^CflfcTY lüKJVBUlATUlALWUUJj^ Sä 3 Li NEW YORK BOTANICAL GARDEN. BOTANISCHE WANDERUNGEN IN BRASILIEN. REISESKIZZEN UND VEGETATIONSBILDER VON Dr. W. DETMER. PROFESSOR AN JDER UNIVERSITÄT JENA. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT .& COMP. 1897. fO*3 Druck von Metzger & Wittig, Leipzig. DEN HERREN MEDICIN ALRATH Dr. W. HESS UND Dr. A. RAUTE RT ZU MAINZ IN AUFRICHTIGSTER DANKBARKEIT UND VEREHRUNG ZUGEEIGNET VOM VERFASSER. I nhalt. I. Ausreise. Vorbemerkungen i. An Bord der Tijuca 2. Abfahrt von Hamburg 3. Seemöven 3. Meerbusen von Biscaya 4. Lissabon 5. Fahrt nach Cintra 7. Wald bei Cintra 10. Abfahrt von Lissabon 10. Die Passatwinde 11. Bemerkungen über den Ocean 12. Fliegende Fische 13. Temperatur- verhältnisse 14. Taufe an Bord 14. Die Inselgruppe Fernando de Noronha 15. Sonnenuntergang 16. Das südliche Kreuz 16. Ankunft in Bahia 17. II. Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. Entdeckung 18. Ehemalige Sclaverei in Brasilien 18. Einwanderung 19. Verfassung Brasiliens 21. Grösse des Landes 22. Bevölkerung 22. Geolo- gisches 24. Klima 25. Allgemeines über die Vegetation 26. Der Staat Bahia 27. Die Unterstadt Bahia 29. Neger in Bahia 30. Sociale Zu- stände 32. Die Oberstadt Bahia 35. Die Victoria und der campo grande 37. Bougainvilleen 37. Passeio puplico 38. Oreodoxapalmen 39. Pandaneen 39. Mango-, Brotfrucht- und Tamarindenbäume 40. Orchideen 40. Cacao- baum 42. Bananenpflanzen 43. Bau und Function der Laubblätter 45. Merkwürdige tropische Laubblätter 46. Bambus 48. Die Sinnpflanze 48. Orangen, Ananas und andere Früchte 50. Cocospalmen 52. Excursion nach Rio Vermelho 52. Lateritboden 53. Pontederiaceen 54. Brome- liaceen 55. Cocoshain 55. Excursion nach Itapajepe 55. Kautschuk - baum 56. Baumwürger 56. Ameisenpflanzen 56. Mangrovevegetation 60. Der Brasilianer, Charaktereigenschaften und Lebensweise desselben 63. Nahrungsmittel in Brasilien 68. Unterrichtswesen 70. Krankheiten 71. III. Reisen im Staat Bahia. Der Paraguassü 73. Cachoeira und S. Feliz 74. Reise nach Sitjo- Novo 75. Caatingas 77. Ritt nach Orobo 78. Aufenthalt daselbst 79. Pflanzen der Caatingas 81. Biologisches 82. Die Serra do Orobö 85. Tillandsien 86. Wald 86, Die Fazenda Leäo dos Brejos 88. Elemente des tropischen Urwaldes 89. Bäume, Lianen, Epiphyten 90. Gesammt- charakter des tropischen Urwaldes 97. Gesammteindruck desselben 98. Culturen auf der Fazenda 99. Kaffee- und Maniokcultur 100. Thierwelt Brasiliens, Affen, Gürtelthiere, Ameisenbären, Papageien, Kolibris, Schlan- gen, Ochsenfrösche, Carapatos, Mosquitos, Sandflöhe, Schmetterlinge, Ter- miten 103. Rückkehr nach Bahia 110. Reise nach Santo Amaro 111. VI [nhalt Zuckerrohrcultur 112. Excursion in einen CJrwald 113. Ausflug Dach Nazareth 115. Zambatanz der Negerinnen us- IV. Rio de Janeiro und Umgebung. Reise von Bahia nach Rio 117. Die J *.ai von Rio de [aneiro 117. Farbentöne am Himmel 1 im. Spaziergang in Rio 1 im. Nächtliches Cono'it [20. Rio als Handelsstadt 120. Rua do Ouvidor 121. Strassen- bahnen 122. Das gelbe Fieber 1:3. Passeio publico 125. Leuchtkäfer 12(1. Der botanische Garten zu Rio 12(1. Palmen- und Bambusalleen des- selben 127. Formen einiger Tropenbäume 129. Andere Gärten Rios 130. [n'dianerkinder 131. Excursion nach Copacabana 131. Vegetation des Strandes 132. Restingavegetation 133. Temperaturmessungen an Cereus- arten 136. Fahrt auf der Bucht von Rio 137. Vellosieen 137. Der Corcovado 138. Petropolis 139. Excursion auf den Pico do Papagaio 140. l-< lsenpflanzen 141. Wasserfall im Walde 141. Tropische Bergwälder 142. Bambusdickichte, Begonien, Farnbäume 143. Epiphylle Moose 143. Mu- tisien 144. V. Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, Säo Paulo und Espirito- Santo. Reise nach Ouro-Preto 145. Der Itacolumy 147. Goldbergwerke in Passagem 147. Vespasiano 148. Lagöa Santa 148. Brasilianische Campos- vegetation 149. Die Grabstätte Lunds 150. Reise nach S. Paulo 151. Staat und Stadt S. Paulo 152. Kirchhof in S. Paulo 153. Bergwälder der Serra do Mar 154. Ipirangapalast 155. Campinas 156. Instituto agronomico daselbst 156. Die Kaffeefazenda Genebra 157. Färbung des Himmels 157. Reise in den Norden des Staates Rio de Janeiro 158. Macahe 158. Campos 159. Hahnenkampf daselbst 159. Murundu 160. Capoeira daselbst 160. S.Eduardo 160. Pflanzenformen bei S. Eduardo 161. Urwald 161. Mimoso im Staat Espirito-Santo 162. Tropengewitter 163. Maulthiere 165. Stromschnelle des Rio Mucuy do Sul 166. Podoste- maeeen 167. Der Europäer im tropischen Brasilien 168. Die Natur in den Tropen und in der gemässigten Zone 169. VI. Heimreise. Abreise von Rio 170. Sternenhimmel 171. Kapverdische Inseln 172. Pic von Tenerifa 173. Ankunft in Lissabon 174. Der botanische Garten daselbst 174. Reise nach Sevilla 177. Orangengarten am Guadalquivir 180. Stiergefecht in Sevila 181. Granäda 183. Die Alhambra 183. Höhlen- wohnungen der Zigeuner 184. Die Sierra Nevada 185. Tänze der Zigeu- nerinnen I85. Reise nach Hamburg 186. Ankunft in Jena 187. Einige Litteratur 188. L Ausreise. eit vielen Jahren hegte ich den lebhaften Wunsch, die Tropenwelt durch eigene Anschauung kennen zu lernen. Dieser Wunsch steigerte sich mehr und mehr zu leidenschaftlicher Sehnsucht. Beim Besuch euro- päischer Hafenstädte stimmte mich der Anblick schöner, grosser Schiffe, auf denen die Vorbereitungen zur Fahrt über den Ocean getroffen wurden, stets traurig, weil es mir nicht vergönnt war, hinauszuziehen in die weite Welt, von deren Pracht und Herrlichkeit ich träumte. Manche meiner Freunde und Collegen hatten bereits weite Tropen- reisen unternommen; ihre begeisterten Schilderungen trugen wesentlich dazu bei, mein sehnsüchtiges Verlangen immer aufs Neue zu beleben. Wie sollte es auch anders sein! Für den Botaniker ist der Wunsch nur zu natürlich, die unvergleichliche Fülle des Lebens, die sich den staunenden Blicken unter heisserer Sonne darbietet, kennen zu lernen und den Formenreichthum, die wunderbaren biologischen Einrichtungen sowie physiologischen Leistungen tropischer Vegetation an der Quelle zu studiren. Dazu kam noch die Absicht, einige wissenschaftliche Fragen, die mich lange interessirten, in den Tropen weiter zu verfolgen. Endlich, endlich, nach langem Hoffen, trafen verschie- dene Umstände so günstig zusammen, dass ich den Ent- schluss fassen durfte, eine Tropenfahrt zu unternehmen. Mein Reiseziel war Brasilien. Detmer, Brasilianische Reisebilder. I 2 Ausreise. Mit hoher Befriedigung blicke ich nunmehr zurück auf den wissenschaftlichen Gewinn sowie den ästhetischen Ge- nuss, den die Reise gewährte. Ich fühle mich allen den- jenigen gegenüber zu wärmstem Danke verpflichtet, welche mein Unternehmen irgendwie förderten, namentlich Sr. Königl. Hoheit dem Grossherzog von Sachsen -Weimar -Eisenach, dem hohen Staatsministerium um\ 1 [errn Geheimen Staats- rath Dr. Eggeling in Jena für den bereitwilligst ertheilten Urlaub, und der Rheinisch naturforschenden Gesellschaft zu Mainz für die in liberaler Weise zur Verfügung gestellte Reiseunterstützung. Nachdem alle Vorbereitungen zur Reise sorgfältig ge- troffen waren, schlug am Nachmittag des 10. August 1895 die Abschiedsstunde. Der Zug brauste am Weimar-Geraer Bahnhof heran. Ein letztes, herzliches Lebewohl rief ich den Meinen sowie einigen Freunden zu, und fort ging es in die weite Welt. Am Nachmittag des 14. August begab ich mich in Hamburg an Bord der Tijuca. Dieses der Hamburg-Süd- amerikanischen Dampfschifffahrts - Gesellschaft gehörende Schiff wird vom Capitain Bucka geführt. Dasselbe hat eine Länge von 309', eine Breite von 36', und seine Höhe, vom Deck bis zum Kiel, beläuft sich auf 30'. Es existiren verschiedene Gesellschaften, welche eine regelmässige Verbindung zwischen Europa und Bahia sowie Rio de Janeiro aufrecht erhalten. Abgesehen von der ge- nannten sind besonders zu erwähnen der Norddeutsche Lloyd in Bremen, die Royal Mail -Company (Southampton), die Messageries maritimes (Bordeaux). Die Schiffe der Hamburger Compagnie befördern Pas- sagiere erster Cajüte und Zwischendeckpassagiere. Jede Woche geht regelmässig ein Schiff von Hamburg und eins von Brasilien ab. Es ist Platz für ca. 50 Cajüten- und 200 Zw7ischendeckpassagiere vorhanden. Ueberdies nehmen die Schiffe stets viel Fracht mit, welche auf der Reise von Ausreise. -> Europa nach Brasilien besonders in Manufactur- und Eisen- waaren besteht. Auf der Tijuca herrschte ein reges Leben, als ich an Bord kam. Die letzten Vorbereitungen zur Fahrt wurden getroffen, und im Laufe des Abends fanden sich auch sämmtliche Passagiere ein. Bei Antritt einer längeren See- reise widmet man der Reisegesellschaft ganz naturgemäss ein besonders lebhaftes Interesse, weil man mehrere Wochen so sehr auf dieselbe angewiesen ist. Man beobachtet die Menschen und wird wieder beobachtet, oder man knüpft hier und dort eine Unterhaltung an; so tastet man gleich- sam umher, um diejenigen herauszufinden, denen man sich anschliessen möchte. Der Zufall fügte es, dass ich gleich am ersten Abend zu einigen Damen und Herren, deren Bekanntschaft mir in Brasilien sehr angenehm und nützlich werden sollte, Beziehungen gewann. Am 15. August früh um 7 Uhr ertönte das Signal zur Abfahrt. Der Hamburger Hafen, Altona, die schönen Land- häuser am rechten Eibufer und das so überaus anmuthige Blankenese lagen bald hinter uns. Die Wasserfläche des stolzen Flusses wird immer breiter. Bei Cuxhafen sahen wir einen Postdampfer der Hamburg-Amerikanischen Packet- Actien-Gesellschaft. Er entschwand unseren Blicken aber bald wieder, denn das Schiff legte 17 Seemeilen in der Stunde zurück, während wir nur mit der Geschwindigkeit von 12 Meilen fuhren. Nun befanden wir uns auf See. Nach einiger Zeit, nachdem uns der Lootse bereits verlassen hatte, tauchten die prächtig von der Sonne beschienenen, roth schimmernden Sandsteinfelsen von Helgoland aus dem Meere empor. Gegen Abend bot sich lange Gelegenheit, den Flug der unser Schiff begleitenden Möven zu beobach- ten. Bewunderungswürdig ist in der That die Ausdauer und Geschwindigkeit, mit der diese Vögel zu fliegen ver- mögen. Zahlreiche Thiere kreisten hoch in der Luft über a Ausreise. dem Schiit". Ab und an führten sie einige Flügelschläge aus, um sich daran! ruhig schwebend weiter /.u bewegen. Dann sanken sie plötzlich bis zur Wasseroberfläche her- nieder, aber alsbald flogen sie im weiten Bogen wieder empor. Dieses Spiel der Vögel gewährt einen überaus anziehenden Anblick. Gleich am ersten Tage forderte die Seekrankheit viele Opfer; ich blieb jetzt, sowie überhaupt während der Aus- und Heimreise, selbst bei heftigem Sturm, völlig von dersel- ben verschont. Die Bewegung des Schiffes kann eine rollende, d. h. von einer zur andern Seite gerichtete, oder eine stampfende sein. Im letzteren Falle senkt sich der Schiffskörper mit seinem vorderen Theil in die Fluth, wäh- rend der hintere Theil desselben emporgehoben wird, oder umgekehrt. Der Neigungswinkel des Decks zur Horizon- talen wird beim Rollen und Stampfen des Schiffes leicht überschätzt. Im ersteren Falle beträgt er für grosse Schiffe wohl selten mehr als 30", im letzteren höchstens 10". Wenn das Schiff stark rollt, so kommt es vor, dass die Raaen der Masten ins Wasser eintauchen, und das Schiff auch Wasser schöpft. Am 16. August fuhren wir bei Dover an den hell schimmernden Kreidefelsen der englischen Küste vorüber, und am folgenden Tage trat unser Schiff in den Meerbusen von Biscaja ein. Unvergleichlich herrlich ist der weite, unermessliche Ocean an jedem Orte und zu jeder Zeit. Schön erscheint die tief indigoblaue Farbe des Meeres, an der ich mich niemals satt sehen konnte. Schön ist das Meer, wenn sich bei klarem Wetter die blaue Himmelsglocke über der Fluth wölbt, das Wasser leise rauscht, das Flüstern des verrinen- den Schaumes, welches demjenigen des vom Winde leicht bewegten Birkenlaubes ähnelt, an unser Ohr tönt, und die vom Wasser reflectirten Strahlen der noch nicht hoch stehen- den Sonne in ihrer Lichtfülle gleich einer goldfunkelnden, Ausreise. - weitgespannten Brücke auf der Fluth ruhen. Einen wunder- vollen Anblick gewährt der Ocean zuweilen in dunklen, warmen Nächten. Hinten am Heck, wo die Schraube rast- los arbeitet, wallt und wogt gleich einem weissen, mit hell funkelnden Sternen besäeten Schleier der Schaum. Ein entzückendes Bild entfaltet sich hier und rings um das Schiff dem staunenden Auge. Es leuchtet und sprüht, es funkelt und glüht überall. Das ist das Phänomen des Meer- leuchtens, hervorgerufen durch die Lebensthätigkeit zahl- loser Organismen, besonders der Infusorien, Radiolarien, sowie Medusen. Und schön ist das Meer auch im Sturm. Das Schiff hebt und senkt sich im hohen Bogen. Die ge- waltigen, schaumgekrönten Wogen rauschen heran. Ganze Wassermassen reissen sich von ihnen los, um sich in Strö- men auf das Deck zu ergiessen. In den Lüften heult der Sturm, dunkle, tief hängende Wolken vor sich her treibend. Die ganze Natur erscheint gleichsam leidenschaftlich erregt; frei und kühn entfaltet sie ihre wundersame, uralte Kraft vor den Blicken des Menschen. Unser Capitän war zunächst durch seinen Dienst sehr in Anspruch genommen. Er verweilte während der Fahrt durch die Nordsee und den Canal, die immer besondere Aufmerksamkeit erfordert, fast stets auf der Commando- brücke. Jetzt lernten wir den vortrefflichen Herrn Bucka sowie seine Officiere aber näher kennen, und es war mir unter anderem interessant zu beobachten, wie die Seeleute vielfach zu ihrem Schiff in einem förmlich persönlichen Ver- hältnisse stehen. Sie rühmen seine Fahrgeschwindigkeit oder sonstige gute Eigenschaften desselben; kein anderes Schiff kommt eben dem ihrigen gleich. Am 19. August erreichten wir Lissabon. In dieser Stadt hielt ich mich auf der Rückreise längere Zeit auf und komme daher erst später eingehender auf Manches zu sprechen, was hier noch keine Erwähnung finden kann. Der Tejo, wie ihn die Portugiesen nennen, oder Tajo, t ) Ausreist . wie er im Spanischen heisst , ist bei Lissabon, also nahe seiner Mündung in den ( >cean, sehr breit. Am linken Fluss- ufer ziehen sich ivich bewachsene I [ügelketten hin. Am rechten Ufer liegt die Hauptstadt Portugals. Vom Schiffe aus erblickt man ein weit ausgedehntes Häusermeer , wel- ches um so imponirender wirkt, als es sich vom Strome aus terrassenförmig an den Abhängen der zahlreichen Hügel erhebt, auf denen die Stadt erbaut ist. Wir nahmen ein Ruderboot und landeten an einem von stattlichen Gebäuden umgebenen Platz, Praca do commercio, der auf der einen Seite vom Tejo begrenzt und in seiner Mitte durch die Reiterstatue, Josephs I. geschmückt wird. Durch einen gross- artigen Ruhmesbogen tritt man in eine der Hauptstrassen ein. Dieselben sind regelmässig gebaut, auch sehr gut ge- pflastert. Viele der beiden Trottoirs zeigen sich aus kleinen, zu verschiedenen Mustern gruppirten Steinchen zusammen- gesetzt. Balkons erblickt man in grosser Zahl. Die Aussen- wände mancher Häuser sind mit blau und weiss gezeich- neten Fayenceplatten bekleidet. Hübsch ist die Praca d. S. Pedro IV., der Camoensplatz mit dem Denkmal des be- deutendsten portugiesischen Dichters und die breite, mit Baumreihen, sowie Palmen und prächtigen Cycadeenexem- plaren geschmückte Avenida. Die Strassen der Altstadt, welche von dem entsetzlichen Erdbeben verschont blieben, das Lissabon am i. November 1755 heimsuchte, sind eng und krumm. Lohnend ist ein Besuch der schönen Kirche „Egreja da Estrella" und eines herrlichen, halb im mauri- schen, halb im romanisch- gothischen Stil errichteten Bau- werkes im westlichen Stadttheil Belem. Ursprünglich ein Kloster, wird das weitläufige Gebäude heute als Waisen- und Findelhaus benutzt. Sehenswerth sind zumal der reich geschmückte Kreuzgang, sowie die gothische Kirche. Die Gärten der Hauptstadt, besonders derjenige von d'Alcäntara, sowie der unvergleichlich schöne und reichhaltige botanische Garten, sollen erst später besprochen werden. Ausreise. -j Wenn man das Leben und Treiben im Hafen von Lissabon sowie in der Stadt betrachtet, so wird man sofort auf die hohe commercielle Bedeutung derselben hingewiesen. In den Strassen herrscht ein reger Verkehr von Fracht- wagen, Pferdebahnen, Droschken und eleganten Equipagen. Die letzteren durcheilen oft in rasender Geschwindigkeit die Stadt, so dass es gilt, in den belebteren Theilen derselben Augen und Ohren offen zu halten. Lissabon hat reich aus- gestattete Läden. Auf den Trottoirs drängen sich viele Menschen. Die Männer aus dem „Volk", meist nicht gross und schmal gebaut, tragen eigenthümliche Zipfelmützen und zur Befestigung ihrer Beinkleider bunte Leibbinden. Die Marktfrauen in blossen Füssen, befördern ihre Waare in Körben, die auf dem Kopf ruhen. Auch Neger und Negerinnen sieht man zuweilen. Mit grossem Geschrei bieten Männer sowie Knaben den Vorübergehenden Loose und Zeitungsblätter an. Dem Rundgange durch die Stadt folgte ein Besuch der sehr sehenswerthen Markthallen. In denselben werden alle möglichen Dinge, insbesondere Fleisch, Geflügel, Ge- müse, Früchte, zum Verkauf ausgeboten. Man sieht hier grosse Mengen der köstlichsten Melonen, Orangen, Wein- trauben, Pfirsiche, Bananen. Ebenso in Salzwasser ab- gekochte Oliven und ferner Feigen. Diese letzteren stellen bekanntlich im botanischen Sinne keine Frucht, sondern einen Fruchtstand dar. Der Feigenbaum, Ficus Carica, erreicht eine Höhe von ca. 8 m; er wird in Südeuropa vielfach in Gärten cultivirt. Die Feige selbst ist die hohle Blüthenstandsachse, an deren innerer Oberfläche die Blüthen, später aber die Früchte als harte Körner sitzen. Oben ist die Höhlung durch kleine Hochblätter verschlossen. Der Hauptbahnhof Lissabons, von dem aus wir nach Cintra fuhren, liegt, was sehr bequem für den Reisenden ist, mitten in der Stadt in unmittelbarer Nähe der Avenida. Wenn der Zug die Bahnhofshalle verlassen hat, muss er g Ausreise. sogleich einen langen Tunnel passiren. Nach dem Austritt aus demselben erblickt man zahlreiche mit Mauern um- schlossene Gärten, in denen besonders Orangenbäume cul- tivirt werden. Auch Oliven- und Maisculturen sind häufig. Einen eigenartigen Eindruck gewähren die zum Schutz der Felder an den Grenzen derselben reihenweise gepflanzten Agaven mit ihren riesigen, fleischigen, graugrünen, stachel- randigen Blättern. Übrigens sieht man diese Pflanzen hier lange nicht in solcher Menge wie z. B. an manchen Orten Spaniens. Die Gegend, welche der Zug durcheilt, ist hügelig. Sonnendurchglühte, abgeerntete Felder breiteten sich vor unseren Augen aus. Als ich die Fahrt nach Cintra im December noch einmal unternahm, erschien mir das ganze Land in einem weit freundlicherem Lichte als jetzt im Hochsommer, weil die Winterregen die Natur belebt hatten und frisches Grün hervorgesprosst war. Allmählich näherten wir uns den bis zu ca. 500 m emporsteigenden granitischen Bergen von Cintra. Diesen Ort erreicht man von Lissabon mit der Bahn in etwa einer Stunde. Die reizende kleine Villenstadt liegt malerisch an den Abhängen bewaldeter Höhen. Durchströmt von einem rauschenden Bach, in dessen Nähe sich sehr alte Olivenbäume, Castanien, Nussbäume, Platanen erheben, geschmückt mit herrlichen Gärten und überragt von den Kuppen des Gebirges, bietet sie das Bild eines kleinen Paradieses dar. In Cintra angelangt, trennte ich mich von unserer Reisegesellschaft. Die Mehrzahl der Damen und Herren nahmen Wagen, um dem berühmten Schloss Palacio da Pena einen Besuch abzustatten. Ich schlug mit einem jungen Kaufmann, der in Brasilien sein Glück machen wollte, den zum Schloss führenden Fussweg trotz drücken- der Hitze ein, da mir daran lag, die Flora der Gegend wenigstens in etwas kennen zu lernen. Ausreise. g Wir hatten das erwähnte Schloss, welches, in maurisch- gothischem Stil erbaut, der portugiesischen Königsfamilie als Sommeraufenthalt dient, bald erreicht. Leider konnten wir nicht eintreten, da sich die Königin im Schloss aufhielt. Um so mehr Zeit gewannen wir für die Besichtigung des herrlichen Parkes. In demselben erbückt man die ver- schiedenartigsten Bäume und Sträucher. Der Epheu über- rankt das hier und dort zu Tage tretende nackte Gestein; er klettert auch mittelst seiner auf der vom Licht abge- wandten Seite des Stengels entspringenden Haftwurzeln hoch an den Bäumen empor. Fuchsiabüsche sowie Hortensien standen in voller Blüthe. Besonders interessirten mich Farnbäume, die ich später bei Rio de Janeiro in ihrer un- vergleichlichen Schönheit wild wachsend sehen sollte, Cy- pressen, Exemplare von Araucaria excelsa (Norfolktanne) und riesige Eucalypten. Diese letzteren Bäume, zu der Familie der Myrtaceen gehörend, stammen fast alle aus Australien. Sie erreichen in der Heimath zuweilen die enorme Höhe von 120 — 150 m. Alle übrigen Bäume, auch die gewaltige Wellingtonia gigantea, übertreffen sie demnach an Grösse. Die Eucalyptusblätter sind an den jüngeren Pflanzen meist gegenständig, an den Zweigen der älteren gewöhnlich wechselständig gruppirt und von derber, lederartiger Beschaffenheit. Ein weitgedehnter Abhang im wunderschönen Park, der durch die Anlage kleiner Teiche und Wasserläufe noch abwechselungsreicher gestaltet wird, ist ganz mit Camellien bepflanzt, die ich im December in beginnender Blüthe fand. Eine herrliche Aussicht geniesst man vom Schloss aus auf die benachbarten grünen Höhen, auf das Thal und das Meer. Wir verliessen den Park und wanderten auf einer Chaussee, die schliesslich auf die von Cintra nach Collares führende Strasse ausmündet, bergab. Im Vordergrund er- blickt man das Meer, zur Seite des W'eges an den Berg- abhängen hoch aufgethürmte Felsblöcke und eine Wald- I o Aumi ise. Vegetation von typisch - mediterranem Charakter. Lieber allem ruht ein tief blauer Himmel. Eine Lichtfülle, wie wir eine solche in unseren höheren Breiten nicht kennen, fluthete über Berg und Thal. Der Wald bei Cintra ist reich an Laubhol/.. Die Bäume werfen ihre Blätter aber im Winter nicht ab, sondern sie sind immergrün. Man erblickt namentlich Eichenarten mit derbem, unterseits grauhaarigem Laub, Quercus ilex sowie Quercus suber (Korkeiche). Die letztere wird in Portugal und Spanien ihrer mächtig entwickelten korkigen Rinde wegen auch vielfach eultivirt. Charakterpflanzen dieser Gegend sind ferner Pinus maritima und die malerische Pinie (Pinus pinea), deren aufstrebende Äste sich zu einer schirmförmigen, abgerundeten Krone gruppiren. Am Wald- rand oder unter den Bäumen gedeihen strauchartige Euphorbien, Spartum junceum, Büsche von Erica arborea, welche Pflanze im December mit weissen Blüthen ge- schmückt ist, und dorniger Ulex mit stechenden Blättern. Zahlreiche Gewächse der mediterranen Elora lassen sehr leicht Anpassungen an die Hitze und Trockenheit des Sommers erkennen, während ihr immergrüner Charakter zugleich auf die Milde des Winters hinweist. Leider reichte die Zeit nicht hin, um noch die einem Engländer gehörende Villa Monserrate zu besichtigen. Am 21. August setzte unser Schiff die Reise nach Brasilien fort, nachdem noch 60 Zwischendeckpassagiere, portugiesische Auswanderer, aufgenommen worden waren. Viele dieser Männer und Frauen, die sich nicht gerade durch Sauberkeit und Ordnungsliebe auszeichneten, erblickt man während der ganzen Reise am Tage, gleichsam ge- bannt an ein und denselben Platz des Vorderdecks liegen, ohne dass sie eine Hand rühren. Auffallend hübsch waren einige schwarzäugige und schwarzhaarige Kinder dieser Leute. Die Schönheit der Lage Lissabons trat erst recht in die Ausreise. I i A/yV\AAAAAA/V\AAAAiVVVV»V*»N*^i*»*^ * *i*i*i*i*i* 1*1*1*1*1*1* Erscheinung, als wir jetzt bei herrlichem Wetter stromab- wärts dem Ocean zusteuerten. Wo sich das Häusermeer in den Vororten der Stadt lichtet, wird das reizende Bild mehr und mehr durch grünende Gärten belebt, die sich an den Hängen zwischen den Häusern hinziehen. Auf den Höhen erblickt man viele Windmühlen, dicht am Tejoufer aber die gewaltigen Gebäude des Klosters von Belem sowie einen alten Thurm von arabischer Bauart, dessen Plattform eine den Fluss beherrschende Batterie trägt. In der Ferne tauchen in blauem Duft die waldigen Cintraberge auf. Die lange Reise von Lissabon bis Bahia wurde von der Tijuca ohne Aufenthalt in einem Hafenplatz zurück- gelegt. Bevor wir die weite Fahrt antreten, dürfte es wohl geboten sein, einige für den nach Brasilien reisenden besonders interessante allgemeine Bemerkungen über Luft und Meer, die Elemente, in denen sich das Schiff bewegt, vorauszuschicken. In der Nähe des Äquators wird die Luft durch die Sonnenstrahlen stark erwärmt. Sie steigt empor und fliesst nach den Polen ab. In Folge der Drehung der Erde schlägt die Luft aber keine rein nördliche resp. südliche Richtung ein, sondern sie bewegt sich auf der nördlichen Halbkugel von Südwesten nach Nordosten, auf der süd- lichen von Nordwesten nach Südosten. Zum Ersatz der durch die in hohen Regionen der Athmosphäre wehenden oberen Passate fortgeführten Luftmassen strömt natürlich neue Luft nach dem Äquator hin. So entsteht auf der nördlichen Hemisphäre der Nordost-, auf der südlichen der Südostpassat. Im atlantischen Ocean erstreckt sich der erstere bis etwa zum 30. Grad. Die Grenze des Südost- passates ist weniger genau bestimmt. Nordost- und Süd- ostpassat werden als untere Passate bezeichnet, weil sie dicht über der Meeresoberfläche wehen. Eingeschlossen von den beiden Passatregionen liegt eine Zone, die man Region der Calmen nennt. Die durchschnittliche Breite der- selben beträgt 6°; ihre Mitte fällt aber nicht, wie man glauben 12 Ausreise. möchte, mit dem Äquator zusammen, sondern sie ist mehr nach Norden gerückt. Zur Zeit unserer Sommermonate ist der Calmengürtel breiter als während unseres Winters. Das Vorhandensein der unteren Passate nimmt man auf der Reise nach Brasilien in den betreffenden Breiten natürlich unmittelbar wahr. Die Capitäne der Dampfer suchen diese Winde, indem zur rechten Zeit Segel aufge- setzt werden, auch zu benutzen, um die Geschwindigkeit der Schiffe in etwas zu beschleunigen. Von dem Vor- handensein der oberen Passate überzeugt man sich leicht, wenn man den Lauf der in hohen Luftregionen schwebenden zarten Cirren verfolgt. Bei Nordostpassat, der über der Meeresfläche weht, sieht man diese Wolken z. B. oft von Südwest nach Nordost ziehen. Das Meerwasser besitzt nicht an allen Orten die näm- liche Zusammensetzung. Das Wasser des Oceans enthält z. B. ca. 3.5°/0 Salz, ioo Theile desselben bestehen zu ca. 75% aus Chlornatrium (Kochsalz). Daneben kommen Chlor- magnesium, Chlorkalium, Brommagnesium, Kalksalze etc. vor. Die Farbe des Oceans ist bei wolkenfreiem Himmel eine unvergleichlich schön tief indigoblaue. Diese Färbung kommt theils durch Spiegelung des blauen Himmels im Meer zu Stande, theils hat sie darin ihren Grund, dass das Wasser in dicker Schicht das auffallende Licht der Haupt- sache nach absorbirt und nur blaue Strahlen reflectirt. Bei trübem Wetter erscheint der Ocean graublau. Ein Meer von relativ geringer Tiefe und reichlicherem Gehalt an suspendirten festen Elementen hat, wie z. B. die Nord- see, eine grünliche Farbe. Die bedeutendsten Tiefen, welche man bis jetzt im Ocean nachgewiesen hat, betragen 7 — 8000 m. Der Meeresboden ist nicht eben, sondern es wechseln auf dem- selben hohe, aber sanft ansteigende Bodenanschwellungen mit weiten Thälern. Die Beschaffenheit des Meeresgrundes ist an den Küsten eine sandige, oder, wo in Buchten und Ausreise. I •? in der Nähe grösserer Inseln in Folge relativer Ruhe des Wassers die Möglichkeit der Ablagerung feinster Theile aus dem Wasser gegeben, eine schlammig-thonige. Auch aus der Fluth des freien Oceans senken sich fortwährend feinste Elemente langsam zu Boden; die Natur der auf solche Art gebildeten Sedimente kann eine sehr verschiedenartige sein. Bald hat man es nämlich mit grauen und rothen Thonen, bald mit dem aus den Kalkschalen abgestorbener Foraminifeeren bestehenden Globigerinenschlamm oder mit Anhäufungen der winzigen Kieselpanzer von Radiolarien und Diatomeen zu thun. Die Temperatur der oberen Schichten des Meerwassers ist selbstverständlich bedeutenden Schwankungen unter- worfen. In grösserer Tiefe verschwinden dieselben mehr und mehr. In ca. iooo m Tiefe herrscht eine Temperatur von etwa 40 C, und in 5500 m Tiefe sinkt sie auf o bis + 2°C. Über die Höhe der Wellen macht man sich oft ganz übertriebene Vorstellungen. Wellen von 30 m Höhe giebt es thatsächlich nicht, obgleich dies oft behauptet worden ist. Genaue Untersuchungen verschiedener Forscher er- gaben für die Höhe der mächtigsten Wellen des Oceans etwa 13 m, für diejenige der Nordsee nur 5 m. Es ist hierbei stets die Höhendifferenz zwischen der tiefsten Stelle des Wellenthaies und der höchsten des Wellenberges ge- messen worden. Wir verliessen Lissabon, wie gesagt, am 21. August. Das Wetter blieb anhaltend schön, so dass wir den Wende- kreis des Krebses schnell erreichten. Nun befanden wir uns wirklich in den Tropen. Als ersten Gruss sandten die- selben fliegende Fische (Exococtus) auf Deck. Diese merk- würdigen Thiere von ca. 25 cm Länge zeichnen sich durch ihre grossen Augen und dadurch aus, dass sie insbesondere unter Beihülfe ihrer Brustflossen zu „fliegen" befähigt sind. Dieselben können weit ausgespannt werden, und ihre Haut i _l Ausreise. gewinnt durch gabelig verzweigte, den Speichen eines Schirmes ähnlich wirkende, derbe Strahlen hinreichenden Halt. Die Thiere erheben sich nur bei bewegter See in die Luft. Wahrscheinlich vermögen sie keine activen Flug- bewegungen auszuführen, sondern werden, wenn sie pfeil- schnell aus der Fluth herausgeschnellt sind, allein unter Ver- mittlung der ausgespreizten Flossen durch die Luft getragen. Die Hitze war schon recht bedeutend, namentlich fehlte die nächtliche Abkühlung, wie einige dem Schiffsjournal entlehnte Angaben zeigen mögen: 25-/8. 12 Uhr mittags, 2 1.38 ° n. B. 25-/8- 26-/8. Temp im eratur der Schatten Luft °.C. Temperatur des Meeres ° C 12 Uhr mittags 27.O 26.O 8 5' abends 25.6 25-3 4 •) morgens 25-5 26.2 12 ?) mittags 29.O 26.7 8 JJ abends 26.5 26.1 26 ./8. 12 Uhr mittags, 16.520 n. B. Wir näherten uns jetzt schnell der Region des momen- tanen Zenithstandes der Sonne, ca. 10 ° n. B. Gegenstände, z. B. Stöcke, die zur Mittagszeit senkrecht aufgestellt wur- den, warfen fast gar keinen Schlagschatten mehr, und nach Überschreitung jener Region zeigte sich das merkwürdige Bild, dass die Sonne zu Mittag im Norden stand. Auch eine andere Erscheinung kann ich hier nicht unerwähnt lassen, die jedem Tropenreisenden auffallen muss. Ich meine die Kürze der Dämmerung. Der für uns ganz ungewohnte rasche Übergang von hellem Tag zu dunkelster Nacht, der sich in den Tropen in etwa einer halben Stunde vollzieht, ist Folge des senkrechten Hinabsteigens der Sonne. Am 30. August nachmittags i1^ Uhr passirten wir den Äquator, oder, wie man auch sagt, die Linie. Das gab ein grosses Fest. Wir hatten nämlich unseren liebenswür- digen Capitän gebeten, alle diejenigen, welche noch nicht über die Linie gekommen waren, taufen zu lassen. Ausreise. I j- Ein grosses Segel wurde auf dem Hinterdeck aus- gespannt und mit einer Wasserschicht von ca. 2 Fuss Höhe angefüllt. Ein Kanonenschuss ertönt, die Dampfpfeife er- schallt und Neptun ist an Bord. Er naht beim Klange der Musik, geziert mit einer Krone aus Goldpapier und einem mächtigen Bart aus Werg, gefolgt vom Schiffspersonal. Neptun hält eine feierliche Rede. Dann werden die Neu- linge, die jüngeren Herren unter den Passagieren, sowie die Matrosen , nachdem sie leichte Leinwandkleider angelegt haben, mittelst eines grossen Pinsels gründlich eingeseift, im Gesicht zudem mit Russ verschönert, mit einem grossen Holzmesser barbiert und endlich einer nach dem anderen rücklings in das Wasser des Segels geworfen. Das giebt ein lustiges Zappeln und Spritzen. Die Damen sowie älteren Herren kommen gnädiger davon. Ueber ihrem Kopf wird nur ein nasser Schwamm ausgedrückt. Jeder Täufling empfängt einen vom Capitain unterzeichneten Taufschein. Wir waren alle in die heiterste Stimmung versetzt, und ver- brachten den Abend , nachdem das Deck mit Lampions geschmückt worden war, fröhlich bei Gesang und Tanz. Merkwürdig, wie nahe sich Menschen der verschiedensten Lebensstellung und Anschauung bei Gelegenheit einer län- geren Seereise aneinander anschliessen können! Den 31. August passirten wir die unter 3.500 s. B. lie- gende brasilianische Inselgruppe Fernando de Noronha, welche der Regierung zur Deportation von Verbrechern dient. Diese Inseln, der Hauptsache nach aus vulkanischem Gestein (Phonolith, Basalt aufgebaut, tragen, abgesehen von einigen Waldbeständen, wenig Vegetation, da das Klima sehr trocken ist. Reptilien und Vögel, letztere haben zur Entstehung von Guanolagern Veranlassung gegeben , sind in grosser Individuenzahl vorhanden. Die Säugethiere sind nur durch, wahrscheinlich eingeführte, Ratten vertreten. Die- selben bilden eine Landplage, und daher wird monatlich einmal ein Rattentag angesetzt, an welchem die Sträflinge l5 Ausreise. tausende der Thiere tödten. Eine der schmalen Inseln , an deren Westküste wir ganz dicht entlang fuhren, trägt einen steil emporragenden Pic. Etwa um 10 Uhr morgens sahen wir das Land gleich einem Nebelstreif am Horizont auftauchen. Gegen 12 Uhr lagen die malerischen, vegetationsarmen, felsigen Küsten der Insel zum Greifen deutlich vor unseren Blicken. Sie heben sich scharf vom blauen Hintergrunde des Himmels ab. Der Pic, ca. 800 Fuss hoch, steigt fast senkrecht em- por, und die schön geschwungenen Linien benachbarter Felsmassen , sowie einzelne hochragende Palmen verleihen dem Bilde etwas überaus Anziehendes. An einer Stelle hat sich ein Felsenthor gebildet, durch welches ein Meeresarm tosend seinen Weg sucht. Hoch empor spritzt der weisse Schaum der starken Brandung, das gelb -graue steil zum Meer abfallende Gestein benetzend. Aber das Glück dieses Tages sollte noch nicht voll- endet sein. Als ich nach Tisch an Deck kam, bot sich ein Schauspiel von überwältigender Grossartigkeit dar. Im Süden und Norden hochgethürmte, zackige Wolkenmassen. Nach Westen zu schien der Himmel in Flammen zu stehen. Wo ist ein Maler, der es vermöchte, die Gluth der Farben und auf der anderen Seite den zarten rosigen Hauch hoch schwebender Wolken wiederzugeben? Und erzielte der Maler dies auch, es wäre doch nur wenig erreicht, weil er immer nur einen Moment fixiren könnte. In Wirklichkeit wechselt das Bild in jedem Augenblick. Hier flammt es auf, dort lagern sich Schatten über den strahlenden Horizont; ein Werden und Vergehen von wundersamer Schönheit! Die Dämmerung macht schnelle Fortschritte. Noch glüht der Himmel im Westen, aber das Licht des Saturns ist bereits erkennbar, und schon leuchtet das Meer im Mon- denglanz, während die Wolken gleich schneebedeckten Berg- riesen erstrahlen. Da sendet mir der wachthabende Officier einen Boten, das südliche Kreuz sei zu sehen. Ich eile auf Ausreise. j 7 die Commandobrücke, und wirklich, zum ersten Mal erblicke ich jenes Sternenbild des südlichen Himmels. Dasselbe er- schien in nicht bedeutender Höhe über dem Horizont als liegendes Kreuz, ein Stern links, die drei weiteren nach rechts gerückt. In der Nähe funkelten zwei andere Fix- sterne erster Ordnung. Wohl ist nicht zu verkennen, dass der grosse Bär sowie der Orion schöner sind, als das süd- liche Kreuz, aber daran dachte ich jetzt kaum. Ich genoss nur den Augenblick. Wer sollte sich, umfächelt von war- mer, weicher Luft einer Tropennacht, beim ersten Anblick des südlichen Kreuzes nicht tief ergriffen fühlen! Und ferner die Milchstrasse, glanzvoller und Sternenreicher als in unseren Breiten, deren Lichtbogen nur durch dunkle, sternenarme Stellen, die sogen. Kohlensäcke, unterbrochen ist. Dazu gesellen sich noch als für den Nachthimmel der südlichen Hemisphäre besonders charakteristische Gebilde die beiden Kap wölken oder Magellanischen Wolken, die in Gestalt zarter, leuchtender Nebel erscheinen. Am 2. September sahen wir riesige, vielleicht 50 Fuss lange Wallfische. Ihr gewaltiger Rücken tauchte ganz nahe beim Schiff aus der Fluth empor. Auch Delphine oder Schweinefische zeigten sich in grösserer Zahl. Bei Tisch wurde in feierlicher Weise der Ereignisse des Jahres 1870 gedacht, und abends erblickten wir das Leucht- feuer auf der Barre von Bahia. Die nach Süden geöffnete Allerheiligenbai lag vor uns. Nach kurzer Zeit ankerten wir bei Bahia. Raketen und Leuchtkugeln stiegen in die Luft. Die auf der Victoria wohnenden Deutschen beantworte- ten unseren Gruss sofort. Morgens am 3. September kamen brasilianische Zollbeamte, sowie ein Arzt zur sogen. Visite an Bord. Ich nahm herzlichen Abschied vom Capitän, den Officieren, sowie den Passagieren, welche weiter nach Rio oder Santos gingen, und ein von sechs Schwarzen gerudertes Boot brachte mich an Land. Detmer, Brasilianische Reisebilder. IL Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. er portugiesische Seefahrer Pedro Alvares Cabral landete im Jahre i 500 in der Nähe von Bahia an der brasilianischen Küste und nahm das Land am 1. Mai dieses Jahres für die Krone Portugals in Besitz. Die Portugiesen legten zunächst wenig Gewicht auf das neu gewonnene Land; einen grossen Theil desselben mussten sie im 17. Jahrhundert den Niederländern überlassen, welche sie allerdings im Jahre 1661 schon wieder verdräng- ten. Brasilien blieb nun lange Zeit völlig abhängig von Portugal. Nach vielen Unruhen wurde 1822 das selbst- ständige Kaiserthum proclamirt und Don Pedro, ein portu- giesischer Prinz, bestieg den Thron. Aber schon im Jahre 1831 musste Don Pedro I. abdanken. Es folgte ihm der zunächst noch minderjährige Don Pedro IL Während der Regierung dieses Kaisers hat das Land manche Unruhen überstehen und namentlich einen ernsten Krieg gegen Pa- raguay durchmachen müssen. Nachdem bereits im Jahre 1830 zumal unter dem Drucke Englands, die Sklaveneinfuhr aus Afrika nach Brasilien officiell verboten worden war, obgleich sie noch lange im Geheimen fortbestand, sanctio- nirte der Kaiser 1871 das vortreffliche Sklavenemancipations- gesetz, nach welchem die vom Datum des Gesetzes an von Sklavinnen geborenen Kinder als freigeboren betrachtet und Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. i q ausserdem Fonds zum Loskauf würdiger Sklaven gebildet werden sollten. Für die besonderen in Brasilien gegebenen Verhältnisse erschien es in der That von hoher Wichtigkeit, die Sklavenemancipation allmählich durchzuführen. Dies war auch schon in erheblichem Umfange geschehen, als im Jahre 1888, besonders auf Antrieb der Kronprinzessin Izabel, die Sklaverei ganz urplötzlich völlig abgeschafft wurde. 600.000 Sklaven, die sich besonders in den Provinzen Per- nambuco, Bahia und S. Paulo befanden, erhielten in einer Stunde freie Selbstbestimmung, ohne dass ihre früheren Besitzer irgend welchen Anspruch auf Entschädigung er- heben konnten. Als vor 1871 die Sklaverei in fast unbeschränkter Form existirte, war natürlich die Concurrenz der freien Arbeit mit der Sklavenarbeit unmöglich. Die Einwanderung nach Bra- silien musste darunter gewaltig leiden. Nach Aufhebung der Sklaverei hat die Übersiedelung von Italienern, Portu- giesen und Deutschen nach Brasilien eine bedeutende För- derung erfahren , und für die Entwicklung des grossen Landes ist heute nichts wichtiger als die Heranziehung von Arbeitskräften aus der Ferne. In richtiger Erkenntniss dieser Sachlage beachtet die Regierung in Brasilien die ganzen hier in Betracht kommenden Fragen neuerdings denn auch mehr als früher und wirkte bereits nach mancher Richtung hin günstig. Besonders ist die berüchtigte sogen. „Dienst- vermiethung", welche den „Kolonisten" oft völlig in die Hand des Plantagenbesitzers gab, abgeschafft und die Gleich- berechtigung aller Confessionen anerkannt worden. Wer nach Brasilien auswandert, darf sich hier ebenso wenig wie an anderen Orten der Erde dem Wahn hingeben, ein müheloses Leben führen zu können. Der Handwerker, zu- mal der Bauhandwerker, welcher heute in der Stadt Säo Paulo sehr gesucht ist, muss sein Fach gut verstehen und tüchtig arbeiten, wenn er zu Wohlstand gelangen will. In den Staaten Santa Catharina und Rio grande do Sul wird nur 20 Brasilien im Allgemeinen und cl i « - Stadt Bahia sowie Umgebung. derjenige Kolonist Glück haben, der gesund und an harte Arbeit gewöhnt ist. Nach einigen sehr mühevollen Jahren bringt er es dann aber auch meist zu einer ruhigen, glück- lichen Existenz. Im Staat S. Paulo, wo besonders Einwan- derung ländlicher Arbeiter für den Plantagenbau erforderlich ist, bezahlt der Staat die Passage der Einwanderer vom europäischen Hafen bis zur Plantage. Der Besitzer der letz- teren stellt dem „Kolonisten" ein Haus sowie einiges Land zur Verfügung. Jede Arbeiterfamilie hat einige Tausend Kaffeebäume zu besorgen, zu reinigen und den Boden vom Unkraut zu befreien, wofür ein bestimmter Lohn bezahlt wird. Der „Kolonist" nimmt Interesse daran, diese Arbeiten recht sorgfältig auszuführen, denn er wird für die Ernte- arbeiten später nach Maassgabe des Ertrages seiner Bäume belohnt. Italienische Arbeiter, welche heute besonders nach S. Paulo auswandern, haben sich oft auf den Plantagen im Laufe einiger Jahre mehrere Contos erspart. Dies Geld benutzen sie aber meist nicht, um sich eigenen Grundbesitz zu erwerben, sondern sie fangen einen kleinen Handel an oder kehren am liebsten in ihre Heimath zurück. Der Deutsche verhält sich anders. Wenn sich ihm nur die Möglichkeit bietet, Grund und Boden zu erwerben, bleibt er gern im fremden Lande. Er siedelt sich an und wird dadurch ein wahrer Kolonist. Brasilianer, welche die Entwickelung ihres Vaterlandes aufmerksam verfolgen, wissen alles dies sehr genau. Ich habe oft von ihnen gehört, wie sympathisch ihnen gerade deutsche Einwanderung ist. Wenn Brasilien die Interessen der deutschen Ein- wanderer recht energisch wahrnimmt, ihnen, wenn sie es wünschen, guten Boden zur Cultur darbietet, mehr, als es seither geschehen, für Strassen und Eisenbahnbauten sorgt, um die Producte leicht aus dem Innern an die Küste oder in die Städte befördern zu können, und wenn andererseits Deutschland die in Aussicht stehende gesetzliche Regelung des Auswandererwesens in die Hand nimmt, so werden Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. o I beide Theile nur gewinnen. Unser Interesse muss es viel- leicht schon bald sein, der zunehmenden Übervölkerung in Deutschland entgegenzuwirken, denn diese kann die Ur- sache mancher socialen Missstände in unserem Vaterlande werden.1 Endlich sei noch bemerkt, dass es von der höchsten Wichtigkeit wäre, wenn sich weit häufiger, als es seither der Fall, deutsche Kriegsschiffe in den brasilianischen Häfen blicken Hessen. Wir müssen alles aufbieten, um unsere Interessen in Brasilien zu wahren. Dem Brasilianer imponirt es sehr, wenn schöne, grosse Kriegsschiffe anderer Nationen in seinen Gewässern erscheinen, und für den Fall von Krieg und Revolution im fernen Lande haben wir im Wesentlichen nur die Kriegsschiffe, um unsere Landsleute in Brasilien, wenn erforderlich, wirksam zu schützen. Die Opfer, welche die überhaupt nothwendige Vergrösserung unserer Kriegsmarine verlangt, müssen gebracht werden. Im Jahre 1889 bereitete sich eine Verschwörung in Brasilien vor, die am 15. November dahin führte, dass der durch edle Gesinnung und hingebende Thätigkeit für das Wohl seines Volkes ausgezeichnete Kaiser Don Pedro IL aufgefordert wurde, das Land in kürzester Frist zu ver- lassen. Der Kaiser fügte sich. Die heutige Republik Brasilien bildet eine aus 20 Staaten bestehende Union. Die Union hat über Krieg und Frieden zu entscheiden, ihr fallen gewisse Zolleinnahmen zu, sie verwaltet Post- und Telegraphenwesen. An der Spitze des Bundes- staates steht ein Präsident. Die Person desselben wird durch aligemeine directe Volkswahl für vier Jahre bestimmt. Die Gesetzgebung geschieht durch den Senat und die Deputirten- kammer mit Zustimmung des Präsidenten. Die Einzelstaaten, 1 Zu meiner Freude erfahre ich jetzt, dass das aus dem Jahre 1859 stammende v. d. Heydtsche Rescript, nach welchem die Agenten in Preussen für die Auswanderung nach Brasilien nicht thätig sein durften, ganz neuer- dings für die drei südlichen Staaten Rio grande do Sul, Parana und Santa Catharina ausser Anwendung gesetzt worden ist. 22 BrasilieD im Allgemeinen und »li* Stadt Bahia sowie Umgebung. an deren Spitze ebenfalls Präsidenten stehen, haben in Brasilien, ähnlich wie in der Union von Nordamerika, eine sehr selbstständige Stellung. Die neue Verfassung trug dem schönen Brasilien noch nicht viel Glück ein. Man hat das im Lande selbst zumal empfunden, als unter dem Präsidenten Floriao Peixoto im Jahre 1S92 die Revolution ausbrach, welche, ursprüng- lich von Rio Grande do Sul ausgehend, immer grössere Dimensionen annahm und dem Staat tiefe Wunden schlug. Noch heute leidet die Finanzlage Brasiliens gewaltig in Folge dieses Ereignisses. Jetzt ist die Ruhe längere Zeit völlig wieder hergestellt. Der Präsident Dr. Prudente de Moraes, ein kluger, besonnener Mann, scheint es vor- trefflich zu verstehen, die zwischen der Militär- und Marine- partei vorhandenen Gegensätze auszugleichen und versöh- nend zu wirken. Hoffen wir, dass auch die Zukunft der Republik Brasilien Frieden bringen möge. Brasilien, nicht völlig so gross wie Europa, hat doch nur ca. 1 5 Millionen Einwohner. Genaue Volkszählungen giebt es begreiflicher Weise nicht. Es ist für die Beurthei- lung zahlreicher Verhältnisse von Wichtigkeit, die schwache Bevölkerung Brasiliens gegenüber seiner enormen Ausdehnung nicht aus dem Auge zu lassen. So fiel mir bei meinen Reisen im Innern z. B. oft die geringe Entwicklung des Ackerbaues auf. Nur hier und dort erblickt man, zumal in den Staaten Bahia oder Minas, vereinzelte Felder; dieselben fehlen selbst dort, wo der Boden sich vortrefflich zur Cultur eignete. Es mangelt eben an der hinreichenden Anzahl von Menschen, welche als Producenten thätig sein könnten. Die Bevölkerung Brasiliens ist eine sehr bunt zusammen- gesetzte. Zunächst haben wir auf die Reste der Ureinwohner, welche noch heute in den Urwaldgebieten der Nebenflüsse des Amazonenstromes sowie in den Südstaaten angetroffen werden, auf die Indianer, hinweisen. Ihre Zahl mag sich jetzt nur noch auf etwa eine Million Köpfe belaufen. Sie Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. 2 3 werden durch die fortschreitende Cultur immer mehr ver- drängt. Die Indianer, meist Nomaden, ernähren sich von der Beute der Jagd und Fischerei sowie von den Pro- ducten des Waldes. Sie sprechen sehr verschiedene Dia- lecte; der weitaus verbreitetste ist das Tupi-Guarany oder die Lingua geral. Dieser Dialect soll sehr schön, biegsam und formenreich sein. Die Xamen der brasilianischen Flüsse und Gebirge entstammen meist der Tupi-Guarany-Sprache. Der Paraguassü im Staat Bahia ist z. B. der grosse Fluss, aus parä (Fluss) und guacü (gross) gebildet. Ein zweiter, sehr charakteristischer Bestandtheil der Bevölkerung Brasiliens wird von den Negern gebildet. Völlig abgeschafft wurde die Sklaverei, wie schon angeführt, im Jahre 1888. Die Neger hatten und haben auch heute in Brasilien eine ganz andere Stellung wie in Nordamerika. Sie werden nicht verachtet; es ist wohlthuend, zu sehen, dass man sie freundlich und wohlwollend behandelt. Die kaukasische Rasse ist im Lande vertreten durch den eigentlichen Brasilianer und durch eingewanderte Fran- zosen, Engländer, Portugiesen, Italiener, Spanier, Deutsche etc. Der Brasilianer, obgleich portugiesischer Abstammung und trotzdem die Landessprache das Portugiesische ist, liebt es nicht, wenn man ihn als „Portugiesen" bezeichnet. Zwischen den Weissen, Negern und Indianern in Bra- silien hat natürlich vielfache Vermischung stattgefunden. Die Indianermischlinge, von denen z. B. in Rio de Janeiro viele Tausende leben, bezeichnet man als Caboclos. Sie verrathen ihre Abstammung noch vielfach durch hervor- tretende Backenknochen und eigenthümlich straffes Haar. Sehr zahlreich sind die Mulatten, Abkömmlinge von Weissen und Negerinnen, welchen letzteren sie das schwarze, krause, wollige Haar verdanken. Die charakteristische gelbe Haut- farbe der Mulatten und die Beschaffenheit des Haares geht keineswegs immer, aber doch zuweilen, auf die Kinder über, welche sie mit Weissen haben. So lernte ich einen echten 2 i Brasilien im Allgemeinen und di Stadl Bahia sowie Umgebung. Mulatten kennen, einen sehr kenntnissreichen und liebens- würdigen Mann, der eine Deutsche geheirathel hatl Die Mädchen aus dieser Ehe gleichen durchaus der Mutter, wahrend dem Sohn der Mulattentypus eigenthümlich ist. Über manche allgemeine geographische und geolo* gische Verhältnisse Brasiliens verdanken wir dem ausgezeich- neten A. 1 >erby werthvolle Angaben. Vergl. Mittheilungen der geographischen Gesellschaft in Jena, B. 5.) Der grösste Theil des Landes wird von einem Hochplateau von 300 bis 1000 m Erhebung gebildet, das von zahlreichen tiefen Fluss- thälern durchzogen ist. Nördlich von diesem Hochplateau befindet sich die gewaltige Binnenlanddepression des Ama- zonenstromes, westlich dagegen das Paraguaybecken, wel- ches theilweise noch zu Brasilien gehört. Nach dem Meere zu wird das Plateau von einem mehr oder minder breiten, tief liegenden Küstensaum begrenzt. Das Hochland von Brasilien erscheint allerdings auf den ersten Blick sehr gebirgig. In Wirklichkeit stellt es aber im Wesentlichen eine Ebene dar, die von sehr vielen Flussthälern durchschnitten ist. Wahre Gebirge sind nur in den östlichen, sowie centralen Gebieten vorhanden. Die östliche Kette beginnt in der Nähe des Kap Säo Roque; sie streicht in der Nähe des atlantischen Oceans bis zu den Südgrenzen Brasiliens hin. Die centrale oder Goyazgruppe, welche übrigens mit der Ostkette in Verbindung steht, nimmt einen Theil des Südens des Staates Goyaz und ein Stück des Staates Minas Geraes ein. Die Ostkette gliedert sich in ihrem mehr nach Süden gelegenen Haupttheil in zwei deutlich von einander ge- schiedene parallele Stränge, beide von Südwest nach Nord- ost gerichtet. Der eine Strang, der östliche, ist die Serra do Mar, der andere die Serra da Mantiqueira. Die Serra do Mar hat ihre höchsten Erhebungen im Orgelgebirge bei Rio (2232 m). Der höchste Berg der Serra da Mantiqueira (zugleich der höchste Berg Brasiliens) ist der Itatiaya (2712 m) Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. 2 > *VwN**VVS/¥VVVVVVVVVWVS*AA*VVV*V*^^»'^***V**/^ in der Grenzecke der Staaten Rio de Janeiro, Säo Paulo und Minas Geraes. Etwas gegen Norden von Rio de Janeiro bildet die Serra da Mantiqueira einen Zweig, welcher unter dem Namen der Serra do Espinhaco bekannt ist. Die wich- tigsten Berge sind hier der Itacolumy (1752 m) bei Ouro- Preto und der Pico de Piedade (1783 m) bei Sabarä. Die Basis des grossen brasilianischen Plateaus wird von Felsarten gebildet, die, wie Granite, Gneisse, Syenite und Glimmerschiefer, der laurentischen Formation (Ur-Gneiss- formation) oder wie Quarzite, Glimmerschiefer, Thonschiefer, Kalksteine etc. dem huronischen Systeme (Ur-Schieferforma- tion) angehören. Wo die Gesteine jüngeren Ursprunges (Sandsteine, Mergelschiefer, Kalksteine etc.) abgetragen worden sind, treten die Gesteine der laurentischen und huronischen Formation auch auf dem Plateau zu Tage. In erster Linie sind sie aber leicht in den Gebirgen zu beobachten. Das laurentische System ist besonders in der Serra do Mar und auch in der Serra da Mantiqueira entwickelt, während derjenige Theil der letzteren, den wir schon als Serra do Espinhaco unterschieden haben, zumal von huronischen Felsarten ge- bildet wird. Die Gesteine dieser Schichtengruppe, respective die Zertrümmerungsproducte derselben sind an vielen Orten sehr reich an Erzen (z. B. Eisenerzen), Edelmetallen (Gold von Minas und Bahia), sowie Edelsteinen (Diamant von Minas und Bahia, Topas von Minas). Das Gold kommt oft neben Schwefelkies in Quarziten oder im Flusssand vor. Die Diamanten trifft man meist in Kiesen an. Steinkohle besitzt Brasilien wenig; die Qualität derselben ist auch nicht sonderlich gut. Zieht man die ausserordentliche Grösse Brasiliens in Betracht, so ist von vornherein klar, dass das Klima in den verschiedenen Theilen des Landes nicht das nämliche sein wird. In Para regnet es am reichlichsten vom Februar bis Mai. Pernambuco hat entschiedene Winterregen. Es regnet hier besonders vom April bis Juli. Auch in Bahia jn Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowii U bung, regnet es an der Küste meist im dortigen sogen. Winter. während der Sommer trocken ist. An der Küste von Espirito- Santo nn j Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. vieler Aufmerksamkeil ftir mich sorgten. Unter einander sind die Neger stets hülfsbereit; auch die grosse lache der Mütter zu ihren Kindern darf gerühmt werden. Der Tagelohn, den die Schwarzen empfangen, ist recht hoch. Dazu werden sie gut behandelt, was übrigens schon deshalb im Interesse des Arbeitgebers liegt, weil ihn der Neger, da er leicht neue Arbeit findet, im anderen Falle verlassen würde. Die Rücksichtnahme auf solche Verhältnisse geht oft sehr weit und kann sogar für den Reisenden unbequem werden. Einmal kam ich z. B. nach ermüdender, langer Bahnfahrt Abends gegen 9 Uhr nach Säo Paulo. Ich stieg im Grand Hotel, welches als eins der besten Gasthöfe Brasiliens gerühmt wird, ab, und bestellte mir warmes Abendessen. Suppe erhielt ich allerdings noch, aber etwas gekochtes oder gebratenes Fleisch war nicht mehr zu be- kommen. Man erklärte mir einfach, dass diese Speisen nur bis 8 Uhr servirt werden könnten, da die Küche um diese Zeit geschlossen würde. Derartiges ist mir mehrfach vorgekommen. Der Grund dafür liegt eben darin, dass die Gasthofbesitzer, übrigens ebenso die Hausfrauen, keine hohen Anforderungen an ihre Koche stellen können, weil dieselben sich sonst einen anderen Dienst suchen. Mich wundert nur, das man den Köchen in grossen Hotels Extraarbeit nach 8 Uhr nicht besonders vergütet, um den Ansprüchen hungeriger und ermüdeter Reisenden zu genügen. Die Vorfahren der heute in Brasilien lebenden Schwar- zen sind mit Gewalt ihrer afrikanischen Heimath entrissen worden. Man hat sie wie Thiere zusammengetrieben, an die Küste geschleppt und nach Brasilien transportirt. Wer könnte den Jammer und die Noth, welche diese armen Men- schen unter der Hand brutaler, geldgieriger Sklavenhändler erdulden mussten, schildern! Eine schöne Fügung ist es, dass die Nachkommen jener Sklaven sich jetzt in Brasilien ihres Lebens freuen dürfen. Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. 5 2 Der Neger ist, wie gesagt, im Allgemeinen bescheiden in seinen Lebensansprüchen. Er arbeitet nur so viel und so lange in der Woche, bis er Geld genug erworben hat, um leben zu können. Die Frauen erwerben gern weitere Mittel, die sie zum Ankauf von Schmuckgegenständen ver- wenden. Die Wohnungen der Neger sind eng und meist ärmlich eingerichtet. Bei Bahia sieht man auch ausserhalb der eigentlichen Stadt viele Negerhütten, die von einem ver- wilderten Gärtchen umgeben sind, in welchem Bananen, Maniok und schwarze Bohnen cultivirt werden. Orangen, Bananen, schwarze Bohnen sowie Farinha aus der Maniok- wurzel bilden sehr wichtige Nahrungsmittel der Neger, die leicht zu produciren oder billig zu kaufen sind. Für die Kleidung braucht der Arbeiter in den Tropen nicht viel aufzuwenden. Wer aber Wohnung, Nahrung und Kleidung seinen Ansprüchen gemäss besitzt, wird schon einigermaassen zufrieden sein, zumal wenn er einem auf niederer Culturstufe stehenden Volksstamme angehört.. Ge- rade der Mangel höherer, allgemein verbreiteter Cultur und nicht minder die günstigen klimatischen Verhältnisse des Landes bedingen es denn auch, dass man von socialdemo- kratischer Gesinnung in Brasilien nichts bemerkt. In den hoch entwickelten Culturstaaten Europas ist die socialdemokratische Bewegung eine Folge der materiellen, sittlichen und intellectuellen Noth breiter Volksmassen. Wer objektiv blickt, wird erkennen, dass diese drei Factoren zusammen wirken, um der bezeichneten Bewegung neue Nahrung zu geben, und dass sich zu ihnen noch die in weiten, aber keineswegs allein socialdemokratischen Kreisen herrschende geringschätzende oder gar verächtliche Behand- lung religiöser Fragen sowie eine allgemein verbreitete, zum Theil durch die Cultur selbst erzielte übertriebene Stei- gerung der Lebensansprüche gesellen. Unsere europäische Cultur, so schöne Blüthen sie auch getrieben haben mag, ist gewiss für viele Schäden verantwortlich zu machen, Detmer, Brasilianische Reisebilder. -i ■ja Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. unter denen die Menschen schwer leiden. Die Zukunft liegt heute, mehr denn jemals, gleich einem Buche mit sieben Siegeln vor uns. In Brasilien empfindet die sogen, arbeitende Klasse keine allgemeine Noth. Geistige Bedürfnisse kennt dieselbe kaum, und alles, was nach dieser Richtung gefordert wird, bietet die Religion in zusagender Form. Der Neger z. B. ist ein guter Katholik; er mag es wohl dunkel empfinden, dass der Mensch irgend etwas besitzen muss, was ihn über die Alltäglichkeit erhebt. Brasilien ist ein Land der Halbkultur, aber die Men- schen sind dort — natürlich stets im Allgemeinen genom- men — glücklicher als bei uns, wenigstens fühlen sie sich subjeetiv glücklicher. Bei uns viel Unzufriedenheit; dort Freude am Dasein. So wird der Satz arg erschüttert, nach welchem das Glücksbewusstsein in einem Volke in directem Verhältniss zu seiner Cultur und der Intelligenzstufe der Gesammtheit stehen soll. Gerade das Gegentheil scheint richtig zu sein. Und wenn dem so wäre, wozu dann unser Streben nach höherer Cultur, wozu die Schule, die Kunst, die Wissenschaft? Nun, einmal muss die Menschheit in Folge eines inneren Triebes, der unaufhaltsam weiter drängt, und der zuweilen in gewaltigen Persönlichkeiten zu kraft- vollstem Ausdruck gelangt, immer vorwärts, mag sie wollen oder nicht. Ferner aber dürfen wir auch bewusst und freudig an der Culturarbeit theilnehmen, weil dieselbe zu- nächst wenigstens Einzelnen wirklich Glück im höheren Sinne bringt, gewisse sociale Missstände, z. B. die Sklaverei, thatsächlich durch sie beseitigt werden, und weil die Cultur, wie wir meinen, die Völker schliesslich doch zu einer so hohen Stufe, namentlich auch der sittlichen Entwickelung führen wird, dass jenes Glück im höheren Sinne dann von der Allgemeinheit empfunden werden kann. Die an dieser Stelle gestreiften interessanten Fragen sind sehr verwickelter Art, können hier aber nicht näher verfolgt werden. So Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. -5 c viel ist indessen sicher, dass höhere Cultur und gesteigertes Glück der Völker keineswegs immer Hand in Haud gehen. Bald nach meiner Ankunft in Bahia führte mich Dr. de Santos in das Hotel Sul-Americano, welches dem weniger guten Hotel de Paris in der Oberstadt am Theater- platz gerade gegenüber liegt. Für ein Zimmer und volle Beköstigung (exclusive Wein), bezahlt man hier, wie über- haupt in den grösseren Gasthäusern Brasiliens, pro Tag 10 Mill, also ca. 9 Mark. Um von der Unterstadt in die Oberstadt zu gelangen, kann man verschiedene Wege einschlagen. Die beiden Theile Bahias sind zunächst durch einige steil ansteigende Strassen mit einander verbunden. In denselben erblickt man zahlreiche von Maulthieren gezogene Karren, zuweilen auch elegante Vierspänner, die mit rasender Geschwindig- keit fahren. Tragstühle, in denen sich Personen transpor- tiren Hessen, habe ich nur selten gesehen. Sehr bequem ist es, um von gewissen Theilen der Unterstadt in die Oberstadt zu gelangen, die Drahtseilbahn zu benutzen, die an einem steilen, ganz mit grossblumigen Convolvulaceen und Cecropien bedeckten Hang erbaut ist. Endlich darf der viel in Anspruch genommene Elevator (Fahrstuhl) ganz in unmittelbarer Nähe des Postgebäudes nicht vergessen werden, der uns in kürzester Frist in die Oberstadt be- fördert. Köstlich ist der Blick von der oberen Elevator- station auf die Unterstadt, die herrliche Allerheiligenbai und auf die zahlreichen Schiffe im Hafen von Bahia. Die Oberstadt besteht in ihrem Haupttheil aus einem Gewirr von Strassen , Gässchen und Plätzen. Manche Strassen sind recht breit, ziemlich gut gepflastert und zum Theil mit bunt angestrichenen Häusern besetzt. Strassenbahnen eilen nach verschiedenen Richtungen durch die Stadt. Die Wagen werden von Maulthieren gezogen, welche unter der rücksichtslosen Behandlung ihres Lenkers, der sie durch Schläge mit einem breiten Lederriemen antreibt, viel zu 3* :?() Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. -»-VS'VVV,Si^'**»^'''*'«*w*v%»N^w^S^N'VVNii,V%^V%«^*w*^Ni*w*vN»N^^ leiden haben. Wie ofl habe Ich diese armen, gehetzten Thiere bedauert. 1 >ie Wagen sind mit einem Dach ver- sehen , sonst offen. Gegen Regen oder die Sonnengluth kann man sich durch Vorhänge von grobem Stoff schlitzen. Die Hanke sind in den Wagen parallel zu den die Kader verbindenden Achsen angebracht. Der Verkehr auf den Strassenbahnen Bahias ist ein sehr lebhafter. Man kommt schnell vorwärts; nur war mir in den oft überfüllten Wagen manches Mal der intensive Moschusduft, den besonders die Frauen, Negerinnen sowie Weisse, ausströmen, unangenehm. Aus dem Gewirr der Häuser ragen einige grössere oder schönere Gebäude hervor, z. B. Verwaltungsgebäude, das Krankenhaus, höhere Lehranstalten, Fabrikanlagen, Klöster und Kirchen. Im Franciscanerkloster bin ich selbst gewesen. Der ausgedehnte Hofraum desselben, durch einen Brunnen und schön blätterige Pflanzen geschmückt, wird von Gebäuden umgeben, deren Aussenwände mit blauen und weissen Fayenceplatten bedeckt sind. Ein prächtiger Raum birgt die Bibliothek, indessen so stattlich die Bücher- reihen von aussen ausschauen, ebenso traurig ist der An- blick, den man beim Aufschlagen der Folianten empfängt. Die Blätter sind zum grossen Theil von Insekten zerfressen; sie haften fest auf einander und erscheinen brüchig wie dünnes Glas. Den fleissigen Mönchen wird es schwer ge- lingen, den Schaden auch nur einigermaassen wieder gut zu machen. Diese Franciscanermönche stehen in Bahia im besten Ansehen. Es sind meist Deutsche, welche sich die Aufgabe stellen, tüchtige, sittenstrenge Geistliche für das Land heranzubilden. Ich glaube, dass sich jetzt etwa 30 Deutsche in dem Kloster auf ihren künftigen Beruf vor- bereiten. Die Klosterkirche ist mit Holzschnitzerei ganz überladen. In Bahia lernte ich bald verschiedene Herren kennen, die sich mir sehr gefällig zeigten, namentlich Herrn Diniz- Gonsalves und den Vertreter des sehr hervorragenden Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. ? 7 Handlungshauses Ottens, Herrn Weber. Letzterer lud mich ein, sein Gast zu sein, und so vertauschte ich denn die Wohnung im Hotel mit derjenigen in einem kleinen Paradies auf der Victoria. Die Victoria streckt sich im südlichen Theil Bahias auf dem hohen Ufer am Meere hin. Sie beginnt am Campo grande, einem sehr grossen Platz, der jetzt, nachdem das Monument zur Erinnerung an die Unabhängigkeitserklärung Brasiliens fertiggestellt ist, durch Anlagen geschmückt wird, und führt in der Richtung nach der Barre zu. Auf der Victoria sowie dem Campo grande erblickt man prächtige Villen mit schönen Gärten, die von wohlhabenden Portu- giesen, Engländern und Deutschen bewohnt werden. Hier sieht man hoch ragende Palmen und Araucarien in den Gärten, buntblätterige Coleus- und Crotonsträucher in Menge, Orangenbäume mit herrlich duftenden Blüthen, Rosen, die stets Blätter tragen und während des ganzen Jahres blühen, Poinsettia pulcherrima (Familie der Euphorbiaceen), deren gelbe Blüthen von rothen Hochblättern umgeben sind. Neben vielen anderen Pflanzen entzückte mich noch be- sonders die Bougainvilleae (Familie der Nyctaginiäceen). Später habe ich diese Pflanze, deren holziger, oft dicker Stamm mehr oder weniger klettert, im Urwald wachsend gefunden. Die Blüthen sind unscheinbar, aber sie werden von drei meist rosafarbenen Hochblättern umgeben. Man denke sich den wundervollen Anblick eines Gewächses, welches so dicht mit prangenden Blüthenständen bedeckt ist, dass man nur noch wenig von den grünen Blättern erblickt. Namentlich ist das Bild ein herrliches, wenn die blühenden Bougainvilleaeen derartig gruppirt sind, dass sie sich von einem aus grünem Laub gebildeten Hintergrund abheben. Zur Herstellung von Grasplätzen, wie man sie auf dem Campo grande oder in den benachbarten Gärten sieht, und wie sie auch sonst oft in Brasilien, z. B. Rio, Säo Paulo, Campinas, angetroffen werden, kann man zarte jg Brasilien im Allgemeinen u\rgane hervorsprossen. Die mit sehr starkem Mittelnerv versehenen Riesenblatter von zuweilen T2 — 14' Lange und 2' Breite besitzen mächtige Scheiden;, welche zu einem Scheinstengel zusammen schliessen. Der Blüthenstand ist endständig an einem vom W'urzelstock entspringenden Schaft entwickelt. In der Achsel eines jeden der braunrothen Deckblätter stehen meist viele Blüthen. Nur am unteren Theil des Blüthenstandes finden sich fruchtbare weibliche Blüthen, deren Fruchtknoten sich zur Banane, einer Beerenfrucht, ausbildet. Dieselben stellen für viele Bewohner der Tropen- gegenden eines der wichtigsten Nahrungsmittel dar. Fast während des ganzen Jahres giebt es geniessbare Früchte, und wenn die Fruchtschäfte nach der Reife der Bananen abgestorben sind, treiben neue aus dem Wurzelstock hervor. Musa paradisiaca liefert die grosse Banana da terra, welche man in Bahia vielfach gebacken isst, in welcher Form sie vortrefflich schmeckt. Die Frucht von M. sapientum ist kleiner und süsser; man geniesst sie meist im rohen Zu- stande. Jeden Reisenden muss es überraschen, wenn er sieht, dass die etwas älter gewordenen Musablätter stets in Folge der zerstörenden Wirkungen von Regen und Wind vielfach zerrissen erscheinen, und die einzelnen herabhängenden Blatt- lappen nur noch durch den starken Mittelnerv zusammen- gehalten werden. Sachs hat darauf hingewiesen, dass diese Erscheinung eine Folge des bekannten fiederförmigen Ver- laufes der Seitennerven, sowie des Mangels einer Säumung des Blattrandes durch entsprechend gruppirte Nerven ist, wie man einer solchen so vielfach bei anderen Blättern be* gegnet. Aber wenn wir den Anschauungen Stahls folgen, so müssen wir das Zustandekommen des erwähnten Zer- reissens doch als einen Process betrachten, der für das Leben der Musapflanze von Wichtigkeit ist. Sehr grosse Blätter bedürfen einer überaus entwickelten, kräftig gebauten Ner- Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. a c vatur, wenn sie sich dem Einflüsse meteorischer Wirkungen gegenüber durchaus widerstandsfähig erweisen sollen. Die Ausbildung einer solchen Nervatur beansprucht bedeutenden Materialaufwand, und die sparsame Natur hat es daher vor- gezogen, die Musablätter in ganz anderer Art zu organi- siren. Freilich ist dadurch das Riesenblatt nicht vor dem Zerschlitztwerden geschützt, indessen die einzelnen herab- hängenden Blattlappen sind in Folge der erlangten ver- tikalen Stellung vor weiterer völliger Vernichtung bewahrt, und ihr grünes Gewebe bleibt noch lange assimilatorisch thätig. Hier dürfte wohl der geeignete Ort sein, einige all- gemeine Bemerkungen über die Lebensthätigkeit der grünen Laubblätter der Gewächse einzuschalten, die zum Ver- ständniss mancher Ausführungen dieser Schrift beitragen werden. Das Laubblatt hat in erster Linie die Aufgabe, assimilato- risch zu wirken. Es erzeugt aus dem ihm zuströmenden Wasser und aus der durch die Spaltöffnungen eingedrungenen Kohlen- säure der Luft unter dem Einfluss des Sonnenlichtes organische, stickstofffreie Substanz (Zucker, Stärke), die dann weiter für den Aufbau der Zellen des Organismus Verwendung findet. Nur die grünen, die sehr kleinen Chlorophyllkörper ent- haltenden Blattzellen sind zu dieser Assimilationsarbeit be- fähigt. Sie erscheinen zu zarten Gewebecomplexen ver- bunden, die in der Mehrzahl der Fälle durch die festeren, netzförmig angeordneten Nerven in einem ausgespannten Zustande erhalten werden, während die Nervatur der Musa- blätter allerdings, wie bemerkt, eine andere ist. Aus einem Theil des producirten Zuckers und aus Stickstoffverbindungen, die dem Boden entstammen, bildet das Blatt ferner Eiweiss- stoffe, und man sieht also, wie das Blatt das Ernährungs- organ der grünen Gewächse darstellt. Nicht minder wichtig erscheint die transpiratorische Thätigkeit der Blätter. Ihre Oberfläche ist zumal an der i ( , Brasilien im Allgemeinen und die Stadf Bahia sowie Umgebung. Unterseite mit zahlreichen kleinen Öffnungen, den Spaltöffnungen, versehen, aus denen Wassergas austreten kann. Zum Ersatz des verdunsteten Wassers strömt neue Flüssigkeit nach, die von den Wurzeln aus dem Hoden auf- genommen wurde und sich von unten nach oben in der Pflanze bewegt. Diese Transpiration kann freilieh, wenn kein genügender Nachschub von Wasser möglich, das Welken, ja selbst das Vertrocknen der Gewächse zur Folge haben; indessen unter normalen Verhältnissen musss die Trans- piration doch als ein für das Leben des Organismus höchst wichtiger Process bezeichnet werden. Es kommt nämlich darauf an, gewisse im Boden vorhandene Salze, die bei der Assimilation, sowie der Eiweissbildung in den Blättern eine bedeutungsvolle Rolle spielen, schnell in hinreichenden Quantitäten an die Orte des Verbrauchs zu transportiren. Dies ermöglicht die Transpiration. Durch sie wird die rasche Wasserströmung im Organismus eingeleitet, welche den Blättern nicht nur das den Boden entzogene Wasser, sondern zugleich auch die in demselben aufgelösten Salze schnell zuführt. Weit verbreitet ist bei Bahia Ricinus communis, eine Pflanze, die geradezu als Unkraut in Gärten und in Feldern gefürchtet wird. Ganz ähnliche handförmig gelappte Blätter, wie Ricinus, trägt ein anderes bei Bahia vielfach vorkommen- des Gewächs, Carica Papaya (Melonenbaum). Die zwei- häusige Pflanze producirt kopfgrosse, wohlschmeckende Früchte und einen Milchsaft, der ein pepsinartiges Ferment in erheblicher Menge enthält. In den Hecken erblickt man überall Convolvulaceen mit herrlich schimmernden, sehr grossen weissen oder rothen Blüthen, blaublüthige Tradescantien, sowie Mirabilis in besonders grosser Menge. Ebenso wie die Blüthen er- freuen prächtige Blattformen das Auge. So z. B. fallen in dieser Beziehung die Marantaarten auf, deren Blattstiel an seinem Ende eine eigenthümliche gelenkartige Verdickung Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. aJ /^^V%AAA/VVV^AAA/^AAJ*V^l>*^*T*^*■*lf*^■**^l^^f* 1*1*1*1*1*1* »*»»*****»**»***************»*»'****»*»******»******* ' **i*^i*l*^^i*i*i*i*iVri*iViViViVi*i*l*u*^Afu'li*»*i es zu thun hat. Es ist die in Südamerika heimische Mi- mosa pudica (schamhafte Mimose oder Sinnpflanze), von den Brasilianern Malice das mulheres genannt). Die Pflanzen erscheinen mehr oder weniger niederliegend. Ich fand Exemplare von ca. 4 Fuss Stengellänge, und als ich in Bahia war, hatten sie gerade ihre rosafarbenen Blüthenköpf- chen entwickelt. Wunderbar sind die reizbaren Blätter dieser Pflanze, die man ja auch oft bei uns in Warmhäusern cul- tivirt, gestaltet. Da, wo der Hauptblattstiel dem dornigen Stengel entspringt, ist er zu einem eigenthümlich gebauten Gelenk verdickt. Der primäre Blattstiel trägt zwei secun- däre Stiele und diese je ca. 20 Paare kleiner Blättchen, die ebenfalls an ihrer Basis mit kleinen Gelenken versehen sind. Die erwähnten Gelenke stellen Bewegungsorgane dar, welche für Reizursachen verschiedener Art empfänglich sind. Ich habe alle bezüglichen Verhältnisse in meinem pflanzenphysio- logischen Praktikum, 2. Auflage, Jena, 1895, eingehend dargestellt; hier kann nur weniges bemerkt werden. Am Tage sind die Blättchen der Mimose ausgebreitet. Kommt die Nacht, so legen sie sich nach vorn und oben zusammen, während sich zugleich der Hauptblattstiel senkt. Aber nicht nur auf den durch Beleuchtungswechsel bedingten Reiz, sondern auch auf jede leise Berührung oder Erschütterung reagirt die Sinnpflanze. Die Hauptblattstiele senken sich dann, die secundären Stiele nähern sich einander und die Blättchen legen sich zusammen. Nach Verlauf kurzer Zeit geht die Pflanze aber wieder in den normalen, reizempfäng- lichen Zustand über. Die biologische Bedeutung dieser Reizbewegungen ist wohl nach verschiedenen Richtungen hin eine erhebliche für die Pflanze. Starke Regengüsse so- wie Hagel würden die sehr zarten Blättchen im aus- gebreiteten Zustande leicht zerstören. Wenn aber die ersten Tropfen auf die Gelenke der Stiele und der Blättchen selbst reizend einwirken, und das ganze Blatt seine eigentüm- lichen Stellungsänderungen vollzogen hat, so ist jede Gefahr Detmer, Brasilianische Reisebilder. a CO Brasilion im Allgemeinen und cl i « - Staili Bahia sowie Umg< bung. für das ( )rgan beseitigt, Vielleicht haben die bei der Mi- mose in Folge von Berührung momentan erfolgenden Be- wegungen auch insofern Wichtigkeit für das Leben des Gewächses, als sie ein Schutzmittel gegen die Vernichtung der Pflanze durch Thiere darstellen. Berühren diese die Blätter und erfolgt sofort eine Reizbewegung derselben, so mögen sie sich wohl erschrocken zurückziehen und den mit so geheimnissvollen Kräften ausgerüsteten Organimus un- versehrt lassen. Zudem werden die am Mimosenstengel vorhandenen Dornen durch das Herabsinken der gereizten Blätter frei gelegt, wodurch sie als Waffen erst recht wirk- sam werden können. Wenn man vom Campo grande aus die Victoria ver- folgt, so erblickt man nach einiger Zeit auf der linken Seite der Strasse einen ausgedehnten Orangengarten. Die Orange gehört zur Gattung Citrus, und zwar werden von derselben zumal drei Arten vielfach eultivirt, C. vulgaris, die bittere Orange mit breit geflügeltem Blattstiel, C. auran- tium (süsse Orange) und C. limonum (Citrone), die beiden letzteren mit kaum geflügeltem Blattstiel. In Bahia baut man meist eine Orangenform mit grossen, grünen, sehr saftreichen, süssen Früchten an, die fast immer duftende Blüthen und Früchte trägt. Ich will hier gleich auf einige andere köstliche Früchte Brasiliens hinweisen. Die Bananen, die Mamäo (Frucht von Carica) sowie die Mango-, Jacca-, Tamarinden- und Cacaofrüchte fanden be- reits Erwähnung. Dagegen ist nun in erster Linie die Ananas, welche in Brasilien heimisch, zu nennen. Man eultivirt sie zumal bei Bahia und Pernambuco in grosser Menge und vermehrt sie durch Setzlinge. Besonders werth- voll ist die unter dem Namen Abacaxi bekannte Ananas- form mit länglichen Fruchtständen. Dieselben haben in der That einen wundervollen Geschmack, dem sich nichts an Feinheit vergleichen lässt; dazu kommt der liebliche Duft des herrlichen Productes der Tropenwelt. Leider muss Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. c i /VVVVWWWWVWWWVWWW^^^A^^^^A^^^^^^^A^^^^^^A^^^^^^^^^^^^^^^^^A^^^^^^^^^^^^^^1^^ man im Genuss auch dieser Frucht, wenigstens in der heissen Zone selbst, erfahrungsgemäss vorsichtig sein; am besten bekommt sie, wenn man sie morgens im nüchternen Zustande isst. Die Abacaxis reifen in Bahia im November und De- cember. Auf der Rückreise hatten wir etwa 500 Früchte an Bord, die für 0.2 Mark das Stück gekauft worden waren. Nach Hamburg kamen kaum 30 Exemplare, da alle übrigen während der Reise in Zersetzung übergingen. Daraus erklärt sich vollkommen der hohe Preis der Aba- caxis in Deutschland, zuweilen 8 Mark per Stück. Die gewöhnlichen, mehr kugelförmigen Ananas sind weit billiger. Ferner muss ich die Sapotifrüchte nennen, welche von Achras sapota (Familie der Sapotaceen) stammen, eine Schale besitzen, die derjenigen der Kartoffelknollen ähnelt, sich aber durch ein fein birnenartig schmeckendes Fleisch auszeichnen. Mehrere werthvolle Früchte liefern Myrtaceen; die Araca ist die Frucht einer Psidiumspecies, die Guiava stammt von Psidium pomiferum und giebt mit Zucker zu Marmelade eingekocht die schöne Guidbada, welche, in flache Blechdosen gefüllt, auch oft nach Europa kommt. Von Myrtus cauliflora stammt die kirschenartig schmeckende, den dicken Stämmen des Baumes ansitzende Jaboticaba, und Eugenia uniflora producirt eine süss und zugleich etwas herb schmeckende Frucht, die Pitanga. Unter den Anacardiaceen kommen hier in Betracht Anacardium occi- dentale, welche Pflanze die Cajufrucht liefert, deren mächtig angeschwollener Stiel einen säuerlichen, zur Herstellung eines erfrischenden Getränkes, der Cajuada, dienenden Saft enthält, und Spondias purpurea, ein Baum, dessen gelblichrothe Früchte (Caja) mir häufig im Urwald willkommene Kühlung boten. Erwähnenswerth sind ferner die Maracaju, Frucht einer Passiflora, sowie die Abacäte von Persea gratissima (Familie der Lauraceen). Das gelbliche Fleisch dieser einer grossen, grünen Birne gleichenden Frucht wird, mit Zucker und Portwein oder mit Salz und Pfeffer zubereitet, genossen. 4* -j Brasilien im Allgemeines und die Stadt Bahia sowie Umgebung. Die Fruta do condc von Anona muricata liefert ein kost- lich süsses Fleisch. Weintrauben werden in Südbrasilien producirt; die Bahiatrauben fand ich nicht sehr gut. In lVtropolis bei Rio eultivirt man Apfel- und Birnbäume, neuerdings auch Erdbeeren mit viel Erfolg. Auf der Barre von Bahia, da wo der Leuchtthurm den Eingang zur Allerheiligenbucht bezeichnet, erblickt man schon vom Schiff aus hochragende Cocospalmen. Ich beeilte mich, den Bäumen bald nach meiner Landung einen Besuch abzustatten. 60 — 80 Fuss hoch erheben sich, ge- waltigen Säulen gleich, die in geringer Entfernung von einander stehenden, etwas gebogenen, grauen Stämme, deren Oberfläche durch Blattnarben schwach geringelt er- scheint. Die gewaltigen, gefiederten, ca. 14 Fuss langen Blätter bilden eine grosse Krone, in der der Seewind spielt. Der Blick fällt auf den sandigen Boden zu unseren Füssen, auf die schäumende Fluth des Oceans, aber immer wieder wendet er sich empor zu den Wipfeln der Palmen, die gerade hier am Strande, umweht von feuchter Luft, ihre geeignetsten Lebensbedingungen finden. Zuweilen fällt eine noch nicht völlig reife Frucht zur Erde, und wenn dies geschieht, oder eines der Riesenblätter aus der Höhe herab- stürzt, dann wird man daran erinnert, dass es nicht immer „ungestrafte bleibt, „unter Palmen zu wandeln". Cocos nueifera kommt in allen heissen Tropengegenden vor. Die Cocosnuss, eine sehr grosse Steinfrucht, schliesst einen Samen ein, dessen fettreiches Endosperm zur Ölbereitung dient. Der vom festen Endospermtheil umgebene Saft (Cocosmilch) stellt ein sehr kühlendes Getränk dar. Unvergesslich wird mir eine botanische Excursion sein, die ich am Nachmittag des 7. September in Gemeinschaft mit Herrn Diniz, dessen Söhnen und Bruder unternahm. Wir fuhren eine Strecke mit der Strassenbahn und wan- derten dann zu Fuss weiter im lieblichen von Hügelketten begrenzten Thal des Rio Vermelho. Nur an vereinzelten Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. - > Stellen schimmert das gelbrothe Erdreich hervor, aber ich hätte den Contrast zwischen der Farbe des Bodens und derjenigen der ihn überkleidenden Vegetation in dem herr- lichen Landschaftsbilde nicht missen mögen. In den Tropen verläuft der Verwitterungsprocess schon in Folge starker Temperaturschwankungen, denen Gestein und trockener Boden ausgesetzt sind, weit schneller, als im gemässigten Klima. Unter dem Einfluss der heissen Sonnen- strahlen nimmt die nackte Erdoberfläche am Tage oft eine Wärme von 60 — 700 Celsius an, so dass im Laufe von 24 Stunden Variationen der Temperatur von 40 — 500 Cel- sius häufig sind. Dazu kommt noch der rapide Fortgang der chemischen Processe, die zerstörend wirken. Wenn sich nun die mannigfaltigsten eisenhaltigen Gesteine relativ schnell bei Ausschluss gar zu grosser Mengen abfliessenden Wassers zersetzen, so wird das gebildete kohlensaure Eisen- oxydul nicht in beträchtlicher Quantität entführt, sondern es erfährt eine rasche Umwandlung in rothbraunes Eisen- oxydhydrat, das dem thonerdereichen, aber kalk- und alkaliarmen, porösen, lockeren Verwitterungsproduct bei- gemengt bleibt. Auf solche Weise häuft sich der eigen- thümliche Lateritboden von gelbrother oder rother Farbe an, welcher für die Tropenländer so characteristisch ist. Rechts vom Weg, den wir verfolgen, strömt der kleine Fluss. Halbnackte Negerinnen sind hier, im Wasser stehend, beim Waschen thätig. Die Wäsche wird eingeweicht und dann schonungslos auf Steinen bearbeitet oder gegen die- selben geschlagen, bis sie rein ist. Im reizenden Thal des Rio Vermelho erscheint der Boden in ein wundervolles, aus Blättern und buntfarbigen Blüthen gewobenes Gewand gehüllt. Guirlanden von Con- volvulaceen mit grossen, weissen, blauen oder carminrothen Blumen, Cucurbitaceen und Bignoniaceen winden von Busch zu Busch. Man sieht Verbenaceen mit blauen oder ziegelrothen Blüthen, verschiedene Repräsentanten der in ca Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebun . Brasilien durch ca. iooo Arten vertretenen Familie der Melastomaceen, deren Angehörige man meisl schon an der characteristischen Nervatur ihrer Blätter erkennt, Papiliona- ceen, grosse violette Blüthen tragend , Malvaceen, deren Blumen handgröss sind und zinnoberroth leuchten, Pipera- ceen mit walzenförmig gestrecktem, grünlichem Blumenstand etc. Hier und da erhebt sich eine stolze Palme aus dem die Hange überkleidenden Gebüsch, oder eine Musa breitet ihre grossen Blätter gleichsam schirmend über andere Pflanzen aus. Man liest oft von dem anscheinenden Blüthenmangel der Tropen, aber für das Thal des Rio Vermelho trifft der- selbe nicht zu. Freilich, im bunten Blüthenschmuck pran- gende Wiesen, wie sie der gemässigten Zone eigen sind, fehlen hier, wie überhaupt in den Tropen. Auffallend er- scheint, dass manche bei uns sehr entwickelte Pflanzen- familien (z. B. Compositen, Cruciferen, Umbelliferen etc.) in vielen Tropengegenden nur durch wenige Repräsentanten vertreten sind. Allerdings ist dafür die Anzahl ganz neuer Pflanzenformen eine überaus grosse. Das Bett des Flüsschens erweitert sich seeartig; auch links vom Weg erblicken wir einen Teich, umrahmt von üppigster Vegetation. Ein stiller Friede ruht über dieser lieblichen Landschaft, und das Auge des Beschauers kann sich nicht satt sehen an der Farbenpracht sowie Formen- fülle, welche die Natur hier verschwenderisch entfaltet. Dort über dem Wasserspiegel schimmert in zartesten Far- ben ein Blüthenstand aus den ihn umgebenden Blättern hervor. Zufällig ist ein kleiner von einem Neger geführter Kahn zur Hand, so dass die schöne Pflanze, Eichhornia crassipes (Familie der Pontederiaceen), ans Land gebracht werden kann. Das schwimmende Gewächs trägt Blätter mit halbkreisförmiger Spreite, deren Stiel, als Schwimm- apparat dienend, markreich und angeschwollen ist. Die vielblumigen Blüthenstände ragen aus dem Wasser empor. Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. ~ c A/VVVUXAAAAAAAAAAAAAAAAPA^ ■■■■»«»*» Jede Blüthe von ca. 10 cm Durchmesser zeigt sechs Peri- gonblätter, von denen fünf zart hellviolett gefärbt sind, während das sechste dunkelviolett erscheint und in seiner Mitte einen gelben Fleck trägt. Da, wo zur Linken des Weges der erwähnte Teich beginnt und ein ganz verwachsener Nebenpfad abzweigt, leuchten aus dem Gebüsch carminrothe Farben hervor, die köstlich mit dem Grün des Laubes contrastiren. Ich bleibe überrascht stehen. Vor mir sehe ich verschiedene Exemplare ananasartiger Pflanzen, erdbewohnende Bromelia- ceen, mit schmalen, stachelrandigen Blättern. Aus der Mitte der Blattrosetten erhebt sich ein etwa 4 Fuss hoher Blüthenschaft, der in einen 1.5 Fuss langen Blüthenstand endet. Die grossen Bracteen desselben sind wundervoll roth gefärbt und tragen in ihren Achseln violette Blüthen. Ich scheute mich förmlich, diese herrliche Pflanze zu brechen. Zum ersten Mal stand ich im Thal des Rio Vermelho der fast völlig frei waltenden brasilianischen Tropennatur gegenüber. Staunen, Bewunderung und ein tiefes Gefühl des Glückes erfüllten mich. Indem wir den Thalweg weiter verfolgten, gelangten wir schliesslich zu dem hübsch gelegenen, freundlichen Badeort Rio Vermelho, in dessen unmittelbarer Nähe sich der Fluss gleichen Namens ins Meer ergiesst. Auf dem hohen Ufer wachsen grosse Gruppen von Cacteen und dunkelviolettblüthige Daturaformen. Ein Hain von Cocos- palmen nimmt uns auf. Wir lauschen dem Brausen der Brandung, die schaumsprühend die Felsentrümmer am Strande bespült. Es war Nacht geworden, als wir, beladen mit Pflanzenschätzen, wieder in Bahia eintrafen. Am 1 1. September ging es mit Herrn Diniz und Herrn Doria, der Professor der Botanik an der medizinischen Akademie zu Bahia ist, nach Itapajepe, einem kleinen Ort nördlich von der Hauptstadt. Zunächst benutzten wir die Strassenbahn, um dem Getümmel der Stadt schnell zu ent- c6 Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgi bung. fliehen, dann schritten wir zu Puss trotz grosser 1 fitze rüstig weiter. Wir sahen bald mächtige Casuarinen und fieder- blätterige, afrikanische ( Hpalmen (Elaeis guineensis an pflanzt, wild wachsende epiphytische, schönblumige Orchi- deen auf den Bäumen und herrliche, rankend« Passifloren mit dreilappiger Narbe und im übrigen fünfgliederig ge- bauten Blüthen, die zwischen Krone und Staubblättern jene bekannten, sonderbar gestalteten, fadenförmigen Bildungen zeigten. Die Laubblätter mancher Passifloren sind mit sehr entwickelten gelben Nectarien ausgestattet. Dann fanden wir einen im Staat Bahia ziemlich verbreiteten Baum aus der Familie der Apocyneen, dessen Milchsaft man sammelt, mit Wasser versetzt und kocht, um schliesslich die coagu- lirten Massen abzuschöpfen, auszupressen und zusammen zu kneten. Der auf diese Art gewonnene Kautschuk stellt einen nicht ganz unwichtigen Handelsartikel dar. Mein besonderes Interesse erregte eine Ficusart, die zu den Baumwürgern gehört. Ich sah auch später in Mimoso im Staate Espirito Santo ein ähnliches Gewächs, welches eine riesige Myrtacee bereits fast völlig getödtet hatte. Der Ficus siedelt sich auf dem Baum, welchen er schliesslich zu Grunde richtet, an. Er erzeugt oft senkrecht herabwachsende, in den Boden eindringende, mächtige, stammähnliche Nährwurzeln, aus denen, ebenso wie aus den Ficuszweigen, Haftwurzeln hervorgehen, die den Stamm des Stützbaumes umschlingen und endlich den Boden er- reichen. Diese allmählich armdick werdenden Haftwurzeln verzweigen sich auch und verwachsen theilweise mit einan- der. Es entsteht so ein Wurzelgitter, das die Rinde des stützenden Stammes in Folge ihres Dickenwachsthums zerquetscht. Vermodert jener nun nach längerer Zeit, dann bleibt nur die Wurzelröhre des Ficus übrig, welche jetzt stark genug ist, um sich aufrecht erhalten zu können. Und weiter die wunderbaren Ameisenpflanzen, die Cecropien (Familie der Artocarpeen), Embaubabäume der Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. c 7 Brasilianer, welche vor einigen Jahren so eingehend von Schimper studirt worden sind. Wenn man in den Tropen wandert, so begegnet man oft ganzen Zügen von Ameisen. Ein Strom der Thiere bewegt sich auf dem Boden von dem aut der Erde be- findlichen Nest aus zu Bäumen oder Sträuchern; die Thiere kriechen auf die Pflanzen, schneiden mit Hülfe ihrer Beiss- werkzeuge kleine Stücke aus den Blättern heraus, befördern dieselben auf den Kopf und wandern so beladen in ihr Xest zurück. Besonders Papilionaceen, sowie in den Gärten Rosen und Orangen werden von den gefährlichen blatt- schneidenden Ameisen (Attaarten) in Brasilien oft in kurzer Zeit völlig vernichtet. In den Gärten sucht man sich häufig vor den schlimmen Feinden zu schützen, indem man die Wege sorgsam mit Cement bekleidet, oder indem man rings um die Basis des Stammes der zu hütenden Gewächse Wasser enthaltende cementirte Rinnen anbringt. Die Natur hat die Pflanzen ebenfalls vielfach mit Schutzmitteln gegen die Blattschneider ausgerüstet, und dieselben sind gerade bei den Cecropien in überaus merkwürdiger Art entwickelt. Ich fand die ersten Exemplare der wunderbaren Pflanze hier bei Itapajepe in einem Gebüsch. Später habe ich die Cecropien oft im Urwald und in der Capoeira (Nachwuchs, welcher sich nach Zerstörung des Urwaldes entwickelt) an- getroffen. Einmal fällten wir im Urwald bei S. Eduardo im Norden des Staates Rio einen Baum von 12 m Höhe mit dem Facon (einem gekrümmten Waldmesser), und dicht dabei stand noch ein anderes Exemplar von 20 m Höhe. Der Stamm desselben hatte an der Basis nur ca. 1 Fuss Durchmesser. Der ziemlich glatte, mit dreieckigen Blattnarben besetzte Cecropienstamm trägt an seinem oberen Ende Äste, die an ihrer Basis fast horizontal, dann aber in gewisser Ent- fernung vom Stamm in scharfer Krümmung nach oben gewachsen sind, so dass der Baum die Gestalt eines Can- -S Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. delabers gewinnt. Dir grossen, in nicht bedeutender An- zahl vorhandenen, handförmigen Blätter erscheinen oberseits grün, Unterseite in Folge ihrer Behaarung grau oder weisslich. Als wir eine Cecropie bei Itapajepe gefüllt hatten und dieselbe forttrugen, um sie an einem geeigneten Orte in aller Ruhe zu untersuchen, mussten wir den Baum mehr- fach auf dem Weg niederlegen, da aus dem Stamm des- selben unzählige Ameisen hervorkrochen, die förmlich über uns herfielen, in unsere Kleider hineinkrochen und uns entsetzlich bissen. Aber hier haben wir es nicht mit blattschneidenden, sondern mit durchaus anderen Ameisen- arten zu thun. Die Cecropien sind nämlich von Schutz- ameisen (Aztecaarten) bewohnt, welche ihre Nester in den hohlen, ab und an durch Querwände gefächerten Stämmen bauen. An der Basis älterer Stämme ist die Höhlung nur von geringem Durchmesser; nach oben nimmt sie an Weite zu, und bei einem mir gerade vorliegenden nicht ganz jungen, trockenen Cecropientheil von 30 mm Durchmesser, kom- men 22 mm auf die Höhlung, 4 mm auf die Dicke der Wand. Die Besiedelung der Bäume mit Schutzameisen geschieht in der Weise, dass ein befruchtetes Weibchen, die spätere Königin, in die jüngeren Stammtheile eindringt. Dies geschieht an bestimmten, engumgrenzten Stellen, an denen die Wandsubstanz fast papierdünn ist. Diese Pforten der Thiere erblickt man in Gestalt kleiner, rundlicher Öff- nungen an den oberen Internodien, während die vernarbten Spuren derselben an den älteren sichtbar sind. Die in grosser Menge in den Cecropienstämmen zur Entwickelung gelangten Ameisen kriechen oft aus ihren Wohnungen her- vor. Sie gelangen auf die Blätter und sammeln hier die an den polsterartig verdickten Blattbasen zwischen braunen Haaren zur Ausbildung gelangten sogenannten Müllerschen Körperchen, kleine eiförmige, eiweiss- und fettreiche Ge- bilde, welche in dem Maasse, in welchem sie entfernt wer- Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. cq den, wieder neu entstehen. Diese Müllerschen Körperchen schleppen die Thiere in ihr Nest, um sie für ihre Ernäh- rung zu verwerthen. Man sieht also, dass die Cecropien den Schutzameisen Wohnung und Nahrung gewähren. Die Thiere erweisen sich dafür der Pflanze aber dankbar, indem sie, sobald blattschneidende Ameisen den Baum heimsuchen, über dieselben herfallen und die Pflanze somit vor Vernich- tung schützen. Es kommt vor, dass Cecropienexemplare aus irgend welchem Grunde nicht von Schutzameisen be- wohnt sind. Solche Pflanzen haben dann keine unversehrten, sondern vielfach seitens der Blattschneider durchlöcherte Blätter, und sie sind thatsächlich der grössten Lebensgefahr ausgesetzt. Eine Cecropienart auf dem Corcovado bei Rio birgt niemals Schutzameisen. Diese Species ist aber durch den Besitz einer glatten, wachsüberzogenen Epidermis vor den Blattschneidern, welche nicht am Stamm emporkriechen können, geschützt. Die merkwürdige Glätte vieler Stämme, die mir oft bei Bäumen des Urwaldes in Brasilien, zumal bei Myrtaceen, auffiel, dient auch wohl dem gleichen Zweck. Im Anschluss an diese Erörterungen über die wunder- baren symbiotischen Beziehungen zwischen Cecropien und Schutzameisen wollen wir nun noch an der Hand der Untersuchungen Alf. Möllers die Frage nach der Ver- werthung der seitens der blattschneidenden Ameisen auf ihren Raubzügen gesammelten Blattstücke verfolgen. Die Thiere bewegen sich auf besonders dazu her- gerichteten Strassen, die unter der Aufsicht fleissiger Wege- besserer stehen, und zuweilen eine halbe Meile lang sind. Sie bringen die Blattstücke in die in Erdlöchern oder hohlen Baumstämmen, selten frei auf dem Boden, angelegten Nester, zerkleinern dieselben weiter und häufen sie im Nest zu schwammigen, mit vielen Poren durchsetzten Massen an, zwischen denen Ameisen, Eier, Larven und Puppen an- getroffen werden. In diesen „Pilzgärten", die, wenn die Nester frei auf dem Boden angelegt worden sind, mit ver- (5o Brasilien im Allgemeine!] und dir Stadt Bahia sowie Umgebung. trocknetem Laub und Zweigstücken überdacht werden, sie- delt sich nun ein Pilz an, dessen Mycelium die Blattmassen durchzieht, und der unter Umständen auch Conidien sowie grosse Fruchtkörper bildet. Der Pilz gehört zur Gruppe der Ägaricineen. An seinem auf Kosten der Blattsubstanz wuchernden Mycelium entwickeln sich kleine, kornchen- artige, weisse Gebilde, die den Ameisen zur Nahrung dienen. Die Thiere treiben also Pilzcultur, und um die Pilzgärten frei von „Unkraut", z. B. Schimmelpilzen, zu halten, sind besondere sehr kleine Attaindividuen fleissig beim Ausjäten der fremden Eindringlinge beschäftigt, die, wenn sie die Oberhand gewönnen, die ganzen Culturen überwuchern und vernichten würden. In unmittelbarer Umgebung des kleinen Ortes Itapajepe ist der Boden sehr sandig. Verschiedene Strandgewächse gedeihen auf demselben; indessen wir schenkten ihnen hier keine besondere Aufmerksamkeit, da wir von der Man- grovevegetation , die in einiger Entfernung zum Vorschein kam, stärker angezogen wurden. Da, wo im feuchtwarmen tropischen Klima an der Küste des Meeres kein felsiger oder sandiger Strand vorhanden ist, sondern das Wasser in flachen Meeresbuchten oder im Mündungsgebiet der Flüsse in Folge seiner relativen Ruhe schlammige Massen absetzen kann, bildet sich im Bereiche der Ebbe und Fluth eine höchst eigenartige, aus Bäumen und Büschen recht ver- schiedener Familien bestehende Vegetationsformation, die Mangrove, aus. Auch an sumpfigen Stellen, etwas ent- fernt vom Meer, siedeln sich die Mangrovepflanzen manch- mal an. Man denke sich eine sehr ausgedehnte, schlammige, zur Fluthzeit vom Wasser bedeckte Bodenfläche, die von niedrigen, so nahe an einander gerückten Bäumen bestanden wird, dass es unmöglich erscheint, in das Innere des Dickichts einzudringen. Tiefe Stille herrscht rings umher. Zur Fluth- zeit werden die unteren Theile der Bäume vom Wasser Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. 6 1 JVVV-^V1-^J-UVVTJV^ ■»»*****> «AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA* A**»ÄA>» A»»« ****■■»■■»»» »»«A«*« AAAAAA umgeben. Auf der dem Meere zugewandten Seite lichtet sich der Wald, und nur einzelne Pflanzen sind gleich Vor- posten vorgeschoben. Der Wald besteht aus Rhizophora Mangle, einer Pflanze, die in mehrfacher Beziehung die merkwürdigsten Anpassungen an die Lebensbedingungen, unter denen sie vegetirt, erkennen lässt. Zunächst kommen hier die Stelzenwurzeln in Betracht. Sie entspringen in grosser Zahl dem Stamm und wenden sich in weitem Bogen nach abwärts, um den Boden zu erreichen, in welchen sie eindringen. Auf solche Weise kommt eine genügende Be- festigung der Pflanzen zu Stande; sie vermögen dem An- prall der Wogen Widerstand zu leisten. An den Zweigen der Rhizophora, welche ganzrandige Blätter von fleischig- lederartiger Consistenz tragen, hängen sonderbare Gebilde, die, wie die nähere Untersuchung ergiebt, Keimpflanzen sind. Die Rhizophoren zeichnen sich nämlich durch „Vi- viparie" aus; ihre Samen keimen, so lange sie noch mit der Mutterpflanze in Verbindung stehen, und erst der recht weit entwickelte Keimling fällt ab. Der obere Theil des- selben ist vor der Abtrennung von der Mutterpflanze von dem sich nicht loslösenden Fruchtgewebe umgeben. Das sich zu einer Länge von vielen Centimetern ausbildende Hypocotyl wächst gerade nach abwärts, hat einen Durch- messer von i — 2 cm und endet unten in eine kegelförmige Spitze. Der ausgebildete Keimling fällt in senkrechter Stellung zu Boden; er bohrt sich in den schlammigen Grund ein. Da im Laufe weniger Stunden Seitenwurzeln zur besseren Befestigung ausgebildet werden, ist der junge Organismus bald vor der Entführung durch die Fluthwellen geschützt. Auch an verschiedenen anderen Orten habe ich die Mangroveformation in Brasilien weiter beobachten können, besonders bei Nictheroy in der Nähe von Rio. Hier bilden weniger Rhizophoreen, sondern vor allen Dingen Verbe- naceen (Avicennia) und Combretaceen (Lacuncularia' ihre I 2 Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Babia sowie Umgebung. Hauptelemente. Diesen mehr strauchartigen , niedrigen Pflanzen fehlen die Stelzenwurzeln, aber besonders die erstere Gattung ist doch in Folge einer Eigenthümlichkeit höchst beachtenswert!* Ihre horizontal im Schlamm wachsenden Wurzeln senden nämlich senkrecht nach aufwärts gerichtete Athemwurzeln an die Oberfläche, deren Enden mehrere Centimeter aus dem Boden frei hervorragen. Diese mit Lenticellen besetzten Athemwurzeln haben die Aufgabe, den Gaswechsel der unterirdischen Organe der Avicennia zu erleichtern. Sämmtliche Mangrovegewächse zeichnen sich durch fleischig-lederartiges Laub aus. Ihre Blätter haben in mehr als einer Hinsicht Ähnlichkeit mit denjenigen anderer Strand- pflanzen, mancher Epiphyten, Hochgebirgspflanzen und mancher Gewächse, die an sehr trockenen Standorten gedeihen. Die Blätter vieler Strand- und der Mangrove- pflanzen tragen den nämlichen Charakter wie diejenigen der Xerophyten, was sich in der stark cuticularisirten Epider- mis, eingesenkten Spaltöffnungen, dem häufigen Vorhanden- sein von Schleimzellen und Wassergewebe ausprägt. Diese Thatsache ist um so merkwürdiger, als doch zahlreichen der erwähnten Halophyten, zumal den Mangrovegewächsen, stets reichlichste Wassermengen zur Verfügung stehen. Wo ist nun der Schlüssel zum Verständniss zu suchen? Zunächst muss betont werden, dass reichliche in den Organismus der Halophyten eingetretene Kochsalzmengen auf denselben in Folge seiner specifischen Natur nicht giftig einwirken, während die Nichthalophyten sich ganz anders verhalten. Während ferner die Gegenwart grösserer Chlornatriummengen bei diesen letzteren einen Verschluss der Spaltöffnungen bedingt und dadurch die Assimilation aufhebt, ist dies bei den Halophyten, in deren Schliess- zellen fast gar kein Kochsalz einzudringen vermag, nicht der Fall. Die den Halophyten wie übrigens auch den gewöhn- Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. 63 />J^^(^/X/^AA.^/^ArU^flJV^Ar^rUVV^*^*^^ Wl*T*TN%»l*l*l*r*1*l*l*"*l» *l*l* ************* *****^A»AAAAAAAA*AA**AA*AA»*AMA*AAAAAAAAAAAAAA« ««*««« *«*«*»ÄAAA»A»A liehen Sumpfpflanzen mangelnde Fähigkeit des Spaltöffnungs- verschlusses , welche bei den Xerophyten so sehr ent- wickelt ist, führt dahin, dass jene ersteren stets, selbst noch im welkenden Zustande, stark transpiriren. Das ist freilich ein Nachtheil, aber derselbe muss mit in Kauf genommen werden, denn ein Verschluss der Stomata durch die Ein- wirkung des Kochsalzes, wie er für andere Gewächse cha- rakteristisch ist, würde für die Bewohner salzreicher Böden die Assimilation so gut wie ausschliessen. Der erwähnte Übelstand starker Transpiration bei Strand- und Mangrove- gewächsen erscheint um so bedeutungsvoller, als wir wissen, dass die Wasseraufnahme der Wurzeln aus salzreichem Boden erheblich erschwert ist. Pflanzen aber, die stark verdunsten und in der Zeiteinheit wenig Wasser aufnehmen, sind der Gefahr des Welkens ausgesetzt. Die Halophyten befinden sich thatsächlich unter solchen Verhältnissen, und die bio- logische Bedeutung ihrer Blattstructur, durch welche ein Ansammeln, resp. Zurückhalten von Wasser angestrebt wird, erscheint bei Berücksichtigung der angedeuteten Momente verständlich. (Näheres ist in den Arbeiten von Stahl und Schimper zu vergleichen.) In der Oberstadt von Bahia wohnen, abgesehen von Negern und Mulatten, die Fremden und die Brasilianer. Die Deutschen und Engländer sind in den bedeutenderen Städten Brasiliens besonders als Grosskaufleute thätig, wäh- rend Italiener sowie Portugiesen viele Arbeiter und letztere namentlich auch Ladeninhaber stellen. In Rio liegt das Ladengeschäft vielfach in Händen von Franzosen. Die Brasilianer erwerben sich ihren Lebensunterhalt als Arbeiter, Beamte, Aerzte oder Fazenderos. Manche der letzteren sind sehr reich; sie wohnen oft in schönen Häusern in den Städten und lassen ihre ausgedehnten Plantagen verwalten. Die eigentlichen Brasilianer sind Leute portugiesischer Abstammung, deren Familien aber bereits generationenlang I ii Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. in Brasilien wohnen. Daher kommt es auch, dass das Portu- giesische Landessprache ist. Übrigens hat die Sprache in Brasilien bereits einige kleine Abänderungen erfahren, namentlich werden die Wörter hier klarer und be- stimmter gesprochen als in Portugal selbst. Ich kann das Portugiesisch nicht schön finden; besonders im Gegensat/, zu dem so nahe verwandten kräftigen, lautreichen Spanisch hat die Sprache etwas Unmusikalisches an sich. Die meisten gebildeten Brasilianer sprechen auch französisch. Der Brasilianer ist mittelgross, meist von zierlichem Körperbau und gelber Hautfarbe. Ausdrucksvolle Züge, schwarzes Haar und dunkle Augen verleihen der Persön- lichkeit oft etwas sehr Anziehendes. Die Schönheit der Frauen welkt schnell dahin. Das Wort beherrscht der Brasilianer in ganz bewun- derungswürdiger Weise. Ich habe mich oft an der Bered- samkeit der Leute erfreut. Dabei bewegen sich auch die sogenannten „Ungebildeten" mit einer Sicherheit und einem natürlichem Anstände, die beneidenswerth sind. Man ist manchmal in der That ganz erstaunt über das „savoir vivre" von Frauen und Männern aus dem „Volk". Nur das mir ganz grundlos erscheinende ewige Ausspeien berührt sehr unangenehm; dasselbe wird aber überall geübt. Für die Kunst scheint der Brasilianer wenig Sinn zu haben. Auch den Naturgenuss kennt er kaum. Es mag überaus selten vorkommen, dass ein Brasilianer Touren oder Reisen unternimmt, um sich an der Herrlichkeit seines Landes zu erfreuen. Dem Fremden gegenüber zeigt der Brasilianer zunächst eine gewisse kühle Zurückhaltung. Ist man aber empfohlen, oder in eine Familie eingeführt, so kann man sicher sein, mit der grössten Liebenswürdigkeit aufgenommen zu werden. Die Gastfreundschaft, welche im Lande geübt wird, bean- sprucht die höchste Anerkennung. Ich wohnte im Innern tagelang bei Brasilianern, die gar nicht bemittelt waren, Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. (5 c und bin mit ausgesuchter Aufmerksamkeit behandelt worden. Eine Geldentschädigung wollten die freundlichen Menschen dafür durchaus nicht annehmen, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als ihnen später von Europa aus einige Ge- schenke zu senden. Beachtung beansprucht ferner der edle Patriotismus mancher Brasilianer. Ich habe Männer, z. B. den um die Einwanderungsfrage so hoch verdienten Dr. Domingos Ja- guarihe in Säo Paulo und den vortrefflichen Herrn Senna in Ouro-Preto, kennen gelernt, die unermüdlich und in un- eigennützigster Art im Interesse ihres Volkes thätig sind, und darin dem so sehr verkannten Kaiser Don Pedro II. würdig folgen. Leider wird freilich diese Vaterlandsliebe bei vielen Brasilianern dadurch getrübt, dass sie ihre per- sönlichen Interessen in der sogenannten „Politik" in den Vordergrund stellen, oder in Überschätzung der Eigenart ihres Landes verfallen. Der engherzigen Anschauung, es sei alles in Brasilien „munto bonito", d. h. ganz vorzüglich, begegnet man oft, und indem die vorhandenen Mängel übersehen werden, kann natürlich auch nicht der erste Schritt zu deren Beseitigung geschehen. Überaus wohlthuend berührt es, dass es in Brasilien, trotz bedeutender Unterschiede im Besitz, so gut wie keine Standesvorurteile giebt. Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete verkehren in freundlicher Weise mit ein- ander. Die rein menschlichen Beziehungen treten dabei oft in schöner Weise hervor; kein Stolz auf der einen und keine unangenehm berührende Art der Unterordnung auf der anderen Seite. Gerade wir Deutschen sollten uns in dieser Beziehung den Brasilianer zum Muster nehmen. Recht zu beklagen ist nun auf der anderen Seite die grosse Indolenz der Brasilianer, die überall hervortritt und geradezu gefährlich für die Entwickelung des Landes er- scheint. Es heisst stets „paciencia" (Geduld) oder „amanhä" (morgen). Die Langsamkeit und Schwerfältigkeit, mit der Detmer, Brasilianische Reisebilder. c Brasilien im Allgemeinen und die Stadt ßahia sowie Umgebung. alles besorgt wird, die LJnzuverlässigkeit, sind zum verzweifeln. Wer ungeduldig wird, den lacht man aus. Diese Indolenz hat auch Trägheit im Gefolge, welche oft förmlich komisch wirkt. Wünscht der Schaffner in der Hahn das Billet, so spricht er den Reisenden gewöhnlich nicht an, sondern er fuhrt eine Bewegung mit den Fingern aus. Ich machte mir zuweilen den Scherz, auf nichts derart zu reagiren, und dann allerdings bat der Mann schliesslich höflich um meine Fahrkarte. Im Nationalmuseum zu Rio sind sämmtliche Be- amte angewiesen, ihre Namen morgens, wenn sie an die Arbeit gehen, in ein Buch einzutragen. Auf solche Art kann controlirt werden, wer seinen Dienst versehen hat. Fehlt ein Beamter, so wird demselben für die Zeit, in der er nicht anwesend ist, die Hälfte des Gehaltes abgezogen. Ohne diese Einrichtung würden sich viele Brasilianer ganz grundlos häufig krank melden und kein Bedenken tragen, ihren Gehalt trotzdem in voller Höhe zu beziehen. Wenn ich reiste und gern den Namen eines Flusses oder Ortes sicher erfahren wollte, so gewöhnte ich mich bald daran, stets zu fragen: Wie heisst dieser Fluss oder Ort? Sagte ich: Ist dies nicht der Fluss oder Ort X? dann wurde ein- fach aus Bequemlichkeit und ohne Rücksicht auf die Sache selbst geantwortet „e", d. h.: So ist es. Übrigens dürfen wrir den Brasilianer seiner Indolenz wegen nicht zu scharf beurtheilen, denn sie ist sicher zum grossen Theil Folge der erschlaffenden Wirkung der Hitze, die den Organismus gewaltig beeinflusst und auch die Energie des Europäers, der lange im Lande lebt, lähmt. Die Häuser in den grösseren Städten Brasiliens sind natürlich schon vielfach nach europäischer Art gebaut. Dem echt brasilianischen Haus begegnet man in den Vor- städten und auf dem Lande. Es ist einstöckig, trägt ein wenig geneigtes Dach und hat keinen Keller. Eine Veranda ist nicht selten vorhanden. Auf dem Lande fehlen in den Häusern nicht wohlhabender Leute die Fenster vollkommen. Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. 57 Die Fensteröffnungen können nur durch Holzläden ver- schlossen werden. Sonst sind Schiebefenster vorhanden. Dem das Haus umgebenden Garten widmet man vielfach wenig Sorgfalt. Treten wir ein in eine brasilianische Wohnung, so ge- langen wir direct oder von einem Vorraum aus in das Be- suchszimmer, welches ebenso wie alle anderen Zimmer einen recht kahlen Eindruck macht und von dem wenig ausgebildeten ästhetischen Sinn der Brasilianer Zeugniss ablegt. Charak- teristisch für dies Zimmer ist immer ein mit Spitzendecken behangenes, an der Hauptwand stehendes Sopha mit Rohr- geflecht. Ein Tisch steht nicht vor dem Sopha, aber rechts und links sind im rechten Winkel zu demselben einige Stühle aufgestellt. Recht geräumig ist auch das Speise- zimmer, während die Schlafzimmer, in denen die Betten oft mit Mosquitonetzen überspannt werden, weniger ge- räumig sind. Badeeinrichtungen fehlen selten in den Häusern wohlhabenderer Leute. Der Brasilianer widmet der Reinlich- keit seines Körpers überhaupt viel Aufmerksamkeit, und auch die Neger thun dies vielfach. Aborte existiren nur in den Stadthäusern; auf dem Lande findet man sie nicht. Wenn ich in den Häusern von Brasilianern verkehrte, fiel mir oft die grosse Zahl von Familienmitgliedern auf, die unter einem Dache wohnen. xAls ich mich näher er- kundigte, sagte man mir, dass die wohlhabenderen Brasi- lianer sehr oft ihre weniger bemittelten Verwandten und deren Familie ganz bei sich aufnehmen. Die Beziehungen der Familienmitglieder zu einander schienen mir stets recht freundliche zu sein. Die Tracht der Menschen in Brasilien ist, abgesehen von jener bereits früher erwähnten der Minanegerinnen, wenig charakteristisch. Es fällt sehr auf, dass so selten leichte, weisse Anzüge getragen werden. In Bahia ist das freilich häufiger der Fall, aber in Rio, wo doch die Temperatur im Sommer bis gegen 40 ° C. steigen kann, und im söge- - * 3 ( )S Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. nannten Winter selten unter i6° C. sinkt, erblickt man die Herren in schwarzen Anzügen und Cylinderhut I landschuhe tragt man der 1 litze wegen nicht. Auch sind dieselben, wenn sie nicht gebraucht werden, ebenso wie z. I>. Stiefeln, die man im Schrank stehen hat, in dem feuchten Klima der Einwirkung des Schimmels derartig ausgesetzt, dass sie in wenigen Tagen mit einem grünlich -weissen Überzug be- deckt erscheinen. Die Strassentoiletten der Damen sind sehr elegant, während im Hause wenig Gewicht auf die Kleidung gelegt wird. Der Brasilianer steht zeitig auf; er badet dann sogleich, trinkt eine Tasse schwarzen Caffee und nimmt etwa um 9 Uhr ein warmes Frühstück ein. Zwischen 4 — 6 Uhr findet das Mittagessen statt; Besuche macht oder empfängt man nach demselben. Brasilien gewährt seinen Bewohnern Nahrungsmittel in Hülle und Fülle, so dass sich auch die weniger be- mittelten Volksklassen bessere und reichlichere Kost als z. B. bei uns leicht verschaffen können. Das Meer und die Flüsse liefern viele Fische, Austern, Krabben (camaröes). Krebse giebt es reichlich. Im nördlichen Brasilien sind Schildkrötenfleisch und Schildkröteneier wichtige Nahrungs- mittel. Hühner und Truthühner (perüs) sieht man überall. Besonders kommt dann als Nahrungsmittel carne secca, ge- salzenes und an der Sonne getrocknetes Rindfleisch, in Be- tracht. Brot, sowie Kartoffeln (letztere aus Portugal im- portirt) giebt es nur in der Nähe der Küste, nicht im In- nern. Hier bilden carne secca, schwarze Bohnen (feijäo preto), Reis und Farinha, Mehl der Maniokpflanze, auf deren Cultur wir später zurückkommen, die wesentlichsten Bestandtheile der Mahlzeiten. Als Gewürz findet Piment (in Essig eingemacht) ausgedehnteste Verwendung. Ich sah Brasilianer den Speisen so grosse Pimentmengen hinzufügen, dass ihnen beim Essen die Thränen aus den Augen strömten. Carne secca mit schwarzen Bohnen sowie Farinha, alles Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. 5Q durcheinander gemischt und mit Piment versetzt, kann man geradezu als Nationalgericht der Brasilianer bezeichnen. Arme und Wohlhabende lieben dies Gericht, und wahrlich nicht mit Unrecht. In Minas fügt man den Speisen oft grosse Ölmengen hinzu, wodurch sie für mich allerdings ungeniessbar wurden. Das Nationalgetränk bildet der Caffee. Im Norden des Staates Rio erhielten wir auch wohl Mate, den man wie chinesischen Thee aus den Blättern von Hex paraguayensis bereitet. Der Brasilianer ist sehr massig und geniesst wenig alkoholische Getränke. Bier wird aus Europa viel importirt. Eine Flasche kostet im Inneren 2 — 3 Milreis, also 2 — 2.50 Mark. In Rio, besonders aber in Säo Paulo, braut man übrigens heute auch sehr gutes Bier. Cachac,a (Zuckerrohrbranntwein; lieben besonders die Neger und Italiener, während der Brasilianer, der sehr wohl weiss, dass der Genuss grösserer Mengen Alkohols in den Tropen doppelt gefährlich für den Organismus ist, gern refrescos (Wasser mit süssem Fruchtsaft versetzt) trinkt. Gemüsearten giebt es in Brasilien in grosser Zahl. Da ist zunächst der fein schmeckende Palmkohl zu nennen, den das sogenannte Stammherz von Euterpe liefert. Abobara, Maxixi und Chuchu sind verschiedene Cucur- bitaceenfrüchte, Gilö ist die Frucht von Solanum Gilö und Guimguambö diejenige von Hibiscus esculentus. Auch die Knollen mehrerer Aroideen liefern Gemüse. Aypim nennt man die Wurzelknollen von Manihot Aipi. Die mehlreichen, süsslich schmeckenden W'urzelknoilen von Batatas edulis sind als süsse Kartoffeln (batatas doce) allbekannt. Die zu den Convolvulaceen gehörende Pflanze hat einen dünnen, röthlichen Stengel, der auf der Erde hinkriecht oder auch windet. Er trägt herzförmige oder 3 — 7 lappige Blätter. Endlich sind die viel cultivirten, riesigen Yamswurzeln, die, gut zubereitet, unseren Kartoffeln ähnlich schmecken, nicht zu vergessen. Wir haben es hier mit den WTurzelknollen von Dioscorea zu thun. yo Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. Ein besonderes Interesse hatte- für mich der Stand des Unterrichtswesens in Brasilien. Schulzwang existiii in diesem Lande nicht, so dass natürlich viele Personen weder lesen noch schreiben können. Was den Volksschulunterricht an- belangt, dem ich ziemlich weit im Innern mehrfach bei- wohnte, so muss ich gestehen, dass mir derselbe einen unerwartet günstigen Eindruck machte. Selbst in Dürfern werden Knaben und Mädchen vielfach gesondert unterrichtet. Kinder von Weissen, Mulatten und Negern sitzen neben einander in den Classen. Ich freute mich über die Sauberkeit ihrer Schreibhefte und die Aufmerksamkeit, welche sie er- kennen Hessen. Der Volksunterricht ist in Brasilien völlig frei. Höhere Schulen unterhält der Staat nur sehr wenige; die meisten derselben sind in Privathänden, und die Mädchen wohl- habenderer Familien werden vielfach im Hause von deutschen Lehrerinnen gebildet. In einem von mir besuchten Gymnasium zu Bahia — und ähnlich sind die Einrichtungen in anderen höheren Schulen in Brasilien — fand ich eine ganze Anzahl räum- lich getrennter Fachclassen vor, eine für Geographie, andere für Zeichnen, Botanik, Mathematik, Sprachunterricht etc. Die Schüler, unter denen sich auch mancher Neger befand, sind keineswegs wie bei uns nach Jahrgängen gruppirt, sondern es steht jedem frei, die einzelnen Fächer in der ihm passend erscheinenden Reihenfolge zu treiben, z. B. im ersten Schuljahre Französisch, in einem anderen Geschichte, im dritten Latein und Mathematik etc. Die Examina, welche zum Besuch einer Akademie berechtigen, werden nicht nach völliger Absolvirung der Schule und in allen Fächern gleichzeitig abgelegt, sondern die Knaben melden sich nach Ablauf eines jeden Jahres zur Prüfung in den- jenigen Fächern, welche sie gerade zuletzt studirten. So wird im Laufe der Schulzeit ein Fach nach dem anderen erledigt. Nach den einmal absolvirten Fächern wird später Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. 7 j "« *»««»>lUAAAAAAAAAAAAA^AAM^AAAAA^i»AAA*AAAAA*AAAAAAAAAAAA<>««»t t»..tt**|V|.ftV,V^|W^A|W|AWJ^^^ nicht wieder gefragt. Dazu kommt noch, dass der Lehrer in der Schule fast nur docirt, aber wenig Fragen an die jungen Leute stellt, und dass das Prüfungswesen sehr im Argen liegt. Die Zahl der Hochschulen ist in Brasilien keine sehr grosse. Die wichtigsten sind die juristischen Facultäten zu Säo Paulo, Bahia und Pernambuco, die medicinischen in Rio und Bahia, ferner polytechnische Schulen, auf denen auch die Lehrer für Naturwissenschaften ausgebildet werden, besonders diejenige in Rio, die Kriegsacademie und die Academie der schönen Künste zu Rio, die Bergschule und Pharmaceutenschule in Ouro-Preto, sowie die grosse land- wirtschaftliche Anstalt zu Campinas, die ich später noch eingehender besprechen will. Die Geistlichen werden in Priesterseminaren auf ihren Beruf vorbereitet. Was endlich einige der wichtigsten und verbreitetsten Krankheiten anbelangt, unter denen die Menschen in Bra- silien leiden, so will ich vom gelben Fieber erst reden, wenn ich über Rio de Janeiro spreche. In Bahia hat das gelbe Fieber bereits seit längerer Zeit keine so übermässigen Verheerungen angerichtet wie in Rio und Santos. Sehr ver- breitet sind schlimme Formen der Syphilis in Brasilien. Die Neger sind besonders der Tuberculose ausgesetzt. Eine gefährliche infectiöse Hautkrankheit, gegen welche die Kunst des Arztes wenig vermag, ist die Lepra. Zuerst zeigen sich Knötchen oder Flecken im Gesicht, auf dem Rücken oder den Händen, darauf bilden sich Geschwüre, und es können schliesslich ganze Glieder des Körpers, z. B. Finger, ab- gestossen werden. Während die Lepra durch einen Bacillus verursacht wird, kommt die Elephantiasis, eine andere, zumal auch in Bahia häufige Krankheit, durch die Lebensthätigkeit einer Filaria (Nematodenart) zu Stande. Die Würmer haben ihren Sitz in den Lymphgefässen, und unter häufig wieder- kehrenden Fieberzuständen des befallenen Individuums kommt ~2 Brasilien im Allgemeinen und die Stadt Bahia sowie Umgebung. allmählich die Krankheit zur vollen Entwickeiung. Es macht sich besonders an den unteren Extremitäten eine Hyper- trophie der Cutis und des Unterhautzellgewebes geltend, so dass z. B. die Unterschenkel oft gewaltig anschwellen und ganz unförmige Gestalt gewinnen. Endlich ist noch die Beriberi- Krankheit zu erwähnen. Wir haben es hier mit einer miasmatischen Infectionskrank- heit zu thun, welche die Mehrzahl der befallenen Individuen allerdings übersteht. Die noch nicht sicher ermittelten Keime scheinen zu ihrer Entwickeiung hoher Temperatur und reich- licher Eeuchtigkeitsmengen zu bedürfen. Sie dringen vom Boden aus in den menschlichen Organismus ein und rufen Störungen im Nervensystem hervor, die zu Lähmungen der Extremitäten, zu Herzleiden etc. Veranlassung geben. Es ist Thatsache, dass manche Orte Brasiliens, z. B. Rio und Santos, zu bestimmten Zeiten in sanitärer Hinsicht sehr ungünstige Verhältnisse darbieten. Danach darf aber durchaus nicht, wie es freilich oft genug geschieht, das ganze weite Land beurtheilt wrerden; vielmehr ist hier aus- drücklich hervorzuheben, dass selbst typisch tropische, aus- gedehnte Gebiete in Brasilien ein völlig gesundes Klima besitzen. III. Reisen im Staat Bahia. s war für mich von besonderem Interesse, die merk- würdigen Caatingawälder im Innern des Staates Bahia sowie die Urwälder des Landes kennen zu lernen. Zu meiner grossen Freude bot sich mir bald Ge- legenheit zur Erfüllung meiner Wünsche. Ich lernte einen Herrn Kleinschmied -Wagner kennen, der im Sertäo (d. h. im Innern) von Bahia ein Fazenda (Landgut) besitzt, welches er besuchen wollte. Er forderte mich auf, ihn zu begleiten, und nichts konnte mir an- genehmer sein, als mit dem genannten Herrn zu reisen. Am 12. September trafen wir uns, wie verabredet worden war, noch vor Sonnenaufgang auf der Victoria. Um 6 Uhr ging unser Dampfschiff ab. Wir fuhren über die Bucht, an der schönen Insel Itaparica und kleineren Inseln vorbei, die fast alle im Schmuck zahlreicher Cocospalmen prangen. Nach Verlauf einiger Stunden erreichte das Schiff den tief aus dem Innern Bahias kommenden Parasruassü. Dieser Fluss ist an seiner Mündung recht breit; er durchströmt das Land in vielfachen Windungen, und sein Bett erweitert sich zuweilen derartig, dass man glaubt, sich auf einem kleinen Landsee zu befinden. Der Paraguassü wird der Schönheit seiner Ufer wegen wohl als brasilianischer Rhein bezeichnet. Freilich fehlen hier die Burgen, die sonstigen historischen Erinnerungen, die grossen Städte und die Rebengelände, die dem Rhein jenen Zauber verleihen, der ihn umschwebt. 74 Reisen im St;iat Bahia. Aber der Paraguassu hat auch Schönheiten besonderer Art In seinem unteren Laufe steigen die Ufer zum Theil hoch und steil empor. Der Boden ist in üppigstes Grün gehüllt, aus dem zuweilen grosse, farbengesättigte Blüthen hervor- leuchten. Hier erheben sich hohe Palmen, dort sieht man Zucker- und Tabakpflanzungen die Hänge bedecken. Arm- liche Negerhütten, aber auch stattliche Wohnhauser der Plantagenbesitzer tauchen am Flussufer auf, und dann folgen wieder Strecken desselben, die dichtes Gebüsch wildwachsen- der Pflanzen schmückt. Mehrfach glaubt man am Ende der Wasserfläche angelangt zu sein; indessen plötzlich folgt das Schiff einer scharfen Krümmung des Flusses, und neue, lieb- liche Bilder enthüllen sich dem Blick des Reisenden. Alles schimmert im Lichtglanz der Tropensonne; über allem ist der blaue Himmel ausgespannt. Der Dampfer wendet sich bald nach dieser, bald nach jener Seite, um die Sandbänke im Fluss zu vermeiden. Maragojipe ist erreicht. Zahlreiche Neger kommen mit grossem Lärm an Bord, und eine dicke Negerin, der ihre Genossinnen eine Flasche Wein fort- genommen haben, welche sie singend und lachend aus- trinken, geräth in grösste Aufregung. Alles Reden und Gesticuliren bringt den verlorenen Schatz aber nicht zurück. Gegen zwei Uhr erreichten wir Cachoeira, eine am Para- guassu gelegene Stadt von ca. 12 000 Einwohnern, die mit dem auf dem rechten Ufer des Flusses liegenden Orte Säo Feliz durch eine schöne Brücke verbunden ist. Der Paraguassu mag hier etwa 800 Fuss breit sein. Cachoeira sowie S. Feliz sind sehr wichtige Plätze durch ihre grossen Cigarrenfabriken und nicht minder dadurch, dass sie den Ausgangspunkt für die Eisenbahn und einige Strassen bilden, die in das Innere des Landes führen. Nachdem wir uns in einem ganz nahe der Landungs- brücke gelegenen Gasthof einquartirt hatten, gingen wir nach S. Feliz, um dort einen Herrn Riegner zu besuchen, der eine sehr bedeutende Cigarrenfabrik leitet. Das grösste Reisen im Staat Bahia. n - Etablissement dieser Art ist in Händen eines Deutschen, des Herrn Dannemann. Wir wurden auf das Freundlichste aufgenommen, besahen zunächst die Fabrik, in der zahl- reiche Negerinnen die weltbekannten Felixcigarren herstellen, und wanderten dann von Cachoeira aus bei starker Hitze durch ein enges, von üppigstem Pflanzenwuchs geschmücktes und von einem über Felsen lustig dahinrauschenden Bach durchströmtes Thal. Auch am Abend hatten wir das Ver- gnügen, Gäste des Herrn Riegner zu sein. In seiner Woh- nung angelangt, suchten wir vor allen Dingen die junge Frau des Hauses auf. Wir fanden sie im Garten. Sie trug ein weisses Gewand, und mit ihren Kindern spielend, hatte sie unter Palmen und blühenden Rosenstöcken Platz ge- nommen. Beim Abendessen sprachen wir viel von unserem fernen Vaterlande sowie über brasilianische Zustände, wie es natürlich ist, wenn sich Landsleute auf fremder Erde begegnen. Am anderen Morgen fuhren Herr Kleinschmied- Wagner und ich sehr zeitig in einem Kanoe von Cachoeira über den Paraguassü nach S. Feliz. Diese Kanoes sind lange, sehr schmale, aus einem ausgehöhlten Baumstamm gefertigte Boote, die man überall auf dem Fluss erblickt. In der Morgenkühle waren wir besonders empfänglich für die Schön- heit des Thals, in welchem wir uns befanden. Von der Mitte des Flusses aus, dessen breite Wasserfläche ein leichter Windhauch kräusselte, geniesst man einen prächtigen Blick stromaufwärts und abwärts, sowie auf die sich an seinem Ufer erhebenden Berge, deren Hänge, soweit sie nicht von Häusern besetzt sind, im Kleide des Pflanzenwuchses prangen. Von S. Feliz führt eine Eisenbahn, die einer englischen Gesellschaft gehört, in fast genau westlicher Richtung und nahezu parallel dem Laufe des Paraguassü ins Innere des Staates Bahia. Es wird täglich nur ein Zug von S. Feliz aus abgelassen. Drei Mal in der Woche fährt derselbe bis j(, Reisen im Staat Bahia. ans Ende der Bahnstrecke; an den übrigen Tagen geht er nur bis Curralinho. Auf dem Bahnhof herrschte bereits ein i Leben als wir ankamen. Dir Eisenbahnzüge fuhren in Brasilien nur erste und zweite C'las Letztere ist nicht viel besser als unsere vierte, und die erste gleicht mehr oder minder unserer zweiten Classe. Nach einigem Suchen landen Herr Kleinschmied und ich sowie ein Brasilianer, der sich uns angeschlossen hatte, gute Plätze in einem Wagen erster Classe. Man sitzt auf drehbaren, mit Korbgeflecht über- zogenen Stühlen, die zu beiden Seiten eines Mittelganges angebracht sind. Die Reisegesellschaft bestand aus Weissen, Mulatten und Negern. Viele Personen trugen leichte Staub- mäntel. Um 7 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Die Fahrt geht zunächst durch eine landschaftlich sehr schöne Gegend. Die Bahn steigt, indem sie manche Windungen beschreibt, ganz allmählich an den steilen Hängen empor. Prächtige, weite Ausblicke auf das Thal des Paraguassü er- freuen das Auge; dann wieder schöne Bilder in unmittel- barster Nähe, indem man, über tief eingeschnittene, enge Thäler hinweg fahrend, herrliche Waldlandschaften unter sich sieht, die von rauschenden Bächen durchströmt werden. Zuweilen hat man beim Bau der Bahn die Gneissfelsen durchbrechen müssen, und an solchen Stellen bewegt sich der Zug zwischen zwei ganz nahe gerückten, hohen, senkrechten Mauern weiter, deren von Wasser triefendes Gestein sich aber fast völlig unter einer grünen Decke der mannigfaltigsten Pflanzenformen verbirgt. Ab und zu tauchen auch niedrige Hütten auf, umgeben von kleinen mit Tabak, Mais oder Maniok bepflanzten Feldern. Ist das etwa 700 Fuss über dem Meeresspiegel gelegene Plateau erreicht, so tritt der Wald mehr zurück. Man fährt längere Zeit durch sumpfiges Terrain, bis sich, wie mit Zauberschlag, bei Curralinho der Character der Landschaft urplötzlich völlig ändert. Wir gelangen in die merkwürdige Reisen im Staat Bahia. nn Caatingaregion, welche einen grossen Theil des Innern von Bahia und Pernambuco ausmacht Eine unabsehbare Ebene dehnt sich vor uns aus. Die Luft ist stauberfüllt, so dass die Bläue des Himmels dadurch getrübt wird. Die Sonne brennt heiss. Der dürre Boden besteht aus grauweissem, lockerem Sand. Auf ihm wachsen überall, was ganz besonders auffallend erscheint, zu dichtem, zum Theil undurchdringlichem Gestrüpp ver- einigte, meist völlig laublose, dornige Sträucher, die nur hier und dort von einzelnen Bäumen wenig überragt wer- den. Zwischen den Sträuchern erheben sich oft in grosser Anzahl ca. 20 Fuss hohe Mandacarus, d. h. Cereusbäume (Cacteen), deren mächtiger, an seiner Basis holziger Stamm sich weiter nach oben in einzelne dicke, 4 — 5 kantige, fleischige, verzweigte, mit langen Dornen besetzte Aste auflöst. Den Boden zwischen den Sträuchern bedecken sehr grosse Gravattas, erdbewohnende Bromeliaceen mit halb verdorrten scharfrandigen, rosettenartig gruppirten Blättern, über welche die vertrockneten Blüthenstände emporragen, und nur wenige andere Pflanzen, die zum Theil graugrüne, stark behaarte Blätter tragen. Auch niedrige Fächer- und Fiederpalmen sind reichlich vertreten. Die Caatingas sind die laubwerfenden Buschwälder Brasiliens. Wir kommen alsbald näher auf ihre Eigenthümlichkeiten zurück, wollen aber zunächst sehen, wohin uns die Reise führt. Wir fuhren immer weiter gen Westen durch die Caatinga. Hier und da tauchten aus der Ebene hohe, schroffe Felsmassen auf, deren Wände mit Flechten bedeckt waren. Der Zug fuhr jetzt recht schnell, und als ich meine Verwunderung darüber äusserte, sagte mir mein Reisebe- gleiter, dass er dem Zugführer ein Trinkgeld gegeben habe, damit wir rasch weiter kommen möchten. Von Zeit zu Zeit aber ging es wieder langsam fort; die Pfeife der Loco- motive ertönte ununterbrochen. Dann lief ein Pferd dem 78 Reisen im Staat Bahia. *W"v"*'SAi^NiS^VVV*»N*^^*«*^vVs*^^«*A*IÄAA^"*^V^N>N^%'S^^ -*«*^v«wv»*v*^s^v-^^%'v^«»^.*v,w**v"ws Zuge voran, das sich von seiner dürren Weide aui den Bahnkörper verirrt hatte und nun nicht weichen wollte. Um 3 Uhr erreichten wir Sitjo-Novo. Wir verliessen den Zug. Die Stationsgebäude sind im [nnern Brasiliens meist sehr klein. Der hohe Perron ist ungemein sehmal und ge- wöhnlich mit Kisten und Säcken derartig vollgestellt, dass man sich mit einiger Vorsicht auf demselben bewegen muss. Die Pferde für Herrn Kleinschmied,, den Brasilianer, für mich und einen Diener sowie Maulthiere für unser Ge- päck standen bereit. Irgend welchen besonderen Gefahren ist der Reisende in diesen Gegenden Brasiliens nicht ausgesetzt. Von Raub- anfällen habe ich nichts gehört, indessen zur Sicherheit führen die Weissen doch meist Pistolen und die Neger Flinten mit sich. Wir ritten gen Norden und kamen bald an das flache, sandige, von grünem Gebüsch umsäumte Ufer des Para- guassüs. Halb voll Wasser gelaufene Böte, über die Bretter gelegt worden waren, dienten für uns und die Thiere als Fähre. Als wir eben vom Lande abstossen wollten, erhob sich plötzlich ein heftiger Wind, so dass die Fahrt auf dem zerbrechlichen Floss über den ziemlich schnell strö- menden Fluss etwas bedenklich erschien. Wir erreichten das linke Ufer aber glücklich und eilten so schnell wie möglich weiter, immer auf einem Sandweg zwischen blattlosen Büschen der Caatinga fort. Allmählich wurde es dunkel. Wir hielten fünf Minuten vor der Hütte eines Halbindianers, um unseren Durst zu löschen, und mussten von nun an, da es so finster geworden war, dass man in ganz geringer Entfernung nichts mehr erkennen konnte, überdies der Weg entsetzlich schlecht erschien, ganz langsam reiten. Die Zügel locker haltend, überliessen wir uns dem Instinkt der Pferde. Die treuen Thiere fanden den Weg sehr gut; an manchen schlechten Stellen, auf felsigem, abschüssigem Grund tasteten sie, den Kopf Reisen im Staat Bahia. yg tief geneigt, zunächst mit den Vorderbeinen, bevor sie sicher zutraten. Um 9 Uhr erreichten wir Villa do Orobö oder, wie der Ort auch wohl genannt wird, Rosario do Orobö, wo uns der Dorfschullehrer Prof. Flavio Sihanv und die Seinen begrüssten. Mit Freude und warmer Dankbar- keit erinnere ich mich nur gar zu gerne der Tage, die ich im gastlichen Hause des Herrn Sihany verbrachte. Klein- schmied und der Brasilianer reisten bald nach der Fazenda weiter, wohin ich ihnen später folgte. Zunächst blieb ich in Orobö, um die Caatingaformation, von der das Dorf rings umschlossen ist, zu studiren. Orobö hat nur als Station für den Verkehr zwischen der Küste und dem Innern Bedeutung. Wasser, welches der dürren Caatinga vielfach fast völlig fehlt, ist in einiger Entfernung vom Dorf selbst zur trockenen Jahreszeit vor- handen, und damit eine der wesentlichsten Lebensbe- dingungen für den Menschen gegeben. Der Haupttheil des Dorfes Orobö, an den sich noch einige weitere Häuserreihen anschliessen, wird von einem sehr grossen, rechteckigen Platz gebildet. In der Mitte des- selben steht die Kirche, vor ihr ein hohes Kreuz, und hinter ihr sind einige Tamarindenbäume angepflanzt. Die den Platz umgebenden, niedrigen Häuser wenden sämmtlich ihre Fronten der Kirche zu. Hinter ihnen liegen kümmerliche Gärten, und in geringer Entfernung vom Ort einzelne Negerhütten zerstreut, vor denen völlig nackte Kinder von wirklich froschartigem Aussehen spielen. Wenn dieselben umherlaufen, so pflegen sie tactmässig mit den Händen auf die Oberschenkel zu schlagen. Betreten wir das Haus des Herrn Sihany, so gelangen wir zunächst auf einen schmalen Gang. Links von demselben nach der Strasse zu liegt das Besuchszimmer. Dann folgen einige dunkle Schlafräume und am Ende des Ganges befindet sich ein grösserer Raum, der als Speise- und Wohnzimmer dient. Das Haus wird bewohnt von Herrn Sihany, seiner Frau Maria, seinen $q Reisen im Süutl Bahia. i^ und 17 Jahre alten Töchtern Zulmira und [saura sowie von der alten Mutter der Frau Maria. Herr und Frau Sihany unterrichten die Dorfjugend, wahrend die 1 öchter fast den ganzen Tag an Stickereien arbeiten, die man überhaupt in Brasilien in grosser Menge und in den verschie- densten Qualitäten anfertigt. Die Mädchen zeigten stets ein tactvolles, ungezwungenes Benehmen. Am Sonntag legten sie viel Gewicht auf ihren Anzug, indem sie dann in weissen, mit vielen Spitzen verzierten Kleidern erschienen. Völlig selbstverständlich erschien es den beiden jungen Brasilianerinnen, sich im Wohnzimmer, unbekümmert um meine Gegenwart, mehrfach am Tage Gesicht und Hände zu waschen, oder ihr schönes schwarzes Haar aufzulösen, um es neu zu flechten. Ciavier spielten die Töchter des Herrn Sihany viel, wie das überhaupt die Brasilianerinnen thun. Die Fingerfertigkeit ist dabei gross, aber von aus- drucksvollem Spiel findet man meist keine Spur. Abends kamen mehrfach Freundinnen der jungen Mädchen ins Haus. Dann tanzten dieselben mit einander im Besuchs- zimmer, stets im möglichst langsamen Tempo. Die jungen Männer des Dorfes schauten durch die geöffneten Fenster zu, ohne aufgefordert zu werden, näher zu treten. Dem gut empfohlenen Fremden gegenüber zeigen sich die Brasilianerinnen freundlich und zuvorkommend. Kommt man indessen in ein Haus, zu dem man keine näheren Beziehungen hat, so werden die Frauen möglichst fern ge- halten; sie können aber ihrer Neugierde nicht widerstehen und suchen den Gast durch die halbgeöffnete Thür oder Thürspalten zu beobachten. Eines Abends besuchten wir eine befreundete Familie. Es wurde Guitarre gespielt und dazu gesungen. Plötzlich stürzte von der Strasse her ein mittelgrosser Hund, dem Schaum vor dem Maule stand, mit lautem Gebell in den Raum, in welchem er wüthend umherraste. Wir sprangen alle auf die Tische, denn wir hatten es mit einem tollen Hund zu thun. Glücklicher Reisen im Staat Bahia. g j Weise gelang es bald, das Thier zu verscheuchen und nachher zu erschiessen. Die Tollwuth soll im Innern Bahias eine nicht gar selten vorkommende Krankheit der Hunde sein. Von Orobo aus unternahm ich in Begleitung eines Führers, eines Negers mit Namen Patico, oder später auch allein Streifzüge in die Caatingas. Schon Spix und Martius haben die Characterpflanzen der Region aufgeführt, von denen ich viele ebenfalls sah. Da sind zunächst zu nennen die überall verbreiteten, schon erwähnten, riesigen Cereus- arten, dann Opuntien und kopfgrosse Cacteen mit vor- springenden Längsleisten (Echinocactus?). Ferner die grossen, erdbewohnenden und oft weite Strecken Landes bedeckenden Bromeliaceen, kleinere Fächer sowie Fiederpalmen und die ziemlich hohe Cocos coronata. Martius erwähnt ferner Spondias tuberosa, in Brasilien Imbü genannt, einen Baunr, dessen horizontal verlaufende Wurzeln mit knollenartigen, hohlen, Wasser führenden Anschwellungen versehen sind, die Barriguden oder Tonnenbäume, Bombaceen, deren Stamm in seiner Mitte mächtig angeschwollen ist und nach oben sowie unten dünner wird, und die merkwürdige Euphorbia phosphorea,, deren durch Anschneiden der Pflanze zum Aus- fliessen gebrachter Milchsaft bei schwüler Gewitterluft einige Secunden leuchtet. Von beblätterten Gewächsen, die ich in der Caatinga sah, nenne ich eine Milchsaft führende Ficusart mit grossen, lederartigen Blättern, Gamelleira von den Brasilianern genannt, Acacien und andere Leguminosen- sträucher mit behaarten Blättern, Yco, eine hohe Capparis- art mit gelben Blüthen und derben, unterseits haarigen Blättern, Jurubeba, d. i. Solanum paniculatum, ein dorniger Strauch, der unterseits graufilzige Blätter und schöne grosse blaue Blüthen trägt, Cansancäo, eine Jatrophaart (Familie der Euphorbiaceen), mit Blättern, die mit Brennhaaren be- setzt sind, bei deren Berührung man einen sehr heftigen Schmerz verspürt. Alecrim do campo, eine Lantanaspecies Detmer, Brasilianische Reisebilder. 6 82 Reis» ii im Staat Bahia. ■^■^^^^■*N»^i*iAi»^>^w«»^»^^w^»^.*^i^ii*««w*-i^'ii''»'»*«'S'S»«*^^»^^v,^.*ii*^ (Familie der Verbenaceen , trug ganz kleine, gelbgrüne Blätter, während die meisten Bäume und Sträucher, unter denen sich namentlich Leguminosen durch stark duftende Rinden auszeichneten, zur Zeit meines Aufenthaltes in den Caatingas blattlos waren. Je länger ich in der Caatingaregion verweilte, um so klarer wurde mir. dass die gesammte Vegetation derselben sich besonders nach zwei Richtungen hin den herrschenden Umstanden aecomodirt hat. Sie besitzt Schutzmittel gegen die ungeheure Dürre des Klimas, und sie ist ferner bewehrt, um sich gegen Zerstörungen durch Thiere zu sichern. In der Caatingazone giebt es einigen Regen in den Monaten September bis Februar. In manchen Jahren sind aber selbst diese Rec^enfälle sehr spärlich. Ich hielt mich im September im Innern Bahias auf. Am Tage herrschte grosse Hitze, trotzdem oft Wolken am Himmel standen und einige Male ein kurz dauernder Sprühregen fiel. In der Nacht trat Abkühlung ein, indessen zeigte das Thermometer kurz nach 6 Uhr morgens doch z. B. schon 21° C. Von einem Erwachen der Vegetation, die während der ganzen Trockenperiode von Februar bis September geruht hatte, war noch keine Rede, denn die geringen Feuchtigkeits- mengen, die der Boden empfing, verdunsteten der Haupt- sache nach schnell unter dem Einfluss der Sonnenstrahlen, so dass sich der Sand trocken und warm anfühlte. Unter solchen Umständen erscheint es allerdings im höchsten Grade zweckmässig, wenn die meisten Ge- wächse der Caatingas während der regenlosen Zeit blattlos dastehen und nur dann ihren Blätterschmuck erhalten, wenn genügende Feuchtigkeit im Boden vorhanden ist. Würden sie während der Trockenperiode ihr Laub behalten und nur einigermaassen stark verdunsten (lebhaftere Verdunstung ist ja eine unmittelbare Folge des Vorhandenseins von Blättern), so könnte dies verhängnissvoll für die Existenz der Pflanzen werden. Der Boden ist zur regenlosen Zeit fast Reisen im Staat Bahia. 3^? wasserfrei; die Wurzeln vermögen demselben also keine Feuchtigkeit zu entziehen. Machte sich energischere Transpi- ration unter Vermittelung der Blätter geltend, dann müsste die ganze Pflanze allmählich austrocknen und schliesslich absterben, da nur das in ihrem Gewebe enthaltene Wasser zur Verfügung stünde. Es giebt nun aber, wie bereits erwähnt wurde, doch einige stets belaubte Caatingagewächse. Bei diesen wird die Transpiration dadurch auf ein Minimum reducirt, dass ihre Blätter derbe, lederartige Consistenz besitzen oder sehr stark behaart sind, also Eigenschaften zeigen,* die, wie all- gemein bekannt, die Wasserabgabe der Organe ungemein herabmindern. Ferner ist hier auf die W'asserspeicher vieler Caatinga- bewohner aufmerksam zu machen. Die Tonnenbäume sam- meln WTasser in ihren verdickten Stämmen an und können während der Trockenperiode auf Kosten desselben existiren. Spondias tuberosa hat Wasserreservoire in Gestalt der er- wähnten hohlen, knolligen Gebilde der Wurzeln. Das mächtig entwickelte fleischige Gewebe der Stämme von Cereus sowie anderer Cacteen saugt sich zur Regenzeit gleich einem Schwamm voll Wasser und bleibt selbst bei grösster Dürre noch saftreich, da die im Vergleich zur Masse der Stämme geringe und zudem noch stark cuticu- lansirte Oberfläche derselben nur wenig Wasser verdunstet. Bei den Bromeliaceen sammelt sich Wasser zwischen den basalen Theilen der rosettenartig gruppirten grossen Blätter an. Es wäre auch zu untersuchen, ob der hohe Gehalt zahlreicher Caatingapflanzen an ätherischem Ol, welches, indem es verdunstet, die ganze Luft mit Duft erfüllt, nicht etwa im Dienste einer Transpirationsverminderung der Ge- wächse steht. Möglich erscheint es aber auch, dass dies ätherische Oel ausschliesslich als Schutzmittel gegen Thiere in Betracht kommt. 6* (S i Eteiseo im Staat Bahia In Brasilien fiel mir auf, dass dir Stamme oder Zweige der Bäume und Sträucher um so mehr eine grauweisse Färbung erkennen lassen, je lieisser und trockener das Klima ist In der Caatinga zeigen alle Rinden diese Farbe in besonders ausgeprägter Weise, und in meinem Tagebuch linde ich die Notiz, dass auch die vorhandenen Flechten hell gefärbt sind. Lichte F^arbe schützt aber einen Körper vor starker Erwärmung, und es ist von vornherein wohl denkbar, dass die lebendigen Gewebe namentlich dünnerer Stämme und Zweige unter dem Einfluss glühender Sonnen- strahlen, im Falle die sie umgebende Rinde dunkle P^arbe besässe, zu Grunde gehen könnten. Wenn nun auch die gerade in kälteren Gegenden so recht verbreitete Birke einen weissen Stamm entwickelt, so steht diese Thatsache nicht im absoluten Widerspruch mit dem Gesagten, denn die helle Rindenfarbe kann für diesen Baum zumal inso- fern von Vortheil sein, als durch sie einer zu schnellen Ab- kühlung vorgebeugt wird. Die WafTen der Caatingapflanzen gegen Thiere sind mannigfaltiger Natur. Die hohen Cereusstämme tragen Dornen, die ich zum Theil 10 cm lang, holzig und nadel- spitz fand. Die blattlosen Sträucher bilden vielfach ein un- durchdringliches, dornenreich.es Gestrüpp. Die Ränder der grossen Bromeliaceenblätter sind mit spitzen Sägezähnen versehen. Weitere Pflanzen, z. B. Jatrophaarten, erscheinen durch Brennhaare geschützt etc. Diese letzteren, ebenso anderweitige Haarbildungen sowie vielleicht auch die Aus- scheidungen von ätherischen Ölen mögen wohl in erster Linie als Schutzmittel gegen die ungeheuren Termiten- mengen der Caatinga, auf die wir unten zurückkommen, und gegen Ameisen dienen. Die Dornen und Stacheln der Pflanzen kommen aber sicher nur als WafTen gegen grössere Thiere in Betracht. Von solchen leben heute in der bereisten Gegend besonders Jaguare, Gürtelthiere, Ameisenbären und Rehe. Nur die letzteren beanspruchen Reisen im Staat Bahia. 85 hier unser Interesse, denn die drei ersteren Thierformen fressen keine Pflanzentheile. Heute giebt es in der Caatinga so wenige Rehe, dass man nicht begreift, weshalb die ge- sammte Pflanzenwelt in Wehr und Waffen dasteht. Es ist aber anzunehmen, dass diese Rehe früher viel zahlreicher waren, oder vielleicht dürfte auch ein anderes Moment zu berücksichtigen sein. In der Diluvialzeit nämlich lebten riesige pflanzenfressende Faulthierformen in Brasilien. Even- tuell zeigt die Vegetation des Landes jetzt noch vielfach Eigenthümlichkeiten, welche in längst vergangener Zeit unter dem Zwange der damals herrschenden Umstände erworben wurden und sich bis heute erhalten haben. Von Orobo aus erblickt man nach der einen Seite hin Berge, welche die Serra do Orobo, die als nördlicher Aus- läufer der Serra da Montiqueira betrachtet wird, bilden. Diese Berge zogen mich sehr an, und ich besuchte sie mehrfach. Man wandert eine Zeit lang durch die ebene Caatinga, dann überschreitet man wasserleere Bäche, in deren Bett der Boden aber doch in Folge nicht völlig mangelnder Feuchtigkeit mit frischem Grün überzogen erscheint, und kommt allmählich in ein hügeliges Terrain. Die Dürre ist hier nicht mehr so gross wie im ebenen Lande; je weiter man fortschreitet, um so üppiger entfaltet sich die Vegetation in Folge des im Gebirge gegebenen höheren Wassergehaltes von Boden und Luft. Ich werde weiter unten den schönen Urwald (mata virgem) der Serra do Orobo zu besprechen haben. Hier beschränken wir uns zunächst auf das durch die ersten Hügelreihen der Serra gebildete Grenzgebiet zwischen Caatinga und immergrünem, üppigem Laubwald. Da fallen besonders nicht sehr hohe Fächer- und Fieder- palmen auf, die, dicht gedrängt stehend, wirkliche Haine bilden. Dann Gruppen von Bäumen, deren Kronen im buchstäblichen Sinne des Wortes in einen grauen, lang herabhängenden Schleier gehüllt erscheinen. Man möchte S() Reisen im Staat Bahia. meinen, dass Bartflechten die Zweige verhüllten} in Wirk- lichkeit haben wir es aber mit einem ganz anderen Epiphyten, nämlich Tillandsia usneoides, zu tluin, einer Bromeliacee, die im tropischen und subtropischen Amerika sehr verbreitet ist. Ich sah die Tillandsia niemals üppiger entwickelt, als hier in den Bergen bei Orobo, wo die Luft heiss und zu- gleich noch sehr trocken ist. Die Bromeliaceen, welche, besonders neben den Cacteen und Melastomaceen, Pflanzenfamilien darstellen, die für die heisseren 1 heile Amerikas so recht charakteristisch sind, haben eine ' überaus mannigfaltige Ausgestaltung erfahren, und zu ihren merkwürdigsten Repräsentanten gehört Tilland- sia usneoides. Die Pflanze ist wurzellos. Ihre verzweigten, fadenförmigen, mit kleinen Blättern besetzten Stengel um- winden mit ihrem unteren Ende die Äste und Zweige, von denen die Pflanze herabhängt. Die Tillandsia kann ohne Schaden lange Zeit im ausgetrockneten Zustande verharren. Regnet es, so nimmt sie mittelst sehr eigenthümlicher Schup- penhaare, mit denen ihre Oberfläche bedeckt ist, Wasser auf und gewinnt dadurch eine grünliche Farbe. Die Ver- mehrung der Pflanze erfolgt wesentlich auf vegetativem Wege, indem losgerissene Stücke der Schweife vom Winde fortge- tragen werden, auf Zweige gelangen und sich hier befestigen. Der Wald unseres Übergangsgebietes, aus Myrtaceen, Meliaceen, Sapindaceen etc. zusammengesetzt, ist nicht sehr geschlossen. Ein Baum, nämlich Spondias purpurea (Fa- milie der Anacardiaceen), erregte mein besonderes Interesse durch seine schönen, gelblich rothen, angenehm süsslich säuerlich schmeckenden Früchte, die unter dem Namen Caja (nicht Caju, denn dies ist eine andere Frucht) bekannt sind. Ich habe diese Früchte hier wie an anderen Orten oft auf Touren genossen, um den brennenden Durst zu löschen. Das ist kein Durst, wie man ihn bei uns kennt, sondern ein quälendes Gefühl des Flüssigkeitsmangels im ganzen Körper, welches man nicht beschreiben kann. Reisen im Staat Bahia. 57 Im Walde überraschte zuweilen der Anblick einer Bougainvilleae, die über und über mit Blüthen bedeckt ist, so dass sich die ganze Pflanze gleich einem rosafarbigen Riesenbouquet wundervoll vom grünen Laub der Umgebung abhebt. Dann sieht man kletternde Bignonien in Blüthe, kletternde Aroideen und erdbewohnende Amaryllideen mit grossen ziegelrothen Blüthen auf hohem Schaft. Unter den Epi- phyten fielen mir namentlich ziemlich grossblätterige Brome- liaceen und vier verschiedene Orchideenarten auf, darunter eine mit gelben, eine andere (Cattleya) mit herrlich rosafarbenen, grossen Blüthen. Diese Epiphyten und ebenso viele andere, z. B. Farne, Araceen, Melastomaceen, Rubiaceen etc., er- scheinen in mancher Hinsicht den besonderen Lebens- bedingungen, unter denen sie auf den Bäumen existiren, angepasst. Die Samen der Epiphyten sind mit saftigen Um- hüllungen oder mit Flugapparaten ausgerüstet, damit sie unter Vermittelung von Thieren oder des Windes an die bezeichneten Standorte gelangen können. Die uns hier speciell interessirenden Bromeliaceen und Orchideen, sowie weitere Epiphyten bringen Haftwurzeln zur Ausbildung, welche sich dem Substrat zur Erzielung einer ausreichenden Befestigung fest und dicht anschmiegen. Bei den Orchideen vermittelt das bereits früher erwähnte Velamen der oft lang in die Luft herabhängenden Nährwurzeln in erster Linie die Wasseraufnahme, während sich bei den Bromeliaceen Wasser im Grunde der Blattrosetten ansammelt und von hier aus in den Organismus übertritt. Für die in Rede stehenden Gewächse unseres Übergangsgebietes zwischen Caatinga und Mata mit relativ trockener Luft ist weiter der Besitz von Geweben, die zur Aufspeicherung von Wasser dienen können, von grosser Wichtigkeit, und in der That sah ich auch die Orchideen mit Stammanschwellungen (Scheinknollen) oder mit fleischigen, dicken Laubblättern versehen, ja selbst die Perigonblätter der Blüthen einiger Arten erschienen nicht dünn und zart, son- dern recht saftig, um vor raschem Welken geschützt zu sein. gg Reisen im Staat Babia. Herr Kleinschmied war, wie erwähnt, auf seine Fazenda gereist. Kr sandte mir nach einiger Zeil einen schwarzen Diener, sowie rinde, und ich gelangte in achtstündigem, anstrengendem Kitt von ( Irobö auf sein Landgut Leäo dos Brejos. Zunächst ging es eine Strecke durch die Caatingaregion, dann durch Palmenhaine und lichten Wald. Wir gelangten in die Serra do Orobö, von deren Höhen aus man manchen prächtigen Blick auf die mit Kaum- wuchs oder mit hohem, dürrem Gras bekleideten Hänge der Benre eeniesst. Auch bei zwei Fazenden kamen wir vorbei, in deren Nähe Rinderherden ruhten. W7ir konnten mitten durch dieselben hindurchreiten, ohne dass sich nur eines der durch die Hitze des Tages ermatteten Thiere erhob. Der Boden nahm allmählich den lehmigen Charakter und die rothe Farbe des Laterites an. Ich sah hier zum ersten Mal die merkwürdigen, hohen Bauten der Termiten auf der Erde, während diese später eingehender zu besprechenden Thiere in der sandigen Caatinga ihre Nester nur auf Bäumen anlegen. Die oft sehr steil ansteigenden Pfade werden immer schlechter, aber mehr und mehr entfaltete sich die herrliche Vegetation des immergrünen tropischen Urwaldes. In der Ferne ertönte zuweilen der einförmige Gesang beim Baum- fällen beschäftigter Neger. Ein Krachen im Walde ver- kündete, dass wieder einer seiner uralten Riesen der Macht des Menschen gewichen war. Wir passirten Bäche, deren Ufer in frischem Grün prangten. Besonders ist mir noch ein sehr malerisches Waldbild erinnerlich, dem ein mächtiger, über einen Wasserlauf hingesunkener Baum einen hohen Reiz verlieh. Derselbe war durch zahllose auf seinem morschen Stamm angesiedelte kleinere Gewächse ganz in Grün gehüllt, und glich, als wir unter ihm dahin ritten, einer schönen, dichten Laube. Gegen Abend trafen wir aut der Fazenda Leäo dos Brejos ein, die mitten in der Serra do Orobö am Abhang eines Berges in einer grossen von einem Bach durchströmten Waldlichtung liegt. Reisen im Staat Bahia. gg Herr Kleinschmied bewohnt ein einfaches Haus. In der Nähe desselben befinden sich die Wirthschaftsgebäude, Ställe, eine Schmiede und die Wohnungen der meist schwarzen Arbeiter. In grösserer Ausdehnung werden auf der Plantage Caffee, Manioc, sowie Mais cultivirt. Auch Rindviehzucht soll demnächst in erheblichem Maasse betrieben werden. Jedoch bevor ich auf die Cultur des Landes eingehe, will ich zunächst den Urwald in der Nähe der Fazenda charakterisiren und dabei überhaupt den brasilianischen Urwald besprechen, den ich nicht nur hier, sondern auch an manchen anderen Orten, z. B. bei Santo Amaro in Bahia, sowie in den Staaten Rio de Janeiro und Espirito Santo, vielfach durchstreifte. Wenn man sich einem Urwald nähert, so sieht man vielfach nichts von den mächtigen Stämmen, die er birgt. Da, wo der Wald an Feld, an einen Weg oder einen Fluss grenzt, erhebt sich eine dichte, grüne Wand, die aus einer Fülle der mannigfaltigsten Pflanzenformen zusammengefügt ist, und von den mit Epiphyten geschmückten Kronen der hinter ihr sich erhebenden Waldbäume, von denen die Enden langer Lianen herabhängen, überragt wird. Von meiner Wohnung auf der Fazenda aus brauchte ich nur wenige Minuten zu gehen, um vor einer solchen WTand zu stehen. Da erheben sich zehn Fuss hohe Solaneensträucher mit grossen Blättern, deren Spreiten Stacheln tragen, milchsaftführende Euphorbien, Cecropien, sowie andere kleinere Bäume, dornige Acacien- büsche mit zarten Blättern, die im Schatten ausgebreitet sind, sich aber unter dem Einfluss der Sonnenstrahlen zu- sammenlegen, Urticaceen, Piperaceen, Melastomaceen, Bau- hinien mit sonderbaren zweihörnigen Blättern etc. Dazu gesellen sich Schlinggewächse, z. B. rankende Momordicaarten, deren orangefarbene Früchte und carminrothe Samen aus dem Grün hervorleuchten, sowie windende Paullinien (Fa- milie der Sapindaceen) und Aristolochien. Bis in die Kronen der Bäume steigen Kletterpflanzen empor. Gleich anmuthig geschwungenen Guirlanden verbinden sie einen Stamm mit Kii-Mti nn Staat l'.ahia. dem anderen, oder sie durchranken das Gebüsch. An vielen Stellen ist dasselbe ohne weiteres überhaupt nicht passirbar; aber auch da, wo der Pflanzenwuchs etwas lichter wird, setzt man sieh heim Vordringen der Gefahr aus, dass Dornen und Stacheln die Kleider zerreissen oder den Körper ver- wunden. 1 laben wir uns unter Zuhülfenahme eines krummen Waldmessers (Facäo) und der Axt einen Weg durch das Dickicht gebahnt, so treten wir ein in den eigentlichen tro- pischen Urwald. Unter den Bäumen herrscht tiefes Dämmer- licht, und während uns am Rand des Waldes die üppigste Blattfülle entgegentritt, erblicken wir hier, wenn wir das Auge nicht zu den Kronen erheben, oft nur überaus wenig grünes Laub. Hier und da sehen wir einzeln stehende Palmen, Heliconia- oder Marantaarten. An recht feuchten Stellen auch wohl Caladien , Farne , Selaginellen , bambusartige Gräser. Im Wald bei der Fazenda trifft man auch einen Cereus von 6 Fuss Höhe mit kantigem, unverzweigtem Stamm an, dessen Vorkommen im Schatten der Bäume mir interessant erscheint. Der Mangel an erdbewohnenden Kräutern und Sträuchern ist im Urwalde oft sehr auffallend; er erklärt sich übrigens ganz natürlich daraus, dass das Licht in Folge des überaus dichten von den Bäumen gebildeten Laubdaches nicht in hinreichender Intensität bis zum Boden gelangen kann. Bestehen unsere Wälder gewöhnlich nur aus einer oder wenigen Baumformen, so sind die Tropenwälder ungemein mannigfaltig gemischt. Wir sehen auf engem Raum Bäume der verschiedensten Familien zusammengedrängt, in Brasilien namentlich Melastomaceen, Myrtaceen (Lecythis mit riesigen, holzigen, dickwandigen Deckelfrüchten, Psidium), Rutaceen (Xanthoxylon), Leguminosen (Copaifera, mächtige Bäume, aus denen man durch Anschneiden den Copaivabalsam gewinnt, Andira, Caesalpinia echinata, welche vorzügliches Rothholz liefert, Enterolobium Schomburgkii, dem das Vinhaticoholz, Reisen im Staat Bahia. gl ein sehr gutes Nutzholz, entstammt), Bignoniaceen (Jacaranda brasiliana), Meliaceen (Cedrela odorata, eine Pflanze, die das Cigarrenkistenholz liefert), riesige Ficusstämme, Bombaceen, Euphorbiaceen, denen beim Anschneiden Milchsaft strom- weise entquillt, Sapindaceen und viele andere mehr. Alle diese Bäume, von denen ich manche schon im Unvalde nahe der Fazenda erblickte, sind von sehr verschieden- artigem Aussehen. Die Rinde zahlreicher erscheint grau und ist ziemlich rauh, andere Stämme, z. B. diejenigen von Myr- taceen, sehen aus wie braune, glatt polirte Säulen, zu deren Basis mächtige, abgestreifte Borkenmassen herabgesunken sind. Man begegnet ferner Stämmen, die in verschiedener Anordnung Dornen von sonderbarer Beschaffenheit tragen. Fast alle Bäume erheben sich gleich herrlichen Säulen schnurgerade und verzweigen sich erst in bedeutender Höhe. Viele steigen bis zu etwa ioo oder 150 Fuss empor, aber es giebt natürlich in den Urwäldern auch niedrigere Bäume, so z. B. die Palmen Euterpe und Astrocaryum, die ich freilich nicht in Bahia, wohl aber in den Küstenwäldern von Rio de Janeiro und Espirito- Santo antraf. Die erwähnten Fiederpalmen wachsen stets im Schatten des Laubdaches anderer Pflanzen. Während die Stämme von Euterpe recht hoch werden, erreichen die dornenbesetzten entsprechenden Organe von Astrocaryum nur die Länge von einigen Metern. Von den wundervollen Farnbäumen mancher Wälder wird später die Rede sein. Die Mehrzahl der Bäume in der Nähe der Fazenda zeigte, abgesehen von einigen Formen, z. B. der Copaifera, keine sehr bedeutende Dicke. Bei S. Amaro im Staat Bahia, ebenso in Espirito -Santo sah ich indessen viele ur- alte Riesenstämme. Solche von 30 Fuss Umfang gehören nicht zu den Seltenheiten, und man begegnet ihnen oft; es fehlen im Urwalde aber auch hier niemals die Bäume von geringerem Durchmesser. Viele Menschen mögen die Vorstellung haben, dass es i,2 Rj isen im Staat I lahia. *VV^VVVVVVVVVVVVVV^^S*yN^^^^^y^^»*w^^^»^>^^^^^^^>^>^<^^^A^^'^^<^A^>^|^|^^^^i^^^^i'*^^^»^^*^*^^^v^^^^^>^^' mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden sein muss, im Urwalde vorwärts zu kommen. Freilich gilt das allerdings für manche Bergwälder, z. B. bei Rio, wo den Boden un- durchdringliches Bambusgebüsch, Farnbäume und sonstiges Unterhol/, bedecken, welche im lichten Schatten der Bäume und in der Feuchtigkeit triefenden Umgebung kraftig ge- deihen. In Bahia, sowie an anderen Orten war immer da, wo der Wald sich auf ebenem Terrain entwickelte, das Ein- dringen in denselben die Hauptschwierigkeit. Zwischen den Stämmen selbst konnte man sich im tiefen Schatten des Laubdaches, unter dem eine schwüle, von Moderduft er- füllte Luft ruht, ziemlich leicht bewegen. Allerdings stellen sich auch hier dem Wanderer noch manche Hindernisse in den Weg, die zum Theil sehr merkwürdig sind. Sehen wir ab von Unebenheiten des Bodens oder von Baumwurzeln, über die man stolpern kann, so wären hier zunächst oft vorkommende, gewaltige Anhäufungen dürrer Äste und Zweige, sowie riesige, umgesunkene Stämme, welche sich in allen Stadien der Zersetzung befinden, zu erwähnen, durch deren Anblick man erst so recht eine Vorstellung von den enormen Dimensionen der Tropengewächse ge- winnt. In der Nähe der Fazenda fand ich einen solchen Stamm einmal in weiter Ausdehnung mit dem schön citronengelb gefärbten, schleimigen Plasmodium eines My- xomveeten bedeckt, und wenn man über die modernden Stämme hinweg klettern muss, so thut man gut, einige Vor- sicht zu beachten, da dieselben häufig nur noch geringe Festigkeit und Tragfähigkeit besitzen. Merkwürdig sind die unteren Theile vieler Waldbäume (Leguminosen, Myrtaceen, Ficusarten etc.) dadurch, dass sie sogenannte Bretter- oder Tafelwurzeln in Gestalt von Platten entwickeln, die nach allen Richtungen hin vom Stamm aus- strahlend, zur besseren Befestigung der Pflanzen im Boden dienen. Diese Bretterwurzeln entspringen zuweilen in einer Höhe von 6 Fuss über der Erde, haben einen schmalen, Reisen im Staat Bahia. g? abgerundeten Rücken, und zwei benachbarte Tafeln, bilden nicht selten eine Art Nische, in der sich reichlich Humus ansammelt. Höchst auffallend erscheinen dann sonderbare Gebilde von etwa Fingerdicke, die in den Urwäldern von Bahia in grosser Menge von den Kronen in die Luft herabhängen und auch oft in den Boden eindringen. Es sind dies Nähr- wurzeln einer Philodendronart, die Imbe genannt wird. Gleich vielen Bromeliaceen und Orchiden befestigt sich die genannte Aracee auf Ästen und Zweigen mit Hülfe ihrer Haftwurzeln. Sie sendet aber zugleich jene Nährwurzeln, die aus zähem Gewebe aufgebaut, unter Umständen eine Länge von ioo Fuss erlangen, in das Erdreich, um Wasser, sowie Salze in reichlicherer Menge aufzusaugen. Der Reich- thum an Epiphyten ist überhaupt in Brasilien, zumal im recht feuchten Wald, sehr gross. Gehen wir zu den Lianen über, von denen manche uns ebenso wie die Imbewurzeln den Weg versperren, so ist zu bemerken, dass dieselben sämmtlich im Boden wurzeln, aber in verschiedenartiger Weise an anderen Gewächsen emporzuklettern vermögen. Dadurch suchen diese Pflanzen, die in ungemein grosser Artenzahl in den Tropen vor- kommen und so sehr charakteristisch für deren Wälder er- scheinen, während bei uns nur wenige Formen vertreten sind, an das Licht zu gelangen, dessen sie so nothwendig für ihre Existenz bedürfen. Zu den Lianengewächsen gehören zunächst die von Schenk als Spreizklimmer bezeichneten Pflanzen. Sie tragen weder reizbare Ranken, noch vermögen sie zu winden, aber doch können sie sich festhalten und hoch empor klettern. Die Bougainvilleae spectabilis, schon früher von uns erwähnt und weit verbreitet in Brasilien, trägt Dornen, mit Hülfe derer sie sich an anderen ihr zur Stütze dienenden Pflanzen festhakt, um diese nun zu überlagern. Ähnlich verhalten sich auch die Desmoncusarten in Brasilien, Palmen, deren 94 Reisen im St. tat Bahia. ßlattfiedern zum 1 heil in gekrümmte Dornen umgewandeil sind und vortrefflich zum Anklammern geeignet erscheinen. Piperaceen, Begonien und Monsteraspecies klettern im brasilianischen Wald oft nach Art unseres Epheu. In der Nähe von Bäumen wachsend, erzeugen ihre- Sprosse auf der weniger beleuchteten Seite Wurzeln, die als Haftorgane dienen. Die Araceen bilden daneben aber häufig noch in den Hoden eindringende Nährwurzeln. Viele Lianen, Bignoniaceen, Malpighiaceen, Aristolo- chiaeeen, Papilionaceen, Apocynaceen, Convolvoeaceen etc., sind windende Pflanzen, die keine Ranken tragen, deren jugendliche Stammtheile aber gleich denen der Bohne oder des Hopfens andere Pflanzen in Folge sehr merkwürdiger physiologischer Eigenschaften umschlingen. Die Winde- pflanzen sieht man im Wald dünnere Bäume umstricken. Ihre Stämme, gleich riesigen Schlangen um den Stützbaum gewunden, verholzen sehr allgemein, können bis zu ein Fuss Durchmesser erlangen und tragen in ihren unteren Theilen dann keine oder nur wenige beblätterte Seitensprosse. Viele Windegewächse vermögen sich noch weiter mittelst stache- liger oder dorniger Bildungen an ihren Stützen festzu- klammern. Endlich dürfen wir hier die Rankenpflanzen Brasiliens, z. B. Cucurbitaceen, Compositen, Passifloren, Caesalpinia- ceen etc., nicht vergessen. Die Ranken, ungemein mannig- faltig in ihrer Form, stellen metamorphosirte Stengel- oder Blattgebilde dar und sind allgemein durch ihr Vermögen charakterisirt, auf Contactreiz zu reagiren. Sie rollen sich um die Stütze, mit der sie in Berührung gelangten, oder erzeugen auch in einigen Fällen Haftballen, um sich und damit die Pflanze, der sie angehören, zu befestigen. Zu den merkwürdigsten rankenden Pflanzen, die ich kennen lernte, gehören Bauhiniaarten (Faml. d. Caesalpiniaceen). Die Stämme derselben nennt man in Brasilien Affentreppen (escada do macaco). Sie sind höckrig, flach bandartig ge- Reisen im Staat Bahia. 95 staltet und stark gewällt. Häufig liegen sie mit ihrem unteren Theil auf dem Boden, steigen in schräger Richtung hoch empor, um sich in den Kronen der Waldbäume zu verlieren, wo ihre jüngeren Sprosse durch Ranken befestigt werden. Wenn die älteren Stammabschnitte rankender, aber auch windender Gewächse nicht selten frei durch die Luft ausgespannt sind, so kann diese Erscheinung ihren Grund nur darin haben, dass die Stämme oder auch die herabhängenden langen Luftwurzeln von Epiphyten, welche ihnen ursprünglich zur Stütze dienten, bereits zu Grunde gegangen sind, während die Lianen selbst erhalten blieben. Wenden wir das Auge zu den Kronen der Bäume, so erblicken wir ein dichtes Gewirr von Asten, Zweigen und Blättern, das wir bei der grossen Entfernung, die uns von demselben trennt, nicht in seine einzelnen Bestandtheile aufzulösen vermögen. Untersucht man aber das Laub um- gesunkener Stämme oder vom Winde abgebrochener Zweige, dann bietet sich die Möglichkeit allgemeiner Orientirung. Viele Bäume tragen derbes dunkelfarbiges Laub. Die häufig ganzrandigen Blätter reflectiren das Licht zumal an ihrer glatten Oberseite stark, so dass dieselbe glänzend er- scheint. Andere Bäume, z. B. Leguminosen, erzeugen aber auch zusammengesetzte, zarte Blätter, deren einzelne Theile zu vielfachen Stellungsänderungen befähigt sind. In den feuchten Küstenwäldern kommen oft an ihrem Ende lang zugespitzte Blattformen vor. Von diesen sogen. Träufel- spitzen tropft das Wasser bei einem Regen in grosser Menge herab, und die hierdurch bewerkstelligte möglichst schnelle Trockenlegung der Blattfläche ist, wie Stahl zeigte, nach verschiedener Richtung hin von Wichtigkeit. Zunächst kommt in Betracht, dass ein baldiger Abfluss überschüssigen Wassers die Kronen entlastet; ferner wird durch denselben ermöglicht, dass die für das Leben so bedeutungsvolle transpiratorische Thätigkeit der Blätter nach Aufhören des Regens in kurzer Zeit wieder einsetzt, und endlich werden i )(] k' isi i! im Staat l lahia. die Blattflächen durch schnellen Wasserabfluss von Keimen niederer Organismen gesäubert, welche, wenn sie sich auf den Spreiten in grösserer Ausdehnung entwickeln würden, die Function derselben wesentlich beeinträchtigen müssten. In den Kronen der Bäume siedeln sich die mannig- faltigsten Epiphyten (Orchideen, Bromeliaceen, Araceen, Gesneraceen, Rhipsalisarten, Farne, Lycopodien etc.) an. Manche Bäume (Myrtaceen z. B.) sind arm, andere (Cedrela und Ficus) besonders reich an Epiphyten. Dem grössten Epiphytenreichthum begegnet man in recht feuchten Wäl- dern, wo dann auch die unteren Theile der Stämme im Schmuck zarter epiphytischer Farne prangen. Da die oben erwähnte Reinigung der Blätter von Keimen niederer Pflan- zen natürlich keineswegs immer vollständig erzielt wird, so ist es nicht wunderbar, wenn auch die Blätter mancher Tropenpflanzen Epiphyten tragen. Ich habe solche Blätter bei Gelegenheit einer herrlichen Excursion auf den Pico do papagaio bei Rio gesammelt. Die Oberfläche derselben war mit einer förmlichen grünen Kruste bedeckt, welche aus sehr verschiedenen Leber- und Laubmoosen sowie Flechten bestand. Von einer Periodicität der Belaubung ist bei vielen Tropenbäumen nichts zu beobachten; sie entwickeln eben während des ganzen Jahres junge Blätter und werfen alte dafür ab. In einigen Fällen, z. B. bei Cedrela, erfolgt die Neubelaubung allerdings nur zu bestimmter Zeit des Jahres, und zahlreiche Bäume sowie Sträucher der Caatingas stehen während der Trockenzeit völlig blattlos da, um sich erst bei Eintritt des Regens in Grün zu kleiden. Bei Rio, also in heissem, feuchtem Klima, sieht man vielfach Bäume (Caesalpinia pulcherrima und Terminalia cattapa), die da- durch ausgezeichnet sind, dass sie ihr Laub im August ab- werfen, kurze Zeit kahl sind und dann wieder austreiben. Mit Rücksicht auf die Blüthenentwickelung der Bäume des brasilianischen Waldes ist für viele Fälle eine wohl aus- Reisen im Staat Bahia. qj geprägte Periodicität zu constatiren. Im Küstenwald bei Rio und in Espirito-Santo blühen wohl die meisten Bäume in den Monaten November und December. Die Leguminose Schizolobium excelsum prangt dann im gelben Blüthen- schmuck, Cäroba (Bignoniaceen) sowie Tibouchina (Melasto- maceen) erzeugen dagegen rosafarbene Blüthen, und diejenigen von Lecythis (Myrtaceen) wetteifern in ihrer Farbenpracht mit dem Roth der jungen, hervorsprossenden Blätter. Diese Bäume gleichen zur Blüthezeit wahren, in das grüne Laub- dach ihrer Umgebung eingesenkten Riesenbouquets, wenn man sie von einem erhöhten Standorte aus betrachtet, oder wenn der Blick vom Thal aus über die bewaldeten Hänge der Berge schweift. Biologisch ist diese Blüthenfülle gewiss insofern von Bedeutung, als durch sie eine wesentliche Sicherung der Bestäubung durch Insekten erzielt wird. Nach den vorstehenden Darstellungen erscheinen zahl- reiche Elemente von maassgebender Bedeutung für die Physiognomik der brasilianischen Urwälder. Bei der Cha- rakterisirung des Gesammtbildes derselben ist nochmals zu betonen, dass am Waldrande in Folge der hier ge- gebenen Lichtfülle zahllose Gewächse zu einer dichten, grünen Wand verwoben sind, welche die hinter ihr liegen- den Stämme verbirgt, während sie von den oft mit Epiphyten überladenen und durch lang herabhängende Lianenzweige halb verdeckten Kronen der Bäume überragt wird. Wir dringen mit Mühe in den Urwald ein, unter dessen Laubdach am Tage gewöhnlich ein wunderbares, tiefes Schweigen herrscht. Nur ab und an vernehmen wir fremd- artig klingende Vogelstimmen; welke Blätter rauschen zu Boden, und aus bedeutender Höhe fallen reife Früchte hernieder. Die Dämpfung des Lichtes ist unter den Bäumen eine so bedeutende, dass den Waldboden oft nur wenige grüne Gewächse schmücken. In Folge des Fehlens reichlicheren Unterholzes vermögen wir uns ziemlich frei zwischen den Detmer, Brasilianische Reisebilder. 7 g3 Reisen in Staal Bahia. zum Theil gewaltigen Stammen zu bewegen , aber oft genug wird doch unser Schritt durch Anhäufungen ab- gefallener, dürrer Äste, umgesunkene, modernde Kaumriesen, Bretterwur/.eln, Lianen, die sich, kühn geschwungen, vom Boden bis in die Kronen erheben, oder durch in die Luft herabhangende Epiphytenwurzeln behindert. Eine schwüle Atmosphäre umgiebt uns, so dass wir manchmal Halt machen, um auszuruhen und um hier in freier, ungezügelter Natur auf die Töne zu lauschen, die der Waldeinsamkeit entquellen. Höhere Gewächse von geringeren Dimensionen fehlen den Urwäldern keineswegs, aber sie finden sich der Mehr- zahl nach nicht im Erdboden eingewurzelt, sondern haben als Epiphyten ihren Standort in den Kronen der Bäume. Alles strebt im Urwald dem lebenspendenden Licht ent- gegen. Die Stämme der Bäume steigen gleich herrlichen Säulen oft kerzengerade, ohne Äste abzugeben, mehr als ioo Fuss empor. Ein Individuum sucht dabei im Kampf ums Dasein einem anderen den Rang streitig zu machen, um seine blättertragenden Zweige besser dem Licht darbieten zu können. Die Lianen wachsen ebenfalls den Sonnen- strahlen entgegen; die unteren, kahlen Theile ihrer Stämme gleichen nicht selten gewaltigen um die Bäume gewundenen Schlangen. Wo es die Bedingungen irgendwie gestatten, wo irgendwie Raum in den Kronen bleibt, da siedeln sich wunderbare Epiphyten an. In der Höhe ist alles verwoben zu einer unentwirrbaren, grünen Decke, die nur sehr ge- dämpftes Licht in die Tiefe gelangen lässt. Der Gesammteindruck vieler Urwälder muss als ein sehr ernster bezeichnet werden, denn unmittelbar neben der un- erschöpflichen Lebensfülle offenbart sich uns in denselben zugleich in ergreifender Weise die Macht des Todes, sowie die Rücksichtslosigkeit, mit der die Organismen den Kampf ums Dasein führen. Riesenstämme, die stolz aufgerichtet ihre Äste vielleicht Jahrhunderte lang im Sonnenglanz aus- Reisen im Staat Bahia. gg breiteten , ruhen jetzt modernd am Boden. Pflanzen , die aus irgend einer Ursache nicht geschickt sind, im Wett- bewerb um das Licht mit ihren Genossen Stand zu halten, werden erbarmungslos unterdrückt und müssen zu Grunde gehen. Unseren Hochwäldern, z. B. einem schönen Buchen- wald gegenüber, fehlt dem tropischen Urwald ein gewisses Ebenmaass der Formen und eine gewisse ruhige Harmonie, die das Gemüth so wohlthuend berühren. Im Tropenwald entfaltet sich dem staunenden Blick ein unermesslicher Reich- thum der Gestaltung vegetabilischen Lebens, so dass sich das Auge unwillkürlich immer wieder dem Einzelnen zuwendet, und bei der grenzenlosen Verschiedenartigkeit desselben ist es hier für den Beschauer in vielen Fällen wohl überhaupt unmöglich, den Eindruck einer völlig in sich geschlossenen Einheit zu gewinnen. Während sich die trockene, von laubwerfendem Busch- wald bedeckte Caatinga durchaus nicht zur Cultur eignet, kann der rothe, lehmige Lateritboden in feuchteren Gegen- den des Sertäo von Bahia, auf dem sich prächtige Hoch- wälder erheben, sehr wohl dem Ackerbau und der Viehzucht dienen. Von der höchsten Wichtigkeit würde es sein, wenn diese ausgedehnten Länderstriche besser, als es heute der Fall ist, durch Bahnen und Strassen mit der Küste in Ver- bindung ständen, aber in dieser Beziehung kann naturgemäss nur langsam ein Fortschritt erfolgen. Es war mir sehr interessant, im Innern Bahias Plan- tagen in den ersten Anfängen ihrer Entwickelung zu sehen. Wir ritten von der Fazenda Leäo dos Brejos eines Tages längere Zeit durch schönen WTald und erreichten endlich eine ausgedehnte, ganz und gar mit gefällten Baumstämmen bedeckte Lichtung. Man begann hier, eine neue Fazenda, die den Namen Monte virde tragen sollte, anzulegen. Ein Haus fehlte noch, so dass der Besitzer, ein Brasilianer, sein Quartier vorläufig bei Herrn Kleinschmied aufgeschlagen 100 Reisen im Staat Bahia. hatte. Die Baumstümpfe rodet man hier nicht aus, da sehr viel Land zur Disposition steht, überhaupt ein extensiver Wirthschaftsbetrieb vorläufig angezeigt erscheint, wahrend z. B. in vielen Gegenden von Säo Paulo, wo alte Cultur herrscht, und das Terrain werthvoll ist, bei Beurbarungen besondere Maschinen zur Beseitigung der Stümpfe in An- wendung kommen. Sind die Stämme im Verlauf längerer Zeit durch die Sonnenstrahlen ausgetrocknet, so werden sie angezündet, um später die gewonnene Asche mit dem Boden zu vermischen. Auf der Fazenda Leäo dos Brejos, sowie in ihrer Nähe, eultivirt man viel Mais, Tabak, schwarze Bohnen und Ba- taten. Letztere Pflanze, welche man leicht durch Einsetzen von Trieben älterer Individuen in den Boden vermehren kann, kriecht mit ihren Stengeln auf der Erde hin, und wird ihrer stärke- sowie zuckerreichen Wurzelknollen wegen angebaut. Früher pflanzte man auf der Fazenda auch wohl Baumwolle an; heute wird dieselbe hier nicht mehr pro- ducirt. Zum ersten Mal sah ich dagegen Kaffeeanpflanzungen, denen ich dann an anderen Orten in Brasilien vielfach wieder begegnet bin. Der arabische KafTeebaum stammt aus Afrika; er wächst in verschiedenen Gegenden dieses Erdtheils wild, z. B. auch an den Ufern des Victoria -Njansa- Sees, dessen Wellen deutsches Schutzgebiet bespülen, und ist für Culturzwecke weit verbreitet worden. Die Kaffeecultur wird in vielen Theilen Brasiliens be- trieben, besonders in den Staaten Bahia, Rio de Janeiro, sowie Säo Paulo. Ganz im Süden des grossen Landes ist die Cultur der dort vorkommenden Nachtfröste wegen sehr unsicher. Der Kaffeebau besitzt für Brasilien hohe Wichtig- keit. In den Jahren 1884 — 1888 wurden durchschnittlich 1 3,000,000 Meter-Centner Kaffee per Jahr erzeugt (1 Meter- Centner = 100 Kilo), wovon ungefähr 2/3 allein auf Bra- silien entfallen. Der Kaffeeconsum im Lande selbst ist gross, Reisen im Staat Bahia. 10 1 aber es bleibt noch eine ungeheure Menge Waare für den Export übrig, dessen Werth im Jahre 1889 379 Millionen Mark betrug. Der Kaffeebaum, Coffea arabica (Familie der Rubiaceen), kann 8 m hoch werden. Er ist sehr regelmässig verzweigt, trägt Blätter von etwa 1 2 cm Länge, sowie 5 cm Breite und weisse Blüthen. Die anfangs grünen, später rothen bis violetten Steinfrüchte bestehen aus einem schleimigen, süss- lich schmeckenden Gewebe, welches das pergamentartige Endocarp umschliesst, in dem zwei mit zarter Haut um- gebene Samen, die Kaffeebohnen ruhen. Bei Campinas, im Staat Säo Paulo, wo ich die sehr grosse Kaffeefazenda Genebra besuchte, blüht der Kaffeebaum im September, December und endlich nochmals im Februar. Die Ernte findet durch Abpflücken der Früchte im Juli bis October statt. Bei der Cultur der Kaffeepflanze werden die Samen in Beete ausgesäet, die jungen Pflanzen nach einiger Zeit in gut zu- bereitetes Land umgesetzt, wo sie sich unter Baumschutz kräftigen, um endlich die besten Individuen in die Plantage zu übernehmen, deren Boden humos und vor allen Dingen möglichst tiefgründig sein muss. Hier stehen die Bäume in Entfernungen von 10 — 15 Fuss in schnurgeraden Reihen. Sehr allgemein werden rasch wachsende „Schattenpflanzen^. zwischen den KafTeebäumen cultivirt, um dieselben, so lange sie noch jung sind, vor gar zu starker Besonnung zu schützen. Als Schatten spendende Gewächse dienen in Bahia Maniok, in Säo Paulo Ricinus, sowie Mais. Bei der Cultur widmet man zumal der Reinhaltung des Bodens von Unkraut und dem richtigen Baumschnitt viel Aufmerksamkeit. Die Kaffeebäume dürfen nicht zu hoch werden und müssen sich in ihrem unteren Theil recht buschig entwickeln. In drei oder vier Jahren nach der Saat trägt der Kaffeebaum schon Früchte. Vom sechsten Jahre an bringt ein Baum im Durchschnitt 1 Kilo Bohnen. Wenn, wie es gewöhnlich der Fall ist, keine Düngung erfolgt, sinkt das Productions- ] 02 Reisen im Staat Bahia. vermögen zwanzig Jahre alter Bäume bedeutend, so dass die Cultur derselben allmählich nicht mehr lohnen« 1 erscheint. Auf der Fazenda in Bahia wurden die Katicefrüchte an der Luft getrocknet und später zur Gewinnung der Bohnen einfach gestampft. An anderen ( >rtcn hat man complicirte Maschinen aufgestellt, welche die getrockneten oder in anderen Fällen, wenn man das sogen, nasse Verfahren an- wendet, die eingeweichten Früchte zur Isolirung der Höhnen bearbeiten, sowie diese letzteren selbst reinigen und sortiren. Sehr wichtig ist ferner der Anbau des Maniok- oder Cassavestrauches für Brasilien. Die durch Stecklinge ver- mehrte Pflanze wird mehrere Meter hoch, trägt handförmig getheilte Blätter und büschelig gruppirte, sehr stärkereiche, aber zugleich auch einen blausäurehaltigen Saft führende Wurzelknollen, welche in zehn Monaten nach der An- pflanzung ihre volle Reife erlangen. Die Verarbeitung der Knollen geschah auf der F'azenda Leäo dos Brejos derartig, dass sie nach dem Schälen mittelst einer mit der Hand in Bewegung gesetzten Maschine zu Brei zerrieben wurden. Diesen Brei presst man aus, um den Rückstand in flachen Pfannen gelind zu erhitzen. Auf solche Weise wird, wie es schon die Indianer vor der Entdeckung Brasiliens wussten, der Giftstoff der Maniok völlig beseitigt und die werthvolle Farinha erzeugt, von der bereits früher die Rede war. Das aus der Maniokwurzel gewonnene feine Stärkemehl ist da- gegen unter dem Namen Tapioca bekannt. Da der Culturboden in Brasilien selten gedüngt wird, so büsst er natürlich allmählich seine Fruchtbarkeit ein. Beobachtet der Pflanzer dies, dann beurbart er neues Land und lässt das seither benutzte ruhig liegen. Dasselbe über- kleidet sich sehr schnell mit einer Vegetation von Strauch- werk sowie niedrigen Bäumen, die zum Theil undurch- dringliche Dickichte bilden. Die auf solche Weise ent- standene Capueira kann abermals abgeholzt, und der Boden in Culturland umgewandelt werden. Reisen im Staat Bahia. 103 Die Thiervvelt Brasiliens, welche ich auf der Fazenda zum ersten Mal nach einiger Richtung hin etwas genauer kennen lernte, ist sehr merkwürdig. Es mögen hier daher einige allgemeine Bemerkungen über die Fauna des Landes folgen. Affen sind in vielen Arten recht verbreitet. Fleder- mäuse giebt es zahlreiche. Der blutsaugende Vampyr ist besonders in den Districten, in denen ausgedehnte Viehzucht getrieben wird, gefürchtet. Der Jaguar oder die Unze, über ganz Brasilien verbreitet, greift Nutzthiere häufig an und geht, wenn er angeschossen wurde, auch auf den Menschen los. Das grösste einheimische Säugethier ist der Tapir. Äusserst charakteristich erscheinen für Brasilien Reprä- sentanten der Gruppe der Edentaten, Zahnarmer Säuge- thiere, welche durch die auf Bäumen lebenden Faulthiere, die Gürtelthiere und Ameisenbären vertreten werden. Die letzteren, Tamanduas genannt, kommen in verschiedenen Arten vor. Namentlich sind zwei Species verbreitet, von denen ich ein Individuum der kleineren Form in Orobö sah. Die Thiere leben von Ameisen und Termiten. Der grosse, ein schönes Fell und einen zottigen Schwanz tragende Ameisenbär ist sogar im Stande, die steinharten, hohen Wohnungen der Termiten mit seinen Krallen aufzubrechen. Er legt seine Zunge in die gebildete Öffnung, um sie erst wieder in den Mund zurück zu ziehen, wenn sie mit den von allen Seiten herbeikriechenden Insekten bedeckt ist. Dieser Ameisenbär kann dem Menschen unter Umständen, wenn er gereizt wird, recht gefährlich werden, indem er sich dann aufrichtet, seinen Feind zu umarmen und mit den Krallen zu packen sucht. Die Gürtelthiere, in Brasilien Tatüs genannt, zeichnen sich durch den Besitz eines starken Panzers aus. Diese harm- losen Geschöpfe leben besonders im ebenen Terrain. Ich sah ihre Erdhöhlen aber auch nahe der Fazenda Leäo dos Brejos in der Serra do Orobö. Am Tage halten sich 104 Reisen im Staal Bahia. die Thiere in ihren Wohnungen auf; nachts kommen aus denselben hervor, um ihre Nahrung, Ameisen und Ter- miten, zu sich zu nehmen. Wird das Tatu verfolgt, so sucht es sieh gewöhnlich durch Eingraben in den Boden zu retten, eine Kunst, die es mit unglaublicher Geschicklich- keit übt. Ungemein reich ist die Vogelwelt in Brasilien ent- wickelt. Singvögel giebt es wenige. Mir fiel im Urwald hauptsächlich nur ein Vogel auf, dessen Stimme etwa mit derjenigen unseres Buchfinken zu vergleichen wäre. Dazu vernimmt man viel das Klopfen von Spechten, die an die Rinde der Stämme schlagen, um Insekten hervorzulocken. Auch die schön befiederten Pfefferfresser sind sehr verbreitet und unter den Sumpfvögeln grosse Reiherarten. Aasgeier sieht man sehr häufig, sowohl in den Städten, wo man ihnen nicht nachstellt, da sie die Strassen vom Unrath säubern, als auch auf dem Lande. Als wir von der Fazenda nach Orobö zurückritten, stutzten unsere Pferde einmal plötzlich und wollten nicht von der Stelle. Wir sahen nichts be- sonders auffallendes, aber als mein Führer abgestiegen war, entdeckte er in einiger Entfernung die Leiche eines Maul- thieres, von der sich bei seiner Annäherung viele Aasgeier und gewaltige Fliegenschwärme erhoben. Wir mussten die Pferde auf einem Umwege mitten durch dorniges Gestrüpp an dem Orte vorüberführen, der ihnen so grossen Wider- willen einflösste. Hohes Interesse bieten in Brasilien die zahlreich vertretenen Papageien, von denen ich besonders in Orobö grosse Schwärme sah, die abends mit lautem Ge- kreisch über das Dorf ihrem Standorte zuflogen. Die meisten Papageien sind grün gefärbt, aber daneben treten immer noch Federn von anderweitigen, schönen Farben auf. Ganz unbeschreiblich reizend erscheinen dem Reisenden in Brasilien, zumal in der Nähe der Küste, die Kolibris. In 400 Arten kommen sie ausschliesslich in Amerika vor, fast sämmtlich auf die Länder innerhalb der Wende- j*LrjiAAAArj-j-j-r^ru-j-j*ru'rr^ij^ *■•■■•■ i*ri*i'i*-i*i*i*i'****************»*************>**********************>**'* ***».***********»**«.****.*.***»**»**** Reisen im Staat Bahia. 105 kreise beschränkt. Die meisten Kolibris erreichen eine sehr geringe Grösse; sie haben kurze Beine , lange Flügel, einen langen Schnabel, aus dem eine merkwürdig ge- baute Röhrenzunge weit hervorgeschnellt werden kann, und zeichnen sich vor allen Dingen durch ihr wunderbar schönes Gefieder aus. Die Grundfarbe desselben ist ein in Metall- glanz schimmerndes Grün, dem sich aber die mannigfaltigsten weiteren Farbentöne zugesellen. Dazu kommen besondere Federbüschel, mit denen die Kolibris an verschiedenen Körperstellen geziert sind, und die den Männchen wesent- liche Dienste leisten, um die Aufmerksamkeit der Weibchen auf sich zu lenken. Besonders zierlich sind die Kolibrinester. Eines derselben, das ich aus Rio mitbrachte, und welches auf einem Zweig befestigt ist, zeigt die Gestalt einer halben Wallnussschale, ist 4 cm lang, 3.5 cm breit und aus Compositenblüthentheilen hergestellt. Die Auskleidung des Nestes bilden Compositenfrüchte mit weichem Pappus, so dass zwei Eier von je 1 1 mm Länge wohl gebettet er- scheinen. Die Nahrung der Kolibris, über die Wallace ebenso wie über die Lebensweise der Thiere so interessant spricht, besteht in Insekten und Nectar der Blüthen. Die Vögel, welche von den Brasilianern sehr zutreffend Beijaflores (Blumenküsser) genannt werden, fliegen ungemein schnell durch die Luft; sie nähern sich einer Blüthe, halten sich kurze Zeit schwebend vor derselben, senken ihren langen Schnabel in den Kelch, um mittelst ihrer Röhrenzunge Honigsaft sowie Insekten zu gewinnen. Dann beschreiben die Thiere oft einen weiten Bogen in der Luft, bevor sie eine andere Blume aufsuchen. Es wird angegeben, dass sie besonders leuchtend roth gefärbte Blüthen bevorzugen, und für einige Fälle ist auch die Bedeutung der Kolibris als Ver- mittler der Fremdbestäubung festgestellt worden. Unter den Reptilien kommen neben einigen Schild- kröten sowie Aligatorarten (letztere Yacares genannt) ins I06 Reisen im St;iat Bahia, Besondere die Sehlangen in Betracht. In Brasilien lebt die Riesenschlange Boa constrictor), die eine Länge von 10 m erreichen kann, dem Menschen aber nicht gefährlich ist, sondern sich von kleineren Säugethieren ernährt. Zu den schönsten, farbenprächtigsten Schlangen Brasiliens gehört die Korallenschlange (Coluber), welche auf jeden Fall kaum als Giftschlange bezeichnet werden darf. Ihr Körper trägt leuchtend rothe Flecke. Zwischen je zwei derselben sind aber mehrere schwarze sowie weisse Binden eingeschaltet. Die rothen und weissen Körperstellen weisen überdies noch eine hübsche Zeichnung auf. Sehr giftig sind die Klapper- schlangen (Cascavel) und die über ganz Brasilien verbreitete Jararaca(Cophias). Vorsicht ist diesen Thieren gegenüber natür- lich geboten, aber man braucht sich wirklich nicht gar zu sehr vor ihnen zu fürchten, denn einmal sind die Giftschlangen in Brasilien doch nicht so häufig, wie manche glauben möchten, und ferner beissen sie den Menschen gewöhnlich nur dann, wenn sie berührt oder gereizt worden sind. Die Giftstoffe der Schlangen sind nach neueren Untersuchungen als sogen. Albumosen anzusehen, Körper, die den Eiweiss- stoffen sehr nahe stehen. In hohem Grade erregten grüne Laubfrösche und die riesigen Ochsenfrösche meine Aufmerksamkeit. Manche Arten der ersteren ruhen am heissen Tage auf den Blättern der Bäume, deren Oberfläche sie sich so dicht und voll- kommen anschmiegen, dass man Mühe hat, die Thiere als solche zu erkennen. Die Ochsenfrösche erheben kurz vor Sonnenuntergang ihre Stimme, und als ich diese zum ersten Mal auf der Fazenda vernahm, glaubte ich es mit dem weit hin hörbaren, kurz hervorgestossenen Laut eines grossen Hundes zu thun zu haben. Unter den Spinnenthieren verdienen namentlich die grosse Vogelspinne, sowie gewisse Zecken oder Holzböcke, Carapatos genannt, Erwähnung. Diese letzteren leben in Gebüschen. Sie gehen auf Menschen oder Thiere, welche Reisen im Staat Bahia. 107 dasselbe durchstreifen, über, beissen sich in deren Haut fest und verursachen Schmerz, ja rufen sogar, wie es mir auch vorgekommen ist, die Bildung unangenehmer kleiner Ge- schwüre hervor. Da ich als Botaniker viel im Wald und Feld umherstreifte, belästigten mich die Thiere besonders häufig. Wenn man den Leib der Carapatos mit Tabak- aufguss betupft oder in Berührung mit einer glimmenden Cigarre bringt, so ziehen sie ihre Beisswerkzeuge aus der Haut hervor und fallen ab. Nun das Heer der Insekten. Ich nenne zuerst die Mosquitos, wahre Plagegeister für Mensch und Thier, die besonders in der Nähe der Flüsse oft in ungeheurer Menge vorkommen. Ihr ganz nervös machendes Summen und ihr Stich bilden eine Qual für denjenigen, der so gern aus- ruhen möchte von den Anstrengungen des Tages. Im Schlaf- zimmer schliesse man die Fenster, um sich einigermaassen vor den Eindringlingen zu schützen, bei Sonnenuntergang. Es empfiehlt sich bei Gegenwart zahlreicher Mosquitos ferner, die Bettwäsche mit Zacherlin einzureiben und eine kleine Menge dieser Substanz, die man auf eine Metall- platte gebracht hat, über einer Lichtflamme zu verdampfen. Eine Plage bilden auch für viele Menschen die Sand- flöhe. Diese Thiere bohren sich unter die Zehennägel ein, legen hier ihre Eier ab, und die sich entwickelnden Larven verursachen dann die Bildung schmerzhafter Geschwüre. In Rio sieht man oft Neger vor den Thüren sitzen, die da- mit beschäftigt sind, ihre jämmerlich schreienden Kinder durch eine kleine Operation von den Sandflöhen zu be- freien. Unangenehm sind ferner die zu den Orthopteren gehörenden Baratten, eine grosse Kakerlakenart, die einen hässlichen Geruch besitzen , der sich in vielen Häusern in Brasilien bemerklich macht und z. B. der Wäsche sehr lange anhaften kann. Bewunderungswürdig erscheinen die bis zu 12 cm Gesammtkörperlänge erreichenden Herkuleskäfer, die herrlich ioS Reisen im Staat Bahia. -^i*^S^S^^S^Sp^p**»*»»** *»»***»*»»fcfc*.A^**».A*|>|»|*|JT^|j|JA^^^^^^^^^v^|^^jV/v|Af|A^ glänzenden Chrysomelen, von denen manche bei Anfertigung von Schmuckgegenständen Verwendung finden, die Leucht- käfer, aufweiche (ebenso wie auf Cicaden und Grillen), an anderer Stelle hingewiesen werden soll und viele Schmetter- linge. Einmal sah ich eine sehr grosse Raupe mit rothen Brennhaaren , vor deren Berührung man sich hüten muss. Entzückend ist es, die blau schillernden Morphoarten, die ca. i 5 cm Spannweite erreichen, zu beobachten, wie sie im Sonnenglanz in eigenartig unstätem Fluge die Bäume um- schwärmen oder sich auch dicht über dem Bo'den fortbewegen, so dass man sie leicht zu erhaschen im Stande ist. Ich sah diese Thiere besonders auf dem Corcovado bei Rio de Ja- neiro. Auch an grossen Seidenspinnern und vielen anderen schönen Schmetterlingen, habe ich mich oft erfreut. Über einige Ameisenarten wurde bereits früher ge- sprochen; hier müssen wir endlich noch die so überaus merkwürdigen, übrigens den Ameisen verwandtschaftlich nicht gar nahe stehenden Termiten, in Brasilien Cupims genannt, er- wähnen. Diese Thiere, zu den Neuropteren gehörend und etwa von der Grösse der Ameisen, sind in vielen ver- schiedenen Arten sehr verbreitet. In ihren Nestern (casas dos cupims) findet man neben Eiern, Larven, Puppen (Nym- phen), geflügelten Männchen sowie Weibchen, Arbeitern und Soldaten (beides flügellosen und zeugungsunfähigen Thieren), eine Königin sowie einen König, d.h. Weibchen und Männchen, welche die Flügel verloren haben. Millionen von Individuen können sich in einem Nest vereinigen. Die geflügelten Männchen und Weibchen sind nur zu bestimmter Zeit im Termitenhaus anzutreffen. Tritt Überfüllung desselben ein, so beginnt das Ausschwärmen und die Paarung. Die Mehr- zahl der ausgeflogenen Thiere geht zu Grunde; wenige bleiben erhalten, und werden als Könige und eierlegende Königinnen zu Begründern neuer Staaten. Das Paar lebt einige Jahre lang in treuer Ehe beisammen. Zuweilen sollen auch Spaziergänge ausgeführt werden, bei denen die Reisen im Staat Bahia. IOQ ************************ *•»■** >MM^lM^WMMMMMWW [<■ isen im Staat liahia. von der aus man zunächst zu beiden Seiten Mangrovevege- tation erblickt, fuhrt (\vn Reisenden heute schnell von der I [altestelle des Dampfers in die Stadt. Hier fand ich bei einem Deutschen, Herrn Wilkens, der Kaufmann und Be- sitzer einer Cigarrenfabrik ist, gute Aufnahme. Es lag mir besonders daran, von S. Amaro aus, also nahe der Küste, einen Urwald, der nicht weit von der kleinen Ortschaft Oliviera erhalten ist, zu besuchen. Maul- thiere waren für mich und meinen Führer bald besorgt, so dass die Reise schon am Tage nach meiner Ankunft in S. Amaro angetreten werden konnte. In dieser Gegend spielt die Cultur des Zuckerrohres eine wichtige Rolle. Dasselbe wird hier in erheblicher Aus- dehnung, und in verschiedenen Varietäten auf dem schweren, feuchten, fruchtbaren Boden angepflanzt, indem man mit Knoten versehene, kurze Halmstücke in das Feld einsetzt, die sich dann bewurzeln und einige Zeit lang jährlich reiche Erträge an dem von zuckerhaltigem Gewebe erfüllten Rohr liefern. Die Pflanze, Saccharum officinarum, kann über drei Meter hoch werden. Ihr Halm gewinnt eine Dicke von ca. 4 cm und ist oben grün, tiefer aber gelb oder violett gefärbt. Ein dicht bestandenes Zuckerrohrfeld gewährt einen prächtigen Anblick. Die Verarbeitung der bei der Ernte abgeschnittenen und entblätterten Pflanzen erfolgt in be- sonderen Zuckermühlen. Das Rohr gelangt zwischen hori- zontale, durch Dampfkraft in Bewegung gesetzte Walzen. Die ausgepressten Rückstände dienen als Feuerungsmaterial, während der braune Saft durch Läutern und Eindampfen eine Verarbeitung auf Zucker erfährt. Die unreinen Producte, welche man dabei gewinnt, be- sitzen eine tief braune Farbe. Im Innern Brasiliens habe ich oft solchen Zucker erhalten. Der im Lande selbst ge- reinigte Zucker stellt ein sehr schwach gelbliches, fast weisses Pulver dar. Zucker in Stücken sah ich in Bra- silien niemals. Die bei der Fabrikation des Zuckers als Reisen im Staat Bahia. j j -> Nebenproduct erhaltene Melasse, welche noch immer sehr süss ist, wird zur Bereitung der Cachac,a, Zuckerbrannt- wein, benutzt, der besonders von Negern viel genossen wird. Von S. Amaro führte die sehr staubige, aber noch ganz gute Landstrasse an Zuckerrohrfeldern, hohen Bambus- gebüschen sowie an der erwähnten Fabrik vorbei. Wir bogen dann bald rechts ab und gelangten in sumpfiges, von Busch- werk bestandenes Terrain. Der Weg wurde unerhört schlecht. Mehrfach ging es steile Böschungen hinab, durch Bäche und dann wieder so steil hinan, dass man sich sehr festhalten musste, um nicht nach hinten vom Rücken des Maulthieres herabzugleiten. Pferde wären hier, da sie viel zu unruhig sind, nicht gut zu gebrauchen gewesen. Wir durchquerten lange Zeit ein Buschland, wobei Kopf und Brust nur dadurch vor den Schlägen der Zweige zu schützen waren, dass man den Oberkörper möglichst weit auf den Hals des Reitthieres vorneigte. Die Steigbügel, welche in Brasilien auf Reisen benutzt werden, haben nicht die Beschaffenheit, wie bei uns, sondern sie gleichen Metallschuhen, damit sich keine Zweige in den- selben festhaken können. Später erreichten wir eine Art von WTeg, dessen rother, thoniger Boden sonderbar aussah. Quer zur Richtung des "Weges verliefen abwechselnd graben- artige Einschnitte von zwei bis drei Fuss Breite, sowie ein bis zwei Fuss Tiefe und dammartige Erhöhungen, welche also stets je zwei Gräben von einander trennten. Solche Wege, denen ich übrigens noch oft begegnet bin, erlangen ihre eigen- artige Beschaffenheit dadurch, dass der thonige Boden zur Regenzeit aufweicht, die Maulthiere, welche in grosser Zahl durch das Land ziehen, immer die Füsse in die Spur ihrer Vorgänger setzen, den Boden auf diese Art an bestimmten Stellen zusammenkneten, während er im übrigen fast un- berührt bleibt, und dass die Sonne endlich alles zu einer steinharten Masse austrocknet. Detmer, Brasilianische Reisebilder. S I j i Reisen im Staal l lahia. ^VVVVVVVVVVVVVVVVVVVVVS*^V*VV"VS^^^»w*«*v,^^*w'*^^^jVVNi^^p*»"^****»*^i^i^^''^«^^^s»^>i*'^^^^,i^'^^^ Weiterhin ging es an sonnigen Berghängen empor, die durch manche Blume und ausgedehnte Felder blühender Sinnpflanzen (Mimosa pudica geschmückt wann, und von denen aus man einen weiten, schönen Blick ins Thal hat. Dann ritten wir lange am Waldesrand hin, aber eine dichte, grüne, aus unzähligen Gewächsen gebildete Laubwand, welche die Bäume vom sumpfigen Wege trennte, gestattete es nicht, einen Einblick in das Innere des Waldes zu winnen. Gegen Mittag erreichten wir eine Venda. Hier schlug ich mein Quartier auf, um Excursionen in den vor der Thür gelegenen, ein weites, ebenes Terrain bedecken- den Urwald zu unternehmen. Er trägt durchaus den schon früher bezeichneten Charakter. Ich nahm zwei Leute mit, die mir beim Eindringen in den Wald den Weg bahnten, im Schatten der Bäume bedeutendere Hindernisse hinwegräumten, die sich namentlich in Gestalt zahlloser Wurzeln der Imbe- pflanze (epiphytisches Phildodendron mit ungemein langen, bis zum Boden herabwachsenden Nährwurzeln) darboten, oder mir Beobachtungsmaterial verschafften. Es gab hier wahre Riesenbäume von gewaltiger Dicke; um die dünneren Stämme wanden sich überall holzige Lianen, und der an kleineren Gewächsen arme Waldboden trug als solche fast nur Zwerg- palmen und Heliconien. Besonders auffallende und häufige Waldbäume sind Psidium Araca, Caesalpinia echinata, Enterolobium Schomburgkii, Andiraarten, Jacaranda bra- siliana, Centrolobium , Bombaceen etc., von denen manche zur Stütze ihrer Stämme Bretterwurzeln ent- wickeln. Als wir nach S. Amaro heimkehrten, passirten wir abermals mehrfach buschiges oder sumpfiges Terrain. Ein- mal versank mein Maulthier dabei bis an den Bauch in den Schlamm; es kostete Mühe, das arme Thier wieder aus seiner misslichen Laee zu befreien. Aus weiter Ferne ver- u£> nahmen wir dann bald das Rufen vieler Männer und lang- gezogene Töne eigenthümlicher Art. Wir näherten uns dem Reisen \m Staat Bahia. j j c Lärm und erblickten viele schwer beladene Karren, die von Ochsen mühsam einen steilen Hang hinaufgezogen wurden. Jeder Karren, mit acht oder zehn einzeln hinter einander gehenden Thieren bespannt, ruhte auf nur zwei Rädern, welche die Gestalt von Holzscheiben hatten, und bei ihrer Drehung eben jenen sonderbaren Ton hervorbrachten. Der Weg war so schmal, dass wir in ein zur Seite desselben gelegenes Bambusgebüsch reiten mussten, um den langen Zug der Ochsenkarren passiren zu lassen. Kurz vor S. Amaro überraschte mich der Anblick einer an der Strasse liegenden grossen Jararaca. Die Giftschlange lebte aber nicht mehr; sie war eben vor unserer Ankunft getödtet worden. Mit Herrn Wilkens unternahm ich am nächsten Tage einen Ausflug nach Nazareth, einem kleinen Ort, der in ilj2 Stunden von S. Amaro aus mit der Bahn zu erreichen ist. Man fährt durch fruchtbares Land, auf dem viel Zucker- rohr angebaut wird. Hier und da sieht man Fazenden und in ihrer Nähe lange, graue Schuppen, welche früher den Sklaven zur Wohnung dienten. In Nazareth herrschte reges Leben, da Markttag war. Im Wirthshause sassen Engländer, die gekommen waren, um für die unter ihrer Leitung stehenden Fabriken Zuckerrohr einzuhandeln, welches gerade geerntet werden sollte. Auf einem freien Platze drängten sich viele Menschen um die Verkäufer von Fleisch, Kleidern oder anderen Waaren. Es näherte sich ein Zug halb betrunkener, aus kurzen Pfeifen rauchender Negerinnen. Sie trugen tief ausgeschnittene Hemden; Hals und Arme schmückten rothe Perlenketten. Eine der Frauen schlug ununterbrochen mit einem Messer auf einem Porzellanteller den Tact, während die übrigen dazu sangen. Sie stellten sich im Kreise auf, um den Zambatanz vorzuführen. Es tritt immer nur eine Tänzerin in die Mitte des Kreises, und wie bei allen sogen. Bauchtänzen der Neger werden auch hier die Bewegungen stets langsam vollzogen. Das von den 8* j I (3 Reis» n im Su.it l tahia. Frauen eingesammelte Geld verwenden sie zum Kauf von Cacha^a; einen Theil desselben sollen sie aber auch, wie man mir sagte, ihrem Pfarrer bringen. Und nun lebe wohl mein liebes, schönes Bahia. Lebe wohl mit deinen Palmen, deinen stillen Wäldern, deiner Blüthenpracht und deinem Sonnenglanz! IV. Rio de Janeiro und Umgebung. m i. October ging ich gegen Abend in Bahia an Bord der Belgrano (Capitän Poschmann) um nach Rio de Janeiro zu reisen. Das Schiff war stark besetzt. Am 4. October näherten wir uns morgens der Bucht von Rio. Wir fuhren nahe der Küste hin, an der sich die schroff ansteigenden Felsenberge der Serra do Mar -erheben, zu deren Füssen die Brandung rauscht, und die, je nach der Lage des Schiffes, in immer neuen Formen erscheinen. Palmengeschmückte Inseln tauchen auf, aber all diese Herrlichkeit wird weit übertroffen von dem wunder- vollen Bilde, welches sich bei der Einfahrt in die nach Süden geöffnete Bucht von Rio de Janeiro selbst darbietet. Leider war die Luft nicht völlig klar. Trotzdem hatte ich sofort den Eindruck, dass sich hier eine landschaftliche Schönheit ganz unvergleichlicher Art entfaltet, die wohl unübertroffen dasteht. Die Einfahrt in die Bucht, etwa nur 2500 m breit, wird durch die links liegende, steil ansteigende, etwa 1300' hohe, nackte Granitpyramide desPäo d'acucar (Zucker- hut), die eine so überaus charakteristische Gestalt besitzt, und durch das Fort S. Cruz bezeichnet. Lässt man die Felsenthore hinter sich, so breitet sich die tiefblaue Fluth der mehrere Meilen langen und auch sehr breiten Bai, die einem grossen Binnensee gleicht, nach allen Richtungen hin vor den staunenden Blicken aus. Sie er- scheint vielfach gegliedert, schneidet an zahlreichen Stellen i \ g Rio de [an« iro und CJmgebu /vv^^^^vvVl^^^^^A^vv^^^VA^v^^v^^v*^^«^vv^llV^^sv^^^N^vvvA^ tief in das Land ein, und diese Nebenbuchten sowie die aus dem Meere auftauchenden, im Schmuck tropischer Vege- tation prangenden Inseln gewähren dem Bilde einen un- endlich Lieblichen Charakter. Im Westen erblickt man die „Capitale" Brasiliens, deren Häusermassen und paradiesische Gärten sich zum Theil weit an den Hängen der I [ügel und Berge hinanziehen; Rio gegenüber liegt Nictherohy, die 1 [auptstadt des Staates Rio de Janeiro, sowie der schone Ort S. Domingos. Und nun die bewaldeten Berge, welche, in geringer Entfernung vom Strande aufsteigend, die Bucht in weitgespanntem Bogen umrahmen. Die ca. 2500 Fuss hohe, aus dichtem Wald aufragende Nadel des Corcovado, die ernste Gavia, die Tijucakette und weit gen Norden das zackige Orgelgebirge, dessen Spitzen bis zu einer Höhe von 7000 Fuss aufstreben. Ein wunderbarer Zauber ruht über der ganzen Landschaft. Die herrlichen Formen der Berge, nackte, steile Felswände, im üppigsten Grün prangende Hänge, die blauen Fluthen des Meeres, Inseln mit tropischer Vegetation, die weit ausgedehnte Stadt sowie entzückende Gärten am Ufer und den Hafen belebende Schiffe bedingen eine unendliche Mannigfaltigkeit des Bildes. Aber alles fügt sich doch ganz natürlich zu einer harmonisch in sich geschlossenen Einheit von ebenso lieblichem wie erhabenem Charakter zusammen, und hierin ist das Ge- heimniss des unvergleichlichen Reizes der Bucht von Rio de Janeiro gegeben. Sie erscheint immer schön; immer offenbart sie uns neue, ungeahnte Wunder, diese Bai im fernen Süden, wenn die Bergformen sich, umflossen vom strahlenden Licht der hoch stehenden Tropensonne mit äusserster Schärfe vom blauen Himmelshintergrund ab- heben, die Landschaft ein zarter Nebel deckt, der alle Gestaltungen halb verschleiert zeigt, oder wenn der Monden- glanz auf der leise rauschenden Fluth des Meeres ruht, und die weiche, warme Luft der Tropennacht in den Kronen der Palmen spielt. Zuweilen hüllt sich die Natur in ein Rio de Janeiro und Umgebung. I IQ besonders schönes Kleid. Die Wolken erstrahlen gegen Abend in violetten Farbentönen, wie solche nur die unter- gehende Sonne in den Tropen hervorzaubern kann; der Himmel erscheint tief blauviolett , und ein ähnliches, aber dunkleres Colorit ruht auf den Bergen. All diese Herrlich- keit, die durch den Reflex im Meeresspiegel noch erhöht wird, verschwindet indessen schnell wieder. Sie weicht grauen Farbentönen, und bald breiten sich die Schatten der Nacht über Land und Meer. Die Belgrano hielt ziemlich weit entfernt vom Lande vor Rio. Ein kleiner Dampfer brachte mich schnell an den Kay, Zu meiner Freude traf ich bald, nachdem ich zu- nächst den deutschen Club besucht hatte, mit Herrn Ule, dem Subdirector der botanischen Abtheilung des National- museums in Rio, zusammen. Diesem treffüchen Manne fühle ich mich zum wärmsten Dank verpflichtet. Ich wohnte bei ihm; wir haben gemeinsam viele botanische Excursionen unternommen, und manche Belehrung, die Ule mir über die Flora Brasiliens zu Theil werden liess, ist auch in dieser Schrift venverthet worden. Von unserer Wohnung auf der Rua Chefe de divisäo Salgado aus unternahmen wir gleich am Nachmittag einen Spaziergang auf einen fünf Minuten entfernten Hügel. Es hatte stark geregnet, aber jetzt war die Luft hell, und so klar, wie es selten der Fall sein soll, traten in der Ferne die wundervoll gestalteten, zackigen Spitzen des Orgel- gebirges hervor. Auf dem im üppigen Grün prangenden Hügel wuchsen Crotonbüsche, rankende Passifloren mit drei- lappigen Blättern, windende Malpighiaceen, deren Blattspreite an der Basis herzförmig ausgeschnitten ist, und deren gelbe Blüthen am Kelch mit den so sehr charakteristischen drüsigen Bildungen versehen sind, Melastomaceen mit der bekannten, merkwürdigen Nervatur ihrer Laubblätter sowie den An- hängsel tragenden Antheren der schönen Blumen und noch manche andere Pflanzen. 120 Rio de Janeiro und Umgebung. Während der ersten Zeit meines Aufenthaltes In Rio war es verhältnissmässig kühl. Spater wurde es sehr heiss. Auch abends sank die Temperatur wenig, so dass Hitze und ebenso Mosquitos die Nachtruhe beeinträchtigten. Dazu gesellte sich aber noch ein sonderbares nächtliches Concert, welches mich oft am Einschlafen hinderte. Im Garten bei unserem I lause gab es viele Cicaden (in Brasilien Eisenbahn- käfer genannt), sowie Grillen. Nur die Mannchen dieser 1 hierarten sind im Stande, merkwürdige Töne hervor- zubringen, durch welche sie die Weibchen anlocken. Bei den Cicaden ist das Musikwerkzeug am Leibe angebracht; die Grillen dagegen erzeugen die Töne durch Wetzen der Flügeldecken. Bald nach Sonnenuntergang vernimmt man ein lautes Geräusch, welches sehr rasch in einen Ton über- geht, der demjenigen einer hoch gestimmten, hell klingen- den Pfeife gleicht. Abgesehen aber von dieser lauten Musik der Cicaden erschallt jene der Grillen, die durchaus hellem Schlittengeläut ähnelt. Der Lärm weckt die Hähne sowie Perus (Truthühner) in der Nachbarschaft. Das Krähen derselben macht auch die Hunde munter, die am heissen Tage in Rio schlafend auf der Strasse oder in den Häusern liegen, und nun laut bellend umherlaufen. Diese Stimmen der Cicaden, Grillen, Hähne, Perus und Hunde vereinigen sich zu einem nächtlichen Concert von sonderbarer Art, an das man sich erst gewöhnen muss, um schlafen zu können. Rio de Janeiro ist Sitz der Centralregierung des weiten brasilianischen Reiches. Daneben aber ist Rio die erste Handelsstadt des Landes. Im Hafen ankern die Schiffe aller Nationen. Importirt werden besonders Manufactur-, Glas-, Porzellan- und Eisenwaaren, Maschinen, Mehl etc., während zum Export zumal Kaffee, Zucker, Tabak und Gold ge- langen. Das Börsen- und Bankwesen ist in der Stadt eben- falls sehr entwickelt. Ein hervorragendes Institut bildet z. B. die in Händen von Deutschen befindliche, vorzüglich eingerichtete brasilianische Bank für Deutschland. Rio de Janeiro und Umgebung. 121 -*V-r*T*i*T*i*r*i*Y*Y*rN*»*i*i*i*i**i*i* »**■*« ********************************** *i* ******i*-*-i**i*i*i*r*i*i**^i*--*r^r*y^Y*i*^ Rio, in sehr fruchtbarer Gegend gelegen , hat heute ca. 500,000 Einwohner; 330,000 Weisse, 100,000 Mu- latten, etwa 60,000 Neger und 10,000 Caboclos (Halb- indianer). Die am Meere hingestreckte Altstadt, welche Haupt- sitz des Handels ist, wird von engen, schmutzigen, sich meist rechtwinkelig schneidenden Strassen gebildet. Die be- lebteste Strasse Rios ist die Rua do Ouvidor. Sie ist trotz- dem schlecht gepflastert, und die Trottoirs sind schmal. Wagen dürfen, um den Verkehr der Fussgänger nicht zu stören, nicht in der Strasse fahren. Zwischen den ziemlich hohen Häusern drängt sich stets eine dichte Menschenmenge. Besonders zwischen zwei und fünf Uhr herrscht hier ein überaus reges Leben. Elegant gekleidete Damen und Herren — Europäer sowie Brasilianer — Mulatten und Neger wandern auf und nieder. Journale, Loose, Blumen sowie Süssig- keiten werden zum Verkauf angeboten. Vor den Expeditionen der Zeitungen oder den zahlreichen Kaffees, aus denen der Klang von Violinspiel herausschallt, stehen Gruppen von Herren im eifrigen Gespräch, während die Damen die an den meist schmalen Schaufenstern ausgelegten Schätze der Modewaarenhändler und Goldschmiede bewundern. Die Rua do Ouvidor mündet an einem Ende in die Rua Direita, in der sich die Post befindet. Nicht weit davon ist auch die prächtige Kuppelkirche der Candelaria, und ganz dicht bei der Post breitet sich nach dem Hafen zu der Don Pedro IL Platz aus, der seiner Markthalle sowie des Fischmarktes wegen zumal in den Morgenstunden Interesse darbietet. Das entgegengesetzte Ende der Rua do Ouvidor liegt an dem Platze S. Francisco de Paula, in dessen Nähe sich der Gartenplatz Largo Rocio befindet, den das Reiterstandbild Don Pedro I. schmückt. Unweit davon auf dem Largo da Cariaca münden auch verschiedene Linien des Strassenbahnnetzes von Rio. Dasselbe ist derartig entwickelt und gut organisirt wie kaum in einer [22 '^'" de faneiro und Umgebung. europäischen Grossstadt. Man kann mittelst der Strassen- bahn ebenso leicht in entferntere Vororte, /.. B. nach dem reizend am Meer gelegenen Botafogo, nach Laranjeira oder Tijuca, wie nach abgelegenen Theilen der Stadt selbst gelangen. Die Wagen, meist von Maulthieren gezogen, rollen sehr schnell durch die Strassen. Ein- oder aussteigen darf man an jeder beliebigen Stelle. An schönen Gebäuden ist Rio sehr arm. Den Mangel an weit zurückgreifenden historischen Erinnerungen wird jeder Europäer empfinden, und nicht minder den Mangel an wirklichem Kunstsinn bei den Brasilianern. In den grossen Theatern, welche ich zu Rio besuchte, wurde höchst massig gespielt. Gut sollen eigentlich nur Vorstellungen fremder Künstler sein, die zuweilen auf längere Zeit eintreffen. Man kann nicht verkennen, dass der Brasilianer musikalisch ist, indessen vor der Hand scheint doch das Verständniss für ernstere Musik zu fehlen. Grosse Berühmtheit hat im Lande die von dem Brasilianer Gomes componirte und im Jahre 1880 zuerst in Rio aufgeführte Oper Guaranie. Auf dem Gebiete der Malerei ist bis jetzt nichts Hervorragendes ge- leistet worden. In der brasilianischen Literatur hat be- sonders der Name des Lyrikers Antonio Goncalves Diaz einen sehr guten Klang. Bedürtniss nach anmuthiger, behaglicher Gestaltung des Daseins empfindet der Brasilianer nicht in hohem Grade, das merkt man so recht, wenn man sich längere Zeit in Rio aufhält. Nach der Stadt an sich (ich meine die Alt- stadt), so wunderschön ihre Lage und Umgebung, sehnt man sich sicher nicht zurück. Die Strassen sind eng, schmutzig, sehr schlecht gepflastert. Der Brasilianer ver- steht es auch nicht, sein Haus hübsch einzurichten. Für die Hebung des Gesundheitszustandes der Bevöl- kerung Rios hat sicher die Versorgung mit gutem Trink- wasser, welches durch eine grossartig angelegte Wasser- leitung zugeführt wird, viel genützt. Eine der Hauptquellen Rio de Janeiro und Umgebung. 12 3 derselben entspringt auf dem Corcovado. Andererseits aber begünstigt doch das gedrängte Zusammenleben der Menschen in vielen Stadttheilen die starke Entwickelung mancher Krankheiten, unter denen die Tuberculose in erster Linie zu nennen ist. Und dann das gefürchtete gelbe Fieber. Das gelbe Fieber, dessen eigentliche Heimath wohl auf den Antillen zu suchen ist, wurde erst im Jahre 1849 nach Brasilien und zwar nach Bahia eingeschleppt. Hier fand die Seuche aber durchaus nicht den günstigen Boden wie an anderen Orten des Landes, z. B. Rio de Janeiro oder Santos. In Rio trat die Krankheit im Jahre 1850 auf. Sie ist hier geradezu endemisch geworden, denn auch während der kühleren Jahreszeit kommen in der Stadt ver- einzelte Gelbfieberfälle vor. Diese mehren sich im Novem- ber, und vom December bis April wüthen dann schlimme Epidemieen, denen unter Umständen an einem Tage mehr als 100 Menschenleben zum Opfer fallen. Das gelbe Fieber wird höchst wahrscheinlich durch irgend einen Mikroorganismus hervorgerufen. Die Incu- bationsdauer beträgt etwa drei Tage. Die Krankheit ist nicht kontagiöser Natur; nicht der Gelbfieberkranke, son- dern die Gelbfieberlocalität steckt an. Das specifische Gift scheint vorzugsweise am Boden zu haften, und von hier aus unter Bedingungen, die seine Vermehrung begünstigen zumal höhere Temperatur), zur Entstehung von Epidemieen Veranlassung zu geben. Die Verschleppung des Giftes von einem Orte zum anderen geschieht durch Menschen und auch durch leblose Gegenstände, z. B. Kleider. In Rio ist man, ebenso wie an anderen Orten, besonders der Gefahr der Infection ausgesetzt, wenn man sich zur Fieberzeit nachts in den niedrig gelegenen Stadttheilen in der Nähe des Hafens aufhält. Einige hoch gelegene Stadttheile, z. B. S. Thereza, sind durchaus ungefährlich. Neger erkranken selten am gelben Fieber. Recht gefährdet sind dagegen die Weissen und am meisten neu angekommene Europäer. 1 _> i Rio de [aneiro und Umgebung, Männer sind mehr als Frauen, Erwachsene mehr als Kin- der, kräftige Naturen mehr als schwächliche prädisponirt. Erkältungen, Ermattung, durch starke körperliche Arbeit oder durch Excesse herbeigeführt, steigern die [nfections- gefahr. Wenn die Krankheit beginnt, klagen die Patienten über Mattigkeit, Glieder- und Kopfschmerzen. Sie fiebern stark, und meist macht sich auch bald eine Gelb- bis Braunfär- bung der Haut geltend. Zuweilen erfolgt auch schon während dieses ersten Stadiums der Krankheit das soge- nannte Schwarzbrechen (Erbrechen in den Magen überge- tretenen Blutes); dann geht der Patient gewöhnlich sehr schnell zu Grunde. Wird aber das erste etwa vier Tage dauernde Stadium des gelben Fiebers überstanden, so tritt scheinbare Besserung ein. Das Fieber lässt, was sehr merk- würdig ist, fast völlig nach; die Kranken fühlen sich sub- jeetiv viel wohler. Bald indessen wird die Körpertempera- tur abermals hoch; Gliederschmerzen sowie das Schwarz- brechen setzen heftig ein, und vielfach erliegen die Kranken zwischen dem vierten bis zehnten Tage ihren Leiden. Mit Rücksicht auf die Therapie des Gelbfiebers ist zu bemerken, dass die brasilianischen Arzte zu Beginn der Krankheit Ab- führmittel, Ricinusöl, Calomel, verabreichen. Ferner kom- men kalte Abwaschungen und Behandlung mit Pilocarpin zur Anwendung. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist die richtige Ernährung der Kranken. Wer gezwungen ist, sich in Städten aufzuhalten, in denen eine Gelbfieberepidemie herrscht, hat sehr strenge persönliche Prophylaxe zu üben. Man vermeide jeden Verkehr mit inficirten Orten und Per- sonen, schütze sich vor Erkältungen, starken Anstrengungen, sei sehr massig und sorge stets für gute Verdauung. In Brasilien hält man es für durchaus gerathen, bei eingetre- tener Erkrankung am Ort zu bleiben. Es soll für die Fieberkranken selbst sehr gefährlich sein, wenn sie nach fieberfreien Gegenden transportirt werden. Rio de Janeiro und Umgebung. I 2 ^ Wenden wir uns nun aber wieder freundlicheren Bil- dern zu. Da sind es insbesondere die wundervollen Gärten Rios, die uns interessiren. Ganz nahe der Stadt, dicht am Meere liegt der herr- liche Passeio publico, der von dem Franzosen Glaziou vor 25 Jahren mit viel Geschmack umgestaltet worden ist. Die gewundenen Wege sind vom dichten Laubdach hoher Exemplare der Mangifera indica sowie des Artocarpus inte- grifolia beschattet. Sonderbare, blattlose, epiphytische Rhipsalideen (Familie der Cacteen) hängen von den Bäumen herab. Hier erheben sich prächtige Gruppen von Musa- ceen und Zingiberaceen, dort schöne Cycaspflanzen, Lata- nien, Pandaneen, Poinsettien, besonders P. pulcherrima, eine Euphorbiacee, die im November ihre 25 cm grossen, von scharlachrothen Hochblättern umgebenen Blüthenstände entfaltet. Reizend heben sich die bunten Croton- und Coleusgebüsche vom grünen Hintergrund, den andere Ge- wächse bilden, ab, und an dem Bach, der den Garten durchströmt, prangen üppig vegetirende Caladien, Maranten sowie Begonien. Von manchen Punkten aus ist das Bild, welches die Baumgruppen im Verein mit den niedrigeren Pflanzen gewähren, überaus anziehend. Und kommt der Abend, so finden wir auf der nach dem Meere zu ge- legenen Terrasse köstliche Kühlung durch den milden Seewind, der uns entgegen weht. Im Garten aber, der vom Mondenlicht geheimnissvoll durchfluthet daliegt, ent- wickelt sich ein märchenhaftes, entzückendes Schauspiel. Im Busch, an den Halmen des Rasens sowie in der Luft beginnt es zu funkeln. Unzählige strahlende Lichtpunkte blitzen überall auf, um sogleich wieder zu verschwinden und an anderer Stelle neu aufzutauchen. Es leuchtet und glüht rings um uns her. Wo sind Worte, den wunderbaren Zauber dieses Hochzeitsfestes zum Ausdruck zu bringen, welches sich hier geräuschlos inmitten des frischen, blühen- den Lebens der Natur vollzieht! i _vi Rio d( faneii o und l rmgebung. Die Lichtentwickelung geht von Leuchtkäfern (Lam- pyrisarten aus, die dem Johanniswürmchen nahe stehen. Wahrend die Weibchen unserer Leuchtkäfer aber flügellos sind, besitzen diejenigen der meisten tropischen Formen Flügel. Die Männchen aller Arten können fliegen. Bei den ein- heimischen sowie den brasilianischen Formen leuchten so- wohl Weibchen wie Männchen. Die Larven phosphor« ciren stets nur schwach. Das Leuchtorgan befindet sich am Hinterleibe der Thiere. Es sind hier besondere Zellen vorhanden, deren Inhalt bei seiner Oxydation durch den atmosphärischen Sauerstoff zur Entwicklung von Licht Veranlassung giebt. Verlassen wir den Passeio publico und wenden wir uns dem Centrum der Stadt oder der von herrlich geformten Bergketten umrahmten, einem stillen Landsee gleichenden Bucht von Botafogo zu, so erblicken wir in den Strassen manchen interessanten Baum angepflanzt, besonders eine Hibiscusart, die im November grosse gelbe Blüthen trägt ; dann Caesalpinia pulcherrima mit zartem Laub und den schönen Etagenbaum Terminalia Cattapa. Die beiden zu- letzt genannten Bäume zeichnen sich dadurch aus, dass sie vor Beginn des brasilianischen Sommers kurze Zeit lang laublos dastehen. Überall sehen wir auch hochragende Palmen, Cocosarten, Euterpe, Alleen von Oreodoxa. Cocos nueifera reift die Früchte nicht mehr bei Rio, ebenso wie auch der Mangobaum seine volle Entwickelung nur in den heissesten Gegenden der Tropen, z. B. noch in Bahia, erreicht. Nicht weit entfernt von der Botafogobucht und mit der Strassenbahn von der Stadt aus in kaum einer Stunde zu erreichen, liegt der botanische Garten, den ich natürlich mehrfach besuchte. Director des Gartens ist Herr Rodri- guez J. Barbosa. Leider fehlt dem Institut eine Abtheilung, in welcher die Pflanzen der Tropen nach systematischen, geographischen oder biologischen Gesichtspunkten gruppirt wären, aber selbstverständlich bietet der Garten dennoch Rio de Janeiro und Umgebung. 127 J*******>*********** ************* *********>**^********^ vom rein botanischen Standtpunkte aus ungemein viel des Interessanten. Dazu kommt, dass er recht gut gehalten wird, wundervolle Gruppen der herrlichsten Gewächse be- herbergt und in unvergleichlich schöner Umgebung ge- legen ist. Treten wir durch das Eingangsthor, so gelangen wir sofort in die weltberühmten Palmenalleen des Gartens, die von Oreodoxa oleracea (nicht O. regia) gebildet werden, und von denen die längste geradeaus führt, während nach rechts und links etwas kürzere Baumreihen abgehen. Die grauen, ziemlich glatten Stämme von bedeutendem Umfang und gewaltiger Höhe tragen an ihrer Spitze die aus Fieder- blättern gebildeten Kronen. Man vergisst fast, dass man Pflanzen vor sich hat, denn der Eindruck, den die Alleen bei dem Beschauer hervorrufen, beruht in erster Linie auf ihrer architectonisch-perspectivischen Wirkung, welche durch die hinter einander gruppirten, gleich tadellos gearbeiteten Säulen hoch aufstrebenden Palmenstämme erzielt wird. Im vorderen, ebenen, von den Palmenalleen durch- zogenen Theil des Gartens breiten sich weite Rasenplätze aus, die von dem niedrigen, breitstengeligen Stenotaphrum glabrum gebildet werden. Zwischen dem kriechenden Gras haben sich zahlreiche Oxalideen mit violetten Blüthen an- gesiedelt, und wenn man die in anmuthigen Linien ver- laufenden Wege verfolgt, so erblickt man überall herrliche Gruppen der schönsten Sträucher oder merkwürdige Bäume der heissen Zone. Weiterhin durchströmt ein Bach, der sich zu einem kleinen See erweitert, das Terrain. Am Ufer gedeihen Cyperusarten, zartlaubige Farne, Caladien und Ananaspflanzen, während die farbenprächtigen Blumen- stände der Pontederien von der Wasserfläche herüber leuchten. Der Boden steigt sanft an; an der Grenze des Gartens aber erheben sich steile, waldgeschmückte Berg- züge, die einen wunderbar schönen Hintergrund zu dem Paradiese der üppigsten Tropenvegetation bilden. IjX Rio de [aneiro und Umgebung. ^v>VAV*^^^^v^\v*^ung, geführte Excursion nach Copacabana. Verfolgt man die Strasse-, welche am botanischen Garten vorbeifuhrt, weiter und hält man sich dann alsbald links, so gelangt man an einen See, der brakiges Wasser führt, in welchem Ruppia maritima üppig gedeiht. Man vernimmt schon aus weiter Ferne das Rauschen des Meeres, aber man befindet sich hier im Süden von Rio nicht mehr an der Bucht, sondern am freien Ocean. Wir durchqueren vom See aus eine sehr merkwürdige, der Hauptsache nach aus Büschen und niedrigen Bäumen zusammengesetzte Vegetationsformation, die sogen. Restinga, von der weiter unten eingehender die Rede sein soll, und gelangen an den breiten, flachen, sandigen Strand. Derselbe ist theils völlig vegetationsfrei, zum Theil mit niedrig bleibenden Pflanzen bedeckt. Die Wanderung durch den losen Boden ist mühsam, und der Wind treibt uns Sand- massen ins Gesicht, die aus sehr scharfkantigen Körnern bestehen müssen, denn die unmittelbar getroffenen Körper- stellen schmerzen merklich. Wundervoll ist der Blick auf die schäumend heranrauschenden Wogen des blauen Meeres und auf die in geringer Entfernung vom Strande steil ansteigenden Züge des Gebirges. Unter dem Einflüsse der Sonnenstrahlen nimmt der lose Sand des Strandes in den Tropen leicht eine sehr hohe Temperatur an. Ich fand dieselbe z. B. am 15. November um 1 1 */4 Uhr vormittags bei durchaus nicht völlig klarem Himmel zu 43 ° C. Bei den Messungen wurde der etwa 2 cm lange cylindrische Quecksilberbehälter des Thermo- meters vertical in den Boden eingesenkt, und das Instrument dann durch einen Schirm vor directer Bestrahlung geschützt. Die Erwärmung der oberen Bodenschichten wird zweifellos oft noch bedeutender sein, als ich dieselbe hier constatirte. Bei der Betrachtung der Vegetation des Sandstrandes fallen vor allen Dingen viele Cereusindividuen, theils auf- gerichtete, theils dem Boden angeschmiegte Formen, auf, vor deren Dornen man sich beim Gehen in Acht nehmen Rio de Janeiro und Umgebung. I 3 S rnuss, da dieselben das Leder der Stiefel leicht durchbohren können. Ferner sind zu erwähnen Portulaccaspecies, eine Polygala mit hübschen blauen Blüthen, Stenotaphrum glabrum, ein Gras mit zusammengedrückten, abgeflachten Internodien, Hecastophyllum, sowie Cyperaceen, Ama- rantaceen und Convolvulaceen (Ipomoea), die sich dadurch auszeichnen, dass sie 20 — 30 Fuss lange, an der Boden- oberfläche oder dicht unterhalb derselben hinkriechende Stengeltheile besitzen, welche an bestimmten Stellen Wur- zeln und ziemlich fleischige Blätter erzeugen. Diese letz- teren Gewächse nahmen mein besonderes Interesse in An- spruch, denn sie lassen sehr deutliche Anpassungen an den von ihnen bewohnten Standort erkennen. Indem die Pflanzen sich nicht aufrichten, sondern dem Boden ange- schmiegt bleiben, schützen sie sich in wirksamer Weise vor den Zerstörungen durch den heftigen Wind, der an der Küste weht. Die Befestigung des Organismus im losen Sand ist gewiss schwierig, aber durch zahlreiche, in geringer Entfernung von einander an den Stengeltheilen entspringende Wurzeln kann dieselbe doch sicher erzielt werden, und indem diese Stengel, wie es namentlich bei der Ipomoea der Fall ist, im Boden selbst hinkriechen, sichern sie sich zugleich vor zu starker Erwärmung, die ihnen nachtheilig werden könnte. Bei Copacabana, dessen Kirche man bereits aus weiter Ferne erblickt, ist die Küste felsig. In kleinen, stets mit Seewasser angefüllten Vertiefungen des Gesteines, an dem die Brandung schäumend aufrauscht, findet man Ulvaarten mit sehr breitlappigem, grünem Thallus, Fucaceen sowie Cladophoreen. An einem etwas höher gelegenen rasigen Hang begrüsste ich hier auch aus Europa auf irgend eine Weise eingeschleppte Bekannte, nämlich Anagallis und Plan- tago media (Wegerich). Wendet man sich vom Strande aus landeinwärts, so gelangt man bei Copacabana und in der Umgebung dieses i^i Rio de faneiro und i rmgel m »»»•••v%-»'WSi-*'B's*t»--^Vw*»»Vw* Ortes sofort in die Restinga. Die Vegetation derselben wird vnn dichtem, mit niedrigen Bäumen durchsetztem Ge- büsch gebildet, welches auf einem der Hauptsache nach aus losem Meersand bestehenden Boden wachst. Ich er- wähne hier folgende Pflanzen der Restinga: Abrus, einen zu den Papilionaceen gehörenden Strauch, Anacardium oeeiden- tale (Strauch), Eugenia uniflora, eine strauchförmige Myrtacee, deren herrlich rothgefarbte, grosse Früchte, Pitangas nannt, ihres süsssäuerlichen Fleisches wegen gegessen werden. Diese Früchte schimmern sehr verlockend aus dem grünen Laubwerk hervor. Ferner sind zu nennen Aspidosperma (strauchförmige Apocynacee), schön blüthige Abutilon- sträucher, Coccoloba (strauchige Polygonaceenform), ein Myrtaceenstrauch mit kleinen, violetten Blüthen, deren fleischige Kronenblätter ganz süss schmecken und gern von Vögeln, die wahrscheinlich die Fremdbestäubung in diesem Falle vermitteln, gefressen werden, eine baumförmige Clusiacee mit handgrossen, dicken, fleischigen Laubblättern, Diplo- themium maritimum, eine niedrige Palme, Desmoncus, Kletterpalme, bei der die oberen Fiedern der Blätter in hakenartige Organe umgewandelt sind, Tillandsien, eine herrliche, bodenbewohnende Bromeliacee, deren untere Laub- blätter grün, die höher stehenden aber roth gefärbt er- scheinen, während die violetten Blüthen zwischen grossen weissen Hochblättern sitzen, hohe Cereusformen mit gelben Blüthen und auch niedrige Cacteen, Vanilla sowie Epidendrum, Orchideen, die im Boden wurzeln, indessen mittelst anderer, dem Stengel entspringender Wurzeln hoch im Gebüsch zu klettern vermögen, im Blüthenschmuck prangende Passi- floren, Tragia, eine mit Brennhaaren ausgerüstete, zu den Euphorbiaceen gehörende Pflanze, rothe Polyporusarten, die auf Baumstämmen schmarotzen, etc. An der Grenze zwischen dem vom Meere bespülten Sandstrande und der Restinga befindet sich häufig eine Zone, die theils von eigentlichen Strand-, theils von Re- Rio de Janeiro und Umgebung. i ? r stingapflanzen bewachsen ist. Diese letzteren bilden hier aber keine hohen, sondern ganz niedrige Büsche, von ca. i — 2 Fuss Höhe, welche aussehen, als wären sie beschnitten. Jeder aufstrebende Zweig ist derartig dem Winde preis- gegeben, dass er alsbald zu Grunde geht, und daher breiten sich die Enden der oberirdischen Theile der Pflanzen mit ihren Blättern in einer Ebene in geringer Höhe über dem Boden aus. Für den Charakter der Restingavegetation ist es gewiss von Wichtigkeit, dass der ihr zum Standort dienende lose Sandboden wenigstens zu Zeiten verminderten Regenfalles stark austrocknet. In dieser Hinsicht findet man hier ähn- liche Verhältnisse wieder, wie in der Caatinga und in manchen Gegenden der brasilianischen Campos, von welcher später die Rede sein wird. Andererseits muss aber doch ein durch- greifender Unterschied zwischen Caatingas sowie Campos und der Restinga in sofern constatirt werden, als die Gewächse der beiden ersteren von sehr wassergasarmer Luft, diejenigen der Restinga von feuchter Seeluft umgeben sind. Betrachtet man die Blätter der Büsche in der Caatinga oder den Campos, so findet man sie vielfach mit einem Haarkleid besetzt, wodurch offenbar ein sehr wirksames Mittel zur Verminderung der Wasserverdunstung gegeben ist. In der Restinga sieht man nur wenige Pflanzen mit stark behaartem Laub, z. B. einen im November grosse, blaue Blüthen tragenden Melastomaceenstrauch; es genügt hier, um die Transpiration zu beschränken, wenn die Blätter lederartige oder fleischige Consistenz besitzen. Anpassungen an die wenigstens zeitweise grosse Trocken- heit des Bodens werden den Restingapflanzen gewiss in mancherlei Formen eigenthümlich sein, und ich sehe eine solche schon in dem geselligen Auftreten der Sträucher. Als ich in der Nähe von Copacabana die Oberfläche des den directen Sonnenstrahlen ausgesetzten Bodens zur Mittags- zeit berührte, zeigte dieselbe eine so hohe Temperatur^ Rio de ] . 1 1 1 • i ? (i und U mgebung. ■S^VNV^V^«^ •»-»■V»»*»»»^''«'^'.-' *«*.'V»Si^"^»«^Iv'> dass die Hand alsbald empfindlich schmerzte. Der von Pflan- zen beschattete Saud besass dagegen einen weil niedrigeren Wärmegrad, und indem das dichte Gebüsch der Restinga den Boden vor zu starker Erhitzung, resp. Austrocknung schützt, begünstigen die Gewächse gegenseitig ihr Gedeihen. Am 15. November stellte ich auch Messungen über die Temperatur der fleischigen Stämme von Cereuspflanzen in der Restinga bei Copacabana an. Die Luft war nicht völlig klar, so dass die Sonnenstrahlen ihre volle Wirkung keines- wegs geltend machen konnten. Die Messungen, bei denen der ca. 2 cm lange cylindrische Quecksilberbehälter des Thermometers in den Cactusstamm eingeführt wurde, um die Ablesungen nach Verlauf einiger Zeit vorzuneh- men, während welcher ein grosser Schirm das Untersuchungs- objeet beschattete, ergaben um ii3/4 Uhr für eine Pflanze 40.5 — 41° C. Temperatur der der Sonne frei ausgesetzt gewesenen oberen Bodenschicht in der Nähe 45.5 ° C. Lufttemperatur ca. 30° C; an Orten, wo der Seewind freien Zutritt hatte, etwas niedriger, an geschützten Orten etwas höher. Um 1 Uhr zeigte ein fast völlig horizontal ge- wachsener Cereusspross 45° C. Die schon seit längerer Zeit bekannte Thatsache, dass Cacteen im directen Sonnenlicht diese und gewiss oft noch höhere Temperaturen wiederholt annehmen und längere Zeit behalten, ist gewiss sehr merkwürdig. Die meisten Pflanzen sterben ab, wenn sie, von Luft umgeben, kurze Zeit einer Temperatur von 5 1 ° C ausgesetzt werden. Bei 45 ° C. erscheint in der Regel schon das Temperaturoptimum für den Athmungsprocess erheblich überschritten, und Wachs- thum der Zellen ist bei diesem Wärmegrade nur noch in seltenen Fällen möglich. Somit sieht man sich zu der aller- dings erst durch genauere Untersuchungen auf ihre Richtig- keit zu prüfenden Yermuthung gedrängt, nach welcher die Cacteen sich höheren Temperaturen gegenüber anders wie die meisten übrigen Gewächse verhalten. Rio de Janeiro und Umgebung. 137 Die unvergleichlich schöne Bucht von Rio und ihre verschieden gestalteten Ufer kann man in grösster Bequem- lichkeit kennen lernen, wenn man die Dampfschiffe benutzt, welche sie nach allen Richtungen hin durchkreuzen. Eine Linie führt uns z. B. nach dem ganz im Norden gelegenen Orte Mauä, wo die reich entwickelte Mangrovevegetation des Strandes besonders aus Avicennia (Familie der Verbena- zeen) und Laguncularia (Familie der Combretaceen) zu- sammengesetzt ist. Von ähnlicher Beschaffenheit finden wir das Ufer bei S. Anna, einem Vorort von Nictherohy, in dessen Nähe mehrere grünende Inseln aus dem Meer auf- tauchen. In den Mangrovesümpfen bei Nictherohy selbst gedeiht, abgesehen von den beiden erwähnten Pflanzen, auch Rhizophora. Besonders lohnend ist eine Fahrt mit dem Dampfschiff nach S. Domingos und weiter mittelst Strassen- bahn nach Icarai. Schmale Meeresarme dringen hier tief in das Land ein, und die Scenerie des felsigen Ufers bietet immer neue Reize dar. Merkwürdige in Brasilien vorkommende Gewächse sind die Vellosieen, vertreten durch die beiden Gattungen Vellosia und Barbacenia. Die meisten Repräsentanten dieser kleinen Familie der Monocotyledonen kommen in den Ge- birgen der Campos, z. B. auf dem Itacolumy bei Ouro-Preto, vor; einige findet man auch in der Nähe der Küste. Die Pflanzen haben gabelig verzweigte Stämme von zuweilen 2 m Höhe und tragen an den Enden ihrer Zweige lange, linealische Blätter. Ich lernte Vellosia Candida, eine klei- nere Form, auf einer Excursion in ein bei Laranjeiras abzweigendes schönes Thal kennen. Von diesem Thal aus geniesst man einen herrlichen Blick auf den Zuckerhut sowie den Corcovado. Die dasselbe begrenzenden Hänge sind theils mit grossen Felsplatten, theils mit dichtem Ge- büsch bedeckt, welches nur mit Mühe zu passiren ist. Hier zwischen den Sträuchern, an etwas lichteren Stellen, fanden wir die Vellosia nach langem Suchen. Ferner sahen wir [ og Rio de [ .iiMir ' i und i ' mgebung . roth blühende Gesneraceenj Verbenaceen mit blauen und orangefarbenen Blüthen, I labenaria. eine bodenbewohnende Orchidee, [ndigofera Anil, Clusia in Gestall eines kleinen kaunies, Anehietea, eine kletternde Yiolacee, deren Samen mit häutigen Flügeln versehen sind, Palmen von geringer Hohe (Astrocarvum) und viele andere Gewächse. Zu den bekanntesten Ausflügen von Rio aus gehört derjenige auf den ca. 2500 Fuss hohen Corcovado. Von Lanranjeiras führt eine Zahnradbahn bis fast auf die Spitze des Berges. Während der Fahrt bieten sich grossartige Blicke in die Ferne und noch schönere in tief eingeschnittene, bewaldete Thäler dar. Die Aussicht vom Gipfel des Corco- vado ist wundervoll. Der oberste, kegelförmige Theil des- selben trägt keinen Wald. Die vielfach mit sehr intensiv roth gefärbtem Lateritboden bedeckten Hänge erheben sich steil und fallen nach der Meeresseite zu fast senkrecht ab. Der Himmel war völlig klar, und der Blick von der Bergeshöhe auf die Stadt, das blaue Meer, die schweigenden Wälder wird mir unvergesslich bleiben. Ich streifte später lange im Wald umher, indem ich besonders den prächtigen Waldweg an der für die Stadt Rio erbauten Wasserleitung verfolgte, deren Hauptquellen auf dem Corcovado liegen. Wirklicher Urwald ist hier nicht mehr vorhanden, aber die Baumvegetation erscheint doch überaus üppig, mannigfaltig und merkwürdig. Das reichlich vorhandene Unterholz wird von Heliconien, Cala- dien, Mimoseen, Urticaceen, Piperaceen, Rubiaceen, z. B. der weiss blühenden Rubus rosaefolius , Melastomaceen, Abutilonarten mit 25 cm langen Blättern, welche auffallend entwickelte Träufelspitzen tragen, zierlichen Farnen etc. gebildet. Reizend ist der Anblick der auf dem Corcovado so häufigen, 15 — 20 cm Spannweite besitzenden blauen Schmetterlinge (Morphiden), die theils ziemlich hoch in der Luft fliegen, theils aber auch dicht über dem Boden flattern, so dass man sie leicht fangen kann. Rio de Janeiro und Umgebung. I -?q Auf dem Rückwege verfolgte ich zunächst bis zur Station Silvestre, in deren Nähe fächerblätterige Livistonien und riesige, weisse Bliithen tragende Daturabäume angepflanzt sind, den Bahnkörper. Von hier aus brachte mich die Strassenbahn über S. Thereza auf einer an den Berghängen hinziehenden Chaussee an die Haltestelle der Drahtseilbahn, die nach Rio führt. Ein oft genannter Ort in nicht gar grosser Entfernung von Rio ist Petropolis, der seines milden, gesunden Klimas wegen von vielen Bewohnern der Hauptstadt während der heissen Zeit aufgesucht wird. Um nach Petropolis zu ge- langen, benutzt man zunächst das Dampfschiff bis Mauä. Die Fahrt auf der Meeresbucht dauert etwa eine Stunde, und die sich an dieselbe anschliessende Bahnfahrt abermals eine Stunde. Der Zug passirt buschiges, zum Theil sumpfiges Terrain; weiter geht es die Serra da Estrella (es ist dies ein Theil des Orgelgebirges) hinan, vorbei an waldigen Höhen, schön geformten Felsen, tiefen Schluchten und rauschenden Bächen. Leider verhüllten die dichten, wallen- den Nebel, welche sich hier so leicht bilden, indem die vom Ocean aufsteigenden Wasserdünste in Contact mit den kühleren Höhen des Gebirges verdienet werden, jeden Aus- blick in die Ferne, und bald, nachdem ich in dem 2600 Fuss hoch über dem Meer gelegenen Petropolis angelangt war, begann auch der Regen in Strömen zu fliessen. Petropolis wurde als deutsche Colonie vor etwa 70 Jahren gegründet, und das deutsche Element ist hier noch heute reichlich vertreten. Auch einzelne Pflanzenformen erinnern an unsere nordische Heimath, denn in der Nähe der Stadt eultivirt man Apfel, Birnen, Erdbeeren, Eichen, welche letztere im Sommer (September bis Februar) laublos da- stehen, sowie Weiden, die ihre Blätter nicht abwerfen. Als eingeschleppte Unkräuter treten Taraxacum officinale sowie Capsella bursa pastoris auf. Petropolis ist der Hauptsache nach eine Villenstadt. Die l iO Rio de |aneiro und Umgebung. breiten, mit Baumreihen bepflanzten Strassen weiden in ihrer Mitte von schön gefassten Bächen durchflössen, deren Ufer durch viele Holzbrücken verbunden sind. Die zum Theil sehr grossen, unvergleichlich herrlichen und lieblichen Gärten der Villen prangen in zauberhaftem Blüthenschmuck. I >er Duft der Blumen erfüllt die Luft; das frischeste Grün er- freut das Auge. Überall Kosen und immer wieder Kosen, Gladiolen, Azaleen, Camellien, Bougainvilleen, zahllose Orchideen auf den Bäumen, buntblätterige Coleusträucher, Musaceen, hoch ragende Palmen, Pandaneen, Begonien, Orangen, Bambusarten, Farnbäume etc. Ich hatte die Absicht, mich längere Zeit in Petropolis aufzuhalten; indessen das Wetter blieb anhaltend schlecht, so dass ich meinen Entschluss änderte und nur, allerdings bei heftigem Regen, eine Excursion in eines der von der Stadt ausstrahlenden, waldigen Thäler unternahm. In den sehr feuchten Wäldern treten hier die Palmen sowie dick- stämmigen Lianen zurück; dafür aber ist der Boden mit einer herrlichen, überaus mannigfaltigen Farnvegetation geschmückt, und die Bambusarten sind durch Repräsen- tanten der Gattungen Merostachys sowie Chusquea reich vertreten. Unvergesslich werden mir die Eindrücke bleiben, welche ich am 12. October bei Gelegenheit eines mit Herrn Ule auf den ca. 2500 Fuss hohen Pico do Papagaio unternommenen Ausfluges empfing. Wir brachen bereits vor vier Uhr morgens von unserer Wohnung auf, fuhren mit der Strassenbahn nach dem Vorort Tijuca und traten die Wanderung in die Berge an, als die Sonne im strahlenden Glanz eben über dem Horizont erschien. Am Ufer der kleinen Bäche, die den von uns verfolgten Thal- grund zuströmten, sah ich zum ersten Mal wild wachsende Farnbäume (Cyathea- und Alsophilaarten), deren mehrere Meter hohe, unverzweigte, an ihrer Oberfläche mit Blatt- stielresten bedeckte Stämme gleich vielen Palmen eine Rio de Janeiro und Umgebung. IAI reiche Krone zart gefiederter Blätter tragen. Rechts vom Weg erblickten wir alsbald die fast senkrecht aufsteigenden Felswände der Tijucaspitze, welche freilich keine Baum- vegetation gestatten, wohl aber anderen Pflanzenformen einen Standort gewähren. In unseren Breiten kommen nur manche Flechten, Moose und Algen als eigentliche Felsen- bewohner vor; in den Tropen dagegen gesellen sich zu den Kryptogamen höhere Pflanzen, zumal Tillandsien und Rhipsalideen, die in vieler Hinsicht Aehnlichkeit mit den an recht trockenen Standorten lebenden Epiphyten haben. Der von uns eingeschlagene schmale, allmählich im Thalgrunde ansteigende Weg führte auf eine gut gehaltene Chaussee, und indem wir diese verfolgten, gelangten wir alsbald zu einem rings von Wald umrahmten Wasserfall. Mehr als ioo Fuss hoch stürzen die schäumenden Wasser- massen über geglättete Felswände hernieder, an denen sie zum Theil zu feinem, sich in der Luft vertheilendem Nebel zerstäuben. Der Wald wird hier, wie gewöhnlich in den Tropen, von Bäumen der verschiedensten Art gebildet. Namentlich walten Leguminosen, Xanthoxyleen mit dornigen Stämmen, Euphorbiaceen, Myrtaceen, Melastomaceen, Laura- ceen und in grösserer Höhe auch Magnoliaceen (Drimys Winteri mit unterseits hell blaugrünen Blättern) sowie Tiliaceen (Sloanea) vor. Dazu gesellen sich hochragende Cocosarten und Euterpe edulis, eine Palme, die wildwachsend stets im Schutze anderer Bäume angetroffen wird, da sie offenbar direkte Besonnung nicht gut verträgt. Oberhalb des Wasserfalles nach Bella-Vista zu, wo sich herrliche Fernblicke eröffnen, hat die Kunst viel gethan,. um den Reiz dieser paradiesischen Gegend noch zu erhöhen. Auch manche merkwürdige Gewächse sieht man hier an- gepflanzt, z. B. Proteaceenbäume, Araucarien, Pandaneen, Bambusarten, Eucalypten, Strelitzien. In der Nähe von Bella- Vista fielen uns an den grauen Rinden vieler Bäume hell rosafarbene Flechten auf; besonders aber fesselten Züge blatt- 1^2 Rio d< faneiro und Umgebu schneidender Ameisen, die einen Leguminosenbaum heim- suchten, unser Interesse. Viele der auf der Erde hinkriechen- den Thiere waren mit Blattstücken, die sie im Begriff standen, in ihr Nest zu bringen, beladen; einige trugen auch andere Ameisen; indessen ist mir nichts über die Bedeutung dieses letzteren Transportes bekannt. Nacli kurzer Rast an einem Bach, im kühlen Schatten hoher Bambusbüsche, betraten wir einen schmalen Waldweg, der, zunächst sanft ansteigend, in vielen Windungen fast stets am Abhänge eines Höhenzuges hinführte. Immer feuchter wurde der Wald, je höher wir kamen. Von den Felsen zur Rechten des Weges, die oft tiefe, grottenartige Bildungen zeigten, tropfte das Wasser herab. Kleine Bäche rauschten hinab ins Thal, und es hätte gewiss nur einer sehr geringen Erniedrigung der Temperatur bedurft, um in der wassergasreichen Luft Nebelbildung zu veranlassen. Diese Abkühlung machte sich aber nicht geltend; die Sonnen- strahlen leuchteten vielmehr durch den Wald, der hier im Wesentlichen den Charakter des Urwaldes trägt. Freilich fehlten Riesenbäume, Palmen und dicke Lianen; aber im Schatten der immerhin mächtigen Stämme entfaltete sich vor meinen staunenden Blicken eine Vegetation von un- beschreiblichem Reiz, einer Zartheit, Anmuth, Mannigfaltig- keit der Formen und einem Glanz der Farben, die mich ganz entzückten. Hier in den hochgelegenen, Feuchtigkeit triefenden Bergwäldern, in deren lichtem Schatten sehr reichliches Unterholz gedeihen kann, finden zumal die Bam- busarten, Begonien und Farne so recht den geeigneten Stand- ort. Die Bambusarten, hohe, stattliche Formen mit dornigen Stämmen, bilden vielfach undurchdringliche Dickichte. Be- gonien giebt es an den Felsen und an anderen Stellen zu Tausenden. Einige klettern hoch an den Baumstämmen empor. Manche tragen völlig grüne, andere unterseits roth gefärbte, oberseits silberfleckige Blätter, wieder andere zeichnen sich durch den Besitz sehr grosser, behaarter Blätter aus. Rio de Janeiro und Umgebung. 14 S Dazu die merkwürdigen Blüthen dieser Pflanzen, und nun vor allen Dingen die Farne. Bewunderungswürdig ist nicht nur die grosse Zahl der Arten und Individuen dieser Ge- wächse, die an den Abhängen des Pico do Papagaio vorkom- men, sondern ebenso die Zierlichkeit sowie Mannigfaltigkeit der Gliederung ihrer Fiederblätter. Die Natur scheint sich in der Hervorbringung der merkwürdigsten Blattgestaltungen gar nicht genug thun zu können. Baumfarne (Cyathia und Alsophila) giebt es sehr viele, keineswegs allein an den Bächen, vielmehr überall im Wald. Diese Gewächse mit ihren aus zahlreichen, grossen, feingefiederten Blättern zu- sammengesetzten Kronen, die von hohen Stämmen getragen werden, gehören ohne Zweifel zu den schönsten Bildungen des Pflanzenreichs, die man immer wieder in stiller Be- wunderung anschaut. Den Boden bedecken zahllose kleine Farne , zumal Hymenophyllaceen , Polypodiaceen und Gleicheniaceen. Einen lauten Ausruf der Freude entlockte mir der Anblick vieler dicht gedrängt bei einander stehen- der Exemplare des herrlichen Blechnum polypodioides, dessen ältere grüne Blätter gleich einem Kelch das jüngere im zartesten Rosa schimmernde Laub der Pflanzen umgaben. Ein epiphytisches Asplenium trug lang zugespitzte, überaus fein gefiederte Blätter, die gleich zarten Schleiern herab- hingen, während ein grossblätteriges, ebenfalls epiphytisches Polypodium einen mächtigen Wurzelballen zeigte, der zum Aufsammeln humusliefernder Pflanzenreste sowie der Feuchtig- keit dient. Moose giebt es hier nicht nur an den Stämmen der Bäume, sondern auch manches derbe Laubblatt ist auf seiner Oberseite von epiphyllen Leber- und Laubmoosen überzogen. Von den Ästen hängen epiphytisch lebende Cacteen, deren Körper aus kleinen, walzenförmigen Gliedern zusammengefügt ist (Hariota salicornoides) herab. Im Gezweig sieht man viele Bromeliaceen (Tillandsien, Vriesea, Nidu- larium), und parasitische Loranthaceen sind auch nicht selten. l II R io de i . 1 1 1 < ir - and l fmgebu Unter den Kletterpflanzen fallen besonders Araceen, Paulinien und Mutisien, merkwürdige labiatiflore Conapo- siten mit gefiederten, rankentragenden Blättern auf. Im übrigen war der Wald reich an Heliconien (eine Form mit herrlich rothen Bracteen y\m\ weisslichen Blüthen), Marantaceen mit orangefarbenen, von carminrothen Hoch- blattern umgebenen Blüthen, Caladicn, Melastomaceen, z. B. Leandra, deren Stengel in der blüthentragenden Region mit rothen Haaren besetzt ist, Piperaceensträuchern, Lyco- podien (Lycopodium cernum) etc. Zu dem höchsten, kegelförmigen Gipfel des Pico führt ein sehr steil ansteigender Pfad hinan. Hier wächst im Wald der schon genannte Magnoliaceenbaum Drimys und die zu den Solanaceen gehörende Braunfelsia mit schönen, grossen, violetten Blüthen. Wunderbare Stille herrscht rings umher. Über den schweigenden Bergwäldern ist der blaue Himmel ausgebreitet, und in der Tiefe schimmert die sonnenbeglänzte Fläche eines Landsees. In gehobener Stimmung traten wir etwas nach Mittag den Rückweg an und erreichten Rio noch vor Sonnenuntergang. V. Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, Säo Paulo und Espirito Santo. ie erste grössere Reise, die ich von Rio aus unternahm, galt den Staaten Minas Geraes und S. Paulo. Der Zug der Centralbahn verlässt die Hauptstadt morgens um 5 Uhr. Die Wagen sind bequem eingerichtet mit Mittelgang und Sitzen aus geflochtenem Rohr für die erste Classe. Die Fahrt während der ersten Stunden durch die waldige Serra do mar mit manchem schönen Fernblick ist sehr hübsch. Bei der Frühstücks- station Barra do Pirahy, wo die Hauptbahn nach Minas Geraes von der Rio - S. Paulo -Bahn abzweigt, erreicht man den Parahyba, der dem atlantischen Ocean zuströmt. An diesem breiten Fluss geht es, immer noch im Staat Rio de Janeiro, weiter bis Entre-Rios. Bald aber befindet man sich an der Grenze von Minas und fährt durch Ge- birgsketten der Serra da Mantiqueira, deren gewaltige, steil aufragende Felsenmassen, tiefe Schluchten sowie rauschende Gebirgswasser einen prächtigen Anblick gewähren. Juiz de Fora und Barbacena werden berührt. Man reist stunden- lang durch das ziemlich ebene, mit Camposvegetation be- deckte Hochland von Minas. Die Zahl der Passagiere ist nicht mehr gross. In rasender Eile saust der Zug dahin, die sich auch nicht vermindert, wenn derselbe unter eigen- thümlichem Knirschen eine der zahlreichen Kurven von ge- Detmer, Brasilianische Reisebilder. IO i w , Reisei in den Staat n Rii ( -.1 'aul< ringem Radius passirt. Ich hatte ofl die Empfindung, dass sich im nächsten Augenblick ein entsetzliches Unglück zutragen müsste, ahn- wir erreichten n Abend glück- lich La fa jette, in dessen Nähe Queluz lieget, eine Stadt von >o Einwohnern, bekannt als Stapelplatz der in der Um- gegend cultivirten Baumwolle. Auf dem nur wenige Fuss breiten Perron des Stationsgebäudes von Lafajette hatte man Muln- sich zu bewegen, denn Kisten und Fässer ver- sperrten den Wer; fast völlig. Die Dunkelheit war bereits eingebrochen, als die Reise in schlechten, niedrigen Wagen der hier beginnenden schmalspurigen Bahn fortgesetzt wurde. Man gelangt bald in die Serra da Espinhaco; man vernimmt das Rauschen der Gebirgsbäche, und auf der Rückfahrt sah ich auch die steilen Hänge des Gebirges sowie das sehr enge Thal, in welchem an manchen Stellen zwischen senkrecht ansteigenden Felswänden ausser einem über Steinblöcke dahinströmenden Flüsschen nur noch der Bahnkörper Platz hat. Der Zug fuhr sehr langsam, so dass wir erst gegen Mitternacht das über iooo Meter hoch und unter 20.24° s. B. gelegene Ouro-Preto erreichten. Der Staat Minas Geraes, dessen Hauptstadt Ouro- Preto ist, nimmt einen grösseren Plächenraum als das Deutsche Reich ein, zählt aber nur ca. 21/2 Millionen Ein- wohner. Die Stadt Ouro-Preto hat heute 15 000 Einwohner. Sie ist auf bergigem Terrain erbaut, so dass ihre Strassen zum Theil sehr steil ansteigen. Mein erster Besuch gleich am Morgen nach meiner Ankunft galt Herrn Dr. Schwacke, einem Deutschen, der sich als Botaniker und als Director der pharmazeutischen Akademie in Ouro-Preto viele Ver- dienste erworben. Dieser Landsmann machte mich in ent- gegenkommender Weise sogleich mit Herrn Senna, einem hervorragenden Politiker in Minas, sowie mit dem deutschen Consul Herrn v. Sperling bekannt. Wir unternahmen klei- nere Spaziergänge in die Umgebung der Stadt, die in der Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Elinas Geraes, S. Paulo etc. \A7 That als sehr schön bezeichnet werden muss. Von den Höhen, an welche sich die Häuserreihen anlehnen, blickt man in ein tiefes Thal. Jenseits desselben erheben sich wieder mit Busch Vegetation bedeckte Gebirgsketten, aus denen das kahle, sehr charakteristisch gestaltete, seitlich stark überneigende Haupt des Itacolumy hervorragt. In der Nähe der Stadt fielen mir grosse Mengen von Plantago und von Conium maculatum (Schierling) auf, die auf irgend eine Weise eingeschleppt sein müssen. Am nächsten Tage wanderte ich allein nach dem zwei Stunden von Ouro-Preto entfernten Passagem, um die dort vorhandenen Goldbergwerke kennen zu lernen. Man hatte mich freilich auf die in dem genannten Orte herrschende, allerdings im Erlöschen begriffene Blatternepidemie auf- merksam gemacht; da ich aber kurze Zeit vor der Ab- reise von Europa geimpft worden war, brauchte ich keine Furcht zu haben. Der alsbald sehr schlecht werdende Weg führt immer an einem mit Busch bewachsenen Berg- hange hin. Zur Rechten dehnt sich ein tiefes Thal; jen- seits desselben verläuft in schönen Linien die Itacolumykette. An vielen Stellen des Weges tritt nacktes Glimmerschiefer- gestein zu Tage. Der Sand an der Strasse glitzert im Sonnenlicht, denn er enthält sehr zahlreiche kleine Glimmer- theile, die der Verwitterung bekanntlich grossen Widerstand entgegensetzen. In Passagem traf ich mit Herrn Dr. Schwacke zusammen, und wir machten uns alsbald auf, das nicht weit entfernte, von einer englischen Gesellschaft betriebene Bergwerk in Augenschein zu nehmen. Man hat hier mit ziemlich starker Neigung nach ab- wärts verlaufende Gänge in die Erde getrieben. Tief unten wird der goldführende Quarzit gebrochen, um ihn dann in Karren an die Oberfläche zu befördern. Das Gesteins- material wird hier zunächst mittelst grosser, durch Wasser- kraft in Betrieb gesetzter Maschinen grob, dann zu einem feinen Pulver zertrümmert. Dieses gelangt auf Schüttel- 10* I i X Reisen in den Staaten Rio de [aneiro, Minas Geraes, S. Paulo« tc, Vorrichtungen, über die Wasser hinströmt, um die leich- teren Qu arztheil che n von <.\vn schweren Goldkörnern mehr und mehr zu sondern. Die Letzte Wasche des Goldes er- folgt unter Beihüife von Wasser in flachen, tellerartigen Gelassen, die von der I [and der Arbeiter bewegt werden. Man gewinnt im Monat etwa 40 Kilo Gold, die einen W'erth von ca. 80000 Mark repräsentiren. Bei Passagem wird auch Goldwäsche in den Flüssen, die in der Nähe fliessen, betrieben. Relativ goldreich ist besonders der unterhalb kleiner Wasserfälle im Flussbett abgesetzte Sand, den man sammelt und auswäscht. Das Hauptziel meiner Reise im Staat Minas sollte Lagöa Santa sein, um dort die Camposvegetation näher kennen zu lernen. Ich fuhr von Ouro-Preto aus mit der Bahn zunächst eine kurze Strecke in westlicher, dann lange in nordwestlicher Richtung bis Sabarä am schönen Rio das Velhas. Die Fahrt in dem Thale dieses Flusses, das tief in das Campos bedeckte Plateau von Minas einschneidet, ist sehr hübsch. Die ziemlich steilen Hänge sind von prächtigem Wald geschmückt, aus dessen Grün hier und da blühende Bougainvilleen farbenprangend hervorleuchten. Von Sabara weiter bis Vespasiano, wo ich die Bahn ver- liess. Das Wirthshaus dieses Dorfes war wenig behaglich und sehr schmutzig, übrigens von freundlichen Menschen bewohnt, die sich mir gefällig zeigten. Abends versam- melten sich verschiedene Brasilianer in dem Hause, um unter grossem Lärm bis tief in die Nacht hinein Karten zu spielen. Ich genoss die Kühle der Luft nach einge- brochener Dunkelheit im Freien. Dabei leisteten mir grosse Hunde sowie schwarzborstige Schweine, welche zu meinen Füssen lagen, Gesellschaft. Für die Tour nach Lagoa Santa, etwa zwei Meilen östlich von Vespasiano gelegen, hatte der Wirth einen Führer engagirt. Wir passirten zunächst einen kleinen Fluss, dessen Ufer von einer üppigen Baum- und Strauch- Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Elinas Geraes, S. Paulo etc. I4Q Vegetation eingefasst waren, dann ging es kurze Zeit steil bergan und nun auf ziemlich ebenem Terrain in sehr cha- rakteristischer brasilianischer Camposregion, die ja über- haupt im Innern des Landes so ungemein verbreitet ist, weiter. Der rothe Thonboden dieser Gegend (in der Nähe von Lagoa Santa giebt es, wie hier bemerkt werden mag, auch Kalkgestein) wird überzogen von einem dichten Rasen kleinerer, perennirender Gewächse, unter denen grauhaarige Gräser, Labiaten, Boragineen sowie Compositen, die ich auch zum Theil in Blüthe fand, die erste Stelle einnehmen. Warming (vergl. den botanischen Jahresbericht von 1892), der die Flora von Lagoa Santa eingehend studirte und dessen Angaben ich im Folgenden mehrfach verwerthen werde, macht auch noch besonders auf merkwürdige Eryngien (Umbelliferen) aufmerksam. Erdbromeliaceen sind eben- falls vorhanden; vor allen Dingen fällt aber die ziemlich dichte Vegetation von Myrtaceen-, Malpighiaceen- und Melastomaceensträuchern auf, welche fast sämmtlich weich- haarige, auf der Unterseite grau- bis bräunlich gefärbte Blätter tragen. Die niedrigen Bäume zwischen der die weiten Camposebenen bedeckenden Strauch Vegetation zeichnen sich durch graue, zum Theil mit dicken Korklagen versehene Stämme und namentlich durch den sonderbaren, förmlich schlangenartig gewundenen Wuchs dieser letzteren aus. Es macht den Eindruck, als ob dieselben bestrebt wären, sich möglichst im Schutz des Gebüsches zu entwickeln. Palmen giebt es wenige; ich sah nur eine Cocosart, wohl Cocos flexuosa. Ebenso ist die Zahl der das Gebüsch durchziehenden Schlingpflanzen gering. Sehr charakteri- stisch für das gesammte Landschaftsbild erscheinen noch die zahlreichen Termitenbauten, welche überall als rothe, zum Theil mannshohe Kegel vom Boden emporragen, oder in Gestalt kopfgrosser, mit rother Thonschicht umkleideter Nester an den Bäumen kleben. Wir haben es hier also mit echten Campos cerrados I ^o R-' 'sen U1 den Staaten Rio de [aneiro, Mi na- < rerai s, S. Paulo i ti . geschlossenen Campos zu thun, während an anderen Stellen bei Lagoa Santa auch Campos limpos ohne Bäume, ja fast ohne Büsche, nur von Gräsern und anderen niedrig bleibenden Pflanzen bestanden, vorhanden sind. Nach mehrstündiger Wanderung schimmerte uns aus einer ausgedehnten Bodensenkung die sonnenbeglänzte Wasserfläche des Landsees von Lagoa Santa entgegen, dessen Ufer meist von Gebüsch umsäumt sind, und bald erreichten wir auch das unter 19.40" südl. Breite gelegene, weitläufig gebaute Dorf, zwischen dessen Häusern und Gärten hier und da hohe Palmen aufragen. Ich ging zunächst zum Ortsgeistlichen, der mir aber einen so stumpfsinnigen, geradezu verkommenen Eindruck machte, dass ich ihn bald wieder verliess, um mich an den Lehrer Lagoa Santas, Prof. Portelo, zu wenden. Bei Lagoa Santa eultivirt man besonders Bohnen, Mais, Ricinus und Baumwolle; auch etwas Zuckerrohr sah ich angepflanzt. Die Felder werden im Waldgebiet, von dem noch die Rede sein wird, angelegt. Hat man dem Boden einige Ernten abgewonnen, so lässt man ihn liegen. Er bedeckt sich im Laufe einiger Zeit wieder mit Wald und kann abermals für Culturzwecke vorbereitet werden. Ganz in der Nähe des Dorfes wächst auch Solanum grandiflorum, eine Pflanze, die mich als baumartige Solanacee und wegen ihrer kopfgrossen Früchte interessirte. In Lagoa Santa hat der dänische Naturforscher Lund lange Jahre gelebt. Er ist hier auch gestorben; sein Grab liegt weit ab vom Dorf mitten im Campo. Der etwa 10jährige Sohn meines freundlichen Wirthes führte mich zur Ruhestätte des Gelehrten. Wir gingen ziemlich lange über die baumlose, sonnendurchglühte Ebene, bevor wir das von einem Holzgitter umgebene Grab erreichten. Mein junger Begleiter öffnete die Thür des Gitters erst, nachdem er mich gefragt hatte, ob ich auch getauft wäre. Lund muss in Lagoa Santa hoch geachtet gewesen sein; die Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, S. Paulo etc. j £ I Bewohner des Dorfes reden heute noch, obgleich er lange todt ist, mit grosser Verehrung von ihm. Die stille, von Gebüschen umgebene Grabstätte scheint mir gut gewählt zu sein, um einem Naturforscher die letzte Ruhe zu bieten. Die Vegetation der Campos zeigt mancherlei Anpas- sungen an die wenigstens zeitweilige Trockenheit des Bodens sowie der Luft. Hier kommt namentlich die Behaarung der Blätter in Betracht, und ferner auch die Erscheinung, dass einige Bäume, wie Warming hervorhebt, in den sehr regenarmen Monaten sogar ihr Laub völlig abwerfen. Die schon erwähnte starke Korkentwickelung mancher Bäume hat wohl hauptsächlich den Zweck, einer zu lebhaften Er- wärmung der Äste und Stämme durch die Sonnenstrahlen vorzubeugen. Übrigens ist die Savanenregion der brasilianischen Campos doch bei weitem nicht so trocken, wie die früher geschilderte Caatinga in Bahia, und daher sind in der ersteren auch die meisten Büsche sowie Bäume immergrün. Der aus immergrünen Bäumen (zumal Papilionaceen, Myrtaceen, Rubiaceen, Artocarpeen, Euphorbiaceen) zusam- mengesetzte Wald, der freilich recht üppig ist, aber doch nicht entfernt die Kraft und Grossartigkeit des Küstenwaldes erreicht, findet sich bei Lagoa Santa am Ufer der Wasser- läufe sowie dort entwickelt, wo sich in Folge von Boden- senkungen Feuchtigkeit ansammeln kann. Diese in den Campos inselartig auftretenden Waldbestände sind reich an Unterholz (nach Warming in erster Linie Rubiaceen- und Melastomaceenbüschen). Ebenso findet man in ihnen viele Lianen. Von Epiphyten fielen mir Orchideen mit grossen, herrlich duftenden Blüthen auf. Von Lagöa Santa nach Vespasiano zurückgekehrt, reiste ich über Sabarä wieder nach Lafajette, dann am zweiten Tage in 12 Stunden nach Barra do Pirahy, welches an der von Rio de Janeiro nach S. Paulo führenden Bahn liegt, und am dritten Tag nach S. Paulo. i - j R isen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas G raes, S. Paulo etc. Dir Bahn folgt von Barra do Pirahy «ine Zeit lang dem Parahyba und durchschneidet das I [ochland des Staates Rio de Janeiro. Rechts werden die im blauen Duft schimmern- den Bergketten der Serra da Mantiqueira, denen man sich immer mehr nähert, sichtbar. Man erblickt auch weiterhin den ca. 3000 m hohen Itatiava, den höchsten Berg Bra- siliens. In Cachoeira ist Wagenwechsel. Es beginnt die schmalspurige Strecke. In schlechten, niedrigen Wagen fährt man weiter durch Campos, Wald und vorbei an mancher grossen Kaffeeplantage. Gegen Abend, als wir im Thal eines Nebenflusses des Paranä reisten, der also schon dem Laplatagebiet angehört, erstrahlte der bewölkte Himmel im Schein der untergehenden Sonne wunderbar herrlich in violetten Farbentönen. Nach Einbruch der Dunkelheit er- reichten wir endlich das etwa 800 m über dem Meeres- spiegel gelegene S. Paulo. Der Staat S. Paulo zählt gegen 2 Millionen Ein- wohner, darunter auch viele Deutsche und Italiener. Die Bevölkerung zeichnet sich vor derjenigen anderer Staaten Brasiliens, wie allgemein anerkannt wird, durch Thatkraft sowie Unternehmungsgeist aus. Das Klima im Hochlande ist gesund und nicht übermässig heiss (mittlere Jahres- temperatur z. B. in der Stadt S. Paulo 190 C); in den niedrig gelegenen Küstenstrichen, zumal in der Hafenstadt Santos, wüthet dagegen das gelbe Fieber oft schlimm. Von der grössten Bedeutung für den Staat ist die Kaffee- cultur, welche in neuerer Zeit einen mächtigen Auf- schwung erfuhr, und viel zur Entwickelung des ziemlich ausgedehnten Eisenbahnnetzes des Landes beigetragen hat. Die Stadt S. Paulo, wenig südlich vom Wendekreis des Steinbocks gelegen, zählt heute wohl bereits 140000 Ein- wohner. In der Stadt herrscht ein sehr reges Leben. Überall wird gebaut und fleissig gearbeitet; ganz anders, wie in anderen Orten Brasiliens, die ich kennen lernte, rühren sich hier alle Hände zu nutzbringender Thätigkeit. Staat und Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, S. Paulo etc. i n Stadt S. Paulo scheinen in Brasilien wirklich an der Spitze der Civilisation zu marschiren. In S. Paulo fehlte es mir nicht an verschiedenen für mich sehr werthvollen Beziehungen und Empfehlungen. Zunächst besuchte ich Herrn Nothmann, einen Deutschen, der, wie ich alsbald erfuhr, seines Unternehmungsgeistes wegen in hohem Ansehen steht. Unter der liebenswürdigen Führung dieses Herrn lernte ich die Stadt kennen. Wir fuhren lange in den Strassen umher, sowohl in den älteren, wie auch in denjenigen, welche im Entstehen begriffen sind, und in denen sich zum Theil bereits stattliche Häuser wohl- habender Kaufleute, Fabrikanten oder Fazendeiros erheben. S. Paulo, in dem auch das deutsche Element eine erheb- liche Rolle spielt, ist in rapider Entwickelung begriffen. Mein Begleiter hatte selbst vor längeren Jahren ein weites Terrain angekauft; es bereitete ihm offenbar viel Befriedigung, mir zu zeigen, wie dasselbe jetzt zur Anlage eines neuen Stadttheiles Verwendung findet. Recht interessant war der Besuch eines Kirchhofes. Abgesehen von vielen schönen Grabdenkmälern fesselte hier besonders eine merkwürdige Einrichtung meine Aufmerksamkeit, die ich allerdings auch schon in Bahia kennen gelernt hatte. Wohlhabende Leute lassen die Särge, in denen ihre Todten ruhen, nämlich nicht direct in die Familiengrüfte bringen, sondern dieselben ge- langen zunächst in Nischen, welche in grosser Zahl und reihenweise über einander in der mächtigen den Kirchhof umgebenden Mauer angebracht sind. Die Nischen werden dann vermauert; erst nach Verlauf mehrerer Jahre findet die Beisetzung der Knochenreste in der Familiengruft statt. Über Ursprung sowie Sinn dieser sonderbaren Sitte habe ich trotz mehrfacher Erkundigung nichts erfahren können. Minder begüterte Leute lassen ihre Dahingeschiedenen übrigens sogleich in ein Grab versenken. Stirbt ein Kind unter 10 Jahren, so ist die Trauer zumal bei den Negern nicht gross. Man sagt: „Es wird ja ein Engel". In Bahia, l e ! Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Mina (iei , S. Paul wo ich der Beerdigung eines Negerkindes beiwohnte, trugen die dem Sarge folgenden Frauen weisse Kleider und waren anscheinend ganz vergnügt. Wir besahen ferner noch die Essig-, Liqueur- und Kunstweinfabrik des Herrn Rosenhein, die sich durch pein- liche Sauberkeit des ganzen Betriebes auszeichnet. Der Kunstwein, aus einer Mischung von Wasser, Zucker, ver- schiedenen Zusätzen, z. B. Zimmt, durch Gährung etc. hergestellt, wird besonders nach dem Innern verkauft und stellt, mit Wasser vermischt, in der That ein recht an- genehm kühlendes Getränk dar. Recht lehrreich war ein Ausflug, den ich gemeinsam mit dem Botaniker der Commissäo geologico, Herrn Edwall, in die der Serra do Mar zugehörenden Berge bei Santos unternahm. Die Bahn S. Paulo -Santos wurde von einer englischen Gesellschaft erbaut. Sie zeichnet sich durch vor- zügliche Construction aus, aber ist heute nicht mehr im Stande, den enorm angewachsenen Verkehr zu bewältigen, so dass neue Linien zwischen der Küste und dem Innern im Entstehen begriffen sind. Von S. Paulo erreicht man Santos in dreistündiger Fahrt. Zunächst durchschneidet man eine Stunde lang die Campos limpos des Hochlandes, auf deren zum Theil sumpfigem Boden Gebüsch und Bäume fast völlig fehlen. Hier wachsen Gräser , Carex- , Rhynchosporaarten, Eriocaulaceen, Xyridaceen und grosse Mengen des gelb blühenden Senecio brasiliensis. Schnell nähert sich der Zug dem Gebirge. Von Alto da serra bis Raiz da serra werden die Wagen auf sehr geneigter Ebene an dicken Drahtseilen hinabbefördert. Die Berge sind herrlich bewaldet. Mancher prächtige Blick in die Ferne oder in tiefeingeschnittene, im üppigsten Grün prangende Schluchten bietet sich dem Auge. Dem Stationsgebäude von Raiz da serra gegenüber sieht man einen Wasserfall, dessen weisses Schaumband sich scharf vom grünen Waldeshintergrund abhebt. Wir fuhren Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, S. Paulo etc. t z c nicht weiter nach dem mit der Bahn in kaum einer Stunde zu erreichenden Santos, sondern wanderten von Raiz da serra aus, trotzdem es leider zu regnen begann, in die Berge. Zunächst suchten wir unseren Weg durch eine verlassene Bananenpflanzung. Das war allerdings sehr mühsam, denn die üppige Vegetation der noch vorhandenen Musapflanzen, von Heliconien, Cecropien, Piperaceen, Myrtaceen, Solaneen etc. bildete ein schwierig zu passirendes Dickicht. Auf Fels- blöcken wuchsen Begonien in ziemlich grosser Zahl, und epiphytische Rhipsalideen sowie Lycopodien gab es in Menge. Der Wald, den wir allmählich erreichten, ist ziemlich reich an Unterholz (Myrtaceen, Melastomaceen, Piperaceen, Farne); seine Baumvegetation wird von Leguminosen mit Bretter- wurzeln, Lauraceen, Bignoniaceen, Myrtaceen, Melastomaceen, Palmen etc. gebildet. Die Bäume, welche bei Santos oder an anderen Orten in der Serra do Mar vorkommen, kann man sehr gut im Passeio publico zu S. Paulo kennen lernen. Hier gedeihen z. B. prächtige gelb blühende Schizolobien (Gruppe der Leguminosen), Bignonien mit rosa und Tibouchina (Familie der Melastomaceen) mit rothen sowie weissen Blüthen. Be- sonders fallen im Garten sonst noch auf hohe Exemplare von Araucaria brasiliensis, deren Aste mit Büscheln breiter Nadeln enden, grosse Casuarinenbäume sowie herrliche Gruppen von Bambus. Eine Stunde entfernt von S. Paulo, mitten im busch- losen Campo, erhebt sich, wahrlich überraschend genug für den Fremden, der Prachtbau des Ipirangapalastes, welcher zur Erinnerung an die an dieser Stelle im Jahre 1822 er- folgte Unabhängigkeitserklärung Brasiliens errichtet worden ist. In den hohen, weiten Räumen des Gebäudes hat man jetzt ein zoologisches Museum untergebracht. Dasselbe, unter Leitung eines Deutschen, des Dr. von Ihering, stehend, ist vortrefflich geordnet und bietet ein sehr vollständiges Bild der brasilianischen Fauna. l c6 Reisen in den Staaten Rio de [aneiro, Minaj G . S. Paulo etc. Nach mehrtägigem Aufenthall in S. Paulo reiste ich nach Campinas. Man erreicht diese- Stadt von ca. 2 (.000 Ein- wohnern in dreistündiger Bisenbahnfahrt. Der < Mi mit seinen gut gepflasterten Strassen sowie mancher hübschen Anla macht einen sehr freundlichen Eindruck. Bald nach meiner Ankunft ging ich in das Institute) a^ronomico. Dasselbe wird von einem Deutschen, dem verdienstvollen Dr. Dafert, geleitet. Das Institut unterhält der Staat S. Paulo. In richtiger Würdigung der hohen Bedeutung der Station, welche die Aufgabe hat, die wissenschaftlichen Grundlagen für eine rationelle Cultur der Kaffeepflanze sowie anderer Gewächse aufzufinden, werden derselben in liberaler Weise die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung gestellt. Das Institut mit seinen Laboratorien, Gärten und Versuchs- feldern ist ganz grossartig angelegt; es entspricht durchaus den Anforderungen unserer Zeit. Dem Director stehen mehrere wissenschaftlich gebildete Assistenten, ein Chemiker, ein Botaniker, ein Zoolog, ein Landwirth, zur Seite. In allererster Linie wird jetzt die Frage nach der Düngung der Kaffeepflanze studirt. Bisher hat man auf den Fazenden dieser Düngung kaum Aufmerksamkeit zu- gewandt, oder dem Boden höchstens die Kaffeeschalen so- wie anderweitige Abfälle zugeführt. Die Folge war, dass der Ertrag der Bäume nach etwa 30 jähriger Cultur der- selben auf einem bestimmten Terrain erheblich nachliess. Durch Zufuhr künstlichen Düngers zum Boden kann man nun, wie erfahrungsgemäss feststeht, die Ernten nicht nur wesentlich steigern, sondern die Zeit der Tragfähigkeit der Pflanzen zugleich bedeutend verlängern. Ich war in der That ganz überrascht über den gewaltigen Unterschied, den Kaffeeculturen zeigten, die man nach Wagners Methode einmal in ungedüngtem, andererseits in einem an Nährstoffen bereicherten Boden ausgeführt hatte. Hier im Institut bietet sich den Fazendeiros Gelegenheit, sich unmittelbar von der Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, S. Paulo etc. 1^7 Ju1J%AA/yv%r.aAj*.rj-ij-ij*j*»*-*-*i*i****i*i*i*<*f* **************** * + m****t******^*t+^**k+^0**^*^****^^^ Wirksamkeit der Mineralstoffzufuhr zum Boden zu über- zeugen. Sie sind in der Lage, alle Mittel kennen zu lernen, die für die Förderung ihres Betriebes, der naturgemäss all- mählich intensiver gestaltet werden muss, nothwendig er- scheinen. Auch der Weinrebencultur wendet Dr. Dafert jetzt viel Aufmerksamkeit zu; nicht minder der Frage, welche Futter- pflanzen unter den im Staat S. Paulo gegebenen Bedingungen besonders anbauwürdig sind. Namentlich werden Culturen mit Tricholoaena rosea durchgeführt, einem Gras, welches schön gestaltete, rosafarbene Blüthenstände trägt. Viel Interesse bietet der Besuch der grossen Kaffeefazenda Genebra bei Campinas. Wir fuhren zunächst durch baum- losen Campo, auf dem besonders Senecio brasiliensis und Aristida palens wachsen. Dann führte der Weg durch Ur- wald bis wir die Kaffeepflanzungen erreichten. Dieselben, aus vielen Tausenden, etwa 1 5 Fuss hohen Bäume bestehend, welche auch in ihrem unteren Theil reich verzweigt sind und ihre Wurzeln in rother, lehmiger Erde entwickeln, dehnen sich über weite Strecken Landes aus. Die Plantage wird von schnurgeraden, sich rechtwinkelig schneidenden Wegen durchzogen, auf denen man stundenlang zwischen den dunkellaubigen, dicht stehenden Kaffeepflanzen umher- wandern kann. Schliesslich gelangten wir zu weiten, dem Anbau von Mais, Bohnen etc. dienenden Feldern. In dem Mittelpunkte derselben befindet sich der Hof der Fazenda mit seinem schönen Herrnhaus, den Wohnungen der ita- lienischen und schwarzen „Kolonisten", den sehr grossen mit Ziegeln gepflasterten, freien Tennen, die zum Trocknen der Kaffeefrüchte dienen, sowie den XVirthschaftsgebäuden, in welchen durch Dampfkraft in Bewegung gesetzte Maschinen die Isolirung der Bohnen aus den Früchten, die Reinigung und die Sortirung der letzteren besorgen. In Campinas und Umgegend fiel mir die tiefe Bläue der Luft auf, welche derjenigen des südeuropäischen Hirn- i c 3 R.< i -• ' i ; in den Staat □ Rio | i iro, Minas < i ■ raes, S. Paulo el . mels gleicht, während eine solche tiefe Bläue in typisch tropischen Gegenden, /.. B. in Bahia oder unter dem Äquator, nicht zu beobachten ist. Von Campinas ging Ich über S. Paulo nach Rio zurück und trat alsbald mit Herrn Ule eine neu:- Krise an, um dir Urwalder im Norden des Staates Rio de Janeiro und im sudlichen Espirito Santo kennen zu lernen. Diese Tour war uns dringend von einem Herrn empfohlen worden, der als ( )rchideensammler einer bedeutenden englischen Gärtnerei in Rio lebt. Er sendet von hier aus eine Anzahl Reisende in das Land, um Orchideen aufsuchen zu lassen und sagte uns, dass seltene Formen in England unter Um- ständen pro Stück mit 2 — 3000 Mark bezahlt würden. Wir fahren mit Schiff über die Bucht nach S. Anna, dann weiter gen Nordost mit der Bahn. Der Zug passirt zunächst Mangrovelandschaft, in der besonders Avicennia und Laguncularia gedeihen, etwas Restinga und durchschneidet weiterhin ein sumpfiges, bewaldetes Terrain. In den Wasser- tümpeln wachsen Salvinien in grosser Menge; im Sumpf sieht man Typhaarten, die Onogracee Jussiaea und viele Cordiaexemplare, eine baumartige Asperifoliacee mit weissen Blüthen. Die Gegend wird allmählich bergig. Die Bäume, welche in dichten, üppigen Beständen die Abhänge schmücken, sind mit Epiphyten, zumal Bromeliaceen, überladen. Hier erheben sich gelb blühende Leguminosen, dort gewaltige Lecythisstämme, die im Schmuck junger, roth gefärbter Blätter sowie rosafarbener Blüthen prangen. In dieser süd- lichen Tropenregion kann man wirklich von einem Frühling reden, der die Natur durch seine gesteigerte Wärme ihrer höchsten Kraftentfaltung zuführt. Nach etwa vierstündiger Fahrt erreicht der Zug die Frühstücksstation Macahe. In unmittelbarer Nähe dieses Ortes erblickt man plötzlich die blauen Fluthen des Meeres, während die Reise schon kurz vor Macahe durch Restinga ging, die auch lange Zeit nach der Station nicht von der Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, S. Paulo etc. ICQ Bahn verlassen wird. Der ebene Boden der Restinga besteht hier, ebenso wie es in der entsprechenden Formation bei Rio der Fall ist, aus fast reinem Sand. Die Buschvegetation ist sehr dicht und besonders ausgezeichnet durch das Vor- kommen von Ericaceen sowie Maregraviaceen. Gegen Mittag gelangten wir in eine busch- und baum- lose, sumpfige Gegend, in der Zuckerrohr gebaut wird und ausgedehnte Weideflächen vorhanden sind. An einigen Stellen wuchsen ungeheure Mengen blühender Exem- plare der herrlichen Pontederiacee Eichhornia crassipes dicht gedrängt bei einander, so dass es aus der Ferne den Anschein hatte, als wären grosse, violettblau gefärbte Tücher auf das frische Grün, das den Boden schmückte, hin- gebreitet. Wir erreichten endlich Campos, eine Stadt von 24000 Einwohnern, hart am rechten Ufer des hier sehr breiten und schiffbaren Parahybaflusses gelegen. Das Hotel Gaspar, in welchem wir abstiegen, liegt in unmittelbarer Nähe eines öffentlichen Gartens, in dem schöne Oreodoxa- exemplare cultivirt werden. Die Strassen der Stadt, meist gut gepflastert, sind zum Theil mit Caesalpinien bepflanzt, in deren schirmartigen Kronen grosse, rothe Blüthen prangten. Besonders anziehend ist eine Wanderung am Strom. Eine 250 m lange Brücke verbindet die Ufer desselben mit ein- ander. Die breite Wasserfläche, hoch ragende Palmen und der weite Blick in die Ferne, gewähren dem Bilde etwas sehr reizvolles. In Campos genoss ich das zweifelhafte Ver- gnügen, einem auf der Strasse stattfindenden Hahnenkampt beizuwohnen. Die Besitzer der Thiere bringen dieselben zu- sammen, und sofort gehen die Hähne auf einander los. Der eine der Vögel zeichnete sich dabei durch grossen Muth aus, während der andere, mehr klug und besonnen, erst jede geeignete Gelegenheit abwartete, um seinen unvor- sichtigen Gegner durch einen Stoss zu verwunden. Als die Thiere ganz ermattet waren, wurden sie wieder in ihre Ställe zurückgetragen. 1 1 iq Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Min; i , S. Paulo etc. Am nächsten Morgen fuhren wir mit der Bahn, deren Stationsgebäude am linken Parahybaufer Liegt, weiter i Norden der Grenze des Staates Espirito Santo 7M. In Murundu überschlugen wir einen Zug, um von diesem ldeinen I >rte aus eine Excursion zu unternehmen. Wir gingen auf dem Bahnkörper , da sich uns kein anderer einigermassen guter Weg zeigte, weiter. Alan hat viele primitiv erbaute, ge- landerlose Brücken zu passiren, was nicht sehr angenehm ist, weil die zu beschreitenden, die Schienen tragenden Quer- balken oft weit von einander entfernt liegen, und ein Fehltritt den Absturz in das tiefe Bett eines Baches zur Folge haben kann. Rechts und links vom Bahnkörper dehnt sich eine zum Theil undurchdringliche, von niedrigen Bäumen und Büschen gebildete Capoeiravegetation aus, die entsteht, wenn Ländereien, welche einmal zu Culturzwecken Ver- wendung gefunden haben, sich selbst überlassen bleiben. Hier gedeihen Dalechampia, eine merkwürdige Euphorbiacee, grossblumige Solaneensträucher mit Stachelbildungen auf der Blattspreite, Malpighiaceen, die milchsaftreiche, grosse rothe Blüthen tragende Asclepias curasavica, Aristolochien mit fast einen Fuss langen Blüthen, die in Brasilien so häufige Thunbergia alata, welche leicht an ihren trübgelben Blüthen erkannt werden kann, und viele weitere Gewächse. Unter den Wasserpflanzen ist Pistia häufig. Gegen Abend brachte uns die Bahn von Murundu nach S. Eduardo. In diesem kleinen Dorfe quartirten wir uns für einige Tage ein, und hatten die Freude, auch Herrn Legations- secretair Dr. v. Erckert bald begrüssen zu können, der uns, einer Verabredung gemäss, nachgereist war. Unser Zimmer bot einen wenig angenehmen Aufenthalt; die Kost war zum Theil ungeniessbar. Die Temperatur schwankte in dieser nicht hoch über dem Meeresspiegel gelegenen Gegend nur wenig. Sie betrug am Tage meist über 30 ° C. Gegen Abend entluden sich täglich heftige Gewitter, wodurch die Schwüle der sehr feuchten Luft vorübergehend etwas gemildert wurde. Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, S. Paulo etc. i(5l Bei unserer Abfahrt von S. Anna hatte Herr Ule eine grosse Zinkblechkiste, die wir zur Conservirung des ge- sammelten Pflanzenmaterials benutzen wollten, bei der Ge- päckexpedition aufgegeben und auch einen ordnungsgemäss ausgestellten Gepäckschein erhalten. Als wir die Kiste in S. Eduardo verlangten, stellte sich heraus, dass sie fehlte. Wir telegraphirten mehrfach; erhielten auch Antwort, aber die Kiste blieb aus. Auf der Rückreise fanden wir sie un- versehrt im Bahnhof zu S. Anna. Sie war einfach nicht expedirt worden. Selbst die Depeschen veranlassten die indolenten Beamten nicht, ihre Pflicht zu thun. Ganz in der Nähe unseres Wirthshauses, noch im Dorf selbst, erhob sich ein gewaltiges Ficusexemplar, mit un- gemein ausgedehnter, weithin Schatten spendender Krone. Dicht bei diesem Riesenbaum fanden wir eine hohe Pereskia mit grossen rosafarbenen Blüthen, eine Cactacee, die sich durch den Besitz wirklicher Laubblätter auszeichnet. In geringer Entfernung vom Dorf dehnt sich überall der Ur- wald auf nicht bergigem Terrain aus. Derselbe ist hier und ebenso bei dem später von uns besuchten Mimoso ganz grossartig entwickelt. Die Stämme der Bäume besitzen zum Theil ungeheure Dimensionen. Ihre Kronen sind in Folge des hohen Feuchtigkeitsgehaltes der Luft mitEpiphyten vielfach überladen. Am Waldrande bilden zahlreiche Ge- wächse, besonders Mimosen, Melastomaceen, Piperaceen, Urticaceen, undurchdringliche Dickichte, während den tief beschatteten WTaldboden selbst zerstreut stehende Heliconien, Marantaarten, Caladien, Begonien schmücken. Von S. Eduardo aus führen verschiedene Wrege direct in den Urwald. Wo dieselben breiter sind und reichliches Licht zwischen die Bäume eindringen kann, da werden die unteren Theile der Stämme völlig von einer undurchdringlichen grünen Wand üppigster Vegetation verhüllt. Von schmalen, schattigen Pfaden aus kann man hingegen hier und da mit einiger Mühe in den Urwald selbst eintreten. An den Wegerändern sahen wir Detmer, Brasilianische Reisebilder. II \ < 1 2 Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, S. P; tc. Cecropien von [2 ja 20 Meter Höhe; einmal auch eine hohe Opuntie mit saftigen Früchten, deren Fleisch nach Entfernung der stacheligen, dasselbe umgebenden Maut köst- lich mundete. Besonders zierlich erscheint das Laub (Ut Mimoseensträucher, deren zarte Blättchen sich da, wo sie von den Sonnenstrahlen getroffen werden, zusammenlegen, während sie im Schatten ausgebreitet sind. Unter den Bäumen des Urwaldes fielen uns namentlich riesige Ficusexemplare mit gewaltigen Bretterwurzeln, Bom- baeeen, Lecythis, andere Myrtaceen mit glatten Stämmen, die an ihrer Basis von losgelösten und herabgesunkenen Rindenmassen umgeben waren, Euphorbiaceen, deren Stamm- oberfläche an vielen Stellen Dornenbüschel trug, und welche in Folge von Verletzungen Ströme weißen Milchsaftes aus- treten ließen-, auf. Im Schatten dieser Bäume gediehen viele Palmen, namentlich Euterpe- sowie Astrocaryumarten. Die letzteren besitzen nur einige Meter hohe Stämme, welche, ebenso wie die Blattrippen, zahlreiche Stachelbildungen tragen. Interessant ist auch der Anblick mächtiger Baum- leichen, denen man im Walde begegnet. Dieselben stehen zum Theil noch aufrecht, in ihren oberen Theilen reich mit Epiphyten geschmückt, oder der Sturm hat die Baumriesen zu Boden gestreckt. Das modernde Holz wird bald morsch, bis es endlich völlig in seine Elemente zerfällt, die dann neuem, frischem Leben das Dasein geben. Von S. Eduardo setzen wir die Reise bis Mimoso fort. Die Bahn überschreitet den Itabapoana, berührt den am Ufer dieses Flusses gelegenen Ort gleichen Namens und tritt damit in den Staat Espirito-Santo ein. In seinem süd- lichen Theil ist derselbe gebirgig, im Norden dehnen sich aber weite, sumpfige Gebiete aus. Die Hauptstadt von Espirito-Santo heißt Victoria. Die Fahrt geht immer durch schönen Urwald, zum Theil am Ufer des Rio Mucuy do Sul hin, einem Nebenflusse des Itabapoana. Nach einigen Stun- den, als es schon völlig dunkel geworden war, erreichten Reisen in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes, S. Paulo etc. 163 , warfen Geldstücke in's Wasser, welche die Knaben, indem sie tief tauchten, mit bewunderungswürdiger Geschicklich- keit zu erhaschen wussten. Unvergesslich hat sich meiner Erinnerung das wunder- schöne Bild eingeprägt, dem sich der Reisende von Porto grande vom Schiff aus gegenüber gestellt findet. Im Vorder- grund die tief blaue Fluth der halbkreisförmigen Bucht und der kleine Hafenort. Etwas weiter landeinwärts erheben sich steil ansteigende, coulissenartig gruppirte Felsenberge, deren herrliche Formen und Linien um so klarer hervor- treten, als sie fast vegetationsfrei sind. Unmittelbar nach unserer Abfahrt tauchte die hinter einem Felsen verborgen gewesene Sonne hervor. Auf dem Meer schien ein leicht bewegter Strom rothglühenden Metalls ausgegossen; die Wolken strahlten im Glanz des sinkenden Tagesgestirns. Nach kurzer Dämmerung ruhte bald tiefe Dunkelheit über dem Ocean. Als wir am 30. November den Wendekreis des Krebses passirt hatten, wurde es merklich kühler. Auch der schon ziemlich hohe Stand des Polarsternes erinnerte daran, dass wir die Tropenregion verlassen hatten. Einen Tag später, früh um 10 Uhr, stieg der Pic von Tenerifa vor uns auf. Tenerifa, eine der kanarischen Inseln, die bekanntlich den Spaniern gehören, ist auf der Westseite von üppiger Vege- tation bekleidet, und im südlichen Theile erhebt sich der gewaltige, 381 1 Meter hohe Vulkan. Auf einem mäch- tigen, abgeplatteten Bergrücken ruht eine 1 300 Meter hohe, zuckerhutförmige, vom November bis April schneebedeckte Pyramide. Gerade für den von Süden her kommenden Reisenden ist das Bild ein unvergleichlich erhabenes, zumal wenn der Gipfel blendend weiss im Sonnenglanz erstrahlt, und sich dadurch um so schärfer vom blauen Himmels- hintergrunde sowie den tiefer liegenden, dunklen Felsenmassen abhebt. Bei prächtigem Wetter fuhr die Cintra den ganzen Tag so dicht an der felsigen, malerischen, aber vegetations- I - , Hi imi : armen Ostküste Tenerifas hin, dass wir Häuser, Menschen und hier und da einige Weinberge sehen konnten. I dämmerte bereits, als wir Santa Cruz de Tenerifa, eine tdt von 17,000 Einwohnern, erblickten. In leuchtenden, reifen Orangen beruhigende, freundliche Bilder darboten. Am nächsten Tage brachte mich die Bahn in zehn Stunden von Sevilla nach Granäda. Der Zug passirt zu- nächst sumpfiges Terrain, dann fährt man zwischen endlosen Hecken von Agaven und Opuntien, welche die Felder be- grenzen, dahin. Pinienbestände und ziemlich öde aussehende, von Mauern umfasste Orte tauchen auf, bis man endlich das in fruchtbarer Gegend gelegene Granäda erreicht, wo ich ganz nahe der einen hohen, baumbestandenen Hügel krönenden Alhambra wohnte. Die Stadt zählt heute etwa nur noch 70,000 Einwohner. Sie dehnt sich im Thal des dem Guadalquivir zuströmenden Xenil und in demjenigen des reissenden, von Osten her dem Xenil zueilenden Tarro aus, steigt aber auch am Alhambrahügel sowie an einem zweiten Hügel, der von jenem durch den zuletzt genannten Fluss getrennt ist, empor. Granada liegt in ca. 700 Meter Meereshöhe. Die meisten Strassen der Stadt sind eng und krumm. Die belebteste Strasse ist der Zacatin. Im mauri- schen Stiel völlig renovirt ist die Alcayceria, der von mehreren engen Gassen gebildete ehemalige Bazar. Für den Fremden beanspruchen in Granäda besonders die weltberühmte Alhambra und der Albaycin, jener Stadt- theil, der auf den durch den Tarro von dem Alhambra- hügel getrennten Höhen liegt, und in welchem zahlreiche Zigeuner (gitanos) wohnen, das höchste Interesse. Die Alhambra war die feste Burg maurischer Könige. Mag man den Blick von unten zu ihr hinaufwenden oder von der Burg selbst aus auf die Stadt schauen, immer wird man wieder gefesselt sein von dem köstlichen Bilde. Der ganze Bau von 3,5 Kilometer Umfang ist von einer Ringmauer umgeben. Innerhalb derselben liegen einige Wohnhäuser, ein von Karl V. erbauter Palast und der im Jahre 1338 vollendete maurische Königspalast. Derselbe besteht aus zahlreichen Sälen, Gängen, Höfen, Bädern und Gärten, in 1 S l Hei m i denen man sich nur schwer orienüren kann. Wundervoll ist der Saal der Gesandten. Er wird von mächtiger Kuppel überwölbt, und hier entfaltet sich besonders die Pracht maurischer Architektur. Herrlich erscheinl der Löwenhof, in dessen Mitte sich ein von u Löwen getragener Spring- brunnen erhebt Auch die Sah- der zwei Schwestern und des Gerichts sind sehr merkwürdig. Was würden die Steine der Mauern erzählen, wenn sie reden konnten? In den 1 lallen staunt man über die Detailausführung der Säulen. Keine gleicht völlig der anderen in dieser Hinsicht, und doch ist jeder Raum ein harmonisch in sich geschlossenes Ganzes. Die Wände sind zum Theil mit Mosaik- mustern versehen. An einigen Stellen ist ihre ursprüng- liche Farbe , Blau und Gold, noch erhalten. In den Gärten plätschern von beschnittenen Myrthenhecken um- gebene Brunnen; dazu sieht man überall Lorbeerbäume, Orangen und Cypressen. Etwas entfernt von der Alhambra liegt der Sommerpalast Generalife mit schönen Säulengängen und Gärten. Am rechten Ufer des brausenden Tarro führt eine Strasse zu einer Vorstadt Granädas, die besonders von vielen Zigeunern bewohnt ist. Zur Rechten hat man das tiete Thal, zur Linken einen Höhenzug, dessen Hänge Agaven und breitgliedrige Opuntien bedecken. In das feste, wasser- undurchlassende Gestein des Berges sind Höhlen hinein- getrieben, die Zigeunerfamilien zur Wohnung dienen. Die- selben empfangen Tageslicht nur durch die Thür, welche sie nach der Strasse zu abschliesst, und bestehen aus vier durch natürliche Wände von Fels von einander getrennten Räumlichkeiten, einem Wohn-, einem Schlatraum, der Küche und einem neben dieser liegenden Raum für Schweine und Hunde. Manche Höhlenwohnungen sind recht sauber ge- halten und bieten ein angenehmes Obdach dar. Ich wünschte sehr, die Zigeunertänze zu sehen, da aber an diesem Tage in Granäda abends keine derselben stattfanden, Heimreise. I g r traf mein Führer mit einem „Capitano" Verabredung, da- mit mir die Tänze bald vorgeführt würden. Wir bestiegen zunächst noch einen benachbarten Hügel, den die Kirche S. Nicola krönt. Von hier aus geniesst man eine wunderbar grossartige, ganz entzückende Aussicht. Ein Bild steht vor uns, wie es schöner nicht zu denken ist. Links dehnt sich die enge Schlucht des Tarro hin, rechts erblickt man das Häusermeer von Granada, im Vordergrund das schmale Flussthal und die auf einem Hügel ruhende Alhambra mit ihren Kuppeln und Thürmen. Majestätisch erhebt sich aber dahinter die gewaltige, steile Kette der Sierra Nevada, deren mit ewigem Schnee bedeckte Gipfel kühn in den blauen Himmel aufstreben. Wer das Glück hatte, dieses Bild einmal zu sehen, dem prägt es sich un- auslöschlich in das Gedächtniss ein. Die Sierra Nevada, aus Kalkstein und in ihren höchsten, bis zu 3500 M. aufsteigenden Kuppen aus Glimmerschiefer bestehend, hat nur eine Länge von 130 Kilometer und eine Breite von 30 — 45 Kilometer. Das Gebirge führt auch Gletscher, von denen einer dem Xenil seinen Ursprung giebt. Bald nachdem wir den herrlichen Aussichtspunkt von S. Nicola verlassen hatten, begegneten wir zwei Zigeu- nerinnen, Mutter und Tochter, von denen die erstere meinen Führer ansprach und ihm in erregtem Tone er- zählte, dass ihre jüngste Tochter ganz plötzlich von ihrem Liebhaber verlassen worden sei. Sie würde nichts sagen, fuhr die Frau mit Leidenschaftlichkeit fort, wenn das Mäd- chen nicht das schönste von Granada wäre, aber jetzt wüsste sie gar keinen Rath. Schön mochte die Tochter wohl sein, das glaubte ich gerne, denn die Mutter selbst besass noch angenehme Züge und besonders prächtige, dunkle Augen, die blitzten und leuchteten, indem sie sprach. Ich wurde in ein Haus geführt, in welchem sich sechs Zigeunerinnen bereits zum Tanz eingefunden hatten, von denen zwei sehr hübsch waren. Sie trugen kurze Röcke, -;-) Heimreise. bunte Brusttücher und Blumen im vollen Haar. Die Guitarre ertönte, und der Tanz nahm seinen Anfang. Bald einzeln, bald zu zweien oder zu mehreren, führten die Tänzerinnen ihre kunstvollen Übungen aus. Bei manchen Tänzen spielten die Castagnetten eine grosse Rolle, und immer erschienen besonders die Armbewegungen sehr anmuthi;. In den Pausen zwischen den Tanzen boten die Madchen Cactus- feigen und vortrefflich mundenden rothen Wein an. Von Granada über Sevilla nach Lissabon zurückgekehrt, musste ich hier noch mehrere Tage bleiben, da sich das nach Hamburg bestimmte Schiff in Folge schlechten Wetters verspätete. Grössere Ausflüge konnten leider nicht unternommen werden, weil es viel regnete. Die herrschende Temperatur von etwa io° C. war nicht angenehm. Es giebt in Lissabon keine Öfen, und mich fror sehr. In der That ist man nach längerem Aufenthalt in .den Tropen doppelt empfindlich für niedere Wärmegrade. Am 20. De- cember ging die Olinda (Capitain Bruhn) nach Hamburg ab. Am Nachmittag des 21. December sahen wir die felsige Küste Spaniens bei Kap Finisterre. Etwa 24 Stunden später trat die Olinda bei der französischen Insel Quessant in den Canal ein, passirte in der Nacht Dover und hatte am 24. December sehr heftigen Sturm auf der Nordsee aus- zuhalten. Schäumend brausten die vom Winde gepeischten Wogen gegen das Schiff. Ströme der salzigen Fluth er- gossen sich über das Deck, und auf demselben mussten Seile gespannt werden, an denen man sich beim Gelien auf den mit einer Eiskruste überzogenen Brettern festhalten konnte. Im Speisesaal flackerte ein lustiges Feuer im Kamin , um das wir uns zur Feier des Weihnachtsabends gemüthlich bei Punsch gruppirten. Ich war als einziger Passagier an Bord, aber verlebte die letzten Tage auf See in Gesellschaft des Capitains, der Offlciere und des Schiffs- arztes recht angenehm. Der Sturm tobte ununterbrochen fort. Es wurde auf Rotterdam gesteuert, indessen durch Heimreise. l87 Stromversetzung kam das Schiff in die Nähe der englischen Küste. Mehrfach musste auch gehalten werden, um durch Lothungen und Aufnahme von Proben des Meeresgrundes den Ort zu bestimmen, an dem wir uns befanden. Am folgenden Tage legte sich der Sturm; die holländische Küste kam in Sicht, und am 26. December befanden wir uns be- reits morgens auf der Elbe. Mich weckte ein sonderbares Geräusch, welches seinen Grund darin hatte, dass das Schiff die den Strom bedeckenden Eismassen durchschnitt. Wir lagen einige Zeit bei Brunsbüttel still, um die Fluth abzu- warten. Dann ging es rasch flussaufwärts. Im fahlen Licht der Wintersonne tauchten die hohen Thürme und Häuser- massen Altonas und der alten Hansastadt Hamburg auf. Grau und farblos erschien mir alles. Mir fehlte die wunder- same Lichtfülle, die das Auge in der Tropenwelt so lange genossen hatte. Um 1 2 Uhr mittags legte die Olinda am Vers- mann-Quai im Hamburger Hafen an, und am 28. December traf ich wieder in meinem lieben Jena ein. Im Jahre 1895 erschien mir vor meiner Abreise nach Brasilien der 21. Juni wie ein hoher Festtag, denn die Sonne wandte sich aus ihrem Zenithstande über dem Wendekreis des Krebses wieder der südlichen Hemisphäre der Erde zu, um in jenen Gegenden, die ich bald kennen lernen sollte, die höchste Fülle des Daseins zur Entfaltung zu bringen. Nun habe ich die wundersame Tropenwelt gesehen, und darf die Bereicherung, welche meine An- schauungen sowie Kenntnisse durch die Reise erfahren haben, als nicht unerhebliche bezeichnen. Die Erinnerung an meine Tropenfahrt wird mir aber ebenfalls stets eine Quelle reinster Lebensfreude bleiben. 1 38 ' «itteraturangaben. Einige Lilteraturan^aben. 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