen bleibt, weswegen man die Zellen in isolirtem Zustande fast nur ohne das obere scheibenförmige Ende bekommt. Zu- weilen erhält man jedoch isolirte vollständige Haarzellen mit nur geringen ansitzenden Partien der Lamina reticularis und kann dieselben dann oft in gut perspectivischer Lage studiren (Taf. VII Fig. 5 äh, äh‘); man sieht dann be- sonders deutlich, wie von der oberen freien Oberfläche derselben der bekannte Besatz kurzer, gerader, eylindrischer, glänzender Haare oder Stäbchen empor- ragt. An Flächenansichten der Zellen (Taf. VIII Fig. 5) erkennt man, dass die Gestalt der in die Löcher der Lamina reticularis eingefügten Haar- zellen in den drei in bekannter Weise alternirenden Reihen nicht ganz die- selbe ist. In der innersten (ersten) Reihe ist nämlich die innere Grenz- linie lang und gerade, indem die Zellen hier von den Kopfplatten der in- neren Pfeiler begrenzt werden (Taf. VIII Fig. 5 äh’), die beiden Seitencon- touren, welche den beiden anstossenden Kopfplatten der äusseren Pfeiler dicht anliegen, sind gebogen, convex; die äussere Grenzlinie ist kurz und in der Regel gerade oder wenig concav, indem das innere Ende der Phalangen zweiter Reihe hier angrenzt. Die Gestalt der oberen Endflächen der frag- lichen Haarzellen zweiter Reihe (äh”) ist in der Regel die eines Sechsecks ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 127 mit abgerundeten Seitenecken, indem die je zwei Phalangen zweiter Reihe anliegenden Seitencontouren mehr oder weniger regelmässig convex, die der Kopfplatte der äusseren Pfeiler angefügte innere Contour mehr oder weniger gerade, und endlich die den Phalangen dritter Reihe anliegende äussere Contour fast gerade ist. Die Gestalt der oberen Endfläche der dritten Reihe der Haarzellen (Fig. 5 äh’) ist derjenigen der Haarzellen zweiter Reihe ähnlich, die äussere, den Platten der sog. Schlussrahmen anliegende Contour derselben ist jedoch gewöhnlich etwas convexer. Die Oberfläche der Haarzellen aller drei Reihen erscheint feinkörnig protoplasmatisch, nur schwach glänzend und enthält in der bekannten, nach aussen stark con- vexen Bogenlinie, welche bald mehr rundlich, bald mehr winklig und im Ganzen mit Recht hufeisenähnlich erscheint, den oben schon erwähnten Haarbesatz (Taf. VIII Fig. 5 äh', äh’, äh’). Im der Flächenansicht be- trachtet erscheinen die Haare im optischen Querschnitt als glänzende, runde, an einander liegende Körner; ich bemühte mich, dieselben zu rechnen und fand, dass sie sich auf etwa acht belaufen; jedoch wage ich diese Zahl nicht ganz sicher zu bestimmen, sondern finde es bis auf Weiteres richtiger, 8—10 Haare anzugeben und abzubilden (Fig. 5). Unter der oberen, in die Lamina reticularis eingefügten Endscheibe fand ich in den Haarzellen eine rundliche stärkere Körneransammlung des Protoplasmas, konnte aber bis jetzt nicht die von Hessen beschriebenen eigenthümlichen Kapseln wahr- nehmen; ich hoffe aber nach fortgesetzter Untersuchung die bestimmte An- gabe dieses scharfen Beobachters über den sehr wichtigen Gegenstand zu- nächst bestätigen zu können. Der Zellenkörper der äusseren Haarzellen ist übrigens besonders hell, und sein Protoplasma erscheint wenig gekömt; durch Ueberosmiumsäure färbt er sich mehr oder weniger graulich oder braungrau, und man erkennt an ihm eine äussere ektoplasmatische, verdich- tete, etwas mehr gekörnte Schicht (eine Art »Membran»); nach Behandlung mit Müllerscher Lösung schrumpft der Zellenkörper ausserordentlich stark ein und sitzt mit dem Kern als sehr kurzer eylindrischer Zapfen dicht unter der Lamina reticularis (Taf. VII Fig. 2 äh). Durch Ueberosmiumsäure behalten indessen die Zellen beinahe ihre natürliche Gestalt und reichen dann eine gute Strecke in die Papille hinab, indem sich das untere Ende der ersten Zellen- reihe (Taf. VII Fig. 1 äh') nach unten hin fast bis zur Mitte der Höhe der Papille erstreckt, und die der zweiten (äh?) und dritten (äh’) weniger weit hinab reichen. Die Haarzellen erweitern sich gewöhnlich ein wenig unter dem oberen Ende (Taf. VII Fig. 1, 5, 6, 7 äh), jedoch ist diese Erweiterung nur unbedeutend, so dass man die Zellen mit Recht als eylindrisch angiebt. 128 GUSTAF RETZIUS. Am unteren Ende findet sich der grosse, schöne, sphärische Kern, und um ihn und vor Allem unter ihm findet sich eine Ansammlung grobkörnigeren Protoplasmas (Taf. VII Fig. 5, 6 äh). Die Seitenflächen der Haarzellen sind im Ganzen scharf begrenzt, eben und nur schwach gekömt. Das un- tere Ende dagegen ist weniger scharf abgegrenzt, indem es in der Regel mehr gekörnt und oft mit kleinen körnigen Anhängseln versehen erscheint; jedoch ist es bei guter Isolation und guter Conservirung immer stark ab- gerundet; nie sendet es wirkliche Fortsätze zu den Nachbarzellen und nie läuft es zugespitzt nach unten hin in einen langen Faden aus; das, was man dafür gehalten hat, gehört den angrenzenden Deiters'schen Zellen an. Die unteren kernhaltigen Enden sämmtlicher äusserer Haarzellen erscheinen an radialen Vertikalschnitten als in eine dunkelkörnige Protoplasmamasse ein- gebettet. Diese Protoplasmamasse gehört ebenfalls den Deiters’schen Zellen an und bildet den eigentlichen Zellenkörper derselben. Die beiden Zellen- arten hängen aber nach meiner Erfahrung nicht direct zusammen; sie sind, wie vor Allem Borrrcuer betont hat, zwei ganz getrennte Zellenarten, obwohl sie, wie Hessen sagt, eng zusammenkleben. In einer Reihe von Präparaten, die mit Osmium-Goldchlorid behandelt waren, ist es mir gelun- gen, die beiden Zellenarten von einander zu trennen. Ich gehe jetzt zur Beschreibung der Deiters'schen Zellen über. Die Deiters’schen Zellen stehen, wie schon Drirers beschrieb, in den drei alternirenden Reihen zwischen den Haarzellenreihen und kehren ihr oberes stark zugespitztes, fadenartiges, glänzendes Ende nach der Seite hin, wobei es die Längsaxe der angrenzenden Haarzellen in spitzem Win- kel kreuzt und sich erst neben dem oberen Ende der (vom Zellenkörper der Deiters’schen Zelle selbst gerechnet) dritten Haarzelle mit kleiner zap- fenartiger Erweiterung in eine Phalanx der Lamina reticularis übergeht; diese Phalanx stellt in der That, wie Hrxsex zuerst entdeckt hat, die er- weiterte obere Endfläche der bezüglichen Deiters’schen Zelle dar. Von der Fläche betrachtet erscheint die Substanz der Phalangen schwach körnig und ist bekanntlich von einem glänzenden Faden umgeben, indem sich der Randtheil derselben in dieser eigenthümlichen Weise metamorphosirt hat. Die angrenzenden Phalangenplatten der einzelnen Deiters'schen Zellen stossen an mehreren Stellen an einander und sind dort gewissermassen mit einander verschmolzen, so dass sie sich kaum ohne zu zerreissen von ein- ander trennen lassen; jedoch erkennt man bei genauer Betrachtung und starker Vergrösserung hier und da deutlich die Grenzlinien an den verbun- denen Stücken (Taf. VIII Fig. 5 f?, f”). Die Gestalt dieser Phalangen ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 129 wird gewöhnlich und mit Recht als acht- oder bisquitförmig angegeben; jedoch kommen manche kleine Abweichungen vor, indem die der zweiten Reihe in der Mitte mehr oder weniger eingekniffen erscheinen und die der dritten Reihe am inneren Ende breit sind und eine gerade Contour aufweisen, am äusseren Ende aber eine verschiedene Breite zeigen. Nach aussen von den Haar- zellen dritter Reihe findet man die längst bekannten kleinen polygonalen Fel- der, welche man »die Schlussrahmen» genannt hat (Taf. VII Fig. 5 sr); sie sind körniger als die Phalangen und mit keinem glänzendem Randfaden verse- hen; trotz dieser Verschiedenheit stellen sie jedoch das obere Ende der äussersten (dritten) Reihe der Deiters'’schen Zellen dar. Nach aussen von ihren kleinen Feldern, welche gewöhnlich mit ziemlich gerader Grenzlinie endigen, liegen die oben bei den Silberbildern erwähnten langen und im Ganzen grossen Endflächen der äusseren Hensen’schen Stützzellen. Wie gestalten sich aber nun die übrigen, unteren Theile der Deiters’- schen Zellen? In der That gehören diese Zellen zu den schwierigeren Gegen- ständen der histologischen Forschung. Ich hoffe jedoch der richtigen Auffassung derselben auf die Spur gekommen zu sen. Wenn man die Zellen in situ in isolirtem Zustande bekommt, erscheinen sie gewöhnlich als spindelförmig mit oberem, an der Lamina reticularis und unterem, an der Basilarmembran befestigtem fadenförmigem Fortsatz (Taf. VII Fig. 2 dz). An dieser Figur sieht man die zwei inneren Reihen der Deiters’schen Zellen in guter Isola- tion; die Haarzellen (äh) sind von ihnen ganz abgetrennt und sitzen zusam- mengeschrumpft hoch oben an der Lam. reticularis; in dem körnigen, spin- delförmigen Körper jeder Deiters'scher Zelle sieht man hier einen sphä- rischen Kern. Jedoch ist die Frage von der wahren Beschaffenheit dieser Zellen hiermit nicht erledigt. Das oben beschriebene, mit der Pfalanxplatte en- digende, obere, fadenförmige, glänzende Ende verbreitert sich allmälig zu ei- nem stark gekörnten, protoplasmatischen, nicht besonders scharf begrenzten Zellenkörper (Taf. VII Fig. 7 dz, S, 9, 12 dz), in welchem man zuweilen recht deutlich (Fig. S) einen feinen glänzenden Faden sieht, welcher ge- wissermassen als Fortsetzung vom oberen Ende her erscheint. Im unteren Theil dieses körnigen Zellenkörpers liegt der schön sphärische Kern, aber am unteren Umfang des letzteren wird das Protoplasma sehr hell und schwach gekörnt, so dass es oft den Anschein hat, als ob der Kern neben und nicht in der Zelle liege. Dann setzt sich vom Zellenkörper, welcher sich hier scheinbar verschmälert, neben dem Kern ein ziemlich starker glänzen- der Faden oder Strang nach unten-aussen fort (Taf. VII Fig. 9, 12), und dieser, welcher dem seit Dirmsrs bekannten unteren Fortsatz entspricht, er- Biol. Unters. II, 1882. 17 130 GUSTAF RETZIUS. weitert sich am unteren Ende dreieckig oder trichterförmig, um sich an der Basılarmembran zu befestigen. Diese Fortsätze stellen gerade die oben er- wähnten Fäden dar, welche innerhalb der sechseckigen Felder der Basilar- membran angeheftet sind. Was sind denn diese Felder? Offenbar scharf umgrenzte Zellenfelder. Sie können nichts Anderes als die unteren sechs- eckigen Endflächen der Deiters'schen Zellen sein. So hat auch Nvrı diese Felder aufgefasst, obwohl er eigenthümlicher Weise die Fäden der Deiters’- schen Zellen als untere Fadenausläufer der Haarzellen betrachtet und diesel- ben unten in die Deiters’schen Zellen eindringen lässt, wodurch die Confusion der Ansichten noch mehr gesteigert wurde. Die fraglichen Fäden gehören ganz bestimmt den Deiters'schen Zellen an, und zwar nur diesen alleine. Nun nimmt man ferner an Isolationspräparaten rings um diese Fäden feine körnige Ansammlungen wahr (Taf. VII Fig. 9), welche als das eigentliche Protoplasma der unteren Enden dieser Zellen angesehen werden dürften, aus welchem die Fäden sich entwickelt haben. An radialen Vertikalschnitten von Ösmiumpräparaten (Taf. VII Fig. 1) sieht man dann die Breite der unteren Enden der fraglichen Zellen und erkennt, dass sich die Fäden von ihrer Anheftungsfläche an der Basilarmembran nach der vorderen Seiten- fläche der Zellen biegen, um hier, dicht an derselben liegend, nach oben (und innen) zu ziehen und in den grob protoplasmatischen kernführenden Zel- lenkörper einzutreten — und nicht, wie NvrL annimmt, zu den Haarzellen zu gehen und sich mit ihnen zu verbinden. Das untere Ende der Dei- ters'schen Zellen besteht offenbar aus einer sehr hellen und schwach körni- gen Substanz, welche den glänzenden Faden an ihrer vorderen Grenze ent- hält und oben am Kern in den übrigen Zellenkörper übergeht. Leider ist jedoch dieses untere Ende der Deiters’schen Zellen an den Seiten sehr undeutlich abgegrenzt, so dass man an isolirten Reihen derselben kaum eine Differenzirung wahrnehmen kann. Meine Versuche, die seitlichen Zel- lengrenzen durch Versilberung hervorzurufen, sind bis jetzt gescheitert; in- dessen geben uns die beschriebenen sechseckigen Felder eine gute Einsicht in die Verhältnisse und liefern uns die Gestalt der unteren Enden der frag- lichen Zellen in der Querschnittsansicht. Die drei Reihen der Deiters’schen Zellen scheinen übrigens — wenn man von den oberen Endplatten absieht — unter einander übereinzustimmen. Von Zellen der dritten Reihe giebt uns Fig. 12 der Taf. VII gute Beispiele; sie hängen noch mit ihren obe- ren Endflächen zusammen. In gut isolirten Partien der Reihen der Deiters’schen Zellen bemerkt man an den unteren Enden derselben eine sie der Quere nach kreuzende ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS,. 131 eigenthümliche, parallele und ziemlich dichte Streifung, deren Richtung in der Schnecke rein spiralig ist. Man nimmt diese feine Streifung schon an den in natürlicher Lage befindlichen Zellen wahr, wenn die nach aussen davon belegenen Zellen, die äusseren Stützzellen, durch die Präparation entfernt und die Deiters’schen Zellen dadurch blossgelegt sind. Die fragliche Streifung wurde schon früher von einigen Forschern bemerkt. In Driers’ Fig. 30 (Taf. VII, Unt. ü. d. Lam. sp. membr., 1560) finden wir eine Reihe Streifen abgebildet, die aller Wahrscheinlichkeit nach hierher zu rechnen sind und von ihm sogar als transversale » Nervenfasern» angegeben wurden. Bei Lavpowsky finden wir ferner diese Streifen in mehreren Figuren (vor Allem Fig. 6 A, 7, 12 und 13 der Taf. XXXV) sehr schön abge- bildet; Lavvowsky nennt sie »Spiralzinken» und scheint über ihre Be- deutung sehr zweifelhaft zu sein: »Zunächst wäre zu bemerken, dass ich zwischen je zwei Stielen jeder Reihe der Endzellen eine Reihe parallel ein- gesetzter, schmaler Bänder von besonderer Helligkeit und Zartheit finde. In Folge dieses Umstandes sich leicht verändernd, finden sie sich oft, eben- so wie die Stiele, zu dünnen Fäden zusammengeschrumpft und gleichsam von jenen unabhängig verlaufend. Jedenfalls laufen diese Bänder quer zu den Stielen und im Allgemeinen in spiraler Richtung, gehören ganz zum Endzellenapparat und lassen nur keine Entscheidung über die Rolle zu, welche sie im Bau des Letzteren spielen. Vielleicht stützen sie die Radial- nerven, deren Fäden, für die zweite und dritte Reihe der Endzellen be- stimmt, unbedingt durch die Zwischenräume dieser Bänder hindurchgehen müssen.» Juavpowsky sieht also diese » Bänder» nicht für Nervenfasern an. Dann finden wir die fraglichen Streifen auch, obschon nur schwach und undeutlich, bei Nur, abgebildet, und dies sowohl in seiner ersten Abhand- lung (Taf. X Fig. 4, 1872) als in seiner späteren grösseren Arbeit (Pl. II Fig. 4, 6, 7, S—10). Nuss hält sie nicht für Nervenfasern, beschreibt aber über ihnen ein zweites System spiraler Fasern, die varıkös und weniger zahlreich sind und den Hörzellen zustreben, um in der Zone zu verschwin- den, wo die Zellkörper verschwommen sind. Spiralig oder longitudinal (trans- versal) verlaufende Nervenfasern in der Papilla basilaris waren schon lüngst von Körrıker, Max Scuurtze, Deimers, Hessen und Loxvengere beschrie- ben, von anderen Forschern, namentlich von Borrrcner, bestritten worden. Da ich nun die Frage vom Verlauf der Nervenfasern berührt habe, werde ich meine hierauf bezüglichen Befunde beim Kaninchen kurz mit- theilen. Nachdem die myelinhaltigen Nervenfasern der kleinen Zweige des Ramulus basilarıs eine kurze Strecke vor ihrem Eintritt in die Kanälchen 132 GUSTAF RETZIUS. der Habenula perforata ihre Myelinscheide abgegeben haben, laufen sie, von einer kernführenden Schwannschen Scheide umgeben, verdünnt in jene hinein, geben dann die letztere Scheide ab und treten in das nach innen von den inneren Corti'schen Pfeilern belegene Epithel heraus. Dieses Epithel scheint mir bis jetzt zu wenig Beachtung gefunden zu haben, und in der That stösst man bei dessen Untersuchung auf Schwierigkeiten. Von einigen Forschern wurde es, obwohl mehr oder weniger verschwommen oder schematisch, als ein eylindrisches Epithel abgebildet, zwischen dessen Zellen die zuerst von Borrrcner und dann von Drrrers gefundene, später als innere Haarzellen gewürdigte Zellenreihe oben in der Nähe der Oberfläche und des inneren Corti'schen Bogens eingebettet liegt. Andere Forscher bezeichnen diese Zellen als spindelförmig (spindelförmige innere Deckzellen, RosExBEr6). BorrrcHer (a. a. ©. 1869) beschrieb das fragliche Epithel als aus zwei Zellen- arten bestehend, nämlich: die die haarartigen Fortsätze tragenden, oberen inne- ren Hörzellen, welche sich nach unten hin verbreitern und zwei Fortsätze aus- senden, und die mit je einem solchen Fortsatz verbundenen, kleinen, an Proto- plasma armen, körnerähnlichen, unteren inneren Hörzellen. Warpeyer und GorrstEin (a. a. O.) beschrieben unter den inneren Haarzellen ebenfalls eine Körnern ähnliche Zellenschicht. »Zwischen den Haarzellen und den Durch- trittsstellen der Nerven liegt eine Schicht kleiner rundlicher Zellen mit re- lativ grossen Kernen und äusserst zartem Protoplasma, welches man selten unversehrt erhalten sieht. Von diesen Zellen, die ich vorläufig mit dem Namen "Kornzellen’ bezeichnen möchte, gehen nach verschiedenen Richtungen hin Ausläufer ab, welche ganz und gar den Fibrillen der spiralen Züge gleichen und auch in diese umzubiegen scheinen.» (WALDEYER). Ich finde in dieser inneren Abtheilung der Papilla ae. basilaris zu- erst eine allmälige Erhöhung und Verschmälerung der hellen Epithelzellen des Suleus internus (Taf. VII Fig. 1), welche fortfährt bis diese Zellen als »Cylinderzellen» dastehen; sie legen sich dann, wie erwähnt, mit einer oberen grossen Platte über die folgenden Nachbarzellen bis zur oberen Endfläche der inneren Haarzellen. Zwischen diesen mit der grossen Platte versehenen, noch wenig körnigen Zellen (2p) und den inneren Cortischen Pfeilern findet sich eine an körnigem Protoplasma und rundlichen oder noch mehr länglich ovalen Kernen reiche Zellenschicht, welche unten die eintretenden nackten Nervenfasern empfängt und oben die inneren Haarzellen umschliesst; diese Zellen isoliren sich schwer von einander, jedoch gelingt es an einzelnen Präparaten zu sehen, dass sie hoch und schmal, grossentheils sogar faden- förmig (Taf. VII Fig. 2 is) sind und mehr oder weniger hoch von der Ba- T ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 133 silarmembran empor einen Kern tragen; mit ihrem oberen Ende biegen sie sich nach aussen bis in die Nähe des oberen Haarzellenendes um: sie ent- sprechen gewissermassen den »Fadenzellen» der übrigen Wirbelthierelassen, wie auch die Deiters'schen Zellen der äusseren Partie der Papilla ac. basi- laris die modificirten Vertreter jener Zellen sind. Uebrigens können sie bei den Wirbelthieren mit Recht innere Stützzellen genannt werden, wie dies von mehreren Forschern geschehen ist. Diese Zellen stellen also nach meiner Ansicht auch lange und schmale, oft sogar fadenartige, kernführende Zellen dar, die jedoch mit ihrem unteren Ende an der Basilarmembran stehen und nicht mit den Nerven zusammenhängen, mit ihrem oberen Ende den Nachbarzellen und den Haarzellen nur anliegen und mit diesen letzteren nicht organisch verbunden sind; sie stellen also nach meiner An- sicht keine nervöse oder mit Nerven m Verbindung stehende Elemente, sondern nur eigenthümlich gestaltete »indifferente» Epithelzellen dar. Was nun die inneren Haarzellen selbst betrifft, so finde ich diesel- ben, wie sie auch hin und wieder von den Forschern abgebildet wurden, bedeutend kürzer als die äusseren Haarzellen (Taf. VII Fig. 1 :Ah); sie haben ein breites, abgerundetes, den grossen sphärischen Kern einschliessen- des unteres Ende und biegen sich in der abschüssigen Richtung der inneren Cortischen Pfeiler mit dem oberen Finde nach aussen hin, den Pfeilern dicht anliegend; der eigentliche Zellenkörper ist ziemlich stark körnig, im Ganzen etwas mehr als die äusseren Haarzellen, und färbt sich durch die Ueberosmiumsäure recht dunkel. Das obere Ende der inneren Haarzellen verschmälert sich dann zu einem Halse, welcher, dicht an die Pfeiler gedrängt, gegen die Oberfläche der Papille etwas nach innen umbiegt und hier mit einer grossen, in der Längsrichtung der Papille belegenen, langen, ovalen oberen Endscheibe endigt (Taf. VIII Fig. 5 ih). Auf dieser ovalen, in radialer Rich- tung also schmalen, in spiraler Richtung breiten Oberfläche der inneren Haarzellen stehen die Haare oder Stäbehen nicht, wie Warpevyer und Gorrsteiın angeben und abbilden, zerstreut, sondern, wie mehrere andere neuere Forscher darstellen, in sehr schwacher, nach aussen hin concaver Bogenlinie angeordnet, wie dies von oben her zu sehen ist (Taf. VIII Fig. 5 ih); sehr oft ist diese Linie nicht bogenförmig, sondern sogar gerade oder zuweilen am einen Ende oder anderswo näher der Mitte winklig gekrümmt; die Haarlinie steht in der Längsrichtung der ovalen Ober- fläche der Zelle (und somit auch m der der Papilla ac. basilaris), reicht gewöhnlich bis zur Nähe ihrer beiden Enden und liegt in der Regel etwas näher dem äusseren als dem inneren Rande. Die Haare oder Stübehen 134 GUSTAF RETZIUS. stehen übrigens ziemlich dicht gedrängt, erscheinen steif, eylindrisch und glänzend; ich konnte etwa acht solche Haare an jeder Zelle rechnen. Von der Seite, am radıalen Vertikalschnitt, betrachtet, zeigen sie sich ganz gerade, fast senkrecht auf der Zellenoberfläche und mithin nicht in der Längsaxe der Zelle stehend; ferner finde ich sie (Taf. VII Fig. 1 ih) con- stant ungefähr doppelt so lang wie die Haare der äusseren Haarzellen. In der Flächenansicht (Taf. VIII Fig. 5 ih) sieht man die inneren Haarzellen mit ihren im Verhältniss zu denen der äusseren bedeutend grösseren und anders geformten Oberflächen in einfacher Reihe dicht an einander stehen, in- dem nur ganz schmale Zwischenbalken zwischen ihnen zu sehen sind; diese Balken sind kurze Vorsprünge der inneren Pfeiler; die Haarzellen sind nämlich mit ihren oberen Enden in seichte, von oben-aussen nach unten- innen ziehende Furchen der Köpfe der Pfeiler eingesenkt und an ihren beiden Enden schiesst je ein solcher kurzer glänzender Vorsprung nach innen hin. Die inneren Haarzellen entsprechen indessen an Zahl nicht den inne- ren Pfeilern, von welchen ungefähr drei auf je zwei der Zellen kommen. Deswegen sind diese Vorsprünge keine constante Bildungen der Pfeiler und sind an ihnen in verschiedener Weise angeordnet. Andere einer » Lamima reticularis int.» angehörige (Gebilde oder Pfalangen, wie man sie hier oft beschreibt, habe ich nie gesehen. Was die Zahl der inneren Haarzellen im Verhältniss zu der der äusseren betrifft, so habe ich mehrere Rechnungen gemacht und im Mittel gefunden, dass die äusseren sich zu den inneren etwa wie 9:10 verhalten. Die inneren Haarzellen stehen bekanntlich in einfacher Reihe angeordnet; hier und da traf ich doch eine überschüssige Zelle mit Haarbesatz und auch sonst von ganz derselben Beschaffenheit wie die übrigen, nach innen von der Reihe und dicht an ihr gedrängt liegend, weshalb man an solchen vereinzelten Stellen von »zwei Reihen» innerer Haarzellen sprechen könnte. Nach dieser Abweichung kehre ich zu den Nerven zurück. Da es zu weitläufig sein würde, hier emen Blick auf die ganze Geschichte dieser Frage zu werfen, werde ich mich darauf beschränken, die Ansichten zweier in dieser Hinsicht sehr bewährter Forscher anzuführen, die in der späteren Zeit darüber geschrieben haben. Nach Warperer (1872) beharren die durch- getretenen blassen Fasern in der bisherigen radialen Richtung, um zu ihren Endorganen zu gelangen und man muss, entsprechend den inneren und äusseren Haarzellen, innere und äussere Nervenendfäden unterscheiden ; alle durchsetzen zuerst die innere Körnerschicht; die inneren Radiärfasern treten durch diese direct hindurch, sind beträchtlich stark (Fibrillenbündel ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 135 oder Axencylinder) und gehen ohne Weiteres in das spitze Ende der inne- ren Haarzellen über. Die äusseren Radiärfasern begeben sich zwischen je zwei Pfeilern in den Corti'sschen Tunnel hinein und durchsetzen denselben ungefähr in der Mitte der Pfeilerhöhe, verlassen dann den Tunnelraum zwischen den äusseren Pfeilern und begeben sich, ein wenig vestibularwärts aufsteigend, direct zu den äusseren Haarzellen, mit denen sie unmittelbar verschmelzen; bei Hunden und Fledermäusen sah WAaLpEYER diese Nerven- endigung an mehreren Präparaten auf das überzeugendste, wenigstens was die innere Haarzellenreihe betrifft; für die weiteren Reihen wird nach ihm wohl derselbe Endigungsmodus zulässig sein. Die äusseren Radiärfasern erschienen WALDEYER stets weit zarter als die inneren. Ausserdem kommen nun auch die von Max Schursze entdeckten spiral verlaufenden Faserzüge vor, von welchen WALpEyEr zwei Hauptzüge, die inneren und die äusseren unterscheidet; der innere und zugleich schwächste Zug entspricht der Reihe der inneren Haarzellen und zieht unter der »Lamina reticularis» am unteren Ende dieser Zellen vorbei; der äussere Zug besteht eigentlich aus drei pa- rallelen Abtheilungen, welche den drei Reihen der äusseren Haarzellen fol- gen, in deren Zwischenräumen er in gleicher Höhe mit dem inneren Zuge verläuft; die innerste Abtheilung zieht zwischen der Reihe der äusseren Pfeiler und der ersten Haarzellenreihe hin, die beiden anderen in den Zwischenräumen der folgenden Reihen; die Fibrillen der Spiralzüge gehören zu den zartesten Bildungen, welche die Histologie kennt; bei starker Ver- grösserung zeigen sie äusserst feine Varikositäten, die jedoch mehr den körnigen Anschwellungen entsprechen, die Wauperrer bei gewissen Bindege- websfibrillen der Schnecke geschildert hat, und welche sich von den zarten tropfenförmigen Varikositäten der radiären Nervenprimitivfibrillen deutlich unterscheiden. »Woher die spiralen Faserzüge des Corti'schen Organes stammen, und welche Bedeutung sie haben, vermag ich», sagt WALDEYER, »zur Zeit nicht mit Bestimmtheit anzugeben >. Hexsex (1873) hat vor Allem die spiralen Nerven, die er longitudinale nennt, (bei der Katze) genau beschrieben; sie müssen nach ihm eigentlich als Nervenplexus bezeichnet werden. »Es liegt nämlich ein innerster longitudinaler Nervenzug nach innen von dem inneren Pfeiler, diesem ziemlich dicht an, in dem Epithelrest des grossen Wulstes, den man jetzt als innere Körner bezeichnet. Er liegt etwas höher wie der Kern innen an der Basis des Pfeilers, an der Grenze des ersten und zweiten Vrittels des Pfeilers, verdeckt also von oben her den Nervenaustritt. Ihm gegen- über liegt ein wenig tiefer der 2. Zug longitudinaler Nerven nach innen 136 GUSTAF RETZIUS. vom Kern der Bodenzelle und zwar in der Höhe der oberen Hälfte des Kerns. Dieser Strang ist am leichtesten zu sehen. Die beiden Faserzüge werden mit einander verbunden durch kurze Querstränge, welche zwischen je zwei inneren Pfeilern durchgehen. Von dem äusseren der beiden Längs- züge gehen dann Fäden quer durch den Tunnel in einer den äusseren Pfei- lern entsprechenden Zahl, gehen zwischen diesen oberhalb ihrer Füsse durch an einen dritten longitudinalen Nervenzweig, der der ersten Reihe der Stäbcehenzellen anliegt. Ich kann leider zur Zeit nicht sagen, in welcher Höhe er hier liegt, ob über oder unter dem runden Kern dieser Zellen.» »Der erste und zweite Strang ist im Querschnitt rund und misst 0,003 Mm., der dritte Strang ist breiter aber abgeplattet. Die Verbindungsstränge messen gegen 0,0012 Mm., während der Kern der Bodenzelle 0,007 misst». Was Borrrener's und Gorrstein’s Beschreibung von den Nervenenden be- trifft, so hält Haxsen »es subjectiv für höchst wahrschemlich, dass das Ende so sei wie sie angeben, aber zunächst gehen die Nerven in den Plexus ein. Ich halte die radıiär durch den Tunnel gehenden Fasern für Nervenbündel, nicht für einfache Nerven»; übrigens ist es nach Hrxsen sehr schwierig über das wirkliche Verhalten des unteren versteckt liegenden Endes der äusseren Stäbchenzelle Klarheit zu gewinnen; Nvrr's Nerven- fasern konnte er nicht finden. Meine eigenen Befunde beim Kaninchen sind hauptsächlich folgende: Nachdem die Nervenfasern nackt aus den Löchern der Kanälchen der Ha- benula perforata ausgetreten sind, theilen sie sich in schmale Fibrillenbündel, welche zwischen die unteren Enden der inneren Stützzellen — »Körner» will ich dieselben nicht nennen, da dieser Name vielleicht angiebt, dass sie zum nervösen Apparat zu rechnen seien, und ich sie zum indifferenten Epithel führe — emporsteigen und gewiss zum allergrössten Theil in den von Hexsen beschriebenen innersten longitudinalen Strang eintreten; beim Kaninchen habe ich bis jetzt nicht nach oben zum Bereich der inne- ren Haarzellen emporsteigende Fasern sehen können, was mir dagegen beim Menschen gelungen ist. Dieser innerste longitudinale Strang erscheint im Querschnitt (Taf. VII Fig. 1 n') als ein ovaler Körper, welcher sich dureh den Glanz von den nahe liegenden Kernen der Epithelzellen unterscheidet; ich fand ihn, wie Herxsen, ziemlich tief unten und dicht an der inneren Fläche der inneren Pfeilerfüsse. Ich habe diesen Strang in jedem gutem Querschnitt deutlich gesehen, was ich der Angabe Borrrener's zufolge, dass dies Niemand gelungen ist, hier hervorhebe. Von demselben gehen durch die schmalen unteren Spalten zwischen den inneren Pfeilern kurze ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. Nervenbündel ab, welche zu dem an der äusseren Fläche der inneren Pfei- ler nahe an ihren Füssen und dicht über den Kernen derselben hinstreichenden, schon längst bekannten longitudinalen Nervenstrang gehen und in ihn sich einsenken; dieser Strang, welcher mit Recht der Tunnelstrang heissen mag — beim Menschen kann er sich zwar zuweilen in zwei oder drei Züge spalten —, ist etwas dicker als der innerste Strang, im Querschnitt gewöhn- lich oval oder rundlich-oval (Taf. VII Fig. 1 »°) und, nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure oder Müllerscher Lösung, stark glänzend. Von ihm treten nun in ganz kurzen Zwischenräumen die längst bekannten radiären Fasern ziemlich gerade nach aussen, sich etwas erhebend, zwischen die äusseren Pfeiler (wie es scheint, zwischen je zwei derselben) aus (Taf. VII Fig. 1 rf); sie können die radiären Tunnelfasern genannt werden. Nach- dem sie zwischen die äusseren Pfeiler ausgetreten sind, tauchen sie in die verwickelte Partie der Papilla basilaris, die unter den äusseren Haarzellen liegt, hinein. Zwar hat es oft den Anschein, als ob sie hier direct zu den unteren Enden der Haarzellen treten und sich mit ihnen verbinden; ich halte es aber mit Hexsen bis auf Weiteres für kaum möglich, diese Endigungs- weise an Vertikalschnitten — obwohl ich die schönsten Präparate zur Ver- fügung habe und ich zu einer derartigen Anschauung sehr geneigt bin — mit voller Sicherheit wahrzunehmen. Zwar sieht man hin und wieder an Isolationspräparaten Haarzellen mit anhaftenden Stücken feiner variköser Fasern, die Nervenfäserchen sehr ähnlich sind; und es ist ja sicher, dass Nervenfäserchen in die nächste Nähe dieser Zellenenden ziehen; einen unzweifelhaften organischen Zusammenhang derselben konnte ich jedoch nicht darlegen. In der That lassen sich die fraglichen Radiärfasern nicht mit Sicherheit weiter verfolgen. Beim Kaninchen verläuft hier kein gesammelter Nervenstrang, gleich dem innersten und dem Tunnelstrang, in welchen sie sich einsenken und umbiegen könnten. Man nimmt hier nur die stark körmnig- protoplasmatische Masse der Zellenkörper der Deiters’'schen Zellen (Taf. VII Fig. 1) mit den ihnen angehörigen grossen Kernen wahr. Was ist denn aus den äusseren longitudinalen (spiralen) Nerven Warpeyer's und Huxsex’s geworden ? In der That habe ich in schönster und deutlichster Weise Gebilde ge- funden, welche denselben zu entsprechen scheinen und zugleich über die oben angedeuteten spiralen Streifen Licht verbreiten. Oben beschrieb ich die Anordnung der unteren Fasern oder Stützlasern der Deiters’'schen Zel- len genauer. Wenn man gut gelungene radiale Vertikalschnitte der mit Ösmium-Goldehlorid behandelten Cochlea des Kaninchens bei stürkerer Biol. Unters. II, 1882. IS 138 GUSTAF RETZIUS. Vergrösserung genau beobachtet, bemerkt man dicht neben den drei Reihen dieser Stützfasern feine glänzende Punkte, welche denselben in einer An- zahl von etwa 12—16 und in ziemlich bestimmten Abständen von innen her dicht anliegen; wenn man den Tubus senkt und erhöht, verschwinden diese Punkte nicht, sondern erweisen sich offenbar als Durchschnitte feiner, in longitudinaler (spiraler) Richtung verlaufender Fäserchen. Man findet sie bei jedem gutem radialem Vertikalschnitte dieser Art und trifft sie schon hoch oben am unteren Ende der Haarzellen sowie tief hinab nicht weit von der Basilarmembran an. Zuweilen liegen sie etwas dichter an ein- ander, wie dies unter den Haarzellen und auch stellenweise tiefer hinab der Fall ist; nie sah ich sie aber zu Bündeln oder Strängen zusammentre- ten. Die Durchschnitte dieser Fäserchen erscheinen nicht alle gleich gross, indem einige etwas grösser als die übrigen sein können. In Folge der Anordnung der Stützfasern der Deiters’schen Zellen befindet sich die erste (innerste) dieser Faserreihen zwischen den Stützfasern der ersten Deiters’schen Zellenreihe und dem äusseren Corti'schen Pfeiler; die zweite (mittlere) liegt zwischen der ersten Deiters’schen Zellenreihe und den Stützfasern der zwei- ten Deiters’schen Zellenreihe und die dritte zwischen der zweiten Deiters'- schen Zellenreihe und den Stützfasern der dritten Deiters’schen Zellenreihe oder mit anderen Worten: die drei Systeme der Fäserchen liegen je eins an der Innenfläche je einer der drei Deiters'schen Zellenreihen und laufen in dieser Lage und Anordnung weiter. Was stellen nun diese höchst interessanten Fäserchen dar? Offenbar entsprechen sie den oben kurz erwähnten Streifen, welche man bei Isola- tions- und Flächenpräparaten zuweilen an den unteren Enden der Deiters’- schen Zellen sieht und die wahrscheinlich von DErrmErs sowie von NUEL und Lavpowsky wahrgenommen worden sind, obwohl sie von den beiden letzteren Forschern nicht für Nervenfasern gehalten wurden. Ich habe diese Streifen bei manchen Isolationspräparaten studiren können und mich sowohl von ihrer Natur als Fäserchen als von ihrer grossen Aehnlichkeit mit Nervenfäserchen überzeugt. Man sieht sie nicht selten als von den (sewebsstücken, an welchen sie verlaufen, frei hervorragende Fäserchen, die die eigenthümliche grauliche Farbe und die ziemlich starke Licht- brechung feiner Nervenfäserchen zeigen und zugleich nicht ganz gerade Contouren aufweisen, sondern oft etwas höckerig, obschon nicht eigentlich varikös (Taf. VII Fig. 10 sn, 11 ”») erscheinen; ich habe mich nun auf das Bestimmteste davon überzeugt, dass diese Fäserchen denjenigen entspre- chen, welche bei dem Vertikalschnitte beschrieben sind, obwohl der Glanz, ZUR HISTOLOGIE DER HÄUTIGEN GEHÖRSCHNECKE DES KANINCHENS. 139 die Lichtbrechungsstärke, in der Längsansicht natürlicherweise nicht so be- deutend ist wie bei den Querschnitten. Auf Taf. VII Fig. 10 sieht man die an der Basılarmembran festsitzenden Deiters’schen Zellen, denen noch untere Enden von Haarzellen anhaften, und quer über ihre unteren Stütz- fasern verlaufend erkennt man Partien der feinen longitudinalen Fäserchen in natürlicher Lage. In Fig. 11 sieht man ebenfalls abgelöste solche Fä- serchen, welche sich hier zusammengelegt haben und deswegen mehr bün- delartig erscheinen als im natürlichen Zustande. Sie verlaufen nämlich im- mer einander parallel und in kurzen Abständen, nie sah ich bisjetzt eine Theilung. Meiner Ansicht nach entsprechen nun diese drei Faserzüge den beson- ders von WALDEYER und Hansen beschriebenen, obwohl letztere bündelweise beisammen liegen sollen. Ueber meine Befunde bei anderen Säugethieren und beim Menschen werde ich bei nächster Gelegenheit berichten. Was die bezügl. Verhältnisse beim Kaninchen betrifft, kann ich hier erwähnen, dass sie bei älteren, ausgewachsenen Thieren in ganz derselben Weise vorliegen wie bei jungen aus der zweiten oder dritten Woche. Obwohl ich also die Ueberzeugung gewonnen habe, dass die so eben beschriebenen Fäserchen Nervenfasern sind, so ist ihr Verhalten zu den eintretenden Fasern und zu den Endzellen — mithin ihr Anfang und ihr Ende — noch dunkel. Es ist wohl sehr wahrscheinlich, dass sie aus den Radiärfasern entstehen, indem sich letztere zu ihnen umbiegen dürften; nie aber konnte ich bisjetzt dieses Umbiegen direct beobachten. Da diese Abhandlung schon über das von Anfang an aufgestellte Mass gewachsen ist, werde ich die übrigen zu behandelnden Fragen nur in gedrängter Weise berühren. Was die Hensen'schen äusseren Stützzellen betrifft, so fand ich an radialen Vertikalschnitten des Kaninchens stets den Anschein mehrerer über einander liegender Zellenschichten verschiedener Gestalt, wie es in der Figur (Taf. VII Fig. 1 ds) dargestellt worden ist. So viel ich gegen die Annahme eines mehrschichtigen Epithels im inneren Gehörorgan bin, so kann ich es für jetzt nicht in anderer Weise erklären; es wäre indessen möglich, dass die oberen Zellen durch schmale Füsse bis zur Basilarmem- bran reichen, oder dass die Zellen, wie von einem Forscher angegeben worden ist, schief stehen und deswegen schief abgeschnitten werden. Diese Zellen sind sehr hell und ihr Protoplasma sehr arm an Kömern und Fasern. In Betreff der Zahl der Reihen üusserer Haarzellen (und Deiters’scher 140 GUSTAF RETZIUS. Zellen) werden bei Thieren stets nur drei angegeben, während dem Men- schen vier Reihen solcher Zellen eigenthümlich sein sollen. Ich fand je- doch beim Kaninchen in einer Partie der Papilla ac. basilarıs constant vier Reihen der äusseren Haarzellen (und Deiters’schen Zellen), und zwar in dem oberen Theil der mittleren und dem angrenzenden Theil der La- genarwindung. Auf Taf. VIII Fig. 5 äh‘ habe ich die beginnende vierte Reihe abgebildet; an dieser Figur sieht man einige der dabei obwaltenden Eigenthümlichkeiten der Anordnung, indem z. B. zwei Haarzellen zusam- menstossen können; hier und da wird diese vierte Reihe wieder unterbro- chen, bis sie bald wieder verschwindet. Sie ist indessen von hohem mor- phologischem Interesse. In anderen Fällen können einzelne äussere Haarzellen nicht zur Ent- wicklung gekommen sein. Auf Taf. VII Fig. 13 ıst ein solches, übrigens nicht seltenes Beispiel abgebildet; die Phalangen werden dann eigenthüm- lich geformt. Zuweilen sah ich ganze Mengen von Haarzellen vollständig fehlen; dann waren ihre Plätze von grösseren Zellenplatten eingenommen. An der Membrana tectoria erkannte ich auch die eigenthümliche polygonale Zeichnung der unteren Fläche ihrer inneren Zone (wie sie z. B. bei Borrrener auf Taf. X Fig. 33 a schön abgebildet worden ist). Sie färbt sich durch Versilberung wie ein Epithel und es lässt sich sicher dar- legen, dass sie nur von anhaftenden, abgerissenen oberen Endplatten der Epithelzellen der Crista spiralis herrührt. In Betreff der Membrana teeto- ria werde ich übrigens diesmal nur die constant und entschieden schiefe Richtung ihrer Faserung hervorheben, da ich dieselbe in der Literatur kaum oder sehr wenig berücksichtigt finde. Die Richtung der Faserung geht immer vom Saccularende und von innen nach dem Lagenarende und nach aussen hin. Am Periost der Scalen (und der Aussenseite der Membrana Reissneri) gelingt es beim Kaninchen (jungen wie ausgewachsenen) leicht, die endo- theliale Zellenzeichnung durch Versilberung hervorzurufen. Endlich füge ich hinzu, dass meine Abbildungen sämmtlich nicht sche- matisch gehalten, sondern so genau als möglich nach den Präparaten gezeich- net worden sind. Nur ist die Fig. 1 der Taf. VII nach drei Präparaten derselben Windung ausgeführt. ERKLÄRUNG DER ABBILDUNGEN. 141 Erklärung der Abbildungen. TAFEL VII. Aus der Papilla ac. basilaris (Organon Corti) des Kaninchens. Fig. 1. Radialer Vertikalschnitt der mittleren Windung der Papilla ac. ba- silaris eines 18 Tage alten Kaninchens. Behandl. mit Ueberosmiumsäure und Goldchlorid. Gez. bei Verıer's Obj. 7 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). mb — Membrana basilaris. ih — innere Hörzelle mit Haarbesatz. mb‘ — Membr. basil. unter die homo- än'— äh’ — äussere Hörzellen mit Haar- gene Schicht (hb') eingetreten. besatz. hb — untere tympanale homogene dz — Deiters'sche Zellen. Schicht. äs — äussere Stützzellen. tb — spirale tympanale Zellen. sea — Zellen des Sulcus externus. b — Blutgefässe. bz — »Bodenzellen». nb — markhaltige Nervenfasern des n' — ersterer (innerer) spiraler Ner- Ramulus basilaris acustici. venstrang. Is — Ligamentum spirale. n® — zweiter (intercolumnarer) spira- lv — Labium vestibul. eriste spiralis. ler Nervenstrang mit (rf) radia- mt — Membrana tectoria mit: len Fasern. rs — Oberer Randstrang und nm” | äussere spirale Nerven, zwi- /w — Fasernetz der Oberfläche. n* schen den Deiters’schen Zellen siz,2p — Zellen des Sulcus internus. n® | verlaufend. is — innere Stützzellen. Fig. 2. Radialer Vertikalschnitt der mittleren Windung der Papilla ac. basilaris eines ausgewachsenen Kaninchens. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Goldchlorid. Die Haarzellen sind sehr eingeschrumpft und verkürzt. Gez. bei Ver. Obj. 7 + Ocul. 3_(ausgezog. Tubus). — mb Membrana basilaris; ie in- nerer, äc äusserer Corti'scher Pfeiler; be, be' innere und äussere »Bodenzelle» der Pfeiler; dz zwei Reihen Deiters’scher Zellen schön isolirt und in beinahe na- türlicher Lage, unten mit der Membrana basilaris oben mit der Lamina reticula- ris zusammenhängend; dh drei Reihen äusserer Haarzellen (mit Haarbesatz) von den Deiters’schen Zellen abgelöst und stark zusammengeschrumpft; ih innere Haarzelle mit Haarbesatz; «s innere Stützzelle isolirt aber noch in situ. Fig. 3. Zwei äussere Corti'sche Pfeiler eines erwachsenen Kaninchens, je- der von einer schwach körnigen cellulären Hülle umgeben; der eine Pfeiler ist an einer Stelle umgeknickt, so dass man ihn im optischen Querschnitt sieht. Behandl. mit Versilberung. Gez. bei Ver. Obj. 8 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Fig. 4. Aeusserer Corti'scher Pfeiler eines jungen Kaninchens. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Eine körnige Hülle umgiebt den Pfeiler. Gez. bei Ver. Obj. 7 + Ocul. 3 (ausgezog, Tubus). 142 GUSTAF RETZIUS. Fig. 5. Kleine Partie der Lamina reticularis (/r) im schiefen Perspective, mit zwei ansitzenden äusseren Haarzellen, von welchen die eine (@h) vollständig; die andere (äh') unten abgerissen ist. Behandl. mit Ueberosmiumsäure und Gold- chlorid. Gez. bei Ver. Obj. S + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Fig. 6. Aeussere Haarzelle (äh) oben von der Lamina retieularis (/r) und unten von der Deiters'schen Zelle (dz) abgelöst. Behandl. mit Ueberosmiumsäure und Goldchlorid. Gez. bei. Ver. Obj. 7 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Fig. 7. Vier äussere Haarzellen (äh) einer Reihe, von der Lamina retieula- ris ohne Haarbesatz abgetrennt; über sie ziehen in natürlicher schiefer Lage die oberen Enden dreier Deiters’scher Zellen (dz), von denen die oberen Endplat- ten an der Lamina reticularis abgerissen sind. Behandl. mit Ueberosmiumsäure und Goldchlorid. Gez. bei. Ver. Obj. S+ Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Fig. 8. Obere Enden von drei isolirten Deiters’schen Zellen ohne obere Endplatten; man sieht durch die körnigen Zellenkörper je eine Faser der Länge nach ziehen. Behandl. mit Ueberosmiumsäure und Goldchlorid. Gez. bei VEr. Obj. S + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Von einem vier Monate alten Kaninchen. Fig. 9. Eine Reihe schön isolirter Deiters’scher Zellen aus der mittleren Windung eines etwa ein-monatlichen Kaninchens; die oberen Endplatten an der Lamina reticularis sind abgerissen, die unteren erweiterten Enden an der Mem. brana basilaris, von denen die Stützfasern, vom körnigen Anfluge begleitet, nach dem eigentlichen, kernführenden Zellenkörper emporgehen, erhalten. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Goldchlorid. Gez. bei Ver. Obj. 7 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Fig. 10. Partie der Membrana basilaris (mb) eines 5-wöchentlichen Kanin- chens mit den Ansätzen (dz') der drei Reihen der Deiters'schen Zellen, von wel- chen noch die meisten (dz) zum unteren Theil erhalten sind; ihnen haften die un- teren Partien vier äusserer Haarzellen (äh) an. An den Stützfasern der Deiters'- schen Zellen laufen Reihen der äusseren spiralen Nervenfasern, welche theilweise schön isolirt sind. Behandl. mit Ueberosmiumsäure und Goldcehlorid. Gez. bei Ver. Obj. S + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Fig. 11. Drei nur theilweise erhaltene Deiters’'sche Zellen mit Stützfasern (dz), über welche Reihen von theilweise schön isolirten äusseren spiralen Nerven- fasern (n) verlaufen. Von einem etwa vier Monate alten Kaninchen. Fig. 12. Partie der Lamina reticularis von oben gesehen; äe Köpfe der äusseren Pfeiler mit /' ihren die ersten Phalangen darstellenden Kopfplatten in etwa fünf Fäden zerspaltet; über ihnen sieht man die hellen Kopfplatten (ie) der inneren Pfeiler; /* und /* sind die echten Phalangen (zweite und dritte Phalangenreihe) der Deiters’schen Zellen mit nur erhaltenem Randfaden, wel- cher für jede Phalanx selbstständig ist; äh Lücken, aus welchen die Haarzellen ausgefallen sind; dz die noch anhaftenden, isolirten und schön erhaltenen Dei- ters'schen Zellen dritter Reihe. Behandl. mit Versilberung, Ueberosmiumsäure und Karmin. Gez. bei Ver. Obj. 8 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Fig. 13. Partie der Lamina reticularis eines etwa viermonatlichen Kanin- chens, an welcher zwei äussere Haarzellen verdrängt und nur durch sehr rudi- ERKLÄRUNG DER ABBILDUNGEN. 143 mentäre Platten vertreten sind, weshalb auch die Phalangen dort eine eigenthüm- liche Gestalt erhalten haben. Behandl. mit Ueberosmiumsäure und Goldchlorid. Gez. bei Ver. Obj. 7 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Fig. 14. Kleine Partie der Oberfläche der Crista spiralis eines fünf Wo- chen alten Kaninchens, an welcher die Grenzen der theilweise isolirten oberen Platten der Epithelzellen deutlich hervortreten und sogar durch helle schmale Streifen angegeben sind; unter den meisten sieht man den Zellenkörper mit dem von Protoplasma umgebenen Kernen sowie einen Cristazahn (ez). Behandl. mit Goldchlorid. Gez. bei Ver. Obj. 7 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). TAFEL VIII Aus dem Ductus cochlearis des Kaninchens. Fig. 1. Partie der versilberten Obertläche der Crista spiralis eines 8 Tage alten Kaninchens mit den Grenzen der oberen Endflächen der in radiale Reihen angeordneten Epithelzellen, unter welchen die ihnen angehörigen kernhaltigen Zellenkörper und zwischen ihnen die hellen Cristazähne (z) deutlich hervortreten ; gz äussere Grenze der Zähne und Kernreihen des Labium vestibulare der Crista; lv das darüber hervorschiessende äusserste Gebräme des Labium vestibulare, wel- ches nur aus epithelialen Zellen besteht, deren Kerne noch in den Kernreihen liegen; iz innere Zone der Crista spiralis; mr Ansatzlinie der Membrana Reiss- neri; si Zellen des Sulcus internus. Gez. bei Ver. Obj. 7 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Fig. 2. Partie der versilberten Oberfläche der Papilla ac. basilaris der Saccularwindung eines 10 Wochen alten Kaninchens; z, gz, lv wie bei Fig. 1 (Zeichnung der Crista spiralis); si Epithel des Sulcus internus in seiner ganzen Breite und mit den der inneren Haarzellenreihe (ih) anstossenden langen End- flächen; cp Corti'sche Pfeiler; äh die drei Reihen äusserer Haarzellen mit La- mina reticularis; ds äussere Stützzellen. Gez. bei Ver. Obj. 7 + Ocul. 3 (aus- gezog. Tubus). Fig. 3. Partie der versilberten Membrana basilaris (ohne Angabe der Struc- tur derselben) mit den unteren Zellengrenzen; nc drei Kanäle der durchtreten- den Nervenfasern; ic Fussplatten der Zellen der inneren Corti'schen Pfeiler mit ihren Kernen; äe Fussplatten der Zellen der äusseren Corti'schen Pfeiler mit ihren Kernen; «p innere, dp äussere Pfeileransütze; dz Fussplatten der Deiters’- schen Zellen; äz Fussplatten der äusseren Stützzellen. Gez. bei Ver. Obj. 7 + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Aus der Saceularwindung eines erwachsenen (alten) Kaninchens. Fig. 4 Partie der Membrana basilaris eines vier Monate alten Kanin- chens, an welcher man ohne Versilberung die Grenzen der Fussplatten (Boden- 144 GUSTAF RETZIUS. zellen) der inneren (ic) und äusseren (äc) Cortischen Pfeilerzellen schön wahr- nimmt; ip und äp innere und äussere Ansätze der Corti'schen Pfeiler; dz meh- rere Fussplatten der Deiters’schen Zellen mit theilweise anhaftenden Stützfasern; die fibrilläre Zusammensetzung der Membrana basilaris (mb) erscheint unter und neben ihnen. Behandl. mit Goldchlorid. Gez. bei Ver. Obj. 7 + Ocul. 3 (aus- gezog. Tubus). Fig. 5. Partie der Oberfläche der Papilla ac. basilaris aus der Lagenar- windung eines erwachsenen Kaninchens, links mit drei, rechts mit vier Reihen äusserer Haarzellen (äh', äh’, äh’, äh‘), an welchen die hufeisenähnlich gebo- genen Haarreihen erscheinen; f', f*, f’, f‘ Phalangen erster, zweiter, dritter und vierter Ordnung; sr obere Endplatten der äussersten Reihe Deiters'scher Zel- len (vergl. Taf. VII Fig. 12); ic" Kopfplatten der inneren Corti'schen Pfeiler; äe Köpfe der äusseren Corti'schen Pfeiler; ic Köpfe der inneren C. Pfeiler; ih innere Haarzellenreihe mit den gestreckten oder nur schwach gebogenen Haar- reihen. Behandl. mit Ueberosmiumsäure und Goldchlorid. Gez. bei Ver. Obj. S + Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). VE Ueber die Endigungsweise des Gehörnerven in den Maculz und Criste acustice Pror Gustar Rertzıus in Stockholm. Unter dem obigen Titel veröffentlichte ich in Nordiskt Medieinskt Arkiv, Band III, 1871' in schwedischer Sprachee in enkurzen Bericht über meine Untersuchungen über die Nervenendigung in den Gehörflecken und Gehörleisten des Gehörorgans der verschiedenen Wirbelthierklassen. Da dieser Aufsatz damals nur in der schwedischen Sprache erschien und die Angaben desselben in Folge dessen grösstentheils von anderen Forschern unbe- rücksichtigt worden sind, werde ich hier eine genaue Uebersetzung des Auf- satzes mittheilen, obwohl er theilweise schon früher in die in meine Mono- graphie über das Gehörorgan der Fische * mitgetheilte geschichtliche Dar- stellung inserirt worden ist. Der Aufsatz lautet in deutscher Uebersetzung folgendermassen : »Da meine Studien über den Bau der Macul® und Criste acustie® mehrere interessante Resultate gegeben haben, werde ich hier einen, obwohl in Folge des gerade bei dieser Gelegenheit schon stark in Anspruch genomme- nen Platzes des Archives nur ganz gedrängten Bericht über dieselben abstatten. Ich habe die Verhältnisse beim Menschen (erwachsenen sowohl wie neuge- borenen), dem Hunde, dem Kaninchen, dem Huhn, der Natter, dem Frosch, der Kröte, dem Barsch und dem Hecht untersucht. Der Bau der frag- lichen Theile ist bei allen Wirbelthierelassen im Wesentlichen sehr überein- * GustAr Retzıus, Om hörselnervens ändningssätt i macule och criste acustice. Nordiskt Me- dieinskt Arkiv, Band III N:r 17, Stockholm 1871. ® GusTAF RETZIUS, Anatomische Untersuchungen, Erste Lieferung, Stockholm 1872, Biol. Unters. II, 1882, 19 146 GUSTAF RETZIUS. stimmend. Beim Menschen gehen, wie Oprxıus gezeigt hat, die Nervenfa- sern ohne sich zu theilen zur inneren Fläche der bindegewebigen Lage und dringen dann nach Verlust der Myelinscheide in die Epithellage hinein, da findet man sie oft, wie Opexıus sie auch angiebt, zweigetheilt; einigemal habe ich eine wiederholte Zweitheilung und einmal eine Viertheilung gese- hen, aber nie ein anastomosirendes Netz mit Ganglienzellen-ähnlichen Kno- tenpunkten, wie es Rünınger angegeben hat. Im Epithel, das einlagrig ist, hat Opexıus zweierlei Elemente beschrieben: die eigentlichen Epithelzellen und haarführende, schmale, spindelförmige Zellen. Die Form der ersteren, der eigentlichen Epithelzellen, habe ich mit der Beschreibung Opexıus’ überemstimmend gefunden; sie haben am öftesten ihren Kern dicht an der Fläche der bindegewebigen Lage sitzend, an welcher die Zellen mit einer gewöhnlich kegelförmigen Basis befestigt sind; zuweilen befindet sich der Kern doch etwas höher, in welchem Falle die Zelle Spindelform zeigt (die Fadenzellen M. Scuurzze's); gleich über diesem Kern verschmälern sich die Zellen sehr, oft beinahe fadenförmig, um der Anschwellung der anderen Zellen Platz zu geben, dann erweitern sie sich wieder gegen ihr freies Ende trichterförmig, haben hier beim erwachsenen Menschen eine Anzahl Pigmentkörnchen, sind aber nie mit Hörhaaren oder anderen derartigen Bildungen versehen, sie hängen innig mit den umgebenden Zellen zusam- men und sind darum schwer zu isoliren. Die andere Art der Zellen da- gegen, von welchen Opzxıus vermuthet, dass sie die Endorgane der Nerven bilden, deren directen Zusammenhang mit Nerven er aber nie gesehen, ist mir gelungen sowohl an Osmiumsäure- als Chromsäurepräparaten ganz isolirt m un- zweideutiger Verbindung mit den aus der Bindegewebslage ausgetretenen Nervenfasern zu finden, und dies ohne andere verbindende Elemente, In Betreff ihrer Form sind diese Zellen eigentlich nicht spindelförmig und auch nicht so schmal, sondern zeigen hier dieselbe Flaschen- oder Kolbenform, wie bei den anderen Vertebraten, haben in der Nähe der Veremigung mit den Nervenfasern constant einen ziemlich grossen, runden, etwas ovalen Kern, darüber einen etwas schmaleren Hals, der bei erwach- senen Menschen mit braungelben Pigmentkörnchen versehen ist, und zum Abschluss eine flache, runde Fläche, welche, da sie gewöhnlich von der Kante gesehen wird, das lacht stark bricht und dadurch für eine beson- dere Bildung genommen werden könnte. Von dieser Fläche steigt das Hör- haar empor; dies ist nicht, wie man bisher annahm, homogen, sondern be- steht immer aus einer Anzahl (ungefähr 10—15 oder vielleicht mehrerer) sehr feiner, gleich breiter und, wie es scheint, eylindrischer, gerader Fäden UEBER DIE ENDIGUNGSWEISE DES GEHÖRNERVEN. 147 oder Stäbe, welche in der Längenrichtung des Haares zu einem flachen oder vielleicht von einer Seite zur anderen etwas gebogenen Bande in einer Reihe dicht neben einander geordnet liegen; von der Kante gesehen ist daher das Hörhaar auch an seiner Wurzel sehr schmal, von der Fläche dagegen viel breiter. Mit seiner bandähnlichen Wurzel theilt das Hörhaar die freie, runde Fläche der Hörzelle in zwei halbzirkelförmige Hälften, die Zusam- mensetzung des Haares aus Fäden wird nach unten hin bis zu dieser Fläche der Hörzelle beobachtet. Eine Fortsetzung dieser Fäden aber innerhalb der Zelle habe ich nie sehen können. Uebrigens bekommt man die Hör- haare, besonders nach Erhärtung in Osmiumsäure, nur sehr selten unbe- schädigt; sie zerfallen nämlich äusserst leicht in die genannten Fäden, und diese werden überdies gewöhnlich bei der Präparation in verschiedener Länge zerbrochen; man findet daher sehr oft die flaschenförmigen » Hörzellen » mit einem an der oberen Fläche sitzenden Büschel feiner Fäden von verschie- dener Länge, und derartige Zellen können Uilienzellen sehr ähnlich sein. Wie die Fäden sich gegen das freie, zugespitzte Ende der Haare verhalten, habe ich, wegen der grossen Zerbrechlichkeit der Spitzen, nicht erforschen können. Die Hörzellen sind im frischen Zustande sehr hehtbrechend, etwas gelblich glänzend und von beinahe homogenem Aussehen; nach Erhärtung, be- sonders in ÖOsmiumsäure, zeigen sie sich reichlich körnig. Eine anderwei- tige Bildung im Innern derselben habe ich nie gesehen. Dies ist, kurz gefasst, das Verhalten sowohl an den Macul® als an den Criste acustice beim Menschen. Beim Hunde und Kaninchen ist das Verhältniss so gleichartig, dass ich auf eine Schilderung davon hier nicht eingehen will; auch bei ihnen bestehen die Hörhaare aus einer Anzahl feiner, an einander gereihter Fä- den, welche sich leicht von einander trennen, und die Hörzellen hängen auch hier unmittelbar mit den Nervenendigungen zusammen. Der Dar- stellung Hasse's von dem Verhalten bei Vögeln und Batrachiern kann ich beifügen, dass auch bei ihnen die Haare der Hörzellen aus aneinander geordneten Fäden bestehen (so auch die Hörhaare der Vogelschnecke). ' " »Betreffs der Süugethierschnecke habe ich noch nicht Gelegenheit gehabt, den Hörzellen ihres Corti’schen Organes hinreichende Untersuchungen zu widmen. Es scheint mir indessen keinen Zweifel zu unterliegen, dass die schon lange in demselben bekannten haarführenden Zellen von der genausten Uebereinstimmung mit den Hörzellen des übrigen Labyrinthes sind. Auch die Haare dieser Zellen in der Säugethierschnecke sind ersichtlich ziemlich lange, gewöhnlich aber durch die Präparation zerbrochene, band- artige Bildungen, welche aus feinen, von einander leicht trennbaren Müden oder Stäben zusammengesetzt sind; die Zellen selbst, an welchen die Haare befestigt sind, haben eine Form, die mit der Form der Hörzellen in den Macule und Oriste acustiee beinahe übereinstimmt. Was aber die zwischen diesen Zellen befindlichen Zellen (die Deiters’schen Zellen, Bowrrcner’s äussere aufsteigende Hörzellen) betriflt, so 145 GUSTAF RETZIUS. Die Hörzellen und die eigentlichen Epithelzellen sind denen des Menschen sehr ähnlich. Dass die Nerven im Utrieulus der Vögel bei ihrem Austritt aus der Knorpellage sich in feine Primitivfasern (Hasse) auflösen, habe ich nie gesehen, wohl aber, dass sie nach dem Eintritt ins Epithel sich in zwei, ziemlich grobe, in spitzigem Winkel abgehende Zweige theilen. — Bei der Natter ist das Verhalten übereinstimmend. — Was endlich die Fische betrifft, so hat Max Scnurtze in seiner bekannten Abhandlung über das (tehörorgan dieser Thiere drei Arten von Zellen in der Epithellage, sowohl der Ampullen als der Otolithensäcke, geschildert, nämlich Cylinderepithel- zellen, Basalzellen und Fadenzellen (mit feinen Fadenausläufern); die letzt- genannten schienen ihm aus mehreren Gründen am ehesten Nervenendigungen zu sein, das Verhalten der Hörhaare zu den verschiedenen Zellen gelang ihm, der noch nicht die Osmiumsäure zur Verfügung hatte, nicht zu er- forschen. Ich habe constant die Hörhaare den Cylinderepithelzellen Max Scnunrze's zugehörend gefunden, und diese Zellen sind ohne jeden Zweifel den flaschenförmigen Hörzellen der übrigen Vertebraten entsprechend; ihre Form ist dabei auch ziemlich übereinstimmend, und ich habe sie zu wieder- holten Malen im isolirten Zustand mit unzweideutigen, zweigetheilten, wenn auch vom Stammnerven abgerissenen Nervenfasern zusammenhängend ge- funden; diese Zellen werden übrigens bei ihrem Uebergang in die Nervenfaser äusserst leicht abgebrochen, so dass die Darstellung des Zusammenhanges eine äusserst geduldprüfende Arbeit ist. Die Hörhaare sind auch hier so- wohl in den Ampullen als in den sog. Otolithensäcken ', wie bei den übrigen Vertebraten aus feinen Fäden zusammengesetzt, und kommen constant auch an allen Hörzellen der Otolithensäcke vor, obwohl sie am öftesten in der entsprechen sie mit aller Wahrscheinlichkeit den eigentlichen Epithelzellen der Maculse und Criste acustic®, und sind gewiss keine wirkliche »Hörzellen»; ihre Form und Anordnung entsprechen in hohem Grade den der erwähnten Epithelzellen. — Alles zusammengenommen, bekommt man folglich, merkwürdig genug, überall wo der Gehörnery endigt und bei allen Classen der Wirbelthiere, von dem Menschen bis zu den Fischen hinab, die grösste Uebereinstimmung der Endorgane dieses Nerven, überall eine zwischen eigent- lichen Epithelzellen von gleichartiger Form befindliche Art von mehr oder weniger flaschenförmigen Hör- zellen, welche an ihrer freien Fläche immer sog. Hörhaare tragen, und diese Hörhaare sind überall band- artig abgeplattete Bildungen, zusammengesetzt aus einer Anzahl feiner Stäbe oder Fäden, in welche sie bei der Präparation leicht zerfallen.» (1871). ' »Die Fische (Hecht, Barsch), deren Gehörlabyrinth in Hinsicht des Baues sehr wenig bekannt ist, obwohl es Gegenstand mehrerer Bearbeitungen gewesen ist, haben, ausser den drei Cristee acustice der drei Ampullen, eine Macula acustica im Utrieulus, eine Macula acustica im Sacculus und am wenig- sten zwei der Schnecke entsprechende Nervenausbreitungen von der oben geschilderten Structur. Der Nervus vestibularis sendet Zweige zu den Ampullen der sagittalen und horizontalen Bogengänge und zur Macula utrieuli; der Nervus cochlearis zu der Ampulle des frontalen Bogenganges, zur Macula saceuli und zu den »Macul®» der Schnecke. In den Plana semilunata der Ampullen giebt es keine Nervenendi- gungen» (1871). UEBER DIE ENDIGUNGSWEISE DES GEHÖRNERVEN. 149 Nähe ihrer Basis abgebrochen werden. Die Basal- und Fadenzellen Max Scuuurze's entsprechen dagegen den eigentlichen, »indifferenten» Epithel- zellen der anderen Vertebraten und sind denselben auch sehr ähnlich, wenn- schon etwas feiner. Was die Nerven betrifft, so zeigen sie bei den von mir untersuchten Fischen das merkwürdige Verhältniss, dass sie ihre Myelin- scheide eine lange Strecke in die Epithellage hinein behalten und mit der- selben gewöhnlich ungefähr bis zur Mitte der Dicke dieser Lage verlaufen; sie biegen sich dann in einer Schlinge um und gehen, ehe sie die Myelin- scheide verlieren und sich theilen, um in ihre Endorgane überzugehen, oft noch eine Strecke in einer, mit der Fläche der Epithellage ziemlich parallelen Richtung. Auf die Besprechung der von anderen Verfassern geschilderten Otolithenmembranen und der Cupula terminalis sowie einiger anderer die Macule und Criste acustiee betreffender Verhältnisse werde ich mich diesmal nicht einlassen. Stockholm im September 1871.» 4 VL. Ueber die Anwendung der Gefrierungsme- thode in der histologischen Technik von Pror Dr Axzeı Key und Pror Dr Gustar ReETzIUS in Stockholm. Vor acht Jahren (1874) theilten wir unter obigem Titel einen kurzen Bericht über unsere Erfahrungen bezüglich der Veränderungen mit, welche die Gefrierung in den verschiedenen Geweben des Körpers hervorruft. Dieser Aufsatz wurde in schwedischer Sprache mit einem französischen Compte rendu in Nordiskt Medieinskt Arkiv ' veröffentlicht. Da in den letzten Jahren die Gefrierungsmethode sehr grosse Anwendung in der histologischen Technik gefunden hat, die Irrungen aber, zu welchen dieselbe Anlass geben kann, im Allgemeinen sehr wenig berücksichtigt zu sein scheinen, finden wir es am Platze, den fraglichen Aufsatz in deutscher Uebersetzung hier mitzutheilen, indem unsere Befunde anderen Forschern nützlich sein und sie von fehlerhaften Schlüssen bewahren können. Der Aufsatz lautet folgendermassen : »Die meisten Organe und Gewebe des Körpers müssen bekanntlich erhärtet werden, damit man für die mikroskopische Untersuchung hinreichend dünne und zusammenhängende Schnitte erhalten kann. Statt der Anwendung erhärtender Flüssigkeiten (Chromsäure, Alkohol u. s. w.) liess man in späte- rer Zeit zuweilen die Organe oder Organtheile gefrieren, indem man sie einer ' AxEL KEY och Gustar Rerzıus, Om frysningsmetodens användande vid histologisk teknik. Nordiskt Medieinskt Arkiv, Bd VI, N:r 7,ıv, 1874 (s. a. HoFMANN-SCHWALBE'S Jahresber. f. 1874 s. 7). UEBER DIE ANWENDUNG DER GEFRIERUNGSMETHODE. 151 Temperatur unter dem Frierpunkt aussetzte und an ihnen im gefrorenen Zustand mit kaltem Messer Schnitte machte, wonach man sie aufthauen liess und ihre eigentliche Untersuchung vornahm. Auf diese Weise erhält man auch ohne Druck oder Verschiebung der Gewebstheile grosse, zusam- menhängende und ziemlich dünne Schnitte. So z. B. benutzte ConnHEım diese Methode, um dünne, zusammenhängende Querschnitte der Muskeln zu erhalten. Von Anderen, wie Rupanowsky, wurde die Gefrierungsmethode in grosser Ausdehnung zu Untersuchungen über das centrale Nervensystem angewandt; die von letztgenanntem Forscher erhaltenen Ergebnisse wurden von ihm in einem grossen und kostbaren Werke veröffentlicht. Hin und wieder benutzten auch wir diese Methode, u. A. zur Herstellung von (uer- schnitten des Perineuriums frischer Nerven, und für diesen Zweck war die Methode nicht erfolglos; so z. B. wurden dadurch die Perineuralhäute be- sonders leicht aufgeblättert. Im vorigen Winter prüften wir eine, so weit uns bekannt ist, zuerst von Ünrıstıan Lov£n gebrauchte Anwendung der Gefrierungsmethode. Sie bestand darin, die Schnitte noch in gefrorenem Zustande in eine Lösung von Ueberosmiumsäure fallen zu lassen; dabei wurde das Gewebe in dem Zustande fixirt, in welchem es sich während des Gefrierens befand. Lovfx benutzte die Methode zur Untersuchung der Muskeln; wir wandten dieselbe bei Studien über den Bau der Sehnen an. Wir erhielten dabei von jeder Sehne in jedem Schnitte sehr schöne, längsgehende, regelmässige, tubuläre Kanäle. Als wir dann die Ueberosmiumsäure gegen die Müller- sche Lösung, Goldehlorid oder Alkohol austauschten, erhielten wir dieselbe Art von Bildern; bei der Anwendung des Alkohols wurden die Röhren nur noch viel weiter, ja bei Querschnitten an einer Sehne, z. B. einer Achilles- sehne des Menschen, zeigte sich ihre Totaltläche oft grösser als die des Sehnen- gewebes selbst! Bei Versuchen, diese kanalförmigen Röhren durch Einstich- injection darzustellen, erhielten wir nur selten Bilder, welche das normale Vorhandensein dieser Röhren einigermassen bestätigen konnten. Als wir dann in derselben Weise Stücke der äusseren Körperhaut untersuchten, er- hielten wir auch in ihnen grosse Lacunensysteme. (Wir werden über diese Untersuchungen, durch andere Methoden controllirt, an anderem Orte berichten.) Wir machten dann u. A. Schnitte durch gefrorene frische Gehirmsubstanz und fanden im Mikroskope zu unserem Erstaunen über- all ein schon bei geringer Vergrösserung wahrnehmbares, grossartiges und scheinbar regelmässiges Lacunensystem mit zwischenliegenden gröberen und feineren, zuweilen äusserst feinen Trabekeln, deren Maschenanordnung ’ > 5 , ee 2 en Tr) EI EN Mel HI Du PERF T KG RI: Sa ei I. ee he Janina es ‚E er, a urFtE 5 en ein u ar x u nee SahlF yere WE Tan? ter IE7 F R PURE > 3 wen. x Z are walnz: Dr IA Be ee rue fr z Er: ef un oe ur s \ h 33 | 2 ; j [9 = en E ip 1 ‚ ä s SS n " f ? s 1ER | zZ 2 > ’ * z - 3E#: 5 i >, #, 5 FE hr [ 141 befal Mil + ur = rs Fe A b 2 Be ei ’ r > RB » “% 7 si AlererE Bas TR 5 a, . “€ zufie! ns Be“ Dean » - ‘ 4 EITT Sr f | I Fig. Vo j Fr Th Piel Au.B Breschet 1833, Fis.I Jbsen 1846, Fig. Reichert 1864, Fie Fie.VI Luschka 1867, Fig. VII Rüdinger 1872, F Wal Bl \ MeXT Au.B Carl 1873 (vom Rin zu iu yhuy vn Taf. sta > dr 5 r - NV Dun Fa EEE re - (E BEE EAST — —— VD ve en ee I a , (ee - a e: r yo) EEE NET INES Ze) Te RO us, Fig.12 15 $ez.v. G.Annell. REIS, Ss - MS £ Ge 3 : IT — Be et TERN en BEN IIND UIID Ku! NERuAT SSL THIS ERSEI PAIR NEST suchungen, her. v.'G. Retzius, Jahrg. 2, 1882 N:o II. Te BER r 30108 . Unter. ==d G | f N 2 re war - \W% [0% TI _ AA ARD | EI N 8.2,1882 N:ol. iolog.‚Untersuchungen, her.v 'C.Retzius, Jahr EN CASIF ICrYEe I... Fig.1_18 gez. v. G-Retzius, Fi.19_23 gez.v. 6. Annell. B ln y N orbi VL 77 ee 227 277 DRIN, stock S a7 2 N ’ “. ’ } r 3 N n r z ie [a a I Et, ar _ en 3 Pr olog.Untersuchungen;her. v.G.Retzius, Jahrg.2,1882, N:oIl Lith.W, Schlachter, Stockholm , l “ u Gez.v. C.Waller und C: Björkman a Anas Li, W schlachler, Sto ckhi lm. Du u Biolog. Untersuchungen, her. v. €. Retzius, Jahr&.2, 1882, N-oV. Gez v Gustaf Retzius Taf. VI. bıih. W. Schlachter, Stocklialm FE a 27 r 5: Fu ' - 8 A u es Biclog ‚Unrersuchungen, her v. 6.Betzins Jäurg.2,1882,N.oV. | 77 alla =.uU ) | | N | | | ) | er v |} - r o jo » fü ARE r u NT En Ten) IN f | 4 I I I IN a / \} r ’ er. v. Gustaf Retzius a Lith,W, Schlachter, Stookholn. En > F} Fa ,\_ A N | . par 25 F z 3» I | $ R > a vr #4 y.. n es PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY &H Retzius, Gustaf 302 Biologische Untersuchuneen R44 Bd.2 Biologie al ! Has Ryan Er rerkz re nme) Aetray 1 here 5 APRaRn Peer er - P ten nee Re ee Me an ae nat je N Eee lb DREH are ru Ah Hr BR METER, Et ‚wat N ERTNIYER DU DER TIER BET FEN ERSTELLEN ANA u SRH Be NOHESERONRENENN ERRON ER Ra NEREN EU Hr‘ Deren aan) ENTE £ A KEhr Kell EAN, Be KR Rn a \ Er ER HNEEUHR \ KR EN IE N DR RN DR